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German Pages 742 Year 2002
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 898
Feststellender Verwaltungsakt und konkretisierende Verfügung Verwaltungsakte zur präventiven Regelung, Konkretisierung und Durchsetzung gesetzlicher Rechte und Pflichten
Von
Harald Kracht
Duncker & Humblot · Berlin
HARALD KRACHT
Feststellender Verwaltungsakt und konkretisierende Verfügung
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 898
Feststellender Verwaltungsakt und konkretisierende Verfügung Verwaltungsakte zur präventiven Regelung, Konkretisierung und Durchsetzung gesetzlicher Rechte und Pflichten
Von Harald Kracht
Duncker & Humblot • Berlin
Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2001 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten © 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-10761-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97060
Meinen Eltern
„Der Rechtsstaat wird dadurch vollendet, daß auch der Verwaltungsakt mit seiner bindenden Kraft hineingestellt wird in die zu ordnenden Verhältnisse zwischen Staat und Unterthan. Unbekannt der Anschauungsweise des Polizeistaates, nicht ganz Urteil, nicht ganz Rechtsgeschäft, verlangt der Akt in seiner einheitlichen Eigenart und Selbständigkeit erfaßt zu werden, soll anders das Verwaltungsrecht der Gegenwart verständlich sein, das er erfüllt."
Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht. Erster Band, 1. Aufl., Leipzig 1895, S. 94.
Vorwort Die vorliegende Schrift wurde im Wintersemester 2000/2001 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen FriedrichWilhelms-Universität in Bonn als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde im wesentlichen im November 2000 abgeschlossen; bei der Drucklegung konnte die bis zum Juli 2001 veröffentlichte Rechtsprechung in den Fußnoten berücksichtigt werden. Mein ganz herzlicher Dank gilt Herrn Prof. Dr. Jost Pietzcker, insbesondere für die inhaltliche Freiheit, die er mir gelassen hat, und seine Bereitschaft, die durch meine berufliche Tätigkeit im Bundesumweltministerium zunächst unterbrochene Arbeit weiter zu betreuen. Danken möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Christoph Engel für die Übernahme und zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Meinen Studienfreunden Herrn Johannes Geismann und Herrn Hans-Jörg Lieberoth-Leden danke ich für die wertvollen Diskussionen und Anregungen zu den Grundlagen dieser Arbeit sowie dem Land Nordrhein-Westfalen für die durch die Universität Bonn gewährte Graduiertenforderung. Schließlich möchte ich allen herzlich danken, die mich ermutigt haben, meine Dissertation fertigzustellen.
Bonn, im April 2002
Harald Kracht
Inhaltsübersicht
Teil 1: Teil 2: Teil 3:
Einführung und Problemaufriß
31
Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung" bei gestaltenden, feststellenden und befehlenden Verwaltungsakten
38
Verfassungsrechtliche Grundlagen für die Untersuchung behördlicher Regelungskompetenzen
192
Teil 4:
Grundpositionen und Fallgruppen im Streit um die Befugnis zur Regelung durch Verwaltungsakt 235
Teil 5:
Die Eingriffswirkungen konkretisierender Verfügungen und belastender Feststellungsbescheide 299
Teil 6:
Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung für konkretisierende Verfügungen und belastende Feststellungsbescheide
Teil 7:
Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung? - Eine fallgruppenspezifische Untersuchung
Teil 8:
354
Bilanz und Ausblick
401 681
Literaturverzeichnis
713
Sachregister
736
Inhaltsverzeichnis
Teil 1 Einführung und Problemaufriß A. Gilt der Vorbehalt des Gesetzes auch für die Handlungsform Verwaltungsakt? Kein Konsens über eine dogmatische Kernfrage 31 B. Zur Notwendigkeit einer Analyse des Verwaltungsaktes als verbindlicher Regelung und der Einteilung der Verwaltungsakte nach ihrem Regelungsinhalt.... 34 C. Der Verwaltungsakt in dem durch Grundgesetz und einfache Gesetze geschaffenen System der Gewaltenteilung
35
Teil 2 Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung" bei gestaltenden, feststellenden und befehlenden Verwaltungsakten A. Die gebräuchlichen Definitionen und ihre Kritik
38
I.
Die Mehrdeutigkeit des Begriffs der „Regelung"
38
II.
Die Einteilung der Verwaltungsakte nach ihren Regelungsinhalten
44
III.
Der feststellende und zugleich verbindliche Verwaltungsakt: eine in sich widersprüchliche Begriffsbildung?
48
1. Funktion und Kritik der Begriffsbildung
48
2. Rechtsanwendung durch feststellenden Verwaltungsakt
49
3. Verbindlichkeit der feststellenden Verwaltungsakte
53
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen I. II. III.
59
Rechtstheoretische, semantische und kommunikationstheoretische Vorüberlegungen
59
Ein rechtswissenschaftliches Grundproblem: Das Verhältnis des Regelungsaktes zum materiellen Rechtsverhältnis
63
Urteilswirkungen und Urteilsarten im Zivilprozeßrecht
67
14
Inhaltsverzeichnis
1; Die Bindung des erlassenden Gerichts (§318 ZPO)
67
2. Die formelle Rechtskraft (§ 705 ZPO)
68
3. Die formelle Rechtskraft als Voraussetzung der materiellen Rechtskraft, Gestaltungswirkung und Vollstreckbarkeit 68 4. Das Problem der materiellen Rechtskraft: Verbindlichkeit durch Gestaltung des materiellen Rechts?
69
a) Die materielle Rechtskraft im Spannungsverhältnis zwischen materiellem und Verfahrensrecht b) Die materiellen Rechtskrafttheorien c) Die prozessualen Rechtskrafttheorien d) Die Vermutungs- und Konkretisierungslehren
69 70 71 73
5. Leistungs-, Feststellungs- und Gestaltungsurteile
74
IV.
Das materielle Rechtsverhältnis als Bezugsobjekt der Begriffe Rechtsfeststellung und Rechtsgestaltung 77
V.
Die Wirkung feststellender und gestaltender Verwaltungsakte auf das materielle Verwaltungsrechtsverhältnis
79
1. Die verbindliche Konkretisierung des materiellen Rechts als Funktion und Wirkung aller Verwaltungsakte 79 a) Der Verwaltungsakt als Mittel zur Überwindung der dem abstraktgenerellen Gesetz immanenten Rechtsungewißheit 79 b) Die Definition der Verbindlichkeit als Abweichungsverbot 89 c) Die Ergänzung der Konkretisierungs- durch die Stabilisierungsfunktion: Aufhebungsbeschränkungen des VwVfG und der VwGO... 91 d) Die Verbindlichkeit als Rechtsfolge einer Erklärung mit Anspruch auf Verbindlichkeit 92 e) Ergebnis 96 2. Die Begründung, Änderung und Beendigung von Verwaltungsrechtsverhältnissen oder verwaltungsrechtlichen Rechten und Pflichten durch Verwaltungsakt oder durch Gesetz a) b) c) d) e) f)
Das Verwaltungsrechtsverhältnis Die Begründung aufgrund eines Gesetzes Die Begründung durch Gesetz Anspruchs-, Pflicht-, Kompetenz- und Zuständigkeitsnormen Die Begründung ohne gesetzliche Grundlage Die Veränderung oder Beendigung
3. Die Unterscheidung zwischen feststellenden und gestaltenden Regelungsgehalten a) Der feststellende Verwaltungsakt aa) Feststellungen der materiellen Rechtslage bb) Ablehnungsbescheide b) Der gestaltende Verwaltungsakt
96 96 97 100 103 104 104 105 105 105 111 115
Inhaltsverzeichnis
c) Der gestaltende Verwaltungsakt mit feststellenden Regelungselementen 119 aa) Ausdrückliche Tenorierung gestaltender und feststellender Regelungen 120 bb) Unterschiedliche Rechtswirkungen einer einzelnen Regelung.... 120 cc) Gestaltende Verwaltungsakte mit verbindlichen Inzidentfeststellungen 121 dd) Ergebnis C. Der befehlende Verwaltungsakt
124 125
I.
Die Definition
125
II.
Vollstreckungsrechtliche Titelfunktion und Leistungsbefehl
125
1. Die Titel- als Ergänzung der Regelungsfunktion
125
2. Die Verpflichtung des Adressaten
126
3. Die Vollstreckbarkeit
127
4. Ergebnis
128
Rechtsgestaltung und -feststellung durch befehlende Verwaltungsakte
128
1. Die Anwendbarkeit der Unterscheidungskriterien
128
2. Die konkretisierende Verfügung
129
III.
3. Die pflichtenbegründende Verfügung 133 D. Lediglich feststellende Verwaltungsakte und Verwaltungsakte mit unterschiedlichen Regelungselementen 134 E. Der feststellende Verwaltungsakt als Grundlagenbescheid
135
I.
Vorbescheide in gestuften Genehmigungsverfahren
136
II.
Grundverwaltungsakte im Enteignungsrecht
140
III.
Steuerrechtliche Grundlagen- und Folgenbescheide
140
IV.
Weitere Grundlagenbescheide, deren Regelungen nicht nur für die erlassende Behörde verbindlich sind
141
Ergebnis
144
V.
F. Feststellende und gestaltende Verwaltungsakte als unterschiedliche Mittel des Gesetzgebers zur Verwirklichung der Zwecke seiner abstrakt-generellen Normen
145
I.
Die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit und ihre Grenzen
145
II.
Beispiel: Verwaltungsakte im Denkmalrecht
150
1. Begriff des zu schützenden Denkmals
150
2. Schutz der Baudenkmäler
152
16
Inhaltsverzeichnis
a) Eintragungsprinzip (Classement-System) b) Unterschutzstellung ipso lege mit nachrichtlichen Listen c) Gemischte Schutzsysteme 3. Schutz der Bodendenkmäler G. Rechtsgrund und Grenzen der Verbindlichkeit von befehlenden, gestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten
152 154 158 159 160
I.
Die Suche nach einem dogmatischen System im Labyrinth der Meinungen und Begriffe 160
II.
Regelungswirkung, Verbindlichkeit und Vollstreckbarkeit befehlender Verwaltungsakte
162
III.
Regelungswirkung, Verbindlichkeit und Selbstbindung bei Verwaltungsakten, die einen Anspruch gegen eine Behörde begründen oder feststellen 164
IV.
Regelungswirkung, Verbindlichkeit und Bindungswirkung bei (auch) belastender Rechtsfeststellung oder -gestaltung
164
1. Die Lehre von der Verbindlichkeit aller wirksamen Verwaltungsakte... 165 2. Die Lehre von der materiellen Bestandskraft als allgemeinem Geltungsgrund auch gegenüberfremden Behörden 165 3. Die Kombination der Lehre von der materiellen Bestandskraft für die erlassende Behörde mit einer bestandskrafhinabhängigen Gestaltungs166 oder Tatbestandswirkung a) Die herrschende Lehre von der materiellen Bestandskraft b) Die lückenschließende Funktion der bestandskrafhinabhängigen Abweichungsverbote aa) Tatbestandswirkung i.e.S.: Der Verwaltungsakt als Tatbestandsmerkmal einer Rechtsnorm bb) Tatbestands Wirkung und Gestaltungswirkung als Bindung an Existenz und Inhalt von wirksamen Verwaltungsakten (1) Bindung an den Regelungsinhalt (2) Gestaltungs- oder Tatbestandswirkung als Rechtsfolge der gestaltenden Verwaltungsakte (3) Tatbestandswirkung i.w.S. als Element der Verbindlichkeit aller wirksamen Verwaltungsakte 4. Kritische Bewertung des Nebeneinanders von materieller Bestandskraft und bestandskraftunabhängiger Gestaltungs- oder Tatbestandswirkung
167 168 168 172 172 172 173
174
5. Konsequenzen für die Bestimmung der objektiven und subjektiven Grenzen der Bindungswirkung gesetzlich geregelter Verwaltungsakte.. 176
V.
6. Die Bindungswirkung nicht normierter Feststellungsbescheide
180
7. Ergebnis
180
Die zeitlichen Grenzen der Verbindlichkeit
181
Inhaltsverzeichnis
1. Die Regelungen der Wirksamkeit, Vollziehbarkeit und Bestandskraft in VwVfG und VwGO
181
2. Verfassungskonforme Begründung der Verbindlichkeit nur durch Prätentionsverzicht und materielle Bestandskraft?
183
a) J. Martens Lehre vom Verwaltungsakt als zweiseitiger Regelung 183 b) Richterliches Urteil und Verwaltungsakt als einseitige Regelungen . 184 VI.
3. Schlußfolgerung
185
Ergebnis
188
H. Nicht normierte Feststellungsbescheide und konkretisierende Verfügungen als Gegenstand der weiteren Untersuchung rechtsformspezifischer Fragen
188
Teil 3 Verfassungsrechtliche Grundlagen für die Untersuchung behördlicher Regelungskompetenzen A. Artikel 92 GG I. II.
192
Die These eines Richtervorbehalts zur verbindlichen Rechtsfeststellung oder Streitentscheidung
192
Die unter dem Vorbehalt gerichtlicher Nachprüfung stehenden Verwaltungsakte der rechtsanwendenden und -vollziehenden Gewalt
195
B. Der Vorrang des Gesetzes
208
C. Der Vorbehalt des Gesetzes
211
I.
Fragestellung
211
II.
Die Wesentlichkeits-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
212
1. Die Strafvollzugsentscheidung (BVerfGE 40, 237)
212
2. Kritik der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
214
Der rechtsstaatliche Eingriffsvorbehalt als Teil der allgemeinen Grundrechtslehre
219
IV.
Kein allgemeiner demokratisch-funktionaler Parlamentsvorbehalt
228
V.
Die Befugnis zum Erlaß von Verwaltungsakten gegen Hoheitsträger keine Frage des allgemeinen Vorbehalts des Gesetzes
230
III.
2 Kracht
18
Inhaltsverzeichnis
Teil 4 Grundpositionen und Fallgruppen im Streit um die Befugnis zur Regelung durch Verwaltungsakt A. Verfassungsrechtliche Grundsatzpositionen zur Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes und den Eingriffswirkungen des Verwaltungsakts 235 I.
II.
III.
Zur Regelungsbefugnis
235
1. Regelungsbefugnis bei unbestimmten Rechtsbegriffen oder hinreichend konkret bestimmten Pflichten?
235
2. Die Begründung einer allgemeinen Regelungsbefugnis mit Gewohnheitsrecht und verfassungsrechtlichem Vollziehungsauftrag der Verwaltung
236
3. Weder „Gewohnheitsrecht" noch „Hausgut"
241
Zum Eingriffstatbestand
242
1. Mögliche Eingriffs Wirkungen und betroffene Grundrechte
242
2. Final intendierter Eingriff oder bloße Folgewirkung?
244
Zur Interpretation der §§ 35 und 43 VwVfG
245
B. Fallgruppen und Differenzierungen der Rechtsprechung zum Subordinationsverhältnis I.
248
Verwaltungsakte zur Regelung von Rechtsverhältnissen, in denen die Behörde zum Erlaß anderer Verwaltungsakte ermächtigt ist
254
1. Verwaltungsakte im Beamten- und Soldatenverhältnis
254
2. Leistungs- und Erstattungsbescheide gegenüber Erben eines Beamten oder Soldaten 257 3. Besonderes Gewaltverhältnis und Verwaltungsakt
258
4. Regelung der (Un-)Wirksamkeit eines Verwaltungsakts oder einer sonstigen Beendigung eines Rechtsverhältnisses und der sich daraus ergebenden Rechtsfolgen
259
a) Kehrseitentheorie b) Regelung der sonstigen Beendigung eines Rechtsverhältnisses c) Verfahrenseinheitliche Gestaltung der durch Verwaltungsakt gestalteten Verwaltungsrechtsverhältnisse
261
Verwaltungsakte zur Durchsetzung oder Feststellung verwaltungsrechtlicher Zahlungsansprüche
262
III.
Keine Durchsetzung privatrechtlicher Forderungen
263
IV.
Keine Durchsetzung vertraglicher Pflichten
264
V.
Hausverbote und Verwaltungsakte in einem durch Satzung oder Benutzungsordnung geregelten Rechtsverhältnis
265
II.
259 260
Inhaltsverzeichnis
VI.
Zwischenergebnis
C. Verwaltungsakte zur Durchsetzung und zur vorbeugenden Regelung allgemeiner gesetzlicher Pflichten I.
Beschreibung der Fallgruppe
II.
Konkretisierende Verfügungen und feststellende Verwaltungsakte, die
268 268 268
von Amts wegen erlassen werden
269
1. Geltung des Vorbehalts des Gesetzes
269
2. Konkretisierende Verfügungen 271 a) Pflichtnormen als alleinige gesetzliche Grundlage unselbständiger Verfügungen 271 b) Erfordernis einer besonderen Befugnisnorm für konkretisierende Verfügungen 272 3. Befugnisnormen für Verfügungen als Ermächtigung zu feststellenden Verwaltungsakten 275 4. Die Konkretisierung einer Anzeige- oder Genehmigungspflicht a) Allgemeine Befugnisse der Genehmigungs- und Überwachungsbehörden b) Die Feststellung der Genehmigungsbedürftigkeit als Abschluß eines Anzeigeverfahrens aa) Genehmigungsbedürftigkeit eines angezeigten Gewerbes (§ 34c GewO) bb) Änderungen des Flughafenbetriebs (§ 6 Abs. 4 Satz 2, § 31 Nr. 17 LuftVG; § 45 Abs. 2 Satz 1 LuftVZO)
III.
277 277 278 278 279
5. Pflicht- und Vollstreckungsnormen als gesetzliche Grundlage für konkretisierende Verfügungen und Zwangsmittelfestsetzungen
279
6. Zur Aufgabenerfüllung notwendige Befugnisse eines Beliehenen oder einer Fachbehörde
282
Feststellungsbescheide in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren
286
1. Vorbescheide
286
2. Negativatteste
289
3. Duldungsbescheide
289
4. Unbedenklichkeitsbescheinigungen und Feststellungen des Bestehens oder Nichtbestehens eines pflichtnormrelevanten Rechtsverhältnisses.. 290 5. Befugnis nur zur Bestätigung dessen, was der Antragsteller für Rechtens hält?
294
D. Entscheidungen einer beurkundenden oder registerführenden Behörde
297
E. Gang der weiteren Untersuchung
298
20
Inhaltsverzeichnis
Teil 5 Die Eingriffswirkungen konkretisierender Verfügungen und belastender Feststellungsbescheide A. Die Merkmale des Eingriffstatbestandes
299
B. Der belastende Verwaltungsakt als Eingriff in das von der Regelung betroffene Grundrecht 304 I.
Konkretisierende Verfügungen
304
II.
Feststellende Verwaltungsakte: Differenzierung nach dem Regelungsinhalt
316
1. Abhängigkeit der Wirkungen der Regelungsform Verwaltungsakt vom Regelungsinhalt
316
2. Den Adressaten rein begünstigende Feststellungsbescheide ohne belastende Drittwirkung
324
3. Den Adressaten (auch) belastende Feststellungsbescheide
326
a) Die Feststellung von Tatbestands- oder Rechtsfolgenelementen einer Norm mit einer belastenden Rechtsfolge 326 b) Ausdrückliche oder inzident in Ablehnungsbescheiden enthaltene Feststellungen, daß ein Leistungsanspruch nicht, nur in bestimmter Höhe oder nur bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen besteht... 327
III.
4. Den Adressaten begünstigende Bescheide mit rechtlich belastender Drittwirkung
329
5. Ergebnis
329
Berücksichtigung der Klagemöglichkeit und der möglichen Vorteile einer Klärung der Rechtslage durch Verwaltungsakt
330
C. Die Anfechtungslast als Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit
332
I.
Anfechtungslast und Anfechtungsrisiko
332
II.
Keine spezifische Eingriffswirkung gerade durch den Einsatz der Regelungsform Verwaltungsakt?
336
Faktische Folgewirkung oder final intendierte Eingriffswirkung?
339
III.
D. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und der Vorbehalt des Gesetzes
342
I.
Die Ausgestaltung des Zugangs zu den Gerichten durch §§ 68 ff. VwGO . 342
II.
Der Vorbehalt des verhältnismäßigen Gesetzes im Lichte der Garantie eines effektiven Rechtsschutzes
344
E. Die veijährungsunterbrechende Wirkung
348
F. Die Eingriffswirkungen der konkretisierenden Verfügung als Vollstreckungstitel
350
Inhaltsverzeichnis
Teil 6 Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung für konkretisierende Verfügungen und belastende Feststellungsbescheide A. Materielle Rechtsnormen, Aufgaben und Befugnisse im Perspektivenwechsel zwischen Art. 20 Abs. 3 GG und fachgesetzlicher Regelung
354
B. Eingriffe durch bürgeradressierte Pflichtnormen oder aufgrund von verwaltungsadressierten Kompetenznormen 357 I.
Zum Begriff der gesetzlichen Ermächtigung
357
II.
Die Pflichtnorm als stillschweigende Ermächtigung?
361
C. Der Verwaltungsakt im System der Gewaltenteilung des GG I. II. III.
362
Keine gewohnheitsrechtliche Anerkennung einer Befugnis zur verbindlichen Regelung
362
Die Abhängigkeit der Reichweite des Vorbehaltes des Gesetzes von der verfassungsrechtlichen Legitimation der Staatsgewalt
369
Das Rechtsprinzip der Gewaltenteilung des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG
373
1. Gewaltenteilung und allgemeines Gewaltverhältnis
373
2. Die verfassungsrechtliche Konstituierung und Legitimation der Organe der vollziehenden Gewalt 3. Gleichrangigkeit der verfassungsrechtlichen Legitimation der rechtsprechenden und vollziehenden Gewalt
375 376
4. Kein verfassungsrechtlicher Verwaltungsvorbehalt für die verbindliche Regelung öffentlich-rechtlicher Rechtsverhältnisse im Einzelfall. 377 5. Die Gewaltenteilung in der Verwaltung
379
6. Subordinationsrechtlicher Verwaltungsakt und verwaltungsrechtliche Subordinationstheorie 379 7. Ergebnis
382
D. Die Erstreckung der Gesetzesvorbehalte auf die kompetenzbegründende Zuordnung von Aufgaben und Befugnissen 383 E. Ermächtigung zum Verwaltungsakt nur bei Aufgaben- und Befugniszuweisung 385 F. Doppelte Deckung durch Ermächtigung und Rechte und Pflichten begründende Normen 389 G. Kompetenz und Zuständigkeit
390
H. Der Vorrang der gesetzlichen Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung
393
I. Die Feststellung der geltenden Rechtslage und der Vorrang künftiger Gesetze... 396
22
Inhaltsverzeichnis
Teil 7 Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung? Eine fallgruppenspeziflsche Untersuchung A. Die das Verwaltungshandeln nicht ausdrücklich als „Verwaltungsakt" bezeichnenden Ermächtigungsnormen 401 B. Verwaltungsakte, die von Amts wegen zur Durchsetzung und zur vorbeugenden Regelung allgemeiner gesetzlicher Pflichten ergehen 402 I.
Durch Auslegung zu schließende „Kompetenzlücken" - Ein Widerspruch zur Funktion der Generalklauseln des Polizei- und Ordnungsrechts? 402
II.
Bestehende Vorschriften über die Durchsetzung gesetzlicher Pflichten
406
1. Die Ahndung, der Entzug von Vorteilen, Appelle und andere alternative Reaktionen auf eine Verletzung gesetzlicher Pflichten 406
III.
2. Die Generalklauseln und das Subsidiaritäts- und Spezialitätsprinzip des Polizei- und Ordnungsrechts
407
3. Freiheitssichernde Funktion der Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung
411
Vorbeugender Rechtsschutz durch die Gerichte und die Verwaltung
412
1. Die konkrete Gefahr als Eingriffsvoraussetzung der Generalklauseln.... 412 2. Urteile und Verwaltungsakte zur vorbeugenden Regelung gesetzlicher Rechte und Pflichten 413 3. Das rechtliche Interesse an einer alsbaldigen Feststellung und die drohende (Wiederholungs-)Gefahr als Voraussetzungen einer vorbeugenden Regelung durch die Gerichte 416 4. Das öffentliche Interesse an einer vorbeugenden Regelung und deren Eingriffswirkungen als Zweck-Mittel-Relation 418 IV.
Die Regelungen der §§ 35 und 43 VwVfG
424
1. § 35 VwVfG i.V.m. der gesetzlichen Pflichtnorm als Handlungsformermächtigung (C. Fischer)? 425
V.
2. § 43 VwVfG als implizite Ermächtigung zur Auferlegung der Anfechtungslast (Druschel)?
425
Bestehende Kompetenznormen als Ermächtigung zu gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten Verwaltungsakten
428
1. Notwendigkeit und Grenzen der Auslegung
428
2. Befugnisnormen für Verfügungen als Ermächtigung zu feststellenden Verwaltungsakten 429 a) Feststellende Verwaltungsakte als „Maßnahmen" der Gefahrenabwehr b) Feststellungsbefugnis per argumentum a maiore ad minus
429 431
Inhaltsverzeichnis
aa) Vorweggenommene Teilregelungen (Grundlagenbescheide) bb) Die Feststellung des Genehmigungsinhalts durch die Überwachungsbehörde 3. Die Konkretisierung einer Anzeige- oder Genehmigungspflicht a) Verpflichtung zur Erstattung einer Anzeige b) Allgemeine Befugnisse der Genehmigungs- und Überwachungsbehörden c) Entscheidung über die Genehmigungsbedürftigkeit als Abschluß eines Anzeigeverfahrens aa) Teleologische Interpretation des Anzeigeverfahrens bb) Beispiele (1) Gewerbeuntersagung und Feststellung einer Erlaubnispflicht nach der Gewerbeanmeldung (§ 15 Abs. 2 i. V.m. §§30, 33a - 34c GewO oder anderen Zulassungsvorschriften) (2) Änderungen des Flughafenbetriebs (§ 6 Abs. 4 Satz 2, § 31 Abs. 2 Nr. 17 i.V.m. Nr. 4 LufitVG; § 45 Abs. 2 Satz LuftVZO) 4. Pflicht- und Vollstreckungsnormen als gesetzliche Grundlage für konkretisierende Verfügungen und Zwangsmittelfestsetzungen a) Befugnisnormen für die Vollstreckung von Verwaltungsakten b) Teleologisch-systematische Interpretation eines Gesetzes, das Pflicht- und Vollstreckungsnormen enthält c) Die Ermächtigung zur Anwendung als Grundlage für die Festsetzung eines Zwangsmittels
431 437 440 440 441 442 442 444
444 1 447 451 451 452 455
5. Zur Aufgabenerfüllung notwendige Befugnisse eines Beliehenen oder einer Fachbehörde 458 C. Verwaltungsakte, die in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren das Bestehen oder Nichtbestehen allgemeiner gesetzlicher Pflichten oder pflichtenrelevanter Eigenschaften feststellen
462
I.
Rechtsfolgen eines Antrags auf Erlaß eines Feststellungsbescheids
II.
Mögliche Verfahrens- und materiellrechtliche Wirkungen von Anträgen ... 463
III. IV.
462
1. Mitwirkungs- und zustimmungsbedürftige Verwaltungsakte
463
2. Verfahrensrechtliche Antragsfolgen und -funktionen
464
3. Materiellrechtliche Antragsfolgen und -funktionen
467
Verfahrensrechtliche, aber keine materiellrechtlichen Wirkungen des Antrags auf Erlaß eines Feststellungsbescheids
467
Kann eine Einwilligung das Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung beseitigen? 468 1. Die Einwilligung: kein „Grundrechtsverzicht"
468
24
Inhaltsverzeichnis
2. Die legitimierende Wirkung einer Einwilligung: eine Frage des Vorbehalts oder Vorrangs des Gesetzes?
469
3. Formulierung und Funktion der Grundrechte
473
a) Ausdrückliche Regelungen über die Einwilligung b) Die Einwilligung als Mittel zur Verwirklichung grundrechtlich geschützter Interessen
473 473
4. Freiwilligkeit, Kopplungsverbot und weitere Wirksamkeitsvoraussetzungen
477
V.
Die begünstigende Feststellung ohne belastende Drittwirkung
480
VI.
Die begünstigende, den Antrag aber teilweise ablehnende Regelung
483
1. Vorbescheide mit Vorbehalten und Nebenbestimmungen
483
2. Negativatteste und ähnliche Grundlagenbescheide
487
3. Duldungsbescheide
488
.
VII. Die Feststellung des kontradiktorischen Gegenteils der gewünschten Regelung 1. Fragestellung und Gang der Untersuchung
489 489
2. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rechtsschutzzone der vorbeugenden Feststellungsklage und des feststellenden Verwaltungsakts 491 a) Die Rechtsprechung zur Feststellungsklage 491 b) Die Rechtsprechung zum Feststellungsbescheid 496 aa) Wahlrecht zwischen Verpflichtungs- und Feststellungsklage nach Abschluß eines Verwaltungsverfahrens 496 bb) Ermessen über die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens 497 c) Kritik der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 498 3. Der Feststellungsantrag als Schlüssel zum präventiven Rechtsschutz.... 502 a) Auslegung des Feststellungsantrags vor Eröffnung des Verwaltungsverfahrens (ex ante-Betrachtung) b) Das Verwaltungsverfahren als Kompensation für die Unbestimmtheit der gesetzlichen Pflichtnorm c) Das Verfahrensermessen und sein Zweck (§§ 22, 40 VwVfG) d) Die begünstigende Feststellung als Orientierungsmaßstab für ein rechtmäßiges Verhalten e) Privates und öffentliches Interesse an der Begrenzung der Eingriffswirkung der Pflichtnormen f) Freiheit und Verantwortung des Bürgers - Mitverantwortung des Staates g) Berücksichtigung anderer Rechtsschutzmöglichkeiten aa) Beratung durch Rechtsanwälte, Sachverständige, Kammern oder Berufsverbände bb) Behördliche Auskunft cc) Nachträglicher und vorläufiger Rechtsschutz
502 505 513 515 516 517 520 520 522 526
Inhaltsverzeichnis
h) Berücksichtigung des Grundsatzes der Verwaltungseffizienz im Rahmen des Opportunitätsprinzips aa) Effiziente Aufgabenwahrnehmung innerhalb des Verwaltungsrechtsverhältnisses (1) Öffentliches Interesse an der verbindlichen Regelung gesetzlicher Pflichten (2) Öffentliches Interesse an der Vermeidung überflüssiger oder ineffizienter Verfahren bb) Effiziente Verwirklichung aller Verwaltungsaufgaben: Rechtsschutzauftrag und Gefahrenabwehr im Lichte des Opportunitäts- und Effizienzprinzips cc) Keine Verletzung des Kopplungsverbots
528 529 529 529 531 533
4. Der Antrag auf behördliche Feststellung bei Zulässigkeit einer Feststellungsklage
535
5. Ergebnis: Kein Anspruch auf Rechtsschutz durch Verfahren ohne Mitwirkungs- und Anfechtungslast
537
VIII. Der Antrag auf Erlaß eines begünstigenden Bescheids mit belastender Drittwirkung
538
1. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung
538
2. Der Vorbescheid
541
IX.
Auslegung des Antrags und Beratungspflicht der Behörde (§ 25 VwVfG). 542
X.
Die Rechtsschutzzone des feststellenden Verwaltungsaktes im Vergleich zur Feststellungsklage 545
XI.
Sachgerechte Verteilung der Rechtsanwendungspflichten und -risiken zwischen Bürger und Verwaltung
549
D. Verwaltungsakte zur Regelung und Durchsetzung von Zahlungsansprüchen
551
I.
Die Kompetenz zur Geltendmachung falliger Zahlungsansprüche
551
II.
Klage oder Verwaltungsakt?
552
III.
Die Feststellung von Zahlungsansprüchen dem Grunde nach
553
IV.
Keine Ermächtigung durch §§ 1 und 3 VwVG und landesrechtliche Parallelbestimmungen
556
V.
Keine gewohnheitsrechtliche Anerkennung der Verwaltungsaktbefugnis ..557
VI.
Teleologisch-systematische Interpretation eines Gesetzes, das gesetzliche Zahlungspflichten und Vollstreckungsnormen enthält 557
VII. Keine Ermächtigung durch § 53 VwVfG
558
VIII. Befugnis zur Geltendmachung von Erstattungsansprüchen entsprechend der Kehrseitentheorie 559
26
Inhaltsverzeichnis
1. Die drei in § 49a Abs. 1 Satz 2 VwVfG geregelten Erstattungstatbestände
559
2. Erstattungsansprüche, auf die § 49a VwVfG wegen der Subsidiaritätsklauseln des § 1 VwVfG keine Anwendung findet 562 a) Spezialgesetzliche Regelungen von Rücknahme, Widerruf und öffentlich-rechtlichem Erstattungsanspruch b) Kein Grundsatz einer verfahrenseinheitlichen Gestaltung aller durch Verwaltungsakt begründeten und gestalteten Verwaltungsrechtsverhältnisse c) Annexkompetenz zur Geltendmachung des durch die Aufhebung eines Verwaltungsakts entstandenen Erstattungsanspruchs 3. Erstattungsansprüche bei einer von § 49a VwVfG nicht erfaßten Unwirksamkeit des leistungsgewährenden Bescheids
562 564 567 569
a) Keine abschließende Regelung der Erstattungsansprüche in § 49a VwVfG 569 b) Fälle einer ursprünglichen Unwirksamkeit des leistungsgewährenden Verwaltungsakts 570 aa) Unterschiedliche Rechtsfolgen des allgemeinen Erstattungsanspruchs und einer analogen Anwendung des § 49a VwVfG.... 570 bb) Analogievoraussetzungen nicht erfüllt 571 cc) Leistung zur Erfüllung eines nichtigen Verwaltungsakts 573 dd) Endgültiger Nichteintritt einer aufschiebenden Bedingung 574 c) Fälle einer nachträglichen, aber nicht rückwirkenden Unwirksamkeit des leistungsgewährenden Verwaltungsakts 575 aa) Aufhebung im Verwaltungsprozeß 575 bb) Aufhebung im Vorverfahren 575 cc) Erledigung eines vorläufigen Verwaltungsakts 576 dd) Rücknahme oder Widerruf mit Wirkung für die Zukunft 577 d) Schlichte Überzahlungen 581 E. Fortentwicklung der Kehrseitentheorie: Regelungen der Unwirksamkeit eines Verwaltungsakts, der Beendigung eines Rechtsverhältnisses und der sich daraus ergebenden Rechtsfolgen 582 I.
§52 VwVfG
582
II.
§ 44 Abs. 5 VwVfG
582
III.
Die Feststellung der sonstigen Unwirksamkeit eines begünstigenden Verwaltungsaktes oder einer Zusicherung
583
1. Keine Feststellung der ursprünglichen (Un-)Wirksamkeit, Rechtswidrigkeit oder Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes analog § 44 Abs. 5 VwVfG
583
2. Die Feststellung der nachträglichen Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes oder einer Zusicherung
584
a) Aufhebung und andere Formen der Beendigung der Regelungswirkung eines Verwaltungsaktes
584
Inhaltsverzeichnis
b) Verwaltungsaktbefiignis bei einem normativen Stufenverhältnis zwischen Aufhebungs- und gesetzlichen Beendigungstatbeständen.. 586 c) Beispiele 589 aa) Erlöschen eines alten Rechts oder einer alten Befugnis zur Gewässerbenutzung (§ 15 WHG) 589 bb) Beendigung eines Beamtenverhältnisses bei strafgerichtlicher Verurteilung (§ 24 Abs. 1 BRRG, § 48 BBG) 592 cc) Wegfall der Bindungswirkung einer Zusicherung (§38 Abs. 3 VwVfG) 595 d) Die Feststellung des Eintritts einer auflösenden Bedingung
596
IV.
Rücknahme oder Widerruf eines unwirksamen Verwaltungsaktes
600
V.
Ergebnis
604
F. Verwaltungsakte im Beamten- und Soldaten Verhältnis I.
605
Begründung und Zulässigkeit einer Gesamtanalogie im Beamten- und Soldatenrecht
605
1. Analyse der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
605
2. Zulässigkeit und Grenzen einer belastenden Analogie 609 a) Uneinheitliche Rechtsprechung und Lehre 609 b) Keinefreie Rechtsschöpfung, sondern Rechtsnormergänzung durch Analogie 614 c) Analoge Anwendung nur innerhalb des gleichen Rechtsverhältnisses oder sonstigen Regelungszusammenhangs 617 d) Die planwidrige Regelungslücke im Beamten- und Soldatenrecht.... 619 3. Zwischenergebnis II.
620
Anwendungsbereich und Grenzen der dienstrechtlichen Gesamtanalogie.. 621 1. Erstattungs- und Leistungsbescheide
621
a) Erstattungsbescheide bei Leistung aufgrund eines Verwaltungsakts.. 621 b) Nicht auf eine Annexkompetenz zu stützende Erstattungs- und Leistungsbescheide 622 c) Keine Leistungsbescheide zur Geltendmachung von Regreßansprüchen des Dienstherrn (Art. 34 Satz 2 GG) 623 d) Leistungs- und Erstattungsbescheide nur durch den Dienstherrn 2. Die Festsetzung eines Dienstalters analog § 28 Abs. 4 BBesG a) Die Vorschriften über das Dienstalter aa) Das Besoldungsdienstalter bb) Das Versorgungsdienstalter cc) Das Allgemeine Dienstalter dd) Das Jubiläumsdienstalter b) Analogiefähigkeit des § 28 Abs. 4 BBesG aa) Zweck und Folgen einer BDA-Festsetzung bb) Rechtsähnlichkeit anderer Festsetzungen eines Dienstalters
625 626 626 626 627 628 629 629 629 631
28
Inhaltsverzeichnis
3. Die Feststellung der Beendigung eines Beamtenverhältnisses bei strafgerichtlicher Verurteilung (§ 24 Abs. 1 BRRG, § 48 BBG) III.
Nachträgliche Regelungspflicht des Gesetzgebers
G. Erstattungs- und Leistungsbescheide gegenüber Erben eines Beamten oder Soldaten I.
633 635
Erstattungsbescheide
635
1. Erstattungsanspruch nach Leistung an den Erblasser aufgrund eines wirksamen Verwaltungsaktes
636
a) Die Rechtsprechung b) Lösung 2. Erstattungsanspruch nach Leistung an den Erblasser zur Erfüllung eines durch Verwaltungsakt geregelten, aber nicht entstandenen Anspruchs
636 637
639
a) Die Rechtsprechung
639
b) Lösung
640
3. Erstattungsanspruch nach Leistung an den Erben a) Die Rechtsprechung b) Lösung aa) Zivilrechtlicher Bereicherungs- oder öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch? bb) Keine analoge Anwendung der gegenüber dem Beamten bestehenden Regelungsbefugnisse auf seinen Erben II.
633
Beamtenrechtliche Haftung
642 642 645 645 650 652
H. Subordinationsverhältnis, besonderes Gewaltverhältnis und Verwaltungsakt
653
I.
Entscheidungen einer beurkundenden oder registerführenden Behörde
657
I.
Fragestellung und Gang der Untersuchung
657
II.
Zur Rechtsnatur öffentlicher Urkunden, behördlicher Register und Dateien
659
1. Die öffentliche Urkunde
659
2. Behördliche Register und Dateien
662
3. Unterscheidung zwischen Beweis-, Nachweis- und Regelungsfunktion. 664 III.
IV.
Die Entscheidung über eine Beurkundung oder Registereintragung
670
1. Fragestellung
670
2. Rechtsprechung und Literatur zur „Entscheidung, ob"
671
3. Eigene Auffassung Keine stillschweigende Annexkompetenz
674 677
Inhaltsverzeichnis
Teil 8 Bilanz und Ausblick A. Feststellungsbescheid und konkretisierende Verfugung: Prototypen des Verwaltungsakts als Mittel zur Verwirklichung des abstrakt-generellen Gesetzes 681 B. Gesetzeskonkretisierende Verwaltungsakte im System der Gewaltenteilung des Grundgesetzes 685 I.
Kein Verbot streitentscheidender oder feststellender Verwaltungsakte durch Art. 92 GG
685
II.
Zum Vorrang des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG)
685
III. IV.
Zur Geltung und Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung für konkretisierende Verfügungen und belastende Feststellungsbescheide
686 688
V.
Kompetenz und Zuständigkeit
690
VI.
Die Feststellung der geltenden Rechtslage und der Vorrang künftiger Gesetze
691
VII. Gebotene Abkehr vom subordinationsrechtlichen Denken C. Ermächtigung durch Auslegung?: Allgemeine Grundsätze und Grenzen I.
692 692
Verwaltungsakte, die von Amts wegen zur präventiven Regelung, Konkretisierung und Durchsetzung gesetzlicher Rechte und Pflichten ergehen
693
Verwaltungsakte zur Regelung und Durchsetzung von Zahlungsansprüchen
697
Regelungen der Unwirksamkeit eines Verwaltungsakts, der sonstigen Beendigung eines Rechtsverhältnisses und der sich daraus ergebenden Rechtsfolgen
699
IV.
Beamten- und soldatenrechtliche Gesamtanalogie
700
V.
Erstattungs- und Leistungsbescheide gegenüber Erben eines Beamten oder Soldaten
701
Untauglichkeit der Kategorien des Subordinations- und des besonderen Gewaltverhältnisses
702
II. III.
VI.
VII. Keine Annexkompetenz bei beurkundenden und registerführenden Behörden
702
VIII. Verwaltungsrecht als konkretisiertes Verfassungsrecht
704
30
Inhaltsverzeichnis
IX.
Der Antrag auf Erlaß eines feststellenden Verwaltungsakts als Schlüssel zum präventiven Rechtsschutz
705
D. Perspektiven für die gesetzgebende, rechtsprechende und vollziehende Gewalt... 706 I.
Konsequenzen für den Gesetzgeber
706
II.
Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit: Rechtsschutzzone des feststellenden Verwaltungsakts und der Feststellungsklage
708
III.
Verwaltung und Gesetzgeber
710
IV.
Verantwortung von Bürger und Verwaltung für einen gesetzeskonformen Freiheitsgebrauch und die effiziente Wahrnehmung staatlicher Aufgaben .710
E. Fortentwicklung der Dogmatik des Verwaltungsakts
712
Literaturverzeichnis
713
Sachregister
736
Teil 1
Einführung und Problemaufriß A. Gilt der Vorbehalt des Gesetzes auch für die Handlungsform Verwaltungsakt? - Kein Konsens über eine dogmatische Kernfrage Ein Blick in die Inhaltsverzeichnisse der gängigen Lehrbücher des allgemeinen Verwaltungsrechts zeigt, daß mehr als hundert Jahre nach dem Erscheinen der ersten Auflage von Otto Mayers Lehrbuch des Deutschen Verwaltungsrechts1 der Verwaltungsakt innerhalb der Darstellung der Rechtsformen des Verwaltungshandelns noch immer breiten Raum einnimmt. Sieht man aber genauer hin, so fällt auf, daß häufig ein großer Teil der Darstellung auf eine Beschreibung und Abgrenzung seiner gesetzlichen Tatbestandsmerkmale entfallt 2. Demgegenüber wird das Problem, unter welchen Voraussetzungen eine Behörde Verwaltungsakte zur Regelung gesetzlicher Rechte und Pflichten des Bürgers einsetzen darf, meist nur in relativ knapper Form unter der Frage behandelt, ob der Vorbehalt des Gesetzes nur für den Inhalt oder auch für die Form des Verwaltungshandelns gelte. Hierbei werden in neueren Lehrbüchern und Kommentaren zum VwVfG meist zwar die eigene Auffassung 3 oder auch die gegensätzlichen Grundsatzpositionen 4 wiedergegeben, jedoch keineswegs immer die Fallgruppen dargestellt, für die in der Rechtsprechung unterschiedliche Lösungen entwickelt worden sind5. Soll die Beschäftigung mit dem Verwaltungsakt nicht zu einer juristischen , Arbeitsbeschaffungsmaßnahme" 6 verkümmern, erscheint es daher durchaus noch lohnend, das Problem der Notwendig-
1
Dt. VerwR I, 1. Aufl., Leipzig 1895. Angesichts der Bedeutung, die diesen Fragen immer wieder im juristischen Examen zukommt, entspricht diese Schwerpunktsetzung durchaus dem Anforderungsprofil einer examensvorbereitenden Ausbildungsliteratur. 3 So z.B. Faber, § 20 II. 4 So z.B. Henneke in Knack, § 35 Rn. 5.2.4 und vor § 35 Rn. 7.1, 7.2.2; Kopp, VwVfG, § 35 Rn. 3. 5 So aber P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 21-23, 143, 175 ff; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 44 Rn. 54 ff. Eine solche Fallgruppenbildung wurde in der jüngeren Literatur eingeleitet mit dem Aufsatz von Osterloh, JuS 1983, 280285. 6 So Renck, BayVBl. 1997, 672. 2
32
Teil 1: Einführung und Problemaufriß
keit und Auslegung gesetzlicher Ermächtigungen für den Einsatz des Verwaltungsakts als Mittel zur Konkretisierung des abstrakt-generellen Gesetzes vertieft 7 aufzuarbeiten. Denn als systematische Rechtswissenschaft soll die Dogmatik des allgemeinen Verwaltungsrechts ein innersystematisch erarbeitetes Gefüge („Lehrgebäude") von Rechtsinstituten, Grundsätzen und Regeln bereitstellen, welche als Bestandteil der positiven Rechtsordnung unabhängig von einer gesetzlichen Fixierung allgemeine Anerkennung und Befolgung beanspruchen8. Gemessen an diesen Zielen muß die Lehre vom Verwaltungsakt übergreifend für eine Vielzahl von Rechtsgebieten nicht nur Aussagen zu den Tatbestandsmerkmalen und Rechtsfolgen dieser Rechtsform des Verwaltungshandelns enthalten, sondern vor allem Regeln und Grundsätze darüber bereitstellen, unter welchen Voraussetzungen die Exekutive Verwaltungsakte zur Regelung eines Einzelfalles einsetzen darf. Da das VwVfG hierfür keine ausdrückliche Regelung enthält, sind die Verfassungsprinzipien des Vorrangs und des Vorbehaltes insoweit wesentliche Bezugspunkte für die innersystematische Rechtsgewinnung, welche die Dogmatik des allgemeinen Verwaltungsrechts bewerkstelligen soll 9 .
7 Und in kritischer Auseinandersetzung mit den nunmehr in den Jahren 1999 und 2000 zu diesem Thema veröffentlichten Dissertationen von Druschel, Die Verwaltungsaktbefugnis, und von Christiane Fischer, Der Verwaltungsakt als staatsrechtlich determinierte Handlungsform. In seiner überwiegend ablehnenden Besprechung versieht Geiger, NVwZ 2000, 1274 f., einige der Lösungen Druscheis mit Fragezeichen, weist auf eine grundlegende Schwachstelle dieser Monographie hin (dazu unten in Teil 7, B.IV.2) und bezweifelt deren Tauglichkeit als Hilfsmittel für die Lösung praktischer Probleme, denen sich Behörden und Gerichte in diesem Zusammenhang stellen müssen. Zu den staats- und verwaltungsrechtlichen Grundlagen der ursprünglichen Konzeption Otto Mayers und der Kontinuität vieler ihrer Elemente in der unter dem GG (zumindest bis 1985) noch herrschenden Lehre vom Verwaltungsakt kann jetzt auf die Habilitationsschrift von Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 49 ff., 19 ff., 270 ff., verwiesen werden. In der vorliegenden Arbeit werden grundlegende Fragen der Dogmatik des Verwaltungsaktes daher meist unmittelbar an Hand des geltenden Verwaltungsrechts erörtert. Zugleich ist die Untersuchung hier nicht auf das von Schmidt-De Caluwe, a.a.O., S. 286 ff., behandelte Problem der Legitimation der Bindungswirkung von rechtswidrigen Verwaltungsakten ausgerichtet, sondern auf die Kompetenz zum Erlaß feststellender Verwaltungsakte und konkretisierender Verfügungen. 8 Bachof, VVDStRL 30, 193 (197); Brohm, VVDStRL 30, 245 (246) m.w.N. 9 Obwohl der Verwaltungsakt nicht nur in § 35 VwVfG, sondern wortgleich auch in § 31 SGB X und § 118 AO kodifiziert ist, werden Verwaltungsakte, die im Anwendungsbereich dieser speziellen Verfahrensordnungen ergehen, in der vorliegenden Arbeit grundsätzlich nicht in die Untersuchung der Vorbehaltfrage einbezogen. Zunächst ist nämlich festzustellen, daß § 31 SGB-AT für den Anwendungsbereich des Sozialgesetzbuches eine spezielle Regelung enthält, nach der Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen des Sozialgesetzbuches nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit ein Gesetz dies vorschreibt oder zuläßt. Dieser einfachgesetzliche Vorbehalt des Gesetzes {Schnapp in Bochumer Kommentar, § 31
A. Gilt der Vorbehalt des Gesetzes für die Handlungsform Verwaltungsakt?
33
Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Erstattungsund Leistungsbescheiden im Beamten- und Soldatenrecht 10 hatte zwar Mitte der sechziger Jahre eine heftige Kontroverse ausgelöst, ob die Verwaltung ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung befugt sei, öffentlich-rechtliche Erstattungs- und Schadensersatzansprüche durch Verwaltungsakt geltend zu machen11. Dieser Streit schien jedoch mit Inkrafttreten der Verwaltungsverfahrensgesetze seine praktische Bedeutung verloren zu haben. Denn auch die Gegner der höchstrichterlichen Rechtsprechung sahen die inzwischen durch § 49a Abs. 1 Satz 2 VwVfG ersetzte Regelung des damaligen § 48 Abs. 2 Satz 8 VwVfG als eine dem Vorbehaltsprinzip genügende gesetzliche Grundlage für den Erlaß von Erstattungsbescheiden an 12 . Zugleich verlagerte sich die verfassungsrechtliche Diskussion um den Vorbehalt des Gesetzes weitgehend auf Probleme der Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Diese Entwicklung veranlaßte Ferdinand O. Kopp als ständigen Beobachter des Verwaltungsverfahrensrechts 1986 zu der Schlußfolgerung, die Zulässigkeit von Feststellungsbescheiden und befehlenden Verwaltungsakten, welche gesetzliche Pflichten lediglich konkretisieren, sowie ihre Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung auch ohne gesetzliche Ermächtigung sei zumindest in der Rechtsprechung weitgehend unbestritten 13. Im krassen Gegensatz zu dieser Bilanz steht allerdings eine fast zum gleichen Zeitpunkt veröffentlichte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.11.1985', ohne Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung der anderen Spruchkörper kam der 8. Senat in diesem Fragen der Wohnraumzweckbindung betreffenden Urteil 14 zu dem Ergebnis, daß feststellende Verwaltungsakte
Rn. 15. Kloepfer, JZ 1984, 685 (689) bezeichnet ihn als derivativen Gesetzesänderungsvorbehalt; vgl. dazu unten Teil 3, B.) überlagert im SGB die im Anwendungsbereich der Verwaltungsverfahrensgesetze relevante Frage nach der Reichweite des verfassungsrechtlichen Vorbehalts des Gesetzes. Schon wegen dieser Gemengelage zwischen einfachgesetzlichem und verfassungsrechtlichem Vorbehaltsprinzip lassen sich daher sozialverfahrensrechtliche Erkenntnisse nicht unbedingt ins allgemeine Verwaltungsrecht übertragen. Darüber hinaus enthalten SGB X und AO eine ganze Reihe spezieller Verfahrensvorschriften, deren Bedeutung und Tragweite sich nur vor dem Hintergrund der jeweiligen materiellen Rechtsnormen erschließen. Wegen der Komplexität dieser eigenständigen Rechtsmaterien werden das Sozial- und das Abgabenrecht grundsätzlich nicht in die vorliegende Untersuchung einbezogen, was einen gelegentlichen Blick über den „Tellerrand" des allgemeinen Verwaltungsrechts nicht ausschließt. 10 Grundlegend die Entscheidungen BVerwG, U. v. 6.5.1964 - VII C 394.63, BVerwGE 18, 283 (285 f.); U. v. 1.6.1962 - II C 147.61, BVerwGE 19, 243 (245 f.). Zu den Einzelheiten und zur weiteren Entwicklung der Judikatur vgl. unten Teil 4. 11 Vgl. die Nachweise unten Teil 4, C.1.1 und Teil 7, D. 12 Obermayer, VwVfG, § 48 Rn. 107. 13 Kopp, GewArch 1986,41 (44 f.). 14 BVerwG, U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83, BVerwGE 72, 265 (267) = NJW 1986, 1120 = DVB1. 1986, 560 = DÖV 1986, 570 = BayVBl. 1986, 536 = JURIS Nr. 3 Kracht
34
Teil 1: Einführung und Problemaufriß
jedenfalls dann einer gesetzlichen Grundlage bedürften, wenn ihr Inhalt etwas als Rechtens feststelle, was der Betroffene erklärtermaßen für nicht Rechtens halte. Diese Entscheidung hat zu einer Tendenzwende in der Rechtsprechung geführt 15 und auch die wissenschaftliche Diskussion um den Vorbehalt des Gesetzes für die Handlungsform Verwaltungsakt wiederbelebt.
B. Zur Notwendigkeit einer Analyse des Verwaltungsaktes als verbindlicher Regelung und der Einteilung der Verwaltungsakte nach ihrem Regelungsinhalt Die Beantwortung der Frage nach den Voraussetzungen, unter denen eine Behörde zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben Verwaltungsakte erlassen darf, setzt Klarheit über ihre rechtsformspezifischen Tatbestandsmerkmale, Funktion, Rechtsfolgen und Auswirkungen voraus. Das Spannungsverhältnis und die Wechselbeziehung zwischen Zweck, Mittel und Auswirkungen dieser Regelungsakte kommen bereits in der Legaldefinition des Verwaltungsaktes mit den Tatbestandsmerkmalen „Verfugung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme" (Mittel), „zur Regelung" (Zweck) und „unmittelbare Rechtswirkung nach außen" (intendierte Auswirkung) zum Ausdruck. Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung wird deshalb der Begriff der Regelung sein, mit dessen Hilfe dann wesentliche Merkmale und Rechtsfolgen, sowie Funktionen und Auswirkungen des Verwaltungsaktes beschrieben werden sollen. In der vorliegenden Untersuchung wird zugleich die traditionelle Einteilung der Verwaltungsakte nach ihrem Regelungsgehalt in feststellende, gestaltende und befehlende Entscheidungen auf ihre Brauchbarkeit zu einer systematisierenden Lösung dieser Vorbehaltsfrage untersucht. Dazu wird in Teil 2 zunächst beschrieben werden, welche Tatbestandsmerkmale, Rechtsfolgen und Funktionen die Regelungen i.S. des § 35 VwVfG jeweils haben, wenn sie im weiteren Verlauf als gestaltend, feststellend, befehlend oder als gesetzeskonkretisierend bezeichnet werden. Denn eine wissenschaftliche Diskussion kann nur dann Erkenntnisfortschritte erbringen, wenn ihr Gegenstand festgelegt ist und so die Gefahr vermieden wird, trotz identischer Begriffe über verschiedene Dinge zu reden. Im Mittelpunkt der Betrachtung soll dabei die Frage stehen, in welcher
WBRE101128602; zu Sachverhalt und Inhalt dieser Entscheidung vgl. unten Teil 4, B., C.III.5. 15 Seitdem wurde keine Entscheidung veröffentlicht, die explizit von dem zuvor zitierten Urteil abweicht; zu fortbestehenden Unterschieden vgl. den Überblick in Teil 4.
C. Der Verwaltungsakt in dem System der Gewaltenteilung
35
rechtlichen Beziehung jeweils die im Verwaltungsakt enthaltene, konkretindividuelle Regelung eines Rechtsverhältnisses zu der entsprechenden abstrakt-generellen Regelung des gleichen Rechtsverhältnisses steht, die im materiellen Gesetz enthalten ist.
C. Der Verwaltungsakt in dem durch Grundgesetz und einfache Gesetze geschaffenen System der Gewaltenteilung Ausgehend von dieser systematischen Analyse von Tatbestand, Rechtsfolgen und Funktionen der Regelung i.S. des § 35 VwVfG soll dann geklärt werden, unter welchen Voraussetzungen eine Behörde unter dem Grundgesetz feststellende Verwaltungsakte und gesetzliche Pflichten konkretisierende Verfugungen erlassen darf, wenn der Einsatz dieser Instrumente im jeweiligen Fachrecht nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Dazu wird in Teil 3 zunächst untersucht, ob Artikel 92 GG es der Verwaltung verwehrt, selbst solche verbindlichen Regelungen eines Verwaltungsrechtsverhältnisses zu treffen oder sie nur unter bestimmten Voraussetzungen zuläßt. Sodann werden die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Vorrangs und des Vorbehalts des Gesetzes dargestellt. Nach Klärung dieser verfassungsrechtlichen Vorfragen werden in einem Überblick in Teil 4 nicht nur die allgemeinen Aussagen der einschlägigen Rechtsprechung und Lehre zur Vorbehaltsfrage vorgestellt, sondern auch die verschiedenen Fallgruppen angegeben, für deren Entscheidung sie entwickelt wurden. Anhand typischer Beispiele sollen sowohl die grundsätzlichen Sachund Weitungsfragen als auch etwaige Besonderheiten der Rechts- und Interessenlage bei speziellen Regelungssachverhalten zutage treten und so die argumentativen Grundlagen entwickelt werden für die in den Teilen 5 und 6 folgenden, eigenen Aussagen zu der Frage, in welchem Umfang die Verwaltung nach dem geltenden Verfassungs- und Verwaltungsrecht aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes grundsätzlich einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf, um Rechte und Pflichten des Bürgers durch Verwaltungsakt verbindlich zu konkretisieren\ Unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung, nach der sich eine aufgrund des Vorbehaltsprinzips erforderliche gesetzliche Grundlage auch im
1 Zur Notwendigkeit einer ständigen innersystematischen Überprüfung allgemeiner dogmatischer Aussagen und einer praxisbezogenen Rückkopplung zu den vielfaltigen Normen des besonderen Verwaltungsrechts vgl. Bachof VVDStRL 30, 193 (198).
Teil 1: Einführung und Problemaufriß
36
Wege der Auslegung ergeben kann, werden schließlich in Teil 7 allgemeine Regeln und Grundsätze zu der Frage, wann die Verwaltung ohne eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung einen feststellenden Verwaltungsakt oder eine konkretisierende Verfugung erlassen darf, überprüft und fortentwickelt. Zunächst werden dabei Verwaltungsakte behandelt, die von Amts wegen noch vor der Errichtung einer Anlage oder der Ausführung eines sonstigen Vorhabens eines Bürgers von einer Behörde zur präventiven Regelung seiner künftigen Rechte und Pflichten ergehen2. Einen weiteren Schwerpunkt wird die Anaylse bilden, ob ein Antrag auf Erlaß eines gesetzlich nicht normierten Vorbescheides, eines Negativattestes oder einer Unbedenklichkeitsbescheinigung, der von einem potentiell von einem gesetzlichen Verbot Betroffenen gestellt wurde, nach dem Grundsatz „volenti non fit iniuria" eine fehlende gesetzliche Ermächtigung für den Erlaß eines feststellenden Verwaltungsaktes ersetzen kann, und zwar auch dann, wenn die Verwaltung eine Regelung trifft, die inhaltlich der Rechtsauffassung des Antragstellers widerspricht 3. Dabei gilt es, nicht nur die sich aus der drohenden Bestandskraft ergebende Anfechtungslast und andere für den Adressaten nachteilige Rechtsfolgen dieses Feststellungsbescheides zu betrachten, wie dies sowohl der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem bereits zitierten Wohnraumzweckentfremdungsurteil als auch ein Teil der Literatur, insbesondere Christoph Druschel in seiner 1998 abgeschlossenen Monographie „Die Verwaltungsaktbefugnis" 4, getan haben. Denn bei der Bewertung der möglichen Rechtswirkungen eines auf die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens gerichteten Antrags müssen auch die potentiell gegenläufigen Interessen der Allgemeinheit und möglicher Drittbetroffener einbezogen werden. In diesem Zusammenhang ist es erforderlich, die mögliche Rechtsschutzzone des feststellenden Verwaltungsaktes mit der einer verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage zu vergleichen. Desweiteren werden die Verwaltungskompetenzen zur Regelung und Durchsetzung von Zahlungsansprüchen dargestellt 5. Es folgt eine von den Regelungen des VwVfG, insbesondere in §§ 52 und 44 Abs. 5 VwVfG, ausgehende Untersuchung der Tragfähigkeit der Kehrseitentheorie, welche auf der Basis des geltenden Rechts für bestimmte Fallgruppen fortentwickelt werden soll 6 . Mit einem von der Rechtsprechung abweichenden Ansatz, der nicht mit dem
2
Unten Teil 7, B. Unten Teil 7, C. 4 S. 212 f. Dazu im einzelnen unten den Überblick in Teil 4, C.III.6, und die eigene Untersuchung in Teil 7, C.VII.-XI. 5 Unten Teil 7, D. 6 Unten Teil 7, E. 3
C. Der Verwaltungsakt in dem System der Gewaltenteilung
37
Begriff des Subordinationsverhältnisses operiert, wird die Zulässigkeit von Feststellungs-, Erstattungs- und Leistungsbescheiden im Beamten- und Soldatenverhältnis 1 sowie gegenüber den Erben eines Beamten oder Soldaten8 untersucht. Es folgt eine Analyse weiterer Rechtsverhältnisse, die in der Vergangenheit gleichfalls als Subordinations- oder besondere Gewaltverhältnisse eingestuft worden sind9. Die Untersuchung der im Überblick dargestellten Fallgruppen schließt mit den Entscheidungen einer beurkundenden oder registerführenden Behörde ab. Durch das Bemühen, die verschiedenen Argumentationsebenen aus dem Verfassungsrecht, dem allgemeinen und dem besonderen Verwaltungsrecht zusammenzuführen und die Wechselwirkungen zwischen diesen Rechtsgrundlagen des Verwaltungshandelns aufzuzeigen, soll mit der vorliegenden Arbeit der Versuch unternommen werden, aus den verschiedenen Ansätzen der Verwaltungspraxis und der Rechtsprechung gangbare Wege zur Lösung eines Rechtsproblems herauszukristallisieren, das in vielfältigen Konstellationen und Variationen im Anwendungsbereich der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder immer wieder aufs Neue auftaucht. Darüber hinaus hofft der Verfasser, mit der Untersuchung einen Beitrag zu der Auseinandersetzung zu leisten, wie sich der Tätigkeitsbereich und die Bedeutung der öffentlichen Verwaltung als einer eigenständigen Staatsfiinktion zwischen Gesetzgebung und richterlicher Kontrolle unter dem Grundgesetz bestimmen lassen10.
7
Unten Teil 7, F. Unten Teil 7, G. 9 Unten Teil 7, H. 10 Zu den zahlreichen Aspekten dieses Problemkreises vgl. beispielsweise den Tagungsband mit den Vorträgen und der Aussprache des Göttinger Symposions „Die öffentliche Verwaltung zwischen Gesetzgebung undrichterlicher Kontrolle", hrsg. von Götz/Klein/Starck. 8
Teil 2
Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung" bei gestaltenden, feststellenden und befehlenden Verwaltungsakten A. Die gebräuchlichen Definitionen und ihre Kritik I. Die Mehrdeutigkeit des Begriffs der „Regelung" Bei der Beschreibung von Tatbestand, Rechtsfolgen und der Funktion des Verwaltungsaktes mit Hilfe des Begriffs der „Regelung" ist zu berücksichtigen, daß das Wort „Regelung" grundsätzlich zur Bezeichnung von drei verschiedenen Vorgängen oder Objekten gebraucht werden kann. Er kann verwendet werden •
zur Bezeichnung des Regelungsakts, d.h. der Willenserklärung, die auf die Begründung, Änderung, Aufhebung oder Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet ist;
•
zur Bezeichnung des Regelungsvorgangs oder -Verfahrens, d.h. der Handlungen, durch die eine solche Erklärung vorbereitet und erlassen wird und schließlich
•
zur Bezeichnung des Regelungsinhalts, d.h. der Rechtsfolge im Sinne des durch eine solche Willenserklärung festgestellten oder geschaffenen Rechtszustandes1.
Ausgangspunkt der juristischen Analyse des Rechtsinstituts des Verwaltungsakts ist heute das geschriebene Recht. In der Legaldefinition des § 35 Satz 1 VwVfG und den wortgleichen Spezialnormen des § 31 Satz 1 SGB X und des § 118 Satz 1 AO taucht der Ausdruck „Regelung" sprachlich nur als ein untergeordnetes Element auf. Die „Regelung" steht in dieser expliziten Definition nämlich als eines von mehreren Attributen, durch die der Begriff der „Maßnahme" näher bestimmt wird. Es wird festgelegt, daß es sich bei Verwaltungsakten nur um solche Maßnahmen handelt, die „zur Regelung" getroffen werden.
1
Krause, Rechtsformen, S. 70 ff.
A. Die gebräuchlichen Definitionen und ihre Kritik
39
Nur einen juristisch nicht geschulten Leser könnte das Wort „Maßnahme" zu dem Gedanken verleiten, der Verwaltungsakt sei ein Verfahren (Tun) der Behörde und § 35 VwVfG definiere einen bestimmten Regelungsvorgang innerhalb der Behörde. Aufgrund der Tradition der Verwaltungsrechtsdogmatik und dem systematischen Zusammenhang mit der gesetzlichen Definition des Verwaltungsverfahrens ergaben sich aber nie Zweifel daran, daß mit dem Begriff „Verwaltungsakt" in § 35 VwVfG nicht eine der Regelung dienende Tätigkeit, sondern das Produkt eines Verwaltungsverfahrens bezeichnet werden soll, durch das der Verwaltungsakt zustande gekommen ist 2 . Die Legaldefinition des Verwaltungsaktes ordnet bestimmte behördliche Erklärungen, die der Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts dienen, der Rechtsform Verwaltungsakt zu. Im Gesetzestext des § 35 VwVfVG bezeichnet das Wort „Regelung" also das angestrebte Ergebnis der Maßnahme, die ausgesprochene, final intendierte Rechtsfolge (Regelungsinhalt oder -Wirkung), d.h. das angestrebte Ergebnis einer Verwaltungsmaßnahme, die der rechtlichen Kategorie „Verwaltungsakt" zugeordnet werden kann3. Demgegenüber wird der Begriff der „Regelung" in der vorliegenden Untersuchung - in Übereinstimmung mit einem großen Teil der Literatur zum allgemeinen Verwaltungsrecht und zum VwVfG 4 - überwiegend als Synonym und Kurzbezeichnung benutzt für das gesamte gesetzliche Tatbestandsmerkmal der „Verfügung, Entscheidung oder anderen hoheitlichen Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung ... trifft...". Der Ausdruck „Regelung" bezeichnet damit die in § 35 VwVfG näher beschriebene Erklärung einer Behörde. Diese sprachliche Abkürzung wird gewählt, weil der in § 35 VwVfG verwandte Terminus der „Maßnahme" nur in geringem Maße geeignet ist, be-
2
Krause, Rechtsformen, S. 122; P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 38 ff.; Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 12 Rn. 24. Damit wird bei der Einfügung dieses Begriffes aus der Alltagssprache in die juristische Fachterminologie aber nur eine Bedeutungsverschiebung wiederholt, wie sie auch bei der Verwendung des im außeijuristischen Sprachgebrauch eine Handlung bezeichnenden Wortes „actus", „acte" oder, Akt" im Begriff „Verwaltungsakt" stattgefunden hat. Bei der Systematisierung der nicht vom VwVfG erfaßten Rechtsformen des „Verwaltungshandelns" wird dem entsprechenden Unterschied zwischen der die Lebenswirklichkeit verändernden Verwaltungstätigkeit (Realakt) und dem realen Produkt einer Verwaltungstätigkeit (Verwaltungsfabrikat) kaum Beachtung geschenkt. 3 Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 45 Rn. 43 f.; P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/ Bonk/Sachs, § 35 Rn. 38 ff.; Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 12 Rn. 24; Meyer in Meyer/Borgs, § 35 Rn. 33; Rüping, S. 21 ff.; Peine, Allg. VerwR, Rn. 120. 4 Vgl. beispielsweise Krause, Rechtsformen, S. 122; Hoffmann-Becking, DÖV 1972, 196 ff.; Löwer, JuS 1980, 805 (809); ders., DVB1. 1980, 952 (954 f.); Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 12 Rn. 24 ff.; Maurer, Allg. VerwR, § 9 Rn. 5-7.
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
stimmte Eigenschaften und Funktionen zu beschreiben, die den Verwaltungsakt von anderen Rechtsformen des Verwaltungshandelns unterscheiden. Denn bei einer isolierten Betrachtung ist der Ausdruck „Maßnahme" nicht auf Erklärungen mit Rechtsfolgeanordnungen beschränkt 5, sondern umfaßt jedes zweckgerichtete Verhalten 6. Insoweit gibt dieser Begriff nur Raum zur Einfügung des finalen Handlungsbegriffs in die Lehre vom Verwaltungsakt; natürlicher Handlungswille oder -bewußtsein eines Amtswalters sind danach Voraussetzung, um eine sprachliche Erklärung oder ein Geschehen, das kraft Gesetzes oder gesellschaftlicher Konvention einen bestimmten Erklärungsgehalt hat, als Akt zu betrachten, der einer Behörde zugerechnet werden kann7. Die „Maßnahme" erhält ihre spezifische Bedeutung erst durch den nachfolgenden, sinntragenden Relativsatz, der klarstellt, daß dieses Rechtsinstitut nicht sämtliche Rechtshandlungen oder gar Realakte erfaßt, sondern nur solche Erklärungen, die final zum Zwecke der Regelung abgegeben werden. Insoweit sind nicht nur die Tätigkeit, d.h. der Erlaß des Verwaltungsaktes, als ein Regelungsvorgang und das Produkt dieser Tätigkeit, d.h. der erlassene Verwaltungsakt als eine regelnde Willenserklärung, zu unterscheiden. Ebenso
5
So aber Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 45 Rn. 42; Meyer in Meyer/Borgs, § 35 Rn. 23. 6 Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 12 Rn. 11; Battis, Allg. VerwR S. 123; Rüping, S. 18. Meyer in Meyer/Borgs, § 35 Rn. 23, bezeichnet dagegen generell nur positives Tun, nicht aber Unterlassen als Maßnahme. Er weist zwar zutreffend darauf hin, daß bei gesetzlichen Fiktionen eines Verwaltungsaktes mit einem bestimmten Inhalt, wie der Teilungsgenehmigung in § 19 Abs. 3 Satz 7 BauGB, das bloße Schweigen (Unterlassen) kein Verwaltungsakt ist (a.A. Kopp, VwVfG, § 35 Rn. 12). Gleichwohl widerspricht diese Auslegung den Erkenntnissen der finalen Handlungslehre. Denn bei einer solchen Fiktion knüpft der Gesetzgeber an jede Untätigkeit der für den Erlaß eines Verwaltungsaktes zuständigen Behörde die gleiche Rechtsfolge wie an einen positiven Bescheid. Diese gesetzliche Rechtsfolge tritt also auch dann ein, wenn die gegenteilige Erklärung (Versagung) nicht final zur Setzung einer Rechtsfolge unterlassen wird. Ohne eine solche gesetzliche Rechtsfolge des Schweigens sind jedoch auch im Verwaltungsrecht - etwa bei der Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung - Situationen denkbar, in denen eine Äußerung final zum Zweck der Regelung unterlassen wird, in denen also aufgrund besonderer Umstände eine „Erklärung ohne Worte", ein konkludentes Schweigen, vorliegt (Battis, Allg. VerwR, S. 123). Diese notwendige Differenzierung zwischen den Fällen eines bloßen Schweigens ohne Erklärungsgehalt, das keine Rechtsfolgen hat, eines Schweigens mit Erklärungswirkung (Untätigkeit mit gesetzlichen Rechtsfolgen, die mit den Rechtsfolgen einer Willenserklärung bestimmten Inhalts identisch sind (Erklärungsfiktion)) und eines Schweigens als Erklärungsakt (vgl. Flume, Das Rechtsgeschäft, § 5 2., 3.; Larenz/Wolf AT, § 28 Rn. 46-59) sollte daher systematisch innerhalb des Tatbestandsmerkmales der Regelung nicht dem Topoi „Maßnahme", sondern dem Definitionselement „zur Regelung", m.a.W. dem Topos des final intendierten Zwecks der Maßnahme, zugeordnet werden. 7 Vgl. Rüping, S. 18 ff.
A. Die gebräuchlichen Definitionen und ihre Kritik
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muß systematisch zwischen der Regelung i.S. der behördlichen Erklärung, d.h. dem Tatbestandsmerkmal des § 35 VwVfG, und der Regelung des Rechtsverhältnisses i.S. des durch diese Erklärung hergestellten Rechtserfolges differenziert werden 8. Wie bei jeder anderen Regelung besteht allerdings auch beim Verwaltungsakt zwischen Tatbestand und Rechtsfolge grundsätzlich nicht nur eine kausale, sondern auch eine finale Beziehung: der Rechtserfolg der Regelung tritt nach Maßgabe der §§ 43 ff. VwVfG ein, weil er gewollt ist. Im Gesetzestext wird insoweit durch die Worte „zur Regelung" sogar eine bestimmte Funktion der Verwaltungshandlung als notwendiges Tatbestandsmerkmal des Verwaltungsaktes festgelegt. Daher ist es legitim, den Begriff „Regelung" in der Dogmatik des Verwaltungsaktes auch für die das Verwaltungsverfahren abschließende behördliche Erklärung und nicht nur für die in ihr ausgesprochene Rechtsfolge zu gebrauchen. Damit ist noch nicht die Frage beantwortet, unter welchen Voraussetzungen eine behördliche Erklärung auf die Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts gerichtet ist. Welche Inhalte muß eine Erklärung haben, um ihr die rechtliche Qualität einer Regelung zuzusprechen? Die zuvor gegebenen Erläuterungen haben deutlich werden lassen, daß jede Definition und Beschreibung des Verwaltungsaktes als Regelungsakt in irgendeiner Weise die finale Beziehung zwischen dem Tatbestandsmerkmal der behördlichen Erklärung und dem Regelungserfolg zum Ausdruck bringen muß. Gleichwohl lassen sich die Antworten, die die rechtswissenschaftliche Literatur auf die Definitionsfrage bietet, in vier Gruppen einteilen: •
Oft wird eine abstrakte Beschreibung des Regelungsinhaltes aller Verwaltungsakte vorgenommen und die Regelung als eine auf die Setzung einer Rechtsfolge gerichtete Erklärung definiert 9. Damit wird der Verwaltungsakt im Anschluß an Kormanns „System der rechtsgeschäftlichen Staatsakte"10
8 Krause, Rechtsformen, S. 72. Von den Autoren, die „Regelung" als Tatbestandsmerkmal gebrauchen, wird der Unterschied nicht immer herausgestellt. Maurer, Allg. VerwR, § 9 Rn. 7, spricht zwar expressis verbis von Doppeldeutigkeit im Hinblick auf Erlaß und erlassenen Verwaltungsakt, setzt dann aber Verwaltungsakt und Rechtserfolg gleich. Da in der „Regelung" das Phänomen der Verbindlichkeit des Verwaltungsaktes lokalisiert ist, ergibt sich schon aus der Mehrdeutigkeit dieses sowohl zur Bezeichnung eines Tatbestandsmerkmals als auch zur Bezeichnung der Rechtsfolge verwendeten Begriffs die im Abschnitt B.VI. 1 .d) näher zu behandelnde Schwierigkeit, zwischen dem Verbindlichkeitsanspruch als Tatbestandsmerkmal und der Verbindlichkeit als Rechtsfolge eines feststellenden Verwaltungsakts zu unterscheiden. 9 BVerwG, U. v. 20.05.1987 - 7 C 83/84, BVerwGE 77, 268 = JURIS Nr. WBRE103368705; Krause,, Rechtsformen, S. 66 ff., 85 ff.; Hoffmann-Becking, DÖV 1972, 196 (197 f.); Haaf S. 60; Druschel, S. 42 ff.; 188 ff; Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 12 Rn. 26; Maurer, Allg. VerwR, § 9 Rn. 6; P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 39. 10 S. 18 ff, passim.
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
als eine der Verwaltung zurechenbare Willenserklärung und einseitiges Rechtsgeschäft klassifiziert 11 . Der Verwaltungsakt soll also - zumindest im Hinblick auf den strukturellen Zusammenhang von Erklärungstatbestand und Rechtsfolge - grundsätzlich mit dem zivilrechtlichen Institut der Willenserklärung vergleichbar sein. Im Zivilrecht bildet das Rechtsinstitut der Willenserklärung das Kernstück der Rechtsgeschäftslehre. Das Wesensmerkmal aller privatrechtlichen Rechtsgeschäfte wird darin gesehen, daß sie final auf die Begründung, Änderung oder Aufhebung von privatrechtlichen Rechtsfolgen durch das Setzen einer Regelung gerichtet sind 12 . Im Normalfall der wirksamen Willenserklärung, bei der innerer Wille und äußerer Erklärungstatbestand übereinstimmen, läßt sich die privatrechtliche Willenserklärung ihrem „Wesen" nach, d.h. mit Hilfe der typusbegründenden Eigenschaften dieses Abstraktionsbegriffes 13, umschreiben als eine auf die Setzung einer Rechtsfolge gerichtete Erklärung, deren Rechtserfolg nach der Rechtsordnung eintritt, weil er gewollt ist 14 . Eine solche Beschränkung des Regelungsbegriffs auf die Setzung einer Rechtsfolge wird teilweise als zu eng angesehen. Von der Legaldefinition des Verwaltungsaktes sollten insbesondere all jene traditionell den feststellenden Verwaltungsakten zugeordneten Erscheinungsformen des Verwaltungsaktes erfaßt werden, bei denen bereits die einschlägigen Rechtsvorschriften eine unmittelbar anwendbare Regelung der Rechte und Pflichten des Adressaten enthalten und die Verwaltung deshalb mit ihrer Feststellung der sich aus dem Gesetz ergebenden Rechtslage gerade keine neue Rechtsfolge begründen wolle. In den Begriff der Regelung werden dann auch Entscheidungen darüber einbezogen, ob ein bestimmter Lebenssachverhalt die Tatbestandsmerkmale einer Rechtsnorm erfüllt: •
Häufig wird daher bei der Definition des Regelungsaktes auf die Funktion abgestellt, die die Erklärung für die Verwaltung und den Bürger im Hinblick auf das geregelte Verwaltungsrechtsverhältnis haben soll. In Anknüpfung an Otto Mayer 15 wird der Verwaltungsakt beschrieben als ein verwaltungsbehördlicher Ausspruch, der bestimmt, was im Einzelfall Rechtens sein soll. Die Verwaltungsaktsregelung sei die verbindliche Anwendung ab-
11
Vgl. die Literaturnachweise in Fn. 9. Flume , Das Rechtsgeschäft, § 2 2.; Larenz/Wolf AT, § 22 Rn. 3. 13 Flume , Das Rechtsgeschäft, § 2 5. 14 Vgl. Flume , Das Rechtsgeschäft, § 2, § 4; Palandt-Heinrichs, Überblick vor § 104 Rn. 2; Larenz/Wolf, AT, § 22 Rn. 3. 15 Dt. VerwR I, 1. Aufl., S. 95; 3. Aufl. S. 93. Zu Otto Mayers Konzeption vgl. im einzelnen Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 206 ff. m.w.N. 12
A. Die gebräuchlichen Definitionen und ihre Kritik
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strakter Rechtssätze auf den konkreten Einzelfall 16 . Wesentliches Merkmal der Regelung ist nach dieser Auffassung die verbindliche Konkretisierung der Rechtslage im Einzelfall Die final intendierte Verbindlichkeit der Regelung wird hierbei nicht nur als Rechtsfolge des Verwaltungsaktes angesehen, sondern als ein Element, das bereits bei der Auslegung und Anwendung des Tatbestandsmerkmals der Regelung („Maßnahme zur Regelung") berücksichtigt werden soll. •
Demgegenüber differenzieren Appel/Melchinger ]1 zwischen dem Tatbestandsmerkmal der Regelung und einem zusätzlichen Merkmal der Verbindlichkeit der Maßnahme, das einerseits auf die Regelung und andererseits auf die Außenwirkung zu beziehen sei. Als das entscheidende Kriterium für den Regelungscharakter des (feststellenden) Verwaltungsaktes sehen sie die Rechtsanwendung an: Jede behördliche Anwendung einer Rechtsvorschrift, die der Behörde einen Anwendungsspielraum belasse, besitze Regelungscharakter 18; eine behördliche Maßnahme habe stets Regelungscharakter, wenn die Behörde entweder auf der Tatbestandsseite oder auf der Rechtsfolgenseite einer Rechtsnorm einen Spielraum ausfüllen und dadurch eine Rechtsfolge herbeiführen oder aktualisieren wolle 19 . Die Maßnahme sei allerdings nur dann als Verwaltungsakt zu qualifizieren, wenn sie auf Verbindlichkeit angelegt sei 20. Die Verbindlichkeit müsse beim Verwaltungsakt in zweifacher Richtung gegeben sein: zum einen bei der Regelung als einer willentlichen, auf Verbindlichkeit abzielenden Festlegung dessen, was im Einzelfall rechtens sein soll; zum anderen bei der rechtserheblichen, d.h. auf Verbindlichkeit gerade gegenüber dem Betroffenen abzielenden Außenwirkung. Die Verbindlichkeit der Regelung beziehe sich dabei auf den konkreten Sachverhalt, den die Behörde regeln wolle, indem sie die Frage beantworte, welche Rechtslage bei Anwendung der einschlägigen Rechtsnorm(en) nach ihrer Einschätzung im Einzelfall bindend sein soll. Der Wille der Behörde zur Rechtsanwendung und die Verbindlichkeit der Regelung fielen allerdings regelmäßig zusammen, wie sich an der Abgrenzung gegenüber der bloßen Information zeige; bei der bloßen Information
16
J. Martens, AöR 89 (1964), 429 (432 ff.); ders., ZZP 79 (1966), 404 (415 ff.); ders., DVB1. 1968, 322 (324 f.); zusammenfassend ders., Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 210 ff., 254 ff. Ebenso Erichsen in Erichsen, Allg. VenvR, § 12 Rn. 26-28; Rüping, S. 23 ff.; Seibert, S. 94-101; Druschel, S. 42 ff.; 188 ff. Zur Idee der Rechtskonkretisierung vgl. schon Bülow, Gesetz und Richteramt, Leipzig 1885, S. 29 ff., 41 ff.; Engisch, S. 85 ff., passim. 17 Appel/Melchinger, VerwArch 84 (1993), 349 (360 ff.). 18 A.a.O., S. 363. 19 A.a.O., S. 366 f. 20 A.a.O., S. 374 f.
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
fehle es nämlich sowohl an der Rechtsanwendung im Einzelfall als auch an der Verbindlichkeit 21 . •
Schließlich wird teilweise der Begriff der Regelung, der eine gemeinsame Eigenschaft aller Verwaltungsakte angibt, durch eine deskriptive Aufzählung verschiedener Regelungstypen ersetzt oder ergänzt. Regelungen i.S. des § 35 VwVfG seien Anordnungen (Willenserklärungen), die gerichtet seien - auf die Begründung, Änderung, Aufhebung eines Rechtsverhältnisses, - auf die verbindliche Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses bzw. einzelner sich aus einem Rechtsverhältnis ergebender Rechte und Pflichten oder - auf die verbindliche Feststellung rechtlich erheblicher Eigenschaften einer Person oder Sache sowie - Entscheidungen, mit denen die Behörde es verbindlich ablehne, eine der vorgenannten Regelungen zu treffen 22.
Um im späteren Gang der Untersuchung eine adäquate Antwort auf die Frage zu finden, ob die Verwaltung für derartige verbindliche Regelungen möglicherweise deshalb jeweils spezieller gesetzlicher Ermächtigungen bedarf, weil diese als Eingriff in subjektive Rechte zu qualifizieren sind, kommt es darauf, Inhalt und Rechtswirkungen der Verwaltungsaktsregelung näher zu bestimmen. Zu diesem Zweck werden im folgenden die verschiedenen Definitionsansätze überprüft und miteinander verglichen. Ausgangspunkt der Untersuchung soll hierbei eine deskriptiv-empirische Beschreibung der verschiedenen Regelungsinhalte sein.
II. Die Einteilung der Verwaltungsakte nach ihren Regelungsinhalten Nach ihrem Regelungsgehalt werden die Verwaltungsakte in der Dogmatik des allgemeinen Verwaltungsrechts seit langem häufig in drei Gruppen eingeteilt, nämlich die befehlenden, die gestaltenden und die feststellenden Verwaltungsakte. Als Regelungsakte i.S. des § 35 VwVfG sind dabei allerdings in
21
A.a.O., S. 375. Meyer in Meyer/Borgs, § 35, Rn. 34; Kopp, VwVfG, § 35 Rn. 4. Deskriptiv geht auch Obermayer-Janßen, § 35 Rn. 35, vor; jedoch erfaßt seine Aufzählung Feststellungen rechtlich erheblicher Eigenschaften nur dann, wenn deren Rechtsfolgen gesetzlich geregelt sind. Ohne eigene dogmatische Begründung stimmt er im Ergebnis mit Hoffmann-Becking und Löwer (vgl. unten bei Fn. 74 und 81) überein, welche die Kategorie des feststellenden Verwaltungsaktes ablehnen (vgl. unten Fn. 82). 22
A. Die gebräuchlichen Definitionen und ihre Kritik
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der verwaltungsrechtlichen Dogmatik nur die befehlenden und die gestaltenden Verwaltungsakte allgemein anerkannt. Jedoch hat der Gesetzgeber die Dreiteilung in befehlende, gestaltende und feststellende Verwaltungsakte vorausgesetzt, als er die Regelung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage in § 80 Abs. 1 VwGO im Rahmen des Gesetzes zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens 23 durch den klarstellenden 24 Satz 2 ergänzte, daß diese auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a) gelte. Als befehlende Verwaltungsakte oder Verfugungen werden solche Verwaltungsakte bezeichnet, die ein mit Mitteln des Verwaltungszwanges vollstreckungsfähiges Ge- oder Verbot enthalten. Sie verpflichten den Adressaten so zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen 25. Üblich ist des weiteren die in § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO übernommene Differenzierung zwischen gestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten. Sie erfolgt danach, ob der Verwaltungsakt darauf gerichtet ist, ein konkretes Rechtsverhältnis zu begründen, zu verändern bzw. aufzuheben oder ob durch ihn eine im Einzelfall bereits bestehende Rechtslage festgestellt werden soll. Anzustellen ist demnach ein Vergleich der konkreten Rechte und Pflichten, die vor und nach Eintritt der Wirksamkeit des Verwaltungsakts zwischen Bürger und Verwaltung bestehen sollen 26 . Aufgrund des finalen Aspektes der Regelung soll es nach h.M. für die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten aber nicht darauf ankommen, welche Auswirkungen der Verwaltungsakt auf die Rechtslage im Einzelfall tatsächlich hat, sondern welche Rechtsfolgen von der erlassenden Behörde intendiert sind. Als gestaltend bezeichnet die herrschende Lehre Verwaltungsakte, die auf die Begründung, Änderung oder Aufhebung eines konkreten Rechtsverhältnisses gerichtet sind 27 . Als Musterbeispiele für derartige Verwaltungsakte werden immer wieder die Einbürgerung 28 und die Beamtenernennung genannt29. 23
4. VwGOÄndG vom 17.12.1990, BGBl. I, S. 2809. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks. 11/7030, S. 24. 25 Forsthoff, S. 201; Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 12 Rn. 27; Maurer, Allg. VerwR, § 9 Rn. 44, § 20 Rn. 6; Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 46 Rn. 4; Peine, Allg. VerwR, Rn. 140; Battis, Allg. VerwR, S. 152. 26 Seibert, S. 100 f.; Druschel, S. 193. 27 Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 46 Rn. 3, 5; Forsthoff, S. 209; Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 12 Rn. 27; Maurer, Allg. VerwR, § 9 Rn. 45; Achterberg, Allg. VerwR, § 21 Rn. 77; Peine, Allg. VerwR, Rn. 141; Battis, Allg. VerwR, S. 152. 28 Wolff/Bachof/Stober, VerwR 2, § 46 Rn. 5; Maurer, Allg. VerwR, § 9 Rn. 45; Achterberg, Allg. VerwR, § 21 Rn. 78. 29 Wolff/Bachof/Stober, VerwR 2, § 46 Rn. 5; Forsthoff, S. 209; Maurer, Allg. VerwR, § 9 Rn. 45; Achterberg, Allg. VerwR, § 21 Rn. 78. 24
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
Demgegenüber werden als feststellend zumeist solche Verwaltungsakte definiert, die Ansprüche oder rechtlich erhebliche Eigenschaften von Personen oder Sachen verbindlich feststellen 30 oder eine derartige Feststellung ablehnen 31 . Gegenstand der Regelung kann nach dieser gebräuchlichen Formulierung also sowohl eine Rechts- als auch eine Tatsachenfeststellung sein 32 . Andere nehmen dagegen in ihre Begriffsbestimmungen nur die Feststellung von Rechtsverhältnissen bzw. einzelner sich daraus ergebender Rechte oder Pflichten 33 auf. Grundsätzliche sachliche Differenzen sind mit den unterschiedlichen Formulierungen des Regelungsgegenstandes allerdings nicht verbunden, da es sich nicht um eine bloße Tatsachenfeststellung ohne Bezug zu einem Verwaltungsrechtsverhältnis handeln soll. Vielmehr verlangt der Begriff der,»rechtlich erheblichen Tatsache" oder „Eigenschaft", daß die Eigenschaft der Person oder Sache für die Anwendung eines Rechtssatzes auf einen Einzelfall entscheidungserheblich ist 34 . Durch Zusammenfassung der verschiedenen Aspekte der gebräuchlichen Formulierungen kann deshalb die folgende Definition der feststellenden Verwaltungsakte als herrschend betrachtet werden: Feststellende Verwaltungsakte i.S. der h.L. sind solche Verwaltungsakte, die darauf gerichtet sind, das Bestehen oder Nichtbestehen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses, einzelner sich daraus ergebender Rechte oder Pflichten oder hierfür rechtlich erheblicher Tatsachen verbindlich festzustellen 35. Als feststellend werden in Rechtsprechung und Literatur beispielsweise Verwaltungsakte mit den folgenden Regelungen bezeichnet36: •
die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer 37, die Feststellung der Staatsangehörigkeit 38, der Wehrdienstuntauglichkeit (Ausmusterungsbescheid) 39, 30
Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 12 Rn. 28; Maurer, Allg. VerwR, § 9 Rn. 46. 31 Wolff/Bachof/Stober, VerwR 2, § 46 Rn. 7; diess., VerwR 2, § 46 Rn. 7; Achterberg,, Allg. VerwR, § 21 Rn. 76; Henneke in Knack, § 35 Rn. 5.2.4; Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs. 1 Rn. 32, 96; Peine, Allg. VerwR, Rn. 142; Wolff/Bachof/Stober, VerwR 2, § 46 Rn. 3, stuft demgegenüber die Versagung einer Gestaltung als gestaltenden Verwaltungsakt ein. 32 Sachlich ebenso Maurer, Allg. VerwR, § 9 Rn. 46; Meyer in Meyer/Borgs, § 35 Rn. 36. 33 Kopp, VwVfG, § 35 Rn. 36. 34 König, BayVBl. 1987, 261 f. 35 Ähnlich König, BayVBl. 1987, 261 f. 36 Eine genaue Überprüfung, Ergänzung und Systematisierung der genannten Beispiele soll in dieser Arbeit aber erst vorgenommen werden (vgl. unten D.-E.), wenn es gelungen ist, Tatbestand, Rechtsfolgen und Funktion der Rechtsfigur eines die Rechtslage lediglich feststellenden Verwaltungsaktes zu beschreiben und einige grundsätzliche Einwände auszuräumen. 37 BVerwG, U. v. 3.5.1982 - 6 C 60/79, BVerwGE 65, 287 (288); Maurer, Allg. VerwR, § 9 Rn. 46.
A. Die gebräuchlichen Definitionen und ihre Kritik
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einer kraft Gesetzes eingetretenen Beendigung eines Beamtenverhältnisses 40 und die Feststellung des Besoldungsdienstalters 41 oder des anstellungs- und beforderungsrelevanten Allgemeinen Dienstalters eines Beamten42; •
die Anerkennung von Geldleistungsansprüchen des Bürgers gegen den Staat43 (z.B. Pensionsfestsetzungs- 44, Wohngeld- 45 und Rentenbescheide46) oder
•
die Feststellung, daß bestimmte Waldstücke (k)einen Eigenjagdbezirk bilden 47 oder zu einem bestimmten Jagdrevier gehören 48, die Feststellung, daß die in einem bestimmten Betrieb erzeugten Rohlinge zur Herstellung von Semmelwürfeln für die industrielle Produktion von Knödeln (keine) Bäkker- und Konditoreiwaren i.S. des Bäckerarbeitszeitgesetzes waren 49 , die Feststellung, daß bestimmte Räume Wohnräume sind und dem Gebot der Wohnraumzweckentfremdung unterliegen 50 oder die Feststellung, daß die Geräuschemissionen eines bestimmten, in Dänemark gebraucht erworbenen Flugzeuges seiner Verkehrszulassung in Deutschland nicht entgegenstehen 51 .
38 Bay. VGH, U. v. 5.4.1976 - Nr. 1 IX 71, DVB1. 1977, 108; BVerwG, U. v. 14.12.1972 - I C 32.71, BVerwGE 41, 277 (279); Maurer, Allg. VerwR, § 9 Rn. 46; Peine, Allg. VerwR, Rn. 142; Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 12 Rn. 28. 39 BVerwG, U. v. 25.4.1979 - VIII C 52.77, BVerwGE 58, 37 (38); Peine, Allg. VerwR, Rn. 142. 40 BVerwG, U. v. 29.12.1969 - VI C. 4.65, BVerwGE 34, 353 (354 f.); König,, BayVBl. 1987, 261 (262). 41 Maurer, Allg. VerwR, § 9 Rn. 46; Achterberg, Allg. VerwR, § 21 Rn. 76. 42 BVerwG, U. v. 18.6.1964 - VI C 30.62, BVerwGE 19, 19 (20 ff.). 43 Maurer, Allg. VerwR, § 9 Rn. 46; König, BayVBl. 1987, 261 (262). 44 BVerwG, U. v. 24.4.1959 - VI C 91.57, BVerwGE 8, 261 (265 ff.); König, BayVBl. 1987, 261 (262). 45 Ossenbühl, DÖV 1967, 246 (247 ff.). 46 König, BayVBl. 1987, 261 (262). 47 Bay. VGH, U. v. 17.8.60 - 195 IV 55, DVB1. 1960, 735; Forsthoff, S. 210. 48 Nach der gesetzlichen Ermächtigung in Art. 3 Bayerisches Jagdgesetz (BayJG) vom 13.10.1978 werden der Bestand, Umfang und Grenzen eines Jagdreviers (Jagdbezirks), falls erforderlich, durch die Jagdbehörde festgestellt. Gegenstand eines solchen feststellenden Verwaltungsaktes nach Art. 3 BayJG kann auch die Frage der Zugehörigkeit bestimmter Flächen zu einem Jagdbezirk sein (vgl. Bay VGH, U. v. 20.8.1999 19 B 95.2879, BayVBl. 2000, 277 (278)). 49 Bay. VGH, U. v. 18.8.80 - 22.B-1410/79, GewArch 1981, 18 = NJW 1981, 2076. 50 BVerwG, U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83, BVerwGE 72, 265 = NJW 1986, 1120 = DVB1. 1986, 560 = DÖV 1986, 570 = BayVBl. 1986, 536 = JURIS Nr. WBRE101128602. 51 BVerwG, U. v. 25.09.1996 - H C l 1/95, JURIS Nr. WBRE410002680 = NVwZ 1997, 922 (nur Leitsatz).
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
Für alle diese Verwaltungsakte gilt zunächst, daß der Inhalt der getroffenen Regelung nicht im Ermessen der Verwaltung steht. Die gebundene Entscheidung soll hierbei jeweils die materiellen Rechte, Pflichten oder rechtlich erheblichen Tatsachen inhaltlich genau so regeln, wie sie bereits vor ihrem Erlaß bestanden haben. Der feststellende Verwaltungsakt bildet so nach h.L. einen hoheitlichen Ausspruch darüber, was für die Beteiligten des geregelten Verwaltungsrechtsverhältnisses bereits Rechtens ist.
I I I . Der feststellende und zugleich verbindliche Verwaltungsakt: eine in sich widersprüchliche Begriffsbildung? 1. Funktion und Kritik der Begriffsbildung Das Rechtsinstitut eines feststellenden Verwaltungsaktes, auf das der Gesetzgeber inzwischen in § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO Bezug genommen hat, ist in der deutschen Verwaltungsrechtsdogmatik nie allgemein anerkannt gewesen. Lange Zeit dominierte eine rechtspolitische Kritik. So verbanden etwa Otto Mayer 52 und W. Jellinek 53 den Begriff der Rechtsfeststellung grundsätzlich mit einer richterlichen Tätigkeit; Feststellungen durch Verwaltungsakt zu treffen, machte in ihren Augen rechtspolitisch auch deshalb wenig Sinn, weil sie die Verwaltung als Erscheinungsform des handelnden Staates betrachteten. Beide erkannten aber rechtskonstruktiv die Möglichkeit an, Feststellungen durch Verwaltungsakt zu treffen 54.
52
Dt. VerwR 1,3. Aufl., S. 100. S. 259 f. 54 O. Mayer hat den feststellenden Verwaltungsakt aufgrund seiner pragmatischen Bedenken nur nicht als besondere Kategorie hervorgehoben. So teilte O. Mayer die Verwaltungsakte in der 1. Auflage seines Dt. VerwR I, S. 100 f., nach der Art der Gebundenheit folgendermaßen ein in Entscheidungen und Verfugungen: Entscheidungen sind Verwaltungsakte mit rechtlich gebundenem Inhalt. Die Gebundenheit kann durch einen Rechtssatz kommen, der auf den Fall anzuwenden ist, oder durch einen vorausgehenden Verwaltungsakt, der nur durchgeführt werden soll. Sie muß eine vollständige sein, derart, daß der neue Verwaltungsakt nichts selbständig zu der rechtlichen Ordnung des Falles hinzuzufügen hat: Die Entscheidung spricht nur aus, was Rechtens sein soll, indem sie erklärt, was Rechtens ist. Die civilgerichtlichen Urteile haben durchweg (mit gewissen Ausnahmen ...) die Natur solcher Entscheidungen. Nach ihrem Vorbild ist die entsprechende Art Verwaltungsakt. Alle übrigen Verwaltungsakte sind Verfügungen. Sie haben gemeinsam, daß die Behörde mit eigenem Entschlüsse darin thätig ist, um das Ob und Wie des Rechtverhältnisses zu bestimmen." Zu der Gruppe der rechtlich gebundenen Entscheidungen rechnete er nicht nur rechtlich gebundene befehlende Verwaltungsakte, sondern führte in der ersten Auflage seines Lehrbuchs gerade den nachträglichen Ausspruch darüber, ob eine bestimmte Linie in 53
A. Die gebräuchlichen Definitionen und ihre Kritik
49
Unter dem Grundgesetz spielte diese rechtspolitische Kritik kaum mehr eine Rolle; demgegenüber hat es grundsätzliche dogmatische Zweifel an der Rechtsfigur des feststellenden Verwaltungsaktes gegeben. Die Schwierigkeiten im Umgang mit der Rechtsfigur rühren daher, daß in der als feststellender Verwaltungsakt bezeichneten Erklärung definitionsgemäß nur das „wiederholt" werden soll, was ohnehin kraft Gesetzes gilt. Diese inhaltliche Bezugnahme auf eine bereits bestehende Rechtslage stellt die Rechtsformenlehre vor die Aufgabe, die feststellenden Verwaltungsakte in dreifacher Hinsicht abzugrenzen: zunächst von Rechts- oder Realhandlungen, mit denen die Verwaltung, die ihr kraft Gesetzes obliegenden Verpflichtungen erfüllt oder Befugnisse gegenüber dem Bürger wahrnimmt; sodann von den unverbindlichen „Feststellungen", die nicht als Verwaltungsakte zu qualifizieren sind und schließlich innerhalb der Gruppe der Verwaltungsakte von den gestaltenden Regelungen.
2. Rechtsanwendung durch feststellenden
Verwaltungsakt
Die beiden zuerst genannten Abgrenzungsaufgaben können nicht allein mit Hilfe des Kriteriums der Rechtsanwendung gelöst werden, wie Appel und Melchinger 55 dies in ihrer Veröffentlichung „Rechtsanwendung und feststellender Verwaltungsakt" zunächst vorgeschlagen und dann doch durch das zusätzliche Kriterium der Verbindlichkeit wieder relativiert haben.
der Verleihung einer Eisenbahnkonzession inbegriffen war, also einen feststellenden Verwaltungsakt i.S. der heute üblichen Einteilung, noch als Beispiel für den gebundenen Verwaltungsakt an (Dt. VerwR I, 1. Aufl., S. 101, Fn. 10). Auch in der 3. Auflage findet sich die gleiche Einteilung in Entscheidungen und Verfügungen (S. 99-101). Hinter seiner dortigen (S. 100)rigorosen Bewertung: „In der Verwaltung erscheint der handelnde Staat, der für seine Angelegenheiten tätig ist. Bloße Feststellungen haben hier keinen Platz; der einfache Verwaltungsakt, dem die Rechtskraft fehlt, gäbe ihnen auch wenig Sinn." standen keine rechtsdogmatischen, sondern eher rechtspolitische Bedenken. So erkannte er für den Steuerbescheid bei den Nichtveranlagungssteuern nach der Reichsabgabenordnung die Konstruktion und Zweckmäßigkeit der Feststellung einer bereits durch das Gesetz erzeugten Leistungspflicht an (Dt. VerwR I, 3. Aufl., S. 332 f., insbes. Fn. 9). Seine Skepsis beschränkte sich auch nur auf den bloß feststellenden Verwaltungsakt, sie galt nicht solchen als Seitenstück zum Leistungs- und Strafurteil verstandenen rechtlich gebundenen Entscheidungen (Dt. VerwR I, 3. Aufl., S. 100), die in der vorliegenden Arbeit (vgl. unten C.III.2) als konkretisierende Verfügungen bezeichnet werden. So unterschied er innerhalb der polizeilichen Verfügungen zwischen befehlenden Verwaltungsakten, die nur aussprechen, was schon der Rechtssatz für diesen Fall gewollt hat, also Akten gebundenen Inhalts, und den eigentlichen Polizeiverfügungen, d.h. polizeilichen Einzelbefehlen mit mehr oder minder freiem Ermessen (Dt. VerwR I, 3. Aufl., S. 232). 55 Appel/Melchinger, VerwArch 84 (1993), 349 (360 ff.). 4 Kracht
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
Da die Verwaltung nach Art. 20 Abs. 3 GG bei all ihren Tätigkeiten Recht und Gesetz unterworfen ist, setzt nämlich jedes Verwaltungshandeln eine Prüfung und Anwendung der gesetzlichen Verhaltensmaßstäbe voraus, deren Ergebnis durch das entsprechende Tun oder Unterlassen umgesetzt wird und so auch nach außen in Erscheinung treten kann 56 . Ein Lehrer, der mit einer neuen Unterrichtsreihe beginnen oder seinen Schülern eine bestimmte Hausaufgabe aufgeben will, muß bei seiner Tätigkeit ebenso die für sein Verhalten einschlägigen Vorschriften beachten und anwenden, wie ein Polizist, der einen verkehrsbehindernd geparkten PKW im Wege des sofortigen Vollzugs „ohne vorausgehenden Verwaltungsakt" (!) 5 7 oder im Wege der unmittelbaren Ausführung 58 abschleppen lassen will oder gar der Polizeipräsident, der entscheiden muß, ob die Beamten seines mobilen Einsatzkommandos den Versuch unternehmen sollen, eine Geisel durch Schußwaffengebrauch aus der Gewalt eines Bankräubers zu befreien. Eine Rechtsanwendung muß auch ein Amtswalter vornehmen, der zu entscheiden hat, ob er berechtigt oder gar verpflichtet ist, einer anderen Behörde oder einem Bürger eine Auskunft (z.B. über den Namen eines Informanten des Verfassungsschutzes, des Halters eines Kfz oder die Eintragungen im Melderegister) zu erteilen 59. In all diesen Fällen muß die Handlungsformenlehre unterscheiden zwischen •
der zunächst im Kopf eines Mitarbeiters oder unter Beteiligung mehrerer Mitarbeiter der zuständigen Behörde(n) verwaltungsintern abgelaufenen Entscheidungsfindung über die Recht- und Zweckmäßigkeit dieser Verwaltungshandlung (Willensbildung), die in der verwaltungsinternen Entscheidung mündet, ob eine bestimmte Verwaltungsmaßnahme ausgeführt oder unterlassen werden soll,
•
ggf. einer unverbindlichen oder verbindlichen behördlichen Erklärung über die im Hinblick auf die Verwaltungsmaßnahme bestehende Rechtslage oder die Absicht der Behörde (Wissenserklärung, Absichtserklärung oder
56 BVerwG, B. v. 20.05.1987 - 7 C 83/84, JURIS Nr. WBRE103368705 = BVerwGE 77, 268 (Eintragung in das Verkehrszentralregister ist kein Verwaltungsakt). 57 Vgl. z.B. § 6 Abs. 2 VwVG des Bundes, § 50 Abs. 2 nw PolG, § 28 Abs. 2 MEPolG (Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder (Stand: 25.11.1977) in der Fassung des Vorentwurfs zur Änderung des MEPolG (Stand: 12.3.1986)), zitiert nach Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in Steiner, Bes. VerwR, Anhang zu II. 58 Vgl. z.B. § 8 Abs. 1 bw PolG, § 5a Abs. 1 MEPolG (Fn. 57); zum Problem der Überschneidung oder Abgrenzung beider Rechtsinstitute vgl. nur Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in Steiner, Bes. VerwR, II Rn. 304 m.w.N. 59 Zu den in Rechtsprechung und Literatur teilweise kontrovers behandelten verschiedenen Fällen der Entscheidung über eine Auskunftserteilung oder einen anderen Realakt vgl. die Darstellung und Nachweise unten Teil 7,1.
A. Die gebräuchlichen Definitionen und ihre Kritik
51
verbindliche Willenserklärung?), die aber nicht in jedem Fall zwischen Willensbildung und Ausführung tritt und •
der Vornahme oder Unterlassung der tatsächlichen Verrichtung bzw. Information, welche möglicherweise in Rechtsnormen geregelte Ansprüche erfüllt.
Würde man jede Vornahme, Unterlassung oder Ablehnung einer Verwaltungshandlung nur deshalb schon als Regelung bezeichnen, weil ihr eine Rechtsanwendung mit einer Abwägung zwischen verschiedenen rechtlichen Lösungsmöglichkeiten vorausgegangen ist, so würde man durch einen zweifach ungenauen Sprachgebrauch letztendlich aus jedem finalen Handeln eine Regelung machen60. Denn bei einem finalen Handlungsbegriff enthält jede Handlung als bewußtes und gewolltes Verhalten definitionsgemäß eine „Entscheidung". Diese ist allerdings nicht von der Handlung abgehoben, sondern muß erst in einer Reflexion bewußtgemacht werden und kann dann aufgrund eines weiteren Willensentschlusses ausgesprochen werden. § 35 VwVfG meint aber nicht eine derartige, jede Handlung begleitende Entscheidung, sondern nur eine gesondert hervortretende formliche Entscheidung mit dem Anspruch auf Verbindlichkeit 61 . Die Rechtsanwendung im Einzelfall ist auch kein geeignetes Kriterium, um behördliche Äußerungen mit Regelungscharakter von den lediglich informatorischen Äußerungen einer Behörde zu unterscheiden. Es gibt zwar behördliche Informationen, bei der lediglich Fakten mitgeteilt werden, wie etwa Warnhinweise über (tatsächlich oder vermeintlich) gesundheitsgefährdende Produkte, für besonders empfindliche Personen bestimmte Hinweise über die aktuellen Ozonwerte beim Sommersmog oder die über Rundfunk an alle Verkehrsteilnehmer verbreiteten Warnungen vor Glatteis in bestimmten Regionen. Es gibt jedoch auch unverbindliche behördliche Äußerungen, welche sich auf eine im Einzelfall bestehende Rechtslage beziehen, ohne diese verbindlich zu regeln. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die zuständige Behörde in einem Bundesland, in dem Baudenkmäler nach den maßgeblichen denkmalrechtlichen Vorschriften ohne förmliche Eintragung in eine Denkmalliste unmittelbar kraft Gesetzes
60 Krause, Rechtsformen, S. 50 ff., 125, 338 f., 354 ff.; Bettermann, DVB1. 1969, 703 (704); Lässig, DVB1. 1979, 561, (662); Widmann, S. 89 ff.; Bull, Allg. VerwR, Rn. 526 f. 61 Vgl. die in Fn. 60 genannten Autoren, a.a.O., sowie Hess. VGH, U. v. 23.01.1992 - 4 UE 3467/88, JURIS Nr. MWRE105939200 = NVwZ-RR 1993, 462 (Eintragung in eine nachrichtliche Denkmalliste ist kein Verwaltungsakt). Zu den bei der Auslegung zu berücksichtigenden Gesichtspunkten und zur rechtlichen Qualifikation der über eine Auskunftserteilung, Registereintragung oder andere unverbindliche Erklärung getroffenen Entscheidung vgl. auch unten Teil 7,1..
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
einen gesetzlichen Schutz genießen62, ohne konkreten Anlaß für ein behördliches Einschreiten einen Eigentümer nach einer Stadtbegehung darüber unterrichtet, daß u.a. sein Anwesen denkmalschutzwürdig sei 63 , wenn sie alle Verfügungsberechtigten jeweils von Amts wegen von der Eintragung informiert, oder wenn sie nach einer Eintragung des Gebäudes in eine solche deklaratorische Denkmalliste den Betroffenen auf Anfrage in einem unverbindlichen Schreiben die maßgeblichen Gründe für die Eintragung erläutert 64. Will eine Behörde bestimmte Personen über die sich im Einzelfall aus dem Gesetz ergebenden Rechte und Pflichten informieren und sie auf diese Weise durch eine behördliche Überzeugungsarbeit zu einem gesetzeskonformen Verhalten anhalten, so muß sie zur Ermittlung dieser Rechte und Pflichten gerade die einschlägigen Rechtsnormen anwenden und den Betroffenen zumindest über das Ergebnis ihres Rechtsanwendungsprozesses informieren. Rechtsanwendung und unverbindliche Information stellen daher kein Gegensatzpaar dar, das zur Abgrenzung der unverbindlichen Information vom feststellenden Verwaltungsakt geeignet wäre. Jede Regelung i.S. des § 35 VwVfG enthält zwar eine Aussage über die im Einzelfall geltende Rechtslage, aber nicht jede behördliche Erklärung über die im Einzelfall geltende Rechtslage hat Regelungscharakter. Maßgeblich für die Abgrenzung des feststellenden Verwaltungsaktes von der unverbindlichen Mitteilung über die im Einzelfall bestehende Rechtslage ist daher das Kriterium der Verbindlichkeit der Rechtsanwendung 65. Daher erscheint es nicht sinnvoll, das Tatbestandsmerkmal der Regelung zunächst konturlos auf alle behördlichen Erklärungen oder Handlungen auszudehnen, die eine Rechtsanwendung enthalten, um dann in einem zweiten Schritt die entscheidende Eingrenzung doch wieder mit dem Kriterium der Verbindlichkeit vorzunehmen. Vielmehr muß das Merkmal der Verbindlichkeit unmittelbar bei der Interpretation des Begriffs der Regelung berücksichtigt werden. Für die Abgrenzung zur unverbindlichen Information oder Aufforderung kommt es entscheidend darauf an, näher zu beschreiben, was unter der Verbindlichkeit eines Verwaltungsaktes zu verstehen ist.
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Vgl. dazu im einzelnen unten F.II.3. VGH BW, U. v. 23.4.1982 - 5 S 2334/81, NVwZ 1982, 100. 64 OVG Berlin, U. v. 3.1.1997 - 2 B 10/93, LKV 1998, 152 (155). Vgl. dazu im einzelnen unten F.II.3. 65 Auf dieses Abgrenzungskriterium greifen bei den meisten der von ihnen angeführten Problemfälle letztlich auch Appel/Melchinger, VerwArch 84 (1993), 349 (375 ff.), zurück. Sie beschränken bei Bejahung eines Verwaltungsaktes ihre Ausführungen zwar oft auf die lapidare Feststellung, auch die Verbindlichkeit sei gegeben. Soweit sie aber das Vorliegen einer Regelung begründen, stellen sie nicht auf ihres eigenes untaugliches Kriterium der Rechtsanwendung ab, sondern in Anlehnung an O. Mayers klassische Definition des Verwaltungsakts darauf, daß es sich um eine willentliche, auf Verbind63
A. Die gebräuchlichen Definitionen und ihre Kritik
3. Verbindlichkeit
der feststellenden
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Verwaltungsakte
Ausgangspunkt dieser Überlegungen soll die These sein, daß feststellende Verwaltungsakte - im Unterschied zu unverbindlichen Mitteilungen der Rechtslage oder Appellen - Regelungen enthalten, deren Befolgung nicht in das Belieben der betroffenen Bürger und der Verwaltung gestellt ist. Denn alle Verwaltungsakte erfüllen die für dieses Rechtsinstitut charakteristische Konkretisierungs- und Stabilisierungsfunktion nur dann, wenn sie eine verbindliche Entscheidung über das jeweilige materielle Recht enthalten. Durch die Verbindlichkeit des Verwaltungsaktes soll letztendlich bewirkt werden, daß der betroffene Bürger und die erlassene Behörde nicht mehr geltend machen können, aus dem Gesetz ergebe sich eine vom Inhalt des Verwaltungsaktes abweichende Rechtsfolge. So sind die sog. feststellenden Verwaltungsakte ebenso wie die als gestaltend bezeichneten Verwaltungsakte nach h.L. bereits mit ihrem Erlaß, jedenfalls aber nach Eintritt der Unanfechtbarkeit 66 grundsätzlich auch dann verbindlich, wenn ihr Inhalt nicht der gesetzlichen Rechtslage entspricht. Im Tatbestandsmerkmal der Regelung ist somit das Problem der Verbindlichkeit zu verorten 67, das entscheidend ist für die Abgrenzung zu schlicht-hoheitlichen Äußerungen einer Behörde, die lediglich eine Informations- oder Appellfunktion haben sollen. Daraus folgt, daß die Rechtsfolge der Verbindlichkeit auch ein Wesenselement der sogenannten feststellenden Verwaltungsakte sein muß. Damit wird aber die Unterscheidung zwischen den nur feststellenden und den gestaltenden Verwaltungsakten problematisch: Müssen die sog. feststellenden Verwaltungsakte nicht schon deshalb gleichermaßen als rechtsgestaltend bezeichnet werden, weil sie für die Beteiligten die Rechtslage dadurch verändern, daß sie die neue Rechtsfolge der Verbindlichkeit hervorbringen? 68 Läßt sich also die Bindung an die im Verwaltungsakt ausgesprochenen materiellen Rechtsfolgen überhaupt noch erklären, wenn der Feststellungsbescheid im Gegensatz zum Gestaltungsakt definitionsgemäß gerade nicht auf die Begründung, Umgestaltung oder Änderung von Rechten und Pflichten gerichtet sein soll? Umgekehrt formuliert stellt sich die Frage, ob eine Regelung i.S. der Legaldefinition des Verwaltungsaktes nicht nur dann vorliegen kann, wenn die Erklärung auf eine Rechtsgestaltung gerichtet ist.
lichkeit abzielenden Festlegung dessen handele, was im Einzelfall Rechtens sein solle (S. 367 (unten), S. 375 oben). 66 Zum Rechtsgrund und Zeitpunkt des Eintritts der Verbindlichkeit vgl. unten G. II., III. und V. 67 OssenbühU JuS 1979, 681 (683). 68 So Kormann, System, S. 72 f.; Freitag, DVB1. 1976, 6(11).
54
Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
Die Kritiker der Rechtsfigur des feststellenden Verwaltungsaktes 69 kommen bei der Beantwortung dieser Frage zu dem Ergebnis, daß eine bloße Feststellung nie das Merkmal einer „Regelung" im Sinne der Definition des Verwaltungsaktes erfüllen könne 70 : Ein Teil der Kritiker der Begriffsbildung eines feststellenden Verwaltungsaktes trägt Einwände vor, welche dem Bereich der allgemeinen Rechtstheorie zuzuordnen sind. Bewußt 71 oder unbewußt der Konkretisierungslehre der Wiener Schule (Kelsen, Merkl) 12 folgend, gehen sie davon aus, daß ein konkretes Rechtsverhältnis oder einzelne subjektive Rechte und Pflichten nicht bereits unmittelbar durch einen abstrakt-generellen Rechtsatz, sondern immer erst durch konkret-individuelle Rechtsetzungsakte (Urteil, Rechtsgeschäft und Verwaltungsakt) begründet, verändert oder aufgehoben werden könnten. Zwar müsse die Verwaltung bei den von der h.M. als „Rechtsfeststellungen" bezeichneten Entscheidungen auch Feststellungen treffen, Gegenstände dieser Feststellungen seien aber keine Rechte oder Pflichten, sondern nur Tatsachen. Gegenstand einer Regelung könnten hingegen nur Elemente der Rechtswirklichkeit sein. Daher sei die Tatsachenfeststellung nur eine Voraussetzung der
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Winkler, S. 53 ff.; Niere, S. 46 ff. (78 f.); Hoffinann-Becking, DÖV 1972, 196 (198 ff.); Löwer, JuS 1980, 805 f.; ders., DVB1. 1980, 952 (954 ff.); Koch/Rubel, III. Rn. 11 ff., 21. 70 Dieser Einwand kann bei der Bildung eines dogmatischen Systems aller Verwaltungsakte nicht einfach mit dem Argument ausgeräumt werden, der Gesetzgeber habe in § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO doch anerkannt, daß eine Differenzierung zwischen rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten möglich sei. Denn § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO sollte keine Ergänzung der Legaldefinition des § 35 VwVfG des Bundes sein und kann als bundesrechtliche Regelung aus verfassungsrechtlichen Gründen erst recht nicht die Legaldefinitionen des Verwaltungsakts in den Parallelvorschriften der Länder ergänzen. Vielmehr sollte durch die Anfügung des Satzes 2 in § 80 Abs. 1 VwGO nur klargestellt werden, daß Widerspruch und Anfechtungsklage bei allen Verwaltungsakten grundsätzlich aufschiebende Wirkung haben. Zu diesem Zweck werden in Satz 2 die Verwaltungsakte aufgeführt, bei denen die aufschiebende Wirkung vor der Novelle in mehr oder minder großem Umfang umstritten war. Hierbei werden u.a. die rechtsgestaltenden und die feststellenden Verwaltungsakte genannt, bei denen die aufschiebende Wirkung teilweise mit dem Argument bestritten worden war, diese Verwaltungsakte müßten von der Verwaltung nicht vollzogen werden. Auch aus der zusätzlichen Nennung der Verwaltungsakte mit Doppelwirkung (§ 80a) ergibt sich, daß der Gesetzgeber in § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO keine eigenständige Regelung eines Systems der Verwaltungsakte treffen wollte; denn Verwaltungsakte mit Doppelwirkung können zugleich auch gestaltende oder feststellende Verwaltungsakte im Sinne der herkömmlichen Dogmatik sein. Folglich macht die Regelung in § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht die Prüfung entbehrlich, ob es bei Anwendung der Legaldefinition des § 35 VwVfG wirklich feststellende Verwaltungsakte geben kann oder ob der Gesetzgeber hier nur eine seit langem übliche Fehlbezeichnung übernommen hat. 71 72
So als Vertreter des österreichischen Verwaltungsrechts Winkler, Kelsen, S. 231 ff.; A. Merkl, S. 159 ff., 172 f.
S. 45 ff.
A. Die gebräuchlichen Definitionen und ihre Kritik
55
behördlichen Willenserklärung, welche den festgestellten Lebenssachverhalt erst zu einem rechtlich erheblichen mache, indem es den daran anknüpfenden Rechtsstatus, das Rechtsverhältnis, die Rechte oder Pflichten gestalte73. Alle behördliche Entscheidungen, welche von der herrschenden Lehre und vom Gesetzgeber in § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO als feststellende Verwaltungsakte bezeichnet werden, sollen demnach zwar als Verwaltungsakt zu qualifizieren sein; ihre Rechtsqualität als Regelungsakt i.S. des § 35 VwVfG würde allein auf einer subjektive Rechte und Pflichten oder den Rechtsstatus der Person oder Sache erst gestaltenden Entscheidung beruhen. Andere Einwände setzten unmittelbar bei der Definition des Verwaltungsaktes als Regelung an. So wird vorgebracht, eine Feststellung sei dem Wortsinne nach immer nur eine Erklärung dessen, was bereits ist. Die Regelung als Willenserklärung sei dagegen definitionsgemäß eine auf zukünftige Folgen gerichtete Anordnung. Die Gleichsetzung beider Erklärungsarten sei daher schon sprachlich widersprüchlich, so daß der Begriff des feststellenden Verwaltungsaktes eine contradictio in adjecto enthalte74. Dieser Widerspruch könne auch nicht durch die Bezeichnung als verbindliche Feststellung aufgelöst werden, da so von der gewünschten Rechtsfolge auf den für deren Eintritt erforderlichen Tatbestand geschlossen werde; die verwaltungsaktstypische Rechtsfolge der Verbindlichkeit könne nach § 43 ff. i.V.m. § 35 VwVfG erst dann eintreten, wenn die behördliche Erklärung aufgrund anderer Merkmale das Tatbestandselement der Regelung erfülle. Die These von den nur feststel-
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Winkler, S. 53 ff.; Niere, S. 46 ff., insbes. S. 78 f.; Löwer, JuS 1980, 805 f.; ders., DVB1. 1980, 952 (954 ff.); Koch/Rubel, III., Rn. 11-13, 21 f.; ebenso für das Steuerrecht P. Kirchhof NJW 1985, 2977 f. Als konstitutiven Bestandteil des Verwirklichungsprozesses eines grundsätzlich verfahrensabhängigen Verwaltungsrechts betrachtet das Verwaltungsverfahren auch Wahl, VVDStRL 41, 151 (153 ff.). Freitag, DVB1. 1976, 6 (10 f.) differenziert zwischen Entstehung und Durchsetzbarkeit sozialrechtlicher Ansprüche; danach könnten Leistungsansprüche zwar unmittelbar kraft Gesetzes entstehen, die Erfüllung solcher subjektiv-öffentlicher Rechte durch die Verwaltung setze aber einen Verwaltungsakt (oder ein Urteil) voraus, durch den eine konstitutive Entscheidung über das Vorliegen des gesetzlichen Tatbestandes gefallt werde. Koch/Rubel, III., Rn. 11, weichen darüber hinaus auch im Bereich der hier als gestaltende Verwaltungsakte bezeichneten Maßnahmen von der Definition der h.M. ab. Denn sie qualifizieren nur eine Verwaltungshandlung, die etwas gebietet, verbietet oder erlaubt oder eine verbindliche, in die Zukunft wirkende Festschreibung des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses oder von Teilen davon enthält, als Regelung i.S. von § 35 VwVfG. Unabhängig von den nachfolgend zu klärenden Fragen zum feststellenden Verwaltungsakt nötigt diese Definition zumindest zu gewundenen Begründungen (Beamtenernennung als „Erlaubnis" als Beamter tätig zu werden {Bull, Allg. VerwR, Rn. 524) oder als „Gebot", sich entsprechend den beamtenrechtlichen Vorschriften zu verhalten?). 74 Hoffmann-Becking, DÖV 1972, 196 (197 f.).
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
lenden Verwaltungsakten beruhe deshalb auf dem Zirkelschluß 75 , diese Akte enthielten eine Regelung, weil sie die Rechte und Pflichten verbindlich regelten. Spreche eine behördliche Erklärung eine Berechtigung oder Verpflichtung aus, welche bereits kraft Gesetzes bestehe, so sei sie nur dann als Verwaltungsakt zu qualifizieren, wenn die Feststellung der gesetzlichen Rechtsfolge durch eine zusätzliche, zumindest konkludent zum Ausdruck gebrachte Rechtsfolgenanordnung ergänzt werde 76 . Inhalt der Rechtsfolgenanordnung soll die Erklärung sein, daß die „festgestellte" Berechtigung oder Verpflichtung künftig unabhängig davon bestehen solle, ob die Behörde bei ihrer Feststellung das Gesetz zutreffend angewandt habe. Nicht durch die Feststellung, sondern erst durch dieses zusätzliche „gestaltende" Element soll die Erklärung demnach zu einem (verdeckt gestaltenden77) Verwaltungsakt werden. Im Rahmen der zuletzt geschilderten Argumentation wird also eingeräumt, daß subjektive Rechte und Pflichten unmittelbar kraft Gesetzes entstehen könnten und daß für die Verwaltung die Möglichkeit bestehe, nach Art und Inhalt identische Rechtsfolgen in einem Verwaltungsakt zu regeln. Soweit sich Feststellungen auf die Rechtsfolgenseite der materiellen Rechtsnorm beziehen, seien die Behördenerklärungen durchaus als Verwaltungsakte zu qualifizieren, nur die Bezeichnung als feststellend wird als sprachlich irreführend angesehen 78 . Über diese Kritik an der herrschenden Terminologie hinausgehend haben Hoffinann-Becking 79 und Löwer* 0 das Vorliegen einer Regelung in jenen Fällen völlig bestritten, in denen sich die behördlichen Feststellungen inhaltlich auf die Tatbestandseite einer materiellen Rechtsnorm beziehen. Werde durch die behördliche Erklärung nur eine Tatsache festgestellt, die für den Eintritt einer gesetzlichen Rechtsfolge erheblich sei, weil sie allein oder zusammen mit anderen Elementen eines Lebenssachverhaltes den Tatbestand einer materiellen Rechtsnorm verwirkliche, so sei die behördliche Erklärung nicht final auf die Setzung einer Rechtsfolge gerichtet. Es fehle in diesen Fällen damit gänzlich an einer Regelung i.S. § 35 VwVfG, so daß derartige Feststellungen nie die Legaldefinition des Verwaltungsaktes erfüllten. Allerdings könne der Gesetzgeber für bestimmte Merkmale einer materiellen Rechtsnorm spezialgesetzlich vorse-
75 Niere, S. 46 ff., 78 ff.; Löwer, DVB1. 1980, 952 (956 f.). Hoffmann-Becking , DÖV 1972, 196 (200), bezeichnet diese Formulierung als in hohem Maße mißverständlich. 76 Hoffinann-Becking, DÖV 1972, 196 (198 ff.). 11 Hoffmann-Becking, DÖV 1972, 196 (200). 78 Hoffmann-Becking, DÖV 1972, 196 (199 f.). 79 DÖV 1972, 196 (201 ff.). 80 JuS 1980, 805 (809); DVB1. 1980, 952 (957 ff.); zustimmend Koch/Rubel, III., Rn. 11-13, 20 f.
A. Die gebräuchlichen Definitionen und ihre Kritik
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hen, daß einer solchen nicht final rechtsbegründenden Behördenerklärung gleichwohl die Bindungswirkung eines Verwaltungsaktes (Geltung trotz Rechtsmängeln) zukommen solle. Rechtstechnisch würde es sich bei dieser Rechtsfigur eines „ Verwaltungsaktes qua Regelungsanknüpfung 1 also weiterhin um eine Wissenserklärung ohne Regelungscharakter handeln, auf die nur durch eine pauschale Rechtsfolgenverweisung grundsätzlich alle für den Verwaltungsakt geltenden Vorschriften anwendbar wären 82. Die Konsequenz wäre nicht etwa ein Vorbehalt des Gesetzes für feststellende Verwaltungsakte, sondern Feststellungen der Verwaltung zu Tatbestandselementen einer Rechtsnorm wären erst aufgrund solcher gesetzlicher Rechtsfolgenverweisungen rechtlich wie Verwaltungsakte zu behandeln. Umgekehrt wäre der Erlaß von gesetzlich nicht geregelten feststellenden Verwaltungsakten rechtlich unmöglich. Abweichend von der h.M. könnten demnach gesetzlich nicht vorgesehene Feststellungen der rechtlich erheblichen Eigenschaften einer Person oder Sache für Bürger und Verwaltung grundsätzlich auch dann nicht gemäß § 43 VwVfG wirksam und verbindlich werden, wenn die Verwaltung eine solche Bindung an ihre Erklärung herbeiführen will und die Feststellung deshalb ausdrücklich als Verwaltungsakt oder Bescheid bezeichnet. Ebenso fundamental ist die Kritik, die Kollmann in einem Aufsatz zur Bindungswirkung von Verwaltungsakten entwickelt hat 83 . Er unterscheidet im An-
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Löwer, DVB1. 1980, 952 (957 f.). Zu den gleichen Ergebnissen dürfte die dogmatisch allerdings nicht so stringente Kasuistik bei Obermayer-Janßen, VwVfG, 3. Aufl., § 35 Rn. 35-61, fuhren, der neben unmittelbar rechtsgestaltenden (Rn. 36-51) oder den Erlaß einer Regelung versagenden Bescheiden (Rn. 61) nur Maßnahmen, • die Tatbestandsvoraussetzungen für den Eintritt bestimmter Rechtsfolgen sind, • als Bewertungen den Charakter von Qualifikationsnachweisen haben, • als gesetzlich geregelte Beweismittel der Geltendmachung und Durchsetzung von Rechten dienen, • die in einem prozeßähnlichen Verfahren einen Streit entscheiden oder • die eine Verfahrensrelevanz aufweisen, als Verwaltungsakt zu qualifizierende Regelungen ansieht. Denn auch ObermayerJanßen qualifiziert solche Maßnahmen nur dann als Verwaltungsakt, wenn sich ihre Rechtserheblichkeit entweder aus einer gesetzlichen Rechtsvorschrift oder bei der Gesamtbewertung einer Staats- oder Hochschulprüfung, eines Schulzeugnisses oder eines ähnlichen Qualifikationsnachweises aus einer allgemeinen Anerkennung im Rechtsverkehr ergibt. Fehlt eine derartige gesetzliche Regelung, so wäre demnach eine von der zuständigen Behörde in einem Einzelfall von Amts wegen oder auf Antrag getroffene Aussage zu einer kraft Gesetzes bereits bestehenden Rechtslage auch dann nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren, wenn diese Behörde eine für den Betroffenen und ihr eigenes Verwaltungshandeln verbindliche Feststellung der Rechtslage treffen will. 83 DÖV 1990, 189 (193 ff.). 82
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
schluß an Bachof 84 zwischen den sog. konstitutiv-feststellenden Verwaltungsakten, wie z.B. Rentenbescheiden, mit denen im Gesetz bereits dem Tatbestand und der Höhe nach geregelte Ansprüche „festgestellt" würden, und deklaratorisch-feststellenden Verwaltungsakten, die einen verbindlichen Ausspruch enthielten, was Rechtens ist. Bei den konstitutiv-feststellenden Verwaltungsakten erfolge keine materielle Rechtsgestaltung; aber die Beteiligten könnten sich entweder nur insoweit auf die Änderung der Rechtslage berufen, wie sie durch Verwaltungsakt „festgestellt" sei oder durch den Verwaltungsakt werde die materielle Beweislast umgekehrt. Man könne diese Bescheide als formellrechtsgestaltend bezeichnen. Folglich hätten diese Verwaltungsakte keine Feststellung zum Inhalt 85 . Demgegenüber enthielten die deklaratorischfeststellenden Verwaltungsakte eine verbindliche Feststellung der Rechtslage. Wende man aber den von Richard Thoma entwickelten 86 Begriff der materiellen Rechtsprechung als „verbindlichen und verselbständigten Ausspruch dessen, was in Fällen bestrittenen oder verletzten Rechts Rechtens ist, durch staatliche Autorität" an, so seien diese feststellenden Verwaltungsakte ohne weiteres als Rechtsprechungsakte anzusehen. Zu dem gleichen Ergebnis führe das Kriterium der Streitentscheidung durch einen unbeteiligten Dritten, da hierzu nach Achterberg auch sämtliche Entscheidungen zu zählen seien, bei denen sich typischerweise gegensätzliche Rechtsbehauptungen zweier Beteiligter gegenüberstehen87. Materielle Rechtsprechung dürfe aber nach Art. 92 GG nur durch Gerichte ausgeübt werden. Aus dem Verhältnis von Rechtsprechung und Verwaltung unter dem GG folge deshalb, daß die Verwaltung auch nicht durch ein Gesetz zum Erlaß feststellender Verwaltungsakte ermächtigt werden könne 88 . Anders als die zuvor genannten Kritiker der Rechtsfigur des feststellenden Verwaltungsakts geht Kollmann davon aus, daß die als feststellend bezeichneten Verwaltungsakte keine rechtsgestaltende Wirkung haben. Seine Einwände beruhen vielmehr auf der These, Verwaltungsakte dürften wegen des richterlichen Rechtsprechungsmonopols keine Feststellung der Rechtslage enthalten. Die Fallgruppe der von ihm als konstitutiv-feststellenden bezeichneten Verwaltungsakte will er gerade dadurch verfassungsrechtlich legitimieren, daß er annimmt, ihre Regelung umfasse keine Feststellung der materiellen Rechtslage, sondern beschränke sich auf eine Gestaltung der verfahrensrechtlichen Rechtslage. Damit gibt er für diese Fallgruppe eine Antwort auf die Frage nach dem 84
Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Band II, S. 311; Wolff/Bachof/Stober, VerwR 2, § 46 Rn. 9. 85 DÖV 1990, 189(194). 86 Thoma in HdbDStR //, S. 127 ff. 87 Achterberg, Probleme, S. 157 ff.; ders., Allg. VerwR, § 21 Rn. 81 ff. 88 Kollmann, DÖV 1990, 189 (194 f.).
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen
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Regelungsinhalt und den Regelungsfolgen der feststellenden Verwaltungsakte, die im nachfolgenden Kapitel B. untersucht wird. Die weitergehende Frage, ob feststellende oder streitentscheidende Verwaltungsakte einen aufgrund der Richtervorbehalte des Art. 92 GG verfassungswidrigen Akt materieller Rechtsprechung darstellen, wird im Teil 3 A. behandelt.
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen I. Rechtstheoretische, semantische und kommunikationstheoretische Vorüberlegungen Der bisherige Überblick hat gezeigt, daß sich die rechtswissenschaftliche Diskussion über das Gegensatzpaar von feststellenden und gestaltenden Verwaltungsakten auf unterschiedlichen Argumentationsebenen abspielt und verschiedene Probleme aus der Dogmatik des allgemeinen Verwaltungsrechts berührt. Bei solch stark abstrahierenden Rechtsinstituten wie dem des Verwaltungsaktes ist Klarheit nur zu gewinnen, wenn man beachtet, worum es in der Auseinandersetzung jeweils geht, nämlich um die Sache selbst oder um Wörter, die sie bezeichnen sollen1. Der Sache nach geht es um das Rechtsinstitut Verwaltungsakt und zwar um die Abgrenzung dieses Rechtsinstituts von anderen Rechtsformen des Verwaltungshandelns sowie um eine Systematisierung einer praktisch unbegrenzten Vielzahl denkbarer Regelungen zu verschiedenen Unterformen dieses Rechtsinstituts, die dem Ziel dient, diese Regelungstypen als „Begriffsspeicher" für ungeschriebene Regeln zur Lösung wiederkehrender Rechtsprobleme zu verwenden. Es ist daher zunächst zu entscheiden, ob die Erklärungen einer Verwaltungsbehörde, die man herkömmlicherweise als feststellende Verwaltungsakte bezeichnet, von der Legaldefinition des Verwaltungsaktes erfaßt werden 2. Bejaht man diese Sachfrage, so ist weiter zu fragen, ob es juristische Kategorien gibt, mit deren Hilfe sich diese von jenen Erklärungen einer Verwaltungsbehörde unterscheiden lassen, die herkömmlicherweise als gestaltende Verwaltungsakte bezeichnet werden. Nur auf dieser Ebene kann es nicht nur mehr oder weniger zweckmäßige, sondern auch richtige oder falsche Lösungen geben. Sodann ist zu fragen, ob eine solche Unterteilung sämtlicher Verwaltungsakte in verschiedene an den Regelungsinhalt anknüpfende Kategorien zweckmäßig ist, weil für diese unterschiedlichen Kategorien jeweils unterschiedliche Rechtsregeln (Normen und Lehrsätze) gelten.
1
Haft, S. 66 ff. Es ist m.a.W. die Frage zu entscheiden, ob derartige Erklärungen gemäß § 35 VwVfG die Rechtsfolgen eines Verwaltungsaktes haben können. 2
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
Hiervon zu unterscheiden ist das vor allem sprachliche Problem, ob es dann, wenn es solche sachlichen Unterschiede geben sollte, zweckmäßig ist, diese unterschiedlichen Verwaltungsaktstypen mit den Wörtern „feststellend" bzw. „gestaltend" zu bezeichnen. Eine solche Bezeichnung ist eine Definition, mit der einer Sache, hier also einer behördlichen Erklärung, die bestimmte Merkmale erfüllt, ein Name gegeben wird 3 . Solche Namen könnte jeder Jurist für sein eigenes System der Rechtsformen des Verwaltungshandelns formallogisch an sich willkürlich wählen, solange seine Definitionen eindeutig sind und jeweils keinen anderen Definitionen widersprechen, die er aus dem Gesetz übernommen oder selbst festgelegt hat. Da Definitionen aber, wie jeder Sprachgebrauch, der Verständigung zwischen verschiedenen Personen dienen, hat die Auswahl juristischer Begriffe Zweckmäßigkeitserwägungen zu folgen 4. Das Ziel einer Verständigung unter Juristen und mit anderen Rechtsanwendern würde offensichtlich verfehlt, wenn man den verschiedenen Kategorien der Verwaltungsakte die Bezeichnungen „schwarz" und „weiß" oder „Dur" und „Moll" zuordnen würde. Für die unterschiedlichen Kategorien der Verwaltungsakte sollten deshalb möglichst Bezeichnungen verwendet werden, die im allgemeinen oder im juristischen Sprachgebrauch für die jeweiligen Verwaltungsentscheidungen oder vergleichbare Regelungen bereits üblich sind. Nur wenn diese Begriffe bei vielen Benutzern mit einem inhaltlich problematischen Vorverständnis belastet sind, das eine Diskussion über die zu lösenden Rechtsprobleme erschwert, sollte auf eine neue unbelastete Begrifflichkeit ausgewichen werden. Insoweit lösen die Begriffe keine juristischen Probleme, sie sollten aber soweit wie möglich gezielt im Hinblick auf die Sacherklärung gewählt werden und so zu den hinter den Begriffen stehenden Sachfragen zurückführen 5. Wer diese Probleme bei der begrifflichen Erfassung des Rechtsinstitutes Verwaltungsakt nicht beachtet, setzt sich dem Vorwurf der Begriffsjurisprudenz aus6. A u f der zweiten, sprachlichen Ebene der juristischen Auseinandersetzung ist der geschilderte Vorwurf einzuordnen, der Begriff des feststellenden Verwaltungsakts sei in sich widersprüchlich, da der Sinn des Wortes „Feststellung", 3 Auch die juristische Begriffsbildung vollzieht sich vor dem Universalienstreit der klassischen Philosophie zwischen dem Realismus, der zufolge der Begriff das Wesen der Dinge erfaßt, zum Inhalt und zum Ausdruck bringt und dem Nominalismus, nach dem der Begriff nur ein den Dingen gegebener Name ist (zum klassischen Universalienstreit und seiner rechtstheoretischen und rechtsphilosophischen Fortentwicklung vgl. die einführenden Hinweise bei Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 28 f. m.w.N.). Die hier gemachten Ausführungen basieren auf einem nominalistischen Ansatz. 4 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 29; Haft, S. 63 ff. 5 Vgl. Haft, S. 67 ff., der in diesem Zusammenhang nachdrücklich auf gewisse Grenzen der juristischen Methodik hinweist. 6 Ähnlich Krause, Rechtsformen, S. 115 ff.
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen
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nur eine Erklärung dessen umfasse, was bereits ist 7 . Dabei wird der Ausdruck „Feststellung" im Sinne einer bloß informationsvermittelnden Wissenserklärung verstanden. Diese Interpretation entspricht zwar dem primären, umgangssprachlichen Bedeutungsgehalt; bereits im alltäglichen Sprachgebrauch wird „feststellen" jedoch auch mit den Bedeutungen „eine Sache mit Entschiedenheit sagen, nachdrücklich aussprechen, konstatieren" 8 benutzt. Daher kann sich das Wort „feststellen" gleichermaßen auf bloße Wissenserklärungen wie auf sonstige darüber hinausgehende Äußerungen beziehen; die Verknüpfung der Begriffe Feststellung und Regelung ist sprachlich also nicht absolut widersinnig. Ob man bestimmte „Regelungen" als „Feststellungen" und bestimmte „Feststellungen" als „Regelungen" bezeichnen darf und dies im Hinblick auf die Lösung bestimmter Rechtsfragen zweckmäßigerweise tun sollte, kann also nur im Rahmen des spezifisch juristischen Kontextes beantwortet werden. Dieser Kontext ergibt sich aus einer als bekannt vorausgesetzten Fachterminolgie, der Auslegung des § 35 VwVfG und den jeweiligen eigenen Definitionen beider Begriffe, welche widerspruchsfrei und eindeutig sein sollen. An den Anfang einer solchen Systembildung sei hier ein kurzer Hinweis auf eine grundlegende Erkenntnis der Sprach- und Kommunikationswissenschaft gestellt. Danach enthält jede Form der sprachlichen oder nonverbalen Kommunikation sowohl einen auf den Gegenstand der Nachricht bezogenen Inhaltsaspekt (Darstellung) als auch zwei auf das Verhältnis von Sender und Empfanger bezogene Beziehungsaspekte, nämlich die Selbstdarstellung des Senders (Ausdruck) und den Appell an den Adressaten; allerdings kann in einer einzelnen Erklärung einer dieser Aspekte praktisch dominieren 9. Für die Systematisierung der Rechtsformen des Verwaltungshandelns ist daraus die Konsequenz zu ziehen, daß eine behördliche Erklärung als „Darstellung" immer auch eine „Feststellung" im Sinne der Kundgabe eines eigenen Wissens über tatsächliche oder rechtliche Sachverhalte enthält. Macht ein Amtsträger einem Bürger eine unverbindliche Mitteilung über die Sach- und Rechtslage, so wird seine Aussage zudem häufig stillschweigend den Appell enthalten, sich entsprechend der Auskunft normgemäß zu verhalten. Folglich kann ein Verwaltungsakt nur dann vorliegen, wenn die Erklärung nicht nur die Darstellung einer Sach- und Rechtslage enthält, sondern zusätzlich im Verhältnis von Verwaltung und Bürger noch eine spezifisch rechtliche Regelungsfunktion haben soll 10 . Die im Regelungsakt zum Ausdruck gebrachte Selbstbindung der Verwaltung könnte man insoweit als eine formalisierte Selbstdarstellung, die indendierte Fremd7
Vgl. oben Fn. 74. Brockhaus/Wahrig, Bd. 2, S. 726; Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 3, S. 1218. 9 Bühler, S. 28 ff., passim; Watzlawick/Beavin/Jackson, S. 53 ff. 10 W. Jellinek, S. 243 f.; Zeidler, S. 31 f.; Krause, Rechtsformen, S. 60 ff., 330 ff. 8
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
bindung als formalisierten und mit einer Sanktionsdrohung versehenen Appell interpretieren. Für unsere Überlegungen zur Rechtsfigur des feststellenden Verwaltungsaktes ergibt sich daraus, daß es nicht angebracht erscheint, sprachlich und semantisch von einem völligen Gegensatz zwischen einer behördlichen Darstellung der Sach- und Rechtslage und einer Regelung der Sach- und Rechtslage auszugehen. Vielmehr steht der Jurist vor der Aufgabe, durch systematische und teleologische Überlegungen zu klären, ob die besonderen Rechtsfolgen und Funktionen, die eine „Regelung" im Unterschied zu einer schlichten Verwaltungsäußerung aufgrund der die Rechtsfolgen des Verwaltungsakts normierenden Gesetze innerhalb des Rechtssystems besitzt und die den rechtlichen „ Mehrwert " n des Verwaltungsaktes ausmachen, in jedem Fall unter eine in der juristischen Fachterminologie übliche und weitestgehend anerkannte Definition der „Rechtsgestaltung" zu subsumieren sind oder ob der Begriff „Regelung" noch Raum läßt für eine Differenzierung zwischen feststellenden und gestaltenden Verwaltungsakten. Stellt die Unterscheidung zwischen feststellenden und gestaltenden Regelungen also kein allgemeines semantisches, sondern ein spezifisch juristisches Problem dar, so bietet sich zur Problemanalyse ein Vergleich mit dem Zivilprozeßrecht an, da sich die juristische Dogmatik im Streit der verschiedenen Rechtskrafttheorien dort intensiv mit der Funktion und den Rechtsfolgen eines anderen hoheitlichen Regelungsaktes, nämlich des richterlichen Urteils, für das darin geregelte materielle Rechtsverhältnis befaßt hat.
11 Haueisen, DÖV 1961, 122 (124 f.). Löwer JuS 1980, 805 (806); Seibert, S. 95. Der Begriff des „Mehrwerts" kann und soll unter dem GG also nicht eine aus dem Wesen des Staates und der öffentlichen Gewalt abgeleitete Überordnung der vollziehenden Gewalt über den Untertan beschreiben, wie sie für Otto Mayers System des Deutschen Verwaltungsrechts charakteristisch war und an der der Verwaltungsakt als Selbstbezeugung der öffentlichen Gewalt ohne gesetzliche Grundlage teilnahm (vgl. Otto Mayer, Dt. VerwR I, 1. Aufl., S. 97 i.V.m. S. 53, 67; 3. Aufl., S. 95 f. i.V.m. S. 15, 54, 64; dazu krit. Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 24, 52, 66, 81, 120, 210 ff., 236 ff.) und die bei der Begründung der Befugnis zum Erlaß von Verwaltungsakten teilweise noch bis heute in der Verwaltungsrechtsdogmatik fortwirkt (vgl. unten Teil 4, A.I., B. und Teil 6). Es geht vielmehr um bestimmte Rechtsfolgen, welche auf Vorschriften des VwVfG und der VwGO beruhen, die nicht für alle Handlungen der Verwaltung oder des Bürgers innerhalb von Verwaltungsrechtsverhältnissen gelten, sondern - im Hinblick auf die besondere Funktion dieses Rechtsinstituts - nur für behördliche Maßnahmen, die als Verwaltungsakt zu qualifizieren sind.
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen
II. Ein rechtswissenschaftliches Grundproblem: Das Verhältnis des Regelungsaktes zum materiellen Rechtsverhältnis Das allgemeine Verwaltungsrecht knüpft mit der Dreiteilung in befehlende, feststellende und gestaltende Verwaltungsakte erkennbar an die zivilprozessuale Differenzierung zwischen Leistungs-, Feststellungs- und Gestaltungsurteilen an. Zudem wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur zur Beschreibung der Wirkungen des feststellenden Verwaltungsaktes auf Erklärungsmuster der zivilprozessualen Rechtskrafttheorien zurückgegriffen 12. Bei diesem Rechtsvergleich geht man also davon aus, daß hinter dem Streit um die Rechtsfigur des feststellenden Verwaltungsaktes die gleiche dogmatische Frage steckt, wie hinter der Auseinandersetzung um das Wesen der materiellen Rechtskraft: nämlich die Frage, wie die Verbindlichkeit eines deklaratorischen Hoheitsaktes erklärt werden kann, welcher definitionsgemäß nur eine bereits bestehende Rechtslage feststellen soll: So ist in der verwaltungsrechtlichen Literatur versucht worden, die in der heutigen zivilprozessualen Dogmatik vorherrschende prozessuale Rechtskraftlehre auf den feststellenden Verwaltungsakt zu übertragen 13. Danach sollen ausschließlich gestaltende Verwaltungsakte auf die Setzung von Rechtsfolgen auf dem Gebiet des materiellen Rechts gerichtet sein und insoweit in ihren Rechtsfolgen der von der materiellen Rechtskraft zu unterscheidenden „Gestaltungswirkung" eines Gestaltungsurteils entsprechen. Nur der gestaltende Verwaltungsakt soll als echte, auf das materielle Recht einwirkende „causa" das materielle Recht umgestalten und so die Verhaltenspflichten von Bürger und Verwaltung rechtlich verändern 14. Die Maßgeblichkeit der im Feststellungsbescheid getroffenen Regelung soll dagegen ausschließlich auf einer verfahrens-
12 Hennig SGb 1962, 68 ff.; Ossenbühl, DÖV 1967, 246 (247 ff.); Haaf S. 73 ff., passim. Bereits im 19. Jahrhundert wurde eine solche verfahrensrechtliche Bindungswirkung feststellender Verwaltungsentscheidungen von Bernatzik, S. 129 ff., für das österreichische Verwaltungsrecht vertreten. Abweichend von der im heutigen deutschen Zivilprozeßrecht herrschenden Lehre (vgl. unten III.4.c)) nahm er allerdings an, durch die materielle Rechtskraft eines im Zivilprozeß ergangenen Urteils (S. 111 ff.) und den Entscheidungen einer Verwaltungsbehörde (S. 129 f.) würden primär die Parteien gebunden. Die Entscheidung gestalte das bisherige Rechtsverhältnis nicht um, erzeuge aber ein neues Rechtsverhältnis, welches gegenüber den Parteien den Befehl enthalte, ihre Handlungen gemäß der Entscheidung zu gestalten. Gegenüber Behörden äußerte sich die Wirkung der materiellen Rechtskraft darin, daß alle künftigen Entscheidungen so gefallt werden müßten, daß der in der Sentenz enthaltene Schluß die Prämisse derselben werde. Für das deutsche Sozialrecht begründete Rosin, S. 755 ff, die Bindungswirkung daneben auch materiellrechtlich mit einer verbindlichen Anerkennung (S. 763 f.). 13 Vgl. Fn. 12. 14 Ossenbühl, DÖV 1967, 246 (248).
Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
rechtlichen Bindungswirkung beruhen. Alleiniger Rechtsgrund für das Verhalten der Beteiligten bleibe auch nach Erlaß derartiger Entscheidungen das Gesetz. Solange der Bescheid aber wirksam und nicht wieder aufgehoben sei, gelte die festgestellte Rechtsfolge im Interesse der Rechtssicherheit als eine diesem Gesetz gemäße. Deshalb sei es den Beteiligten bis zu einer formlichen Aufhebung oder Suspendierung der Entscheidung verwehrt, eine von dieser Feststellung (vermeintlich) abweichende materielle Rechtslage (in einem nachfolgenden Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren) geltend zu machen15. In der Literatur findet desweiteren mit dem Gedanken der verfahrensrechtlichen Konkretisierung des materiellen Rechts 16 eine Erklärung der Funktion und Rechtsfolgen des feststellenden Verwaltungsaktes zunehmend Verbreitung, die davon ausgeht, daß das Endziel eines jeden auf den Erlaß eines Verwaltungsakts gerichteten Verwaltungsverfahrens in der Verwirklichung des anzuwendenden materiellen Verwaltungsrechts und damit in der Steuerung des tatsächlichen Verhaltens von Bürger und Verwaltung bestehe17. Der Verwaltungsakt sei deshalb eine inhaltlich dem richterlichen Urteil vergleichbare Form der verbindlichen Entscheidung über die sich aus dem objektiven Recht im Einzelfall ergebenden materiellen Pflichten. Zur Beseitigung der sich aus der Auslegungsbedürftigkeit abstrakt-genereller Normen ergebenden Rechtsunsicherheit trete der feststellende Verwaltungsakt als insoweit konstitutive Festlegung der konkret-individuellen Rechte und Pflichten zwischen das Gesetz und das weitere Handeln von Bürger und Verwaltung. Solange diese verfahrensrechtliche Willenserklärung verbindlich sei, stelle sie die ausschließliche Grundlage der weiteren Rechtsbeziehungen dar, welche die unmittelbare Berufung auf eine vom Entscheidungsinhalt abweichende Rechtslage bzw. Norminterpretation ausschließe18. Sofern in der Literatur auf Basis dieses Erklärungsansatzes der Regelungsfunktion des Verwaltungsakts überhaupt noch feststellende und gestaltende Regelungsinhalte unterschieden werden, mißt man der rechtsgestaltenden Wirkung der sog. gestaltenden Verwaltungsakte eine zu der Konkretisierungsfunktion hinzutretende, nur rechtstechnische Bedeutung zu. Danach soll ein gestaltender Verwaltungsakt vorliegen, wenn aufgrund einer Norm des besonderen Verwaltungsrechts eine konkrete Rechtsfolge erst durch
15 Hennig SGb 1962, 68 ff.; Ossenbühl, DÖV 1967, 246 (247 ff.); Haaf S. 73 ff., passim. 16 Vgl. die Nachw. in Fn. 16. Die Konkretisierungsidee steht in keinem inneren Zusammenhang mit der von J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 217 ff., entwickelten Konstruktion des Verwaltungsakts als einer aufgrund eines Prätentionsverzichts des Bürgers zweiseitigen Regelung, dagegen im einzelnen unten H.V.2. 17 J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 34, 210. 18 Vgl. die Nachw. in Fn. 16.
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen
und in einem von dieser Willenserklärung abhängigen Zeitpunkt eintrete 19. Der Unterschied zwischen gestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sei damit genaugenommen kein Unterschied der Verwaltungsakte, sondern der ohne sie bestehenden Rechtslage20. Beide soeben dargestellten Wege zur Erklärung der Rechtsfigur des feststellenden Verwaltungsaktes gehen also davon aus, daß die Verbindlichkeit der Regelung ein Wesensmerkmal aller Verwaltungsakte sei. Der Begriff der „ Verbindlichkeit" eines Verwaltungsaktes spielt damit bei der Diskussion um die Regelungsfunktion und die Regelungswirkungen des Verwaltungsaktes eine zentrale Rolle, er taucht aber weder im VwVfG noch in der VwGO auf. Es handelt sich vielmehr um einen Ausdruck, mit dem man bestimmte Vorschriften und ungeschriebene Lehrsätze über die Funktion, Voraussetzungen oder Rechtsfolgen aller Verwaltungsakte auf einen kurzen und prägnanten Begriff bringen will. Dieser erweist sich jedoch als gar nicht so prägnant, wie man zunächst angesichts der breiten Verwendung meinen könnte. Vielmehr ist festzustellen, daß in der Literatur und Rechtsprechung kein Konsens über die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen der Verbindlichkeit besteht. Klar ist insoweit nur, daß der Begriff der Verbindlichkeit sich vom Stammwort „binden" ableitet und irgendeine Form der Bindung an den Bestand oder den Regelungsinhalt des Verwaltungsakts ausdrückt. Der damit implizierte Begriff der Bindung ist aber auch nicht eindeutig; er wird nämlich in unserer Rechtssprache häufig mit zwei unterschiedlichen Bedeutungen gebraucht 21: Unter „Bindung" kann man zum einen die normative Beschränkung der Aufhebung oder Abänderung eines Regelungsaktes verstehen. Derartige Aufliebungsverbote oder -beschränkungen bestehen, wenn eine Behörde den Regelungsakt nicht oder ein Gericht den einmal erlassenen Verwaltungsakt nicht oder nur noch unter bestimmten Voraussetzungen aufheben oder abändern darf; durch solche Aufhebungsverbote oder -beschränkungen werden Regelungsakte in ihrer Existenz gesichert. Daneben bezeichnet der Begriff der Bindung gewisse normative Verbote, sich mit einer späteren Entscheidung oder einem realen Verhalten in Widerspruch zum Inhalt der bereits bestehenden Regelung zu setzen. Derartige Widerspruchsoder Abweichungsverbote gewährleisten also eine Bindung an den Regelungsinhalt. Beide Bindungsphänomene setzen zwar den Erlaß und die Existenz der jeweiligen Regelung voraus und stehen auch in einem funktionalen Zusammenhang, rechtslogisch sind sie jedoch nicht zwingend miteinander verknüpft. Bei den Aufhebungsund den Abweichungsverboten handelt es sich vielmehr um unterschiedliche
19 20 21
J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 256. Seibert, S. 100 f.; Druschel, S. 193. Seibert, S. 63 f., 195 ff.; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 43 Rn. 12.
5 Kracht
Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
Rechtsfolgen, die für die einzelnen Kategorien von Regelungsakten (Rechtsformen) jeweils auf unterschiedlichen Rechtssätzen mit jeweils eigenen tatbestandlichen Voraussetzungen beruhen können 22 . Die Rechtsordnung kann zwar anordnen, daß eine inhaltliche Bindungswirkung erst dann besteht, wenn der Regelungsakt nur noch unter besonderen Voraussetzungen aufgehoben werden darf; sie kann aber auch vorschreiben, daß das erlassende Gericht, die erlassende Behörde oder andere Rechtsanwender bereits unmittelbar mit Erlaß der Regelung inhaltlich an diese gebunden sind. Umgekehrt kann sich jedoch aus dem jeweiligen Verfahrensrecht auch ergeben, daß ein Regelungsakt bereits zu einem Zeitpunkt, zu dem sein Regelungsinhalt noch nicht oder (vorläufig) nicht mehr zu beachten ist, von der erlassenden Stelle nicht mehr uneingeschränkt aufgehoben werden darf. Der Begriff der Regelung impliziert die Aussage, daß der Verpflichtete zu ihrer Beachtung solange verpflichtet ist, wie die Regelung gilt (Abweichungsverbot); gleichwohl kann die Rechtsordnung einer am geregelten Rechtsverhältnis beteiligten Partei das Recht einräumen, sich jederzeit durch einseitige Erklärung (z.B. die Kündigung eines Vertrages) von der getroffenen Regelung zu lösen (kein Aufhebungsverbot). Die „ Verbindlichkeit" des Verwaltungsaktes wird im Anschluß an Kormanns System der rechtsgeschäftlichen Staatsakte23 definiert als die Fähigkeit 24 eines Verwaltungsaktes, die intendierten Rechtswirkungen zu entfalten 25. Ein Verwaltungsakt ist verbindlich, wenn er die intendierten Rechtswirkungen entfaltet, mithin ein Abweichungsverbot besteht. Mit dieser noch sehr allgemein gehaltenen Definition sind allerdings die dogmatischen Probleme des feststellenden Verwaltüngsaktes noch nicht gelöst, weil sie nur zu der Frage zurückführt, worin denn nun die intendierten Rechtsfolgen eines Verwaltungsaktes bestehen sollen. In Anknüpfung an die bisherige wissenschaftliche Diskussion um den feststellenden Verwaltungsakt soll deshalb hier in Form einer kurzen Rechtsvergleichung dargelegt werden, welche Vorschriften und Lehrsätze das Zivilprozeßrecht zur Begründung einer inhaltlichen Bindungswirkung kennt und in welchem Umfang dabei ein funktionaler Zusammenhang zwischen Aufhebungs- und Abweichungsverboten besteht.
22
Seibert, S. 95 ff.; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 43 Rn. 15 f. Kormann, JöR VII (1913), 1 (15); ders.; System, S. 199 ff. 24 Mit der Fähigkeit ist hier allerdings nicht die bloße Möglichkeit gemeint, daß der Verwaltungsakt zu einem späteren Zeitpunkt die intendierten Rechtswirkungen haben könnte. Verbindlich ist ein Verwaltungsakt nur dann, wenn er diese Fähigkeit gegenwärtig bereits entfaltet, wenn er also die intendierten Rechtswirkungen gegenüber demjenigen, der an die Regelung gebunden sein soll, bereits erzeugt. 25 Seibert, S. 193 ff. m.w.N. Allerdings existiert hier nicht nur ein „Labyrinth der Meinungen", sondern auch ein Wirrwarr der Begriffe {J. Ipsen, Die Verwaltung 17 (1984), 169 (170 f.).; Seibert, S. 37 f.); dazu im einzelnen unten H.I. 23
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen
I I I . Urteilswirkungen und Urteilsarten im Zivilprozeßrecht Weder in der Zivilprozeßordnung noch der zivilprozessualen Dogmatik von den Urteilswirkungen wird der Begriff der Verbindlichkeit gebraucht. Verschiedene Aspekte der Bindung des Gerichts und/oder der Parteien an den Bestand und den Inhalt werden dort mit den Begriffen der Bindung des Gerichts ( § 3 1 8 ZPO), der formellen Rechtskraft (§ 705 ZPO) und der materiellen Rechtskraft erfaßt. Der nachfolgende Überblick über diese zivilprozessualen Rechtsinstitute soll eine Überprüfung ermöglichen, ob und ggf. in welcher Weise die Verbindlichkeit in der Dogmatik des Verwaltungsaktes ein funktionales Äquivalent zur materiellen Rechtskraft unseres Zivilprozeßrechts bildet.
1. Die Bindung des erlassenden Gerichts (§ 318 ZPO) Gemäß § 318 ZPO ist das erlassende Gericht an die in dem von ihm erlassenen End- und Zwischenurteile gebunden. Im Gegensatz zur Rechtskraft handelt es sich bei der in § 318 ZPO geregelten Bindungswirkung um eine Bindung an gewisse eigene Entscheidungen, welche nur im gleichen Prozeß besteht. Diese Bindung beginnt ohne Rücksicht auf die formelle oder materielle Rechtskraft, von der sie rechtssystematisch zu trennen ist, mit dem Erlaß (§310 ZPO) des Urteils 27 . Die Bindungswirkung hat einen doppelten Inhalt 28 : Aufgrund der sog. negativen Bindungswirkung darf das Gericht den Entscheidungssatz seines Urteils weder abändern noch aufheben (Aufhebungsverbot). Aufgrund der positiven Bindungswirkung hat das Gericht die in einem Teil- oder Zwischenurteil festgelegte Rechtsfolge einem späteren Teil- oder Endurteil zugrunde zu legen, das es im gleichen Verfahren erläßt. Ein solches Abweichungsverbot besteht beispielsweise dann, wenn das Gericht nach einem Zwischenfeststellungsurteil über den Grund des Anspruchs (§ 304 ZPO) das Betragsurteil erläßt. § 318 ZPO begründet also nicht nur ein Aufhebungs-, sondern auch ein rechtskraftunabhängiges Abweichungsverbot.
26 Der in der zivilprozessualen Dogmatik zusätzlich gebrauchte Begriff der „Tatbestandswirkung" oder „Nebenwirkung" für diejenigen materiell-rechtlichen oder prozessualen Wirkungen eines Urteils, die sich kraft Gesetzes an die Entscheidung einer bestimmten Art anschließen, ohne daß dies Wirkung, Entscheidungsgegenstand oder Ziel des Urteils gewesen wäre, wird in diese rechtsvergleichende Darstellung zunächst nicht einbezogen. Denn mit diesem Begriff wird in der Zivilpozeßlehre keine auf allgemeinen Regeln beruhende Wirkung aller Urteile oder spezieller Urteilstypen bezeichnet. Zur Tatbestandswirkung von zivilrechtlichen Urteilen vgl. die Darstellung unter G.IV.3.b)aa) mit Nachweisen in Fn. 37-39. 27 Thomas/Putzo, § 318 Rn. 1. 28 Thomas/Putzo, § 318 Rn. 3 ff.; Jauernig, § 61 I.
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung" 2. Die formelle Rechtskraft
(§ 705 ZPO)
Ein im Zivilprozeß ergehendes Urteil ist nach § 705 ZPO formell rechtskräftig, wenn es weder mit Rechtsmitteln noch - mit dem nur bei Versäumisurteilen statthaften - Einspruch angefochten werden kann 29 . Das formell rechtskräftige Urteil ist unanfechtbar, d.h. gegen das formell rechtskräftige Urteil ist ein Rechtsmittel oder ein Rechtsbehelf nicht oder nicht mehr statthaft 30. Zweck der formellen Rechtskraft ist die Herstellung von Rechtssicherheit und die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Justiz: Weil jeder Rechtsstreit und das streitentscheidende Verfahren zu einem endgültigen Abschluß gebracht werden soll, darf der Bestand des Urteils nach rechtskräftigem Abschluß des Prozesses nicht in einem ungewissen Schwebezustand bleiben 31 ; die gerichtliche Entscheidung wird mit Ablauf der für die Einlegung eines zulässigen Rechtsmittels oder des zulässigen Einspruchs bestimmten Frist unangreifbar. Die formelle Rechtskraft begründet also sowohl für das erlassende als auch für andere Gerichte ein Aufhebungsverbot, welches nur unter bestimmten, gesetzlich geregelten Voraussetzungen durch eine Wiedereinsetzung (§ 233 ZPO), Wiederaufnahmeklage (§ 578 ZPO) und Klagen nach §§ 323, 324 ZPO durchbrochen werden darf 32 .
3. Die formelle Rechtskraft als Voraussetzung der materiellen Rechtskraft, Gestaltungswirkung und Vollstreckbarkeit Die formelle Rechtskraft ist eine notwendige Voraussetzung für die materielle Rechtskraft und nach Maßgabe des materiellen Rechts grundsätzlich auch für eine etwaige Gestaltungswirkung eines im Zivilprozeß ergangenen Urteils 33 . Die Zwangsvollstreckung findet statt aus Endurteilen, die formell rechtskräftig 29
Thomas/Putzo, § 705 Rn. 1 f.; Jauernig,, § 61 II. In der zivilprozessualen Dogmatik ist zwar umstritten, ob die formelle Rechtskraft allgemein mit der Unanfechtbarkeit gleichgesetzt werden kann. Bei dieser Diskussion geht es jedoch nur um die Frage, ob man auch Entscheidungen, die nicht aufgrund Fristablauf oder Beendigung eines Rechtszuges mit fristgebundenen Rechtsmitteln unanfechtbar werden,, sondern aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung, insbesondere dem Ausschluß der Beschwerde gem. §§ 567, 568 Abs. 3 ZPO, als formell rechtskräftig bezeichnen sollte (Thomas/Putzo, § 705 Rn. 1 f.; Zöller, § 705 Rn. 1-3). Jedenfalls sind aber alle formell rechtskräftigen Urteile (auch) unanfechtbar (Thomas/ Putzo 9 § 705 Rn. 2; Jauernig, § 61 II.), so daß im Rahmen der Darstellung der Urteilswirkungen nicht zwischen der formellen Rechtskraft und der Unanfechtbarkeit differenziert werden muß. 31 Jauernig, § 61 II. 32 Thomas/Putzo, § 705 Rn. 4. 33 Jauernig, § 61 III. 30
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen
sind oder die für vorläufig vollstreckbar erklärt sind (§ 704 ZPO). Vor Eintritt der formellen Rechtskraft kann ein Urteil also nur dann mit Mitteln des Zwangsvollstreckungsrechts durchgesetzt werden, wenn eine Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit in der Urteilsformel enthalten ist oder wenn die vorläufige Vollstreckbarkeit sich - ausnahmsweise - aus dem Gesetz selbst ergibt 34 . Mit Eintritt der Unanfechtbarkeit findet die Vollstreckung nicht mehr aufgrund einer vorläufigen Vollstreckbarkeit, sondern aufgrund der formellen Rechtskraft des Urteils statt. Der hoheitliche Vollzug eines Leistungsurteils ist folglich bei einer vorläufigen Vollstreckbarkeit des Titels bereits vor Eintritt der formellen Rechtskraft möglich. Der im Leistungsurteil enthaltene hoheitliche Ausspruch einer Zahlungspflicht entfaltet in diesen Fällen bereits vor Eintritt der Unanfechtbarkeit des Urteils bestimmte Rechtswirkungen.
4. Das Problem der materiellen Rechtskraft: Verbindlichkeit durch Gestaltung des materiellen Rechts? a) Die materielle Rechtskraft im Spannungsverhältnis zwischen materiellem und Verfahrensrecht Wir hatten gesehen, daß das Tatbestandsmerkmal der Regelung beim Verwaltungsakt auf dessen Funktion bezogen ist, das Verwaltungsverfahren zur Verwirklichung und Durchsetzung des materiellen Rechts mit einem verbindlichen Ausspruch abzuschließen, was für Bürger und Verwaltung Rechtens sein soll. In ähnlicher Weise ist aus den Prozeßzwecken des zivilprozessualen Erkenntnisverfahrens für alle Urteile die Funktion abzuleiten, zur Verwirklichung des materiellen Rechts Rechtsgewißheit und Rechtsfrieden herzustellen. Diese Aufgabe können Urteile nur erfüllen, wenn die einmal getroffene Entscheidung von den Parteien nicht immer wieder in Frage gestellt werden kann, sondern praktisch beachtet werden muß. Dieses Ziel des Erkenntnisverfahrens wird (auch) bei den Feststellungs- und Leistungsurteilen durch das Institut der materiellen Rechtskraft (§ 322 ZPO) gewährleistet 35. Wenn man die Art der rechtlichen Bindung, die das Urteil bewirkt, beschreiben will, so fuhrt die Stellung des Urteils als Abschluß des auf Erkenntnis des materiellen Rechts gerichteten Verfahrens zwangsläufig zu der Frage, ob die als „materielle" Rechtskraft bezeichnete Rechtsfolge eines Urteils dem materiellen oder dem Verfahrensrecht zuzuordnen ist:
34
Thomas/Putzo, § 704 Rn. 3 f. Gaul, Flume-Festschrift, Bd. I, S. 443 (457 ff.); Leipold in Stein/Jonas, § 322 Rn. 30 ff.; Schilfert, Rn. 1006. 35
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
„Die materielle Rechtskraft steht auf der Schwelle zwischen den beiden, im Kern nicht miteinander zu vereinbarenden Rechtsordnungen, der materiellen und der formellen, deren Nebeneinander wiederum Ausdruck der menschlichen Unvollkommenheit ist. Wären die Rechtssubjekte vollkommen, wäre der Prozeß entbehrlich, da sich alle normgemäß verhielten. Wäre wenigstens der Richter vollkommen, dann wäre die materielle Rechtskraft zu entbehren, weil jede Entscheidung richtig, eine Divergenz folglich auch nicht denkbar wäre. Beide Rechtsordnungen mögen friedlich während eines Prozesses 'koexistieren', an ihrer Nahtstelle, der materiellen Rechtskraft, kommt es zwangsläufig zur Kollision."36 In diesem Streit um das Wesen der materiellen Rechtskraft lassen sich in der Prozeßwissenschaft drei Grundauffassungen unterscheiden 37:
b) Die materiellen Rechtskrafttheorien Nach den verschiedenen materiellen Rechtskrafttheorien 38 soll die aus diesem Grunde als „materiell" bezeichnete Rechtskraft eine dem Feststellungsvertrag vergleichbare Wirkung haben; das rechtskräftige Urteil gestalte das materielle Rechtsverhältnis der Prozeßparteien. Die „materielle" Rechtskraft beschreibt hiernach primär eine Bindung der Parteien an die durch das Urteil geschaffene oder veränderte Rechtslage. Die Bindungswirkung gegenüber dem Richter in einem nachfolgenden Prozeß ist nur noch ein Ausfluß der Bindung der Parteien an das materielle Recht. Denn der an das materielle Recht und Gesetz gebundene Richter muß das zum Zeitpunkt seines Prozesses bestehende Rechtsverhältnis der Parteien beurteilen und dabei auch etwaige Veränderungen der Rechte und Pflichten der Parteien beachten, die durch den Vorprozeß eingetreten sind. Die materiellen Rechtskrafttheorien erklären sowohl bei den Feststellungs- als auch bei den Gestaltungsurteilen die materielle Rechtskraft mit einer konstitutiven, das materielle Recht gestaltenden Wirkung. Nach der ursprünglichen, heute aber nicht mehr vertretenen Variante der materiellen Rechtskraftlehre, wie sie von Pagenstecher und Kohler 39 entwickelt wurde, soll das Urteil stets die wahre materielle Rechtslage aussprechen: Sofern es unrichtig sei, bringe es das „an sich" zu Unrecht festgestellte Recht zum Entstehen, das aberkannte zum Erlöschen; das richtige Urteil bestätige zwar nur die bisherige Rechtslage, schaffe aber einen neuen Erwerbs- bzw. Unter-
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J. Blomeyer, JR 1968,407 (409). Vgl. umfassend Gaul, Flume-Festschrift, Bd. I, S. 443 ff. 38 Vgl. die Darstellung von Gaul, Flume-Festschrift, Bd. I, S. 443 (492 ff.) mit umfangreichen Nachweisen. 39 Pagenstecher, S. 302 ff., passim; Kohler, ZZP 33 (1904), 211 (225 ff.); ders., Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, S. 218 f.; ders., Rhein. Zeitschrift für Zivil- und Prozessrecht 1 (1906), 39 ff.; ders., Franz Klein-FS, S. 1 ff. 37
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen
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gangsgrund. Nach dieser materiellen Rechtskrafttheorie ist die neue Rechtslage unmittelbar von den Parteien in ihren nachfolgenden Rechtsbeziehungen zu berücksichtigen, da das materielle Recht für die Parteien selbst eine Verhaltensnorm darstellt. Im Falle eines nachfolgenden Prozesses müsse der durch das Urteil geschaffene Rechtszustand dann zwangsläufig auch von dem Richter beachtet werden, der das materielle Recht in dem Zustand anzuwenden habe, den das frühere Urteil geschaffen habe. Dieser heute im Zivilprozeßrecht nicht mehr beschrittene Weg, die Wirkungen eines materiell rechtskräftigen Urteils zu erklären, entsprach rechtskonstruktiv also völlig der im Verwaltungsrecht herrschenden Beschreibung des feststellenden Verwaltungsaktes als eines „Rechtsgrundes " in den Leistungsbeziehungen von Bürger und Verwaltung.
c) Die prozessualen Rechtskrafttheorien Nach der von Stein und Hellwig begründeten, heute überwiegend vertretenen prozessualen Rechtskrafttheorie 40 hingegen sind das Institut und die Rechtsfolgen der materiellen Rechtskraft allein dem Prozeßrecht zuzuordnen. Nach dieser Lehre verändert die „materielle " Rechtskraft gar nicht die materielle Rechtslage, sondern stellt nur eine gegebene Rechtslage fest. An diese Feststellung sei nur der Richter eines künftigen Prozesses gebunden. Die Parteien seien außerhalb eines Prozesses rechtlich von der materiellen Rechtskraft nicht betroffen, auch wenn sie in dem Bewußtsein, eine vom Urteil abweichende Rechtsauffassung prozessual nicht mehr durchsetzen zu können, in der Regel faktisch „nach dem Urteil leben" würden. Wenn in diesem Zusammenhang davon gesprochen wird, deklarative Hoheitsakte seien nur rechtsbezeugend und hätten keine Rechtsänderung zur Folge 41 , so bezieht sich diese Aussage also allein auf das materielle Recht: Die materielle Rechtskraft soll zwar Rechtsfolgen erzeugen, aber hierbei soll es sich nur um verfahrensrechtliche Rechtsfolgen handeln, die von einem Richter im Falle eines nachfolgenden Prozesses zu beachten sind und nicht um materiellrechtliche Rechtsfolgen, welche die materiellen Rechte und Pflichten der Parteien in irgendeiner Weise beeinflussen würden. Innerhalb der prozessualen Theorie bestehen nur unterschiedliche Auffassungen über die Art und Weise, wie der Richter eines zweiten Prozesses gebunden ist: Ist der Streitgegenstand des zweiten Prozesses mit dem des ersten identisch, so verbietet die materielle Rechtskraft nach der einen Variante der prozessualen 40 Vgl. Gaul, Flume-Festschrift, Bd. I, S. 443 (512 ff); Jauernig, § 62 II., III.; Schellhammer, Rn. 843; Schilken Rn. 1026 ff.; Hartmann in Baumbach/Lauterbach, Einf. zu §§ 322-327, Rn. 6, 9 m.w.N. 41 So fur Verwaltungsakt und Urteil Haaf S. 61.
Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
Theorie dem Gericht (nur) eine vom ersten Urteil abweichende Sachentscheidung (Bindung an das rechtskräftige Urteil in Form eines Abweichungsverbots), eine gleichlautende Entscheidung werde von der materiellen Rechtskraft nicht ausgeschlossen (kein Wiederholungsverbot). Jedoch sei die erneute Klage in der Regel mangels Rechtsschutzinteresse (also nicht wegen der Rechtskraft) ohne erneute Sachentscheidung als unzulässig abzuweisen42. Nach der anderen Variante der prozessualen Theorie gilt bei Identität des Streitgegenstandes auch im Zivilprozeß der Grundsatz „ne bis in idem"; dem Richter sei eine erneute mündliche Verhandlung und ein erneutes, die rechtskräftige Entscheidung wiederholendes Sachurteil über die bereits entschiedene Frage verboten (Wiederholungsverbot) 43. Hiernach soll bei Identität des Streitgegenstandes die materielle Rechtskraft selbst eine negative Sachurteilsvoraussetzung sein, so daß die Klage infolge der materiellen Rechtskraft als unzulässig abzuweisen sei. Beide Varianten der prozessualen Rechtskrafttheorie unterscheiden sich nicht im Ergebnis, einer Klageabweisung durch Prozeßurteil, sondern nur in dessen Begründung. Nur selten kommt es jedoch zu Prozessen mit identischem Streitgegenstand. Häufiger sind Konstellationen, in denen die rechtskräftig entschiedene Frage für die Beurteilung eines anderen Anspruchs rechtlich erheblich ist. In Fällen einer derartigen Präjudizialität oder Vorgreiflichkeit muß das Gericht nach beiden Varianten der prozessualen Theorie eine eigene Sachentscheidung über den erstmals eingeklagten Anspruch treffen. Es dürfe sich bei seiner Entscheidung über den neuen Streitgegenstand aber nicht in einen inhaltlichen Widerspruch zu der früheren rechtskräftigen Entscheidung setzen; insoweit wie das Bestehen oder Nichtbestehen des jetzt geltend gemachten Anspruchs von der im früheren Prozeß rechtskräftig entschiedenen Frage abhänge, dürfe der Richter nicht von der früheren Entscheidung abweichen (Widerspruchs- bzw. Abweichungsverbot). Mangels Identität des Streitgegenstandes schließt die materielle Rechtskraft hier kein Sachurteil über den neu eingeklagten Anspruch aus. Für diejenigen, die das Wesen der materiellen Rechtskraft in dem Grundsatz „ne bis in idem" sehen, soll allerdings insoweit, wie im präjudiziellen Urteil über die vorgreifliche Rechtsfrage entschieden wurde, als Wirkung der materiellen Rechtskraft eine erneute Verhandlung, Beweiserhebung und Entscheidung ausgeschlossen sein. Im Falle der Präjudizialität unterscheiden sich beide Varianten der prozessualen Theorie also nur in Nuancen der Begründung. Nach der prozessualen Rechtskrafttheorie, welche die Rechtswirkungen der materiellen Rechtskraft auf eine verfahrensrechtliche Bindung des Gerichts im
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Z.B. A. Blomeyer, Zivilprozeßrecht,§ 88 III.2. Schilken Rn. 1026 ff.; Schellhammer Rn. 843; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Einf. §§ 322-327, Rn. 9, 11 f. m.w.N. 43
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen
Falle eines erneuten Prozesses beschränkt, d.h. die Präjudizwirkung für einen künftigen Entscheider, verändert also weder das rechtmäßige noch das fehlerhafte Urteil die Verhaltenspflichten der Parteien untereinander Weil sie aber eine vom Entscheidungsinhalt abweichende Rechtslage rechtlich nicht mehr durchsetzen können, sind sie auch im Falle eines Fehlurteils faktisch gezwungen, sich gemäß der richterlichen Feststellung zu verhalten 44.
d) Die Vermutungs- und Konkretisierungslehren Wer auf diese Weise eine Trennung zwischen einer formellen Rechtslage mit einer Bindung des Richters an das rechtskräftige Urteil und einer „wahren" materiellen Rechtslage vornimmt, die auch bei einem Fehlurteil zwischen den Parteien fortbesteht, gerät zwangsläufig immer dann in ein Rechtfertigungsdilemma, wenn sich eine Partei später auf die Unrichtigkeit des rechtskräftigen Urteils beruft. Denn Bindung des Richters an das präjudizielle Urteil als einem Akt des „nur formellen" Prozeßrechtes steht argumentativ zwangsläufig in einem gewissen Gegensatz zu der dienenden Funktion des formellen Prozeßrechts gegenüber dem materiellen Recht. Zugleich erscheint es problematisch, die Wirkung der materiellen Rechtskraft als Reflex und Rückwirkung der rechtlichen Bindung des Gerichts an die frühere Entscheidung anzusehen. Daher hat es in der Prozeßrechtslehre immer wieder Versuche gegeben, dieses Spannungsverhältnis zu überwinden: Der eine geht dahin, dem rechtskräftigen Feststellungsurteil zwar keine materiell-rechtliche Wirkung zuzusprechen, jedoch entsprechend § 121 VwGO, §141 Abs. 1 SGG und § 110 Abs. 1 FGO auch im Zivilprozeß davon auszugehen, daß verfahrensrechtlich primär die Parteien selbst an das rechtskräftige Urteil gebunden seien, so daß die Bindung des Gerichts erst sekundär an diese prozessuale Bindung der Parteien anknüpfe 45. Die anderen Ansätze wollen das Spannungsverhältnis von formellem und materiellem Recht nicht durch eine eindeutige Zuordnung der Rechtskraftwirkungen zum materiellen oder zum Verfahrensrecht auflösen, sondern in einer Rechtskrafttheorie ausdrücklich anerkennen und überbrücken. Neben der sog. Vermutungslehre 46 sind hier Begründungsansätze zu nennen, die den von Oskar Bülow 1885 in seiner Abhandlung „Gesetz und Richteramt" 47 entwickel-
44
Vgl. die Nachw. in Fn. 40. Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 151 II.3.; Gottwald in Münchener Kommentar zur Zivilprozeßordnung, § 322 Rn. 12-14; dagegen Schilken Rn. 1011. 46 Pohle, Calamandrei-FS II, S. 379 (388); J. Blomeyer, JR 1968,407 (409). 47 S. 3 ff., 28 ff.; fortgeführt von dems. in ZZP 31 (1903), 191 (266 ff.). 45
Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
ten Gedanken einer Konkretisierung des materiellen Rechts aufgreifen und fortentwickeln 48. Diese neuere Konkretisierungslehre geht davon aus, daß das objektive Recht im Hinblick auf den konkreten Lebenssachverhalt immer eine (mehr oder minder große) Offenheit und Unvollständigkeit aufweise. Vor einer Entscheidung sei die materielle Rechtsordnung noch unvollständig und ergänzungsbedürftig, so daß der Richter mit seinem Urteil aus dem zwangsläufig ergänzungsbedürftigen abstrakten Recht das konkrete Recht erst gestalte und fixiere. Die Wirkung der materiellen Rechtskraft besteht danach in der verbindlichen Festlegung einer konkreten Rechtsfolge, d.h. in einer Gestaltung des materiellen Rechts durch einen verfahrensrechtlichen Akt. Das Urteil soll nach dieser Lehre jedoch nicht einfach im Sinne der herkömmlichen materiellen Rechtskrafttheorie das bestehende materielle Recht nur im Falle eines Fehlurteils durch eine Umformung der sich aus den materiellen Rechtsnormen ergebenden Rechte und Pflichten verändern. Vielmehr wird das vom Urteil geschaffene konkrete Recht sowohl im Falle eines richtigen wie eines unrichtigen Urteils auf einer ganz anderen Ebene angesiedelt als die objektive Rechtsordnung der abstrakt-generellen Rechtsnormen des materiellen Rechts. Die Verbindlichkeit des rechtskräftigen Urteils beruht hiernach auf einem Vorrang des konkreten materiellen Rechts des Urteils vor dem abstrakten Recht der materiellen Rechtsnormen, welcher sowohl von den Prozeßbeteiligten in ihrem nachfolgenden Verhalten als auch von jedem Richter zu beachten ist, der in einem nachfolgenden Prozeß über die Rechte und Pflichten der Parteien zu entscheiden hat 49 .
5. Leistungs-, Feststellungs- und Gestaltungsurteile Trotz des zuvor geschilderten Streits um das Wesen der materiellen Rechtskraft hat sich in der Dogmatik des deutschen Zivilprozeßrechts seit Mitte der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts eine Einteilung der Urteile nach ihrem Inhalt in Leistungs-, Feststellungs- und Gestaltungsurteile allgemein durchgesetzt50. Die in der verwaltungsrechtlichen Dogmatik übliche Unterscheidung von befehlenden, feststellenden und gestaltenden Verwaltungsakten ist erkenn48
Sauer, R. Schmidt-FS. Strafrecht und Prozeßrecht, S. 308 (322 ff.); Bruns ZZP 78 (1965), 264 (278 ff.); J. Martens, ZZP 79 (1966), 404 (417 ff.); Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn. 34-38. 49 Als zusätzliche Komponente der materiellen Rechtskraft wird z.T. die von Amts wegen zu beachtende prozessuale Unzulässigkeit einer erneuten Klage mit demselben Streitgegenstand angesehen (ne bis in idem), vgl. Stein/Jonas-Leipold, § 322 Rn. 39 f. m.w.N. 50 Zur Entwicklung und zum Stand der zivilprozessualen Dogmatik der Klagearten vgl. Schlosser, S. 1 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, §§ 91 ff.; Schilken, Rn. 178 ff.
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen
bar dieser Dreiteilung der Klagearten nachgebildet. Betrachtet man die verwaltungsrechtliche Diskussion über die Rechtsfigur des feststellenden Verwaltungsaktes vor diesem Hintergrund, so muß die These, es könne keine nur feststellenden Verwaltungsakte geben, weil eine Regelung stets auf eine Rechtsgestaltung gerichtet sei, eigentlich jeden, der mit den Regeln unseres Zivilprozeßrechts vertraut ist, in großes Erstaunen versetzen. Denn die Rechtsfeststellung gilt als Grundfunktion des Erkenntnisverfahrens der ZPO, das Gestaltungsurteil dagegen als besondere Entscheidungsform: Den Regeltypus des Urteils in Zivilsachen bildet das Leistungsurteil 51. Die Leistungs- oder Verurteilungsklagen dienen der Durchsetzung eines in der Klage als bestehend behaupteten und im Urteil festzustellenden Anspruchs. Klageantrag und stattgebendes Urteil enthalten nach ihrem Wortlaut zwar zunächst nur einen an den Beklagten gerichteten Leistungs- oder Unterlassungsbefehl, welcher in der Regel Grundlage einer Zwangsvollstreckung sein kann 52 . Darüber hinaus enthält das Leistungsurteil aber stillschweigend immer auch eine rechtskraftfahige Feststellung des geltendgemachten Anspruchs. Mit der formellen Rechtskraft (Unanfechtbarkeit gemäß § 705 ZPO) erwächst diese dem Leistungsurteil immanente Feststellung in materielle Rechtskraft. Mit der Feststellungsklage (§ 256 ZPO) begehrt der Kläger ein Urteil, das sich auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses oder bei der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde ausnahmsweise auf die Feststellung einer Tatsache beschränkt 53. Inhaltlich entspricht diese Definition des Urteilsinhalts also weitgehend der üblichen Beschreibung des Regelungsinhaltes eines feststellenden Verwaltungsaktes. Feststellungs- und Leistungsklage haben im Zivilprozeß beide die Aufgabe, eine verbindliche Entscheidung darüber herbeizuführen, was ohne den Prozeß und das Urteil bereits Rechtens ist. Vom Leistungsurteil unterscheidet sich das Feststellungsurteil dadurch, daß es neben der Feststellung keinen Leistungsbefehl enthält und so in der Hauptsache nicht vollstreckbar ist 54 . Für das Feststellungsurteil ist also charakteristisch, daß es i.d.R. neben der materiellen Rechtskraft keine weiteren Urteilswirkungen hat 55 . Das heißt aber 51 Zum Leistungsurteil vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 92; Schilken, Rn. 179 ff.; Jauernig, § 34 I m.w.N. 52 Ausnahmen: §§ 888 II, 888a, 894 ZPO. Umgekehrt sind die Feststellungs- und Gestaltungsurteile in der Hauptsache nicht vollstreckungsfähig. 53 Zum Feststellungsurteil vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 93; Jauernig, § 34 II; Schilken, Rn. 183 ff., 567. 54 Stein/Jonas-Schumann, § 256 Rn. 3, 172; Schilken, Rn. 184; Rosenberg/Schwab/ Gottwald, § 93 I. 55 Zu den zusätzlichen, sog. realen Urteilswirkungen spezieller Feststellungsklagen vgl. Stein/Jonas-Schumann, § 256 Rn. 3; Stein/Jonas-Münzberg, vor § 704 Rn. 47 ff.
Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
auch, daß die materielle Rechtskraft als die jedem richterlichen Urteile eigentümliche Verbindlichkeit nicht durch einen neben der Feststellung stehenden Entscheidungsinhalt bewirkt wird. Feststellungswirkung und materielle Rechtskraft des Urteils bezeichnen die gleichen Rechtsfolgen 56. Das Feststellungsurteil ist nach unserer Dogmatik des Zivilprozesses ein Urteil, dessen Inhalt sich auf eine isolierte Feststellung beschränkt. Seine Rechtsfolge (die Feststellungswirkung) besteht in nichts anderem, als in der dem richterlichen Urteil eigentümlichen Verbindlichkeit der Entscheidung über das strittige Rechtsverhältnis, der materiellen Rechtskraft. Mit der Gestaltungsklage erstrebt der Kläger dagegen ein unmittelbar die materielle Rechtslage veränderndes Urteil, welches bestehende Rechtsverhältnisse aufhebt oder ändert. Es wird als konstitutiv bezeichnet, weil die mit der Gestaltungsklage begehrte zivilrechtliche Rechtsfolge bisher nicht vorhanden war und ohne das Urteil nicht vorhanden sein würde 57 . Die Gestaltungswirkung besteht damit in einer speziellen, durch ein auf diese Gestaltung gerichtetes Urteil bewirkten Veränderung des materiellen Rechts; diese wird von den Regelungen des Rechtsgebietes, in dessen Bereich die Rechtsänderung eintritt, für ein Urteil mit diesem Inhalt besonders angeordnet. Das formell rechtskräftige Gestaltungsurteil bildet selbst (in der Regel allein) den Tatbestand, an welchen das materielle Gesetz die Rechtsänderung knüpft 58 . Da erst diese spezielle Normierung dem jeweiligen Gestaltungsurteil seine besondere Wirkung auf das materielle Recht verleiht, gibt es im Zivilprozeß einen numerus clausus der Gestaltungsklagen59. Demgegenüber kann die materielle Rechtskraftwirkung nur auf eine generelle Anordnung des Zivilverfahrensrechts zurückgeführt werden 60 . Unstrittig tritt bei allen Gestaltungsklagen die erstrebte Rechtsfolge erst mit der formellen Rechtskraft des Urteils ein. Von der Art der Erklärung der materiellen Rechtskraft nach den verschiedenen Rechtskrafttheorien hängt es dagegen ab, ob bei den Urteilswirkungen des Gestaltungsurteils zwischen den Rechtsfolgen der materiellen Rechtskraft und einer zusätzlichen Gestaltungswirkung zu unterscheiden ist. Einer solchen Differenzierung bedarf es an sich nicht, wenn man von der klassischen materiellen Rechtskrafttheorie ausgeht. Denn hiernach verändern sowohl das richtige wie das falsche Gestaltungsurteil in gleicher Weise das materielle Recht und schlie56
Stein/Jonas-Schumann, § 256 Rn. 3; Schilken, Rn. 994. Darüber hinaus betrachtet die h.L. die sog. zivilrechtlichen Anfechtungsklagen, bei denen eine bestimmte Rechtsfolge erst mit der Rechtskraft des Urteils geltend gemacht werden kann, als ex tunc wirkende Gestaltungsklagen, vgl. Rosenberg/Schwab/ Gottwald, § 94 H.2.; Schlosser, S. 61 ff. m.w.N. 58 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 94 I.I.; Bötticher, DJT-FS I, S. 511 (518 ff.). 59 Schlosser, S. 276. 60 Bötticher, DJT-FS I, S. 511 (522). 57
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen
ßen gleichermaßen einen Anspruch auf Wiederherstellung der durch das Urteil umgestalteten Rechtslage aus. Für die Anhänger der prozessualen Rechtskrafttheorie dagegen bewirkt nur ein Gestaltungsurteil eine Veränderung des materiellen Rechts, so daß die Gestaltungswirkung einerseits und die Feststellungswirkung der materiellen Rechtskraft andererseits auf grundverschiedenen Rechtsfolgen beruhen 61. Für die Vertreter der Konkretisierungslehre unterscheidet sich das Gestaltungsurteil in seiner materiellrechtlichen Auswirkung auf das betroffene Rechtsverhältnis der Parteien nicht von den Wirkungen, welche sonst die Feststellungsurteile haben; wenn aber das objektive Recht vorsieht, daß eine bestimmte Rechtsfolge nur durch ein Gestaltungsurteil mit einem ausdrücklich auf die Herbeiführung dieser Rechtsfolge gerichteten Inhalt eintritt, so kann nach der Konkretisierungslehre dieses konkrete Recht vor dem Erlaß des Gestaltungsurteils weder in einem Vertrag noch in einem anderen Urteil, das auf eine andere Rechtsfolge gerichtet ist, wirksam festgestellt werden. Unter Berücksichtigung aller Rechtskrafttheorien unterscheidet sich das Gestaltungsurteil demnach vom Feststellungsurteil zumindest dadurch, daß es eine materielle Rechtsfolge ausspricht, welche aufgrund der speziellen Normen des materiellen Rechts erst durch eine rechtskräftige Entscheidung mit eben diesem Inhalt eintreten kann 62.
IV. Das materielle Rechtsverhältnis als Bezugsobjekt der Begriffe Rechtsfeststellung und Rechtsgestaltung Unser Überblick über das Zivilprozeßrecht hat gezeigt, daß die dort entwikkelte Unterscheidung zwischen feststellenden und gestaltenden Urteilen durchaus einen Sinn macht, wenn man systematisch in geeigneter Weise zwischen verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Rechtsfolgen differenziert. Hoheitliche Entscheidungen können zwar auf Rechtsfolgen auf dem Gebiet des Verfahrensrechts gerichtet sein; in der üblichen Terminologie werden aber derartige final intendierte Veränderungen eines Prozeßrechtsverhältnisses nicht als Rechtsgestaltung bezeichnet. Von einer rechtsgestaltenden Regelung ist in der Dogmatik des Zivilprozeßrechtes nur dann die Rede, wenn durch die Entschei-
61 Es ist allerdings umstritten, ob die Gestaltungsurteile auch noch in materielle Rechtskraft erwachsen. Um zu verhindern, daß der unterlegene Beklagte Schadensersatz« oder Bereicherungsansprüche mit der Behauptung geltend machen kann, die Gestaltung sei zu Unrecht erfolgt, wird eine rechtskraftfähige Feststellung, daß das Gestaltungsbegehren berechtigt war, heute überwiegend zum Urteilsinhalt gerechnet (vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 94 III.2.; Jauernig, § 65 II.; Schilken, Rn. 195, 997; Schlosser, S. 406 ff.). 62 Vgl. Schlosser, S. 26.
Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
dung des hoheitlich handelnden Rechtsanwendungsorgans das materielle Recht gestaltet werden soll, wenn die Regelung also m.a.W. unmittelbar die Verhaltenspflichten der am materiellen Rechtsverhältnis beteiligten Personen verändern soll. Für die gebotene funktionale Betrachtungsweise des Rechtsinstitutes Verwaltungsakt hat die vergleichende Betrachtung außerdem ergeben, daß die Begriffe der feststellenden bzw. der gestaltenden Wirkung einer Regelung andernorts zur Beantwortung von zwei, sich nur teilweise überschneidenden Fragekomplexen eingesetzt werden: Im Streit um die materielle Rechtskraft wird die feststellende und die gestaltende Wirkung als Gegensatzpaar verwendet, um die Verbindlichkeit einer Regelung für die am Rechtsverhältnis beteiligten Parteien oder den rechtsanwendenden Richter zu beschreiben. Es geht also zunächst um die Frage, ob eine Willenserklärung, welche einen verbindlichen Ausspruch über eine im konkreten Einzelfall eingetretene Rechtsfolge enthält, in irgendeiner Weise auf das materielle Recht einwirkt. Zur Erklärung und Beschreibung der Verbindlichkeit einer Regelung wird von einer gestaltenden Wirkung gesprochen, wenn die Willenserklärung (auch) die materiellen Ansprüche, d.h. die Verhaltenspflichten der Parteien, verändert. In diesem Fall beruht die Verbindlichkeit auf einer materiellrechtlichen Bindungswirkung für die am Rechtsverhältnis Beteiligten. Demgegenüber wird zwecks Erklärung der Verbindlichkeit einer Entscheidung von einer feststellenden Wirkung gesprochen, wenn die Regelung die Verhaltenspflichten der am materiellen Rechtsverhältnis Beteiligten nicht verändert, sondern rechtlich nur die Entscheidung über dieses Rechtsverhältnis in allen späteren Verfahren mit den gleichen Parteien durch ein für den späteren Rechtsanwender geltendes Wiederholungs- und Abweichungsverbot präjudiziell wird. Die Rechtsfolge des als Feststellung bezeichneten Aktes soll also nur in einer verfahrensrechtlichen Bindungswirkung an die getroffene Entscheidung für einen den gleichen Lebenssachverhalt später beurteilenden Richter bestehen. Zum anderen wird das Begriffspaar „gestaltend" und „feststellend" in der juristischen Fachsprache verwendet, um die möglichen Entstehungs-, Veränderungs- bzw. Erlöschensgründe von Rechtsverhältnissen zu systematisieren. Unter diesem Gesichtspunkt wird eine Regelung als gestaltend bezeichnet, wenn nach den Normen des materiellen Rechts eine explizit auf die Herbeiführung einer bestimmten Rechtsfolge gerichtete Willenserklärung zwingend notwendig ist, um diese subjektiven materiellen Rechte bzw. Pflichten entstehen, verändern oder untergehen zu lassen. Umgekehrt wird eine Regelung in diesem Kontext als feststellend charakterisiert, wenn ihr Inhalt einem bereits bestehenden Zustand des materiellen Rechts entsprechen soll. Dies nimmt man dann an, wenn die ausgesprochene Rechtsfolge nach dem Inhalt des Urteils bereits zuvor unmittelbar mit der Verwirklichung eines vom Gesetz näher bezeichneten Tat-
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen
bestandes eingetreten oder wenn die Rechtsfolge bereits durch eine frühere Willenserklärung herbeigeführt worden sein soll.
V. Die Wirkung feststellender und gestaltender Verwaltungsakte auf das materielle Verwaltungsrechtsverhältnis 1. Die verbindliche Konkretisierung des materiellen Rechts als Funktion und Wirkung aller Verwaltungsakte a) Der Verwaltungsakt als Mittel zur Überwindung der dem abstrakt-generellen Gesetz immanenten Rechtsungewißheit Versucht man nun den im Zivilprzeßrecht üblichen Sprachgebrauch auf die Regelungsform Verwaltungsakt zu übertragen, so stellt sich zunächst die Frage, ob die Verbindlichkeit des Verwaltungsaktes als Konsequenz einer „Feststellung" oder „Gestaltung" des materiellen Rechtsverhältnisses beschrieben werden kann. Da der Verwaltungsakt ein spezielles verwaltungsrechtliches Erkenntnisverfahren abschließt (§ 9 VwVfG), wäre es gedanklich durchaus möglich, die Bindungswirkung, die ein rechtswidriger, aber verbindlicher Verwaltungsakt entfaltet, - in Anlehnung an die prozessuale Rechtskrafttheorie - mit Hilfe eines nur in einem späteren Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren unmittelbar geltenden Abweichungs- oder Wiederholungsverbotes zu erklären. Mit dem Begriff der Verbindlichkeit würden so nur Rechtsfolgen auf dem Gebiet des Verfahrensrechts erfaßt; aufgrund einer zusätzlichen, die Verbindlichkeit ergänzenden Regelungswirkung würden allein die gestaltenden Verwaltungsakte die materiellen Verhaltenspflichten des Bürgers und der Verwaltung verändern. Umgekehrt steht die systematische Einordnung des Verwaltungsaktes als eines Instituts des Verwaltungsverfahrensrechts nicht in einem unauflösbaren Widerspruch zu einer materiellrechtlichen Betrachtungsweise, nach der jeder Verwaltungsakt, also auch ein feststellender Bescheid die Verhaltenspflichten der am Verwaltungsrechtsverhältnis beteiligten Rechtssubjekte und sonstigen Betroffenen verändert. Denn der systematische Gegensatz zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht, der die prozessuale Rechtskrafttheorie prägt, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß jede Rechtsordnung darauf gerichtet ist, das menschliche Verhalten zu beeinflussen. Ihr gesamtes rechtliches Instrumentarium, einschließlich des Verwaltungsverfahrens- und Prozeßrechtes, dient also letztendlich immer dem Zweck, bestimmte Personen im Verhältnis zu anderen eine Verpflichtung aufzulegen oder sie auf andere Weise zu einem Tun zu veranlassen, das ihnen ohne diese äußere Motivation vielleicht nicht in den Sinn käme, oder etwas zu unterlassen, was ihnen möglicherweise zu tun
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
beliebt 63 . Das Endziel eines jeden auf den Erlaß eines Verwaltungsaktes gerichteten Verwaltungsverfahrens besteht bei einer umfassenden Betrachtung der Rechtsordnung also in der bestmöglichen Verwirklichung des in ihm angewandten materiellen Rechts, welches die Rechte und Pflichten im Verhältnis von Bürger und Verwaltung abstrakt-generell festgelegt hat. Unabhängig davon, ob man die Verbindlichkeit des feststellenden Verwaltungsaktes mit einer Verfahrens- oder mit einer materiellrechtlichen Bindungswirkung erklärt, hat der Verwaltungsakt als Institut des Verwaltungsverfahrensrechts gegenüber dem materiellen Rechtssatz immer eine dienende Funktion 64 . Im Hinblick auf die Funktion der Rechtsdogmatik, zu einer adäquaten Lösung juristischer Problemfälle beizutragen, sollte die Entscheidung zwischen den verschiedenen rechtstheoretischen Erklärungsmustern sowohl die Stellung des Rechtsanwenders als auch die Funktion der verbindlichen Regelung für die am Rechtsverhältnis Beteiligten berücksichtigen. Insoweit hat die Prozeßrechtslehre auf Grundlage der hier angesprochenen Unterscheidung zwischen materiellem und formellem Recht eine fiir die Parteien und den Richter unterschiedliche Funktion der materiellen Rechtsnorm als Verhaltens- und Beurteilungsnorm entwickelt 55. Danach soll der gleiche materielle Rechtssatz für die Rechtsunterworfenen und den rechtsanwendenden Richter eine unterschiedliche Funktion haben: den Rechtsunterworfenen sage er als Verhaltensnorm, wie sie sich verhalten müßten, dem Richter als Entscheidungsnorm, wie er das Verhalten der Parteien zu beurteilen habe. Otto Mayer übertrug diese Unterscheidung zwischen den Wirkungen eines materiellen Rechtssatzes als Verhaltens- und Beurteilungsnorm auf die Verwaltungsrechtsnorm. Hierzu beschrieb er die Wirkungen des Zivil- und des Strafrechtssatzes zunächst folgendermaßen: „...der Rechtssatz wirkt in beiden Fällen zweiseitig; er gibt dem Untertanen die rechtliche Bestimmung eines Sollens oder Dürfens gegenüber der öffentlichen Gewalt und begründet zugleich eine rechtliche Gebundenheit der Behörde66 ihm gegenüber, daß sie danach verfahrt. Wir nennen ersteres die äußere, letzteres die innere Wirkung; ... 63 Salzwedel, Die Grenzen, S. 53 f.; J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 12. 64 Ossenbühl, NVwZ 1982, 465 f.; Pietzcker, VVDStRL 41, 193 (201 ff., 207 ff.); Wahl, VVDStRL 41, 153 ff.; J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 34, 58; Held, S. 29 ff. 65 Bettermann, VVDStRL 17, 118 (120); J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 68 f.; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 222 f. 66 Gemeint ist das Gericht als „Justizbehörde" im Unterschied zur „Verwaltungsbehörde", da O. Mayer Justiz und Verwaltung nicht als unterschiedliche Staatsgewalten, sondern lediglich als zwei Zweige innerhalb der vollziehenden Gewalt ansah, vgl. Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 85 ff.
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen
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In der Justiz bedeutet die Zweiseitigkeit der bindenden Kraft des Gesetzes, daß es sowohl auf den Einzelnen wirkt als auch auf das Gericht; beide stehen unter dem Gesetze. Über diesen allgemeinen Begriff geht die Gleichheit aber nicht hinaus. Man kann nicht sagen, daß das Gesetz für das Gericht auf dieselbe Weise maßgebend sei wie für den Einzelnen. Diesem befiehlt es, weist es sein rechtliches Schicksal an ... Das Gericht aber ist ja selbst Träger obrigkeitlicher Gewalt; die viva vox legis, steht es auf der Seite des Gesetzes; seine Gewalt ist von der des Gesetzes nur durch die besondere Ausprägung und dem Grade nach verschieden. Es wird vom Gesetze nicht wie der Untertan beherrscht, sondern wie der untergeordnete Mitarbeiter geleitet."67 Hierauf aufbauend konstruierte Otto Mayer in seinem Deutschen Verwaltungsrecht eine zweiseitige, aber unterschiedliche Wirkung des Verwaltungsrechtssatzes für die Verwaltung und den Untertan 68 : „Der Verwaltungsrechtssatz bedeutet nun nichts anderes als die Übertragung dieser Form, rechtlich zu wirken, auf die Verwaltung." 69 „Das Verhältnis der Verwaltung zum Gesetz ist grundsätzlich das gleiche. Auch sie ist Mitarbeiterin, Gehilfin, deren Tätigkeit von ihm gelenkt wird." 70 „Die Zweiseitigkeit der Wirkung des Rechtssatzes läßt diesen in der doppelten Wirkung auseinandergehen, daß für den getroffenen Staatsuntertan bestimmt wird, was für ihn Rechtens sein soll, und zugleich die vollziehende Gewalt gebunden wird, in entsprechender Weise mit ihm zu verfahren. ... Dazu kommt aber noch als Abschluß des ganzen, daß auch die beiden Enden jener Wirkung noch einmal zusammengebunden sind durch das Recht des Beteiligten."71 Ob diese Unterscheidung der Wirkungen der materiellen Rechtsnorm als Verhaltens- und Beurteilungsnorm für das Prozeßrecht zutrifft, bedarf hier letztlich keiner Entscheidung; jedenfalls baut sie auf der Stellung des Richters als eines nicht am materiellen Rechtsverhältnis beteiligten, unabhängigen Dritten auf. Letztere ermöglicht es der formellen Rechtskraftlehre erst, zwischen den materiellen Rechtspflichten der Parteien und den Pflichten des Richters bei der Entscheidung über dieses Rechtsverhältnis zu differenzieren 72. Mit einer solchen ausschließlich verfahrensrechtlichen Betrachtungsweise lassen sich aber die Wirkungen eines Verwaltungsaktes kaum mehr in einer dem Verwaltungsvollzug angemessenen Weise beschreiben. Der Verwaltungsakt ist zwar einerseits eine Willenserklärung der Verwaltung auf dem Gebiet des Verfahrensrechts, die als Rechtsanwendungsakt eine dem richterlichen Urteil funktional vergleichbare, verbindliche Regelung des Rechtsverhältnisses
67
Dt. VerwR I, 3. Aufl., S. 76. Kritisch dazu Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 145 ff. (m.w.N.), 229 ff., passim. 69 Dt. VerwR I, 3. Aufl., S. 76. 70 Dt. VerwR I, 3. Aufl., S. 77. 71 Dt. VerwR I, 3. Aufl., S. 81. 72 Vgl. oben III.4. 68
6 Kracht
Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
enthält. Soweit über das Rechtsverhältnis verbindlich entschieden wurde, muß diese Entscheidung - unter Beachtung der objektive, subjektiven und zeitlichen Grenzen ihres Regelungsgehalts - jede weitere Entscheidung in einem späteren behördlichen oder gerichtlichen Erkenntnisverfahren, das nicht auf die förmliche Aufhebung der Erstentscheidung gerichtet ist, präjudizieren. Die gleichzeitige Beteiligung der Behörde am Rechtsverhältnis spricht andererseits gegen die Vorstellung, die Verwaltung könne bei einer - möglicherweise - rechtswidrigen präjudiziellen Erstentscheidung materiell zu einem der Regelung widersprechenden tatsächlichen Verhalten verpflichtet oder berechtigt sein, sie sei aber trotzdem, sobald sie in einem Verwaltungsakt dieses Recht erneut anwenden müsse, wieder an die Feststellung des vorgreiflichen Verwaltungsakts gebunden. Aus der Doppelrolle der Behörde als verbindlich entscheidendes Rechtsanwendungsorgan und als ausführendes Organ der materiell am Rechtsverhältnis beteiligten Verwaltung ist eine Doppelfunktion aller Formen des Verwaltungsaktes abzuleiten: er ist einerseits ein verfahrensrechtlicher Erkenntnisakt, muß aber andererseits auch auf die materiellen Rechtspflichten im Verwaltungsrechtsverhältnis einwirken 73, also auch Auswirkungen auf die materiellrechtlichen Rechte und Pflichten der am Verwaltungsrechtsverhältnis beteiligten Behörde haben74. Dabei ist die dem Verwaltungsakt eigentümliche rechtsfehlerunabhängige Verbindlichkeit ähnlich wie die materielle Rechtskraft des Urteils eine Konsequenz aus der Unzulänglichkeit des menschlichen Erkenntnisvermögens, welche sich sowohl bei der Rechtsetzung als auch der Rechtsanwendung auswirken muß 75 . Unverzichtbar ist eine Willenserklärung der Verwaltung dort, wo der Gesetzgeber einer Behörde durch eine Ermessensnorm gezielt einen eigenen Entscheidungsspielraum über die Begründung, Änderung oder Aufhebung eines Rechtsverhältnisses einräumt, weil er selbst im Wege der Normsetzung noch keine abschließende Regelung der künftigen Lebenssachverhalte treffen kann oder will. Aber auch dort, wo das Gesetz im Bereich der gebundenen Verwaltung unmittelbar Verpflichtungen oder Berechtigungen enthält, soll das Instrument des Verwaltungsakts ein Spannungsverhältnis überbrücken, das zwangsläufig zwischen einem System abstrakt-genereller Rechtssätze und einem konkreten Lebenssachverhalt entsteht, welcher sich aus einer real kaum eingrenzbaren Vielzahl von Personen, Sachen, Rechts- und Realhandlungen und anderen Tatsachen zusammensetzt. Die Rechtsordnung kann ihre verhal-
73
J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 68 f.; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 222 ff.; Held, S. 25 ff. 74 Vgl. auch die Kritik der Lehre Otto Mayers bei Schmidt-De Caluwe, einerseits systemimmanent auf S. 148 ff., 229 ff., und andererseits aus Sicht des heutigen Verfassungsrechts auf S. 262 ff. 75 Renck, NJW 1970, 737 (739).
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen
tensregulierende Funktion nur erfüllen, wenn der Rechtsanwender zunächst den auf den jeweiligen Sachverhalt anwendbaren Rechtssatz ermittelt und seine Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht durch Norminterpretationen überprüft. Sodann müssen aufgrund des nur beschränkten menschlichen Erkenntnisvermögens die rechtlich erheblichen Elemente des tatsächlichen Lebenssachverhaltes durch eine Informationsermittlung, -auswahl und -bewertung bestimmt werden 76. Schließlich ist auch der eigentliche Syllogismus, die Subsumtion des Sachverhalts unter die Norm, welcher den Rechtsanwendungsprozeß abschließt, nicht frei von subjektiven Wertungselementen. Dabei ist seit langem bekannt, daß alle Stufen des Normanwendungsprozesses nicht isoliert voneinander verlaufen, sondern sich die Begriffe nur im Hinblick auf die Lebenswirklichkeit bestimmen lassen, der Blick des Rechtsanwenders also ständig zwischen Gesetz und Fall hin- und herwandern muß 77 . Der Allgemeinheit des Gesetzes ist ein Rest von objektiver Ungewißheit immanent™. A u f allen Stufen des Subsumtionsprozesses vollzieht sich daher die Rechtsanwendung nicht rein mechanisch, sondern subjektiv wertend. Damit hat sich die Vorstellung, es könne nur eine einzig richtige und zugleich auch noch für jedermann nachvollziehbare Anwendung einer Norm auf einen konkreten Einzelfall geben, schon lange als Illusion erwiesen 79. Es läßt sich dementsprechend rechtstheoretisch nicht unterscheiden zwischen eindeutig „bestimmten" Rechtsbegriffen, bei deren Anwendung es durch die Verwaltung nichts mehr zu regeln gäbe und „unbestimmten" Rechtsbegriffen mit einem zwangsläufigen Beurteilungsspielraum der Verwaltung; demgemäß besteht zwischen den sog. bestimmten und den unbestimmten Rechtsbegriffen kein qualitativer, sondern ein quantitativer Unterschied im Maß der Schwierigkeiten bei der wertenden Subsumtion des Lebenssachverhalts unter den Tatbestand der abstrakt-generell formulierten Norm 80 . Dies gilt selbst in den Fällen, in denen die maßgebliche Norm ausschließlich Begriffe verwendet, die - im Regelfall - nur einer einzigen Deutung zugänglich sind. Als Beispiele für solche scheinbar nicht auslegungsbedürftigen Vorschriften werden gelegentlich Normen genannt, die auf der Tatbestandsseite allein konkrete Zahlenangaben, spezifische Eigennamen oder sonst „eindeutig" 76
J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 34, 210. Haft, S. 88 unter Bezugnahme auf Karl Engisch (ohne Nachweis). 78 J; Martens, AöR 89 (1964), 429 (434) m.w.N. 79 J. Martens, AöR 89 (1964), 429 (432 ff.); ders., ZZP 79 ( 1966), 404 (415 ff.); ders., DVB1. 1968, 322 (324 f.); ders., Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 210 ff., 254 ff.; Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 12 Rn. 28; Rüping, S. 23 ff.; VG Wiesbaden, U. v. 25.9.1986 - V/1 E 52/82, NJW 1986, 356 (358 ff.) m.w.N. Zur normtheoretisch-methodischen und zur kompetenzrechtlichen Problematik des unbestimmten Rechtsbegriffs vgl. Ossenbühl in Erichsen, Allg. VerwR, § 10 Rn. 25 ff. m.w.N. 80 Papier, DÖV 1986, 621 (625); VG Wiesbaden, U. v. 25.9.1986 - V/1 E 52/82, NJW 1986,356 (358 ff.). 77
Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
festgelegte technische Begriffe nennen und auf der Rechtsfolgenseite in eine gebundene Entscheidung der Verwaltung münden 81 . Hier ist jedoch zumindest noch der sachliche und personelle Anwendungsbereich der Norm zu prüfen. Selbst wenn es aber im konkreten Einzelfall keine ernsthaften Zweifel geben kann, daß ein bestimmter Lebenssachverhalt vom Wortlaut einer Norm erfaßt wird, muß der Rechtsanwender immer noch prüfen, ob diese Rechtsnorm nicht wegen eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam ist. Von diesem Ansatzpunkt aus ist nicht nur die Einräumung eines Beurteilungsspielraums bei der Rechtsanwendung unbestimmter Rechtsbegriffe 82 kein hermeneutisches Problem, sondern ein Kompetenzproblem zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit. Aus der Auslegungsbedürftigkeit des Gesetzes ergibt sich zugleich die der Kompetenzverteilungsfrage vorgelagerte Notwendigkeit, im Verwaltungsrecht, wie in jeder anderen Rechtsordnung, überhaupt bestimmten Organen die Kompetenz zur verbindlichen Rechtsanwendung durch rechtsfeststellende oder rechtsgestaltende Entscheidungen einzuräumen. Denn aus dem Spannungsverhältnis zwischen dem System abstrakt-genereller Rechtsnormen und dem tatsächlichen Lebenssachverhalt ergibt sich prinzipiell immer die Gefahr einer unterschiedlichen Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch die betroffenen Bürger und die Verwaltung. Sollen die Beteiligten ihr Verhalten aber am materiellen Recht orientieren, so muß die Rechtsordnung zumindest für den Streitfall über angeblich bestehende, aber noch nicht erfüllte Verpflichtungen gewisse Verfahren zur Überwindung der intersubjektiven Rechtsunsicherheit vorsehen, durch die das Ergebnis eines subjektiven Rechtsanwendungsvorgangs als eindeutiger Verhaltensmaßstab bestimmt wird. Unser Verwaltungsrecht kennt hierzu zwei Verfahrensarten mit drei Grundformen der Entscheidung: Einerseits das Verwaltungsgerichtsverfahren mit einer richterlichen Entscheidung, d.h. der Willenserklärung eines unabhängigen Dritten, andererseits das Verwaltungsverfahren, das mit einem öffentlich-rechtlichen Vertrag, d.h. einem Rechtgeschäft mit übereinstimmenden Willenserklärungen der Beteiligten oder mit einem Verwaltungsakt, d.h. einer einseitigen83 Willenserklärung der Behörde, abschließt. Jede dieser Entscheidungs- und Regelungsformen kann zur Streitentscheidung, prinzipiell aber
81 Appel/Melchinger, VerwArch 84 (1993), 349 (366); VG Wiesbaden, U. v. 25.9.1986 - V/1 E 52/82, NJW 1986, 356 (358). 82 Vgl. dazu nur Ossenbühl, DVB1. 1974, 309 (311); ders. in Erichsen, Allg. VerwR, § 10 Rn. 28 ff. m.w.N.; Papier, DÖV 1986, 621 (624 ff.); VG Wiesbaden, U. v. 25.9.1986 - V/1 E 52/82, NJW 1986, 356 (358 ff.). 83 Ganz h.M., vgl. nur Hill, DVB1. 1989, 321 (322 f.); Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 12 Rn. 22; P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 7, 68. Zur Gegenauffassung von J. Martens vgl. unten G.V.2.
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen
auch präventiv zur Vermeidung unterschiedlicher Bewertungen eingesetzt werden. Der Verwaltungsakt ist also eine einseitige Willenserklärung der Verwaltung, die das durch die Rechtsnorm nicht restlos determinierte materielle Recht im Einzelfall ergänzt, vervollständigt oder verbindlich festlegt. Die Beschreibung des Verwaltungsaktes als verfahrensrechtliche Konkretisierung des abstrakt-generellen materiellen Rechts im Einzelfall 5 erfaßt diese Funktion des Verwaltungsaktes im Transformationsprozeß des Rechts am besten. Zwar gibt es auch Verwaltungsakte, welche verfahrensrechtliche Rechte bzw. Pflichten regeln, z.B. die Einleitung oder das Wiederaufgreifen eines Verwaltungsverfahrens verbindlich ablehnen. Wenn die Regelungswirkung des Verwaltungsaktes hier auf dem Gebiet des materiellen Rechts gesehen wird, so ist damit das „Recht der geregelten Materie" gemeint, jenes Recht also, dem die im Verwaltungsakt ausgesprochenen Rechtsfolgen oder Feststellungen zuzuordnen sind 86 . Entscheidend für das Tatbestandsmerkmal der Regelung ist, ob die Behörde mit ihrer Erklärung eine verbindliche Regelung setzen will, d.h. ob durch sie Rechte oder Pflichten begründet, geändert, aufgehoben, verbindlich festgestellt werden oder die Begründung, Änderung, Aufhebung oder verbindliche Feststellung solcher Rechte und Pflichten mit Außenwirkung verbindlich abgelehnt wird. Eine derartige verbindliche Regelung kann auch in der Weise getroffen werden, daß eine generelle und abstrakte Regelung des Gesetzes für den Einzelfall mit Bindungswirkung als bestehend oder nicht bestehend festgestellt, konkretisiert oder individualisiert wird 8 7 . Damit bilden die verbindlichen Regelungen der als feststellend bezeichneten Verwaltungsakte ebenso eine verfahrensrechtliche Konkretisierung des materiellen Rechts im Einzelfall wie die
84
Vgl. die Nachweise in Fn. 16. J. Martens, AöR 89 (1964), 429 (432 ff.); ders., ZZP 79 ( 1966), 404 (415 ff.); ders., DVB1. 1968, 322 (324 f.); zusammenfassend ders., Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 210 ff., 254 ff. Ebenso Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 12 Rn. 28; Rüping, S. 23 ff.; Siegmund in Brandt/Sachs, Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozeß, Rn. D 20, 24. Zur Idee der Rechtskonkretisierung schon Bülow, Gesetz und Richteramt, Leipzig 1885, S. 29 ff., 41 ff.; Engisch, S. 85 ff., passim. 86 Entsprechend der Erklärung der materiellen Rechtskraft des Prozeßurteils bei Leipold in Stein/Jonas, 21. Aufl., § 322 Rn. 27. Zum Regelungsgehalt eines aus Gründen des Verfahrensrechts erfolgenden Ablehnungsbescheides vgl. unten 3.a)bb) bei Fn. 186. 87 BVerwG, U. v. 29.4.1988 - 9 C 54.87, BVerwGE 79, 291 (295): Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung gem. § 20 Abs. 4 AsylVfG a.F. (nunmehr § 62 AsylVfG i.d.F der Bekanntmachung vom 27.7.1993); OVG Schleswig, U. v. 16. 1. 1995 5 L 149/94, NVwZ-RR 1996, 154: feststellender Verwaltungsakt über die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Tagespflege und der Tagespflegeperson gem. § 23 Abs. 3 Satz 2 KJHG; Kopp/Ramsauer, § 35 Rn. 47. 85
Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
Regelungen der gestaltenden Verwaltungsakte. Solange der Verwaltungsakt als verbindliche Konkretisierung der subjektiven Rechte und Pflichten im Verwaltungsrechtsverhältnis gilt, können die Beteiligten aus dem objektiven Recht in ihren Rechtsbeziehungen unmittelbar keine vom Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes abweichenden subjektiven Rechte oder Pflichten mehr geltend machen88. Die sich daraus ergebenden mehrfachen Bindungswirkungen entsprechen unbeschadet des Umstands, daß er die Verbindlichkeit des Verwaltungsaktes für den Untertan und die Verwaltung nicht einheitlich auf das Gesetz zurückführte - damit noch immer der bestechenden Beschreibung 89, die Otto Mayer so in seinem Lehrbuch des Deutschen Verwaltungsrechts gegeben hat: „Der Verwaltungsakt kann, auch ohne ungültig zu sein, aufgehoben, abgeändert oder sonst beeinträchtigt werden durch neue Verwaltungsakte. Solange nichts dergleichen über ihn gekommen ist, übt er die bindende Kraft des obrigkeitlichen Einzelakts, wie das rechtskräftige Urteil. Er bestimmt für den, über welchen er ergeht, was dieser soll und darf. Aber nicht bloß für ihn: Die bindende Kraft ist hier zweiseitig wie beim Rechtssatz (...). Dem, was über den betroffenen Untertanen bestimmt wird, entspricht eine rechtliche Gebundenheit der vollziehenden Gewalt in allem, was sie in eadem re gegen eandem personam vornehmen wird. Gebundenheit nach den Regeln der Vollziehung. Ihre weiteren Verwaltungsakte müssen fortbauen auf der von dem ersten gegebenen Grundlage, und vor allem ihre Tat muß sich nach diesem richten. Die so gebundene Tat ist aber nicht wie beim gerichtlichen Urteil die verhältnismäßig einförmige Zwangsvollstreckung, sondern entfaltet sich in den viel reicheren Gestalten der lebendigen Verwaltung: Geben und Nehmen, Dulden und Zwingen, Belasten und Freilassen, Verdrängen und Weichen. Und ...: die Gebundenheit besteht dem gegenüber, auf welchen der obrigkeitliche Akt gewirkt hat. Nichteinhaltung dieser rechtlichen Bestimmtheiten zu seinem Nachteil verletzt ihn „in seinen Rechten"." Auch wenn aus dem betroffenen „Untertan" ein Bürger wurde, dessen Beziehung zur Verwaltung (der „Obrigkeit") heute als ein „Verwaltungsweg ^Verhältnis" aufzufassen ist, trifft die zitierte Beschreibung der Auswirkungen des Verwaltungsakts im Grunde noch heute zu. Der Verwaltungsakt ist von der Verwaltung nicht nur als verbindlicher Grundlagenbescheid beim Erlaß von Folgebescheiden zu beachten, sondern vor allem in ihrem tatsächlichen Verhalten. Obwohl der Verwaltungsakt damit auch auf die realen Verhaltenspflichten von Bürger und Verwaltung einwirkt, ergibt es aber ein schiefes Bild, den (feststellenden) Verwaltungsakt als einen unabhängigen, neben dem Gesetz stehenden Rechtsgrund zu sehen91. Durch den Ausschluß der unmittelbaren Be-
88
J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 210. Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 215. 90 O. Mayer, Dt. VerwR I, 3. Aufl., S. 96. 91 So BVerwGE 8, 261 (264 ff.); Löwenberg, S. 44 f.; Hoffmann-Becking, 1972,196 (199 f.); Maurer, Allg. VerwR, § 9 Rn. 46; Battis, Allg. VerwR, S. 122. 89
DÖV
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen
rufung auf das Gesetz führt die Verbindlichkeit des Verwaltungsaktes, bildhaft gesprochen, dazu, daß der Verwaltungsakt sich zwischen das abstrakt-generelle Gesetz und die weiteren Rechts- und Realakte von Verwaltung und Bürger schiebt92. Als Regelung, welche ein auf den einzelnen Lebenssachverhalt bezogenes Verwaltungsverfahren abschließt, steht er insoweit auf einer anderen Stufe der Verwirklichung des materiellen Rechts als die abstrakt-generellen Rechtsätze, deren Rechtsfolgen er im Einzelfall verbindlich konkretisiert. Der Doppelrolle der Behörde als rechtsanwendendes Organ und Beteiligte eines materiellen Rechtsverhältnisses und der Funktion des Verwaltungsakts entspricht daher eine Betrachtungsweise am besten, die jeden Verwaltungsakt als eine das materielle Recht konkretisierende, verfahrensrechtliche 93 Willenserklärung ansieht. Bei einem rechtswidrigen Feststellungsbescheid besteht damit kein Gegensatz zwischen „materiellem" und „formellem" Recht, sondern eine Abweichung der konkret-individuellen Regelung der Rechte und Pflichten von Bürger und Verwaltung von der abstrakt-generellen Regelung des gleichen materiellen Rechtsverhältnisses im Gesetz. Weil die immanente, mehr oder minder große Unbestimmtheit des abstrakt-generellen Gesetzes auch bei und nach einer Überprüfung des „materiell-rechtswidrigen" Verwaltungsaktes fortbesteht, könnte man theoretisch eigentlich immer nur von einem Widerspruch sprechen, der zwischen zwei unterschiedlichen Rechtsanwendungsakten besteht. Denn auch bei einer Aufhebung des Verwaltungsaktes steht objektiv niemals mit absoluter Sicherheit fest, daß der aufgehobene Verwaltungsakt tatsächlich rechtswidrig war und der neue Rechtsanwendungsakt demgegenüber rechtmäßig ist. Mit der Kompetenz zur Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes weist unsere Rechtsordnung jedoch bestimmten rechtsanwendenden staatlichen Organen die Befugnis zu, verbindlich über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes zu entscheiden. A u f diese Weise erlaubt es uns die Kompentenzordnung trotz unveränderter Auslegungs- und Anwendungsprobleme nach einer erfolgreichen Anfechtung oder Rücknahme des Verwaltungsaktes, die ursprüngliche Entscheidung als die gesetzwidrige und die neue Entscheidung als die rechtmäßige zu bezeichnen94. Im Hinblick auf die bestehende Determination der Entscheidung durch das abstrakt-generelle Gesetz könnte man die in allen Verwaltungsakten erfolgende
92
J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 210. Renck, BayVBl. 1973, 365 (368); J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 210 ff.; Siegmund in Brandt/Sachs, Rn. D 24. 94 J. Martens, ZZP 79 (1966), 404 (407 ff.); ders., AÖR 89 (1964), 429 (437 ff.); ders., DVB1. 1968, 322 (324). 93
Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
Konkretisierung des materiellen Rechts als eine „Rechtsfeststellung" 95 bezeichnen, im Hinblick auf das voluntative, das Regelungswerk des Gesetzgebers vollendende und die Rechtsunsicherheit beseitigende Element jede Regelung als eine „Rechtsgestaltung"96. Weder der Begriff der „Feststellung" noch der der „Gestaltung" ist insoweit zur Beschreibung der allen Verwaltungakten gemeinsamen Regelungsfunktion sachlich falsch 97. Man würde sie aber gerade nicht in dem Sinne gebrauchen, wie sie zur traditionellen Unterscheidung von Feststellungs- und Gestaltungsurteilen verwendet werden. Zur Vermeidung von Mißverständnissen wird deshalb im weiteren das gemeinsame Element des Regelungsinhaltes aller Formen des Verwaltungsaktes als eine verbindliche Konkretisierung des materiellen Rechts in einem Verwaltungsrechtsverhältnis charakterisiert. Diese Bezeichnung der Regelungsfolge bietet sich auch im Hinblick auf die heute gebräuchliche Beschreibung der durch sie erfüllten Regelungsaufgabe aller Verwaltungsakte als Konkretisierungsfunktion 98 an. Durch den Verwaltungsakt wird also die Rechtsanwendung einer abstrakt-generellen Norm auf einen Lebenssachverhalt im Hinblick auf ein oder mehrere Verwaltungsrechtsverhältnisse verbindlich geregelt. Alle Verwaltungsakte enthalten mindestens eine konkret-individuelle Regelung eines Verwaltungsrechtsverhältnisses, d.h. eine verbindliche Entscheidung, was in einem Verwaltungsrechtsverhältnis (oder in mehreren Rechtsverhältnissen) als Rechtens gelten soll. Der Regelungsinhalt eines Verwaltungsaktes muß deshalb nicht zwingend im Ausspruch einer bestimmten materiellen Rechtsfolge, d.h. einer Verpflichtung der Behörde oder des Adressaten zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen, bestehen. Die verbindliche Entscheidung über die Anwendung einer Norm auf einen Lebenssachverhalt kann auch in der Entscheidung bestehen, daß ein bestimmter Lebenssachverhalt ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal einer Rechtsnorm erfüllt; solange der Verwaltungsakt gilt, müssen der Adressat und die Verwaltung dann nämlich gleichermaßen bei ihrem weiteren Verhalten und Entscheidungen innerhalb des geregelten Verwaltungsrechtsverhältnisses von dieser Festlegung einer bestimmten materiellen Rechtslage ausgehen. Gegenstand der Regelung eines Verwaltungsaktes ist immer ein Einzelfall, typischerweise ein konkret-individuell bestimmter Lebenssachverhalt. Der Begriff der Konkretisierungsfunktion soll gleichermaßen den Gegenstand und den 95
J. Martens, AöR 89 (1964), 429 (432 ff.); ders., DVB1. 1968, 322 (324); ders., Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 255 f. 96 1 Martens, DVB1. 1968, 322 (324); Seibert, S. 94 ff.; Druschel, S. 189. 97 Sie werden daher von Vertretern der Konkretisierungsidee zur Beschreibung der Regelungsfunktion teilweise unmittelbar nebeneinander gebraucht, vgl. J. Martens, DVB1. 1968, 322 (324); für das Urteil ebenso Bruns, ZZP 78 (1965), 264 (282 f.). 98 Krause, Rechtsformen, S. 142; Mayer/Kopp, § 11 I.I.; Koch/Rubel, III., Rn. 6.
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen
Zweck der Regelung eines Verwaltungsaktes im Hinblick auf den Sachverhalt zum Ausdruck bringen. Wenn diese Aufgabe der Einzelfallregelung in der Literatur teilweise als Individualisierungsfunktion 99 bezeichnet wird, so wird damit nur etwas mehr die Wirkung der Regelung des Einzelfalles für den Adressaten betont. Auch der Ausdruck Klarstellungsfunktion 100 ist mit dem hier verwendeten Begriff der Konkretisierungsfunktion der Sache nach gleichzusetzen, betont nur besonders den Zweck der Regelung.
b) Die Definition der Verbindlichkeit als Abweichungsverbot Seine Konkretisierungs- und Klarstellungsfunktion erlangt der Verwaltungsakt durch die Verbindlichkeit der Regelung, wobei der Begriff der „ Verbindlichkeit" hier eine inhaltliche Bindung an die Regelung, also ein Abweichungs- und kein Aufhebungsverbot m, zum Ausdruck bringt. Hierbei ist das negative Verbot, vom Regelungsinhalt eines Verwaltungsaktes abzuweichen, rechtslogisch gleichbedeutend mit dem positiven Gebot, seinen Regelungsinhalt zu beachten. Ein Verwaltungsakt ist in diesem Sinne verbindlich, wenn er im Rahmen der objektiven und subjektiven Grenzen seines Regelungsgehalts die alleinige Grundlage für das weitere Verhalten von Bürger und Verwaltung darstellt, soweit und solange er nicht formlich unter den dafür geltenden besonderen Voraussetzungen suspendiert, aufgehoben oder in sonstiger Weise durch eine neue Regelung ersetzt worden ist oder sich erledigt hat. Solange die im Verwaltungsakt enthaltene Regelung gilt, kann weder ein betroffener Bürger noch die Verwaltung geltend machen, aus dem abstraktgenerellen Gesetz ergebe sich eine vom Regelungsgehalt des Bescheides abweichende materielle Rechtslage102. Die im Verwaltungsakt enthaltene Konkretisierung des materiellen Rechts ist m.a.W. verbindlich, wenn sie auch dann für eine Entscheidung oder ein anderes Verhalten maßgeblich ist, wenn einer der am geregelten Rechtsverhältnis Beteiligten behauptet, sie weise einen Rechtsfehler auf. Unter Beachtung der objektiven, subjektiven und zeitlichen Grenzen der getroffenen Regelung sind der Regelungsgehalt und die Verbindlichkeit des
99 Ossenbühl, JuS 1979, 681 (683); Löwer, JuS 1980, 805 f.; Krause, Rechtsformen, S. 142, 145. 100 Vogel, VVDStRL 28, 268 (269); Ossenbühl, JuS 1979, 681 (683); Löwer, JuS 1980, 805 f., Maurer, Allg. VerwR, § 9 Rn. 40 f.; Krause, Rechtsformen, S. 145, 149 f. 101 Zur rechtssystematischen Unterscheidung beider Formen einer Bindung an einen Regelungsakt vgl. bereits oben B.II. 102 Krause, Rechtsformen, S. 147 ff.; J. Martens, AöR 89 (1964), 429 (437 f.); ders., Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 213; Seibert, S. 192 ff.
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
Verwaltungsaktes so definitionsgemäß kongruent 103. Verbindlich ist ein Verwaltungsakt in diesem Sinne, wenn die getroffene Regelung gegenüber dem Adressaten, drittbetroffenen Bürgern, der erlassenden oder einer anderen Behörde bzw. einem Gericht die intendierten Rechtsfolgen entfaltet, d.h. als maßgebliche Bestimmung der im Einzelfall bestehenden Rechtslage zu beachten ist™. Der Ausdruck ,ßindungswirkung", der beispielsweise von Seibert in seiner umfassender Monographie über „Die Bindungswirkung von Verwaltungsakten" 105 , aber teilweise auch in der Rechtsprechung 106, als zentraler Begriff zur Beschreibung der in nachfolgenden Verwaltungsverfahren bestehenden inhaltlichen Bindung der Verwaltung an den Regelungsinhalt präjudizieller Verwaltungsakte verwandt wird, bezeichnet einen bestimmten Aspekt dieser Verbindlichkeit 107 . Angesichts des Labyrinths der Meinungen 108 auf diesem Gebiet erscheint es zudem zweckmäßig, die Definition der Verbindlichkeit, mit der die Rechtsfolge eines Abweichungsverbotes beschrieben wird, begrifflich von der Wirksamkeit, der Vollziehbarkeit und der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes oder sonstigen Merkmalen zu lösen, die als tatbestandliche Voraussetzung, Rechtsgrund und Zeitpunkt dieser Bindung an den Regelungsinhalt in Betracht kommen. Setzt man die Verbindlichkeit auf diese Weise mit einer Rechtsgeltung im Sinne eines Abweichungsverbotes gleich, so wird mit diesem 103 Klante, S. 323; Wolff/Bachof/Stober, VerwR 2, § 48 Rn. 7; Ossenbühl, NJW 1980, 1353 (1354); Gaentsch, NJW 1986, 2787 (2787, 2790); Ortloff NJW 1987, 1665 (1666). Allerdings brauchen sich Sachprüfung und verbindlicher Regelungsgehalt nicht zu decken, vgl. BVerwG, U. v. 19.12.1985 - 7 C 65.82, BVerwGE 72, 300 (308 ff.) Whyl; Ortloff, NJW 1987, 1665 (1666), Seibert, S. 380 ff. 104 Seibert, S. 155 ff., 192 ff.; Erichsen/Knoke, NVwZ 1983, 185 (188); Forsthoff, S. 251; Wolff/Bachof/Stober, VerwR 2, § 48 Rn. 7; Ronellenfitsch, Das atomrechtliche Genehmigungsverfahren, S. 387; Klante, S. 320. Demgegenüber definiert z.B. Krause die Verbindlichkeit als Selbstbindung der Behörde (Rechtsformen, S. 147 ff), welche erst mittelbar eine „Bindung des Adressaten und allgemeine Verbindlichkeit" (!) auslöse (S. 149). J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 224, 237 f., stellt dagegen allein auf die Bestandskraft der Entscheidung für den Bürger ab, während beispielsweise Ipsen, DV 17 (1984), 168 (171 ff.) die Verbindlichkeit erst dann eintreten lassen will, wenn der Verwaltungsakt endgültig nicht mehr durch Widerspruch, Anfechtung, Widerruf oder Rücknahme zu beseitigen ist. (vgl. dazu unten H.IV.). 105 S. 40 ff; 192 ff, passim (m.w.N.). Der Ausdruck Bindungswirkung wird allerdings ähnlich uneinheitlich wie der Begriff der Verbindlichkeit verwendet, vgl. Erichsen/Knoke, NVwZ 1983, 185 (188); Klante, S. 321. 106 Z.B. BVerwG, U. v. 17.10.1989 - 1 C 18/87, BVerwGE 84, 11 (14 f.); BVerwG, B. v. 5.2.1996 - 1 B 18/96, GewArch 1996, 240 f.; Sächs. OVG, B. v. 4.4.1997 1 S 149/97, LKV 1997, 374. 107 Seibert, S. 193. Vgl. dazu im einzelnen unten G.IV. 108 Vgl. oben Fn. 25 und unten im Text G.
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen
Begriff keine Aussage über die Aufhebbarkeit Regelung getroffen 109.
oder Rechtsbeständigkeit
1
der
c) Die Ergänzung der Konkretisierungs- durch die Stabilisierungsfunktion: Aufhebungsbeschränkungen des VwVfG und der VwGO Bei der Bestimmung der zeitlichen Dimensionen eines Aufhebungsverbotes herrscht nämlich völlige Übereinstimmung, daß aufgrund der §§ 43 ff. VwVfG eine Selbstbindung der erlassenden Behörde gegenüber einem begünstigten Adressaten in Form einer Aufhebungsbeschränkung unabhängig von der Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes bereits mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts entsteht110 und daß diese Aufhebungsbeschränkung nur dann gemäß § 50 VwVfG bis zur Unanfechtbarkeit gelockert ist, wenn ein Dritter gegen den Verwaltungsakt ein Rechtsmittel eingelegt hat. Der Rechtsgrund und der Umfang der für den Verwaltungsakt geltenden Aufliebungsbeschränkungen sind also - im Unterschied zu seiner inhaltlichen Bindungswirkung - durch die Regeln der VwGO über Widerspruchs- und Klagefristen und die §§ 48 - 51 VwVfG ausdrücklich geregelt. Durch diese Normen wird die Konkretisierungs- und Klarstellungsfunktion, die der Verwaltungsakt für das geregelte Verwaltungsrechtsverhältnis hat, um eine Stabiiis ierungsfunktion u1 des Verwaltungsaktes ergänzt. Die inhaltliche und verfahrensmäßige Beschränkung der Aufhebbarkeit ist insoweit funktional eine wesentliche Ergänzung des Abweichungsverbotes. Wie die Regelungen über die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gem. §§ 80, 80a VwGO einerseits und die §§ 48 ff. VwVfG andererseits zeigen, sind Aufhebungs- und Abweichungsverbot beim Verwaltungsakt jedoch weder in ihren Voraussetzungen noch in ihren Rechtsfolgen gleichzusetzen: Verbindlich kann nur ein existierender, nach seinem Erlaß nicht wieder aufgehobener Verwaltungsakt sein; die aufschiebende Wirkung der Anfechtung bewirkt gleichwohl, daß ein Betroffener einen existierenden Verwaltungsakt vorläufig nicht beachten muß, der Verwaltungsakt also vorläufig für ihn nicht verbindlich ist. Trotz der mit dem Rechtsbehelf eintretenden aufschiebenden Wirkung, besteht aber gegenüber der erlassenden Behörde gemäß §§ 48 ff. VwVfG das mit dem Erlaß begründete Aufhebungsverbot grundsätzlich fort, soweit nicht die Sonderregelung des § 50 VwVfG eingreift. Aus diesem Zusammenspiel von Ab109
Erichsen/Knoke, NVwZ 1883, 185 (188). Wolff/Bachof Stober VerwR I, § 52 Rn. 2; Maurer, Allg. VerwR, § 10 Rn. 21 ff.; Krause, Rechtsformen, S. 78 ff.; Rüping, S. 10 ff.; Seibert, S. 63 f., 195 ff. (206 f.). 111 Rüfner, VVDStRL 28, 188 (205); Ossenbühl, JuS 1979, 681 (683); Maurer, Allg. VerwR, § 8 Rn. 25, § 9 Rn. 40 f. 110
Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
weichungs- und Aufhebungsverbot ergibt sich, daß die Regelung des Verwaltungsaktes die alleinige Grundlage für das weitere Verhalten von Bürger und Verwaltung darstellt, soweit und solange die Entscheidung nicht formlich unter den dafür geltenden besonderen Voraussetzungen suspendiert, aufgehoben oder in sonstiger Weise durch eine neue Regelung ersetzt worden ist. Solange die Regelung gilt, kann weder ein betroffener Bürger noch die Verwaltung geltend machen, aus dem abstrakt-generellen Gesetz ergebe sich eine vom Regelungsgehalt des wirksamen Verwaltungsaktes abweichende materielle Rechtslage112. Die Vorschriften der VwGO und des VwVfG regeln ergänzend, bis zu welchem Zeitpunkt und unter welchen sonstigen Voraussetzungen die Aufhebung verlangen kann und die Verwaltung oder ein Gericht die getroffene Regelung aufheben darf 113 . Obwohl die Unanfechtbarkeit die Verbindlichkeit des Verwaltungsakts also sinnvoll ergänzt, um dessen Regelung nicht nur mit einer Konkretisierungs- sondern auch einer Stabilisierungsfunktion für das geregelte Rechtsverhältnis auszustatten, müssen das Abweichungs- und das Aufhebungsverbot rechtslogisch nicht unbedingt zum gleichen Zeitpunkt eintreten und danach nicht auf Dauer parallel fortbestehen.
d) Die Verbindlichkeit als Rechtsfolge einer Erklärung mit Anspruch auf Verbindlichkeit Bei der Beschreibung der Rechtsfolgen des Verwaltungsaktes stehen die „Regelung" des materiellen Verwaltungsrechtsverhältnisses und die „Verbindlichkeit" der auf diesen Erfolg gerichteten behördlichen Willenserklärung danach in einem unauflösbaren Zusammenhang in dem Sinne, daß der Verwaltungsakt eine verbindliche Konkretisierung (konkret-individuelle Regelung) des materiellen Verwaltungsrechts bewirken soll. Nach unserer Darstellung der 112 Krause, Rechtsformen, S. 147 ff.; J. Martens, AöR 89 (1964), 429 (437 f.); ders., Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 213. 113 Demgegenüber enthält das VwVfG keine explizite Regelung der Rechtsgrundlagen und Voraussetzungen etwaiger Abweichungsverbote. Für alle Verwaltungsakte ist deshalb umstritten, ob die Verbindlichkeit für die betroffenen Rechtssubjekte bzw. Staatsorgane bereits mit dem Erlaß oder erst mit der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes eintritt, ob sie also auf die Wirksamkeit oder die Bestandskraft der Regelung zurückzufuhren ist. Kontrovers wird insbesondere diskutiert, wann und unter welchen Voraussetzungen eine feststellende Regelung auch im Verhältnis zu einer Behörde verbindlich ist, die den Verwaltungsakt nicht selbst erlassen hat. Da im Rahmen dieser Diskussion über Inhalt und Umfang der Regelungs- und Bindungswirkung oft zwischen feststellenden, gestaltenden und befehlenden Verwaltungsakten differenziert wird, wird ihre Erörterung hier vorläufig zurückgestellt, um bei der Bestimmung der objektiven, subjektiven und zeitlichen Grenzen der Verbindlichkeit (unten H.) auf eine funktionale Analyse und weitere Beispiele der verschiedenen Regelungsarten zurückgreifen zu können.
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen
Konkretisierungsfunktion liegt es nahe, den Gesichtspunkt der Verbindlichkeit auch bei der Definition und Entfaltung des Tatbestandsmerkmals der Regelung zu berücksichtigen. Abweichend vom Gesetzestext des § 35 VwVfG gebrauchen demgegenüber Hqffmann-Becking UA und Löwer us den Ausdruck „Regelung" im Rahmen ihrer Kritik der Rechtsfigur des feststellenden Verwaltungsaktes allein zur gestrafften Bezeichnung eines Tatbestandsmerkmales der Legaldefinition („Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles ... trifft und die auf eine unmittelbare Rechtswirkung (nach außen) gerichtet ist"), den Begriff der Verbindlichkeit wollen sie dagegen ausschließlich der Beschreibung der sich aus den §§ 35 ff. VwVfG ergebenden Rechtsfolgen vorbehalten. In diesem Zusammenhang gilt es sich aber mit den Stichworten „Schuldanerkenntnis" am Unfallort 116 und „Gefalligkeitsverhältnis" 117 in Erinnerung zu rufen, daß auch unsere Zivilrechtsordnung mit dem Topos des „Rechtsbindungswillen" den Rückschluß von den - nach objektivem Empfangerhorizont gewollten Rechtsfolgen auf den Tatbestand einer diese Rechtsfolgen erzeugenden Willenserklärung kennt 118 . Die hier vorgenommene Analyse von Tatbestand, Rechtsfolgen und Funktion verschiedener Regelungsakte hat erkennen lassen, daß die geringfügig erweiterte Kurzbezeichnung des Definitionselementes als „verbindliche Regelung" nicht auf einem Zirkelschluß beruht, sondern nur eine Konsequenz aus der Rechtsnatur des Verwaltungsaktes als einer Willenserklärung mit final intendierten Rechtsfolgen ist, die mit den Begriffen „zur Regelung" und „gerichtet" in der Legaldefmition des § 35 VwVfG deutlich zum Ausdruck kommt. Die Finalstruktur und das Willensmoment treten deutlich hervor, wenn man den Regelungsakt - in Übereinstimmung mit der Definition der zivilrechtlichen Willenserklärung - umschreibt als eine auf die Setzung einer Rechtsfolge gerichtete Erklärung, deren Rechtserfolg nach der Rechtsordnung eintritt, weil er gewollt ist 119 . Zu den für das Rechtsinstitut Verwaltungsakt typischen Rechtsfolgen gehört die Verbindlichkeit der getroffenen Regelung des Verwaltungsrechtsverhältnisses. Ein Verwaltungsakt kann also nur dann vorliegen, wenn eine Auslegung der behördlichen Erklärung nach objektivem Empfangerhorizont ergibt, daß die Behörde eine verbindliche 114
DÖV 1972, 196 ff., insbes. S. 198. DVB1. 1980, 952 (956 ff.). 116 Vgl. Sprau in Palandt, § 781 Rn. 10; Hüffer in Münchener Kommentar, § 781 Rn. 29 ff.; Marburger in Staudinger, § 781 Rn. 24, 27, 36 ff. 117 BGH, U. v. 22.6. 1956-1 ZR 198/54, BGHZ 21, 102 (106); Sprau in Palandt, vor § 662 Rn. 4; Wittmann in Staudinger, 13. Aufl., vor §§ 662 ff, Rn. 18, 20; kritisch hierzu z.B. Medicus, Allgemeiner Teil, Rn. 191. 118 Krause, Rechtsformen, S. 100 f.; 189 ff. 119 Vgl. oben A.I. bei Fn. 13. 115
Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
Regelung treffen will; in der Erklärung muß ein Rechtsbindungswille der Behörde zum Ausdruck kommen, der auf eine von Rechtsmängeln unabhängige Geltung und Maßgeblichkeit der Erklärung gerichtet ist 120 . Die Aussage, die in einer behördlichen Erklärung zu Rechten, Pflichten oder rechtlich erheblichen Tatsachen gemacht wird, ist nur dann ein Verwaltungsakt, wenn sie ausdrücklich oder stillschweigend mit dem Anspruch auf Verbindlichkeit gemacht wird, d.h. zu einer verbindlichen Regelung des Rechtsverhältnisses führen soll. Ob eine behördliche Erklärung zur materiellen Rechtslage als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, ist deshalb eine Auslegungsfrage. Zwar kann nach unserer Analyse praktisch bei allen Verwaltungsrechtsverhältnissen das Bedürfiiis nach einer verbindlichen Konkretisierung der Tatbestandsmerkmale oder Rechtsfolgen der diese rechtlichen Beziehungen regelnden Rechtsnormen entstehen. In diesem Zusammenhang verleihen die §§43 ff. VwVfG allen Verwaltungsbehörden zwar noch nicht die Befugnis, aber doch die Rechtsmacht, das rechtliche Können, durch Verwaltungsakte verbindliche Konkretisierungen des materiellen Rechts zu treffen 121 . Jedoch ist die Verwaltung bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nicht auf den Einsatz dieser Handlungsform beschränkt, sondern kann auch versuchen, durch Informationen oder Appelle auf das Verhalten der Normunterworfenen einzuwirken. Eine das Tatbestandsmerkmal des § 35 VwVfG erfüllende Regelung liegt daher zunächst dann vor, wenn eine Behörde mit ihrer Erklärung ausdrücklich und unmittelbar neue materiellrechtliche Rechte oder Pflichten des Bürgers begründen will. In allen anderen Fällen kann nur durch Auslegung geklärt werden, ob mit einer Aussage, die eine Behörde durch Anwendung von Tatbestand oder Rechtsfolgen einer Verwaltungsrechtsnorm auf einen bestimmten Lebenssachverhalt gemacht hat, auch eine verbindliche Regelung des Rechtsverhältnisses erreicht werden sollte 122 . Wenn also hier und andernorts vom Tatbestand einer „verbindlichen Regelung" gesprochen wird, so handelt es sich um eine sachgerechte, sprachliche Zusammenfassung des durch Interpretation der unscharfen Formulierung des § 35 VwVfG gewonnenen Tatbestandsmerkmals einer „zur 120 Krause, Rechtsformen, S. 100 f., 189 ff.; Weidemann, DVB1. 1981, 113 (116); Kopp, GewArch 1986, 41 (42 f.); Kopp, VwVfG, § 35 Rn. 6, 32a, 34 ff. 121 Zur Interpretation des § 43 VwVfG als Befugnisnorm durch Druschel, S. 258 ff., vgl. unten im Teil 7, B.IV. 122 Zur Abgrenzung der gesetzeskonkretisierenden Verfügungen von unverbindlichen Aufforderungen vgl. aus der umfangreichen Rechtsprechung nur BVerwGE 29, 310 (312); 41, 305 (307); zu behördlichen Feststellungen der Rechtslage OVG Münster, U. v. 17.12.1973 - XII A 1200/71, DÖV 1974, 599; VGH BW, B. v. 4.11. 1981, 5 S 1941/81, ZfW 1981, 301 (302); U. v. 23.4.1982 - 5 S 2334/81, NVwZ 1983, 100; aus der Literatur z.B. Krause, Rechtsformen, S. 99 ff., 189 ff., 335; Weidemann, DVB1. 1981, 113 (116); Kopp, GewArch 1986,41 (42 ff.); Kopp, VwVfG, 35 Rn. 4 ff., 32a ff.; König, BayVBl. 1987, 261.
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen
Regelung eines Einzelfalles mit dem Anspruch auf Verbindlichkeit getroffenen Maßnahme". Insofern steckt die Verbindlichkeit - genauer der Anspruch auf Verbindlichkeit - in dem verkürzt als „Regelung" bezeichneten Tatbestandsmerkmal der Legaldefinition 123. Zugleich ist aber die Verbindlichkeit der getroffenen Regelung eine Rechtsfolge jeder Maßnahme, die tatbestandlich als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist. Die „verbindliche Regelung", d.h. die verbindliche Konkretisierung des materiellen Verwaltungsrechtsverhältnisses, ist m.a.W. die Rechtsfolge einer zu diesem Zweck, nämlich „zur Regelung" (§ 35 Satz 1 VwVfG!), abgegebenen behördlichen Willenserklärung. Diese Willenserklärung wird üblicherweise abgekürzt gleichfalls als „verbindliche Regelung" bezeichnet. Der speziell gegen die Rechtsfigur des feststellenden Verwaltungsaktes gerichtete Vorwurf einer petitio principii, nach der bei der Rechtsfigur des feststellenden Verwaltungsakts der Tatbestand einer Regelung unzulässigerweise mit der Rechtsfolge der Verbindlichkeit begründet werde, beruht maßgeblich auf einer Begriffsverdopplung. Aufgrund des erläuterten Zusammenhangs von Tatbestand, Rechtsfolgen und Funktion der Regelung beim Verwaltungsakt hat sich jedoch gezeigt, daß die intendierte Verbindlichkeit der Regelung auf der Tatbestandsseite der Legaldefinition ebenso zu den Wesenselementen des Verwaltungsaktes gehört, wie die Verbindlichkeit der im Verwaltungsakt getroffenen Regelung des jeweiligen materiellen Rechtsverhältnisses zu dessen elementaren Rechtsfolgen gehört. Damit kann der gegen die Rechtsfigur des feststellenden Verwaltungsaktes vorgebrachte rechtstheoretische Vorwurf eines Zirkelschlusses als widerlegt betrachtet werden 124 . Das Tatbestandsmerkmal und die Rechtsfolge der „verbindlichen Regelung" haben so für alle Erscheinungsformen des Verwaltungsaktes gleichermaßen eine essen-
123
Ossenbühl, JuS 1979, 681 (683). Krause, Rechtsformen, S. 100 f. Bei seinem gegen die Rechtsfigur des feststellenden Verwaltungsaktes erhobenen Einwand, diese beruhe auf einer petitio principii vertauscht Löwer, DVB1. 1980, 952 (956), selbst Tatbestand und Rechtsfolgen des Verwaltungsaktes. Denn er sieht den in § 35 VwVfG zur Beschreibung der Rechtsfolge verwendeten Begriff der „Regelung" ausschließlich als Tatbestandsmerkmal des Verwaltungsaktes an, den „Verbindlichkeitsanspruch" zählt er dagegen zu den Rechtsfolgen des § 43 VwVfG. Wenn die Kritiker des Begriffs des feststellenden Verwaltungsaktes bei der eigenen Begriffsentfaltung an die zivilrechtliche Definition der Willenserklärung als einer auf die Erzeugung von Rechtsfolgen gerichteten Erklärung anknüpfen, so versäumen sie es, bei der Übertragung der Begrifflichkeiten von den Besonderheiten des materiellen Zivilrechts zu abstrahieren und die für das allgemeine Verwaltungsrecht charakteristische Verknüpfung Verfahrens- und materiellrechtlicher Elemente in angemessener Weise zu berücksichtigen. Demgegenüber betonte gerade Kormann (System, S. 18), auf den sich Löwer (DVB1. 1980, 952 (954 f.)) und Hofmann-Becking (DÖV 1972, 196 (197, Fn. 10) bei ihrer Interpretation des Verwaltungsaktes als Rechtsgeschäft berufen haben, daß die Rechtswirkungen eines Rechtsgeschäftes keineswegs bloß in der Erzeugung von Rechten und Rechtsverhältnissen bestünden, sondern äußerst mannigfaltig seien. 124
Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
tielle Bedeutung, weil erst durch die Regelung die für diese Rechtsform des Verwaltungshandelns eigentümliche Konkretisierungsfunktion erfüllt wird.
e) Ergebnis Zusammenfassend läßt sich sagen: Der Verwaltungsakt ist eine verwaltungsverfahrensrechtliche Entscheidung mit Verbindlichkeitsanspruch (Regelung = Regelungsakt), welche auf eine verbindliche Konkretisierung des materiellen Rechts im Einzelfall (Regelung = Regelungsinhalt und -folge) gerichtet ist 125 .
2. Die Begründung, Änderung und Beendigung von Verwaltungsrechtsverhältnissen oder verwaltungsrechtlichen Rechten und Pflichten durch Verwaltungsakt oder durch Gesetz a) Das Verwaltungsrechtsverhältnis Die Rückführung aller Verwaltungsakte auf eine gemeinsame Grundfunktion der verbindlichen Konkretisierung des materiellen Rechts eröffnet die Möglichkeit, sich bei der Unterscheidung von feststellenden und gestaltenden Verwaltungsakten an den zuvor dargestellten Differenzierungskriterien von Feststellungs- und Gestaltungsurteilen zu orientieren und die Einteilung der Verwaltungsakte nach ihrem Regelungsgehalt als Konsequenz einer differenzierten Ausgestaltung der Funktion und Wirkung des Verwaltungsaktes im 126 jeweiligen Verwaltungsrechtsverhältnis zu begreifen.
125 Allerdings sind damit noch nicht alle Definitionselemente des Verwaltungsakts erfaßt. Anhand der weiteren in § 35 VwVfG festgelegten Tatbestandsmerkmale der „hoheitlichen" Regelung, der Regelung „auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts" und der intendierten „unmittelbaren Rechtswirkung nach außen" ist die Regelungsform Verwaltungsakt von anderen behördlichen Regelungen abzugrenzen. 126 Zur Frage, ob das Verwaltungsrechtsverhältnis als eine allgemeine dogmatische Kategorie zur Lösung konkreter Rechtsfragen beitragen kann, vgl. Pietzcker, Das Verwaltungsrechtsverhältnis - Archimedischer Punkt oder Münchhausens Zopf ?, Die Verwaltung 30 (1997), 282-299 (m.w.N.). Trotz der dort dargestellten Bedenken gegenüber der Leistungsfähigkeit dieses hoch abstrakten Rechtsinstituts ist der Begriff jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang wegen der begrifflichen Nähe zu den vertraglichen und gesetzlichen Schuldverhältnissen geeignet, die unterschiedlichen Formen der Entstehung, Veränderung oder Beendigung verwaltungsrechtlicher Rechte und Pflichten deutlich zu machen. Der Sache nach könnte in der nachfolgenden Darstellung jedoch auch ohne weiteres auf die zusammenfassende Bezeichnung „Verwaltungsrechtsverhältnis" verzichtet werden, da die in diesem Begriff gebündelten verwaltungsrechtlichen Rechte und Pflichten in den Definitionen der verschiedenen Erscheinungsformen
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen
Das Verwaltungsrechtsverhältnis bezeichnet eine sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Rechtsnorm zwischen zwei oder mehreren Rechtssubjekten ergebende Rechtsbeziehung, welche über das allgemeine StaatBürger-Verhältnis hinausgeht127. Es besteht aus mindestens einer subjektiven Berechtigung oder Verpflichtung, etwas zu tun oder zu unterlassen, umfaßt aber in der Regel eine Vielzahl von gegenseitigen oder doch aufeinander bezogenen Rechten und Pflichten 128 . Für die besondere Verdichtung der Rechtsbeziehung zwischen Verwaltung und Bürger ist eine Individualisierung im Hinblick auf die beteiligten Rechtssubjekte und eine Konkretisierung eines abstrakt-generellen Gesetzes auf einen einzelnen Lebenssachverhalt notwendig 129 . Damit sind Verwaltungsrechtsverhältnisse nicht denkbar ohne eine, wenn auch in Art und Umfang unterschiedliche Determination durch Rechtsnormen 130. Gleichwohl lassen sich ähnlich der Differenzierung der privatrechtlichen Schuldverhältnisse und Ansprüche in rechtsgeschäftliche und gesetzliche auch die in den Normen des besonderen Verwaltungsrechts geregelten Rechtsverhältnisse und subjektiven Rechte und Pflichten nach der Art ihrer Begründung einteilen 131 . b) Die Begründung aufgrund eines Gesetzes Zunächst kann die Begründung, Änderung oder Aufhebung eines Verwaltungsrechtsverhältnisses auf einer verwaltungsrechtlichen Willenserklärung beruhen, mit der eine aufgrund einer Norm bestehende Rechtsgestaltungs-
des Verwaltungsaktes zumindest zusätzlich als möglicher Regelungsgegenstand aufgeführt werden. 127 Häberle, Das Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 68 ff.; Krause, VVDStRL 45, 212 (219 ff.); Hill, NJW 1986, 2602 (2605); Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 11 Rn. 4 ff.; Maurer, Allg. VerwR, § 8 Rn. 16 ff; Bull, Rn. 711 ff.; Battis, Allg. VerwR, S. 109 f.; Gröschner, Das Überwachungsrechtsverhältnis, S. 135 ff. Als Beteiligte eines Verwaltungsrechtsverhältnisses kommen zwar alle natürlichen und juristischen Personen, Verwaltungsträger, Organe und Organteile, die Zuordnungsobjekte von Rechten sein können, in Betracht. Da Regelungen der Beziehungen in verwaltungsinternen Rechtsverhältnissen grundsätzlich jedoch nicht auf eine Rechtswirkung nach außen gerichtet sind, wie es § 35 VwVfG für den Regelungsgegenstand eines Verwaltungsaktes verlangt, werden die verwaltungsinternen Rechtsverhältnisse in die weitere Darstellung nicht einbezogen. Auch die Rechtsverhältnisse zwischen verschiedenen Hoheitsträgern bleiben ausgeklammert, da sie in den späteren Teilen nicht in die Untersuchung der Verwaltungsaktbefugnis einbezogen werden (dazu unten Teil 3 V.). 128 Krause, VVDStRL 45, 212 (246); Hill, NJW 1986, 2602 (2605). 129 Häberle, Das Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 69 ff, 80 f.; Hill, NJW 1986, 2602 (2605 f.); J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 29 ff. 130 Salzwedel, Die Grenzen, S. 54 ff.; Achterberg, Allg. VerwR, § 20 Rn. 21 ff.; Bull, Rn. 715. 131 Vgl. Salzwedel, Die Grenzen, S. 54 ff.; weitere Nachweise sogleich bei den verschiedenen, im Text erläuterten Arten. 7 Kracht
Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
befugnis ausgeübt wird 1 3 2 . Unter einer solchen, insoweit dem materiellen Verwaltungsrecht zuzurechnenden Willenserklärung ist eine von einem Bürger oder einer Behörde abgegebene Erklärung zu verstehen, die auf die Herbeiführung einer neuen Rechtsfolge im Bereich des materiellen Verwaltungsrechts gerichtet ist 133 . In den Gesetzen und der Verwaltungspraxis kommt aus dieser Fallgruppe die Begründung, Umgestaltung oder Aufhebung eines Verwaltungsrechtsverhältnisses durch einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt am häufigsten vor 1 3 4 . Geschieht die Begründung einer neuen materiellen Verpflichtung des Bürgers durch Verwaltungsakt, so stellt dieser einen Eingriff in Freiheit und Eigentum dar, für den die Verwaltung aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf 135 . Die Pflichten des Bürgers werden in einem solchen Fall nicht „durch Gesetz", sondern „aufgrund eines Gesetzes " begründet. Die gesetzliche Ermächtigung ist also eine nicht an den Bürger, sondern an die Verwaltung gerichtete Norm, welche einer Behörde eine Kompetenz, d.h. eine Aufgabe und bestimmte Befugnisse zur Wahrnehmung dieser Aufgabe 136 , verleiht, hier also die Kompetenz, durch Verwaltungsakt eine bestimmte Pflicht des Bürgers zu begründen 137. Eine solche als Berechtigung des Hoheitsträgers formulierte Norm ermächtigt m.a.W. die Verwaltung zu einem hoheitlichen Handeln in der Rechtsform des Verwaltungsaktes; sie enthält aber für den Bürger noch keine bei Verwirklichung eines bestimmten Lebenssachverhaltes unmittelbar geltende und sofort in seine Handlungsfreiheit eingreifende Verpflichtung zu einem bestimmten Verhalten 138 . Dies gilt auch dann, 132
Salzwedel, Die Grenzen, S. 54 ff. J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 30. 134 Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 11 Rn. 8; J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 30; Achterberg, Allg. VerwR, § 20 Rn. 22 f. 135 Zum Inhalt und zur Begründung des Vorbehalts des Gesetzes vgl. unten Teil 3, C. 136 Vgl. dazu im einzelnen unten Teil 6, D.-G. ni Arbeiter, S. 16 ff. 138 Arbeiter, S. 18 ff; im Ansatz ähnlich Salzwedel, Die Grenzen, S. 54 f. Das von Salzwedel, S. 55, zur Illustration der Entstehung eines konkreten Rechtsverhältnisses aufgrund einer Norm gewählte Beispiel der gegen einen Störer erlassenen Polizeiverfügung ist allerdings problematisch, weil ein Störer bereits kraft Gesetzes zur Unterlassung bzw. Beseitigung des rechtswidrigen Verhaltens oder Zustands verpflichtet ist. Eine auf Grund der polizeilichen Generalklausel oder aufgrund einer speziellen gesetzlichen Ermächtigung erlassene Verfügung, die Störung zu unterlassen, z.B. eine Nutzungsuntersagung, ist nicht auf die Begründung neuer Verhaltenspflichten gerichtet, sondern stellt eine die gesetzliche Pflicht bloß konkretisierende Verfügung dar (Peine, Allg. VerwR, Rn. 120, betont ebenso den deklaratorischen, also die Rechtslage lediglich feststellenden Charakter einer solchen Polizeiverfügung). Zumeist enthalten Polizeioder OrdnungsVerfügungen jedoch im Rahmen einer Ermessensausübung auch rechtsgestaltende Elemente, etwa wenn dem Störer ein bestimmtes Mittel zur Beseitigung der Gefahrenlage aufgegeben wird. Zur Unterscheidung zwischen konkretisierender und 133
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen
wenn das jeweilige Gesetz eine gebundene Verwaltungsentscheidung vorsieht und auf diese Weise die Verwaltung nicht nur ermächtigt, sondern auch verpflichtet wird, bei Vorliegen der im Gesetz festgelegten Voraussetzungen durch Verwaltungsakt ein bestimmtes Rechtsverhältnis mit belastenden Rechtsfolgen zu begründen, insbesondere den Bürger zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen zu verpflichten. Zwar liegt der Endzweck einer solchen Ermächtigung ebenso wie bei einer gesetzlichen Pflichtnorm in einer Steuerung des tatsächlichen Verhaltens der Bürger und einer bestimmten vom Gesetzgeber gewünschten Erhaltung oder Veränderung ihrer Umwelt und Lebensverhältnisse. Selbst wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen, die in dieser Eingriffsermächtigung für den Erlaß des pflichtenbegründenden Verwaltungsaktes festgelegt wurden, längst erfüllt sind, ist der Bürger aber bei einer Untätigkeit der Verwaltung noch nicht durch das Gesetz zu dem vom Gesetzgeber gewünschten Verhalten verpflichtet; eine Rechtspflicht des Bürgers entsteht erst, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes den pflichtenbegründenden Verwaltungsakt erläßt. Weil die abstrakt-generellen Normen in diesen Fällen noch keinen Normbefehl zu einem bestimmten Verhalten enthalten, ist es zumindest mißverständlich, die vor Erlaß dieses Verwaltungsaktes bestehende Rechtslage als „abstrakte Pflicht" oder „latente Pflichtigkeit" 139 zu bezeichnen. Solange der in der abstrakten Norm als notwendige Bedingung der Verhaltenspflicht vorgesehene Verwaltungsakt im konkreten Einzelfall noch nicht erlassen wurde, begründen weder der Wunsch des Gesetzgebers, daß der Bürger sich in einer bestimmten Weise verhalten möge (Normzweck), noch der an die Verwaltung gerichtete gesetzliche Auftrag, zur Realisierung dieses Normzwecks einen Verwaltungsakt zu erlassen, eine abstrakte oder eine konkrete Pflicht des Bürgers 140 . Aufgrund einer zum Erlaß eines rechtsgestaltenden Verwaltungsaktes ermächtigenden Kompetenznorm wird ein materielles Verwaltungsrechtsverhältnis mit subjektiven Rechten und Pflichten also erst in dem Augenblick begründet, verändert oder aufgehoben, in dem die Verwaltung ihre Kompetenz zur Rechtsgestaltung ausübt. Dies bedeutet allerdings nicht, daß jeder Verwaltungsakt, den eine Behörde aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung erläßt, eine rechtsgestaltende Wirkung hätte. Es muß an dieser Stelle betont werden, daß nur dann, wenn nach der jeweiligen Norm des besonderen Verwaltungsrechts der Erlaß eines Verwaltungsaktes mit einem bestimmten Inhalt selbst zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des Eintritts einer bestimmten Rechtsfolge gehört, der Erlaß eines derartigen Verwaltungsaktes notwendig ist, um diese konkrete Pflicht, den pflichtenbegründender Verfügung vgl. im einzelnen die Darstellung unter C.III., insbesondere bei Fn. 33. 139 So beispielsweise Löwenberg, S. 42 f.; dagegen Arbeiter, S. 16 f., 24. ™ Arbeiter, S. 16 f., 24.
100
Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
konkreten Anspruch oder eine Rechte und Pflichten begründende Rechtsstellung zu begründen, zu verändern oder aufzuheben.
c) Die Begründung durch Gesetz Unser Verwaltungsrecht kennt nämlich nicht nur durch Verwaltungsakt begründete Rechte und Pflichten des Bürgers und der Verwaltung. Verwaltungsrechtsverhältnisse oder einzelne aus ihnen erwachsende Rechte oder Pflichten können nach den Normen des deutschen Verwaltungsrechts auch unmittelbar kraft Gesetzes, d.h. ohne eine final auf diesen Rechtserfolg gerichtete Willenserklärung, entstehen, sich verändern oder erlöschen. Dies ist der Fall, wenn ein bestimmter Lebenssachverhalt den Tatbestand einer Norm des materiellen Verwaltungsrechts erfüllt und diese Rechtsnorm hieran unmittelbar, d.h. ohne Zwischenschaltung einer Willenserklärung, eine materielle Rechtsfolge knüpft 1* 1. Die subjektiven Rechte oder Pflichten der am Rechtsverhältnis Beteiligten entstehen, verändern sich oder erlöschen in diesen Fällen unabhängig und zeitlich noch vor einer verbindlichen Entscheidung durch eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung oder ein Urteil. Auch einzelne Rechte oder Pflichten des Bürgers können unmittelbar kraft Gesetzes begründet werden. So entstehen z.B. gem. § 40 Abs. 1 SGB-AT Ansprüche auf Sozialleistungen grundsätzlich, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen; der Erlaß eines leistungsgewährenden Bescheides gehört im Regelfall nicht zu diesen Anspruchsvoraussetzungen 142. Öffentlich-rechtliche Pflichten eines Bürgers werden in unserer Rechtsordnung sogar recht häufig durch gesetzliche Gebote mit einer Pflicht zum Handeln oder gesetzliche Verbote mit einer Pflicht zum Unterlassen geschaffen 143. Aufgrund der gesetzlichen Pflichtnorm des § 14 Abs. 1 GewO muß beispielsweise jedermann, der den selbständigen Betrieb eines Gewerbes anfängt, dies gleichzeitig der zuständigen Behörde anzeigen144. Zu den Handlungspflichten sind auch die Geldleistungspflichten zu zählen, denen in unserem rechtssystematischen Zusammenhang keine Sonderstellung zu-
141
Salzwedel, Die Grenzen, S. 54 f.; Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 11 Rn. 8; J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 29 f.; Battis, Allg. VerwR, S. 110; zum Spezialfall der gesetzlichen Pflichten vgl. Arbeiter, S. 16 ff. 142 Vgl. dazu die Darstellung und Nachweise nachfolgend unter F.II.2. 143 Arbeiter, S. 16 ff.; Gröschner, S. 160 ff.; a.A. Arnold, UFITA 97 (1984), 87 (93 ff.). 144 Gröschner, S. 161 ff; zur Frage der Notwendigkeit einer zusätzlichen gesetzlichen Ermächtigung zum Erlaß einer die Anzeigepflicht konkretisierenden Verfügung vgl. unten Teil 4, C.II.4 und Teil 7, B.IV.3.
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen 101
kommt 145 . Unmittelbar kraft Gesetzes entsteht z.B. die Zahlungspflicht des Bürgers im öffentlich-rechtlichen Erstattungsverhältnis 146 oder im Steuerschuldverhältnis (§ 38 AO) 1 4 7 . Normen, die ein bestimmtes Verhalten von einer behördlichen Genehmigung abhängig machen, enthalten nicht nur als Kompetenznorm eine Berechtigung oder Verpflichtung der Verwaltung zum Erlaß der Genehmigung, sondern wenden sich indirekt als präventive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt oder repressive Verbote mit Befreiungsvorbehalt auch an den Bürger 148 . Die bisher genannten gesetzlichen Pflichtnormen 149 verpflichten den Normadressaten zu dem in der Norm genannten Verhalten gegenüber einer bestimmten Behörde; bei Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes ergibt sich aus diesen Normen explizit ein konkretes Rechtsverhältnis des Normadressaten zu einer bestimmten Behörde. Zahlreiche Vorschriften des öffentlichen Rechts richten sich ihrem Wortlaut nach unmittelbar überhaupt nicht an die Verwaltung, sondern wie z.B. § 3 TierSchG mit einem gesetzlichen Verbot nur an den Bürger. Unmittelbar kraft Gesetzes bestehende Handlungspflichten sind z.B. die immissionsschutzrechtlichen Grundpflichten der §§ 5 und 22 BImSchG, die Überlassungspflichten des § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG und die stärker konkretisierten Anforderungen der 1., 13. und 17. BImSchV. Hierbei kann der Gesetzgeber bei den Rechtsfolgen, z.B. der verwaltungsrechtlichen Durchsetzbarkeit und Bußgeldbewehrung, differenzierende Regelungen nach dem Grad der Bestimmtheit der Pflichten treffen 150 . Im Hinblick auf die Reichweite des Eingriffsvorbehalts muß betont werden, daß all diese Pflichtnormen den Bürger bei Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes unmittelbar zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen verpflichten 151 . Es kommt also bereits „durch das Gesetz" zu einem Eingriff in 145
Arbeiter, S. 18, 126. Zur Konkretisierung und Durchsetzung mittels Erstattungsbescheid vgl. unten Teil 4, B.II, und Teil 7, D. 147 Battis, Allg. VerwR, S. 110. 148 Arbeiter, S. 16 ff. 149 Zum Begriff, Inhalt und Wirkungen von Pflichtnormen vgl. Arbeiter, S. 16 ff. mit zahlreichen weiteren Beispielen, zu den Gründen für diese Normgestaltung vgl. die Darstellung unter G. sowie Arbeiter, S. 24 ff. 150 Vgl. z.B. § 20 und § 62 BImSchG, nach denen bei einem Verstoß gegen nicht durch Verwaltungsakt oder Rechtsverordnung konkretisierte Grundpflichten weder eine Betriebsuntersagung noch eine Ahndung als Ordnungswidrigkeit möglich ist. 151 Arbeiter, S. 18 ff. Zwar ist es rechtstheoretisch denkbar, in all diesen Fällen anzunehmen, die konkret-individuellen Rechtspflichten entstünden im Falle eines Rechtsstreits noch nachträglich durch eine Einzelfallregelung mit Rückwirkung und damit die Figur eines feststellenden Verwaltungsaktes zur Regelung eines bestehenden Verwaltungsrechtsverhältnisses entbehrlich zu machen. Eine solche Betrachtungsweise würde jedoch nicht mehr dem gesetzgeberischen Konzept zahlreicher Normen des deutschen Verwaltungsrechtes entsprechen und könnte daher nicht zu einer systemimmanenten 146
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
die Handlungsfreiheit des Bürgers, nicht erst „aufgrund des Gesetzes" durch einen Akt der rechtsprechenden oder vollziehenden Gewalt 152 . Bestimmt ein Gesetz, daß mit der Verwirklichung eines bestimmten Lebenssachverhaltes unmittelbar kraft Gesetzes bestimmte verwaltungsrechtliche Rechte oder Pflichten entstehen, sich verändern oder untergehen, so genügt schon die Anwendbarkeit von Normen des materiellen Verwaltungsrechts auf diesen Sachverhalt, um bei mindestens einem der beteiligten Rechtssubjekte einen konkreten Rechtsanspruch auf Vornahme oder Unterlassung einer Rechts- oder Realhandlung entstehen zu lassen153. Allerdings folgt allein aus einem gesetzlichen Ge- oder Verbot, das sich nur an Bürger als Normadressaten wendet, überhaupt noch keine rechtliche Beziehung zu einer bestimmten Verwaltungsbehörde. Bei Handlungspflichten kommt es zu einer Individualisierung des Subjektes der öffentlichen Verwaltung typischerweise dadurch, daß die jeweilige Norm den Bürger bereits zu einem Verhalten gegenüber einem bestimmten Verwaltungsträger oder einer Behörde (Gläubiger) verpflichtet. Bei einer an den Bürger adressierten Verbotsnorm liegt ein Verwaltungsrechtsverhältnis nur vor, wenn der Normbefehl durch verwaltungsadressierte Kompetenznormen ergänzt wird, welche einem bestimmten Träger oder Organ der öffentlichen Verwaltung erst die Aufgabe zuweisen, über die Einhaltung des Normbefehls zu wachen und ihr, soweit nach dem Vorbehaltsprinzip erforderlich, Befugnisse zur Durchsetzung zu verleihen 154 .
Auslegung und der Lösung von Problemfällen unserer Rechtsordnung beitragen. Beispielsweise ließe sich nicht mehr adäquat erklären, warum bestimmte verwaltungsrechtliche Rechtsfolgen auch ohne vorherige Verwaltungsentscheidung von einem Gericht festgestellt werden können, vergleichbare Rechtsfolgen aus dem Zuständigkeitsbereich der gleichen Behörde, welche nach der gesetzlichen Regelung erst durch gestaltenden Verwaltungsakt begründet werden, dagegen nicht (vgl. Rößler, NJW 1986, 972 f. m.w.N. zum Tatbestand der Steuerhinterziehung). Wenn aber die Verwaltungsrechtsdogmatik die geltenden Normen des geschriebenen Rechts widerspruchsfrei ergänzen und fortentwickeln soll, so muß an der diesen Gesetzen zugrunde liegenden Vorstellung festgehalten werden, nach der subjektive Rechte und Pflichten auch ohne einen verbindlichen Rechtsanwendungsakt (Urteil, Verwaltungsakt, Vertrag oder verwaltungsrechtliche Willenserklärung) entstehen können (vgl. Rupp, DVB1. 1963, 577 (578)). 152 Zu den Konsequenzen im Hinblick auf die Notwendigkeit einer speziellen Ermächtigung für feststellende Verwaltungsakte und konkretisierende Verfügungen vgl. unten Teil 6, B. 153 Vgl. J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 31 f. m.w.N. 154 Vgl. dazu im einzelnen Teil 6 B., D.-F.
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen 10
d) Anspruchs-, Pflicht-, Kompetenz- und Zuständigkeitsnormen Auch wenn die an den Bürger und an die Verwaltung adressierten Normtypen vom Gesetzgeber in einem Rechtssatz miteinander verknüpft werden können, wie dies am Beispiel des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt bereits erläutert wurde, lassen sich demnach innerhalb der Verwaltungsrechtsnormen rechtssystematisch u.a. folgende Gruppen bilden: a) Normen, die den Bürger unmittelbar (kraft Gesetzes) zu einem bestimmten Verhalten berechtigen oder verpflichten {gesetzliche Anspruchsgrundlagen des Bürgers und Pflichtnormen), b) Aufgaben und Befugnisse zuweisende Kompetenznormen, welche eine Behörde ermächtigen und ggf. auch verpflichten, ein bereits bestehendes Rechtsverhältnis verbindlich durch Verwaltungsakt konkretisieren, c) Aufgaben und Befugnisse zuweisende Kompetenznormen, welche die Verwaltung ermächtigen und ggf. verpflichten, eine Berechtigung oder Verpflichtung des Bürgers im Einzelfall durch Verwaltungsakt (oder in anderer Weise) zu begründen und d) Zuständigkeitsnormen, welche diese Kompetenzen jeweils bestimmten Rechtsträgern und Organen der öffentlichen Verwaltung zuweisen. Diese Differenzierung ist zugleich Ausgangspunkt für die Unterscheidung zwischen feststellenden und gestaltenden Verwaltungsakten. Wenn verwaltungsrechtliche Rechte und Pflichten unmittelbar kraft Gesetzes bereits begründet, geändert oder aufgehoben worden sind (Normtyp (a)), so muß die primäre Funktion eines nachfolgenden Verwaltungsaktes in der verbindlichen Konkretisierung dieses Rechtsverhältnisses bestehen155. Dies kann durch die Feststellung geschehen, daß ein bestimmter Lebenssachverhalt einzelne oder alle Tatbestandsmerkmale eines bestimmten Gesetzes erfüllt und/ oder durch eine Konkretisierung der Rechtsfolgen, die sich aus dem abstraktgenerellen Gesetz für den Einzelfall ergeben. Darüber hinaus kann dieser Verwaltungsakt noch die Funktion eines Vollstreckungstitels haben; dies ist bei befehlenden Verwaltungsakten der Fall, welche eine Pflichtnorm durch ein mit Mitteln des Verwaltungszwanges vollstreckungsfähiges Gebot oder Verbot konkretisieren 156.
155
Zur ergänzenden Funktion der gesetzeskonkretisierenden Verfügungen als Vollstreckungstitel vgl. unten C.II.l., III.2. 156 Im Teil 6 der vorliegenden Arbeit wird der Frage nachgegangen, ob die Verwaltung in einem solchen Fall einen Verwaltungsakt zur verbindlichen Regelung des bestehenden Rechtsverhältnisses nur dann erlassen darf, wenn ihr die Aufgabe und Befugnis zum Erlaß eines derartigen Verwaltungsaktes durch eine dem Normtyp (b) entsprechen-
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
Eine weitergehende Funktion hat demgegenüber der gestaltende Verwaltungsakt. Wenn nach der jeweiligen Norm des besonderen Verwaltungsrechts der Erlaß eines Verwaltungsaktes mit einem bestimmten Inhalt selbst zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des Eintritts einer bestimmten Rechtsfolge gehört, ist der Erlaß eines derartigen gestaltenden Verwaltungsaktes notwendig, um diese konkrete Pflicht, den konkreten Anspruch oder eine Rechte und Pflichten begründende Rechtsstellung zu begründen, zu verändern oder aufzuheben. Befehlende Verwaltungsakte kann es folglich auch in Form von pflichtenbegründenden Verfügungen geben, welche darauf gerichtetet sind, eine neue Verpflichtung des Adressaten zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen zu begründen 157.
e) Die Begründung ohne gesetzliche Grundlage Da es unter dem Grundgesetz keinen „Totalvorbehalt" einer gesetzlichen Regelung jeglichen Verwaltungshandelns gibt 1 5 8 , können von der Verwaltung desweiteren im sog. gesetzesfreien Raum Verwaltungsrechtsverhältnisse „ohne gesetzliche Grundlage" durch Verwaltungsakt begründet werden.
f) Die Veränderung oder Beendigung Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Art der Beendigung eines Rechtsverhältnisses oder der Veränderung gewisser Rechte und Pflichten innerhalb eines fortbestehenden Rechtsverhältnisses nicht zwingend der Art seiner Begründung entsprechen muß. Insbesondere kann ein Rechtsverhältnis, das durch Verwaltungsakt begründet wurde, nicht nur durch Aufhebung des rechtsgestaltenden Ausgangsbescheides, d.h. durch einen weiteren Verwaltungsakt als actus contrarius, beendet werden. Soweit dies im Gesetz oder im ursprünglichen Verwaltungsakt vorgesehen ist, kann der Verwaltungsakt gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG auch durch Zeitablauf, eine nicht als Verwaltungsakt zu qualifizierende Willenserklärung, eine auflösende Bedingung oder eine Veränderung der im Verwaltungsakt geregelten Sach- und Rechtslage unmittelbar kraft Gesetzes unwirksam werden (sich erledigen, erlöschen) 159. Er verliert dann nicht
de Kompetenznorm verliehen wurde oder ob die Pflichtnorm (Normtyp (a)) selbst als gesetzliche Grundlage für den Erlaß des Verwaltungsaktes ausreicht. 157 Vgl. unten C.III.3. 158 Zur verfassungsrechtlichen Begründung und Reichweite des Vorbehalts vgl. unten Teil 3, C. 159 Vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 43 Rn. 191 ff. m.w.N.
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen 10
nur Verfahrens-, sondern auch materiellrechtlich seine regelnde Wirkung, so daß das auf ihm beruhende Rechtsverhältnis endet.
3. Die Unterscheidung zwischen feststellenden und gestaltenden Regelungsgehalten a) Der feststellende Verwaltungsakt aa) Feststellungen der materiellen Rechtslage Es hat sich damit gezeigt, daß - entgegen einer in der Literatur immer wieder gebrauchten Formulierung 160 - im deutschen Verwaltungsrecht weder der Erlaß eines Verwaltungsaktes noch eine sonstige, die abstrakt-generellen Rechtsnorm auf den jeweiligen Einzelfall anwendende Willenserklärung der Verwaltung oder des Bürgers für die Entstehung eines Verwaltungsrechtsverhältnisses oder eines einzelnen subjektiv-öffentlichen Rechts oder einer Pflicht zwingend erforderlich ist 161 . Vielmehr ist insoweit zwischen der Entstehung, Veränderung oder Beendigung des jeweiligen materiellen Verwaltungsrechtsverhältnisses zu unterscheiden von der Entstehung, Veränderung oder Beendigung eines ggf. korrespondierenden Verwaltungsverfahrensrechtsverhältnis 162, das auf die verbindliche Konkretisierung des materiellen Rechtsverhältnisses durch die Prüfung der Voraussetzungen, der Vorbereitung und den Erlaß eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist. Bei einem Teil der verwaltungsrechtlichen Normen gehört der Erlaß eines Verwaltungsaktes bestimmten Inhalts allerdings selbst zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des Eintritts der im Gesetz vorgesehenen Rechtsfolge. Daher lassen sich die Regelungsakte des Verwaltungsverfahrensrechts in einer ähnlichen Weise wie die Urteile des Zivilprozeßrechts systematisieren. Die traditionelle Einteilung in feststellende und gestaltende Verwaltungsakte erfolgt also nicht (nur) nach Unterschieden in der sprachlichen Fassung ihres jeweiligen Tenors; vielmehr spiegelt diese Systematik unterschiedliche Normstrukturen des materiellen Verwaltungsrechts wider. Als feststellend werden diejenigen Verwaltungsakte bezeichnet, deren Regelungsgehalt sich auf die verbindliche Konkretisierung (Feststellung) einer 160
Hill, NJW 1986, 2602 (2605 f.); J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 31 f. 161 Vgl. Gröschner, S. 160 ff. 162 Gröschner, S. 160 ff.; zur Unterscheidung zwischen (materiellem) Verwaltungsrechtsverhältnis und (formellem) Verfahrensrechtsverhältnis vgl. auch J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 15-20, 29-33, 58 ff.
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
bereits unabhängig von dieser Willenserklärung im Einzelfall bestehenden Rechtslage beschränkt. Feststellende Verwaltungsakte sind darauf gerichtet, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Verwaltungsrechtsverhältnisses, einzelner sich aus einem Vewaltungsrechtsverhältis ergebender Rechte bzw. Pflichten oder von Eigenschaften einer Person oder Sache festzustellen, die für das Bestehen solcher Rechte und Pflichten rechtlich erheblich sind m. Verwaltungsakte, die einen Rechtsstatus mit einer Vielzahl von Rechten und Pflichten oder einzelne subjektive Rechte oder Pflichten regeln, haben einen nur feststellenden Charakter, wenn der Erlaß eines Verwaltungsaktes dieses Inhalts in den angewandten Normen des materiellen Rechts keine tatbestandliche Voraussetzung für den Eintritt der ausgesprochenen Rechtsfolge bildet. Nicht zu den feststellenden, sondern zu den befehlenden Verwaltungsakten werden solche Regelungen gezählt, welche eine gesetzliche Verpflichtung ihres Adressaten nicht nur feststellen (= verbindlich konkretisieren), sondern in ihrem Tenor den Adressaten unmittelbar zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen verpflichten. Derartige befehlende Verwaltungsakte, die darauf gerichtet sind, ein bereits unmittelbar kraft Gesetzes bestehendes Geoder Verbot in einer mit Mitteln des Verwaltungszwanges vollstreckungsfähigen Weise verbindlich zu konkretisieren, werden in der nachfolgenden Untersuchung als konkretisierende Verfügungen bezeichnet164. Wenngleich Rechtsverhältnisse, Rechte bzw. Pflichten und rechtlich erhebliche Tatsachen hier getrennt als mögliche Regelungsinhalte eines festellenden Verwaltungsaktes genannt wurden, so bestehen zwischen allen genannten Fallgruppen doch Überschneidungen und fließende Übergänge 165. Eigentlich umfaßt die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Verwaltungsrechtsverhältnisses als Oberbegriff nämlich auch die anderen genannten Regelungsgegenstände. Die gesonderte Erwähnung der Rechte, Pflichten und Eigenschaften dient nur einer möglichst anschaulichen Beschreibung. Durch sie wird klargestellt, daß in einem Feststellungsbescheid nicht unbedingt sämtliche Tatbestandsmerkmale und Rechtsfolgen eines komplexen Normengefüges verbindlich auf den konkreten Lebenssachverhalt angewendet werden müssen, sondern daß die Regelung sich auch auf einzelne Elemente eines Verwaltungsrechtsverhältnisses beschränken kann.
163
J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 90, 254, 257. Zur Funktion und zum Begriff der konkretisierenden Verfügung, die sich aus der Kombination von feststellenden (rechtskonkretisierenden) und befehlenden Elementen des Regelungsinhalts ergeben unten C.III.2. 165 König, BayVBl. 1987, 261 (262). J. Martens, DVB1. 1968, 322 (325 f.) zählt die Feststellung von rechtlich erheblichen Eigenschaften von vornherein zu den Rechtsfolgefeststellungen. 164
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen 10
Desweiteren kann auch die Feststellung einzelner rechtlich erheblicher Eigenschaften einer Person oder Sache geeignet sein, eine verbindliche Klarstellung und Stabilisierung der Verwaltungsrechtsverhältnisse zu bewirken, für die sie verbindlich sein soll. Allerdings kann die Feststellung einer Tatsache nur dann Regelungsqualität haben, wenn sie die Subsumtion eines konkreten Lebenssachverhalts unter die Tatbestandsmerkmale einer Rechtsnorm verbindlich (mit)bestimmt 166 . Die teilweise gebrauchte Formulierung, die reine Feststellung von Tatsachen oder die verbindliche Feststellung eines Sachverhalts sei kein Verwaltungsakt 167 , ist zumindest mißverständlich, weil sie die Schlußfolgerung nahelegt, eine Regelung liege nur dann vor, wenn im Rahmen eines Subsumtionsprozesses rechtliche Bewertungen zu den Rechtsfolgen einer Norm getroffen werden müßten. Teil des Rechtsanwendungsprozesses sind jedoch auch die Tatsachenfeststellung und die rechtliche Subsumtion des festgestellten Lebenssachverhalts unter die Rechtsnorm. Daher kann ein Vergleich der behördlichen Feststellung mit den für die Rechtsstellung des Adressaten maßgeblichen Rechtsnormen ergeben, daß mit der Tatsachenfeststellung eine verbindliche Festlegung zur Anwendbarkeit einer Norm auf den Lebenssachverhalt getroffen werden sollte. Dies gilt auch dann, wenn die Norm selbst ein Tatbestandsmerkmal enthält, das nicht so sehr eine juristische, sondern eine fachliche Sachverhaltsermittlung und -bewertung (Tatsachenfeststellung) erfordert, wie dies z.B. bei den durch § 20c BNatSchG oder Landesrecht unter gesetzlichen Schutz gestellten Biotopen der Fall ist. Daher ist die in einem mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheid enthaltene Feststellung, bei einem bestimmten Flurstück des Adressaten handele es sich um ein „Feuchtgebiet" oder um eine „Streuobstwiese" im Sinne der jeweiligen Vorschriften des Landesnaturschutzgesetzes, ebenso als feststellender Verwaltungsakt anzusehen168, wie die behördliche Feststellung des Herkunftslands einer Ware, wenn für die Einfuhr aus diesem Staat ein Verbot oder gesetzliche Beschränkungen gelten. Eine Tatsache kann also als sog. rechtlich erhebliche Tatsache bereits dann Regelungsgegenstand eines feststellenden Verwaltungsakts sein, wenn sich aus dem festgestellten Bestehen oder Nichtbestehen dieser Tatsache oder Eigenschaft jetzt oder in Zukunft bei einer Ergänzung um weitere Rechtsanwendungsschritte konkrete Rechtsfolgen ableiten lassen. In diesen Fällen liegt ein Verwaltungsakt vor, wenn die Erklärung darauf gerichtet ist, durch die verbindliche Regelung eines Subsumtionsschrittes auf der Tatbestandsseite
166
König, BayVBl. 1987, 260 (261). Battis, Allg. VerwR, S. 135. 168 VGH BW, U. v. 9.9.1992 - 5 S 3088/90, NVwZ-RR 1993, 241; wohl auch VG Dessau, U. v. 18.3.1997 - 13 K 1278/95, NuR 1997, 465, dessen (redaktioneller?) Leitsatz, es handele sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine Mitteilung über die Rechtslage, nicht den wiedergegebenen Entscheidungsgründen entspricht. 167
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
einer Rechtsnorm im Hinblick auf eine abschließende zukünftige Rechtsanwendung einen späteren Subsumtionsschritt auf der Rechtsfolgenseite der Norm zu präjudizieren. Die spätere Rechtsanwendung muß nicht zwingend in Form eines Verwaltungsaktes geschehen. Wesentlich ist nur, daß die Feststellung der rechtlich erheblichen Tatsache bereits für alle Beteiligten die im Rahmen ihres jeweiligen Verwaltungsrechtsverhältnisses verbindliche und nach Maßgabe ihres Geltungsanspruchs 169 abschließende Konkretisierung eines Teils des materiellen Rechts sein soll, welche später - im Streitfalle oder bei einem sonstigen Regelungsbedürfiiis - nur noch um weitere Subsumtionsschritte ergänzt werden müßte. Dieser Bezug zu den Rechtsfolgen einer statusbegründenden Norm oder den Tatbestandsmerkmalen einer Rechte oder Pflichten regelnden Norm ist besser zu erkennen, wenn man bei der Definition des feststellenden Verwaltungsaktes bei der Aufzählung der Regelungsgegenstände anstelle des Begriffs der rechtlich erheblichen „Tatsache" den der rechtlich erheblichen „Eigenschaft" verwendet; in der Sache meinen beide Formulierungen aber das gleiche. Desweiteren ist die Möglichkeit, bestimmte Tatbestandselemente einer Rechtsnorm in einem Feststellungsbescheid zu regeln, eine Voraussetzung dafür, das Rechtsinstitut Verwaltungsakt auch dann als Instrument einer stufenweisen Konkretisierung der Rechtslage einzusetzen, wenn ein Verwaltungsrechtssatz die Beteiligten zwar noch nicht unmittelbar zu einem tatsächlichen Verhalten berechtigt bzw. verpflichtet, aber eine Planung oder Vorbereitung ihres künftigen Verhaltens durch eine präventive Rechtsfeststellung zweckmäßig ist 170 . Ein allgemein anerkanntes Beispiel für solche feststellenden Verwaltungsakte bilden die Vorbescheide zu einzelnen Fragen eines genehmigungspflichtigen Vorhabens. Regelungsgegenstand eines feststellenden Verwaltungsaktes können auch Eigenschaften einer Person oder Sache sein, die für das Bestehen einer Vielzahl von Rechten und Pflichten in einem oder mehreren Verwaltungsrechtsverhältnissen erheblich sind. Wenn die Subsumtion einer Tatsache unter eine Norm für eine Vielzahl von Rechten und Pflichten maßgeblich ist, wie beispielsweise das Vorliegen einer Schwerbehinderung, kann sich nämlich ein besonderes Bedürfiiis ergeben, einer hierfür ausgestatteten Behörde die Entscheidungskompetenz zu übertragen, in einem angemessenen Verfahren durch Grundlagenbescheid171 eine für alle Rechtsverhältnisse auf Dauer verbindliche und einheit169
Zur regelungsimmanenten Beschränkung und Fortfall der Bindungswirkung des feststellenden Teils einer Teilgenehmigung vgl. BVerwG, U. v. 19.12.1985 - 7 C 65.82, BVerwGE 72, 300 (309 ff.) - Whyl, sowie § 8 Satz 2 BImschG. 170 Zur präventiven Rechtsfeststellung durch Verwaltungsakt vgl. unten Teil 7, insbesondere B.III, und C. 171 Vgl. unten E.
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen 10
liehe Regelung zu treffen, um so Doppelarbeit und widersprüchliche Entscheidungen unterschiedlicher Amtswalter oder Behörden zu vermeiden. Daher liegt ein feststellender Verwaltungsakt nicht nur dann vor, wenn die Maßnahme unmittelbare Rechtswirkungen im Verhältnis der handelnden Behörde zu dem Betroffenen hat 172 ; für die Abgrenzung des feststellenden Verwaltungsakts von einer gutachterlichen Bescheinigung kommt es vielmehr im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der „Regelung mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen" darauf an, ob die getroffene Feststellung für den Betroffenen und die erlassende Behörde oder irgendeine andere Stelle der öffentlichen Verwaltung in der Weise verbindlich sein soll, daß diese beim Erlaß eines nachfolgenden Verwaltungsaktes oder bei einer sonstigen Verwaltungsmaßnahme nicht von der getroffenen Feststellung bestimmter Rechte, Pflichten oder Eigenschaften abweichen darf. Entsteht oder endet ein Verwaltungsrechtsverhältnis unmittelbar kraft Gesetzes, wenn eine Person oder eine Sache eine vom Gesetz definierte Eigenschaft aufweist, so stellt eine Statusfeststellung 173 gleichermaßen eine Konkretisierung dieser rechtlich erheblichen Tatsache wie des Rechtsverhältnisses mit seinen Rechtsfolgen dar. Die verbindliche Feststellung der Tatbestandsmerkmale eines Verwaltungsrechtssatzes bewirkt so, daß im jeweiligen Verwaltungsrechtsverhältnis eine von dieser Norm abweichende Rechtsfolge nicht mehr geltend gemacht werden kann. Solange kein Streit über die sich aus einem gesetzlichen Tatbestand ergebenden Rechtsfolgen entsteht, spielt es keine Rolle, ob der Tenor des Verwaltungsakts eine verbindliche Feststellung der Tatbestands- oder der Rechtsfolgenseite der Norm zum Ausdruck bringt, m.a.W., ob die Behörde die rechtlich erhebliche Eigenschaft 174 oder die sich daraus ergebende Rechtsfolge 175 ausspricht. Die Form der Tatsachenfeststellung wird sie regelmäßig dann gebrauchen, wenn sich aus einem Sachverhalt eine Vielzahl von Rechten oder Pflichten ergibt oder wenn die konkreten Rechte oder Pflichten zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht oder nur schwer hinreichend bestimmbar sind. Anstelle der Feststellung einzelner Tatbestandsmerkmale kann die Verwaltung 172
So aber BVerwG, U. v. 10.5.1984 - 3 C 68.82, BayVBl. 1984, 666. Z.B. die Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit, der Vertriebeneneigenschaft, der politischen Verfolgung i.S. von Art. 16a GG, der Wehrdienstuntauglichkeit (Ausmusterungsbescheid), der Schwerbehinderung oder des Ausscheidens aus dem Beamtenverhältnis kraft Gesetzes (§ 48 BBG). 174 Vgl. z.B. BVerwGE 58, 37 (38 f.) - Feststellung der Wehrdiensttauglichkeit; BayVGH, U. v. 18.8.1980, GewArch 1981, 18 (20) - Feststellung der Backwareneigenschaft von Semmelknödel-Rohlingen. 175 Vgl. z.B. BVerwGE 34, 353 (354 f.) - Feststellung der Beendigung eines Rechtsverhältnisses; BayVGH, U. v. 18.8.1980, GewArch 1981, 18 (20) - Feststellung, daß die Produktion einer bestimmten Ware, nämlich Semmelknödel-Rohlinge, unter das Nachtbackverbot des damaligen BAZG fielen. 173
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
auch sprachlich verkürzt formulieren, ein Sachverhalt erfülle die Voraussetzungen einer bestimmten Rechtsfolge. So kann die etwas umständliche Formulierung, ein Behinderter habe einen Grad der Behinderung (GdB) von wenigstens 80 v.H. und sei wegen seines Leidens ständig außerstande, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, durch die knappe Formulierung ersetzt werden, der Behinderte erfülle die (landesrechtlich auf diese Weise festgelegten) gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht. Da die eine Formulierung die tatbestandlichen Voraussetzungen und die andere Formulierung die Rechtsfolgen derselben Norm konkretisiert, haben beide Feststellungen einen völlig identischen Aussagegehalt176. Bei einer überschaubaren Zahl von Tatbestandsmerkmalen und Rechtsfolgen erreicht die Behörde größtmögliche Rechtsklarheit, wenn sie beide Feststellungen miteinander verbinden kann 177 . In einer verbindlichen Feststellung der Rechtslage kann entweder das Bestehen oder das Nichtbestehen von Rechtsverhältnissen, Rechten, Pflichten oder Tatsachen geregelt werden. Nur zur sprachlichen Vereinfachung der Definition werden die korrespondierenden negativen Feststellungen nicht mehr eigens erwähnt, wenn nachfolgend von der verbindlichen Feststellung bestehender Rechtsverhältnisse, Rechte bzw. Pflichten oder rechtlich erheblicher Tatsachen gesprochen wird. Alle feststellenden Verwaltungsakte sind so darauf gerichtet, durch eine Regelung der Anwendung des gesetzlichen Tatbestandes einer Verwaltungsrechtsnorm auf einen Lebenssachverhalt und/oder eine Regelung der sich aus einer solchen Rechtsanwendung im Einzelfall ergebenden Rechtsfolgen ein konkretes Verwaltungsrechtsverhältnis (zumindest teilweise) verbindlich festzustellen. Maßgeblich für die Klassifizierung als feststellender Verwaltungsakt ist nach dem zuvor Gesagten allein die final intendierte Regelungswirkung, d.h. die Art der Regelungswirkung, auf die der Verwaltungsakt bei einer Auslegung nach objektivem Empfängerhorizont gerichtet ist. Ein Verwaltungsakt, den eine Behörde zur Feststellung eines Rechtsverhältnisses trifft, ist auch dann den feststellenden Verwaltungsakten zuzuordnen, wenn die getroffene Feststellung der gesetzlichen Rechtslage nicht entspricht und aufgrund ihrer Wirkung als verbindliche Regelung so im konkretisierten Rechtsverhältnis die Verhaltenspflichten verändert. Denn die Unterscheidung von feststellenden und gestalten-
176
BVerwG, U. v. 17.12.1982 - 7 C 11/81, BVerwGE 66, 315 (322 f.). Vgl. z.B. BVerwG, U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83, BVerwGE 72, 265 = NJW 1986, 1120 = DVB1. 1986, 560 = DÖV 1986, 570 = BayVBl. 1986, 536 = JURIS Nr. WBRE101128602: Feststellung, „daß die Erdgeschoßräume ... Wohnräume sind und dem Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum unterliegen". 177
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen 11
den Regelungsakten erfolgt in unserem dogmatischen System nach dem intendierten Verhältnis des Regelungsaktes zum materiellen Rechtsverhältnis und nicht nach der Art der Bindungswirkung. Diese Institutionen und die an die Begriffe anknüpfenden Lehrsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts dienen einer Beschreibung der Rechtswirkungen, die solche Verwaltungsakte unbeschadet einer etwaigen Rechtswidrigkeit für das jeweilige Verwaltungsrechtsverhältnis haben. Eine solche von der Rechtmäßigkeit abstrahierende Klassifizierung ist auch sachlich gerechtfertigt, weil die Dogmatik des Verwaltungsrechts hier ungeschriebene Rechtsregeln aufstellen und systematisieren soll, welche die Verwaltung bei der Entscheidung, ob sie einen derartigen Verwaltungsakt erlassen darf, beachten soll. Diese dogmatischen Zwecke der Einteilung der Verwaltungsakte nach ihrem Regelungsgehalt verbieten es, die Einteilung nachträglich von einem Kriterium abhängig zu machen, das die Behörde und die von der Regelung Betroffenen bei Erlaß des Verwaltungsaktes noch nicht kennen, nämlich der Antwort auf die Frage, ob dieser Verwaltungsakt sich bei einer späteren Nachprüfung durch die Ausgangs-, die Widerspruchsbehörde oder das Verwaltungsgericht als rechtmäßig erweist oder erweisen würde.
bb) Ablehnungsbescheide Als feststellende Verwaltungsakte sind auch sämtliche Ablehnungsbescheide einzustufen m. Ablehnungsbescheide sind Verwaltungsakte, durch die eine Behörde einen Antrag verbindlich ablehnt, der auf Erlaß eines vom Antragsteller mehr oder minder genau - bezeichneten Verwaltungsaktes oder auf Vornahme einer sonstigen behördlichen Maßnahme gerichtet war 179 . Existenz und objekti-
178
Krause, Rechtsformen, S. 196 ff.; Braun, S. 54 ff.; Seibert, S. 511 ff.; Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs. 1 Rn. 96; a.A. Wolff/Bachof/Stober, VerwR 2, § 46 Rn. 3, der die Versagung einer Gestaltung - ohne Begründung - als gestaltenden Verwaltungsakt einstuft. 179 Im Zusammenhang mit der Ablehnung schlicht hoheitlichen Handelns muß der Sache nach unterschieden werden, zwischen einem bloßen Unterlassen der beantragten Handlung, einer unverbindlichen Mitteilung, daß die beantragte Handlung nicht vorgenommen werden solle und der Entscheidung über den Anspruch auf das beantragte Handeln. Hierzu ist auf die allgemeinen Kriterien zurückzugreifen, mit deren Hilfe die Rechtsformenlehre zwischen den tatsächlichen Verwaltungshandlungen (Realakten), den innerbehördlichen Entscheidungen über die Vornahme derartiger Realakte, den unverbindlichen, lediglich informierenden Behördenerklärungen über die Rechtsauffassung oder die Absichten der Behörde und schließlich den Verwaltungsakten mit mindestens einer verbindlichen Einzelfallregelung unterscheidet (vgl. dazu unten Teil 7 I. sowie Krause, Rechtsformen, S. 201 ff.; Widmann, S. 94 ff, 174 f.; Pietzcker in Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs. 1 Rn. 32, 96).
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
ve Grenzen der Bindungswirkung von Ablehnungsbescheiden sind bekanntlich in Literatur und Rechtsprechung umstritten, ja es läßt sich sogar feststellen, daß die Frage nach der Bindungswirkung von Verwaltungsakten für nachfolgende Verwaltungsverfahren und oft nur im Hinblick auf die Möglichkeit einer verfahrensübergreifenden Verbindlichkeit von Ablehnungsbescheiden erörtert wird; hierbei ist die Frage nach der Bindungswirkung zugleich eine Frage nach dem Regelungsinhalt des Ablehnungsbescheids180. Denn eine Bindung setzt voraus, daß ein Ablehnungsbescheid, dessen typische Tenorierung schlicht lautet: „Ihr Antrag vom ... wird abgelehnt.", nicht nur eine Aussage zum gegenwärtigen behördlichen Verhalten enthält, sondern darüber hinaus implizit zumindest noch eine über den Zeitpunkt des Erlasses hinauswirkende verbindliche Feststellung. Die Ablehnung des Erlasses eines Verwaltungsaktes oder eines anderen Verwaltungshandelns enthält nur dann eine Regelung, wenn sie (zumindest auch) auf die Rechtsfolge gerichtet ist, einer erneuten Anspruchserhebimg gegenüber den Einwand der res iudicata zu erheben 181. Bei der Analyse des Regelungsinhalts ist zu unterscheiden, zwischen der Ablehnung aus verfahrensrechtlichen Gründen und einer Ablehnung aus Gründen des materiellen Rechts: Ein Ablehnungsbescheid enthält keine für ein nachfolgendes Verwaltungshandeln verbindliche Feststellung der materiellen Rechtslage, wenn die Ablehnung nur aus verfahrensrechtlichen Gründen erfolgte. Wurde beispielsweise die Erteilung einer Baugenehmigung abgelehnt, weil die eingereichten Bauvorlagen nicht von einem bauvorlageberechtigten Entwurfsverfasser gefertigt worden waren, so muß die Bauaufsichtsbehörde sowohl bei einem neuen Bauantrag als auch vor Erlaß einer Beseitigungsanordnung die materielle Rechtslage selbstverständlich in eigener Verantwortung prüfen. Denn in einem solchen Fall enthielt der Ablehnungsbescheid weder eine Aussage darüber, ob das Vorhaben genehemgungsfahig ist, noch darüber, ob das geplante Bauvorhaben oder der errichtete Schwarzbau dem materiellen Baurecht entspricht 182 .
Demgegenüber ist über die Vornahme oder die Ablehnung eines beantragten Verwaltungsaktes nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens gemäß §§ 22 und 9 VwVfG grundsätzlich durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Bei Entscheidungen über die Ablehnung eines Verwaltungsaktes ist daher in der Regel nicht problematisch, daß die Ablehnung in der Rechtsform Verwaltungsakt erfolgt (,Krause, Rechtsformen, S. 200; Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs. 1 Rn. 96); von dogmatischem Interesse ist hier vorallem die Frage, welche Rechtsfragen durch den Ablehnungsbescheid verbindlich geregelt worden sind (dazu umfassend Seibert, S. 509 ff). 180 Seibert, S. 509. 181 Krause, Rechtsformen, S. 198; Seibert, S. 519 m.w.N. 182 Braun, S. 55; Seibert, S. 511 ff.
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen 11
Wurde der erste Bauantrag aus Gründen des materiellen Rechts abgelehnt und wird nunmehr ein erneuter Bauantrag gestellt, so ist problematisch, ob nur ein unverbindlicher Hinweis auf eine schon erlassene bestandskräftige Regelung oder ein neuer Verwaltungsakt vorliegt und welchen Regelungsgehalt ggf. die Ablehnung eines neuen Bauantrags hat, mit der die Behörde erkennbar eine verbindliche Regelung treffen wollte 183 . Wird der wiederholte Antrag z.B. ohne erneute Sachprüfung unter Bezugnahme auf einen bestandskräftigen früheren Ablehnungsbescheid in der äußeren Form eines Verwaltungsakts abgelehnt, so erfolgt zwar keine Regelung des vom Antragsteller geltend gemachten materiellen Anspruchs. Diese sog. wiederholende Verfügung enthält jedoch die verbindliche Feststellung, daß der Antragsteller keinen verfahrensrechtlichen Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens hat, also eine verbindliche Konkretisierung des angewandten Verfahrensrechts 184. Der Verwaltungsakt hat hier einen dem Prozeßurteil vergleichbaren Regelungsinhalt und -Wirkungen. Auch wenn die Rücknahme oder der Widerruf des früheren belastenden Ablehnungsbescheids und damit das Wiederaufgreifen des Verfahrens i.w.S. nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 oder § 49 Abs. 1 VwVfG grundsätzlich im Ermessen der zuständigen Behörde steht, handelt es sich hierbei nicht um einen verfahrensgestaltenden Bescheid 185 . Dieser Ablehnungsbescheid ist inhaltlich nämlich nur darauf gerichtet, eine bereits unabhängig von dieser behördlichen Willenserklärung im Einzelfall bestehende Verfahrensrechtslage verbindlich zu konkretisieren. Durch den Ablehnungsbescheid sollen keine verfahrensrechtlichen Rechte begründet, verändert oder aufgehoben werden, sondern das Nichtbestehen eines verfahrensrechtlichen Anspruchs festgestellt werden. Durch die Zuordnung der aus Gründen des Verfahrensrechts erfolgenden Ablehnungsbescheide zu den feststellenden Verwaltungsakten entsteht auch kein Widerspruch zur Beschreibung der Funktion aller Verwaltungsakte, das sich aus den abstrakt-generellen Normen im Einzelfall ergebende materielle Recht verbindlich zu konkretisieren. Denn hier ist das Verwaltungsverfahrensrecht selbst die geregelte „Materie" 186 .
183 Üblicherweise wird hier begrifflich zwischen einer wiederholenden Verfügung ohne erneute Sachprüfung und einem nach Prüfung der materiellen Rechtslage erlassenen Zweitbescheid unterschieden: vgl. Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, §42 Abs. 1 Rn. 44; Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 12 Rn. 31; Battis, Allg. VerwR, S. 132. 184 Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs. 1 Rn. 44. 185 So aber Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 12 Rn. 31, der eine Rechtsgestaltung in diesem Fall lediglich mit der intendierten „Setzung einer Rechtsfolge" begründet. 186 Vgl. oben V.l.a) bei Fn. 86. 8 Kracht
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
Wird ein Antrag auf Erlaß eines Verwaltungsakts, einer Rechts- oder Realhandlung dagegen aus Gründen des materiellen Rechts verbindlich abgelehnt, so enthält dieser Bescheid zumindest die Feststellung, daß der Antragsteller keinen materiellrechtlichen Anspruch auf Erlaß des begehrten Verwaltungsakts hat x%1. Durch Auslegung des Bescheids ist - unter Berücksichtigung des materiellen Rechts und der sachlichen und funktionalen Zusammenhänge der einschlägigen Normen - zu klären, ob der Ablehnungsbescheid darüber hinaus auch eine für Verwaltungsverfahren mit anderem Verfahrensgegenstand präjudizielle Inzidentfeststellung der für den beantragten Verwaltungsakt maßgeblichen materiellen Rechtslage enthält 188 . Die Gegenauffassung, ein Ab-
187 Seibert, S. 509 ff.; Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs. 1 Rn. 44, 96. 188 Ausgehend von der in der Literatur überwiegend abgelehnten, differenzierenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juni 1975 - IV C 15.73, BVerwGE 48, 271, die eine Bindungswirkung nur dem aufgrund einer Klage des Adressaten gerichtlich überprüften Ablehnungsbescheid zusprach, wird der Regelungsinhalt und die Bindungswirkung häufig anhand der Frage diskutiert, welche Bedeutung die Versagung einer Baugenehmigung für den Erlaß einer Abbruchverfügung hat: Steht mit der Ablehnung des Bauantrages die materielle Baurechtswidrigkeit fest, so bedeutet dies nicht nur, daß die Verwaltung nach Unanfechtbarkeit des Ablehnungsbescheides einen erneut gestellten Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für das gleiche Vorhaben im Hinblick auf die bestandskräftige Regelung ablehnen kann. Vielmehr könnte sich ein Schwarzbauer dann wegen der präjudiziellen Konkretisierung der materiellen Rechtslage auch gegenüber einer Abbruchverfügung nicht mehr auf die (angebliche) materielle Legalität des im Ablehnungsbescheid geregelten Bauwerkes berufen. Wenn man dagegen eine derartige Bindungswirkung an die materiellrechtlichen Aussagen des Ablehnungsbescheides verneint, so muß die Bauordnungsbehörde vor Erlaß einer Beseitigungsanordnung erneut die materielle Baurechtswidrigkeit des Bauwerkes prüfen. Für die Beantwortung dieser Frage kommt es deshalb u.a. darauf an, welchen Regelungsinhalt die Zurückweisung der beantragten Baugenehmigung hat. Enthielte sie nur die Regelung, daß der Antragsteller zum Zeitpunkt des Erlasses keinen Anspruch auf den begehrten Verwaltungsakt hat, so würde es nicht nur an einer Präjudizialität für die Abbruchverfügung fehlen; der Antragsteller könnte auch jederzeit einen neuen Bauantrag stellen. Enthielte der Ablehnungsbescheid dagegen eine nicht nur auf den Zeitpunkt seines Erlasses bezogene Regelung über die Verpflichtung zum Erlaß des beantragten Verwaltungakts, so wäre die zuständige Behörde nach Unanfechtbarkeit des Ablehnungsbescheides zur erneuten sachlichen Prüfung eines wiederholten, d.h. auf Erlaß des gleichen Verwaltungsaktes gerichteten Antrages nur noch verpflichtet, soweit sich dies aus den Vorschriften über die Rücknahme, den Widerruf oder das Wiederaufgreifen des Verfahrens ergibt. Nur wenn der die Baugenehmigung ablehnende Bescheid inzident eine auch für das bauordnungsbehördliche Verfahren verbindliche Feststellung der materiellen Rechtslage enthielte, müßte die Bauaufsichtsbehörde in dem auf Erlaß einer Beseitigungsverfügung gerichteten Verfahren die Bauaufsichtsbehörde die materielle Illegalität des Vorhabens nicht mehr prüfen. Vgl. dazu z.B. einerseits Braun, S. 53 ff. und Kollmann, DVB1. 1990, 189 (193 f.), welche die materielle Baurechtswidrigkeit nie zum Inhalt der Entscheidung rechnen, und anderseits Seibert, S. 509 ff. (insbes. S. 537 ff. m.w.N.), der nicht nur die Möglichkeit einer derartigen Inzidentfeststellung überzeugend begründet, sondern darüber hin-
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen 11
lehnungsbescheid enthalte immer nur das „Nein" der Behörde, nicht aber eine Feststellung des materiellen Anspruchs 189 , vermag nämlich nicht zu erklären, was überhaupt Regelungsinhalt dieser Entscheidung sein soll 190 . Auch die verbindliche Versagung eines rechtsgestaltenden Verwaltungsaktes ist als ein feststellender Verwaltungsakt einzustufen, weil der Ablehnungsbescheid gerade nicht darauf gerichtet ist, die bestehende Rechtslage zu verändern 191. b) Der gestaltende Verwaltungsakt Als gestaltende Verwaltungsakte werden diejenigen Verwaltungsakte bezeichnet, die auf die Begründung, Änderung oder Aufhebung eines Verwaltungsrechtsverhältnisses oder einzelner sich aus einem solchen Rechtsverhältnis ergebender Rechte bzw. Pflichten gerichtet sind 192. Die gestaltenden Verwaltungsakte enthalten ebenso wie die feststellenden eine verbindliche Konkretisierung der Rechtslage, deren rechtsformspezifische Rechtswirkungen sich aus den allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsverfahrens- (§§ 43 ff. VwVfG) und des Verwaltungsprozeßrechts (§§ 68 ff. VwGO) ergeben. Während die Verbindlichkeit der gestaltenden Verwaltungsakte damit auf den für alle Verwaltungsakte geltenden Bestimmungen unseres Verfahrensrechts beruht, ist die Gestaltungswirkung ein besonderes Merkmal
aus sogar annimmt, daß die Ablehnung eines feststellenden Verwaltungsakts generell das kontradiktorische Gegenteil der begehrten Feststellung enthält (S. 540 ff.). Nach der neueren Rechtsprechung des BVerwG beurteilt sich die Frage, ob ablehnende Baubescheide eine Bindungswirkung, z.B. für eine Bauordnungsverfügung, das gaststättenrechtliche Erlaubnisverfahren oder eine Spielhallenerlaubnis, in der Weise entfalten, daß das Vorhaben als mit bestimmten Baurechtsnormen vereinbar oder unvereinbar anzusehen ist, in erster Linie nach dem diese Entscheidung regelnden Gesetz, d.h. dem Bauordnungsrecht der Länder. Hierbei hat das BVerwG in seinem Urteil vom 17.10.1989 1 C 18/87, BVerwGE 84, 11 (14 f.) und einem Beschluß vom 5.2.1996 - 1 B 18/96, GewArch 1996, 240 f., offengelassen, ob seiner früheren Rechtsprechung (BVerwGE 48, 271), daß die Verneinung einer solchen Bindungswirkung verfassungsrechtlich geboten sei, noch zu folgen sei. Aus bundesrechtlichen Normen lasse sich jedenfalls nicht herleiten, daß ein baurechtlicher Ablehnungsbescheid eine solche Bindungswirkung haben müsse. Zur Auslegung der Ablehnung eines Bauvorbescheides vgl. auch unten E.I., Fn. 23. 189 Braun, S. 53 ff.; Kollmann, DVB1. 1990, 189 (193 f.). 190 Krause, Rechtsformen, S. 198; Seibert, S. 518 ff. 191 A.A. Wolff/Bachof/Stober, VerwR 2, § 46 Rn. 3, der die Versagung einer Gestaltung - ohne Begründung - als gestaltenden Verwaltungsakt einstuft. 192 Da die Begründung, Änderung oder Aufhebung eines einzelnen Rechts oder einer Verpflichtung zugleich immer das diese Rechte bzw. Pflichten mitumfassende Rechtsverhältnis ändert, stellt deren Erwähnung kein zusätzliches Definitionselement dar, sondern dient nur der Verdeutlichung.
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
der konstitutiven Verwaltungsentscheidungen, welche sie nur aufgrund der speziellen Rechtssätze des in diesen Verwaltungsakten angewandten materiellen Verwaltungsrechts haben 193 . Ein gestaltender Verwaltungsakt liegt dann vor, wenn der Erlaß eines Verwaltungsaktes dieses Inhalts in den angewandten Normen des materiellen Rechts eine tatbestandliche Voraussetzung für den Eintritt der im Verwaltungsakt ausgesprochenen Rechtsfolge bildet 194. Nach dem jeweiligen materiellen Recht muß der Erlaß eines wirksamen, auf die Erzeugung einer bestimmten, bisher nicht bestehenden Rechtsfolge gerichteten Verwalungsaktes also eine notwendige Bedingung für die Entstehung, Veränderung oder das Erlöschen dieser im Verwaltungsakt geregelten Rechte und Pflichten sein, um den rechtsgestaltenden Charakter dieses Verwaltungsaktes zu bejahen. Ein wesentliches Abgrenzungskriterium zwischen feststellender und gestaltender Wirkung ist damit der durch Auslegung des jeweiligen besonderen Verwaltungsrechts zu ermittelnde Zeitpunkt der Entstehung, Änderung oder Aufhebung des Rechtsverhältnisses. Ein Verwaltungsakt wirkt gestaltend, wenn die ausgesprochene konkrete Rechtsfolge nach den angewandten Normen des besonderen Verwaltungsrechts erst in dem in dieser Einzelfallregelung bestimmten Zeitpunkt eintritt 195 . Ordnet das abstrakt-generelle Recht an, daß eine bestimmte Rechtsfolge erst durch einen Verwaltungsakt mit Wirkung ex nunc eintritt, so handelt es sich immer um einen gestaltenden Verwaltungsakt. Ist dagegen in den Normen des materiellen Rechts eine Rückwirkung der im Verwaltungsakt getroffenen Regelung auf einen früheren Zeitpunkt vorgesehen, so handelt es sich um einen nur feststellenden Verwaltungsakt, wenn die Beteiligten bereits vor dem Erlaß kraft Gesetzes zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet waren und der Verwaltungsakt diese Rechtsbeziehungen nach dem Willen des Gesetzgebers nur verbindlich klarstellen soll. Ergibt die Analyse der materiellen Rechtsnormen dagegen, daß der Erlaß einer Entscheidung dieses Inhalts selbst eine tatbestandliche Voraussetzung der geregelten Rechtsfolge bildet, so handelt es sich um einen gestaltenden Verwaltungsakt mit ex-tuncWirkung, wenn die ausgesprochene Rechtsfolge, d.h. das Recht des Bürgers oder der Verwaltung, von dem anderen Beteiligten ein bestimmtes Verhalten 193 Vgl. oben B.III.5. a.E. bei Fn. 62 zum Gestaltungsurteil sowie oben V.2.b) und d) zur Begründung, Änderung und Aufhebung verwaltungsrechtlicher Rechtsverhältnisse, Rechte und Pflichten durch Verwaltungsakt aufgrund einer die Kompetenz zur Rechtsgestaltung übertragenden Norm. 194 J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 30. Diese Abhängigkeit der Klassifizierung des Regelungsgehaltes vom jeweils angewandten abstrakt-generellen materiellen Recht, wie wir sie bei der Urteilslehre kennengelernt haben, wird in der Verwaltungsrechtsdogmatik meist nur nicht deutlich genug herausgearbeitet. Im Ergebnis entspricht die hier vorgenommene Abgrenzung der feststellenden von den gestaltenden Verwaltungsakten aber den herrschenden Definitionen. 195 J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 256.
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen 11
zu fordern, auf einem in der Vergangenheit verwirklichten Lebenssachverhalt beruht. Die Unterscheidung zwischen feststellenden und gestaltenden Verwaltungsakten beruht also auf einer verschiedenartigen gesetzlichen Regelungstechnik, der sich der Gesetzgeber für die Umsetzung und Verwirklichung seiner gesetzlichen Ziele im Einzelfall, d.h. zur Steuerung des tatsächlichen Verhaltens von Bürger und Verwaltung, bedient. Regelungstechnisch besteht die Besonderheit des gestaltenden Verwaltungsakts darin, daß nach den in seinem Entscheidungssatz angewandten Normen des materiellen Verwaltungsrechts der Erlaß eines Verwaltungsaktes dieses Inhalts (oder eines entsprechenden, auf die Begründung, Änderung oder Aufhebung der gleichen Rechtsfolge gerichteten öffentlich-rechtlichen Vertrages) eine conditio sine qua non für die ausgesprochene Rechtsfolge bildet. Feststellende und gestaltende Verwaltungsakte sind gleichermaßen auf eine verbindliche Konkretisierung und Stabilisierung des jeweiligen Rechtsverhältnisses gerichtet. Betrachtet man allein die Rechte und Pflichten, die nach dem Erlaß des Verwaltungsaktes für die Beteiligten aufgrund der verbindlichen Regelung jeweils bestehen, so ergibt sich kein Unterschied zwischen beiden Regelungsformen. Die getroffene Regelung soll sowohl bei den feststellenden als auch den gestaltenden Verwaltungsakten gemäß §§43 ff. VwVfG grundsätzlich unabhängig von Rechtsfehlern gelten. Der Unterschied wird erst deutlich, wenn man jeweils einen Vergleich zwischen den vor und nach dem Erlaß eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes dieser Art bestehenden Rechte und Pflichten vornimmt 196 . Nur der gestaltende Verwaltungsakt ist darauf gerichtet, die in ihm ausgesprochenen Rechte oder Pflichten zu begründen, zu ändern oder aufzuheben. Beim feststellenden Verwaltungsakt sollen sich die materiellen Rechte oder Pflichten inhaltlich dagegen nicht verändern; durch die verbindliche Konkretisierung in einer Einzelfallregelung stehen sie nach deren Erlaß nur auf einer anderen Stufe des Transformationsprozesses des Rechtes von der Norm zum tatsächlichen Verhalten im Einzelfall. Der Unterschied zwischen feststellendem und gestaltendem Verwaltungsakt ergibt sich nicht aus den Rechtswirkungen, die sie nach ihrem Erlaß haben, sondern aus einem Vergleich der ohne sie bestehenden Rechtslage 197. Der gestaltende Verwaltungsakt ist - im Gegensatz zum feststellenden Verwaltungsakt - nicht nur eine verfahrensrechtliche Willenserklärung, die - wie alle Verwaltungsakte - zu einer verbindlichen Konkretisierung des materiellen Rechts führen soll. Der gestaltende Verwaltungsakt bildet zugleich auch eine
196 197
Seibert, S. 100 f.; Druschel, S. 193. Seibert, S. 100 f.; Druschel, S. 193.
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
materiellrechtliche Willenserklärung, die auf die Herbeiführung eines auch auf der Ebene der abstrakt-generellen Rechtssätze bisher nicht bestehenden Rechtserfolgs im Bereich des materiellen Verwaltungsrechts gerichtet ist. Er enthält ein zusätzliches materiellrechtliches Regelungselement, das beim nur feststellenden Verwaltungsakt fehlt 198 . Die intendierte Gestaltungswirkung kommt aber nicht in einer zusätzlichen Rechtsfolgenanordnung zum Ausdruck. Wird eine gestaltende Regelung in der Rechtsform des Verwaltungsaktes getroffen, so hat sie die diesem Rechtsinstitut gemäß §§ 43 ff. VwVfG und §§ 68 ff. VwGO eigentümlichen verfahrensrechtlichen Rechtswirkungen. Verbindlichkeit und Gestaltungswirkung beruhen damit auf unterschiedlichen Verfahrens- und materiellrechtlichen Funktionen einer inhaltlich nicht aufteilbaren behördlichen Willenserklärung 199 , welche der Gesetzgeber dadurch miteinander verknüpft hat, daß er den Erlaß eines Verwaltungsaktes selbst zum Tatbestandsmerkmal der Norm des materiellen Verwaltungsrechts gemacht hat 200 . Wegen der in der materiellen Rechtsnorm mit dem verwaltungsverfahrensrechtlichen Rechtsinstitut des Verwaltungsakts vorgenommenen Verknüpfung kann der gestaltende Verwaltungsakt die intendierte Gestaltungswirkung nur haben, wenn er nach den verfahrensrechtlichen Vorschriften wirksam und verbindlich ist; Verbindlichkeit und Rechtsgestaltung sind so gewissermaßen die zwei Seiten einer Medaille.
198
J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 30; ders., NVwZ 1987, 106. Eine gestaltende Regelung eines Verwaltungsrechtsverhältnisses ist nur dann Verwaltungsakt, wenn sie auch die dem Verwaltungsakt eigentümliche verfahrensrechtliche Konkretisierungsfunktion einer verbindlichen Regelung erfüllen soll. Denn es ist zu beachten, daß verwaltungsrechtliche Rechte oder Pflichten auch durch schlichte Gebote, Weisungen oder andere Willenserklärungen begründet werden können, welche keine Verbindlichkeit (fehlerunabhängige Wirksamkeit) für sich beanspruchen. Obwohl die intendierten Rechtsfolgen bei diesen nur eintreten, wenn sie formell und materiell rechtmäßig sind, handelt es sich bei ihnen um gestaltende Regelungen, vgl. Krause, Rechtsformen, S. 245-287 m.w.N. Nicht nur bei einer feststellenden, sondern auch bei einer gestaltenden Rechtsfolgenanordnung kann es sich nur dann um einen Verwaltungsakt handeln, wenn die Erklärung die Bindung trotz Rechtsmängeln als final intendierte Rechtsfolge der Regelungsform für sich in Anspruch nimmt. Soll eine Regelung dagegen bei jedem erdenklichen Rechtsfehler unwirksam sein, so ist jedenfalls kein Verwaltungsakt beabsichtigt (Krause, Rechtsformen, S. 189, 287). 200 Diese Differenzierung zwischen verschiedenen Funktionen einer öffentlich-rechtlichen Willenserklärung entspricht auf Seiten des Bürgers die allgemein anerkannte Unterscheidung zwischen einer verfahrensrechtlichen und einer materiellrechtlichen Wirkung des Antrags (J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 30). Zur verfahrensrechtlichen bzw. materiellrechtlichen Funktion des Antrags vgl. auch Gusy, BayVBl. 1984, 484 ff.; Stelkens, NuR 1985, 213 (214 ff.) und unten Teil 7 C.II. Die allen Erscheinungsformen des Verwaltungsaktes gemeinsame verbindliche Konkretisierung des materiellen Rechts sollte daher nicht als eine materiellrechtliche Funktion dieses Rechtsinstituts (so aber z.B. Maurer, Allg. VerwR, § 9 Rn. 40; Siegmund in Brandt/ 199
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen 11
Soweit das Gesetz neben dem gestaltenden Verwaltungsakt weitere rechtsbegründende Tatbestände enthält, wird auf diese Weise ein Entscheidungsmonopol der für den Erlaß des gestaltenden Verwaltungsakts zuständigen Behörde geschaffen. Kann aufgrund der Fassung des Tatbestands einer Verwaltungsrechtsnorm eine bestimmte Rechtsfolge erst durch den Erlaß eines auf diese Rechtsfolge gerichteten Verwaltungsaktes eintreten, so ist es aufgrund dieser dem Verwaltungsakt vorbehaltenen Gestaltungswirkung vor dessen Erlaß jedem Rechtsanwender in einem anderen Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren verwehrt, diese Rechtsfolge durch eine Inzidenter-Entscheidung festzustellen und auf diese Weise eine Rechtsanwendung zu ersetzen, die nach dem Gesetz der für den Erlaß des gestaltenden Verwaltungsaktes zuständigen Behörde in einem bestimmten Verwaltungsverfahren vorbehalten ist. Dies gilt auch dann, wenn nach der - insoweit nicht maßgeblichen - Rechtsauffassung der anderen Behörde oder des Gerichts der Erlaß des präjudiziellen gestaltenden Verwaltungsaktes von der zuständigen Behörde trotz Vorliegen aller für ihre Entscheidung maßgeblichen Voraussetzungen versäumt wurde. Denn für den nachfolgenden Rechtsanwender gehört der Erlaß eines Verwaltungsaktes selbst zu dem präjudiziellen Tatbestand der von ihm anzuwendenden Norm 2 0 1 .
c) Der gestaltende Verwaltungsakt mit feststellenden Regelungselementen Trotz der systematischen Unterscheidung zwischen feststellenden und gestaltenden Regelungen ist es möglich, daß ein einziger Verwaltungsakt im Hinblick auf das durch ihn geregelte Rechtsverhältnis sowohl eine feststellende als auch eine gestaltende Wirkung hat. Die Unterscheidung zwischen beiden Regelungstypen beruht nämlich nach der bisherigen Analyse nicht auf gegensätzlichen, einander ausschließenden Tatbestandselementen oder Rechtsfolgen, sondern kennzeichnet jeweils ein bestimmtes Verhältnis der Einzelfallregelung zur konkretisierten Rechtsnorm. Ob eine in einem Verwaltungsakt enthaltene Regelung eine gestaltende oder eine feststellende Wirkung hat, hängt m.a.W. allein vom jeweiligen materiellen Rechtssatz ab, dessen Tatbestandsmerkmale oder Rechtsfolgen durch die Regelung konkretisiert werden.
Sachs, Rn. D 20; Battis, Allg. VerwR, S. 121; Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 344) bezeichnet werden. 201 Deutlich wird das bei der oft als Beispiel eines gestaltenden Verwaltungsakts genannten Beamtenernennung. Sie wurde gerade deshalb zusätzlich noch streng formalisiert, um eine ausschließliche Entscheidungskompetenz der Einstellungsbehörde gegenüber als Übergriffen empfundenen Gerichtsurteilen zu sichern, vgl. Summer in Fürst, GKÖDI, § 6 BBG Rn. 2, Lemhöfer in Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 6 Rn. 1 f.
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
Daher muß sich der Regelungsinhalt eines Verwaltungsaktes nicht auf die Konkretisierung einer einzelnen rechtlich erheblichen Eigenschaft oder einer einzelnen Rechtsfolge beschränken; in einem Bescheid können auch mehrere Regelungen zu verschiedenen Rechtsfragen des zwischen der Verwaltung und dem Adressaten bestehenden Rechtsverhältnisses zusammengefaßt sein. Für jede dieser verbindlichen Konkretisierungen des materiellen Rechts kann dann durch eine Analyse der angewandten Rechtsnorm eine Aussage getroffen werden, ob der Verwaltungsakt insoweit zur Begründung, Änderung oder Aufhebung der materiellen Rechtsfolge notwendig war oder ob er eine auf der Ebene des abstrakt-generellen Rechts bereits bestehende Berechtigung, Verpflichtung oder rechtlich erhebliche Eigenschaft einer Person oder Sache festgestellt hat. Ein Verwaltungsakt, der mehrere verbindliche Regelungen eines Einzelfalls umfaßt, kann also gleichzeitig sowohl das materielle Recht gestaltende als auch feststellende Entscheidungselemente und -Wirkungen haben.
a) Ausdrückliche Tenorierung gestaltender und feststellender
Regelungen
Offensichtlich ist eine solche Verbindung von feststellenden und gestaltenden Elementen dort möglich, wo ein einzelner Verwaltungsakt bereits in seinem Tenor mehrere Regelungen enthält, von denen einzelne rechtsgestaltenden und andere feststellenden Charakter haben. Wird beispielsweise ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährte, durch einen insoweit rechtsgestaltend wirkenden Rücknahmebescheid aufgehoben, so kann die Behörde gemäß § 49a Abs. 1 VwVfG zugleich, d.h. in dem gleichen Verwaltungsakt, die zu erstattende Leistung festsetzen 202.
bb) Unterschiedliche Rechtswirkungen einer einzelnen Regelung Dient ein Verwaltungsakt der Regelung eines komplexen Verwaltungsrechtsverhältnisses, das sich aus einer Vielzahl von Normen mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen ergibt, so kann eine einzelne, im
202
Allerdings ist der Verwaltungsakt insoweit in der Regel nicht auf eine bloße Festsetzung beschränkt, sondern enthält zugleich einen Rückzahlungsbefehl. Dieser einen Erstattungsbescheid enthaltende Entscheidungsteil ist dann als eine Regelung mit feststellenden und befehlenden Elementen zu charakterisieren, welche in der vorliegenden Untersuchung als konkretisierende Verfügung bezeichnet wird und die innerhalb der klassischen Einteilung der Verwaltungsakte in drei Grundtypen im Hinblick auf die vollstreckungsrechtlichen Spezialregelungen nach allgemeiner Meinung den befehlenden Verwaltungsakten zuzuordnen ist; vgl. C.
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen
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Tenor explizit enthaltene Regelungsaussage hinsichtlich bestimmter gesetzlicher Rechtsfolgen nur feststellend wirken und zugleich andere Rechtsfolgen, die über die schon kraft Gesetzes bestehenden Rechte oder Pflichten hinausgehen, neu begründen. Denn im Rahmen seiner verfassungsrechtlichen Kompetenzen hat der zuständige Gesetzgeber hinsichtlich jeder einzelnen Rechtsfolge grundsätzlich die freie Wahl, ob er die jeweilige Berechtigung oder Verpflichtung bereits ex lege bei Verwirklichung eines bestimmten Lebenssachverhalts eintreten lassen will oder erst aufgrund einer Entscheidung der Verwaltung. Er kann daher auch einen gebundenen Verwaltungsakt vorsehen, der in einer einheitlichen, auf das gesamte Rechtsverhältnis bezogenen Willenserklärung zunächst eine bereits bestehende Sach- und Rechtslage feststellt, und außerdem mit seinem Wirksamwerden zugleich noch neue Rechte oder Pflichten innerhalb des festgestellten Rechtverhältnisses begründet. Als Beispiel für eine solche Kombination feststellender und gestaltender Regelungswirkungen soll hier die Eintragung eines Baudenkmales in die Denkmalliste in denjenigen Fällen dienen, in denen das Landesdenkmalrecht unterscheidet zwischen gewissen ex lege bestehenden, allgemeinen Grundpflichten des Eigentümers eines Denkmals und anderen zusätzlichen Pflichten, welche erst durch Eintragung begründet werden 203 .
cc) Gestaltende Verwaltungsakte
mit verbindlichen Inzidentfeststellungen
Schließlich enthalten Verwaltungsakte, die ein Dauerrechtsverhältnis oder ein anderes komplexes Rechtsverhältnis (durch eine rechtsgestaltende Entscheidung) konkretisieren und stabilisieren sollen, häufig verbindliche Inzidentfeststellungen. Hierunter sind verbindliche Feststellungen zu verstehen, die nicht in der Tenorierung des Verwaltungsaktes enthalten sind, die aber logisch vorgreifliche Rechtsfragen (die sog. Vorfragen) zu einer im Verfügungssatz ausdrücklich geregelten Rechtsfrage (der sog. Hauptfrage) betreffen 204. So gestattet beispielsweise eine Baugenehmigung nicht nur durch eine rechtsgestaltende Aufhebung des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt die Ausführung des genehmigten Vorhabens (Baufreigabe), sondern stellt auch mit Bindungswirkung für sämtliche Verfahren, welche Rechtsfolgen an die materielle Regalität oder Legalität eines Bauwerkes knüpfen, verbindlich fest, daß das genehmigte Vorhaben den geltenden Bestimmungen des Bauordnungs- und Bauplanungsrechts entspricht 205. Feststellungen zu Rechten, Pflichten oder rechtlich
203
Vgl. dazu unten F.II.3. mit Nachweisen in Fn. 43 und 44. Seibert, S. 308 ff. 205 BVerwG, U. v. 17.12.194 -1 C 130.63, BVerwGE 20, 124 (126); 80, 259 (261 f.); U. v. 17.10.1989 - 1 C 18/87, BVerwGE 84, 11 (14 f.); B. v. 5.2.1996 - 1 B 18/96, 204
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
erheblichen Tatsachen, die nicht in besonderen Entscheidungssätzen enthalten und deshalb nicht schon aufgrund der äußeren Gestaltung eines Verwaltungsaktes als verbindliche Regelungen zu erkennen sind, sind aber nur dann als Regelungen anzusehen, wenn sie in objektiv erkennbarer Weise eine präjudizielle Wirkung für ein nachfolgendes Verwaltungsverfahren haben206 oder in anderer Weise für ein späteres Handeln des Bürgers oder der Verwaltung rechtlich verbindlich sein sollen 201. Im Hinblick auf die rechtsformspezifische Anfechtungslast ist die Überschaubarkeit der sich aus der Regelung ggf. ergebenden präjudiziellen Folgewirkungen eine rechtsstaatlich unverzichtbare Voraussetzung, um den Regelungscharakter einer inzident getroffenen Aussage zum materiellen Recht zu bejahen 208 . Eine allumfassende, sämtliche Vorfragen des ausdrücklich getroffenen Entscheidungssatzes einschließende Regelung aller Rechtsfragen eines Verwaltungsrechtsverhältnisses mit einer umfassenden Bindungswirkung für alle nachfolgenden Verwaltungs- und Gerichtsverfahren entspräche regelmäßig weder den Interessen der Beteiligten noch der erlassenden Behörde 209 . Denn diese muß bestrebt sein, einen Übergriff in den Kompetenzbereich anderer Behörden zu vermeiden und ihr Personal von möglicherweise entbehrlichen Sachverhaltsermittlungen und Regelungen zu entlasten. Nur dann und insoweit, wie die Behörde mit ihren ausdrücklichen oder stillschweigend
GewArch 1996, 240 f. umfassend Seibert, S. 333 ff. (342 ff.) m. Nachw. anderer dogmatischer Konstruktionen. Die Frage, ob die Ablehnung einer Baugenehmigung inzident die kontradiktorische Feststellung enthält,richtet sich nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 17.10.1989 - 1 C 18/87, BVerwGE 84, 11 (14 f.); B. v. 5.2.1996 - 1 B 18/96, GewArch 1996, 240 f.) in erster Linie nach dem Bauordnungsrecht der Länder. Zum Regelungsinhalt von Ablehnungsbescheiden vgl. oben V.3.a)bb) und speziell der Ablehnung eines Bauvorbescheides unten E.I., Fn. 23. 206 Seibert, S. 309 ff. (insbes. S. 327 f.) m.w.N. 207 Wenn Seibert, S. 309 ff. (insbes. S. 327 f.) m.w.N., demgegenüber allein auf die Bindungswirkung für ein nachfolgendes Verwaltungsverfahren abstellt, so genügt diese definitorische Beschränkung seinem auf die Bindungswirkung innerhalb von Verwaltungsverfahren i.S. des § 9 VwVfG beschränkten Erkenntnisinteresse. Mit der hier gebrauchten weitergehenden soll Definition betont werden, daß verbindliche Feststellungen nicht nur weitere Verwaltungsakte präjudizieren, sondern in erster Linie das tatsächliche Verhalten der am Verwaltungsrechtsverhältnis beteiligten Personen, also des Bürgers oder der Verwaltung, steuern sollen. Auch wenn bei Erlaß der verbindlichen Feststellung noch nicht der Erlaß eines bestimmten Verwaltungsaktes geplant war, erscheint es aber auch in einem solchen Fall immer möglich, daß später bei einem nicht der Feststellung entsprechenden Verhalten noch in irgendeinem Verwaltungsverfahren über den Inhalt dieser tatsächlichen Verhaltenspflicht zu entscheiden ist. Daher hat die hier vorgenommene Erweiterung der Definition nur klarstellende Funktion. 208 BVerfG, B. v. 20.4.1982 - 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253 (269 f.); BVerwG, U. v. 19.12.1985 - 7 C 65.82, BVerwGE 74, 315 (319 ff.) - Whyl; Schmidt-Aßmann, BVerwG-FS, S. 569 (572 f.); Erichsen/Knoke, NVwZ 1983, 185 (191 f.); Klante, S. 324 ff.; Seibert, S. 323 ff. 209 Seibert, S. 323 ff.
B. Die Unterscheidung zwischen gestaltenden und feststellenden Regelungen 1
vorausgesetzten Feststellungen erkennbar eine über die ausdrücklich ausgesprochene Rechtsfolge hinausgehende verbindliche und dauerhafte Konkretisierung eines Verwaltungsrechtsverhältnisses erreichen will, ist der Regelungscharakter der zu den Vorfragen gemachten Aussagen zu bejahen 210 . Es handelt sich hierbei um eine funktionale Betrachtungsweise, welche eine genaue Analyse der verfahrensrechtlichen und materiellen Zielsetzungen des jeweiligen Verwaltungsaktes erforderlich macht 211 . Wesentlich für die Bestimmung des Regelungsumfanges sind mithin die Fragen, für welche Teile der materiellen Rechtsordnung die getroffene Feststellung nach der Erwartung der Beteiligten überhaupt rechtlich relevant sein könnte und ob das jetzige Verwaltungsverfahren seiner Zielsetzung nach auch die Funktion hat, spätere Entscheidungen über die tatbestandlichen Voraussetzungen jener materiellen Rechtsnormen zu steuern. Mit diesen Kriterien der mit dem Verwaltungsakt angestrebten rechtlichen Ordnung und der rechtlichen Sinnzusammenhänge des jeweiligen Verwaltungsrechtsverhältnisses 212 werden also die sich aus dem allgemeinen Verfahrensrecht ergebenden Funktionen des Rechtsinstitutes Verwaltungsakt sowohl in eine Beziehung gesetzt zu den rechtlichen Sinnzusammenhängen der Tatbestandselemente und Rechtsfolgen der (möglicherweise) verbindlich geregelten materiellen Rechtsnormen als auch zu dem konkreten Anlaß und dem Ziel des jetzigen Verwaltungsverfahrens sowie der Folgeverfahren, in denen eine Bindung an die getroffene Konkretisierung der materiellen Rechtslage bestehen würde. Hierbei sind die verbindlichen Inzidentfeststellungen zu unterscheiden von unverbindlichen Darstellungen der tatsächlichen und rechtlichen Gründe, welche die Behörde im Rahmen der Begründung der - ausdrücklich oder inzident getroffenen Regelungen gemäß § 39 Abs. 1 VwVfG geben muß. Der Gesichtspunkt des rechtlichen Sinnzusammenhangs ist allerdings nur ein, wenngleich gewichtiges Element neben den übrigen für den Verwaltungsakt anerkannten Auslegungskriterien, wie dem Antrag, Antragsunterlagen, Formulierung, Aufbau und formelle Gestaltung des jeweiligen Bescheides, einer etwaigen gesetzlichen Ermächtigung mit einer gewissen Typisierung des Inhalts und der Bindungswirkung bestimmter Verwaltungsakte und nicht zuletzt den im Verhältnis
210
J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 258 ff. und Seibert, S. 322 ff. (m.w.N.) bezeichnen in Anlehnung an Zeuner, S. 43 ff, diesen Auslegungsgesichtspunkt als das Abgrenzungsprinzip der rechtlichen Sinnzusammenhänge oder intendierten rechtlichen Ordnungen. 211 Seibert, S. 322 ff. (m.w.N.); J. Martens, JuS 1980, 511 ff.; ders., Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 258 ff. (265). 212 J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 258 ff. und Seibert, S. 322 ff. (m.w.N.) in Anlehnung an Zeuner, S. 43 ff.
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
zum Bürger und zu anderen Behörden bestehenden gesetzlichen Aufgaben und Befugnissen der erlassenden Behörde 213 . An dieser Stelle kann und soll keine ausführliche Untersuchung und Darstellung derartiger, auf verschiedenen Rechtsgebieten vorkommender Inzidentfeststellungen und der objektiven und der subjektiven Grenzen ihrer Bindungswirkung erfolgen 214 . Wesentlich für die systematische Einteilung der Verwaltungsakte nach ihrem Regelungsgehalt ist jedoch die im Grundsatz kaum mehr bestrittene Erkenntnis, daß Verwaltungsakte neben einer ausdrücklich getroffenen rechtsgestaltenden oder feststellenden Regelung noch ergänzende verbindliche Inzidentfeststellungen enthalten können.
dd) Ergebnis Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß ein einzelner Verwaltungsakt gleichzeitig eine rechtsgestaltende und eine feststellende Wirkung haben kann. Dies ist entweder der Fall, wenn er neben einer ausdrücklichen rechtsgestaltenden Regelung eines Rechtsverhältnisses zu diesem noch explizit oder inzident getroffene verbindliche Feststellungen enthält, oder wenn eine Regelungsaussage hinsichtlich des einen Teils ihrer Rechtsfolgen rechtsfeststellend und hinsichtlich des anderen Teils rechtsgestaltend wirkt. Bei der Einteilung der Verwaltungsakte nach ihrem Regelungsgehalt war es bislang nicht üblich, Verwaltungsakte, die sowohl gestaltende als auch feststellende Regelungen enthalten, als gestaltend und feststellend wirkende Verwaltungsakte zu bezeichnen; vielmehr werden sie generell den gestaltenden Verwaltungsakten zugerechnet. Für den Zweck der vorliegenden Untersuchung ist es sinnvoll, an diesen traditionellen Sprachgebrauch der rechtswissenschaftlichen Dogmatik anzuknüpfen. Denn es ist weitestgehend anerkannt, daß die Verwaltung für den Erlaß eines Verwaltungsaktes mit einer rechtsgestaltenden belastenden Regelung wegen des final intendierten Eingriffs in Freiheit und Eigentum einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf 2 1 5 . Daher werden Verwaltungsakte, die zugleich gestaltende und feststellende Elemente enthalten, im weiteren Verlauf der Untersuchung zu den gestaltenden Verwaltungsakten (im weiteren Sinne) gerechnet. Der Begriff des - lediglich - feststellenden Verwaltungsaktes bleibt solchen Entscheidungen vorbehalten, deren Regelungsgehalt
213
J. Martens, JuS 1980, 511 ff.; Seibert, S. 314 ff. (327), passim. Vgl. dazu Seibert, S. 331 ff. m.w.N. 215 Zur Frage, ob sich aus der sog. Wesentlichkeitstheorie eine partielle Beschränkung des Vorbehalts des Gesetzes auf „wesentliche" Eingriffe ergibt, vgl. unten Teil 3 C.II. 214
C. Der befehlende Verwaltungsakt
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sich auf die verbindliche Konkretisierung einer unabhängig von dem Erlaß dieses Verwaltungsaktes bestehenden Rechtslage beschränkt und die zu diesem Zweck eine oder mehrere feststellende Regelungen enthalten.
C. Der befehlende Verwaltungsakt I. Die Definition Bei unserer Betrachtung der Systematik der Urteilsarten hatten wir auf das Leistungsurteil als die typische Urteilsform des zivilprozessualen Erkenntnisverfahrens hingewiesen, welche neben einem Leistungsbefehl immanent eine deklaratorisch wirkende Feststellung des Anspruchs enthält1. So verwundert es nicht, daß bei der Einteilung der Verwaltungsakte nach ihrem Regelungsgehalt neben die feststellenden und die gestaltenden Verwaltungsakte traditionell als dritte Kategorie die befehlenden Verwaltungsakte oder Verfügungen gestellt werden. Darunter werden solche Verwaltungsakte verstanden, welche ein mit Mitteln des Verwaltungszwanges vollstreckungsfähiges Ge- oder Verbot enthalten und den Adressaten so zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen verpflichten 2. Diese Definition steht in keiner Beziehung zu der Unterscheidung zwischen feststellenden und gestaltenden Verwaltungsakten. Daher soll hier einerseits näher auf die besonderen Merkmale eingegangen werden, welche die befehlenden von den übrigen Verwaltungsakten unterscheiden. Anderseits sollen aber auch die systematischen Unterscheidungsmerkmale von feststellenden und gestaltenden Regelungsinhalten auf die Verfügungen angewandt werden.
IL Vollstreckungsrechtliche Titelfunktion und Leistungsbefehl 1. Die Titel- als Ergänzung der Regelungsfunktion In der Literatur zum allgemeinen Verwaltungsrecht findet sich bei der Beschreibung der Merkmale und Funktionen der verschiedenen Rechtsformen des Verwaltungshandelns teilweise die Aussage, daß dem Verwaltungsakt die rechtliche Funktion eines Titels zukomme, da die Verwaltung mit dieser Hand-
1
Vgl. oben B.III.5. Forsthoff, S. 201; Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR § 12 Rn. 27; Maurer, Allg. VerwR, § 9 Rn. 44, § 20 Rn. 6; Battis, Allg. VerwR, S. 152; Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 46 Rn. 4. 2
Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
lungsform die Rechtslage einseitig verbindlich konkretisiere 3. A u f diese Weise wird der Begriff des Titels mit der Befugnis zur verbindlichen Konkretisierung des Rechts in Verbindung gebracht und hätte dann als Beschreibung einer Eigenschaft aller Verwaltungsakte gegenüber der Individualisierungs- und Konkretisierungsfunktion keine eigenständige Bedeutung mehr. Unter einem Titel wird jedoch im juristischen Sprachgebrauch sonst üblicherweise eine Entscheidung oder beurkundete Erklärung verstanden, in der ein vollstreckbarer Anspruch verbrieft ist und aus der kraft Gesetzes die Zwangsvollstreckung zugelassen ist4. Eine solche Titelfunktion ergibt sich bei Verwaltungsakten aufgrund der in den Verwaltungsvollsteckungsgesetzen verliehenen Befugnis der Verwaltung, aus von ihr selbst erlassenen, ein Ge- oder Verbot enthaltenden Verfügungen ohne Einschaltung der Gerichte die Vollstreckung zu betreiben 5. Die befehlenden Verwaltungsakte unterscheiden sich folglich definitionsgemäß gerade durch ihre Titelfunktion (Vollstreckungsfunktion) von den feststellenden und/oder gestaltenden Regelungen, die ihrem Regelungsinhalt nach oder wegen des Fehlens einer gesetzlichen Ermächtigung nicht mit Mitteln des Verwaltungszwangs durchgesetzt werden können. Beispielsweise ist ein feststellender oder gestaltender Verwaltungsakt, der bestimmt, daß ein bestimmtes Gebäude ein Baudenkmal sei, offenkundig ebensowenig ein Vollstreckungstitel wie ein gleichlautendes Feststellungsurteil. Denn aus dem Inhalt eines derartigen Verwaltungsaktes lassen sich zwar mittelbar bestimmte Pflichten ableiten, diese sind aber im Tenor des Verwaltungsaktes nicht in einer mit Zwangsmitteln durchsetzbaren Weise genannt.
2. Die Verpflichtung
des Adressaten
Obwohl die Einteilung der Verwaltungsakte nach ihrem Regelungsgehalt den Klage- und Urteilsarten nachgebildet ist, stellt der befehlende Verwaltungsakt nicht in jeder Beziehung das funktionale Äquivalent und begriffliche Seitenstück zum Leistungsurteil des Zivil- oder Verwaltungsprozeßrechts dar. Weil eine Verwaltungsvollstreckung gegen Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts nach den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen des Bundes (§§ 17, 5 VwVG) und der Länder unzulässig ist, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist 6 , kann der Bürger nämlich seine Ansprüche gegen die 3
Krause, Rechtsformen, S. 144 ff.; Löwer, JuS 1980, 805 (806 f.). Thomas/Putzo, vor § 704 Rn. 14; Münzberg in Stein/Jonas, 21. Aufl., vor § 704 Rn. 18. 5 Ossenbühl, JuS 1979, 681 (683); Krause, Rechtsformen, S. 184; Battis, Allg. VerwR, S. 122; P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 30. 6 Vgl. Sadler , § 17 Rn. 1 ff., 24; App/Wettlaufer, § 5 Rn. 20, § 39. 4
C. Der befehlende Verwaltungsakt
127
Verwaltung nicht im Wege des Verwaltungszwanges durchsetzen. Selbst dort, wo eine solche Ausnahmeregelung existiert, ist gegen eine Behörde eine Vollstreckung aus einem Verwaltungsakt, welcher von dieser oder einer anderen Behörde desselben Rechtsträgers erlassen wurde, nach h.M. als In-Sich-Verfahren ausgeschlossen7. Obwohl Verwaltungsakte, die Leistungsansprüche des Bürgers feststellen oder begründen, eine Selbstverpflichtung der Behörde zu einem bestimmten Verwaltungshandeln enthalten, bilden sie nach den Bestimmungen unseres Verwaltungsvollstreckungsrechts damit keine vollstreckbaren Titel 8 . Als befehlend werden daher nur solche Verwaltungsakte bezeichnet, welche ein den Adressaten zu einem bestimmten Verhalten verpflichtendes, grundsätzlich im Wege des Verwaltungszwanges vollstreckungsfahiges 9 Gebot oder Verbot enthalten 10.
3. Die Vollstreckbarkeit Eine ungenügende Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Funktionen der verschiedenen Regelungstypen wird auch deutlich, wenn die Vollstreckungsbedürftigkeit und -fähigkeit der feststellenden bzw. gestaltenden Verwaltungsakte gelegentlich mit der Begründung verneint wird, daß bei diesen Regelungen die angestrebte Veränderung der Rechtswirklichkeit (verbindliche Rechtsfeststellung bzw. -gestaltung) unmittelbar mit der Wirksamkeit der Entscheidung eintrete 11. Dieser Hinweis führt in die Irre. Denn einerseits ergibt sich aus den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen, daß die Vollstreckung einer 7
Sadler,§ 17Rn. 15fm.w.N. Brohm, VVDStRL 30, 245 (285); Krause, Rechtsformen, S. 147 Fn. 208, S. 184; J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 256; Bull, Rn. 863. 9 Wie bei der Unterscheidung zwischen dem Regelungstatbestand, dem Regelungsziel und der Regelungsfolge genügt für den Tatbestand einer befehlenden Regelung die intendierte Vollstreckungsfahigkeit. Ein befehlender Verwaltungsakt liegt daher auch dann vor, wenn das Ge- oder Verbot im Einzelfall, z.B. mangels hinreichender Bestimmtheit, nicht vollstreckbar ist, also die intendierte Rechtsfolge nicht hervorbringt. 10 Zu beiden Komponenten vgl. die nachfolgenden Zitate (Hervorhebungen nur hier): O. Mayer, Dt. VerwR I, 3. Aufl., S. 227 („Der Befehl unterscheidet sich von anderen Äußerungen obrigkeitlicher Gewalt durch die eigentümliche Wirkung auf die er gerichtet ist: die bindende Bestimmung des Verhaltens des Befehlsempfängers")', Forsthoff, S. 209 („Sie dienen dazu, den Verwaltungspflichtigen zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen, notfalls zu zwingen")', Henneke in Knack, § 35 Rn. 5.2.1. („Gebot oder Verbot für den Betroffenen"); König, BayVBl. 1967, 262 f. („Anordnungen für den Einzelfall, die vollstreckungsfähig sind"); a.A. Kormann, System, S. 74 f. („Es kommt nur darauf an, daß der Gewaltunterworfene zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet ist, nicht wesentlich, wenn auch das übliche ist dagegen, daß er zu diesem Verhalten gezwungen werden kann"). 11 Arndt, S. 7 f.; Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 21 Rn. 1. 8
128
Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
Verfügung der Durchsetzung eines rechtlich bereits wirksamen Leistungsbefehls dient. Andererseits sollen die befehlenden, feststellenden und gestaltenden Verwaltungsakte gleichermaßen das tatsächliche Verhalten von Bürger und Verwaltung steuern. Ebenso wie beispielsweise ein Besoldungsempfanger das Gebot eines Leistungsbescheides noch durch Rückzahlung der zuviel gezahlten und zurückgeforderten Bezüge befolgen muß, ist nach Erlaß eines Sozialhilfebescheides noch eine Erfüllungshandlung des Trägers der Sozialhilfe erforderlich, nämlich die Barauszahlung oder Überweisung des als Sozialhilfe geschuldeten Betrages. In beiden Fällen befriedigt nicht schon der Bescheid, sondern erst die reale Bewirkung der geschuldeten Leistung das Interesse des Gläubigers. Verwaltungsvollzug und Verwaltungsvollstreckung dürfen nicht gleichgesetzt werden; die Verwaltung als Teil der vollziehende Gewalt ist angesichts der Vielfalt der Staatsaufgaben nicht nur eine zwangsweise vollstreckende Staatsgewalt. Nicht in der Notwendigkeit eines Vollzugs besteht die Besonderheit des befehlenden Verwaltungsakts, sondern in der Möglichkeit, die unmittelbar auf ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen gerichtete Regelung ggf. zwangsweise im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchsetzen zu können.
4. Ergebnis Der Regelungsgehalt eines befehlenden Verwaltungsaktes unterscheidet sich daher durch zwei Merkmale von dem anderer Regelungsarten: durch die Verpflichtung des Adressaten (Befehlsempfangers) zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen und durch die intendierte Vollstreckungsfahigkeit.
I I I . Rechtsgestaltung und -feststellung durch befehlende Verwaltungsakte 1. Die Anwendbarkeit der Unterscheidungskriterien Obwohl der spezifische Regelungsgehalt der Verfügungen sich damit aus völlig anderen Merkmalen ergibt, als sie für die Abgrenzung von feststellenden und gestaltenden Verwaltungsakten gebraucht werden, wird nur selten der Versuch unternommen, diese unterschiedlichen Kategorien aufeinander zu beziehen. Dabei werden die befehlenden Verwaltungsakte meist pauschal zu den gestaltenden Verwaltungsakten 12 in einem weiteren Sinne gerechnet, was dann mit der Wirkung des befehlenden Verwaltungsaktes als verbindlicher Konkreti12 Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 46 Rn. 4; diess., VerwR 2, § 46 Rn. 4; P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 139.
C. Der befehlende Verwaltungsakt
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sierung und Individualisierung der Pflichten des Adressaten begründet wird 1 3 . Andererseits werden Verfügungen gelegentlich unter Hinweis auf die deklaratorische Rechtsnatur der Leistungsurteile im Zivilprozeß generell als feststellende Entscheidungen bezeichnet14. Demgegenüber unterschied Otto Mayer innerhalb der Polizeiverfügungen noch deutlich zwischen befehlenden Verwaltungsakten, die nur aussprechen, was schon der Rechtssatz für diesen Fall gewollt hat, also Akten gebundenen Inhalts (Entscheidungen), und den eigentlichen Polizeiverfügungen, d.h. polizeilichen Einzelbefehlen mit mehr oder minder freiem Ermessen 15. Nach der hier entwickelten Systematik ist die verbindliche Konkretisierung des materiellen Rechts als Grundfunktion aller Verwaltungsakte-anzusehen und nicht als besonderes Merkmal der gestaltenden oder feststellenden Verwaltungsakte. Folglich kann auch bei den befehlenden Verwaltungsakten danach unterschieden werden, ob nach den in ihnen angewandten Normen des materiellen Verwaltungsrechts der Erlaß eines Verwaltungsaktes diesen Inhalts eine tatbestandliche Voraussetzung für die ausgesprochene Verhaltenspflicht des Adressaten bildet. Die Analyse der befehlenden Verwaltungsakte führt so zu einer Unterteilung, welche die Vollstreckungsfahigkeit nur als ein Regelungselement betrachtet, das die Rechtsfeststellung oder Rechtsgestaltung einer Verhaltenspflicht des Adressaten ergänzt 16.
2. Die konkretisierende
Verfügung
Wie bei den nicht im Wege des Verwaltungszwanges durchsetzbaren Verwaltungsakten wird die Regelungswirkung bei den Verfügungen durch die angewandten Normen des materiellen Rechts determiniert. So kennt unsere Rechtsordnung zahlreiche an den Bürger adressierte Verwaltungsrechtsnormen, welche ihn unmittelbar kraft Gesetzes zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen verpflichten (gesetzliche Pflichtnormen) 17. Befehlende Verwaltungsakte, welche ein gesetzliches Ge- oder Verbot verbindlich konkretisieren und im Einzelfall vollziehbar machen, sind beispielsweise ein typisches Instru-
13
P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 139 i.V.m. Rn. 24. Haaf, S. 61. 15 Dt. VerwR I, 3. Aufl., S. 232; vgl. auch a.a.O., S. 100. 16 Z.T. ohne Gebrauch der Begriffe Feststellung und Gestaltung differenzieren auf diese Weise zwischen den verschiedenen Rechtswirkungen der befehlenden Verwaltungsakte: O. Mayer, Dt. VerwR I, 3. Aufl., S. 232 ff.; König, BayVBl. 1967, 262 (263); Kopp, GewArch 1986,41 (43 f.). 17 Löwenberg, S. 43 ff.; umfassend Arbeiter, S. 18 ff. Vgl. zu diesem Normtyp bereits die Darstellung oben 2.c)und d). 14
9 Kracht
130
Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
ment der Polizei- und Ordnungsbehörden, z.B. bei der gewerbe- und umweltrechtlichen Überwachung. Außerdem sind die auf die polizei- oder ordnungsbehördliche Generalklausel gestützten unselbständige oder abhängige18 Verfügungen zu nennen; von der angewandten Rechtsgrundlage abstrahierend werden derartige Verwaltungsakte im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht als (gesetzes)konkretisierende Verfügungen 19 oder Vollziehungsverfügungen 20 charakterisiert. Desweiteren haben sich Literatur und Rechtsprechung intensiv mit den Erstattungs- und Leistungsbescheiden beschäftigt, durch die ein gesetzlicher Erstattungs- bzw. Schadensersatzanspruch der Verwaltung konkretisiert und der Adressat zur Zahlung verpflichtet wird 2 1 . Derartige befehlende Verwaltungsakte, die darauf gerichtet sind, ein bereits unmittelbar kraft Gesetzes bestehendes Ge- oder Verbot verbindlich zu konkretisieren, werden nachfolgend als konkretisierende Verfugungen bezeichnet. Konkretisierende Verfügungen können zum einen in einer konkretindividuellen Regelung gesetzliche Pflichten verbindlich regeln, die sich für den Adressaten aus einem bestimmten, bereits verwirklichten Lebenssachverhalt ergeben, indem sie ihn verpflichten, eine bestimmte Handlung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vorzunehmen, eine bestimmte Maßnahme ab einem bestimmten Zeitpunkt zu dulden oder bestimmte Handlungen ab einem bestimmten Zeitpunkt künftig zu unterlassen. Möglich sind aber auch „abstraktindividuelle" Verfügungen, durch die der Adressat verpflichtet wird, künftig bei Verwirklichung bestimmter Lebenssachverhalte eine gesetzliche Pflicht zu beachten. Durch eine derartige gewissermaßen vor die Klammer gezogene Regelung kann ein nachträgliches Einschreiten in Form einer Vielzahl sonst erforderlicher Regelungen entbehrlich werden 22 . A u f diese Weise gewinnt die Verwaltung die Möglichkeit, nicht nur auf ihr nachträglich bekannt werdende Pflichtverletzungen zu reagieren, sondern ihnen durch eine präventive Regelung vorzubeugen. Allerdings muß auch eine solche präventive Regelung gemäß § 37 VwVfG hinreichend bestimmt sein. Eine bloß „gesetzeswiederholende" Verfügung ist daher nur zulässig, wenn der Adressat allein aufgrund 18 Vogel in Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 411 ff.; Friauft Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 173, 175, in Schmidt-Aßmann, Bes. VerwR. Zur Vorbehaltsproblematik der unselbständigen, nicht auf die polizei- oder ordnungsbehördliche Generalklausel gestützten unselbständigen Verfügungen vgl. unten Teil 7, B.I.-III. 19 Götz, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 448; Mußmann, GewArch 1986, 126; Koch/Rubel, V., Rn. 30. 20 Kopp, GewArch 1986,41 (43 f.); Kopp, VwVfG, 35 Rn. 36a. 21 Vgl. hier nur Löwenberg, S. 35 ff.; Kopp, GewArch 1986, 41 (43 f.) sowie die Darstellung und weitere Nachweise zu gesetzlich nicht normierten Erstattungs- und Leistungsbescheiden unten Teil 4, C.I.4.a) und Teil 7, D. 22 Vgl. VGH BW, B. v. 05.10.1999 - 10 S 1059/99, JURIS Nr. MWRE110529900 = UPR 2000, 39 = DÖV 2000, 39 = NuR 2000, 99.
C. Der befehlende Verwaltungsakt
131
der abstrakten Regelung des Gesetzes, die in der Verfügung wiederholt wird, erkennen kann, welches Verhalten das Gesetz bzw. die Behörde im Vollzug des Gesetzes von ihm verlangt 23 . Daran fehlt es, wenn in dem Bescheid ohne Anwendung auf einen bestimmten, bereits verwirklichten oder mehrere künftige, zumindest durch bestimmte tatsächliche Sachverhaltselemente gekennzeichnete Einzelfalle lediglich der abstrakte Gesetzesbefehl wiederholt wird. Beispielsweise fehlt es bei der für die Anwendung der abfallrechtlichen Andienungs- und Überlassungspflichten (§ 13 KrW-/AbfG) maßgeblichen Abgrenzung von Abfallen zur Beseitigung von den nicht andienungs- oder Überlassungspflichtigen Abfallen zur Verwertung nach den §§ 3 ff. KrW-/AbfG an einer solchen aus sich selbst heraus verständlichen abstrakten Regelung. Der Gesetzgeber des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes war mit den - angesichts der EG-rechtlichen Vorgaben und der Vielfalt der betroffenen Stoffe und Sachverhalte unvermeidbar - abstrakt-generellen Formulierungen nicht in der Lage, ohne weitere Konkretisierung befolgbare Vorgaben zur Abgrenzung beider Abfallarten zu geben24. Besteht im Verhältnis zum Abfallerzeuger oder -besitzer Streit oder Rechtsunsicherheit über den Bestand oder Umfang von Überlassungs- oder Andienungspflichten, so ist es zunächst Aufgabe der Verwaltung, die normativen Vorgaben des Kreislaufwirtschaftsgesetzes für den Einzelfall zu konkretisieren. Diese Konkretisierung muß aus rechtsstaatlichen Gründen spätestens25 auf der Ebene der verwaltungsrechtlichen Grundverfügung (Anordnungs- bzw. Verfügungsebene) erfolgen, hier also in einer auf die abfallrechtliche Befugnisgeneralklausel des § 21 KrW-/AbfG gestützten konkretisierenden Verfügung. Sie kann, weil sie die Klärung tatsächlich und rechtlich schwieriger Fragen erfordert, nicht im Einzelfall weiter auf die Vollstrekkungsebene, wie z.B. die Festsetzung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung angedrohten Zwangsmittels, verlagert werden. Die Vollstreckung setzt nämlich einen Verwaltungsakt voraus, der vollstreckungsfahig ist. Hierzu gehört auch, daß für den Betroffenen hinreichend deutlich erkennbar ist, was die Behörde von ihm verlangt. Die normativen Vorgaben des KrW-/AbfG zur Abgrenzung von Abfallen zur Verwertung und Abfallen zur Beseitigung können daher nicht ohne Konkretisierung im Einzelfall den Erlaß einer Ordnungsverfügung rechtfertigen, mit der dem Besitzer aufgegeben wird, »Abfälle zur Beseitigung" dem
23 Vgl. VGH BW, B. v. 05.10.1999 - 10 S 1059/99, JURIS Nr. MWRE110529900 = UPR 2000, 39 = DÖV 2000, 39 = NuR 2000, 99. 24 Vgl. VGH BW, B. v. 05.10.1999 - 10 S 1059/99, JURIS Nr. MWRE110529900 = UPR 2000, 39 = DÖV 2000, 39 = NuR 2000, 99. Zu den Abgrenzungsfragen vgl. Petersen, ZUR 2000, 61 ff. (m.w.N.). 25 Zur Zulässigkeit eines feststellenden Grundlagenbescheids vgl. unten Teil 7, B.V.2.b)aa).
132
Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu überlassen 26. Wie das Beispiel 27 zeigt, ergeben sich die rechtsstaatliche Funktion und wesentliche Voraussetzungen konkretisierender Verfügungen bereits aus dem Tatbestandsmerkmal der Regelung eines Einzelfalls (§ 35 VwVfG), dem Gebot der hinreichenden Bestimmtheit (§ 37 VwVfG) und den einen vollstreckungsfahigen Verwaltungsakt voraussetzenden Bestimmungen der Verwaltungsvollstreckungsgesetze 28. Wenn bei einer präventiven Verfügung die wesentlichen Merkmale der geregelten künftigen Sachverhalte nicht explizit im Tenor des Bescheids genannt werden, können sie sich noch im Wege der Auslegung aus dem zurückliegenden Sachverhalt ergeben, welcher die Behörde zum Einschreiten veranlaßt hat. Der Regelungsgehalt konkretisierender Verfugungen setzt sich damit aus feststellenden und befehlenden Elementen zusammen, die allerdings regelmäßig sprachlich nicht zu trennen sind. Sie unterscheiden sich von den rein feststellenden Verwaltungsakten im Sinne der zuvor entwickelten Definition dadurch, daß sie das Bestehen einer Verhaltenspflicht nicht nur feststellen, sondern zugleich deren Erfüllung durch ein vollstreckungsfahiges Ge- oder Verbot anordnen 29 . Allerdings waren wir davon ausgegangen, daß unmittelbar kraft Gesetzes bestehende Pflichten des Bürgers auch Gegenstand einer unverbindlichen Zahlungsaufforderung oder eines lediglich feststellenden, aber nicht vollstreckbaren Verwaltungsaktes sein können. Enthält eine behördliche Erklärung eine Feststellung, daß der Empfanger zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen verpflichtet sei, so ist daher zunächst durch Auslegung zu ermitteln, ob die Behörde aus Sicht des Empfängers mit dieser Erklärung überhaupt eine verbindliche Entscheidung getroffen hat. Wenn dies zu bejahen ist, wird der eine Verpflichtung konkretisierende Wortlaut in der Regel für die Regelungsform einer konkretisierenden Verfügung sprechen. Zudem ist davon auszugehen, daß die Verwaltung regelmäßig daran interessiert ist, sich durch Erlaß einer konkretisierenden Verfügimg einen Vollstreckungstitel zu schaffen 30. Ausnahmsweise liegt ein rein feststellender Verwaltungsakt vor, wenn die Entscheidung nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt nicht unmittelbar mit Mitteln des Verwaltungszwangs durchgesetzt werden soll, sondern die Verwaltung erst nach Un26
Vgl. VGH BW, B. v. 05.10.1999 - 10 S 1059/99, JURIS Nr. MWRE110529900 = UPR 2000, 39 = DÖV 2000, 39 = NuR 2000, 99. 27 Vgl. VGH BW, B. v. 05.10.1999 - 10 S 1059/99, JURIS Nr. MWRE110529900 = UPR 2000, 39 = DÖV 2000, 39 = NuR 2000, 99. 28 Zu den Frage der Geltung des Vorbehalts des Gesetzes vgl. unten Teil 6, B.-C., zur regelmäßigen Eingriffsvoraussetzung des Bestehens einer konkreten Gefahr vgl. Teil 7, B.III. 29 Kopp, GewArch 1986,41 (44). 30 Kopp, GewArch 1986,41 (44); König, BayVBl. 1987, 261 (264).
C. Der befehlende Verwaltungsakt
133
anfechtbarkeit der getroffenen Feststellung - soweit der Adressat dann die verbindlich festgestellte Pflicht immer noch nicht erfüllt - die Pflichterfüllung ggf. durch einen weiteren Verwaltungsakt durchsetzen will. Wird z.B. eine Abgaben- oder sonstige Geldzahlungspflicht in einem Verwaltungsakt nicht in der Höhe, sondern nur dem Grunde nach konkretisiert, so ist der Ausspruch nicht vollstreckungsfähig. Die Feststellung einer Geldzahlungspflicht lediglich dem Grunde nach ist daher kein gesetzeskonkretisierender Leistungsbescheid, sondern nur ein feststellender Verwaltungsakt 31.
3. Die pflichtenbegründende
Verfügung
Nicht immer hat der Gesetzgeber den beschriebenen Weg gewählt, den Bürger durch abstrakt-generelle Normen unmittelbar zu einem bestimmten Verhalten zu verpflichten. Häufig muß die Verwaltung zunächst das materielle Gesetz im Einzelfall konkretisieren. So gibt es in unserer Verwaltungsrechtsordnung Ermächtigungen, d.h. an die Exekutive gerichtete Befugnisnormen, welche diese berechtigen oder verpflichten, dem Bürger durch Verwaltungsakt eine bisher nicht bestehende Verhaltenspflicht aufzuerlegen 32. Als pflichtenbegründende Verfügungen werden hier solche befehlenden Verwaltungsakte bezeichnet, die darauf gerichtet sind, eine neue Verpflichtung des Adressaten zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen zu begründen. Dies ist der Fall, wenn der Erlaß eines befehlenden Verwaltungsaktes mit diesem Inhalt in den angewandten Normen des materiellen Rechts eine tatbestandliche Voraussetzung der Handlungspflicht des Adressaten bildet. Eine auf eine solche Ermächtigung gestützte pflichtenbegründende Verfügung wirkt gestaltend und befehlend. Da der Adressat nicht bereits durch das Gesetz selbst zu dem im Verwaltungsakt befohlenen Tun, Dulden oder Unterlassen verpflichtet war, bewirkt die pflichtenbegründende Verfügung einen Eingriff aufgrund eines Gesetzes. Je nachdem, ob das Gesetz die Behörde bei Erfülllung der tatbestandlichen Voraussetzungen zum Erlaß der pflichtenbegründenden Verfügung verpflichtet oder nur zum Erlaß nach pflichtgemäßem Ermessen ermächtigt, handelt es sich bei dieser Verfügung um eine gebundene Entscheidung oder einen Ermessensakt. Gebundene pflichtenbegründende Verfügungen sind z.B. die Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit gem. § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO oder die Ausweisung wegen besonderer Gefährlichkeit nach Verurteilung zu langjährigen Freiheitsstrafen gem. § 47 Abs. 1 AuslG. Im Ermessen der Behörde stehen 31
BVerwG, U. v. 15.01.1987 - 3 C 3/81, JURIS Nr. WBRE100358703 = BVerwGE 75, 318 f.; BayVGH, U. v. 20.9.1967 - Nr. 155 IV 65, BayVBl. 1968, 207; König, BayVBl. 1986, 261 (264) und unten Teil 4, C.II, und Teil 7, D.VII. 32 Löwenberg, S. 43 ff.; umfassend Arbeiter, S. 18 ff.
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
dagegen beispielsweise die Gewerbeuntersagung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO, die Verhinderung der Fortsetzung eines erlaubnispflichtigen Betriebes gem. § 15 Abs. 2 GewO, die Regel-Ausweisung gem. § 47 Abs. 2 AuslG, die Kann-Ausweisung gem. §§ 45, 46 AuslG, das öffentlich-rechtliche Hausverbot und die polizeiliche Inanspruchnahme eines Nichtstörers. Parallel zu dem Begriff des gestaltenden Verwaltungsaktes i.w.S. werden befehlende Verwaltungsakte, deren Regelungsinhalt sowohl feststellende als auch gestaltende Elemente enthält, systematisch hier den pflichtenbegründenden Verfügungen zugeordnet. Beispielsweise kann in einer Polizeiverfügung die Verantwortlichkeit des Adressaten für eine Gefahr, sowie seine daraus folgende Pflicht, den polizeiwidrigen Zustand zu beseitigen, festgestellt werden und dem Störer schließlich, insoweit konstitutiv, ein konkretes von mehreren möglichen Mitteln zur Gefahrenbeseitigung aufgegeben werden 33.
D. Lediglich feststellende Verwaltungsakte und Verwaltungsakte mit unterschiedlichen Regelungselementen Zusammenfassend ist festzustellen, daß ein Verwaltungsakt mehrere verbindliche Regelungen umfassen kann, die bei einer Einzelanalyse jeweils feststellenden, gestaltenden bzw. befehlenden Regelungscharakter haben können. Bei der systematischen Zuordnung solcher Verwaltungsakte zu einer der drei Hauptkategorien der Verwaltungsakte ist es nicht sinnvoll, eine Unterscheidung danach vorzunehmen, ob der Verwaltungsakt überwiegend feststellende, gestaltende oder befehlende Elemente hat. Denn die verbindliche Konkretisierung der Rechtslage, auf die sich eine feststellende Regelung beschränkt, ist auch ein Element der gestaltenden und der befehlenden Regelungen und die befehlenden Verwaltungsakte unterscheiden sich von den feststellenden und gestaltenden Verwaltungsakten durch die zusätzlichen Merkmale der Verpflichtung des Adressaten zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen und die intendierte Vollstreckungsfahigkeit. Daher wird der weiteren Untersuchung folgende Begrifflichkeit zugrunde gelegt:
33 Wohl a.A. Salzwedel, Die Grenzen, S. 55, der annimmt, auch die konkrete öffentlich-rechtliche Verpflichtung, den polizeiwidrigen Zustand zu beseitigen, entstehe erst nach dem Erlaß der Polizeiverfügung (vgl. bereits oben Fn. 138). Kritisch gegenüber der hier befürworteten Differenzierung J. Martens, AöR 89 (1964), 429 (435 f.).
E. Der feststellende Verwaltungsakt als Grundlagenbescheid
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Feststellende Verwaltungsakte sind Bescheide, die nur eine oder mehrere feststellende Regelungen enthalten. Ein Verwaltungsakt, der feststellende und gestaltende Regelungen enthält, wird als gestaltender Verwaltungsakt bezeichnet und ein Verwaltungsakt, der die Rechtslage nicht nur feststellt oder gestaltet, sondern auch ein vollstreckbares Ge- oder Verbot enthält, als befehlender Verwaltungsakt. Im Hinblick auf die spätere Untersuchung der Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes erscheint es zweckmäßig, innerhalb der befehlenden Verwaltungsakte eine Unterscheidung vorzunehmen zwischen den konkretisierenden Verfugungen, die darauf gerichtet sind, eine bereits unmittelbar kraft Gesetzes bestehendes Ge- oder Verbot verbindlich zu konkretisieren und den pflichtenbegründenden Verfügungen, die darauf gerichtet sind, eine neue Verpflichtung des Adressaten zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen zu begründen.
E. Der feststellende Verwaltungsakt als Grundlagenbescheid Die bisherige Analyse hat ergeben, daß der Verwaltungsakt durch seine Wirkung, die Rechtslage im Einzelfall verbindlich zu konkretisieren, ein Instrument zur Steuerung des normgemäßen Verhaltens von Bürger und Verwaltung darstellt. Bezogen auf die Verwaltung bedeutet dies, daß sie nicht nur bei ihren realen Verwaltungshandlungen an den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes gebunden ist, sondern auch ihre weiteren Verwaltungsakte auf der getroffenen Entscheidung aufbauen müssen1. Soweit die in ihm getroffene Regelung für möglicherweise nachfolgende Verwaltungsakte verbindlich ist, hat ein Verwaltungsakt für diese Folgebescheide die Funktion eines Grundlagenbescheides. Bei den meisten feststellenden Verwaltungsakten, tritt dieser allen Verwaltungsakten gemeinsame Aspekt der Konkretisierungsfunktion nur besonders deutlich hervor, weil bei ihnen von vornherein erkennbar ist, daß die Ansprüche aus dem Verwaltungsrechtsverhältnis weder vollständig erfüllt noch endgültig geregelt sind und deshalb zumindest im Streitfalle noch weitere Entscheidungen zur Verwirklichung des abstrakt-generellen Gesetzes notwendig sein werden 2.
1
O. Mayer, Dt. VerwR I, 3. Aufl., S. 96, vgl. oben B.V.l.a) m.w.N. Zu den subjektiven Grenzen der Verbindlichkeit, also der Frage, ob nur die erlassende oder auch andere Behörden an die Regelung eines feststellenden Verwaltungsakts gebunden sind, vgl. unten G. 2 Eine Ausnahme bilden insoweit Feststellungsbescheide, die eine Geldzahlungsoder eine andere Verpflichtung der Verwaltung zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen aussprechen. Bei ihnen sind die Verpflichtung der Verwaltung und der korrespondierende Anspruch des begünstigten Bürgers bereits abschließend konkretisiert. Der Anspruch muß allerdings noch durch eine Auszahlung des bewilligten Betrages
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung" I. Vorbescheide in gestuften Genehmigungsverfahren
Die Konkretisierungsfunktion des Verwaltungsakts für nachfolgende, auf seinem Regelungsgehalt aufbauende Verwaltungsakte ist in den sogenannten gestuften Verwaltungsverfahren insbesondere mit den Erscheinungsformen des (lediglich feststellenden) Vorbescheides und der (auch rechtsgestaltenden) Teilgenehmigung heute allgemein anerkannt. Solche gestuften, d.h. zeitlich und nach ihren Gegenständen in mehrere Abschnitte gegliederte Verwaltungsverfahren entstehen dort, wo entweder ein größerer Entscheidungskomplex nachträglich zergliedert oder aber zwei ursprünglich selbständige Entscheidungsprozesse in einen Zusammenhang gebracht werden 3. Sinn und Zweck einer solchen Aufteilung bzw. Staffelung der Entscheidungsprozesse ist es, ein Gesamtproblem stufenweise abzuarbeiten und durch die schrittweise Konkretisierung der Rechtslage die Komplexität der jeweils behandelten Rechtsfragen zu reduzieren 4. Jede einzelne Verfahrensstufe wird durch eine Entscheidung abgeschlossen, welche nicht den gesamten Inhalt des betroffenen Verwaltungsrechtsverhältnisses regelt; vielmehr ist ihr Aussageinhalt quantitativ auf einzelne Tatbestandsmerkmale oder Rechtsfolgen dieses Rechtsverhältnisses beschränkt und/oder qualitativ durch eine nur grundsätzliche oder vorläufige Prüfung 5. Im Hinblick auf die nur teilweise Konkretisierung der Rechtslage werden diese Regelungen als Teilentscheidungen, Teilregelungen bzw. Teilverwaltungsakte bezeichnet6, im Hinblick auf die zeitliche Abfolge vereinzelt als Ver-
oder ein anderes Verwaltungshandeln erfüllt werden. Obwohl die in ihnen enthaltene Regelung des Verwaltungshandelns nicht unmittelbar zwangsweise vollstreckbar ist, sind Rechtsfragen der Durchsetzung dieser Bindungswirkung gegen Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts (insbesondere auf dem Weg über eine allgemeine Leistungsklage) meist theoretischer Natur. Denn bei der ohne Eigeninteressen an Recht und Gesetz gebundenen Verwaltung ist grundsätzlich von der Bereitschaft und Fähigkeit auszugehen, die eigenen Entscheidungen zu verwirklichen. 3 Wahl, DÖV 1975, 373 (375 f.); Schmidt-Aßmann, BVerwG-FS, S. 570 (571 f.); Sa Iis, Gestufte Verwaltungsverfahren im Umweltrecht, S. 24 ff. 4 Vgl. dazu Wahl, DÖV 1975, 373 (375); Schmidt-Aßmann, BVerwG-FS, S. 359 (370 ff.); Salis, S. 24 ff.; Ossenbühl, NJW 1980, 1353 (1355); Schenke, VB1BW 1982, 313 (322); J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 279; aus der Rspr. die grundlegenden Entscheidungen PrOVG, OVGE 104, 206 (208); BVerwGE 24, 23 (28 f.). 5 BVerwGE 48, 242 (244); Schmidt-Aßmann, BVerwG-FS, S. 569 (573 ff.); Selmer, Vorbescheid und Teilgenehmigung, S. 15 ff, 22 ff.; Selmer/Schulze-Osterloh, JuS 1981, 391 (392); J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 257, 279 ff.; Achterberg., Allg. VerwR, § 21 Rn. 116. 6 Kopp, VwVfG, § 9 Rn. 37 ff.; P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 183 ff; Clausen in Knack, § 9 Rn. 5.3; J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 257.
E. Der feststellende Verwaltungsakt als Grundlagenbescheid
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waltungsvorakte und Verwaltungsendakte 7. Gleichwohl besteht heute Übereinstimmung, daß jedenfalls Vorbescheid und Teilgenehmigung als abgestufte Entscheidungen das Verwaltungsrechtsverhältnis nach Maßgabe des jeweils ausdrücklich oder implizit zum Ausdruck gebrachten Verbindlichkeitsanspruchs verbindlich regeln und deshalb als Verwaltungsakte zu qualifizieren sind; auch wenn sie funktional Teile eines auf die Erteilung einer Vollgenehmigung gerichteten Entscheidungsprozesses sind, des sogenannten gestuften Verwaltungsverfahrens, schließen Vorbescheide und Teilgenehmigungen ebenso wie die abschließende Genehmigung jeweils ein eigenständiges Verwaltungsverfahren i.S. des § 9 VwVfG ab8. Die Funktion des Verwaltungsaktes als Grundlagenbescheid für spätere Verwaltungsakte ist in der rechtswissenschaftlichen Literatur vor allem für den Vorbescheid und die Teilgenehmigung analysiert und diskutiert worden. Als Urform des Vorbescheides können die in der Verwaltungspraxis zunächst ohne gesetzliche Regelung erteilten bauplanungsrechtlichen Bebauungsgenehmigungen betrachtet werden. Die Zulässigkeit und Verbindlichkeit derartiger Vorbescheide ist zunächst vom preußischen Oberverwaltungsgericht 9 und dann vom Bundesverwaltungsgericht anerkannt worden. Seit der Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in BVerwGE 48, 242 (244 f.) unterscheidet die höchstrichterliche Rechtsprechung und herrschende Lehre sowohl im Bauplanungs- als auch im Bauordnungsrecht zwischen dem Vorbescheid als Ausschnitt aus dem feststellenden Teil der Baugenehmigung und einer bloßen Zusage10. Die Möglichkeit, einzelne Fragen einer genehmigungspflichtigen Anlage durch einen für alle Beteiligten verbindlichen Vorbescheid zu regeln, übertrug das Bundesverwaltungsgericht dann auf das Genehmigungsverfahren nach § 16 GewO 11 . Diese Rechtsentwicklung12 ist mittlerweile I
Achterberg, DÖV 1971, 396 ff.; ders., Allg. VerwR, § 21 Rn. 113 ff. Kopp, VwVfG, § 9 Rn. 37; J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 257; Achterberg, Allg. VerwR; § 21 Rn. 116; Salis, S. 304 ff. (315). 9 Grundlegend OVGE 104,206 (208). 10 BVerwGE 48, 242 (244 f.); BVerwG, U. v. 10.5.1968, IV C 8/67, BRS 20 Nr. 142; BVerwGE 68, 241 (243); 69, 1 (2 f.); Degenhardt, DVB1. 1981, 994 (996 f.); Ortloff, NVwZ 1983, 705 ff.; Oldiges, Baurecht, Rn. 323, in Steiner, Bes. VerwR; Krebs, Baurecht, Rn. 204, in Schmidt-Aßmann, Bes. VerwR; a.A. (spezielle Form der Zusage): Fiedler, Funktion, S. 198; Dürr, JuS 1984, 770 (774). II Grundlegend BVerwGE 24, 23 (26 ff.). 12 Vgl. zur historischen Entwicklung und Rechtsnatur des Vorbescheids als feststellender Verwaltungsakt Schmidt-Aßmann, BVerwG-FS, S. 569 (574 ff.); Selmer/SchulzeOsterloh, JuS 1981, 393 ff.; Jarass, UPR 1983, 241 (241, 247 f.); ders., BImSchG, § 9 Rn. 1 ff.; Kutscheidt in Landmann/Rohmer, UmwR § 9 BImSchG, Rn. 4 f.; a.A.: Selmer, Vorbescheid und Teilgenehmigung, S. 15 ff. (Verbindung von definitiver Feststellung und grundsätzlicher Zusage); Vallendar in Feldhaus, § 9 BImSchG, Anm. 3 (gestaltender Verwaltungsakt). 8
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
für die meisten Genehmigungs- und Zulassungsverfahren in den jeweiligen Fachgesetzen kodifiziert worden (z.B. § 66 BauO N W (§ 65 MBO 1 3 ), § 9 BImschG, § 7a AtomG); aber auch ohne eine solche ausdrückliche Regelung hat das Bundesverwaltungsgericht anerkannt, daß die Luftverkehrszulassungsbehörde auf Antrag eine vorgezogene verbindliche Entscheidung über einen bei der Zulassung eines Verkehrsflugzeuges zu berücksichtigenden Teilaspekt wie die Zulässigkeit seiner Geräuschemission - treffen könne, wenn für eine solche Vorabentscheidung ein gravierendes praktisches Bedürfiiis bestehe und eine vorgezogene Feststellung dem Zweck des luftverkehrsrechtlichen Zulassungsverfahrens nicht zuwiderlaufe 14. Nach allen gesetzlichen Regelungen ist unter einem Vorbescheid ein (i.d.R. 15 ) feststellender Verwaltungsakt zu verstehen, durch den die zuständige Genehmigungsbehörde auf Antrag 16 eine verbindliche Entscheidung über einzelne Fragen (Genehmigungsvoraussetzungen) eines genehmigungspflichtigen Vorhabens trifft 17 . Sein Regelungsgehalt bleibt damit in zweifacher Weise hinter dem der Vollgenehmigung zurück. Zum einen werden nur einzelne Teilaspekte des Gesamtvorhabens verbindlich konkretisiert 18 ; zum anderen gibt der Vorbescheid die Ausführung des Vorhabens noch nicht frei. Im Unterschied zur Teilgenehmigung hebt er das im gesetzlichen Genehmigungsvorbehalt enthaltene präventive Verbot auch nicht teilweise auf, so daß bei ihm das rechtsgestaltende Element einer Genehmigung völlig fehlt 19 . Im Gegensatz zur bloßen 13
ARGEBAU, Musterbauordnung - MBO -, Fassung Dezember 1997. BVerwG, B. vom 25.09.1996, 11 C 11/95, JURIS Nr. WBRE4100002680 = NVwZ 1997, 922 (nur Leitsatz). 15 Ausnahmsweise wirkt ein Vorbescheid (auch) gestaltend, wenn und soweit die Entscheidung über die Erteilung der Genehmigung nicht streng gesetzlich gebunden ist, sondern im Ermessen der Verwaltung steht. Auch eine solche rechtsgestaltende Konkretisierung der Rechtslage ist im nachfolgenden Genehmigungsverfahren verbindlich, gibt aber die Ausführung des Vorhabens noch nicht frei; vgl. zum baurechtlichen Vorbescheid unter Gewährung einer Ausnahme oder Befreiung BVerwG, U. v. 10.9.1986 4 C 8/84, BauR 1987, 70 = ZfBR 1987, 47 = JURIS Nr. WBRE107308603; Ortloff, NJW 1987, 1665(1669). 16 § 65 Abs. 2 i.V.m. § 63 MBO, § 66 Abs. 2 i.V.m. 63 BauO NW; § 9 BImSchG; § 7a AtomG, § 19AtVfV. 17 Badura in Erichsen, Allg. VerwR, § 38 Rn. 25; Maurer, Allg. VerwR, § 9 Rn. 61, 68; weitere Nachweise in Fn. 10, 12, 15. 18 Zur Frage, ob darüber hinaus auch noch ein auf das Gesamtvorhaben bezogenes vorläufiges positives Gesamturteil zum Regelungsgehalt gehört vgl. BVerwGE 70, 365 (372 f.) - Krümmel; BVerwGE 74, 315 (319 ff.) - Whyl; Schmidt-Aßmann, BVerwG-FS, S. 569 (578 f.); Selmer/Schulze-Osterloh, JuS 1981, 393 (394 f.); Ossenbühl, NJW 1980, 1357 f.; Ronellenfitsch, Das atomrechtliche Genehmigungsverfahren, S. 398 ff. (402 f., 406). 19 Schmidt-Aßmann, BVerwG-FS, S. 569 (575); Ortloff, NVwZ 1983, 705 (708); Ronellenfitsch, Das atomrechtliche Genehmigungsverfahren, S. 403 ff. 14
E. Der feststellende Verwaltungsakt als Grundlagenbescheid
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Zusicherung i.S. von § 38 VwVfG enthält der positive Vorbescheid aber schon bestimmte verbindliche Konkretisierungen der materiellen Rechtslage, die für die in der späteren Genehmigung auszusprechenden Gestattung präjudiziell sind; die Regelung des Vorbescheides wird hierbei zumeist als vorweggenommener Ausschnitt aus dem feststellenden Teil des Genehmigungsbescheids beschrieben 20. Erteilt die Genehmigungsbehörde einen Vorbescheid, so hat die dem Verwaltungsakt eigentümliche Konkretisierung der Rechtslage hier die Folge, daß die Behörde nach Unanfechtbarkeit des Vorbescheids bei späteren den Bau, die Errichtung oder den Betrieb freigebenden Genehmigungsentscheidungen die vorab geregelten Sach- und Rechtsfragen nicht erneut prüfen darf 21 . Sie muß künftig von der getroffenen Feststellung ausgehen, solange sie den Vorbescheid nicht unter Beachtung der Widerrufs- und Rücknahmevorschriften wirksam aufgehoben hat. Dieses Abweichungsverbot läßt sich aus den Vorschriften und allgemeinen Grundsätzen über die Bindungswirkung der in einem Verwaltungsakt enthaltenen verbindlichen Feststellungen der materiellen Rechtslage ableiten22. Wenn und soweit ein Vorbescheid einzelne Genehmigungsvoraussetzungen für nachfolgende Genehmigungs- und andere Verwaltungsverfahren verbindlich feststellt, wirkt er auf diese Weise für den Antragsteller begünstigend, für Dritte, die durch die Regelung in ihren Rechten betroffen sein können, dementsprechend belastend. Dagegen ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob und ggf. in welchen Fällen die Ablehnung eines Vorbescheids aus Gründen des materiellen Rechts inzident als sogenannter negativer Vorbescheid die verbindliche Feststellung enthält, daß die Genehmigungsvoraussetzung, zu der ein positiver Vorbescheid beantragt worden war, nicht erfüllt sei 23 . Die Ablehnung würde in 20 Vgl. BVerwGE 68, 241 (243 f.); 69, 1 (2 f.) sowie die in Fn. 10 und 19 genannten Autoren. Mit dieser Beschreibung wird meist eine besondere Konstruktion der Bindungswirkung beim Vorbescheid verbunden, die von der Bindungswirkung anderer feststellender Verwaltungsakte abweichen würde; eine derartige Bindungswirkung eigener Art ergibt sich jedoch weder aus der Funktion des Vorbescheides noch führt sie zu einer sachgerechteren Lösung der Rechtsschutzfragen in gestuften Genehmigungsverfahren, vgl. Seibert, S. 476 ff. (482 ff.) m.w.N. 21 Sind unter Berücksichtigung der Subsidiaritätsklausel (§ 1 VwVfG) die Bestimmungen eines VwVfG anwendbar, so entfallt die Bindungswirkung des Vorbescheides nach h.M. auch bei einer nachträglichen wesentlichen Änderung der Sach- und Rechtslage nicht (BVerwG, U. v. 3.2.1984 - 4 C 39.82, BVerwGE 69, 1 (3); ObermayerSchäfer, § 43 Rn. 24; a.A. Seibert, S. 476 - 508 (insbes. S. 498 ff.) mit Nachweisen der herrschenden Gegenauffassung. 22 Vgl. Seibert, S. 479 ff. (507) mit Nachweisen der Gegenauffassung und unklarer rechtlicher Konstruktionen. 23 Vgl. dazu Braun, S. 53 ff; Seibert, S. 476 ff. (mit umfangreichen Nachweisen) sowie Sächs. OVG, B. v. 4.4.1997 - 1 S 149/97, LKV 1997, 374 (ablehnend). Nach der jüngeren Rechtsprechung des BVerwG ergibt sich die inhaltliche Tragweite ablehnender Baubescheide (und dementsprechend auch der Ablehnung von Bauvorbescheiden) so-
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
diesem Fall - ähnlich wie die rechtskräftige Abweisung einer positiven Feststellungsklage - inzident eine Feststellung des kontradiktorischen Gegenteils der beantragten Feststellung enthalten. Inzwischen ist es weitgehend anerkannt, daß es - im Unterschied zu einem auf Erlaß einer Zusicherung gerichteten Verfahren - zumindest bei einer entsprechenden gesetzlichen Regelung des Inhalts und der Bindungswirkung des Ablehnungsbescheids verfahrensrechtlich grundsätzlich möglich ist, das auf Erlaß eines Vorbescheides gerichtete Verwaltungsverfahren auch mit einem verbindlichen negativen Vorbescheid abzuschließen, der mindestens zu einer der antragsgemäß geprüften Genehmigungsvoraussetzungen (entscheidungsrelevanten Fragen des genehmigungsbedürftigen Vorhabens) eine materiellrechtliche Regelung des logischen Gegenteils der begehrten positiven Feststellung enthält
II. Grundverwaltungsakte im Enteignungsrecht Gestufte Verwaltungsverfahren sind auch in den Flurbereinigungs- und anderen Enteignungsgesetzen vorgesehen. Nach diesen Bestimmungen kann die Zulässigkeit einer für das jeweilige Vorhaben erforderlichen Enteignung dem Grunde nach durch selbständige „Grundverwaltungsakte" festgestellt werden, die dann im eigentlichen, zum Eigentumsentzug führenden Enteignungsverfahren Bindungswirkung entfalten 24.
I I I . Steuerrechtliche Grundlagen- und Folgenbescheide Das Steuerrecht liefert weitere wichtige Beispiel für die Aufteilung eines zunächst als einheitlich gedachten Verwaltungsverfahrens in mehrere selbständige Verfahren, die jeweils durch den Erlaß eines Verwaltungsakts abgeschlossen werden. Hier finden sich nämlich für die Rechtsinstitute der Grundlagen- und Folgebescheide spezielle gesetzliche Definitionen und Regelungen der gegenseitigen Abhängigkeit. Steuerrechtliche Grundlagenbescheide sind gesonderte Feststellungsbescheide, Steuermeßbescheide oder andere Verwaltungsakte (§§ 175 Abs. 1 Nr. 1, 171 Abs. 10 AO), die für Steuermeßbescheide oder andere Verwaltungsakte, für die die Steuerfestsetzungsregeln gelten, bindend sind, weit hierzu im Ablehnungsbescheid selbst keine Aussage getroffen wurde, aus dem einschlägigen Gesetz (z.B. Bauordnungsrecht des Landes). Zum Regelungsinhalt von Ablehnungsbescheiden vgl. bereits oben B.VI.3.a)bb), insbes. Fn. 188. 24 BVerfG, B. v. 10.5.1977 - 1 BvR 514/68, 1 BvR 323/69, BVerfGE 45, 297 (319 f.); B. v. 10.3.1981 - 1 BvR 92/71, 1 BvR 96/71, BVerfGE 56, 249 (264 f.); B. v. 24.3.1987 - 1 BvR 1046/85, BVerfGE 74, 264 - Boxberg; Weyreuther, DVB1. 1972, 93 (97 ff.) m.w.N.
E. Der feststellende Verwaltungsakt als Grundlagenbescheid
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soweit die in den Grundlagenbescheiden getroffenen Feststellungen für diese Folgebescheide von Bedeutung sind 25. Da die Legaldefinition allein auf die Bindungswirkung des Grundlagenbescheids abstellt, kann die „Feststellung", d.h. eine verbindliche Konkretisierung der Besteuerungsgrundlagen, nicht nur in einem rein feststellenden, sondern u.U. auch in einem gestaltenden Verwaltungsakt im o.a. Sinne enthalten sein. Für die Regelungsfunktion des Verwaltungsakts in der Dogmatik des allgemeinen Verwaltungsrechts ist aus der steuerrechtlichen Rechtsprechung und Literatur die Erkenntnis hervorzuheben, daß auch von anderen als Finanzbehörden erlassene, sog. außersteuerrechtliche Verwaltungsakte für die Steuerfestsetzungen in den Folgebescheiden der Finanzämter verbindlich sein können. A u f diese Weise sind in den Steuergesetzen u.a. die folgenden außersteuerrechtlichen Grundlagenbescheide als Voraussetzung für die Bewilligung einer Steuervergünstigung vorgesehen 26: die Feststellung einer Behinderung, des Grades der Behinderung und über gesundheitliche Merkmale i.S. des § 3 Abs. 4 SchwbG durch das Versorgungsamt 27; die Bescheinigung des Landesdenkmalamtes gem. §§ 82i und 82k EStDV, daß ein bestimmtes Objekt unter Denkmalschutz steht28; der Bewilligungsbescheid, der Anerkennungsbescheid oder die Bescheinigung gem. § 93 II. WoBauG und die Verleihung eines Filmprädikats durch die Filmbewertungsstelle Wiesbaden29.
IV. Weitere Grundlagenbescheide, deren Regelungen nicht nur für die erlassende Behörde verbindlich sind Die erwähnten Feststellungen der Versorgungsbehörden sind nicht nur für die Finanzverwaltung bindend. Gem. § 4 Abs. 1 und 4 SchwbG stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden auf Antrag des Behinderten das Vorliegen einer Behinderung, den Grad der Behinderung (GdB) sowie weitere gesundheitliche Merkmale fest, die für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen erforderlich sind. Bei
25 Vgl. dazu Seer in Tipke/Lang, § 22 Rn. 86; Rüsgen in Klein, AO, § 175 Anm. 2, 39 ff.; J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 285. 26 Vgl. neben den nachfolgenden Einzelnachweisen noch Rüsgen in Klein, AO, § 175 Anm. 2b); Baum in Koch/Scholtz, AO § 171 Rn. 40,40/2 m.w.N. 27 BFHE 145, 545 (546 f.); 152, 488 (490); 158, 375 (378); 164, 198 (200); BVerwGE 66, 315 (318 ff.). 28 VGH BW, U. v. 11.9.1985 - 5 S 3150/84, DVB1. 1986, 188; OVG Lüneburg, U. v. 17.2.1987 - 6 A 31/87, BRS 49 Nr. 148; Hönes, Die Unterschutzstellung, S. 224 f.; Siegmund in Sachs/Brandt, Handbuch, Rn. D 35. 29 BVerwGE 23, 194 (196 f.); VGH Kassel, U. v. 28.2.1962 - OS II 159/61, DVB1. 1962, 605; a.A.: Hoffmann-Becking 1972, 196 (200 f.); Löwer, DVB1. 1980, 952 (957 f.).
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
diesen Feststellungen handelt es sich weder um Entscheidungen über eigene soziale Leistungen der erlassenden Behörde noch um eine fremde Regelung bloß vorbereitende, unverbindliche gutachterliche Äußerungen. Vielmehr haben die Behörden der Versorgungsverwaltung im Schwerbehindertenrecht stellvertretend für andere Verwaltungen nach einheitlichen Maßstäben gesundheitliche Voraussetzungen festzustellen, die außerhalb ihrer Zuständigkeit verschiedenartige Berechtigungen auslösen30. Über die Behinderung, den GdB und weitere gesundheitliche Merkmale soll nach der Konzeption des SchwbG in einem einheitlichen, die Belange des Datenschutzes wahrenden Verfahren 31 nach einheitlichen Grundsätzen durch Fachbehörden mit einer besonderen Sachkompetenz entschieden werden. Dem Behinderten soll durch die Ausstellung des Schwerbehindertenausweises zugleich erspart werden, bei der Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen gegenüber Behörden, Privaten oder Gerichten stets wieder aufs neue seinen Behindertenstatus nachweisen zu müssen32. Wenn also ein Bundes- oder Landesgesetz oder die Satzung einer Selbstverwaltungskörperschaft die Gewährung einer Vergünstigung nicht vom Vorliegen bestimmter in der Rechtsnorm eigenständig definierter Eigenschaften, sondern vom Vorliegen des Schwerbehindertenstatus und anderer gesundheitlicher Merkmale i.S. des § 3 Abs. 4 SchwbG abhängig macht, so ist die Entscheidung der Versorgungsämter über diese Merkmale als Grundlagenbescheid für die Folgebescheide anderer Behörden verbindlich 33 . Hätte der Schwerbehindertenausweis nämlich lediglich eine Urkundsfunktion, so würde er als Beweismittel zur Ermittlung des Sachverhalts gem. § 173 VwGO i.V.m. § 417 ZPO 34 nur beweisen, daß das Versorgungsamt die im Ausweis gekennzeichneten Entscheidungen tatsächlich getroffen hat. Damit wäre aber der Nachweis der Behinderung selbst, des GdB und etwaiger weiterer gesundheitlicher Merkmale noch nicht geführt. Der Ausweis gewinnt erst dadurch die ihm vom Gesetz beigelegte Funktion, gegenüber jedermann die ausgewiesenen Merkmale als tatbestandliche Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen nachzuweisen, daß die vom Versorgungsamt getroffenen Feststellungen für jedermann verbindlich sind. Inso30
BSGE 52, 168 (173 f.); BVerwGE 66, 315 (318 ff.); BVerwGE 72, 8 (12 ff.); BVerwG, U. v. 27.2.1992 - 5 C 48/88, NVwZ 1993 586 (587) = DÖV 1992, 829 f.; BFHE 145, 545 (546 f.); 152, 488 (490); 158, 375 (378); 164, 198 (200); Cramer, § 4 Rn. 7 f. 31 BSGE 52, 168 (172). 32 BVerwGE 66, 315 (319 ff.); Cramer, § 4 Rn. 8. 33 BVerwGE 66, 315 (318 ff.); BVerwGE 72, 8 (12 ff.); BVerwG, U. v. 27.2.1992 5 C 48/88, NVwZ 1993 586 (587) = DÖV 1992, 829 f.; BFHE 145, 545 (546 f.); 152, 488 (490); 158, 375 (378); 164, 198 (200). 34 Im Verwaltungsverfahren § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwVfG, § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X, § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 97 AO.
E. Der feststellende Verwaltungsakt als Grundlagenbescheid
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weit knüpft das Gesetz nicht nur die Rechtsfolgen des Verwaltungsaktes an eine Wissenserklärung der Verwaltung an; vielmehr sollen die Versorgungsbehörden ihre Feststellungen gerade im Hinblick auf die damit final intendierte Verbindlichkeit gegenüber jedermann treffen. Diese Feststellungen ergehen also nicht nur formell als Bescheid, sondern haben auch inhaltlich eine andere Behörden und Stellen rechtlich bindende Entscheidungsfunktion^. Da die Rechtsstellung des Schwerbehinderten durch diese formliche Entscheidung nicht erst begründet wird, betrachtet die h.M. die Feststellung der Schwerbehinderung, des GdB und der weiteren gesundheitlichen Merkmale daher zu Recht als feststellende Verwaltungsakte* 6. Obwohl das Bundesversorgungsgesetz keine den § § 3 und 4 SchwbG entsprechende ausdrückliche Aufgabenzuweisungsnorm enthält, ergibt sich doch aus dem Sinn und Zweck des § 25 BVG als Grundnorm der Kriegsopferfürsorge und dem systematischen Gesamtzusammenhang des BVG ein versorgungsbehördliches Feststellungsmonopol, so daß die Feststellungen der Behörden der Kriegsopferversorgung (insbesondere der Versorgungsämter) über die gesundheitlichen Folgen einer Kriegsbeschädigung Bindungswirkung gegenüber allen für die Durchfuhrung der Kriegsopferversorgung zuständigen Stellen haben37. Nach § 46 Abs. 5 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) hat das Amt für Ausbildungsförderung auf Antrag dem Grunde nach vorab zu entscheiden, ob die Förderungsvoraussetzungen für eine nach Fachrichtung und Ausbildung bestimmt bezeichnete Ausbildung im Ausland, eine weitere Ausbildung, andere Ausbildung oder eine Ausbildung nach Überschreiten der im BAföG festgelegten Altersgrenze vorliegen. Das Amt ist an die Entscheidung nicht mehr gebunden, wenn der Auszubildende die Ausbildung nicht binnen eines Jahres nach Antragstellung beginnt. Diese Vorabentscheidungen betreffen Sachverhalte, bei denen der Antragsteller - abweichend vom Normalfall eines Erststudiums - auch mit Hilfe einer Beratungsstelle oder eines Anwalts nicht ohne weiteres erkennen kann, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Förderung erfüllt sind. Insbesondere hängt die Gewährung einer Förderung hier von der Entscheidung des zuständigen Amtes ab, ob die mit unbestimmten Rechtsbegriffen umschriebenen gesetzlichen Förderungsvoraussetzungen erfüllt sind. Da die Entscheidung für oder gegen eine Fortsetzung oder Aufnahme der Ausbildung in den in § 46 Abs. 5 BAföG geregelten Fällen u.U. mit weitreichenden 35 BVerwGE 66, 315 (320); BVerwGE 72, 8 (12 ff.); BVerwG, U. v. 27.2.1992 - 5 C 48/88, NVwZ 1993 586 (587) = DÖV 1992, 829 f.; BFHE 145, 545 (546 f.); 152, 488 (490); 158, 375 (378); 164, 198 (200). 36 BAG, U. v. 15.8.1984, 7 AZR 558/82, AP Nr. 13 (Bl. 5) mit zust. Anm. Gaul\ BVerwGE 72, 8 (9 f.); Neumann in Neumann/Pahlen, § 1 Rn. 11 ff. (m.w.N.); § 4 Rn. 37 ff.; a.A. Neubert/Becke, § 3 Rn. 5 (gestaltender Verwaltungsakt). 37 BVerwG, U. v. 28.6.1995 - 5 C 15/93, NVwZ-RR 1996,444 (445).
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
persönlichen und finanziellen Konsequenzen verbunden ist, soll der Antragsteller durch eine Vorabentscheidung ausreichende Planungssicherheit erlangen. Dabei soll nicht nur durch eine negative Vorabentscheidung verhindert werden, daß ein „zu optimistischer" Antragsteller eine nicht förderungsfahige Ausbildung aufnimmt, sondern vor allem, daß die auf eine Förderung angewiesenen Personen eine förderungsfahige Ausbildung wegen der sonst bestehenden Rechtsunsicherheit nicht antreten. An die Entscheidung ist nicht nur das bei Antragstellung für den Antragsteller zuständige Amt gebunden, sondern nach einem Wechsel des Studienortes das dann örtlich zuständige Amt. Denn mit der Vorabentscheidung sollen gerade auch die Voraussetzungen für einen Wechsel der Ausbildungsstätte geschaffen werden. Eine den Regeln über die subjektive Rechtskraft entsprechende Begrenzung der Bindungswirkung würde also auch bei § 46 Abs. 5 BAföG dem Zweck der gesetzlichen Einführung des Grundlagenbescheids widersprechen. Grundlagenbescheide gibt es aber auch im Bereich des Polizei- und Ordnungsbehördenrechts i.w.S. So ist nach § 3 AsylVfG die (positive oder negative) Entscheidung über den Asylantrag in allen Angelegenheiten mit Ausnahme des Auslieferungsverfahrens verbindlich, in denen die Anerkennung oder das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG rechtserheblich ist. Diese Bindung besteht also gleichermaßen bei ausländerbehördlichen Maßnahmen oder Einbürgerungsanträgen wie bei Entscheidungen über Sozialleistungen, für die die Rechtsstellung als Asylberechtigter oder politisch Verfolgter entscheidungserheblich ist.
V. Ergebnis Der Überblick hat gezeigt, daß unser Verwaltungsrecht nicht nur im Bereich der genehmigungsbedürftigen Vorhaben eine Vielzahl gestufter Verwaltungsverfahren kennt, bei denen der Gesetzgeber den Verwaltungsakt als Mittel zu einer stufenweisen Konkretisierung des abstrakt-generellen Gesetzes vorgesehen hat. Oft handelt es sich dabei um feststellende Verwaltungsakte. Wie wir gesehen haben, ist mit der Klassifizierung einer Maßnahme als feststellender oder gestaltender Verwaltungsakt noch nicht die Frage gelöst, für welche nachfolgenden hoheitlichen Maßnahmen die getroffene Regelung verbindlich sein soll. Zur Beschreibung der gegenseitigen Abhängigkeit verschiedener Verwaltungsakte bietet es sich an, die steuerrechtliche Terminologie in das allgemeine Verwaltungsrecht zu übernehmen. Ein feststellender oder gestaltender Verwaltungsakt wird daher nachfolgend als Grundlagenbescheid bezeichnet, wenn seine Regelung für nachfolgende Entscheidungen der erlassenden Stelle, anderer Verwaltungsbehörden oder der Gerichte verbindlich ist, soweit für diese das Vorliegen der im Grundlagenbescheid konkretisierten Rechte, Pflichten oder
F. Feststellende und gestaltende Verwaltungsakte als Mittel des Gesetzgebers 145
Eigenschaften erheblich ist. Ein Grundlagenbescheid (Grundverwaltungsakt) liegt vor, wenn gewisse nachfolgende Regelungen nicht von der im ersten Verwaltungsakt getroffenen verbindlichen Regelung bestimmter Rechte, Pflichten oder Eigenschaften abweichen dürfen. Ein Verwaltungsakt, für den die im Grundlagenbescheid getroffenen Feststellungen (oder gestaltenden Regelungen) verbindlich sind, soweit sie für dessen neue Regelung von Bedeutung sind, wird als Folgebescheid bezeichnet.
F. Feststellende und gestaltende Verwaltungsakte als unterschiedliche Mittel des Gesetzgebers zur Verwirklichung der Zwecke seiner abstrakt-generellen Normen I. Die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit und ihre Grenzen Wenn der Gesetzgeber in einem Fachgesetz einen Verwaltungsakt mit einem bestimmten Regelungsinhalt zur Konkretisierung des materiellen Rechts und dessen Rechtswirkungen geregelt hat, so ist es nur noch von geringer Bedeutung, ob dieser Bescheid rechtssystematisch als ein feststellender oder als ein gestaltender Verwaltungsakt zu bezeichnen ist. Wesentlich ist vielmehr, ob das Gesetz überhaupt einen Verwaltungsakt mit einem bestimmten Inhalt und einer bestimmten Bindungswirkung als Mittel zur Verwirklichung der gesetzlichen Ziele vorschreibt oder zuläßt. Die rechtlichen Besonderheiten des feststellenden und des gestaltenden Verwaltungsaktes ergeben sich insoweit nicht so sehr aus einem Vergleich der Wirkungen der Verwaltungsakte, sondern letztlich aus dem Unterschied der ohne sie bestehenden Rechtslage1. Aufbauend auf der Darstellung der unterschiedlichen Formen der Begründung, Änderung und Aufhebung von Rechtsverhältnissen im Abschnitt B.VI.2. ist festzustellen, daß sich rechtstheoretisch der Inhalt jeder Pflichtnorm 2 um eine Kompetenznorm ergänzen läßt, welche eine Behörde ausdrücklich ermächtigt, die gesetzlichen Pflichten im Einzelfall durch Verwaltungsakt festzustellen3, oder aber in eine zwingende Kompetenznorm umwandeln läßt, welche die Behörde (nur) ermächtigt und verpflichtet, bestimmte Personen bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen durch Verwaltungsakt zu dem im Gesetz umschriebenen Verhalten zu verpflichten 4. Alle drei gesetzlichen Regelungs1 So zutreffend Seibert, S. 100 f. und Druschel, S. 193; vgl. dazu schon die Ausführungen oben B.VI.3.a) und b) sowie zur Verbindlichkeit als einheitlichem Geltungsgrund für feststellende und gestaltende Verwaltungsakte unten G.IV.3.-9. 2 Vgl. oben B.V.2.c) und d): Normtyp (a). 3 Vgl. oben B.V.2.d): Normtyp (b). 4 Vgl. oben B.V.2.b) und d): Normtyp (c). 10 Kracht
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
techniken zielen letztlich darauf ab, daß der Bürger und/oder die Verwaltung bei Verwirklichung eines im gesetzlichen Tatbestand abstrakt-generell umschriebenen Lebenssachverhaltes, zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet sein soll. Gleichwohl ergeben sich für den Vollzug und für die Rechtsstellung des Betroffenen grundlegende Unterschiede. Die Verantwortung fiir die Erkenntnis und Entscheidung, wann im konkreten Einzelfall der maßgebliche Lebenssachverhalt verwirklicht ist und welche Verhaltenspflicht daraus entstehen sollen, wird nämlich vom Gesetzgeber jeweils in unterschiedlicher Weise zwischen Bürger und Verwaltung verteilt, ohne daß sich dadurch der Inhalt der letztendlich zu verwirklichenden Rechte oder Pflichten verändern würde. Die dogmatische Durchdringung der Unterschiede zwischen den genannten Normtypen, die sich aus ihnen ergebenden Vor- und Nachteile und die unterschiedlichen Funktionen und Konsequenzen, welche die Einräumung einer Kompetenz zum Erlaß eines Verwaltungsaktes in den strukturell verschiedenen Verwaltungsrechtsverhältnissen hat, sollten folglich Orientierungsmaßstab des Gesetzgebers sein für die Auswahl eines effektiven und problemadäquaten Weges zur Verwirklichung seiner Ziele 5 . Fehlt in einem Gesetz mit gesetzlichen Pflichtnormen eine ausdrückliche Regelung der Verwaltungsaktbefugnis, so können entsprechende Überlegungen des Gesetzgebers, der Normzweck und die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Interessenlage auch bei der Interpretation eine Rolle spielen, ob die Verwaltung gleichwohl befugt ist, eine kraft Gesetzes bestehende Rechtslage festzustellen. Grundsätzlich liegt es im Ermessen des jeweiligen Gesetzgebers, welche Regelungstechnik und welche Vollzugsinstrumente er zur Verwirklichung sei-
5
Arbeiter, S. 24 ff, ging davon aus, daß der Gesetzgeber im allgemeinen nicht bewußt zwischen den verschiedenen gesetzlichen Regelungstechniken gewählt habe, da bei den von ihm untersuchten Beispielen die amtlichen Begründungen keine Darlegung der Motive (Beweggründe) für die jeweilige Normgestaltung enthalten. Gleichwohl arbeitet Arbeiter, S. 24 ff, gewisse Sachgesetzlichkeiten heraus, bei denen Zweckmäßigkeitsüberlegungen eine bestimmte Art der Normgestaltung so nahelegen, daß eine entsprechende Formulierung des Normtextes kaum mehr als Zufall angesehen werden kann. Dann dürfte der jeweilige Entwurfsverfasser die für entsprechende Sachverhalte im jeweiligen Rechtsgebiet aufgrund der jeweiligen Sachgesetzlichkeiten naheliegende Regelungstechnik gewählt oder zumindest unbewußt aus „bekannten und bewährten" Vorbildern anderer Gesetzgeber übernommen haben. Die unten aufgeführten Beispiele zeigen jedoch, daß es durchaus auch Fälle gibt, in denen der „Gesetzgeber", zumindest aber der fachkundige Entwurfsverfasser in der Ministerialverwaltung, eine bewußte Auswahl zwischen den verschiedenen im gleichen Rechtsgebiet bereits angewandten gesetzlichen Regelungsmodellen getroffen hat bzw. ihm eine solche bewußte Entscheidung auch dann zu unterstellen ist, wenn die amtlichen Begründungen hierzu keine Ausführungen enthalten. In Hessen und Berlin war ein Systemwechsel zu einem - unabhängig von der Eintragung in die Denkmalliste - unmittelbar kraft Gesetzes geltenden Denkmalschutz sogar eines der Ziele einer grundlegenden Novelle der Landesdenkmalgesetze, vgl. dazu unten II.3.
F. Feststellende und gestaltende Verwaltungsakte als Mittel des Gesetzgebers 147
ner gesetzlichen Ziele einsetzt. Für die Erkenntnis der adäquaten Regelungstechnik sollen hier nur einige Hinweise auf die möglichen Gründe für die Wahl einer bestimmten gesetzlichen Regelungstechnik und die tatsächlichen und rechtlichen Grenzen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit gegeben und sodann anhand der unterschiedlichen denkmalrechtlichen Schutzsysteme demonstriert werden 6. Bei der im Gesetzgebungsverfahren zu treffenden, konzeptionellen Entscheidung, ob eine Einzelfallregelung durch Verwaltungsakt ein notwendiges oder zulässiges Mittel zur Verwirklichung der gesetzlichen Ziele sein soll, sind ggf. insbesondere folgende Faktoren zu berücksichtigen: •
die zu erwartende Kenntnis des Bürgers vom Inhalt der gesetzlichen Vorschriften,
•
die Möglichkeit der Verwaltung, so rechtzeitig vom relevanten Sachverhalt zu erfahren, daß ihr die Aufgabe einer rechtsgestaltenden Normanwendung überlassen werden kann oder umgekehrt das Vorliegen eines behördenfernen, sich typischerweise so sehr in der Sphäre des Bürgers ereignenden Sachverhalts, daß es zweckmäßig erscheint, den Bürger unmittelbar zu einem bestimmten, von der Behörde dann nur zu überwachenden Verhalten zu verpflichten 7,
•
das Maß der Bestimmtheit, zu dem der Gesetzgeber bei einer Regelung mit unmittelbarer Wirkung in der Lage wäre 8, wobei zu berücksichtigen sind - die zu erwartende (Un-)Fähigkeit des Bürgers, den relevanten Sachverhalt zu erkennen und in tatsächlicher Hinsicht (z.B. durch naturwissenschaftlich-technische Untersuchungen, Berechnungen und Prognosen oder durch (kunst-)historische Untersuchungen) zutreffend zu bewerten, - die zu erwartende (Un-)Fähigkeit des Bürger, durch Anwendung der mehr oder minder unbestimmten Rechtsbegriffe selbst sowohl die Verpflichtung dem Grunde nach als auch das konkrete vom Gesetzgeber gewünschte Verhalten zu erkennen 9,
•
die Möglichkeit, die Unbestimmtheit der gesetzlichen Pflichten und die daraus erwachsende Rechtsunsicherheit durch nachträgliche Verwaltungs-
6
Ausführlich dazu Arbeiter, S. 24 ff., mit weiteren Beispielen und Nachweisen. Arbeiter, S. 28 ff. * Arbeiter, S. 24 ff., S.31 ff. 9 Eine Pflichtnorm ist vor allem dann die einzig effektive Regelungstechnik, wenn es um eine Unzahl gleichgelagerter Fälle geht, bei denen Besonderheiten des Einzelfalls kaum auftreten oder wieder durch generelle Ausnahmetatbestände in einer dem Normzweck entsprechenden Weise berücksichtigt werden können, vgl. Arbeiter, S. 28 ff. 7
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
maßnahmen, z. B. nachrichtliche Listen oder Register, von Amts erfolgende behördliche Benachrichtigungen, auf Anfrage der Betroffenen erteilte Auskünfte oder auf Antrag erteilte Feststellungsbescheide auszugleichen, •
die Nachteile, die für den Bürger oder die Allgemeinheit aus einer Fehleinschätzung der Rechtslage durch den Bürger entstehen würden,
•
die Eilbedürftigkeit der Pflichtenbegründung 10, unter Berücksichtigung der Vor- und Nachteile die dadurch entstehen würden, daß bei einer gesetzlichen Ermächtigung, Pflichten durch Verwaltungsakt zu begründen, der Bürger nach Eintritt der tatsächlichen Voraussetzungen zu dem vom Gesetzgeber gewünschten Verhalten solange noch nicht verpflichtet ist, wie die Verwaltung (noch) keine das Gesetz konkretisierende Entscheidung getroffen hat,
•
die Art der Pflicht (Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungspflicht),
•
die Häufigkeit des relevanten Sachverhaltes 11,
•
der Verwaltungsaufwand, der durch die Durchführung eines auf den Erlaß eines Verwaltungsaktes gerichteten Verwaltungsverfahrens entsteht,
•
die Anfechtungslast des Bürgers bei einem ihn belastenden Verwaltungsakt,
•
die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten, die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht ohne Verwaltungsakt, insbesondere durch die Sanktionierung von Pflichtverstößen, durchzusetzen 12,
•
ein bei einer gesetzlichen Pflicht ohnehin zu erwartender Ungehorsam 13 oder aber eine zu erwartende Bereitschaft des Bürgers, sich auch ohne konkretisierenden Verwaltungsakt in der vom Gesetzgeber gewünschten Weise zu verhalten, (weil dies als ein vernünftiger- und gerechterweise gebotenes Verhalten akzeptiert wird),
•
die Gefahr einander widersprechender Behörden- oder Gerichtsentscheidungen, insbesondere dann, wenn diese Rechtsfragen für mehrere Verwaltungsrechtsverhältnisse präjudiziell sind.
Tatsächliche Grenzen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit können sich aus den Sachgesetzlichkeiten eines Lebensbereiches ergeben, welche eine bestimmte Regelungstechnik zur optimalen Verwirklichung der gesetzgeberischen Ziele nahelegen oder völlig ausschließen können. Wenn es zur Verwirklichung eines gesetzgeberischen Zieles erforderlich ist, daß jedermann oder ein "Arbeiter, S. 28. 11 Arbeiter, S. 28 ff. n Arbeiter, S. 26 ff. 13 Arbeiter, S. 26 ff.
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bestimmter Personenkreis auf einen häufig auftretenden und von ihm leicht zu erkennenden Lebenssachverhalt mit einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen reagiert und wenn sich dieses Verhalten durch eine Rechtsnorm in einer für den jeweiligen Normadressaten noch hinreichend bestimmten Weise beschreiben läßt, so wird es in der Regel zweckmäßig sein, den jeweiligen Personenkreis unmittelbar zum Adressaten der jeweiligen Norm zu machen und ihm das gewünschte Verhalten durch eine gesetzliche Pflicht vorzuschreiben 14. Denn auf diese Weise wird die Verwaltung von einer Vielzahl von Routinevorgängen entlastet, für die kein besonderes Regelungsbedürfhis besteht. A u f gestaltende und pflichtenbegründende Verfügungen muß regelmäßig auch dann verzichtet werden, wenn die Verwaltung von dem relevanten Lebenssachverhalt typischerweise nicht oder nicht rechtzeitig Kenntnis erhält, weil er sich vollständig in der Sphäre des Bürgers abspielt. Dies gilt auch für Verbote, durch ein aktives Tun in die Rechte Dritter oder geschützte Rechtsgüter einzugreifen. Allgemeine Nichtstörungsgebote werden rechtlich typischerweise in normativen Unterlassungspflichten verankert, welche dann bei eingetretenen oder drohenden Störungen der Rechtsordnung möglicherweise durch Einzelfallentscheidungen konkretisiert werden können. Soll bei einem solchen verwaltungsfernen Sachverhalt gleichwohl die Entscheidung über das letztlich gebotene Verhalten nicht (allein) dem Bürger überlassen bleiben, so können gesetzliche Genehmigungs- oder Anzeigepflichten zu einer angemessenen Verteilung der Verantwortlichkeiten führen. Zu den rechtlichen Grenzen der weiten gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit ist zu bemerken, daß in den Fällen, in denen durch ein Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes in grundrechtliche Freiheiten eingegriffen werden soll, der Gesetzgeber selbstverständlich prüfen muß, ob die jeweilige Regelungstechnik zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung des Grundrechtes führen würde. So ist ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, das die Ausübung einer grundrechtlich geschützten Freiheit vom Erlaß eines konkretisierenden Verwaltungsaktes abhängig macht, nur dann zulässig, wenn die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens zur Erreichung eines legitimen gesetzlichen Zweckes, insbesondere zum Schutz der Rechte und Rechtsgüter der Allgemeinheit oder Dritter, geeignet, erforderlich und i.e.S. verhältnismäßig ist 15 . Umge-
14
Arbeiter, S. 28 ff. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz führt auch zu einer einschränkenden Auslegung des Umfangs der gesetzlichen Ermächtigung des § 4 Abs. 1 BImschG i.d.F. des Artikels 8 des Gesetzes vom 22. April 1993, BGBl. I S. 466, nach der die Bundesregierung ermächtigt ist, insbesondere durch Festsetzung von Anlagengrößen, Leistungsgrenzen und Durchsatzmengen solche Abfallentsorgungsanlagen von der Genehmigungspflicht auszunehmen, die ein so geringes Umweltgefahrdungspotential aufweisen, daß sich der gebotene Schutz der Umwelt auch in einer anderen, weniger bela15
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
kehrt kann aber auch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das rechtsstaatliche Gebot der Rechtsklarheit vorliegen, wenn ein Gesetz mit einem weit gefaßten Tatbestand mit unbestimmten Rechtsbegriffen gewisse nur abstrakt-generell umschriebene Verhaltensweisen unmittelbar verbietet und die Zuwiderhandlung mit Sanktionen belegt 16 . Die obligatorische oder fakultative Einschaltung eines das Gesetz konkretisierenden Verwaltungsaktes kann deshalb im Interesse des Bürgers erforderlich sein, um für ihn erkennbar zu machen, welche konkrete Verhaltensweisen erlaubt und welche auf Dauer verboten sind 17 .
II. Beispiel: Verwaltungsakte im Denkmalrecht Die Möglichkeiten und unterschiedlichen Konsequenzen der gesetzgeberischen Entscheidung für ein Gesetz mit unmittelbar geltenden Rechten und Pflichten oder für ein Gesetz, das Ermächtigungen der Verwaltung enthält, vergleichbare Rechten und Pflichten durch einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt zu begründen, lassen sich an den unterschiedlichen Regelungen aufzeigen, welche die jeweiligen Landesgesetzgeber zur Verwirklichung des gemeinsamen Zieles des Schutzes und der Erhaltung von Kulturdenkmälern gefunden haben.
1. Begriff des zu schützenden Denkmals Auch wenn es kein der Musterbauordnung entsprechendes „Musterdenkmalschutzgesetz" gibt, gehen nämlich die Denkmalschutzgesetze aller Bundesländer trotz geringfügiger Abweichungen im Wortlaut von einem sachlich im wesentlichen übereinstimmenden Begriff des zu schützenden „ Denkmals " oder „Kulturdenkmals" aus18. Die gesetzlichen Beschreibungen der Schutzobjekte entsprechen im Kern einer Empfehlung des Deutschen Nationalkomitees zum Europäischen Denkmalschutzjahr 1975 19 , die ihrerseits an eine vom Denkmalschutzgesetz des Großherzogtums Hessen vom 16.7.1902 ausgehende Stenden Weise als durch ein präventives Verbot mit Genehmigungsvorbehalt erreichen läßt (vgl. Kracht, UPR 1993, 369 (370 f.); Jarass, BImschG, § 4 Rn. 6). x( > Arbeiter, S. 31 ff. m.w.N. 17 Vgl. dazu im einzelnen unten in Teil 7, C.VII., X. 18 Hönes, DVB1. 1984, 413; ders., Die Unterschutzstellung, S. 71 ff., Kummer, S. 35 ff.; Moench, NVwZ 1984, 146 ff.; Niebaum/Eschenbach DOV 1994, 12 (13). 19 Empfehlungen zum Denkmalschutz und zur Denkmalpflege, hrsg. von der Geschäftsstelle des Deutschen Nationalkomitees für das Europäische Denkmalschutzjahr, o.J. (1974), zit. nach Hönes, DVB1. 1984,413.
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Tradition anknüpfte 20. Sie verlangen den Schutz, die Erhaltung und die Pflege von Sachen, Sachgesamtheiten oder Teilen von Sachen, an deren Erhaltung aus jeweils aufgezählten geschichtlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen oder städtebaulichen Gründen ein öffentliches Interesse besteht. Es ist allgemein anerkannt, daß sich diese, zum Teil in der jeweiligen Legaldefinition um weitere Begriffe ergänzten Gründe (Bedeutungskategorien) nicht gegenseitig ausschließen, sondern in ihrem Begriffsinhalt überlappen 21. So ist ein Baudenkmal ein Gebäude, das jetzt oder zukünftig an irgendein Ereignis, einen Zustand oder eine Entwicklung erinnern soll. Für ein Denkmal ist die optische Wahrnehmbarkeit einer bestimmten historischen Aussage charakteristisch. Die den Denkmalwert ausmachende Bedeutung ist das Produkt zweier Faktoren. Sie resultiert aus der Gewichtigkeit der Botschaft, welche die Sache verkörpert, und dem Ausmaß, in dem es die Sache diese Information vermittelt 22 . Diese Faktoren kommen ansatzweise beispielsweise in den beiden Elementen der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Satz 2 des nordrhein-westfälischen Denkmalschutzes zum Ausdruck, nach denen ein öffentliches Interesse an der Erhaltung einer Sache besteht, wenn die Sache bedeutend für die Geschichte des Menschen, für Städte und Siedlungen oder für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse ist - d.h. eine bestimmte Bedeutung für ein bestimmtes Wissensgebiet, eine Region oder einen Ort hat und insoweit einen geschichtlichen Aussagewert verkörpert 23 - und künstlerische, wissenschaftliche, volkskundliche oder städtebauliche Gründe für seine Erhaltung vorliegen. Obwohl die Anwendung dieser notwendigerweise weitgefaßten Tatbestandsmerkmale eine komplexe fachliche Bewertung des jeweiligen Objekts im Vergleich zu den übrigen Objekten der gleichen Art erforderlich macht, die ein hierfür nicht ausgebildeter Laie nicht in gleicher Weise wie eine fachlich besonders qualifizierte Denkmalschutzbehörde vornehmen kann, haben die Landesgesetzgeber unterschiedliche Schutzsysteme zur Bewahrung und Pflege von Denkmälern gewählt.
20 Hönes, DVB1. 1984, 413; ders., Die Unterschutzstellung, S. 72, Kummer, S. 35; Niebaum/Eschenbach DÖV 1994, 12 (13). 21 Hönes, DVB1. 1984, 413 (415 ff.); Kummer, S. 35 ff.; Moench, NVwZ 1984, 146 (\47); Brönner, S. 15 ff. 22 Brönner, S. 16 ff.; OVG Koblenz, U. v. 27.9.1989 - 10 C 22/88, NJW 1990, 2018 f. 23 OVG NW, U. v. 25.1.1985 - 11 A 1801/84, OVGE 38, 28 (29); Brönner, S. 15; Memmesheimer/Upmeier/ Schönstein, § 2 Rn. 31 f.
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung" 2. Schutz der Baudenkmäler a) Eintragungsprinzip (Classement-System)
Bei den Baudenkmälern folgte die Mehrzahl der alten Bundesländer über lange Zeit dem an italienische und französische Vorbilder anknüpfenden Eintragungsprinzip ( Classement-System )24. Bei diesem unterliegt ein Bauwerk, welches die begrifflichen Voraussetzungen eines Kulturdenkmals erfüllt, nicht automatisch dem Schutz des Gesetzes. Vielmehr sind die den Eigentümer belastenden Denkmalschutzvorschriften (Erhaltungs- und Instandhaltungspflichten, Genehmigungspflichtigkeit baulicher Veränderungen, Vorkaufs- und Enteignungsrechte) erst dann anwendbar, wenn das jeweilige Bauwerk förmlich unter Schutz gestellt worden ist. Dies geschieht i.d.R. durch eine Eintragung in ein Denkmalbuch oder eine Denkmalliste. Unbeschadet des Umstandes, daß es sich hierbei um eine gebundene Entscheidung handelt, ist die sachbezogene Regelung der Eintragung, genauer der die Denkmaleigenschaft und Eintragung regelnde Bescheid 2 5 , also ein gestaltender Verwaltungsakt im Sinne unserer 24
Es gilt uneingeschränkt für Baudenkmäler noch in Nordrhein-Westfalen, Bremen und Hamburg (vgl. Hönes, Die Unterschutzstellung, S. 184 ff.; Kummer, S. 63 ff; Erbguth/Paßlick/Püchel, S. 18 ff; a.A. Appel/Melchinger für die Rechtslage in Bremen). Hessen ersetzte durch Gesetz vom 22.08.1986, das bisherige Mischsystem, bei dem Kulturdenkmäler nur bei einer Eintragung in das Denkmalbuch den sog. besonderen Schutzbestimmungen des Gesetzes (insbes. Unterhaltspflicht, Genehmigungspflicht wesentlicher Änderungen, Veränderungssperre) unterlagen, durch ein reines System des unmittelbar kraft Gesetzes geltenden Denkmalschutzes mit nur nachrichtlicher Eintragung in die Denkmalliste (vgl. Hess. VGH, U. v. 23.01.1992 - 4 UE 3467/88, JURIS Nr. MWRE105939200 = NVwZ-RR 1993, 462 = BRS 54 Nr. 122; Niebaum/Eschbach, DÖV 1994, 12 ff.). Berlin hat durch das Denkmalschutzgesetz vom 24.4.1995 das nach bisherigem Recht uneingeschränkt geltende Verfahren der konstitutiven Unterschutzstellung durch Verwaltungsakt für alle Denkmale durch das System der Begründung des Denkmalschutzes unmittelbar kraft Gesetzes abgelöst (OVG Berlin, U. v. 3.1.1997 2 B 10/93, LKV 1998, 152 = BauR 1998, 773; Franzmeyer-Werbe DÖV 1996, 950 ff.; Schneider, BauR 1998, 733 (734)). In den neuen Bundesländern hat nur Brandenburg für Baudenkmale das Eintragungsprinzip eingeführt (vgl. Niebaum/Eschenbach, DÖV 1994, 12 (13); Franzmeyer-Werbe DÖV 1996, 950). 25 Die im Denkmalrecht vorherrschende Meinung geht zwar von der dogmatischen Rechtsfigur des dinglichen Verwaltungsaktes aus und qualifiziert die Eintragung selbst als Verwaltungsakt, nämlich als adressatlose, sachbezogene Allgemeinverfügung, mit der gemäß § 35 Satz 2, 2. Alt. VwVfG die öffentlich-rechtliche Denkmaleigenschaft der eingetragenen Sache geregelt werde (OVG NW, U. v. 26.5.1988 - I I A 645/87 (zit. nach Memmesheimer/Upmeier/Schönstein, § 3 Rn. 49); Memmesheimer/Upmeier/ Schönstein, § 3 Rn. 28, 49, 82, 111 f.; Rothe, § 3 Rn. 2; Schmittat, S. 63; Kummer, S. 70; Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs. 1 Rn. 28; differenzierend Franzmeyer-Werbe DÖV 1996, 950 (951)). Nach § 43 Abs. 1, § 41 Abs. 1 und 3 VwVfG wird jedoch auch eine Allgemeinverfügung erst in dem Zeitpunkt dem Betroffenen gegenüber wirksam, in dem sie ihm individuell oder öffentlich bekanntgegeben wird. Soweit nicht ausnahmsweise die Körperschaft der zuständigen Denkmalbehörde
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Definition 26 . Diese Gesetzestechnik führt zu einer Zweistufigkeit des Denkmalschutzverfahrens 27. Ziel des formlichen Eintragungsverfahrens ist allein die verbindliche Konkretisierung des gesetzlichen Denkmalbegriffes, welche es der Denkmalschutzbehörde, dem Eigentümer und fachfremden Behörden unmöglich macht, sich rechtlich wirksam auf eine anderweitige Gesetzesinterpretation zu berufen 28.
selbst Eigentümerin des eingetragenen Objektes ist, bedarf die Eintragung, welche zunächst nur ein verwaltungsinterner Akt ist, der Bekanntgabe nach außen, um rechtlich existent zu werden und damit die beabsichtigten Rechtswirkungen zu erzeugen (Memmesheimer/Upmeier/Schönstein, § 3 Rn. 112, 64, 69). Der in § 3 Abs. 3 nw DSchG zu Recht ausdrücklich vorgeschriebene Bescheid ist deshalb das Mittel der Bekanntgabe (§ 41 VwVfG), mit dem die sachbezogene Regelung der Eintragung (der sog. materielle Verwaltungsakt) dem jeweiligen Betroffenen nicht nur zur Kenntnis gebracht wird, sondern gem. § 43 Abs. 1 VwVfG - zumindest ihm gegenüber - erst wirksam wird (Memmesheimer/Upmeier/Schönstein, § 3 Rn. 112, 63). Der Bescheid über die Eintragung ist deshalb eine auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtete Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls i.S. von § 35 VwVfG und für den Eigentümer des als Denkmal eingetragenen Objekts oder für den sonstigen Betroffenen der rechtliche Anknüpfungspunkt, um mit Rechtsmitteln gegen die im Bescheid bekanntgegebene Regelung der Denkmaleigenschaft vorzugehen (Memmes heimer/Upmeier/Schönstein, §3 Rn. 82 unter Hinweis auf OVG NW, U. v. 7.7.1988 - I I A 1172/86; Hönes, Die Unterschutzstellung, S. 195-197). Da mit einer Anfechtungsklage gegen den Bescheid die im Bescheid bekanntgegebene sachbezogene Regelung der Eintragung angegriffen wird, erübrigt sich für den Adressaten eine gesonderte Anfechtung der Eintragung (Memmesheimer/Upmeier/Schönstein, § 3 Rn. 82 unter Hinweis auf OVG NW, U. v. 7.7.1988 H A H 72/86), es sei denn, die Eintragung wäre ihm zuvor schon anders als durch den Bescheid bekanntgegeben worden. Das Beispiel zeigt, daß die Rechtsfigur eines adressatlosen „dinglichen" Verwaltungsaktes zur praktischen Lösung von Rechtsproblemen kaum geeignet ist, weil auch ein Verwaltungsakt mit einer sachbezogenen Regelung gemäß § 43 Abs. 1 VwVfG erst dann Rechtswirkungen gegenüber dem jeweiligen Betroffenen entfalten kann, wenn diesem die Regelung bekanntgegeben wird. Mit der Bekanntgabe ist die Regelung dann aber nicht mehr adressatenlos, so daß der Versuch, das Merkmal der Einzelfallregelung zunächst von den betroffenen Personen zu lösen, sinnlos ist (J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 311-315). Die Frage, ob eine Aussage über die materielle Rechtslage eine verbindliche Einzelfallregelung enthält, kann man nur positiv beantworten, wenn man zugleich angibt, für wen diese Aussage in welcher rechtlichen Beziehung zu einem anderen Rechtssubjekt verbindlich sein soll. Daher werden in der vorliegenden Untersuchung sachbezogene Verwaltungsakte auch nicht als ein eigenständiger Regelungstypus aufgeführt, sondern unmittelbar als Regelungen i.S. des § 35 Satz 1 VwVfG betrachtet, welche dem Adressaten oder sonstigen Betroffenen gegenüber verbindlich den Benutzungsstatus oder eine andere öffentlich-rechtliche Eigenschaft der Sache rechtsgestaltend oder -feststellend regeln. 26 Franzmeyer-Werbe DÖV 1996, 950 (951 f.). 27 Kummer, S. 80; Erbguth/Paßlick/Püchel, S. 24 f.; Hönes, NVwZ 1986, 190 f.; ders.y Die Unterschutzstellung, S. 235 ff. 28 Franzmeyer-Werbe DÖV 1996, 950 (951 f.).
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
Bei einem derart wertungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff kommt der Klarstellungsfunktion dieser Entscheidung eine besondere Bedeutung zu. Sie dient einerseits dem öffentlichen Interesse, weil sie dem Eigentümer und fachfremden Behörden die Schutzwürdigkeit häufig erst bewußt macht und außer Zweifel stellt. Weil er den Pflicht- und Sanktionsnormen des jeweiligen DSchG erst nach Durchführung eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens unterworfen ist, liegt die Konstruktion, den Rechtsstatus als geschütztes Denkmal erst durch eine rechtsgestaltende Entscheidung zu begründen, unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit auch im Interesse des Eigentümers 29. Über den Inhalt und die zumutbaren Grenzen der sich aus der Unterschutzstellung ergebenden materiellen Pflichten des Eigentümers wird dann allerdings ggf. erst in einem nachfolgenden bau- oder denkmalrechtlichen Anzeige-, einem Genehmigungs- oder sonstigen Verwaltungsverfahren entschieden30. Ein solches zweistufiges Verfahren mit einer präventiven Feststellung der Denkmaleigenschaft hat die unvermeidliche Konsequenz, daß der Eigentümer eines Gebäudes, das die zuständige Behörde mit der Eintragung als Denkmal einstufen will, sich ggf. zu einem Zeitpunkt für oder gegen eine Anfechtung dieser aus seiner Sicht (möglicherweise) unzutreffenden Klassifizierung entscheiden muß, zu dem er noch gar nicht weiß, ob die Eintragung für ihn später einmal tatsächlich nachteilige Auswirkungen haben wird, weil er das Gebäude dann nur noch unter Beachtung der denkmalrechtlichen Schutzbestimmungen nutzen, umbauen oder abreißen darf, oder ob er durch Subventionen oder eine steuerliche Förderung des Erhalts und der Sanierung seines Gebäudes von der Denkmaleigenschaft profitieren wird. Verzichtet er im Hinblick auf die erwarteten Vorteile auf die Anfechtung des Eintragungsbescheides, so muß er auch die aus der verbindlichen Regelung der Denkmaleigenschaft resultierenden Nachteile künftig hinnehmen. Die dem Eigentümer als Obliegenheit zur Wahrnehmung der eigenen Interessen auferlegte Anfechtungslast 31 ist so die Kehrseite des Gewinns an Rechtsklarheit, welches ein System der rechtsgestaltenden Eintragung gegenüber einem System mit unmittelbar kraft Gesetzes geltenden Schutzvorschriften bietet.
b) Unterschutzstellung ipso lege mit nachrichtlichen Listen Nach dem Prinzip der Unterschutzstellung ipso lege mit einer nur nachrichtlichen Liste ist jedes Bauwerk, welches die Merkmale der Legaldefinition 29
Kummer, S. 75 ff.; Erbguth/Paßlick/Püchel, S. 21; Hönes, NVwZ 1986, 190 f.; ders., Die Unterschutzstellung, S. 235 ff.; Niebaum/Eschenbach, DÖV 1994, 12 (14 ff.). 30 Vgl. dieNachw. in Fn. 27. 31 Zur Anfechtungslast vgl. unten Teil 5, C.
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erfüllt, ein geschütztes Kulturdenkmal 32. Die Ge- und Verbotstatbestände (einschließlich der Genehmigungsvorbehalte) gelten für diese Objekte ohne Zwischenschaltung einer Verwaltungsentscheidung unmittelbar kraft Gesetzes. Der Begriff der nachrichtlichen Liste soll nicht etwa einen Gegensatz zu geheim geführten Listen andeuten oder eine Veröffentlichungspflicht ausdrücken. Vielmehr enthält die nachrichtliche Liste jeweils nur - richtige oder falsche Informationen (Nachrichten) über die ohnehin kraft Gesetzes bestehende Denkmaleigenschaft, aber keine verbindliche und für spätere Entscheidungen präjudizielle Regelung 13 der Denkmaleigenschaft. Ist ein Bauwerk in die Liste eingetragen, so sollen die in der Liste enthaltenen Tatsachenangaben und fachkundigen, aber rechtlich unverbindlichen Bewertungen es den Betroffenen und den für den Vollzug der denkmalschutzrechtlichen Vorschriften zuständigen Behörden ermöglichen, bei ihrem künftigen Verhalten und ihren künftigen Entscheidungen ohne umfangreiche eigene Ermittlungen die denkmalrechtlichen Vorschriften zu beachten. Ob ein Bauwerk den Tatbestand der gesetzlichen Denkmaldefinition erfüllt, kann und muß dann grundsätzlich in jedem Verwaltungsoder Gerichtsverfahren incidenter mitgeprüft werden, in dem diese Rechtsfrage entscheidungserheblich ist (sog. einstufiges Denkmalschutzverfahren) M.
32 So für die Baudenkmäler seit langem die Rechtslage in Bayern, Niedersachsen und mit gewissen Einschränkungen im Saarland (vgl. Kummer, S. 71 ff.; Erbguth/Paßlick/ Püchel, S. 20 f.; Hönes, Die Unterschutzstellung, S. 218 ff.). Mit dem Ziel eines effizienteren Denkmalschutzes ersetzten Hessen und Berlin 1986 bzw. 1995 das in diesen Ländern (teilweise) geltende Eintragungsprinzip durch ein unmittelbar kraft Gesetzes geltendes Schutzsystem; mit Ausnahme Brandenburgs haben sich die neuen Bundesländer für einen ipso iure geltenden Denkmalschutz entschieden (vgl. dazu Fn. 24). Für die Bodendenkmäler gilt der Denkmalschutz unmittelbar kraft Gesetzes allerdings meist auch in den anderen Ländern (vgl. Kummer, S. 71 ff.; Erbguth/Paßlick/Püchel, S. 20 f.; Hönes, Die Unterschutzstellung, S. 218 ff.). 33 Vgl. die Nachweise in Fn. 24 und 32; a.A. Kopp, VwVfG, § 35 Rn. 10; Appel/ Melchinger, VerwArch 84 (1993), 349 (381 f.) Appel/Melchinger bejahen den Regelungscharakter wegen ihrer Ausdehnung des Regelungsbegriffs auf sämtliche Aussagen einer Behörde, die eine Rechtsanwendung enthalten. Ihr einschränkendes Kriterium der „verbindlichen Außenwirkung" müßte an sich zu den gleichen Ergebnissen führen. Angesichts ihrer knappen Ausführungen bleibt aber unklar, ob Abweichungen von den Bewertungen der hier angeführten denkmalschutzrechtlichen Literatur auf ihrer abweichenden Auslegung der Legaldefinition des § 35 VwVfG oder auf einer unzureichenden Analyse der vielfaltigen denkmalrechtlichen Bestimmungen beruhen. 34 Vgl. Kummer, S. 71 ff.; Erbguth/Paßlick/Püchel, S. 20 f.; Hönes, Die Unterschutzstellung, S. 218 ff. Allerdings hat das OVG Berlin, in seinem Urteil vom 3.1.1997 - 2 B 10/93, LKV 1998, 152 ff. = BauR 1998, 773 ff., im Rahmen einer verfassungskonformen Interpretation die Anwendung der gesetzlichen Pflichtnormen letztlich auf solche Denkmale beschränkt, die gesetzliche Denkmaldefinition erfüllen und in die nachrichtliche Denkmalliste eingetragen sind und solche Denkmale, bei denen die Denkmaleigenschaft evident ist oder der Verantwortliche durch die Ankündigung der Eintragung oder auf andere Weise hinreichend zuverlässige Kenntnisse von der Denkmaleigen-
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
Für einen - durch eine nachrichtliche Liste ergänzten - Denkmalschutz kraft Gesetzes werden im wesentlichen drei Effizienzgesichtspunkte angeführt. Eine Pflicht zur Erhaltung des schutzwürdigen Objektes bestehe bei einem System gesetzlicher Pflichten auch dann unmittelbar, wenn sich dem jeweiligen Normadressaten ohne Eintragung die Erkenntnis aufdrängen muß, daß im konkreten Einzelfall ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Bauwerkes besteht. Durch die unmittelbar kraft Gesetzes geltenden Pflichten könne der angestrebte Schutz zumindest in Evidenzfallen auch bei neu entdeckten Denkmalen sowie dann erreicht werden, wenn bei der Führung der Denkmallisten Erfassungsdefizite bestünden. Darüber hinaus werde der aus der Praxis der konstitutiven Schutzverfahren bekannten Gefahr vorgebeugt, daß der Eigentümer in Erwartung einer bevorstehenden Unterschutzstellung noch schnell denkmalbeeinträchtigende oder -vernichtende Maßnahmen vornimmt, beispielsweise bei einem eingeleiteten Unterschutzstellungsverfahren die Anhörungsfrist hierfür ausnutzt35. Als ein die Abschaffung präventiver Verwaltungsverfahren rechtfertigender Gesichtspunkt wird in den vergangenen Jahren aber - ähnlich wie bei den Investitionserleichterungs- und Beschleunigungsgesetzen im Umweltrecht - auch im Denkmalschutzrecht nicht nur eine mögliche Verbesserung des Schutzes sondern vor allem auch die Verringerung des Verwaltungsaufwands angeführt. So hat der Berliner Gesetzgeber das nach seiner Bewertung schwerfällige und zeitaufwendige konstitutive Unterschutzstellungsverfahren durch anfechtbaren Verwaltungsakt nach vorheriger Anhörung und das gleichfalls relativ umständliche vorläufige Unterschutzstellungsverfahren durch die Einführung des Listenprinzips u.a. abgelöst, um eine erhebliche Vereinfachung des Verwaltungsaufwands und eine Beschleunigung des Verfahrens zu bewirken 36 . Allerdings ist festzustellen, daß auch ein System der Unterschutzstellung kraft Gesetzes nicht in der Lage ist, die Erhaltung und Pflege sämtlicher Bauwerke zu erreichen, welche die gesetzliche Definition eines Kulturdenkmals erfüllen. Denn soweit es sich nicht um Evidenzfalle handelt, sind die Eigentümer i.d.R. zur Beurteilung der Schutzwürdigkeit ihres Gebäudes nicht selbst in der Lage, die relevanten Bewertungsmaßstäbe eines Historikers, Volkskundlers, Kunsthistorikers oder eines anderen wissenschaftlichen Sachverständigen auf schaft erlangt hat. Schneider, BauR 1998, 733 (735 ff), hat dem OVG Berlin vorgeworfen, hier die Grenzen der verfassungskonformen Interpretation überschritten zu haben. Demgegenüber hat das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf seine ständige Rechtsprechung zur Befugnis des Landesgesetzgebers, zwischen den Vor- und Nachteilen beider denkmalrechtlicher Schutzsystemen abzuwägen und sich für einen Denkmalschutz kraft Gesetzes zu entscheiden, die Revision nicht zugelassen (BVerwG, B. v. 9.10.1997- 6 B 42/97, LKV 1998, 150 f.). 35 Franzmeyer-Werbe DÖV 1996, 950 (953). 36 Vgl. die Nachweise in OVG Berlin, U. v. 3.1.1997 - 2 B 10/93, LKV 1998, 152 (157) = BauR 1998, 773 ff. und Schneider, BauR 1998, 733 (734, 738).
F. Feststellende und gestaltende Verwaltungsakte als Mittel des Gesetzgebers
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dem jeweiligen Fachgebiet37 anzuwenden. Wenn keine ausreichende Informationsmöglichkeit über die Denkmaleigenschaft besteht, werden sie bei einem nicht in die Denkmalliste eingetragenen, aber „denkmalverdächtigen" Bauwerk selbst dann, wenn sie dessen mögliche Bedeutung erkannt haben, die gesetzlichen Schutznormen oft gefahrlos ignorieren können, weil sie sich in einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren, das wegen einer Verletzung der denkmalrechtlichen Vorschriften eingeleitet wird, im Zweifelsfall erfolgreich auf die behauptete eigene Unwissenheit berufen können 38 . Im Hinblick auf den aus mehreren unbestimmten Rechtsbegriffen zusammengesetzten Begriff des Kulturdenkmals, für dessen Ausfüllung nicht die Wertmaßstäbe der potentiellen Normadressaten, sondern die wissenschaftlicher Sachverständiger gelten, ist geltend gemacht worden, die ipso iure geltenden Schutzsysteme verstießen mit ihren unmittelbar geltenden, z.T. sanktionsbewehrten Pflichtnormen gegen den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz und das Gebot effektiven Rechtsschutzes 39. Dem hat die Rechtsprechung entgegengehalten, daß die durch den im Hinblick auf die Materie unvermeidliche offen formulierten Denkmalbegriff entstehende Rechtsunsicherheit durch die nachrichtlichen Denkmallisten und ergänzende behördliche Informations- und Auskunftspflichten erheblich reduziert und deren Konsequenzen durch eine verfassungskonforme Auslegung der Pflicht- und Sanktionsnormen weiter begrenzt werden könnten; bei Vorliegen eines berechtigten Feststellungsinteresses sei ein effektiver Rechtsschutz jedenfalls durch das Instrument der vorbeugenden Feststellungsklage gewährleistet 40. Mit der gleichen Zielsetzung will ein Teil der Literatur dem Betroffenen das Recht geben, bei der Denkmal37
Moench, NVwZ 1984, 146 (147); ders., NVwZ 1988, 304 (m.w.N.). Als Indiz für die mangelnde Vollzugseignung eines reinen, nicht durch behördliche Informationspflichten und Feststellungsbefugnisse ergänzten Systems der Unterschutzstellung ipso lege vgl. die zahlreichen Beispiele bei Kummer, S. 50 ff. Offenkundig kann ein System gesetzlicher Pflichten Vollzugsdefizite bei der Erfassung schutzwürdiger Objekte kaum ausgleichen, weil die Denkmal Schutzbehörden ohne Kenntnis der normativ geschützten Denkmäler dann auch die Beachtung der gesetzlichen Schutzvorschriften nicht durchsetzten oder Verstöße nicht ahnden können. 39 Umfassend die Kritik bei Niebaum/Eschenbach, DÖV 1994, 12 (14 ff.); Bedenken auch bei Hönes, Die Unterschutzstellung, S. 269; Moench, NVwZ 1988, 304 (307); Schneider, BauR 1998, 733 (735); weitere Nachweise bei Franzmeyer-Werbe, DÖV 1996, 950 (Fn. 2). Das OVG NW sah § 62 Landschaftsgesetz NW, der den unmittelbaren gesetzlichen Biotopschutz des § 20c BNatSchG umsetzt, mit vergleichbaren Argumenten als verfassungswidrig an (OVG NW, U. v. 15.08.1994 - 7 A 2883/92, JURIS Nr. MWRE295004251 = NuR 1995, 301); das Bundesverfassungsgericht (Kammerbeschluß v. 16.9.1998 - 1 BvL 21/94, JURIS Nr. KVRE284049801) hat diese Richtervorlage mangels Entscheidungserheblichkeit als unzulässig abgewiesen. 40 BVerwG, B. v. 26.04.1996 - 4 B 19/96, JURIS Nr. WBRE4100002263; B. v. 9.10.1997 - 6 B 42/97, LKV 1998, 150 (151 m.w.N.); OVG Berlin, U. v. 3.1.1997 2 B 10/93, LKV 1998, 152 = BauR 1998, 773 ff. 38
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behörde einen feststellenden Verwaltungsakt über die Denkmaleigenschaft zu beantragen 41. Im Hinblick auf die spätere Untersuchung der Vorbehaltsfrage ist hier darauf hinzuweisen, daß die Beantwortung der Fragen, wann eine Erklärung der zuständigen Behörde, ein Objekt unterliege als Kulturdenkmal dem Schutz des Gesetzes, als feststellender Verwaltungsakt zu qualifizieren ist und ob die Behörde zum Erlaß einer solchen verbindlichen Entscheidung berechtigt ist, in Rechtsprechung und Literatur bei allen Denkmalschutzgesetzen umstritten ist, die bei einer ex lege bestehenden Denkmaleigenschaft und darauf aufbauenden gesetzlichen Pflichten kein besonderes Verwaltungsverfahren zur Feststellung der Denkmaleigenschaft vorsehen 42.
c) Gemischte Schutzsysteme Andere Gesetzgeber haben schließlich die beiden soeben geschilderten denkmalrechtlichen Schutzsysteme miteinander kombiniert In diesen Bundesländern unterliegen alle Kulturdenkmäler im Sinne der Legaldefinition unmittelbar bestimmten allgemeinen Schutzvorschriften. Mit der Eintragung ins Denkmalbuch genießen sie jedoch einen zusätzlichen Schutz, der ihrem Eigentümer stärkere oder andersartige Verpflichtungen auferlegt 43. Die gesetzlich 41 Hönes, Die Unterschutzstellung, S. 218 ff. (m.w.N.); Franzmeyer-Werbe DÖV 1996, 950 (954). 42 Die Möglichkeit und Befugnis einer feststellenden Befugnis bejahen: VGH BW, U. v. 23.4.1982 - 5 S 2334/81, NVwZ 1983, 100; Moench, NVwZ 1984, 146 (148); Kummer, S. 72 ff; Hönes, Die Unterschutzstellung, S. 218 ff. (m.w.N.); Appel/ Melchinger, VerwArch 84 (1993), 349 (381); Franzmeyer-Werbe DÖV 1996, 950 (954); offengelassen durch: OVG Berlin, U. v. 3.1.1997 - 2 B 10/93, LKV 1998, 152 (156); ablehnend dagegen OVG Lüneburg, U. v. 17.2.1987 - 6 A 31/87, BRS 49 Nr. 148 (Vorbehalt des Gesetzes); Niebaum/ Eschenbach, DÖV 1994, 12 (20 f.: Vorrang des Gesetzes, bei dem der gesetzliche Schutz nicht von einer behördlichen Entscheidung abhängig sein solle). Zur Frage, ob der Antrag als freiwillige Übernahme der Anfechtungslast (Einwilligung) die fehlende gesetzliche Ermächtigung für einen Feststellungsbescheid über die Denkmaleigenschaft ersetzen kann, vgl. unten Teil 7, C. 43 Mit einem jeweils unterschiedlichen Umfang der unmittelbar kraft Gesetzes geltenden Verpflichtungen des Eigentümers gilt ein kombiniertes Schutzsystem in Baden-Württemberg, wo allerdings nur Denkmäler von besonderer Bedeutung eintragungsfähig sind (VGH BW, U. v. 23.4.1982 - 5 S 2334/81, NVwZ 1983, 100; U. v. 30.7. 1985 - 5 S 229/85, NVwZ 1986, 240 (241); Kummer, S. 69, 71; Erbguth/ Paßlick/Püchel, S. 21; Hönes, Die Unterschutzstellung, S. 210 ff.), Schleswig-Holstein (OVG Lüneburg, U. v. 16.1.1984, DVB1. 1984, 284; Hönes, Die Unterschutzstellung, S. 184 Fn. 66, S. 214) und Rheinland-Pfalz (OVG Koblenz, U. v. 5.6.1985 - 8 A 76/84, NVwZ 1986, 236; Hönes, NVwZ 1986, 190 (191); wohl a.A. Appel/Melchinger, VerwArch 84 (1993), 349 (381 Fn. 113)). Dasfrühere hessische Mischsystem, bei dem jedoch die wesentlichen Pflichten erst durch eine Eintragung entstanden (VGH Kassel, U. v. 28.11.1984 - 11 UE 139/84, NVwZ 1986, 237 f.; Hönes, NVwZ 1986, 190 (191), ist durch ein Schutzsystem ipso lege ersetzt worden (vgl. oben Fn. 24).
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geregelte Eintragung wirkt hier also hinsichtlich des auch ohne Eintragung geltenden allgemeinen Schutzes feststellend (deklaratorisch), hinsichtlich der zusätzlichen Schutzbestimmungen dagegen gestaltend (konstitutiv), da die in diesen Normen vorgesehenen Verpflichtungen des Eigentümers erst durch die Eintragung entstehen44.
3. Schutz der Bodendenkmäler Das Denkmalrecht gibt auch ein anschauliches Beispiel dafür, wie der gesetzgeberischen Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Regelungstechniken objektiv aus der Natur der Sache bei verwaltungsfernen Sachverhalten Grenzen gesetzt sind. Ein zweistufiges Verwaltungsverfahren ist zumindest dort und solange nicht effektiv, wie die zuständigen Behörden keine Kenntnis vom schutzwürdigen Objekt haben können. Dies ist bei den Bodendenkmälern bis zu ihrer Entdeckung der Fall. Auch diejenigen Länder, die bei den Baudenkmälern das System konstitutiver Eintragung streng verwirklicht haben, legen daher demjenigen, der ein bisher verborgenes Bodendenkmal (z.B. bei Bauarbeiten) entdeckt hat, in der Regel unmittelbar kraft Gesetzes zumindest die Pflicht auf, dies der zuständigen Denkmalbehörde anzuzeigen und das Denkmal und die Entdeckungsstätte bis zur fristgebundenen Untersuchung und Entscheidung der Denkmalbehörde über die Bergung, die Freigabe oder den weiteren Schutz zu erhalten 45. Die praktischen Erfahrungen der Denkmalbehörden mit einem Classement-System, das dagegen auch für den Schutz der Bodendenkmäler eine konstitutive Eintragung in die Denkmalliste voraussetzt, haben zu der bissigen Bemerkung geführt, es sei schon ein Glück für die Wissenschaft der Archäologie, daß die Gletschermumie Oetzi nicht in Bayern gefunden wurde 46 .
44 45 46
Erbguth/Paßlick/Püchel, S. 21. So z.B. §§ 15, 16 nw DSchG. Martin, BayVBl. 1999, 225 (228).
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G. Rechtsgrund und Grenzen der Verbindlichkeit von befehlenden, gestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten I. Die Suche nach einem dogmatischen System im Labyrinth der Meinungen und Begriffe Auf der Suche nach dem Rechtsgrund und den objektiven, subjektiven und zeitlichen Grenzen der hier mit dem Begriff der Verbindlichkeit bezeichneten Regelungs- und der Bindungswirkungen der Verwaltungsakte gerät man nicht nur in ein seit Forsthoff x beinahe schon sprichwörtliches Labyrinth der Meinungenin dem selbst bei den dogmatischen Grundlagen „so gut wie alles streitig" ist2. Zugleich herrscht eine als geradezu babylonisch zu bezeichnende 3 Begiffsverwirrung . Neben und im Zusammenhang mit der Verbindlichkeit des Verwaltungsaktes werden in der Literatur und Rechtsprechung u.a. folgende Begriffe gebraucht und häufig in unterschiedlicher Weise miteinander verknüpft: äußere Wirksamkeit 4 , innere Wirksamkeit 5 , formelle und materielle Bestandskraft 6, Maßgeblichkeit7, Selbstbindung8, Bindungswirkung 9, Bindungs-
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Forsthoff, S. 253; J. Ipsen, Die Verwaltung 17 (1984), 169 (170 f.). Forsthoff, S. 253; Knöpfte, BayVBl. 1982, 225 (226); Haaf, S. 81; Seibert, S. 37 f., 69 ff. 3 J. Ipsen, Die Verwaltung 17 (1984), 169 (170 f.); Seibert, S. 37 f., 69 ff.; Haaf, S. 81. 4 Mit diesem Begriff wird die rechtliche Existenz des Verwaltungsaktes als ein regelnder Rechtsakt bezeichnet; § 43 VwVfG regelt nach h.M. zumindest diese sog. äußere Wirksamkeit (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 43 Rn. 155 f.; Battis, Allg. VerwR, S. 188 f.; Knoke, S. 72; Seibert, S. 204 ff.; a.A. Schmidt-De Caluwe, Die Wirksamkeit des Verwaltungsakts - Zur Neubestimmung der Regelung des § 43 VwVfG, VerwArch 90 (1999), 49 (54 ff.) mit Überblick über die verschiedenen Varianten der Unterscheidung zwischen äußerer und innerer Wirksamkeit auf S. 50 ff.). 5 Unter innere Wirksamkeit wird meist, ähnlich wie das Inkrafttreten bei einem Gesetz, die Fähigkeit des Verwaltungsaktes verstanden, die mit ihm angestrebten bzw. kraft Gesetzes verbundenen Rechtswirkungen gegenüber der erlassenden Behörde, dem Adressaten, drittbetroffenen Bürgern oder nicht zu seiner Aufhebung befugten Behörden bzw. Gerichten zu entfalten (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 43 Rn. 157 ff.; Battis, Allg. VerwR, S. 188 f.; Knoke, S. 73 ff.; Seibert, S. 206). 6 Z.B. PrOVGE 83, 355 (362); BVerwG, U. v. 6.6.1975 - 4 C 15.73, BVerwGE 48, 271 (274 ff.); Erichsen/ Knoke, NVwZ 1983, 185 (188 f.); Kopp, DVB1. 1983, 392 (397 ff.); Kopp, VwVfG, vor § 35 Rn. 23 f.; Merten, NJW 1983, 1993 ff.; J. Ipsen, Die Verwaltung 17 (1984), 169 (178 ff.); Maurer, Allg. VerwR, § 11 Rn. 5-7. 7 Z.B. Knöpfte, BayVBl. 1982, 225 (228 ff). 8 Krause, Rechtsformen, S. 147 ff. 9 BVerwG, U. v. 17.10.1989 - 1 C 18/87, BVerwGE 84, 11 (14 f.); B. v. 5.2.1996 1 B 18/96, GewArch 1996, 240 f.; Sächs. OVG, B. v. 4.4.1997 - 1 S 149/97, LKV 1997, 374; J. Ipsen, Die Verwaltung 17 (1984), 169 (186 ff.); Seibert, S. 37 ff., passim; Kollmann, DÖV 1990, 189. 2
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kraft 10 , präjudizielle Wirkung 11 , Tatbestandswirkung 12, Feststellungswirkung 13 und Gestaltungswirkung 14. Nimmt man den Zeitpunkt des Eintritts der Verbindlichkeit als Einteilungskriterium, so können wir unterscheiden zwischen verschiedenen Varianten der Lehre von der materiellen Bestandskraft einerseits und bestandkraftunabhängigen Abweichungsverboten andererseits, d.h. dogmatischen Konstruktionen, die eine Verbindlichkeit, insbesondere eine Bindungswirkung für Folgebescheide der erlassenden oder anderer Behörden bereits mit der in § 43 VwVfG geregelten Wirksamkeit eintreten lassen. Jedoch begründet nur ein Teil der Literatur die Verbindlichkeit der Verwaltungsakte einheitlich und umfassend entweder mit der materiellen Bestandskraft oder der Wirksamkeit des Verwaltungsakts. Das verwirrende Bild entsteht vor allem dadurch, daß von einer Vielzahl von Autoren die Verbindlichkeit von Verwaltungsakten teils auf deren materielle Bestandskraft und teils mittels bestandskraftunabhängiger Konzeptionen, insbesondere die der Gestaltungswirkung und die der Tatbestandswirkung, auf deren Wirksamkeit zurückführt. Eine umfassende Darstellung und systematische Aufarbeitung der Terminologie und der dahinterstehenden dogmatischen Konzepte wurde bereits mit der Monographie über „Die Bindungswirkung von Verwaltungsakten" von M.-J. Seibert 15 geleistet. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchimg genügt daher ein Überblick darüber, welche Aussagen über die objektiven, subjektiven und zeitlichen Grenzen der Verbindlichkeit mit den gängigsten Begriffen getroffen werden und eine Festlegung, welche dogmatische Konzeption der weiteren Untersuchung zugrunde gelegt wird.
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Krause, Rechtsformen, S. 147. Braun, S. 14.; Seibert, S. 59 ff. 12 Meist im Anschluß an Kormann AöR 30 (1913), 253 (256 f.); JöR VII (1913), 1 (14 f.). Zu den verschiedenen Bedeutungen, mit denen dieser Begriff verwendet wird, vgl. unten IV.3.b) m.w.N. 13 Zur Überflüssigkeit eines eigenständigen Begriffs und Rechtsinstituts der Feststellungswirkung von nicht zum Regelungsinhalt gehörenden Gründen eines Verwaltungsakts vgl. Seibert, S. 131 ff. 14 Vgl. Fn. 50. 15 S. 69 ff; zum Begriff der „Wirksamkeit" vgl. ergänzend Schmidt-De Caluwe, VerwArch 90 (1999), 49 ff. 11
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II. Regelungswirkung, Verbindlichkeit und Vollstreckbarkeit befehlender Verwaltungsakte Zur Pflicht des Adressaten, das in einem befehlenden Verwaltungsakt enthaltene Ge- oder Verbot zu befolgen, findet man meist die Aussage, daß jeder wirksame Verwaltungsakt gemäß § 43 VwVfG grundsätzlich mit der Bekanntgabe zu beachten, es sei denn, daß diese Wirksamkeit durch die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage gegen den Verwaltungsakt gehemmt worden ist 1 6 . Insoweit sieht die h.M. den Rechtsgrund der Verbindlichkeit bei befehlenden Verwaltungsakten nicht erst in der materiellen Bestandskraft, sondern bereits in der Wirksamkeit der hoheitlichen Regelung. Jedoch ist aufgrund der dies ausdrücklich anordnenden Regelungen in den jeweiligen Verwaltungsvollstreckungsgesetzen allgemein anerkannt, daß ein befehlender Verwaltungsakt erst dann mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden kann, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtsmittel kraft Gesetzes17 oder aufgrund einer Anordnung der sofortigen Vollziehung keine aufschiebende Wirkung hat n. Demgegenüber nahm Joachim Martens aufgrund der vollstreckungsrechtlichen Vorschriften an, die Regelung eines befehlenden Verwaltungsaktes werde noch nicht mit Eintritt der Wirksamkeit verbindlich, sondern grundsätzlich erst mit Eintritt der (materiellen) Bestandskraft 19. In der Dogmatik des allgemeinen Verwaltungsrechts werden die Begriffe der formellen und materiellen Bestandskraft gebraucht, um in Anlehnung und Abgrenzung zu den etablierten Begriffen der formellen und materiellen Rechtskraft des Urteils Fragen der Rechtsbeständigkeit und Maßgeblichkeit des Verwaltungsaktes zu erörtern. Der Begriff der formellen Bestandskraft bezeichnet die Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes. Sie tritt ein, wenn der Verwaltungsakt nicht oder nicht mehr mit ordentlichen Rechtsbehelfen angegriffen werden kann; das ist der Fall, wenn die Rechtsbehelfsfristen abgelaufen sind, der Betroffene auf die Einlegung des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs wirksam verzichtet hat, sämtliche in Betracht kommenden Rechtsbehelfe erschöpft sind oder ausnahmsweise mit dem Erlaß eines Verwaltungsaktes, wenn ein Rechtsbehelf mangels Be-
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Kopp, VwVfG, vor § 35 Rn. 10-15. Gemäß § 80 Abs. 2 i.V.m. § 80b VwGO oder dem Gesetz zur Beschränkung von Rechtsmitteln in der Verwaltungsgerichtsbarkeit. 18 Kopp/Schenke, § 80 Rn. 9, 27 f. m.w.N. 19 J. Martens, Praxis, Rn. 215 f., 220-224, 238 f , 316-320; ders., KritV 1986, 104 (108 f., 117 ff.), der allerdings auf die Zusätze formelle und materielle Bestandskraft verzichtet. Zu dem von J. Martens für alle Verwaltungsakte entwickelten Begründungsansatz der materiellen Bestandskraft mit einem Prätentionsverzicht vgl. unten V.2. 17
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schwer gar nicht zulässig ist 20 . Da das Verwaltungsprozeßrecht bestimmte Rechtsbehelfsfristen für die Anfechtung des Verwaltungsaktes vorsieht, ergibt sich die Unanfechtbarkeit eines Verwaltungsaktes aus den Normen des Verwaltungsprozeßrechts. In Anlehnung an den Begriff der materiellen Rechtskraft des Urteils wird mit dem umstrittenen Begriff der materiellen Bestandskraft in der Dogmatik des Verwaltungsaktes ein Verbot bezeichnet, bei einer späteren Entscheidung vom Inhalt eines unanfechtbaren, präjudiziellen Verwaltungsakts abzuweichen 21. Durch die Kopplung an die formelle Bestandskraft wird von der Theorie der materiellen Bestandskraft also ein Abweichungsverbot zeitlich grundsätzlich von der mit der Unanfechtbarkeit eintretenden Aufhebungsbeschränkung abhängig gemacht22. Dies soll allerdings nicht bedeuten, daß der Adressat einer Verfügung in jedem Fall erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit verpflichtet wäre, die darin enthaltenen Regelungen zu befolgen. Diejenigen, die die Bestandskraft des Verwaltungsaktes als den eigentlichen Rechtsgrund der Verbindlichkeit ansehen, bestreiten nicht, daß der Adressat unmittelbar zur Befolgung einer Verfügung verpflichtet ist, bei der ein Rechtsmittel „keine aufschiebende Wirkung" hat. Diese Pflicht zur Beachtung wird jedoch nicht auf die Wirksamkeit nach § 43 VwVfG, sondern auf die Regelungen der §§80 und 80a VwGO über die sofortige Vollziehung zurückgeführt, die dann bei einer zusätzlichen normativen, behördlichen oder gerichtlichen Regelung der sofortigen Vollziehbarkeit zu einer normativen Vorwirkung der Bestandskraft des Verwaltungsaktes führe 23 bzw. als die Bestandskraft ersetzendes „Verbindlichkeitssurrogat" 24 . Der dogmatische Streit darüber, ob die Verbindlichkeit eines Verwaltungsaktes auf der Wirksamkeit oder der materiellen Bestandskraft der in ihm enthaltenen Regelung beruht, hat deshalb für den Vollzug und die Vollstreckung eines befehlenden Verwaltungsakts keinerlei praktische Konsequenzen.
20 Erichsen/Knoke, NVwZ 1983, 185 (186); Kopp, DVB1. 1983, 392 (395 ff.); Seibert, S. 139 ff.; allerdings wird teilweise vorgeschlagen, nur noch den Begriff der Unanfechtbarkeit zu verwenden (vgl. Meyer/Borgs, § 43 Rn. 12; J. Ipsen, Die Verwaltung 17 (1984), 169 (181 ff.). 21 Erichsen/Knoke, NVwZ 1983, 185 (187 ff.); Kopp, DVB1. 1983, 392 (397 ff.); ders., VwVfG, vor § 35, Rn. 23 f.; Merten, NJW 1983, 1993 (1996); umfassende Darstellung und Kritik dieser Lehre bei Seibert, S. 132 ff. m.w.N. 22 So die in Fn. 21 genannten Vertreter der Lehre von der (materiellen) Bestandskraft. Maurer, Allg. VerwR, § 11 Rn. 7 und J. Ipsen, Die Verwaltung 17 (1984), 169 (184-86.), verstehen die materielle Bestandskraft und Aufhebbarkeit dagegen als Komplementärbegriffe. Ein Verwaltungsakt soll danach erst dann materiell bestandskräftig werden, wenn er nicht mehr zurückgenommen oder widerrufen werden kann. 23 J. Martens, Praxis, Rn. 318 f. 24 J. Ipsen, Die Verwaltung 17 (1984), 169 (173 f.).
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I I I . Regelungswirkung, Verbindlichkeit und Selbstbindung bei Verwaltungsakten, die einen Anspruch gegen eine Behörde begründen oder feststellen Bei einem Bescheid, in dem einem Antragsteller eine Sozialleistung oder eine andere Begünstigung gewährt wird, ist es für alle Autoren, die die Wirksamkeit generell, d.h. auch bei belastenden Verwaltungsakten, als Rechtsgrund der Verbindlichkeit ansehen, selbstverständlich, daß die Behörde aufgrund der mit Erlaß eintretenden Wirksamkeit bereits vor Ablauf der Rechtsbehelfsfristen zur Auszahlung des bewilligten Betrages verpflichtet ist 25 . Nach der Lehre von der materiellen Bestandskraft wird der begünstigende Bescheid zwar erst mit Ablauf der Rechtsbehelfsfristen für den Adressaten und die Behörde beiderseitig verbindlich; bereits mit der Bekanntgabe soll aber eine bestandskraftunabhängige Selbstbindung der Verwaltung an die eigene Willenserklärung bestehen, aufgrund derer die erlassende Behörde zur Auszahlung verpflichtet sei 26 . Der Sache nach bedeutet dies eine an die innere Wirksamkeit geknüpfte Bindung der Verwaltung an den Regelungsinhalt ihres eigenen Verwaltungsakts; dieses Abweichungsverbot sieht man nur nicht als eine Rechtsfolge der (beiderseitigen) Verbindlichkeit an, sondern führt diese Rechtsfolge einer bestandskraftunabhängigen Erfüllungspflicht (Abweichungsverbot) auf den eigenständigen Rechtsgrund der Selbstbindung an die eigene Willenserklärung zurück. Bei einem begünstigenden Verwaltungsakt, der die Verwaltung zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen verpflichtet und dabei keine belastende Drittwirkung hat 27 , ist die Verwaltung also nach allgemeiner Meinung zu ihren eigenen Lasten an den Regelungsgehalt gebunden, wenn und solange dieser Bescheid wirksam ist und zwar unabhängig von dessen Unanfechtbarkeit (Bestandskraft).
IV. Regelungswirkung, Verbindlichkeit und Bindungswirkung bei (auch) belastender Rechtsfeststellung oder -gestaltung Zu unterschiedlichen Ergebnissen führen die verschiedenen dogmatischen Ansätze jedoch bei der verfahrensübergreifenden Bindungswirkung. Es geht hierbei um die Frage, ob und wann die erlassende oder eine fremde Behörde
25
Krause, 146 ff.; Seibert, S. 192 ff.; Meyer/Borgs, § 43 Rn. 4 f. 1 Martens, Praxis, Rn. 238 (Fn. 15); Erichsen/Knoke, NVwZ 1983, 185 (189); Kopp, VwVfG, vor § 35 Rn. 18. 27 Zu Verwaltungsakten mit belastender (Dritt-)Wirkung vgl. unten IV., V.3. 26
G. Rechtsgrund und Grenzen der Verbindlichkeit von Verwaltungsakten
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einen Verwaltungsakt als präjudiziellen Grundlagenbescheid beachten muß, wenn die in jenem Verwaltungsakt geregelte Sach- und Rechtsfrage als Vorfrage für eine nunmehr zu treffende Entscheidung über eine andere Rechtsfolge entscheidungserheblich ist.
1. Die Lehre von der Verbindlichkeit
aller wirksamen Verwaltungsakte
Ein Teil der Literatur nimmt auch hier keine Unterscheidung zwischen Selbstbindung der Behörde und der Verbindlichkeit für den Adressaten, einer inhaltlichen Bindung der erlassenden Behörde und der Bindung nicht aufhebungsbefugter Behörden an, sondern geht davon aus, daß gemäß § 43 VwVfG sämtliche nicht von den Nichtigkeitsgründen des § 44 VwVfG erfaßten Verwaltungsakte grundsätzlich bereits zu dem Zeitpunkt wirksam und verbindlich werden, in dem sie dem Adressaten oder sonstigen Betroffenen bekanntgegeben werden. Diese Wirksamkeit der Rechtsfolgen des Verwaltungsakts könne aber gemäß §§ 80-80b VwGO durch die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gehemmt werden und gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG mit der Aufhebung oder Erledigung enden28.
2. Die Lehre von der materiellen Bestandskraft als allgemeinem Geltungsgrund auch gegenüber fremden Behörden Von einer einheitlichen Funktion des Verwaltungsakts als Instrument zur verfahrensrechtlichen Konkretisierung des materiellen Rechts gehen auch diejenigen Autoren 29 aus, die annehmen, daß grundsätzlich alle Verwaltungsakte genau so in materielle Bestandskraft erwachsen wie alle Urteile in materielle Rechtskraft. Die verfahrensübergreifende Verbindlichkeit eines Verwaltungsaktes wäre hiernach nicht aus Vorschriften des besonderen Verwaltungsrechts 28 Meyer/Borgs, § 43 Rn. 4 ff., 13 ff.; Knöpfte, BayVBl. 1982, 225 (228 ff.), Seibert, 192 ff. m.w.N. 29 J. Martens, Praxis, Rn. 215 f., 220-224, 238 ff., 316-320; ders., KritV 1986, 104 (108 f., 117 ff.); J. Ipsen, Die Verwaltung 17 (1984), 169 (171 ff.). Ausgehend von der Blockhüttenentscheidung (BVerwGE 48, 271) stellt J. Ipsen zwar die für und gegen eine Bindungswirkung auch zu Lasten des Bürgers sprechenden Argumente nur dar, ohne selbst explizit eine belastende verfahrensübergreifende Verbindlichkeit zu bejahen (S. 191 ff.). Da seine Kritik an der Rechtsprechung des BVerwG aber überwiegt und er die Erörterung mit dem Hinweis auf die konträre Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Bestandskraft ablehnender Asylbescheide (BVerfG, U. v. 20.4.1982 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253 (268, 270)) abschließt, wird er hier den Befürwortern einer aus dem allgemeinen Verfahrensrecht abzuleitenden Wirkung der Bestandskraft auch zu Lasten des Bürgers zugeordnet.
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
abzuleiten; vielmehr würde sie auf der materiellen Bestandskraft als einem Rechtsinstitut des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts beruhen. Ausgehend von dieser Prämisse wäre das besondere Verwaltungsrecht erst bei der Beantwortung der Frage maßgeblich zu berücksichtigen, welche Aussagen überhaupt zum Regelungsinhalt des bestandskräftigen Bescheides gehören. Diese Autoren beschränken die Präjudizwirkung eines Bescheides, der in materielle Bestandskraft erwachsen ist, nicht auf die rechtlichen Beziehungen des Adressaten zu der erlassenden Behörde. Sofern der Verwaltungsakt die Regelung eine Vorfrage enthält, die auch in Rechtsverhältnissen zu anderen Behörden oder zu anderen Trägern der öffentlichen Verwaltung entscheidungserheblich ist, soll der Verwaltungsakt grundsätzlich auch für diese Rechtsverhältnisse maßgeblich sein 30 . Dies führt dazu, daß die subjektiven Grenzen der materiellen Bestandskraft des Verwaltungsaktes weiter gesteckt werden als die subjektiven Grenzen der materiellen Rechtskraft des Urteils, das nur „inter partes" gilt.
3. Die Kombination der Lehre von der materiellen Bestandskraft für die erlassende Behörde mit einer bestandskraftunabhängigen Gestaltungs- oder Tatbestandswirkung Beide bisher vorgestellte Lehren führen also bei der Bestimmung der subjektiven und der objektiven Grenzen der Verbindlichkeit nicht grundsätzlich zu unterschiedlichen Ergebnissen. Nach beiden ist eine in einem Verwaltungsakt enthaltene Regelung aufgrund der Verwaltungsverfahrens- und prozeßrechtlichen Vorschriften über dieses Rechtsinstitut bis zu einer etwaigen Aufhebung nicht nur für den Adressaten, Drittbetroffene und die erlassene Behörde verbindlich, sondern auch für alle anderen Behörden und nicht aufhebungsbefugte Gerichte, für deren Entscheidungen oder sonstige Maßnahmen die getroffene Regelung präjudiziell ist. Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen diesen Lehren besteht nur in der Bestimmung des Rechtsgrundes und damit der zeitlichen Grenzen der Verbindlichkeit. Das bereits zitierte Labyrinth der Meinungen und der Wirrwarr der Begrifft im dogmatischen Streit um die Bindungswirkung von Verwaltungsakten entsteht erst dadurch, daß ein erheblicher Teil der Literatur weder die Wirksamkeit noch die materielle Bestandskraft als allgemeinen, für alle Verwaltungsakte und Rechtsverhältnisse geltenden Rechtsgrund betrachtet, sondern einerseits bei einem Teil der Verwaltungsakte die materielle Bestandskraft als 30 31
Vgl. Fn. 29. Vgl. Fn. 1 und 2.
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Rechtsgrund und Zeitpunkt einer im Verhältnis zur erlassenden Behörde zu Lasten des Adressaten bestehenden Bindungswirkung ansieht, bei den gleichen oder anderen Verwaltungsakten die Bindung anderer Behörden und der Gerichte aber mit einer bestandskraftunabhängigen Gestaltungswirkung oder einer Tatbestandswirkung aller wirksamen Verwaltungsakte begründeZ 32:
a) Die herrschende Lehre von der materiellen Bestandskraft So soll nach der vorherrschenden Variante der Lehre von der materiellen Bestandskraft diese kein allgemein gültiges Rechtsprinzip sein, das bei allen Verwaltungsakten zu einer Bindung aller Behörden führen würde. Vielmehr wird der Anwendungsbereich des mit der materiellen Bestandskraft begründeten Abweichungsverbotes durch zwei Aussagen wesentlich eingeschränkt: Nach den Regelungen der ZPO, VwGO, FGO, SGG und StPO erwächst jedes formell rechtskräftige Urteil zum Zeitpunkt seiner Unanfechtbarkeit in materielle Rechtskraft. Im Verwaltungsverfahrensrecht wird dagegen im Anschluß an BVerwGE 48, 271 (279) heute überwiegend die Auffassung vertreten, der Gegenstand und die rechtliche Tragweite der Bestandskraft eines Verwaltungsaktes lasse sich nicht einheitlich für alle Rechtsgebiete und für alle Arten von Verwaltungsakten beurteilen 33. Demgegenüber stützt die h.L. ihre Begründung des verwaltungsverfahrensrechtlichen Rechtsinstitutes der materiellen Bestandskraft auf einen Vergleich mit der Funktion des prozessualen Instituts der materiellen Rechtskraft und wendet die Grundsätze der subjektiven Grenzen der Rechtskraftwirkung entsprechend auf die materielle Bestandskraft des Verwaltungsaktes an. Die materielle Rechtskraft des Urteils wirkt nur „inter partes", d.h. zwischen den Parteien des rechtskräftig abgeschlossenen Prozesses sowie den sonstigen Beteiligten nebst deren Rechtsnachfolgern (§ 325 ZPO, 121 VwGO). Die h.L. überträgt diese Aussage weitestgehend auf die subjektiven Grenzen der materiellen Bestandskraft des Verwaltungsaktes: An den bestandskräftigen Verwaltungsakt seien zum einen der Adressat und die Verfahrensbeteiligten i.S. des § 13 VwVfG sowie deren Rechtsnachfolger gebunden; zum anderen sei auf Seiten der Verwaltung die erlassende Behörde bzw. genauer gesagt, der Rechtsträger
32 Vgl. den nachfolgenden Überblick und die umfassende Darstellung und Kritik bei Seibert, S. 160 ff. passim. 33 Erichsen/Knoke, NVwZ 1983, 185 (190); Badura in Erichsen, Allg. VerwR, § 38 Rn. 47; a.A. Kopp, DVB1. 1983, 392 (397 ff.); Kopp, VwVfG, vor § 35 Rn. 23 f.
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der erlassenden Behörde, an die bestandskräftige Entscheidung gebunden34. Die materielle Bestandskraft des Verwaltungsaktes soll demnach nur die erlassende und ggf. weitere verfahrensbeteiligte Behörden bei ihren Folgeentscheidungen präjudizieren, jedoch keine Bindung anderer Behörden bzw. anderer Rechtsträger der öffentlichen Verwaltung an den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auslösen.
b) Die lückenschließende Funktion der bestandskraftunabhängigen Abweichungsverbote Im Hinblick auf die zuvor beschriebene Funktion zahlreicher feststellender und gestaltender Verwaltungsakte und soeben geschilderten, zeitlichen und subjektiven Beschränkungen der Bindungswirkung in der herrschenden Variante der Lehre von der materiellen Bestandskraft verwundert es nicht, daß es in der verwaltungsrechtlichen Dogmatik weitere Begriffe und Lehrsätze gibt, um zumindest in bestimmten Fällen so verbliebene „Lücken" in der Bindungswirkung des Verwaltungsaktes durch bestandskraftunabhängige Abweichungsverbote schließen zu können 35 . Selbst die hierbei gebräuchlichsten Begriffe der „Tatbestandswirkung" und der „Gestaltungswirkung" werden allerdings in der verwaltungsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung nicht einheitlich, sondern jeweils mit verschiedenen, sich teilweise wieder überschneidenden Bedeutungen und Rechtsfolgen verwendet
aa) Tatbestandswirkung i.e.S.: Der Verwaltungsakt als Tatbestandsmerkmal einer Rechtsnorm In Anlehnung an die Beschreibung der Urteilswirkungen in der Dogmatik des Zivil- und Zivilprozeßrechts wird in der verwaltungs- und strafrechtlichen 34 Erichsen/Knoke, NVwZ 1983, 185 (191); Badura in Erichsen, Allg. VerwR, § 38 Rn. 45 ff.; Kopp, VwVfG, vor § 35 Rn. 24 (a.A. jedoch ders. in DVB1. 1983, 392 (400): Bindung aller Verwaltungsorgane). 35 Vgl. auch die umfassende Darstellung und Kritik bei Seibert, S.69 ff., der aufzeigt, daß das dogmatisch nicht begründete und begründbare Nebeneinanders der sich in ihren Inhalten und Voraussetzungen teilweise überschneidenden Rechtsinstitute zu einer Konterkarierung der jeweiligen Voraussetzungen und Grenzen führt. Entweder sind Wertungswidersprüche die Konsequenz oder das Institut der Tatbestandswirkung wird wie bei Kopp, VwVfG, vor § 35 Rn. 25-31 - so weit gefaßt, daß nicht mehr erkennbar ist, warum die Bindungswirkung gegenüber Verfahrensbeteiligten und Betroffenen, jedoch aufgrund der subjektiven Grenzen der materiellen Bestandskraft nicht gegenüber Drittbehörden, nach Eintritt der Unanfechtbarkeit (wahlweise?) mit der materiellen Bestandskraft begründet werden soll.
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Literatur als Tatbestandswirkung teilweise diejenige Rechtswirkung verstanden, welche die Rechtsordnung an die Tatsache der Existenz des Verwaltungsaktes geknüpft habe und die von jeder Verwaltungsbehörde zu beachten sei 36. Hierbei wird aber oft nicht recht deutlich, welche Wirkung von der „Existenz" eines Verwaltungsaktes ausgehen soll. Der Ausdruck Tatbestandswirkung geht zurück auf das 1885 erschienene „Handbuch des Deutschen Civilprozessrechts" von Adolf Wach 37 ; an die Stelle dieser mißverständlichen Ausdrucksweise wollte Kuttner bereits 1908 den Begriff der Nebenwirkungen des Urteils setzen38. Im Zivil- und Zivilprozeßrecht versteht man unter der Tatbestands- oder Nebenwirkung eine materiellrechtliche oder prozessuale Wirkung eines Urteils, die kraft Gesetzes an die Entscheidung einer bestimmten Art anknüpft, ohne daß diese Wirkung Entscheidungsgegenstand oder Ziel des Urteils gewesen wäre. Es handelt sich m.a.W. um eine Wirkung eines Urteils, die nicht im Tenor ausgesprochen wird, sondern kraft Gesetzes durch das bloße Vorhandensein einer bestimmten Entscheidung ausgelöst wird 39 . In diesem engeren Sinne wird der Begriff der Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten vor allem zur Erörterung verschiedener Probleme der Verwaltungsakzessorität des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts gebraucht 40. Es gibt aber auch Beispiele für eine derartige Tatbestands-
36
Ossenbühl, JuS 1979, 681 (683); Löwen JuS 1980, 805 (806); Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 13 Rn. 4. 37 Erster Band, S. 626. 38 Kuttner, Die privatrechtlichen Nebenwirkungen der Zivilurteile, S. 4 ff. Weitere Nachweise zur mehrdeutigen Begriffsbildung bei Seibert, S. 71 ff. 39 Sie tritt nicht zielgerichtet und bestimmungsgemäß ein, sondern ist eine zwangsläufige gesetzliche Folge der Existenz des Urteils. Die als Tatbestandswirkung bezeichnete Rechtsfolge ergibt sich nicht schon aus den materiellen Rechtsnormen, die im Urteil angewandt und konkretisiert wurden und sie war deshalb auch nicht Inhalt des Klageantrags der Parteien. Im Unterschied zur materiellen Rechtskraft handelt es sich bei der Tatbestandswirkung auch nicht um eine Rechtsfolge, die aufgrund der allgemeinen prozessualen Bestimmungen bei allen Urteilen eintritt. Der prozeßrechtliche Terminus Tatbestandswirkung bezeichnet vielmehr eine spezielle Urteilswirkung, welche dadurch eintritt, daß eine spezielle materielle oder prozessuale Rechtsnorm, über die im Prozeß nicht entschieden wurde, das Vorliegen eines solchen Urteils selbst als Tatbestandsmerkmal enthält. Tatbestandswirkung hat ein Urteil demnach, wenn eine Rechtsnorm die bloße Existenz eines Urteils als Tatbestandsmerkmal enthält und daran eine bestimmte Rechtsfolge knüpft. Die Tatbestandswirkung ist also eine Rechtsfolge, die ein Urteil unabhängig vom Klageantrag und Willen der Parteien aufgrund einer speziellen rechtsfolgenbegründenden Norm hat. Beispiel für eine solche Tatbestandswirkung eines rechtskräftigen Urteils enthalten §§ 218, 283, 775 Nr. 4 BGB, § 302 Abs. 4 Satz 2 und 3 sowie § 717 Abs. 2 ZPO. Zu diesem Begriff der Tatbestandswirkung vgl. Haaf S. 75; Jauernig, § 61 IV.; Thomas/Putzo, ZPO, § 322 Rn. 2; Stein/Jonas-Leipold, 21. Aufl.; §322 Rn. 16 f. 40 Es geht hierbei um straf- oder sanktionsbewehrte Verwaltungsakte, bei denen der Gesetzgeber die Zuwiderhandlung gegen die Regelung eines Verwaltungsaktes unter
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Wirkung bestimmter Verwaltungsakte, die Verwaltungsbehörden außerhalb des Ordnungswidrigkeitenrechts zu beachten haben. In ähnlicher Weise wie § 218 BGB an die rechtskräftige Feststellung eines privatrechtlichen Anspruchs den Beginn einer neuen Verjährungsfrist knüpft, führt beispielsweise der Erlaß eines Verwaltungsaktes, der zur Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-
Strafe gestellt hat. In der Regel weisen diese Straf- oder Bußgeldnormen die folgende Normstruktur auf: „Strafbar macht sich (Ordnungswidrig handelt), wer einem (vollziehbaren) Verwaltungsakt (Verfügung, Anordnung, Untersagung oder Auflage zu einem Verwaltungsakt) nach § ... dieses Gesetzes zuwiderhandelt, (indem er...)". Jeder feststellende, gestaltende oder befehlende Verwaltungsakt mit dem in der Sanktionsnorm (durch Verweisung) definierten Inhalt hat dann nach allgemeiner Meinung eine Tatbestandswirkung schlicht in dem Sinne, daß er das Tatbestandsmerkmal einer Norm erfüllt. Die meisten Sanktionsnormen sehen ausdrücklich vor, daß nur die Zuwiderhandlung gegen einen vollziehbaren Verwaltungsakt tatbestandsmäßig ist. Eine Reihe von Tatbeständen regeln ausdrücklich, daß nur die Auflehnung gegen ein rechtmäßiges hoheitliches Handeln geahndet werden soll (z.B. §§ 113, 136 StGB, § 113 OWiG). Bei Tatbeständen, bei denen eine solche explizite Regelung fehlt, ist umstritten, ob auch die Zuwiderhandlung gegen einen vollziehbaren, aber rechtswidrigen Verwaltungsakt unter Berücksichtigung der Strafzwecke und des Schuldgrundsatzes strafbar sein soll. Bejaht man dies in Anschluß an BGHSt. 23, 6, so müssen die Strafhorm anwendenden Strafrichters oder Beamten der Bußgeldbehörde nur subsumieren, ob der Betroffene gegen einen Verwaltungsakt der im Tatbestand der Sanktionsnorm genannten Art verstoßen hat. Dann darf und muß der Strafrichter nicht überprüfen, ob das materielle Recht in der Regelung des Verwaltungsaktes mit Tatbestandswirkung richtig angewendet wurde, solange kein zur Nichtigkeit führender Mangel vorliegt (so z.B. OLG Oldenburg, Nds. Rpfl. 1980, 36; Lagemann, Der Ungehorsam gegenüber sanktionsbewehrten Verwaltungsakten, S. 104-119; dagegen grundsätzlich z.B. Haaf, S. 254-287, Arnhold, S. 63 ff.; Lorenz, DVB1. 1971, 165 (170 ff.)). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es in erster Linie Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, ob die Strafbarkeit oder Ahndbarkeit einer Zuwiderhandlung gegen Verwaltungsanordnungen von deren Rechtmäßigkeit abhängen soll. Er ist dabei freilich an die Anforderungen der Verfassung, namentlich des eingeschränkten Grundrechts, gebunden (BVerfG, B. v. 1.12.1992 - 1 BvR 88/91, 1 BvR 576/91, BVerfGE 87, 399 (408 ff.)). Das Problem einer Bindung des Strafrichters an die im Verwaltungsakt getroffene Regelung stellt sich also erst dann, wenn man bei der Normauslegung die Rechtmäßigkeit eines solchen Verwaltungsaktes als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal oder objektive Bedingung der Strafbarkeit betrachtet oder die Aufhebung des Verwaltungsaktes als Strafaufhebungsgrund ansieht. Wenn man den Begriff der „Tatbestandswirkung" des einzelnen vollziehbaren Verwaltungsaktes in diesen Fällen schlicht auf die Kernbedeutung reduziert, daß er ein Tatbestandsmerkmal eines Straf- oder Bußgeldtatbestandes erfüllt, so wird damit das strafrechtliche Problem einer Bindung an den Regelungsinhalt des Verwaltungsaktes oder seine Unanfechtbarkeit erst definiert, nicht aber gelöst. Der so verstandene Terminus der „Tatbestandswirkung" trifft also selbst noch keine Aussage über die Verbindlichkeit der in ihm enthaltenen Regelung des materiellen Rechts für andere Rechtsanwender (vgl. Lorenz, DVB1. 1971, 165 ff.; Lagemann, S. 64 ff.; Haaf S. 33 f.).
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rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, gemäß § 53 VwVfG zur Unterbrechung der Verjährung des im Verwaltungsakt geregelten Anspruchs 41. In Anlehnung an die zivilprozessuale Terminologie kann man in diesen Fällen von einer Tatbestandswirkung im engeren Sinne sprechen, wenn ein spezieller Rechtssatz an einen (durch seinen Regelungsinhalt beschriebenen) Verwaltungsakt kraft Gesetzes eine in jenem Rechtssatz näher bezeichnete Rechtsfolge knüpft, wenn also der Erlaß oder das Vorliegen eines derartigen Verwaltungsaktes zu den Tatbestandsmerkmalen einer bestimmten Rechtsnorm gehört. Ein Verwaltungsakt hat eine derartige Tatbestandswirkung i.e.S. demnach nicht aufgrund des VwVfG, eines anderen allgemeinen Gesetzes oder eines ungeschriebenen Lehrsatzes über das Rechtsinstitut Verwaltungsakt, sondern kraft einer speziellen Norm des materiellen Verwaltungsrechts, die in ihrem Tatbestand den Erlaß bzw. das Vorhandensein eines Verwaltungsaktes mit einem bestimmten Regelungsinhalt als Voraussetzung des Eintritts einer bestimmten Rechtsfolge enthält42. Wendet eine Verwaltungsbehörde eine Rechtsnorm an, zu deren Tatbestandsmerkmalen der Erlaß eines bestimmten, durch seinen Regelungsinhalt beschriebenen Verwaltungsaktes gehört, so muß sie bei der Subsumtion eines Lebenssachverhaltes unter die Tatbestandsmerkmale dieser auf den Verwaltungsakt verweisenden Norm die Existenz eines derartigen Verwaltungsaktes beachten. Hierbei ergibt sich aus dem Wortlaut oder durch Auslegung der verweisenden Norm, ob nur ein unanfechtbarer 43, ein im Wege der Verwaltungsvollstreckung vollziehbarer, ein (aufgrund einer Anordnung der sofortigen Vollziehung) vollziehbarer 44 oder bereits ein wirksamer Verwaltungsakt die in der verweisenden Norm festgelegte Rechtsfolge auslöst45.
41
Weitere Beispiele bei Seibert, S. 71 ff. Knöpfle, BayVBl. 1982, 225 (230); J. Ipsen, Die Verwaltung 17 (1984), 169 (177 f.); Seibert, S. 81 f. 43 So beispielsweise § 68 Abs. 1 AsylVfG: „Dem Ausländer ist eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt sein Aufenthalt im Bundesgebiet als erlaubt." 44 So beispielsweise § 42 Abs. 2 Satz 2 AuslG: „Im übrigen ist die Ausreisepflicht erst vollziehbar, wenn die Versagung der Aufenthaltsgenehmigung oder der sonstige Verwaltungsakt, durch den der Ausländer nach Absatz 1 ausreisepflichtig wird, vollziehbar ist." 45 Auch J. Martens als konsequenter Vertreter der Lehre von der materiellen Bestandskraft des Verwaltungsaktes verwendet den Begriff der Tatbestandswirkung zur Beschreibung eines bestandskraftunabhängigen Abweichungsverbots. Er gebraucht den Begriff der Tatbestandswirkung nämlich, um eine Rechtslage zu beschreiben, in welcher der Inhalt eines Verwaltungsaktes - ausnahmsweise - mit Wirksamkeit des Bescheides ohne Rücksicht auf dessen Bestandskraft bereits zu beachten sei (J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 285, 370). Ausgehend von der Prämisse, daß die materielle Bestandskraft die im allgemeinen geltende Begründung eines Abweichungsverbots sei, 42
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bb) Tatbestandswirkung und Gestaltungswirkung als Bindung an Existenz und Inhalt von wirksamen Verwaltungsakten (1) Bindung an den Regelungsinhalt In der verwaltungsrechtlichen Literatur wird der Begriff der Tatbestandswirkung jedoch meist nicht in dem soeben erläuterten engen Sinne, sondern in Anknüpfung an zwei Aufsätze Karl Kormanns aus dem Jahre 191346 in einem erweiterten Sinne mit der Bedeutung einer über das Rechtsverhältnis der erlassenden Behörde zum Adressaten hinausgehenden Verbindlichkeit für Drittbehörden und Gerichte gebraucht. Aufgrund der Tatbestandswirkung müßten auch alle anderen Behörden und grundsätzlich auch die Gerichte von der Existenz und dem Inhalt eines wirksamen Verwaltungsaktes ausgehen, solange er nicht nichtig sei 41. Wer die Tatbestandswirkung als Bindung an die Existenz und den Inhalt des Verwaltungsaktes definiert, erweitert den Begriff also um eine Bindungswirkung im Hinblick auf diejenigen Feststellungen und Rechtsfolgenanordnungen, die sich aus dem von der erlassenden Behörde final intendierten Regelungsinhalt ergeben. Auch bei dieser Tatbestandswirkung i.w.S. ist umstritten, bei welchen Verwaltungsakten das so beschriebene Abweichungsverbot gelten soll.
(2) Gestaltungs- oder Tatbestandswirkung als Rechtsfolge der gestaltenden Verwaltungsakte Kormann hatte eine solche Tatbestandswirkung i.w.S. nur den gestaltenden, nicht aber den feststellenden Verwaltungsakten zugesprochen 48. In Übereinstimmung damit wird noch heute im Lehrbuch von Wolf/Bachof/Stober die Auffassung vertreten, deklaratorisch-feststellende Verwaltungsakte besäßen keine Tatbestandswirkung 49. Zu einer unterschiedlichen Bindungswirkung von soll die Tatbestandswirkung auf einer speziellen gesetzlichen Anordnung (z.B. § 182 Abs. 1 AO) beruhen und zu einer zeitlichen Vorverlagerung der Bindungswirkung führen. 46 AöR 30 (1913), 253 (256 f.); JöR VII (1913), 1 (14 f.). 47 Mayer/Kopp, S. 201; Kopp, VwVfG, vor § 35 Rn. 26; Maurer, Allg. VerwR, § 11 Rn. 8; Meyer/Borgs, § 35 Rn. 8; Erichsen/Knoke, NVwZ 1983, 185 (191); Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 13 Rn. 4. 48 AöR 30 (1913), 253 (256 f.); JöR VII (1913), 1 (14 f.); ebenso Achterberg, Allg. VerwR, § 23 Rn. 42. 49 VerwR I, § 20 Rn. 64 f. Als konstitutiv-feststellende Verwaltungsakte (mit Tatbestandswirkung) werden dort demgegenüber Verwaltungsakte bezeichnet, die Zahlungsansprüche des Staates (z.B. Steuern) oder Leistungsansprüche des Bürgers (z.B. Wohngeld) festsetzen (§ 46 Rn. 9). Demgegenüber wird im gleichen Lehrbuch, § 46 Rn. 21 f.,
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gestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten gelangt auch derjenige Teil der Literatur, der zur begrifflichen Erfassung der Präjudizwirkung gestaltender Verwaltungsakte auf den erweiterten Begriff der Tatbestandswirkung verzichtet und den Ausdruck Gestaltungswirkung verwendet oder - ohne Zuordnung eines speziellen Begriffs - von der aus der Bindung an Recht und Gesetz folgenden Pflicht aller rechtsanwendenden Instanzen spricht, die durch einen (gestaltenden) Verwaltungsakt geänderte Rechtslage zu beachten50. Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß unter diesem Gesichtspunkt der Bindungswirkung relativ häufig sämtliche befehlenden Verwaltungsakte den von Gerichten und Drittbehörden zu beachtenden gestaltenden Verwaltungsakten zugerechnet werden 51 .
(3) Tatbestandswirkung i.w.S. als Element der Verbindlichkeit aller wirksamen Verwaltungsakte In Anknüpfung an eine - bei Lösung aus dem Textzusammenhang - in ihrem Aussagegehalt und ihrer Reichweite mißverständliche Aussage Kormanns, wonach die Tatbestandswirkung nichts anderes als die Wirkung der Verbindlichkeit sei und als solche eine Eigenschaft aller rechtsgeschäftlichen Staatsakte einschließlich der gesetzeswidrigen, soweit sie nicht etwa absolut nichtig seien 52 , wird eine derartige Tatbestandswirkung i.w.S. heute jedoch meist allen wirksamen Verwaltungsakten zugesprochen 53. Es handelt sich m.a.W. um ein bestandskraftunabhängiges Verbots vom Inhalt des fremden Verwaltungsaktes abzuweichen: aufgrund der Tatbestandswirkung müßten die anderen Behörden von der durch den Verwaltungsakt geschaffenen oder festgestellten Rechtslage ausgehen und die durch den Verwaltungsakt getroffene Anordnung, Gestaltung
wohl allen feststellenden Verwaltungsakten eine Verbindlichkeit kraft Feststellungswirkung zugesprochen. Eine klare Konzeption ist damit nicht erkennbar. 50 Haaf,; S. 60-64, 86-88, 228-254; Bachof Verfassungsrecht, Veiwaltungsrecht, Verfahrensrecht, Band I, S. 256; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 43 Rn. 129. Weitere Nachweise bei Seibert, S. 87 ff. 51 Dies geschieht teils im Hinblick auf deren Vollstreckungsfunktion (Woljf/Bachof/ Stober, VerwR I, § 46 Rn. 4), teils mit dem Argument, befehlende Verwaltungsakte begründeten definitionsgemäß Pflichten zu einem Tun oder Unterlassen, so daß der Bestand der durch die Verfügung erzeugten Verpflichtung ebensowenig wie eine sonstige Rechtsänderung ignoriert werden könne (Lagemann, S. 6 f.; Sachs in Stelkens/Bonk/ Sachs, § 43 Rn. 129 f.). 52 AöR 30 (1913), 253 (256); JöR VII (1913), 1 (14). 53 Kopp, VwVfG, vor § 35 Rn. 26 ff.; Erichsen/Knoke, NVwZ 1983, 185 (188 f.); Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 13 Rn. 4; Löwer, JuS 1980, 805 (806); Meyer/Borgs, § 35 Rn. 8. Weitere Nachweise auch zur Verwendung dieses Ausdrucks in der Rechtsprechung bei Seibert, S. 73 ff.
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
oder Feststellung grundsätzlich ihren eigenen weiteren Entscheidungen zugrunde legen.
4. Kritische Bewertung des Nebeneinanders von materieller Bestandskraft bestandskraftunabhängiger Gestaltungs- oder Tatbestandswirkung
und
Betrachtet man die teilweisen Parallelen, aber auch die Abweichungen der Lehrsätze von materieller Bestandskraft, der Gestaltungswirkung und der Tatbestandswirkung i.w.S., so zeigt sich, daß diese Lehren einander nicht sinnvoll ergänzen, sondern zu Wertungswidersprüchen fuhren 54. Der erste, formale Unterschied besteht in der zeitlichen Grenze der Bindungswirkung: Die materielle Bestandskraft soll erst mit der Unanfechtbarkeit eintreten, die Tatbestandswirkung dagegen ein bestandskraftunabhängiges Abweichungsverbot sein. Zugleich werden jedoch auch unterschiedliche subjektive Grenzen der Bindungswirkung genannt: Die materielle Bestandskraft soll nach h.M. nur im Verhältnis zwischen der erlassenden Behörde und dem Adressaten, Beteiligten und Drittbetroffenen gelten. Demgegenüber wird die Tatbestandswirkung i.w.S. überwiegend als Bindung einer Behörde an die wirksamen Entscheidungen einer anderen Behörde konzipiert. Betrachtet man nun die Wirkung eines belastenden Verwaltungsaktes, dessen Regelungsinhalt für mehrere Folgeentscheidungen präjudiziell ist, so ist es nicht zu begründen, warum der wirksame Verwaltungsakt vor seiner Unanfechtbarkeit aufgrund der Tatbestandswirkung zwar von Drittbehörden beachtet werden und insoweit eine den Betroffenen belastende Bindungswirkung entfalten soll, es dagegen der erlassenden Behörde bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft verwehrt sein soll, sich bei ihren eigenen Entscheidungen auf die Präjudizwirkung des gleichen Verwaltungsaktes zu berufen. Ausgehend von der Funktion des Verwaltungsaktes, das materielle Recht verbindlich zu konkretisieren, läßt sich kein überzeugender Grund dafür finden, die Präjudizwirkung davon abhängig zu machen, ob die Folgeentscheidung von der gleichen oder einer anderen Behörde getroffen wird. Offensichtlich ist dies bei der Bestimmung des Umfangs der Bindungswirkung von Verwaltungsakten, die die nach Landesrecht zuständigen Behörden zum Vollzug von Bundesrecht erlassen, also beispielsweise für das Verhältnis von immissionsschutzrechtlicher Genehmigung und wasserrechtlicher Erlaubnis, die nach § 13 BImSchG nicht von der Konzentrationswirkung erfaßt wird. Würden in diesen Fällen nämlich für die Bindung einer Behörde an eine frühere Entscheidung unterschiedliche Maßstäbe gelten, je nachdem ob der frühere Verwaltungsakt von der gleichen oder einer fremden
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Vgl. auch die umfassende Darstellung und Kritik bei Seibert, S.69 ff.
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Behörde erlassen wurde, so hinge der Umfang der Bindungswirkung eines Bundesrecht regelnden Verwaltungsaktes von der Behördenorganisation und den Zuständigkeitsvorschriften des jeweiligen Bundeslandes ab 55 . Eine präjudizielle Bindungswirkung wäre demnach wegen der Identität des Rechtsträgers der beide Bescheide erlassenden Behörde in den Stadtstaaten Hamburg und Berlin immer zu bejahen oder zumindest doch möglich, in Bremen und den Flächenstaaten dagegen nur dann, wenn das Land die Zuständigkeit für beide Verwaltungsakte „zufallig" auf die gleiche Behörde übertragen hätte. Nach den Vorschriften des Grundgesetzes über die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebung kann ein Land bei einer in beiden Bundesgesetzen abschließenden Regelung des materiellen Rechts und der behördlichen Kompetenzen mittels einer Zuständigkeitsvorschrift nur noch regeln, welche Behörde die sich aus dem Bundesrecht ergebenden Aufgaben und Befugnisse wahrnimmt; es kann aber die mit der Zuständigkeit zum Erlaß der verschiedenen Verwaltungsakte verbundenen Aufgaben und Befugnisse nicht verändern oder zueinander in einen anderen sachlichen und funktionellen Wirkungszusammenhang bringen 56 . Schließlich vermag auch die teilweise praktizierte Differenzierung zwischen bestandskraftunabhängiger, bereits mit der Wirksamkeit eintretenden Bindungswirkung aller gestaltenden Verwaltungsakte und einer von den speziellen Regelungen des materiellen Rechts abhängigen Bindungswirkung feststellender Verwaltungsakte kraft materieller Bestandskraft nicht zu überzeugen. Denn die verbindliche Konkretisierung des materiellen Rechts ist die gemeinsame Funktion aller Verwaltungsakte 51. Konsequent angewandt müßte sie wohl dazu führen, daß bei einem Verwaltungsakt mit gestaltenden und feststellenden Regelungselementen deren Rechtswirkungen jeweils zu unterschiedlichen Zeitpunkten, nämlich der Bekanntgabe bzw. der Unanfechtbarkeit des Bescheides eintreten. Derartige Wertungswidersprüche werden durch die von Kopp 58 vorgenommene Ausdehnung der Tatbestandswirkung auf alle Beteiligten, insbesondere
55
Seibert, S. 259 ff. m.w.N. Seibert, S. 259 ff. m.w.N. Zur Unterscheidung zwischen Aufgaben und ggf. Befugnissen einräumenden Kompetenznormen und den Zuständigkeitsnormen, durch die solche Kompetenzen bestimmten Verwaltungsträgern oder -organen zugewiesen werden vgl. unten Teil 6 G. 57 Seibert, S. 87 ff. (insbes. S. 110-117) m.w.N. Die Anwendung unterschiedlicher Lehrsätze über die Bindungswirkung von feststellenden und gestaltenden Verwaltungsakten versagt zudem, wenn ein Verwaltungsakt sowohl gestaltende als auch feststellende Regelungen enthält oder gar eine einzelne Regelung ergänzend zu einer rechtsfeststellenden Wirkung zusätzlich noch eine rechtsgestaltende Wirkung hat. 58 VwVfG, vor § 35 Rn. 26. 56
176
Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
die erlassende Behörde und die Betroffenen, vermieden. Dann aber ist zu fragen, welchen Sinn es noch macht, ergänzend zu dieser bestandskraftunabhängigen, nur von der Wirksamkeit abhängigen Begründung der Verbindlichkeit für einen Teil der gebundenen Organe und Personen, nämlich die erlassende Behörde, deren Rechtsträger und die Beteiligten, die Verbindlichkeit ab dem Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit zusätzlich mit dem Rechtsinstitut der materiellen Bestandskraft zu begründen 59. Eine doppelte Zuordnung der gleichen Rechtsfolge einer inhaltlichen Bindung an die getroffene Regelung findet sich auch bei Druschel, der zunächst annimmt, die „Verbindlichkeit" der in der Regelung vorgesehenen Rechtswirkung und Pflicht zur Befolgung trete für den Adressaten mit der äußeren und inneren Wirksamkeit des Verwaltungsaktes ein 60 , dann aber explizit die Auffassung vertritt, die „Bindungswirkung" des Verwaltungsakts erhöhe sich, sobald er unanfechtbar geworden sei. Denn die mit der formellen Bestandskraft einhergehende materielle Bestandskraft bewirke, daß die im Verwaltungsakt getroffene Regelung unabhängig von materiell-rechtlichen Fehlern für den Betroffenen und die erlassende Behörde maßgeblich sei, sofern der Verwaltungsakt nicht nichtig sei 61 . Angesichts der auch von Druschel vorgenommenen Trennung zwischen formeller und materieller Bestandskraft bleibt unklar, in welcher Weise die schon mit Wirksamkeit einmal begründete Pflicht zur Beachtung und Befolgung der Regelung nach Eintritt der Unanfechtbarkeit gesteigert sein soll.
5. Konsequenzen für die Bestimmung der objektiven und subjektiven Grenzen der Bindungswirkung gesetzlich geregelter Verwaltungsakte Aus den vorstehenden Überlegungen ergibt sich, daß eine sachgerechte Lösung des Problems der Bindungswirkung weder auf der (fehlende) Identität zwischen der erlassenden und der potentiell gebundenen Behörde noch auf der gestaltenden oder feststellenden Wirkung aufbauen kann, sondern bei der Bestimmung des Regelungsinhalts des Verwaltungsaktes und seines Verbindlichkeitsanspruchs ansetzen muß 62 . Insoweit können wir auch davon sprechen, daß es darum geht, zu ermitteln, welche Verwaltungsrechtsverhältnisse der potentiell präjudizielle Bescheid bestimmungsgemäß regeln sollte. Jedoch wird der Wortlaut hierzu meist keine konkreten Aussagen enthalten. Bei gesetzlich
59 60 61 62
Seibert, S. 161 ff., 172 ff., 190 f. S. 42 f. S. 45 f. Seibert, S. 314 ff. m.w.N.
G. Rechtsgrund und Grenzen der Verbindlichkeit von Verwaltungsakten
177
geregelten und damit zumeist in Antragsformularen, Verfahrensschritten und Bescheiden mehr oder weniger standardisierten Verwaltungsverfahren lassen auch der konkrete Anlaß und die subjektiven Motive und Vorstellungen einzelner Verfahrensbeteiligter kaum einen Rückschluß darauf zu, welche Reichweite der getroffenen Regelung bei einer Auslegung nach objektivem Empfangerhorizont zuzumessen ist. Wenn der Wortlaut zum Regelungsinhalt und zur inhaltlichen Tragweite eines Bescheides keine Auskunft gibt, ist diese Frage daher in erster Linie anhand der diesen Verwaltungsakt regelnden gesetzlichen Vorschriften zu bestimmen63. Nach Treu und Glauben ist davon auszugehen, daß der Regelungsinhalt einschließlich der Reichweite seines Verbindlichkeitsanspruchs im Zweifel den gesetzlichen Vorgaben entspricht, soweit diese für den Adressaten erkennbar sind. Wenn im Verwaltungsakt explizite Aussagen zur inhaltlichen Tragweite fehlen, kommt es deshalb bei der Bestimmung des Umfangs der Bindungswirkung nicht auf die Identität oder die organisatorische Beziehung der zuständigen Organe der öffentlichen Verwaltung an, sondern auf die systematisch-teleologische Beziehung, in der die materiellen und die Kompetenznormen des ersten Verwaltungsakts zu denjenigen der nachfolgenden Verwaltungsmaßnahme stehen. Maßgeblich ist dann auf die für beide Verwaltungsakte entscheidungserheblichen Normen des materiellen Rechts, die Kompetenzordnung und die Funktion des potentiell präjudiziellen Verwaltungsaktes abzustellen64. Nach Artikel 20 Abs. 3 GG sind Verwaltungsbehörden zwar bei all ihren Maßnahmen an Gesetz und Recht gebunden. A u f den ersten Blick scheint diese Formulierung für eine Verpflichtung aller Verwaltungsbehörden zu sprechen, ungeachtet früherer Entscheidungen einer anderen Verwaltungsbehörde, aber auch ungeachtet früherer eigener Entscheidungen, vor jeder Verwaltungsmaßnahme selbst alle Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit ihres eigenen Verwaltungshandelns zu prüfen. Dem steht jedoch entgegen, daß die Bindung an Recht und Gesetz nicht nur eine Bindung an das materielle Verwaltungsrecht bedeutet, sondern auch eine Bindung an das Verwaltungsverfahrensrecht und die Kompetenzordnimg, aus der sich eine Verpflichtung ergeben kann, frühere Entscheidungen als verbindliche Konkretisierungen der materiellen Rechtslage zu respektieren und ihren Inhalt dem eigenen Verwaltungshandeln zugrunde zu legen. Dies führt nicht zu einem Vorrang des formellen vor dem materiellen Verwaltungsrecht. Vielmehr dient die Verpflichtung, die von einem hierfür zu63 BVerwGE 48, 242 (245); 80, 259 (261 f.); 84, 11 (13 f.); BVerwG, B. v. 5.2.1996 - 1 B 18/96, GewArch 1996, 240 f.; Kopp, VwVfG, vor § 35 Rn. 7, § 35 Rn. 6; umfassend Seibert, S. 314 ff. m.w.N. Zur Auslegungsfrage, ob und welche Inzidentfeststellungen ein Verwaltungsakt enthält vgl. bereits oben B.I.3.a)bb) und c)cc). 64 Seibert, S. 318; Kopp, VwVfG, vor § 35 Rn. 7, § 35 Rn. 6; Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 50 Rn. 22. 12 Kracht
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
ständigen Organ der vollziehenden Gewalt getroffene Entscheidung als verbindliche Konkretisierung des materiellen Rechts zu respektieren, selbst der Verwirklichung des materiellen Rechts. Denn ausgehend vom Gedanken der Arbeits- und Gewaltenteilung in der Verwaltung wird das materielle Recht nicht dadurch optimal verwirklicht, daß eine Vielzahl von Behörden möglichst oft Entscheidungen zu allen Vorfragen ihres Verwaltungshandelns trifft, sondern dadurch, daß jede Behörde hinsichtlich der für die jetzige Regelung relevanten Vorfragen alle verbindlichen Regelungen beachtet, die von ihr selbst oder einer anderen, für die Beurteilung dieser Vorfrage gesetzlich zuständigen Fachbehörde in einer dem jeweiligen Verfahrenziel angemessenen Verfahrensweise getroffen worden ist 65 . Folglich kann die Befugnis und Verpflichtung einer Behörde, die Rechtmäßigkeit des eigenen Handelns zu prüfen, im Hinblick auf das Ergebnis eines früheren Rechtsanwendungsprozesses eingeschränkt sein, nämlich dann, wenn die Bindungswirkung dieses früheren Verwaltungsaktes ihrerseits aus der gesetzlichen Kompetenzordnung und dem funktionellen und sachlichen Regelungszusammenhang des jeweiligen materiellen und formellen Verwaltungsrechts abzuleiten ist 66 . Daraus ergibt sich, daß die herrschende Variante der Lehre von der materiellen Bestandskraft mit ihrer schematischen Übertragung der subjektiven Grenzen der Rechtskraft auf den Verwaltungsakt die für dieses Rechtsinstitut relevanten staatsorganisations- und kompetenzrechtlichen Zusammenhänge nicht hinreichend berücksichtigt. Denn die verschiedenen Körperschaften und Behörden des öffentlichen Rechts sind im Verhältnis zum Bürger keine autonom handelnden Rechtssubjekte, sondern nach den Organisationsprinzipien der Einheit der Verwaltung und der Gewaltenteilung in der Verwaltung 67 zusammenwirkende Organe einer vollziehenden Gewalt, die jeweils bestimmte, ihnen zugewiesene Kompetenzen zur Verwirklichung des in ihren Verwaltungsakten konkretisierten materiellen Rechts wahrnehmen. Dem die Zuständigkeiten regelnden Gesetz- oder Verordnungsgeber steht es grundsätzlich frei, verschiedene, aber miteinander in einem sachlichen Zusammenhang stehende Aufgaben und die damit verbundenen Regelungsbefugnisse auf verschiedene Behörden zu übertragen; umgekehrt kann eine Körperschaft des öffentlichen Rechts über eine Vielzahl von Behörden und Ämter zur Wahrnehmung völlig unterschiedlicher öffentlicher Aufgaben verfügen. Wenn ein Verwaltungsakt, wie beispielsweise eine Baugenehmigung oder eine immissionsschutzrechtliche Ge-
65
Knöpfle, BayVBl. 1981, 225 (225, 228 f.); Seibert, S. 259 ff.; Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 13 Rn. 4. 66 Seibert, S. 322 ff., passim; Knöpfle, BayVBl. 1981, 225 (225, 228 f.); zur Bindungswirkung bestandskräftiger Verwaltungsakte vgl. auch BVerfG, U. v. 20.4.1982 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253 (268, 270). 67 Zur Gewaltenteilung in der Verwaltung vgl. unten Teil 6, C.III.5.
G. Rechtsgrund und Grenzen der Verbindlichkeit von Verwaltungsakten
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nehmigung, ein komplexes Rechtsverhältnis mit einer Vielzahl von Rechten und Pflichten regelt, so lassen sich der Regelungsinhalt des Verwaltungsaktes und die sachlichen Grenzen seiner Bindungswirkung für spätere Entscheidungen der gleichen und anderer Behörden sachgerecht nur abgrenzen, indem man die sachlichen und funktionellen Zusammenhänge beider Verwaltungsverfahren und des in der ersten und der zweiten Entscheidung konkretisierten materiellen Rechts berücksichtigt 68. Gleichwohl ist es Behörden nicht immer verwehrt, im Rahmen ihres eigenen Verwaltungshandelns über eine Vorfrage zu entscheiden, die bereits in einem anderen Verwaltungsverfahren als Vorfrage geprüft worden oder über die in jenem Verwaltungsverfahren eine verbindliche Regelung getroffen worden ist. Denn wenn die verfahrensübergreifende Verbindlichkeit von Verwaltungsakten zugleich auf dem Gedanken der Einheit der Verwaltung und der Gewaltenteilung in der Verwaltung beruht, reicht die Priorität einer Regelung nicht aus, um deren verfahrensübergreifende Verbindlichkeit zu begründen. Entscheidend ist vielmehr eine die intendierte Bindungswirkung mitumfassende teleologischsystematische Interpretation des Regelungsinhalts des zunächst ergangenen Verwaltungsakts, welche auf einer Analyse der jeweiligen materiellen Rechtsnormen und der Kompetenznormen aufbauen muß 69 .
68
Seibert, S. 322 ff., passim; J. Martens, Praxis, Rn. 265. Nach Seibert, S. 328 (i.V.m. S. 58 Fn. 1), soll einer in einem Verwaltungsakt enthaltenen Feststellung, soweit ihr Regelungscharakter zukommt, in allen Verwaltungsverfahren Bindungswirkung zukommen, bei denen die Feststellung eine entscheidungserhebliche Vorfrage betrifft, sofern die Behörde nicht ausdrücklich einen dem entgegenstehenden Vorbehalt aufgenommen hat. Diese Aussage ist zumindest mißverständlich formuliert. Denn die Überschaubarkeit der Folgen eines Verwaltungsakts für die Beteiligten und Betroffenen ist eine rechtsstaatlich unverzichtbare Voraussetzung der Präjudizwirkung (Erichsen/Knoke, NVwZ 1983, 185 (191 f.); Seibert, S. 323). Für den Bürger, der aus einem konkreten Anlaß in einem Verwaltungsverfahren der Behörde gegenübersteht, ist die Vorgreiflichkeit einer Rechtsfrage für andere Normen und Rechtsverhältnisse nicht immer leicht zu erkennen. Die Vorgreiflichkeit einer für beide Rechtsverhältnisse entscheidungserheblichen Vorfrage reicht deshalb nicht aus, um eine Präjudizialität (Bindungswirkung) der im ersten Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellung für das zweite Verwaltungsverfahren zu bejahen. Eindeutigkeit und Überschaubarkeit sind zusätzliche Voraussetzungen einer präjudiziellen Bindungswirkung, ohne daß hiermit überzogene Hürden aufgebaut werden sollten. Solange der Adressat nicht auf eine gegenteilige Interpretation des Landesbaurechts durch das zuständige OVG vertrauen darf, ist es für den Adressaten eines Bescheides, mit dem die Erteilung einer Baugenehmigung oder eines Vorbescheides für eine Gaststätte wegen der Unvereinbarkeit des Vorhabens mit dem materiellen Baurecht abgelehnt wurde, zwar ohne weiteres erkennbar, daß damit von der zuständigen Fachbehörde auch eine verbindliche Feststellung der materiellen Baurechtswidrigkeit getroffen wurde, die für einen späteren wiederholten Bauantrag für das gleiche Bauvorhaben, eine bauaufsichtliche Ordnungsverfügung und für die Versagung einer Gaststättenerlaubnis präjudiziell sein kann. Im Hinblick auf das 69
180
Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung" 6. Die Bindungswirkung
nicht normierter Feststellungsbescheide
Bei der Auslegung eines nicht normierten Feststellungsbescheides, d.h. eines feststellenden Verwaltungsaktes, für den weder die Befugnis zum Erlaß und noch der mögliche Regelungsgegenstand gesetzlich geregelt ist, muß sehr viel stärker als bei anderen Verwaltungsakten auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls, insbesondere etwaige Anträge und den konkreten Anlaß für den Erlaß dieses Bescheides zurückgegriffen werden, um zu ermitteln, für welche rechtliche(n) Beziehung(en) hier eine verbindliche Regelung getroffen werden sollte. Sofern der feststellende Verwaltungsakt explizit das Bestehen oder Nichtbestehen einer Eigenschaft feststellt, ist allerdings für den Adressaten erkennbar, daß diese Aussage als verbindliche Konkretisierung des materiellen Rechts für mindestens eines seiner verwaltungsrechtlichen Rechte oder eine seiner Pflichten und damit ggf. auch für einen späteren Verwaltungsakt oder eine sonstige Verwaltungsmaßnahme verbindlich sein soll. Um zu ermitteln, für welchen Folgebescheide der erste Verwaltungsakt als feststellender Grundlagenbescheid verbindlich sein sollte, sind folglich auch bei der Auslegung nicht normierter Verwaltungsakte jeweils die zwischen der Behörde und dem Adressaten bestehenden rechtlichen Beziehungen, die für alle Betroffenen erkennbaren, sachlichen und funktionellen Zusammenhänge der geregelten Rechtsfragen sowie die gesetzlichen Verwaltungskompetenzen und «Zuständigkeiten zu berücksichtigen.
7. Ergebnis Aus alledem ergibt sich, daß bei der Bestimmung der subjektiven, objektiven und zeitlichen Grenzen der Regelungswirkungen von Verwaltungsakten auf das verwirrende Nebeneinander der Rechtsinstitute der mit der Wirksamkeit begründeten Verbindlichkeit, der materiellen Bestandskraft, der Feststellungswirkung, der Gestaltungswirkung und der Tatbestandswirkung i.w.S. verzichtet werden sollte. Vielmehr ist die Verbindlichkeit eine einheitliche und immanente Rechtsfolge der Regelung eines Verwaltungsaktes, die auf dessen Funktion als eine verfahrensrechtliche Konkretisierung des materiellen Rechts
Gebot der eindeutigen Erkennbarkeit der Folgewirkung kommt einer verbindlichen Feststellung aber nur eine Präjudizwirkung zu, wenn diese Auswirkung auf das im Folgeverfahren geregelte Rechtsverhältnis für den Adressaten bei Erlaß des ersten Bescheides bereits erkennbar war. Im Zweifel ist es Aufgabe der erlassenden Behörde klarzustellen, durch welche im Bescheid enthaltenen Aussagen eine verbindliche Regelung getroffen werden und welche sachliche und verfahrensmäßige Reichweite diese Entscheidung haben soll. Unklarheiten gehen deshalb zu Lasten der Verwaltung (Kopp, VwVfG, § 35 Rn. 6; P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs; § 35 Rn. 47 m.w.N.).
G. Rechtsgrund und Grenzen der Verbindlichkeit von Verwaltungsakten
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zurückzuführen ist. Die Bindungswirkung für Folgebescheide und andere Maßnahmen der erlassenden und anderer Behörden ist ein Teilausschnitt aus der Verbindlichkeit. Zweckmäßig ist es jedoch, den Begriff der Tatbestandswirkung i.e.S. zusätzlich beizubehalten. Diese Tatbestandswirkung i.e.S. ist aber keine sich aus dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht ergebende Rechtsfolge aller Verwaltungsakte. Vielmehr hat ein Verwaltungsakt nur dann eine Tatbestandswirkung i.e.S., wenn sein Erlaß oder das Vorliegen eines derartigen Verwaltungsaktes zu den Tatbestandsmerkmalen einer speziellen Rechtsnorm gehört; dann muß jede diese Norm anwendende Behörde und jedes Gericht die Existenz dieses Verwaltungsaktes bei der Anwendung jener Norm berücksichtigen. Aus dem Wortlaut bzw. der Auslegung dieser speziellen Norm ergibt sich, ob bereits ein wirksamer oder nur ein vollstreckbarer oder unanfechtbarer Verwaltungsakt das einschlägige Tatbestandsmerkmal der jeweiligen Norm erfüllt.
V. Die zeitlichen Grenzen der Verbindlichkeit Somit bleibt nur noch zu klären, ob nach dem geltenden Verfahrensrecht die materielle Bestandskraft oder die Wirksamkeit als allgemeiner Rechtsgrund und Zeitpunkt der Verbindlichkeit von Verwaltungsakten anzusehen ist. Der Überblick hat ergeben, daß beide Theorien hinsichtlich der zeitlichen Grenzen der Verbindlichkeit unterschiedliche Antworten nur auf die Frage geben, welche Rechtswirkungen ein Verwaltungsakt vor der Erhebung von Widerspruch oder Anfechtungsklage für die Verwaltung, den Adressaten und etwaige Drittbetroffene hat. Ist die Verwaltung, wenn noch kein Rechtsbehelf eingelegt wurde, berechtigt und/oder verpflichtet, die Regelung des noch nicht bestandskräftigen Verwaltungsakts ohne erneute inhaltliche Prüfung als maßgebliche Konkretisierung der Rechtslage für Folgebescheide oder anderer Verwaltungsmaßnahmen anzusehen? Und kann ein begünstigter Adressat oder ein begünstigter Dritter auch von einem noch nicht unanfechtbaren oder einem sofort vollziehbaren Verwaltungsakt Gebrauch machen?
1. Die Regelungen der Wirksamkeit, Vollziehbarkeit in VwVfG und VwGO
und Bestandskraft
Gemäß § 43 Abs. 1 VwVfG wird der Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekanntgegeben wird. Umstritten ist jedoch, welches die Rechtsfolgen der Wirksamkeit sind. Ein Teil der Literatur nimmt an, die Wirksamkeit sei mit der rechtlichen Existenz des Verwaltungsakts gleichzuset-
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
zen. § 43 Abs. 1 VwVfG lege fest, daß ein Verwaltungsakt erst mit seiner Bekanntgabe rechtlich existent werde; vor der Bekanntgabe liege lediglich ein Entwurf vor, der Verwaltungsakt befinde sich noch in der Entstehungsphase. Demgegenüber gehen das Bundesverwaltungsgericht und die h.L. von einer doppelten Bedeutung des Begriffs der Wirksamkeit aus; § 43 VwVfG regele neben der rechtlichen Existenz des Verwaltungsakts, der sog. äußeren Wirksamkeit, auch die innere Wirksamkeit, d.h. das Inkrafttreten und die Verbindlichkeit der getroffenen Regelung70. Mit diesem dualen Begriffsverständnis ist jedoch die Regelung des § 43 Abs. 3 VwVfG nur schwer zu vereinbaren, nach der ein nichtiger Verwaltungsakt (also wohl rechtlich existenter Verwaltungsakt) unwirksam ist. U.a. um eine zwischen Absatz 1 und 2 einerseits sowie Absatz 3 anderseits differenzierende Interpretation des Begriffs der „Wirksamkeit" zu vermeiden, hat SchmidtDe Caluwe daher vorgeschlagen, die rechtliche Existenz des Verwaltungsaktes überhaupt nicht mehr in § 43 VwVfG zu verorten. Entsprechend § 130 BGB sei zwischen dem Erlaß als Abgabe der öffentlich-rechtlichen Willlenserklärung und der Bekanntgabe als ihrem Zugang zu unterscheiden. Existent werde der Verwaltungsakt bereits mit seinem Erlaß, wirksam werde er erst mit seiner Bekanntgabe. Die Bedeutung der Wirksamkeit ergebe sich selbst nicht unmittelbar aus § 43 VwVfG, sondern aus all jenen Rechtsnormen, welche bestimmte Rechtsfolgen, wie die Verbindlichkeit, die Verpflichtung, den Verwaltungsakt zu befolgen oder die Bindung der erlassenden Behörde an die getroffene Regelung usw. an die Wirksamkeit des Verwaltungsakts knüpften. So wie § 35 VwVfG eine vom Vorliegen bestimmter Tatbestandsmerkmale abhängige Legaldefinition des Verwaltungsakts darstellt, soll § 43 VwVfG demnach eine Legaldefinition der Wirksamkeit mit dem positiven Tatbestandsmerkmal der Bekanntgabe (Abs. 1) und den negativen Tatbestandsmerkmalen der Erledigung (Abs. 2) bzw. Nichtigkeit (Abs. 3) enthalten. Im Ergebnis geht damit auch Schmidt-De Caluwe davon aus, daß die Rechtswirkungen eines Verwaltungsaktes grundsätzlich bereits zum Zeitpunkt der Bekanntgabe mit seiner Wirksamkeit und nicht erst mit seiner Bestandskraft (Unanfechtbarkeit) eintreten. Für das Prinzip einer bestandskraftunabhängigen Verbindlichkeit aller wirksamen Verwaltungsakte spricht zunächst der Wortlaut der §§ 35 („hoheitliche") und 43 VwVfG („wirksam") sowie des § 80 Abs. 1 VwGO n. Bei der Auslegung ist auch der Umstand zu berücksichtigen, daß der Verwaltungsakt durch das VwVfG nicht erstmals in das deutsche Verwaltungsverfahrensrecht eingeführt wurde, sondern daß der Gesetzgeber hier ein historisch gewachsenes
70
Vgl. Fn. 4 und 5. Seibert, S. 163 ff., 193 ff.; P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 7; Schmidt-Aßmann, AöR 1991, 330 ff.; Schoch, Die Verwaltung 1992, 21 (29 ff.). 71
G. Rechtsgrund und Grenzen der Verbindlichkeit von Verwaltungsakten
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Rechtsinstitut kodifiziert hat, dessen Rechtswirkungen zumindest bei befehlenden und gestaltenden Verwaltungsakten nach traditionellem Rechtsverständnis grundsätzlich bereits mit der äußeren Wirksamkeit eintraten. Gleichwohl wäre der Lehre von der materiellen Bestandskraft zu folgen, wenn nur diese Lehre zu sachgerechten und verfassungsrechtlich gebotenen Ergebnissen führen würde.
2. Verfassungskonforme Begründung der Verbindlichkeit nur durch Prätentionsverzicht und materielle Bestandskraft? a) J. Martens Lehre vom Verwaltungsakt als zweiseitiger Regelung Von den Vertretern der Lehre von der materiellen Bestandskraft hat vor allem Joachim Martens versucht, eine Begründung dafür zu entwickeln, warum trotz der traditionellen Lehre vom Verwaltungsakt als einer einseitig-verbindlichen Regelung ein Verwaltungsakt grundsätzlich erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit die intendierte Regelungswirkung entfalten soll. Ausgangspunkt seiner Überlegungen 72 sind die Vorschriften über die Verwaltungsvollstreckung. Die Vorschrift des § 6 VwVG des Bundes und der landesrechtlichen Parallelvorschriften sähen nämlich vor, daß ein auf Herausgabe einer Sache oder auf die Vornahme einer Handlung, Duldung oder Unterlassung gerichteter befehlender Verwaltungsakt, grundsätzlich erst dann mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden kann, wenn er unanfechtbar ist bzw. wenn sein sofortiger Vollzug angeordnet ist oder wenn dem Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung beigelegt ist. Hieraus folge, daß der mit einem Verwaltungsakt konfrontierte Bürger das darin enthaltene Gebot zunächst nicht einmal vorläufig zu befolgen brauche. Aus den Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze ergebe sich nur die rechtliche Möglichkeit der Verwaltung, den Bürger mit dem Erlaß eines Verwaltungsaktes in Zugzwang zu bringen. Mit dessen Erlaß stelle die Behörde den Bürger vor die Wahl, entweder den Verwaltungsakt anzufechten oder mit seiner Entscheidung, den Verwaltungsakt nicht anzufechten, künftig die Regelung des bestandskräftigen Verwaltungsaktes als verbindliche Konkretisierung der Rechtslage zu akzeptieren. Eine Pflicht zur Befolgung des Verwaltungsaktes entstehe also grundsätzlich erst dann, wenn nicht nur die Verwaltung, sondern auch der betroffene Bürger in Form eines Prätentionsverzichts 73 eine
72 J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 213-216, 220-224, 238 ff., 316-320; ders., KritV 1986, 104 (108 f., 117 ff.). 73 Unter einem Prätentionsverzicht versteht J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 213, Fn. 7 (m.w.N.), den Verzicht des erklärenden Rechtssubjektes auf die Behauptung einer anderen Rechtsfolge, als sie in der Entscheidung festgestellt wurde.
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Entscheidung getroffen habe. Aus der gesetzlich eröffneten Möglichkeit, den Verwaltungsakt anzufechten und ihn damit gerichtlich überprüfen zu lassen, ergebe sich, daß die Entscheidung des Bürgers, die behördliche Erklärung zur Rechtslage nicht anzufechten und damit zu akzeptieren, nach geltendem Recht Voraussetzung für eine Bindungswirkung des Verwaltungsaktes sei. Mache der Bürger dagegen von seinem Anfechtungsrecht Gebrauch, so komme es erst in Form der Entscheidung des Gerichts zu einer für die Beteiligten maßgeblichen und verbindlichen Willenserklärung über die im Verwaltungsverfahren nicht abschließend geklärte Rechtslage74.
b) Richterliches Urteil und Verwaltungsakt als einseitige Regelungen Die letztgenannte Unterscheidung zwischen dem Geltungsgrund eines Verwaltungsaktes und dem der gerichtlichen Entscheidung ist jedoch nicht überzeugend. Denn grundsätzlich besteht auch gegenüber erstinstanzlichen Urteilen des Verwaltungsgerichts die Befugnis, diese Entscheidungen in Form der vom OVG zuzulassenden Berufung anzufechten. Bei Anwendung der von J. Martens für den Verwaltungsakt aufgestellten These, daß dieser Rechtsanwendungsakt nicht als einseitige Entscheidung anzusehen sei, solange gegen ihn noch ein Rechtsbehelf zulässig sei, könnte man konsequenterweise auch erstund zweitinstanzliche Urteile in der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht als hoheitliche Entscheidungen eines staatlichen Rechtsanwendungsorgans ansehen. Sie wären auch nur ein noch unverbindlicher Entscheidungsvorschlag, den die Beteiligten sich erst durch den Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels zu eigen machen würden. Dieses Legitimationsmodell des Prätentionsverzichts kann jedoch keine Anwendung finden, wenn kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des staatlichen Rechtsanwendungsorgans gegeben ist. Spätestens der Geltungsgrund des letztinstanzlichen Urteils kann sich nicht aus dem prozessualen Verhalten der Parteien, sondern nur aus dem Gesetz ergeben, das anordnet, daß die in einem bestimmten Verfahren ergangene Entscheidung eines bestimmten staatlichen Organs als verbindliche Konkretisierung der Rechtslage für das weitere Verhalten der Parteien maßgeblich sein soll. Dann besteht aber rechtslogisch kein Grund anzunehmen, das vorinstanzliche Urteil, der Widerspruchsbescheid und der Ausgangsbescheid könnten noch keine einseitigen Entscheidungen eines staatlichen Rechtsanwendungsorgans gewesen sein 75 .
Das Rechtsinstitut des Prätentionsverzichts sei in seinem Anwendungsbereich nicht auf das Verwaltungsrecht beschränkt. 74 Vgl. J. Martens, a.a.O. (Fn. 72), und in ZZP 79 (1966), 404 (416 ff.). 75 J. Martens begründet in ZZP 79 (1966), 404 (417) selbst, daß die erforderliche Bindung der Parteien an eine verbindliche Feststellung der sich aus dem materiellen
G. Rechtsgrund und Grenzen der Verbindlichkeit von Verwaltungsakten
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3. Schlußfolgerung Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, daß ein leistungsgewährender Verwaltungsakt bereits mit Eintritt seiner Wirksamkeit von der Behörde beachtet werden muß; die belastenden Regelungen eines befehlenden Verwaltungsaktes dürfen dagegen zwangsweise erst bei Unanfechtbarkeit oder einer kraft Gesetzes oder behördlichen Anordnung bestehenden sofortigen Vollziehbarkeit von der Exekutive zwangsweise durchgesetzt werden. Folglich muß der Streit zwischen der Wirksamkeitstheorie und der Lehre von der materiellen Bestandskraft anhand derjenigen Fälle entschieden werden, bei denen eine Regelung sowohl eine begünstigende als auch eine belastende Wirkung hat und bei denen sich beide Rechtsfolgen und Wirkungen nicht trennen lassen; dies sind die Verwaltungsakte mit Doppelwirkung i.S. des § 80a VwGO 7 6 . Wollte man für die Befugnis des Begünstigten, eine Baugenehmigung oder einen anderen ihn begünstigenden Verwaltungsakt in die Tat umzusetzen, auf den Eintritt der formellen und der materiellen Bestandskraft eines Verwaltungsaktes für alle (möglicherweise) Drittbetroffenen abstellen, so würde dies in jenen Fällen, in denen der Verwaltungsakt nicht allen Betroffenen amtlich bekanntgemacht wird, zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit sowohl für den Adressaten als auch die Verwaltung führen. Diese wird vermieden, wenn man mit der h.M. annimmt, der Adressat dürfe - unbeschadet einer möglichen belastenden Drittwirkung - von einem ihn begünstigenden Verwaltungsakt Gebrauch machen, wenn und solange dieser Bescheid ihm gegenüber wirksam sei. Dieses Argument könnte allerdings nicht den Ausschlag geben, wenn die Rechtsposition und der Rechtsschutz der betroffenen Dritten hierdurch entscheidend beeinträchtigt würde. Dies ist jedoch nicht der Fall. Da die Widerspruchs- bzw. Klagefristen für den Nachbarn erst mit der amtlichen Bekanntgabe in Gang gesetzt werden und auch im Nachbarrechtsverhältnis eine Verwirkung erst nach dem Zeitpunkt eintreten kann, zu dem der Nachbar von der erteilten Baugenehmigung zuverlässig Kenntnis erlangt hatte oder nach Treu und Glauben hätte erlangen können, kann er den weiteren Vollzug des zunächst wirksamen Verwaltungsakts immer noch durch Widerspruch bzw. Anfechtungsklage hemmen und so seine entgegenstehenden Rechte geltend machen77. Für die Wirksamkeit als Rechtsgrund der Verbindlichkeit spricht auch der § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO, durch dessen Einfügung im Rahmen der VwGO-Novelle
Recht im Einzelfall ergebenden Rechtsfolge im Stadium des Prozesses nicht durch eine Selbstunterwerfung, sondern wegen des fehlenden Prätentionsverzichts durch die Willenserklärung eines anderen erfolge, nämlich das die materielle Rechtsfolge aussprechende Urteil des Richters. 16 Seibert, S. 171 ff., 209 ff. 77 Seibert, S. 209 ff.
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
vom 17.12.1990 klargestellt 78 wurde, daß Widerspruch und Anfechtungsklage auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten aufschiebende Wirkung haben, sowie bei den Verwaltungsakten mit Doppelwirkung. Wenn man aufbauend auf den Überlegungen von Schmidt-de Caluwe zur Unterscheidung zwischen Abgabe (Erlaß) und Zugang (Bekanntgabe) des Verwaltungsakts davon ausgeht, daß der Erlaß eines Verwaltungsaktes bereits abgeschlossen ist, wenn die Behörde ihre Entscheidung geäußert hat 79 , so regelt § 43 VwVfG entgegen der h.M. nicht die rechtliche Existenz des Verwaltungsakts als behördliche Willenserklärung, sondern setzt diese voraus. Damit entspricht der Regelungsgehalt des § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG dem des § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB. Nach beiden Bestimmungen wird die von dem Erklärenden (d.h. bei § 43 VwVfG der Behörde) einem anderen (dem Adressaten) gegenüber abgegebene, empfangsbedürftige Willenserklärung bei einer Erklärung unter Abwesenden in dem Zeitpunkt „wirksam", in welchem sie ihm zugeht (bekanntgegeben, übermittelt 80 wird). Ebenso wie die privatrechtliche Willenserklärung 81 existiert der Verwaltungsakt als Regelungsakt bereits mit der Abgabe durch die Behörde und kann als rechtlich existenter Verwaltungsakt (und nicht etwa als Schein-Verwaltungsakt) auch dann Gegenstand einer Anfechtungsklage sein, wenn er nach Abgabe nicht oder nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben wurde oder wenn er aus den in § 44 VwVfG festgelegten Nichtigkeitsgründen trotz Bekanntgabe unwirksam bleibt (§ 43 Abs. 3 VwVfG) 8 2 . Liegt ein Verwaltungsakt also bereits immer dann vor, wenn eine Behörde eine die Tatbestandsmerkmale des § 35 VwVfG erfüllende Willenserklärung abgegeben hat, so regelt § 43 VwVfG mit dem Begriff der Wirksamkeit in allen Absätzen Eintritt und Dauer der mit dem Verwaltungsakt final intendierten Rechtswirkungen. Diese treten nach Absatz 1 grundsätzlich mit der Bekanntgabe ein (d.h. sie werden zu diesem Zeitpunkt wirksam), es sei denn, daß der Verwaltungsakt gemäß § 44 nichtig wäre (Abs. 3), und sie bleiben gemäß Absatz 2 bis zur Aufhebung oder anderweitigen Erledigung des Verwaltungsakts wirksam (in Kraft). Dabei ist § 43 VwVfG nicht nur - wie Schmidt-De Caluwe 78 Amtl. Begr. des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 11/7030, S. 24; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 80 Rn. 7, 35 f. 79 Schmidt-De Caluwe, VerwArch 90 (1999), 49 (54 ff.). 80 Der in § 43 VwVfG verwandte Begriff der Bekanntgabe entspricht gemäß § 41 VwVfG weitestgehend dem des Zugangs in § 130 BGB. Eine unter abwesenden abgegebene Willenserklärung ist nach ganz h.M. zugegangen, wenn sie so in den Machtbereich des Empfangers gelangt ist, daß dieser unter normalen Umständen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (vgl. Pal and t/Heinrichs, § 130 Rn. 5; Hefermehl in Soergel, § 130 Rn. 8). 81 Vgl. § 130 Abs. 2 BGB, wonach es auf die Wirksamkeit der Willenserklärung ohne Einfluß ist, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird. 82 Schmidt-De Caluwe, VerwArch 90 (1999), 49 (57 ff.) m.w.N.
G. Rechtsgrund und Grenzen der Verbindlichkeit von Verwaltungsakten
187
annimmt 83 - eine aus dem positiven Tatbestandsmerkmal der Bekanntgabe und den negativen Tatbestandsmerkmalen der Erledigung und Nichtigkeit zusammengesetzte Definition der „Wirksamkeit", deren Rechtsfolgen sich erst aus den §§ 48 ff. VwVfG ergäben. Denn die §§ 48 ff. VwVfG enthalten weder explizit das Tatbestandsmerkmal der Wirksamkeit des zu widerrufenden oder zurückzunehmenden Verwaltungsaktes noch ordnen sie die Geltung und Verbindlichkeit der in der Regelung enthaltenen Rechtsfolgen an. Setzt man die Legaldefinition des § 35 VwVfG in den Text des § 43 Abs. 1 VwVfG ein, so wird deutlich, daß diese Norm mit dem Begriff der Wirksamkeit den Eintritt der im Verwaltungsakt getroffenen Regelung anordnet. Im Einklang mit dem allgemeinen Sprachgebrauch bestimmt § 43 Abs. 1 VwVfG, daß eine auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtete, hoheitliche Maßnahme, welche eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen hat (Verwaltungsakt), grundsätzlich im Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe wirksam wird, daß also die getroffene Regelung mit der Bekanntgabe grundsätzlich ihre inhaltlichen Rechtswirkungen entfaltet. Diese einheitliche Interpretation der „Wirksamkeit" entspricht im Ergebnis dem Begriff der „inneren Wirksamkeit" i.S. der vorherrschenden Terminologie. Mit der Wirksamkeit treten gemäß § 43 VwVfG grundsätzlich auch die intendierten Rechtswirkungen des Verwaltungsaktes ein, sofern dieser Verwaltungsakt nicht nichtig ist. Dieser Grundsatz der bestandskraftunabhängigen Verbindlichkeit wirksamer Verwaltungsakte gilt gleichermaßen für gestaltende, feststellende und befehlende Verwaltungsakte. Keine wirkliche Ausnahme von diesem Grundsatz bilden Verwaltungsakte, deren Regelung kraft Gesetzes oder der Regelung des Verwaltungsaktes selbst, aufschiebend bedingt oder befristet ist. Denn der spätere Zeitpunkt des Eintritts der im Verwaltungsakt enthaltenen Rechtsfolgen beruht in diesen Fällen auf dem Regelungsinhalt des Verwaltungsaktes selbst (§ 43 Abs. 1 Satz 2 VwVfG) und die Regelung ist vom Adressaten, Drittbetroffenen und Behörden ggf. als eine vom Eintritt des zukünftigen Ereignisses oder Termins abhängige Regelung zu beachten84.
83 84
Schmidt-De Caluwe,, VerwArch 90 (1999), 49 (64 ff.). Seibert, S. 218 f.; Schmidt-De Caluwe, VerwArch 90 (1999), 49 (62 ff.).
188
Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
VI. Ergebnis Somit ist festzustellen, daß ein Verwaltungsakt grundsätzlich für die Verwaltung, den Adressaten und sonstige Betroffene verbindlich ist, wenn und solange er wirksam ist, sofern seine Regelungswirkung nicht ausnahmsweise kraft Gesetzes oder Nebenbestimmung aufschiebend befristet oder bedingt, insbesondere an den Eintritt der Unanfechtbarkeit, gekoppelt ist. Dies gilt auch bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung. Die gegenteilige Theorie der materiellen Bestandskraft ist mit der historisch gewachsenen Struktur dieses Rechtsinstitutes nicht in Einklang zu bringen, die in den Bestimmungen über die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes (§§ 43 ff. VwVfG), die zeitlich beschränkte Anfechtbarkeit (§§ 70, 74 VwGO) und die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage (§§ 80, 80a VwGO) 8 5 ihren positivrechtlichen Niederschlag gefunden hat. Aus diesen Normen ergibt sich zugleich, daß diese Verbindlichkeit bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheides noch unter dem Vorbehalt einer gerichtlichen Nachprüfung steht86.
H. Nicht normierte Feststellungsbescheide und konkretisierende Verfügungen als Gegenstand der weiteren Untersuchung rechtsformspezifischer Fragen Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, daß dem Tatbestandsmerkmal und den Rechtsfolgen der „Regelung" im § 35 VwVfG eine zentrale Rolle für ein funktionales Verständnis des Rechtsinstitutes Verwaltungsakt zukommt. Eine hierauf aufbauende telelogische Interpretation sollte davon absehen, jegliches Verwaltungshandeln, das die Rechtssphäre des Bürgers berührt, aufgrund der sprachlichen Unschärfe der in § 35 VwVfG verwendeten Begriffe als Verwal-
85 Zur Frage, ob die aufschiebende Wirkung nur entsprechend der herrschenden Rechtsprechung zu einer Hemmung der Vollziehbarkeit i.w.S. (einschließlich einer Verwirklichungs- und Ausnutzungshemmung) führt oder zu einer weitergehenden vorläufigen Wirksamkeitshemmung vgl. einerseits Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 250; Kopp/Schenke, VwGO, § 80 Rn. 22 ff. und anderseits Schoch in Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 80 Rn. 73-98 (jew. m.w.N.). 86 Renck, JuS 1965, 129 (131); ders. y NJW 1970, 737 (739); Krause, Rechtsformen, S. 159 (Fn. 288) weisen zu Recht daraufhin, daß im Hinblick auf die zunächst eintretenden Rechtsfolgen nicht nur von einer „potentiellen Verbindlichkeit" (so aber BVerwGE 18, 172 (179); Löwenberg., S. 39 ff.) gesprochen werden kann.
H. Gegenstand der weiteren Untersuchung rechtsformspezifischer Fragen
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tungsakt anzusehen. Damit wird der seit langem erkannten Gefahr vorgebeugt, den Verwaltungsakt in unserem System des allgemeinen Verwaltungsrechtes als einen „begriffsjuristischen Popanz"1 zu behandeln, der zur Lösung dogmatischer Grundfragen nicht mehr zu gebrauchen ist 2 . Die Schwierigkeiten im Umgang mit dem Tatbestandsmerkmal der Regelung in § 35 VwVfG beruhen aber nicht immer auf Begriffsvertauschungen oder einer oberflächlichen Interpretation. Die bisherige Analyse hat gezeigt, daß diese Probleme auch Ausdruck jenes Spannungsverhältnisses zwischen abstrakt-generellem Gesetz und dessen Anwendung im Einzelfall unserer Lebenswirklichkeit sind, zu dessen Überbrückung der Verwaltungsakt dienen soll. Mit der hier vorgenommenen Betonung der Konkretisierungsfunktion soll nicht der Eindruck erweckt werden, primäre Aufgabe der Verwaltung sei ein Gesetzesvollzug ohne eigene Gestaltungsmöglichkeiten. Selbstverständlich erschöpft sich der Funktionsbereich der Verwaltung nicht im Erlaß von Verwaltungsakten, und dort, wo ihr Ermessen oder planerische Gestaltungsfreiheit eingeräumt ist, läuft der Gesetzesvollzug nicht nach Konditionalsätzen ab, wie sie regelmäßig in den Entscheidungen der dritten Gewalt anzuwenden sind. Nach dem Zwischenergebnis der bisherigen Untersuchung ist aber doch dem immer noch verbreiteten Eindruck entgegenzutreten, feststellende Verwaltungsakte und konkretisierende Verfügungen bildeten Fremdkörper im System des deutschen Verwaltungsrechts. Vielmehr sind es Regelungsakte, die alle begriffsnotwendigen Merkmale und Funktionen des Verwaltungsaktes erfüllen, wie sie in der verwaltungsrechtlichen Dogmatik auf der Basis der Konzeption Otto Mayers entwickelt wurden und sich heute aus den Vorschriften des VwVfG und der VwGO ergeben. Als insoweit dem Urteil funktional voll vergleichbare Rechtsanwendungsakte, die der Erkenntnis, verbindlichen Konkretisierung und Verwirklichung des materiellen Rechts dienen, dürfen diese Verwaltungsakte nicht von vornherein als Relikte des obrigkeitlichen Polizeistaates oder der konstitutionellen Monarchie behandelt werden. Denn es hat sich gezeigt, daß der Verwaltungsakt in dem Prozeß der Rechtsverwirklichung vom abstrakt-generellen Gesetz zum tatsächlichen Verhalten eine Zwischenstufe darstellt, welche durch den Ausspruch, was im Einzelfall Rechtens sein soll, der Verwirklichung der sich aus den Normen des materiellen Verwaltungsrechts ergebenden Rechte und Pflichten dient3. Folglich kommt es darauf an,
1
Zacher, Jantz-Festschrift, S. 38. Krause, Rechtsformen, S. 115 ff. 3 Im Kern beschieb Otto Mayer die Konkretisierungsfunktion schon so, als er den Verwaltungsakt in der 1. Auflage seines Lehrbuchs nach dem Vorbild des gerichtlichen Urteils entwickelte (Dt. VerwR I, 1. Aufl., S. 95, Hervorhebungen abweichend vom Original): 2
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Teil 2: Tatbestandsmerkmal, Rechtsfolgen und Funktionen der „Regelung"
auf Basis der seit O. Mayer längst gewandelten verfassungsrechtlichen Grundlagen die Voraussetzungen neu zu bestimmen, unter denen die Verwaltung diese Handlungsform zur Erfüllung ihrer Aufgaben einsetzen darf 4 . Ging es bislang darum, die Funktion dieses Rechtsinstitutes innerhalb unseres Verwaltungsrechts rechtstheoretisch und -systematisch in seiner Beziehung zum Gesetz und zum Richterspruch zu bestimmen, so stehen im nächsten Arbeitsschritt verfassungsrechtliche Fragen im Mittelpunkt. Damit wird ein Ausschnitt aus dem Problemkreis der verfassungsrechtlichen Stellung der öffentlichen Verwaltung zwischen Gesetzgebung und richterlicher Gewalt untersucht. Mit der vorliegenden Arbeit wird so der Versuch unternommen, aus der Perspektive des allgemeinen Verwaltungsrechts einige Aspekte des Verhältnisses der besonderen Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung nach der Funktionenordnung des Grundgesetzes mit seinem Gewaltenteilungsgrundsatz (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) näher zu beleuchten. Behandelt werden soll dabei einerseits der Art. 92 GG und andererseits das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung mit seinen zwei Ausprägungen, dem Vorrang und dem Vorbehalt des Gesetzes5. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob die Verwaltung zum Einsatz ihrer Handlungsform Verwaltungsakt einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung bedarf. Aus der hier entwickelten Einteilung der Verwaltungsakte ergibt sich, daß die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Behörde Verwaltungsakte zur Regelung und Konkretisierung des materiellen Rechts einsetzen darf, zweckmäßigerweise anhand der feststellenden Verwaltungsakte und der kon-
„Vor Durchführung des Gesetzes mit der That stellt das Gericht durch das Urteil fest, was in diesem Falle Rechtens ist, und zwar rechtlich wirksam für den betroffenen Unterthanen. Das Urteil selbst ist an das Gesetz gebunden, aber es bindet seinerseits die That: was dem Unterthanen rechtlich gebührt und von der Obrigkeit widerfahren soll, richtet sich fortan nicht mehr unmittelbar nach dem Gesetz, sondern nach dem Urteil. Dieses hat, wie man sagt Jus in concreto gemacht. Wie der Wert des Rechtssatzes liegt in der rechtlich gebundenen Gleichheit des obrigkeitlichen Handelns, so der des Urteils in der rechtlichen Bestimmtheit, die es dem Einzelfall unmittelbar giebt. (...), so verfahrt der Rechtsstaat auch mit dem civilrechtlichen Urteil. Unter Abstreifung der ihm anhaftenden Besonderheiten (. wird der Kern seiner rechtlichen Wirkungskraft einer obrigkeitlichen Willensäußerung beigelegt, die in der Verwaltung und für die Verwaltung ergeht. Der Verwaltungsakt ist ein der Verwaltung zugehöriger obrigkeitlicher Ausspruch, der dem Unterthanen gegenüber im Einzelfall bestimmt, was für ihn Rechtens sein soll." 4 Vogel, VVDStRL 28, 268 (269 f.); Rüfner, VVDStRL 28, 188 (205); Breuer, VVDStRL 45, 272 (273); Krause, Rechtsformen, S. 138 ff.; Ossenbühl, JuS 1979, 681 (683); Woljf/Bachof/Stober, VerwR I, § 45 Rn. 2; Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 12 Rn. 5-9; Maurer, Allg. VerwR, § 9 Rn. 40 f.; Koch/Rubel, Rn. 5 ff.; SchmidtDe Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 3 ff., 262 ff. 5 O. Mayer, Dt. VerwR, 3. Aufl., S. 64 ff.; Pietzcker, JuS 1979, 710; Stern, Staatsrecht I, § 20 IV.4.b); Ossenbühl, in Erichsen, Allg. VerwR, § 9 Rn. 7.
H. Gegenstand der weiteren Untersuchung rechtsformspezifischer Fragen
191
kritisierenden Verfügungen zu untersuchen ist. Denn bei den einen Rechtsstatus gestaltenden und bei den pflichtenbegründenden Verwaltungsakten stellt sich zwangsläufig die zusätzliche Frage, welche inhaltlichen Regelungen innerhalb der Rechtsbeziehungen des Staates zu seinen Bürgern dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegen. Wenn die Regelung inhaltlich dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegt, kommt es für die Vorbehaltsfrage nicht mehr auf die gewählte Rechtsform an. Es gibt zwar auch Sachverhalte, bei denen sich bei der Untersuchung der Geltung und Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes für einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt oder eine pflichtenbegründende Verfügung durch den Gebrauch der Regelungsform Verwaltungsakt gewisse rechtsformspezifische Belastungen ergeben, welche möglicherweise erst zusammen mit dem Regelungsinhalt die Eingriffswirkung begründen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine Behörde in Ausübung ihres Hausrechts ein öffentlich-rechtliches Hausverbot in Form eines Verwaltungsaktes ausspricht 6. Dann stellen sich einerseits die Fragen nach den gesetzlichen Grundlagen des Hausrechts einer Behörde und einer möglicherweise unabhängig von der Einstufung als Verwaltungsakt bestehenden Eingriffsqualität dieser Maßnahmen und andererseits die Frage, ob eine gesetzliche Ermächtigung hier auch oder gerade deshalb erforderlich ist, weil die Behörde das Verbot, ihr Dienstgebäude zu betreten, in Form eines rechtsgestaltenden Verwaltungsaktes ausspricht. Es ist von vornherein erkennbar, daß in solchen Fallkonstellationen die Vorbehaltsfragen sachgerecht nur gelöst werden können, wenn bei der Erörterung sowohl die inhaltlich-materiellen als auch die formell-verfahrensrechtlichen Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Um eine Konzentration auf die rechtsformspezifischen Aspekte der Vorbehaltsfrage zu erreichen, wird die Befugnis zum Erlaß rechtsgestaltender Verwaltungsakte und pflichtenbegründender Verfügungen deshalb in die nachfolgende Untersuchung nicht einbezogen. Wenn es aber gelingen sollte, über die rechtsformspezifischen Eingriffswirkungen des Rechtsinstituts Verwaltungsakt und die für seinen Einsatz notwendigen gesetzlichen Grundlagen mehr Klarheit zu gewinnen, so könnten diese Ergebnisse auf Verwaltungsakte übertragen werden, die sowohl feststellende als auch gestaltende Regelungselemente enthalten und in weiterreichende Diskussionen, z.B. über das öffentlich-rechtliche Hausverbot oder die Regelungsbefugnisse im Rahmen der Anstaltsgewalt, der Satzungsautonomie einer öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltungskörperschaft, eingebracht werden.
6
Vgl. dazu Druschel, S. 182-184 m.w.N.
Teil 3
Verfassungsrechtliche Grundlagen für die Untersuchung behördlicher Regelungskompetenzen A. Artikel 92 GG I. Die These eines Richtervorbehalts zur verbindlichen Rechtsfeststellung oder Streitentscheidung Nach Art. 92 GG ist die Ausübung der rechtsprechenden Gewalt den Richtern anvertraut und wird durch die dort genannten Gerichte des Bundes und der Länder ausgeübt. Im Teil 2 der vorliegenden Arbeit war der Verwaltungsakt als ein Rechtsanwendungsakt beschrieben worden, welcher als verbindliche Konkretisierung des materiellen Rechts in seiner Funktion und seinen Wirkungen deutliche Parallelen zum richterlichen Urteil aufweist. Hieraus ergibt sich die Frage, ob die Verwaltung mit dem Erlaß feststellender Verwaltungsakte und konkretisierender Verfügungen in unzulässiger Weise rechtsprechende Gewalt ausübt, da sich der Regelungsgehalt dieser Verwaltungsakte auf die Anwendung unmittelbar geltender Verwaltungsrechtsnormen beschränkt. Im Rahmen der Darstellung der in der Literatur an der Rechtsfigur des feststellenden Verwaltungsaktes geübten Grundsatzkritik 1 ist bereits die Auffassung Kollmanns2 wiedergegeben worden, feststellende Verwaltungsakte, die eine verbindliche Feststellung der materiellen Rechtslage enthielten, fielen unter den von Richard Thoma entwickelten3 Begriff der materiellen Rechtsprechung als „verbindlichen und verselbständigten Ausspruch dessen, was in Fällen bestrittenen oder verletzten Rechts Rechtens ist, durch staatliche Autorität". Mit ähnlicher Begründung wurde von Beitzke die Auffassung vertreten, die Feststellungskompetenz der Landesjustizverwaltungen im Verfahren zur Anerkennung ausländischer Ehescheidungen gem. Art. 7, § 1 FamRAndG sei verfassungswidrig, weil sie die Justizverwaltung zu reinen Rechtsentscheidungen ermächtige, welche durch Art. 92 GG den Richtern vorbehalten seien4. 1 2 3 4
Vgl. Teil 2, A.III.3. DÖV 1990, 189 (194 f.). Thoma in HdbDStR II, S. 127 ff. (129). Beitzke, FamRZ 1974, 532 (533) m.w.N.
A. Artikel 92 GG
193
Materielle Rechtsprechung dürfe aber nach Art 92 GG nur durch Gerichte ausgeübt werden. Aus dem Verhältnis von Rechtsprechung und Verwaltung unter dem GG folge deshalb, daß die Verwaltung auch nicht durch ein Gesetz zum Erlaß deklaratorisch-feststellender Verwaltungsakte ermächtigt werden könne; zumindest müsse eine Bindungswirkung an deren Regelungsinhalt verneint werden 5. Der 1. Senat des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofes urteilte 1976, durch Art. 92 GG sei die verbindliche Entscheidung über streitige Statusfragen grundsätzlich den Gerichten vorbehalten; mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung seien die Staatsangehörigkeitsbehörden daher nicht befugt, durch Verwaltungsakt eine Statusfeststellung über den Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit zu treffen 6. Auch in der Literatur wird das Kriterium der Rechtsanwendung zur Streitentscheidung häufig als das alleinige7 oder ein8 Wesensmerkmal der materiellen Rechtsprechung angesehen. Der Erlaß sog. streitentscheidender Verwaltungsakte wird daher immer wieder als verfassungswidrig\ äußerst bedenklich 10 11 oder zumindest doch in bestimmten Fällen problematisch eingestuft. Hierbei bestehen allerdings unterschiedliche Auffassungen, ob bereits immer dann ein (möglicherweise) unter den materiellen Rechtsprechungsbegriff fallender streitentscheidender Verwaltungsakt vorliegt, wenn in einer Kontroverssituation mit widerstreitenden Auffassungen über die Sach- und Rechtslage eine Behörde eine den Streit entscheidende Entscheidung trifft 12 oder nur dann, wenn eine solche Entscheidung durch einen Dritten, d.h. eine am materiellen Rechtsverhältnis unbeteiligte Stelle 13 , und/oder in einem förmlichen Verfahren ergeht 14.
5
Kollmann, DÖV 1990, 189 (194 f.). Bay. VGH, U. v. 5.4.1976 - Nr. 1 IX 71, DVB1. 1977, 108; zustimmend: SchmidtBleibtreu in Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 92 Rn. 4; P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/ Bonk/Sachs, § 35 Rn. 146; Peine, Allg. VerwR, Rn. 143. 7 Achterberg, Probleme, S. 157 ff.; ders., Allg. VerwR, § 21 Rn. 81 ff. 8 Andreae, S. 118 ff. 9 Achterberg, Probleme, S. 157 ff.; ders., Allg. VerwR, § 21 Rn. 83-85, versteht hierunter Entscheidungen, die zur Streitentscheidung zwischen zwei Parteien durch einen unbeteiligten Dritten gefallt werden sowie Entscheidungen, bei denen sich typischerweise gegensätzliche Rechtsbehauptungen zweier Beteiligter gegenüberstehen. 10 Grosser, VerwArch 17 (1984), 329 (340). 11 Vgl. Andreae, S. 105 ff.; Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 46 Rn. 10 f. Sproll, Allg. VerwR II, Rn. 56-58 sowie die Nachweise in Fn. 6. 12 Nach Kollmann, DÖV 1990, 189 (194 f.), sollen auf Grundlage der Streitentscheidungslehre sämtliche Verwaltungsakte, die eine Feststellung der materiellen Rechtslage enthalten, als verfassungswidriger Akt materieller Rechtsprechung einzustufen sein. 13 Nach h.L. (vgl. Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 46 Rn. 10 f., Bettermann in HStR III, § 73 Rn. 42; Peltner, JA 1982, 149; Andreae, S. 126 ff. m.w.N.) sollen (streit6
13 Kracht
194
Teil 3: Verfassungsrechtliche Grundlagen
Um eine Funktionsanmaßung durch die Verwaltung zu verhindern wollte Achterberg darüber hinaus auch Entscheidungen, bei denen sich typischerweise gegensätzliche Rechtsbehauptungen zweier Beteiligter gegenüberstehen, in den Rechtsprechungsbegriff einbeziehen. Hierzu zählte er vorallem Leistungsbescheide im Beamtenrecht, die er als gegen Art. 92 GG verstoßende streitentscheidende Verwaltungsakte ansah. Schließlich findet sich mit Blick auf Leistungs- und Erstattungsbescheide die Ansicht, allein durch die Entscheidung über kontradiktorische Rechtsmeinungen sei der Begriff der Rechtsprechung im materiellen Sinne nicht zu bestimmen; unter diesem Blickwinkel müßte der Erlaß eines Verwaltungsaktes immer verfassungswidrig sein, wofür sich im GG keinerlei Anhaltspunkte fanden. Nach Arnold 15 soll jedoch zu beachten sein, daß die Befugnis zur Schaffung eines vollstreckbaren Titels regelmäßig den Gerichten zugeordnet sei. Vollstreckbare Verwaltungsakte seien in Anbetracht der mangelnden Unabhängigkeit der handelnden Organe zwar nicht als materielles Judikat anzusehen und deshalb nicht dem unmittelbar den Gerichten vorbehaltenen institutionellen Garantiebereich des Art. 92 GG zuzurechnen. Durch die in den Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsvollstreckungsgesetzen vorgenommene Zuordnung der Titulierungskompetenz zum Verwaltungsakt 16 entstehe allerdings eine
entscheidende) Verwaltungsakte dann keine Akte materieller Rechtsprechung sein, wenn sie durch eine sachlich beteiligte Stelle erlassen werden. Hierzu genüge es, daß die Behörde im Hinblick auf den Streitgegenstand auch eigene - öffentliche - Interessen wahrzunehmen habe. Eine solche zur Zulässigkeit einer behördlichen Entscheidungskompetenz führende sachliche Beteiligung am Streitgegenstand sei bei allen feststellenden Verwaltungsakten und konkretisierenden Verfügungen im Bereich der Eingriffsverwaltung (Andreae, S.46 f.) und auch bei fast allen streitentscheidenden Verwaltungsakten gegeben (Andreae, S. 142 ff.) Verfassungswidrige streitentscheidende Verwaltungsakte seien demnach nur die streitentscheidende Vorbescheide in Wild- und Jagdschadenssachen nach § 35 BJagdG (Andreae, S. 147 ff.; Bettermann in HStR III, § 73 Rn. 42; nach Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 46 Rn. 11 ist deren Verfassungsmäßigkeit jedenfalls nicht zweifelsfrei) und die Streitentscheidung über die Erstattung von Bergungs- und Hilfskosten nach § 38 Strandungsordnung (Andreae, S. 150). Widersprüchlich sind die Ausführungen bei Sproll, Allg. VerwR II: Einerseits nimmt er im Anschluß an Wolff/ Bachof/Stober an, streitentscheidende Verwaltungsakte seien verfassungsrechtlich zweifelhaft, wenn die Behörde bei ihrem Erlaß nicht zur Wahrung öffentlicher Interessen verpflichtet sei (Rn. 58), andererseits findet sich auf der gleichen Seite (Rn. 56) die Aussage, streitentscheidende Verwaltungsakte seien jedenfalls dann unbedenklich, wenn die Behörde im Rahmen der Entscheidung nicht auch eigene Interessen wahrzunehmen habe und somit eine gerichtsähnliche Neutralität besitze. 14 Vgl. die umfangreiche Darstellung der bisherigen Begriffsverwendung in Rechtsprechung und Literatur bei Andreae, S. 14 ff. 15 Arnold, UFITA 97 (1984), 87 (98 ff.); ähnlich Peine, Allg. VerwR, Rn. 143. 16 Damit versteht Arnold die Titelfunktion des Verwaltungsaktes wohl in dem engen, auch in der vorliegenden Arbeit verwandten Begriff eines vollstreckbaren Titels (vgl. dazu oben Teil 2, C.II. 1.).
A. Artikel 92 GG
195
funktionale Nähe zur Rechtsprechung. Art. 92 GG verbiete eine solche Verschiebung der modalen Grenzen des Rechtsprechungsbereichs durch den Gesetzgeber nicht grundsätzlich. Die Anerkennung einer Dispositionsbefugnis des Gesetzgebers über die Grenzen des Garantiebereichs des Art. 92 GG müsse aber Konsequenzen für die Interpretation des in Art. 20 Abs. 3 GG vorausgesetzten Gesetzesvorbehalts haben. Werde durch den das Verwaltungsverfahrens- und Vollstreckungsrecht regelnden Gesetzgeber der Weg zu einem vollstreckbaren Titel ohne Einschaltung der Gerichte eröffnet, so liege hierin eine wesensfremde Zuordnung dieser Titulierungskompetenz an die Verwaltung. Für die Frage, wann die Verwaltung von ihrer Titulierungskompetenz Gebrauch machen dürfe, bestehe deshalb ein Dispositionsvorbehalt zugunsten des Gesetzgebers. Er begründe die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage für das Handeln in Form eines Verwaltungsakts.
II. Die unter dem Vorbehalt gerichtlicher Nachprüfung stehenden Verwaltungsakte der rechtsanwendenden und -vollziehenden Gewalt Obwohl die Diskussion um den verfassungsrechtlichen Rechtsprechungsbegriff nach wie vor noch nicht abgeschlossen ist 17 , besteht heute darüber Einigkeit, daß nach der Aushöhlung und Pervertierung der Rechtsprechung im Nationalsozialismus Art. 92 GG die Ausübung der Rechtsprechung durch eine verfassungsrechtliche Garantie einer eigenständigen und unabhängigen Dritten Gewalt bereits kraft Verfassung garantiert; der Umfang der richterlichen Gewalt wird also nicht erst durch die jeweiligen Kompetenzkataloge des einfachen Rechts bestimmt 18 . Art. 92 GG konkretisiert den Gewaltenteilungsgrundsatz des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG nicht nur, sondern verschärft ihn noch, indem er eine gesetzliche Funktionenverschränkung, durch die die Ausübung einer Rechtsprechungstätigkeit auf Organe der Legislative oder Exekutive übertragen würde, absolut ausschließt19. Infolgedessen erweist sich die Unterwerfung einer vermeintlichen Rechtsprechungstätigkeit der Verwaltung
17
So jetzt auch das BVerfG in seinem Urteil zum Hess. Wahlprüfungsgericht (U. v. 8.2.2001 - 2 BvF 1/00, EuGRZ 2001, 551 ff. = http://www.bverfg.de, Rn. 111 f., 116, 120. Zu den besonderen Auslegungsproblemen vgl. auch W. Meyer in v. Münch/Kunig, GG-Kommentar, Art. 92 Rn. 1 ff.; Achterberg in Bonner Kommentar, Art. 92 Rn. 47 ff., 101 ff. 18 BVerfGE 22, 49 (74 f.); Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, S. 191 ff.; W. Meyer in v. Münch/Kunig, GG-Kommentar, Art 92 Rn. 2; Herzog in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 92 Rn. 20 f.; Achterberg in Bonner Kommentar, Art. 92 Rn. 64 ff.; Wassermann in Aiternativ-Kommentar, Art. 92 Rn. 27. 19 BVerwGE 8, 350 (352); Achterberg in Bonner Kommentar, Art. 92 Rn. 113; Stern, Staatsrecht II, § 43 I.4.; Bettermann in HStR III, § 73 Rn. 4; Andreae, S. 105 ff.
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Teil 3: Verfassungsrechtliche Grundlagen
unter den Vorbehalt des Gesetzes in der angeführten Entscheidung des 1. Senats des Bay. VGH und der ihr folgenden Literatur 20 als in sich widersprüchlich 21: Wäre jede verbindliche Entscheidung über (streitige) Statusangelegenheiten oder gar jede verbindliche Feststellung, was im Einzelfall Rechtens ist, tatsächlich als Rechtsprechung zu qualifizieren, so wäre es auch dem Gesetzgeber verwehrt, der Verwaltung durch einfaches Gesetz eine Entscheidungskompetenz zu übertragen. Denn Art. 92 GG weist die Ausübung der rechtsprechenden Gewalt ausschließlich den Richtern zu; der Gesetzgeber darf deshalb eine Angelegenheit, die Rechtsprechung im Sinne von Art. 92 GG ist, nicht anderen Stellen als Gerichten zuweisen22. Ein Gesetz, welches eine Verwaltungsbehörde durch die Befugnis zum Erlaß streitentscheidender oder statusfeststellender Verwaltungsakte zur Ausübung rechtsprechender Gewalt ermächtigen würde, verstieße gegen den Richtervorbehalt des Art. 92 GG und wäre aus diesem Grunde nichtig. Art. 92 GG enthält auch keinen Dispositionsvorbehalt des Gesetzgebers für rechtsprechungsähnliche Verwaltungsakte: Tatbestandlich bezieht sich diese Verfassungsnorm auf alle Formen der Ausübung der rechtsprechenden Gewalt, aber auch nur auf diese. Die Grundsatznormen des Prinzips der Gewaltenteilung in Art. 20 Abs. 2 und 3 GG unterscheiden zwischen der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt; auch die übrigen Kompetenznormen des GG enthalten keine Vorschriften über rechtsprechungsähnliche Entscheidungen. Und als zwingende Rechtsfolge behält Art. 92 GG die Ausübung der rechtsprechenden Gewalt ausschließlich den Richtern bei den im zweiten Halbsatz genannten Gerichten vor. Art. 92 GG sieht also weder für diese Akte eine Einschränkung durch eine Dispositionsbefugnis des Gesetzgebers23 vor noch eine Ergänzung durch einen Gesetzesvorbehalt, nach dem die Verwaltung rechtsprechungsähnliche Rechtsanwendungsakte nur bei einer gesetzlichen Er20
Vgl. die Nachweise in Fn. 6. Christiane Fischer, S. 152 f. nimmt an, daß dann, wenn ein Verwaltungsakt einen Status rechtsgestaltend regele und zugleich eine gerichtliche Entscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit nicht zulässig sein solle, wegen Art. 92 GG für den Erlaß dieses Verwaltungsakts eine Ermächtigungsgrundlage erforderlich sei. Denn es handele sich dann um eine den materiellen Rechtsprechungsbegriff erfüllende letztverbindliche Entscheidung. Feststellende Verwaltungsakte, die einen streitigen Status regelten, seien dagegen nicht letztverbindlich; ihr Erlaß ohne eine besondere Ermächtigung verstoße daher nicht gegen Art. 92 GG. 21 Schwache, Verwaltungsrundschau 1978, 28 (29); Bay VGH, U. v. 18.8.1980 Nr. 22 B - 1410/79, GewArch 1981, 18 (19 f.) = NJW 1981, 2076; H. Meyer in Meyer/ Borgs, § 35, Rn. 36; für den Leistungsbescheid ebenso Heckmann, S. 152. 22 So jetzt auch BVerfG, U. v. 8.2.2001 - 2 BvF 1/00 (Hess. Wahlprüfungsgericht), EuGRZ 2001, 551 ff. = http://www.bverfg.de, Rn. 110. 23 Wie dies Art. 83 GG mit der Formulierung „... soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zuläßt" für Ausübung der vollziehenden Gewalt bei der Ausführung von Bundesgesetzen macht.
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mächtigung erlassen dürfte. Aus Art. 92 GG kann sich daher nie die Notwendigkeit einer Ermächtigungsgrundlage für feststellende Verwaltungsakte oder konkretisierende Verfügungen ergeben. Jedoch bleibt die weitergehende Rechtsfrage zu untersuchen, ob Art. 92 GG es dem Gesetzgeber verbietet, der Verwaltung die Befugnis zum Erlaß feststellender Verwaltungsakte und konkretisierender Verfügungen zuzuweisen, insbesondere sie zum Erlaß sog. streitentscheidender Verwaltungsakte zu ermächtigen. Es ist allgemein anerkannt, daß die rechtsprechende Gewalt i.S. des Art. 92 GG zumindest all jene Tätigkeiten umfaßt, die das Grundgesetz durch seine in anderen Verfassungsbestimmungen enthaltenen Rechtsweggarantien und Richtervorbehalte den Richtern und Gerichten zuweist 24 ; Art. 92 GG monopolisiert insoweit die Wahrnehmung der Rechtsprechungstätigkeiten bei den Richtern als alleinigen Trägern der rechtsprechenden Gewalt und ordnet ihre Erfüllung nach Maßgabe des IX. Abschnitts an 25 . Rechtsweggarantien i.S. dieses formell-verfassungsrechtlichen Rechtsprechungsbegriffs sind Normen, welche verlangen, daß bei der Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts, insbesondere bei der Beurteilung einer staatlichen Maßnahme, in irgendeiner Phase des Verfahrens die Gerichte eingeschaltet werden können (Art. 19 Abs. 4, Art. 14 Abs. 3 Satz 4, Art. 15 Satz 2, Art. 34 Satz 3; Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 - 4b, Art. 41 Abs. 2 GG) 26 . Sie garantieren, daß die jeweils genannten Gerichte irgendwann angerufen werden können, den Richtern also auf Klage oder Antrag das „letzte Wort" vorbehalten ist. Die Konkretisierung eines Rechtsverhältnisses durch einen Verwaltungsakt kann daher keine der von Art. 92 GG erfaßten verfassungsrechtlichen Rechtsweggarantien verletzen, weil diese gerade selbst die richterliche Nachprüfung der Verwaltungsentscheidung zwingend gewährleisten 27. Die ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Richtervorbehalte der Art. 18 Satz 2, Art. 21 Abs. 2 Satz 2, Art. 100 Abs. 1 und Art. 126 GG für das Bundesverfassungsgericht, bzw. der Art. 13 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG für die anderen Gerichtszweige weisen dagegen der Dritten
24 BVerfGE 22, 49 (74 ff.); Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, S. 193 ff.; Herzog in Maunz/Dürig/Herzog/ Scholz, Art. 92 Rn. 41 ff.; Achterberg in Bonner Kommentar, Art. 92 Rn. 92 ff.; Detterbeck in Sachs, GG, Art. 92 Rn. 5 ff. 25 Herzog in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 92 Rn. 41 ff.; W. Meyer in v. Münch/ Kunig, GG-Kommentar, Art. 92 Rn. 3. 26 Ähnlich Herzog in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 92 Rn. 36 f.; Achterberg in Bonner Kommentar, Art. 92 Rn. 93 f. Deren Formulierung, daß die Gerichte aufgrund der Rechtsweggarantien eingeschaltet werden müssen, ist jedoch mißverständlich. Denn diese Verfassungsbestimmungen gewährleisten nur eine repressive Kontrollkompetenz der Gerichte, d.h. einerichterliche Entscheidung auf Klage bzw. Antrag. 27 BVerfGE 12, 264 (274 f.); Bay ObLG, B. v. 24.6.1977 - B.Reg. 1 Z 137/76, FamRZ 1978, 243 (246); Maunz in Maunz/Zippelius, 26. Aufl., § 32 1.4.
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Gewalt die ausschließliche Entscheidungskompetenz über den in der jeweiligen Verfassungsnorm genannten Gegenstand zu; die in den Richtervorbehalten aufgeführten hoheitlichen Maßnahmen dürfen entweder ausschließlich von einem Gericht ausgesprochen oder zumindest nur nach vorheriger Billigung durch ein Gericht vorgenommen werden 28 . Gesetzeskonkretisierende Verwaltungsakte verstoßen daher grundsätzlich nicht gegen die ausdrücklichen Richtervorbehalte; vielmehr würden sie nur in den Fällen in ein formell-verfassungsrechtliches Richtermonopol eingreifen, in denen sie ausnahmsweise einen von den ausdrücklichen Richtervorbehalten erfaßten Sachverhalt regeln. Dies war aber bei keinem der in Rechtsprechung und Literatur als vermeintliche Beispiele für einen Verstoß gegen Art. 92 GG angeführten Beispiele einer „isolierten Rechtsentscheidung" oder „Streitentscheidung" durch Verwaltungsakt der Fall. Die entscheidende Frage ist nun, ob der Bedeutungsgehalt der den Richtern in Art. 92 GG anvertrauten „rechtsprechenden Gewalt" bereits durch die im Text des Grundgesetzes ausdrücklich genannten Kompetenzen von Rechtsprechungsorganen ausgeschöpft ist oder ob dieser Verfassungsbestimmung ein darüber hinausgehender materiell-rechtlicher Rechtsprechungsbegriff zugrunde liegt. Nur letzteres könnte zu einem zusätzlichen, eigenständigen Richtervorbehalt in Art. 92 GG führen 29 , der für alle von dieser materiellen Rechtsprechungsdefinition erfaßten Sachbereiche, Regelungsarten (z.B. Rechtsfeststellung) oder Regelungszwecke (z.B. Streitentscheidung, verselbständigte oder verbindliche Rechtsanwendung) die Ausübung einer Erstentscheidungskompetenz durch Verwaltungsbehörden in Form von feststellenden Verwaltungsakten oder gesetzeskonkretisierenden Verfügungen verbieten würde: Das Bundesverfassungsgericht und die herrschende staatsrechtliche Lehre vertreten die Auffassung, daß aufgrund der besonderen Betonung und Ausformung einer eigenständigen und unabhängigen rechtsprechenden Gewalt im Grundgesetz der Art. 92 GG den Richtern über den Kreis der in der Verfassung selbst genannten noch weitere Aufgaben vorbehalte 30. Das Bundesverfassungs28 Herzog in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 92 Rn. 39 f.; Achterberg in Bonner Kommentar, Art. 92 Rn. 95 f. 29 Herzog in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 92 Rn. 41 f.; Achterberg in Bonner Kommentar, Art. 92 Rn. 97; Bettermann in HStR III, § 73 Rn. 18 f., 30 ff. 30 BVerfGE 22, 49 (74 ff.); jetzt auch BVerfG, U. v. 8.2.2001 - 2 BvF 1/00 (Hess. Wahlprüfungsgericht), EuGRZ 2001, 551 ff. = http://www.bverfg.de, Rn. 111 f.; Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, S. 193 ff.; Stern, Staatsrecht II, § 43 I.4.e)n); W. Meyer in v. Münch/Kunig, GG-Kommentar, Art. 92 Rn. 5, 8; Achterberg in Bonner Kommentar, Art. 92 Rn. 100 ff.; Andreae, S. 121 ff.; Bettermann in HStR III, § 73 Rn. 18 ff.; Detterbeck in Sachs, GG, Art. 92 Rn. 9, 16 ff.; a.A. Menger/Erichsen, VerwArch 59 (1968), 67 (73 ff); Herzog in Maunz/Dürig/ Herzog/Scholz, Art. 92 Rn. 43 ff.
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gericht will dabei den Umfang der den Richtern vorbehaltenen Tätigkeiten durch eine Mischung formell-verfassungsrechtlicher, materieller und historischer Auslegungselemente bestimmen31. Dabei hat es das Bundesverfassungsgericht aber stets vermieden, den von ihm befürworteten materiell-rechtlichen Begriff der Rechtsprechung für alle Rechtsgebiete zu definieren und sich auf die Feststellung beschränkt, nach dem Vorverständnis des Verfassungsgebers sei zumindest der Kernbereich der herkömmlicherweise den einzelnen Gerichtsbarkeiten übertragenen Aufgaben als Rechtsprechung im materiellen Sinn" anzusehen32. Für den hier zu untersuchenden Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit wurde sowohl unter der Weimarer Reichsverfassung 33 als auch in der Nachkriegszeit 34 zwischen den sog. ursprünglichen Verwaltungsstreitsachen, bei denen eine Entscheidung ausschließlich den Gerichten vorbehalten war, und den nachträglichen Verwaltungsstreitsachen unterschieden, bei denen den Verwaltungsgerichten nur die Nachprüfung der von einer Verwaltungsbehörde getroffenen Entscheidung oblag. Dabei galt die ursprüngliche Verwaltungsstreitsache eher als Ausnahme. Diese Zuweisungen der Erstentscheidungskompetenz an Gerichte bzw. Behörden waren aber im Verwaltungsrecht der Weimarer und der Nachkriegszeit derart uneinheitlich ausgestaltet, daß sich nach dem sachlichen Gehalt der Entscheidungen oder dem geregelten Bereich des besonderen Verwaltungsrechts kein spezieller, historischer Kernbereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit herauskristallisieren läßt 35 . Daher muß der Versuch unternommen werden, das schon nach dem vorverfassungsrechtlichen Gesamtbild allen Gerichtszweigen gemeinsame Wesen der rechtsprechenden Gewalt zu bestimmen36. Unstrittig ist in der Staatsrechts31
BVerfGE 22, 49 (74 ff.); BVerfG, U. v. 8.2.2001 - 2 BvF 1/00 (Hess. Wahlprüfungsgericht), EuGRZ 2001, 551 ff. = http://www.bverfg.de, Rn. 111 f., 116, 120; weit. Nachw. bei W. Meyer in v. Münch/Kunig, GG-Kommentar, Art. 92 Rn. 13 ff. 32 BVerfGE 22, 49 (75 ff.); BVerfG, U. v. 8.2.2001 - 2 BvF 1/00 (Hess. Wahlprüfungsgericht), EuGRZ 2001, 551 ff. = http://www.bverfg.de, Rn. 112. Zustimmend zum Auslegungskriterium des traditionellen Kernbereichs: Stern, Staatsrecht II, § 43 I.4.e)^); Heyde in HdbVerfR, § 33 Rn. 14; Bettermann in HStR III, § 73 Rn. 20 ff.; Achterberg in Bonner Kommentar, Art. 92 Rn. 77 ff.; Wassermann in Alternativ-Kommentar, Art. 92 Rn. 27. 33 Vgl. Thoma in HdbDStR II, S. 131; Genzmer in HdbDStR II, S. 510 (Fn. 9); O. Mayer, Dt. VerwR I, 3. Aufl., S. 151 ff.; Fleiner, S. 253 ff. 34 Vgl. BVerwGE 5, 69 (71 f.); BVerwG, U. v. 25.5.1954 - 1 C 153/53, NJW 1954, 1501; Menger, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, S. 137 ff. 35 BVerwGE 5, 69 (71 f.); Bachof Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht, Band II, S. 167. 36 Achterberg in Bonner Kommentar, Art. 92 Rn. 47, 64, 101 ff.; Herzog in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 92 Rn. 34; skeptisch dazu Detterbeck in Sachs, GG, Art. 92 Rn. 21. Das Problem jeder Auslegung des Art. 92 GG besteht in der dort ge-
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lehre insoweit nur, daß die Staatsfunktion der Rechtsprechung die Anwendung einer vorgefundenen Norm auf einen konkreten Sachverhalt beinhaltet37. Mit Hilfe des Verhältnisses zum Gesetz läßt sich jedoch nur eine hinreichende Abgrenzung zur gesetzgebenden Gewalt gewinnen, deren Aufgabe es ist, durch staatliche Autorität abstrakt-generelle Regelungen zu erzeugen 38. Nach Art. 20 Abs. 3 GG sind die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung bei ihrer Tätigkeit gleichermaßen an Recht und Gesetz gebunden; die Verwaltung ist damit Teil einer nicht nur gesetzesvollziehenden, sondern auch rechtsanwendenden Staatsgewalt. Soweit die Verwaltung gesetzesakzessorisch tätig wird, muß sie das Recht nach dem auch vom Richter gebrauchten Subsumtionsschema anwenden (Ermittlung des Sachverhalts, Feststellung des relevanten Norminhalts, dessen Anwendung auf den Sachverhalt). Wie im Zweiten Teil dieser Arbeit dargestellt 39, sind richterliche Urteile und Beschlüsse einerseits und Verwaltungsakte andererseits im Prozeß der Entscheidungsfindung und in der Art des rechtsgestaltenden oder feststellenden Ausspruchs einer konkreten Rechtsfolge vergleichbare Rechtsanwendungsakte. W i l l man die verfassungsrechtlich den besonderen Organen der vollziehenden bzw. der rechtsprechenden Gewalt zu-
häuften Verwendung elementarer, d.h. in der Verfassungsordnung selbst nicht weiter rückführbarer Rechtsbegriffe (W. Meyer in v. Münch/Kunig, GG-Kommentar, Art. 92 Rn. 1; Detterbeck in Sachs, GG, Art. 92 Rn. 2). Da bei den Beratungen des Art. 92 GG das bei den Mitgliedern des Parlamentarischen Rates individuell vorhandene Vorverständnis nicht erörtert wurde, der materielle Rechtsprechungsbegriff aber schon unter der WR umstritten war (Nachw. bei Achterberg, a.a.O., Rn. 80), wäre es verfehlt anzunehmen, der historische Verfassungsgeber sei von einer fest umrissenen Definition der rechtsprechenden Gewalt ausgegangen. Bei der Verfassungsinterpretation müssen daher auch hier die z.T. schon unter der WRV umstrittenen teleologischen und systematischen Auslegungselemente eine wesentliche Rolle spielen (vgl. Achterberg, a.a.O., Rn. 101 ff.), welche allerdings zu der historisch gewachsenen Funktion der Gerichtsbarkeit und des zur Zeit der Beratungen des Grundgesetzes allgemein anerkannten Umfangs der Rechtsprechungstätigkeit nicht in Widerspruch stehen dürfen. Man darf sich auch nicht - wie das BVerfG in E 22, 49 (75 ff.) und mit dem gegenteiligen Ergebnis Herzog in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 92 Rn. 41 ff. - der gebotenen Definition der Tatbestandsmerkmale des Art. 92 mit Hinweis auf die besonderen Schwierigkeiten enthalten und sodann behaupten, der materielle Rechtsprechungsbegriff begründe gegenüber dem formell-verfassungsrechtlichen (k)einen zusätzlichen Richtervorbehalt. Der Hinweis auf ein bestehendes, aber vermeintlich undefinierbares „Wesen der rechtsprechenden Gewalt" (Herzog, a.a.O., Rn. 44) oder einen - schon immer umstrittenen „Kernbereich" der rechtsprechenden Gewalt (BVerfGE 22, 49 (76 ff.)) entzieht die Deduktion des Ergebnisses gerade in den strittigen Grenzfallen der rechtswissenschaftlichen Nachprüfung (krit. dazu auch Hesse, Rn. 548 (Fn. 47)). 37 Thoma in HdbDStR II, S. 128 f.; Friesenhahn, Thoma-FS, S. 21 (23 ff.); Bettermann in Ev. Staatslexikon, Sp. 2027 ff; Stern, Staatsrecht II, § 43 I.4.a)b); Hesse, Rn. 548; Achterberg in Bonner Kommentar, Art. 92 Rn. 106 f.; Wassermann in Alternativkommentar GG, Art. 92 Rn. 26. 38 Thoma in HdbDStR II, S. 129. 39 Vgl. oben Teil 2, B.V.l.c).
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geordneten Funktionsbereiche unterscheiden und den den Richtern vorbehaltenen Bereich materiell bestimmen, so muß man also das Merkmal der Rechtsanwendung durch mindestens ein weiteres Kriterium ergänzen 40. Wie schon in der Zeit der Weimarer Reichsverfassung 41 sieht ein Teil der Staatsrechtslehre auch heute den Zweck der Tätigkeit und die damit betraute Person, nämlich die Streitentscheidung durch einen unbeteiligten Dritten, als maßgebliches Abgrenzungsmerkmal eines materiellen Rechtsprechungsbegriffs an. Materielle Rechtsprechung soll danach jedes staatliche Organ ausüben, das als unbeteiligter Dritter mit obrigkeitlicher Gewalt ausspricht, was bei Anwendung der allgemeinen Rechtsnormen auf den konkreten Tatbestand Rechtens ist, um einen Rechtsstreit zwischen zwei Parteien zu entscheiden42. Von den meisten Vertretern der Streitentscheidungslehre sind feststellende Verwaltungsakte und konkretisierende Verfügungen als verfassungsgemäß angesehen worden, weil die Behörde bei ihrem Erlaß nicht als unabhängiger Dritter entscheide. Denn sie habe im Rahmen des streitigen Rechtsverhältnisses (auch) eigene, d.h. ihr anvertraute öffentliche Interessen wahrzunehmen 43. Um der Verwaltung eine durch Art. 92 GG verbotene Funktionsanmaßung zu verwehren, sah Achterberg demgegenüber auch die von einer Behörde in eigener Sache ergehende Entscheidung als verfassungswidrige Ausübung der rechtsprechenden Gewalt an, wenn Entscheidungen dieser Art typischerweise durch einen unbeteiligten Dritten ergehen und bei ihnen die Uneinigkeit der
40 Vgl. die in Fn. 36 genannten Autoren und Christiane Fischer, S. 110, sowie speziell für den Leistungsbescheid Heckmann, S. 147 ff. Er meint im Hinblick auf den Leistungsbescheid, daß die verschiedenen in der Literatur genannten Kriterien nicht isoliert, sondern in ihrer gegenseitigen Verflechtung betrachtet werden müßten. Letztlich ausschlaggebend seien dann die Merkmale des „in der Sache unbeteiligten4' Entscheidungsträgers und der „verbindlichen Entscheidung" (S. 164). 41 Bötticher, ZZP 51 (1926), 201 (207 ff.); Kern in HdbDStR II, S. 475. 42 Friesenhahn, Thoma-FS, S. 21 (27); Achterberg in Bonner Kommentar, Art. 92 Rn. 84-87 (m.w.N.), 110 f.; Andreae, S. 124 ff. 43 BVerwGE 8, 350 (353 ff.); BVerwG, B. v. 9.7.1982 - 2 B 72.81, Buchholz 1.1 Art. 92 GG Nr. 16; BGH, U. v. 14.12.1966 - VIII ZR 78/64, MdB 1967, 1004; Bachof Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht, Band I, S. 12, Band II, S. 167; ders. in Wolff/Bachof, VerwR I, § 47 I.b) 3.; Woljf in Wolff/Bachof, VerwR I, § 19 I.b); Andreae, S. 131 ff. Im Ergebnis ebenso Heckmann, S. 162 ff.: Im Hinblick auf die Person des Entscheidungsträgers unterscheidet er zwar zunächst (S. 162 f.) zwischen dem Rechtsprechungskriterium der Stellung des Entscheidungsträgers zu den Parteien („Dritter") und dem der Stellung zum Entscheidungsgegenstand („in der Sache unbeteiligt"). Letztlich führt er beide Kriterien aber wieder zusammen, wenn er eine Rechtsprechungstätigkeit nur dann bejaht, wenn die streitentscheidende Stelle auch in der Sache unbeteiligt sei (S. 171) und kommt so zu dem Ergebnis, daß unter diesen Voraussetzungen heute kaum Fälle zu finden seien, in denen die Verwaltung in diesem Sinne einen Streit entscheide (S. 171).
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Rechtsbehauptungen typisch, Einigkeit dagegen typisch se/44. Der Erlaß gesetzeskonkretisierender Leistungsbescheide im Beamten- oder Soldatenverhältnis war für ihn daher nicht mit Art. 92 GG zu vereinbaren * 5. Dieser Typisierungsgedanke ist jedoch zur Problemlösung ungeeignet. Denn nur im Verwaltungsrecht steht der Verwaltungsakt als Entscheidungsmittel überhaupt zur Verfügung. Daher kann nicht nach Maßgabe der übrigen Rechtsgebiete entschieden werden, ob das öffentliche Recht als Sonderrecht des Staates eine einseitige hoheitliche Regelung durch Verwaltungsorgane zuläßt46. Die h.M. lehnt folglich nicht nur mit diesen verwaltungsrechtlichen Argumenten zu recht das Kriterium der Streitentscheidung ab, sondern sieht die Funktion der rechtsprechenden Gewalt darin, durch eine verbindliche Entscheidung die Ungewißheit über bestrittenes, bezweifeltes oder gefährdetes Recht zu beseitigen47. Bei der Auslegung des Art. 92 GG ist nämlich davon auszugehen, daß in jedem Rechtssystem in gewissen Konflikt- oder Zweifelsfällen eine Ungewißheit über das Recht entstehen kann. Dies macht in jeder Rechtsordnung die Schaffung einer Einrichtung notwendig, die eine solche Ungewißheit durch eine verbindliche Entscheidung beseitigen kann, weil andernfalls das Recht durch ungesicherte Absprachen oder die Macht des Stärkeren ersetzt und der Staat seine auf dem Ausschluß der Selbsthilfe beruhende rechtsund friedensbewahrende Funktion verlieren würde. Diese Aufgabe, verbindlich über ungewisses Recht zu entscheiden, ist im modernen Rechtsstaat grundsätz-
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So Achterberg, Probleme, S. 157 ff.; ders., Allg. VerwR, § 21 Rn. 81 ff. Achterberg, Probleme, S. 160 f.; ders., Allg. VerwR, § 21 Rn. 85. 46 Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, S. 197 f. (Fn. 35). 47 BVerfGE 54, 277 (291 f.) - Plenum; Wintrich, Nawiasky-FS, S. 191 (203); Arndt, Carlo Schmid-FS, S. 5 (10-15); Hesse, Rn. 548 ff.; Heyde in HdbVerfR, § 33 Rn. 15; Stern, Staatsrecht II, § 43 I.4.d); Wassermann in Alternativ-Kommentar, Art. 92 Rn. 30; W. Meyer in v. Münch/Kunig, GG-Kommentar, Art. 92 Rn. 8. Wegen der Anrufungsmöglichkeit der Gerichte ging auch das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 2, 280 (292 f.) konkludent von der Verfassungsmäßigkeit streitentscheidender (feststellender) Verwaltungsakte im Haftentschädigungsverfahren aus. Das OVG NW überprüfte und billigte in seinem Urteil v. 14.1.1986 - 15 A 2098, NVwZ 1986, 1042 (1043), gleichfalls einen streitentscheidenden Verwaltungsakt des Regierungspräsidenten bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Gemeinden über Rechte und Verbindlichkeiten aus Gebietsänderungsverträgen. Sog. streitentscheidende Verwaltungsakte seien dadurch gekennzeichnet, daß eine unparteiische (dritte) Stelle eine streitige Frage aufgrund eines abgeschlossenen Sachverhalts in einem gerichtsähnlichen Verfahren entscheide. Als alleinigen verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab wandte das OVG NW Art. 19 Abs. 4 GG an. Denn nach den einschlägigen landesrechtlichen Regelungen sei dem Regierungspräsidenten kein Gestaltungs-, Ermessens- oder Beurteilungsspielraum und damit eine Kompetenz zu prinzipiell letztverbindlicher Entscheidung zugewiesen worden. 45
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lieh den Gerichten zugewiesen48. Damit erweist sich der Begriff der Streitentscheidung für eine sachgerechte Bestimmung der Rechtsprechungsfunktion insgesamt als zu eng. Nicht die kontradiktorische Ausformung des Verfahrens macht eine Entscheidung zu einem Akt der Rechtsprechung, sondern es ist umgekehrt das Ziel, die Wahrheit und das Recht zu ermitteln, das regelmäßig zur Wahl einer Verfahrensart mit typischerweise gegensätzlichen Rechtsbehauptungen führt. Denn dieses Verfahren ist zu einer umfassenden Erforschung der Wahrheit in hohem Maße geeignet und wahrt zugleich das rechtliche Gehör und die richterliche Neutralität 49 . Soll aber die „ Verbindlichkeit" der Entscheidung maßgeblich sein für die Abgrenzung der rechtsprechenden von der vollziehenden Gewalt, so bedarf dieses Merkmal einer weiteren Präzisierung. Denn einerseits stellt auch der Verwaltungsakt als ein vom Verfassungsgeber vorausgesetztes und nicht grundsätzlich in Frage gestelltes Institut der deutschen Verwaltungsrechtsdogmatik eine verbindliche Entscheidung und Konkretisierung des auslegungsbedürftigen Rechts dar 50 . Andererseits können nicht nur Verwaltungsakte durch die Gerichte, sondern auch Urteile der Instanzgerichte wiederum durch höhere Instanzen aufgehoben werden; unbestritten sollen aber nach Art. 92 GG nicht nur letztinstanzliche Urteile, sondern auch rechtsmittelfähige Entscheidungen der Eingangsinstanz nur durch „Richter" getroffen werden 51. Außerdem können nach Art. 92 GG nicht alle richterlichen Entscheidungen in Rechtskraft erwachsen52. Von einem Teil der Lehre wird daher bei der Definition der Rechtsprechung die Verbindlichkeit der Entscheidung durch das modale Element ergänzt, daß die Aufgabe der Entscheidungsfindung durch ein unbeteiligtes Staatsorgan, den Richter, wahrgenommen wird 5 3 . Die Ausübung durch einen
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Arndt, Carlo Schmid-FS, S. 5 (10-13); Wassermann in Alternativ-Kommentar, Art. 92 Rn. 30; W. Meyer in v. Münch/Kunig, GG-Kommentar, Art. 92 Rn. 8. 49 Arndt, Carlo Schmid-FS, S. 5 (12 f.); Menger, S. 40-42; Wassermann in Alternativ-Kommentar, Art. 92 Rn. 30; i.E. ebenso Christiane Fischer, S. 112. 50 So die Kritik von Herzog in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 92 Rn. 30; Achterberg in Bonner Kommentar, Art. 92 Rn. 107. 51 So der Einwand von Andreae, S. 116 f. gegen das Kriterium der Letztverbindlichkeit. 52 So der Einwand von Herzog in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 92 Rn. 30; Achterberg in Bonner Kommentar, Art. 92 Rn. 108, 137 gegen Arndt, Carlo Schmid-FS, S. 5 (15 ff.). 53 Das Merkmal des unbeteiligten Dritten bildet den Ausgangspunkt der Lehre Bettermanns, die Verwaltung und Rechtsprechung nach der Funktion des Gesetzes für den Rechtsanwender unterscheiden will: für den Verwaltungsbeamten sei das Recht Verhaltensnorm in eigener Angelegenheit, für den Richter dagegen Beurteilungsnorm in fremder Angelegenheit (Bettermann, W. Jellinek-Gedächtnisschrift, S. 361 f., 372 ff.; ders., Ev. Staatslexikon, Sp. 2777; ; ders. in HStR III, § 73 Rn. 30 ff.; ebenso Löwenberg S. 116 f.). Auch sonst wird die Rechtsanwendung „durch den Richter" oder eine
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Richter stellt aber nach der Normstruktur des Art. 92 GG kein weiteres Tatbestandsmerkmal der Rechtsprechung dar, sondern bildet die von diesem Verfassungsrechtssatz angeordnete Rechtsfolge: Immer dann, wenn eine bestimmte Tätigkeit als Rechtsprechung zu qualifizieren ist, muß sie von einem ,»Richter", d.h. einer unabhängigen und neutralen Person, wahrgenommen werden 54 . Maßgeblich kann daher nur die Letztentscheidungskompetenz der Gerichte sein, d.h. der Ausschluß einer rechtlichen Appellation an ein Organ einer anderen Staatsfunktion, durch die allein der Richterspruch die Rechtsungewißheit autoritativ beheben und über die Rechtslage (potentiell) letztverbindlich entscheiden kann 55 . Rechtsanwendungsakte der Gerichte sind entweder unanfechtbar oder - bei einer Zulässigkeit von Rechtsbehelfen oder einer Verfassungsbeschwerde - nur durch Organe derselben Gewalt überprüfbar. Dagegen entbehren die Rechtsanwendungsakte der vollziehenden Gewalt einer derartigen Letztverbindlichkeit, weil sie nach unserer Verfassungsordnung stets am Maßstab des Rechts durch eine andere, nämlich die rechtsprechende Gewalt überprüfbar sind. Materielle Rechtsprechung läßt sich auf diese Weise definieren als die in einem besonders geregelten Verfahren zu einer letztverbindlichen Entscheidung fahrende Beurteilung von Sachverhalten in Anwendung des
„unbeteiligte Stelle" oft als ein (die Letztverbindlichkeit ergänzendes) Definitionsmerkmal der materiellen Rechtsprechung behandelt, vgl. z.B. Stern, Staatsrecht II, § 43 I.4.e); Wassermann in Alternativ-Kommentar, Art. 92 Rn. 30; W. Meyer in v. Münch/ Kunig, GG, Art. 92 GG Rn. 8. 54 Heyde in HdbVerfR, § 33 Rn.13, 15; Heckmann, S. 166; Pietzcker, NVwZ 1996, 313 (316 f.). Obwohl es zutrifft, daß der Richter seine Tätigkeit in der Rolle eines unbeteiligten Dritten wahrnehmen muß, ist eine von der Rechtsfolge des Art. 92 GG ausgehende deskriptive Theorie ungeeignet, zu ermitteln, über welche Gegenstände, in welchen Verfahren und Entscheidungsformen der Staat nach der geltenden Verfassungsordnung durch ein am Rechtsverhältnis beteiligtes Organ bzw. durch einen unbeteiligten Dritten entscheiden darf (so auch Herzog in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 92, Rn. 28 f.; Achterberg in Bonner Kommentar, Art. 92 Rn. 135 f. gegen Bettermann (Fn. 53)). 55 Heyde in HdbVerfR, § 33 Rn. 15; Hesse, Rn. 548, 551; Christiane Fischer, S. 113 f. Im Ergebnis ebenso Heckmann, S. 169 f., der allerdings abweichend von der hier zugrunde gelegten Konzeption einer wirksamkeitsabhängigen Verbindlichkeit des Verwaltungsakts keine Unterscheidung zwischen einer zunächst noch unter dem Vorbehalt gerichtlicher Nachprüfung stehenden Verbindlichkeit des Verwaltungsaktes und der Letztverbindlichkeit richterlicher Urteile vornimmt, sondern im Anschluß an J. Martens aus der Möglichkeit derrichterlichen Aufhebung und dem Suspensiveffekt ableitet, bis zum Eintritt der Bestandskraft sei der nicht vollziehbare Verwaltungsakt überhaupt noch nicht verbindlich (zu dieser Frage des Rechtsgrunds der Verbindlichkeit des Verwaltungsakts vgl. oben Teil 2, G.IV.2., V.). Letztentscheidungsfunktion und Wahrnehmung durch den Richter verknüpfen Stern, Staatsrecht II, § 43 I.4.e); Wassermann in Alternativ-Kommentar, Art. 92 Rn. 30; W. Meyer in v. Münch/Kunig, GG, Art. 92 GG Rn. 8.
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geltenden Rechts 56. Die durch Art. 92 GG allein den Richtern anvertraute rechtsprechende Gewalt umfaßt demnach die Rechtsweggarantien in allen bürgerlich-rechtlichen 57 und öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und die Richtervorbehalte des Grundgesetzes, sowie alle weiteren den Gerichten vom einfachen Gesetzgeber übertragenen Aufgaben, deren Erledigung mit der Zuweisung automatisch nach Maßgabe der Art. 92 bis 104 GG zu erfolgen hat 58 . Neben den bereits von der Verfassung den Richtern zugewiesenen hoheitsrechtlichen Befugnissen, den aufgrund ihres jeweiligen Gegenstandes traditionellen Kernbereichen der Rechtsprechung und dem Gesichtspunkt der Streitentscheidung hat jetzt auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Hessischen Wahlprüfungsgericht das funktionale Kriterium der letztverbindlichen Klärung der Rechtslage zur materiellen Bestimmung des Rechtsprechungsbegriffs herangezogen 59. Die Nichtigkeit einer Regelung des Hessischen WahlPrüfG, wonach die „Urteile" eines „Wahlprüfungsgerichtes", dem von den Entscheidungen unmittelbar betroffene Abgeordnete angehören, mit ihrer Verkündung rechtskräftig werden sollten, wurde gerade damit begründet, daß das Element der letztverbindlichen Entscheidung, was im konkreten Fall Rechtens ist, zu den wesentlichen Begriffsmerkmalen der Rechtsprechung in funktioneller Hinsicht gehöre 60.
56 In Anlehnung an Stern, Staatsrecht II, § 43 I.4.e), jedoch unter Ausgrenzung der Rechtsfolge, der Wahrnehmung „durch ein unbeteiligtes Staatsorgan, den Richter". 57 Die Rechtsschutzgarantie für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten im materiellen Sinne folgt nicht aus Art. 19 Abs. 4 GG, sondern entweder aus dem Rechtsstaatsprinzip selbst (so BVerfGE 54, 277 (291 f.) - Plenum; Heyde in HdbVerfR, § 33 Rn. 5) oder aus dem materiellen Rechtsprechungsbegriff des Art. 92 GG. Eine eigenständige, kompetenzbegründende Bedeutung, die über den formell-verfassungsrechtlichen Rechtsprechungsbegiff mit den durch andere Verfassungsnormen gewährleisteten Rechtsweggarantien und Richtervorbehalten hinausgeht, scheint dem Art. 92 GG daher nur im letzten Fall zuzukommen. Es handelt sich insoweit aber nur um ein begriffliches und nicht ein sachliches Problem des Ableitungszusammenhangs, weil die Art. 92 ff. GG ihrerseits selbst eine verfassungsrechtliche Konkretisierung zentraler Aspekte des Rechtsstaatsgedankens darstellen. 58 Zu den übertragenen Aufgaben vgl. BVerfGE 21, 139 (144); 22, 49 (78); 25, 336 (346); Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, S. 195 ff.; Herzog in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 92, Rn. 42 ff.; i.E. auch Stern, Staatsrecht II, § 43,1.5.; Heyde in HdbVerfR, § 33 Rn. 18. 59 U. v. 8.2.2001 - 2 BvF 1/00, EuGRZ 2001, 551 ff. = http://www.bverfg.de, Rn. 111 f., 116, 120. 60 U. v. 8.2.2001 - 2 BvF 1/00, EuGRZ 2001, 551 ff. = http://www.bverfg.de, Rn. 112, 116-120.
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Teil 3: Verfassungsrechtliche Grundlagen
Heckmann hat für den Sofortvollzug staatlicher Geldforderungen die Frage aufgeworfen, ob die Regelungen des § 80 Abs. 2 VwGO im Hinblick auf Art. 92 GG problematisch seien, weil sie eine (endgültige) Vorleistungspflicht des Adressaten eines sofort vollziehbaren Verwaltungsakts begründeten 61. Aus den ausdrücklichen Richtervorbehalten versucht er sodann, einen in Art. 92 GG verankerten, allgemeinen Richtervorbehalt abzuleiten, nach dem solche Tätigkeiten dem „ersten" und „letzten" Wort des Richters vorbehalten seien, die mit Gewicht und Bedeutung im Gemeinwesen dem elementaren Schutz von Privatsphäre und persönlicher Freiheit dienten 62. Dies verneint er für die durch § 80 Abs. 2 Nr. VwGO bei Leistungsbescheiden entstehende Vorleistungspflicht bei öffentlichen Abgaben und Kosten, weil die aufgrund der Vorleistungspflicht entstehende Vermögensverschiebung als solche wieder rückgängig gemacht werden könne und deshalb keine vollendeten Tatsachen geschaffen würden. Wenn Heckmann selbst einräumt, daß die Ausnahmen in Art. 13 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 2 GG zeigten, daß ein echtes Richtermonopol zumindest im Verwaltungsbereich (z.B. Gefahrenabwehr, Steuerrecht) nicht existieren könne, entzieht er letztlich seinem eigenen Versuch, mit Hilfe der Kriterien einer Entscheidung von „Gewicht und Bedeutung" mit „spezifischem Persönlichkeitsbezug" (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG; Art. 2 Abs. 2 GG) einen ungeschriebenen Richtervorbehalt zu begründen, die Basis. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist bei dem mit dem Vorbehalt des Gesetzes bezeichneten Kompetenzbereich des Gesetzgebers schon einmal der Versuch mißlungen, mit Hilfe des Kriteriums der „Wesentlichkeit" für die Verwirklichung der Grundrechte - losgelöst von den speziellen Vorbehalten der Verfassung - einen ungeschriebenen Allgemeinvorbehalt für die Tätigkeit einer Staatsgewalt zu begründen 63. Irgendein Bedürfnis, nun eine gesteigerte, zweite Wesentlichkeitstheorie zur Begründung von Richtervorbehalten zu etablieren, ist nicht erkennbar. Welche Entscheidungen für den Schutz von Privatsphäre und persönlicher Freiheit von so elementarer Bedeutung sind, daß bei ihnen von Verfassungs wegen ein Richter aufgrund seiner Sachkompetenz und Unabhängigkeit immer oder im Regelfall das erste und letzte Wort behalten muß, hat der Verfassungsgeber in den ausdrücklichen Richtervorbehalten selbst geregelt. Als Schutzmechanismen gegenüber anderen hoheitlichen Grundrechtseingriffen genügen nach dem Grundgesetz die Rechtsweggarantien und der Vorbehalt des Gesetzes. Im Rahmen der Anwendung des Vorbehalts des Ge-
61 62 63
S. 171 ff. S. 176 f. Vgl. unten C.II.
A. Artikel 92 GG
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setzes kann dann gefragt werden, ob nach der vom Gesetzgeber vorgenommenen Ausgestaltung der Eingriffsermächtigung unter Berücksichtigung der jeweiligen Grundrechtsschranken und des Zwecks der Maßnahmen u.a. durch die Möglichkeiten des vorläufigen Rechtsschutzes ein angemessener Rechtsschutz noch gewahrt ist. Das Institut eines ungeschriebenen Richtervorbehalts muß hier versagen, weil es ein Gebiet bezeichnen würde, das einer differenzierenden Ausgestaltung von Erstentscheidungskompetenzen der Verwaltung, gesetzlichen Regelungen der sofortigen Vollziehbarkeit und speziellen Erstentscheidungskompetenzen der Gerichte (einfachgesetzlichen Richtervorbehalten) nicht mehr zugänglich wäre. Aus dem Begriff der Rechtsprechung i.S. des Art 92 GG ergibt sich folglich kein eigenständiger Richtervorbehalt, der den Gerichten für bestimmte Rechtsgebiete, Entscheidungsgehalte oder Situationen „das erste und das letzte Wort" vorbehalten würde. Art. 92 GG verbietet es der Verwaltung nicht, durch feststellende Verwaltungsakte und konkretisierende Verfügungen verbindliche, aber unter dem Vorbehalt richterlicher Kontrolle stehende Regelungen eines Verwaltungsrechtsverhältnisses zu treffen. Dies gilt auch für die sogenannten streitentscheidenden Verwaltungsakte. Wie schon das formelle Hauptgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG und die anderen ausdrücklichen Rechtsweggarantien verlangt auch Art. 92 GG nur, daß auf Antrag des in seinen Rechten Betroffenen Richter „das letzte Wort" über die Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit derartiger behördlicher Rechtsanwendungsakte haben müssen64.
64 BVerfGE 12, 264 (274 f.); BGH, U. v. 18.12.1975 - II ZR 128/73, NJW 1976, 1264 (1265); Maunz in: Maunz/Zippelius, 26. Aufl., § 32 1.4, S. 296 f.; Christiane Fischer, S. 112 ff., 150 ff. Im Ergebnis ebenso mit ähnlicher Begründung Bay. VGH, U. v. 18.8.1980 - 22.B - 1410/79, GewArch 1981, 18 (19 f.) = NJW 1981, 2078; mit abweichender Begründung BVerwG, B. v. 9.7.1982 - 2 B 72.81, Buchholz 1.1. Art 92 GG Nr. 16; Löwenberg, S. 117; ohne Begründung BVerfGE 2, 280 (292 f.); Kopp, VwVfG, § 35 Rn. 36; H. Meyer in Meyer/Borgs, § 35 Rn. 36.
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Teil 3: Verfassungsrechtliche Grundlagen
B. Der Vorrang des Gesetzes Mit der Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht ist der Vorrang des Gesetzes in Art 20 Abs. 3 GG ausdrücklich im Grundgesetz verankert. Dieser Verfassungsgrundsatz besagt, daß der in Form eines verfassungsmäßigen Gesetzes geäußerte Staatswille rechtlich jeder anderen staatlichen Willensäußerung vorgeht 1; unter dem GG ist die Aussage hinzugekommen, daß der ranghöhere dem rangniederen Rechtsakt vorgeht (Vorrang der Verfassung und des materiellen Gesetzes)2. Er begründet für die Organe der Zweiten und Dritten Gewalt zweierlei Verhaltenspflichten: sie müssen ein verfassungsgemäßes Gesetz anwenden (Anwendungsgebot) und dürfen sie nicht gegen ein solches wirksames Gesetz verstoßen (Abweichungsverbot) 3. Anwendungsgebot und Abweichungsverbot betreffen nicht nur den Inhalt der gesetzesvollziehenden Maßnahmen; sind die Art und Weise der Gesetzesausführung und die Entscheidungsformen gesetzlich geregelt, so sind Behörden und Gerichte auch an diese Vorgaben gebunden4. Gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehene Verwaltungsakte sind aufgrund des Vorranges des Gesetzes verboten, wenn das Gesetz die Rechtsformen, Voraussetzungen und Inhalte der in Betracht kommenden Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen der Exekutive oder der Justiz abschließend regelt. Aufgrund des Abweichungsverbotes ist der Erlaß eines gesetzlich nicht vorgesehenen Verwaltungsaktes also dann rechtswidrig, wenn Verwaltungsakte zur Regelung dieser Rechtsfrage oder ei-
1
O. Mayer, Dt. VerwR, 3. Aufl., S. 68; BVerfGE 8, 155 (169 f.); 40, 237 (246 ff.); Jesch, S. 29 f.; Hesse, Rn. 200; Pietzcker, JuS 1979, 710. 2 Pietzcker, JuS 1979, 710; Wahl, Der Staat 20 (1981), 485 ff. 3 Gusy, JuS 1983, 189 ff.; Pietzcker, JuS 1979, 710. 4 BSG, U. v. 3.9.1986 - 9a RV 10/85, NJW 1987, 1846; BayVGH, U. v. 24.9.1985 Nr. 20 B 85 A.17, BayVBl. 1986, 176 (177); Gusy, JuS 1983, 189 (192). 5 So BayVGH, U. v. 24.9.1985 - Nr. 20 B 85 A.17, BayVBl. 1986, 176 (177) für das bayrische Vollstreckungsrecht. Ohne Verwendung des Begriffs des Vorrangs des Gesetzes verneinte der BayVGH, U. v. 2.9.1986 - 26 B 83 A. 2240, NVwZ 1988, 944, auch eine Kompetenz der Baubehörde, auf Antrag des Bauherrn in Form eines Negativbescheides durch Verwaltungsakt festzustellen, daß bestimmte Anlagen nicht der Baugenehmigungspflicht unterliegen. Denn der für den Erlaß der BayBauO 1982 zuständige Landesgesetzgeber habe im Interesse der Vereinfachung des Vollzugs und der Entlastung der Bauaufsichtsbehörden gewisse Vorhaben von nur untergeordneter Bedeutung aus der Genehmigungspflicht herausgenommen und er habe dabei - anders als etwa der Bundesgesetzgeber im Bodenverkehrsrecht - bewußt davon abgesehen, die Möglichkeit von Negativzeugnissen ins bauaufsichtliche Verfahren einzuführen. Dieser gesetzgeberischen Zielsetzung würde es zuwiderlaufen, wenn für die genehmigungsfreien Vorhaben nun - über den Antrag auf Erteilung eines Negativzeugnisses und die behördliche Entscheidung hierüber - ein besonderes bauaufsichtliches Verfahren eingeführt würde.
B. Der Vorrang des Gesetzes
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ner bestimmten Art von Rechtsfragen generell ausgeschlossen sind6 oder dann, wenn ein Bescheid mit diesem Inhalt dem speziellen Verfahrensrecht widerspricht, weil das Fachgesetz in einer abschließenden Normierung nur Verwaltungsakte mit anderen Regelungsinhalten oder andere Verwaltungsmaßnahmen vorsieht. Der Vorrang des Gesetzes greift nicht schon dann ein, wenn der jeweilige Verwaltungsakt im Gesetz nicht vorgesehen ist (Vorbehaltsfrage), sondern erst dann, wenn der Verwaltungsakt dem Gesetz widerspricht 1. Ein Verbot gesetzlich nicht zugelassener Verwaltungsakte enthält z.B. der in der Gesetzesüberschrift als „Vorbehalt des Gesetzes" bezeichnete § 31 SGBAT 8 . Soweit diese Norm nicht nur einen kraft Verfassung bestehenden Vorbehalt wiederholt 9, unterwirft § 31 SGB-AT als sog. einfach-gesetzlicher Vorbehalt 10 die Handlungsform Verwaltungsakt nach herkömmlichem Sprachgebrauch nur dem Vorrang des Gesetzes, nämlich dem des § 31 SGB-AT 11 . Denn bei jeder abschließenden Regelung geht vom Vorrang des Gesetzes eine vorbehaltsgleiche Wirkung aus12. Das Abweichungsverbot verbietet den Erlaß eines der gesetzlichen Regel widersprechenden Bescheids solange, wie ein derartiger Verwaltungsakt nicht durch lex posterior oder lex specialis zugelassen wird. Das Vorrangprinzip erlaubt es dem Gesetzgeber so, spezielle Voraussetzungen für den Erlaß gesetzeskonkretisierender Verwaltungsakte vorzusehen, die sich nicht bereits aus dem verfassungsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes ergeben 13.
6 Vgl. z.B. OVG NW, U. v. 19.12.1990 - 15 A 530/89, NWVB1. 1991, 271 (273): Danach wollte der Landesgesetzgeber ein mit einem Verwaltungsakt abschließendes, hochschulinternes Feststellungsverfahren, das die nach den Übergangsbestimmungen des damaligen Hochschulrechts entstandene korporationsrechtliche Zuordnung eines Hochschulbediensteten zum Gegenstand hat, gerade ausschließen. 7 BVerwGE 67, 163 (165); Bay. VGH, U. v. 24.9.1985 - Nr. 20 B 85 A.17, BayVBl. 1986, 176(177). 8 „§ 31 Vorbehalt des Gesetzes. Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuchs dürfen nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zuläßt." 9 Zur Erstreckung des Vorbehalts des Gesetzes auf die Kompetenz zum Erlaß konkretisierender Verfügungen und feststellender Verwaltungsakten vgl. unten Teil 6. 10 Schnapp in Bochumer Kommentar, § 31 Rn. 15. Kloepfer, JZ 1984, 685 (689) bezeichnet ihn als derivativen Gesetzesänderungsvorbehalt. 11 Wertenbruch, Schieckel-FS, S. 357 (362 f.); Papier in: Götz/Klein/Starck, „Die öffentliche Verwaltung zwischen ..." S. 36 (58). 12 Jesch, S. 30; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 241; Stern, Staatsrecht I, § 20 IV.4.b); Papier in: Götz/Klein/Starck, „Die öffentliche Verwaltung zwischen ...", S. 36 (58); Kloepfer, JZ 1984, 585 (688 f.). Zur Bedeutung des vom Parlament präokkupierten Bereichs der Gesetzgebung in der konstitutionellen Monarchie des 19. Jahrhunderts vgl. nur Rottmann, EuGRZ 1985, 277 (284) m.w.N. 13 Schnapp in Bochumer Kommentar, § 31 Rn. 15; a.A. wohl Henke, DÖV 1977, 41 (44). 14 Kracht
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Teil 3: Verfassungsrechtliche Grundlagen
Mit der 1994 in die Bayerische Bauordnung eingeführten „Genehmigungsfreistellung" wurden in weitem Umfang planungsrechtlich relevante Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans vom Erfordernis einer Baugenehmigung befreit. Der Gesetzgeber bezweckte, Bauvorhaben von als zu langwierig, kompliziert und aufwendig empfundenen Verwaltungsverfahren zu entlasten und den Abbau normativer und administrativer Hemmnisse auf dem Bausektor voranzutreiben 14. Dieses Freistellungsverfahren enthält kein bestandsschutzsicherndes Element. Da sich der Landesgesetzgeber in Kenntnis der Problematik in Art. 64 BayBO 15 gegen die z.B. in § 74 Abs. 13 Landesbauordnung Schleswig-Holstein 16 aufgenommene Lösung entschieden hat, dem Bauherrn die Möglichkeit eines fakultativen Antrags auf Erteilung einer Baugenehmigung zu geben17, schließt der Vorrang des Gesetzes es aus, einer bayerischen Bauaufsichtsbehörde doch die Kompetenz zu geben, in Form einer gesetzlich nicht vorgesehenen Unbedenklichkeitsbescheinigung verbindlich über die Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem materiellen Baurecht zu entscheiden18. Ob bestehende Verfahrensvorschriften einer Entscheidung durch Verwaltungsakt entgegenstehen, kann nur im Einzelfall durch Auslegung des besonderen Verwaltungsrechts geklärt werden. Die Anwendung des Vorranges des Gesetzes wirft somit für gesetzlich nicht geregelte feststellende Verwaltungsakte und konkretisierende Verfügungen keine grundsätzlichen Probleme auf, die auf der Ebene des allgemeinen Verwaltungsrechts zu lösen wären.
14
Held, UPR 1999, 210 ff. (m.w.N.). 1.d.F. der Bekanntmachung vom 4. August 1997 (GVB1. S. 433, 1998). 16 1.d.F. der Bekanntmachung vom 10. Januar 2000 (GVOB1. Schl.-H. S. 47). 17 Vgl. auch die bundesrechtliche Ermächtigung in § 23 Abs. la) BImSchG, für bestimmte nicht genehmigungsbedürftige Anlagen dem Vorhabenträger durch Rechtsverordnung das Recht auf Durchführung eines fakultativen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens einzuräumen. 18 So bereits zurfrüheren Rechtslage nach den Art. 66, 67 und 68 Abs. 2 und 3 BayBauO 1982 BayVGH, U. v. 24.9.1985 - Nr. 20 B 85 A. 17 (oben Fn. 5). Zur geltenden Rechtslage vgl. auch Held, UPR 1999, 210 ff. (m.w.N.) sowie unten Teil 7, C.VII.2.b). 15
C. Der Vorbehalt des Gesetzes
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C. Der Vorbehalt des Gesetzes I. Fragestellung Ausdrücklich regelt Art. 20 Abs. 3 GG nur den Vorrang des Gesetzes1; jedoch gilt entsprechend der deutschen Verfassungstradition auch im demokratischen Rechtsstaat des Grundgesetzes der Vorbehalt des Gesetzes als das zweite Grundprinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung 2 . Der Vorbehalt des Gesetzes besagt, daß gewisse Staatshandlungen nur rechtmäßig sind, wenn sie gesetzlich vorgesehen sind 3. Während sich die Vorrangfrage nur dann stellen kann, wenn ein wirksames Gesetz besteht, bestimmt die Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes gerade umgekehrt, ob und ggf. in welcher Weise die Exekutive auch dann handeln darf, wenn eine ausdrückliche oder stillschweigende gesetzliche Regelung dieser Verwaltungstätigkeit fehlt. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ist speziell danach zu fragen, ob die Verwaltung generell befugt ist, über die sich durch Anwendung einer öffentlich-rechtlichen Norm auf den Einzelfall ergebende konkrete Rechtslage verbindlich zu entscheiden oder ob ihr eine Befugnis zum Erlaß eines derartigen Verwaltungsaktes erst durch ein diese Handlungsform zulassendes Gesetz verliehen werden muß. Jede rechtliche Lösung setzt Klarheit über Inhalt und Reichweite dieses Verfassungsprinzips voraus. Denn es ist zwar unbestritten, daß der traditionelle Verfassungsgrundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes in irgendeiner Weise Eingang in das Grundgesetz gefunden hat. Umstritten ist dagegen, aus welchen Grundgesetzbestimmungen und Verfassungsprinzipien er abzuleiten ist und welche Arten der Verwaltungsmaßnahmen nach dem Grundgesetz zum Vorbehaltsbereich des Gesetzgebers gehören\ Eine umfassende Aufarbeitung aller Einzelheiten dieser verfassungsrechtlichen Grundfragen müßte den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. Für den Zweck der vorliegenden Untersuchung genügt es darzustellen, in welcher Weise die unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Konzeptionen der Reichweite des Vorbehaltsprinzips heute in der verwaltungsrechtlichen Diskussion um den Einsatz der Handlungsform Verwaltungsakt auftauchen und sodann mit weiterführenden Hinweisen zu skizzieren, von welchem Grundverständnis des Vorbehalts des Gesetzes die nachfolgende Analyse ausgeht.
1
Jesch, S. 5, 190; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 228; Pietzcker, JuS 1979, 710 (712). 2 Zusammenfassende Darstellung und Nachweise bei Pietzcker, JuS 1979, 710 ff.; Ossenbühl in HStR III, § 62 Rn. 7 ff.; ders. in Erichsen, Allg. VerwR, § 9 Rn. 9 ff. 3 Sachs, VerwArch 76 (1985), 398 (407). 4 Jesch, S. 5 ff. 190, passim; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 208 ff.; Pietzcker, JuS 1979, 710 (711 ff.); Schlink, Die Amtshilfe, S. 102 ff.
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Teil 3: Verfassungsrechtliche Grundlagen
II. Die Wesentlichkeits-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 1. Die Strafvollzugsentscheidung
(BVerfGE
40, 237)
Die Diskussion um den Gesetzes- oder Parlamentsvorbehalt ist in der Mitte der siebziger und in den achtziger Jahren maßgeblich von der sog. Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geprägt worden, nach der dem Gesetzgeber, losgelöst von der Formel von Freiheit und Eigentum, die Regelung aller wesentlichen Fragen eines Rechtsverhältnisses, Lebens- oder Sachbereiches vorbehalten ist 5. Das Bundesverfassungsgericht hat sich zwar bislang nicht speziell zu der Geltung des Vorbehalts für Feststellungsbescheide und gesetzeskonkretisierende Verfügungen geäußert. Das Vorbehaltsprinzip hat es jedoch in seiner Entscheidung vom 28.10.1975 auf Regelungen eines Verwaltungsvorverfahrens angewandt, welches gleichfalls auf den Erlaß eines Verwaltungsaktes gerichtet war 6 . Aufgrund von Verfassungsbeschwerden gegen Justizvollzugsmaßnahmen hatte das Bundesverfassungsgericht zu prüfen, ob und in welchem Umfang es dem Gesetzgeber vorbehalten ist, die Befugnis der Verwaltungsbehörden zu regeln, einen verbindlichen, der Bestandskraft fähigen Verwaltungsakt zu erlassen sowie bestimmte, bei der Nachprüfung belastender Verwaltungsmaßnahmen zu beachtende Formen und Fristen eines Verwaltungsvorverfahrens zu regeln 7. Die in Strafhaft einsitzenden Beschwerdeführer hatten Verfassungsbeschwerde gegen Entscheidungen des OLG Hamm eingelegt, durch die ihre Anträge auf gerichtliche Entscheidung über belastende Vollzugsmaßnahmen als unzulässig abgewiesen worden waren, weil die Beschwerdeführer zuvor nicht bzw. nicht frist- und formgerecht Beschwerde beim Anstaltsleiter eingelegt hatten. In Nordrhein-Westfalen war ein derartiges Vorverfahren damals nicht durch Gesetz, sondern nur in einer als Allgemeinverfügung bezeichneten Verwaltungsvorschrift des Justizministers vom 28. April 1971 geregelt. Diese 5 Z.B. BVerfGE 40, 237 (249) - Beschwerdeverfahren im Strafvollzug; BVerfGE 47, 46 (78 ff.) - Sexualkunde; BVerfGE 49, 89 (126 f.) - Kalkar; BVerfGE 57, 295 (320 f.) - FRAG. Aus der Fülle der Literatur vgl. nur die unterschiedlichen Bewertungen von Umbach, Faller-FS, S. 111 ff.; Kloepfer, JZ 1984, 685 ff.; Rottmann, EuGRZ 1985, 277 ff; Papier in: Götz/Klein/Starck, „Die öffentliche Verwaltung zwischen ...", S. 36 ff; Bleckmann, Staatsrecht I, Rn. 471 ff., 512 ff; Ossenbühl in HStR III, § 62 Rn. 41 ff. 6 Vorverfahren, die nach den Prozeßordnungen der Beschreitung des Rechtsweges vorgeschaltet sind, bilden keinen Teil des gerichtlichen Verfahrens. Es sind spezielle wenn auch auf das gerichtliche Verfahren ausgerichtete - Verwaltungsverfahren (BVerfGE 35, 65 (73); 40, 237 (246, 260); J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 252). Die ein solches Vorverfahren abschließenden Entscheidungen sind auch dann Verwaltungsakte, wenn die angegriffenen Maßnahmen ihrerseits keine Verwaltungsakte bildeten (J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 252, 362). 7 BVerfGE 40, 237.
C. Der Vorbehalt des Gesetzes
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Regelung eines Verwaltungsvorverfahrens beruhte wiederum auf den allgemeinen Bestimmungen der §§23 und 24 EGGVG, welche vor Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes auch für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen Strafvollzugsmaßnahmen galten. Nach § 24 Abs. 2 EGGVG konnte ein solcher Antrag erst nach einem vorausgegangenen Beschwerdeverfahren gestellt werden, soweit die behördlichen Maßnahmen der Beschwerde oder einem anderen förmlichen Rechtsbehelf unterlagen 8. Das OLG Hamm hatte einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung der in Strafhaft einsitzenden Beschwerdeführer verworfen, weil diese das in der Allgemeinverfügung vorgesehene Vorverfahren nicht frist- bzw. formgerecht durchgeführt hatten. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG überprüfte das Bundesverfassungsgericht, ob und inwieweit die Verwaltung nur bei einer gesetzlichen Ermächtigung befugt ist, ein auf Erlaß eines verbindlichen Verwaltungsaktes gerichtetes Verwaltungs(vor)verfahren einzuführen. Eine Verletzung des Vorbehaltsprinzips durch den Beschluß des OLG wurde von der Senatsmehrheit mit der folgenden Begründung abgelehnt:
,J)er Grundsatz des Vorbehalts des (allgemeinen) Gesetzes wird im Grundgesetz nicht expressis verbis erwähnt. Seine Geltung ergibt sich jedoch aus Art. 20 Abs. 3 GG. ... Die von der konstitutionellen, bürgerlich-liberalen Staatsauffassung des 19. Jahrhunderts geprägte Formel, ein Gesetz sei nur dort erforderlich, wo „Eingriffe in Freiheit und Eigentum" in Rede stehen, wird dem heutigen Verfassungsverständnis nicht mehr voll gerecht. Im Rahmen einer demokratisch-parlamentarischen Staatsverfassung, wie sie das Grundgesetz ist, liegt es näher anzunehmen, daß die Entscheidung aller grundsätzlichen Fragen, die den Bürger unmittelbar betreffen, durc Gesetz erfolgen muß, und zwar losgelöst von dem in der Praxis fließenden Eingrenzungsmerkmal des „Eingriffs". Staatliches Handeln, durch das dem Einzelnen Leistungen und Chancen gewährt und angeboten werden, ist für eine Existenz in Freiheit oft nicht weniger bedeutungsvoll als das Unterbleiben eines „Eingriffs". Hier wie dort kommt dem vom Parlament beschlossenen Gesetz gegenüber dem bloßen Verwaltungshandeln die unmittelbarere demokratische Legitimation zu, und das parlamentarische Verfahren gewährleistet ein höheres Maß an Öffentlichkeit der Auseinandersetzung und Entscheidungssuche und damit auch größere Möglichkeiten eines Ausgleichs widerstreitender Interessen. All das spricht für eine Ausdehnung des allgemeinen Gesetzesvorbehalts über die überkommenen Grenzen hinaus. Auch außerhalb des Art. 80 GG hat der Gesetzgeber die grundlegenden Entscheidungen selbst zu treffen und zu verantworten. Aber auch wenn man aus diesen Erwägungen eine Ausdehnung des allgemeinen Gesetzesvorbehalts auf weitere Bereiche annimmt, so folgt daraus noch nicht, daß vom Grundgesetz die Regelung der Behördenzuständigkeit und des Verwaltungsverfahrens bis in alle Einzelheiten dem Gesetz vorbehalten sei....
8 Heute ist diese Frage spezialgesetzlich in § 109 Abs. 3 StVollzG geregelt: „Das Landesrecht kann vorsehen, daß der Antrag erst nach vorausgegangenem Verwaltungsvorverfahren gestellt werden kann." Zumindest wegen des Vorrangs des Gesetzes ist daher heute eine Regelung durch Gesetz oder Rechtsverordnung erforderlich.
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Teil 3: Verfassungsrechtliche Grundlagen
Die grundlegende Entscheidung, daß ein verwaltungsrechtliches Vorverfahren vorgesehen werden kann und daß die Sanktion der nicht ordnungsgemäßen Durchfuhrung des Vorverfahrens die Unzulässigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung ist, hat der Gesetzgeber in § 24 Abs. 2 EGGVG getroffen. Soweit in diesem Zusammenhang überhaupt von einem „Eingriff 4 die Rede sein kann, liegt dieser also bereits im Gesetz selbst. Demgegenüber erweist sich die Allgemeinverfügung als eine untergeordnete Regelung, die sich auf die nähere Ausgestaltung von Fristen und Formen und die Bezeichnung der zuständigen Behörde beschränkt. ... Die zu seiner Ausfüllung erlassene Allgemein Verfügung betrifft ... nur die Ausgestaltung von Modalitäten eines verwaltungsrechtlichen Vorverfahrens, das voll und ganz im Zuständigkeitsbereich der Verwaltung verbleibt. Daß auch die relativ untergeordnete Regelung dieser Modalitäten dem Gesetzesvorbehalt unterliegt, kann dem Grundgesetz nicht entnommen werden."9
2. Kritik der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Sowohl für die allgemeine Bewertung der Wesentlichkeits-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch für unsere spezielle Frage, ob die Verwaltung einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf, um ein Verwaltungsrechtsverhältnis durch Verwaltungsakt zu regeln, wurden in der rechtswissenschaftlichen Diskussion aus dieser Entscheidung unterschiedliche Schlußfolgerungen gezogen. Soweit sich die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung nachfolgend mit der Frage der Geltung des Vorbehalts des Gesetzes für feststellende Verwaltungsakte und konkretisierende Verfügungen befaßt hat, hat sie zwar die allgemeinen Formulierungen der Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zitiert, jedoch gerade nicht die soeben wiedergegebenen Ausführungen, die sich mit der Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung der Behördenzuständigkeit und des Verwaltungsverfahrens befaßt haben. Zu einer Auseinandersetzung mit diesen Urteilspassagen hätte aber Anlaß bestanden, weil das Bundesverfassungsgericht dort mit der nordrhein-westfalischen Verwaltungsvorschrift eine Maßnahme der Exekutive gebilligt hatte, welche dazu führte, daß die Betroffenen die Rechtswidrigkeit anderer Verwaltungsmaßnahmen, nämlich die der Strafvollzugsmaßnahmen, nur durch einen fristgebundenen Rechtsbehelf machen konnten. Die nachteiligen Rechtsfolgen, welche sich aus §§23 und 24 EGGVG damals für alle der Beschwerde oder einem anderen förmlichen Rechtsbehelf unterliegenden Strafvollzugsmaßnahmen ergaben, sind insoweit mit den Rechtsfolgen der speziell für Verwaltungsakte geltenden Regelung eines fristgebundenen Vorverfahrens in den §§ 68 ff. VwGO vergleichbar. Somit hat sich das Bundesverfassungsgericht zwar nicht speziell mit der Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung für feststellende Verwaltungsakte und konkretisierende Verwaltungsakte, wohl aber mit dem allge-
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BVerfGE 40, 237 (248 ff.); abw. das Sondervotum S. 260 f.
C. Der Vorbehalt des Gesetzes
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meinen, auch für die Verwaltungsaktbefugnis zentralen Problem befaßt, ob und inwieweit bei einer an das Prozeßrecht anknüpfenden administrativen Überwälzung einer fristgebundenen Anfechtungslast 10 gegenüber belastenden Verwaltungsmaßnahmen der Vorbehalt des Gesetzes gilt. Von denjenigen Autoren, welche den überkommenen Eingriffsvorbehalt generell durch einen (auch) aus dem Demokratieprinzip abzuleitenden Parlamentsvorbehalt ersetzen wollen, ist die Regelung der Behördenkompetenz, ein Verfahren einzuleiten und durch eine verbindliche Entscheidung mit bestimmten Rechtsfolgen abzuschließen, meist zu den wesentlichen Regelungen des Verwaltungsverfahrens gezählt worden, die dem Gesetzgeber vorbehalten seien11. Hierbei wurde teilweise die Auffassung vertreten, dem Parlamentsvorbehalt genüge bereits ein die wesentlichen Verfahrensgrundsätze enthaltendes, generell-institutionelles Verfahrensgesetz n. Da die Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder, das SGB und die AO, ergänzt durch die VwGO, das SGG bzw. die FGO, derartige Regelungen des Verwaltungsverfahrens und der allgemeinen Rechtsfolgen des Verwaltungsaktes enthalten, sollen die zuständigen Verwaltungsbehörden nach dieser auf den Grundgedanken der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom 28.10.1975 beruhenden Mindermeinung grundsätzlich ermächtigt sein, Feststellungsbescheide und konkretisierende Verfügungen zu erlassen. Überwiegend ist die Strafvollzugsentscheidung vom 28.10.1975 (BVerfGE 40, 237 (249 ff.)) dagegen in der Literatur auf Ablehnung gestoßen. Zum einen wird geltend gemacht, bei der Frage der Rechtsbehelfsfristen handele es sich keineswegs nur um eine untergeordnete Regelung, sondern um eine für die Rechtsschutzgarantie wichtige, sonst durchweg durch Gesetz geregelte Frage 13. Vor allem aber wurde kritisiert, daß das Kriterium der Wesentlichkeit entgegen der im Beschluß des Bundesverfassungsgerichts enthaltenen Erläuterung hier und in anderen Fallkonstellationen nicht zu eine Ausdehnung, sondern zu einer verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden partiellen Einschränkung des Vorbehaltsbereichs führe 14.
10
Zur Eingriffswirkung der Anfechtungslast bei belastenden Verwaltungsakten vgl. unten Teil 5, C. 11 Böckenförde,, S. 393 ff.; Stober, SKV 1976, 147 f.; Henke, DÖV 1977, 41 (44 f.); Maurer,, Allg. VerwR, § 6 Rn. 21, § 24 Rn. 28. 12 Böckenförde, S. 393 ff. 13 Pieroth/Schlink, Rn. 1026. 14 Abw. Votum Seuffert, BVerfGE 40, 237 (260 f.); Schenke, DÖV 1977, 27 (27 f., 31, 33); Schlink, Die Amtshilfe, S. 126 f.; Bachof in „Die öffentliche Verwaltung zwischen...", S. 90; allg. zum Wesentlichkeitskriterium auch W. Martens in: Götz/ Klein/Starck, „Die öffentliche Verwaltung zwischen ...", S. 89 (90); Lerche in HStR V, § 121 Rn. 46.
216
Teil 3: Verfassungsrechtliche Grundlagen
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der Umstand, daß das vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Kriterium der „Wesentlichkeit" in der Rechtsprechung der Fachgerichte zu dem speziellen verwaltungsverfahrensrechtlichen Problem des Vorbehalts des Gesetzes für feststellende Verwaltungsakte und konkretisierende Verfugungen nur selten erwähnt, nie aber angewandt wurde. Soweit in verwaltungsgerichtlichen Urteilen nach 1975 auf eine spezialgesetzliche Ermächtigung für die Handlungsform Verwaltungsakt verzichtet wurde, ist dies nicht damit begründet worden, die §§ 35 und 43 ff. VwVfG seien im Sinne der Wesentlichkeitstheorie als ausreichende gesetzliche Grundlage zum Erlaß von Verwaltungsakten anzusehen. Vielmehr folgen diese Entscheidungen meist der Auffassung, daß die zuständige Behörde generell befugt sei, über das Bestehen und den Inhalt solcher verwaltungsrechtlicher Rechte und Pflichten durch Verwaltungsakt zu entscheiden, die sie zu vollziehen habe. Soweit dagegen die Frage des Vorbehalts des Gesetzes für feststellende Verwaltungsakte und gesetzeskonkretisierende Verfügungen erörtert wird, interpretieren die Verwaltungsgerichte die Wesentlichkeitstheorie nicht als einen neuen Begründungsansatz, welcher das Eingriffskriterium völlig ersetzt. So hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem bereits im Teil 1 zitierten Wohnraumzweckentfremdungsurteil vom 29.11.1985 15 angenommen, feststellende Verwaltungsakte bedürften jedenfalls dann einer gesetzlichen Grundlage, wenn ihr Inhalt etwas als Rechtens feststellt, was der Betroffene erklärtermaßen für nicht Rechtens hält. In seinen grundsätzlichen Ausführungen ging der Senat dabei davon aus, daß das überkommene Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für alle (Verwaltungs-)eingriffe in Freiheit und Eigentum sich für das geltende Recht aus Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit den Grundrechten ergebe. Die sog. „ Wesentlichkeitsrechtsprechung" des Bundesverfassungsgerichts habe das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage über seinen ursprünglichen Umkreis hinaus ausgedehnt, fähre aber nicht dazu, daß nach geltendem Recht nicht mehr sämtliche belastende Verwaltungsakte einer gesetzlichen Grundlage bedürften 16. Dieses Erfordernis ergebe sich aus der zumindest latent belastenden Wirkung einer Regelung (§ 35 Satz 1 VwVfG), die die Rechtsfolge möglicher Bestandskraft für sich in Anspruch nimmt, sofern der Regelungsinhalt dem Betroffenen erklärtermaßen nicht genehm sei. Die fehlende Berücksichtigung der Strafvollzugentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.10.1975 in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist einer von vielen Belegen dafür, daß die gesamte Wesentlichkeits15
BVerwG, U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83, BVerwGE 72, 265 = NJW 1986, 1120 = DVB1. 1986, 560 = DÖV 1986, 570 = BayVBl. 1986, 536. 16 Ebenso Kopp in: Götz/Klein/Starck, „Die öffentliche Verwaltung zwischen ...", S. 83 f.; Jarass in Pieroth/Jarass, Art. 20 Rn. 31; Ossenbühl in HStR III, § 62 Rn. 40, 46.
C. Der Vorbehalt des Gesetzes
217
rechtsprechung nicht auf einer in sich schlüssigen und praktikablen dogmatischen Gesamtkonstruktion beruht Ihr liegt weder eine einheitliche Theorie zugrunde noch läßt sie sich überzeugend aus dem Grundgesetz ableiten. Die Unschärfe und Beliebigkeit des Begriffs der „Wesentlichkeit" hat dort, wo das Bundesverfassungsgericht auf ihn zurückgreift, zu einer Unberechenbarkeit der Entscheidungspraxis des Bundesverfassungsgerichts geführt 17. Daher verwundert es nicht, daß die Verwaltungsgerichte bei Fallkonstellationen, die sich mit der klassischen Formel des Eingriffsvorbehalts nachvollziehbar lösen und begründen lassen, darauf verzichten, sich auf das unsichere Terrain der „Wesentlichkeit" zu begeben. Deren Unberechenbarkeit ist nämlich nicht nur ein Resultat der sprachlichen Unbestimmtheit dieses Topoi und der daraus resultierenden besonderen Konkretisierungsbedürftigkeit, welche das Bundesverfassungsgericht selbst im Wege der Rechtsfortbildung nach und nach in seiner Entscheidungspraxis mittels einer Fallgruppenbildung hätte beseitigen können 18 . Sie ist auch dadurch entstanden, daß das Bundesverfassungsgericht zur Bestimmung dessen, was wesentlich ist, wechselnd auf die Grundrechtsrelevanz, das Rechtsstaats- und das Demokratieprinzip oder eine Kombination dieser Elemente zurückgegriffen hat 19 . Im Kalkar- 20 , im Nachrüstungs 21- und im Rechtschreibreformbeschluß 22 hat das Bundesverfassungsgericht die Begründung aus dem Demokratieprinzip praktisch selbst aufgegeben und zur gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzbereiche von Parlament und Exekutive auf die speziellen staatsorganisatorischen Bestimmungen des Grundgesetzes sowie auf das Kriterium abgestellt, daß staatliche Entscheidungen möglichst richtig, d.h. von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen. Auch in seiner Entscheidung zum Bundeswehreinsatz in der Adria und in Somalia hat das Bundesverfassungsgericht weder das Demokratieprinzip noch die Bindung der vollziehenden Gewalt an Recht und Gesetz oder den allgemeinen Gewaltenteilungsgrundsatz des Art. 20 GG zur Begründung eines Parlamentsvorbehalts herangezogen und auch das Kriterium
17 Für viele Umbach, Faller-FS, S. 111 (112 ff.); Kloepfer, JZ 1984, 585 (692 ff.); Bleckmann, Staatsrecht I, Rn. 476. Nach Ossenbühl in HStR III, § 62 Rn. 44 ff., sollte der Begriff der Wesentlichkeit demgegenüber von vornherein nicht als dogmatisches Kriterium sondern eher als ein heuristischer Begriff fungieren, der durchaus positive Wirkungen gehabt habe; auf Dauer werde nur eine Fallgruppenbildung helfen. 18 Ossenbühl in: Götz/Klein/Starck, „Die öffentliche Verwaltung zwischen ..." S. 9 (25 f.); Papier in: Götz/Klein/Starck, „Die öffentliche Verwaltung zwischen ...", S. 36 (41 ff.). 19 Schlink, Die Amtshilfe, S. 119, 125 ff. 20 BVerfG, B. v. 8.8.1978 - 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89 (124 ff.). 21 BVerfG, U. v. 18.12.1984 - 2 BvE 13/83, BVerfGE 68, 1 (84 ff.). 22 BVerfG, U. v. 14.7.1998 - 1 BvR 1640/97, BVerfGE 98, 218 (251 ff.).
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Teil 3: Verfassungsrechtliche Grundlagen
der Wesentlichkeit nicht angewandt. In diesem Beschluß hat es einen über die ausdrückliche Regelung des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG hinausgehenden Parlamentsvorbehalt auf dem Gebiet der auswärtigen Gewalt verneint, hingegen aus den grundgesetzlichen Regelungen über die Wehrverfassung in einer historischen und teleologisch-systematischen Auslegungen einen allgemeinen Parlamentsvorbehalt für den Einsatz bewaffneter Streitkräfte abgeleitet23. In weiteren Entscheidungen, wie dem Volkszählungsurteil 24, wurden die Grenzen der Verwaltungstätigkeit unmittelbar aus den Grundrechten mit ihren speziellen Gesetzesvorbehalten bestimmt, ohne daß der Allgemeinvorbehalt und der Gesichtspunkt der Wesentlichkeit auch nur Erwähnung gefunden hätte 25 . Dem Topos der „ Wesentlichkeit" kommt damit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Bestimmung von Gesetzes- oder Parlamentsvorbehalten heute keine wesentliche Bedeutung mehr zu. Wie im einzelnen später noch darzustellen ist 26 , haben die Verwaltungsgerichte im Hinblick auf die Befugnis der Verwaltung, Rechte und Pflichten des Bürgers durch feststellende Verwaltungsakte und konkretisierende Verfügungen zu erlassen, letztlich den gleichen Weg beschritten und den Vorbehalt des Gesetzes für den Gebrauch der Handlungsform Verwaltungsakt aus einem im Rechtsstaatsprinzip oder den Grundrechten verankerten Eingriffsvorbehalt abgeleitet. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seiner Strafvollzugsentscheidung (BVerfGE 40, 237) sind in diesem Zusammenhang als ein nicht völlig geglückter Schritt auf dem Weg der Überführung der „besonderen Gewaltverhältnisse" aus dem rechtsfreien staatlichen Innenraum der Impermeablitätslehre in rechtsstaatlich, aber unter Berücksichtigung ihrer besonderen Bedingungen geregelte Verwaltungsrechtsverhältnisse 27 einzustufen. Nach der dogmatischen Neukonstruktion dieser besonderen Verwaltungsrechtsverhältnisse durch die weitere Rechtsprechung und Lehre sollte der weder als Teil der Wesentlichkeitsrechtsprechung noch bei einer isolierten Betrachtung seiner einzelnen Begründungselemente überzeugende Strafvollzugsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts keinen entscheidenden Einfluß mehr haben auf die Entscheidung der Frage, ob der Vorbehalt des Gesetzes für die Befugnis zum Erlaß feststellender Verwaltungsakte und konkretisierender Verfügungen gilt. Denn das Rechtsinstitut des Verwaltungsakts ist definitionsge-
23
BVerfG, U. v. 12.7.1994 - 2 BvE 3/92, 5/93, 7/93, 8/93, BVerfGE 90, 286 (357 ff., 381 ff.). 24 BVerfG, U. v. 15.12.1983 - 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83, BVerfGE 65, 1 (49, 59 ff.). 25 Vgl. dazu einerseits Umbach, Faller-FS, S. 111 (130); andererseits Ossenbühl in: Götz/Klein/Starck, „Die öffentliche Verwaltung zwischen ...", S. 9 (27). 26 Vgl. unten Teil 4. 27 Vgl. unten III. bei Fn. 121 ff.
C. Der Vorbehalt des Gesetzes
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mäß von vornherein für eine Regelung des Außenverhältnisses von Staat und Bürger konzipiert. Insgesamt hat die Entscheidungspraxis des Bundesverfassungsgerichts und ihre wissenschaftliche Diskussion gezeigt, daß der Wesentlichkeitsgedanke generell zur verfassungsrechtlichen Bestimmung der Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes nicht geeignet ist und auch nicht zu einer eigenständigen dogmatischen Theorie ausgebaut werden kann, bei der sich aus den Grundrechten, dem Rechtsstaats- und dem Demokratieprinzip ein einheitlicher Bereich eines allgemeinen Vorbehalts des Gesetzes ergeben würde 28 . Vielmehr müssen die Grundrechte, das Rechtsstaats- und das Demokratieprinzip sowie die konkreten staatsorganisatorischen und haushaltsrechtlichen Bestimmungen des Grundgesetzes jeweils eigenständig daraufhin untersucht werden, ob und inwieweit sie die Regelung bestimmter Lebensgebiete und Rechtsverhältnisse, Sachgebiete und Rechtsformen des staatlichen Handelns einer parlamentarischen Entscheidung oder einem Rechtssatz vorbehalten 29.
I I I . Der rechtsstaatliche Eingriffsvorbehalt als Teil der allgemeinen Grundrechtslehre Durch den Rückgriff auf die demokratisch-rechtsstaatlichen Funktionen hat die Wesentlichkeitsrechtsprechung versucht, die Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes unmittelbar aus dem Rechtsstaats- und dem Demokratieprinzip abzuleiten. Diese heute durch Art. 79 Abs. 3 GG unabänderbar festgelegten Verfassungsgrundsätze der Art. 20 und 28 GG prägten bereits im 19. Jahrhundert die Auseinandersetzungen um die Gesetzgebungskompetenzen des Parlaments. Mit der konstitutionellen Formel, daß die Exekutive nur für Eingriffe in Freiheit und Eigentum einer gesetzlichen Ermächtigung bedürfe, hatte sich in der Staatslehre und -praxis des Spätkonstitutionalismus und der Weimarer Reichsverfassung letztlich eine rechtsstaatliche Interpretation des allgemeinen Vorbehalts des Gesetzes durchgesetzt 30. Unter dem Grundgesetz ist es - entgegen der herrschenden Lehre - nicht erforderlich, einen solchen, für alle Eingriffe in Freiheit und Eigentum geltenden allgemeinen Vorbehalt aus Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip 31, insbesondere dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwal-
28
Schlink, Die Amtshilfe, S. 128 ff. (m.w.N.); skeptisch auch Bleckmann, Staatsrecht I, Rn. 476, 512 ff. 29 Schlink, Die Amtshilfe, S. 128 ff. 30 Jesch, S. 102 ff. (127 ff.); Schlink, Die Amtshilfe, S. 102 ff. m.w.N. 31 Ossenbühl in HStR III, § 62 Rn. 33 ff.
220
Teil 3: Verfassungsrechtliche Grundlagen
tung 32 , abzuleiten oder ihn als Verfassungsgewohnheitsrecht 33 zu behandeln. Denn das Grundgesetz hat den traditionellen Eingriffsvorbehalt ausdrücklich in den Grundrechten mit unterschiedlich ausgeformten Gesetzesvorbehalten rezipiert und durch die gleichzeitige Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte weiterentwickelt 34. Neben diesen grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten stehen weiterhin spezielle staatsorganisatorische und haushaltsrechtliche Parlamentsvorbehalte 35. Da die Interpretation des Art. 2 Abs. 1 GG als Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit und nicht nur als Schutz eines Persönlichkeitskerns heute allgemein anerkannt ist, kann jeder Adressat eines belastenden Verwaltungsakts oder eines anderen hoheitlichen Eingriffs - soweit keine Spezialgrundrechte einschlägig sind - eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1
32
So aber die h.M.: BVerfGE 40, 237 (248 f.), 42, 331 (335); BVerwGE 72, 265 (266); Sachs in Sachs, GG, Art. 20 Rn. 113 ff.; Klein in Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 20 Rn. 10d.; Schnapp in v. Münch/Kunig, Art. 20 Rn. 38. 33 So Herzog in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 20, VI., Rn. 79. 34 Vogel, VVDStRL 24, 125 (149 ff.); Papier, Die finanzrechtlichen Vorbehalte, S. 27 ff.; ders. in Götz/Klein/ Starck, „Die öffentliche Verwaltung zwischen ...", S. 36 (46 ff.); Schlink, Die Amtshilfe, S. 130 ff.; Koch/Rubel, V., Rn. 22 ff.; wohl auch Jarass in Jarass/Pieroth, Art. 20 Rn. 28a ff. Auch Bull, Allg. VerwR, Rn. 250 ff. bezeichnet die Herleitung des Vorbehalts des Gesetzes aus den grundrechtlichen Regelungsvorbehalten bei einer adäquaten Auslegung der jeweiligen Schutzbereiche und Eingriffsvorbehalte als die sicherste Basis für weitere Schlußfolgerungen (Rn. 260, 269); daneben sei der traditionelle Vorbehalt des Gesetzes nur noch erforderlich, um die Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung für solche Eingriffe der Verwaltung zu begründen, bei denen der Schutzbereich der speziellen Grundrechte nicht berührt sei (z.B. Auflösung einer unfriedlichen Demonstration, belastende Maßnahmen gegen Ausländer, die in den Schutzbereich der „DeutschenGrundrechte" fielen). Hier stellt sich jedoch die Frage, ob in diesen Fallkonstellationen nicht Art. 2 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht eingreift und so zu einem gegenüber dem Spezialgrundrecht reduzierten grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt führt. A.A. Ossenbühl in HStR III, § 62 Rn. 16; Sachs in Sachs, GG, Art. 92 Rn. 113, nach denen der Vorbehalt des Gesetzes von der normativen Grundlage und dem Normadressaten her von den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten zu unterscheiden sei: Der allgemeine Vorbehalt des Gesetzes solle als an die vollziehende Gewalt gerichtetes Verbot, ohne gesetzliche Grundlage tätig zu werden, das Bestimmungsrecht des Gesetzgebers wahren und stärken. Nach Ossenbühl, a.a.O., wenden sich die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte demgegenüber gegen den Gesetzgeber; Sachs, a.a.O. vor Art. 1 Rn. 98 f., 101 ff, Art. 20 Rn. 113, sieht sie als Erlaubnisnormen an, welche für die Gesetzgebung durch den Gewährleistungsbereich der Grundrechte an sich verbotenes Staatshandeln zulassen. Bei dieser Differenzierung nach dem Adressaten wird jedoch nicht ausreichend berücksichtigt, daß die Grundrechte mit ihren Gesetzesvorbehalten sowohl die Gesetzgebung als auch die Verwaltung binden (Art. 1 Abs. 3 GG). 35 Papier, Die finanzrechtlichen Vorbehalte, S. 27 ff.; ders. in: Götz/Klein/Starck, „Die öffentliche Verwaltung zwischen...", S. 36 (48 ff.); Schlink, Die Amtshilfe, S. 118, Fn. 27, passim.
C. Der Vorbehalt des Gesetzes
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GG mit der Begründung geltend machen, es fehle an einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigung für einen Eingriff in seine Handlungsfreiheit 36. Durch die Funktion des Art. 2 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht erweist sich das System der Grundrechte mit ihren Gesetzesvorbehalten gegenüber allen Eingriffen in Freiheit und Eigentum als lückenlos. Es garantiert eine umfassende Freiheit von gesetzeswidrigen und gesetzlosen hoheitlichen Eingriffen 37 . Die Grundrechte verlangen damit für alle Eingriffe der Verwaltung in Freiheit und Eigentum eine gesetzliche Grundlage. Das klassische Abwehr- und Schrankendenken hat Eingang in den Grundrechtsteil unserer Verfassung gefunden und so die rechtsstaatliche Funktion des Vorbehalts in das geltende Verfassungsrecht perpetuiert. Weil die Bindung aller Staatsgewalten an die Grundrechte unmittelbar geltendes Recht ist (Art. 1 Abs. 3 GG) und zugleich zu den Grundsätzen des demokratischen Rechtsstaats unseres Grundgesetzes gehört, läßt sich die Vorbehaltsfrage, ob die Verwaltung für ihr Handeln einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf, weder mit Argumenten aus dem Demokratie- noch dem Rechtsstaatsgebot völlig losgelöst vom überkommenen Abgrenzungsmerkmal des „Eingriffs" beurteilen. Die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte erfassen nicht nur wesentliche, sondern alle Eingriffe ohne Rücksicht auf ihr politisches Gewicht oder ihre individuelle Schwere. Eine Ersetzung des Eingriffstatbestands durch das Wesentlichkeitsmerkmal würde zu einer mit dem Wortlaut und der Funktion der Grundrechte unvereinbaren partiellen Einschränkung der grundrechtlichen Freiheiten führen, welche durch die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte geschützt sind 38 . Versteht man den verfassungsgeschichtlich zunächst im Rechtsstaatsgedanken verankerten Eingriffsvorbehalt auf diese Weise - vor allem im Anschluß an die Arbeiten von Schlink und Papier 39 - heute als allgemeinen Rechtsgrundsatz
36 St. Rspr. seit dem Elfesurteil BVerfGE 6, 32 (36 ff.); vgl. dazu Schwabe, DÖV 1973, 623 (627 f.); Pietzcker, Bachof-FS, S. 131 (145 f.). 37 Jesch, S. 134 ff.; Schwabe, DÖV 1973, 623 (627 f.); Pietzcker, JuS 1979, 710 (712); Herzog in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 20, VI., Rn. 57; Schlink, Die Amtshilfe, S. 134 m.w.N.; a.A. Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, S. 35 ff. 38 Schlink„ Die Amtshilfe, S. 124 ff.; Pieroth/Schlink, Rn. 265; Ossenbühl in: Götz/ Klein/Starck, „Die öffentliche Verwaltung zwischen ...", S. 9 (23); Bachof in: Götz/ Klein/Starck, „Die öffentliche Verwaltung zwischen ..." S. 90; W. Martens in: Götz/ Klein/Starck, „Die öffentliche Verwaltung zwischen ...", S. 89 (90); Schenke, DÖV 1977, 27 (27 f., 31, 33); Jarass in Jarass/Pieroth, Art. 92 Rn. 31; Lerche in HStR V, § 121 Rn. 46; a.A. Kisker, NJW 1977, 1313 (1318 f.). Zur Auslegung des Eingriffstatbestands und dem Schutz der Grundrechte vor faktischen und mittelbaren Beeinträchtigungen vgl. Teil 5, A. m.w.N. 39 Schlink, Die Amtshilfe, S. 124 ff.; Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 93; ebenso Jesch, S. 134 ff.; Jarass in Jarass/Pieroth, Art. 92 Rn. 29, 35a; a.A. z.B. Bethge, VVDStRL 57, 7 (28) m.w.N. in Fn. 130.
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Teil 3: Verfassungsrechtliche Grundlagen
der Grundrechtslehre, so tritt er nicht in Konkurrenz zu den speziellen grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten. Vielmehr ist bei jedem Eingriff zu prüfen, ob die allgemeine Handlungsfreiheit oder ein spezielles Freiheitsrecht betroffen ist. Aus dem jeweils betroffenen Grundrecht können sich dann spezielle sachliche und formelle Modifizierungen des allgemeinen Vorbehaltsprinzips ergeben 40 . Zugleich werden bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Eingriffs durch diese Integration in die Grundrechtslehre Wertungswidersprüche zwischen einer für alle Eingriffe bestimmten Reichweite des allgemeinen Vorbehalts des Gesetzes und der Reichweite des Gesetzesvorbehalts des konkret vom Eingriff betroffenen Grundrechts vermieden 41. Dem wird zwar in der Literatur unter anderem entgegengehalten, die Anerkennung eines rechtsstaatstheoretisch und historisch begründeten allgemeinen Parlamentsvorbehalts sei zum Schutz der vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechte erforderlich; wenn diese nämlich den stärksten Schutz vor Eingriffen der staatlichen Gewalt gewähren sollten, so dürfe die Konkretisierung der immanenten Grundrechtsschranken nicht der Verwaltung und den Gerichten überlassen bleiben 42 . Diese Forderung nach einer gesetzlichen Regelung ist im Hinblick auf das abgestufte System des Grundrechtsschutzes berechtigt. Ein effektiver Schutz der schrankenlos gewährleisteten Grundrechte macht eine Ausdehnung des Vorbehaltsbereichs über die ausdrücklichen Gesetzesvorbehalte des Grundrechtsteils unserer Verfassung hinaus erforderlich. Aber bei diesem allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes handelt es sich dann nicht um einen selbständigen Verfassungsgrundsatz, sondern um eine allgemeine Grundrechtslehre. Per argumentum a maiore ad minus ist ein ungeschriebener Vorbehalt der Konkretisierung des Schutzbereichs und der grundrechtsimmanenten Schranken in die textlich schrankenlosen Grundrechte hineinzulesen43. So können nach der ausdrücklichen Verfassungsbestimmung des Art. 14 Abs. 2 GG abstrakt-generelle Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums nur durch die Gesetze erfolgen. In gleicher Weise obliegt es aber auch nur dem
40
Vgl. Schlink und Papier (Fn. 39), a.a.O.; Koch/Rubel, V., Rn. 24 ff. Z.B. bei der Prüfung des sog. Grundrechtsverzichts, d.h. der Möglichkeit und Rechtswirkungen einer individuellen Verfügung über einzelne Grundrechtspositionen durch eine Willensäußerung des Grundrechtsträgers. Vgl. in diesem Zusammenhang die Erörterung der Frage, ob die Verwaltung für den Erlaß eines Verwaltungsaktes, der eine den Adressaten oder Drittbetroffene inhaltlich belastende Feststellung enthält, aufgrund des jeweils berührten grundrechtlichen Gesetzesvorbehalts auch dann einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf, wenn der Adressat die Durchführung eines auf den Erlaß eines Feststellungsbescheides gerichtetes Verwaltungsverfahren beantragt hat, unten in Teil 7, C.IV. 42 Rottmann, EuGRZ 1985, 277 (290). 43 Für einen derartigen ungeschriebenen grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt Papier in: Götz/Klein/Starck, „Die öffentliche Verwaltung zwischen ...", S. 36 (53 f.). 41
C. Der Vorbehalt des Gesetzes
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Gesetzgeber, normgeprägte Schutzbereiche anderer Grundrechte durch verhältnismäßige Gesetze auszugestalten44 und so beispielsweise den Zugang zu den Gerichten nach Art. 19 Abs. 4 GG durch die Bestimmungen des Gerichtsverfassungsrechtes und der Prozeßordnungen zu regeln 45. Mit der Anerkennung solcher grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte für Eingriffe, Inhalts- und Schrankenbestimmungen ist allerdings noch nicht die Frage beantwortet, ob es unter dem GG neben den ausdrücklichen grundrechtlichen und staatsorganisatorischen Gesetzes- und Parlamentsvorbehalten noch einen ergänzenden allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes gibt, ob also die Grundrechte, das Rechtsstaats- oder das Demokratiegebot eine Ausdehnung des Vorbehaltsbereichs verlangen, wie dies überwiegend angenommen wird. Die Antwort kann sich nicht unmittelbar aus dem allgemeinem Verfassungsgrundsatz des Rechtsstaatsgebots ergeben. Die Forderung nach rechtsstaatlichem Handeln macht nämlich nur dort einen Sinn, wo sie auf formelle oder materielle Rechte und Pflichten bezogen wird, die nach festgelegten Maßstäben „rechtsstaatlich" zu verwirklichen sind. Da das Rechtsstaatsprinzip nur ein sprachliches Kürzel und eine Interpretationsmaxime für andere Verfassungsnormen ist, welche die Grundsätze des Rechtsstaates im Sinne der konkreten Verfassungsordnung dieses Grundgesetzes erst enthalten, können konkrete Rechtsfolgen erst aus diesen speziellen Verfassungsbestimmungen gewonnen werden 46. Es ist also konkret danach zu fragen, ob sich aus den Grundrechten außer dem Eingriffsvorbehalt noch ein zusätzlicher allgemeiner Verfassungsgrundsatz, eine allgemeine Grundrechtslehre des Inhalts ableiten läßt, daß die Verwaltung für sonstige grundrechtsrelevante Maßnahmen einer Ermächtigung durch oder aufgrund eines Gesetzes bedarf, d.h. für solche Handlungen oder Verfahren, die ohne Eingriff in irgendeiner Weise wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte sein sollen. Einen gegenüber den grundrechtlichen Sondervorbehalten erweiterten Anwendungsbereich soll der rechtsstaatliche Gesetzesvorbehalt nach der h.M. bei bestimmten grundrechtsrelevanten Maßnahmen ergeben, die sich durch den traditionellen, auf eine individualrechtliche Sicht beschränkten Eingriffsvorbehalt nicht hinreichend erfassen ließen47. Diese „Lücken" der grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte entstehen zumeist dadurch, daß man die Funktion der Grundrechte gegenüber ihrer klassischen Funktion als Abwehrrecht im allgemeinen 44
Jarass in Jarass/Pieroth, Art. 92 Rn. 3 lb, vor Art. 1 Rn. 1 lb, 25 f. Vgl. unten Teil 5, D.I. 46 Schlink, Die Amtshilfe, S. 134. 47 Rottmann, EuGRZ 1985, 277 (288 ff.); Kloepfer, JZ 1984, 685 (687 ff.); Ossenbühl in: Götz/Klein/Starck, „Die öffentliche Verwaltung zwischen ..." S. 9 (19); ders. in HStR III, § 62 Rn. 22 ff. 45
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Teil 3: Verfassungsrechtliche Grundlagen
Gewaltverhältnis ausdehnen will, zugleich aber annimmt, den Geltungsbereich der vorhandenen grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte nur i.S. eines Abwehrund Schrankendenkens auf dem Stande der Staatsrechtslehre des Spätkonstitutionalismus interpretieren zu können. Es kommt so zu einem Bruch, der nach Auffassung des Verfassers nur „vor Ort" gelöst werden kann, nämlich durch eine Auslegung der speziellen grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte als Eingriffsschranken, Gestaltungs- oder Schutzaufträge für den Gesetzgeber, welche der vorausgehenden Interpretation des jeweiligen Grundrechts mit einem abwehrrechtlichen, leistungsrechtlichen oder objektiv-institutionellen Bedeutungsgehalt gerecht wird. Dieser Aufgabe kann man sich auch nicht durch den Blankettbegriff der „Grundrechtsrelevanz" 48 entziehen. Denn die Antwort auf die Frage, welche staatliche Maßnahme als wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte zu qualifizieren ist, hängt letztendlich immer von dem als Beurteilungsmaßstab zugrunde gelegten Grundrechtsverständnis ab 49 . In der vorliegenden Arbeit wird davon ausgegangen, daß die Freiheitsrechte unserer Verfassung grundsätzlich als Abwehrrechte i.S. einer liberal-rechtsstaatlichen Grundrechtstheorie konzipiert und folglich in der Regel durch ein Eingriffs- und Schrankendenken sachgerecht zu interpretieren sind 50 . Dieses Gebot einer konsequenten Grundrechtsinterpretation gilt auch für die besonderen Gewaltverhältnisse. Es fallt auf, daß der Wesentlichkeitsgedanke und das Rechtsstaatsgebot durch Verfassungsrechtsprechung und Schrifttum zur Bestimmung der Reichweite des Gesetzesvorbehalts innerhalb solcher Verwaltungsrechtsverhältnisse gebraucht wurden, welche wie das Strafvollzugs- und das Schulverhältnis nach der aus dem spätkonstitutionellen Verfassungsrecht des 19. Jahrhunderts überkommenen Impermeablitätslehre als „besondere Gewaltverhältnisse" 51 im rechtsfreien staatlichen Innenraum dem Vorbehaltsprinzip nicht unterworfen waren 52. Mit der heute nicht mehr in Frage
48
(54).
49
Papier in: Götz/Klein/Starck, „Die öffentliche Verwaltung zwischen ...", S. 36
Schlinky Die Amtshilfe, S. 135 ff.; Papier in: Götz/Klein/Starck, „Die öffentliche Verwaltung zwischen ..." S. 36 (40,43 f.). 50 So insbesondere Schlink, Die Amtshilfe, S. 135 ff.; ders., EuGRZ 1984, 457 (462 ff.) mit einer umfassenden Herleitung der hier nur ansatzweise wiedergegebenen Argumente und weiteren Beispielen. 51 0. Mayer, Dt. VerwR II, 1. Aufl., S. 335 f.; 234 ff.; Dt. VerwR I, 3. Aufl., S. 101 ff.; Dt. VerwR II, 3. Aufl., S. 285 f., 181 ff., 195 f. Zur Funktion dieser Lehre, besondere Gewaltverhältnisse von der Geltung des Vorbehalts des Gesetzes und auch den rechtsstaatlichen Sicherungen des Verwaltungsakts auszunehmen vgl. SchmidtDe Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 133 ff. 52 Dieser Zusammenhang ist allgemein anerkannt, vgl. nur Kloepfer, JZ 1984, 685 (688 ff.); Rottmann, EuGRZ 1985, 277 (286 ff.); Ossenbühl in: Götz/Klein/Starck, „Die
C. Der Vorbehalt des Gesetzes
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gestellten Anerkennung der Grundrechte in diesen Rechtsbeziehungen seit der ersten Strafgefangenen-Entscheidung vom 14. März 197253 ergab sich die Notwendigkeit einer gesetzlichen Normierung dieser Rechtsbeziehungen. Die rechtsstaatlich-institutionelle Bestimmung des Vorbehaltsbereichs stellt einen Versuch dar, zwar einerseits die Einbeziehung dieser Rechtsbeziehungen in den Schutzbereich der Grundrechte mit Hilfe der „Grundrechtsrelevanz" anzuerkennen, andererseits aber - angesichts der nach wie vor in tatsächlicher Hinsicht fortbestehenden Besonderheiten dieser Rechtsverhältnisse - eine mit dem allgemeinen Gewaltverhältnis oder punktuellen Eingriffsakten vergleichbare Anwendung der grundrechtlichen Eingriffs- und Schrankensystematik zu vermeiden54. Eine solch inkonsequente Grundrechtsauslegung ist aber mit der unmittelbaren Geltung der Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG) nicht zu vereinbaren. Dies gilt unabhängig davon, ob man es für sinnvoll hält, die dogmatische Kategorie des besonderen Gewaltverhältnisses weiterhin zu gebrauchen und an sie aber veränderte Rechtsfolgen zu knüpfen 55 , ob man sie durch nicht traditionsbelastete Bezeichnungen wie „Sonderstatus" 56, „Sonderverhältnis" 57 oder „öffentlich-rechtliche Sonderverbindung" 58 ersetzt oder ob man auf derartige Bezeichnungen völlig verzichtet 59. Sowohl die zwangsweise Begründung eines engen und mit besonderen Freiheitseinschränkungen verbundenen Rechtsverhältnisses als auch Maßnahmen innerhalb eines solchen Verwaltungsrechtsverhältnisses, die eine Einschränkung der grundrechtlichen Freiheiten des Betroffenen bewirken, sind nur zulässig, wenn eine ausreichende gesetzliche Ermächtigung existiert, die den speziellen Anforderungen des betroffenen Freiheitsrechtes und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt. Dies gilt auch dann, wenn die Funktion des jeweiligen Sonderrechtsverhältnisses oder die tatsächlichen Umstände spezifische Einschränkungen der Freiheitssphäre erforderlich machen60. Gleichwohl kann und braucht nicht jedes Detail dieser speziellen Verwaltungsrechtsverhältnisse durch Parlamentsgesetz geregelt werden. Diese Erkenntnis macht es aber nicht erforderlich, den Vorbehalt des Gesetzes auf der Tatbestandsseite auf für die Grundrechte „wesentliche" Maßnahmen zu
öffentliche Verwaltung zwischen ..." S. 9 (24, Fn. 54); Papier in: Götz/Klein/Starck, „Die öffentliche Verwaltung zwischen ..." S. 36 (39). 53 2 BvR 14/71, BVerfGE 33, 1 (10 ff.). 54 Dafür ausdrücklich Rottmann, EuGRZ 1985, 277 (287 ff.). 55 So z.B. Ronellenfitsch, DÖV 1984, 781 ff. m.w.N. 56 Hesse, Rn. 323 ff. 57 Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 32 Rn. 25 ff. 58 Loschelder in HStR V, § 123 Rn. 6. 59 So z.B. Maurer, Allg. VerwR, § 8 Rn. 30. 60 Maurer, Allg. VerwR, § 8 Rn. 30; Ronellenfitsch, DÖV 1984, 781 (782 ff.); Bull, Allg. VerwR, Rn. 278 f., 766; Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 32 Rn. 29 f. 15 Kracht
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Teil 3: Verfassungsrechtliche Grundlagen
beschränken und damit in irgendeiner Weise als „unwesentlich" bewertete Eingriffe auszunehmen. Nötig ist eine sachgerechte Interpretation auf der Rechtsfolgenseite bei der Frage, wie detailliert die jeweils vom Gesetz- oder Verordnungsgeber zu treffende Regelung sein muß. A u f diese Weise ist von einer uneingeschränkten Geltung des Eingriffsvorbehalts auch in den sogenannten Sonderstatusverhältnissen auszugehen. Jedoch darf der Gesetzgeber bei einem komplexen Dauerrechtsverhältnis mit einer Vielzahl miteinander verknüpften gegenseitigen Rechte und Pflichten, dessen Facetten sich in ihren Details in einem geringeren Maße als andere Verwaltungsrechtsverhältnisse vorhersehen und normieren lassen, u.U. stärker auf generalklauselartige Ermächtigungen für bestimmte Eingriffstatbestände innerhalb der Sonderstatusverhältnisse zurückgreifen 61. Eine wirkliche Erweiterung des Vorbehaltsbereichs gegenüber dem traditionellen Eingriffsvorbehalt erfolgte dagegen im FRAG-Beschluß 62 und nachfolgenden Rundfunkurteilen 63, da das Bundesverfassungsgericht die Pflicht zur parlamentarischen Regelung in diesen Entscheidungen mit der institutionellen Gewährleistung der Rundfunkfreiheit begründet hat. Ein rechtsstaatlicher Allgemeinvorbehalt für alle grundrechtsrelevanten Verfahrensregelungen läßt sich mit diesen Entscheidungen jedoch nicht untermauern. Wenn einzelne Grundrechte nämlich nicht als Abwehrrechte, sondern ausdrücklich als Ansprüche (z.B. Art. 6 Abs. 4 GG) oder institutionelle Gewährleistungen (z.B. Art. 7 Abs. 3 Satz 1 GG) formuliert sind oder wenn, wie bei der Rundfunkfreiheit 64, aus einer besonderen objektivrechtlichen Funktion eines Grundrechtes ein spezieller Regelungsauftrag an den Gesetzgeber abzuleiten ist, so läßt sich die dem Gesetz vorbehaltene Regelung nur aus dem speziellen materiellen Maßstab des betroffenen Grundrechtes heraus bestim-
61
St. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts seit dem Strafvollzugsbeschluß vom 14.3.1972 - 2 BvR 14/71, BVerfGE 33, 1 (11); v. Münch in Erichsen, Allg. VerwR, § 3 Rn. 63; Ronellenfitsch, DÖV 1984, 781 (783 f.); Bull, Allg. VerwR, Rn. 278 f., 766; i.E. auch Loschelder in HStR V, § 123 Rn. 52 ff. 62 BVerfGE 57, 295 (320 f.). 63 BVerfGE 73, 118 (153); 83, 238 (296). 64 So Kloepfer, JZ 1984, 685 (687); Ossenbühl in: Götz/Klein/Starck, „Die öffentliche Verwaltung zwischen...", S. 9 (19); Jarass in Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 28, 37 (m.w.N.). Dagegen steht die Annahme, die Organisations- und Verfahrensprobleme der Rundfunkfreiheit seien bereits von einem ungeschriebenen Vorbehalt zur Bestimmung der grundrechtsimmanenten Schranken einer Teilhabe an den technisch, ökonomisch und rechtlich beschränkten Sendemöglichkeiten erfaßt (so Schlink, Die Amtshilfe, S. 136 f.; ders., EuGRZ 1984, 457 (465); Papier, in: Götz/Klein/Starck, „Die öffentliche Verwaltung zwischen ...", S. 36 (53 f.)).
C. Der Vorbehalt des Gesetzes
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men. Es handelt sich dann nur um spezielle, grundrechtliche Sondervorbehalte, nicht aber ein allgemeines, von diesen Rechten gelöstes Vorbehaltsprinzip 65. Die primäre Funktion der Freiheitsrechte bleibt aber die Eingriffsabwehr. Bei den in der verfassungsrechtlichen Diskussion seit den siebziger Jahren „entdeckten" weiteren Grundrechtsfunktionen handelt es sich um »Anbauten" an das klassische Gebäude der Eingriffsabwehr 66, welche dieses im Einzelfall ergänzen, nicht aber grundlegend umgestalten oder gar ersetzen können. Ist der traditionelle rechtsstaatliche Allgemeinvorbehalt damit in den Freiheitsrechten unserer Verfassung aufgegangen, so heißt dies gerade nicht, daß es unter dem Grundgesetz keinen rechtsstaatlich fundierten „ Vorbehalt des Gesetzes " mehr gäbe. Aber in der nachfolgenden Untersuchung wird hierunter kein selbständiger Verfassungsrechtssatz, sondern eine sprachlich und systematisch zusammenfassende Bezeichnung eines für alle grundrechtlichen Freiheiten mit ihren (ausdrücklichen oder stillschweigenden) Gesetzesvorbehalten geltenden Rechtsprinzips verstanden. Danach bedarf die Verwaltung für sämtliche Eingriffe und finale Beschränkungen im Schutzbereich eines Grundrechtes einer gesetzlichen Ermächtigung. Weil Art. 2 Abs. 1 GG als Verbürgung der allgemeinen Handlungsfreiheit auch die unbenannten Freiheiten schützt, unterliegen alle Eingriffe in die umfassend geschützte Freiheitssphäre des Bürgers („Freiheit und Eigentum") diesem grundrechtlichen Vorbehaltsprinzip. Trotz des Verzichts einer zusätzlichen Begründung aus Art. 20 Abs. 3 GG ist es sinnvoll, hier weiterhin allgemein vom Vorbehalt des Gesetzes zu sprechen67. Dies erleichtert nicht nur die sprachliche Anknüpfung an die herrschende verfassungsrechtliche Dogmatik. Die Beibehaltung der Formulierung unserer Fragestellung ist auch von der Sache her gerechtfertigt, weil es sich bei den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten um eine Fortententwicklung des klassischen rechtsstaatlichen Vorbehalts des Gesetzes im Sinne der „Freiheit und Eigentums"-Formel handelt. Einer eventuell mitrezipierten Bedeutung und Interpretation des klassischen Eingriffsvorbehalts ist daher bei der Interpretation, ob sich die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte auch auf die Rechtsformen des Verwaltungshandelns erstrecken, durch eine Einbeziehung der historischen Wurzeln dieses Prinzips besondere Beachtung zu schenken68. Wie bei jedem
65
43 f.). 66
Papier in: Götz/Klein/Starck, „Die öffentliche Verwaltung zwischen ..." S. 36 (40,
Bethge, VVDStRL 57, 7 (14) m.w.N. in Fn. 34; Isensee, VVDStRL 57, 107 ff. Zur Gegenauffassung vgl. Fn. 34. 68 Dies erlaubt es auch, nachfolgend die Argumente derer, die den Vorbehalt des Gesetzes im Sinne eines Eingriffsvorbehalts aus Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. mit dem Rechtsstaatsprinzip ableiten, ohne weitere Hinweise unmittelbar auf die hier aus den Grund67
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Teil 3: Verfassungsrechtliche Grundlagen
allgemeinen Lehrsatz muß der Rechtsanwender allerdings auch bei der Anwendung des Eingriffsvorbehalts beachten, ob sich aus dem jeweils betroffenen Grundrecht spezielle (ergänzende oder abweichende) Anforderungen an Inhalt oder Form der erforderlichen Eingriffsgrundlage ergeben.
IV. Kein allgemeiner demokratisch-funktionaler Parlamentsvorbehalt Des weiteren wird in der nachfolgenden Untersuchung keine Ergänzung des klassischen Eingriffsvorbehalts durch einen aus dem Demokratieprinzip abgeleiteten Parlamentsvorbehalfi 9 vorgenommen. Zwar ist es richtig, daß die konstitutionelle Formel ursprünglich den machtpolitischen Antagonismus von Monarch und Bürgertum zum Ausdruck brachte, der sich verfassungsrechtlich im institutionellen Gegensatz von monarchischer Exekutive und demokratisch legitimiertem Parlament widerspiegelte und daß unter dem Grundgesetz der die Eingriffsformel zunächst bestimmende Gegensatz von monarchischem und demokratischem Prinzip beseitigt ist 70 . Wenn aber alle Macht vom Volke ausgeht (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG), so bedürfte es unter dem Grundgesetz als einer Vollverfassung erst recht einer besonderen Begründung, warum bestimmte, nicht bereits von den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten und expliziten Parlamentsvorbehalten erfaßte Entscheidungen aufgrund des Demokratieprinzips dem Parlament vorbehalten sein sollen, wie dies die Vertreter der Theorie eines demokratischen Allgemeinvorbehalt meinen. Der demokratisch-funktionale Ansatz gibt selbst keinerlei rechtlich nachprüfbaren Maßstab dafür, welche Entscheidungen für ein demokratisch organisiertes Gemeinwesen derart wesentlich sein sollen, daß sie einer parlamentarischen Regelung vorbehalten sein müssen, und welche dagegen als „unwesentlich" der Exekutive zur eigenverantwortlichen Gestaltung überlassen bleiben können. Wenn in der Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in diesem Zusammenhang auf die Grundrechtsrelevanz 71 und die Bedeutung der Maßnahme für die Rechtspositionen des von der hoheitlichen
rechten abgeleitete allgemeine Grundrechtslehre vom Vorbehalt des Gesetzes anzuwenden. 69 So aber beispielsweise Kisker, NJW 1977, 1313 ff.; Böckenförde, S. 388 ff. (393 ff.); Kloepfer, JZ 1984, 685 ff.; Ossenbühl in HStR III, § 62 Rn. 35 ff. 70 Kisker, NJW 1977, 1313 (1314 f.); Kloepfer, JZ 1984, 685 ff. 71 BVerfGE 47, 46 (79) - Sexualkunde: „Im grundrechtsrelevanten Bereich bedeutet somit „wesentlich" in der Regel „wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte"."; ebenso BVerfGE 34, 165 (192); 41, 251 (260 f.). BVerfGE 48, 89 (126) - Kalkar: „Akte, die den Freiheits- und Gleichheitsbereich des Bürgers wesentlich betreffen".
C. Der Vorbehalt des Gesetzes
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Maßnahme unmittelbar betroffenen Bürgers 72 abgestellt wird, so wird das Demokratieprinzip argumentativ gerade durch andere Rechtsprinzipien ersetzt. Eine eigenständige Bedeutung in der Diskussion um den Parlamentsvorbehalt haben deshalb nur die Gesichtspunkte des politisch Kontroversen 73 oder der Zuordnung der systemgestaltenden politischen Leitentscheidungen mit Dauerwirkung 74 an das unmittelbar demokratisch legitimierte Parlament mit seinem öffentlichen Entscheidungsverfahren 75 erlangt. Gegen einen so definierten demokratischen Allgemeinvorbehalt ist vor allem einzuwenden, daß es das Vorrangprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG dem Parlament selbst jederzeit ermöglicht, unter Beachtung der bestehenden Kompetenzen anderer Verfassungsorgane alle Fragen zu regeln, die es politisch für wesentlich hält. Welche Regelungen für den republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat im Sinne dieses Grundgesetzes hingegen so wesentlich sein sollen, daß man sie verfassungsrechtlich zwingend allein dem Parlament vorbehalten muß, hat der Verfassungsgeber durch die konkrete Kompetenzordnung des Grundgesetzes selbst beantwortet 76. Es sind dies die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte einerseits und die staatsorganisatorischen und finanzrechtlichen Parlamentsvorbehalte andererseits. Weil auch die Exekutive demokratisch legitimiert ist und einer Kontrolle durch das Parlament unterliegt, hat das Bundesverfassungsgericht im Kalkar- 77 und im Nachrüstungsbeschluß 78 zutreffend klargestellt, daß die konkrete Ordnung der Verteilung und des Ausgleichs staatlicher Macht, die das Grundgesetz gewahrt wissen will, nicht durch einen aus dem Demokratieprinzip fälschlich abgeleiteten Gewaltenmonismus in Form eines allumfassenden Parlamentsvorbehalts unterlaufen werden darf 9 . Wo die Verfassung schweigt und die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben nicht den gesetzgebenden Organen vorbehält, kommt in der repräsentativen Demokratie des Grundgesetzes die Kontrolle des politisch Opportunen dem Volk selbst zu: Bei der nächsten Wahl kann der Wähler selbst entscheiden, ob die bisherige Mehrheit ihre politischen Aufgaben erfüllt hat. Insoweit trägt das Demokratie72
BVerfGE 40, 237 (249) - Vorverfahren im Strafvollzug. Kisker,NW 1977, 1313 (1318). 74 Böckenförde, S. 398 ff.; Kloepfer, JZ 1984, 685 (694 f.). 75 Listl, DVB1. 1978, 10 (14); Ossenbühl in: Götz/Klein/Starck, „Die öffentliche Verwaltung zwischen ...", S. 9 (20 ff.). 76 Schlink, Die Amtshilfe, S. 124 f. (Fn. 48), 132. 77 BVerfGE 49, 89 (124 ff.) unter Bezugnahme auf Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 187 ff. 78 BVerfGE 68, 1 (87). 79 Dieses Postulat ist auch unter den Vertretern eines demokratisch-institutionell begründeten Parlaments Vorbehalts unstrittig, vgl. Böckenförde, S. 388 f.; Ossenbühl in Götz/Klein/Starck, „Die öffentliche Verwaltung zwischen ..." S. 9 (27 f.) m.w.N.; ders. in HStR III, § 62 Rn. 49. 73
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Teil 3: Verfassungsrechtliche Grundlagen
prinzip als Zusammenfassung der diese Herrschaftsform regelnden Verfassungsbestimmungen keine weitergehenden Rechtsfolgen als die Summe dieser einzelnen Normen 80 . In der nachfolgenden Untersuchung wird deshalb davon ausgegangen, daß sich aus der Staatsform der repräsentativen Demokratie kein den Eingriffsvorbehalt ergänzender Allgemeinvorbehalt ergibt. Staatsorganisations- und haushaltsrechtliche Sondervorbehalte werden durch den Erlaß feststellender und konkretisierender Verwaltungsakte im allgemeinen nicht berührt, wären aber selbstverständlich zu beachten, falls im konkreten Einzelfall einmal durch einen Verwaltungsakt eine Regelung getroffen werden soll, die in den sachlichen Anwendungsbereich eines dieser Parlamentsvorbehalte fallen würde.
V. Die Befugnis zum Erlaß von Verwaltungsakten gegen Hoheitsträger keine Frage des allgemeinen Vorbehalts des Gesetzes Nicht nur wegen der hier vorgenommenen Lokalisierung des allgemeinen Vorbehalts des Gesetzes in der Grundrechtslehre werden Verwaltungsakte, die gegenüber Hoheitsträgern ergehen, nicht in die nachfolgende Untersuchung einbezogen. Denn ein Blick auf vier typische Fallgruppen von Verwaltungsakten gegen Hoheitsträger 81, bei denen sich die Rechtsprechung bislang mit der Frage beschäftigt hat, wann eine Behörde gegenüber einer anderen Behörde einen Verwaltungsakt erlassen darf, zeigt, daß deren Beantwortung jeweils von einer Analyse der konkreten Rechtsbeziehungen zwischen den verschiedenen Behörden und Verwaltungsträgern abhängt und nicht von allgemeinen Grundsätzen über den Verwaltungsakt: Die erste Gruppe sind Entscheidungen der Aufsichtsbehörden im Rahmen der Kommunalaufsicht und andere Maßnahmen staatlicher Behörden, die möglicherweise das kommunale Selbstverwaltungsrecht berühren können 82 . Hier
80 Schlink, Die Amtshilfe, S. 130 ff. (m.w.N.); Jarass in Jarass/Pieroth, Art. 20 Rn. 35a. Dies schließt es nicht aus, durch eine teleologisch-systematische Interpretation der Verfassungsnormen, welche die Kompetenzverteilung für einen bestimmten Sachbereich regeln (vgl. BVerfG, U. v. 12.7.1994 - 2 BvE 3/92, 5/93, 7/93, 8/93, BVerfGE 90, 286 (357 ff., 381 ff.): Einsatz bewaffneter Streitkräfte), oder eine analoge Anwendung einzelner organisationsrechtlicher Vorbehalte (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, Art. 20 Rn. 35a) weitere Parlamentsvorbehalte zu begründen, die im Verfassungstext nicht ausdrücklich enthalten sind. 81 Vgl. hierzu auch Druschel, S. 241-255. 82 Vgl. z.B. OVG NW, U. v. 20.5.1988 - 15 A 406/85, OVGE 40, 79 (82 f.), das im Hinblick auf die verbindliche Feststellung der Aufsichtsbehörde, ob einer Gemeinde die Bezeichnung „Stadt" zustehe, unter Bezugnahme auf das 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.11.1985 - 8 C 105.83, BVerwGE
C. Der Vorbehalt des Gesetzes
231
sind das jeweilige Kommunalverfassungsrecht und die sonstigen die Rechtsstellung der Gemeinden regelnden Gesetze (Art. 28 Abs. 2 GG) bereits präjudiziell für die Frage, ob eine von der staatlichen Behörde gegenüber der Gemeinde oder dem Kreis getroffene Regelung überhaupt im Sinne des § 35 VwVfG auf eine „unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist" 83 . Während
72, 265 = NJW 1986, 1120 = DVB1. 1986, 560 = DÖV 1986, 570 = BayVBl. 1986, 536, die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage für verbindliche Bescheide, die etwas als Rechtens feststellen, was die Betroffene erklärtermaßen für unzutreffend hält, aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ableitet. Nach Hess. VGH, U. v. 19.9.1991 - 6 UE 2588/89, NVwZ 1993, 497; BVerwG, B. v. 17.03.1992 - 7 B 24/92, NVwZ 1993, 499 (Anm. d. Schriftltg.), ergibt sich der Vorbehalt des Gesetzes für eine als Verwaltungsakt erlassene Feststellung der durch die Volkszählung 1987 ermittelten Einwohnerzahl aus Art. 28 Abs. 2 GG, da dieser Bescheid einen Eingriff in den Selbstverwaltungsbereich der Gemeinde enthalte. Unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks und der amtlichen Begründung lasse sich aber im Wege der Auslegung bei einer Zusammenschau der Vorschriften über die Feststellung der amtlichen Bevölkerungszahl aus Vorschriften des Volkszählungsgesetzes 1987 insgesamt eine materielle Feststellungsbefugnis der statistischen Landesämter und ein damit korrespondierendes Recht zur Feststellung der Gemeindeeinwohnerzahl durch Verwaltungsakt ableiten. Gemäß dem Urteil des Hess. VGH ergeben sich zwar aus dem statistischen Ergebnis selbst keine unmittelbaren Rechtsfolgen für die Gemeinde; diese erwüchsen erst aus der Fortschreibung und Feststellung der Bevölkerungszahl der Gemeinden durch das Hessische Statistische Landesamt nach § 5 des Gesetzes über die Statistik der Bevölkerungsbewegung und die Fortschreibung des Bevölkerungsstandes. Da jedoch eine ganze Reihe von Rechtsfolgen, die bundes- und landesrechtliche Vorschriften an die Einwohnerzahl der Gemeinde anknüpften, sich auf das Ergebnis der letzten Volkszählung zurückführen ließen, wirke sich das Volkszählungsergebnis gleichwohl unmittelbar auf die von der Einwohnerzahl abhängige Rechtsstellung der Gemeinden aus (vgl. auch krit. Bespr. durch Poppenhäger, NVwZ 1993, 444, in der sowohl die Qualifizierung der Feststellung als Verwaltungsakt als auch das Bestehen einer gesetzlichen Ermächtigung abgelehnt wird.). Demgegenüber ging OVG Rh-Pf, U. v. 6.12.1988 - 7 A 28/88, NVwZ 1989, 894, noch von der Existenz eines allgemeinen Grundsatzes des deutschen Verwaltungsrechts aus, nach dem Organe der vollziehenden Gewalt grundsätzlich befugt seien, zur hoheitlichen Erfüllung ihrer Aufgaben Verwaltungsakte zu erlassen. Da diese Befugnis aus der Überordnung der öffentlichen Verwaltung abzuleiten sei, setze sie ein Subordinationsverhältnis voraus. Aus dem im rheinland-pfälzischen Kommunalrecht bestehenden Grundsatz der Gleichordnung von Landkreisen und kreisangehörigen Gemeinden folge daher, daß die Landkreise gegenüber den Gemeinden nur bei Bestehen einer besonderen Ermächtigung ausnahmsweise zur einseitigen Regelung mit hoheitlichen Mitteln befugt seien. Auch der Bay. VGH, U. v. 11.11.1992 - 3 B 92.149, BayVBl. 1993, 374, geht davon aus, daß die Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs gegenüber einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft ein subordinationsrechtliches Verhältnis voraussetze. Wenn das den Anspruch regelnde Gesetz keine ausdrückliche Regelung über die Form seiner Geltendmachung enthalte, könne der Erstattungsanspruch zwischen den gleichberechtigten Hoheitsträgern nur mittels Leistungsklage geltend gemacht werden. 83 Vgl. hierzu beispielsweise Poppenhäger, NVwZ, 1993, 444 (445 f.) gegen Hess. VGH (Fn. 82).
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Teil 3: Verfassungsrechtliche Grundlagen
Aufsichtsmaßnahmen und Weisungen in Selbstverwaltungsangelegenheiten unstreitig Verwaltungsakte sind, ist deren Rechtsnatur äußerst umstritten, wenn die Maßnahme eine Auftragsangelegenheit oder eine Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung betrifft 84 . Vor allem aber kann der Umfang der staatlichen Befugnisse, einschließlich der Befugnis zum Erlaß eines Verwaltungsaktes, nicht anhand der für Eingriffe in Freiheit und Eigentum des Bürgers aus den Grundrechten abgeleiteten Maßstäbe ermittelt werden, sondern muß sich im Lichte der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 GG aus der Rechtsstellung der Kreise und Kommunen „im Rahmen der Gesetze" ergeben. Hierbei wäre zu klären, ob der Vorbehalt des Gesetzes auch für Eingriffe in das kommunale Selbstverwaltungsrecht gilt, und zu erörtern, ob das jeweilige Kommunalverfassungsrecht eine abschießende Regelung der Mittel der Kommunalaufsicht enthält, die aufgrund des Vorrangs des Gesetzes dem Erlaß von sonstigen Verwaltungsakten entgegensteht. Eine Einbeziehung dieser Fragen, würde den Rahmen der vorliegenden Untersuchung sprengen. Ahnliches würde für die Untersuchung von Maßnahmen der staatlichen Rechtsaufsicht gegenüber sonstigen Selbstverwaltungskörperschaften gelten85. Bei der Frage, ob und wann ein Hoheitsträger durch Erlaß einer konkretisierenden Verfugung gegenüber einem anderen Hoheitsträger allgemeine Pflichtnormen durchsetzen darf* 6, geht es demgegenüber primär nicht um eine spezielle Vorbehaltsproblematik. Bei dieser teilweise noch unter dem Stichwort der Polizeipflichtigkeit von Hoheitsträgern geführten Diskussion nimmt die h.M. an, daß zwar sämtliche Hoheitsträger grundsätzlich an das materielle Polizei- und Ordnungsrecht gebunden sind 87 . Jedoch seien die Polizei- und Ordnungsbehörden grundsätzlich nicht befugt, gegenüber einem anderen Hoheits84 Vgl. die Darstellung und Nachweise bei P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/ Sachs, § 35 Rn. 105 ff.; Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Rn. 56 ff. 85 Während die Rechtsprechung und die rechtliche und politische Diskussion in den achtziger Jahren bis Anfang der neunziger Jahre sich meist mit Aufsichtsmaßnahmen gegenüber Organen und Gremien der verfaßten Studentenschaft befaßt hat (Stichwort: allgemeinpolitisches Mandat), haben danach - mit jeder Phase der Gesundheitsreform die Maßnahmen der Rechtsaufsicht gegenüber ärztlichen und zahnärztlichen Selbstverwaltungskörperschaften mehr Bedeutung und öffentliches Interesse erlangt, vgl. z.B. OVG NW, U. v. 28.1.1992 - 15 A 2219/89, NWVBL 1992, 320 (zum feststellenden Verwaltungsakt als Mittel der Aufsicht) sowie die Nachweise und Kritik der Rechtsprechung des BSG bei Druschel, S. 243 ff. 86 Vgl. dazu BVerwG, U. v. 16.1.1968 - I A 1.67, BVerwGE 29, 52 (54 ff.); Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 240 ff., 294 f.; Friauf in Schmidt-Aßmann, Bes. VerwR, 2. Abschn. Rn. 101 ff.; Denninger in Lisken/Denninger, E Rn. 79 ff. (jew. m.w.N. der Rspr.). 87 BVerwG, U. v. 16.1.1968 - I A 1.67, BVerwGE 29, 52 (54 ff.); Drews/Wacke/ Vogel/Martens, S. 294 f.; Friauf in Schmidt-Aßmann, Bes. VerwR, 2. Abschn. Rn. 103.; Denninger in Lisken/Denninger, E Rn. 80 f.
C. Der Vorbehalt des Gesetzes
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träger mittels Verwaltungsakt vorzugehen. Eine Behörde dürfe grundsätzlich nicht mit hoheitlichen Anordnungen in den Tätigkeitsbereich einer anderen Hoheitsverwaltung eingreifen; insoweit fehle den Polizei- und Ordnungsbehörden die sachliche Zuständigkeit zum hoheitlichen Vorgehen gegenüber dem anderen Verwaltungsträger. Ein unzulässiger Eingriff in die hoheitliche Tätigkeit des Verwaltungsträgers liege allerdings nicht vor, wenn die Einwirkung die Tätigkeit der anderen Hoheitsverwaltung unberührt lasse88. Die hierbei vorgenommenen Differenzierungen, in welchen Fällen ein unzulässiger „ Übergriff* oder „Eingriff 4 in den Hoheitsbereich vorliegt, und in welchen Fällen lediglich „Einwirkungen, welche ihre Tätigkeit unberührt lassen", erfolgen, sollen hier nicht im einzelnen untersucht werden. Ein kurzer Blick auf die in den Urteilen und Lehrbüchern aufgeführten Beispiele zeigt nämlich, daß bei der Entscheidung über die Zulässigkeit einer Polizeiverfügung hier völlig andere Kriterien angewandt werden, als bei der Bestimmung, ob ein Verwaltungsakt als „Eingriff in Freiheit und Eigentum" einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf. Denn die ausschlaggebenden Überlegungen zur Befugnis zum Erlaß von Verwaltungsakten gegenüber Hoheitsträgern ergeben sich aus der Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung. Sie gelten auch in den Fällen, in denen die Polizeioder Ordnungsbehörde gegenüber dem Bürger aufgrund der Generalklausel oder einer anderen gesetzlichen Ermächtigung zum Erlaß einer konkretisierenden Verfügung ermächtigt ist. In diesen Fällen wird aus allgemeinen staatsrechtlichen Überlegungen bereits im Rahmen der Prüfung der sachlichen Zuständigkeit der Polizei- oder Ordnungsbehörde eine Einschränkung des Anwendungsbereichs der zum Erlaß eines Verwaltungsaktes ermächtigenden Vorschrift herbeigeführt. Das Verbot eines Übergriffs in den hoheitlichen Tätigkeitsbereich eines anderen Verwaltungsträgers würde erst recht gelten, wenn auch gegenüber dem Bürger eine ausdrückliche Ermächtigung zum Erlaß eines Verwaltungsaktes fehlen würde. Folglich geht es hier um ein nicht rechtsformspezifisches Problem einer systematischen und verfasssungskonformen Auslegung der sachlichen Kompetenz- und Zuständigkeitsnormen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Einzigkeit und Ausschließlichkeit der Zuständigkeiten und nicht um die Frage, ob eine Behörde im Rahmen ihrer Zuständigkeit auch ohne eine ausdrückliche Ermächtigung befugt ist, bestehende Rechte und Pflichten durch Verwaltungsakt zu konkretisieren 89.
88 BVerwG, U. v. 16.1.1968 - I A 1.67, BVerwGE 29, 52 (59 f.); Drews/Wacke/ Vogel/Martens, S. 240 ff.; Denninger in Lisken/Denninger, E Rn. 80, 82. Demgegenüber formuliert Friauf in Schmidt-Aßmann, Bes. VerwR, 2. Abschn. Rn. 104 f. das Regel-Ausnahme-Verhältnis umgekehrt zugunsten einer Kompetenz der Polizei- und Ordnungsbehörden. 89 So auch Druschel, S. 250.
234
Teil 3 : Verfassungsrechtliche Grundlagen
Schließlich wird in der Rechtsprechung und Literatur in neuerer Zeit problematisiert, ob Rechnungshöfe gemäß §§ 88 ff. BHO zur Konkretisierung und Durchsetzung ihrer Kontrollrechte Verwaltungsakte erlassen können und dürfen 90 . Diskutiert werden insbesondere die sog. Prüfungsanordnungen, mit denen der betroffenen Stelle die Prüfung angekündigt und die Erfüllung der sich hieraus ergebenden Auskunftspflicht angeordnet wird. Unbeschadet der Frage, ob es sich bei diesen Maßnahmen überhaupt um Verwaltungsakte handelt, gehören die Prüfungsanordnungen schon deshalb nicht zum Gegenstand der vorliegenden Untersuchung, weil die Prüfungsanordnung mit der Bestimmung der zu überprüfenden Stelle, von Zeit und Art der Prüfung und der erforderlichen örtlichen Erhebungen (vgl. §§ 91 ff. BHO) zahlreiche rechtsgestaltende Regelungselemente enthält91. Desweiteren würde auch eine Analyse der Spezialregelungen des Rechnungsprüfungsverfahrens und der Rechtsbeziehungen zwischen den verschiedenen beteiligten Verwaltungsstellen kaum zu Erkenntnissen führen, die sich auf andere Rechtsgebiete übertragen lassen. Daher bleiben Verwaltungsakte, die gegenüber Hoheitsträgern ergehen, insgesamt aus der weiteren Untersuchung ausgeklammert 92.
90 Ablehnend z.B. Hockenbrink, DÖV 1991, 241 (242 f.), vgl. auch Druschel, S. 251-255. 91 Hockenbrink, DÖV 1991, 241 (242) m.w.N. 92 Mit ähnlicher Begründung hat sie auch Druschel, S. 255, nicht in seine Untersuchung der Verwaltungsaktbefugnis einbezogen.
Teil
Grundpositionen und Fallgruppen im Streit um die Befugnis zur Regelung durch Verwaltungsakt Die Untersuchung, ob die Verwaltung generell oder in bestimmten Fällen für den Erlaß konkretisierender Verfügungen und feststellender Verwaltungsakte einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf und wie diese ggf. durch Auslegung ermittelt werden kann, beginnt mit einem Überblick über die bisherige Rechtsprechung und rechtswissenschaftlichen Stellungnahmen. Angesichts des breiten Meinungsspektrums werden dabei nicht nur unterschiedliche Phasen der verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Diskussion dargestellt, sondern auch Fallgruppen, für die diese Vorbehaltsfrage erörtert worden ist. Anhand der Argumente und Beispiele sollen sowohl die grundsätzlichen Sach- und Wertungsfragen, typische Interessenlagen und Konflikte als auch etwaige Besonderheiten bei speziellen Regelungssachverhalten zutage treten und so eine Grundlage für die nachfolgende eigene Lösung bilden.
A. Verfassungsrechtliche Grundsatzpositionen zur Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes und den Eingriffswirkungen des Verwaltungsakts I. Zur Regelungsbefugnis 7. Regelungsbefugnis bei unbestimmten Rechtsbegriffen hinreichend konkret bestimmten Pflichten?
oder
Bemerkenswert ist zunächst, daß in der älteren Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und des Bundesverwaltungsgerichtes eine Befugnis der Verwaltung zum Erlaß von Feststellungsbescheiden oder konkretisierenden Verfügungen teilweise mit der besonderen Unbestimmtheit und Wertungsbedürftigkeit der vom Gesetzgeber verwendeten Rechtsbegriffe legitimiert wurde, bei denen ein Bedürfiiis nach verbindlicher Konkretisierung und Klarstellung der im Einzelfall gegebenen Rechtslage der jeweiligen Gesetzesfassung bereits immanent sei1. Demgegenüber ist in der Literatur im Hinblick auf die Anfechtungslast des Adressaten einer konkretisierenden Verfügung ein hoher Grad an Unbestimmt-
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Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
heit der gesetzlichen Pflichten teilweise gerade als Argument für die Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung gebraucht und demgegenüber eine stillschweigende Ermächtigung für bloß gesetzeswiederholende Verfügungen nur bei hinreichend konkreten gesetzlichen Pflichten anerkannt worden 2.
2. Die Begründung einer allgemeinen Regelungsbefugnis mit Gewohnheitsrecht und verfassungsrechtlichem Vollziehungsauftrag der Verwaltung Am Beginn der verfassungsrechtlichen Diskussion, ob der Vorbehalt des Gesetzes unter dem Grundgesetz eine spezielle Ermächtigung zur Regelung durch Verwaltungsakt verlangt, standen ein Urteil des OVG Münster aus dem Jahre 19623 und zwei Revisionsentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 1964. In diesen wurde die Befugnis des Dienstherrn bejaht, seine Beamten x und Soldaten 5 durch Leistungsbescheid zum Ersatz solcher Schäden zu verpflichten, die diese am Eigentum des Dienstherrn durch eine schuldhafte Verletzung ihrer Dienstpflichten verursacht hatten6. In den Urteilsgründen wurde unter Berufung auf die im Grundgesetz verankerten Begriffe der Staatsgewalt und der vollziehenden Gewalt7 und einen gewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsatz des deutschen Verwaltungsrechts 8 - also mit Begründungen, die sich ggf. auf alle konkretisierenden Verfügungen und feststellenden Ver-
1 BVerwGE 4, 188; 11, 106 (107); BVerfGE 12, 264 (269 f.). Ebenso für den Begriff des Denkmals bei einer unmittelbar kraft Gesetzes bestehenden Denkmaleigenschaft Hönes, Die Unterschutzstellung, S. 207 f., 222 f. 2 Arbeiter, S. 137; Hansmann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 52 BImSchG, Rn. 20; Christiane Fischer, S. 139. 3 OVG Münster, U. v. 19.7.1962 - I A 672/61, DVB1. 1963, 187 = DÖV 1963, 27 mit krit. Anm. Spanner, S. 29 - 31. 4 BVerwG, U. v. 1.6.1962 - II C 147.61, BVerwGE 19, 243 (245 f.). 5 BVerwG, U. v. 6.5.1964 - VII C 394.63, BVerwGE 18, 283 (285 f.). 6 Sog. Eigenschäden, für welche die einen Verwaltungsakt ausschließende Rechtswegzuweisung des Art. 34 Satz 3 GG nicht gilt. Denn Art. 34 S.2 und 3 regeln nur den Rückgriff wegen Fremdschäden im Hoheitsbereich (vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 121). 7 BVerwG, U. v. 6.5.1964 - VII C 394.63, BVerwGE 18, 283 (285 f.). 8 BVerwG, U. v. 1.6.1962 - II C 147.61, BVerwGE 19, 243 (245 f.). BVerwGE 21, 270 (271) knüpft zwar gleichfalls an einen allgemeinen Grundsatz des deutschen Verwaltungsrechts an, sieht die vollziehende Gewalt aber nur dann als befugt an, den Anspruch hoheitlich durch Verwaltungsakt zu verwirklichen, wenn der Anspruch gegen eine Person bestehe, die der vollziehenden Gewalt auf Grund einer Rechtsnorm bezüglich dieses Anspruchs gewaltunterworfen sei.
A. Verfassungsrechtliche Grundsatzpositionen zur Reichweite des Vorbehalts 237
waltungsakte übertragen lassen9 - festgestellt, der Vorbehalt des Gesetzes gelte nur fiir den Inhalt, nicht aber fiir die Form der Geltendmachung eines den Bürger belastenden Rechtsanspruchs der Verwaltung. Zwar sei die vollziehende Gewalt nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Diese Bindung ändere aber nichts daran, daß die Organe der vollziehenden Gewalt nach einem allgemeinen Rechtsgrundsatz des deutschen Verwaltungsrechts grundsätzlich befugt seien, zur hoheitlichen Erfüllung ihrer Aufgaben Verwaltungsakte zu erlassen. Nach Art. 20 Abs. 3 GG könne die Verwaltung Maßnahmen belastender Art zwar nur ergreifen, wenn Gesetz und Recht die Maßnahmen durch eine Bestimmimg der Voraussetzungen, des Inhalts und Umfangs geböten oder zuließen. Unter diesen Voraussetzungen 10 müsse der einzelne, insoweit wie belastende Maßnahmen der Verwaltung gesetzlich vorgesehen seien, auch hoheitlichen Maßnahmen der vollziehenden Gewalt unterworfen sein, mit denen diese die für jene Rechtsbeziehungen maßgebenden abstraktgenerellen Rechtsätze individualisieren und konkretisieren könne. Andernfalls blieben die im Grundgesetz verankerten Begriffe der Staatsgewalt und der vollziehenden Gewalt ohne Inhalt. Das Wesen des in dieser Weise bestimmten allgemeinen Gewaltverhältnisses sei dadurch gekennzeichnet, daß die vollziehende Gewalt die von der Unterwerfung erfaßten Rechtsbeziehungen, vorbehaltlich der Nachprüfung durch die Gerichte, mittels Verwaltungsakt durch ihre Organe einseitig und dem einzelnen gegenüber verbindlich regeln könne, soweit gesetzlich nichts anderes vorgeschrieben sei. Unter Bezugnahme auf diese beiden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und - in bewußter oder unbewußter Anknüpfung an Otto
9
Renck, JuS 1965, 129 (130); Bachof Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht, Band II, S. 25 f. (= JZ 1966, 58 (60)); Arbeiter, S. 123. 10 Nach Maßgabe der Ausführungen in BVerwG, U. v. 6.5.1964 - VII C 394.63, BVerwGE 18, 283 (285 f.) würde eine Regelung der innerhalb eines Verwaltungsrechtsverhältnisses bestehenden materiellen Rechte und Pflichten immer als gesetzliche Grundlage für hoheitliche Maßnahmen zu ihrer Verwirklichung genügen. Denn jede Regelung eines materiellen Anspruchs gibt dem Gläubiger per definitionem das Recht, vom Schuldner ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (vgl. § 194 Abs. 1 BGB). Das Bundesverwaltungsgericht sah stillschweigend jede Regelung eines verwaltungsrechtlichen Anspruchs als eine Regelung an, die (alle denkbaren) Tätigkeiten erfaßt, mit denen die Verwaltung die Erfüllung einer ihr gegenüber bestehenden Verpflichtung verlangt. Auf diese Weise würde jede gesetzliche Regelung der in einem Verwaltungsrechtsverhältnis bestehenden materiellen Rechte und Pflichten auch eine Regelung einer belastenden Maßnahme enthalten. Das Bundesverwaltungsgericht verlangte hier also in Wirklichkeit keine auf Inhalt und Rechtsform bezogene Regelung der „Maßnahmen"; auch Verwaltungsrechtsnormen, die ausdrücklich nur den Inhalt des anspruchsbegründenden Rechtsverhältnis regeln, wurden so als Regelungen interpretiert, welche die vollziehende Gewalt stillschweigend ermächtigen, die Erfüllung dieses Anspruchs mittels Verwaltungsakt zu verlangen.
238
Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
Mayer 11 - wird von einem Teil der Literatur zum allgemeinen Verwaltungsrecht noch heute die Auffassung vertreten, eine spezifische Ermächtigung zum Handeln gerade durch Verwaltungsakt sei nicht erforderlich; der Vorbehalt des Gesetzes beziehe sich nur auf den Inhalt, nicht auch auf die Form des Tätigwerdens der Verwaltung. Dies gelte zumindest für die typische Handlungsform „Verwaltungsakt" 12 . Daher seien Verwaltungsbehörden im Rahmen ihrer Zuständigkeiten grundsätzlich befugt, die sich aus den Gesetzen des materiellen Verwaltungsrechts ergebenden öffentlich-rechtlichen Rechte und Pflichten des Bürgers durch befehlende oder durch feststellende Verwaltungsakte hoheitlich zu regeln, solange diese Konkretisierungsbefugnis nicht ausnahmsweise durch Gesetz, Gewohnheitsrecht oder aufgrund eines Gleichordnungsverhältnisses ausgeschlossen sei13.
11
Vgl. Dt. VerwR I, 1. Aufl., S. 97: „ Das Civilgerichtsurteil gründet sich stets auf das Gesetz, das es auf den Einzelfall zur Anwendung bringt. Die Versuchung liegt nahe, auch für den Verwaltungsakt eine solche Grundlage zu fordern. Allein so ohne weiteres ist das nicht richtig. Es muß unterscheiden werden. In obrigkeitlicher Weise dem Unterthanen gegenüb zu bestimmen, was für ihn im Einzelfall Rechtens sein soll, gehört keineswegs zum Vorbehalt des Gesetzes. Das ist eine Äußerung der öffentlichen Gewalt, die an sic auch der vollziehenden Gewalt zusteht. Vielmehr wird es auf den Inhalt des Verwaltungsaktes ankommen. Soll damit ein Eingriff gemacht werden in Freiheit und Eigentum, Befehl, Lastenauferlegung, Be gründung einer Zahlungspflicht, dingliche Entziehung oder Beschränkung, dann bedarf es hierzu selbstverständlich einer gesetzlichen Grundlage. Nicht weil überhaup bestimmt wird, daß etwas für ihn Rechtens ist, sondern weil bestimmt wird, daß e solcher Eingriff gegen ihn stattfinden soll." Zu Otto Mayers spätkonstitutioneller Konzeption des Vorbehalts des Gesetzes als Beschränkung einer der Verfassung vorgelagerten öffentlichen Gewalt des Staates und des Verwaltungsaktes als einer der vollziehenden Gewalt eigentümlichen Äußerung der öffentlichen Gewalt vgl. Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 126 ff., 206 ff., passim. 12 Maurer, Allg. VerwR, § 10 Rn. 5 im Anschluß an BVerwG, U. v. 6.5.1964 - VII C 394.63, BVerwGE 18, 283 (285 f.); U. v. 1.6.1962 - II C 147.61, BVerwGE 19, 243 (245 f.); U. v. 21.9.1966 - V C 155.65, BVerwGE 25, 72 (76 f.); ebenso Kopp, Verfassungsrecht, S. 210; ders., GewArch 1986, 41 (44 f.); ders., VwVfG, § 35 Rn. 3. 13 Kopp, VwVfG, § 35 Rn. 3; ders., Verfassungsrecht, S. 209 ff.; ders., GewArch 1986, 41 (44 f.); König, BayVBl. 1987, 261 (264); H. Meyer in Meyer/Borgs, § 35 Rn. 76 f.; Maurer, Allg. VerwR, § 10 Rn. 5-7 (vgl. aber auch § 6 Rn. 21: institutioneller Gesetzesvorbehalt für das Verwaltungsverfahren); Bull, Rn. 598; Enuschat, JuS 1998, 905 (908); Hansmann in Landmann/Rohmer, UmweltR, § 52 BImSchG Rn. 12, 20. Aus der älteren Literatur z.B. Haueisen, NJW 1957, 1657 (1660); ders. DVB1. 1961, 833 (834 f.); Götz, DVB1. 1961, 433 (437); Hennig, SGb 1962, 68 (70); Ulf Fischer S. 65, 80; Borgs-Maciejewski, Die Durchsetzung vermögensrechtlicher Ansprüche, S. 99 ff; Schmidt-Salzer, VerwArch 62 (1971), 135 (148 ff.); Wernicke, DVB1. 1977, 914 (916); Weidemann, DVB1. 1981, 113 (117, Fn. 54). Dabei begründen die genannten Autoren dieses Ergebnis nicht unbedingt immer mit allen im folgenden als einheitliche Kette dargestellten Argumenten. In den veröffentlichten obergerichtlichen Entscheidungen
A. Verfassungsrechtliche Grundsatzpositionen zur Reichweite des Vorbehalts 239
Begründet wird die Zulässigkeit solcher Verwaltungsakte desweiteren damit, daß eine Befugnis der Verwaltung, ihre Rechtsbeziehungen zum Bürger in der für ihr Handeln typischen und funktionsadäquaten Rechtsform einseitigverbindlich zu regeln, gewohnheitsrechtlich anerkannt sei 14 . Außerdem statte Art. 20 Abs. 3 GG die Exekutive durch die verfassungsrechtliche Konstituierung als vollziehende Staatsgewalt mit einem allgemeinen, d.h. grundsätzlich an jede Norm des materiellen Verwaltungsrechts anknüpfenden Vollziehungsauftrag aus. Da der Verwaltungsakt nach dem vorverfassungsrechtlichen Gesamtbild die typische Handlungsform der Verwaltung zur Vollziehung des Gesetzesbefehls sei, impliziere jede Ermächtigung der Verwaltung zur Tätigkeit auf Grund öffentlichen Rechts so grundsätzlich die Befugnis zu einem hoheitlichen Handeln durch Verwaltungsakt 15 ; eine zusätzliche spezifische Ermächtigung zum Einsatz der Handlungsform Verwaltungsakt sei daher entbehrlich. In ähnlicher Weise hat jüngst Christiane Fischer unmittelbar aus dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Gewaltenteilung eine grundsätzliche Verwaltungsaktbefugnis abgeleitet16. Der Gewaltenteilungsgrundsatz setze voraus, daß der Legislative, Exekutive und Judikative jeweils ein eigenständiger Aufgabenbereich im Rahmen der Ausübung staatlicher Herrschaftsmacht vorbehalten sei. Zwar sei es schwierig, den jeweiligen Eigenbereich zu bestimmen. Dieses Problem lasse sich jedoch mit Hilfe der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Lehre vom, „Kernbereich" der einzelnen Gewalten lösen. Ein Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip soll danach vorliegen, wenn eine der drei Staatsgewalten in den „Kernbereich" einer der beiden anderen Staatsgewalten eingreife und dadurch die Erfüllung der dieser Gewalt obliegenden Aufgaben gefährde. Zum Kernbereich der Ausübung hoheitlicher Staatsgewalt, der der Verwaltung vorbehalten sei, gehöre die Befugnis der Behörde, den Einzelfall
wird diese Auffassung seit den neunziger Jahren ganz überwiegend abgelehnt; sie wurde - im Anschluß an Kopp und König, a.a.O., - explizit noch im Beschluß des Hess. VGH vom 10.11.1994 - 4 TH 1864/94, JURIS Nr. MWRE101509500, vertreten (insoweit nicht in NVwZ-RR 1995, 321 (nur Leitsatz) abgedruckt). 14 BVerwG, U. v. 1.6.1962 - II C 147.61, BVerwGE 19, 243 (245 f.); Spanner, DÖV 1963, 29 (30); Ulf Fischer S. 65, 80; Schmidt-Salzer, VerwArch 62 (1971), 135 (148 ff.); H. Meyer in Meyer/Borgs, § 35 Rn. 76 f.; Enuschat, JuS 1998, 905 (908). 15 BVerwG, U. v. 6.5.1964 - VII C 394.63, BVerwGE 18, 283 (285 f.); 19, 243 (245 f.); 25, 72 (76 f.); Borgs-Maciejewski, Die Durchsetzung vermögensrechtlicher Ansprüche, S. 101 ff.; Kopp, Verfassungsrecht, S. 210; ders. y GewArch 1986, 41 (44 f.); ders. t VwVfG, § 35 Rn. 3; Maurer, Allg. VerwR, § 10 Rn. 5. Auch ohne Rückgriff auf eine subordinationsrechtliche Betrachtungsweise des Verwaltungsrechtsverhältnis betrachten Weidemann, DVB1. 1981, 113 (117, Fn. 54); U. Rüping, S. 60 ff.; J.Martens, NVwZ 1987, 106 (108) m.w.N., den Verwaltungsakt als ein verfassungsrechtlich unmittelbar legitimiertes Mittel zur Konkretisierung der Rechtsbeziehungen zwischen Bürger und Verwaltung. 16 S. 115 ff.
240
Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
verbindlich zu regeln. Denn nur bei einer solchen Kompetenz habe sie einen Anteil an der Ausübung der Staatsgewalt, der ihr im System der „checks and balances" gegenüber den anderen Staatsgewalten ein eigenständiges Gewicht verleihe. Das allgemein zwischen Staat und Bürger bestehende Gewaltverhältnis erfahre seine Ausprägung im Verhältnis von Exekutive und Bürger mithin gerade durch die hoheitliche Entscheidungsbefugnis der Verwaltung. Daher benötige die Verwaltung keine gesetzliche Ermächtigung hinsichtlich der Handlungsform Verwaltungsakt. Die vom Gebrauch dieser Handlungsform ausgehenden (negativen) Wirkungen seien Inbegriff der Hoheitlichkeit des behördlichen Handelns, stellten aber keinen dem Vorbehalt unterliegenden Eingriff dar. Vereinzelt wird die Befugnis zum Erlaß konkretisierender Verfügungen auch damit begründet, daß die einschlägigen Vollstreckungsnormen deren Erlaß voraussetzten, weil gesetzliche Pflichten im Regelfall nicht unmittelbar vollstreckbar seien17. Teilweise wird die Auffassung vertreten, eine spezielle Ermächtigung sei (auch) deshalb nicht erforderlich, weil der Erlaß eines die gesetzliche Rechtslage nur wiederholenden Bescheids nicht als Eingriff zu qualifizieren sei18 . Soweit für den Erlaß einer konkretisierenden Verfügung oder eines feststellenden Verwaltungsaktes in der Literatur keine gesetzliche Ermächtigung verlangt wird, fordert man allerdings häufig, daß ein öffentliches oder privates Interesse an der getroffenen Feststellung (bzw. Regelung) bestehe19. Hierbei werden jedoch lediglich „sachliche Gründe für eine Feststellung" im Sinne eines objektiven Entscheidungsinteresses gefordert 20. So vertrat Kopp die Ansicht, daß die Verwaltung auch von Amts wegen einen feststellenden Verwaltungsakt erlassen dürfe, „wann immer und wo immer sie die Klärung der Rechtslage für zweckmäßig hält und ein öffentliches Interesse an dieser Feststellung besteht."21 Vorausgesetzt, daß derjenige, gegen den eine gesetzliche Verpflichtung durchgesetzt werden solle, sich gegenüber der Behörde in einem Über- und Unterordnungsverhältnis befinde, sei der Erlaß einer konkretisierenden Verfügung „an keine besonderen Voraussetzungen gebunden"; er müsse „lediglich wie alles Verwaltungshandeln im öffentlichen Interesse liegen" 22 . Das damit geforderte öffentliche Interesse an der Konkretisierung der 17
König, BayVBl. 1988, 171 (173 f.). Vgl. unten II.2. 19 Hess. VGH, B. v. 10.11.1994 - 4 TH 1864/94, JURIS Nr. MWRE101509500 (insoweit nicht in NVwZ-RR 1995, 321 (nur Leitsatz) abgedruckt); Kopp, GewArch 1986,41 (45 f.); König, BayVBl. 1987, 261 (264 f.); J. Martens, NVwZ 1987, 106 f. 20 König, BayVBl. 1987, 261 (264). 21 Kopp, GewArch 1986,41 (45). 22 Kopp, GewArch 1986, 41 (46). 18
A. Verfassungsrechtliche Grundsatzpositionen zur Reichweite des Vorbehalts 241
Rechtslage ist also nicht im Sinne eines qualifizierten Rechtsschutzinteresse an einer alsbaldigen Feststellung im Sinne von § 43 VwGO zu verstehen 23, sondern soll nur unzweckmäßige oder ermessensmißbräuchliche Entscheidungen verhindern. Eine wichtige Einschränkung der von ihnen anerkannten grundsätzlichen Verwaltungsaktbefugnis haben Druschel und Christiane Fischer zur Lösung einer Problematik entwickelt, die vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Wohnraumzweckentfremdungsurteil vom 29.11.1985 als Argument dagegen angeführt wurde, aus dem Zusammenspiel von gesetzlicher Pflichtnorm und ordnungsbehördlicher Generalklausel eine Befugnis zum Erlaß eines feststellenden Verwaltungsakts abzuleiten. Ein Schluß von der Zulässigkeit einer - auf die ordnungsbehördliche Generalklausel gestützten - Untersagungsverfügung auf eine als milderer Eingriff den Vorzug verdienende förmliche Feststellung der Unzulässigkeit kam in jener Entscheidung nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts im konkreten Einzelfall nicht in Betracht, weil der Eigentümer die Räume, die im Feststellungsbescheid als der Wohnraumzweckentfremdung unterliegende Wohnräume bezeichnet wurden, bei Erlaß der Verwaltungsentscheidung nicht gewerblich genutzt hatte, so daß zu dieser Zeit auch eine Untersagungsverfügung nicht hätte ergehen dürfen 24. Nach der Auffassung von Druschel und Christiane Fischer geht es bei dieser Fallgruppe der Durchsetzung gesetzlicher Pflichten nicht um ein Problem des Gebrauchs der Handlungsform Verwaltungsakt, sondern um die vorgelagerte Frage, ob die Behörde überhaupt der Sache nach zuständig und bejugt war, die jeweilige gesetzliche Pflicht durchzusetzen 25 oder eine Regelung zu treffen, mithin überhaupt einzuschreiten 26.
3. Weder „ Gewohnheitsrecht"
noch „Hausgut"
Die Begründung einer allgemeinen Regelungsbefugnis mit einem durch Gewohnheitsrecht und Grundgesetz anerkannten Vollziehungsauftrag der Verwaltung wurde von Beginn an in der Literatur heftig bekämpft. Der Verwaltungsakt könne nicht als vermeintlich natürliches „Hausgut" der
23
Vgl. dazu unten Teil 7, B.III.2.- 4., C.VII. BVerwG, U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83, BVerwGE 72, 265 = NJW 1986, 1120 = DVB1. 1986, 560 = DÖV 1986, 570 = BayVBl. 1986, 536 = JURIS Nr. WBRE101128602; zu Sachverhalt und Inhalt dieser Entscheidung vgl. im einzelnen die unter C.III.6. nachfolgende Darstellung. 25 Druschel, S. 162 f. 26 Christiane Fischer, S. 137 f., 160. 24
16 Kracht
242
Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
Verwaltung vom Vorbehalt des Gesetzes ausgenommen werden 11. Denn in der Staats- und Verwaltungslehre der konstitutionellen Monarchie habe der Verwaltungsakt als Ausdruck einer der Verfassung vorgegebenen Staatsgewalt seine Rechtfertigung im monarchischen Prinzip, nicht aber im Gesetz gefunden 28. Nach dem Verlust dieser verfassungsrechtlichen Legimationsbasis könne die Eingriffswirkung des Verwaltungsaktes im demokratischen Rechtsstaat des Grundgesetzes nicht einfach mit der Berufung auf vermeintliches Gewohnheitsrecht gerechtfertigt werden. Aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes und der umfassenden Grundrechtsbindung unter dem GG bedürften alle Staatsorgane einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung, um gegenüber dem Bürger in dessen Freiheitsbereich hoheitliche Macht ausüben zu dürfen. Eine hoheitliche Einzelfallregelung sei daher erst dann zulässig, wenn der Gesetzgeber die Verwaltung durch eine dem Vorbehalt genügende Ermächtigungsnorm zu dem mit dieser Rechtsform verbundenen Eingriff in Rechtspositionen des Bürgers legitimiert habe29.
I I . Zum Eingriffstatbestand 1. Mögliche Eingriffswirkungen
und betroffene
Grundrechte
Die soeben geschilderte Diskussion, ob der Vorbehalt des Gesetzes nur für den Inhalt oder auch für den Einsatz der Handlungsform Verwaltungsakt gelte, setzt implizit voraus, daß gesetzeskonkretisierende Verfügungen und feststellende Verwaltungsakte einen Eingriff in Freiheit und Eigentum enthalten oder bewirken. In Rechtsprechung und Lehre ist eine solche Eingriffswirkung konkretisierender Verfügungen und aller oder zumindest der inhaltlich belastenden Feststellungsbescheide mit den folgenden, sich z.T. überschneidenden Wirkungen begründet worden:
27 Rupp, DVB1. 1963, 577 (578 f.); Wacke, DÖV 1966, 311 (313 f.), Renck, JuS 1965, 129 (132 f.); Pietzner, JA 1973, 413 f.; Löwenberg, S. 96 ff.; Drescher, DVB1. 1986, 727 (729); Hill, DVB1. 1989, 321 ff.; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 44 Rn. 54 f.; Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S.262 ff., passim. 28 Dazu umfassend Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 47 ff. passim. 29 Rupp, DVB1. 1963, 577 (578 f.); Renck, JuS 1965, 129 (132 f.); Pietzner, JA 1973, 413 f.; Löwenberg, S. 74 ff.; Arbeiter, S. 127 ff.; Henneke in Knack, vor § 35 Rn. 7.2.2.; P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 21 f.; Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 278 ff. Zu diesem grundsätzlichen Streit um die Reichweite des Eingriffsvorbehalts vgl. unten Teil 6, A.-C.
A. Verfassungsrechtliche Grundsatzpositionen zur Reichweite des Vorbehalts 243
•
mit der Wirkung des Verwaltungsakts als eines zusätzlichen Rechtsgrundes zu der gesetzlichen Rechtspflicht 30,
•
mit der der Bestandskraft fähigen, fehlerunabhängigen Verbindlichkeit Regelungsinhalts des Verwaltungsaktes 31 und
•
mit der daraus resultierenden Anfechtungslast des Adressaten 32.
des
Bei Verwaltungsakten, die zur Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen werden, komme •
die Unterbrechung der Verjährung hinzu 33 sowie bei den befehlenden Verwaltungsakten
•
das der Verwaltung eingeräumte Vorrecht der Selbsttitulierung vollstreckung* 4.
30
und Selbst-
Löwenberg, S. 44 ff. 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83, BVerwGE 72, 265 (267) = NJW 1986, 1120 = DVB1. 1986, 560 = DÖV 1986, 570 = BayVBl. 1986, 536 = JURIS Nr. WBRE101128602); BSGE 55, 32 (35 f.); OVG Lüneburg, U. v. 15.3.1988 - 10 A 14/87, NVwZ 1989, 880 (881); VGH BW, B. v. 29.12.1989 - 10 S. 2252/89, NVwZ 1990, 388; Hennig, SGb. 1962, 68 (70); Rupp, DVB1. 1963, 577 (578 f.); Renck, JuS 1965, 129 (131); Löwenberg, S. 46 ff.; Pietzner, JA 1973, 413; Arnold, UFITA 97 (1984), 87 (96 f.) ; Grosser, VerwArch 17 (1984), 329 (339 f.); Drescher, DVB1. 1986, 727 (729); Hill, DVB1. 1989, 321 (322 ff.); Rubel, JA-Ü 1990, 86 (87); Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 15 Rn. 4; Appel/Melchinger, VerwArch 84 (1993), 349 ( 368 ff.); Druschel, S. 54 ff.; Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 234 ff. 276 ff., 298; Christiane Fischer, S. 56 f., 70 ff.; differenzierend Arbeiter, S. 131 ff., 137 ff.: Eingriff bei gesetzlich nicht exakt und eindeutig bestimmten Pflichten. 32 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83, BVerwGE 72, 265 (267) = NJW 1986, 1120 = DVB1. 1986, 560 = DÖV 1986, 570 = BayVBl. 1986, 536 = JURIS Nr. WBRE101128602); OVG Lüneburg, U. v. 15.3.1988 - 10 A 14/87, NVwZ 1989, 880 (881), U. v. 19.6.1996 13 L 6935/95, NJW 1996, 2947; VGH BW, B. v. 29.12.1989 - 10 S. 2252/89, NVwZ 1990, 388; Renck, JuS 1965, 129 (131 f.); Pietzner, JA 1973, 413; Löwenberg, S. 49 f.; Peltner, JA 1982, 149; Arnold, UFITA 97 (1984), 87 (96 f.); Grosser, VerwArch 17 (1984), 329 (340); Hill, DVB1. 1989, 321 (322 ff.); Rubel, JA-Ü 1990, 86 (87); Druschel, S. 54 ff; Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 19, 292, 294 ff. Zur Anfechtungslast vgl. bereits oben Teil 2, M.II. 33 Vgl. Pietzner, JA 1973, 413; Christiane Fischer, S. 59. 34 OVG Lüneburg, U. v. 15.3.1988 - 10 A 14/87, NVwZ 1989, 880 (881), U. v. 19.6.1996 - 13 L 6935/95, NJW 1996, 2947; VGH BW, B. v. 29.12.1989 10 S 2252/89, NVwZ 1990, 388; Renck, JuS 1965, 129 (131); Pietzner, JA 1973, 413; Osterloh, JuS 1983, 280 (283 f.); Arnold, UFITA 97 (1984), 87 (97); Grosser, VerwArch 17 (1984), 329 (339 f.); Hill, DVB1. 1989, 321 (322 ff.); Rubel, JA-Ü 1990, 86 (87); Koch/Rubel, V., Rn. 30; Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S.292 f.; a.A. Druschel, S. 48 ff. 31
244
Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
2. Final intendierter
Eingriff
oder bloße Folgewirkung?
Demgegenüber wird in der Literatur teilweise die Auffassung vertreten, die zuständige Behörde benötige für den Erlaß einer gesetzeskonkretisierenden Verfügung (oder eines feststellenden Verwaltungsaktes) keine spezielle Ermächtigung, weil diese Entscheidungen nur darauf gerichtet seien, bereits bestehende gesetzliche Pflichten zu wiederholen, aber keine neuen Verhaltenspflichten auferlegen sollten 35 . Mit dem Einsatz des Verwaltungsaktes als Instrument zur verbindlichen Regelung solle also keine Beschränkung von Freiheit und Eigentum verbunden sein, weil eine rechtmäßige, eine bestehende Rechtslage konkretisierende Regelung dem Bürger keine neuen materiellen Pflichten auferlege. Wenn dem Bürger nämlich die im Verwaltungsakt geregelten Handlungspflichten bereits durch ein verfassungsmäßiges Gesetz auferlegt worden seien, lasse der lediglich wiederholende Ausspruch, dessen was bereits Rechtens ist, Zahl und Inhalt der Handlungspflichten unverändert und sei so kein zusätzlicher Eingriff in die Rechtssphäre des Bürgers. Dagegen enthalte ein fehlerhafter Bescheid zwar eine nicht bereits vom Gesetz gedeckte materielle Rechtsfolge. Diese effektive Belastung, die sich ausnahmsweise bei einer rechtswidrigen Verfugung ergebe, sei aber bei der gebotenen verallgemeinernden Betrachtungsweise außer acht zu lassen36; sie sei kein final intendierter Eingriff, sondern eine vom Vorbehalt nicht erfaßte Folgewirkung* 1. Speziell für Feststellungsbescheide wird desweiteren die Auffassung vertreten, diese seien im Hinblick auf die Kategorien „Eingriff 4 oder Leistung" schon deshalb als „neutral" einzustufen, weil sie keinen mit Befehl und Zwang unmittelbar durchsetzbaren Handlungsbefehl enthielten, wie dies der überkommene Begriff eines Eingriffs in Freiheit und Eigentum voraussetze 38. Schließlich werden einzelne der zuvor genannten belastenden Wirkungen nicht als Eingriff eingestuft 39 oder es wird angenommen, die zuständige Behör-
35
E. Weber, S. 38 f., 79 ff.; Kopp, GewArch 1986, 41 (44 f.); König, BayVBl. 1988, 171 (173). Bei Verwaltungsakten, welche im Gesetz exakt und eindeutig bestimmte Pflichten nur wiederholen sollen, ebenso Arbeiter, S. 137 ff. 36 E. Weber, S. 38 f., 79 ff.; Kopp, GewArch 1986,41 (44 f.). 37 So für Verwaltungsakte, welche im Gesetz exakt und eindeutig bestimmte Pflichten nur wiederholen sollen, Arbeiter, S. 131 ff. 38 So noch immer Maurer, Allg. VerwR, § 9 Rn. 48; Kopp, GewArch 1986, 41, (44 f.). 39 So nehmen Druschel, S. 51 f., und Heckmann, S. 188 ff. an, die Durchsetzung einer rechtlichen Pflicht durch Verwaltungsakt (potentielle Titelfunktion) sei kein handlungsformspezifischer zusätzlicher Eingriff, weil sie vor der Alternative der sonst zulässigen Leistungsklage als Normalfall der Rechtsdurchsetzung gesehen werden müsse. Nach Druschel (S. 54 ff.) soll allerdings die Auferlegung der Anfechtungslast ein rechtsformspezifischer Eingriff sein, während Heckmann, S. 189, annimmt, diese stelle
A. Verfassungsrechtliche Grundsatzpositionen zur Reichweite des Vorbehalts 245
de sei auch ohne spezielle gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß eines gesetzeskonkretisierenden Verwaltungsakts befugt, weil eine sonst zur Feststellung oder Durchsetzung des materiellen Rechts mögliche verwaltungsgerichtliche Klage der Behörde den Bürger gleichfalls belasten würde 40 . Bei einer unmittelbaren Klageerhebung entfielen aber die für das Verwaltungsverfahren vorgeschriebene Anhörung und andere Mitwirkungsrechte des Betroffenen. Angesichts dieser verfahrensrechtlichen Vorteile und des Umstands, daß das Verwaltungsverfahren in den meisten Fällen zu einer schnellen und einfacheren Klärung der Sach- und Rechtslage führe, sei es nicht angebracht, der Verwaltung das den öffentlichen und privaten Interessen dienende Instrument des Verwaltungsaktes zu nehmen und Bürger und Verwaltung auf den Rechtsweg vor die ohnehin überlasteten Verwaltungsgerichte zu verweisen 41.
I I I . Zur Interpretation der §§ 35 und 43 VwVfG Die Frage nach der Geltung des Vorbehaltes des Gesetzes für die Handlungsform Verwaltungsakt hätte sich weitestgehend erledigt, wenn heute die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes eine allgemeine Ermächtigung der zuständigen Behörden beinhalten würden, zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben grundsätzlich verbindliche Regelungen durch Verwaltungsakt treffen zu können. Dies ist jedoch nach der ganz h.M. nicht der Fall. Denn § 35 VwVfG 4 2 stellt nach allgemeiner Meinung nur eine Legaldefinition des Verwaltungsaktes als Ziel und Abschluß des Verwaltungsverfahrens dar und begrenzt so den Anwendungsbereich der Normen des VwVfG auf bestimmte Entscheidungen im Rahmen des Verwaltungshandelns. § 35 VwVfG könne daher nicht als Ermächtigungsnorm interpretiert werden 43 , zumindest nicht bei einer von der jeweiligen Pflichtnorm unabhängigen Betrachtung 44.
keinen rechtserheblichen Eingriff dar, weil auch im gerichtlichen Verfahren für den Bürger die Notwendigkeit einer aktiven Gegenwehr bestünde, die diesem zuzumuten sei. 40 J; Martens, NVwZ 1987, 106 ff.; NVwZ 1993, 27 (28 ff.). 41 1 Martens, NVwZ 1987, 106 ff.; NVwZ 1993, 27 (28 ff.). Zur dargestellten Problematik der Eingriffswirkungen vgl. unten den Teil 5. 42 Entsprechendes gilt für § 31 SGB X, § 118 AO. 43 Kopp, VwVfG, § 35 Rn. 3; P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 21; Kopp/Ramsauer, § 35 Rn. 11; Wernicke, DVB1. 1977, 914 (916); Druschel, S. 257. 44 Christiane Fischer, S. 123. Zu der von Christiane Fischer, S. 123 ff., entwickelten Interpretation von Pflichtnormen i.V.m. § 35 VwVfG als Ermächtigungsgrundlage vgl. die nachfolgende Darstellung und die Kritik in Teil 7, B.IV. 1.
246
Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
Allerdings hat Christiane Fischer jüngst den Versuch unternommen, eine Ermächtigung der zuständigen Behörde, eine gesetzliche Pflicht mittels Verwaltungsakt durchzusetzen, für eine ganze Reihe von Fallgruppen aus einer Kombination von § 35 VwVfG mit den jeweils konkretisierten materiellrechtlichen Pflichtnormen zu gewinnen45. Fehle eine explizite Regelung des Einsatzes der Handlungsform Verwaltungsakt, so könne eine Ermächtigung auch im Wege der Auslegung aus dem Zusammenspiel materiell- und verfahrensrechtlicher Vorschriften gefunden werden, sofern die sich hieraus ergebenden Verwaltungsbefugnisse nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß so weit bestimmt seien, daß die Eingriffe meßbar und in gewissem Umfang für den Staatsbürger voraussehbar und berechenbar würden 46 . § 35 VwVfG regele zusammen mit den §§ 43 ff. VwVfG und den §§ 9 - 34 VwVfG die spezifischen Rechtsfolgen und Voraussetzungen des Verwaltungsakts. Die Pflichtnorm regele, wann die Behörde einen materiell-rechtlichen Eingriff in die Rechte des Betroffenen vornehmen dürfe. Bei einer systematischen Gesamtinterpretation dürfe nicht außer Betracht bleiben, daß der Verwaltungsakt die typische Handlungsform der Verwaltung darstelle. Wisse der Bürger aber, daß die Behörde auf dem Gebiet des öffentlich-rechtlichen Rechts typischerweise derart hoheitlich tätig werde, so liege der Schluß von einer materiell-rechtlichen Pflichtnorm auf die Geltendmachung der in ihr angeordneten Rechtsfolgen durch Verwaltungsakt auch für den Betroffenen auf der Hand 47 . Allerdings bejaht Christiane Fischer die Zulässigkeit eines solchen Schlusses von der Pflichtnorm auf eine solche Befugnis zum Erlaß einer konkretisierenden Verfügung nicht generell. Bei der nachfolgend unter C. beschriebenen Fallgruppe der unselbständigen Ordnungsverfügungen zur Durchsetzung allgemeiner gesetzlicher Pflichten soll die Verwaltungsaktbefugnis schon an der vorgelagerten Frage scheitern, ob die Behörde - unabhängig von der Form ihres Vorgehens - überhaupt regelnde Maßnahmen ergreifen dürfe 48 . Demgegenüber stehe bei gesetzlichen Schadensersatz-, Erstattungsansprüchen und anderen Zahlungsansprüchen von vornherein fest, daß die Behörde als Gläubigerin befugt sei, vom Bürger sie Zahlung zu verlangen. Hier sei nur noch fraglich, ob sie ihren Anspruch mittels Verwaltungsakt oder nur durch Leistungsklage geltend machen könne. Dann sei im Zweifel eine Befugnis zum Erlaß eines befehlenden Verwaltungsakts zu bejahen, da der Verwaltungsakt die vom Gesetzgeber in § 35 VwVfG kodifizierte typische Form des Verwaltungshandelns
45
S. 123 ff. S. 124 f. Zur der von ihr in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Bestimmtheitsgrundsatz vgl. unten Teil 7, B.V. 47 S. 125. 48 S. 137 f. 46
A. Verfassungsrechtliche Grundsatzpositionen zur Reichweite des Vorbehalts 247
sei 49. Auch zum Erlaß feststellender Verwaltungsakte sei die Verwaltung aufgrund einer zusammenfassenden Betrachtung des § 35 VwVfG mit der jeweiligen Pflichtnorm befugt 50 . Mit ähnlichen Konsequenzen hat Druschel in seiner 1998 abgeschlossenen Monographie zur Verwaltungsaktbefugnis den § 43 VwVfG als gesetzliche Grundlage der Handlungsform Verwaltungsakt gedeutet. Er begründet dies51 damit, daß die belastende Wirkung eines feststellenden Verwaltungsaktes im wesentlichen auf seiner in § 43 VwVfG angeordneten Rechtsfolge einer fehlerunabhängigen Wirksamkeit beruhe, die der Adressat nur durch die Anfechtung des Verwaltungsakts beseitigen könne. § 43 VwVfG verleihe der Verwaltung insoweit unstrittig die Fähigkeit, mit dem Gebrauch der Handlungsform Verwaltungsakt die in dieser verfahrensrechtlichen Norm aufgespeicherten handlungsformtypischen Rechtsfolgen der verbindlichen Regelung zu setzen. Daran anknüpfend stelle sich die Frage, ob die Vorschrift, die der Verwaltung die Fähigkeit zum Handeln durch Verwaltungsakt verleihe, auch als gesetzliche Ermächtigung zum Einsatz dieser Handlungsform interpretiert werden könne. Diese Frage sei entgegen der bislang herrschenden Interpretation des § 43 VwVfG zu bejahen, weil die von der h.M. betonte Schutzfunktion des Vorbehalts des Gesetzes hier ins Leere laufe. Denn der Bürger könne die nach h.M. rechtswidrige Auferlegung der rechtsformtypischen Anfechtungslast durch die Anfechtung des feststellenden Verwaltungsaktes nicht abwehren. Da der Bürger gegen einen inhaltlich rechtswidrigen Feststellungsbescheid unabhängig von der Vorbehaltsfrage einen Aufhebungsanspruch habe, könne der vermeintliche Mangel einer fehlenden Ermächtigung also nur im Fall eines inhaltlich rechtmäßigen Verwaltungsakts rechtlich relevant werden. Der Aufhebungsanspruch würde dann aber angesichts der umfassenden Zulässigkeit einer behördlichen Leistungs-, Unterlassungs-, oder Feststellungsklage letztlich nicht zu einer Verschonung des Bürgers, sondern nur zu einer zeitlichen Verzögerung der Durchsetzung des hoheitlichen Anspruchs führen. Die Forderung nach einer den § 43 VwVfG noch ergänzenden zusätzlichen gesetzlichen Ermächtigung für den Gebrauch der Handlungsform Verwaltungsakt würde nur zu dem Ergebnis führen, daß die Anfechtungslast zwar rechtswidrig, zugleich aber aufgrund des § 43 VwVfG unwiderruflich wirksam wäre. Letztlich würde es sich damit um eine dem Schutz des Bürgers dienende Rechtsbindung der Verwaltung handeln,
49 S. 131 ff. Für die zunächst in ihre Untersuchung einbezogenen Schadensersatzansprüche aus § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 945 ZPO und § 3 Abs. 4 NdsLFStrG verneint Christiane Fischer, S. 134 f., die Befugnis zum Erlaß von Leistungsbescheiden nicht unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit, sondern deshalb, weil diese nicht zu den öffentlich-rechtlichen Ansprüchen gehörten. 50 S. 138 ff. 51 S. 260-263.
248
Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
die der Bürger aber nicht durchsetzen könne. Ein solche dem geltenden Recht wesensfremde Konstruktion lasse sich vermeiden, wenn man davon ausgehe, daß ein Eingriff, der sich gegen den Bürger richte, von diesem aber nicht abgewehrt werden könne, als rechtmäßig anzusehen sei. § 43 VwVfG sei daher als Befugnisnorm anzusehen, da sie den mit dem Erlaß eines wirksamen Verwaltungsakts verbundenen handlungsformspezifischen Eingriff durch Auferlegung der Anfechtungslast rechtlich trage.
B. Fallgruppen und Differenzierungen der Rechtsprechung zum Subordinationsverhältnis In Reaktion auf die heftige Kritik der Lehre ist die höchstrichterliche Rechtsprechung schon in den sechziger Jahren davon abgekehrt, alle öffentlichrechtlichen Rechtsbeziehungen als hoheitlich geprägte Verhältnisse zu betrachten, welche die Verwaltung grundsätzlich einseitig-verbindlich regeln dürfe. Vielmehr wurde verlangt, der Adressat müsse gerade hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs in einer Subordinationsbeziehung zur erlassenden Behörde stehen1. Das Vorliegen eines solchen Verhältnisses der Über- bzw. Unterordnung wurde dann, wie nachfolgend darzustellen sein wird, im Einzelfall zwar für bestimmte Rechtsverhältnisse oder einzelne Ansprüche begründet. Eine umfassende Definition, unter welchen Voraussetzungen ein Rechtsverhältnis oder der einzelne Anspruch als subordinationsrechtlich zu qualifizieren sei, erfolgte jedoch - soweit erkennbar - in der obergerichtlichen Rechtsprechung nie. Soweit die Lehre das Kriterium des Subordinationsverhältnisses übernahm, wurde auch dort nicht begründet oder definiert, durch welche Merkmale ein solches Verhältnis der Über- bzw. Unterordnung zu charakterisieren sei, sondern nur auf eine scheinbar eindeutige und ständige höchstrichterliche Rechtsprechung verwiesen 2. Diese wies jedoch keine einheitliche Tendenz auf. So wurde im Bereich des Polizei- und Ordnungsrechts, insbesondere des Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrechts, nie auf das Argument des Subordinationsverhältnisses zurückgegriffen, sondern für den Erlaß einer konkretisierenden Verfügung immer eine gesetzliche Grundlage verlangt. Eine Befugnis zum Erlaß feststellender Verwaltungsakte wurde dagegen über lange Zeit ohne Begründung oder Erörte-
1 2
BVerwGE 21, 270 (271 f.); 27, 245 (247 ff.); 27, 250 (252 f.); 28, 1 (4 ff.). Vgl. die Nachw. oben in Teil 4, A., Fn. 13.
B. Fallgruppen der Rechtsprechung zum Subordinationsverhältnis
249
rung der Vorbehaltsfrage - und damit auch ohne Nachweis des Vorliegens eines Subordinationsverhältnisses - vorausgesetzt. Schließlich führte das bereits in Teil 1 zitierte Wohnraumzweckentfremdungsurteil des 8. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.11.1985 4 zu einem grundlegenden Richtungswechsel in der Rechtsprechung auch bei den Instanzgerichten. Danach bedürfen feststellende Verwaltungsakte jedenfalls dann einer gesetzlichen Grundlage, wenn ihr Inhalt etwas als Rechtens feststelle, was der Betroffene erklärtermaßen für nicht Rechtens halte. Seitdem wird die Geltung des Vorbehalts des Gesetzes und damit die grundsätzliche Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung für feststellende Verwaltungsakte und konkretisierende Verfügungen in der Rechtsprechung fast immer anerkannt, wenn sich die Vorbehaltsfrage neu stellt; nur in der beamten- und soldatenrechtlichen Rechtsprechung wird sie grundsätzlich nicht mehr problematisiert. Lediglich der Hessische Verwaltungsgerichtshof begründete die Befugnis der Bauaufsichtsbehörde, den Bestandsschutz eines formell illegalen Vorhabens in einem Duldungsverwaltungsakt festzustellen, 1994 noch mit der traditionellen Lehre, auch ohne eine gesetzliche Ermächtigung sei die zuständige Behörde in Ausführung des gesetzgeberischen Willens befugt, konkrete Rechte oder Pflichten verbindlich festzustellen, wo dies sachlich geboten sei5. Der Umstand, daß der Hess. VGH als Beleg für diese Verwaltungsaktbefugnis lediglich ältere Literatur 6 sowie die Kommentierung von Kopp 7 angeführt hat, in der das Wohnraumzweckentfremdungsurteil fehlinterpretiert und die sonstige neuere Rechtsprechung nicht angeführt wurde, spricht allerdings dafür, daß die Kasseler Richter ihre Abweichung von den einschlägigen aktuellen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts überhaupt nicht erkannt haben. Vereinzelt wurde die Frage, ob die öffentliche Verwaltung, insbesondere ein Beliehener, für die Form des Handels durch Verwaltungsakt einer spezifischen Ermächtigung bedürfe, noch offen gelassen, weil diese sich jedenfalls im konkreten Fall durch Auslegung ermitteln lasse8. Im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Zahlungsansprüchen wurde das Bestehen eines Subordina3
Z.B. BVerwGE 34, 353 ff; BVerwGE 41, 277 (279); VGH BW, U. v. 23.4.1982 5 S 2334/81, NVwZ 1983, 100 (zustimmend J. Martens NVwZ 1984, 556 (561)). 4 BVerwG, U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83, BVerwGE 72, 265 = NJW 1986, 1120 = DVB1. 1986, 560 = DÖV 1986, 570 = BayVBl. 1986, 536 = JURIS Nr. WBRE101128602. 5 Hess. VGH, B. v. 10.11.1994 - 4 TH 1864/94, JURIS Nr. MWRE101509500 (insoweit nicht in NVwZ-RR 1995, 321 (nur Leitsatz) abgedruckt). 6 J. Martens, NVwZ 1982, 480 (483); König, BayVBl. 1987, 261 (264); Kopp, GewArch 1986,41 (44 f.). 7 VwVfG, § 35 Rn. 36. 8 BVerwG, U. v. 22.11.1994 - 1 C 22/92, BVerwGE 97, 117 = JURIS Nr. WBRE41000672.
250
Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
tionsverhältnisses insbesondere in einer Übergangsphase nach der Veröffentlichung der neuen Leitentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in obergerichtlichen Entscheidungen zwar noch geprüft, meist aber verneint 9. In der Rechtsprechung wird des weiteren allgemein davon ausgegangen, daß der Vorbehalt des Gesetzes für den Erlaß von feststellenden Verwaltungsakten und konkretisierenden Verfügungen keine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung verlangt, sondern daß die gesetzliche Grundlage auch im Wege der Auslegung ermittelt werden kann 10 . Im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit eines Vorlagebeschlusses zu § 10 Landesabfallgesetz NW (i.d.F. vom 21. Juni 1988) hat das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluß vom 29.03.200011 nur noch lapidar festgestellt, die Annahme des OVG NW 1 2 , der im Ausgangsverfahren erteilte Bescheid über eine Lizenzbestätigung sei als feststellender Verwaltungsakt zu qualifizieren, der belastende Wirkungen entfalten könne und deshalb einer gesetzlichen Grundlage bedürfe, habe angesichts der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa BVerwGE 72, 265 (267 f . ) 1 3 ) keiner weitergehenden Begründung bedurft. Diese Rechtsansicht sei zumindest vertretbar und deshalb im Rahmen der Prüfung, ob die vom vorlegenden Gericht zu treffende Entscheidung von der Gültigkeit der dem Bundesverfassungsgericht vorgelegten Bestimmungen abhängt, bindend. Bemerkenswert ist der Verweis des Bundesverfassungsgerichts auf die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungs-
9
OVG Lüneburg, U. v. 15.3.1988 - 10 A 14/87, NVwZ 1989, 880 (881): Entgelt für Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus; OVG Lüneburg, U. v. 19.6.1996 - 13 L 6935, NJW 1996, 2947: Schadensersatzanspruch wegen einer Beschädigung von Schuleigentum gegen die Eltern eines minderjährigen Schülers. Demgegenüber bejahte der Hessische VGH, U. v. 27.11.1990 - 1 UE 2350/90, DÖV 1991, 699, eine Befugnis der zuständigen Behörde, ihren Aufwendungsersatzanspruch für die Aufbewahrung eines im Wege der Ersatzvornahme abgeschleppten Kfz auch ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung mittels Leistungsbescheid geltend zu machen, da die Stand- und Verwahrkosten in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Ersatzvornahme stünden und damit im Rahmen eines subordinationsrechtlich ausgestalteten Rechtsverhältnisses entstanden seien. 10 Vgl. z.B. BVerwG, U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83: BVerwGE 72, 265(268 f.) = NJW 1986, 1120 = DVB1. 1986, 560 = DÖV 1986, 570 = BayVBl. 1986, 536 = JURIS Nr. WBRE101128602; B. v. 10.10.1990 1 B 131/90, NVwZ 1991, 267 f.; U. v. 22.10.1991 - 1 C 1.91, GewArch 1992, 62; U. v. 10.12.1998 - 7 C 41/97, JURIS Nr. WBRE410005351; OVG NW, U. v. 19.12.1990, 15 A 530/89, NWVB1. 1991, 271 (272); VGH BW, U. v. 22.12.1992 -14 S 2326/91, GewArch 1993, 205 (206) sowie die später im Text angeführten Auslegungsbeispiele. 11 2 BvL 3/96, http:www.bverfg.de, Rn. 76. 12 B. v. 23.01.1996 - 20 A 2865/94, ZUR 1996, 208 (212 f.). 13 BVerwG, U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83, JURIS Nr. WBRE101128602 = BVerwGE 72, 265 = NJW 1986, 1120 = DVB1. 1986, 560 = DÖV 1986, 570 = BayVBl. 1986, 536.
B. Fallgruppen der Rechtsprechung zum Subordinationsverhältnis
251
gerichts schon deshalb, weil das OVG NW die Frage, ob der Vorbehalt des Gesetzes nur für den Inhalt oder auch für die Handlungsform des Verwaltungsaktes gilt, in seinem Vorlagebeschluß überhaupt nicht behandelt hatte. Denn die Regelung der Lizenzbestätigung in § 10 Abs. 3 Satz 2 und 3 LAbfG NW enthielt offensichtlich eine Ermächtigung zum Erlaß eines feststellenden, ggf. mit Befristungen und Auflagen zu versehenden Verwaltungsakts. Vielmehr hing die Frage, ob die streitbefangene Lizenzbestätigung von einer gültigen Ermächtigungsnorm gedeckt war, davon ab, ob der Inhalt dieses Verwaltungsakts, welcher die materiellen Rechtsnormen des § 10 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 (und Abs. 2 Satz 1) LAbfG NW konkretisierte, durch diese Vorschriften von einer verfassungsgemäßen Rechtsnorm gedeckt war. Diese nicht auf die Form, sondern den Inhalt des feststellenden Verwaltungsakts bezogene Frage hatte das OVG N W verneint, weil es die landesrechtliche Ermächtigungsnorm wegen eines Verstoßes gegen Bestimmungen des Abfallgesetzes des Bundes vom 27. August 1986 als unvereinbar mit den Vorschriften des Grundgesetzes über die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes ansah. Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht die Rechtsauffassimg des OVG NW bestätigt und § 10 LAbfG NW wegen einer Unvereinbarkeit mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 und Art. 72 Abs. 1 i.V.m. den einschlägigen abfallrechtlichen Vorschriften des Bundes für nichtig erklärt. Folglich mußte das Bundesverfassungsgericht bei seiner Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 10 LAbfG auf die in der vorliegenden Untersuchung behandelte Frage nach der Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes überhaupt nicht mehr eingehen. Dementsprechend beruhte die im Vorlagebeschluß enthaltene Formulierung, die im Verstoß gegen Art. 72 Abs. 1 GG begründete Nichtigkeit des § 10 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Absatz 3 Satz 1 und 2 LAbfG N W führe zur Rechtswidrigkeit der streitigen Lizenzbestätigung, die als belastender (feststellender) Verwaltungsakt einer gesetzlichen Grundlage bedürfe 14, gar nicht auf der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Auch bei seiner Prüfung der Zulässigkeit des Vorlagebeschlusses hätte das Bundesverfassungsgericht deshalb die in der vorliegenden Untersuchung behandelte Vorbehaltsfrage überhaupt nicht erwähnen müssen. Der Umstand, daß das Bundesverfassungsgericht die neuere Rechtsprechung zur Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes allein aufgrund des vom OVG NW verwendeten Stichworts „belastender (feststellender) Verwaltungsakt" gleichwohl herangezogen hat, legt allerdings die Vermutung nahe, daß es entsprechend seiner eigenen Formulierung selbst der Auffassung ist, der Vorbehalt des Gesetzes verlange für einen feststellenden Verwaltungsakt jedenfalls dann eine den Einsatz dieses Instruments des Verwaltungshandelns regelnde Ermächtigung, wenn dieser Bescheid eine belastende Wirkung entfalten könne.
14
OVG NW, B. v. 23.01.1996 - 20 A 2865/94, ZUR 1996, 208 (212 f.).
252
Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
Auch in der nach dem Urteil des 8. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.11.1985 erschienenen Literatur geht man nach ersten abwartenden 15 und einigen kritischen 16 Reaktionen mittlerweile meist davon aus, daß der Vorbehalt des Gesetzes auch für die Befugnis zum Erlaß konkretisierender Verfugungen sowie von belastenden Feststellungsbescheiden gilt, daß sich die erforderliche Ermächtigung auch im Wege der Auslegung finden lasse17. Im Rahmen der Anwendung des Vorbehalts des Gesetzes wird in der Literatur allerdings bei zwei Fragen teilweise von Einzelaussagen des Grundsatzurteils vom 29.11.1985 abgewichen: Zum einen wird die Auffassung vertreten, bei der Reichweite des Vorbehalts für feststellende Verwaltungsakte sei nicht darauf abzustellen, ob der Betroffene die Feststellung für Rechtens halte, sondern darauf, ob sie einen inhaltlich (auch) belastenden Regelungsgehalt habe18. Zum anderen wird die Meinung vertreten, ein Antrag auf Erlaß eines feststellenden Verwaltungsaktes könne auch als Einwilligung des Betroffenen in eine von seiner Rechtsauffassung abweichende Feststellung der Rechtslage interpretiert werden 19. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß zur Lizenzbestätigung nach § 10 Abs. 3 LAbfG N W 2 0 aus dem von ihm angeführten Wohnraumzweckentfremdungsurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.11.1985 nicht den Leitsatz übernommen hat, feststellende Verwaltungsakte bedürften jedenfalls dann einer
15
Bauer, NVwZ 1987, 112 f. J. Martens, NVwZ 1987, 106; Appel/Melchinger, VerwArch 84 (1993), 349 (369371); Kopp, VwVfG, § 35 Rn. 3; Maurer, Allg. VerwR, § 10 Rn. 5. 17 Drescher, DVB1. 1986, 727 (729); Hill, DVB1. 1989, 321 (322 f.); Rubel, JA-Ü 1990, 86 (87); Koch/Rubel, V., Rn. 30; Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 15 Rn. 4; Faber, § 20 II.; Henneke in Knack, vor § 35 Rn. 7.2.2, § 35 Rn. 5.2.4; P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/ Sachs, § 35 Rn. 22 f., 143; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 44 Rn. 54 ff. i.V. m. § 43 Rn. 39 ff.; Wolff/Bachof/Stober, § 46 Rn. 12 i.V.m. § 30 Rn. 18 f.; Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 235 f., 298. Druschel, S. 54 ff., 204 ff., 211 ff., geht zwar gleichfalls von der Geltung des Vorbehalts des Gesetzes aus, kommt aber im Ergebnis gleichwohl zu einer vom jeweiligen Fachrecht unabhängigen Verwaltungsaktbefugnis, weil er, S. 257 ff, den § 43 VwVfG als allgemeine Ermächtigung zum Einsatz der Handlungsform ansieht. Abweichend von der heute h.M. leitet Christiane Fischer, S.105 ff., 119 ff, eine grundsätzliche Befugnis der Behörde, den Einzelfall verbindlich zu regeln, aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz ab; hilfsweise vertritt sie auf S. 123 ff. die Ansicht, daß sich bei Anwendung des Vorbehalts des Gesetzes die dann erforderliche gesetzliche Grundlage auch im Wege der Auslegung für die Durchsetzung von Zahlungsansprüchen und für feststellende Verwaltungsakte aus einer Kombination des § 35 VwVfG mit den einschlägigen Pflichtnormen finden lasse. 18 Henneke in Knack, vor § 35 Rn. 7.2.2, § 35 Rn. 5.2.4; P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 143. 19 Drescher, DVB1. 1986, 727 (729). 20 B. v. 29.03.2000 - 2 BvL 3/96, http:www.bverfg.de, Rn. 76. 16
B. Fallgruppen der Rechtsprechung zum Subordinationsverhältnis
253
gesetzlichen Ermächtigung, wenn ihr Inhalt etwas als Rechtens feststellt 21, was der Betroffene erklärtermaßen für nicht Rechtens hält, sondern darauf abzustellen scheint, ob der Feststellungsbescheid eine belastende Wirkung entfalten kann. Dies würde bedeuten, daß es nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts möglicherweise auch lediglich begünstigend wirkende Feststellungsbescheide gibt, für die der Vorbehalt des Gesetzes nicht gelten soll. Allerdings wäre es verfehlt, das obiter dictum, nach der die Rechtsansicht, ein feststellender Verwaltungsakt, der belastende Wirkungen entfalten könne, bedürfe deshalb einer gesetzlichen Grundlage, zumindest vertretbar ist, als einen gezielten Hinweis zur exakten Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes bei feststellenden Verwaltungsakten zu interpretieren. Im Umkehrschluß läßt sich aber sagen, daß das Bundesverfassungsgericht die gegenteilige Aussage der traditionellen Lehre, der Vorbehalt des Gesetzes gelte nur für den Inhalt, nicht aber für die Rechtsform des Verwaltungsakts, nicht als einen ungeschriebenen Grundsatz des deutschen Verfassungs- und Verwaltungsrechts ansieht, der keiner weiteren Begründung bedürfte. Im Rahmen der nach der neueren Rechtsprechung und Literatur danach erforderlichen Gesetzesauslegung werden dann allerdings unterschiedliche Maßstäbe angelegt, welche Vorschriften als gesetzliche Grundlage und welche Auslegungsmethoden in Betracht kommen und welche Auswirkung ggf. ein vom Adressaten selbst gestellter Antrag auf Erlaß eines Feststellungsbescheids auf die Regelungsbefugnis der Verwaltung hat. In der nachfolgenden Darstellung werden daher mit der Rechtsprechung zum Beamten- und Soldatenrecht und der Kehrseitentheorie zunächst zwei Fallgruppen vorgestellt, die bei unserer Vorbehaltsfrage am Beginn der rechtswissenschaftlichen Auseinandersetzung standen, und dann aus der Fülle des Rechtsprechungsmaterials weitere typische Fallgruppen gebildet, die in Rechtsprechung und Lehre z.T. schon vor dem Wohnraumzweckentfremdungsurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.11.1985 unterschiedlichen und einander teilweise widersprechenden Lösungen zugeführt worden sind.
21
BVerwG, U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83, BVerwGE 72, 265 = NJW 1986, 1120 = DVB1. 1986, 560 = DÖV 1986, 570 = BayVBl. 1986, 536 = JURIS Nr. WBRE101128602.
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Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
I. Verwaltungsakte zur Regelung von Rechtsverhältnissen, in denen die Behörde zum Erlaß anderer Verwaltungsakte ermächtigt ist 7. Verwaltungsakte
im Beamten- und Soldatenverhältnis
So verlangte die Rechtsprechung seit der Entscheidung BVerwGE 21, 270 (271 f.) für die Zulässigkeit eines Leistungsbescheids zunächst, daß der Adressat auch hinsichtlich des geltend gemachten Zahlungsanspruchs in einem obrigkeitlich geprägten Subordinationsverhältnis stehen müsse. Trotz gewisser Überschneidungen lassen sich bei der Begründung eines solchen Überordnungsverhältnisses verschiedene Argumentationsansätze unterscheiden: Teilweise ist darauf abgestellt worden, daß der Beamte bzw. Soldat sich gegenüber seinem Dienstherrn insgesamt in einem Subordinationsverhältnis befinde, in dem der Dienstherr grundsätzlich zu einer Regelung durch Verwaltungsakt befugt sei 22 . Die Beschreibung der rechtlichen Beziehungen im Beamten» bzw. Soldatenverhältnis erweckt dabei teilweise den Eindruck, die Einstufung als hoheitliches Subordinationsverhältnis beruhe auf der traditionellen Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis. Zwar wurde der Gedanke einer immanenten Grundrechtseinschränkung innerhalb der sogenannten „besonderen Gewaltverhältnisse" zur Rechtfertigung einer ungeschriebenen Regelungsbefugnis des Dienstherrn vom Bundesverwaltungsgericht nicht explizit angeführt. Zur Begründung der subordinationsrechtlichen Natur sind die rechtlichen Beziehungen innerhalb dieser Dienstverhältnisse aber manchmal in einer Weise beschrieben worden, welche das jeweilige „Gewaltverhältnis" insgesamt als einen Zustand der verschärften Abhängigkeit des Einzelnen vom Staat erscheinen lassen. So hat der 8. Senat des BVerwG in BVerwGE 27, 245 (247 f.) die Befugnis des Bundes, einen Schadensersatzanspruch, der ihm gegen einen Soldaten aus einer Dienstpflichtverletzung erwachsen war (§ 24 SG), durch Leistungsbescheid geltend zu machen, mit der hoheitlich geprägten Natur dieses Gewaltverhältnisses gerechtfertigt. Insoweit komme es ausschließlich darauf an, ob der Anspruch in dem Gewaltverhältnis begründet sei und an seiner hoheitlichen Natur teilhabe. Das Wehrdienstverhältnis sei ein „Flechtwerk von Rechtsbeziehungen", in denen der Dienstherr dem Soldaten hoheitlich gegenüberstehe. Die gegenseitige Treuepflicht, die Grundpflicht des Soldaten, der Bundesrepublik treu zu dienen, der Gehorsam des Soldaten und die Pflicht des Bundes, für das Wohl seiner Soldaten zu sorgen, würden das gesamte Wehrverhältnis als allgemeine hoheitliche Rechtsbeziehungen so umspannen, daß sie die Kraft hätten, auch alle übrigen Rechtsbeziehungen hoheitlich zu
22
BVerwGE 27, 245 (247 ff.); 27, 250 (252 f.); 28, 1 (4 ff.).
B. Fallgruppen der Rechtsprechung zum Subordinationsverhältnis
255
prägen, die aus dem Wehrdienstverhältnis kämen und in denen sie sich im Einzelfall auswirkten 23. In anderen Entscheidungen wurde zur Begründung der subordinationsrechtlichen Rechtsnatur des Dienstverhältnisses und der daraus abgeleiteten Befugnis zur einseitig-verbindlichen Regelung dagegen stärker auf zahlreiche gesetzliche Vorschriften abgestellt welche den Dienstherrn ausdrücklich zum Erlaß von Verwaltungsakten ermächtigen. Das Beamtenrecht beschränke sich nicht auf die Normierung einer subordinationsrechtlichen Weisungsgebundenheit, sondern baue diese ein in ein durch die Fürsorgepflicht und das Bestimmungsrecht des Dienstherrn gekennzeichnetes Flechtwerk von Rechtsbeziehungen ein, bei denen - beginnend mit der Ernennung über die Festsetzung von Bezügen, die Bewilligung von Beihilfen, die Rückforderung von überzahlten Bezügen unter Aufhebung des Bewilligungsbescheides bis schließlich zur Entlassung oder zur Versetzung in den Ruhestand - die Möglichkeit einer subordinationsrechtlichen Regelung durch Verwaltungsakt überwiegend anerkannt sei 24 . Auf diese Weise tendiere im Beamtenverhältnis das Moment der Überordnung, das für den Kernbereich dieser Rechtsbeziehungen ohnehin prägend sei, zum Allumfassenden, so daß der Dienstherr grundsätzlich befugt sei, die sich aus diesem Rechtsverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten durch Verwaltungsakt zu regeln. In einer Reihe von Entscheidungen hat das Bundesverwaltungsgericht eine derartige Feststellung tendenziell umfassender Regelungsbefugnisse nicht genügen lassen, sondern zusätzlich verlangt, daß die Verwaltung sich gerade „bezüglich des Anspruchs" zu dem betroffenen Beamten in einem Verhältnis
23 BVerwGE 27, 245 (247 ff.); 27, 250 (252 f.): Dies gelte für alle Soldaten, unabhängig davon, ob sie aufgrund der Wehrpflicht oder aufgrund freiwilliger Verpflichtung ihren Dienst leisteten. Daher sei die Verwaltung befugt, die sich aus dem Wehrdienstverhältnis im Einzelfall ergebende Rechtsfolge auch noch nach Beendigung des Dienstverhältnisses hoheitlich durch Leistungsbescheid zu regeln. 24 BVerwGE 24, 225 (229 f.). Im Anschluß hieran stützte der 2. Senat seine Entscheidung BVerwGE 28, 1 (5) u.a. darauf, daß zahlreiche gesetzliche Vorschriften für das Beamten Verhältnis kennzeichnend seien, nach denen die Versorgungsbezüge, bestimmte Elemente der Dienstbezüge i.e.S. (z.B. das Besoldungsdienstalter) sowie Reisekosten, Umzugskosten, Beihilfen usw. durch Verwaltungsakte festgesetzt oder bewilligt werden. Neben dieser Beschreibung des Beamtenverhältnisses als einer speziellen Rechtsbeziehung, in dem der Dienstherr dem Beamten in hoheitlicher Überordnung gegenüber stehe, wurde aber in dieser Entscheidung auch das Argument wiederholt, daß die Befugnis der hoheitlichen Verwaltung zum Erlaß von Verwaltungsakten nicht mit besonderen Rechtssätzen begründet werden müsse, sondern ohne rechtssatzmaBige Ermächtigung aus der Überordnung der hoheitlichen Verwaltung, aus der „rechtlich überwiegenden Kraft des namens des Gemeinwesens geäußerten Willens", herzuleiten sei (BVerwGE 28, 1 (2 f.)).
256
Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
hoheitlicher Überordnung befinde 25. Gleichwohl hat das Bundesverwaltungsgericht den Dienstherrn auch ohne ausdrückliche Ermächtigung als befugt angesehen, Erstattungs- und Schadensersatzansprüche mittels Verwaltungsakt zu regeln, da diese Entscheidungen alle Beamten zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer dienstrechtlichen Pflichten anhalten sollten und deshalb an der hoheitlichen Rechtsnatur des gesamten Beamtenverhältnis teilnähmen, welche sich aus dem Zweck und den Vorschriften dieser Institution ergebe 26. Trotz dieser unterschiedlichen Akzente in der Begründung der Regelungsbefugnis stimmten aber alle zuständigen Senate des Bundesverwaltungsgerichts darin überein, daß das gesamte Beamten- 21 und das Soldatenverhältnis 28 derartig umfassend von hoheitlichen Befugnissen des Dienstherrn geprägt seien, daß dieser auch ohne spezielle gesetzliche Ermächtigung durch befehlenden Verwaltungsakt seine Schadensersatzansprüche aus dem Dienstverhältnis geltend machen oder zuviel gezahlte Dienst- oder Versorgungsbezüge zurückfordern dürfe 29. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Regelungsbefugnisse des Dienstherrn bislang auf alle dem materiellen Beamten- und Soldatenrecht zuzurechnenden Vorschriften erstreckt. Die Befugnis zur einseitigen Regelung soll allerdings auf Ansprüche beschränkt bleiben, die zwischen dem Dienstherrn und seinem Beamten bestehen. Nach der Rechtsprechung ist daher beispielsweise das Land nicht befugt, durch Leistungsbescheid den Anspruch auf Ersatz eines Schadens zu verwirklichen, den ein bayerischer Landrat ihm bei einer als „Organ des Staates" ausgeübten Tätigkeit zugefügt hat 30 . Umgekehrt soll eine Selbstverwaltungskörperschaft dementsprechend nicht ohne spezielle Ermächtigung gegenüber Landesbeamten eine hoheitliche Regelung treffen dürfen 31.
25
BVerwGE 21, 270 (273); 24, 225 (228 ff.); 28, 1 (4 ff.). BVerwGE 21, 270 (273); 27, 245 (249); 27, 250 (253); 28, 1 (4 ff.). 27 BVerwGE 28, 1 ff.; 30, 77 (79). 28 BVerwGE 21, 270 (271); 27, 245 (246 ff.); 27, 250 (251 ff.). 29 Dem folgt zwar ein Teil der beamtenrechtlichen Literatur (so z.B. Schwegmann/ Summer/Mayer, § 12 Rn. 14a); Schnellenbach; Beamtenrecht in der Praxis, Rn. 565. Demgegenüber nimmt die h.L. aus den zuvor geschilderten allgemeinen staatsrechtlichen Überlegungen an, daß die Verwaltung auch im Beamtenverhältnis öffentlichrechtliche Ansprüche nur dann durch Verwaltungsakt regeln dürfe, wenn sie hierzu durch Gesetz ermächtigt sei (vgl. z.B. Kunig in Schmidt-Aßmann, Bes. VerwR, Das Recht des öffentlichen Dienstes Rn. 147, 162; Battis, BBG, § 78 Rn. 18, § 87 Rn. 20 m.w.N.). 30 BVerwGE 24, 225 (230 ff.); a.A. Borgs-Maciejewski, Die Durchsetzung vermögensrechtlicher Ansprüche, S. 104 f., der annimmt, öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse seien im allgemeinen durch das Bestehen eines Verhältnisses der Über- und Unterordnung gekennzeichnet. 31 OVG Lüneburg, U. v. 14.1.1986 - 2 A 89/84, NVwZ 1987, 522. 26
B. Fallgruppen der Rechtsprechung zum Subordinationsverhältnis
257
Seit langem wird diese ständige Rechtsprechung im Beamten- und Soldatenrecht nicht mehr argumentativ begründet, sondern in ihrem Anwendungsbereich nur noch von den Fällen einer Fehlüberweisung an Dritte und bestimmten Fällen einer gegen den Erben eines Beamten bzw. Soldaten gerichteten Erstattungsforderung abgegrenzt, bei denen sich die Frage stellt, ob sich die im subordinationsrechtlichen Dienstverhältnis begründeten Befugnisse des Dienstherrn noch auf den Erben erstrecken 32. In Fortführung der eigenen Judikatur zu den als konkretisierende Verfügungen anzusehenden Leistungs- und Erstattungsbescheiden hat das Bundesverwaltungsgericht früh eine Befugnis des Dienstherrn für gesetzlich nicht geregelte Verwaltungsakte zur Festsetzung des Allgemeinen Dienstalters 33, zur Feststellung einer kraft Gesetzes eingetretenen Beendigung des Beamtenverhältnisses 34 und zur Feststellung der Wehrdienstuntauglichkeit (sog. Ausmusterungsbescheid)35 ohne Erörterung der Vorbehaltsfrage anerkannt 36. Ebensowenig wie der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 19.11.1985 die beamten- und soldatenrechtliche Rechtsprechung erwähnt hat, fand danach in Entscheidungen des für das Beamten- und Soldatenrecht zuständigen 2. Senats eine Auseinandersetzung mit dem Wandel der Rechtsprechung auf anderen Rechtsgebieten statt37.
2. Leistungs- und Erstattungsbescheide gegenüber Erben eines Beamten oder Soldaten Uneinheitlich wird in der Rechtsprechung die Frage beantwortet, ob und in welchen Fällen der Dienstherr befugt ist, von dem Erben eines Beamten oder Soldaten Leistungen durch Verwaltungsakt zurückzufordern, die er als Beihilfe, Dienst-, Ruhegehalts-, oder Versorgungsbezüge zu Lebzeiten an einen (Ruhe-
32
BVerwGE 37, 314 ff.; BVerwG, U. v. 28.8.1986, 2 C 41/83, NVwZ 1987, Ol; OVG NW, U. v. 21.2.1985 - 12 A 3380/83, NJW 1985, 2438 = DVB1. 1985, 755; VGH BW, B. v. 27.1.1989 - 4 S 1476/88, NVwZ 1989, 892; ebenso Sachs in Stelkens/Bonk/ Sachs, § 44 Rn. 61 f. 33 BVerwGE 19, 19 (22). 34 BVerwGE 34, 353 ff. 35 BVerwGE 58, 37 (38 ff.). 36 Zur Fallgruppe der gesetzlich nicht geregelten Verwaltungsakte im Beamten- und Soldatenrecht vgl. unten Teil 7, F. 37 Vgl. z.B. BVerwG, U. v. 11.3.1999 - 2 C 15.98, DÖV 1999, 645 = Schütz, Beamtenrecht, ES/B II.2. Nr. 32. 17 Kracht
258
Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
stands-)Beamten oder in Unkenntnis des Todes auf das bisher dem verstorbenen Beamten gehörende Konto überwiesen hat 38 .
3. Besonderes Gewaltverhältnis
und Verwaltungsakt
In der Terminologie und in ihren Begründungen war die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Leistungs- und Erstattungsbescheid im Beamten- und Soldatenrecht während der sechziger Jahre noch sehr von der Vorstellung beherrscht, der Dienstherr stehe gegenüber seinen Beamten und Soldaten in einem hoheitlich geprägten, besonderen Rechtsverhältnis der Über- und Unterordnung. Diese Judikatur ist daher in der Literatur als Anwendungsfall der Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis interpretiert und kritisiert worden 39 . Jedoch ist festzustellen, daß das Bundesverwaltungsgericht die Befugnis zum Erlaß von Leistungs- und Erstattungsbescheiden nie ausdrücklich mit einer immanenten Einschränkung der Grundrechte im Beamten-, Soldaten- oder Wehrpflichtverhältnis begründet hat. Die Frage, ob eine Befugnis, gesetzliche Rechte und Pflichten durch Verwaltungsakt zu regeln, mit dem Rechtsinstitut eines besonderen Gewaltverhältnisses begründet werden kann, ist in der Rechtsprechung auch sonst nur selten explizit erörtert worden. Bereits dargestellt und kritisiert worden ist die insoweit einschlägige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Vorverfahren im Strafvollzug (BVerfGE 40, 237) 40 , in der versucht wurde, die besonderen Probleme, die sich aus der verfassungsrechtlich gebotenen Erstreckung des Gesetzesvorbehalts auf Eingriffe innerhalb von Sonderstatusverhältnissen (besonderen Gewaltverhältnissen) ergeben, mit Hilfe der Wesentlichkeitstheorie zu bewältigen. Desweiteren ist festzustellen, daß die Verwaltungsgerichte bei anderen besonderen Gewaltverhältnissen keineswegs aus den dort bestehenden, speziellen hoheitlichen Befugnissen ein generelles Verhältnis der Über- und Unterordnung abgeleitet und damit eine ungeschriebene Befugnis zum Erlaß von Verwaltungsakten begründet haben41. So entschied das OVG Lüneburg 42 , daß ein psychiatrisches Landeskrankenhaus seinen gegenüber einem psychisch Kranken bestehenden Anspruch auf Entgelt für eine zwangsweise Unterbringung bei Fehlen einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung nicht durch Verwaltungsakt geltend machen könne. Denn es sei nicht
38 39 40 41 42
Vgl. hierzu die Darstellung und Nachweise in Teil 7, G. Z.B. Rupp y DVB1. 1963, 577 f. m.w.N. Vgl. oben Teil 3, C.II. Vgl. dazu unten Teil 7, H. OVG Lüneburg, U. v. 15.3.1988 - 10 A 14/87, NVwZ 1989, 880 (881 f.).
B. Fallgruppen der Rechtsprechung zum Subordinationsverhältnis
259
zwingend geboten, das im Hinblick auf das Bestimmungsrecht über den Aufenthalt bestehende hoheitliche Überordnungsverhältnis auf die übrigen Rechtsbeziehungen, insbesondere die Kosten der Unterbringung, zu erstrecken. Auch hinsichtlich eines Schadensersatzanspruches wegen der Beschädigung von im Eigentum der Schule stehenden Schulbüchern wurde ein Subordinationsverhältnis zwischen dem Schulträger und den Eltern eines minderjährigen Schülers verneint und auch im Hinblick auf das von der Behörde als Rechtfertigung einer Verwaltungsaktbefugnis angeführte „Über- und Unterordnungsverhältnis" betont, daß nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Vorbehalt des Gesetzes auch im besonderen Gewaltverhältnis und damit auch im Schulverhältnis gelte 43 .
4. Regelung der (Un-)Wirksamkeit eines Verwaltungsakts einer sonstigen Beendigung eines Rechtsverhältnisses und der sich daraus ergebenden Rechtsfolgen
oder
a) Kehrseitentheorie Für die Rückforderung öffentlicher Mittel, die dem Betroffenen aufgrund eines begünstigenden Verwaltungsakts ausgezahlt worden waren, hatte das Bundesverwaltungsgericht vor Inkrafttreten des VwVfG die im Beamten- und Soldatenrecht begonnene Rechtsprechung mit der aus zwei Elementen bestehenden sog. Kehrseitentheorie fortentwickelt 44 : Sei die Verwaltung ursprünglich befugt gewesen, ein Verwaltungsrechtsverhältnis durch Verwaltungsakt zu begründen oder festzustellen, so sei sie kraft Gewohnheitsrecht ermächtigt, eine durch Verwaltungsakt gewährte öffentlich-rechtliche Vergünstigung durch einen weiteren Verwaltungsakt als actus contrarius wieder aufzuheben. Auch dann, wenn die Aufhebung den Betroffenen belaste, weil der erste Verwaltungsakt ihn begünstigt habe, könne und müsse eine Rücknahme oder ein Widerruf durch einen weiteren Verwaltungsakt erfolgen. Aus dieser Begründung der Rücknahme- und Widerrufsbefugnis entwickelte das Bundesverwaltungsgericht sodann als zweites Element seiner Kehrseitentheorie eine Kompetenz der gleichen Behörde, ihren durch die Aufhebung des begünstigenden Bescheides ausgelösten Erstattungsanspruch in der gleichen Rechtsform geltend zu machen. Wenn nämlich ein begünstigender
43
Nieders. OVG, U. v. 19.6.1996 - 13 L 6935/95, NJW 1996, 2947. BVerwG, U. v. 6.5.1964 - VII C 394.63, BVerwGE 18, 283 (285); 18, 308 (314); 20, 265 (297) 24, 72 (76); 30, 77 (79); 40, 85 (89); 40, 336 (343); 48, 279 (286); BVerwG, U. v. 17.3.1977 - V C 59/75, NJW 1977, 1838 (1839); weit. Nachw. bei Druschel, S. 100 (Fn. 176). 44
260
Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
Bescheid durch Verwaltungsakt zurückgenommen werden könne, so müsse die Rückforderung der auf Grund des Bescheids erbrachten Leistungen gleichfalls durch Verwaltungsakt erfolgen können, weil beide Ansprüche miteinander verzahnt seien. Infolge der Verknüpfung von Rücknahme und Erstattung könne die Behörde die geforderten Erstattungsbeträge durch Verwaltungsakt festsetzen; denn sowohl die Rückzahlungspflicht als auch der konkretisierende Leistungsbescheid stellten nur eine adäquate Kehrseite der Leistungsgewährung dar 45 . Die Berechtigung zum Erlaß eines Rückforderungsbescheides ergebe sich auch hier aus dem Gewohnheitsrecht, im Verhältnis hoheitlicher Überordnung sich ergebende Rechtsfolgen durch Verwaltungsakt geltend zu machen46.
b) Regelung der sonstigen Beendigung eines Rechtsverhältnisses In deutlicher Parallele zur Kehrseitentheorie wird in der Rechtsprechimg aus einer gesetzlichen Rücknahme- und Widerrufsbefugnis per argumentum a maiore ad minus die Kompetenz der sonst aufhebungsbefugten Behörde abgeleitet, einen ex lege eingetretenen Rechtsuntergang durch Verwaltungsakt festzustellen. Sei eine Verwaltungsbehörde aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung befugt, ein Rechtsverhältnis einer bestimmten Art durch Rücknahme, Widerruf oder sonstigen Verwaltungsakt aufzuheben, so müsse sie bei einer teleologisch-systematischen Interpretation aller gesetzlichen Vorschriften, welche die Beendigung durch und aufgrund des Gesetzes regeln, erst recht befugt sein, eine kraft Gesetzes bereits eingetretene Beendigung eines solchen Rechtsverhältnisses und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen durch einen feststellenden oder befehlenden Verwaltungsakt verbindlich zu regeln. So soll nach einer Entscheidung des VGH Baden-Württemberg § 15 Abs. 4 WHG eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Feststellung bilden, daß ein altes Recht oder eine alte wasserrechtliche Befugnis kraft Gesetzes erloschen ist 47 . In der Verwaltungspraxis ist allerdings in Fällen, in denen ein Verwaltungsakt schon aufgrund einer gesetzlichen Beendigung des Rechtsverhältnisses, einer
45 BVerwGE 18, 283 (285); 18, 308 (314); 20, 265 (297) 24, 72 (76); 30, 77 (79); 40, 85 (89); 40, 336 (343); 48, 279 (286); BVerwG, U. v. 17.3.1977 - V C 59/75, NJW 1977, 1838 (1839). 46 BVerwG, U. v. 17.3.1977 - V C 59/75, NJW 1977, 1838 (1839). Zu Verwaltungsakten zur Regelung und Durchsetzung von Zahlungsansprüchen vgl. unten Teil 7, D. 47 VGH BW, U. v. 16.12.1981 - 5 S 1339/80, NVwZ 1982, 570 - Aufhebungskompetenz des § 15 Abs. 4 WHG als Grundlage für die engere Feststellung, daß ein altes Recht schon kraft Gesetzes untergegangen sei; ohne Begründung, aber i.E. ebenso BVerwGE 34, 353 ff. - Erlöschen des Beamtenverhältnisses kraft Gesetzes. Zu dieser Fallgruppe vgl. im einzelnen unten Teil 7, E.
B. Fallgruppen der Rechtsprechung zum Subordinationsverhältnis
261
inhaltlichen Begrenzung seiner Regelungswirkungen, der Nichterfüllung einer aufschiebenden Bedingung, des Eintritts einer auflösenden Bedingung oder Befristung keine Rechtswirkungen (mehr) entfaltet, gelegentlich nicht ein das Erlöschen der Regelungswirkung feststellender Bescheid, sondern ein „Widerruf* des ursprünglichen Verwaltungsaktes ausgesprochen worden 48 . Seit dem Inkrafttreten des VwVfG wird in der Literatur jedoch überwiegend der Unterschied zwischen einer Aufhebung des Verwaltungsaktes durch einen Rücknahme- oder Widerrufsbescheid und der Regelung seiner Unwirksamkeit durch einen feststellenden Verwaltungsakt betont 49 . Während ein Teil der Rechtsprechung und Lehre in Situationen, in denen der frühere Verwaltungsakt (möglicherweise) bereits kraft Gesetzes oder wegen Eintritts einer im Verwaltungsakt enthaltenen auflösenden Bedingung unwirksam geworden ist, ein Wahlrecht der Verwaltung anerkennt, entweder den (möglicherweise) bereits unwirksamen Verwaltungsakt (nochmals) aufzuheben oder durch Verwaltungsakt festzustellen, daß er bereits unwirksam sei 50 , soll nach der Gegenauffassung eine Rücknahme-, Widerrufs- oder sonstige Aufhebungsentscheidung hier begrifflich und rechtskonstruktiv generell ausgeschlossen sein, weil die Rechtswirkungen des ursprünglichen Bescheids mit dem Erlöschen bereits beseitigt seien51.
c) Verfahrenseinheitliche Gestaltung der durch Verwaltungsakt gestalteten Verwaltungsrechtsverhältnisse Zu umfangreicheren Feststellungskompetenzen gelangt man, wenn man basierend auf dem Grundgedanken der Kehrseitentheorie - nicht die Aufhebungsbefugnisse, sondern die Befugnisse zur rechtsgestaltenden Begründung eines Rechtsverhältisses als Maßstab für die Bestimmung der Feststellungskompetenzen wählt. So ist in der Literatur die Kompetenz einer Behörde, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses, das Erlöschen eines Rechtsverhältnisses kraft Gesetzes oder die sich aus der Beendigung eines
48 Pr. OVG, OVGE 39, 355 (360); 104, 248 (252); BayVGH, U. v. 12.10.1989 Nr. 26 B 86.02944, BayVBl. 1990, 405; auch Andersson, JuS 1969, 328 (330 f.), sprach von einem „Widerruf mit deklaratorischer Wirkung. Vgl. zu dieser Fallgruppe im einzelnen Elster, S. 63 f. sowie Erörterung in Teil 7, E.III.2., IV. 49 Kopp, § 48 Rn. 17; speziell zum nichtigen Verwaltungsakt Stelkens/Sachs in Stelkens/Bonk/Leonhardt, 3. Aufl., § 48 Rn. 37 m.w.N. 50 Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 48 Rn. 67; Knoke, S. 83 ff.; Kopp, VwVfG, § 48 Rn. 17 (zumindest analog). 51 BayVGH, U. v. 12.10.1989 - Nr. 26 B 86.02944, BayVBl. 1990, 405; Meyer in Meyer/Borgs, § 48 Rn. 13; Klappstein in Knack, § 49 Rn. 6.3.3., § 48 Rn. 5.5.; wohl auch Elster, S. 63 f., 189.
262
Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
Rechtsverhältnisses ergebenden Rechtsfolgen festzustellen, aus der gesetzlichen Ermächtigung zur Begründung dieses Rechtsverhältnisses abgeleitet52 und schließlich der Versuch unternommen worden, die vorgenannten Fallgruppen auf den Grundgedanken einer verfahrensrechtlich einheitlichen Gestaltung 53 öffentlich-rechtlicher Rechtsbeziehungen zurückführen . So sei aus der beamten- und soldatenrechtlichen Rechtsprechung ein Lehrsatz des allgemeinen Verwaltungsrechts abzuleiten, daß sich aus einer Befugnis der Verwaltung, die Gestaltung (Begründung, Änderung und Aufhebung) eines Rechtsverhältnisses durch Verwaltungsakt zu regeln, grundsätzlich nicht nur die Befugnis ergebe, eine kraft Gesetzes eingetretene Beendigung oder Veränderung des Rechtsverhältnisses festzustellen, sondern auch eine Annexkompetenz ergebe, Sekundäransprüche aus einer Pflichtverletzung mittels Verwaltungsakt durchzusetzen 54. Demgegenüber hatte das Preußische OVG es bereits zu Zeiten Otto Mayers abgelehnt, der für die Änderung eines Familiennamens, also die Vornahme eines gestaltenden Verwaltungsaktes, zuständigen Behörde automatisch auch die Befugnis zu Feststellungen verwandter Art bei einer zweifelhaften Rechtslage zuzubilligen 55 .
IL Verwaltungsakte zur Durchsetzung oder Feststellung verwaltungsrechtlicher Zahlungsansprüche Es muß aber darauf hingewiesen werden, daß mit dem Argument des subordinationsrechtlichen Rechtsverhältnisses in der Rechtsprechung bei den vorgenannten Fallgruppen aus einer gesetzlich zugewiesenen Befugnis, bestimmte Rechte und Pflichten in einem Verwaltungsrechtsverhältnis zu regeln, nur eine Befugnis abgeleitet worden ist, in dem gleichen Rechtsverhältnis auch andere Sach- und Rechtsfragen durch Verwaltungsakt zu regeln. In einigen der genannten Entscheidungen ist dann das gesamte Verwaltungsrechtsverhältnis, in denen die Verwaltung zumindest für bestimmte Fälle explizit zu einer Regelung durch Verwaltungsakt ermächtigt ist, als ein subordinationsrechtliches bezeichnet worden. Wenn die mit dem Kriterium des Vorliegens eines hoheitlichen Überordnungsverhältnisses argumentierende Rechtsprechung entspre52 H. Meyer in Meyer/Borgs, § 35 Rn. 36; Wolber, SGb. 1984, 124; Osterloh, JuS 1983, 280 (284); i.E., aber ohne Begründung, ebenso BVerwGE 41, 277 (279); a.A.: Pr. OVG, OVGE 65, 264 (268 ff.); W. Jellinek, S. 259 f. 53 Osterloh, JuS 1983, 280 (284 f.). 54 Osterloh, JuS 1983, 280 (284 f.); kritisch zu einer solchen weiten Auslegung Hill, DVB1. 1989, 321 (324). 55 Pr. OVG, U. v. 5.5.1913, OVGE 65, 264; zustimmend W. Jellinek, der diese Aussage in seinem Lehrbuch des Verwaltungsrecht, 3. Aufl., S. 259 f., zum Ausgangspunkt seiner Erörterungen zum feststellenden Verwaltungsakt machte.
B. Fallgruppen der Rechtsprechung zum Subordinationsverhältnis
263
chend der in der Literatur üblichen griffigen Formel nachfolgend als ,JSubordinationstheorie" bezeichnet wird, so ist sie also keinesfalls mit jener praktisch vor allem für die Frage des Rechtswegs relevanten Subordinations- oder Subjektionstheorie zu verwechseln, nach der Rechtssätze, die das Verhalten von Hoheitsträgern regeln, dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind 56 . Denn es existieren keine obergerichtlichen Entscheidungen, in denen auf Grundlage jener zur Abgrenzung zwischen Öffentlichem Recht und Privatrecht angewandten Subordinationstheorie versucht worden wäre, in Rechtsverhältnissen in denen die jeweilige Behörde nicht bereits explizit zum Erlaß anderer Verwaltungsakte ermächtigt war, eine Befugnis zur Regelung durch Verwaltungsakt allein aus der öffentlich-rechtlichen Rechtsnatur eines Zahlungsanspruchs abzuleiten57. Ohne Rekurs auf eine subordinationsrechtliche Beziehung ist in der Rechtsprechung und Literatur per argumentum a maiore ad minus aus einer gesetzlich geregelten Befugnis, eine bestimmte gesetzliche Zahlungspflicht in einem Leistungsbescheid anzuordnen, immer wieder die Kompetenz dieser Behörde abgeleitet worden, durch einen Grundlagenbescheid das Bestehen der gleichen Geldleistungspflicht dem Grunde nach festzustellen 58.
I I I . Keine Durchsetzung privatrechtlicher Forderungen In Rechtsprechung und Literatur ist allgemein anerkannt, daß die Verwaltung nicht befugt ist, eine privatrechtliche Forderung durch Verwaltungsakt geltend zu machen, weil der Verwaltungsakt gemäß § 35 VwVfG definitionsgemäß nur „zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen
56 Zu dem Theorienstreit jener Subordinations- oder Subjektionstheorie mit der Interessen-, Subjekts- und einer Vielzahl weiterer Theorien vgl. nur v. Ehlers in Erichsen, Allg. VerwR, § 2 Rn. 14 ff. m.w.N. 57 Vgl. aus der gegenteiligen Rechtsprechung z.B. Hess. VGH, U. v. 2.9.1985 11 UE 154/84, NJW 1987, 971 (Fehlen einer gesetzlichen Ermächtigung der Gemeinde, die konkursrechtliche Bevorrechtigung ihrer Gewerbesteuerforderung durch Verwaltungsakt festzustellen) sowie die bereits zitierte Entscheidung OVG Lüneburg, U. v. 15.3.1988 - 10 A 14/87, NVwZ 1989, 880 (881 f.) zur Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Entgeltanspruchs für die zwangsweise Unterbringung in einem Landeskrankenhaus. 58 BVerwGE 67, 163 (165); BVerwG, U. v. 15.01.1987 - 3 C 3/81, JURIS Nr. WBRE100358703 = BVerwGE 75, 318 (319) und BVerwG, U. v. 22.11.1994 1 C 22/92, JURIS Nr. WBRE410000672 = BVerwGE 97, 117 (zur Feststellung der Beitragspflicht durch den Pensions-Sicherungs-Verein gem. § 10 BetrAVG); BayVGH, U. v. 20.9.1967 - Nr. 155 IV 65, BayVBl. 1968, 207; König, BayVBl. 1987, 261 (264). Clausen in Knack, § 9 Rn. 5.3; Kopp, VwVfG, § 9 Rn. 38,40 ff. (m.w.N.).
264
Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
Rechts" eingesetzt werden dürfe 59 . Schließlich existieren wohl keinerlei Ermächtigungen zur Geltendmachung privatrechtlicher Forderungen durch Verwaltungsakt. Die Rechtsprechung hat sich nur deshalb immer wieder mit der Geltendmachung privatrechtlicher Ansprüche durch Verwaltungsakt befaßt, weil die vorgelagerte Frage, unter welchen Voraussetzungen bei einer Leistung, die zur Erfüllung eines öffentlich-rechtlichen Rechtsgrundes an einen Erblasser erbracht werden sollte, ein nach dessen Tod gegenüber dem Erben bestehender Rückgewähranspruch als ein zivilrechtlicher Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§812 BGB) bzw. als öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch uneinheitlich beantwortet wird 6 0 . In diesem Zusammenhang der Abgrenzung zwischen Privatrecht und Öffentlichem Recht tauchen dann auch subordinationsrechtliche Argumente auf, wenn es etwa heißt, ein Dritter werde der öffentlichen Gewalt des leistenden Verwaltungsträgers nicht schon deshalb unterworfen, weil er von ihm eine Leistung zu Unrecht empfangen habe61.
IV. Keine Durchsetzung vertraglicher Pflichten Im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlichen Pflichten wird der Gesichtspunkt der Überordnung oder Gleichordnung auch angewandt, wenn es um die Geltendmachung der in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag geregelten Pflichten geht. Hier geht die Rechtsprechung 62 und die das Subordinationskriterium anwendende Literatur 63 davon aus, daß die Verwaltung sich mit dem Vertragsschluß auf die Ebene der Gleichordnung begeben habe. Zugleich stellt das Bundesverwaltungsgericht darauf ab, daß der Verwaltungsakt zur Durchsetzung einer vertraglichen Pflicht als Eingriff in Freiheit und Eigentum zu qualifizieren sei, der einer gesetzlichen Grundlage bedürfe. A n dieser fehle es, so-
59 BVerwG, U. v. 23.1.1990 - 8 C 37/88, JZ 1990, 862 (mit insoweit zustimmender Anmerkung Maurer, JZ 1990, 863) = NJW 1990, 2482 f. = BayVBl. 1990, 475 = BVerwGE 84, 274; Christiane Fischer, S. 130 f.; Druschel, S. 112 f. m.w.N. 60 Zu den unterschiedlichen Fallkonstellationen und Auffassungen vgl. die Darstellung und Nachweise unten Teil 7, G.I.3.b)l). 61 BGH, U. v. 30.03.1978 - VI ZR 244/76, BGHZ 71, 180 (182) = JURIS BORE0070001; U. v. 18.01.1979, VI ZR 165/78, BGHZ 73, 202 (204) = JURIS Nr. BORE102907909; BVerwG, U. v. 23.1.1990 - 8 C 37/88, JZ 1990, 862 (mit insoweit ablehnender Anmerkung, Maurer, JZ 1990, 863 (864)) = NJW 1990, 2482 f. = BayVBl. 1990, 475 = BVerwGE 84, 274 (m.w.N.); BSG, U. v. 29.10.1986 - 7 RAr 77/85, DVB1. 1987, 850 (m.w.N.) Offensichtlich rekurriert diese Formel auf eine vermeintliche behördliche Befugnis, alle öffentlich-rechtlichen Ansprüche mittels Verwaltungsakt durchzusetzen. 62 BVerwGE 50, 171 (172 f.); 59, 60 (64 f.); 89, 345 (348 ff.). 63 Maurer, Allg. VerwR, § 10 Rn. 6; i.E. ebenso Christiane Fischer, S. 130 f.
B. Fallgruppen der Rechtsprechung zum Subordinationsverhältnis
265
weit die Geltendmachung einer vertraglichen Pflicht durch Verwaltungsakt nicht ausdrücklich zugelassen sei 64 .
V. Hausverbote und Verwaltungsakte in einem durch Satzung oder Benutzungsordnung geregelten Rechtsverhältnis Uneinheitlich behandelt die Rechtsprechung und Literatur die Fragen, unter welchen Voraussetzungen die Verwaltung ohne eine diese Handlungsform speziell regelnde Ermächtigung zum Erlaß von Verwaltungsakten befugt ist, durch die sie das Hausrecht in ihren öffentlichen Einrichtungen oder Dienstgebäuden ausübt, in einem durch Satzung oder Benutzungsordnung geregelten Rechtsverhältnis den Betrieb und die Benutzung öffentlicher Einrichtungen regelt, in einer kommunalen Satzung verankerte Ge- oder Verbote konkretisiert oder Schadensersatz- bzw. Erstattungsansprüche geltend macht, die im Rahmen öffentlich-rechtlicher Benutzungsverhältnisse entstanden sind. So hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem Beschluß vom 9.7.198065 dem Präsidenten eines Landgerichts zwar das Recht zugebilligt, aufgrund seiner öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft über das Gebäude gegenüber einem Besucher, der die dort Beschäftigten immer wieder mit lautstarken Beschimpfungen belästigte, ein Hausverbot auszusprechen. Aus dieser Aufgabe, einen geordneten und weitgehend störungsfreien Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten, könne aber unter dem Gesichtspunkt der Gesetzmäßigkeit der Eingriffsverwaltung nicht ohne weiteres auf die Befugnis geschlossen werden, gegen Störer ein Hausverbot in Form eines vollziehbaren Verwaltungsaktes zu erlassen. Die für den Erlaß eines derart belastenden Verwaltungsaktes erfordeerliche gesetzliche Grundlage könne auch nicht in einem Gewohnheitsrechtssatz gefunden werden, weil es angesichts der hiergegen im Schrifttum geäußerten Bedenken insoweit an einer übereinstimmenden Rechtsüberzeugung der Rechtsgenossen fehle. Solange der Gesetzgeber den Gerichten über die im Gerichtsverfassungsgesetz geregelten sitzungspolizeilichen Befugnisse hinaus keine allgemeine, mit vollziehbaren Anordnungen auszuübende Ordnungsgewalt einräume, müßten die Gerichtspräsidenten zur Abwehr solcher Störungen auf die Hilfe der zuständigen Polizei- oder Ordnungsbehörden zurückgreifen, welche 64 BVerwGE 50, 171 (172 f.); 59, 60 (64 f.); 89, 345 (348 ff.). Anders als Druschel, S. 116 f., meint, steht diese Rechtsprechung zur Geltendmachung vertraglicher Ansprüche nicht in einem Widerspruch zu der übrigen Rechtsprechung, die das Kriterium der Subordination angewendet hat. Denn diese ging - wie dargestellt - seit BVerwGE 21, 270 (271 f.) davon aus, daß nicht alle öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisse ein Subordinationsverhältnis begründen. 65 Nr. 9 CS 80 A. 268, BayVBl. 1980, 723 (724) = DVB1. 1981, 1010; ebenso Wolffl Bachof/Stober, VerwR II, § 99 Rn. 6 f. (m.w.N.).
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Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
dann ggf. zur Durchsetzung des Hausverweises die geeigneten und erforderlichen Verwaltungsakte erlassen und vollziehen könnten. Dem ist beispielsweise entgegengehalten worden, das Hausverbot sei nicht als Eingriff in ein Abwehrrecht zu qualifizieren, sondern eher als eine für die Leistungsverwaltung typische Zulassungsverweigerung; jedenfalls sei angesichts der übereinstimmenden Handhabung durch die ordentlichen Gerichte und Verwaltungsgerichte ein Gewohnheitsrecht des Behördenleiters anzuerkennen, den geordneten Dienstbetrieb durch Hausverbote in Form von Verwaltungsakten gegen Störungen zu sichern 66. Andere halten dagegen eine ausdrückliche gesetzliche Regelung des Hausrechts für nicht erforderlich, weil als Ermächtigungsgrundlage auch eine ungeschriebene Annexkompetenz zur Sachkompetenz der Behörde in Betracht komme, die ihr übertragenen Aufgaben zu erfüllen, auf Grund derer sie rechtswidrige Störungen ihres Dienstablaufs mit hoheitlichen Mitteln abwehren dürfe 67 . Dem ähnelt die Auffassung, aus einer gesetzlichen Ermächtigung zur Schaffung und zum Betrieb einer öffentlichen Einrichtung, wie sie insbesondere in den Gemeindeordnungen enthalten ist, folge im Annex das Recht der Gemeinde oder des sonstigen Trägers der öffentlichen Einrichtung, den Betrieb der auf dieser gesetzlichen Grundlage geschaffenen Einrichtung aufrechtzuerhalten und Störungen abzuwehren. Die Abwehr einer Störung könne auch darin liegen, daß ein Benutzer ausgeschlossen werde, der den Betrieb der Einrichtung gefährde. Dies könne auch ohne ausdrückliche Ermächtigung durch Verwaltungsakt geschehen68. Teilweise wird eine entsprechende ,Anstaltsgewalt" oder allgemeiner eine Befugnis, über die Zulassung oder den Ausschluß von der Benutzung einer in öffentlich-rechtlicher Form betriebenen Einrichtung durch Verwaltungsakt zu entscheiden, auch ohne globale formellgesetzliche Ermächtigung anerkannt, wobei zur Begründung teils auf das Wesen des öffentlichrechtlichen Benutzungsverhältnisses 69, teils (auch) auf eine gewohnheitsrecht-
66
Gerhardt, BayVBl. 1980, 724 (725). Zeiler, DVB1. 1981, 1000 (1003); Maurer, Allg. VerwR, § 3 Rn. 24. 68 OVG NW, U. v. 28.11.1994 - 22 A 2478/93, NWVB1. 1995, 313; wohl etwas enger Wolff/Bachof/Stober, VerwR II, § 99 Rn. 25: Im Sonderverhältnis seien nur solche eingreifende Maßnahmen zulässig, die entweder ausdrücklich gesetzlich geregelt seien oder durch den gesetzlichen Zweck des Sonderverhältnisses gerechtfertigt seien. 69 OVG NW, B. v. 9.9.1993 - 22 B 1487/93, GewArch 1994, 120; Löwer, DVB1. 1985, 928 (938 f.); Lange, VVDStRL 44 (1986), 169 (182 ff.): Der Vorbehalt des Gesetzes könne wegen der begrenzten Eignung rechtlicher Regeln zur Steuerung für sie nicht ohne weiteres gelten. Soweit öffentlich-rechtliche Benutzungsordnungen ohne einen zusätzlichen besonderen Grundrechtsbezug lediglich die Modalitäten anstaltlicher Leistungserbringung regelten, sei eine besondere formell-gesetzliche Ermächtigung entbehrlich; die bestehende gewohnheitsrechtliche Ermächtigung genüge. 67
B. Fallgruppen der Rechtsprechung zum Subordinationsverhältnis
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liehe Anerkennung 70 verwiesen wird. Andere wollen dagegen den Vorbehalt des Gesetzes uneingeschränkt zur Anwendung bringen, wobei zur Abwehr und Beseitigung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung die polizei- oder ordnungsbehördlichen Generalklauseln in Betracht kämen 71 . Die Generalklauseln 72 oder spezialgesetzlichen Ermächtigungen zur Gefahrenabwehr und Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Vorschriften 73 werden auch außerhalb von Anstaltsbenutzungsverhältnissen als Ermächtigungsgrundlage für Verfügungen herangezogen, durch die in Satzungen enthaltene Ge- oder Verbote konkretisiert werden. A l l diese Verwaltungsakte werden in die nachfolgende Untersuchimg jedoch nicht einbezogen. Zunächst handelt es sich bei den meisten dieser Entscheidungen, wie beim Ausschluß aus einer öffentlichen Einrichtung oder einem Hausverbot um pflichtenbegründende Verfügungen oder andere rechtsgestaltende Verwaltungsakte, die generell nicht Gegenstand dieser Untersuchung sind. Aber auch konkretisierende Verfügungen, die die in Satzungen enthaltenen Pflichten oder Schadensersatz- oder Erstattungsansprüche konkretisieren, die im Rahmen eines solchen durch Satzung oder Benutzungsordnung geregelten Rechtsverhältnis entstehen, sollen hier nicht erörtert werden. Denn die Beantwortung der Frage, welche Regelungsbefugnisse die Verwaltung in einem solchen Rechtsverhältnis als Annex zu ihren materiellrechtlichen Rechten und Pflichten besitzt, läßt sich nur auf Grundlage einer umfassenden Analyse des gesamten Rechts solcher öffentlichen Einrichtungen beantworten. Wenn und soweit man der Verwaltung hier bereits auf Grundlage der die Schaffung der öffentlichen Einrichtung regelnden Normen materiellrechtlich weite Handlungsbefugnisse einräumen könnte, würde es wenig Sinn machen, gerade für den Einsatz des Verwaltungsakts eine explizite Ermächtigung zu verlangen. Daher bleiben Fragen der Reichweite einer gesetzlich geschaffenen Satzungsautonomie, der sog. Anstaltsgewalt und das Recht der öffentlichen Sachen anderen Arbeiten vorbehalten 74.
70 Lange,, VVDStRL 44 (1986), 169 (183); Wolff/Bachof/Stober, VerwR II, § 99 Rn. 25. 71 Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 29 Rn. 38 m.w.N. 72 OVG Schleswig-Holstein, U. v. 16.7.1991- 4 L 74/91, NVwZ-RR 1992, 338 f. 73 OVG Lüneburg, B. v. 26.1.1998 - 3 L 5739/97, JURIS Nr. MWRE102389800 = NVwZ 1999, 84. 74 Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit, die die verbindliche Konkretisierung der durch Gesetz oder Rechtsverordnung geregelten Rechte und Pflichten betreffen, könnten sich jedoch auf Rechte oder Pflichten übertragen lassen, die in einer Satzung oder sonstigen Anstaltsordnung festgelegt sind, soweit dort nicht schon aus anderen Gründen auf gesetzliche Ermächtigung verzichtet werden kann. Auch Druschel, S. 182, hat diese speziellen Fragen nicht in seine Untersuchung zur Verwaltungsaktbefugnis einbezogen.
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Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
V I . Zwischenergebnis Insgesamt ist festzustellen, daß in der Rechtsprechung kein einheitliches Bild auszumachen war, wann die Verwaltung sich hinsichtlich eines öffentlichrechtlichen Zahlungsanspruch, dessen Geltendmachung gesetzlich nicht geregelt ist, gegenüber dem zahlungspflichtigen Bürger in einem Verhältnis der hoheitlichen Überordnung befinden soll 75 . Lediglich bei Schadensersatz- und Erstattungsansprüchen des Dienstherrn gegen einen Beamten oder Soldaten und bei den durch Widerruf oder Rücknahme eines Verwaltungsaktes entstehenden Erstattungsansprüchen (Kehrseitentheorie) wird die sog. subordinationsrechtliche Rechtsnatur des Anspruchs als Rechtfertigung einer ungeschriebenen Verwaltungsaktbefugnis klar bejaht. Insoweit erscheint es fraglich, ob es angebracht ist, von einer der Rechtsprechung zugrunde liegenden „Subordinationstheorie" zu sprechen. Denn hier fehlt es offensichtlich an einer umfassenden wissenschaftlichen Lehre zur einheitlichen Erklärung bestimmter Erscheinungen mit dem Ziel einer systematischen Ordnung zusammengehöriger Gegenstände76.
C. Verwaltungsakte zur Durchsetzung und zur vorbeugenden Regelung allgemeiner gesetzlicher Pflichten I. Beschreibung der Fallgruppe Rechtsnormen, die einem Bürger unmittelbar, d.h. ohne Zwischenschaltung einer pflichtenbegründenden Verfügung, Geldzahlungspflicht auferlegen, sind in ihrer Normstruktur mit anderen gesetzlichen Geboten vergleichbar; dennoch gibt die Rechtsprechung auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Verwaltung befugt ist, solche kraft Gesetzes bestehenden allgemeinen Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungspflichten oder für solche Pflichtnormen relevante Eigenschaften einer Person oder Sache durch Verwaltungsakt zu konkretisieren, für rechtsystematisch vergleichbare Fallkonstellationen oft unter-
75 Vgl. auch die Wiedergabe und Kritik weiterer Gerichtsentscheidungen bei Druschel, S. 90 ff., 124 ff 76 Vgl. Brockhaus. Die Enzyklopädie, 20. Aufl., Bd. 22, S. 14 f., Stichwort „Theorie".
C. Verwaltungsakte zur Regelung allgemeiner gesetzlicher Pflichten
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schiedliche Antworten 1 . Im Hinblick auf den Tatbestand des Gesetzesvorbehalts für Eingriffe in Freiheit und Eigentum und seine primär abwehrrechtliche Funktion werden bei der weiteren Darstellung und eigenen Untersuchung zwei Fallgruppen unterschieden: Einerseits konkretisierende Verfügungen und feststellende Verwaltungsakte, die von Amts wegen ergehen und andererseits Feststellungsbescheide, die aufgrund eines Antrags auf Feststellung der Rechtslage erlassen werden.
II. Konkretisierende Verfügungen und feststellende Verwaltungsakte, die von Amts wegen erlassen werden 1. Geltung des Vorbehalts des Gesetzes Bei den Verwaltungsakten, die von Amts wegen zur Regelung allgemeiner Pflichten ergehen, handelt sich vor allem um konkretisierende Verfügungen, mit denen ein gesetzliches Ge- oder Verbot durchgesetzt werden soll, sowie um Feststellungsbescheide, mit denen eine rechtlich erhebliche Eigenschaft einer Person, Sache oder eines Vorhabens geklärt werden soll, an die das Gesetz bestimmte Verhaltenspflichten des Bürgers knüpft. Soweit Polizei- oder Ordnungsbehörden tätig werden, geht es der Sache nach um Entscheidungen im Bereich oder Vorfeld der Gefahrenabwehr 1. Zur Unterscheidung von den vorgenannten Fallgruppen werden diese Verwaltungsakte in der vorliegenden Untersuchung 3 als Verwaltungsakte zur Durchsetzung und zur vorbeugenden
1 Zur Normstruktur vgl. oben Teil 2, B.V.2.c) sowie Arbeiter, S. 18, 126. Auch in der Literatur nehmen Leistungs- und Erstattungsbescheide häufig mit unterschiedlichen Begründungen eine Sonderstellung ein, so bei Achterberg, Probleme, S. 157 ff.; ders., Allg. VerwR, § 21 Rn. 81 ff. - Art. 92 GG; Löwenberg, S. 67 ff., 79 ff. (81) - Befähigung zu hoheitlichem Handeln; Krause, Rechtsformen, S. 208 ff. (vgl. aber auch S. 89, wo ein Vorbehalt generalisierend abgelehnt wird) und Pietzner, JA 1973, 413 (415 f.) Vorbehalt. Neben der Parallele zum Zivilrecht dürfte bei all diesen Differenzierungsversuchen die Tatsache eine Rolle spielen, daß es sich bei Geldleistungen im Gegensatz zu vielen anderen verwaltungsrechtlichen Pflichten um vertretbare Handlungen handelt und angesichts des Volumens sonstiger staatlicher Einkünfte unter Effektivitätsgesichtspunkten kein vorrangiges öffentliches Interesse an einer schnellen Durchsetzbarkeit einzelner Schadensersatz- und Erstattungsansprüchen besteht, so deutlich bei Löwenberg, S. 79 ff., 107 ff., und Pietzner, JA 1973, 413 (415). Demgegenüber bejaht Christiane Fischer eine dem verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich der Verwaltungskompetenzen zuzuordnende oder (hilfsweise) im Wege einer teleologisch-systematischen Gesamtinterpretation aus der Kombination von § 35 VwVfG mit der konkretisierten Pflichtnorm abzuleitende Verwaltungsaktbefugnis grundsätzlich nur bei Leistungs- und Erstattungsbescheiden, nicht aber bei unselbständigen Verfügungen zur Durchsetzung allgemeiner gesetzlicher Pflichten, vgl. oben A. III. 2 Vgl. unten Teil 7, B.III. 3 In Anknüpfung an Osterloh, JuS 1983, 280 (281, 283 f.).
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Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
Regelung „allgemeiner gesetzlicher Pflichten" bezeichnet. Der Begriff der „allgemeinen Pflicht" umfaßt damit alle unmittelbar kraft Gesetzes geltenden Ge- und Verbote mit Ausnahme der vorgenannten „speziellen" Pflichten, nämlich der Zahlungspflichten und der Pflichten, die im Rahmen der Abwicklung eines durch Verwaltungsakt begründeten Rechtsverhältnisses entstehen4. In der Rechtsprechung besteht bei der Beantwortung der Ausgangsfrage, ob der Vorbehalt des Gesetzes für den Gebrauch des Verwaltungsaktes als Instrument zur Regelung allgemeiner gesetzlicher Pflichten überhaupt gilt, scheinbar Einigkeit. Im allgemeinen Gewaltverhältnis, d.h. hier außerhalb einer durch Verwaltungsakte bereits geprägten Sonderbeziehung, ist die Rechtsprechung immer davon ausgegangen, daß für konkretisierende Verfügungen und feststellende Verwaltungsakte mit einer den Adressaten belastenden Rechtsfolge grundsätzlich eine gesetzliche Ermächtigung erforderlich ist. Dies wird in der Rechtsprechung aller Instanzen seit Anfang der siebziger Jahre immer wieder ausdrücklich betont5. Weder der Topos des Subordinationsverhältnisses noch der in der älteren beamten- und soldatenrechtlichen Judikatur angeführte Rechtsgrundsatz des deutschen Verwaltungsrechts, daß die Organe der vollziehenden Gewalt grundsätzlich befugt seien, zur hoheitlichen Erfüllung ihrer Aufgaben Verwaltungsakte zu erlassen, werden in den einschlägigen obergerichtlichen Entscheidungen, insbesondere zum Recht der Gefahrenabwehr, erwähnt6. Es sei aber keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage erforderlich; dem Vorbehalt genüge es, wenn diese Ermächtigung im Wege der Auslegung des Gesetzes mit den allgemein zulässigen Interpretationsmethoden ermittelt werden könne7.
4
Die schlagwortartige Zusammenfassung als „allgemeine Pflicht" bedeutet also nicht, daß die Normadressaten mit dem Kreis der Allgemeinheit identisch sein müßte; es kann sich auch um Vorschriften handeln, die sich mit ihren Ge- oder Verboten an einen kleineren, in der Norm definierten Personenkreis wenden. 5 Vgl. BVerwG, U. v. 25.10.1972 - VIII C 112.71, BVerwGE 41, 106 (108 f.); U. v. 12.12.1979, 8 C 77/78, NJW 1981, 242; BVerwGE 72, 265 ff. = NJW 1986, 1120 = DVB1. 1986, 560 = DÖV 1986, 570 = BayVBl. 1986, 536 = JURIS Nr. WBRE101128602; B. v. 10.10.90 - 1 B 131/90, NVwZ 91, 267; U. v. 22.10.91 1 C 1.91, GewArch 1992, 62; BayVGH, U. v. 2.6.1999 - 19 B 94.2154, BayVBl. 2000, 470 f.; sowie die in Fn. 14; 17, 18, 25, 26, 34 und 40 zitierten Entscheidungen. 6 Nur in der Literatur zum allgemeinen Verwaltungsrecht wird - von einigen, mittlerweile in der Minderheit befindlichen Autpren - noch immer der Eindruck erweckt, es handele sich um einen allgemeinen, d.h. grundsätzlich für alle Bereiche des besonderen Verwaltungsrechts anerkannten Rechtsgrundsatz. Die gegenteilige Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.11.1985 (2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil, BVerwGE 72, 265 (Fn. 72)) wird dann ohne weitere Begründung als mißverständliche (Kopp, VwVfG, § 35 Rn. 3, 36) oder nicht dagegen sprechende Entscheidung CMaurer, Allg. VerwR, § 10 Rn. 5) eingestuft. 7 Vgl. die Nachw. in Fn. 5 sowie die unten in Teil 7, B. zitierten Entscheidungen.
C. Verwaltungsakte zur Regelung allgemeiner gesetzlicher Pflichten 2. Konkretisierende
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Verfügungen
a) Pflichtnormen als alleinige gesetzliche Grundlage unselbständiger Verfügungen In einer ganzen Reihe obergerichtlicher Entscheidungen werden die einschlägigen Pflichtnormen, welche ein gesetzliches Gebot (z.B. eine Anzeigepflicht), ein absolut geltendes gesetzliches Verbot bestimmter Handlungen oder ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt enthalten, in Verbindung mit den fachgesetzlichen Aufgabenzuweisungsnormen als ausreichende gesetzliche Grundlage für sog. unselbständige Verfügungen 8 der zuständigen Behörde angesehen, mit denen die Erfüllung der gesetzlichen Pflicht im Einzelfall durchgesetzt werden soll 9 . So hat das Bundesverwaltungsgericht beispielsweise allein aus der Pflichtnorm des § 14 Abs. 1 GewO a.F. 10 , den Beginn eines stehenden Gewerbes gleichzeitig der zuständigen Behörde anzuzeigen, deren Befugnis abgeleitet, den Gewerbetreibenden durch Verwaltungsakt zu verpflichten, eine entsprechende Anzeige unter Ausfüllung des vorgeschriebenen Anzeigevordrucks mit den dort vorgesehenen Angaben zur Person und zum ausgeübten Gewerbe zu erstatten n. Diese Anzeige des Beginns einer Gewerbetätigkeit solle der Behörde die Prüfung ermöglichen, ob etwaige gesetzliche Voraussetzungen für den Betrieb erfüllt sind und ob Bedenken gegen die Zuverlässigkeit bestehen. Daher bedürfe die Aufforderung zur Ausfüllung eines Anzeigevordrucks keiner ausdrücklichen Ermächtigung, sondern könne auf Grundlage des § 14 Abs. 1 GewO ergehen. Die hiernach zuständigen Behörden hätten nicht nur die vorgeschriebene Anzeige entgegenzunehmen und zu überprüfen, sondern auch - so-
8
Zum Begriff vgl. Friauf in Schmidt-Aßmann, Bes. VerwR, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 175. 9 BVerwG, U. v. 24.6.1976, I C 56.76, GewArch 1976, 293 (294), U. v. 1.7.1987 1 C 25/85, JURIS Nr. WBRE105708702 = BVerwGE 78, 6 = NVwZ 1988, 56. Anzeigepflicht gem. § 14 Abs. 1 GewO a.F.; U. v. 16.12.1977 - VII C 79.75, Buchholz 442.03 § 52 GüKG Nr. 1 - Meldepflicht; U. v. 23.1.1979 - VII C 31.76, Buchholz 442.16 § 18 StVZO Nr. 1 - Zulassungspflicht; U. v. 26.6.1970 - VII C 143.66, BVerwGE 35, 319 (324 ff.) - § 42 Abs. 2 StVO a.F. = § 33 Abs. 1 StVO n.F.; OVG Lüneburg, U. v. 21.3.1957 - 1 OVG A 153/56, OVGE 12, 450 (452) - unselbständige auf Ge- und Verbotsnormen der StVO gestützte sog. unselbständige Verfügung; König, BayVBl. 1967, 262 (263, Fn. 5); Pietzner, JA 1973, 413 (415). Darstellung und Kritik der auch im Schrifttum praktizierten Gleichsetzung von Pflicht- und Befugnisnorm bei Arbeiter, S. 19 ff., 81 ff.; Druschel, S. 165 ff. sowie unten in Teil 6, B.; Teil 7, B.III, und V.3. 10 Dieser enthielt noch nicht die Sätze 3 bis 5. 11 BVerwG, U. v. 4.6.1976 - 1 C 56.74, GewArch 1976, 293 f.; U. v. 1.7.1987 1 C 25/85, JURIS Nr. WBRE105708702 = BVerwGE 78, 6 = NVwZ 1988, 56.
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Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
gar in erster Linie - darüber zu wachen, daß das Gesetz befolgt, also überhaupt eine Mitteilung des Anzeigepflichtigen Vorgangs gemacht wird. Sei im Einzelfall die Anzeigepflicht nicht schon auf Grund des Gesetzesbefehls erfüllt worden, könne die zur Entgegennahme der Anzeige zuständige Behörde durch Verwaltungsakt die Ausführung dieses Gesetzes verlangen. Diese Maßnahme dürfe unbeschadet dessen getroffen werden, daß die Unterlassung der Anzeige eine Ordnungswidrigkeit darstelle und als solche verfolgt werden könne 12 .
b) Erfordernis einer besonderen Befugnisnorm für konkretisierende Verfügungen Wenn die Rechtsprechung demgegenüber seit Mitte der achtziger Jahre eine bloße Pflichtnorm überwiegend nicht mehr als ausreichende gesetzliche Grundlage für den Erlaß einer konkretisierenden Verfügung oder eines feststellenden Verwaltungsaktes anerkennt, sondern eine die Handlungsbefugnisse der Verwaltung regelnde Ermächtigung für erforderlich hält 13 , bezieht sie sich häufig auf eines der drei hierzu veröffentlichten Urteile des 8. Senats des Bundesverwaltungsgerichts über konkretisierende Verfügungen 14 und feststellende Verwaltungsakte, die ein gesetzliches Zweckentfremdungsverbot für Wohnräume betrafen. Nach dem ersten dieser Wohnraumzweckentfremdungsurteile darf 1 5 eine konkretisierende Verfügung, mit der ein Eigentümer zur Beseitigung einer verbotswidrigen Zweckentfremdung von Wohnräumen (§ 1 Abs. 1 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum 16 i.V.m. einer Zweckentfremdungsverordnung des Landes) aufgefordert wird, nur aufgrund einer eindeutigen gesetzlichen Grundlage ergehen. Entsprechend des elementaren rechtsstaatlichen Gebotes, daß Verwaltungsbehörden nur im Rahmen der ihnen zugewiesenen Befugnisse zum Erlaß von Verwaltungsakten befugt seien, müsse zusätzlich zu der Übertragung einer bestimmten Aufgabe noch eine Eingriffskompetenz vorhanden sein. Der angefochtene Verwaltungs-
12 BVerwG, U. v. 4.6.1976 - 1 C 56.74, GewArch 1976, 293 f. Dazu unten Teil 7, A., B.V.3.a). 13 Vgl. dazu auch die Nachweise unten in Teil 6. 14 1. Wohnraumzweckentfremdungsurteil: U. v. 12.12.1979 - 8 C 77/78, NJW 1981, 242 f.; 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil: U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83, BVerwGE 72, 265 = NJW 1986, 1120 = DVB1. 1986, 560 = DÖV 1986, 570 = BayVBl. 1986, 536 = JURIS Nr. WBRE101128602; 3. Wohnraumzweckentfremdungsurteil: U. v. 1.10.1986 - 8 C 53/85, NJW 1987, 969. 15 BVerwG, U. v. 12.12.1979 - 8 C 77/78, NJW 1981, 242 f.; dazu unten Teil 6, B.I., E. 16 Art. 6 des MRVerbG v. 4.11.1971 (BGBl. I, S. 1745), geändert durch Art. 5 des Gesetzes v. 17.5.1990 (BGBl. I, S. 926).
C. Verwaltungsakte zur Regelung allgemeiner gesetzlicher Pflichten
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akt stelle eine solche Eingriffsmaßnahme gegenüber einer rechtswidrigen Zweckentfremdung dar, für die es an einer bundesgesetzlichen Ermächtigung fehle. Hierbei wies der 8. Senat daraufhin, daß auch bei einer solchen Handhabung des Gesetzesvorbehalts das bundesrechtlich eingeführte Zweckentfremdungsverbot noch durchgesetzt werden könne, nämlich aufgrund landesrechtlicher Eingriffsermächtigungen in Form einer Generalklausel des Polizeibzw. Ordnungsrechtes oder einer spezialgesetzlichen Regelung. Im konkreten Fall schied eine Umdeutung des angefochtenen Verwaltungsaktes in eine solche ordnungsrechtliche Verfügung nur deshalb aus, weil diese aus formellen Gründen nicht mit dem nordrhein-westfälischen Ordnungsrecht vereinbar war. Von diesem Ansatz gehen auch andere Senate des Bundesverwaltungsgerichts und der Oberverwaltungsgerichte aus17. Die wesentlichen Argumente finden sich beispielsweise in einem Urteil des 3. Senats des Bundesverwaltungsgerichts, nach dem es im Heilpraktikergesetz für den Erlaß eines Verwaltungsaktes, mit dem die Ausübung der Heilkunde ohne eine nach diesem Gesetz erforderliche Erlaubnis untersagt wird, an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage fehle 18. Der Kläger untersuchte Menschen, die ihn wegen unterschiedlicher körperlicher Beschwerden konsultierten, durch Muten mit einer Wünschelrute, ob diese „von Erdstrahlen befallen" seien, um sie sodann ggf. in einem sog. Heilmagnetisierungsverfahren von diesen schädlichen Erdstrahlen zu befreien. Nachdem das hierfür zuständige Landratsamt einen Antrag auf Erteilung einer Heilpraktikererlaubnis abgelehnt hatte, untersagte es dem Kläger, zukünftig ohne die erforderliche Erlaubnis die Heilmagnetisierung an Patienten durchzuführen. Der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts ging davon aus, daß diese Untersagungsverfügung als Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG wie auch wegen des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) nur dann zulässig sei, wenn ein formelles Gesetz sie gestatte. Das bloße, dem HeilprG zu entnehmende Verbot, ohne Erlaubnis berufs- und gewerbsmäßig Heilkunde auszuüben, genüge dem nicht. Ob die Untersagung ihrem materialen Gehalt nach nur ein gesetzliches Verbot wiederhole oder konkretisiere, sei in bezug auf das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für den Eingriff rechtlich bedeutungslos. Es genüge auch nicht, daß die Behörde dem Kläger gegenüber auf diesem Gebiet überhaupt tätig werden dürfe, etwa durch Erteilung der Heilpraktiker17
BVerwG, U. v. 12.12.1979 - 8 C 2/79, NJW 1980, 1970; U. v. 21.2.1980 3 C 123/79, DÓV 1981, 535 f.; OVG NW, U. v. 28.3.1974 - XI A 182/74, DÖV 1975, 284 f.; VGH BW, B. v. 19.4.1982 - 3 S 492/82, VB1BW 1982,405 (406). 18 BVerwG, U. v. 11.11.1993 - 3 C 45/91, NJW 1994, 3024 (3027) = GewArch 1994, 336 (337 f.) = BVerwGE 94, 269 = JURIS Nr. WBRE310694803; ebenso OVG NW, U. v. 2.12.1998 - 13 A 5322/96, DVB1. 1999, 1057 (1058); vgl. dazu unten Teil 6, B.I. 18 Kracht
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Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
erlaubnis oder durch ihre Aufhebung; ihr müsse vielmehr speziell der in Rede stehende Eingriff gesetzlich gestattet sein. Nach rechtsstaatlichen Grundsätzen dürfe die Behörde nur ihr zugewiesene Kompetenzen wahrnehmen. Aus dem schlichten gesetzlichen Verbot könne aber nicht geschlossen werden, welche Behörde mit welchem Mittel das gesetzliche Verbot durchsetzen darf und muß. Das HeilprG und seine Durchführungsverordnungen ließen eine Ermächtigungsgrundlage für Untersagungsverfügungen nicht erkennen. Weder der Wille des historischen Gesetzgebers noch der ursprüngliche Gesetzeszweck hätten es erfordert, eine Rechtsgrundlage für Untersagungsverfügungen im HeilprG selbst vorzusehen. Auch durch dessen nachträglich geänderte Zielsetzung sei keine Lücke im Gesetz entstanden, da die Befugnis, das gesetzwidrige Tun zu untersagen, der polizeilichen Generalklausel in den Landespolizeigesetzen entnommen werden könne und müsse19. Allein die Tatsache, daß die für die Erteilung und Rücknahme der Heilpraktikererlaubnis zuständige untere Verwaltungsbehörde möglicherweise sachkundiger und sachnäher sei als die im konkreten Einzelfall nach Landesrecht für den Erlaß einer auf die Generalklausel gestützten Untersagungsverfügung, könne die geforderte gesetzliche Ermächtigungsgrundlage nicht ersetzen. Auch das polizeirechtliche Schrifttum 20 vertritt fast einhellig die Auffassung, daß die Rechtsfigur der unselbständigen, d.h. unmittelbar auf ein gesetzliches Ge- oder Verbot gestützten Verfügung heute entbehrlich sei. Denn jeder Verstoß gegen eine Rechtsnorm des öffentlichen Rechts stelle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar, so daß konkretisierende Verfügungen grundsätzlich auf die polizei- bzw. ordnungsbehördliche Generalklausel als Ermächtigungsgrundlage gestützt werden könnten. Für die Durchsetzung allgemeiner gesetzlicher Gebote und Verbote im Bereich und Vorfeld der Gefahrenabwehr überwiegt deshalb heute die Auffassung, dem Vorbehalt des Gesetzes genüge nur eine spezielle Befugnisnorm, welche die Verwaltung zum Erlaß konkretisierender Verfügungen ermächtige.
19 BVerwG, U. v. 11.11.1993 - 3 C 45/91, NJW 1994, 3024 (3027) = GewArch 1994, 336 (338) = BVerwGE 94, 269 = JURIS Nr. WBRE310694803; ebenso OVG NW, U. v. 2.12.1998 - 13 A 5322/96, DVB1. 1999, 1057 (1058). 20 Götz, Allg. Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 580; Drews/Wacke/Vogel/Martens S. 154 f.; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 23, in Steiner, Bes. VerwR; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, F. Rn. 457; Osterloh, JuS 1983, 280 (283 f.); Mußmann, GewArch 1986, 126; Lechelt, DVB1. 1993, 1048 ff.; ebenso Christiane Fischer, S. 137 f. Vgl. dazu unten Teil 7, B.
C. Verwaltungsakte zur Regelung allgemeiner gesetzlicher Pflichten
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3. Befugnisnormen für Verfügungen als Ermächtigung zu feststellenden Verwaltungsakten In Rechtsprechung und Literatur wird überwiegend anerkannt, daß die polizei- und ordnungsbehördlichen Generalklauseln ggf. auch zum Erlaß feststellender Verwaltungsakte ermächtigen und daß aus einer ausdrücklichen Ermächtigung zum Erlaß von befehlenden Verwaltungsakten ggf. auch eine Befugnis zum Erlaß von Feststellungsbescheiden abgeleitet werden kann, wenn diese als milderes oder zumindest nicht stärker belastendes Mittel der Verwirklichung des Ziels der gesetzlichen Ermächtigung dienen: Dem liegt häufig ein auch auf anderen Rechtsgebieten üblicher Schluß a maiore ad minus zugrunde, bei dem aus Vorschriften, welche eine Behörde zum Erlaß eines als weitergehend betrachteten, befehlenden, gestaltenden oder feststellenden Verwaltungsaktes ermächtigen, eine Regelungskompetenz für feststellende Teil- oder Grundlagenbescheide abgeleitet wird 21 . Denn diese Bescheide verselbständigten nur einen Teil der vom Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Konkretisierung der Rechtslage. So soll die Befugnis zu Maßnahmen der Gefahrenabwehr die Befugnis zur Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Verstoßes gegen die Rechtsordnung 22 oder zur Feststellung der Verantwortlichkeit als Störer 23 umfassen 24.
21 Allgemeine Ausführungen bei Bay. VGH, U. v. 18.8. 1980 - 22.B - 1410/79, GewArch 1981, 18 (20 f.); J. Martens, DVB1. 1968, 322 (325 f.); NVwZ 1984, 556 (560 f.); NVwZ 1987, 106 f.; Achterberg, DÖV 1971, 397 (404 f.); ders. t Allg. VerwR, § 21 Rn. 122; Merten, VSSR 1973, 66 (77); Wernicke,, DVB1. 1977, 914 (916); Peltner, JA 1982, 149; König, BayVBl. 1987, 261 (264); Clausen in Knack, § 9 Rn. 5.3; Kopp, VwVfG, § 9 Rn. 38 ff., § 35 Rn. 72. 22 VGH BW, B. v. 4.11.1981 - 5 S 1941/81, ZfW 1981, 301 (303); i.E. ebenso BayVGH, U. v. 18.8. 1980 - 22.B - 1410/79, GewArch 1981, 18 (20 f.); J. Martens, NVwZ 1987, 106. Da die Feststellungskompetenz hier a maiore ad minus aus der Befugnis zum Erlaß einer gesetzeskonkretisierenden Verfügung abgeleitet wird, stellt sich hier jeweils zunächst die Frage, ob die Ver- oder Gebotsverfügung ihrerseits unmittelbar auf die Pflichtnorm i.V.m. der Aufgabenzuweisung gestützt werden könnte (so BayVGH, a.a.O.) oder ob eine besondere das Verwaltungshandeln regelnde Befugnisnorm erforderlich ist (so i.E. VGH BW, a.a.O.). Demgegenüber hat der 19. Senat des BayVGH in einem Urteil vom 2.6.1999 (19 B 94.2154, BayVBl. 2000, 470 (471)) entschieden, daß eine landesrechtliche Vorschrift, welche die Vollzugsbehörden ermächtigt, Anordnungen zu treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand einer mit Strafe oder Geldbuße bedrohten Zuwiderhandlung gegen Vorschriften des Rechts der Ernährungswirtschaft oder des landwirtschaftlichen Marktwesens verwirklichen, zu verhüten, zu unterbinden oder durch solche Handlungen verursachte Zustände zu beseitigen, keine Rechtsgrundlage für den Erlaß eines feststellenden Verwaltungsaktes biete. 23 J. Martens, DVB1. 1968, 322 (325 f.). 24 Weitere Beispiele in Teil 7, B.V.2.b)aa).
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Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
Eine Kompetenz zum Erlaß eines feststellenden Grundlagenbescheides für künftig entstehende Pflichten hat das OVGNW 25 aus § 15 Bundesstatistikgesetz (BStatG) abgeleitet, welcher den Inhalt und Umfang der Auskunftspflicht bei einer Datenerhebung zu einer Statistik für Bundeszwecke festlegt. Aus der Regelung des Absatz 6, nach der Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Aufforderung zur Auskunftserteilung keine aufschiebende Wirkung haben, ergebe sich, daß die zuständigen Behörden jedenfalls ermächtigt seien, diese Aufforderung in der Rechtsform des Verwaltungsaktes auszusprechen. Bei dem zur Erfüllung einer bestimmten Auskunftspflicht anhaltenden Verwaltungsakt würde es sich um eine konkretisierende Verfugung handeln. Nach dem Beschluß des OVG NW läßt die äußerst knappe Regelung des § 15 BStatG jedoch nicht den Schluß zu, daß die Behörde lediglich Handlungsgebote aussprechen dürfe. Vielmehr entspreche es dem mit der Auskunftserteilung verfolgten Zweck, wenn die zuständige Behörde auch ermächtigt sei, die Auskunftspflicht für künftige Erhebungen durch einen feststellenden Verwaltungsakt zu regeln. Nach einem Beschluß des VG Chemnitz 26 ergibt sich aus § 35 Abs. 2 KrW-/AbfG im Wege der Auslegung eine Ermächtigung der zuständigen Behörde, für eine in den neuen Bundesländern oder Ostberlin gelegenen Deponie den Umfang der Altgenehmigung mittels einer bestandsschutzfeststellenden Verfügung verbindlich festzulegen. Feststellende Verwaltungsakte bedürften zwar nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in der Regel einer Rechtsgrundlage. Soweit eine Vorschrift regele, daß ein bestimmtes Verhalten keiner Genehmigung bedürfe, weil es etwa bereits aufgrund einer Altgenehmigung Bestandsschutz genieße, lasse sich daraus, daß sie nicht ausdrücklich zum Erlaß eines Feststellungsbescheides über den Umfang der Altgenehmigung und damit über die Genehmigungsbedürftigkeit des Verhaltens ermächtige, noch nicht der Schluß ziehen, das Gesetz wolle einen derartigen Verwaltungsakt nicht zulassen. Gerade der systematische Zusammenhang des § 35 zu § 31 KrW-/AbfG, wonach die Errichtung und der Betrieb grundsätzlich einer Planfeststellung oder ausnahmsweise einer Planfeststellung bedürfe, spreche für eine Feststellungsbefugnis der zuständigen Behörde. Denn hierdurch werde im Interesse einer gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung verbindlich festgelegt, inwieweit die weitere Müllablagerung genehmigungsfrei sei. Weil § 35 Abs. 2 KrW-/AbfG der zuständigen Behörde in bezug auf den auf Grundlage der Altgenehmigung fortgesetzten Betrieb sogar Handlungsbefugnisse einräume, schließe dies erst recht die Ermächtigung mit ein, den Umfang
25 OVG NW, B. v. 15.02.1996 - 4 B 1043/95, JURIS Nr. MWRE296005545 = GewArch 1996, 378. Dazu unten Teil 7, B.V.2.b)aa). 26 B. v. 26.8.1998 - 2 K 2260/97, S. 7 f. = VwRR MO 1999, 189 = LKV 1999, 468 = DÖV 1999, 439 (nur Leitsatz). Dazu unten Teil 7, B.V.2.b)bb).
C. Verwaltungsakte zur Regelung allgemeiner gesetzlicher Pflichten
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der Altgenehmigung mittels eines den Bestandsschutz feststellenden Verwaltungsakts verbindlich festzulegen. Mit ähnlichen Überlegungen zum Zusammenspiel von Genehmigungsvorbehalt und Regelungsbefiignissen im Rahmen der Überwachung hat der badenwürttembergische Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertreten, aus dem Zweck des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG) ergebe sich im Zusammenhang mit den dazu ergangenen Ausfuhrungsverordnungen eine ausreichende Rechtsgrundlage für den Erlaß eines feststellenden Verwaltungsakts, welchen - unter den Beteiligten streitigen - Inhalt eine auf bestimmte Rechtsgebiete beschränkte Teilerlaubnis hat 27.
4. Die Konkretisierung
einer Anzeige- oder Genehmigungspflicht
a) Allgemeine Befugnisse der Genehmigungs- und Überwachungsbehörden Unterschiedliche Ansätze werden in der Rechtsprechung und Literatur gebraucht, um eine Kompetenz der zuständigen Genehmigungs- oder Überwachungsbehörden zu begründen, eine gesetzliche Anzeige- oder Genehmigungspflicht durch Feststellungsbescheid oder konkretisierende Verfügung verbindlich zu regeln 28. Insoweit ist zunächst auf die bereits dargestellte Rechtsprechung zur Konkretisierung der Anzeigepflicht nach § 14 Abs. 1 GewO zu verweisen 29. Eine behördliche Befugnis, die Genehmigungsbedürftigkeit einer Tätigkeit oder eines sonstigen Vorhabens von Amts wegen festzustellen, ist in der Rechtsprechung aus Vorschriften abgeleitet worden, welche die Verwaltung nicht explizit zum Erlaß eines solchen Bescheides ermächtigen. Dem liegt ein einfacher Schluß a maiore ad minus zugrunde, wenn die (möglicherweise) zulassungsbedürftige Tätigkeit bereits aufgenommen wurde, weil die förmliche Feststellung dann das mildere Mittel gegenüber der Untersagungsverfügung darstellt 30. Ein solcher Schluß ist jedoch nach der Rechtsprechung nicht möglich, wenn die
27
VGH BW, U. v. 22.12.1992 - 9 S 2018/90, NJW 1993, 1219 f. Dazu unten Teil 7, B.V.2.b)bb). 28 Vgl. dazu unten Teil 7, B.V.3. 29 Vgl. oben D.II.2.a) sowie unten Teil 7, B.V.3.a). 30 OVG Lüneburg, B. v. 7.7.1992 - 7 M 2954/92, NVwZ-RR, 1993, 7 (8); BVerwG (2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil), U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83, BVerwGE 72, 265 (269) = NJW 1986, 1120 = DVB1. 1986, 560 = DÖV 1986, 570 = BayVBl. 1986, 536 = JURIS Nr. WBRE101128602. Dazu unten Teil 7, B.V.3.a) und b)bb).
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Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
fragliche Tätigkeit noch nicht aufgenommen wurde, weil zu diesem Zeitpunkt auch eine Untersagungsverfügung noch nicht zulässig wäre 31 . In der Literatur ist desweiteren aus der Ermächtigung, eine ohne die erforderliche Erlaubnis ausgeübte Tätigkeit zu untersagen, eine Befugnis abgeleitet worden, die Stellung eines Genehmigungsantrages zu gebieten, weil diese Verpflichtung das mildere Mittel gegenüber der Untersagung sei 32 .
b) Die Feststellung der Genehmigungsbedürftigkeit als Abschluß eines Anzeigeverfahrens Eine weitergehende stillschweigende Ermächtigung, die Genehmigungsbedürftigkeit präventiv bereits vor der Durchführung der erlaubnispflichtigen Tätigkeit von Amts wegen festzustellen, hat die Rechtsprechung allerdings dann angenommen, wenn der Gesetzgeber ein Anzeigeverfahren als Instrument zur Überwachung der gesetzlichen Vorschriften vorgesehen hat 33 .
aa) Genehmigungsbedürftigkeit
eines angezeigten Gewerbes (§ 34c GewO)
So ist nach der Rechtsprechung des 1. Senat des Bundesverwaltungsge" richts34 die Vorschrift über die Genehmigungsbedürftigkeit einer Vermittlungsund Nachweistätigkeit i.S. des § 34c Abs. 1 Nr. 1 GewO nicht nur die Grundlage für die Erteilung und Versagung einer beantragten Genehmigung; sie biete zugleich die gesetzliche Grundlage für einen feststellenden Verwaltungsakt des Inhalts, ob eine konkrete Tätigkeit genehmigungsbedürftig sei oder nicht. Dies ergebe sich aus dem Zweck der Genehmigungsregelung des § 34c GewO und ihrem Zusammenhang mit §§ 14, 15 GewO. A l l diese Vorschriften sollten der zuständigen Behörde eine wirksame Gewerbeüberwachung ermöglichen. Werde der Behörde die geplante Aufnahme eines stehenden Gewerbes angezeigt,
31
BVerwG (2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil), U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83, BVerwGE 72, 265 (269) = NJW 1986, 1120 = DVB1. 1986, 560 = DÖV 1986, 570 = BayVBl. 1986, 536 = JURIS Nr. WBRE101128602. 32 König, BayVBl. 1988, 171 (172); grundsätzlich a.A. z.B. BVerwG, B. v. 10.10.1990 - 1 B 131/90, NVwZ 1991, 267 (268); OVG Lüneburg, B. v. 7.7.1992 7 M 2954/92, NVwZ-RR, 1993, 7 (8); Stelkens, NuR 1985, 213 (215); P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 159; Stelkens/Schmitz in Stelkens/Bonk/ Sachs, § 22 Rn. 26 ff. Dazu unten Teil 7, B.V.3.b). 33 Dazu unten Teil 7, B.V.3.c). 34 BVerwG, B. v. 10.10.1990 - 1 B 131/90, NVwZ 1991, 267 (268); zustimmend OVG NW, U. v. 28.01.2000 - 4 A 4976/97, JURIS Nr. MWRE200009836 = GewArch 2000, 282; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 44 Rn. 60.
C. Verwaltungsakte zur Regelung allgemeiner gesetzlicher Pflichten
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das der Gewerbetreibende im Gegensatz zur Behörde für nicht genehmigungspflichtig halte, so könne die Behörde dem Gewerbetreibenden zwar nicht durch Verwaltungsakt aufgeben, einen Genehmigungsantrag zu stellen. Dem Zweck einer wirksamen und zwar präventiven Gewerbeüberwachung entspreche es aber, wenn die Behörde die strittige Genehmigungsbedürftigkeit durch Verwaltungsakt feststelle, so daß der Gewerbetreibende sich möglichst noch vor Aufnahme seiner u.U. mit erheblichen Investitionen verbundenen Tätigkeit darauf einstellen könne, in dem er sein Vorhaben aufgebe, einen Genehmigungsantrag einreiche oder den Rechtsweg beschreite. Schlösse das Gesetz einen solchen feststellenden Verwaltungsakt aus, so würde die Behörde aus der nach ihrer Ansicht bestehenden Genehmigungsbedürftigkeit des Vorhabens oftmals erst nach Beginn der Gewerbetätigkeit verwaltungsmäßige Konsequenzen ziehen können, indem sie zu den Mitteln der Einstellungsverfügung (§ 15 Abs. 2 GewO) oder des Bußgeldverfahrens (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 h) GewO) griffe. Beides trüge sowohl dem mit der Genehmigungsvorschrift verfolgten Zweck einer präventiven Kontrolle als auch dem Interesse des Gewerbetreibenden nicht angemessen Rechnung.
bb) Änderungen des Flughafenbetriebs § 45 Abs. 2 Satz 1 LuftVZO)
(§ 6 Abs. 4 Satz 2, § 31 Nr 17 LuftVG;
Aus dem Zweck des grundsätzlichen Genehmigungserfordernisses des § 6 LuftVG und seines systematischen Zusammenhanges mit den anderen Regelungen des Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahrens hat das Bundesverwaltungsgericht 35 abgeleitet, daß die Genehmigungsbehörde befugt und gehalten sei, durch einen feststellenden Verwaltungsakt über die Genehmigungsbedürftigkeit einer Änderung des Flughafenbetriebs zu entscheiden, dessen Planung ein Flughafenunternehmer ihr aufgrund der geltenden luftverkehrsrechtlichen Vorschriften angezeigt habe.
5. Pflicht- und Vollstreckungsnormen als gesetzliche Grundlage für konkretisierende Verfügungen und Zwangsmittelfestsetzungen Mittels teleologisch-systematischer Interpretation hatte das Bundesverwaltungsgericht auch im Wohnungsbindungsgesetz in seiner ursprünglichen Fas-
35
BVerwG, U. v. 22.6.1979 - 4 C 40/75, NJW 1980, 718 ff. Dazu unten Teil 7, B.V.3.c)bb)(2).
280
Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
sung vom 24. August 196536 eine stillschweigende Ermächtigung durch Auslegung bestehender Vorschriften, insbesondere unter besonderer Berücksichtigung einer vollstreckungsrechtlichen Kompetenznorm, gefunden 37. Das Gesetz enthielt seinerzeit keine ausdrückliche Ermächtigung der zuständigen Stelle, das gesetzliche Verbot der Selbstbenutzung einer Sozialwohnung gegenüber dem Verfügungsberechtigten mittels Erlaß einer konkretisierenden Verfügung 38 durchzusetzen. Gleichwohl hatte der damalige 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Vorschriften geschlossen, daß die zuständige Stelle, auch ohne ausdrückliche Normierung ermächtigt gewesen sei, den Verfügungsberechtigten durch Verwaltungsakt zur Räumung einer von ihm gesetzwidrig genutzten Wohnung aufzufordern 39. Wenn die zuständige Stelle auf diese Weise den Inhalt des gesetzlichen Verbotes der Selbstbenutzung im Einzelfall konkretisiere, so verwirkliche sie den Zweck des WoBindG, indem sie die darin enthaltenen Bindungen gegenüber dem Verfügungsberechtigten mittels Verwaltungsakt durchsetze. Der Gesetzeszweck erfordere und gestatte eine Auslegung seiner Einzelvorschriften, die der zuständigen Stelle die rechtlichen Mittel an die Hand gebe, im Einzelfall den der gesetzlichen Bindungen gemäßen Zustand herbeizuführen. Die Befugnis zum Erlaß einer konkretisierenden Verfügung hatte der 8. Senat allerdings nicht nur aus der gesetzlichen Aufgabenzuweisung abgeleitet, sondern auch auf die Befugnisnorm des § 24 WoBindG gestützt, nach der Verwaltungsakte der zuständigen Stelle im Wege des Verwaltungszwanges vollzogen werden. Diese Vorschrift sage zwar nicht, welche Verwaltungsakte gemeint seien. Die in den § § 4 und 6 WoBindG enthaltenen ,3indungen" seien jedoch nicht durchsetzbar, wenn das Gesetz die zuständige Stelle nicht auch
36 Der mit dem Änderungsgesetz vom 21.12.1973 eingefügte § 6 Abs. 6 WoBindG ermächtigt die zuständige Behörde nunmehr, den Verfügungsberechtigten durch einen befehlenden Verwaltungsakt („Verlangen der zuständigen Stelle") zur Überlassung der Wohnung an einen Wohnungssuchenden aufzufordern. Hierdurch hat sich die Frage erledigt, ob das WoBindG 1965 in der hier erörterten ursprünglichen Fassung eine Ermächtigung durch Auslegung hergab (vgl. BVerwG, U. v. 12.12.1979, 8 C 77/78, NJW 1981,242). 37 BVerwG, U. v. 25.10.1972 - VIII C 112.71, BVerwGE 41, 106 (108 ff.). Dazu unten Teil 7, B.IV.4. 38 Im Gegensatz zu einer Reihe anderer obergerichtlicher Entscheidungen, welche die jeweilige Pflichtnorm selbst bereits als gesetzliche Ermächtigung der Verwaltung ansehen, räumt das Bundesverwaltungsgericht hier (BVerwGE 41, 106 (107)) ein, daß sich § 6 I 1 WoBindG 1965 seinem Wortlaut nach nur an den hinsichtlich seiner Wohnung bestimmten Zweckbindungen unterworfenen Bürger wendet. Die Vorschrift „Der Verfügungsberechtigte darf eine ihm gehörige Wohnung nur mit Genehmigung der zuständigen Stelle selbst benutzen" ist ein typisches Beispiel für die gesetzliche Regelungstechnik eines präventiven Verbotes mit Erlaubnisvorbehalt (vgl. Arbeiter, S. 76 ff.). 39 BVerwG, U. v. 25.10.1972 - VIII C 112.71, BVerwGE 41, 106 (109 ff.).
C. Verwaltungsakte zur Regelung allgemeiner gesetzlicher Pflichten
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dazu ermächtigen würde, gegen den diese Bindungen nicht beachtenden Verfügungsberechtigten jene Verwaltungsakte zu erlassen, die geeignet und erforderlich seien, einen dem Gesetz gemäßen Zustand herzustellen. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 Schornsteinfegergesetz sind die Eigentümer und Besitzer von Grundstücken verpflichtet, den Zutritt zu den Grundstücken und Räumen zu gestatten, wenn Beauftragte der zuständigen Verwaltungsbehörde die Tätigkeit des Bezirksschornsteinfegers zu überprüfen oder eine verweigerte Kehrung aufgrund eines vollziehbaren Verwaltungsaktes zwangsweise durchzusetzen haben. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) wird insoweit eingeschränkt. Nach der Rechtsprechung des VGH BW™ ermächtigt § 1 Abs. 3 SchfG die zuständige Verwaltungsbehörde zugleich, die gesetzliche Duldungspflicht durch Verwaltungsakt anzuordnen und diese Verfügung dann zwangsweise zu vollziehen. Im Rahmen der Auslegung sei zunächst zu berücksichtigen, daß § 1 Abs. 3 Satz 2 SchfG selbst vom Erlaß von Duldungsverfügungen ausgehe. Darüber hinaus sei dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes insofern Genüge getan, als die Beschränkungen hinreichend bestimmt und damit voraussehbar seien. Insbesondere wenn der Grundstückseigentümer sich trotz der Verhängung von Geldbußen nach § 50 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 SchfG standhaft weigere, den Zutritt des Bezirksschornsteinfegers zu dulden, müsse die Verwaltung Verfügungen mit Zwangsmitteln durchsetzen können. Der beiden Entscheidung zugrunde liegende Grundsatz läßt sich wie folgt verallgemeinern: Wenn eine Pflichtnorm im gleichen Fachgesetz um eine Befugnisnorm ergänzt werde, nach der die zur Durchsetzung der gesetzlichen Pflicht erlassenen Verwaltungsakte von der zuständigen Behörde zwangsweise vollstreckt werden dürfen, so sei diese Behörde bei einer teleologisch-systematischen Gesamtinterpretation des Gesetzes auch befugt, solche vollstreckungsfähigen Verfügungen zu erlassen 41. Dieser Auslegungsgrundsatz wird in der Rechtsprechung auch zur Begründung von Kompetenzen angewandt, gesetzliche Zahlungspflichten durch einen vollstreckungsfähigen Leistungsbescheid zu konkretisieren 42. Mit einem argumentum a maiore ad minus wird in der Rechtsprechung aus der Befugnis einer Behörde zur Zwangsmittelanwendung häufig auch dann, 40
VGH BW, U. v. 22.12.1992 - 14 S 2326/91, GewArch 1993, 205 (206). Dazu unten Teil 7, B.V.4.b). 42 BVerwG, U. v. 22.11.1994 - 1 C 22/92, BVerwGE 97, 117 = JURIS Nr. WBRE410000672: § 10 Abs. 4 BetrAVG; U. v. 24.11.1998 - 1 C 33.97, BayVBl. 1999, 468 f. = DVB1. 1999, 537 (538) = JZ 1999, 671 (mit zustimmender Anm. Kube, S. 676): § 84 Abs. 1 und 2 AuslG; VGH BW, U. v. 29.7.1993 - 2 S 246/93, NVwZ 1994, 1135 f.: § 25 Abs. 4 Satz 3 BadWürttSchfG. Dazu unten Teil 7, D.VI. 41
282
Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
wenn das einschlägige Gesetz die in den meisten Verwaltungsvollstreckungsgesetzen vorgeschaltete Stufe einer Zwangsmittelfestsetzung nicht kennt, die Befugnis abgeleitet, vor der endgültigen Anwendung ein Zwangsmittel in einem besonderen Verwaltungsakt zunächst festzusetzen
6. Zur Aufgabenerfüllung notwendige Befugnisse eines Beliehenen oder einer Fachbehörde In einer Reihe von Entscheidungen hat das Bundesverwaltungsgericht aus der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck eines Gesetzes, mit dem zur hoheitlichen Wahrnehmung bestimmter Aufgaben eine besondere Behörde geschaffen wurde oder bei dem eine juristische Person des Privatrechts als beliehenes Unternehmen hoheitlich tätig werden sollte, eine Befugnis abgeleitet, in diesem Gesetz enthaltene Pflichtnormen durch Verwaltungsakt zu konkretisieren 44: Nach § 14 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz - BetrAVG) ist der Pensions-Sicherungs-Verein, ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, Träger der Insolvenzsicherung. Die §§ 7 ff. BetrAVG schaffen den gesetzlichen Rahmen für die Insolvenzsicherung von Ansprüchen auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, um deren Gefahrdung im Falle der Insolvenz von Arbeitgebern zu begegnen. § 10 Abs. 1 bestimmt, daß die Mittel hierzu aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtung durch Beiträge der Arbeitgeber aufgebracht werden. Nach § 10 Abs. 4 findet aus den Beitragsbescheiden des Trägers der Insolvenzsicherung die Zwangsvollstreckung in entsprechender Anwendimg der Vorschriften der ZPO statt. Nach § 11 Abs. 2 hat ein beitragspflichtiger Arbeitgeber dem Träger der Insolvenzsicherung die Höhe des nach dem Gesetz für die Bemessung des Beitrags maßgebenden Betrags aufgrund von Gutachten, Bescheinigungen bzw. nachprüfbaren Berechnungen mitzuteilen. Nach einem ausführlich mit der Entstehungsgeschichte und dem Normzusammenhang begründeten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.11.199445 ermächtigt das BetrAVG den Pensions-Sicherungs-Verein, die 43
OVGRh-Pf., B. v. 19.1.1984- 1 B 92/83, NVwZ 1985, 201; B. v. 22.1.1986- 8 B 44/85, NVwZ 1986, 762; OVG NW, U. v. 14.08.1974 - IV A 826/73, DÖV 1975, 286; i.E. ebenso BVerwG, U. v. 29.4.1983 - 1 C 19.79, EZAR 130 Nr. 2, S. 5. Dazu unten Teil 7, B.V.4.c). 44 Dazu unten Teil 7, B.V.5. 45 BVerwG, U. v. 22.11.1994 - 1 C 22/92, BVerwGE 97, 117 = JURIS Nr. WBRE410000672; zustimmend Barth, BVerwG EWiR § 10 BetrAVG 1/95, 217, EWiR 1995, 217 f.
C. Verwaltungsakte zur Regelung allgemeiner gesetzlicher Pflichten
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nach § 11 Abs. 2 BetrAVG bestehenden Mitteilungs- und Vorlagepflichten beitragspflichtiger Arbeitgeber durch Verwaltungsakt zu konkretisieren. Aus der Entstehungsgeschichte ergebe sich einerseits, daß der Gesetzgeber besonderes Gewicht auf die öffentlich-rechtliche Natur der Beitragspflicht gelegt habe und daß andererseits der Träger der Insolvenzsicherung als beliehenes Unternehmen befugt sein solle, hoheitlich tätig zu werden. Zugleich spreche der systematische Zusammenhang für die Zulässigkeit von Meldebescheiden. So begründe § 10 Abs. 4 BetrAVG nicht die Befugnis zum Erlaß von Beitragsbescheiden, sondern setze diese voraus. Wenn das Gesetz nicht einmal ausdrücklich die Befugnis zum Erlaß eines Beitragsbescheides ausgesprochen habe, lasse dies den Schluß zu, daß die Befugnis zum Erlaß von Verwaltungsakten durch den Pensions-Sicherungs-Verein in diesem öffentlich-rechtlichen Beitragsverhältnis zur Durchsetzung der Pflichten der beitragspflichtigen Arbeitgeber als selbstverständlich vorausgesetzt sei. Nach dem Normzweck des § 11 BetrAVG, dem Träger der Insolvenzsicherung auf möglichst einfache Weise die zur Beitragsfestsetzung notwendigen Berechnungsgrundlagen zu verschaffen, sei es nicht sachgerecht, diesen auf Leistungsklagen gegen die mitteilungspflichtigen Arbeitgeber zu verweisen. Vielmehr sei es systemgerecht, daß der Pensions-Sicherungs-Verein mit Verwaltungsakten als typischen Mitteln des Verwaltungshandelns auch dann vorgehe, wenn es sich darum handele, Beitragspflichtige zu den ihnen obliegenden Angaben zu veranlassen, die er für den Erlaß eines Beitragsbescheides benötige. Gleichfalls aus der Entstehungsgeschichte und dem Argument, nach Sinn und Zweck des Gesetzes müsse eine neu geschaffene Behörde die zur Aufgabenerfüllung notwendigen Kompetenzen zum hoheitlichen Handeln haben, hat das Bundesverwaltungsgericht abgeleitet, daß der in der Zuständigkeitsnorm des § 3 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über die Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes (EVerkVerwG) verwendete Begriff der „Eisenbahnaufsicht" dem Eisenbahn-Bundesamt die Befugnis einräume, gesetzmäßiges Handeln der Deutschen Bahn AG sicherzustellen, insbesondere Verwaltungsakte zur Durchsetzung der Lärmschutzvorschriften zu erlassen46. Es falle allerdings auf, daß das Eisenbahn-Bundesamt in § 3 Abs. 1 Nr. 1 EVerkVerwG ausdrücklich als Aufsichts- und Genehmigungsbehörde für die Eisenbahnen des Bundes bezeichnet werde und ihm nach dem in § 3 Abs. 2 enthaltenen Katalog neben der Zuständigkeit als Planfeststellungsbehörde und weiteren Aufgaben vorallem die Ausübung der Eisenbahnaufsicht übertragen werde, ohne daß dieser Aufsichtszuständigkeit in derselben Deutlichkeit entsprechende Befugnisse zugeordnet seien. Der Umstand, daß der allgemeinen Eisenbahnaufsicht außer 46
BVerwG, U. v. 13.10.1994 - 7 VR 10/94, NVwZ 1995, 379 = JURIS Nr. WBRE410000386; kritisch dazu P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 22 („Verlegenheitslösung").
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Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
der speziellen Ermächtigung in § 2 Abs. 4 der Eisenbahnbau- und Betriebsordnung keine weiteren speziellen Ermächtigungen korrespondierten, dürfe jedoch nicht dahin gedeutet werden, daß dem Eisenbahn-Bundesamt im übrigen mangels Eingriffsgrundlage die Hände gebunden wären. Freilich wäre es problematisch, eine Eingriffsbefugnis allein der Zuständigkeitsvorschrift des § 3 Abs. 2 Nr. 2 EVerkVerwG zu entnehmen, weil eine bloße Aufgabenzuweisung die notwendige Eingriffsgrundlage nicht ersetzen könne. Um eine bloße Aufgabenzuweisung handele es sich hierbei jedoch nicht. Vielmehr stelle der in der Zuständigkeitsnorm verwendete Begriff der Eisenbahnaufsicht klar, daß damit zugleich eine Befugnis zu rechtsaufsichtlichen Maßnahmen verbunden sein solle. Bestätigt werde dies, wenn man die gesetzlichen Regelungen in ihrem Zusammenhang und in ihrer Entstehungsgeschichte betrachte. Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, dem Eisenbahn-Bundesamt grundsätzlich alle hoheitlichen Aufgaben zu übertragen, die bisher in den Sondervermögen Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn wahrgenommen wurden. An die Stelle der Behörden DB und DR in ihrer Hoheitsfunktion trete umfassend das Eisenbahn-Bundesamt, weil die Bundesbahn infolge ihrer Privatisierung aus der Gesetzes- und Rechtsbindung der vollziehenden Gewalt und damit der unmittelbaren Aufsicht durch die übergeordneten Behörden entlassen worden sei 47 . Diese Funktionsnachfolge des Eisenbahn-Bundesamts sei ohne die Befugnis, im Rahmen seiner Zuständigkeit gegen gesetzwidriges Handeln der Eisenbahnen des Bundes einschreiten zu dürfen, nicht denkbar. Die gegenteilige Auffassung würde zu dem widersinnigen Ergebnis führen, daß das EisenbahnBundesamt seinen Aufgaben mangels Befugnisnorm nicht gerecht werden könnte, während die Landespolizeibehörden mangels Zuständigkeit für die Eisenbahnaufsicht an einem Tätigwerden gehindert wären. Daß der Gesetzgeber die privatrechtlich organisierte Deutsche Bahn AG in dieser Weise von jedem hoheitlichen Eingriff habe freistellen wollen, könne nicht ernsthaft angenommen werden. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.12.199848 bewirkt die Treuhandverwaltung nach § 20b Abs. 2 PartG-DDR eine hoheitliche Verstrickung des Parteialtvermögens und begründet das Recht der Treuhänderin 49, die Zugehörigkeit eines Gegenstandes zu diesem Vermögen auch gegen47 BVerwG, a.a.O. (Fn. 46). Zu den Grenzen der Auslegung des § 3 Abs. Nr. 2 als Ermächtigung vgl. OVG NW, B. v. 31.1.1996 - 25 B 3455/95 bis 25 B 3460/95, JURIS Nr. MWRE296005757 = NZV 1996, 417 sowie unten Teil 7, B.V.5. 48 BVerwG, U. v. 10.12.1998 - 7 C 41/97, JURIS Nr. WBRE410005351. Dazu unten Teil 7.B.V.5. 49 Treuhänderin war zunächst die Unabhängige Kommission nach § 20b Abs. 3 PartG-DDR, an deren Stelle nach dem Einigungsvertrag zunächst die Treuhandanstalt und dann (zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts) die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) getreten war.
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über einem mit der Partei nicht verbundenen Dritten durch Verwaltungsakt festzustellen. Denn bei der Verwaltungsbefugnis der BvS handele es sich nicht um eine Treuhand im herkömmlichen Sinne, die dem hoheitlich eingesetzten Treuhänder nur erlaube, anstelle der „Zwangstreugeberin" die dieser zustehenden Rechte hinsichtlich des Treuguts auszuüben. Vielmehr bewirke sie eine Verstrickung des Treuguts mit der Folge, daß die BvS als zuständiger Verwaltungsträger berechtigt sei, diese Verstrickung und die ihr damit zustehenden hoheitlichen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse gegenüber jedermann in der Form eines feststellenden Verwaltungsakts geltend zu machen. Daß mit den Vorschriften des Änderungsgesetzes zum PartG-DDR eine solche von der Person eines eigentlich Berechtigten unabhängige und damit eigenständige hoheitliche Beziehung zwischen dem Treuhänder und dem Treugut begründet worden sei, ergebe sich vorrangig aus dem Zweck, daneben aber auch aus der Ausgestaltung des Treuhandverhältnisses. Der Treuhänder solle nämlich nach Sicherstellung des Altvermögens dafür sorgen, daß es zum Zwecke der Wiedergutmachung an die früheren Berechtigten zurückgegeben oder gemeinnützigen Zwecken zur Verfügung gestellt werde. Nur soweit es nachweislich rechtsstaatlich erworben ist, solle es der Partei oder verbundenen Organisationen wieder zur Verfügung gestellt werden. Die Treuhandverwaltung komme daher einer der endgültigen Vermögensentziehung vorausgehenden und sie vorbereitenden Beschlagnahme gleich, die mit den entsprechenden hoheitlichen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnissen einhergehen müsse. Denn insbesondere mit dem Sicherungszweck des § 20b Abs. 2 PartG-DDR wäre es nicht zu vereinbaren, wenn man die BvS auf die Rechte verwiese, die der aus der Verfügungsbefugnis verdrängten Partei oder verbundenen Organisation zivilrechtlich zugestanden hätten. Die Bedeutung, die der Gesetzgeber diesem Sicherungszweck beimesse, finde ihren sinnfälligen Ausdruck darin, daß er einen Träger öffentlicher Verwaltung mit den Treuhandaufgaben betraut habe, der ohne Beleihung und ohne die Zwischenschaltung weiterer staatlicher Institutionen im Rahmen seiner Zuständigkeiten tätig werden könne. Die hoheitlichen Befugnisse, die der BvS hinsichtlich des Treuguts eingeräumt seien, umfaßten daher zugleich das Recht, die Zugehörigkeit eines Gegenstandes zu diesem Vermögen im Wege des Verwaltungsakts gegenüber Dritten festzustellen. Andernfalls würde der Zweck der gesetzlichen Regelung unterlaufen, den einfachen und schnellen Zugriff auf die zum Parteialtvermögen gehörenden Vermögenswerte zu ermöglichen.
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Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
I I I . Feststellungsbescheide in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren Soweit die Verwaltungsgerichte im Ansatz davon ausgehen, der Vorbehalt des Gesetzes verlange grundsätzlich eine spezielle Ermächtigung zum Erlaß eines Verwaltungsaktes, geben sie unterschiedliche Antworten auf die sich daran anschließende Frage, ob und wann auf eine Befugnisnorm verzichtet werden kann, wenn der Adressat selbst den Erlaß eines Feststellungsbescheides beantragt hatte.
1. Vorbescheide Im Bereich der präventiven Verbote mit Erlaubnisvorbehalt hat die höchstrichterliche Rechtsprechung aus der Kompetenz einer Behörde, eine bauliche Anlage, ein Vorhaben oder eine Tätigkeit zu genehmigen, ihre Befugnis abgeleitet, auf Antrag oder Anzeige des Betroffenen über einzelne Fragen der Genehmigungsfahigkeit oder Genehmigungsfahigkeit durch feststellenden Verwaltungsakt zu entscheiden50. In dieser Weise ist bereits in der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts 51 die Zulässigkeit und Verbindlichkeit der damals noch nicht kodifizierten baurechtlichen Vorbescheide begründet worden. Im Anschluß hieran hat das Bundesverwaltungsgericht 2 aus den §§ 16 ff. GewO a.F. eine Kompetenz der Genehmigungsbehörde abgeleitet, einzelne Fragen einer genehmigungspflichtigen Anlage durch einen für alle Beteiligten verbindlichen Vorbescheid zu regeln. Die Vorschriften über die Genehmigungsbedürftigkeit sprächen zwar nicht ausdrücklich davon, daß die Behörde einzelne klärungsbedürftige Fragen vorab entscheiden dürfe, ebenso wie die Bebauungsgenehmigung im Baugenehmigungsverfahren als zulässig anerkannt sei, so dürfe entsprechend den Belangen der Beteiligten auch in dem nicht bis ins einzelne ausdrücklich geregelten Genehmigungsverfahren nach den §§ 16 ff. GewO (a.F.) auf Antrag die Prüfung und Entscheidung auf die Feststellung beschränkt werden, ob dem Vorhaben Bedenken grundsätzlicher Art entgegenstünden. Die Zulässigkeit von derartigen Vorbescheiden 53 und
50 Zur Funktion und Wirkung positiver und negativer Vorbescheide vgl. oben Teil 2, E.I.; zur Befugnis zum Erlaß gesetzlich nicht geregelter Vorbescheide vgl. unten Teil 7, C., inbes. VI.l., VII.2. und VIII.2. 51 Grundlegend OVGE 104, 206 (208). 52 BVerwGE 24, 23 (26 ff.). 53 Zur historischen Entwicklung und Rechtsnatur des Vorbescheids als feststellenden Verwaltungsakt vgl. Schmidt-Aßmann, BVerwG-FS, S. 569 (574 ff.); Selmer/SchulzeOsterloh, JuS 1981, 393 ff.; Jarass, UPR 1983, 241 (241, 247 f.); ders., BImSchG, § 9 Rn. 1 ff.; Kutscheidt in Landmann/Rohmer, Bd. I, § 9 BImSchG, Rn. 4 f.; a.A.: Selmer,
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häufig auch das zu beachtende Verfahren oder der Umfang ihrer Bindungswirkung sind heute in den eine Anlagen- oder sonstige Vorhabenzulassung vorschreibenden Fachgesetzen (z.B. § 66 BauO N W (§ 65 MBauO), § 9 BImschG, § 7a AtomG) in der Regel ausdrücklich geregelt. Soweit in den Landeswassergesetzen entsprechende Ermächtigungen fehlen, werden die zuständigen Erlaubnis- bzw. Bewilligungsbehörden in der wasserrechtlichen Literatur meist gleichwohl als grundsätzlich befugt angesehen, auf Antrag durch Vorbescheid über einzelne Zulassungsvoraussetzungen vorab zu entscheiden54. Ausdrücklichen Ermächtigungen fehlen auch in den die Zulassung von Verkehrsflugzeugen regelnden Vorschriften des LuftVG und der LuftVZO. Gleichwohl hat das Bundesverwaltungsgericht anerkannt, daß die Luftverkehrszulassungsbehörde auf Antrag eine vorgezogene verbindliche Entscheidung über einen bei der Zulassung eines Verkehrsflugzeuges zu berücksichtigenden Teilaspekt - wie die Zulässigkeit seiner Geräuschemission - treffen könne, wenn für eine solche Vorabentscheidung ein gravierendes praktisches Bedürfnis bestehe und eine vorgezogene Feststellung dem Zweck des luftverkehrsrechtlichen ZulassungsVerfahrens nicht zuwiderlaufe 55. Ein solches gravierendes Interesse am Erlaß eines Vorbescheides bejahte das Bundesverwaltungsgericht in dem Ausgangsverfahren, in dem die Antragstellerin letztlich eine deutsche Verkehrszulassung für ein gebraucht erworbenes, seit 1974 in Dänemark zum Verkehr zugelassenen Propellerflugzeug begehrte. Dieses Flugzeug hielt die für eine Neuzulassung in Deutschland geltenden Lärmgrenzwerte nach dem Stand der Technik nicht ein. Die Klägerin machte geltend, ihr Zulassungsantrag dürfe nicht wegen dieser Nichteinhaltung der deutschen Emissionsgrenzwerte abgelehnt werden, weil baugleiche Luftfahrzeuge, die bereits vor der Einführung dieser strengen Emissionswerte eine deutsche Verkehrszulassung erhalten hätten, nach den einschlägigen deutschen Rechtsvorschriften aus Gründen des Bestandsschutzes ihre Zulassung uneingeschränkt behielten. Die Verweigerung der deutschen Zulassung für ein baugleiches Flugzeug, das bisher in einem anderen EG-Mitgliedstaat zugelassen sei, stelle als „Maßnahme gleicher Wirkung" ein nach Art. 30 EG-Vertrag (a.F.) unzulässiges Handelshemmnis dar. Das Bundesverwaltungsgericht war der Auffassung, der Antragstellerin sei die Einreichung eines vollständigen Zulassungsantrags solange
Vorbescheid und Teilgenehmigung, S. 15 ff. (Verbindung von definitiver Feststellung und grundsätzlicher Zusage); Vallendar in Feldhaus, § 9 BImSchG, Anm. 3 (gestaltender Verwaltungsakt). 54 Wernicke, DVB1. 1977, 914 (915 f.); Zeitler in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, Bayerisches Wassergesetz, Art.80 Rn. 18; Czychowski, WHG, § 9 Rn. 7 m.w.N. Allgemein zu gesetzlich nicht geregelten Vorbescheiden ebenso Salis, S. 304. 55 BVerwG, B. vom 25.09.1996, H C l 1/95, NVwZ 1997, 922 (Leitsatz); JURIS Nr. WBRE4100002680.
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nicht zuzumuten, als sie - wegen der ungeklärten Rechtsfragen insbesondere des Gemeinschaftsrechts darüber im ungewissen sei, ob die Zulassung nicht schon aus Lärmschutzgründen scheitere. Denn zum einen erfordere die Vorlage der vorgesehenen Prüfscheine einen gewissen - auch finanziellen - Aufwand; vor allem aber würde die Antragstellerin durch die als deutsche Zulassungsvoraussetzung vorgeschriebene Löschung ihres Flugzeugs im dänischen Register der Gefahr ausgesetzt, daß das Flugzeug seine bisherige dänische Zulassung verliere, ohne in absehbarer Zeit eine deutsche zu erlangen. Dem praktischen Bedürfiiis nach einer vorgezogenen verbindlichen Entscheidung habe das Luftfahrt-Bundesamt dadurch Rechnung getragen, daß es nicht auf der Vorlage eines vollständigen Zulassungsantrags bestanden, sondern - auf Basis der hierfür erforderlichen Nachweise - eine auf den Aspekt der Geräuschemissionen beschränkte ablehnende Entscheidung getroffen habe. Der nach erfolglosem Widerspruchsverfahren und erstinstanzlicher Klageabweisung nunmehr beim Berufungsgericht und im Revisionsverfahren gestellte Antrag, die zuständige Behörde zu einer Vorabentscheidung darüber zu verpflichten, daß das Flugzeug trotz seiner Betriebsgeräusche in Deutschland zugelassen werden könne, entspreche unter diesen besonderen Umständen der gebotenen zweckmäßigen Gestaltung des luftverkehrsrechtlichen Zulassungsverfahrens 56. In einer vergleichbaren, vom OVG Hamburg 57 gebilligten Praxis entscheidet die zuständige Behörde aufgrund einer konkreten „Voranfrage" von Fischereiunternehmen darüber, ob für ein bestimmtes Schiff,\ hinsichtlich dessen Kaufabsichten bestehen oder dessen Neubau geplant ist, eine Fangerlaubnis als Ersatzfahrzeug nach § 3 Abs. 1 Satz 5 Nr. 3 Seefischereigesetz erteilt würde. Auch in der Literatur zum VwVfG und zum allgemeinen Verwaltungsrecht wird zumeist die Auffassung vertreten, die Verwaltung sei auch ohne speziell gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß von Vorbescheiden, Teilverwaltungsakten und ähnlichen Grundlagenbescheiden befugt, soweit sich für eine solche Verfahrensgestaltung ein praktisches Bedürfiiis ergebe und die vorab getroffene Regelung einen Ausschnitt aus dem Regelungsgegenstand der gesetzlich geregelten Entscheidung darstelle. Die Ermächtigungsgrundlage zum Erlaß des endgültigen Bescheides umfasse dann die Befugnis, diese Teilregelung vorab zu treffen. 58
56 Nachdem der EuGH entschieden hatte, daß Art. 30 EGV (a.F.) einer Verweigerung der deutschen Zulassung nicht entgegenstehe, wies das Bundesverwaltungsgericht durch Urteil vom 15.7.1999 - 3 C 28/98, JURIS Nr. WBRE410005865 = GewArch 2000, 127 (128), die Revision zurück. 57 U. v. 24.09.1997 - Bf V 69/95, JURIS Nr. MWRE103419800 = NordÖR 1998, 359. 58 Achterberg, DÖV 1971, 397 (402); ders., Allg. VerwR, § 21 Rn. 121 f.; Osterloh, JuS 1983, 280 (285); Erichsen/Knoke, NVwZ 1983, 186 (191); P. Stelkens/U. Stelkens
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Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht zum bergrechtlichen Betriebsplanzulassungsverfahren entschieden, daß sich aus den materiellen Grundrechten und Art. 19 Abs. 4 GG kein Anspruch darauf ergebe, daß die Verwaltung auf Antrag auch dort über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen durch Vorbescheid entscheide, wo dies gesetzlich nicht vorgesehen sei59.
2. Negativatteste Bei Sachverhalten, bei denen streitig war, ob ein geplantes Vorhaben tatbestandlich von einem gesetzlichen Verbot mit Erlaubnisvorbehalt überhaupt erfaßt wurde oder Unklarheit darüber bestand, ob das Vorhaben aufgrund eines gesetzlichen Ausnahmetatbestandes, z.B. wegen seiner unwesentlichen Bedeutung, vom generellen Genehmigungserfordernis freigestellt war, hat die obergerichtliche Rechtsprechung der Genehmigungsbehörde teilweise die Kompetenz zugebilligt, auf Antrag desjenigen, der ein derartiges, möglicherweise genehmigungspflichtiges Vorhaben ausführen will, in einem sogenannten Negativattest verbindlich über die Genehmigungspflicht zu entscheiden 60.
3. Duldungsbescheide Nach den Landesbauordnungen bedarf die Errichtung, die Änderung, die Nutzungsänderung und der Abbruch bestimmter baulicher Anlagen einer Genehmigung, die nur erteilt werden darf, wenn dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Ein ohne die erforderliche Genehmigung errichtetes Vorhaben, das gegen die heute geltenden Rechtsnormen verstößt, kann daher auch dann keine Baugenehmigung erhalten, wenn es zu einem früheren Zeitpunkt dem materiellen Recht entsprach. Gleichwohl genießt eine Anlage, die früher mit dem materiellen Recht im Einklang stand, baurechtlich grundsätzlich Bestandsschutz. In diesem Fall soll der Bauherr
in Stelkens/Bonk/ Sachs, § 35 Rn. 183; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 44 Rn. 65; Salis y S. 306 ff. (m.w.N.); DruscheU S. 202 f. 59 B. v. 06.7.1977 - IV B 118/77, Buchholz 11, Art. 19 GG, Nr. 55 = BRS 32 Nr. 196. 60 So zur Erlaubnispflicht nach dem RBerG BGH, U. v. 3.4.1985 - I ZR 29/83, JURIS Nr. BORE940548509 = WM IV 1985, 1405; offengelassen in BVerwG, U. v. 16.08.1977 - I C 23.69, JURIS Nr. BWRE008460000 = BVerwGE 54, 264; a.A. zur Baugenehmigungspflicht BayVGH, U. v. 2.9.1986 - 26 B 83 A.2240, NVwZ 1988, 944: In Fällen, in denen die Genehmigungsfreiheit nicht völlig zweifelsfrei sei, stehe es dem Betroffenen frei, vor der Ausfuhrung des Vorhabens bei der Bauaufsichtsbehörde eine schriftliche Auskunft einzuholen. Dazu unten Teil 7, C., insbes. VI.2., VII.2. - X. 19 Kracht
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Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
nach der Rechtsprechung des hessischen Verwaltungsgerichtshofs gegenüber der Bauaufsichtsbehörde bei Stellung eines entsprechenden Antrags und Einreichung der erforderlichen Bauvorlagen einen Anspruch auf Erlaß eines Duldungsverwaltungsaktes haben, der'die Feststellung des Bestandsschutzes enthält61.
4. Unbedenklichkeitsbescheinigungen und Feststellungen des Bestehens oder Nichtbestehens eines pflichtnormrelevanten Rechtsverhältnisses Völlig uneinheitlich ist die Judikatur zu der Frage, ob die zuständige Behörde auf Antrag verbindlich darüber entscheiden darf, ob ein vom Antragsteller geplantes Vorhaben gegen ein absolut geltendes gesetzliches Verbot verstößt, für welches das Gesetz kein Genehmigungsverfahren vorsieht, bzw. auf Antrag über die vorgelagerte Frage, ob ein bestimmtes Rechtsverhältnis oder bestimmte Eigenschaften einer Sache bestehen, an deren Vorliegen ein Gesetz Verhaltenspflichten knüpft 62 : Dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17.8.1960 63 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Kläger waren Eigentümer zweier durch einen schmalen Geländestreifen verbundener Waldkomplexe mit einer Größe von 71 und 50 Hektar. Sie waren der Ansicht, beide Waldflächen zusammen besäßen die Eigenschaft eines Eigenjagdbezirkes i.S. des § 7 BJagdG, da es sich bei ihnen um zusammenhängende Grundflächen von mindestens 75 Hektar handele. A u f die Mitteilung, sie beabsichtigten nunmehr das Eigenjagdrecht auf ihren Flächen auszuüben, erwiderte das zuständige Landratsamt, daß sie hierzu aufgrund einer früheren Entscheidung nicht berechtigt seien, diese Entscheidung aber auf Antrag überprüft werden könne. Der daraufhin gestellte Antrag wurde durch einen Bescheid des Landratsamtes abgelehnt, welcher u.a. die dem Antrag widersprechende Feststellung enthielt, den Waldstücken komme mangels jagdlichen Zusammenhangs nicht die Eigenschaft eines Eigenjagdbezirkes zu. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof sah eine solche, zum Entscheidungszeitpunkt weder im BJagdG noch im Bayerischen Jagdrecht vorgesehene Feststellung der Rechtslage durch Verwaltungsakt als zulässig an 64 . Zwar seien 61 Hess. VGH, B. v. 10.11.1994 - 4 TH 1864/94, NVwZ-RR 1995, 321 (nur Leitsatz) = JURIS Nr. MWRE101509500 (Tatbestand und Gründe). Dazu unten Teil 7, C., insbes. VI.3. 62 Dazu unten Teil 7, C., insbes. V., VII. - X. 63 U v. 17.8.1960 - 195 IV 55, DVB1. 1960, 735 f. 64 U. v. 17.8.1960 - 195 IV 55, DVB1. 1960, 735 f. Vgl. nunmehr die ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung in Art. 3 Bayerisches Jagdgesetz (BayJG) vom 13.10.1978,
C. Verwaltungsakte zur Regelung allgemeiner gesetzlicher Pflichten
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feststellende Verwaltungsakte im allgemeinen nur dort zulässig, wo sie das Gesetz ausdrücklich vorsehe. Da jedoch von der Eigenschaft eines Reviers als Eigenjagdbezirk unmittelbar kraft Gesetzes Befugnisse des Eigentümers erwüchsen (Recht zur Ausübung der Jagd, Verpachtung usw.), könne dem Berechtigten nicht zugemutet werden, zuzuwarten, bis durch eine Verfügung der Jagdbehörde eine Verletzung dieser Rechte eintrete, die dann auf dem Wege der Anfechtungsklage zur Klärung der Frage führe, ob ein Eigenjagdrevier gegeben sei. Da die Durchführung der Jagdgesetze weitgehend in die Hand staatlicher Behörden gelegt sei, erfolge die Feststellung, daß einem Grundbesitz die Eigenschaft eines Eigenjagdbezirkes zukommt, durch Verwaltungsakt. Gleichfalls unter dem Gesichtspunkt des vorbeugenden Rechtsschutzes hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts 65 in einer später 66 aufgegebenen Judikatur fiir das Recht der gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften eine Befugnis der zuständigen Aufsichtsbehörde zum Erlaß gesetzlich nicht geregelter Feststellungsbescheide anerkannt. Das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz enthält nämlich zahlreiche Beschränkungen der wirtschaftlichen Betätigung und Gewinnentnahme für die als gemeinnützig anerkannten Wohnungsunternehmen. Nur in einzelnen Vorschriften sieht es die Erteilung von Ausnahmebewilligungen vor; im übrigen kennt es kein Genehmigungsverfahren zur vorherigen Klärung, ob ein vom Unternehmen geplantes Vorhaben gemeinnützigkeitsschädlich ist. Der 6. Senat führte dazu aus, das Gesetz bürde seinem reinen Wortlaut nach den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen das Risiko auf, durch gesetzwidrige Betätigungen eine u.U. existenzvernichtende Entziehung der Gemeinnützigkeit gem. § 19 Abs. 2 b) WGG auszulösen. Der Ausschluß eines vorbeugenden Rechtsschutzes wäre unter diesen Umständen mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar. Ob der erforderliche Rechtsschutz im Wege einer sofortigen Anrufung des Gerichts sachgerecht wäre, sei zweifelhaft. Stehe ein Verhalten, das keiner Genehmigung bedürfe, unter Sanktionsdrohung, so müsse jedenfalls dann, wenn eine gesetzwidrige Betätigung nicht mehr rückgängig zu machende Rechtsfolgen von erheblichem Gewicht auslösen
nach der Bestand, Umfang und Grenzen eines Jagdreviers (Jagdbezirks), falls erforderlich, durch die Jagdbehörde festgestellt werden. Gegenstand eines solchen feststellenden Verwaltungsaktes nach Art. 3 BayJG kann auch die Frage der Zugehörigkeit bestimmter Flächen zu einem Jagdbezirk sein (vgl. BayVGH, U. v. 20.8.1999 - 19 B 95.2879, BayVBl. 2000, 277 (278)). 65 BVerwG, U. v. 6.12.1978 - 8 C 24.78, BVerwGE 57, 158 (161 f.). 66 Durch U. v. 23.5.1986 - 8 C 5/85, NVwZ 1986, 1011 (1012). Vgl. auch die Kritik von Stelkens, NVwZ 1997, 471 f., der annimmt, die Behörde sei auf Antrag zum Erlaß einer als Verwaltungsakt zu qualifizierenden Zusicherung befugt; dementsprechend habe die potentiell durch den zugesicherten Verwaltungsakt begünstigte Antragstellerin einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung über den Erlaß einer solchen Zusicherung.
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Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
würde, eine Klärung im Verwaltungsrechtsweg ermöglicht werden. Verfassungskonform ausgelegt ermächtige das Gesetz, das die Aufsichtsführung insgesamt hoheitlich ausgestaltet habe, die zuständige Behörde auf Antrag des Wohnungsunternehmens Unbedenklichkeitsbescheinigungen in Form von Verwaltungsakten zu erlassen. Bei Erteilung einer solchen Unbedenklichkeitsbescheinigung werde festgestellt, daß das Vorhaben mit dem Gesetz vereinbar sei; bei ihrer Versagung werde dessen Gesetzwidrigkeit festgestellt und der Weg zu einer richterlichen Überprüfung eröffnet. Denn der Antragsteller könne den Ablehnungsbescheid anfechten und zugleich die Feststellung beantragen, daß sein Vorhaben nicht gegen das Gesetz verstoße. Mit einer ähnlichen Argumentation begründete der 22. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Urteil vom 18.8.198067 seine Auffassung, die ordnungsrechtliche Befugnisnorm des damaligen § 14 Abs. 2 des Gesetzes über die Arbeitszeit in Bäckereien und Konditoreien (BAZG) 6 8 ermächtige i.V.m. § 139b GewO auch zum Erlaß feststellender Verwaltungsakte, mit denen geklärt werden solle, ob die Produktion einer bestimmten Ware unter das Nachtbackverbot falle. Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin betrieb Anlagen zur industriellen Produktion von Backwaren, insbesondere von Brot und Semmeln. Eine der vorhandenen Backstraßen diente der ausschließlichen Produktion von sog. ,JSemmelknödelRohlingen". Es handelte sich hierbei um ein Vorprodukt, das ein anderes Großunternehmen der Lebensmittelbranche zur Herstellung von industriell gefertigten Knödeln verwendet. Die Klägerin beantragte eine verbindliche behördliche Feststellung, daß die Herstellung dieser Rohprodukte nicht unter die Beschränkungen des BAZG falle. Anlaß für diesen Antrag war eine verschärfte behördliche Überwachung, welche die Klägerin zu einer eigenen rechtlichen Überprüfung ihres Produktionsprozesses veranlaßten. Hierbei ging sie, ebenso wie der VGH, davon aus, daß ihre jetzige nächtliche Semmelknödelproduktion in Räumen, in denen auch Brot und Brötchen hergestellt wurden, gegen das BAZG verstieß, weil in Räumen, die auch der Herstellung von Bäcker- und Konditoreiwaren dienen, nach den gesetzlichen Vorschriften des BAZG zur Nachtzeit niemand arbeiten durfte. Eine legale nächtliche Produktion der Semmelknödel war deshalb für sie nur unter zwei Voraussetzungen möglich: In rechtlicher Hinsicht durfte es sich bei den Semmelknödel-Rohlingen nicht um Backwaren handeln und in tatsächlicher Hinsicht war eine räumliche Trennung von der normalen Brotherstellung erforderlich. Um diese tatsächliche Voraussetzung zu erreichen, hätte die Klägerin erhebliche bauliche Maßnahmen in
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BayVGH, U. v. 18.08.1980 - 22 B 1470/79, GewArch 1981, 18 = NJW 1981, 2076 (teilw. abgedruckt). 68 BGBl. III, 8050-8.
C. Verwaltungsakte zur Regelung allgemeiner gesetzlicher Pflichten
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ihrer Produktionsstätte vornehmen müssen. Diese Investitionen waren für sie nur rentabel, wenn eine bauliche Absonderung tatsächlich zu einer Befreiung vom Nachtbackverbot führte. Die Klägerin wollte eine Klärung dieser Frage daher bereits vor Vornahme dieser Investitionen erreichen. Der Bayerische VGH sah die Überwachungsbehörde als befugt und im konkreten Fall verpflichtet an, eine derartige Feststellung durch Verwaltungsakt zu treffen. Auch wenn das BAZG keine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung für einen solchen feststellenden Verwaltungsakt enthalte, ergebe sich eine den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts für die Berufsausübungsregelung genügende Ermächtigung aus dem Gesamtsystem des § 14 BAZG i.V.m. § 139b GewO. Denn nach § 14 Abs. 2 BAZG i.V.m. § 139b GewO hätten die Gewerbeaufsichtsämter zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufsichtsaufgabe u.a. die Befiignis, durch gesetzeskonkretisierende Verfügungen auf die Einhaltung der gesetzlichen Verbote des BAZG zu dringen. Die Ermächtigung zu ihrem Erlaß beinhalte - ebenso wie die zur Erteilung von Erlaubnissen und Ausnahmebewilligungen - die Befiignis der Verwaltung, die Rechtslage festzustellen und dementsprechend der verbindlichen Klärung und Durchsetzung, einer gesetzlichen Pflicht dienende Verfügungen auszusprechen oder zu unterlassen. Bei Vorliegen sachlicher Gründe könne es der Verwaltung daher nicht verwehrt werden, einzelne Fragen der dem Erlaß der konkretisierenden Verfügung vorausgehenden Feststellungsstufe zu isolieren und zum Gegenstand eines selbständigen Verwaltungsaktes zu machen. Ausgehend von der in der Rechtsprechung anerkannten Befugnis der Verwaltung, bei präventiven Verboten die Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens „dem Grunde nach" durch einen Vorbescheid festzustellen, müsse sich eine vergleichbare Befiignis, die Reichweite eines gesetzlichen Verbots auf Antrag eines Gewerbetreibenden festzustellen, auch bei repressiven, die Berufsausübung regelnden Verbotsnormen ergeben. Denn es wäre erst recht unverhältnismäßig, dem Betroffenen das Investitionsrisiko aufzubürden und Zweifel über die Reichweite des gesetzlichen Verbots erst nachträglich im Untersagungsverfahren zu klären. A u f den Erlaß eines derartigen feststellenden Verwaltungsaktes habe der Gewerbetreibende aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG jedenfalls dann einen Anspruch, wenn ernsthafte Zweifel an der Reichweite der die Berufsausübung beschränkenden Verbotsnorm bestünden und der Gewerbetreibende ein berechtigtes Interesse an der Klarstellung der Rechtslage besitze. Dies sei hier zu bejahen, da die Klägerin erst bei einer verbindlichen Stabilisierung der ungewissen Rechtslage absehen könne, ob die geplanten Investitionen für eine bauliche Separierung der der Semmelknödelproduktion dienenden Backstraße überhaupt lohnend seien. Diesem Anspruch auf Erlaß eines Feststellungsbescheides lasse sich nicht entgegenhalten, einem berechtigten Interesse nach rechtlicher Klarstellung sei bereits durch die Möglichkeit einer verwaltungsgerichtlichen Feststel-
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Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
lungsklage Rechnung getragen. Dieser Einwand übersehe, daß es für den Bürger sowohl unter Zeit- als auch unter Kostengesichtspunkten regelmäßig belastender sei, ein gerichtliches Verfahren durchzuführen, als wenn ihm die Möglichkeit eröffnet werde, die streitige Frage im Verwaltungswege auszutragen und dort vielleicht endgültig klären zu lassen69. Auch in der Literatur wird eine Befugnis zum Erlaß derartiger Unbedenklichkeitsbescheinigungen bejaht 70 . In einem vom baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall 71 wandte der klagende Grundstückseigentümer sich gegen eine Entscheidung der Naturschutzbehörde, in der diese die Abgrenzung eines gem. § 16 Abs. 1 a.F. BadWürttNatSchG gesetzlich geschützten Feuchtgebietes auf dem Grundstück des Klägers feststellte und ihm aufgab, eine ohne eine entsprechende Gestattung auf seinem Grundstück angelegte Zufahrt als nicht genehmigungsfahigen Eingriff wieder zu beseitigen. Nachdem es dem Kläger vor Erlaß dieser Verfügung lediglich um eine Abgrenzung des Feuchtgebietes ging, bestritt er im Rahmen seiner Anfechtungsklage das Vorhandensein eines Feuchtgebietes. Der VGH sah die Naturschutzbehörde im konkreten Fall als ermächtigt an, durch feststellenden Verwaltungsakt über die Abgrenzung des gesetzlich geschützten Gebietes auf dem Grundstück des Klägers zu entscheiden. Denn die sich mit dem Schutz der Feuchtgebiete befassenden Normen des Naturschutzgesetzes sähen die Möglichkeit eines hoheitlichen Einschreitens gegen einen Störer vor. Dann müsse es der Naturschutzbehörde auch möglich sein, den Schutzgegenstand jedenfalls dann in räumlicher Hinsicht verbindlich gegenüber dem Eigentümer festzulegen, wenn dieser insoweit zuvor ausdrücklich eine „konkrete schriftliche Festlegung" und eine kartographische Kennzeichnung „mit einer genauen Bemaßung" erbeten habe. An einer solchen Festlegung habe der Kläger im Hinblick auf die von ihm beabsichtigte Nutzung bzw. Umgestaltung seines Anwesens auch ein schutzwürdiges Interesse gehabt.
5. Befugnis nur zur Bestätigung dessen, was der Antragsteller für Rechtens hält? Nach allen vorgenannten Entscheidungen soll die zuständige Behörde auf Grund des Antrags des Betroffenen nicht nur zum Erlaß des begehrten begünstigenden Bescheids befugt sein, sondern ggf. auch zu der gegenteiligen 69
BayVGH, U. v. 18.08.1980 - 22 B 1470/79, GewArch 1981, 18 (22) = NJW 1981, 2076 (teilw. abgedruckt). 70 Engel, S. 164 ff.; Trzaskalik, S. 108 ff.; Peltner, JA 1982, 149; Drescher, DVB1. 1986, 727 (729); J. Martens, NVwZ 1982, 480 (483 ff.), ders., NVwZ 1987, 112; Schenke/Roth, WiVerw 1997, 81 (153 ff.). 71 U. v. 9.9.1992, 5 S 3088/90, NVwZ-RR 1993, 241 f.
C. Verwaltungsakte zur Regelung allgemeiner gesetzlicher Pflichten
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Feststellung, daß das Vorhaben oder die Sache bestimmten gesetzlichen Geoder Verboten unterliegt oder daß die Sache - entgegen der RechtsaufFassung des Antragstellers - eine bestimmte begünstigende Eigenschaft nicht aufweist. Im Hinblick auf das gesetzliche Zweckentfremdungsverbot für Wohnraum (Art. 6 § 1 MRVerbG i.V.m. einer landesrechtlichen Zweckentfremdungsverordnung) vertritt der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts die Gegenposition, ein Antrag eines Bürgers, welcher darauf gerichtet sei, eine ihm günstige Rechtslage zu bestätigen, gebe der Behörde keinesfalls die Befugnis, eine vom Inhalt des Feststellungsbegehrens abweichende Feststellung zu treffen. 72 In dem Verfahren des 2. Wohraumzweckentfremdungsurteils stritten die Parteien um die zweckentfremdungsrechtliche Beurteilung von Räumen im Hause der Klägerin. Deren Nutzung zu Bürozwecken war 1953 baurechtlich gestattet worden. Ohne Änderungsgenehmigung waren die Räume von 1956 bis 1979 zu Wohnzwecken vermietet und standen anschließend bis 1982 leer. Bereits 1980 teilte die Klägerin der beklagten Behörde mit, sie beabsichtige das zuvor ohne baurechtliche Genehmigung als Wohnraum vermietete Geschoß künftig wieder als Büro zu nutzen, sei aber bei Gewährung einer sog. Umwandlungsprämie bereit, die Räume als Wohnung zu vermieten. Die Beklagte antwortete, es handele sich bereits um Wohnraum, dessen gewerbliche Nutzung als unerlaubte Zweckentfremdung eine Ordnungswidrigkeit darstellen würde. Sodann beantragte die Klägerin, die Beklagte möge ihr „bestätigen, daß das angedrohte Bußgeldverfahren bei der Vermietung der Räumlichkeiten als Büroräume nicht in Betracht komme". Daraufhin erließ die Beklagte am 16.09.1980 einen mit Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheid, in dem sie u.a. förmlich feststellte, „daß die Erdgeschoßräume ... Wohnräume sind und dem Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum unterliegen."
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren und Abweisung der Anfechtungsklage durch die Vorinstanzen hob das Bundesverwaltungsgericht im Revisionsverfahren diesen Teil des Feststellungsbescheides auf Der 8. Senat ging davon aus, daß feststellende Verwaltungsakte jedenfalls dann einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, wenn ihr Inhalt etwas als Rechtens feststelle, was der Betroffene erklärtermaßen für nicht Rechtens halte 73. Ausgehend von seiner Rechtsprechung, daß das MRVerbG keine gesetzliche Grundlage biete, durch
72
BVerwG, U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83, JURIS Nr. WBRE101128602 (vollständiger Sachverhalt und Entscheidungsgründe) = BVerwGE 72, 265 = NJW 1986, 1120 = DVB1. 1986, 560 = DÖV 1986, 570 = BayVBl. 1986, 536; zustimmend Schenke/Roth, WiVerw 1997, 81 (173), Druschel, S. 212 f.; a.A. Drescher, DVB1. 1986, 727 (729); J. Martens, NVwZ 1987, 106; Christiane Fischer, S. 73 ff.; kritisch auch P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 143. 73 Zu dieser in der Begründung des Eingriffstatbestandes vgl. bereits oben B. vor I.
296
Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
konkretisierende Verfugung gegen Verbotsverstöße vorzugehen 74, sah der 8. Senat in den Pflichtnormen auch keine Ermächtigung zum Erlaß von Feststellungsbescheiden. Ein Schluß von der Zulässigkeit einer - auf die ordnungsbehördliche Generalklausel gestützten - Untersagungsverfügung auf eine als milderer Eingriff den Vorzug verdienende förmliche Feststellung der Unzulässigkeit komme hier schon nach den konkreten Umständen des Einzelfalls nicht in Betracht. Denn die Klägerin habe die Räume bei Erlaß der Verwaltungsentscheidung nicht gewerblich genutzt, so daß zu dieser Zeit auch keine Untersagungsverfügung hätte ergehen dürfen. Die Feststellung ließe sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Einverständnisses damit rechtfertigen, daß die Klägerin hier selbst den Erlaß eines Feststellungsbescheides beantragt hatte. Es könne nämlich keine Rede davon sein, daß derjenige, der von einer Behörde die Bestätigung einer ganz bestimmten, von ihm für vorteilhaft gehaltenen Rechtsauffassung erbitte, dadurch sein Einverständnis mit einer inhaltlich abweichenden Feststellung durch Verwaltungsakt treffe. Die Gegenposition, die auf das Bedürfnis des Betroffenen abstelle, eine Klärung der Rechtslage bereits vor einer eingreifenden Verfügung zu erlangen, vernachlässige das Institut des vorbeugenden Rechtsschutzes durch die Verwaltungsgerichte. Denn die VwGO mache die Befriedigung des Rechtsschutzbedürfhisses, zu dem es kommen könne, wenn die Behörde aufgrund einer von ihr offengelegten Rechtsauffassung einzuschreiten drohe, nicht davon abhängig, daß zuvor ein feststellender Verwaltungsakt gewissermaßen zwischengeschaltet werde. Das Rechtsschutzbedürfiiis werde ohne eine Regelungsbefugnis der Verwaltung sogar besser erfüllt, weil die Inanspruchnahme eines vorbeugenden gerichtlichen Rechtsschutzes für den Betroffenen zwar stets möglich, nicht aber wegen drohender Bestandskraft notwendig sei. Im 3. Wohnraumzweckentfremdungsurteil vom 1.10.198675 hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts schließlich eine Befugnis der zuständigen Behörde anerkannt auf Antrag dem Betroffenen seinen Rechtsstandpunkt durch eine Unbedenklichkeitsbescheinigung verbindlich zu bestätigen. Aus besonderen Gründen, wie der vom Berufungsgericht festgestellten ständigen Übung der zuständigen Behörde, könne sich sogar ein Anspruch auf Erlaß eines solchen Feststellungsbescheides ergeben.
74 BVerwG, U. v. 12.12.1979 - 8 C 77/78, NJW 1981, 242 f.; vgl. dazu oben C.II.2.b). 75 U. v. 1.10.1986 - 8 C 53/85, NJW 1987, 969.
D. Entscheidungen einer beurkundenden oder registerführenden Behörde
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D. Entscheidungen einer beurkundenden oder registerführenden Behörde Unter Bezugnahme auf die für den Erlaß feststellender Verwaltungsakte eine Ermächtigung fordernde Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nehmen die süddeutschen Verwaltungsgerichtshöfe an, aus der Kompetenz zur Führung des Melderegisters sei eine Kompetenz der Meldebehörde abzuleiten, in Form der Feststellung der Hauptwohnung durch Verwaltungsakt eine verbindliche Regelung der einzutragenden Rechtslage zu treffen; insbesondere sei eine Fortschreibung des Melderegisters in Form einer von Amts wegen erfolgenden Abmeldung als ein feststellender Verwaltungsakt, daß der Betroffene in der Gemeinde keinen Wohnsitz habe, einzustufen 1. Denn für den Betroffenen ergäben sich aus dem Bescheid unmittelbare Rechtswirkungen, nämlich ein Wegfall der örtlichen Zuständigkeit, des örtlichen Wahlrechts und weiterer, nach dem jeweiligen Kommmunalverfassungsrecht bestehender Rechte2. Demgegenüber lehnen andere Oberverwaltungsgerichte eine Befugnis zum Erlaß eines Feststellungsbescheids ab, weil die Eintragung in das Melderegister und eine von Amts wegen erfolgende Berichtigung und Fortschreibung selbst nur als ein tatsächliches Verwaltungshandeln zu qualifizieren seien3.
1
VGH BW, U. v. 21.7.1986 - 1 S 3060/85, NJW 1987, 209; U. v. 24.3.1987 1 S 134/86, NVwZ 1987, 1007 f. (m.w.N.); U. v. 21.4.1992 - 1 S 2186/91, NVwZ-RR 1992, 480; B. v. 30.11.1992 - 1 S 2567/92,NVwZ 1993, 797; BayVGH, B. v. 27.7.1998 - 5 ZS 98.1714, NVwZ 1998, 1318; Hess. VGH, B. v. 26.9.1989 - 11 TH 2862/89, NVwZ 1990, 182; ebenso VG Gießen, U. v. 22.11.1988 - IV/2 E 480/88, NVwZ-RR 1989, 367 (368) und VG Freiburg, U. v. 4.2.1987 - 6 K 127/86, NVwZ 1987, 1017: Zulässigkeit einer Feststellung der Hauptwohnung durch Verwaltungsakt. Dazu unten Teil 7,1. 2 BayVGH, B. v. 27.7.1998 - 5 ZS 98.1714, NVwZ 1998, 1318; Hess. VGH, B. v. 26.9.1989 - 11 TH 2862/89, NVwZ 1990, 182; ebenso VG Gießen, U. v. 22.11.1988 IV/2 E 480/88, NVwZ-RR 1989, 367 (368). 3 OVG NW, U. v. 5.4.1989 - 18 A 1362/88, NVwZ 1989, 1082; B. v. 24.8.1989 18 B 3719/88, NVwZ 1990, 181; OVG MV, B. v. 21.6.1999 - 1 M 63/99, DÖV 1999, 1009; ebenso Medert/Süßmuth, § 9 MRRG Rn. 12, § 10 Rn. IIb (m.w.N.); anders jedoch die Tendenz von Medert/Süßmuth hinsichtlich der Bestimmung der Hauptwohnung durch Verwaltungsakt in der Erläuterung zu § 12 MRRG Rn. 42 ff.).
Teil 4: Grundpositionen und Fallgruppen
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E. Gang der weiteren Untersuchung Ausgangspunkt der Untersuchung sind die von Amts wegen ergehenden konkretisierenden Verfügungen und Feststellungsbescheide zur Regelung allgemeiner gesetzlicher Pflichten. Wenn die Behörde einen im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehenen Feststellungsbescheid sogar von Amts wegen erlassen darf, so bleibt sie zum Erlaß dieser verbindlichen Regelung selbstverständlich in den Fällen befugt, in denen ein von der Regelung Betroffener zuvor den Antrag gestellt hatte, eine ihm günstige Feststellung zu treffen. Umgekehrt kann jedoch ein Antrag des Bürgers, die Rechtslage durch Verwaltungsakt festzustellen, die Regelungskompetenzen der zuständigen Behörde möglicherweise erweitern. Daher beschränkt sich die Darstellung in den Teilen 5, 6 und 7 A.-B. zunächst auf Verwaltungsakte, die in einem Verwaltungsverfahren ergehen, das von Amts wegen oder unabhängig von einem gestellten Antrag durchgeführt wurde. Denn erst wenn feststeht, in welchen Fallkonstellationen die Verwaltung durch die geltenden Gesetze noch nicht zum Erlaß eines Verwaltungsaktes befugt ist, kann sinnvoll erörtert werden, ob ein Feststellungsantrag hier eine befugniserweiternde Wirkung haben kann 1 .
1
Dazu unten Teil 7, C.
Teil 5
Die Eingriffswirkungen konkretisierender Verfügungen und belastender Feststellungsbescheide A. Die Merkmale des Eingriffstatbestandes Aufbauend auf die in Teil 3 dargestellten verfassungsrechtlichen Grundlagen und den Überblick über die in Rechtsprechung und Literatur gebrauchten Argumente in Teil 4 soll nun in den Teilen 5 und 6 der vorliegenden Untersuchung geprüft werden, ob die Verwaltung nach der allgemeinen Grundrechtslehre vom Vorbehalt des Gesetzes für den Erlaß feststellender Verwaltungsakte und konkretisierender Verfügungen einer speziellen gesetzlichen Ermächtigung bedarf. Weil das Grundgesetz in den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten den rechtsstaatlichen Vorbehalt des Gesetzes rezipiert und weiterentwickelt hat, bildet der „klassische", bürgerlich-liberale Begriff des Eingriffs in Teil 5 den Ausgangspunkt dieser Untersuchung. Seine Merkmale sind die Imperativität, Rechtsförmigkeit, Finalität und Unmittelbarkeit; „klassische" Eingriffe sind mit Befehl und Zwang angeordnete bzw. durchgesetzte Rechtsakte, deren freiheitsbeschränkende Wirkungen als final intendierte und unmittelbare Folgen dieser Hoheitsakte aufzufassen sind1. Angesichts der vermehrten Übernahme einer staatlichen (Mit-)Verantwortung für gefahrliche Handlungen privater Rechtssubjekte und der Zunahme nicht imperativ regelnder Staatstätigkeit ist zwar heute allgemein anerkannt, daß der Grundrechtsschutz nicht auf die Abwehr von Eingriffen in diesem überkommenen Sinne beschränkt ist. Ein effektiver Grundrechtsschutz muß auch gegenüber bestimmten Beeinträchtigungen der allgemeinen Handlungsfreiheit oder spezieller Freiheitsrechte gewährleistet sein, die als faktische Auswirkungen schlicht-hoheitlichen staatlichen Handelns oder als nicht intendierte,
1 Zu diesen Merkmalen des klassischen Eingriffsbegriffs vgl. Bleckmann, Staatsrecht II, § 12 Rn. 34-39; Isensee in HStR V, § 111 Rn. 61; Held, S. 111; Ramsauer, Faktische Beeinträchtigungen, S. 28 ff.; ders. y VerwArch 72 (1981), 89 ff.; Bethge, Der Grundrechtseingriff, VVDStRL 57, 7 (38).
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Teil 5: Die Eingriffswirkungen
„mittelbare" Folgen einer hoheitlichen Regelung zu qualifizieren sind2. Das Bestehen neuartiger Sachprobleme und Schutzbedürfiiisse ist beispielsweise für den Bereich staatlicher Warnungen vor Produkten allgemein anerkannt; diese sollen final und unmittelbar das Verhalten der Verbraucher beeinflussen, gleichwohl ist ein Schutzbedürfiiis der Hersteller und Händler zumindest vor unrichtigen Warnungen wegen der vorhersehbaren, vom Staat aber nur mittelbar über ein den Warnungen entsprechendes Verhalten der Verbraucher verursachten Auswirkungen auf Berufsfreiheit und Eigentum der Hersteller und Händler nicht zu übersehen3. In Rechtsprechung und Lehre ist allerdings bislang nicht abschließend geklärt, in welchen Fällen ein Schutz vor neuartigen Gefährdungen von Grundrechten geboten ist und in welcher Weise er dogmatisch am besten erreicht werden kann. Fraglich ist insbesondere, ob und in welcher Weise dies durch eine neue Interpretation der Kategorie des „Grundrechtseingriffs" und einer Anwendung des Gesetzesvorbehalts auf neuartige Freiheitseinschränkungen geschehen kann. Die unterschiedlichen Positionen, wie sie beispielsweise auf der Staatsrechtslehrertagung 1997 vertreten wurden, lassen sich mit Blick auf den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung in drei Gruppen zusammenfassen: Die erste Gruppe plädiert für eine Ausdehnung des Tatbestands des Grundrechtseingriffs, wobei insbesondere die Merkmale der Finalität (bei faktischen Grundrechtsbeeinträchtigungen) und der Unmittelbarkeit des Eingriffs (bei staatlichen Warnungen und Empfehlungen) in Frage gestellt werden. Eingriff soll danach jedes staatliche Handeln sein, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, unmöglich macht4, den Grundrechtsgebrauch nachhaltig einschränkt 5 oder beeinträchtigt 6. Nach einer ande-
2
Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, S. 11 ff., 94 ff.; Pieroth/ Schlink, Rn. 256 ff.; Bleckmann, § 12 Rn. 40 ff.; Pietzcker, Bachof-FS, S. 131 (138 ff.); Isensee in HStR V, § 111 Rn. 59 ff.; Bethge, Der Grundrechtseingriff, VVDStRL 57 , 7 (37 ff.); Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 85 ff. 3 Wahl, VVDStRL 57, 118 f.; Isensee, VVDStRL 57, 107 (110); BVerwG, U. v. 18.10.1990 - 3 C 2.88, NJW 1991, 1766 (1767 ff.) - Glykol-Wein. Zur Problematik der Warnungen der Bundesregierung vor dem Wirken einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft vgl. BVerwG, U. v. 23.5.1989 - 7 C 2/87, BVerwGE 82, 76 = NJW 1989, 2272 (2273) - „Jugendsekte" und BVerfG (1. Kammer), B. v. 15.8.1989 1 BvR 881/89, NJW 1989, 3269; B. v. 13.3.1991 - 7 B 99/90; NJW 1991, 1770 (OshoBewegung). 4 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 240. 5 BVerwG, U. v. 18.10.1990 - 3 C 2.88, NJW 1991, 1766 (1768) - Glykol-Wein. Auch die Entscheidungen BVerwG, U. v. 23.5.1989 - 7 C 2/87, BVerwGE 82, 76 (79) = NJW 1989, 2272 (2273) - „Jugendsekte"; dazu BVerfG (1. Kammer), B. v. 15.8.1989 1 BvR 881/89, NJW 1989, 3269; B. v. 13.3.1991 - 7 B 99/90; NJW 1991, 1770 (OshoBewegung) basieren auf einem gegenüber dem klassischen Eingriff erweiterten Tatbestand des Grundrechtseingriffs. Sie verzichten aber auf eine dem Vorbehalt des Gesetzes
A. Die Merkmale des Eingriffstatbestandes
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ren Formulierung erfüllen alle gegen den Willen des Grundrechtsträgers erfolgenden, nicht unerheblichen Einwirkungen auf ein Schutzgut den Eingriffstatbestand7. Eine solche Erweiterung setze eine sinnvolle Begrenzung des Schutzbereichs voraus 8. Zugleich wird anerkannt, daß nicht alle mit dem klassischen Eingriff verbundenen Rechtsfolgen auf einen so erweiterten Eingriffstatbestand passen. So könne der Vorbehalt des Gesetzes auf objektiv nicht vorhersehbare Grundrechtsbeinträchtigungen nicht angewandt werden 9; derartige Grundrechtseingriffe würden keine Unterlassungsansprüche begründen, aber bei einer fortwirkenden Störung Beseitigungsansprüche und sekundäre Schadensersatzoder Entschädigungsansprüche auslösen10. Ausgehend von diesem Ergebnis, daß die Rechtsfolgen des Eingriffsvorbehalts, nämlich die Notwendigkeit einer vorherigen gesetzlichen Ermächtigung, auf derartige nicht final intendierte Grundrechtsbeschränkungen nicht passen, hält die zweite Gruppe es für sinnvoller, im Kern den klassischen Eingriffstatbestand beizubehalten und nur begrenzt um solche Einwirkungen auf den Schutzbereich eines Grundrechtes zu ergänzen, auf die auch die im GG für den Grundrechtseingriff vorgesehenen formellen Schutzmechanismen, nämlich das Zitiergebot und der Gesetzesvorbehalt, passen. Daneben stünden andere Formen von Grundrechtsbeeinträchtigungen, für die es ggf. sinnvoller sei, aus den einzelnen Grundrechten andersartige Abwehr- oder Folgenbeseitigungsansprüche abzuleiten, welche die für „klassische" Eingriffe unverändert fortgeltenden Gesetzesvorbehalte ergänzen müßten. Der Tatbestand des Grundrechtseingriffs wäre danach eine qualifizierte Grundrechtsbeeinträchtigung mit bestimmten spezifischen Rechtsfolgen 11. Die dritte Gruppe schließlich bezweifelt, daß es überhaupt noch möglich ist, einen fest umrissenen, für alle Freiheitsrechte geltenden Begriff des Grundrechtseingriffs zu entwickeln. Wegen des engen Zusammenhangs von Schutzbereich, Eingriff und Eingriffsrechtfertigung sei es dogmatisch nicht hilfreich,
entsprechende Rechtsfolge der Notwendigkeit einer einfach-gesetzlichen Ermächtigung und lassen die aus dem GG abzuleitende Aufgabe der Bundesregierung, auch durch Öffentlichkeitsarbeit gesellschaftliche Entwicklungen und das Verhalten der Öffentlichkeit zu beeinflussen, grundsätzlich als unmittelbare verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs genügen. 6 Müller-Franken, NWVB1. 1997, 239 (240); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 246. 7 Isensee in HStR V, § 111 Rn. 59. 8 Isensee, WDStRL 57, 107 (109 f.). 9 Isensee, WDStRL 57, 107 (109); Sachs, WDStRL 57, 144 (145). 10 Sachs, WDStRL 57, 144 (145). 11 Zippelius, WDStRL 57, 111 f.; Gallwas, WDStRL 57, 116 f.; Kloepfer, WDStRL 57, 120 ff.; Arbeiter, S. 129 ff.; Lerche in HStR V, § 121 Rn. 50.
302
Teil 5: Die Eingriffswirkungen
unabhängig von den speziellen Umschreibungen der Schutzbereiche der einzelnen Grundrechte mit einem allgemeinen, vor die Klammer gezogenen erweiterten Begriff des Eingriffstatbestands zu arbeiten, der alle mittelbaren oder indirekten Auswirkungen auf die grundrechtlich geschützte Sphäre einbeziehe. Vorrang habe die exakte Bestimmung des Gewährleistungsbereichs der Einzelgrundrechte, die ggf. Ausgangspunkt für eine differenzierende, kontextbezogene Erweiterung des Schutzes einzelner Grundrechte über den Tatbestand des klassischen Grundrechtseingriffs hinaus sein könne 12 . In der verfassungsrechtlichen Diskussion besteht damit jedenfalls in zwei Punkten Einigkeit. Zunächst wird betont, daß der Grundrechtseingriff eine Berührung des Schutzbereichs voraussetze, so daß dessen Bestimmung in der Grundrechtsprüfung Priorität zukomme. Desweiteren herrscht Übereinstimmung, daß zur Effektuierung des Grundrechtsschutzes nur Ergänzungen des klassischen, mit dem Vorbehaltsprinzip verbundenen Eingriffstatbestandes erforderlich sind. Diese ersetzen ihn nicht, sondern führen entweder tatbestandlich - für alle oder spezielle Freiheitsrechte - zu einem erweiterten Eingriffsbegriff oder zu einer Ergänzung des grundrechtlichen Schutzes durch sekundäre Beseitigungs-, Schadensersatz oder Entschädigungsansprüche gegenüber sonstigen Grundrechtsbeeinträchtigungen, insbesondere mittelbaren und faktischen Auswirkungen eines staatlichen Handelns. Jedenfalls gilt der Vorbehalt des Gesetzes unter dem Grundgesetz weiterhin uneingeschränkt in allen Fällen, in denen eine staatliche Maßnahme schon die Merkmale der klassischen Eingriffsdefinition erfüllt 13. Folglich ist im Rahmen der vorliegenden Untersuchung zweckmäßigerweise zunächst zu überprüfen, ob konkretisierende Verfügungen und feststellende Verwaltungsakte schon als klassische Eingriffe anzusehen sind. Denn nur wenn dies nicht der Fall wäre, müßte man gesichertes Terrain verlassen und eine Ausdehnung des Eingriffstatbestands und eine damit ggf. verbundene Erweiterung des Anwendungsbereichs des grundrechtlichen Schutzmechanismus des Vorbehalts des Gesetzes erwägen.
12 Bethge, VVDStRL 57, 37 ff.; Wahl, VVDStRL, 57, 117 (119 f.); Albers, DVB1. 1996, 233 (237 ff.); ähnlich Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 85 ff. (95 ff.). Merten, VVDStRL 57, 112 f., betont, bereits in der deutschen Verfassungsentwicklung des 19. Jahrhunderts hätten Grundrechte nicht nur eine Schutzfunktion gegenüber „klassischen" Eingriffen gehabt. Der klassische Grundrechtseingriff sei kein historischer Rechtsbegriff, sondern nachträglich im Hinblick auf den Verwaltungsakt und den verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz konzipiert worden. Als eine „Zweckschöpfung" (Bethge, VVDStRL 57, 37 (52)) sei er aber auch heute noch brauchbar, weil jedenfalls bei Erfüllung seiner Merkmale ein Eingriff vorliege. 13 Bleckmann, § 12 Rn. 40; Bethge, VVDStRL 57, 7 (45 ff.); Isensee,, VVDStRL 57, 107(111).
A. Die Merkmale des EingrifFstatbestandes
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Wie in Teil 4 dargestellt, wird in Rechtsprechung und Lehre eine Eingriffswirkung belastender Feststellungsbescheide und konkretisierender Verfügungen mit den folgenden, sich z.T. überschneidenden Argumenten begründet: •
der Wirkung des Verwaltungsakts als eines zusätzlichen Rechtsgrundes zu der gesetzlichen Rechtspflicht 14,
•
der Bestandskraft fähigen, fehlerunabhängigen Regelungsinhalts des Verwaltungsaktes 15 und
•
der daraus resultierenden Anfechtungslast des Adressaten 16.
Verbindlichkeit
des
Bei Verwaltungsakten, die zur Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen werden, komme •
die Unterbrechung der Verjährung
17
hinzu
sowie bei den befehlenden Verwaltungsakten •
das der Verwaltung eingeräumte Vorrecht der Selbsttitulierung vollstreckung™.
14
und Selbst-
Löwenberg, S. 44 ff 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil des Bundesverwaltungsgerichts v. 29.11.1985 - 8 C 105.83 (BVerwGE 72, 265 (267); vgl. Teil 4, C.III.6. m.w.N.); BSGE 55, 32 (35 f.); OVG Lüneburg, U. v. 15.3.1988 - 10 A 14/87, NVwZ 1989, 880 (881); VGH BW, B. v. 29.12.1989 - 10 S. 2252/89, NVwZ 1990, 388; Hennig, SGb. 1962, 68 (70); Rupp, DVB1. 1963, 577 (578 f.); Renck, JuS 1965, 129 (131); Löwenberg, S. 46 ff; Pietzner, JA 1973, 413; Arnold, UFITA 97 (1984), 87 (96 f.); Grosser, VerwArch 17 (1984), 329 (339 f.); Drescher, DVB1. 1986, 727 (729); /////, DVB1. 1989, 321 (322 ff.); Rubel, JA-Ü 1990, 86 (87); Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 15 Rn. 4; Appel/Melchinger, VerwArch 84 (1993), 349 ( 368 ff.); Druschel, S. 54 ff.; Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 234 ff. 276 ff, 298; Christiane Fischer, S. 56 f., 70 ff.; differenzierend Arbeiter, S. 131 ff, 137 ff.: Eingriff bei gesetzlich nicht exakt und eindeutig bestimmten Pflichten. 16 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil des Bundesverwaltungsgerichts v. 29.11.1985 - 8 C 105.83 (BVerwGE 72, 265 (267); vgl. Teil 4, C.III.6. m.w.N.); OVG Lüneburg, U. v. 15.3.1988 - 10 A 14/87, NVwZ 1989, 880 (881), U. v. 19.6.1996 13 L 6935/95, NJW 1996, 2947; VGH BW, B. v. 29.12.1989 - 10 S. 2252/89, NVwZ 1990, 388; Renck, JuS 1965, 129 (131 f.); Pietzner, JA 1973, 413; Löwenberg, S. 49 f.; Peltner, JA 1982, 149; Arnold, UFITA 97 (1984), 87 (96 f.); Grosser, VerwArch 17 (1984), 329 (340); Hill, DVB1. 1989, 321 (322 ff.); Rubel, JA-Ü 1990, 86 (87); Druschel, S. 54 ff.; Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 19, 292, 294 ff. 17 Vgl. Pietzner, JA 1973,413; Christiane Fischer, S. 59. 18 OVG Lüneburg, U. v. 15.3.1988 - 10 A 14/87, NVwZ 1989, 880 (881); VGH BW, B. v. 29.12.1989 - 10 S. 2252/89, NVwZ 1990, 388; Renck, JuS 1965, 129 (131); Pietzner, JA 1973, 413; Osterloh, JuS 1983, 280 (283 f.); Arnold, UFITA 97 (1984), 87 (97); Grosser, VerwArch 17 (1984), 329 (339 f.); Rubel, JA-Ü 1990, 86 (87); a.A. Druschel, S. 48 ff. 15
Teil 5: Die Eingriffswirkungen
304
Die Untersuchung, ob der Erlaß eines Feststellungsbescheides oder einer konkretisierenden Verfügung als Eingriff in ein Grundrecht zu qualifizieren ist, kann auf Grundlage der klassischen Eingriffsdefinition nicht anhand der Funktionen der Handlungsform Verwaltungsakt erfolgen 19, sondern muß bei den rechtsformspezifischen Rechtsfolgen und Wirkungen ansetzen. Ordnet man diese Wirkungen den betroffenen Grundrechten zu, so kommen folgende Freiheitsbeschränkungen als Eingriffe im Sinne des Vorbehaltsprinzips in Betracht: •
der Inhalt der im Verwaltungsakt getroffenen verbindlichen Regelung als Eingriff in das von der Regelung betroffene Grundrecht,
•
die Anfechtungslast als Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit,
•
die zeitliche Beschränkung der Anfechtbarkeit als Eingriff in das formelle Hauptgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG,
•
die Unterbrechung der Verjährung als Eingriff in das von der Regelung betroffene Grundrecht und schließlich
•
Einschränkungen der Grundrechte, in deren Schutzbereich die Verwaltung nach Erlaß einer konkretisierenden Verfügung durch Maßnahmen zu deren Vollstreckung eingreifen kann.
B. Der belastende Verwaltungsakt als Eingriff in das von der Regelung betroffene Grundrecht I. Konkretisierende Verfügungen Die Frage, ob die Verwaltung einer speziellen gesetzlichen Ermächtigung bedarf, wenn sie eine kraft Gesetzes bestehende Rechtslage durch Verwaltungsakt verbindlich regeln will, wird seit den sechziger Jahren kontrovers erörtert, wobei sich die Diskussion phasenweise jeweils auf Verwaltungsakte mit unterschiedlichen Regelungsinhalten konzentrierte. Wie in Teil 4 dargestellt, begann die verfassungsrechtliche Diskussion mit zwei Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 19641, in denen die Befugnis des
19
So aber aber Druschel, S. 42 ff., der sich unter den funktionsbezogenen Überschriften dann doch mit Wirkungen des Verwaltungsaktes befaßt. Hierbei leidet seine Untersuchung auch darunter, daß er die Wirkungen des Verwaltungsaktes meist nur diffus als belastende Wirkungen oder Nachteile beschreibt, ohne klar zu subsumieren, in welche Freiheitsrechte oder grundrechtlich geschützte Rechtspositionen möglicherweise durch welche Rechtsfolgen und Wirkungen des Verwaltungsaktes eingegriffen wird.
B. Der Eingriff in das von der Regelung betroffene Grundrecht
305
Dienstherrn bejaht wurde, einen Soldaten bzw. Beamten durch Leistungsbescheid zum Ersatz von Eigenschäden zu verpflichten. Die Überlegungen wurden bald auf Erstattungsbescheide ausgedehnt, mit denen die Verwaltung zu Unrecht gezahlte Geldleistungen zurückfordert. Als Frage des allgemeinen Verwaltungsrechts wurde damit aber über lange Zeit nur die Befugnis zur Geltendmachung öffentlich-rechtlicher Zahlungspflichten durch Verwaltungsakt problematisiert. Erst später wurde erkannt, daß die gleichen Prinzipien für alle befehlenden Verwaltungsakte gelten müssen, mit denen gesetzliche Pflichten konkretisiert werden 2. Befehlende Verwaltungsakte, welche ein mit Mitteln des Verwaltungszwanges vollstreckungsfahiges Ge- oder Verbot enthalten und den Adressaten so zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen verpflichten, stellen die typische Erscheinungsform des klassischen Eingriffs durch einen hoheitlichen Rechtsakt dar 3. Sie regeln eine bestimmte Handlungspflicht verbindlich, ihr Regelungsinhalt enthält einen Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 1 GG oder ein spezielles Freiheitsrecht geschützte Handlungsfreiheit des Adressaten. Deshalb bewirkt eine formell oder materiell rechtswidrige konkretisierende Verfügung, wie jeder andere belastende Verwaltungsakt, nach allgemeiner Meinung einen unzulässigen Eingriff in das von der Regelung betroffene Grundrecht des Adressaten; dieser hat gegenüber einer ihn belastenden rechtswidrigen Verfügung einen grundrechtlichen Abwehr- und Aufhebungsanspruch. Um zu ermitteln, ob der Gebrauch der Handlungsform Verwaltungsakt durch dessen rechtsformspezifische Regelungswirkungen generell einen Eingriff bewirkt, muß der Versuch unternommen werden, die Verhaltenspflichten des Bürgers vor und nach seinem Erlaß zu vergleichen. Das Vorbehaltsprinzip kann nur dann gelten, wenn nicht nur ein Verwaltungakt, der sich im Anfechtungsprozeß als rechtswidrig erweist, sondern jeder Verwaltungsakt, der ein Tun, Dulden oder Unterlassen anordnet, tatbestandlich im Vergleich zur vorher bestehenden Rechtslage als zusätzlicher Eingriff in die Rechtssphäre des Bürgers anzusehen ist 4 . Hierzu wurde in der Literatur und früher in der Rechtsprechung immer wieder die Auffassung vertreten, die zuständige Behörde benötige für den Erlaß einer gesetzeskonkretisierenden Verfügung keine spezielle Ermächtigung, weil diese Entscheidungen nur darauf gerichtet seien, bereits bestehende gesetzliche
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BVerwGE 18, 283 (285 f.); 19, 243 (245 f.). Umfassende Überlegungen hierzu erstmals bei Arbeiter, S. 121 ff. Ramsauer, VerwArch 72 (1981), 89 (92); Pietzcker, Bachof-FS, S. 131 (145 ff.). Arbeiter, S. 127 ff.
20 Kracht
306
Teil 5: Die Eingriffswirkungen
Pflichten zu wiederholen, aber keine neuen Verhaltenspflichten auferlegen sollten5. Druschel hat in seiner Untersuchung zur Verwaltungsaktbefugnis die Auffassung vertreten, eine rechtsformspezifische Eingriffswirkung ergebe sich weder aus dem Inhalt 6 noch aus der Verbindlichkeit 7 der im Verwaltungsakt getroffenen Regelung, sondern nur aus der den Adressaten treffenden Anfechtungslast8. Mit dem Einsatz des Verwaltungsaktes als Instrument zur verbindlichen Regelung soll nach dieser Auffassung keine Beschränkung von Freiheit und Eigentum verbunden sein, weil eine rechtmäßige, eine bestehende Rechtslage konkretisierende Regelung dem Bürger keine neuen materiellen Pflichten auferlege. Wenn dem Bürger nämlich die im Verwaltungsakt geregelten Handlungspflichten bereits durch ein verfassungsmäßiges Gesetz auferlegt worden seien, lasse der lediglich wiederholende Ausspruch, dessen was bereits Rechtens ist, Zahl und Inhalt der Handlungspflichten unverändert und sei so kein
5
Weber, S. 38 f., 79 ff.; Kopp, GewArch 1986, 41 (44 f.); bei Verwaltungsakten, welche im Gesetz exakt und eindeutig bestimmte Pflichten nur wiederholen, ebenso Arbeiter, S. 137 ff.; Hansmann in Landmann/Rohmer, UmweltR, § 52 BImSchG, Rn. 20. Ähnlich BVerwG, U. v. 26.6.1987 - 8 C 21/86, NVwZ 1988, 51 (52) für eine von der Widerspruchsbehörde vorgenommenen Qualifizierung einer einfachen Zahlungsaufforderung als Verwaltungsakt: Der Wechsel in der Rechtsform, d.h. die Ersetzung einer (schlichten) Willenserklärung durch Verwaltungsakt sei bei der gebotenen verallgemeinernden Betrachtung als solcher für den Betroffenen belastungs-indifferent. 6 S. 42-45. 7 Anstelle des in der vorliegenden Untersuchung verwendeten umfassenden Begriffs der Verbindlichkeit werden in Rechtsprechung und Literatur teilweise andere Begriffe gebraucht. So erörtert Druschel die rechtsformspezifische Rechtsfolge einer Bindung des Adressaten an die verbindliche Regelung anhand der Begriffe einer mit der inneren und äußeren Wirksamkeit entstehenden „Verbindlichkeit" (S. 41 ff), der „materiellen Bestandskraft" als einer erhöhten Bindungswirkung (S. 45 ff.) und einer zeitlich vorgelagerten und bereits durch den Erlaß des Verwaltungsakts entstehenden „potentiellen Bestandskraft" des Verwaltungsaktes (S. 47). Zugleich bleibt unklar, welche konkreten freiheitbeschränkenden Wirkungen Druschel mit der Titelfunktion (S. 48 ff.) oder „potentiellen Titelfunktion" (S. 50 ff.) verbindet, nämlich die Verwirklichung der gesetzlichen Pflicht (= „Durchsetzung" (S. 51 ff.) ?) oder die Wirkungen, die von einer vollstreckbaren Verfügung in der Weise ausgehen, daß sie den Einsatz bestimmter Zwangsmaßnahmen im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung ermöglicht, die einen zusätzlichen Eingriff in vom Regelungsinhalt nicht betroffene Rechte bewirken können. Angesichts des bereits im Teil 2, H. geschilderten „babylonischen Sprachvielfalt" wird nachfolgend darauf verzichtet, bei der Erörterung der Eingriffswirkungen die in Rechtsprechung und Literatur z.T. an Stelle der „Verbindlichkeit" verwendeten Begriffe oder eine Begründung der Verbindlichkeit mit dem Rechtsinstitut der materiellen Bestandskraft darzustellen. Vielmehr wird in der Regel versucht, eine abweichende Teminologie unmittelbar in die hier verwandten Bezeichnungen zu „übersetzen". 8 S. 54 ff.
B. Der Eingriff in das von der Regelung betroffene Grundrecht
307
zusätzlicher Eingriff in die Rechtssphäre des Bürgers. Bei der Untersuchung, ob der Verwaltungsakt einen Eingriff bewirkt, wird so teilweise die Möglichkeit einer rechtswidrigen Entscheidung überhaupt nicht berücksichtigt 9. Andere räumen ein, daß ein fehlerhafter Bescheid zwar eine nicht bereits vom Gesetz gedeckte materielle Rechtsfolge enthalte; diese effektive Belastung, die sich ausnahmsweise beim rechtswidrigen Verwaltungsakt ergebe, sei bei der gebotenen verallgemeinernden Betrachtungsweise außer acht zu lassen10. Hierfür werden zwei verschiedene Begründungen gegeben: Druschel u geht davon aus, die Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit einer Regelung beziehe sich allein auf den Inhalt, nicht aber die Handlungsform des Verwaltungsakts; daher sei die in einem Verwaltungsakt enthaltene Regelung als sein Inhalt zu unterscheiden von den rechtlichen Wirkungen, die von der Verwendung der Handlungsform Verwaltungakt ausgingen. Aus diesem Grunde könne in der verbindlichen Konkretisierung und Individualisierung der im Einzelfall bestehenden Rechtslage durch Verwaltungsakt kein handlungsformspezifischer Eingriff gesehen werden, aus dem die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage für die Handlungsform Verwaltungsakt abzuleiten sei. Während Druschel damit die Eingriffswirkung aufgrund einer strengen Unterscheidung zwischen Inhalt und Handlungsform bestreitet, nimmt Arbeiter 12 bei gesetzlich exakt und eindeutig bestimmten Pflichten an, die belastende Wirkung der rechtswidrigen, aber verbindlichen Regelung sei mangels Finalität nicht als Eingriff im Sinne der klassischen, den Vorbehalt des Gesetzes steuernden Eingriffsdefinition einzustufen. Sie sei kein final intendierter Eingriff, sondern eine vom Vorbehalt nicht erfaßte Folgewirkung. Bei derartigen Differenzierungen bewirken rechtswidrige konkretisierende Verfügungen immer einen Eingriff und zugleich eine Grundrechtsverletzung, während rechtmäßige konkretisierende Verfügungen und belastende Feststellungsbescheide wohl nicht als Eingriff zu werten wären. In der Tat hatte die Untersuchung der Konkretisierungsfunktion des Verwaltungsaktes ergeben, daß weder der feststellende Verwaltungsakt noch die konkretisierende Verfügung als ein zusätzlicher neben dem abstrakt-generellen Gesetz stehender materieller Verpflichtungstatbestand anzusehen sind, sondern als verbindliche Konkretisierungen eines materiellen Rechtsverhältnisses durch eine verfahrensrechtliche Willenserklärung 13. Damit wird durch die Regelung eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes, welcher die abstrakt-generelle Rechts9
So z.B. Weber, S. 79 ff.; Kopp, GewArch 1986, 41 (44 f.). Druschel, S. 44 f. 11 S. 44 f. 12 S. 131 ff. 13 Vgl. oben Teil 2, B.V.la). 10
308
Teil 5: Die Eingriffswirkungen
läge zutreffend konkretisiert oder feststellt, kein zusätzlicher Rechtsgrund 14, keine selbständige „neue" Verpflichtung begründet. Hingegen ist die ausgesprochene materielle Rechtspflicht vor einer fehlerhaften Konkretisierung der Rechtslage in dem in der Entscheidung angewandten Gesetz noch nicht enthalten. Insoweit ist die fehlerhafte Feststellung einer belastenden Rechtsfolge eine Verkürzung des durch diese Rechtsfolge eingeschränkten materiellen Rechts. Folglich ist es auf den ersten Blick naheliegend, konkretisierende Verfügungen nur bei einem materiell rechtswidrigen Inhalt als Eingriffe zu qualifizieren. Während der Exekutive deren Erlaß aufgrund des Vorrangs des Gesetzes ohnehin verboten ist, wäre sie im übrigen auch ohne spezielle Befugnisnorm zum Erlaß materiell rechtmäßiger Regelungen befugt. Diese Differenzierung wäre jedoch nur dann tragfahig, wenn die erlassende Behörde oder ein Dritter bereits bei Erlaß des Verwaltungsakts mit Sicherheit sagen könnte, ob sich dieser bei einer gerichtlichen Kontrolle als rechtmäßig erweist. Sie setzt m.a.W. die Erkenntnis voraus, ob das abstrakt-generelle Gesetz mit seinen unmittelbar geltenden Pflichten im Einzelfall durch die Entscheidung der Behörde zutreffend konkretisiert wurde. Einer solchen Betrachtungsweise steht jedoch entgegen, daß das abstrakt-generelle materielle Recht immer auslegungs- und wertungsbedürftig ist und daß das menschliche Erkenntnisvermögen die Komplexität der Lebenswirklichkeit nur beschränkt erfassen kann. Folglich läßt sich das Bestehen, Nichtbestehen oder der Umfang einer konkret-individuellen Verpflichtung, die durch einen Verwaltungsakt verbindlich geregelt werden soll, nie völlig zweifelsfrei und eindeutig aus dem Gesetz entnehmen 15. Es bleibt daher auch kein Raum für eine Differenzierung zwischen Verwaltungsakten, in denen „exakt bestimmte" gesetzliche Pflichten nur wiederholt würden, und solchen Verwaltungsakten, in denen „unbestimmte" Gesetzesbegriffe durch Bewertung oder Berechnung angewandt werden 16.
14
So aber die Begründung der Eingriffswirkung bei Löwenberg, S. 44 ff. Zur Bedeutung der Auslegungsbedürftigkeit des Gesetzes für die Eingriffswirkung des Verwaltungsakts als Instrument zur verbindlichen Regelung vgl. Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 15 Rn. 4. 16 Vgl. dazu Teil 4, A.1.1. Bezeichnenderweise wird ein hohes Maß an Unbestimmtheit in Literatur und Rechtsprechung teils als Argument gegen und teils als Argument für eine Regelungsbefugnis der Verwaltung gebraucht. Einerseits wird die Position vertreten, bei der Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe handele es sich ausnahmsweise nicht mehr nur um eine bereits durch die materielle Rechtsnorm legitimierte nur wiederholende Verfügung, sondern um einen zusätzlichen Eingriff, der einer speziellen gesetzlichen Ermächtigung bedürfe {Arbeiter, S. 137 ff.; Hansmann in Landmann/ Rohmer, UmweltR, § 52 BImSchG, Rn. 20). Häufiger wird jedoch eine Befugnis zum Erlaß feststellender Verwaltungsakte gerade umgekehrt aus der Verwendung unbestimmter und damit im Einzelfall besonders konkretisierungsbedürftiger Rechtsbegriffe abgeleitet; da sich bei diesen ein besonderes Bedürfnis nach Klarstellung und Stabilisierung des Rechtsverhältnisses ergebe, ermächtige die materielle Rechtsnorm die Ver15
B. Der Eingriff in das von der Regelung betroffene Grundrecht
309
Die Diskussion um Beurteilungsspielräume der Verwaltung und gerichtliche Kontrolldichte hat gezeigt, daß zwischen den sog. unbestimmten und bestimmten Rechtsbegriffen keine strukturellen, sondern nur graduelle Unterschiede bestehen; mit dem Grad der Bestimmtheit, welcher sich nicht nur nach dem Gesetzestext, sondern z.B. auch nach einer in einer ständigen Rechtsprechung bereits erzielten Konkretisierung richtet, sinkt zwar die Gefahr abweichender Entscheidungen durch verschiedene Rechtsanwender. Gäbe es eine „eindeutige" Rechtslage, zu deren Erkennung alle dem Recht Unterworfenen gleichermaßen fähig und willens wären, so wäre der Erlaß eines Verwaltungsaktes schlicht überflüssig, da nicht mehr zwischen mehreren Alternativen zu entscheiden wäre 17 . Es ist aber gerade die Funktion der Einzelfallregelung, eine verbindliche Entscheidung zwischen verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten zu treffen und so für die Beteiligten einen eindeutigen Verhaltensmaßstab dafür zu setzen, was im konkreten Verwaltungsrechtsverhältnis Rechtens ist. Gibt es also keine „einzig richtige Entscheidung" oder besser gesagt, keine intersubjektive Gewißheit darüber, welche Rechtsfolge die dem Gesetz gemäße ist 18 , so handelt es sich um eine nicht rechtstheoretisch, sondern aus dem jeweiligen besonderen Verfassungs- und Verwaltungsrecht zu lösende Kompetenzfrage, welches Staatsorgan zu einer noch durch ein Organ einer anderen Staatsfunktion vollständig oder nur eingeschränkt überprüfbaren Konkretisierung des Gesetzes befugt ist und wessen Entscheidung letztverbindlich gelten soll 19 . Aus Art. 19 Abs. 4 und Art. 92 GG ergibt sich für unser Verfassungs- und Verwaltungsrecht der Grundsatz, daß jede Rechtsanwendung, welche von einer Behörde in einem Verwaltungsakt getroffen wird, einer - mehr oder minder dichten gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Folglich läßt sich bei Erlaß eines Verwaltungsaktes nie mit Sicherheit sagen, ob dessen Regelung rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Denn die letztverbindliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes ist den Gerichten vorbehalten 20 und diese kann erst nach dem Erlaß des Verwaltungsaktes aufgrund einer Anfechtungs-, Verpflichtungs- oder Fortsetzungsfeststellungsklage des Adressaten oder eines Drittbetroffenen ergehen. waltung zugleich zur verbindlichen Entscheidung (BVerwGE 4, 188; 11, 106 (107); BVerfGE 12, 264 (269 f.); Hönes, Die Unterschutzstellung, S. S. 207 f., 222 f.). 17 Vgl. dazu auch die Darstellung des Problems der materiellen Rechtskraft in Teil 2, B.III.4.a). 18 Vgl. die Darstellung der Konkretisierungsfunktion des Verwaltungsakts oben in Teil 2, B.VI.la). 19 Vgl. dazu im Hinblick auf die Befugnis zur letztverbindlichen Konkretisierung sog. unbestimmter Rechtsbegriffe Ossenbühl, DVB1. 1974, 309 (311); Papier, DÖV 1986, 621 (624 ff.); VG Wiesbaden, U. v. 25.9.1986 - V/1 E 52/82, NJW 1988, 356 (358 ff.), m.w.N. 20 Vgl. oben Teil 3, A.II.
310
Teil 5: Die Eingriffswirkungen
Beim Erlaß eines feststellenden Verwaltungsaktes oder einer konkretisierenden Verfügung steht daher aus Sicht ex ante weder für die erlassende Behörde noch für den von der Regelung in seinen Rechten betroffenen Bürger mit Sicherheit und endgültig fest, ob der Entscheidungssatz nur eine bestehende Rechtslage „wiederholt" oder „neue Pflichten" begründet. Die Verbindlichkeit der getroffenen Regelung macht es dem Betroffenen unmöglich, eine vom Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes abweichende Rechtsfolge außerhalb eines Aufhebungsverfahrens geltend zu machen. Solange die konkretisierende Verfügung wirksam bleibt, wird der Betroffene nicht mehr mit dem Argument gehört, er sei gesetzlich gar nicht zu dem von der Behörde angeordneten Verhalten verpflichtet. Wird aber die Ausübung eines Abwehrrechtes erschwert oder verhindert, so ist in dem diese Rechtsfolge bewirkenden Hoheitsakt eine Einschränkung jenes Freiheitsrechts zu sehen, dessen Schutzbereich von dem im Verwaltungsakt enthaltenen Ge- oder Verbot betroffen ist. Die zunächst unter dem Vorbehalt gerichtlicher Nachprüfung stehende, fehlerunabhängige Verbindlichkeit eines belastenden Verwaltungsakts schafft eine rechtsformspezifische Gefahr, mit der Konkretisierung eine in der Pflichtnorm nicht bereits enthaltene Einschränkung des materiellen Rechts vorzunehmen. Weil sich auf diese Weise materieller Regelungsinhalt und verfahrensrechtliche Verbindlichkeit des Verwaltungsaktes nicht trennen lassen, ist die konkretisierende Verfügung aufgrund der fehlerunabhängigen Verbindlichkeit ihrer Regelung - mit der heute herrschenden Meinung 21 - als Einschränkung des von der Regelung betroffenen Freiheitsrechts des Adressaten anzusehen: „Inhalt und Form sind ... insoweit nicht trennbar. Die Beeinträchtigung eines Betroffenen liegt beispielsweise nicht darin, daß von ihm 250,- DM verlangt werden und dies darüber hinaus in der Form des Verwaltungsakts geschieht, sondern der Verwaltungsakt wird erst existent durch Beschreibung des Zahlungserlangens, d.h. seines
21 Vgl. die Rechtsprechungsnachweise in Teil 4, B.-D.; aus der Literatur z.B. Hennig, SGb. 1962, 68 (70); Rupp, DVB1. 1963, 577 (578 f.); Renck, JuS 1965, 129 (131); Löwenberg, S. 47 ff.; Pietzner, JA 1973, 413; Arnold, UFITA 97 (1984), 87 (96 f.); Hill, DVB1. 1989, 321 (322 f.); Rubel, JA-Ü 1990, 86 (87); Koch/Rubel, V., Rn. 30; Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 15 Rn. 4; Faber, § 20 II.; Henneke in Knack, vor § 35 Rn. 7.2.2, § 35 Rn. 5.2.4; P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 22 f., 143; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 44 Rn. 61, 55 i.V. m. § 43 Rn. 39 ff.; Wolff/Bachof/Stober, § 46 Rn. 12 i.V.m. § 30 Rn. 18 f.; Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 235 f., 298. Im Ergebnis ebenso, in der Begründung aber im Anschluß an das einen Feststellungsbescheid betreffende 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 29.11.1985 8 C 105.83, BVerwGE 72, 265 (267); vgl. Teil 4, C.III.6. m.w.N.) allein auf die verfahrensrechtliche Rechtsfolge der Verbindlichkeit oder Bestandskraft abstellend: Drescher, DVB1. 1986, 727 (729).
B. Der Eingriff in das von der Regelung betroffene Grundrecht
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Regelungsgehalts, und das Verlangen, 250,- DM zu zahlen, wird erst deshalb zum Eingriff, weil es in der Form des Verwaltungsakts ergeht."22 Dieser aus der systematischen Analyse des Tatbestandsmerkmals der Regelung, der rechtsformspezifischen Rechtsfolgen und Funktionen des Verwaltungsakts abgeleitete Zusammenhang zwischen Inhalt und Verbindlichkeit der Regelung kann auch nicht mit dem von Druschel gebrauchten Argument bestritten werden, die These der Einheit von Form und Inhalt des Verwaltungsaktes setze gerade die Möglichkeit einer Unterscheidung zwischen beiden voraus23 und die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Regelung24 beziehe sich nur auf den Inhalt des Verwaltungsaktes 25. Denn der Begriff der Handlungsform hat nichts mit der Unterscheidung zwischen sachlicher Aussage und äußerem Erscheinungsbild 26 oder der Unterscheidung zwischen formeller und materieller Rechtmäßigkeit des Bescheids zu tun. In der Rechtsformenlehre werden nämlich aus der Gesamtzahl aller Verwaltungshandlungen jeweils bestimmte Gruppen von Handlungen durch eine Abstraktion und Typisierung gemeinsamer Merkmale unter einer gemeinsamen Bezeichnung (Begriff) zu Rechtsinstituten zusammengefaßt, für die jeweils gemeinsame, rechtsformspezifische Regeln und Grundsätze gelten sollen 27 . Eine solche Typisierung von Verwaltungshandlungen zu den als „Handlungsformen" bezeichneten Rechtsinstituten kann zwar an formelle Kriterien anknüpfen, sie muß es aber nicht. Der Ausdruck „Handlungsform Verwaltungsakt" meint das in § 35 VwVfG auch durch seinen Inhalt definierte Rechtsinstitut Verwaltungsakt. § 35 VwVfG legt u.a. fest, daß die für Verwaltungsakte geltenden Vorschriften und Grundsätze nur auf solche Verfügungen, Entscheidungen oder andere Verwaltungsmaßnahmen angewandt werden sollen, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles trifft. Es gibt aber keine Regelungen ohne Regelungsinhalt. Der Gesetzgeber hat die Regelungsform insoweit von einem inhaltlichen Kriterium, dem Vorliegen einer Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls, abhängig gemacht Die Legaldefinition abstrahiert nur vom konkreten Regelungsinhalt, d.h. von dem speziellen, im Einzelfall angewandten materiellen Recht. Zugleich ist eine behördliche Erklärung mit Aussagen zu den gesetzlichen Pflichten des Bürgers auch nur dann als Verwaltungsakt zu qualifizieren, wenn sie entsprechend den für diese Hand22
Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 15 Rn. 4. Dagegen ausdrücklich Druschel, S. 36 f., 44 f. 23 S. 37. 24 Gemeint ist wohl deren materielle Rechtmäßigkeit. 25 S. 44 f. 26 Zu dieser zwecks Abgrenzung von Verwaltungsakt und Rechtsnorm unter der Überschrift „Formeller oder materieller Verwaltungsaktsbegriff geführten Diskussion vgl. Schenke, NVwZ 1990, 1009 ff.; P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, §35 Rn. 13-17 m.w.N. 27 Krause, Rechtsformen, S. 14 ff.; Schmidt-Aßmann, DVB1. 1989, 533 ff. m.w.N.
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Teil 5: Die Eingrifswirkungen
lungsform geltenden Rechtsvorschriften für den Adressaten grundsätzlich unbeschadet etwaiger Rechtsfehler verbindlich sein soll. Deshalb lassen sich Form und Inhalt des Verwaltungsaktes bei der Diskussion um den Vorbehalt des Gesetzes nicht trennen 2*. Bei der fehlerunabhängigen Verbindlichkeit des Verwaltungsaktes handelt es sich auch um eine im Sinne des klassischen Eingriffstatbestandes unmittelbare Folge dieses hoheitlichen Rechtsaktes. Denn der Verwaltungsakt wird gemäß § 43 VwVfG mit der Bekanntgabe an den Adressaten unmittelbar wirksam und verbindlich. Diese belastende Wirkung wird also nicht erst durch eine den Zurechnungszusammenhang unterbrechende Reaktion des Adressaten oder Dritter vermittelt. Der Unmittelbarkeit steht auch nicht entgegen, daß ein Gesetz, hier das VwVfG in seinen §§35 und 43 ff., die Verbindlichkeit der im Verwaltungsakt enthaltenen Regelung anordnet, ein Umstand, der von Druschel 29 bei der Erörterung der Bestandskraft und der Titelfunktion als Argument gegen eine Eingriffswirkung des Verwaltungsakts angeführt wird. Denn es gibt überhaupt keine Willenserklärungen, die aus sich selbst heraus wirken; der Verwaltungsakt und seine Wirkungen sind heute nicht mehr wie in der Lehre Otto Mayers 30 gesetzesunabhängig als Selbstbezeugung der vollziehenden Staatsgewalt zu erklären. Ein Verwaltungsakt hat ebenso wie eine privatrechtliche Willenserklärung nur Rechtswirkungen, weil die Rechtsordnung in ihren Gesetzen festlegt, daß diese von bestimmten Rechtssubjekten oder ihren Organen abgegebene Erklärungen, die auf die Herbeiführung bestimmter Rechtsfolgen gerichtet sind, unter den hierfür gesetzlich festgelegten Voraussetzungen bestimmte Rechtsfolgen haben sollen 31 . Dies gilt sowohl für die in der Regelung des Verwaltungsakts selbst ausgesprochenen materiellrechtlichen Rechtsfolgen als auch für die verfahrensrechtlichen Rechtsfolgen. Denn die Verbindlichkeit tritt nicht zufallig durch ein weiteres Ereignis ein, sondern gehört zu den rechtsformspezifischen Folgen des Verwaltungsaktes selbst32.
28
Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 15 Rn. 4; Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 235 f. Im übrigen führt das Fehlen einer nach dem Vorbehalt des Gesetzes erforderlichen Ermächtigung auch in anderen Fällen nicht nur zur formellen Rechtswidrigkeit, wie dies Druschel, S. 44 f., möglicherweise annimmt, sondern zur materiellen Rechtswidrigkeit einer behördlichen Maßnahme (vgl. Battis, Allg. VerwR, S. 180). 29 S. 46 f., 50. 30 Vgl. dazu unten Teil 6, C.II. 31 Vgl. Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 237 ff. (253 f.), 266 f., 277 m.w.N. 32 Die Unmittelbarkeit wäre im übrigen auch nicht zu verneinen, wenn man die Verbindlichkeit des Verwaltungsakts auf seine Bestandskraft zurückführen wollte: Die Ver-
B. Der Eingriff in das von der Regelung betroffene Grundrecht
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Unabhängig von der Frage, ob man sie mit der Wirksamkeit oder der materiellen Bestandskraft begründet, ist die Verbindlichkeit der Regelung daher eine adäquat kausale, unmittelbar der erlassenden Behörde objektiv zurechenbare Folge des Erlasses eines Verwaltungsakts. Auch das Merkmal der Unmittelbarkeit des klassischen Eingriffstatbestands ist folglich erfüllt. Allerdings erfüllt nicht jedes hoheitliche Handeln mit belastenden Auswirkungen auf einen grundrechtlich geschützten Freiheitsbereich die Merkmale des klassischen Eingriffsbegriffs, dessen Stammwort „greifen" ein gesteuertes Handeln verlangt 33 . Der klassische „Eingriff ist durch die Zielgerichtetheit (Finalität) der Grundrechtsbeschränkung gekennzeichnet. Ein finaler Eingriff liegt also erst dann vor, wenn die belastende Wirkung bewußt als Mittel für bestimmte Zwecke des Verwaltungshandelns eingesetzt wird. Nun ist es offensichtlich, daß es nicht das Endziel eines rechtsstaatlichen Verwaltungshandelns ist, rechtswidrige Verwaltungsakte zu erlassen. Daher hat Arbeiter gegen einen Gesetzesvorbehalt vorgebracht, bei einem rechtswidrigen Verwaltungsakt sei die im Vergleich zur gesetzlichen Rechtslage entstehende zusätzliche Belastung keine finale Folge der Regelung34. Aus dem Merkmal der Finalität sei abzuleiten, daß der klassische Eingriffsvorbehalt nur fiir sogenannte regelungsidentische Rechtsfolgen gelte. Da konkretisierende Verfügungen allein auf die Feststellung einer bestehenden Rechtslage gerichtet seien, sei nur die im Tenor ausgesprochene materielle Rechtsfolge Bestandteil der Regelung, die Verbindlichkeit dagegen sei eine nicht vom Vorbehalt erfaßte, bloße Folgewirkung. Mit dieser Argumentation wird jedoch der spezifische, sich aus der Funktion des Rechtsinstitutes „Verwaltungsakt" ergebende Zusammenhang des Regelungstatbestands und seiner Rechtsfolgen zerrissen. Die Verbindlichkeit ist zwar erst eine Rechtsfolge der Regelung, aber der Ausspruch einer gesetzlichen Rechtspflicht oder die Feststellung einer bestehenden Rechtslage erfüllt nur dann den Tatbestand einer „Regelung" LS. des § 35 VwVfG, wenn in der gebindlichkeit würde dann die Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts voraussetzen. Aber mit der „Unanfechtbarkeit" würde das Gesetz dann die Verbindlichkeit nicht an ein zusätzliches Ereignis, sondern an die Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes, also eine Eigenschaft des Verwaltungsaktes selbst knüpfen. Entgegen der von J. Martens entwikkelten Lehre vom Prätentionsverzicht ist eine bewußte Entscheidung des Adressaten, den Verwaltungsakt nicht anzufechten, nämlich keine notwendige Voraussetzung für den Eintritt der Bestandskraft; nach den Regelungen der VwGO tritt die Unanfechtbarkeit immer dann ein, wenn Rechtsbehelfe nicht eingelegt werden oder endgültig erfolglos bleiben (vgl. dazu Teil 2, H.V.2., 3.). 33 Arbeiter, S. 131 in Anknüpfung an Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 10 ff. 34 Arbeiter, S. 131 ff. in Anknüpfung an Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 10 ff.
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Teil 5: Die Eingriffswirkungen
samten Erklärung auch der Anspruch auf eine fehlerunabhängige Verbindlichkeit zum Ausdruck kommt. Die der Regelungsform eigentümliche Verbindlichkeit muß damit zu den final intendierten Rechtsfolgen der behördlichen Erklärung gehören, um den Verwaltungsaktcharakter dieser Behördenerklärung bejahen zu können35. Die Verwaltung hat zwar nicht die Absicht, einen rechtswidrigen Verwaltungsakt zu erlassen und zu vollziehen, sie will aber eine verbindliche Regelung treffen, die gemäß §§ 43 ff. VwVfG grundsätzlich rechtsfehlerunabhängig bis zu ihrer etwaigen Aufhebung gilt, sofern kein zur Nichtigkeit führender Rechtsmangel vorliegt. Setzt die Verwaltung einen Verwaltungsakt als Instrument zur Verwirklichung ihrer gesetzlichen Aufgaben ein, so sind die rechtsfehlerunabhängige Verbindlichkeit und die anderen rechtsformspezifischen Rechtsfolgen daher final intendiert. Die Finalität der Freiheitsbeschränkung, welche durch die Verbindlichkeit der getroffenen Regelung bei einem rechtswidrigen Verwaltungsakt eintritt, ließe sich nur dann verneinen, wenn man das Finalitätsmerkmal der Eingriffsdefinition so auslegen würde, daß es quasi ein Handeln mit „direktem Vorsatz" im Sinne der strafrechtlichen Vorsatzdogmatik 37 verlangen und ein Verwaltungshandeln ausschließen würde, bei dem eine ungewisse, aber mögliche und den Bürger belastende Rechtsfolge - wie hier die Verbindlichkeit eines rechtswidrigen Verwaltungsakts - mit „bedingtem Vorsatz (dolus eventualis)38 hingenommen wird. Bei einer solchen Interpretation käme es aber zu einer mit der Funktion der Grundrechte und ihrer Schranken nicht zu vereinbarenden Lücke im Schutz der Grundrechte. Als Tatbestandsmerkmal des Vorbehalts des verhältnismäßigen Gesetzes39 muß der Begriff des Grundrechtseingriffs mit Blick auf das Ziel einer Steuerung zulässiger Zweck-Mittel-Relationen interpretiert werden und darf nicht nur willkürlich beabsichtigte Grundrechtseinschränkungen umfassen. Die Finalität im Sinne des Eingriffstatbestandes ist daher auch
35
Vgl. oben Teil 2, B.V.l.d). Arnold, UFITA 97 (1984), 87 (97); Rüping, S. 21 ff.; Osterloh, JuS 1983, 280 (283); Christiane Fischer, S. 67. 37 Der direkte Vorsatz kann in zwei Formen auftreten, nämlich in der Form der Absicht i.S. eines direkt auf die tatbestandsmäßige Handlung oder den tatbestandmäßigen Erfolg gerichteten Willens (dolus directus ersten Grades) und in der Form des sicheren Wissens davon, daß die Handlung die Merkmale eines Straftatbestandes erfüllt (dolus directus zweiten Grades), vgl. Jakobs, 8. Abschnitt, Rn. 15-20; Rudolphi in SK-StGB, § 15 Rn. 36 f.; Cramer in Schönke/Schröder, § 15 Rn. 65-71. 38 Zu dem umstrittenen strafrechtlichen Begriff des bedingten Vorsatzes und seiner Abgrenzung von der bewußten Fahrlässigkeit vgl. Rudolphi in SK-StGB, § 15 Rn. 3846b; Cramer in Schönke/Schröder, § 15 Rn. 72-81; Jakobs, 8. Abschnitt, Rn. 21-32 (jew. m.w.N.). 39 Schlink, Die Amtshilfe, S. 105 ff., Pieroth/Schlink y Grundrechte, Rn. 269 ff.; vgl. unten Teil 6, D. 36
B. Der Eingriff in das von der Regelung betroffene Grundrecht
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dann zu bejahen, wenn eine Verkürzung von Freiheit und Eigentum zwar nicht bezweckt ist, aber als möglicherweise eintretende Nebenfolge eines hoheitlichen Rechtsaktes voraussehbar ist und vom handelnden Staatsorgan bewußt in Kauf genommen wird, um einen bestimmten Verwaltungszweck zu verwirklichen 40 . Ein finaler Grundrechtseingriff liegt also schon dann vor, wenn der handelnde Amtsträger eine Beschränkung von Freiheit und Eigentum zum Vollzug des Gesetzes - entsprechend der strafrechtlichen Vorsatzdogmatik des dolus eventualis - für möglich hält (ernst nimmt) und bewußt in Kauf nimmt 41 . Außerdem ist anzumerken, daß zwar nicht die Verbindlichkeit gerade einer rechtswidrigen Regelung, wohl aber die (rechtsfehlerunabhängige) Verbindlichkeit der getroffenen Regelung zu den mit dem Erlaß eines Verwaltungsaktes angestrebten Rechtsfolgen gehört; wegen der Letztentscheidungskompetenz der Gerichte ist es insoweit für die erlassende Behörde lediglich ungewiß, ob die rechtsfehlerunabhängige Verbindlichkeit sich - wie angestrebt - auf einen rechtmäßigen oder auf einen rechtswidrigen Verwaltungsakt auswirkt. Folglich nimmt eine Behörde, die eine konkretisierende Verfügimg oder einen feststellenden Verwaltungsakt zur verbindlichen Regelung des materiellen Rechts einsetzt, die mögliche Geltung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts trotz Rechtsmängeln und den daraus resultierenden Eingriff in subjektive Rechte des Adressaten als Mittel zur Vollziehung des Gesetzes bewußt in Kauf. Denn durch dieses Instrument der verbindlichen Regelung will sie einen Streit um die sich aus dem Gesetz ergebenden Rechte und Pflichten ja gerade beenden oder ausschließen42. Der Erlaß einer konkretisierenden Verfügung ist deshalb als Eingriff in dasjenige Grundrecht anzusehen, dessen Schutzbereich vom Regelungsinhalt dieses Verwaltungsaktes betroffen ist 43.
40
Für eine Einbeziehung der vom handelnden Staatsorgan vorhergesehenen und in Kauf genommenen (schwerwiegenden) Grundrechtsbeeinträchtigungen in den Begriff des Grundrechtseingriffs im Falle einer mittelbaren Beeinträchtigung durch staatliche Warnungen und Öffentlichkeitsarbeit: BVerwG, U. v. 23.5.1989 - 7 C 2/87, BVerwGE 82, 76 (79) = NJW 1989, 2272 (2273) - Jugendreligionen/Jugendsekten; Ossenbühl, Umweltpflege, S. 14 ff. Zur Bedeutung der Finalität bei mittelbaren Grundrechtsbeeinträchtigungen vgl. Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 88 ff. 41 Zu diesem Begriff des dolus eventualis vgl. Rudolphi in SK-StGB, § 15 Rn. 43; Cramer in Schönke/Schröder, § 15 Rn. 84 (jew. m.w.N.). Die Einzelheiten des Begriffs sind zwar nach wie vor heftig umstritten; für den Vergleich mit dem Finalitätsmerkmal des Eingriffs ist aber nur die Erkenntnis relevant, daß ein vorsätzliches Handeln nach den allermeisten Lehren kein Gutheißen der Nebenfolge des eigenen Handelns voraussetzt. 42 Arnold, UFITA 97 (1984), 87 (97). 43 Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 236, 298. Die Frage, ob der Vorbehalt des Gesetzes möglicherweise gleichwohl nicht gilt, weil die zuständige Behörde aufgrund eines vorausgesetzten verfassungsrechtlichen oder stillschweigend in der materiellen Rechtsnorm enthaltenen Vollzugsauftrages zu dem sich
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Teil 5: Die Eingriffswirkungen
I I . Feststellende Verwaltungsakte: Differenzierung nach dem Regelungsinhalt 1. Abhängigkeit der Wirkungen der Regelungsform Verwaltungsakt vom Regelungsinhalt Während die Geltung des Vorbehalts des Gesetzes für konkretisierende Verfügungen, insbesondere für Leistungs- und Erstattungsbescheide, seit den sechziger Jahren in Rechtsprechung und Literatur Beachtung findet, wurde die Befugnis zum Erlaß feststellender Verwaltungsakte in der Rechtsprechung und Literatur über lange Zeit ohne Erörterung oder Begründung vorausgesetzt 4. Dies beruhte wohl nicht nur auf dem gleichermaßen für die Leistungs- und Erstattungsbescheide gebrauchten Argument eines kraft Gewohnheitsrecht oder Verfassung bestehenden allgemeinen Vollziehungsauftrags der Exekutive und der Vorstellung, diese Entscheidungen seien nur darauf gerichtet, eine kraft Gesetzes bestehende Rechtslage zu wiederholen. Hinzu kam das Argument, daß ein Feststellungsbescheid im Hinblick auf die Kategorien Eingriff und Leistung als „neutral" zu bewerten sei, weil er keinen mit Mitteln des Verwaltungszwangs unmittelbar vollstreckbaren Befehl enthalte45. Ausgehend vom klassischen Eingriffsvorbehalt ist zunächst danach zu fragen, ob durch die verbindliche Regelung des jeweiligen feststellenden Verwaltungsakts in Freiheit und Eigentum eingegriffen wird, wobei aufgrund der Funktion der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) als Freiheit von ungesetzlichen Belastungen auch die Einschränkungen einfachgesetzlich gewährter Rechtspositionen einen Eingriff darstellen können. Nach der 2. Wohnraumzweckentfremdungsentscheidung des 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.11.198546, welche einen grundsätzlicher Wandel der Rechtsprechung auslöste47, sollen feststellende Verwaltungsakte hingegen jedenfalls dann einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, wenn ihr aus der Rechtsanwendung ergebenden „Eingriff 4 (mit)ermächtigt ist, wird in Teil 6 untersucht. 44 Vgl. z.B. BVerwGE 34, 353 ff; BVerwGE 41, 277 (279); VGH BW, U. v. 23.4.1982 - 5 S 2334/81, NVwZ 1983, 100 (zustimmend J. Martens NVwZ 1984, 556 (561)). Den Anstoß zur Diskussion der Vorbehaltsfrage für die „nur" feststellenden Verwaltungsakte mag das Urteil des 9. Senats des Bay. VGH vom 5.4.1976 Nr. 1 IX 71, DVB1. 1977, 108, mit seiner verfehlten Verknüpfung von Richter- und Gesetzesvorbehalt (vgl. oben Teil 3, A.I.) gegeben haben. 45 So Kopp, GewArch 1986 41 (44 f.) und noch immer Maurer, Allg. VerwR, § 9 Rn. 48. 46 BVerwG, U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83, BVerwGE 72, 265; vgl. Teil 4, C.III.6. m.w.N. 47 Vgl. oben Teil 4, C.III.5.
B. Der Eingriff in das von der Regelung betroffene Grundrecht
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Inhalt etwas als Rechtens feststellt, was der Betroffene erklärtermaßen für nicht Rechtens hälf*. Die von der Klägerin angefochtene Feststellung, die Erdgeschoßräume ihres Hauses seien Wohnräume und unterlägen dem Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum, sah der erkennende Senat als Eingriff an, weil diese förmliche Feststellung als Regelung ( § 3 5 Satz 1 VwVfG) die Rechtsfolge möglicher Bestandskraft für sich in Anspruch nehme. Ob sie dies im konkreten Fall nur deshalb gewesen sei, weil ihr Inhalt nicht mit dem übereingestimmt habe, was nach der seinerzeit ausdrücklich vorgetragenen Meinung der Klägerin die Rechtslage zu ihren Gunsten hergab, ließ das Bundesverwaltungsgericht offen. Als Alternative zog der entscheidende Senat nämlich nur in Betracht, daß feststellende Verwaltungsakte stets von (zumindest latent) belastender Qualität seien und man sich bei einem dem Betroffenen „günstigen Inhalt" nur fragen könne, ob die an sich erforderliche Grundlage unter dem Gesichtspunkt des Einverständnisses entbehrlich sei. Bei einer Analyse dieser Entscheidung fallt nicht nur auf, daß diese an einem enormen Begründungsdefizit leidet, weil sie die frühere Rechtsprechung zur Regelungsbefiignis in sog. subordinationsrechtlichen Rechtsbeziehungen völlig ignoriert 49 . An dieser Stelle der Untersuchung ist vielmehr hervorzuheben, daß - zumindest nach dem Wortlaut der Entscheidungsgründe - jeder feststellende Verwaltungsakt wegen der Rechtsfolge möglicher Bestandskraft jedenfalls dann als ein dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegender Eingriff eingestuft wird, wenn der Inhalt der Feststellung dem Betroffenen nicht genehm ist. Wie sich aus der Bezugnahme auf das Definitionselement der „Regelung" in § 35 Satz 1 VwVfG ergibt, meint das Bundesverwaltungsgericht mit der „Rechtsfolge möglicher Bestandskraft" die intendierte fehlerunabhängige Verbindlichkeit, welche aufgrund des in Teil 2 der vorliegenden Untersuchung dargestellten Zusammenhangs von Regelungswirkung, Verbindlichkeit und Wirksamkeit des Verwaltungsakts nicht erst mit der (materiellen) Bestandskraft, sondern bereits mit der Wirksamkeit der Regelung eintritt 50 . Damit wurde
48
Insoweit zustimmend Drescher, DVB1. 727 (728); Faber, § 20 II.; Druschel, S. 212 f. Hierbei ging der 8. Senat, wie die vorliegende Untersuchung, vom überkommenen Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für alle (Verwaltungs-)Eingriffe in Freiheit und Eigentum aus; er leitete ihn für das geltende Recht nur aus Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit den Grundrechten ab. 49 Drescher, DVB1. 727 ff.; Bauer, NVwZ 1987, 112 f. 50 Vgl. oben Teil 2, G.IV.-VI. Aufgrund des hierfür entscheidenden Zusammenhangs von Regelungsinhalt und Verbindlichkeit wäre die Frage nach der Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung allerdings in gleicher Weise zu beantworten, wenn man entsprechend der Formulierung des Bundesverwaltungsgerichts einem Begründungsansatz folgen würde, nach dem die Verbindlichkeit einer Regelung grundsätzlich erst mit der Bestandskraft oder bis zu diesem Zeitpunkt vorläufig mit der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts eintritt.
318
Teil 5: Die Eingrifswirkungen
in diesem Urteil nicht etwa nur die Geltung des Gesetzesvorbehalts für inhaltlich belastende Feststellungsbescheide - entsprechend den bei gestaltenden Verwaltungsakten praktizierten Grundsätzen - auf den Gebrauch der Handlungsform ausgedehnt. Vielmehr hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts ohne Berücksichtigung des jeweiligen Regelungsinhalts, der verbindlich werden und in Bestandskraft erwachsen soll, die Verbindlichkeit und Bestandskraft des Verwaltungsakts schon dann als eine Belastung des Adressaten bewertet, wenn der Betroffene die Feststellung für nicht Rechtens hält 51 . Geht man vom Wortlaut der Entscheidungsgründe aus, so wäre auch ein Feststellungsbescheid, der inhaltlich eine nur begünstigende Rechtsfolge des materiellen Rechts ausspricht, demnach als belastender Verwaltungsakt einzustufen, sofern der Betroffene ihn als rechtswidrig ansieht. Für die Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung käme es mithin auf den Gesichtspunkt, ob die festgestellte Rechtslage für den Betroffenen nachteilig ist, überhaupt nicht mehr an 52 . Maßgeblich wäre demnach nicht die Frage, ob die behördliche Maßnahme objektiv auch eine belastende Rechtsfolge ausspricht, sondern die Rechtsauffassung des Adressaten. Bei der Lösung der Vorbehaltsfrage ist zunächst festzustellen, daß es in dieser Diskussion nicht um einen Gesetzesvorbehalt für das Rechtsinstitut „Verwaltungsakt" an sich geht, sondern um die Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung bei Verwaltungsakten mit unterschiedlichen Regelungsinhalten. Die früher herrschende Klassifizierung aller feststellender Verwaltungsakte als „neutrale" Maßnahmen hat die Funktion der jeweiligen Regelung als verbindliche Konkretisierung eines konkreten Rechtsverhältnisses vernachlässigt. Denn die Feststellung einer Tatsache kann nur dann eine Regelung eines konkreten Rechtsverhältnisses i.S. der Legaldefinition des Verwaltungsaktes bilden, wenn das Bestehen oder Nichtbestehen der Eigenschaft für die Anwendung mindestens eines Rechtssatzes mit einer begünstigenden oder belastenden Rechtsfolge „rechtlich erheblich" ist. Die getroffene Regelung präjudiziert, soweit ihr Verbindlichkeitsanspruch inhaltlich reicht, die Beurteilung des tatsächlichen Verhaltens der Beteiligten und als Grundlagenbescheid jede Folgeentscheidung in diesem Rechtsverhältnis 53. Wenn in einem feststellenden Verwaltungsakt eine den Adressaten nach Maßgabe des materiellen Rechts belastende Rechtsfolge oder eine für belastende Verwaltungsmaßnahmen rechtlich erhebliche Eigenschaft einer Person oder Sache verbindlich geregelt wird, so wird diese inhaltlich belastende
51
Insoweit zustimmend Christiane Fischer, S. 71 f. So die Formulierung bei Drescher, DVB1. 727 (728 f.), der einem solchen umfassenden Vorbehalt gesetzlicher Ermächtigungen ausdrücklich zustimmt. 53 Vgl. oben Teil 2, V. 1 .b), E.IV. 52
B. Der Eingriff in das von der Regelung betroffene Grundrecht
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Feststellung für den Adressaten verbindlich und kann in Bestandskraft erwachsen. Aufgrund ihrer Präjudizwirkung hat sie folglich für den Adressaten eine belastende Wirkung. Umgekehrt verbietet es sich aber auch, ohne Berücksichtigung des jeweiligen Regelungsinhaltes alle feststellenden Verwaltungsakte pauschal nur deshalb als Eingriffe zu qualifizieren, weil sie eine verbindliche Regelung enthalten und in Bestandskraft erwachsen können. Denn die rechtsformspezifische Verbindlichkeit bezieht sich jeweils auf konkrete materielle Rechte oder Pflichten, die durch den jeweiligen Feststellungsbescheid konkretisiert werden. Die Normen des materiellen Rechts enthalten aber nicht nur belastende Rechtsfolgen; es gibt auch Normen und Rechtsverhältnisse, welche den Bürger ausschließlich begünstigen. Wenn die Rechtsprechung in Anschluß an das 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil des Bundesverwaltungsgerichts demgegenüber heute meist eine gesetzliche Grundlage für alle feststellenden Verwaltungsakte verlangt, die etwas als Rechtens feststellen, was der Betroffene für nicht Rechtens hält, so erstreckt sie mit ihrer vom objektiven Regelungsinhalt abstrahierenden Betrachtungsweise aller feststellenden Verwaltungsakte nicht nur den für belastende Maßnahmen geltenden traditionellen Eingriffsvorbehalt auf die verfahrensrechtlichen Wirkungen belastender Verwaltungsakte hinaus. Ebenso wie die früher herrschende Meinung hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts die Verbindlichkeit argumentativ in einer Weise vom Regelungsinhalt des jeweiligen Verwaltungsaktes getrennt, welche der Funktion der Regelung als Mittel zur verbindlichen Konkretisierung des materiellen Verwaltungsrechts nicht gerecht wird. Während jedoch die früher h.M. bei ihrer abstrahierenden Betrachtungsweise die Möglichkeit einer rechtswidrigen belastenden Feststellung nicht hinreichend berücksichtigte und so den Eingriffscharakter generell verneinte, läßt die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung mit ihrer auf die Regelungsfunktion und Bestandskraft abstellenden Begründung heute die Möglichkeit einer lediglich begünstigenden Entscheidung außer acht. In seinem Beschluß vom 29.03.2000 zur Lizenzbestätigung nach § 10 Abs. 3 LAbfG hat das Bundesverfassungsgericht demgegenüber die Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung mit dem Argument bejaht, daß es sich hierbei um einen feststellenden Verwaltungsakt handele, der belastende Wirkung entfalten könne. Der 2. Senat scheint hier also davon auszugehen, daß der Vorbehalt des Gesetzes nicht schon - aufgrund der rechtsfehlerunabhängigen Verbindlichkeit oder ihrer Fähigkeit, in Bestandskraft zu erwachsen, - für sämtliche feststellenden Verwaltungsakte gilt, sondern daß zusätzlich zu prüfen ist, ob
54
2 BvL 3/96, http:www.bverfg.de, Rn. 76.
320
Teil 5: Die Eingrifswirkungen
der konkrete Feststellungsbescheid kann 55.
(auch) eine belastende Wirkung
entfalten
Zu einer generellen Einstufung aller Feststellungsbescheide als Eingriff könnte man nur gelangen, wenn man annimmt, der Adressat eines i.S. von § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG begünstigenden Verwaltungsakts, durch den die Verwaltung ein von vom nicht gewolltes Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil bestätigt, habe einen grundrechtlichen Abwehranspruch gegenüber dieser „aufgedrängten Bereicherung". So sieht Sachs 56 jede nicht gewollte Begünstigung als Belastung an; der Vorbehalt des Gesetzes schließe jede (aber auch nur die) heteronome Beeinflussung der Rechtssphäre des einzelnen aus, die nicht im Gesetz ihre Grundlage finde. Hierzu ist zunächst anzumerken, daß auf Grundlage eines solchen Ansatzes kein Raum für eine Differenzierung zwischen den rechtsbegründenden und den ein Recht, einen rechtlich erheblichen Vorteil oder eine hierfür relevante Eigenschaft feststellenden Verwaltungsakten bliebe. Wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der - ohne eine zusätzliche belastende Regelung - objektiv lediglich ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil feststellt, immer dann, wenn der Adressat die getroffene Regelung für nicht Rechtens hält, als ein Eingriff zu bewerten wäre, müßte der Eingriffscharakter erst recht bei einem gestaltenden Verwaltungsakt bejaht werden, den der ,3egünstigte" als materiell rechtswidrig ansieht. Die logische Konsequenz wäre nicht nur ein Eingriffsvorhalt für feststellende, sondern ein Totalvorbehalt für alle Verwaltungsakte, die der Betroffene für nicht Rechtens hält und deswegen subjektiv als „ E i n g r i f f einstuft Im Hinblick auf die Befugnis zum Erlaß von Verwaltungsakten, die aus Sicht der Behörde bzw. objektiv rein begünstigend wirken, kommt es aber letztlich gar nicht auf die Frage an, ob die Grundrechte auch ein Abwehrrecht gegen ungewollte (vermeintliche) Begünstigungen gewähren. Denn ein Verwaltungsakt, der lediglich ein Recht, einen rechtlich erheblichen Vorteil oder eine hierfür relevante Eigenschaft begründet oder bestätigt, verpflichtet den Adressaten nicht, von diesem Recht Gebrauch zu machen bzw. die zugesprochene Leistung anzunehmen. Aus einem etwaigen grundrechtlichen 55 Weil der 2. Senat zugleich aber auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und das insoweit in der vorliegenden Untersuchung soeben kritisierte 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil verweist, läßt das obiter dictum des 2. Senats keine endgültigen Schlüsse zu, in welchem Umfang das Bundesverfassungsgericht den Vorbehalt des Gesetzes auf feststellende Verwaltungsakte erstreckt. 56 Sachs, „Volenti non fit iniuria". Zur Bedeutung des Willens des Betroffenen im Verwaltungsrecht, VerwArch 76 (1985), 398 (417 f.). Demgegenüber nimmt Kirchhof DVB1. 1985, 651 (657) an, daß Art. 2 Abs. 1 GG die Aufdrängung einer Bereicherung nicht untersage. Es handele sich aber um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der im öffentlichen Recht zumindest auch dort gelte, wo kein Gesetz die Verwaltung zur Aufdrängung der Bereicherung ermächtige.
B. Der Eingriff in das von der Regelung betroffene Grundrecht
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Abwehranspruch gegenüber einer „aufgedrängten Bereicherung" ließe sich deshalb der Eingriffscharakter des begünstigenden Verwaltungsakts, in dem ein Anspruch auf Gewährung dieser Leistung zugesprochen wird, nicht begründen. Begünstigende Vorbescheide, Unbedenklichkeitsbescheinigungen, Negativatteste und ähnliche begünstigende Feststellungsbescheide gewähren zudem keine tatsächliche Bereicherung, sondern stellen verbindlich fest, daß ein gesetzliches Verbot nicht in die Rechtssphäre des Adressaten eingreift, so daß schon aus diesem Grunde der Vorbehalt des Gesetzes nicht eingreift 57 . Ein Verwaltungsakt, der lediglich eine materiellrechtliche Begünstigung oder das Nichtbestehen einer gesetzlichen Verpflichtung feststellt, enthält deshalb keinen Eingriff in die Rechte des Adressaten, sofern er nicht mit belastenden Nebenbestimmungen versehen ist und auch nicht als abschließende Regelung der festgestellten Begünstigung, z.B. der Höhe eines Leistungsanspruchs, den Adressaten hindern soll, später eine noch günstigere Rechtslage geltend zu machen. Die in der neueren Rechtsprechung praktizierte Einstufung sämtlicher Feststellungsbescheide als potentielle Eingriffe wird aber kaum zu Fehlurteilen führen. Denn ein Adressat dürfte wohl keinen Anlaß haben, einen Verwaltungsakt, der ihn rechtlich lediglich begünstigt, nur deshalb anzufechten, weil er ihn für nicht Rechtens hält. Er wäre durch einen solchen Verwaltungsakt auch nicht im Sinne von § 42 Abs. 2 und § 113 Abs. 1 VwGO in seinen Rechten verletzt. Allerdings ist die Anknüpfung der Eingriffswirkung an die Rechtsauffassung des Adressaten, die der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts anhand eines Sachverhalts entwickelt hat, in dem der Adressat einen Antrag auf Erlaß eines Verwaltungsakts gestellt hatte, nicht nur dogmatisch problematisch. Eine konsequente Anwendung würde im Verwaltungsverfahren merkwürdige Konsequenzen haben58, wenn die Verwaltung von Amts wegen einen feststellenden Verwaltungsakt erlassen will. Hier könnte die Behörde nämlich erst durch eine Anhörung zur Rechtsauffassung des Adressaten klären, ob sie wegen einer divergierenden Rechtsauffassung des Adressaten für diesen Bescheid eine spezielle Ermächtigungsgrundlage benötigt und müßte ihm im Falle einer Abweichung vor dem Erlaß eines solchen möglicherweise in seine Rechte eingreifenden Verwaltungsaktes nach § 28 VwVfG Gelegenheit geben, sich auch zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern 59.
57
Kirchhof, DVB1. 1985,651 (652). Niebaum/Eschenbach, DÖV 1994, 12 (20, Fn. 96), sprechen von „grotesken Ergebnissen". 59 Wenn man die Äußerung zur Rechtslage wiederum selbst als eine rechtlich erhebliche Tatsache einstuft, würde die Behörde sogar durch diese Anhörung i.S. von § 28 58
21 Kracht
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Teil 5: Die Eingriffswirkungen
Folglich kann sich der Vorbehalt des Gesetzes zwar auf den Einsatz des Verwaltungsaktes als verfahrensrechtliches Instrument zur verbindlichen Regelung des materiellen Rechts erstrecken; er wird aber nicht zu einem verfahrensrechtlichen Totalvorbehalt. Ob ein feststellender Verwaltungsakt als Eingriff anzusehen ist, hängt davon ab, ob er nur begünstigende oder auch belastende Eigenschaften oder Rechtsfolgen verbindlich regelt; für die Abgrenzung gelten demnach prinzipiell die gleichen Kriterien wie bei einem gestaltenden Verwaltungsakt und bei Maßnahmen, die nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren sind 60 . Da in einem Verwaltungsakt begünstigende und belastende Regelungselemente miteinander verbunden sein können und ein und dieselbe Feststellung sich im Falle einer abweichenden Bewertung der Sach- und Rechtslage durch den Adressaten je nach dessem tatsächlichen Rechtsschutzziel als Begünstigung oder Belastung darstellen kann 61 , ist nach der auch im Zusammenhang des § 42 VwGO und der §§ 48, 49 VwVfG sonst allgemein anerkannten materiellrechtlichen Betrachtungsweise 62 auch für den feststellenden Verwaltungsakt danach zu fragen, ob sich die konkrete Maßnahme für den Betroffenen nur als Begünstigung oder auch als freiheitsbeschränkende Belastung auswirken kann 63 . Diese Bestimmung der Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes bei feststellenden Verwaltungsakten stimmt mit dem im Überblick 64 bereits zitierten obiter dictum im Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 29.03.200065 überein. Dort hat der 2. Senat im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit eines Vorlagebeschlusses zu § 10 Landesabfallgesetz N W (i.d.F. vom 21. Juni 1988) ausgeführt, die Annahme des OVG N W 6 6 , der im Ausgangsverfahren erteilte Bescheid über eine Lizenzbestätigung sei als feststellender Verwaltungsakt zu
VwVfG erst die notwendige Information erhalten, um zu beurteilen, ob diese eine Anhörung gemäß § 28 VwVfG war (Niebaum/Eschenbach, DÖV 1994, 12 (20), Fn. 96). 60 P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35, Rn. 21 ff., 143; Henneke in Knack, § 35, Anm. 5.2.4; vor § 35 Anm. 7.2.2.; Kopp/Ramsauer, § 35 Rn. 12. 61 Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Rn. 7. 62 Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Rn. 7; Achterberg, Allg. VerwR, § 21 Rn. 87, 89; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 49 Rn. 16 ff.; Klappstein in Knack, § 49 Rn. 5. 63 Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Rn. 7; P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35, Rn. 21 ff., 143; Henneke in Knack, § 35, Anm. 5.2.4; vor § 35 Anm. 7.2.2. ; Kopp/Ramsauer, § 35 Rn. 12. 64 Vgl. oben Teil 4, B. vor I., wo dargelegt wird, daß es für die Zulässigkeit des Vorlagebeschlusses überhaupt nicht darauf ankam, ob der Vorbehalt des Gesetzes nur für den Inhalt oder entsprechend der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch für die Rechtsform des Verwaltungshandelns gilt. 65 2 BvL 3/96, http:www.bverfg.de, Rn. 76. 66 B. v. 23.01.1996 - 20 A 2865/94, ZUR 1996, 208 (212 f.).
B. Der Eingriff in das von der Regelung betroffene Grundrecht
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qualifizieren, der belastende Wirkungen entfalten könne und deshalb einer gesetzlichen Grundlage bedürfe, habe angesichts der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keiner weitergehenden Begründung bedurft. Die hier für feststellende Verwaltungsakte entwickelte Lösung der Vorbehaltsfrage ist also nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „zumindest vertretbar" 67 . Nach alledem sind alle Feststellungsbescheide, die einen für den Adressaten oder Drittbetroffenen nicht nur begünstigenden Regelungsinhalt haben, aufgrund ihrer fehlerunabhängigen Verbindlichkeit als grundsätzlich dem Vorbehaltsprinzip unterliegende Eingriffe zu qualifizieren. Soweit die neuere Rechtsprechung im Anschluß an das 2. Wohnraumentfremdungsurteil des Bundesverwaltungsgerichts das Vorliegen eines Eingriffs und damit die grundsätzliche Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung bei feststellenden Verwaltungsakten nicht vom Kriterium eines objektiv belastenden Regelungsinhalts, sondern von der subjektiven Rechtsauffassung des Betroffenen abhängig macht, findet sie im Eingriffsvorbehalt keine Stütze. Ausschließlich begünstigende Feststellungsbescheide, die weder belastende Nebenbestimmungen enthalten noch eine belastende Drittwirkung entfalten, sind keine dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegenden Eingriffe 68. Erst wenn eine den Adressaten oder einen Dritten inhaltlich belastende Regelung vorliegt, muß gefragt werden, •
ob der Vorbehalt des Gesetzes gleichwohl nicht gilt, weil die zuständige Behörde aufgrund eines vorausgesetzten verfassungsrechtlichen oder stillschweigend in der materiellen Rechtsnorm enthaltenen Vollzugsauftrages zu dem sich aus der Rechtsanwendung ergebenden „Eingriff 4 (mit)ermächtigt ist 69 ,
•
ob die erforderliche gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß dieses Verwaltungsaktes bereits in existierenden gesetzlichen Vorschriften, die nicht spe-
67
BVerfG, B. v. 29.03.2000 - 2 BvL 3/96, http:www.bverfg.de, Rn. 76. Allerdings wäre es verfehlt, das bloße obiter dictum des Bundesverfassungsgerichts als einen gezielten Hinweis zur exakten Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes bei feststellenden Verwaltungsakten zu interpretieren. Im Umkehrschluß läßt sich jedenfalls sagen, daß das Bundesverfassungsgericht die gegenteilige Aussage der traditionellen Lehre, der Vorbehalt des Gesetzes gelte nur für den Inhalt, nicht aber für die Rechtsform des Verwaltungsakts, nicht mehr als einen ungeschriebenen Grundsatz des deutschen Verfassungs- und Verwaltungsrechts ansieht, der keiner weiteren Begründung bedürfte. 68 Vgl. Fn. 60. 69 Dazu unten Teil 6, A.-E.
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Teil 5: Die Eingriffswirkungen
ziell den Erlaß dieser Verwaltungsakte regeln, mitenthalten ist (Ermächtigung durch Auslegung) 70 oder •
ob eine an sich erforderliche gesetzliche Ermächtigung unter dem Gesichtspunkt des Einverständnisses des Betroffenen entbehrlich ist („volenti non fit iniuria") 71 .
2. Den Adressaten rein begünstigende Feststellungsbescheide ohne belastende Drittwirkung Für rein begünstigende Feststellungsbescheide, die ausschließlich ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil bestätigen, gilt daher der allgemeine Vorbehalt des Gesetzes nicht, und zwar auch dann nicht, wenn der Betroffene die getroffene Feststellung als rechtswidrig ansieht. Für Feststellungsbescheide, die als abschließende Regelung der begünstigenden Rechtsposition die Geltendmachung weitergehender Ansprüche ausschließen sollen, gilt dagegen der Eingriffsvorbehalt, weil sie insoweit auch ein belastendes Element enthalten72. Als rein begünstigend sind insbesondere solche Verwaltungsakte anzusehen, die positiv die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung anerkennen oder unmittelbar eine Leistung gewähren, sofern sie keine die Begünstigung einschränkenden Nebenbestimmungen oder zusätzlichen Auflagen enthalten, und die weder durch eine abschließende Regelung des gegenwärtigen Rechtsverhältnisses weitergehende Berechtigungen des Adressaten ausschließen sollen noch durch eine bei einer begünstigenden Änderung der Sach- oder Rechtslage fortbestehende Bindungswirkung 73 . Zugleich kann der Gesetzesvorbehalt für das Verwaltungsverfahrensrecht nicht weiter reichen als der Vorbehaltsbereich im zugehörigen materiellen Verwaltungsrecht, das durch einen Verwaltungsakt konkretisiert wird. Dies gilt insbesondere für die umstrittene Frage der Geltung des Gesetzesvorbehalts fiir einen Subventionen gewährenden Verwaltungsakt. Zwar wird von einem erheblichen Teil der Literatur mit unterschiedlichen Gründen eine (materiell)gesetzliche Grundlage für alle oder bestimmte Subventionsbescheide gefordert 74. 70
Dazu unten Teil 7, B., D.-I. Dazu unten Teil 7, C. 72 Krause, Rechtsformen, S. 210 f.; Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 46 Rn. 23. 73 Zur Frage, ob ein Verwaltungsakt grundsätzlich nur eine verbindliche Konkretisierung der bei seinem Erlaß bestehenden Sach- und Rechtslage enthält oder ob seine Regelungswirkung durch spätere Änderungen der Sach- und Rechtslage grundsätzlich nicht berührt wird, vgl. unten Teil 6,1. 74 Vgl. die Darstellungen bei Breuer in HStR VI, § 148 Rn. 70 ff. (76); Maurer, Allg. VerwR, § 6 Rn. 13; Wolff/Bachof/Stober, § 18 Rn. 12 ff. 71
B. Der Eingriff in das von der Regelung betroffene Grundrecht
325
Demgegenüber soll nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Gewährung einer Subvention i.d.R. kein materielles Gesetz erforderlich sein, sondern grundsätzlich ein Haushaltsgesetz als Rechtsgrundlage genügen75. Ein Blick auf die für die Geltung des Vorbehalts des Gesetzes angeführten Argumente (leistungs- bzw. teilhaberechtliche Funktion der Grundrechte, Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation nicht geforderter Konkurrenten, Beeinflussung der Unternehmer-, Dispositions-, Produktions- und Preisfreiheit, Auswirkungen inhaltlicher Kriterien für die Subventionsvergabe auf Presse-, Kunst- oder Religionsfreiheit (insbesondere Eingriffe in Grundrechte von am Subventionsverhältnis nicht beteiligten Dritten), demokratischer Parlamentsvorbehalt, haushaltsrechtliches Bepackungsverbot) ergibt jedoch, daß es für die Begründung eines über den Eingriffsvorbehalt hinausgehenden Parlaments- oder Gesetzesvorbehalts für Subventionen maßgeblich nur auf die Auswirkungen der Leistung auf die Grundrechte, die Verwirklichung des Sozialstaatsprinzips oder auf den Staatshaushalt ankommen kann, nicht aber auf irgendwelche spezifischen Rechtsfolgen oder andere Auswirkungen des Verwaltungsakts als Mittel zur Leistungsgewährung. Dies zeigt sich auch daran, das mit den gleichen Argumenten für einen staatliche Subventionen gewährenden Vertrag eine gesetzliche Grundlage gefordert wird 76 . Folglich handelt es sich nicht um ein Problem eines Gesetzesvorbehalts, der spezifisch an die Rechtsform des Verwaltungsakts anknüpfen würde 77 . Die Frage, ob für die Gewährung einer Subvention eine gesetzliche Grundlage erforderlich ist und ein Haushaltsgesetz insoweit dem ggf. anzuwendenden Vorbehalt des Gesetzes genügen würde, ist der Frage nach der richtigen Rechtsform der Subventionsgewährung vorgelagert und wird daher nachfolgend nicht in die Untersuchung einbezogen78.
75 U. v. 21.3.1958 - VV C 6.57, BVerwGE 6, 282 (287 f.); U. v. 17.3.1977 7 C 59.75, NJW 1977, 138; U. v. 26.3.1979 - 3 C 111.79, 58, 45 (48); anders jedoch, wenn Eingriffe in die Grundrechtssphäre von am Subventionsverhältnis nicht beteiligter Dritter in Rede stehen (U. v. 6.11.1986 - 3 C 72.84, BVerwGE 75, 109 (117); U. v. 27.3.1992, BVerwGE 90, 112 (126 f.) - Osho-Bewegung). 76 Breuer in HStR VI, § 148 Rn. 70; Henneke in Knack, § 54 Rn. 6.2 m.w.N. 77 Breuer in HStR VI, § 148 Rn. 70; Druschel, S. 222 ff. (m.w.N.). 78 Ebenso Druschel, S. 222 ff., in seiner Dissertation zur Verwaltungsaktbefugnis.
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Teil 5: Die Eingriffswirkungen
3. Den Adressaten (auch) belastende Feststellungsbescheide a) Die Feststellung von Tatbestands- oder Rechtsfolgenelementen einer Norm mit einer belastenden Rechtsfolge Wenn ein feststellender Verwaltungsakt die Tatbestands- oder Rechtsfolgenseite eines Rechtssatzes verbindlich konkretisiert, der (auch) eine materielle Rechtspflicht oder eine andere belastende Rechtsfolge enthält, eine Begünstigung ablehnt oder verbindlich feststellt, daß eine notwendige tatbestandliche Voraussetzung für einen begünstigenden Verwaltungsakt oder eine andere begünstigende Verwaltungsmaßnahme nicht erfüllt sind, so spricht dieser Feststellungsbescheid verbindlich eine belastende Rechtsfolge aus 79 . Wenn beispielsweise die zuständige Ordnungsbehörde durch bestandskräftigen Verwaltungsakt verbindlich festgestellt hat, daß bestimmte Räume Wohnräume sind und dem gesetzlichen Verbot der Wohnraumzweckentfremdung unterliegen, so soll der Adressat nach Unanfechtbarkeit dieses Grundlagenbescheides gegenüber einer späteren Verfügung, mit der ihm eine gewerbliche Nutzung untersagt wird, nicht mehr einwenden können, es handele sich nicht um Wohnräume 80. Regelt die Denkmalbehörde eine kraft Gesetzes bestehende Denkmaleigenschaft eines Gebäudes verbindlich durch Verwaltungsakt, so soll diese Entscheidung immer dann maßgeblich sein, wenn es für ein ordnungsbehördliches Einschreiten oder eine denkmal- oder baurechtliche Genehmigung darauf ankommt, ob dieses Gebäude den denkmalrechtlichen Schutzbestimmungen unterliegt 81 . Somit handelt es sich bei dem auch im Falle seiner Rechtswidrigkeit grundsätzlich verbindlichen Bescheid um einen Eingriffsakt der Verwaltung, der nach dem Vorbehalt des Gesetzes prinzipiell einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Zwar geht von feststellenden Verwaltungsakten nie ein unmittelbarer physischer Zwang zu einem bestimmten Verhalten aus. Dies gilt jedoch gleichermaßen für befehlende Verwaltungsakte und gerichtliche Urteile, die als Rechtsakte die Pflicht zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen regeln. Soll eine - rechtsgestaltende oder -feststellende - Konkretisierung des materiellen Rechts als Grundlage für belastende Folgemaßnahmen der Verwaltung fun-
79
In diesem Sinne Achterberg, Allg. VerwR, § 21 Rn. 87, 89; Maurer, Allg. VerwR, § 9 Rn. 48 f.; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 49 Rn. 16 ff.; Klappstein in Knack, § 49 Rn. 5. 80 Vgl. den in JURIS Nr. WBRE101128602 vollständig, in NJW 1986, 1120 und oben in Teil 4, C.III.6. m.w.N. im wesentlichen wiedergegebenen Sachverhalt des 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.11.1985 8 C 105.83, BVerwGE 72, 265. 81 Vgl. oben Teil 2, F.II.
B. Der Eingriff in das von der Regelung betroffene Grundrecht
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gieren, so entfallen die belastende Wirkung und das Merkmal der Imperativität des Eingriffs nicht schon deshalb, weil dieser Grundlagenbescheid selbst noch nicht mit Mitteln des Verwaltungszwangs vollstreckbar ist. Auch insoweit unterscheidet sich der feststellende Verwaltungsakt in seinen Rechtswirkungen nicht von einem gestaltenden Verwaltungsakt, der eine belastende Rechtsfolge verbindlich konkretisiert. Der Erlaß eines Feststellungsbescheids, dessen Regelungsgehalt im Hinblick auf bestimmte belastende Folgemaßnahmen eine präjudizielle Wirkung haben soll, ist als Eingriff in diejenigen Grundrechte anzusehen, deren Schutzbereich von diesen Folgemaßnahmen betroffen sein würde 82. Denn die getroffene Regelung soll grundsätzlich auch dann gelten, wenn der Adressat später versucht, eine abweichende Rechtslage geltend zu machen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, daß Normen an das Vorliegen einer einzelnen Tatsache, eines Status oder eines Rechtsverhältnisses (z.B. die Denkmaleigenschaft, das Beamtenverhältnis, die deutsche Staatsangehörigkeit) gleichzeitig sowohl begünstigende als auch belastende Rechtsfolgen knüpfen können. Da nach dem grundrechtlichen Vorbehaltsprinzip jede finale Beschränkung eines speziellen Freiheitsrechtes und - vermittelt über den Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit als Freiheit von ungesetzlichem Zwang ebenso jeder Eingriff in ein sonstiges subjektiv-öffentliches Recht einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf, ist ein Feststellungsbescheid schon dann als Eingriffsakt anzusehen, wenn er unmittelbar auch eine belastende Rechtsfolge feststellt oder die getroffene Feststellung zumindest auch für die Anwendung eines Rechtssatzes mit einer belastenden Rechtsfolge verbindlich sein soll.
b) Ausdrückliche oder inzident in Ablehnungsbescheiden enthaltene Feststellungen, daß ein Leistungsanspruch nicht, nur in bestimmter Höhe oder nur bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen besteht Belastend wirkt auch die verbindliche Feststellung, daß ein Recht, ein begünstigender Status oder eine für eine begünstigende Rechtsfolge rechtlich
82 So wohl auch Kopp/Ramsauer, § 35 Rn. 12: „Die Rspr stellt zu Recht darauf ab, ob sich die Feststellung im Einzelfall für den Bürger als belastende Maßnahme darstellen kann. Das hängt nicht nur vom konkreten Inhalt der Feststellung ab, sondern auch davon, welche Funktion die verbindliche Feststellung von Rechten und Pflichten erfüllen soll. Muß der Betroffene damit rechnen, daß die Feststellung zum Anknüpfungspunkt für weitere Maßnahmen ihm gegenüber genommen wird, so wird man eine Ermächtigungsgrundlage verlangen müssen."
328
Teil 5: Die Eingriffswirkungen
erhebliche Eigenschaft nicht, nur in bestimmter Höhe oder nur bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen besteht83. Wie bereits in Teil 2 8 4 dargelegt, müssen derartige Feststellungen nicht in jedem Fall im Verwaltungsakt ausdrücklich getroffen werden; derartige Feststellungen sind inzident in der Regel auch in Verwaltungsakten enthalten, durch die ein geltend gemachter Anspruch aus Gründen des materiellen Rechts abgelehnt wird. Allerdings liegt hier gerade im Bereich der Leistungsverwaltung der Einwand nahe, die Verwaltung verweigere mit derartigen Entscheidungen nur die Gewährung einer Begünstigung und damit eine Erweiterung des Rechtskreises des Adressaten 85. Besteht jedoch kraft Verfassung oder Gesetzes für eine abstrakt-generelle definierte Personengruppe ein bestimmtes Recht oder eine rechtlich begünstigende Rechtsposition bereits unmittelbar, d.h. ohne Einschaltung einer konstitutiven Willenserklärung der Verwaltung, mit der Verwirklichung eines bestimmten Lebenssachverhaltes, so nimmt ein negativer Bescheid demjenigen, der nach der gesetzlichen Rechtslage doch berechtigt ist, die Möglichkeit, sich künftig auf sein subjektives Recht zu berufen. Aber auch dann, wenn die Gewährung einer Leistung im Ermessen der Verwaltung steht, bewirkt ein negativer Feststellungsbescheid, mit dem eine Leistungsgewährung endgültig abgelehnt wird, einen Eingriff, da er den Adressaten aus dem Kreis der in Betracht kommenden Leistungsempfanger ausschließt86. Ein Inzidentfeststellungen zur materiellen Rechtslage enthaltender Ablehnungsbescheid ist daher als verfahrensrechtlicher Eingriffsakt in das mit dem Antrag geltend gemachte subjektiv-öffentliche Recht einzustufen 87.
83
BSGE 55, 32 (35 f.); Hennig, SGb. 1962, 68 (70); Merten, VSSR 1973, 66 (82); Maurer, Allg. VerwR, § 9 Rn. 49; Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 46 Rn. 21; Achterberg,, Allg. VerwR, § 21 Rn. 89; Sachs in Stelkens/Bonk/ Sachs, § 48 Rn. 52 f., 131, 139, § 49 Rn. 16 ff.; Klappstein in Knack, § 49 Rn. 5. 84 Vgl. oben Teil 2, B.V.3.a)bb). 85 So Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 192 ff. Krause, Rechtsformen, S. 196 ff. (203) unterscheidet zwischen der Versagung eines Leistungsanspruchs, welche ein belastender, aber kein eingreifender Verwaltungsakt sei und der Ablehnung einer Erlaubnis. 86 Wenn der Adressat selbst die Leistung durch einen auf Erlaß eines Verwaltungsakts gerichteten Antrag begehrt hatte, muß er allerdings zur Durchsetzung seines Leistungsanspruchs grundsätzlich eine Verpflichtungs- bzw. Bescheidungsklage erheben. Ein berechtigtes Interesse einer isolierten Anfechtung des Ablehnungsbescheides kann jedoch in besonderen Fällen bestehen, z.B. wenn der Adressat eine nur auf Antrag zu gewährende Leistung überhaupt nicht beantragt hatte oder wenn der Kläger nach Ablehnung einer beantragten Genehmigung nunmehr die Auffassung vertritt, sein Vorhaben sei überhaupt nicht genehmigungsbedürftig (Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, § 42 Abs. 1 Rn. 107 ff. (112); Kopp/Schenke, § 42 Rn. 30; teilweise weitergehend noch Kopp, VwGO, § 42 Rn. 21 f.). 87 I.E. ebenso Druschel, S. 232 ff., der die Eingriffswirkung allerdings allein mit der Auferlegung der Anfechtungslast begründet.
B. Der Eingriff in das von der Regelung betroffene Grundrecht
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Ein Verwaltungsakt, mit dem eine Begünstigung gewährt wird, wirkt auch belastend, wenn in ihm ausdrücklich durch die Ablehnung eines weitergehenden Antrags oder stillschweigend als abschließende Regelung des Rechtsverhältnisses festgestellt wird, daß ein höherer Anspruch nicht besteht. Sein konkreter Regelungsgehalt bleibt hinter dem abstrakt rechtlich Möglichen zurück und nimmt dem Betroffenen, wenn er in Bestandskraft erwächst, die Möglichkeit, die Gewährung weiterer Leistungen durchzusetzen.
4. Den Adressaten begünstigende Bescheide mit rechtlich belastender Drittwirkung Die Eingriffswirkung, die vom Verwaltungsakt als Instrument zur verbindlichen Regelung des materiellen Rechts ausgeht, kann auch gegenüber einem Dritten bestehen. Hierfür genügt allerdings nicht jede irgendwie belastende Auswirkung des Feststellungsbescheides. Soweit nicht spezielle Freiheitsrechte eingreifen, schützt die allgemeine Handlungsfreiheit des Artikels 2 Abs. 1 GG in ihrer Funktion als , Auffanggrundrecht" („Freiheit von ungesetzlichen Belastungen") nur vor dem Entzug oder der Verkürzung subjektiv-öffentlicher Rechte88. Hieraus ergibt sich, daß ein feststellender Verwaltungsakt wegen der darin enthaltenen verbindlichen Regelung als Eingriff in Freiheit und Eigentum eines Dritten einzustufen ist, wenn dessen Regelungsgehalt es dem betroffenen Dritten unmöglich macht, sich gegenüber einer Behörde oder dem begünstigten Adressaten (mit Erfolg) auf eine drittschützende Norm zu berufen, solange der Verwaltungakt ihm gegenüber wirksam und verbindlich ist. Dies ist z.B. der Fall, wenn die Behörde in einer Unbedenklichkeitsbescheinigung für ein nicht genehmigungsbedürftiges Bauvorhaben oder in einem Duldungsbescheid für ein formell rechtswidriges Bauvorhaben explizit oder implizit verbindlich feststellt, die bauliche Anlage verstoße nicht gegen eine nachbarschützende Norm, deren Verletzung der Dritte sonst geltend machen könnte.
5. Ergebnis Im Prozeß einer stufenweisen Konkretisierung des abstrakt-generellen Rechts geht eine Eingriffswirkung von allen Verwaltungsakten aus, in denen festgestellt wird, daß •
bei einer Person oder einer Sache eine bestimmte Eigenschaft nicht besteht, welche jetzt oder in Zukunft für den Bestand eines Abwehrrechtes oder eines Leistungsanspruchs rechtlich erheblich sein kann, 88
Vgl. hierzu Pietzcker, Bachof-FS, S. 132 (145 ff.).
330
Teil 5: Die Eingriffswirkungen
•
der Adressat oder ein Drittbetroffener zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen verpflichtet ist oder
•
ein bestimmter Anspruch des Adressaten nicht, nur in einer bestimmten Höhe oder nur unter bestimmten Voraussetzungen besteht.
I I I . Berücksichtigung der Klagemöglichkeit und der möglichen Vorteile einer Klärung der Rechtslage durch Verwaltungsakt Der Umstand, daß der Adressat die konkretisierende Verfügung oder den Feststellungsbescheid mit einem nachteiligen Regelungsinhalt anfechten kann, beseitigt deren freiheitseinschränkende Wirkung nicht. Denn die Möglichkeit, sich mit Rechtsbehelfen gegen einen fremden Übergriff in die eigene Rechtssphäre zur Wehr zu setzen, gehört zu den rechtsstaatlichen Grundprinzipien unserer Verfassungsordnung; sie dient der Abwehr, nicht der Legitimation des Eingriffs. Auch kann keine Rede davon sein, daß derjenige, der gegen einen Verwaltungsakt keine Rechtsbehelfe einlegt, die darin enthaltene Regelung immer als rechtmäßig ansieht, in sie einwilligt oder sie nicht als Eingriff betrachtet. Beispielsweise kann die Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes auch deshalb eintreten, weil der Adressat dessen Rechtswidrigkeit nicht erkennt, das Prozeßrisiko scheut oder die Widerspruchs- bzw. Klagefrist versäumt. Diese Grundrechtsbeeinträchtigung wird - zumindest bei einem von Amts wegen ergehenden Bescheid - nicht dadurch gerechtfertigt oder kompensiert, daß das Verwaltungsverfahren für den Bürger gewisse Vorteile bringt, z.B. Anhörungs- oder Begründungspflichten der Verwaltung oder Widerspruchsund Klagemöglichkeiten eröffnet und bei einem vorbeugenden Feststellungsbescheid auch im Interesse des Bürgers zu einer frühzeitigen Klärung der Rechtslage führt 89 . Zum einen stellt sich nämlich diese Klagemöglichkeit in Wahrheit als Klagenotwendigkeit dar, um die drohende Bestandskraft abzuwehren und eine endgültige Verbindlichkeit zu verhindern 90. Zum anderen sind weder die Vor- und Nachteile der beiden zur Geltendmachung eines falligen Anspruchs der Verwaltung in Betracht kommenden Wege (konkretisierende Verfügung
89
So aber Maurer, Allg. VerwR, § 10 Rn. 7; J. Martens, NVwZ, 1987, 106; ders., NVwZ, 1993, 27 ff. 90 BVerwG, 2.Wohnraumzweckentfremdungsurteil vom 29.11.1985 - 8 C 105.83, BVerwGE 72, 265 (268), vgl. Teil 4, C.III.6. m.w.N.; Hill, DVB1. 1989, 321 (324); Drescher, DVB1. 1986, 727 (729); Druschel, S. 58; Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 292.
B. Der Eingriff in das von der Regelung betroffene Grundrecht
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oder Leistungsklage) gleichartig und miteinander verrechenbar 91, noch die Vorund Nachteile, die eine vorbeugende Feststellung durch Verwaltungsakt im Vergleich zu einem noch ungewissen, späteren behördlichen Einschreiten bringen kann 92 . Daher entspricht es der Interessenlage des Bürgers, wenn die Verwaltung nicht aus eigener Machtvollkommenheit darüber entscheiden darf, wann sie eine verbindliche Entscheidung über die Rechte und Pflichten des Bürgers treffen darf. Wenn der Bürger selbst ein berechtigtes Interesse an einer präventiven Feststellung der Rechtslage hat, kann er dieses dadurch verwirklichen, daß er unmittelbar beim zuständigen Verwaltungsgericht eine vorbeugende Feststellungs- oder Unterlassungsklage erhebt 93 oder selbst bei der zuständigen Behörde einen feststellenden Verwaltungsakt beantragt 94. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß auch in Fällen, in denen der Adressat zulässige Rechtsbehelfe einlegt, die Regelung des Verwaltungsaktes zunächst wirksam und verbindlich bleibt, wenn die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 2 VwGO ausgeschlossen ist 95 . Die bloße Möglichkeit der Anfechtung nimmt einem belastenden Verwaltungsakt nach alledem nicht seine freiheitsbeschränkende Wirkung. Vielmehr wird bei einem erfolgreichen Anfechtungsprozeß durch die Aufhebung Bescheides desen mit dem Erlaß eingetretene Eingriffswirkung nachträglich beseitigt. Jeder Verwaltungsakt, der durch seine ausdrücklich oder inzident getroffenen Regelungen eine Rechtsverletzung i.S. des § 42 Abs. 2 VwGO bewirken kann, muß daher als belastender (= nicht lediglich begünstigender) Verwaltungsakt und im Hinblick auf die rechtsformspezifische Verbindlichkeit als Eingriffsakt in die von der Regelung betroffenen subjektiven Rechte behandelt werden.
91 Heckmann, S. 188; Druschel, S. 58 (für das Verhältnis von Anfechtungsbefugnis und Anfechtungslast), vgl. auch unten Teil 7, D.I.-II. 92 Vgl. dazu auch unten Teil 7, B.III., C.VII.-X. 93 BVerwG, 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil vom 29.11.1985 - 8 C 105.83, BVerwGE 72, 265 (268), vgl. Teil 4, C.III.6. (m.w.N.); Druschel, S. 58. 94 Drescher, DVB1. 1986, 727 (729); weitere Nachweise unten Teil 7, C.V.-X. 95 OVG Lüneburg, U. v. 15.3.1988 - 10 A 14/87; NVwZ 1989, 880 (881); Rubel, JA-Ü 1990, 86 (87).
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Teil 5: Die Eingriffswirkungen
C. Die Anfechtungslast als Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit I. Anfechtungslast und Anfechtungsrisiko Aus der Verbindlichkeit als rechtsformspezifischer Rechtsfolge entstehen für den Adressaten oder sonstigen Betroffenen eines belastenden Verwaltungsakts weitere Beschränkungen des grundrechtlich geschützten Freiheitsbereichs, die nicht mit der getroffenen Regelung identisch sind. Soweit der Verwaltungsakt nämlich nicht ausnahmsweise wegen besonders schwerwiegender Rechtsmängel gem. § 44 VwVfG nichtig ist, wird seine Regelung bereits mit Erlaß für den Betroffenen wirksam und verbindlich 1 . Eine gerichtliche Überprüfung des Verwaltungsaktes findet nicht automatisch statt, sondern nur dann, wenn der durch die Regelung in seinen Rechten betroffene Bürger Widerspruch und Anfechtungsklage erhebt; soweit Widerspruch und Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 2 VwGO keine aufschiebende Wirkung haben, muß er darüber hinaus einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen, wenn er die sofortige Vollziehung verhindern will. Da zugleich die Fehlerhaftigkeit des verbindlichen Regelungsgehaltes eines Verwaltungsaktes nur innerhalb der gesetzlichen Rechtsbehelfsfristen (§§ 70, 74 VwGO) geltend gemacht werden kann, begründet ein Verwaltungsakt, der mit Anspruch auf Verbindlichkeit eine belastende Rechtsfolge ausspricht, eine Verschlechterung der verfahrensrechtlichen Situation des Betroffenen, die rechtsformspezifische Anfechtungslast 2. Macht er von seinen Rechtsbehelfen keinen Gebrauch, so erwächst der Verwaltungsakt in Bestandskraft und der Betroffene verliert die Möglichkeit, in einer späteren Phase des Verwaltungshandelns eine ihm günstigere objektive Rechtslage geltend zu machen. Der Bürger steht durch das Wirksamkeitsprinzip und die mit Eintritt der Bestandskraft drohende endgültige Verbindlichkeit daher vor der Wahl, entweder die im Verwaltungsakt geregelte Rechtsfolge als eine dem Gesetz gemäße gegen sich gelten zu lassen oder aber von den Rechtsbehelfen des Widerspruchs und der Anfechtungsklage Gebrauch zu machen und ggf Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz zu stellen. Bereits in diesem faktischen Zwang, be1
Vgl. oben Teil 2, G.II., III. und V. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht, S. 49 ff.; Renck, JuS 1965, 129 (131 f.); Pietzner, JA 1973, 413; Löwenberg, S. 49 f.; Arnold, UFITA 97 (1984), 87 (96 f.); Drescher, DVB1. 1986, 727 (729); Rubel, JA-Ü 1990, 86 (87); Druschel, S. 54 ff. Dieser Nachteil wird (ohne Verwendung des Begriffs der Anfechtungslast) auch in der Rechtsprechung bei der Begründung des Eingriffscharakters von Feststellungsbescheiden und konkretisierenden Verfügungen beschrieben, vgl. z.B. BVerwG, 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil vom 29.11.1985 - 8 C 105.83, BVerwGE 72, 265 (267 f.), vgl. Teil 4, C.III.6. m.w.N.; OVG Lüneburg, U. v. 15.3.1988 - 10 A 14/87, NVwZ 1989, 880 (881); VGH BW, B. v. 29.12.1989 - 10 S. 2252/89, NVwZ 1990, 388. 2
C. Die Anfechtungslast als Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit
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stimmte Handlungen vorzunehmen, um die durch die Verfassung und einfache Gesetze konstituierte Rechtssphäre („Freiheit und Eigentum") zu schützen, liegt eine Beeinträchtigung der von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit. Bei der Analyse der möglicherweise als Eingriff zu qualifizierenden Belastungen, die für den Bürger durch den Einsatz des Verwaltungsaktes entstehen und der ggf. anzustellenden Verhältnismäßigkeitsprüfung, ob die Auferlegung der Anfechtungslast durch vernünftige Gemeinwohlerwägungen gerechtfertigt ist, sind zudem nicht nur die Belastungen zu berücksichtigen, die dem Betroffenen in einer Gesamtbilanz ex post nach einem erfolgreichen Anfechtungsprozeß noch verbleiben 4. Denn der Verwaltungakt dient der Klärung einer zum Zeitpunkt seines Erlasses ex ante wegen der Letztentscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte noch ungewissen Rechtslage. Bei einer vernünftigen Abwägung hängt der Entschluß des Betroffenen, ob er einen Verwaltungsakt durch Widerspruch oder Anfechtungsklage angreifen soll, deshalb nicht nur von der Bedeutung des Regelungsgehalts und dem Aufwand einer Anfechtung, sondern auch von dem Risiko der Anfechtung ab. Das allgemeine Prozeßrisiko, bei einer Klageabweisung nicht nur sein materielles Recht zu verlieren, sondern auch noch vergeblich die persönlichen Mühen der Prozeßführung sowie Zeit und Geld (Gerichts- und Anwaltskosten) aufgewandt zu haben (Art. 2 Abs. 1 GG) 5 , ist deshalb ein Teil der mit jedem inhaltlich belastenden Verwaltungsakt verbundenen Anfechtungslast. Denn der Adressat muß sich innerhalb der Rechtsbehelfsfristen darüber klarwerden, ob und in welchem Umfang der Verwaltungsakt für ihn nachteilige Auswirkungen hat, ob er eine Verletzung eige3
Löwenberg, S. 49 f. So aber bei einem Vergleich der Belastungen, die dem Bürger durch einen Verwaltungsakt und eine Klageerhebung durch die Verwaltung entstehen, z.B. J. Martens, NVwZ 1993, 27 (28 ff.) und Druschel, S. 56, 260 ff. Außerdem wird bei diesem Vergleich der Belastungen meist durch eine unzulässige Verallgemeinerung der Befugnis der Verwaltung, einen Erstattungs- oder Schadensersatzanspruch durch Leistungsklage geltend zu machen, eine alternative Klagemöglichkeit zu Unrecht als zulässiger Normalfall der Rechtsdurchsetzung unterstellt; zu den besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen der präventiven Feststellungs- und Unterlassungsklagen vgl. jedoch unten Teil 7, B.III. 5 Diese Gefahr entsteht allerdings nicht unmittelbar durch die Klägerrolle des Bürgers, sondern durch die Einleitung eines zu verbindlicher Entscheidung führenden Rechtsanwendungsverfahrens, welches die Verwaltung hier aufgrund ihres Erkenntnisprivilegs durch die Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens in Gang setzt (vgl. Löweriberg, S. 50 f. m.w.N.). Hat sich der Betroffene nämlich zu einer Anfechtung des Verwaltungsakts und damit einer aktiven Prozeßführung entschlossen, so erwachsen ihm aus seiner Klägerrolle im Anfechtungsprozeß keine weiteren rechtlichen Nachteile. Denn der Verwaltungsprozeß kennt keine subjektive Beweisführungslast und auch die objektive Beweislast (Frage der Nichterweislichkeit) richtet sich nicht nach der Parteistellung, sondern dem jeweils anzuwendenden materiellen Recht. 4
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ner Rechte geltend machen kann, ob der Verwaltungsakt nach seiner eigenen Überzeugung der materiellen Rechtslage (nicht) entspricht, ob die Einschaltung eines Rechtsanwalts erforderlich wird und wie hoch das Risiko ist, daß die Widerspruchsbehörde und das Verwaltungsgericht doch die im Bescheid enthaltene Regelung bestätigen und den Widerspruch bzw. die Anfechtungsklage zurückweisen werden 6. Aufgrund einer Gesamtschau dieser Faktoren muß dann der Betroffene abwägen, ob er den durch den Regelungsinhalt bewirkten Eingriff in seine eigenen Rechtsgüter für so schwerwiegend hält, daß sich für ihn der Aufwand und das Risiko einer Rechtsverteidigung lohnen. Das objektive Anfechtungsrisiko ließe sich theoretisch als ein Produkt aus der Schwere des Eingriffs und der Wahrscheinlichkeit beschreiben, daß Widerspruch und Anfechtungsklage zurückgewiesen werden. Jedoch ist desweiteren zu berücksichtigen, daß die Verbindlichkeit und die drohende Bestandskraft den Adressaten auch zu einer subjektiven Prognose über die formelle und materielle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts zwingen. Insoweit hängt die Entscheidung, den Verwaltungsakt anzufechten oder ihn mit Eintritt der Unanfechtbarkeit endgültig als rechtmäßige Konkretisierung des Gesetzes gegen sich gelten zu lassen, und damit das Ausmaß der Anfechtungslast nicht nur von den objektiven Gegebenheiten, sondern auch von der Fähigkeit des Adressaten ab, die Sach- und Rechtslage und das objektive Prozeßrisiko selbst oder mit Hilfe eines Rechtsanwalts bewerten zu können. Dementsprechend ist das Bundesverfassungsgericht bei seiner Entscheidung vom 02.03.1999 zu dem mit einer salvatorischen Entschädigungsklausel verknüpften denkmalrechtlichen Verbot mit Erlaubnisvorbehalt des § 13 des rheinland-pfälzischen Denkmalschutz- und -pflegegesetzes (DSchPflG RP) 7 davon ausgegangen, daß der Vorbehalt zu Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) sich nicht nur auf materiellrechtliche Vorschriften beziehe. Vielmehr müsse der Gesetzgeber seine materiellrechtlichen Ausgleichsregelungen, mit denen unzumutbare Auswirkungen einer den Inhalt des Eigentums bestimmenden Regelung durch Ausgleichsregelungen verhindert werden sollen, durch verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen ergänzen, die sicherstellen, daß mit einem die gesetzliche Eigentumsbeschränkung aktualisierenden Verwaltungsakt zugleich über einen dem belasteten Eigentümer ggf. zu gewährenden Ausgleich entschieden wird. Bei finanzieller Kompensation sei zumindest dem Grunde nach über das Bestehen des Anspruchs zu entscheiden. Denn ein Eigentümer, der einen ihn in seinem
6
Löwenberg,, S. 50 f. BVerfG, B. v. 2.3.1999 - 1 BvL 7/91, JURIS Nr.: KVRE289369901 = BVerfGE 100, 226 = EuGRZ 1999, 415 (421) = DVB1. 1999, 1498, mit krit. Anm. Hendler, S. 1501. 7
C. Die Anfechtungslast als Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit
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Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG beeinträchtigenden Verwaltungsakt für unverhältnismäßig halte, müsse ihn im Verwaltungsrechtsweg anfechten. Lasse er ihn bestandskräftig werden, so könne er eine Entschädigung auch als Ausgleich im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht mehr einfordern. Der Betroffene müsse sich daher entscheiden, ob er den die Eigentumsbeschränkung aktualisierenden Eingriffsakt hinnehmen oder anfechten wolle. Diese Entscheidung könne er sinnvollerweise nur treffen, wenn er wisse, ob ihm ein Ausgleich zustehe. Es sei dem Betroffenen nicht zuzumuten, einen Verwaltungsakt, den er für unvereinbar mit der Eigentumsgarantie halte, in der unsicheren Erwartung eines nachträglich in einem anderen Verfahren zu bewilligenden Ausgleichs bestandskräftig werden zulassen. Nach dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gelten die grundrechtlichen Gesetzes- und Regelungsvorbehalte (hier: der Vorbehalt des Gesetzes in seiner Ausprägung als Vorbehalt der Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) aufgrund der Anfechtungslast des Betroffenen auch für Verwaltungsakte, welche gesetzliche Eingriffe oder Inhalts- und Schrankenbestimmungen konkretisieren sollen. Bei einem feststellenden Verwaltungsakt hängt die Schwere der Anfechtungslast für den Betroffenen schließlich auch davon ab, ob die Entscheidung ein bereits ausgeführtes Vorhaben betrifft oder präventiv ergeht. Trifft die zuständige Behörde die verbindliche Feststellung, ein bestimmtes Gebäude enthalte der Wohnraumzweckentfremdung unterliegende Wohnräume oder es sei als gesetzlich geschütztes Denkmal zu qualifizieren, so weiß der Grundstückseigentümer sehr genau, welche Nachteile hieraus entstehen, wenn er dieses Haus bereits zur freiberuflichen Nutzung vermietet und ein Bauunternehmen mit grundlegenden Umbaumaßnahmen für Büros und Arztpraxen beauftragt hat. Demgegenüber wird er das Prozeßrisikos sehr viel eher scheuen, wenn er das Gebäude gegenwärtig mit seiner Familie bewohnt und er bislang lediglich vage Überlegungen angestellt hat, ob er das Haus in fünf oder zehn Jahren nach dem Auszug seiner dann erwachsenen Kinder grundlegend sanieren oder verkaufen soll. Anfechtungslast und Anfechtungsrisiko, welche notwendige Folgen der Verbindlichkeit und zeitlich begrenzten Anfechtbarkeit des Verwaltungsakts sind, führen also zu Beschränkungen der Handlungsfreiheit des Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts, welche über die in der Regelung selbst ausgesprochenen Rechtsfolgen hinausgehen. Wenn die mit dem Erlaß eines belastenden Verwaltungsakts verbundene Auferlegung der Anfechtungslast mit dem immanenten Anfechtungsrisiko teilweise gleichwohl nicht als Eingriff i.S. der Vorbehaltslehre angesehen wird, so beruht dies entweder auf einem Vergleich mit den Nachteilen, die durch andere verbindliche Regelungen, Mahnbescheide oder eine Klageerhebung entstehen,
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Teil 5: Die Eingriffswirkungen
oder auf der Überlegung, daß die erlassende Behörde mit dem Erlaß ihrer Entscheidung nicht die Absicht hat, einen Verwaltungsprozeß auszulösen, sondern die baldige Befolgung ihrer Regelung will.
II. Keine spezifische Eingriffswirkung gerade durch den Einsatz der Regelungsform Verwaltungsakt? Ein Teil der Literatur nimmt an, die Anfechtungslast sei keine rechtsformspezifische Eingriffswirkung der Regelungsform Verwaltungsakt, weil vergleichbare Belastungen auch durch den Einsatz anderer Instrumente zur Durchsetzung des materiellen Rechts entstünden, bei denen auch die Notwendigkeit einer Gegenwehr und aktiven Rechtsverteidigung bestehe8. Nach Appel/Melch inger* hängen die durch den Erlaß eines feststellenden Verwaltungsakts ausgelösten Nachteile nicht mit dem Einsatz dieser Handlungsform zusammen, da sie überall dort aufträten, wo die Verwaltung im Über-Unterordnungsverhältnis rechtlich verbindlich Sachverhalte regele und damit nicht zu ignorierende Fixpunkte setze, gegen die der einzelne seinerseits vorgehen müsse, wenn er sie nicht hinnehmen wolle. Wenn man für den Verwaltungsakt eine gesetzliche Ermächtigung fordere, müßte man dies konsequenterweise auch für jede andere auch den Einzelfall bezogene Rechtsanwendung der Verwaltung tun. Diese Überlegung zeige, daß es hier nicht um die spezifischen Nachteile der Handlungsform Verwaltungsakt sondern um immanente Nachteile der Ausübung hoheitlicher Gewalt gehe, die den eigentlichen Inhalt von Subordinationsverhältnissen ausmachten und daher keiner besonderen gesetzlichen Regelung bedürften. Bei dieser Argumentation bleibt unklar, um welche anderen hoheitlichen Regelungsformen es sich handeln soll. Bei den der Verwaltung zur Verfügung stehenden Regelungsformen müßte man an Satzungen und an innerdienstliche Weisungen und Organisationsakte denken. Wenn diese belastende verbindliche Regelungen enthalten, können sie denjenigen, für den sie verbindlich sind, tatsächlich vor die Wahl stellen, diese zu befolgen oder aktiv Rechtsbehelfe einzulegen. Jedoch kann die Verwaltung diese anderen hoheitlichen Regelungsformen niemals an Stelle des in Rede stehenden Verwaltungsaktes einsetzen, wenn sie einen konkreten Einzelfall verbindlich und mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen regeln will. Es handelt sich nicht um für den konkreten Lebenssachverhalt bereits zur Verfügung stehende, austauschbare Instrumente 8 Appel/Melchinger, VerwArch 84 (1993), 349 (370); Heckmann, S. 189; J. Martens, NVwZ 1993, 27 (29 f.). 9 Appel/Melchinger,, VerwArch 84 (1993), 349 (370).
C. Die Anfechtungslast als Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit
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mit gleichen Rechtsfolgen, sondern um Regelungsformen, die bei anderen Lebenssachverhalten gegenüber anderen Adressaten vergleichbare Wirkungen hervorrufen. Der Umstand, daß eine Behörde in der Lage ist, bei anderen Sachund Rechtslagen gegenüber anderen Personen andere Eingriffe vorzunehmen, kann nicht dazu führen, für eine bestimmte Beeinträchtigung der grundrechtlichen Handlungsfreiheit, wie hier die Anfechtungslast, auf eine gesetzliche Ermächtigung zu verzichten. Es erübrigt sich daher hier weiter der Frage nachzugehen, welche anderen Regelungsformen wirklich zu vergleichbaren Eingriffen führen. In ähnlicher Weise führt auch der von Heckmann angestellte Vergleich mit dem Mahnbescheid 10 in die Irre. Mit dem Mahnbescheid gemäß §§ 688 ff. ZPO kann nur ein privatrechtlicher Anspruch, der die Zahlung einer bestimmten Summe in inländischer Währung zum Gegenstand hat, geltend gemacht werden. Für öffentlich-rechtliche Zahlungsansprüche kann und darf die Verwaltung weder bei den Amtsgerichten noch über § 173 VwGO bei den Verwaltungsgerichten einen Mahn- oder Vollstreckungsbescheid erwirken 11 . Die Möglichkeit, daß aufgrund einer gesetzlichen Regelung jedermann (und damit auch die Verwaltung) mit der Stellung eines Mahnantrages zur Geltendmachung eines privatrechtlichen Zahlungsanspruchs einen Bürger in eine vergleichbare Verteidigungsposition bringen kann, in der er sich durch Einlegung eines Widerspruchs vor unberechtigten Ansprüchen verteidigen muß, gibt Anlaß, spezifisch subordinationsrechtlichen Rechtfertigungen der Befugnis zum Erlaß von Verwaltungsakten zu mißtrauen. Sie kann aber innerhalb eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses eine fehlende gesetzliche Grundlage für einen Verwaltungsakt nicht ersetzen 12. Damit stellt sich nur noch die Frage nach dem Vergleich der Anfechtungslast mit der Prozeßführungslast. Denn in der Literatur ist eine auf der Anfechtungslast13 oder Titelfunktion 14 beruhende Einstufung befehlender Verwaltungsakte als Eingriff mit der Begründung abgelehnt worden, die Durchsetzung einer gesetzlichen Pflicht sei als solche nicht rechtfertigungsbedürftig, weil der Erlaß eines vollstreckbaren Verwaltungsaktes vor der Alternative einer gleichfalls belastenden Leistungsklage der Verwaltung gesehen werden müsse, welche der (sonst) zulässige Normalfall der Rechtsdurchsetzung sei.
10 11 12 13 14
Heckmann, S. 189. Druschel, S. 57 m.w.N. Mit anderen Argumenten i.E. ebenso Christiane Fischer, S. 64. Heckmann, S. 189; J. Martens, NVwZ 1993, 27 (29 f.). Heckmann, S. 192 f.; J. Martens, NVwZ 1993, 27 (29 f.); Druschel, S. 51-53.
22 Kracht
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Teil 5: Die Eingrifswirkungen
Soweit sie nicht explizit auf Leistungsbescheide beschränkt bleibt 15 , beruht diese Argumentation auf der falschen Prämisse, alle Rechtsfolgen, die eine Behörde in die Regelung eines befehlenden Verwaltungsaktes aufnehmen könne, dürfe sie nach der Verwaltungsgerichtsordnung jederzeit durch eine Leistungsklage geltend machen. So überträgt Druschel die für die Geltendmachung bestimmter Erstattungs- und ähnlicher Zahlungsansprüche bestehende Alternative zwischen der Geltendmachung durch Leistungsklage oder Verwaltungsakt zu Unrecht auf alle in öffentlich-rechtlichen Vorschriften enthaltene Ge- und Verbote. Im Hinblick auf die ein gesetzliches Verbot enthaltenden Pflichtnormen ist zunächst festzustellen, daß eine vorbeugende Unterlassungsklage grundsätzlich nur unter der besonderen prozessualen Voraussetzung einer drohenden (Wiederholungs-) Gefahr zulässig ist 16 . Zudem kennt unser Verwaltungsrecht nicht nur die verwaltungsgerichtliche Klage und den Verwaltungsakt als Instrumente zur Erreichung eines den öffentlich-rechtlichen Normen entsprechenden Verhaltens oder Zustands, sondern auch andere Maßnahmen, wie z.B. die Ahndung als Straftat oder Ordnungswidrigkeit oder den Entzug verwaltungsrechtlicher Vorteile. Für alle diese belastenden Maßnahmen kann der Gesetzgeber unterschiedliche Eingriffsschwellen vorsehen, wie sie etwa in den polizei- und ordnungsbehördlichen Generalklauseln mit dem Vorliegen einer konkreten Gefahr als tatbestandliche Voraussetzung für den Erlaß einer sog. unselbständigen Verfügung verankert ist. Aus einem schlichten gesetzlichen Verbot kann daher nicht ohne weiteres geschlossen werden, welches Staatsorgan das gesetzliche Verbot mit welchen Mitteln durchsetzen darf 11. Es gibt daher keinen verfassungsrechtlich als Normalfall vorgegebenen Durchsetzungsmechanismus, mit dem sämtliche konkretisierenden Verfügungen zur Ermittlung einer rechtsformspezifischen Zusatzbelastung verglichen werden könnten. Das Vergleichsargument zwischen der durch den Erlaß einer konkretisierender Verfügung begründeten Anfechtungslast und der bei einer unmittelbaren verwaltungsgerichtlichen Leistungsklage bestehenden Mitwirkungslast im Verwaltungsprozeß 18 erweist sich jedoch auch bei der Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Zahlungsanspruchs durch die Verwaltung als nicht tragfähig. Allerdings wäre hier eine bei Fälligkeit des Anspruchs von der 15
So bei Heckmann, S. 189 ff., der nur den Sofortvollzug staatlicher Geldforderungen untersucht. 16 Vgl. dazu im einzelnen unten Teil 7, B.III. 17 BVerwG, l.Wohnraumzweckentfremdungsurteil v. 12.12.1979 - 8 C 77/78, NJW 1981, 242; 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil v. 29.11.1985 - 8 C 105.83, BVerwGE 72, 265 (267 f.), vgl. Teil 4, C.III.6. m.w.N.; U. v. 11.11.1993 - 3 C 45.91, GewArch 1994, 336 (337 f.); Arbeiter, S. 50 ff., 100, 112 f.; Osterloh, JuS 1983, 280 (283); ähnlich Christiane Fischer, S. 137 f.; vgl. dazu im einzelnen unten Teil 6, C.-F. und Teil 7, B. 18 Heckmann, S. 189; J. Martens, NVwZ 1993, 27 (29 f.).
C. Die Anfechtungslast als Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit
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zuständigen Behörde beim Verwaltungsgericht erhobene allgemeine Leistungsklage jedenfalls dann zulässig, wenn die Verwaltung keinen Leistungsbescheid erlassen dürfte. Mit dem Argument, daß der Bürger bei der alternativen klageweisen Geltendmachung faktisch auch im Prozeß zu einer aktiven Gegenwehr gezwungen wäre, wird bei dieser Fallgruppe die Belastung durch den Gebrauch der Handlungsform eines Verwaltungsakts nur relativiert; sie entfallt aber auch hier nicht völlig. Im Verwaltungsprozeß bestehen zwar gleichfalls eine Reihe tatsächlicher und faktischer Mitwirkungslasten des Beklagten. Jedoch haben diese angesichts des Untersuchungsgrundsatzes (§ 86 VwGO) weniger einschneidende Wirkungen als die Versäumung der Widerspruchs- bzw. Klagefrist beim Verwaltungsakt. So gilt für die Klageerwiderung kraft Gesetzes keine den §§ 70, 74 VwGO vergleichbare Frist und auch die Zugeständnisfiktion des § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann gemäß § 173 VwGO im Hinblick auf den Untersuchungsgrundsatz des § 86 VwGO nicht entsprechend angewandt werden 19. Zudem ist zu berücksichtigen, daß nach der dem Art. 19 Abs. 4 GG zugrunde liegenden Wertung, die Rechtsanwendung durch einen unabhängigen Richter eine höhere Richtigkeitsgewähr bietet als eine von der Verwaltung selbst getroffene Entscheidung. Nimmt die Verwaltung für sich das Recht in Anspruch, eine den Bürger belastende Regelung durch Verwaltungsakt zu treffen und stellt ihn so vor die Wahl, diese Entscheidung anzufechten oder zu befolgen, so schränkt sie damit seine Handlungsfreiheit in einer über die Wirkungen einer alternativen Klageerhebung hinausgehenden Weise ein. Insoweit handelt es sich bei der Anfechtungslast um einen rechtsformspezifischen Nachteil 20.
I I I . Faktische Folgewirkung oder final intendierte Eingriffswirkung? Schließlich hat Arbeitet in seiner Untersuchung zur Durchsetzung gesetzlicher Pflichten gegen die Qualifikation der Anfechtungslast und der anderen verfahrensrechtlichen Rechtsfolgen des Verwaltungsaktes als Eingriff eingewandt, der Begriff des finalen Grundrechtseingriffes erfasse nur „ regelungsidentische", d.h. die im Tenor des Verwaltungsaktes angeordneten materiellen Rechtsfolgen; die Anfechtungslast sei dagegen eine bloße faktische Folgewirkung, bei der die für einen finalen Eingriff notwendige Identität der Beeinträchtigung mit der Pflicht zur Befolgung des Verwaltungsaktes fehle.
19
Vgl. Druschel, S. 56, der auf weitere Grenzen der Mitwirkungslasten im Verwaltungsprozeß hinweist. 20 Für die Anfechtungslast ebenso Druschel, S. 56 f. 21 S. 131 f. im Anschluß an Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen , S. 13 ff.
340
Teil 5: Die Eingriffswirkungen
Diese Sichtweise verkennt jedoch, daß die Verwaltung mit dem Erlaß eines Verwaltungsaktes automatisch immer die mit dieser Rechtsform verknüpften Rechtsbehelfsfristen in Gang setzt und ihr diese Rechtsfolgen bei einer objektivierten Auslegung der Willenserklärung unabhängig vom inneren Willen des einzelnen Amtswalters zuzurechnen sind. Die zeitlich beschränkte Anfechtbarkeit ist ebenso wie die Verbindlichkeit 22 nicht nur eine zufallige Folge, sondern ein notwendiges Mittel zur erstrebten verbindlichen und bestandskräftigen Klarstellung der Rechte und Pflichten im Verwaltungsrechtsverhältnis 23. Auch hier lassen sich Inhalt und Rechtsform des Verwaltungsakts, d.h. sein Regelungsinhalt und seine Rechtsfolgen, nicht trennen 24. Wenn eine Verwaltungsbehörde das Instrument des Verwaltungsakts gebraucht, um gesetzliche Rechte und Pflichten oder die hierfür erheblichen Tatsachen verbindlich zu regeln, so belastet sie zugleich die von solchen Regelungen nachteilig Betroffenen mit der Obliegenheit25, einen rechtswidrigen Verwaltungsakt im eigenen Interesse anzufechten. Die Verwaltung befiehlt dem Adressaten zwar nicht die Anfechtung des Verwaltungsaktes, stellt ihn aber durch den Verwaltungsakt vor die Wahl, entweder die getroffene hoheitliche Regelung endgültig gegen sich gelten zu lassen oder sie mit Widerspruch und Klage anzugreifen. Die Anfechtungslast des Adressaten oder Drittbetroffenen bildet so die untrennbare Kehrseite des Verbindlichkeitsanspruchs der getroffenen Regelung, welche ihrerseits hoheitlich, d.h. mit Befehl und Zwang i.S. des klassischen Eingriffsbegriffs, angeordnet wurde und durchgesetzt werden kann. Eine Beschränkung des Eingriffstatbestandes auf die im Tenor angeordneten materiellen („regelungsidentischen") Rechtsfolgen würde dagegen die spezifischen Auswirkungen, die der Verwaltungsakt als ein der Erfüllung der Verwaltungsaufgaben dienendes Mittel des (verwaltungsrechtlichen) Erkenntnis- und
22
Dazu oben B.I. mit Literaturnachweisen zur Finalität der rechtsformspezifischen Belastungen in Fn. 36. 23 Arnold, UFITA 97 (1984), 87 (97). 24 Vgl. oben B.I. 25 Obliegenheiten sind Verhaltensanforderungen im eigenen Interesse, deren Nichteinhaltung bestimmte Nachteile mit sich bringt. Sie stellen dem potentiell Berechtigten wie die Untersuchungsrüge gemäß § 377 HGB, nach. h.M. die Mitverschuldensvorschrift des § 254 BGB und zahlreiche versicherungsrechtliche Obliegenheiten - ein bestimmtes Verhalten zur Vermeidung eines eigenen Rechtsverlust oder einer Rechtsminderung anheim. Ein obliegenheitswidriges Verhalten ist weder rechtswidrig noch einklagbar. Obliegenheiten stellen daher nach der im Zivilrecht h.M. keine Pflichten minderer Intensität (so aber Kramer in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Einl. vor § 241, Rn. 44-46; Teichmann in Soergel, vor § 241 Rn. 7 f) dar, sondern gehören wie die Beweislast oder die Präklusionstatbestände zu den Lasten, die keine einen anderen begünstigende Verbindlichkeit betreffen, sondern die Rechtsmacht des Belasteten einschränken (Esser/Schmidt, SchuldR I, § 6 VI.2., 3.; Lorenz, SchuldR I, S. 540 (Fn. 2), 543; Palandt/Heinrichs, vor § 241, Rn. 16).
C. Die Anfechtungslast als Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit
341
Vollstreckungsverfahrens auf die Rechtssphäre des Bürgers hat, nicht mehr als Grundrechtseingriff erfassen. Eine solche restriktive Auslegung verfehlt die rechtsstaatliche Funktion des Vorbehaltsprinzips als Zweck-Mittel-Steuerung 26. Auch die Anfechtungslast, d.h. der auf den rechtsformspezifischen Rechtsfolgen beruhende „Zwang", die Obliegenheit, zur Abwendung einer endgültigen Verbindlichkeit der Regelung Rechtsbehelfe einlegen zu müssen, ist daher als eine final intendierte Eingriffswirkung der konkretisierenden Verfügungen und belastenden Feststellungsbescheide anzusehen27. Die Anfechtungslast einschließlich des mit der Anfechtung verbundenen Prozeßführungsrisikos ist auch eine unmittelbare Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit des Adressaten oder Drittbetroffenen. Diese tatsächliche Belastung realisiert sich zwar erst dann, wenn sich der Adressat oder Drittbetroffene zur Anfechtung des Verwaltungsaktes entschließt. Gleichwohl handelt es sich bei diesen Auswirkungen auf die Handlungsfreiheit nicht nur um zwar beabsichtigte, aber bloß mittelbare Folgen des Gebrauchs der Handlungsform Verwaltungsakt. Denn auch bei der Subsumtion unter die Definition des „Eingriffs" kann das Tatbestandsmerkmal „Unmittelbarkeit" nicht als bloßes Kausalitätsproblem aufgefaßt werden, bei der jede der zu untersuchenden Ursache (hier: dem Erlaß des Verwaltungsakts) nachfolgende weitere Zwischenursache (hier: die Anfechtung durch den Adressaten) dazu führen würde, den eingetretenen Erfolg (hier: Mühe, Kosten und Risiken der Prozeßführung) nicht mehr als unmittelbare Folge der zunächst als kausal und relevant eingestuften Ursache zu behandeln. Das Definitionselement der „Unmittelbarkeit" stellt hier ähnlich wie auf anderen Rechtsgebieten28 - eine Leerformel dar, welche es ermöglicht, aus einer Vielzahl adäquat kausaler Folgen nur solche in den Gel-
26 I.E. ebenso Arnold, UFITA 97 (1984), 87 (97) sowie Osterloh, JuS 1983, 280 (283 im Hinblick auf die Titel- und Vollstreckungsfunktion des Verwaltungsaktes). 27 Vgl. nochmals den oben bei Fn. 7 dargestellten Beschluß des Bundesverfassungsgerichts v. 2.3.1999 - 1 BvL 7/91, EuGRZ 1999, 415 (421) zur gleichgelagerten Problematik der Versagung einer denkmalrechtlichen Beseitigungsgenehmigung als einen „die gesetzliche Eigentumsbeschränkung aktualisierenden Eingriffsakt". 28 Zur „Theorie" oder zum Verlegenheitsbegriff der unmittelbaren Verursachung bei der Interpretation des polizeirechtlichen Störerbegriffs vgl. Pietzcker, DVB1. 1984, 457 ff.; zur „unmittelbaren Auswirkung" beim Entschädigungsanspruch wegen rechtswidriger Eigentumsverletzung (enteignungsgleichem Eingriff) Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 248 ff.; zur Begrenzung des Folgenbeseitigungsanspruchs auf die „unmittelbaren Beeinträchtigungen" rechtswidrigen hoheitlichen Handelns Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 302 ff.; zum unmittelbaren Zusammenhang zwischen Körperverletzung und Todesfolge bei § 226 StGB vgl. Wessels/Hettinger, Strafrecht. BT/1, Rn. 297 ff. und Stree in Schönke/Schröder, StGB, § 226 Rn. 3 ff. (alle Autoren jew. m.w.N. der Literatur und Rechtsprechung).
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Teil 5: Die Eingriffswirkungen
tungsbereich einer Norm einzubeziehen, für die dies ausgehend vom Normzweck im Einzelfall - unter Berücksichtigung der objektiven und subjektiven Zurechenbarkeit und Risikosphären - teleologisch gerechtfertigt scheint. Daher kann auch hier nicht jedes Zwischenglied in einer Ursachenkette den Zurechnungszusammenhang unterbrechen. Als Kriterium mit Korrektivfunktion bei einem sprachlich weitgefaßten Tatbestand soll die „Unmittelbarkeit" im Rahmen der Eingriffsdefinition den Staat nicht von einer Verantwortung für solche Folgen entlasten, in denen sich typische und immanente Gefahren seiner Handlungsweise realisiert. Wenn die Verwaltung eine verbindliche Regelung in der Rechtsform eines Verwaltungsakts trifft, so legt sie dem Adressaten bewußt auch die Anfechtungslast für den Fall auf, daß er die getroffene Regelung nicht für Rechtens hält. In der Anfechtungslast, d.h. dem Zwang, zur Abwendimg einer unerwünschten Rechtsfolge den Verwaltungsakt fristgerecht anzufechten oder aber die ausgesprochene Rechtsfolge als die dem Gesetz gemäße gegen sich gelten zu lassen, liegt somit ein der Realisierung des Gesetzes dienender, finaler und unmittelbarer Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Adressaten oder eines in seinen Rechten betroffenen Dritten 29 .
D. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 G G und der Vorbehalt des Gesetzes I. Die Ausgestaltung des Zugangs zu den Gerichten durch §§ 68 ff. VwGO Mit der Eröffnung des Rechtswegs garantiert das Verfahrensgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG jedermann, der eine Verletzung eigener Rechte durch die öffentliche Gewalt geltend macht, den Zugang zum Gericht und die Entscheidung durch ein Gericht. Diese Rechtsweggarantie ist betroffen, soweit die für das jeweilige Gericht geltende Prozeßordnung oder ein Fachgesetz für eine Klage gegen behördliche Maßnahmen spezielle Sachurteilsvoraussetzungen vorsehen; der Zugang zu den Gerichten wird insbesondere durch Regelungen erschwert, welche - wie die §§ 68 ff. VwGO für die Anfechtung von Verwaltungsakten - vor einer Anrufung des Gerichtes grundsätzlich die Durchführung
29
BVerwG, 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil vom 29.11.1985 - 8 C 105.83, BVerwGE 72, 265 (267 f.), vgl. Teil 4, C.III.6. m.w.N.; OVG Lüneburg, U. v. 15.3.1988 - 10 A 14/87; NVwZ 1989, 880 (881); VGH BW, B. v. 29.12.1989 10 S. 2252/89, NVwZ 1990, 388; Renck, JuS 1965, 129 (131 f.); Pietzner, JA 1973, 413; Löwenberg, S. 49 f.; Arnold, UFITA 97 (1984), 87 (97); Drescher, DVB1. 1986, 727 (729). Vgl. auch Fn. 27.
D. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und der Vorbehalt des Gesetzes
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eines Vorverfahrens verlangen und welche durch die speziellen Fristen für Widerspruch und Klage die Möglichkeit einer Nachprüfung jeder hoheitlichen Maßnahme zeitlich beschränken, die als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist 1 . Die konstitutionelle Formel des Vorbehalts des Gesetzes für alle Eingriffe in „Freiheit und Eigentum" greift im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG allerdings nicht ein. Denn diese Verfassungsbestimmung gewährleistet kein materielles Recht, sondern ein Verfahrensgrundrecht des status positivus2. Da aber erst das Grundgesetz eine solche verfassungsrechtliche Gewährleistung einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle einführte, erscheint eine Erstreckung des Vorbehaltsprinzips auf derartige Beschränkungen des Zugangs zu den Gerichten nur als naheliegende Konsequenz der Anerkennung eines Grundrechtes auf gerichtlichen Rechtsschutz gegenüber Akten der öffentlichen Gewalt3. Die normative Ausgestaltung des Zugangs zu den Gerichten und des Rechtswegs obliegt daher dem Gesetzgeber4. Aus dem Umstand, daß Art. 19 Abs. 4 GG keinen Gesetzesvorbehalt für Eingriffe in seinen Schutzbereich enthält, kann nicht geschlossen werden, der Rechtsweg i.S. dieses formellen Hauptgrundrechtes stehe schrankenlos offen. Soll der Bürger nämlich Rechtswege beschreiten und Rechtsschutz erlangen können, so müssen Gerichte geschaffen, Zuständigkeiten begründet und das Verfahren vor diesen Gerichten geregelt sein. Wenn Art. 19 Abs. 4 GG dem Bürger umfassenden Rechtsschutz gegenüber der öffentlichen Gewalt gewährt, so ist damit nicht gemeint, daß alle herkömmlichen Regeln des Prozeßrechtes, die rechtlich oder tatsächlich eine Erschwerung des Zugangs zu den Gerichten bewirken, unzulässig wären. Als Grundrecht mit einem normgeprägten Schutzbereich gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG den Rechtsweg nur im Rahmen der jeweils geltenden Prozeßordnungen. So handelt es sich nicht um einen verbotenen Eingriff, sondern eine prinzipiell zulässige Ausgestaltung (Beschränkung) des Grundrechts, wenn die Anrufung der Gerichte im Interesse der Rechtssicherheit, der Effektivität der Verwaltung und der Funktionsfahigkeit der Rechtspflege von der Erfüllung bestimmter formaler Voraussetzungen abhän-
1
Greipl, S. 66; Pieroth/Schlink, Rn. 1018; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig/ Herzog/Scholz, Art. 19 IV Rn. 237; Schenke in Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 4 Rn. 118 ff. 2 Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 19 Abs. IV, Rn. 7; Schwabe, JuS 1977, 661 (662). 3 Schwabe, JuS 1977, 661 (662); Schenke, DÖV 1977, 27 (33). 4 BVerfG, B. v. 20.4.1982 - 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253 (269 f.); B. v. 2.12.1987 - 1 BvR 1291/85, BVerfGE 77, 275 (284); Schwabe, JuS 1977, 661 (662); Schenke, DÖV 1977, 27 (33); Jarass in Jarass/Pieroth, Art. 19 Rn. 31, 45; Huber in v. Mangoldt/ Klein/Stark, Art. 19 Rn. 383.
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Teil 5: Die Eingriffswirkungen
gig gemacht wird 5 . Das Bundesverfassungsgericht hat daher immer wieder gesetzliche Regelungen gebilligt, welche die Anfechtung von Verwaltungsakten nur bei Einhaltung gesetzlicher Rechtsbehelfs- und Klagefristen zulassen6, obwohl solche Ausschlußfristen zur Folge haben, daß sich der Betroffene nach Eintritt der Unanfechtbarkeit nicht mehr gegen eine im Bescheid wirksam getroffene Regelung wenden kann. Erst wenn durch solche Normen der Weg zu den Gerichten in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert würde, wären sie mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG unvereinbar 7 und bekämen damit die Qualität eines Eingriffs in das schrankenlos gewährleistete Grundrecht 8. Weil der Richter nur dem Gesetz unterworfen ist, kann der Rechtsweg über eine Ausgestaltung von Gerichtsverfassung und -verfahren nur durch den Gesetzgeber und nicht die Verwaltung verschlossen werden 9. Die Kompetenz zur Regelung von Klage- und Rechtsbehelfsfristen und anderer Prozeßvoraussetzungen liegt insoweit bei dem nach Art. 74 Nr. 1 GG für das gerichtliche Verfahren zuständigen Gesetzgeber. In den §§ 68 ff. VwGO, § 44 FGO, §§ 78 ff SGG hat der Bund jeweils seine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für Regelungen, die den Zugang zu den Gerichten zwecks Anfechtung eines Verwaltungsaktes beschränken, ausgeschöpft. Insoweit liegt mit den allgemeinen, für alle Verwaltungsakte geltenden Vorschriften über die Anfechtungsklage eine dem Vorbehalt des Gesetzes genügende Regelung der Prozeßvoraussetzungen für die Anfechtung von Feststellungsbescheiden und konkretisierenden Verfügungen vor.
II. Der Vorbehalt des verhältnismäßigen Gesetzes im Lichte der Garantie eines effektiven Rechtsschutzes Die Bedeutung des Art. 19 Abs. 4 GG erschöpft sich allerdings nicht in dem formellen Recht und der theoretischen Möglichkeit, die Gerichte anzurufen. 5 BVerfG, U. v. 12.1.60-1 BvL 17/59, BVerfGE 10, 264 (267 f.); U. v. 17.12.1969 2 BvR 23/65, BVerfGE 27, 297 (310); B. v. 20.4.1982 - 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253 (266 ff.); Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 19 Abs. IV Rn. 233; Schenke in Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 4 Rn. 99; Pieroth/Schlink, Rn. 1018, 1023 ff. 6 U. v. 17.12.1969 - 2 BvR 23/65, BVerfGE 27, 297 (310); B. v. 20.4.1982 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253 (266 ff.) m.w.N. 7 Vgl. die Nachw. in Fn. 5. 8 Greiph S. 145 ff.; Pieroth/Schlink, Rn. 1023 f.. 9 Schwabe, JuS 1977, 661 (662 ff.); Schenke, DÖV 1977, 27 (31 ff.) jeweils mit krit. Anmerkungen zur Strafvollzugsentscheidung des BVerfG vom 28.10.1975, BVerfGE 40, 237. Zu dieser Entscheidung vgl. bereits oben Teil 3, C.II.
D. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und der Vorbehalt des Gesetzes
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Schon früh hat das Bundesverfassungsgericht aus Art. 19 Abs. 4 GG abgeleitet, der durch diese Verfassungsbestimmung gewährleistete Rechtsweg müsse auch in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht eine vollständige richterliche Nachprüfung des jeweiligen Verwaltungshandelns ermöglichen 10. Insbesondere ergeben sich aus Art. 19 Abs. 4 GG Vorwirkungen auf ein dem gerichtlichen Rechtsschutz (möglicherweise) vorgelagertes Verwaltungsverfahren. Dieses darf nicht so angelegt werden, daß es den Zugang zum Gericht und eine gerichtliche Kontrolle des Verwaltungshandelns vereitelt oder in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert 11. Trotz dieser quasi materiellrechtlichen Komponente des Gebots eines effektiven Rechtsschutzes schließt Art. 19 Abs. 4 GG nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gesetzliche Regelungen nicht aus, die dazu führen, daß Verwaltungsgerichte bei ihrer Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns an rechtskräftige Gerichtsentscheidungen und bestands-
10
Die Ableitung des Gebots eines wirksamen Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG ist allerdings dadurch problematisch geworden, daß das Bundesverfassungsgericht, beginnend mit der Entscheidung zum Hamburger DOG, erklärt hat, ein effektiver, den Bestand des Grundrechts sichernder Rechtsschutz sei ein wesentliches Element der materiellen Grundrechte selbst (vgl. z.B. BVerfGE 24, 367 (401); BVerfGE 51, 304 (312)). Zwar bildet die Garantie eines wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes heute eine wesentliche und unverzichtbare Komponente des Grundrechtsschutzes. Denn zum subjektiven Recht gehört als notwendige Voraussetzung seiner aktuellen Geltung die gesicherte Möglichkeit seiner Verwirklichung. Art. 19 Abs. 4 GG bildete insoweit eine der wichtigsten Neuerungen des Grundgesetzes. Die systematische Stellung am Ende des Grundrechtsteils verdeutlicht, daß Art. 19 Abs. 4 GG die bestehenden und von ihm vorausgesetzten materiellen Grundrechte, ebenso wie die anderen subjektiven öffentlichen Rechte, um die Möglichkeit ihrer gerichtlichen Durchsetzbarkeit ergänzt und vervollständigt. Soweit es um den Schutz der Grundrechte durch die Verwaltungsgerichte geht, sind Art. 19 Abs. 4 GG und die ergänzenden Artikel des IX. Abschnittes des GG leges speciales gegenüber der allgemeinen verfahrensrechtlichen Komponente der materiellen Grundrechte {Schmidt-Aßmann, NVwZ 1983, 1 (3 f.); ders. in Maunz/Dürig/Herzog/ Scholz, Art. 19 Abs. IV, Rn. 21, 23; Schenke in Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 4 Rn. 432; Huber in v. Mangoldt/Klein/Stark, Art. 19 Rn. 375; Greipl, S. 74; Lorenz, Jura 1983, 393 (396 ff.); Bethge, NJW 1982, 1 (6 f.)). Im Ergebnis ebenso BVerfG, B. v. 20.4.1982 - 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253 (297), wonach Art. 19 Abs. 4 GG im Zusammenwirken mit den anderen das gerichtliche Verfahren betreffenden Gewährleistungen des GG die zentrale Verbürgung gerichtlichen Rechtsschutzes auch der Grundrechte vor den Fachgerichten darstelle, so daß auch den aus etwaigen materiellen Grundrechtsverbürgungen folgenden Ansprüchen auf wirkungsvollen Grundrechtsschutz grundsätzlich genügt sei, wenn die normative Ausgestaltung einer gerichtlichen Verfahrensordnung den Anforderungen des Artikels 19 Abs. 4 GG entspreche. 11 BVerfG, U. v. 8.7.1982 - 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, 82 (110 ff.): Sasbach; BVerfGE 69, 1 (49 ff.); Schmidt-Aßmann, NVwZ 1983, 1 ff.; ders. in Maunz/Dürig/ Herzog/Scholz, Art. 19 Abs. IV, Rn. 4 ff., 233 ff.; Schenke in Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 4 Rn. 99 ff.; Jarass in Jarass/Pieroth, Art. 19 Rn. 44; Greipl, S. 66 ff., 145 ff.; Lorenz, Jura 1983, 393 (397 ff.); Bethge, NJW 1982, 1 (6 f.).
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Teil 5: Die Eingrifswirkungen
kräftige Verwaltungsakte mit einem präjudiziellen Regelungsinhalt gebunden sind 12. Denn diese Normen des Verwaltungsverfahrens- und -Prozeßrechtes, welche die Verbindlichkeit und die zeitliche Beschränkung des Anfechtungsrechts gegenüber Verwaltungsakten regeln, beruhen auf dem Gedanken, daß es im Interesse der Rechtssicherheit, der Effektivität der Verwaltung und einer Entlastung der Gerichtsbarkeit grundsätzlich legitim ist, einem Berechtigten, der eine ihm verfahrensrechtlich eingeräumte Möglichkeit zum Schutz seiner Rechtsgüter in zurechenbarer Weise nicht wahrnimmt, eine Einschränkung seiner eigenen materiellen Rechte aufzuerlegen. Aus diesem Grunde gebietet Art. 19 Abs. 4 GG nach der grundlegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20.4.198213 nicht, die allgemeinen gerichtlichen Verfahrensordnungen nach Maßgabe der jeweils in Rede stehenden subjektiven Rechte (einschließlich der Grundrechte) in ein aktionenrechtliches Verfahrensgeflecht aufzulösen. Sofern die normative Ausgestaltung einer gerichtlichen Verfahrensordnung die umfassende Nachprüfung des jeweiligen Verfahrensgegenstandes in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und eine dem Rechtsschutzbegehren angemessene Entscheidungsart und Entscheidungswirkung gewährleistet, ist damit dem aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG sowie aus materiellen Grundrechtsverbürgungen folgenden Schutzanspruch Genüge getan. Die in VwGO, FGO und SGG normierten Monatsfristen für Widerspruch, Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen und die anderen dort vorgesehenen speziellen Sachurteilsvoraussetzungen sind als Beschränkungen des Zugangs zu den Gerichten anzusehen, welche durch das öffentliche Interesse an der Schaffung von Rechtssicherheit und einer effektiven Verwaltung und Rechtspflege gerechtfertigt sind. Art. 19 Abs. 4 GG verlangt mithin für feststellende Verwaltungsakte und konkretisierende Verfügungen keine zusätzliche, auf den jeweiligen Regelungsinhalt bezogene spezielle Ermächtigung oder Spezialregelung der Anfechtungsfristen. Dies gilt zumindest dann, wenn - anders als bei den vom Bundesverfassungsgericht verworfenen Verfassungsbeschwerden abgelehnter Asylsuchen-
12 BVerfG, U. v. 19.6.1979 - 2 BvL 14/75; BVerfGE 51, 304 (312); B. v. 20.4.1982 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253 (266 ff.); U. v. 22.10.1986 - 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339 (373). Demgegenüber kritisiert Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 299 ff. eine nivellierende Tendenz in dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die Bestandskraft von rechtswidrigen Verwaltungsakten könne nicht pauschal in einem allgemein-abstrakten Prinzip der Rechtssicherheit gegründet werden. Ihre verfassungsrechtliche Legitimation könne sie nur in konkreteren Funktionalitätserfordernissen der Exekutive finden (S. 303), so daß jeweils die einfachrechtlichen Regelungen sowie die konkreten grundrechtlichen Positionen Ausgangspunkt einer differenzierenden Untersuchung sein müßten (S. 306). 13 BVerfG, B. v. 20.4. 1982-2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253 (266 ff.).
D. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und der Vorbehalt des Gesetzes
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der 14 - im jeweiligen Sachbereich im Verwaltungsgerichtsverfahren die allgemeinen Vorschriften der VwGO mit ihren Monatsfristen für Widerspruch und Anfechtungsklage sowie den regulären Möglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes nach §§80 bis 80b, 123 VwGO und im Verwaltungsverfahren das subsidiär geltende VwVfG oder inhaltsgleiche Vorschriften anwendbar sind. Denn die allgemeinen prozessrechtlichen Vorschriften geben grundsätzlich für alle denkbaren Verwaltungsakte einen angemessenen Rahmen für einen effektiven Rechtsschutz vor und § 48 VwVfG eröffnet den zuständigen Behörden die Möglichkeit, einmal getroffene Entscheidungen, die sich nachträglich als rechtswidrig erweisen, nach pflichtgemäßem Ermessen zu korrigieren. Art. 19 Abs. 4 GG begründet deshalb keinen zusätzlichen Gesetzesvorbehalt für den Gebrauch der Handlungsform Verwaltungsakt. Aus der Garantie eines effektiven Rechtsschutzes kann sich nur umgekehrt ein Verbot ergeben, die sonst 14
Der Umstand, daß das Bundesverfassungsgericht mit seiner vom Regelungsinhalt abstrahierenden Begründung gerade die Bestandskraft von Ablehnungsbescheiden im Asylrecht legitimiert hat, läßt die Besonderheiten dieses Rechtsgebietes und die eklatanten Abweichungen der dortigen Verfahrensvorschriften vom allgemeinen Verwaltungsverfahrens- und Prozeßrecht außer acht. Denn diese Bescheide enthalten eine für den Schutz des Lebens und körperliche Unversehrtheit eines zu Unrecht abgelehnten Antragstellers u.U. existentielle Entscheidung und schließen ein Verwaltungsverfahren ab, das in seiner Struktur mehr auf die Widerlegung als auf die Verwirklichung des geltend gemachten Anspruchs angelegt ist. Die den Schutz versagenden Ablehnungsbescheide ergehen gegenüber Ausländern, die sich in der Regel erst kurze Zeit im Bundesgebiet aufhalten und die auch dann, wenn sie in ihrer Heimat politischer Verfolgung und anderen Repressionen durch staatliche oder nichtstaatliche Stellen ausgesetzt waren, nur schwer erkennen können, welche Elemente ihrer komplexen Lebensgeschichte und der Einordnung der eigenen Person in das Gesamtschicksal einer ethnischen, politischen oder sozialen Gruppe für die Entscheidung der Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge relevant sind. Zudem enthalten das AsylVfG und AuslG Sondervorschriften, mit denen die regulären Rechtsbehelfsfristen der VwGO verkürzt und besondere verfahrensrechtlichen Sanktionen bei (vermeintlichen) Verletzungen der Mitwirkungspflichten eingeführt worden sind. Schließlich ist die Korrektur eines fehlerhaften Ablehnungsbescheids nach § 48 VwVfG ausgeschlossen (für eine § 73 Abs. 2 AsylVfG ergänzende Anwendung des § 48 VwVfG auf rechtswidrige Anerkennungsbescheide dagegen jetzt BVerwG, U. v. 19.9.2000 - 9 C 12/00, NVwZ 2001, 335 (337 f.) mit Nachw. zur bisher herrschenden Gegenauffassung). Insoweit kann das grundsätzlich zutreffende Argument, die allgemeinen gerichtlichen Verfahrensordnungen brauchten nicht nach Maßgabe der jeweils in Rede stehenden subjektiven Rechte in ein aktionenrechtliches Verfahrensgeflecht (BVerfG, B. v. 20.4. 1982 - 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253 (297)) aufgelöst werden, nicht zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung eines Verfahrensrechts herangezogen werden, bei dem der Gesetzgeber die allgemeinen Vorschriften zu Lasten des Rechtsschutzsuchenden häufig außer Kraft gesetzt oder modifiziert hat. M.a.W.: Die Gefahr eines „grundrechtspezifischen Sonderverfahrensrechts" (BVerfG, B. v. 20.4. 1982 - 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253 (297)) kann nicht die Anwendung einzelner, noch subsidiär anwendbarer Vorschriften des allgemeinen Prozeßund Verwaltungsverfahrensrechts rechtfertigen, wenn der Gesetzgeber selbst neben diese Vorschriften ein grundrechtsspezifisches, nämlich den effektiven Rechtsschutz speziell für dieses Grundrecht erschwerendes Sonderverfahrensrecht gestellt hat.
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Teil 5: Die Eingriffswirkungen
nach den allgemeinen Bestimmungen des VwVfG und der VwGO bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten spezialgesetzlich, z.B. durch eine Verkürzung der Rechtsbehelfsfristen oder eine Verschärfung der Bestandskraft belastender Verwaltungsentscheidungen, weiter einzuschränken.
£. Die Verjährungsunterbrechende Wirkung Die verjährungsrechtlichen Wirkungen von Verwaltungsakten ergeben sich seit dem Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes nicht mehr aus einer analogen Anwendung des § 209 BGB, sondern aus § 53 VwVfG des Bundes bzw. der landesrechtlichen Parallelvorschriften 1. Gemäß § 53 Abs. 1 VwVfG unterbricht ein Verwaltungsakt, der zur Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, die Verjährung dieses Anspruchs. Nach Unanfechtbarkeit eines solchen Verwaltungsaktes beginnt gemäß § 53 Abs. 2 VwVfG i.V.m. § 218 BGB für den im Verwaltungsakt geregelten Anspruch eine neue Verjährungsfrist von 30 oder 4 Jahren. Das VwVfG regelt in § 53 nicht die Voraussetzungen und die Wirkung der Verjährung verwaltungsrechtlicher Ansprüche. Für Ansprüche eines öffentlichrechtlichen Rechtsträgers, die nach dem einschlägigen materiellen Recht der Verjährung unterliegen 2, ordnet § 53 VwVfG bestimmte verjährungsrechtliche Wirkungen von Verwaltungsakten an, die zu ihrer Durchsetzung ergehen. Soweit das Fachrecht keine abweichende Regelung trifft, führt die Verjährung in entsprechender Anwendung von § 222 BGB auch im Verwaltungsrecht nicht zum Erlöschen des Anspruchs, gibt dem Verpflichteten aber ein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht 3. Verjährungsunterbrechende Bescheide nehmen dem Bürger dieses Leistungsverweigerungsrecht, so daß die Verwaltung ihren Anspruch weiterhin durchsetzen kann. Verglichen mit der Rechtslage, die sich ohne Erlaß des Bescheides nach materiellem Verwaltungsrecht ergeben würde, bewirkt jeder Verwaltungsakt i.S. des § 53 Abs. 1 VwVfG also einen zusätzlichen Eingriff 4 in das spezielle Grundrecht oder das über Art. 2 Abs. 1 GG ge-
1 Dies wird von Christiane Fischer, S. 59, unter Bezugnahme auf Pietzner, JA 1973, 413, übersehen. 2 Soweit ausdrückliche Vorschriften fehlen, finden die §§ 195 ff. BGB auf verwaltungsrechtliche Ansprüche vermögensrechtlicher Art entsprechende Anwendung; öffentlich-rechtliche Ansprüche oder Befugnisse der Verwaltung, die keine Vermögensansprüche sind, unterliegen dagegen nach h.M. im geltenden Recht keiner Veijährung, vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 53 Rn. 6 f. 3 Die spezialgesetzlich geregelte abgabenrechtliche Veijährung (§§ 169 ff., 28 ff. AO; § 20 VwKostenG des Bundes) führt dagegen zum Erlöschen des Anspruchs; vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 53 Rn. 2 m.w.N. 4 Pietzner, JA 1973, 413; Christiane Fischer, S. 59.
E. Die Verjährungsunterbrechende Wirkung
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schützte sonstige subjektiv-öffentliche Recht, dessen Schutzbereich vom Regelungsinhalt des Verwaltungsaktes betroffen wird. Betroffen ist das Grundrecht, in dessen Schutzbereich durch den geregelten Anspruch eingegriffen wird. Bei einem öffentlich-rechtlichen Zahlungsanspruch, der bei Fehlen ausdrücklicher Vorschriften in entsprechender Anwendung der §§ 195 ff. BGB der Verjährung unterliegt, stellt die Verjährungsunterbrechende Wirkung eines Verwaltungsaktes, der zur Durchsetzung dieses Anspruchs ergeht, einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Adressaten (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Als Verwaltungsakte i.S. des § 53 Abs. 1 VwVfG sind nicht nur Verfügungen und Verwaltungsakte im Vollstreckungsverfahren anzusehen. Auch ein feststellender Verwaltungsakt, in dem ein verwaltungsrechtlicher Anspruch eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers geregelt wird, dient der Verwirklichung dieses Anspruchs und als Grundlagenbescheid für weitere Verfügungen mittelbar seiner zwangsweisen Durchsetzung 5. Zwar ist nur ein befehlender Verwaltungsakt, welcher in seiner Funktion als Vollstreckungstitel dem zivilrechtlichen Leistungsurteil entspricht, unmittelbar im Wege der Verwaltungsvollstreckung zwangsweise durchsetzbar. Da der Text des § 53 Abs. 1 VwVfG jedoch keine unmittelbare Durchsetzbarkeit des Verwaltungsaktes im Wege der Verwaltungsvollstreckung verlangt, steht der Wortlaut einer Anwendung auf feststellende Verwaltungsakte nicht entgegen. Denn in § 53 VwVfG wurde bei der Definition des Verjährungsunterbrechenden Verwaltungsaktes gerade nicht die in § 209 BGB gebrauchte Definition der zivilrechtlichen Leistungsklage (Klage „auf Befriedigung") auf den Verwaltungsakt übertragen, sondern eine neue Terminologie gewählt. Zweck des § 53 VwVfG ist es, die vor Erlaß des VwVfG zweifelhafte entsprechende Anwendbarkeit der §§ 208 ff. BGB zu klären. Deshalb kann der Rechtsgedanke der nach § 209 BGB verjährungsunterbrechenden Feststellungsklage (Klage „auf Feststellung des Anspruchs") auf einen Feststellungsbescheid angewandt werden, z.B. auf einen Bescheid, mit dem ein noch nicht bezifferbaren Schadensersatzanspruch dem Grunde nach festgestellt wird. Die Unterbrechung des Verjährung gehört somit zu den rechtsformspezifischen Eingriffswirkungen konkretisierender Verfügungen und feststellender Verwaltungsakte, die zur Durchsetzung von Ansprüchen öffentlich-rechtlicher Rechtsträger erlassen werden.
5 Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 53 Rn. 28 f.; Kopp, VwVfG, § 53 Rn. 7; a.A. Meyer/Borgs, § 53 Rn. 2; Henneke in Knack, § 53 Rn. 4.3; Obermayer, § 53 Rn. 17; Obermayer/Schäfer, § 53 Rn. 19.
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Teil 5: Die Eingriffswirkungen
F. Die Eingriffswirkungen der konkretisierenden Verfügung als Vollstreckungstitel Die Eingriffswirkungen aller Verwaltungsakte, die eine belastende Rechtsfolge aussprechen, werden bei den konkretisierenden Verfügungen durch Rechtsfolgen ergänzt, welche diese als potentielle Vollstreckungstitel haben. Nur wenige Gesetze ermächtigen nämlich die Verwaltung, eine gesetzliche Pflicht des Bürgers ohne Zwischenschaltung eines Verwaltungsaktes zwangsweise durchzusetzen1. Denn schon für Otto Mayer war es eine elementare rechtsstaatliche Forderung, daß ein befehlender Verwaltungsakt als gebundene Entscheidung, was schon der Rechtssatz für den konkreten Fall gewollt habe, sich einschiebe zwischen Befehlsrechtssatz und seine tatsächliche Ausführung mit Zwang 2 . Nach den Regelungen der Verwaltungsvollstreckungsgesetze und der meisten vollstreckungsrechtlichen Spezialnormen bildet deshalb ein befehlender Verwaltungsakt die Grundlage der Anwendung des Verwaltungszwanges, mit dem dann nicht unmittelbar das Gesetz, sondern der vollziehbare Verwaltungsakt vollstreckt wird 3 . Mit der Befugnis zur Regelung vollstrekkungsfähiger Pflichten durch Verwaltungsakt wird der Verwaltung also das Recht eingeräumt, ohne Einschaltung der Gerichte aus einem selbst geschaffenen Titel zu vollstrecken. Im Prozeß der Rechtsverwirklichung vom Gesetz zum tatsächlichen Verhalten handelt es sich bei diesem doppelten Vorrecht der Selbsttitulierung und der Selbstvollstreckung 4 zwar um eine konsequente Er-
1
Wichtige Beispiele bilden § 49 i.V.m. § 42 Abs. 1 AuslG (vgl. dazu z.B. OVG Brandenburg, B. v. 4.6.1998 - 4 B 140/97, NVwZ-RR 1999, 146 (147) sowie unten Teil 7, B.IV.4.) und die Regelungen der unmittelbaren Ausführung des Verwaltungszwanges im Polizei- und Ordnungsrecht (vgl. dazu z.B. Selmer/Gersdorf, Verwaltungsvollstreckungsverfahren, S. 21 ff., 47 ff., mit Darstellung und Interpretation der alternativen oder kumulativen Regelungen von sofortigem Vollzug und unmittelbarer Ausführung in den unterschiedlichen bundes- und landesrechtlichen Vorschriften). Letztere sind sprachlich deutlich als Ausnahmevorschriften von einer Grundregel ausgestaltet, welche den Verwaltungszwang nur zur Durchsetzung eines vollziehbaren Verwaltungsaktes zuläßt. Weitere Ermächtigungen zur unmittelbaren Vollstreckung gesetzlicher Pflichten und eine Untersuchung ihrer Recht- und Zweckmäßigkeit bei Arbeiter, S. 50 ff., 101 ff. 2 Dt. VerwR I, 1. Aufl., S. 94 ff., 3. Aufl., S. 232, 58 ff. Diese rechtsstaatliche Forderung an die gesetzgebende Gewalt reichte allerdings auch für den Begründer unserer Lehre vom Verwaltungsakt nur soweit, wie eine solche Regelungstechnik mit dem Zwecke der Verwaltungstätigkeit vereinbar sei (a.a.O., 3. Aufl., S. 63). Zur Rechtsschutz sichernden und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrenden Funktion des gestreckten Verwaltungsvollstreckungsverfahrens vgl. Pietzner, VerwArch 84 (1993), 261 ff.; Selmer/Gersdorf, S. 10 ff.; Poscher, VerwArch 89 (1998), 111 (114 ff.). 3 Arbeiter, S. 52 f.; Osterloh, JuS 1983, 280 (283); Selmer/Gersdorf, S. 10 ff.; Poscher, VerwArch 89 (1998), 111 (120 ff.). 4 Renck, JuS 1965, 129 (131 f.); Grosser VerwArch 17 (1984), 329 (340). Seit der Schaffung des Mahn Verfahrens in §§ 688 ff. ZPO ist die Möglichkeit, ohne richterlichen Rechtsanwendungsakt einseitig einen Zahlungstitel zu erwirken, allerdings kein einzig-
F. Die konkretisierende Verfügung als Vollstreckungstitel
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gänzung der jedem Rechtsanwendungsakt zukommenden Konkretisierungsfunktion durch die Titelfiinktion in der Phase der Rechtsdurchsetzung. Je nach Art des eingesetzten Zwangsmittels kann die Vollstreckung der Grundverfügung zu Eingriffen in die dem Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG unterliegenden Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 GG), Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG) und Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) 5 sowie zu Einschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) 6 fuhren Diese gehen über jene Freiheitsbeschränkungen hinaus, die mit der Erfüllung der in der Grundverfügung konkretisierten gesetzlichen Pflicht verbunden sind. Dadurch daß ein befehlender Verwaltungsakt als Titel den Weg zu einer Verwaltungsvollstreckung mit ihren belastenden Zwangsmaßnahmen grundsätzlich eröffnet, hat er also spezifische belastende Rechtsfolgen 7, die über seine Wirkungen als verbindlicher Regelungsakt hinausgehen8. Gegen die Qualifizierung dieser Wirkungen als Eingriff hat Druschel eingewandt, die Titelfunktion sei nicht bereits unmittelbar mit dem Erlaß des Verwaltungsakts gegeben, sondern erst nach Eintritt einer weiteren Voraussetzung, der Unanfechtbarkeit. Grundlage der Titelfunktion sei damit das Gesetz und nicht die Verwendung der Handlungsform Verwaltungsakt. Damit verkennt er, daß sämtliche Vollstreckungsnormen, welche die „Unanfechtbarkeit" als Vollstreckungsvoraussetzung enthalten, die Vollstreckung von Verwaltungsakten regeln. Weil nur ein Verwaltungsakt anfechtbar ist und infolgedessen unanfechtbar werden kann, knüpft ein die Verwaltungsvollstreckung regelnder Gesetzgeber mit dem Tatbestandsmerkmal der „Unanfechtbarkeit" nämlich Rechtsfolgen an das Vorliegen eines Pflichten des Adressaten regelnden Ver-
artiges "Vollstreckungsprivileg" der Verwaltung mehr, mit dem argumentativ ein allgemeines Über-/Unterordnungsverhältnis in verwaltungsrechtlichen Beziehungen belegt werden könnte (vgl. J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 318-320). 5 Vgl. z.B. die Einschränkungsklauseln in § 73 BGSG, § 7 PolG NW, § 44 OBG NW. 6 Für Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit gilt das Zitiergebot des Art. 2 Abs. 1 nach der restriktiven Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 10, 89 (99), 28, 36 (46)) nicht, vgl. Krebs in v. Münch/ Kunig, Art. 19 Rn. 16; kritisch zu dieser Rechtsprechung Herzog im Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 19 I, Rn. 57 f., der allerdings die allgemeine Handlungsfreiheit gleichfalls ausnimmt, sowie Huber in v. Mangoldt/Klein/Stark, Art. 19 Rn. 74 ff. (88 ff.) m.w.N. 7 Osterloh, JuS 1983, 280 (281, 283); Grosser VerwArch 17 (1984), 329 (339 f.); Koch/Rubel, V., Rn. 30. 8 Wenn in der Literatur der Verwaltungsakt wegen seiner Titelfunktion als Eingriff qualifiziert wird, bleibt manchmal allerdings unklar, ob damit diese vollstreckungsrechtlichen Wirkungen oder nur die Wirkung als verbindlicher Regelungsakt gemeint sind (z.B. bei Rubel, JA-Ü 1990, 86 (87)). Zur Unterscheidung zwischen Regelungsund Titelfunktion vgl. oben Teil 2, C.II. 1.
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Teil 5: Die Eingriffswirkungen
waltungsaktes9. Diese Vollstreckbarkeit ist auch eine unmittelbare Folge des Erlasses einer konkretisierenden Verfügung, da die Unanfechtbarkeit gerade dann eintritt, wenn der Adressat gegen diesen Verwaltungsakt keine Rechtsbehelfe einlegt oder diese erfolglos bleiben. Folglich beruht die mit der Unanfechtbarkeit eintretende Vollstreckbarkeit nicht auf Handlungen der Verfahrensbeteiligten oder Dritter oder auf sonstigen Ereignissen, welche den Zurechnungszusammenhang zur ursprünglichen Maßnahme des Erlasses eines befehlenden Verwaltungsaktes unterbrechen würden. Auch der Umstand, daß die Vollstreckbarkeit auf einer gesetzlichen Regelung beruht, spricht nicht gegen die Subsumtion unter den klassischen Eingriffstatbestand. Denn die Rechtswirkungen sämtlicher Willenserklärungen des Privatrechts und des öffentlichen Rechts beruhen auf Rechtssätzen, die anordnen, daß die Erklärung bestimmter Rechtssubjekte unter gewissen Voraussetzungen bestimmte, im Gesetz oder der Willenserklärung festgelegte Rechtsfolgen haben sollen 10 . Zugleich erfaßt der Eingriffstatbestand aus den bereits für die Anfechtungslast dargelegten Gründen nicht nur regelungsidentische, sondern auch andere Freiheitsbeschränkungen, die ein Gesetz an den Gebrauch dieser Handlungsform knüpft. Denn die Verwaltung setzt eine konkretisierende Verfügung typischerweise ein, um bei einer weiteren Nichterfüllung der gesetzlichen Pflicht die im Verwaltungsakt enthaltene Regelung zwangsweise durchsetzen zu können (Finalität). Somit ist festzustellen, daß jede konkretisierende Verfiigung auch aufgrund des möglichen Einsatzes als Vollstreckungstitel als Eingriff zu qualifizieren ist. Im Rahmen dieses Privilegs der Selbsttitulierung und - V o l l streckung gibt § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO der Verwaltung rechtsformspezifisch zudem die Möglichkeit, sich einseitig vor Eintritt der Unanfechtbarkeit durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung einen (vorläufig) vollstreckbaren Titel zu schaffen 11.
9 Vgl. BVerwG, U. v. 3.6.1997 - 1 C 7/96, JURIS Nr. WBRE410003716 = NVwZ 1998, 185 ff. zu § 30 AuslG. 10 Vgl. oben Fn. 31. 11 OVG Lüneburg, U. v. 15.3.1988 - 10 A 14/87, NVwZ 1989, 880 (881). Der gesetzliche Ausschluß der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwGO ist demgegenüber mit dem Vorbehalt des Gesetzes zu vereinbaren. § 80 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO bildet für bestimmte Verwaltungsakte selbst die gesetzliche Grundlage für die Vorleistungspflicht oder sonstige sofortige Befolgungspflicht, die als spezielle Wirkung eines sofort vollziehbaren Verwaltungsakts über die über die mit jeder konkretisierenden Verfügung verbundenen nachteiligen Wirkungen hinausgeht (Heckmann, S. 194). Bei Nr. 1 gehört es schon zum Wesen des Begriffs der öffentlichen Abgaben und Kosten, daß diese durch Verwaltungsakte erhoben werden; folglich ermächtigt der Gesetzgeber mit der gesetzlichen Konstituierung einer bestimmten Abgabepflicht die Verwaltung immanent auch zum Erlaß von Abgabebescheiden (Heckmann, S. 195 ff.). § 80 Abs. 1 Nr. 3 VwGO knüpft explizit an eine gesetzliche Regelung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung an.
F. Die konkretisierende Verfugung als Vollstreckungstitel
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Da die Verwaltung sich mit dem Erlaß einer konkretisierenden Verfugimg die Befugnis verschafft, - bei Vorliegen der sonstigen in den Vollstreckungsvorschriften festgelegten Voraussetzungen - belastende Verwaltungsvollstreckungsmaßnahmen durchzuführen, ist diese Maßnahme als finaler und unmittelbarer Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen einzustufen, welcher weder mit dem Eingriff durch das die Pflicht enthaltende Gesetz noch den belastenden Wirkungen des Regelungsinhalts selbst identisch ist 12 .
12 OVG Lüneburg, U. v. 15.3.1988 - 10 A 14/87, NVwZ 1989, 880 (881); VGH BW, B. v. 29.12.1989 - 10 S. 2252/89, NVwZ 1990, 388; Renck t JuS 1965, 129 (131); Pietzner, JA 1973, 413; Osterloh, JuS 1983, 280 (283 f.); Arnold, UFITA 97 (1984), 87 (97); Grosser VerwArch 17 (1984), 329 (340); Rubel, JA-Ü 1990, 86 (87); Koch/Rubel, V., Rn. 30; a.A. Druschel, S. 51-53. 23 Kracht
Teil 6
Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung für konkretisierende Verfügungen und belastende Feststellungsbescheide A. Materielle Rechtsnormen, Aufgaben und Befugnisse im Perspektivenwechsel zwischen Art. 20 Abs. 3 GG und fachgesetzlicher Regelung Aufbauend auf der in Teil 5 gewonnenen Erkenntnis, daß konkretisierende Verfügungen und feststellende Verwaltungsakte mit einem belastenden Regelungsinhalt Grundrechtseingriffe enthalten, gilt es nun zu klären, ob eine Behörde gemäß dem Vorbehalt des Gesetzes grundsätzlich nur dann eine konkretisierende Verfügung oder einen belastenden feststellenden Verwaltungsakt erlassen darf, wenn ihr die Befugnis zu einer Regelung dieses Inhalts durch eine besondere gesetzliche Ermächtigung übertragen worden ist. Oder ist die Verwaltung bereits durch die Rechte und Pflichten des Bürgers regelnden Normen des öffentlichen Rechts aufgrund eines vorausgesetzten verfassungsrechtlichen oder stillschweigend in der materiellen Rechtsnorm enthaltenen Vollzugsauftrages zu dem sich aus der Rechtsanwendung ergebenden „Eingriff 4 (mit)ermächtigt l? Eine nähere Analyse zeigt, daß die Kontroversen bei den verschiedenen, in Teil 4 dargestellten Versuchen, eine Ermächtigung durch Auslegung zu finden, häufig die an den Anfang gestellten verfassungsrechtlichen Grundsatzpositionen widerspiegeln. Sie stellen letztlich nämlich nur eine Anwendung der allgemeinen verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Prinzipien auf die konkreten Normen unseres Verwaltungsrechtes dar und führen so nur zu einem Perspektivenwechsel.
1
Allerdings ist es nicht zwingend, die materielle Rechtsnorm i.V.m. dem verfassungsrechtlichen Vollzugsauftrag erst als Rechtfertigungsgrund für einen Eingriff zu betrachten. Es wäre auch denkbar, aufgrund eines gewohnheits- oder verfassungsrechtlichen Vollzugsauftrags den Eingriffstatbestand enger zu definieren und auf solche Maßnahmen zu beschränken, zu der die Verwaltung dann noch einer einfachgesetzlichen Ermächtigung bedarf. Dies würde der dogmatischen Konstruktion Otto Mayers entsprechen (zu O. Mayers Lehre vgl. unten C.II.).
A. Materielle Rechtsnormen, Aufgaben und Befugnisse
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Die Argumentation mit einem verfassungsrechtlichen Vollziehungsauftrag 2 abstrahiert von der konkreten Behörde, der einzelnen Pflichtnorm oder pflichtenrelevanten Norm des materiellen Verwaltungsrechts und dem Regelungsinhalt des Verwaltungsaktes. Ein besonderer, den Einsatz eines Verwaltungsaktes regelnder Rechtssatz des kodifizierten Verwaltungsrechts soll vollkommen entbehrlich sein, weil die Verwaltung bereits gewohnheitsrechtlich bzw. durch ihre verfassungsrechtliche Konstituierung als vollziehende Gewalt ermächtigt sei, grundsätzlich jede materielle Rechtsnorm des öffentlichen Rechts durch Verwaltungsakt hoheitlich zu vollziehen. In der Rechtsprechung und Lehre bildet die Berufung auf einen als Gewohnheitsrecht bezeichneten Rechtsgrundsatz des deutschen Verwaltungsrechts dieses Inhalts dabei keine echte Alternative zu der verfassungsrechtlichen Begründung 3. Denn dieser Rechtsgrundsatz soll nicht nur im Range eines einfachen Gesetzes stehen, sondern durch das vorverfassungsrechtliche Gesamtbild der Verwaltung auch in das Verfassungsrecht mitrezipiert sein. Wenn beispielsweise Maurer in seinem Lehrbuch des allgemeinen Verwaltungsrechts - im Anschluß an O. Mayer 4 - formuliert, der Vorbehalt des Gesetzes beziehe sich zumindest bei der typischen Handlungsform „Verwaltungsakt" nur auf den Inhalt, nicht auch auf die Form des Tätigwerdens der Verwaltung 5 , so wird aus diesem Argumentationszusammenhang die Bedeutung eines verfassungsrechtlichen Vollzugsauftrages, der den Verzicht auf eine geschriebene Befugnisnorm zur Folge haben soll, nur besonders betont. Damit ergäbe sich die Befugnis zur Entscheidung durch Verwaltungsakt also in der Weise durch eine Verknüpfung von Verfassungs- und Verwaltungsrecht, daß stillschweigend bereits kraft Verfassung jede Verwaltungsrechtsnorm eine Ermächtigung der zuständigen Behörde mitenthielte, die gesetzliche Rechtslage verbindlich zu konkretisieren, sofern diese Kompetenzvermutung nicht ausnahmsweise durch ein vorrangige Gesetz ausgeschlossen wäre 6. Umgekehrt wäre eine ausdrückliche Regelung der Befugnis, feststellende Verwaltungsakte oder konkretisierende Verfügungen zu erlassen, nur eine entbehrliche Klarstellung einer der Verwaltung ohnehin zustehenden Befugnis. Es führt nicht nur in der Sache zum gleichen Ergebnis, wenn in einem Teil der Rechtsprechung, wie in den Entscheidungen des Bundesverwaltungsge-
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Vgl. oben Teil 4, A.I.2. Vgl. die Darstellung und Nachweise oben in Teil 4, A.I.2. 4 Vgl. die Darstellung und Nachweise unten C.II. 5 Maurer, Allg. VerwR, § 10 Rn. 5 im Anschluß an BVerwG, U. v. 6.5.1964 VII C 394.63, BVerwGE 18, 283 (285 f.). Weitere Nachweise zu dieser Auffassung oben in Teil 4 ; A.I.2., Fn. 3 bis 16. 6 Vgl. oben Teil 4, A.I.2., Fn. 13. 3
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Teil 6: Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung
richts zur Durchsetzung der Anzeigepflicht des § 14 GewO 7 , zwar formal die Geltung des Vorbehaltsprinzips für belastende Verwaltungsakte anerkannt wird, dann aber die an den Bürger gerichteten gesetzlichen Ge- und Verbote bzw. die einen Status mit belastenden Rechtsfolgen begründenden Normen als gesetzliche Ermächtigungen interpretiert werden, eben dieses abstrakt-generelle Gesetz durch Erlaß einer verbindlichen Einzelfallentscheidung zu konkretisieren. Vielmehr werden hier die gleichen Argumente, mit denen schon versucht wurde, einen allgemeinen Vollziehungsauftrag der Verwaltung zu begründen, auf die konkrete Behörde, den Zweck eines bestimmten Gesetzes und die Möglichkeit übertragen, dieses Gesetz mittels eines Verwaltungsaktes effektiv zu verwirklichen. Beides Mal findet der gleiche Schluß vom Zweck auf das Mittel und damit von der Aufgabe auf die Befugnis statt. In der verfassungsrechtlich-abstrahierenden Perspektive wurde von der sich aus Art. 20 Abs. 3 GG ergebenden Aufgabe der vollziehenden Gewalt auf ihre von der Verfassung vorausgesetzte Befugnis geschlossen, alle öffentlich-rechtlichen Normen mit dem typischen Mittel Verwaltungsakt zu vollziehen. Wenn ohne konkrete Anhaltspunkte für eine Befugniszuweisung allein durch eine teleologisch-systematische Verknüpfung der in einem Fachgesetz enthaltenen speziellen Aufgaben- und Pflichtnorm eines Fachgesetzes eine stillschweigende einfachgesetzliche Ermächtigung zum Erlaß eines diese materielle Verwaltungsrechtsnorm konkretisierenden Verwaltungsakts konstruiert wird, so treten die an eine konkrete Behörde gerichtete Aufgabenzuweisungsnorm des jeweiligen Fachgesetzes und dessen Gesetzeszweck argumentativ einfach nur an die Stelle des im Rahmen der verfassungsrechtlichen Argumentationskette aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten, an sämtliche Verwaltungsorgane gerichteten allgemeinen Auftrags zur Gesetzesvollziehung. Sowohl mit der verfassungsrechtlichabstrahierenden als auch mit der einfachgesetzlichen Argumentationskette soll aber letztlich eine der speziellen Pflichtnorm vorausgesetzte Befugnis begründet werden, die speziellen, sich im konkreten Einzelfall aus diesem Gesetz ergebenden Rechte und Pflichten mittels Verwaltungsakt zu konkretisieren.
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BVerwG, U. v. 4.6.1976 - 1 C 56.74, GewArch 1976, 293 f.; BVerwG, U. v. 1.7.1987 - 1 C 25/85, JURIS Nr. WBRE105708702 = BVerwGE 78, 6, vgl. oben Teil 4, C.II.2.a) m.w.N.
B. Eingriffe durch Pflichtnormen oder aufgrund von Kompetenznormen
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B. Eingriffe durch bürgeradressierte Pflichtnormen oder aufgrund von verwaltungsadressierten Kompetenznormen I. Zum Begriff der gesetzlichen Ermächtigung Jeder Versuch, eine Befugnis der Verwaltung, eingreifende Verwaltungsakte zu erlassen, mit Normen zu begründen, die diese Handlungsform nicht ausdrücklich regeln, setzt Klarheit darüber voraus, was überhaupt unter einer gesetzlichen Ermächtigung" oder einer „gesetzlichen Grundlage" für Eingriffe zu verstehen ist. Hierzu ist zu klären, an wen sich eine solche Norm richten und welchen Inhalt sie haben muß. In der Ausprägung der spätkonstitutionellen Formel betraf der Vorbehalt des Gesetzes nur ein hoheitlich eingreifendes Handeln der vollziehenden Gewalt. Es galt der Grundsatz, daß die Verwaltung in Freiheit und Eigentum des Einzelnen nur aufgrund und innerhalb der Schranken des Gesetzes eingreifen darf, wenn sie also zu dieser Tätigkeit durch Gesetz „ermächtigt" ist 1 . Der Verwaltung mußte m.a.W. durch eine gesetzliche Regelung? eine Handlungsbefugnis übertragen worden sein. Eine Verleihung von Befugnissen kann aber nur dann vorliegen, wenn die Norm sich auch an denjenigen wendet, der zu einer bestimmten Handlung ermächtigt werden soll 3 . Unmittelbarer Adressat einer Pflichtnorm, die dem Bürger ein bestimmtes Verhalten ge- oder verbietet, ist nur der Bürger und nicht die Verwaltung. Sprachlich enthalten Ge- oder Verbotsnormen also gar nicht die behauptete Ermächtigung der Verwaltung zur Tätigkeit auf Grund öffentlichen Rechts4. Es ist ein grundlegendes Mißverständnis des Inhalts gesetzlicher Pflichtnormen, wenn angenommen wird, diese regelten den Inhalt behördlicher Maßnahmen und ließen nur noch die Rechtsform des Verwaltungshandelns offen. Daher ist die von Christiane Fischer für ihre teleologisch-systematische Interpretation einer Zusammenschau der gesetzlichen Pflichtnormen mit § 35 VwVfG als Handlungsformermächtigung zugrunde gelegte Prämisse, die materiell-recht-
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Pietzcker, JuS 1979, 710 (711 f.); Schlink, EuGRZ 1984, 457 (458). Die Ausdrücke (gesetzliche) Ermächtigung, Befugnisnorm und Rechtsgrundlage werden zumeist synonym verwandt, (vgl. z.B. Arbeiter, S. 128). Demgegenüber wird nachfolgend zwischen Befugnis, Kompetenz und Zuständigkeit unterschieden und die Kompetenz als Begründung einer hoheitlichen Aufgabe und Zuordnung einer Befugnis zu dieser Aufgabe verstanden werden; vgl. zu dieser Begriffsbildung im einzelnen unten D.-F. z Arbeiter, S. 128. 4 Arbeiter, S. 127 ff.; BVerwG, U. v. 11.11.1993 - 3 C 45.91, GewArch 1994, 336 (337 f.): Heilmagnetisieren; OVG NW, U. v. 26.2.1993 - 13 A 175/92, DVB1. 1993, 1321 (1322). 2
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Teil 6: Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung
liehe Pflichtnorm regele, wann die Behörde einen materiell-rechtlichen Eingriff in die Rechte des Betroffenen vornehmen dürfe 5, falsch. Das gleiche gilt oft für Normen, welche einen Status des Bürgers oder einer in seinem Eigentum stehenden Sache begründen, welcher in Kombination mit weiteren Rechtshandlungen oder Sachverhaltselementen für Verhaltenspflichten des Bürgers rechtlich erheblich ist. Solche bei einer isolierten Betrachtung nur an den Bürger gerichteten Vorschriften stellen sprachlich im traditionellen Sinne keine Ermächtigungen der Verwaltung dar. Sie würden daher den Eingriff der Verwaltung nur legitimieren, wenn der Vorbehalt für Eingriffe durch Verwaltungsakte unter dem GG überhaupt keine spezielle „Ermächtigung" eines Verwaltungsorgans mehr verlangen würde, sondern irgendeine verwaltungsrechtliche Norm als „gesetzliche Grundlage" ausreichen würde. Weil die Grundrechte gemäß A r t . 1 Abs. 3 GG auch den Gesetzgeber binden, sind nach Text und Systematik der grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte jedoch Grundrechtseingriffe durch ein Gesetz und Grundrechtseingriffe auf Grund eines Gesetzes zu unterscheiden. Gelten bestimmte Ge- oder Verbote ohne Zwischenschaltung eines Verwaltungsaktes unmittelbar kraft Gesetzes, so ist ein Eingriff in Freiheit und Eigentum bereits „durch Gesetz", d.h. durch die an den Bürger gerichtete Pflichtnorm, erfolgt 6. Ein eingreifender Verwaltungsakt darf jedoch grundsätzlich nur „aufgrund eines Gesetzes" ergehen, d.h. aufgrund einer an die Verwaltung gerichteten Kompetenznorm 7. Ein „Gesetz", welches im Einklang mit dem jeweiligen grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt ein Grundrecht unmittelbar beschränkt oder ausgestaltet, ist daher nicht mit einer „Ermächtigung" eines anderen Staatsorgans durch den Gesetzgeber gleichzusetzen, welche jenem Organ die Befugnis zu einer (weiteren) Grundrechtsbeschränkung aufgrund eines Gesetzes verleihen würde 8. Der in der materiellen Verwaltungsrechtsnorm enthaltenen Pflicht des Bürgers zu einem bestimmten Verhalten entspricht ein staatlicher Anspruch auf Erfüllung des Normbefehls. Erst die ein materielles Verwaltungsrechtsverhältnis begründenden Rechtsnormen ordnen diesen materiellen Anspruch des Staates einem bestimmten Träger und Organ der vollziehenden Gewalt zu. Der grundrechtliche Vorbehalt des Gesetzes verlangt zugleich eine Unterscheidung zwischen dem sich aus einer materiellen Pflichtnorm auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts ergebenden Anspruch einer Behörde und der verfahrens5
S. 124. Zum rechtskonstruktiven Unterschied des Grundrechtseingriffs durch eine bürgeradressierte Pflichtnorm und dem aufgrund einer verwaltungsadressierten Kompetenznorm vgl. Teil 2, B.VI.2.b)-d). 7 Schlink, Die Amtshilfe, S. 107 ff., 142 ff. 8 Arbeiter, S. 127 ff. 6
B. Eingriffe durch Pflichtnormen oder aufgrund von Kompetenznormen
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rechtlichen Befugnis der Behörde, diesen Anspruch durch einen Verwaltungsakt zu konkretisieren und durchzusetzen, d.h. eine hoheitliche Maßnahme zur Regelung eines solchen im Einzelfall bestehenden öffentlich-rechtlichen Anspruchs zu treffen. Wenn in der beamten- und soldatenrechtlichen Rechtsprechung aus einer vermeintlichen hoheitlichen Rechtsnatur des Schadensersatz- und des Erstattungsanspruchs, den ein Dienstherr gegen seinen Beamten geltend macht, eine hoheitliche Befugnis zum Erlaß eines Verwaltungsaktes abgeleitet wird, so handelt es sich um eine argumentative Vermengung des öffentlich-rechtlichen Anspruchs der Verwaltung, der auf ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen des Bürgers gerichtet ist, mit der verfahrensrechtlichen Befugnis zur Vornahme einer hoheitlichen Maßnahme der Behörde. Diese Begründung einer hoheitlichen Befugnis entspricht folglich nicht den Anforderungen des Vorbehalts des Gesetzes. Vielmehr ist mit dem 1. Wohnraumzweckentfremdungsurteil des 8. Senats9, dem Urteil des 3. Senats des Bundesverwaltungsgerichts zum Verbot des „Heilmagnetisierens" 10 und der heute herrschenden Rechtsprechung und Literatur 11 festzustellen, daß ein bloßes gesetzliches Ge- oder Verbot dem Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage für eine in ein Grundrecht eingreifende konkretisierende Verfügung nicht genügt. Folglich muß der handelnden Behörde speziell der in Rede stehende Eingriff in die Rechte des Betroffenen - etwa das Vorgehen im Wege einer Untersagungsverfügung - gesetzlich gestattet worden sein. Nach rechtsstaatlichen Grundsätzen darf die Behörde nur zugewiesene Kompetenzen wahrnehmen. Aus einem schlichten gesetzlichen Ge- oder Verbot kann aber allein nicht geschlossen werden, welche Behörde mit welchen Mitteln befugt oder verpflichtet sein soll, das gesetzliche Ge- oder Verbot durchzusetzen. Diesen Gesichtspunkt versuchen Druschel 12 und Christiane Fischer 13 zu berücksichtigen, wenn sie für diese Fallgruppe der Durchsetzung allgemeiner gesetzlicher Pflichten die Ansicht vertreten, hier gehe es nicht um ein Problem des Gebrauchs der Handlungsform Verwaltungsakt, sondern um die vorgelagerte Frage, ob die Behörde überhaupt der Sache nach zuständig und befugt war, die jeweilige gesetzliche Pflicht durchzusetzen 14 oder eine Regelung zu
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U. v. 12.12.1979 - 8 C 77/78, NJW 1981, 242 f.; vgl. die Darstellung in Teil 4, C.II.2.b). 10 U. v. 11.11.1993 - 3 C 45.91, GewArch 1994, 336 (337 f.); vgl. die Darstellung und weitere Nachweise in Teil 4, C.II.2.b). 11 Z.B. OVGNW, U. v. 26.2.1993 - 13 A 175/92, DVB1. 1993, 1321 (1322); weitere Nachweise oben in Teil 4, C.II.2.b). 12 S. 162 f. 13 S. 137 f., 160. 14 Druschel, S. 162 f.
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Teil 6: Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung
treffen, mithin überhaupt einzuschreiten 15. Hierzu ist jedoch festzustellen, daß dies keine vorgelagerte Frage, sondern der i.d.R. entscheidende Aspekt der Frage ist, ob eine Verwaltungsbefugnis besteht, eine gesetzliche Rechtslage durch einen den Bürger belastenden Verwaltungsakt zu regeln 16. Denn eine Ermächtigung i.S. des Vorbehalts des verhältnismäßigen Gesetzes besteht nur dann, wenn die Verwaltung auf Grund eines Gesetzes (d.h. einer Rechtsnorm oder mehrerer zusammenwirkender Rechtsnormen) die Kompetenz besitzt, ein bestimmtes Mittel (oder mehrere Mittel), wie hier den Erlaß eines Verwaltungsakts, zur Erreichung eines bestimmten Zweckes, wie hier die Verwirklichung des gesetzlichen Ge- oder Verbots, einzusetzen. Es kann daher unter dem Grundgesetz keine allgemeinen Ermächtigungen geben, gesetzliche Pflichtnormen (mit beliebigen Mitteln) durchzusetzen 17. Die gedankliche Unterscheidung zwischen einer Regelungsbefugnis und einer Verwaltungsaktbefugnis läuft auch deshalb leer, weil der Verwaltung im Außenverhältnis zum Bürger nach dem VwVfG für eine (auch) Pflichten konkretisierende Regelung nur die beiden Regelungsformen Verwaltungsakt und öffentlich-rechtlicher Vertrag zur Verfügung stehen. Unbeschadet der jeweils spezialgesetzlich geregelten Befugnisse zum Erlaß von Weisungen und ähnlichen Ge- oder Verboten innerhalb besonderer Verwaltungsverhältnisse 18 ist der Verwaltungsakt im Aussenverhältnis zum Bürger grundsätzlich nicht nur die typische, sondern die für ein einseitiges Handeln der Verwaltung allein in Betracht kommende Regelungsform.
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Christiane Fischer, S. 137 f., 160. Zur Befugnis der Organe der rechtsprechenden und der vollziehenden Gewalt, durch Urteil oder Verwaltungsakt eine den Bürger belastende vorbeugende Regelung zu treffen vgl. im einzelnen unten Teil 7, B.III. 17 Auch die polizei- und ordnungsbehördliche Generalklausel läßt nur bestimmte „notwendige Maßnahmen", darunter den Erlaß von Verwaltungsakten zu, nicht aber die an besondere Eingriffsvoraussetzungen geknüpften Standardmaßnahmen. Das Polizeiund Ordnungsrecht enthält also nicht eine Ermächtigung zum Einschreiten und eine weitere zum Einsatz der Handlungsform Verwaltungsakt. 18 Vgl. z.B. § 37 BRRG, § 55 BBG; § 8 Abs. 1 Satz 1 Allgemeine Schulordnung (ASchO) NW. 16
B. Eingriffe durch Pflichtnormen oder aufgrund von Kompetenznormen
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II. Die Pflichtnorm als stillschweigende Ermächtigung? Aus alledem ergibt sich, daß eine Norm, die unmittelbar gesetzliche Pflichten eines Bürgers begründet, allenfalls im Wege einer extensiven Interpretation als ausreichende „Ermächtigung" einer Behörde zum Erlaß eines den Inhalt der materiellen Rechtsnorm konkretisierenden Verwaltungsaktes interpretiert werden könnte. Dies ist der oft zur Begründung einer stillschweigenden „Ermächtigung" beschrittene Weg, bei der unter dem Gesichtspunkt einer effizienten Verwirklichung des materiellen Rechts die materielle Rechtsnorm mit einfach-gesetzlichen Aufgabenzuweisungsnormen verknüpft wird oder mit einem allgemeinen, d.h. grundsätzlich für jede materielle Rechtsnorm geltenden, gewohnheits- bzw. verfassungsrechtlichen Vollzugsauftrag der Verwaltung 19 . Eine solche Auslegungsmethode wäre aber nur dann zulässig, wenn die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte des geltenden Verfassungsrechts es zuließen, die Handlungsbefugnis einer Verwaltungsbehörde durch eine teleologische und systematische Interpretation aus ihren gesetzlichen Aufgaben abzuleiten.
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So deutlich BVerwGE 41, 106 (110 ff.); Schmidt-Salzer, VerwArch 62 (1971), 135 (148 ff.); für den Bereich des Polizei- und Ordnungsrechtes ebenso Pietzner, JA 1973, 413 (414 f.).
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Teil 6: Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung
C. Der Verwaltungsakt im System der Gewaltenteilung des GG I. Keine gewohnheitsrechtliche Anerkennung einer Befugnis zur verbindlichen Regelung Zunächst ist festzustellen, daß das Bundesverwaltungsgericht in seinen grundlegenden Entscheidungen zu den Leistungsbescheiden im Soldaten- bzw. Beamtenverhältnis eine für alle Rechtsgebiete des Verwaltungsrechts und alle denkbaren materiellen Regelungsgehalte geltende opinio necessitatis , als Voraussetzung einer gewohnheitsrechtlichen Anerkennung des Rechtssatzes, eine verbindliche Regelung durch Verwaltungsakt sei in einem subordinationsrechtlichen Rechtsverhältnis immer dann zulässig, wenn sie nicht durch Gesetz oder Gewohnheitsrecht ausdrücklich ausgeschlossen sei1, nur behauptet, nicht aber für den Geltungsbereich des Grundgesetzes bewiesen hat2. Demgegenüber ist oben in Teil 3 bei der Untersuchung des Begriffs der rechtsprechenden Gewalt i.S. von Art. 92 GG bereits festgestellt worden, daß sowohl unter der Weimarer Reichsverfassung als auch in der Nachkriegszeit Verwaltungsbehörden teilweise darauf angewiesen waren, bestimmte verwaltungsrechtliche Rechtsfragen durch eine unmittelbare Klageerhebung in einem ursprünglichen Verwaltungsstreitverfahren zu klären 3. Der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Erstattungs- und Leistungsbescheiden wurde von Beginn an entgegengehalten, daß der Dienstherr noch unter Herrschaft des Deutschen Beamtengesetzes von 1937 Schadensersatz- und Regreßansprüche gegen seine Beamten im Regelfall durch Leistungsklage vor den ordentlichen Gerichten geltend machen mußte4. Als Reaktion auf diese Kritik hat das Bundesverwaltungsgericht in BVerwGE 28, 1 (7 f.) selbst eingeräumt, daß die öffentliche Verwaltung sowohl nach dem früheren Reichsrecht als auch dem preußischen Recht zur Durchsetzung ihrer gegen den einzelnen gerichteten öffentlich-rechtlichen Geldforderungen herkömmlicherweise der verfahrensrechtlichen Ermächtigung durch Gesetz oder Rechtsverordnung bedurfte. Solche Ermächtigungen galten in Preußen nur enumerativ. Im Beamtenrecht Preußens und des Deutschen Reichs bestanden sie insbesondere für das sog. „Defektenverfahren" 5, welches 1
BVerwGE 18, 283 (285 f.); 19, 243 (245 f.). Rupp, DVB1. 1963, 577 (580 f.); Wache,, DÖV 1966, 311, (313); Bachof in Wolff/Bachof, VerwR I, 9. Aufl., § 44 III.f)l.: „Das angebliche Gewohnheitsrecht... ist eine Erfindung des Gerichts." 3 Vgl. oben Teil 3, A.II. 4 Rupp, DVB1. 1963, 577 (580 f.); Wacke, DÖV 1966, 311, (313); Bachof in Wolff/Bachof, VerwR I, 9. Aufl., § 44 III.f)l.; Löwenberg,, S. 99 ff. m.w.N. 5 Das Reichsrecht folgte insoweit der preußischen Rechtslage (vgl. BorgsMaciejewski, Die Durchsetzung vermögensrechtlicher Ansprüche, S. 50 ff.), während 2
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später durch das noch heute geltende Erstattungsgesetz vom 18. April 19376 abgelöst wurde. Es gab jedoch weder eine allgemeine Ermächtigung des Dienstherrn noch spezielle Vorschriften für die Rückforderung zuviel gezahlter Dienst- oder Versorgungsbezüge. Deshalb konnte der Dienstherr auch nach dem seit 1937 geltenden Deutschen Beamtengesetz solche Rückforderungsansprüche nicht durch Leistungsbescheid, sondern nur durch Aufrechnung oder mittels eines gerichtlichen Zwangsvollstreckungstitels durchsetzten7. Aus diesem Befund zog das Bundesverwaltungsgericht jedoch nur den Schluß, die grundsätzliche Befugnis der Verwaltung, im Rahmen der Hoheitsverwaltung Regelungen des Einzelfalls durch Verwaltungsakt zu treffen, umfasse nicht notwendigerweise stets auch die Befugnis, sich durch Verwaltungsakt einen vollstreckbaren Zahlungstitel gegen den einzelnen zu schaffen 8. Angesichts der selbst eingeräumten Gegenbeispiele blieb das Bundesverwaltungsgericht in seiner beamten- und soldatenrechtlichen Rechtsprechung den Nachweis für die stets nur behauptete Grundregel schuldig, nach der sich aus der angeblichen Überordnung der hoheitlichen Verwaltung ein allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz des deutschen Verwaltungsrechts ergeben soll, daß die Organe der vollziehenden Gewalt im Rahmen der hoheitlichen Erfüllung ihrer Aufgaben grundsätzlich zum Erlaß von Verwaltungsakten befugt seien, sofern nicht ausnahmsweise etwas anderes vorgeschrieben sei9. Gewohnheitsrecht, das mit den nachfolgenden Kodifikationen der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder als Rechtsquelle des allgemeinen Verwaltungsrechts weiter an Bedeutung verlor, kam bereits in den sechziger Jahren nicht als Rechtsgrundlage für eine generelle verfahrensrechtliche Befugnis zum Erlaß konkretisierender Verfügungen und feststellender Verwaltungsakte in Betracht 10. Sachverhalte, bei denen die Verwaltung aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung Verwaltungsakte erlassen darf, können nicht als Beweis für die Existenz einer Rechtsüberzeugung
die süddeutschen Länder teilweise Haftungsbescheide zur Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche vorgesehen hatten (vgl. Borgs-Maciejewski, S. 72 ff). 6 Gesetz über das Verfahren für die Erstattung von Fehlbeständen an öffentlichem Vermögen (Erstattungsgesetz); zur geschichtlichen Entwicklung und zum Anwendungsbereich des Erstattungsverfahrens vgl. Borgs-Maciejewski, S. 50 ff.; Ronellenfltsch, JA 1975, 665 ff. 7 BVerwGE 28, 1 (7 f.); Rupp, DVB1. 1963, 577 (580 f.); Wache, DÖV 1966, 311 (313); Löwenberg, S. 99 ff. m.w.N. 8 BVerwGE 28, 1 (7 f.). 9 Vgl. die Kritik bei Rupp, DVB1. 1963, 577 (580 f.); Wacke, DÖV 1966, 311 (313); Bachof in Wolff/Bachof, VerwR I, 9. Aufl., § 44 III.f)l.; Löwenberg,, S. 99 ff.; Osterloh, JuS 1983, 280 (284); Grosser, VerwArch 17 (1984), 329 (341 f.); Heckmann, S. \&5;Druschel,S. 128 ff. 10 Vgl. die Nachweise in Fn. 2.
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Teil 6: Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung
herangezogen werden, die Exekutive verfüge auch ohne solche gesetzliche Vorschriften über vergleichbare Regelungsbefugnisse. Als Beleg für eine opinio necessitatis kämen nur Aussagen zu Sachverhalten in Betracht, bei denen keine gesetzlichen Ermächtigungen bestehen. Hierzu ist festzuhalten, daß zwar Otto Mayer in seinem Lehrbuch des Deutschen Verwaltungsrechtes, die Befugnis zum Erlaß von Verwaltungsakten nicht dem Vorbehalt des Gesetzes unterwarf 11 . Der Behauptung, dieses Element seiner Lehre vom Verwaltungsakt sei zum Bestandteil einer langjährigen, von der Rechtsüberzeugung der Beteiligten getragenen, tatsächlichen Übung geworden, stehen jedoch gewichtige Beispiele aus der parlamentarischen Praxis, höchstrichterlichen Rechtsprechung und Lehre entgegen, welche nicht nur auf dem Gebiet des Beamtenrechts eine besondere Ermächtigung für feststellende Verwaltungakte und konkretisierende Verfügungen verlangten. So ging man bereits 1910/11 bei den Reichstagsberatungen zur Reichsversicherungsordnung davon aus, daß das Recht des Versicherungsträgers, verbindlich über das Bestehen und die Höhe gesetzlicher Leistungsansprüche zu entscheiden, nicht aus der Natur der Sache herzuleiten sei, es sich vielmehr um „eine sonst ungewöhnliche, dem Versicherungsträger durch besondere Vorschrift der Versicherungsordnung eingeräumte Befugnis" handele12. Das Preußische OVG lehnte es schon 1913 ab, der für die Änderung eines Familiennamens, also der Vornahme eines gestaltenden Verwaltungsaktes, zuständigen Behörde automatisch auch die Befugnis zu Feststellungen verwandter Art bei einer zweifelhaften Rechtslage zuzubilligen 13 . Diese Aussage machte W. Jellinek in seinem Lehrbuch des Verwaltungsrechts zum Ausgangspunkt seiner Erörterungen zum feststellenden Verwaltungsakt 14. Die Gegenbeispiele zeigen, daß das deutsche Verwaltungsrecht zwar schon vor Verabschiedung des Grundgesetzes traditionell zahlreiche Normen kannte, welche das Rechtsinstitut des Verwaltungsaktes auf den verschiedensten Gebieten des besonderen Verwaltungsrechts vorsahen oder systematisch voraussetzten; es läßt sich aber keine allgemeine Rechtsüberzeugung nachweisen, daß die zuständigen Behörden zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben auch ohne eine gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß von Verwaltungsakten befugt seien. Wenn der Verwaltungsakt im deutschen Recht als regelmäßige und typische Rechtsform des Verwaltungshandelns erscheint, so handelt es sich nur um einen empirischen Befund der zumeist gesetzlich geregelten Befugnisse der Verwaltung. Diese quantitative Regel darf nicht mit einem normativen Regel11
VerwR I, 1. Aufl., S. 97 f.; 3. Aufl. S. 72 f. Verhandlungen des Dt. Reichstages, XII. Legislaturperiode, II. Session 1910/11, Bd. 274, Anl. z. d. stenographischen Berichten, zu Nr. 340, S. 14 f., zitiert nach Krause, Rechtsformen, S. 210. 13 Pr. OVG, U. v. 5.5.1913, OVGE 65, 264. 14 W. Jellinek, 3. Aufl., S. 259 f. 12
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Ausnahme-Verhältnis i.S. des behaupteten Rechtsgrundsatzes des deutschen Verwaltungsrechts gleichgesetzt werden, die Verwaltung sei grundsätzlich zum Erlaß von Verwaltungsakten befugt, sofern nicht ausnahmsweise etwas anderes vorgeschrieben sei 15 . Ein entsprechendes Gewohnheitsrecht hätte sich also allenfalls auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab dem Jahre 1964 bilden können 16 . Der Überblick in Teil 4 hatte aber bereits gezeigt, daß die subordinationsrechtliche Rechtsprechung nicht nur in der Rechtswissenschaft umstritten war; auch die Rechtsprechung wandte sie nur auf bestimmte Fallgruppen im Beamten- und Soldatenrecht konsequent an. Demgegenüber war die Entscheidungspraxis beispielsweise bei der Durchsetzung allgemeiner gesetzlicher Pflichten schon in den siebziger Jahren uneinheitlich; spätestens seit dem 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil des Bundesverwaltungsgerichts 17 vom 29.11.1985 gibt es jedoch für einen Rechtssatz des allgemeinen Verwaltungsrechts, daß die zuständige Behörde grundsätzlich befugt sei, gesetzliche Rechte und Pflichten durch Verwaltungsakt verbindlich festzustellen und durchzusetzen, keine lang andauernde und allgemeine Übung mehr 1*. Aber auch für das spezielle Rechtsgebiet des Beamten- und Soldatenrechts kann vermeintliches Gewohnheitsrecht den Erlaß feststellender Verwaltungsakte und konkretisierender Verfügungen, insbesondere zur Geltendmachung von Leistungs- und Erstattungsansprüchen, nicht rechtfertigen. Zunächst können Rechtsüberzeugungen, die sich unter dem Einfluß der Lehre vom „besonderen Gewaltverhältnis" und anderen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen gebildet hatten, nicht nachträglich in Gewohnheitsrecht umgedeutet werden 19. Denn nach dem Zweck der grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte setzen Grundrechtseingriffe „Regelungen" voraus, d.h. Entscheidungen des hierzu demokratisch legitimierten Gesetzgebers, ob die Einschränkung des betroffenen Grundrechts aus den im jeweiligen Grundrecht vorgegebenen Gründen gerechtfertigt ist und die vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gesetzten Grenzen eingehalten werden. Daher kann nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des Bundesverfasssungs- und des Bundesverwaltungsgerichts sowie nach der h.L. nur vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht eine dem Vorbehalt des Gesetzes genügende gesetzliche Ermächtigung bilden 20.
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Rupp, DVB1. 1963, 577 (578). Druschel, S. 130 f. 17 U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83, BVerwGE 72, 265; vgl. Teil 4, C.III.6. (m.w.N.). 18 Ebenso jetzt auch Christiane Fischer, S. 40 f., 102 ff. 19 BVerfG, B. v. 27.1.1976 -1 BvR 2325/73, BVerfGE41, 251 (263). 20 BVerfGE 9, 338 (343), 12, 226 (233); 15, 227 (233); BVerfG, B. v. 27.1.1976 1 BvR 2325/73, BVerfGE 41, 251 (263); B. v. 14.2.1973 - 2 BvR 667/72, BVerfGE 34, 16
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Teil 6: Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung
Demgegenüber hat Witthohn in einer Dissertation die Auffassung vertreten, grundsätzlich komme als Eingriffsgrundlage auch nachkonstitutionelles Gewohnheitsrecht in Betracht 21 , sofern es unter Berücksichtigung der Intensität des Grundrechtseingriffs hinreichend bestimmt sei 22 . Diese Voraussetzungen seien bei der gewohnheitsrechtlichen Anerkennung der Verwaltungsaktbefugnis erfüllt 23 . Zunächst sei die Fixierung auf den in Art. 123 GG genannten Zeitpunkt nämlich unter dem Gesichtspunkt des Vorbehaltsprinzip kein dogmatisch passendes Kriterium 24 . Gewohnheitsrecht sei als Gesetz im materiellen Sinne einzustufen 25. Da das Wort „Gesetz" im GG nicht einheitlich verwendet werde, sondern bald im formellen und bald im materiellen Sinne, lasse der Wortlaut keine eindeutige Aussage zu, ob dem Vorbehalt des Gesetzes ein materielles Gesetz genüge oder ein formelles Gesetz als Ermächtigung verlange 26. Daher sei ausgehend vom Rechtsstaats- und Demokratieprinzip als den Wurzeln des Vorbehaltsprinzips bei einer objektiv-teleologischen Interpretation auf die Sicherung der Freiheitssphäre des Bürgers und die Gewährleistung sachgerechter Aufgabenbewältigung durch den Staat als den heutigen Funktionen des Gewaltenteilungsprinzips abzustellen27. Die verfassungsmäßige geforderte Kontrolle und Begrenzung der Exekutive durch das Parlament sei nicht gefährdet, da es sich hier nicht um eine wesentliche Frage handele und das Parlament jederzeit die Möglichkeit habe, die allgemein bekannten Fälle gewohnheitsrechtlicher Eingriffsermächtigungen formell-gesetzlich zu regeln 28. Weil die Anerkennung gewohnheitsrechtlicher Ermächtigungen grundsätzlich zu einem „Mehr" an staatlichen Befugnissen führe, seien gewohnheitsrechtliche Eingriffsbefugnisse auch der Sicherung einer effizienten und sachgerechten
293 (303 ff.); U. v. 14.07.1987 - 1 BvR 537/81, 1 BvR 195/87, BVerfGE 76, 171 (188); BVerwG, U .v. 5.7.1994 - 1 C 13/91, BVerwGE 96, 189 (199 f.); Sachs, GG, vor Art. 1 Rn. 113; Stern, Staatsrecht III/2,.§ 80 IV.3.b)ß)65), S. 442 ff.) m.w.N.; Jarass in Jarass/Pieroth, Vorb. vor Art. 1 Rn. 43 nimmt sogar an, die Ausnahme des Art. 123 GG habe sich 50 Jahre nach Inkrafttreten des GG erledigt. 21 Witthohn, Gewohnheitsrecht als Eingriffsermächtigung, S. 129 ff. Ohne Differenzierung nach dem Entstehungszeitpunkt hat auch Enuschat, JuS 1998, 905 (908), Gewohnheitsrecht als mögliche Eingriffsgrundlage bezeichnet, sich dabei aber fehlerhaft auf die Rechtsprechung insbesondere BVerwGE 96, 189 (199 f.) bezogen. Insoweit ist unklar, ob Enuschat hier - ähnlich wie Witthohn - bewußt auch nachkonstitutionelles Gewohnheitsrecht anerkennen wollte, oder nur ungenau zitiert hat. 22 Witthohn, S. 152 ff. 23 Witthohn, S. 154 f. 24 Witthohn, S. 125. 25 Witthohn, S. 128 f. 26 Witthohn, S. 129 f. 27 Witthohn, S. 135 ff. (143). 28 Witthohn, S. 143 ff.
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Aufgabenbewältigung des Staates förderlich 29. Schließlich stehe auch die demokratische Komponente des Vorbehalts des Gesetzes der Anerkennung von Gewohnheitsrecht als Eingriffsermächtigung nicht entgegen, da die Geltungskraft von Gewohnheitsrecht auf eine einheitliche Übung und die im Volk herrschende Überzeugung zurückzufuhren sei, das etwas Recht sei. Damit sei der Einfluß des Volkes bei der Heranbildung eines Gewohnheitsrechtssatzes sehr viel unmittelbarer und effektiver als bei der förmlichen Gesetzgebung durch die Volksvertretung 30. Eine derartige Anerkennung nachkonstitutionellen Gewohnheitsrechts als Eingriffsermächtigung ist jedoch mit der freiheitssichernden Funktion des Vorbehalts des Gesetzes nicht zu vereinbaren. Zunächst wurde bereits in Teil 3 dargelegt, daß die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte für sämtliche Eingriffe eine gesetzliche Grundlage verlangen und nicht nur für „wesentliche", besonders intensive Einschränkungen der grundrechtlich geschützten Freiheit 31 . Desweiteren wird der in der Literatur und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebrauchte Topos der sachgerechten Aufgabenerledigung von Witthohn mißverstanden, wenn er ihn im Sinne einer möglichst schlagkräftigen Erfüllung der Staatsaufgaben interpretiert. Im Kalkar- 32 , im Nachrüstungs- 33 und im Rechtschreibreformbeschluß 34 hat das Bundesverfassungsgericht vielmehr zur gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzbereiche von Parlament und Exekutive auf die speziellen staatsorganisatorischen Bestimmungen des Grundgesetzes sowie auf das Kriterium abgestellt, daß staatliche Entscheidungen möglichst richtig, d.h. von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen 35. Übertragen auf das Verhältnis von formellem Gesetz und Gewohnheitsrecht ist zu fragen, ob die abstraktgenerelle Entscheidung über die Zulässigkeit von Verwaltungseingriffen durch das Parlament im förmlichen Gesetzgebungsverfahren und in der Form eines Gesetzes getroffen werden muß oder ob der Schutz der individuellen Freiheitsrechte in gleicher Weise durch die Anerkennung eines ungeschriebenen Rechtssatzes durch die große Mehrheit des Volkes gewährleistet wird. Die letzte Alternative ist klar zu verneinen. Gerade das öffentliche parlamentarische Rechtssetzungsverfahren, bei dem die Betroffenen, die Medien, Parteien und
29 30 31 32 33 34 35
Witthohn, S. 151 f. Witthohn, S. 169. Vgl. oben Teil 3, C.III. BVerfG, B. v. 8.8.1978 - 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89 (124 ff.). BVerfG, U. v. 18.12.1984 - 2 BvE 13/83, BVerfGE 68, 1 (84 ff.). BVerfG, U. v. 14.7.1998 - 1 BvR 1640/97, BVerfGE 98, 218 (251 ff.). Zustimmend Ossenbühl in HStR III, § 62 Rn. 48 f.
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Teil 6: Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung
auch einzelne Abgeordnete die Möglichkeit haben, tatsächliche und rechtliche Bedenken gegenüber der Schaffung zusätzlicher Eingriffsbefugnisse zu formulieren und während des Gesetzgebungsverfahrens den Entscheidungsträgern vorzubringen, erßllt eine der freiheitssichernden Funktionen des Vorbehalts des Gesetzes. Die Grundrechte mit ihren Gesetzesvorbehalten dienen auch dem Schutz des einzelnen vor einer Bevölkerungsmehrheit, welche möglicherweise auf einen starken Staat mit umfassenden, die Freiheit der Minderheit bedrohenden Verwaltungsbefugnissen setzt. Wie Witthohn selbst unter dem Gesichtspunkt des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots erläutert, müssen Gewohnheitsrechtssätze einfach und bestimmt formuliert sein 36 . Sorgfaltig zwischen verschiedenen Interessen, Sachverhalten und in Betracht kommenden Verwaltungsmaßnahmen abwägende und differenzierende Regelungen, wie sie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oft verlangt oder nahelegt, können nur in Form schriftlicher Rechtssätze (oder durch Richterrecht) getroffen werden. Daher sind gewohnheitsrechtliche Rechtssätze aufgrund des nicht diskursiven Verfahrens ihrer Herausbildung und ihrer mit dem Formmangel verbundenen Tendenz zu weit gefaßten Eingriffsbefugnissen nicht in gleicher Weise wie ein im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren beratenes und ausformuliertes formelle Gesetz geeignet, die Freiheit des Bürgers vor unverhältnismäßigen staatlichen Eingriffen zu schützen. Der allgemeine Vorbehalt des Gesetzes verlangt demnach grundsätzlich für alle Grundrechtseingriffe der Verwaltung eine Ermächtigung durch ein förmliches Gesetz oder durch eine ihrerseits auf Grundlage eines förmlichen Gesetzes erlassene Rechtsverordnung oder Satzung37. Daher erkennen die höchstrichterliche Rechtsprechung und h.L. 38 zu Recht Gewohnheitsrecht grundsätzlich nicht als ausreichende gesetzliche Grundlageför Eingriffe an. Hiervon gestattet Art. 123 Abs. 1 GG Ausnahmen nurför das Recht aus der Zeit vor dem Zusammentritt des ersten Bundestages 39, da vor dessen Konstituierung die formellen Anforderungen des GG bei der Rechtssetzung von keinem Gesetzgebungsorgan beachtet werden konnten und die Tätigkeit des Bundestages auf der bis dahin entstandenen Rechtsordnung aufbauen sollte. Der Zweck des Art. 123 GG lag in einer Rezeption des Bestandes des vorkonstitutionellen
36
Witthohn, S. 152 ff. Pieroth/Schlink, Rn. 263; Jarass in Jarass/Pieroth, Vorb. vor Art. 1 Rn. 42; Sachs, GG, vor Art. 1 Rn. 107 ff.; Stern, Staatsrecht III/2,.§ 80 IV.3., S. 427 ff.) m.w.N. Zur Frage der Grundrechtseingriffe durch und aufgrund von Völkerrecht, supranationalem und ausländischem Recht vgl. insbesondere Sachs, GG, vor Art. 1 Rn. 114; Stern, Staatsrecht III/2,.§ 80 IV.3.b)y), S. 439 ff.) (jew. m.w.N.). 38 Vg. dieNachw. in Fn. 20. 39 BVerfGE 9, 338 (343), 12, 226 (233); 15, 227 (233); BVerfG, B. v. 27.1.1976 1 BvR 2325/73, BVerfGE 41, 251 (263). 37
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Rechts für die Zeit nach dem Zusammentritt des ersten Deutschen Bundestages ohne Rücksicht darauf, aus welcher Periode der Verfassungsgeschichte und ohne eine Auseinandersetzung mit der Legitimität der früheren Rechtsquellen. Recht aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestages widerspricht dem Grundgesetz i.S. von Art. 123 Abs. 1 GG also nur dann, wenn die jeweilige Rechtsnorm materiell bzw. ihrem Inhalt nach mit Bestimmungen des GG nicht zu vereinbaren ist; kein Widerspruch liegt vor, wenn die Rechtsvorschrift in Form oder Verfahren, in der sie zustande kam, nach geltendem Verfassungsrecht nicht mehr ergehen könnte. Wenn aber kaiserliche Verordnungen, gesetzesvertretende Verordnungen des Reichspräsidenten aus der Zeit der Weimarer Republik und selbst auf Grund des „Ermächtigungsgesetzes" vom 24.3.1933 erlassene Regierungsgesetze aus dem Dritten Reich 40 fortgelten sollten, soweit sie inhaltlich dem Grundgesetz nicht widersprechen, muß diese Ausnahme grundsätzlich auch auf vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht angewandt werden 41 . Jedoch kann der Ausnahmetatbestand des Art. 123 GG nicht umgekehrt nach dem 7.9.1949 entstandene Rechtsüberzeugungen als gewohnheitsrechtliche Eingriffsermächtigungen legitimieren. Da gerade im Beamten- und Soldatenrecht fiir Erstattungs- und Schadensersatzansprüche - wie zuvor dargestellt - vor dem Grundgesetz keine lang andauernde und von einer allgemeinen Rechtsüberzeugung getragene Verwaltungspraxis der Geltendmachung durch Verwaltungsakt existierte, bestand für diese speziellen Ansprüche auch kein vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht 2, das prinzipiell noch als gesetzliche Ermächtigung akzeptiert werden könnte.
I L Die Abhängigkeit der Reichweite des Vorbehaltes des Gesetzes von der verfassungsrechtlichen Legitimation der Staatsgewalt Gleichwohl ist festzuhalten, daß O. Mayer es nachdrücklich ablehnte, für den Erlaß von Verwaltungsakten generell eine besondere gesetzliche Grund-
40
Kirn in v. Münch/Kunig, Art. 123 Rn. 4 (m.w.N.). BVerfGE, 9, 338 (343), 12, 226 (233); 15, 227 (233); BVerfG, B. v. 27.1.1976 1 BvR 2325/73, BVerfGE 41, 251 (263); Sachs, GG, vor Art. 1 Rn. 113; Stern, Staatsrecht III/2,.§ 80 IV.3.b)ß)85), S. 442 ff.) m.w.N.; Kirn in v. Münch/Kunig, Art. 123 Rn. 8, mit Hinweis auf die strengen Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht an den Nachweis vermeintlichen Gewohnheitsrechts im Bereich schwerer Eingriffe in das Grundrecht des Art. 12 GG stellt. 42 Kupp, DVB1. 1963, 577 (580 f.); Wacke, DÖV 1966, 311, (313); Löwenberg, S. 99 ff. (m.w.N.); a.A. Christiane Fischer, S. 103 f., die allerdings annimmt, daß auch auf diesem Rechtsgebiet das bei Inkrafttreten des BRRG, BBG und SG zunächst noch bestehende Gewohnheitsrecht aufgrund der hieran in Rechtsprechung und Literatur geäußerten Zweifel inzwischen derogiert sei. 41
24 Kracht
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Teil 6: Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung
läge zu fordern 43. Weil seine Konzeption des Verwaltungsaktes das deutsche Verwaltungsrecht bis heute prägt, bleibt zu fragen, ob die staatsrechtliche Begründung, die O. Mayer für eine ungeschriebene hoheitliche Regelungsbefugnis der Exekutive gab, unter dem Grundgesetz den Verzicht auf eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung rechtfertigen kann. Zwar war für Otto Mayer der Rechtsstaat ein Staat des wohlgeordneten Verwaltungsrechts 44, in dem das Rechtsinstitut des Verwaltungsakts dem einzelnen (Untertanen) durch rechtliche Gebundenheit der Verwaltungstätigkeit Schutz vor der staatlichen Übermacht gewähren sollte. Aber diese Staatsgewalt und ihre verschiedenen Erscheinungsformen wurden von ihm weder in der 1895 erschienenen 1. Auflage noch in der 1923 veröffentlichten 3. Auflage seines Lehrbuchs des Deutschen Verwaltungsrechts aus der konkreten Verfassungsordnung und ihren Gesetzen heraus begründet und legitimiert, sondern aus einer abstrakten, quasi naturrechtlichen Staatsidee45; insoweit soll sich der Rechtsstaat keineswegs von seinem Vorgänger, dem Polizeistaat unterscheiden, wie nahezu wortgleich in beiden Auflagen erläutert wird: „Der Polizeistaat füllt die Übergangszeit aus zwischen dem alten Recht und derjenigen Gestalt der Dinge, welche die Gegenwart uns zeigt. Er war nur der Zuchtmeister auf das neue Staatswesen. Dieses steht aber auch auf seinen Schultern: was er an Ideen geschaffen, wird nicht ausgelöscht oder rückgebildet, sondern weiterentfaltet. Seine großen Errungenschaften sind einerseits die unbedingte Übermacht der Staatsgewalt, andererseits die Unterwerfung eines staatlichen Lebensgebietes unter die Herrschaft von Zivilrecht und Zivilrechtspflege. Beides ist übernommen worden.... Hinzukommt aber jetzt, daß auch jene allgemeine hoheitliche Macht des Staates in die Form und Gestalt des Rechtes gebracht wird. Ein wirkliches ... öffentliches Recht für die Verwaltung ist entstanden neben dem Zivilrecht ... u . 46 A u f dieser Basis entwickelte O. Mayer ein dem Verfassungsrecht vorgegebenes und nicht durch dieses legitimiertes allgemeines Verhältnis der Überund Unterordnung: „Das Verhältnis zwischen Staat und Unterthan ist das einer rechtlichen Ungleichheit: der Staat hat auf seiner Seite die öffentliche Gewalt. Gewalt bedeutet die Fähigkeit eines rechtlich überwiegenden Willens."47
43
Dt. VerwR I, 1. Aufl., S. 97 f.; 3. Aufl., S. 72. Dt. VerwR I, 3. Aufl., S. 58. 45 Vgl. die umfassende Darstellung und Kritik bei Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 47 ff., 98 ff., 103 ff. 46 Hier zitiert die 3. Aufl., S. 54 f.; vgl. in der 1. Aufl. S. 53. 47 Dt. VerwR I, 1. Auf., S. 67. In der 3. Auflage ist die gleiche Aussage inhaltlich nur auf zwei, durch eine Querverweisung miteinander verbundene Textstellen auf S. 64 und 15 verteilt. 44
C. Der Verwaltungsakt im System der Gewaltenteilung des GG
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In Otto Mayers System des deutschen Verwaltungsrechts war der Verwaltungsakt dann eine nicht auf Grund des Gesetzes, sondern aus eigener Kraft wirkende Äußerung der öffentlichen Gewalf*: „Das Civilgerichtsurteil gründet sich stets auf das Gesetz, das es auf den Einzelfall zur Anwendung bringt. Die Versuchung liegt nahe, auch für den Verwaltungsakt eine solche gesetzliche Grundlage zu fordern. Allein so ohne weiteres ist das nicht richtig. Es muß unterschieden werden. In obrigkeitlicher Weise dem Unterthanen gegenüber zu bestimmen, was fiir ihn im Einzelfall Rechtens sein soll, gehört keineswegs zum Vorbehalt des Gesetzes. Das ist eine Äußerung der öffentlichen Gewalt, die an sich auch der vollziehenden Gewalt zusteht. Vielmehr wird es auf den Inhalt des Verwaltungsaktes ankommen. Soll damit ein Eingriff gemacht werden in Freiheit und Eigentum, Befehl, Lastauferlegung, Begründung einer Zahlungspflicht, dingliche Entziehung oder Beschränkung, dann bedarf es hierzu selbstverständlich einer gesetzlichen Grundlage. Nicht weil überhaupt bestimmt wird, daß etwas für ihn Rechtens ist, sondern weil bestimmt wird, daß ein solcher Eingriff stattfinden kann. Der Verwaltungsakt kann aber umgekehrt dem Unterthanen auch einen Vorteil zuwenden, ein Besitzrecht, eine Nutzung, einen Geldbezug. Da ist der Vorbehalt des Gesetzes nicht in Frage und es zeigt sich sofort, daß der Verwaltungsakt seine Wirkung übt aus eigener Kraft." 49 Seine Begründung einer allgemeinen Befugnis der vollziehenden Gewalt, das Recht durch Verwaltungsakt zu regeln, können wir nicht einfach als Teil eines historisch gewachsenen und bis heute fortgeltenden Staats- und Verwaltungsrechts ansehen. Denn Otto Mayers Lehre vom Verwaltungsakt beruhte an dieser Stelle auf der konstitutionellen Staatsidee und der Funktion des Vorbehaltsprinzips in der spätkonstitutionellen Staatslehre50. Im Staatsrecht der konstitutionellen Monarchie diente der Vorbehalt des Gesetzes noch zur partiellen Beschränkung einer ursprünglich allumfassenden monarchischen Staatsgewalt durch die Mitwirkung der Volksvertretung an der Gesetzgebung. Einer gesetzlichen Grundlage bedurfte der Verwaltungsakt nur, wenn und soweit durch seinen Inhalt ein Eingriff in Freiheit und Eigentum gemacht werden sollte. Hatte aber das Gesetz selbst bereits einen derartigen Eingriff vorgenommen oder betraf das geregelte Verwaltungshandeln nicht den geschützten Bereich von Freiheit und Eigentum, so gehörte der „der Verwaltung zugehörige obrigkeitliche Ausspruch, der dem Unterthanen gegenüber im Einzelfall bestimmt,
48
Dt. VerwR I, 3. Aufl., S. 69. Dt. VerwR I, 1. Aufl., S. 97 (Hervorhebungen abweichend vom Original); inhaltlich ebenso Dt. VerwR I, 3. Aufl., S. 69. 50 Rupp, DVB1. 1963, 577 (578 f.); Renck, JuS 1965, 129 (132 f.); Pietzner, JA 1973, 413 f.; Löwenberg, S. 96 ff.; Grosser, VerwArch 17 (1984), 329 (347 f.); Drescher, DVB1. 1986, 727 (729); umfassende Darstellung und Kritik bei Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 47 ff., 98 ff., 103 ff. 49
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Teil 6: Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung
was für ihn Rechtens sein soll" 51 , nach der Lehre O. Mayer keineswegs zum Vorbehalt des Gesetzes. Nicht obwohl, sondern gerade weil der Verwaltungsakt von Otto Mayer als eine aus eigener Kraft wirkende Äußerung der öffentlichen Gewalt beschrieben wurde 52 , deren rechtliche Grundlage nicht das vollzogene Gesetz bildete, war eine besondere Ermächtigung der Verwaltung entbehrlich. Denn die Kompetenz zur Vornahme eines solchen Hoheitsaktes stand nach der staatsrechtlichen Vermutungsregel der monarchischen Exekutive zu 53 . Die Verbindlichkeit des Verwaltungsaktes fand so ihre eigentliche Rechtfertigung im monarchischen Prinzip 54. Hierbei hatte er seine staatstheoretische Vorstellung, losgelöst von den konkreten Normen der jeweiligen Rechtsordnung sei jeder Staatsangehörige im allgemeinen Gewaltverhältnis generell einer umfassenden Staatsgewalt unterworfen, mit den Begriffen Obrigkeit und Unterthan deutlich auf die Ebene des Verwaltungsrechts transformiert. Allerdings vermied Otto Mayer bereits in der 1. Auflage eine unmittelbare Begründung aus der Verfassung des Reichs oder der Länder, sondern knüpfte an eine quasi naturrechtliche metaphysische Staatsidee an, was es ihm später scheinbar bruchlos erlaubte, sein System des Deutschen Verwaltungsrechts aus dem Spätkonstitutionalismus in die Zeit der Weimarer Reichsverfassung hinüberzuretten und nur ein paar »Anknüpfungspunkte" an das neue Verfassungsrecht „zu beichtigen" 55 . Bereits mit der Ersetzung der konstitutionellen Monarchie durch die parlamentarische Demokratie der Weimarer Reichsverfassung war die stillschweigend vorausgesetzte, ursprüngliche Legitimationsgrundlage des Verwaltungs-
51 So die Definition des Verwaltungsaktes durch O. Mayer, Dt. VerwR I, 1. Aufl., S. 95. 52 Dt. VerwR I, 3. Aufl., S. 67. 53 Vgl. Jesch, S. 76 ff., insbes. S. 88 f. m.w.N.; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 45 ff. 54 Rupp, DVB1. 1963, 577 (578 f.); Renck, JuS 1965, 129 (132 f.); Pietzner, JA 1973, 413 f.; Löwenberg, S. 96 ff.; Grosser, VerwArch 17 (1984), 329 (347 f.); Drescher, DVB1. 1986, 727 (729); Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 49 ff., 70 ff., 98 ff., 103 ff. 55 Vgl. das bekannte Zitat aus dem Vorwort zur dritten Auflage: „So mußte ich denn doch noch mal an diese Arbeit gehen! Groß Neues ist ja seit 1914 und 1917 nicht nachzutragen. „Verfassungsrecht vergeht, Verwaltungsrecht besteht"; dies hat man anderwärts längst beobachtet. Wir haben nur die Anknüpfungspunkte entsprechend zu berichtigen." Otto Mayers System des Dt. Verwaltungsrechts mit dem Staat als Anstalt und dem Verwaltungsakt als Selbstbezeugung der öffentlichen Gewalt als ein typisch konstitutionell-monarchistisches Erklärungsmodell wies allerdings schon auf der Verfassungsgrundlage des Spätkonstitutionalismus Bruchstellen und Widersprüche auf, vgl. Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 263 ff., 84 f., 129 ff., 148 ff., 175 ff., 229 ff.
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aktes entfallen. Dieser Wandel der verfassungsrechtlichen Fundamente unseres Verwaltungsrechts kann nicht durch die Berufung auf vermeintliches Gewohnheitsrecht im Range eines einfachen Gesetzes überspielt werden, dessen der Verwaltungsakt als „Kronreservat" der monarchischen Exekutive nach der spätkonstitutionellen Lehre Otto Mayers gar nicht bedurfte 56. Ebensowenig kann die Befugnis zum Erlaß eines belastenden Verwaltungsaktes noch mit dem Wesen des Staates und der Rechtsfigur des allgemeinen Gewaltverhältnisses gerechtfertigt werden. Unter dem Grundgesetz stellt das Vorbehaltsprinzip nicht nur eine Einschränkung einer an sich freien Staatsgewalt dar. Vielmehr ist aufgrund der umfassenden Grundrechtsbindung aller Staatsorgane (Art. 1 Abs. 3 GG) für jeden in den Schutzbereich eines Grundrechtes eingreifenden Hoheitsakt eine dem jeweiligen Gesetzesvorbehalt genügende gesetzliche Grundlage erforderlich. Ein vorrechtliches Über-AJnterordnungsverhältnis zwischen Staat und Bürgern ist deshalb als staatsrechtliche Konzeption mit dem Grundgesetz nicht mehr zu vereinbaren. Auch die Verwaltung ist dem Bürger nur insoweit übergeordnet, wie ihr in einem bestimmten Verwaltungsrechtsverhältnis durch das geltende Recht, insbesondere durch die Verfassung und die Gesetze, bestimmte Sonderrechte oder Befugnisse eingeräumt wurden, aus denen sich eine überlegene Rechtsstellung ergibt 57 .
I I I . Das Rechtsprinzip der Gewaltenteilung des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 G G 1. Gewaltenteilung und allgemeines Gewaltverhältnis Der Schluß, die Verwaltung sei aufgrund des allgemeinen Gewaltverhältnisses des Staates zu seinen Bürgern zu einer Durchsetzung des jedem Gesetz immanenten Normbefolgungsbefehls durch Verwaltungsakt befugt, wäre nur 56 Rupp, DVB1. 1963, 577 (578 f.); Renck, JuS 1965, 129 (132 f.); Pietzner, JA 1973, 413 f.; Löwenberg, S. 96 ff; Grosser, VerwArch 17 (1984), 329 (345 ff.); Drescher, DVB1. 1986, 727 (729); Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 263 ff., 270 ff. 57 Rupp, DVB1. 1963, 577 (578 f.); Renck, JuS 1965, 129 (132 f.); Pietzner, JA 1973, 413 f.; Löwenberg, S. 74 ff.; Arbeiter, S. 127 ff.; J. Martens, KritV 1986, 104 ff. (insbes. 120 ff.); Hill, DVB1. 1989, 321 f. Auch Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 279 f. betont, eine der Verwaltung durch Verfassung und Gesetz verliehene Befugnis, durch Verwaltungsakt einseitig verbindliche Rechtsfolgen festzulegen, könne nicht mehr als Ausdruck einer vorrechtlichen Überordnung verstanden werden. Weil die Regelungsbefugnis der Verwaltung auf dem Gesetz beruhe, sei die ebenso auf dem Gesetz beruhende Bindung des Bürgers an den Verwaltungsakt im Gegenteil sogar das Ergebnis einer formalrechtlichen Gleichordnung zwischen Staat und Bürger als gleichermaßen dem Gesetz unterworfene Rechtssubjekte, auf deren Basis die Rechtsordnung der Verwaltung einseitig bestimmte Regelungsbefugnisse verliehen habe.
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dann plausibel, wenn die Wahrnehmung staatlicher Herrschaftsgewalt grundsätzlich der Exekutive zustünde. Denn staats- und verfassungstheoretisch sind am allgemeinen Gewaltverhältnis als Zurechnungssubjekte auf der einen Seite der Bürger und auf der anderen Seite der Staat (mit einer noch als ungeteilt gedachten Staatsgewalt) beteiligt, nicht aber einzelne Staatsorgane, denen staatliche Kompetenzen nur zur Ausübung übertragen werden können 58 . Eine solche prinzipielle Identifikation des Staates mit einem einzigen Träger der Staatsgewalt bestand in der konstitutionellen Staatslehre, nach der der Monarch als höchstes Organ grundsätzlich den Staat repräsentierte und in der Ausübung der Staatsgewalt nur durch die Rechtsprechungskompetenzen der ordentlichen Gerichte und die Mitwirkungsbefugnisse der Volksvertretung bei der Gesetzgebung, soweit Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes reichten, beschränkt war 59 . Demgegenüber ist nach Art. 20 Abs. 2 GG allein das Volk Träger der Staatsgewalt, die es selbst durch Wahlen und Abstimmungen, im übrigen durch besondere Organe der gesetzgebenden, rechtsprechenden und vollziehenden Gewalt ausübt. Art 20 Abs. 2 GG und die diesen Grundsatz konkretisierenden Verfassungsbestimmungen formen damit für die geltende Staatsordnung das Prinzip der Gewaltenteilung im Sinne einer Funktionentrennung, -gliederung und -Zuordnung aus, bei der jedes Staatsorgan nur die ihm durch das GG selbst oder durch eine verfassungsmäßige Rechtsnorm zugewiesenen hoheitlichen Funktionen und Befugnisse wahrnehmen kann. Dies hat zur Konsequenz, daß keine der drei Gewalten mit ihren Organen den Staat alleine repräsentiert oder eine Kompetenzvermutung für die Ausübung staatlicher Befugnisse für sich in Anspruch nehmen kann 60 . Da der Staat als juristische Person seine Rechte und Befugnisse nicht unmittelbar ausüben kann, ist er so zwar zu ihrer Wahrnehmung auf seine Organe angewiesen. Die Kompetenz zur Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe mit Mitteln des hoheitlichen Zwangs muß aber durch die Verfassung selbst oder durch ein verfassungsmäßiges Gesetz geschaffen und einem bestimmten Organ zugewiesen werden. Solange dies nicht geschehen ist, kann die staatliche Hoheitsgewalt von keinem ihr unterworfenen Rechtssubjekt ausgeübt werden. Weder aus dem Begriff der Staatsgewalt noch aus dem des allgemeinen Gewaltverhältnisses läßt sich deshalb eine Befugnis der Verwaltung herleiten, gesetzliche Pflichten oder Eigenschaften, die für Bestand oder Begründung von Rechten und Pflichten rechtlich erheblich sind, verbindlich zu konkretisieren 61. Die Verfassung ist nicht - wie in Otto Mayers Rechtsstaatsidee als Basis seiner Lehre vom Verwaltungsakt - nachträgliche Be-
58
Löwenberg, S. 73. Jesch, S. 88 ff. 60 Löwenberg, S. 73 ff. 61 Löwenberg, S. 74 f.; Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 266 f.; 270 ff.; Christiane Fischer, S. 87 ff. (98 f.). 59
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schränkung einer bestehenden, sondern Grundlage einer verfaßten Staatsgewalt. Unter dem Grundgesetz ist der Staat, der pouvoir constitué, ein Geschöpf seiner Verfassung. Aus Art. 20 Abs. 2 GG folgt, daß alle Organgruppen erst durch die Verfassung handlungsfähig gemacht werden 62 .
2. Die verfassungsrechtliche Konstituierung und Legitimation der Organe der vollziehenden Gewalt Damit stellt sich die Frage, ob eine Kompetenz der Verwaltung zum Erlaß von konkretisierenden Verfügungen und belastenden Feststellungsbescheiden bereits aus ihrer Anerkennung als vollziehender Gewalt durch Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleiten ist. Auch dieser Versuch 63 muß scheitern, weil bei ihm aus dem Terminus der „vollziehenden Gewalt" begriffsjuristisch nur das herausgeholt wird, was man zuvor durch ein nicht ausgewiesenes Vorverständnis in den Verfassungstext hineininterpretiert hat 64 . Die Grundsatznorm des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG unterscheidet jedoch lediglich die Funktionen der Gesetzgebung, der Vollziehung und der Rechtsprechung und ordnet deren Wahrnehmung durch „besondere Organe" an. Welche Aufgaben und Befugnisse die konkreten Staatsorgane haben, wie sie jeweils organisiert sind, ob und inwieweit sie bei der Wahrnehmung der Staatsfunktionen untereinander verschränkt oder getrennt sind und ob und wie sie einander kontrollieren, kann angesichts der Vielfalt denkbarer Lösungsmodelle nicht einem abstrakten, verfassungstheoretischen und -geschichtlichen Begriff „der" Gewaltenteilung, sondern nur der konkreten Verfassungsordnung des Grundgesetzes und der auf ihrer Grundlage vom zuständigen Gesetzgeber erlassenen Zuständigkeits-, Verfahrens» und Kompetenznormen entnommen werden 65 . Die Errichtung eines Organs und seine Beauftragung mit Funktionen besagt damit noch nichts über die Möglichkeiten rechtlichen Handelns, die ihm in der konkreten Verfassungsordnung zukommen, ermöglicht also auch nicht den speziellen Schluß, die Verwaltungsbehörden seien grundsätzlich zu verbindlichen Einzelfallregelungen befugt.
62
Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, VVDStRL 43, 172 (185); SchmidtDe Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 266 f.; 270 ff 63 Vgl. die Nachw. oben in Teil 4., A.I.2., Fn. 15. M Renck,5 uS 1965, 129(130). 65 Hesse, Rn. 476 ff; Schnapp in v. Münch/Kunig, Art. 20 Rn. 34; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 208 ff.; Schlink, Die Amtshilfe, S. 15 ff., insbes. S. 28 f.
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Teil 6: Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung
3. Gleichrangigkeit der verfassungsrechtlichen Legitimation der rechtsprechenden und vollziehenden Gewalt Im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Verhältnis von vollziehender und rechtsprechender Gewalt verdeckt der Hinweis auf eine der Verwaltung durch Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG übertragene Aufgabe der Gesetzesvollziehung allzuleicht, daß auch die Rechtsprechung einen Verfassungsauftrag zur Rechtsanwendung hat. Da die Organe der zweiten und dritten Gewalt durch das GG gleichermaßen institutionell und funktionell demokratisch legitimiert sind 66 , läßt sich auch aus der „wenigstens" mittelbaren personellen Legitimation der Exekutive nicht ableiten, die Verwaltung müsse am Prozeß der Konkretisierung des Gesetzes stets mit einer eigenen Entscheidimgskompetenz beteiligt sein. Nach Art. 19 Abs. 4 GG obliegt den Gerichten zwar eine repressive Kontrolle über das gesamte Verwaltungshandeln; da der Rechtsweg jedoch auch bei einer Rechtsverletzung durch behördliche Realakte und Rechtshandlungen ohne Entscheidungsfunktion offensteht, kann aus dieser Verfassungsnorm nicht der Umkehrschluß gezogen werden, die Verwaltungsgerichte seien in ihrer Rechtsanwendungskompetenz grundsätzlich auf eine nachträgliche Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen beschränkt 67. Außerhalb des Anwendungsbereiches der Richtervorbehalte ordnet das Grundgesetz nur an, daß den Gerichten die Letztentscheidungskompetenz zukommt, es trifft aber keine Regelung darüber, ob zunächst die Organe der zweiten oder dritten Gewalt zur verbindlichen Konkretisierung einer materiellen Rechtsnorm mit einer belastenden Rechtsfolge befugt sein sollen. Selbst dann, wenn der Gesetzgeber durch die Normen des materiellen Verwaltungsrechts ein konkretes Verwaltungsrechtsverhältnis mit bestimmten Ansprüchen und Verhaltenspflichten des Bürgers und einer bestimmten Behörde begründet hat und die Verwaltung so eine primäre Verantwortung für die (tatsächliche!) Verwirklichung des materiellen Rechts (durch ein normgemäßes Verhalten) trägt, ergibt sich aus dem Grundgesetz im Verhältnis zur Rechtsprechung kein Verwaltungsvorbehalt für die verbindliche Erstentscheidung über diese Rechte und Pflichten.
66 BVerfG, B. v. 8.8.1978 - 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89 (124 ff.); Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 196 ff.; Umbach, Faller-FS, S. 111 (125 f.). 67 So aber BVerwGE 25, 72 (76 f.); Haueisen, NJW 1957, 1657 (1660); Kopp, Verfassungsrecht, S. 210 ff., 238 f.; dagegen zu Recht Trzaskalik, S. 98 f. m.w.N. Zum verfassungsrechtlichen Verhältnis von vollziehender und rechtsprechender Gewalt vgl. oben Teil 3, A.
C. Der Verwaltungsakt im System der Gewaltenteilung des GG
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4. Kein verfassungsrechtlicher Verwaltungsvorbehalt für die verbindliche Regelung öffentlich-rechtlicher Rechtsverhältnisse im Einzelfall Auch die Bemühungen, im Grundgesetz einen dem Vorbehalt des Gesetzes vergleichbaren, dem Zugriff des Gesetzgebers entzogenen allgemeinen Verwaltungsvorbehalt ausfindig zu machen, müssen als gescheitert angesehen werden 68. Dies gilt insbesondere für den von Christiane Fischer unternommenen Versuch, aus dem Gewaltenteilungsprinzip des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) mit der Kernbereichslehre des Bundesverfassungsgerichts eine grundsätzliche Verwaltungsaktbefugnis abzuleiten69. Es ist zwar richtig, daß Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG voraussetzt, daß der Legislative, Exekutive und Judikative jeweils ein eigenständiger Anteil an der Staatsgewalt zukommt. Aber die jeweiligen Aufgaben und Befugnisse werden im Grundgesetz mit den Begriffen der „Staatsgewalt" (Art. 20 Abs. Satz 1), der „Gesetzgebung", der „vollziehenden Gewalt" und der „Rechtsprechung" (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) nicht als a priori bestehende und damit von der konkreten Verfassungsordnung unabhängige Kompetenzen vorausgesetzt, sondern erst durch die Verfassung selbst und die verfassungsmäßigen Gesetze den einzelnen Organen aller drei Staatsgewalten zugewiesen. Für von der Verwaltung vorgenommene Eingriffe in die Grundrechte („Freiheit und Eigentum") enthält das Grundgesetz mit dem Vorbehalt des Gesetzes nun aber die Aussage, daß diese nur auf Grund eines Gesetzes vorgenommen werden dürfen. Der Verwaltungsakt ist im deutschen Verwaltungsrecht zwar die typische Handlungsform der Verwaltung und i.d.R. auch ihr einziges zur verbindlichen Regelung des Einzelfalls in Betracht kommende Instrument, jedoch nicht unbedingt das einzig denkbare Mittel zur Verwirklichung des Gesetzes 10. Berücksichtigt man zudem, daß die Staaten des anglo-amerikanischen Rechtsraums im Rahmen ihrer eigenen Systeme der Gewaltenteilung zwar auch Instrumente einseitig verbindlichen Administrativhandelns, nicht aber den Verwaltungsakt kontinentaleuropäischer Prägung 71 kennen, wird die Annahme einer quasi logischen oder naturrechtlichen Ableitungskette von der Staatsgewalt, über die Begriffe der „vollziehenden Gewalt" und der „Gewaltenteilung" hin zur Befugnis zur hoheitlichen Regelung durch Verwaltungsakt noch fragwürdiger 72.
68
Vgl. Schröder in HStR III, § 67 Rn. 22 ff.; Ossenbühl in HStR III, § 62 Rn. 55; Maurer, Der Verwaltungsvorbehalt, VVDStRL 43 (1985), 135 ff. (164 f.). 69 S. 115 ff.; vgl. die Darstellung oben Teil 4, A.I.2. 70 Vgl. unten Teil 7, B.II.l. 71 Dazu Junker, Der Verwaltungsakt im Deutschen und Französischen Recht und die Entscheidung im Recht der Europäischen Gemeinschaften. 72 Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 272 ff., mit Nachweisen zum britischen und US-amerikanischen Recht.
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Teil 6: Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung
Im übrigen wird das grundgesetzliche System der „checks and balances" durch die Forderung nach einer gesetzlichen Eingriffsermächtigung für den Einsatz von Verwaltungsakten als Mittel zur präventiven Regelung, Konkretisierung und Durchsetzung gesetzlicher Pflichten überhaupt nicht in Frage gestellt. Wie in Teil 7 der Untersuchung noch im einzelnen zu zeigen ist, bestehen nämlich in den allermeisten Verwaltungsrechtsverhältnissen Befugnisse zur Regelung durch Verwaltungsakt. Für diese hat der Gesetzgeber in den einschlägigen Ermächtigungsnormen bestimmte tatbestandliche Eingriffsvoraussetzungen festgelegt. Diese Voraussetzungen muß die Verwaltung nach den maßgeblichen Verfassungsprinzipien des Gewaltenteilungsgrundsatzes und des Vorbehalts beachten und darf sie nicht durch einen Rückgriff auf den Begriff der vollziehenden Gewalt oder ein vorverfassungsrechtliches Verständnis des Gewaltenteilungsgrundsatzes umgehen. Das Grundgesetz enthält keine Verfassungsnorm, nach der ein Verwaltungsorgan in jedem Einzelfall - und damit auch zu jedem Zeitpunkt und aus jedem Anlaß, bei dem sie einen solchen Eingriff für zweckmäßig hält - Verwaltungsakte zur Durchsetzung gesetzlicher Pflichten oder belastende Feststellungsbescheide erlassen dürfte. Auch das von Christiane Fischer 73 gebrauchte argumentum ad absurdum, ohne die Zuerkennung eines Verwaltungsvorbehalts zur einseitig-verbindlichen Regelung des Einzelfalls sei es theoretisch denkbar, daß der Gesetzgeber bereits bestehende Ermächtigungen aufhebt und keine weiteren mehr erläßt, so daß die vollziehende Gewalt bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben von der Rechtsprechung abhängig wäre, vermag keine administrativen Eingriffsbefugnisse ohne gesetzliche Grundlage begründen. Zunächst einmal ist ein solches Szenario angesichts der Vielfalt und der laufend steigenden Zahl gesetzlicher Kompetenznormen vollkommen unrealistisch. Wenn der Gesetzgeber jedoch wirklich einmal allgemein oder für ein bestimmtes Rechtsgebiet die Regelungsbefugnisse in einer verfassungswidrigen Weise zwischen vollziehender und rechtsprechender Gewalt verteilen sollte, so wäre dieses Gesetz wegen des Verstoßes gegen Art. 20 Abs. 2 oder Art. 92 GG nichtig und die scheinbar aufgehobenen Verwaltungsermächtigungen würdenfortgelten. Aber auch dort, wo entsprechende Kompetenzzuweisungen an die Verwaltung nie bestanden, könnten weder der Erlaß eines nichtigen Gesetze noch der Umstand, daß ein Gesetzesanwender eine bestimmte behördliche Befugnis als zweckmäßige oder notwendige Maßnahme eines effektiven und dem Gewaltenteilungsgrundsatz entsprechenden Vollzugs gesetzlicher Pflichtnormen ansieht, die vom Grundgesetz vorgeschriebene Ermächtigung für einen Grundrechtseingriff ersetzen. Wenn eine solche Ermächtigung auch im Wege der Auslegung der geltenden Gesetze nicht ermittelt werden kann, wäre es ggf. Aufgabe des Gesetzgebers,
73
S. 121 f.
C. Der Verwaltungsakt im System der Gewaltenteilung des GG
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diese „Lücke" durch Erlaß einer verhältnismäßigen Eingriffsermächtigung zu schließen.
5. Die Gewaltenteilung in der Verwaltung Hinzu kommt, daß unsere Verfassungsordnung keine einheitliche vollziehende Gewalt errichtet hat. Durch das Ressortprinzip, die Unterscheidung der Verwaltungsebenen von Bund, Ländern und Gemeinden (die sog. vertikale Gewaltenteilung) und eine Reihe weiterer staatsorganisatorischer Bestimmungen sieht das Grundgesetz innerhalb des Funktionsbereichs der Vollziehung verschiedene, besondere Organe i.S. des Art. 20 Abs. 2 GG vor 74 . Das Verwaltungsrecht kennt daneben und vor allem auf der Ebene des einfachen Gesetzes und untergesetzlicher (inneradministrativer) Regelungen eine Vielzahl von zuständigkeits- und kompetenzmäßigen Differenzierungen innerhalb der Verwaltung. Aus den verschiedenen Ebenen der Verwaltungsrechtsordnung ergibt sich für die Verteilung von Aufgaben und Befugnissen innerhalb der Verwaltung so ein Gesamtbild, das in seiner äußeren Erscheinung, aber auch in seiner freiheitssichernden Funktion mit der klassischen Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Jurisdiktion vergleichbar ist und das deshalb als „Gewaltenteilung in der Verwaltung" ls beschrieben werden kann. Auch dieser Befund läßt es fragwürdig erscheinen, allen Verwaltungsbehörden bereits aufgrund der Grundsatznorm des Art. 20 Abs. 2 GG die Befugnis zu einer verbindlichen Konkretisierung des materiellen Rechts zuzuerkennen. Denn der politische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, durch Vorschriften über die sachliche, instanzielle und örtliche Kompetenz die Entscheidungsbefugnis über bestimmte Normen und Lebenssachverhalte jeweils der Behörde zuzuweisen, die er aus der Vielzahl bestehender Verwaltungsträger und Behörden jeweils als die geeignetste zur Erfüllung dieser Aufgabe ansieht, wäre eingeschränkt, wenn Verwaltungsakte unabhängig von der einfachgesetzlichen Zuständigkeits- und Kompetenzordnung generell auch für nachfolgende Entscheidungen und sonstige Maßnahmen anderer Behörden verbindlich wären.
6. Subordinationsrechtlicher Verwaltungsakt und verwaltungsrechtliche Subordinationstheorie Jeglichen Versuchen, der Verwaltung unter Hinweis auf ein angeblich bestehendes Subordinationsverhältnis eine Regelungskompetenz einzuräumen, ist 74 75
Schlink, Die Amtshilfe, S. 28 f. Schlink, Die Amtshilfe, S. 28 f.
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Teil 6: Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung
daher mit Skepsis zu begegnen. Die staatsrechtliche Figur eines allgemeinen Subordinationsverhältnisses des Staatsbürgers unter die Hoheitsgewalt seines Staates ist nicht geeignet, den Einsatz hoheitlicher Befugnisse losgelöst von der konkreten Verfassungsordnung zu legitimieren, aus der sich die Rechtsbeziehungen zwischen dem Staat und seinen Bürgern erst ergeben 76. Allerdings ginge es zu weit, die Vorstellung spezieller hoheitlicher Befugnisse und einer insoweit gegebenen Unterordnung des Bürgers unter die Hoheitsgewalt der Exekutive nun auf den Müllhaufen der Verfassungsgeschichte zu werfen, wie dies Joachim Martens in seiner vehementen Kritik an der Konzeption des Verwaltungsaktes als einer einseitig-verbindlichen Regelung immer wieder getan hat 77 . Zwar ist es richtig, daß nach der geltenden Rechtsordnung jedermann mit dem Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheides seinen angeblichen Schuldner in einen Zugzwang bringen kann, welcher der beim Verwaltungsakt als »Anfechtungslast" beschriebenen Situation ähnelt78. Der Vollstreckungsbescheid, der auf Grund eines solchen Mahnantrags ergeht, begründet trotz seines Charakters als Vollstreckungstitel ebensowenig wie ein befehlender Verwaltungsakt ein generelles Verhältnis der Über- und Unterordnung. Mit ihrer Vollstreckbarkeit sind aber beide Titel mehr als bloße Rechtsbehauptungen des Gäubigers, sondern Regelungen eines speziellen Rechtsverhältnisses, die aufgrund der jeweiligen vollstreckungsrechtlichen Normen mit staatlichen Zwangsmitteln durchgesetzt werden dürfen. Die Möglichkeit einer einseitig-verbindlichen Regelung und Selbsttitulierung verwaltungsrechtlicher Ansprüche ist nämlich wegen des staatlichen Gewaltmonopols Ausdruck staatlicher Hoheitsmacht79.
76 Löwenberg, S. 74 f.; Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 272 ff., 283 ff.; Christiane Fischer, S. 98 f. 77 Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 220 ff., 238 ff., 5 ff.; KritV 1986, 104 ff. 78 1 Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens Rn. 240; KritV 1986, 104 (109); zum Vergleich von verwaltungsrechtlichem Leistungs- und zivilprozessualen Mahnbescheid vgl. unten Teil 7, G.I.3.b)aa). 79 Wenn die Rechtsordnung einem am Rechtsverhältnis Beteiligten die Befugnis gibt, sich einen Vollstreckungstitel zu verschaffen, so räumt sie ihm also mittels eines Gesetzes eine zuvor nicht gegebene Rechtsmacht ein. Muß der angebliche Schuldner staatliche Vollstreckungsmaßnahmen hinnehmen, so verfugt der Gläubiger in diesem Augenblick über eine rechtliche Übermacht, die auf das prinzipielle staatliche Gewaltmonopol zurückzuführen ist. In § 35 VwVfG wird diese Übermacht durch das Tatbestandsmerkmal der hoheitlichen Maßnahme zum Ausdruck gebracht. Die Formulierung des § 35 VwVfG, der Verwaltungsakt sei eine hoheitliche Maßnahme, ist so kein Anachronismus obrigkeitlichen Denkens. Die rechtliche Möglichkeit, in den Fällen der sofortigen Vollziehung einen Verwaltungsakt mit den Mitteln staatlicher Hoheitsgewalt vollstrecken zu dürfen, läßt sich im Hinblick auf die grundrechtlichen Abwehransprüche und das staatliche Gewaltmonopol nicht einfach mit den Regelungen der §§ 227-230 BGB für Notstand, Nothilfe und Selbsthilfe vergleichen (so aber J. Martens, KritV 1986, 104(110)).
C. Der Verwaltungsakt im System der Gewaltenteilung des GG
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Unabhängig davon, ob es sich um eigene oder fremde Ansprüche handelt, dürfen staatliche Organe mit hoheitlichen Zwangsmitteln nur dann in die Rechtssphäre eines Bürgers eingreifen, wenn sie hierzu durch Gesetz ermächtigt sind. Aufgrund der grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte bedarf die Verwaltung einer gesetzlichen Ermächtigimg, wenn sie für sich durch den Erlaß eines Verwaltungsaktes als verbindlicher Regelung und Vollstreckungstitel hoheitliche Befugnisse in Anspruch nimmt und den Bürger so der rechtlichen Verpflichtung unterwirft, die getroffene Regelung zu beachten und zu befolgen. Das geltende Verfassungsrecht kennt zwar ein allgemeines Gewaltverhältnis; die damit umschriebene grundsätzliche Unterwerfung des Bürgers unter die Hoheitsgewalt legitimiert eingreifende Verwaltungsakte jedoch nicht ohne die nach dem Grundgesetz erforderliche spezifische Ermächtigung; vielmehr darf die Verwaltung unter dem Grundgesetz nur dann in Freiheit und Eigentum eingreifen, wenn sie hierzu aufgrund einer dem jeweiligen Gesetzesvorbehalt entsprechenden Ermächtigung befugt ist. Nach alledem könnte man den Begriff des Subordinationsverhältnisses zur Beschreibung einer Situation verwenden, in der ein Staatsorgan in die Rechtssphäre des Bürgers eingreift und sich deshalb die Frage nach der (gesetzlichen) Grundlage des Verwaltungshandelns stellt. Mit ihm könnte man statt dessen auch ein spezielles Verwaltungsrechtsverhältnis bezeichnen, in dem die Verwaltung aufgrund einer - ausdrücklichen oder stillschweigenden - gesetzlichen Ermächtigung, eines Antrages oder einer anderen Form der Einwilligung des Betroffenen zu einem hoheitlichen Handeln, insbesondere zum Erlaß eines Verwaltungsaktes, befugt ist 80 . Mit dem Ausdruck Subordinationsverhältnis würde man dann aber - abweichend von der älteren Rechtsprechung - keine Rechtslage mehr beschreiben, in der die beteiligte Behörde konkretisierende Verfügungen und belastende Feststellungsbescheide ohne gesetzliche Ermächtigung erlassen darf, sondern umgekehrt eine Rechtslage, in der die Verwaltung aufgrund der gesetzlichen Regelungen über ihre Handlungsbefugnisse einen solchen Verwaltungsakt erlassen darf. Jedoch wäre auch ein solcher veränderter Begriff des Subordinationsverhältnisses nicht geeignet, unsere Vorbehaltsfrage gerade in den kritischen Fällen zu lösen, in denen eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung fehlt, aber doch zu fragen ist, ob sich eine Regelungsbefugnis der Verwaltung nicht per argumentum a maiore ad minus oder Analogie aus einer anderen Ermächtigung ergibt oder aus einer teleologisch-systematischen Interpretation der gesamten Normen, die die Rechtsbeziehungen der zuständigen Behörde zum Bürger im Rahmen dieses Verwaltungsrechtsverhältnisses regeln. Man könnte ein Rechtsverhältnis, in dem die Verwaltung aufgrund der gesetzlichen Rege80
So Druschel, S. 139.
382
Teil 6: Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung
lungen zum Erlaß eines gesetzeskonkretisierenden Verwaltungsaktes ermächtigt ist, so zwar als Subordinationsverhältnis bezeichnen; man darf aber nicht umgekehrt mit dem Begriff des Subordinationsverhältnisses eine Regelungsbefugnis unterstellen und auf den Nachweis einer gesetzlichen Ermächtigung verzichten. Der Begriff des Über-/Unterordnungsverhältnisses ist schließlich auch deshalb kaum geeignet, die Lösung unserer Vorbehaltsfrage zu erleichtern, weil er nicht nur im Streit um die Kompetenz zum Erlaß von Verwaltungsakten, sondern zugleich im Rahmen der Subordinations- oder Subjektionstheorie im Theorienstreit mit Interessen-, Subjekts- und einer Vielzahl weiterer Theorien auch zur Abgrenzung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht verwendet wird 81 . Daher wird in Teil 7 der Versuch unternommen, bei den in der Rechtsprechung (früher) als subordinationsrechtlich qualifizierten Rechtsverhältnissen und Ansprüchen konkret danach zu fragen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen sich aus den jeweils vorhandenen gesetzlichen Regelungen argumentativ eine ausreichende gesetzliche Grundlage für den Erlaß konkretisierender Verfügungen und feststellender Verwaltungsakte ableiten läßt. In Übereinstimmung mit der auf das 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.11.1985 aufbauenden Rechtsprechung wird nachfolgend auf den Begriff des Subordinationsverhältnisses soweit wie möglich verzichtet, weil er nur allzuleicht zu Zirkelschlüssen verführt und angesichts seiner zahlreichen Bedeutungsvarianten zu einer präzisen Beschreibung und Lösung der relevanten Fallgruppen kaum geeignet ist.
7. Ergebnis Aus all diesen Überlegungen zur gewaltenteiligen Verfassungsordnung des Grundgesetzes ergibt sich, daß bei jeder einzelnen Rechte bzw. Pflichten des Bürgers begründenden Rechtsnorm jeweils speziell überprüft werden muß, ob aufgrund dieser oder einer anderen Norm des besonderen Verwaltungsrechtes eine bestimmte Behörde die Aufgabe und Befugnis hat, dieses Rechtsverhältnis in Form eines belastenden Verwaltungsaktes zu konkretisieren.
81
Vgl. nur v. Münch/Ehlers
in Erichsen, Allg. VerwR, § 2 Rn. 12 ff. m.w.N.
D. Kompetenzbegründende Zuordnung von Aufgaben und Befugnissen
383
D. Die Erstreckung der Gesetzesvorbehalte auf die kompetenzbegründende Zuordnung von Aufgaben und Befugnissen Schon aus der Perspektive der einfach-gesetzlichen Vorschriften des besonderen Verwaltungsrechts widerspricht eine Gesetzesinterpretation, welche die an den Bürger gerichteten Normen des materiellen Rechts in Verbindung mit einer verwaltungsadressierten Aufgabenzuweisung als Ermächtigung der jeweils zuständigen Verwaltungsbehörde deutet, der rechtssystematischen Unterscheidung von Aufgabe und Befugnis einerseits, Zuständigkeit und Kompetenz andererseits 1. Diese Differenzierung hat sich nämlich im Anschluß an die Systematik des süddeutschen Sicherheitsrechts mit dem MEPolG 2 im Polizei- und Ordnungsrecht weitgehend durchgesetzt 3, wird der Sache nach aber auf anderen Gebieten des Verwaltungs- und im Verfassungsrecht ebenso vorgenommen4. Auch das geltende Verfassungsrecht verbietet es, allein aus der gesetzlichen Aufgabe einer Verwaltungsbehörde, zur Verwirklichung eines Gesetzes und seiner Zwecke beizutragen, eine Befugnis zum Erlaß einer konkretisierenden Verfügung oder eines belastenden Feststellungsbescheides abzuleiten. Diese Form einer teleologisch-systematischen Interpretation ist mit dem Vorbehalt des Gesetzes nicht zu vereinbaren, welcher für Eingriffe nicht nur die Zuweisung einer Aufgabe, sondern auch die Übertragung einer Befugnis verlangt 5. Denn die gesetzliche Begrenzung des Schlusses vom Zweck auf das
1
BVerwG, U. v. 12.12.1979 - 8 C 77/78, NJW 1981, 242; Bay. VGH, U. v. 25.2.1983 - 25 B 81 A/1183, NVwZ 1983, 550; OVG NW, U. v. 26.2.1993 13 A 175/92, DVB1. 1993, 1321 (1322); Renck, JuS 1965, 129 (130); Arbeiter, S. 122; Osterloh, JuS 1983, 280 (283); Grosser, VerwArch 17 (1984), 329 (343); P. Stelkensf U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 22; Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 30 Rn. 18. 2 MEPolG (Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder (Stand: 25.11.1977) in der Fassung des Vorentwurfs zur Änderung des MEPolG (Stand: 12.3.1986)), zitiert nach Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in Steiner, Bes. VerwR, Anhang zu II. 3 Vgl. zum geltenden Recht Götz, Allg. Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Rn. 171 ff.; Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 53; sowie Darstellung und weitere Nachweise im folgenden Text unter G. Zur Rechtsentwicklung bis zum GG vgl. Schlink, Die Amtshilfe, S. 92 ff. m.w.N. 4 Vgl. z.B. BVerwG, U. v. 17.12.1991 - 1 C 5.88, BVerwGE 89, 281 (285): § 1 Abs. 1 IHKG als bloße Aufgabenzuweisung; Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 30 Rn. 18; ausführlich Schlink, Die Amtshilfe, S. 92 ff. m.w.N. 5 BVerwG, U. v. 12.12.1979 - 8 C 77/78, NJW 1981, 242; U. v. 17.12.1991 1 C5.88, BVerwGE 89, 281 (285); Bay. VGH, U. v. 25.2.1983 - 25 B 81 A/1183, NVwZ 1983, 550; OVG NW, U. v. 26.2.1993 - 13 A 175/92, DVB1. 1993. 1321 (1322); Renck, JuS 1965, 129 (130, 132 f.); Löwenberg, S. 79 ff.; Arbeiter, S. 122; Osterloh,
384
Teil 6: Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung
Mittel war nicht nur traditionell einer der zentralen Aspekte des rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehaltes6. Ein Schluß von einer gesetzlichen Aufgabe der Exekutive auf ihre Befugnis zu Grundrechtseingriffen ist heute mit der Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG) unvereinbar, welche den rechtsstaatlichen Vorbehalt des Gesetzes der konstitutionellen Monarchie und der Weimarer Republik zu einem Vorbehalt des verhältnismäßigen Gesetzes weiterentwickelt hat7. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, daß jeder Grundrechtseingriff, den ein Gesetz erlaubt oder den es selbst vornimmt, ein angemessenes Mittel zur Erreichung eines mit der Verfassung vereinbaren Zweckes darstellt. Er fordert also ein angemessenes Verhältnis zwischen Zweck und Mittel, also auch zwischen Aufgabe und Befugnis. Mit den Grundrechten ist nur ein Gesetz vereinbar, das dieses Verhältnismäßigkeitsprinzip sowohl bei der Zuweisung von Aufgaben an ein Organ der zweiten oder dritten Gewalt als auch bei der Einräumung von Befugnissen zu Eingriffen in die grundrechtlich geschützten Rechte dadurch wahrt, daß es beide sachgerecht aufeinander bezieht. Denn es gibt keinen legitimen Zweck, der jedes Mittel rechtfertigen könnte8. Beschränkt sich das Gesetz auf die Zuweisung einer Aufgabe an die Exekutive, so ist es ihr nicht gestattet, aus eigener Machtvollkommenheit über die zur Erfüllung geeigneten und erforderlichen Eingriffe zu entscheiden; sie kann diese Aufgabe lediglich mit Mitteln ohne Eingriffsqualität verfolgen. Für jede als Eingriff zu qualifizierende Maßnahme einer Behörde muß der Gesetzgeber daher sowohl die Aufgaben als auch die Befugnisse der Verwaltung regeln und diese einander so zuordnen, daß dieser Aufgaben-Befugnis-Zusammenhang als eine Zweck-Mittel-Relation allen Stufen der Verhältnismäßigkeitsprüfung entspricht 9. Die Grundrechte verlangen im Eingriffsbereich für jede Befugnis zur Erfüllung einer Aufgabe eine solche, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtende Grundlage 10. Eine Ermächtigung im Sinne des Vorbehaltes des Gesetzes ist deshalb nur ein Rechtsakt, welcher eine Eingriffskompetenz begründet, also die einem Gesetzesvorbehalt unterliegende Einräumung einer Befugnis zur Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe n. Die Schaffung einer solchen, als materieller Zusammenhang und Bezug zwischen Aufgabe und Befugnis verstandenen Verwaltungskompetenz ist im Eingriffs-
JuS 1983, 280 (283); Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 30 Rn. 18; Schlink, Die Amtshilfe, S. 92 ff. m.w.N. 6 Schlink, Die Amtshilfe, S. 92 ff. m.w.N. 7 Schlink, Die Amtshilfe, S. 105 ff.; Pieroth/Schlink, Rn. 269 ff. 8 Schlink, Die Amtshilfe, S. 107 ff., 142 ff. 9 Schlink, Die Amtshilfe, S. 108, 142 ff.; ders., EuGRZ 1984,457 (460 ff.) m.w.N. 10 Schlink, Die Amtshilfe, S. 151 f. 11 Schlink, Die Amtshilfe, S. 142 f.; Achterberg, Allg. VerwR, § 13 Rn. 24; Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 30 Rn. 18.
E. Ermächtigung nur bei Aufgaben- und Befugniszuweisung
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bereich grundsätzlich Sache des Gesetzgebers12; die Verwaltung kann auch aufgrund eines insoweit hinreichend bestimmten Gesetzes (Art. 80 Abs. 1 GG) durch Rechtsverordnung zur verbindlichen Regelung eines Rechtsverhältnisses ermächtigt werden. Als Ermächtigungsgrundlage für den Erlaß eines belastenden Verwaltungsakts kommt also schon begrifflich nur ein Gesetz (oder eine Rechtsverordnung) in Betracht, das durch eine oder das Zusammenspiel mehrerer Rechtsnormen auf der Tatbestandsseite die materiellen Voraussetzungen für das Verwaltungshandeln regelt, und auf der Rechtsfolgenseite (in Form einer Berechtigung oder Verpflichtung) - ggf. neben anderen Möglichkeiten des Verwaltungshandelns - die Befugnis zum Erlaß eines Verwaltungsaktes vorsieht 13. Durch eine abstrakt-generelle Normierung der tatbestandlichen Voraussetzungen eines belastenden Verwaltungsaktes trifft der Gesetz- oder Verordnungsgeber dann ggf. die ihm vorbehaltene Entscheidung, wann das öffentliche Interesse an einer verbindlichen Regelung so groß ist, daß es gerechtfertigt erscheint, den Adressaten oder Drittbetroffenen mit der rechtsfehlerunabhängigen Verbindlichkeit und den übrigen Eingriffswirkungen einer solchen Regelung zu belasten, insbesondere ihm die Anfechtungslast und das Anfechtungsrisiko gegenüber einem Verwaltungsakt dieses Inhalts aufzuerlegen 14.
E. Ermächtigung zum Verwaltungsakt nur bei Aufgaben- und Befugniszuweisung Der Erlaß einer konkretisierenden Verfügung oder eines Verwaltungsaktes, der eine den Adressaten oder Dritte belastende Rechtslage feststellt, führt - wie im Teil 5 gezeigt - aufgrund der rechtsformspezifischen Rechtsfolgen einer solchen verbindlichen Regelung immer zu einem Eingriff in die grundrechtlich geschützte Freiheitssphäre des betroffenen Bürgers. Die Verwaltung darf daher einen solchen belastenden Verwaltungsakt grundsätzlich nur dann erlassen, wenn sie aufgrund gesetzlicher Bestimmungen die Aufgabe und die Befugnis
12 Sehlink, Die Amtshilfe, S. 151 f.; Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 30 Rn. 18; Kirchhof in HStR III, § 59 Rn. 24 ff. 13 OVGNW, U. v. 26.2.1993 - 13 A 175/92, DVB1. 1993, 1321 (1322). 14 Zu den hierbei zu berücksichtigenden Faktoren vgl. bereits oben Teil 2, G. und Teil 5, C. 25 Kracht
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Teil 6: Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung
hat, die Rechtslage verbindlich zu regeln, welche sich aus bestimmten abstraktgenerellen Vorschriften des materiellen Rechts im Einzelfall für den betroffenen Bürger ergibt. Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt allerdings keine ausdrückliche Ermächtigung, in der der Verwaltungsakt als Handlungsinstrument und Entscheidungsform ausdrücklich benannt sein müßte. Die erforderliche Ermächtigung kann sich aus einem Gesetz deshalb auch durch Auslegung mit Hilfe aller allgemein zulässigen Methoden der Gesetzesinterpretation ergeben\ Räumt ein Gesetz einer Verwaltungsbehörde nicht explizit die Befugnis ein, unter den gegebenen Voraussetzungen derartige belastende Verwaltungsakte zu erlassen, so sind beim Versuch einer ergänzenden Auslegung verwaltungsrechtlicher Normen jedoch gewisse Grenzen zu beachten, die sich aus Struktur, Sinn und Zweck der grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte ergeben. So ist dem rechtssystematischen Unterschied zwischen einer an den Bürger gerichteten Pflichtnorm, die einen unmittelbaren Eingriff durch das Gesetz bewirkt, und einer Befugnisnorm, welche die Verwaltung zu einem Eingriff aufgrund dieses Gesetzes ermächtigt, Rechnung zu tragen. Eine Pflichtnorm, die selbst unmittelbar einen Eingriff bewirkt, stellt niemals allein eine gesetzliche Grundlage für weitere Eingriffe dar 1. Eine Kompetenz zum Erlaß einer konkretisierenden Verfügung oder eines belastenden Feststellungsbescheides kann der Verwaltung vielmehr nur durch ein Gesetz oder eine ihrerseits auf einem verfassungsmäßigen Gesetz beruhende Rechtsverordnung übertragen werden, wobei diese Rechtsnorm das Handeln der Verwaltung durch Zuweisung von Aufgaben und der Zuordnung von Befugnissen zu dieser Aufgabe regeln muß. Obwohl konkretisierende Verfügungen und feststellende Verwaltungsakte geeignete Mittel zur Verwirklichung und Vollziehung des materiellen Rechts sein können, stehen sie den zuständigen Behörden damit nicht uneingeschränkt, sondern erst aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung zur Verfügung 3. Dennoch ist der Rechtsstaat mit seinem grundrechtlichen 1
2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil, BVerwG, U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83: BVerwGE 72, 265 (268 f.), vgl. Teil 4, C.III.6. m.w.N.; B. v. 10.10.1990 - 1 B 131/90, NVwZ 1991, 267 f.; U. v. 22.10.1991 - 1 C 1.91, GewArch 1992, 62; U. v. 10.12.1998 - 7 C 41/97, JURIS Nr. WBRE410005351; OVG NW, U. v. 19.12.1990, 15 A 530/89, NWVB1. 1991, 271 (272); VGH BW, U. 22.12.1992 - 14 S 2326/91, GewArch 1993, 205 (206); Drescher, DVB1. 1986, 727 (729); Hill, DVB1. 1989, 321 (322 f.); Rubel, JA-Ü 1990, 86 (87); Koch/Rubel, V., Rn. 30; Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 15 Rn. 4; Faber, § 20 II.; Henneke in Knack, vor § 35 Rn. 7.2.2, § 35 Rn. 5.2.4; P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 22 f., 143; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 44 Rn. 54 ff.; Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 46 Rn. 12 i.V.m. § 30 Rn. 18 f.; Druschel, S. 54 ff, 204 ff., 211 ff., sowie die oben in Teil 4 und später im Text angeführten Auslegungsbeispiele. 2 Vgl. oben B. 3 Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 272 f., 286 f.
E. Ermächtigung nur bei Aufgaben- und Befugniszuweisung
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Gesetzesvorbehalt für belastende Verwaltungsakte nicht als effizienz- und zweckblind zu beurteilen. Denn sein Charakteristikum ist die Zweckverfolgung in den Formen des Rechts. Soweit Zwecke durch Verfassungsbestimmungen und Gesetze in objektives oder subjektives Recht transformiert sind, ist ein Rückgriff auf Zwecke gegen diese Normen nicht zulässig. Die teleologische Auslegung erlaubt den Schluß vom Zweck auf das Mittel daher nicht uneingeschränkt, sondern nur soweit wie für die Zulässigkeit dieses Mittels ein normativer Anhaltspunkt besteht4. Auch über den Zwischenschritt einer möglichst hohen Verwaltungseffizienz kann daher aus der Beteiligung einer Behörde an einem Verwaltungsrechtsverhältnis, welche immer der Verwirklichung des Gesetzeszweckes dienen soll (Aufgabe), keine dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegende Regelungsbefugnis abgeleitet werden 5. Ebensowenig reicht die Unbestimmtheit der vom Gesetzgeber verwendeten Rechtsbegriffe aus, um von Amts wegen ergehende Feststellungsbescheide mit einem besonderen öffentlichen Interesse an der verbindlichen Klarstellung der Rechtslage zu rechtfertigen 6. Denn mit der Offenheit der nur abstrakt-generell bestimmten Rechtslage wächst nicht nur das gegenüber dem Bürger bestehende Bedürfiiis nach Konkretisierung der gesetzlichen Pflichten, welches hier die mit der Verwirklichung des materiellen Rechts betraute öffentliche Verwaltung hat, sondern in gleicher Weise das Prozeßrisiko, welches der Bürger im Anfechtungsprozeß zu tragen hätte. Umgekehrt gibt es aber auch keine „nur wiederholenden" Verwaltungsakte, für deren Erlaß eine Ermächtigung wegen der hinreichenden Bestimmtheit der konkretisierten materiellen Rechtsnorm entbehrlich wäre. Denn dem Rechtsanwendungsprozeß mit der Auswahl und Interpretation der maßgeblichen Norm und ihrer Anwendung auf einen konkreten Lebenssachverhalt ist wegen den strukturell nicht vermeidbaren Unsicherheit bei der Auslegung der abstrakt-generellen Norm, Tatsachenfeststellung und Subsumtion ein letzter Rest intersubjektiver Rechtsungewißheit immanent, die gerade erst mit der das Verwaltungsverfahren abschließenden Entscheidung überwunden werden soll 7 . Entgegen der jetzt von Christiane Fischer erneut ins Spiel gebrachten These, mit dem feststellenden Verwaltungsakt stelle die Behörde dem Bürger gegenüber „nur" verbindlich fest, wie
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Pietzcker, VVDStRL 41, 193 (196 f.) m.w.N. So zutreffend Arbeiter, S. 124, gegen BVerwGE 41, 106 (109 ff.).; kritisch dazu auch das 1. Wohnraumzweckentfremdungsurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.12. 1979 - 8 C 77/78, NJW 1981, 242 f. (vgl. oben Teil 4, C.II.2.b)). 6 So aber BVerwGE 4, 188; 11, 106 (107); BVerfGE 12, 264 (269 f.); Hönes, Die Unterschutzstellung, S. 207 f., 222 f. Zur Anfechtungslast bei unbestimmten Rechtsbegriffen vgl. schon oben Teil 5, B.I., C.I. 7 Vgl. oben Teil 2, B.V. 1 .a) und Teil 5, B.I. 5
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Teil 6: Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung
sie die in ihren Aufgabenbereich fallende Ausfuhrung des Gesetzes vornimmt 8 , kann bei der Beantwortung der Vorbehaltsfrage daher auch nicht zwischen Verfugungen zur Konkretisierung allgemeiner gesetzlicher Pflichten und Feststellungsbescheiden differenziert werden. Aufgrund des rechtsformimmanenten Risikos, daß die im Verwaltungsakt getroffene Regelung von der abstraktgenerellen Regelung des Gesetzes abweicht, enthält ein feststellender Verwaltungsakt mit einem belastenden Regelungsinhalt ebenso wie ein befehlender Verwaltungsakt einen Grundrechtseingriff. Auch wenn die Verwaltung mit dem Erlaß des Feststellungsbescheides innerhalb ihres gesetzlichen Aufgabenkreises agiert 9, nimmt sie doch bei Fehlen einer den Verwaltungsakt zulassenden Ermächtigung zusätzliche Eingriffsbefugnisse in Anspruch. Geben die fachgesetzlichen Regelungen einer Behörde nicht ausdrücklich die Befugnis zum Erlaß eines feststellenden Verwaltungsaktes oder einer konkretisierenden Verfügung, so kann folglich eine gesetzliche Ermächtigung im Wege der Auslegung nur gefunden werden, wenn das Gesetz Anhaltspunkte für beide Elemente einer Ermächtigung bietet, nämlich eine Aufgabenzuweisung und eine damit in Verbindung stehende Übertragung einer Eingriffsbefugnis zur Erfüllung dieser Aufgabe 10. Ein solcher Aufgaben-Befugnis-Zusammenhang muß bei einer teleologisch-systematischen Interpretation Ausgangspunkt für jede Auslegung gesetzlich zugewiesener Kompetenzen sein, mit der eine Befugnis zum Erlaß eines Verwaltungsaktes begründet werden soll. Eine „stillschweigende" Ermächtigung zum Erlgiß einer konkretisierenden Verfügung oder eines belastenden Feststellungsbescheides kommt m.a.W. dort in Betracht, wo die Verwaltung ausdrücklich oder implizit zu einer eingreifenden Tätigkeit aufgrund öffentlichen Rechts ermächtigt ist. Die Grenzen zulässiger Interpretation sind insbesondere gewahrt, wenn es gelingt, in einem Schluß a maiore ad minus aufzuzeigen, daß die Regelungskompetenz bereits in einer ausdrücklichen Ermächtigung mitenthalten ist. Aber auch dann, wenn es nicht möglich ist, durch eine Auslegung nachzuweisen, daß in einer ihrem Wortlaut nach auf eine andere Maßnahme bezogene Ermächtigung eine Befugnis zum Erlaß des explizit nicht normierten Verwaltungsakts mitenthalten ist, kann im Gesetz noch eine Befugniszuweisung mitenthalten sein. Fehlt eine ausdrückliche, den fraglichen Verwaltungsakt mitumfassende Ermächtigung, so bedarf es allerdings einer umfassenden Auslegung des gesamten Normengefüges, um voreilige Schlüsse von der Aufgabe auf die Befugnis zu vermeiden.
8 S. 138 f. Sie steht auch in Widerspruch zu der in ihrer Untersuchung auf S. 71 f. aufgestellten Prämisse, der Einsatz der Handlungsform Verwaltungsakt sei auch bei einem feststellenden Regelungsinhalt stets belastend. 9 So das Argument von Christiane Fischer, S. 139. 10 OVG NW, U. v. 26.2.1993 - 13 A 175/92, DVB1. 1993, 1321 (1322).
F. Doppelte Deckung
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Weder allein aus der Anerkennung der Verwaltung als Staatsgewalt im Grundgesetz noch allein aus der Errichtung eines bestimmten Organs und seiner gesetzlichen Betrauung mit Aufgaben ergibt sich also eine Befugnis zum Erlaß eines Verwaltungsaktes mit Eingriffsqualität.
F. Doppelte Deckung durch Ermächtigung und Rechte und Pflichten begründende Normen Diese für unsere Fragestellung erforderliche Betonung des AufgabenBefugnis-Zusammenhangs darf nicht zu dem Mißverständnis führen, bei der Überprüfung, ob eine belastende Maßnahme von einer gesetzlichen Ermächtigung im Sinne des Eingriffsvorbehalts gedeckt ist, solle auf die Prüfung der Übereinstimmung mit den im Verwaltungsakt konkretisierten materiellen Rechtsnormen verzichtet werden. Ermächtigt ein Gesetz die Verwaltung, das Bestehen gesetzlicher Pflichten oder das Nichtbestehen von Rechten des Bürgers durch Verwaltungsakt verbindlich zu regeln, so ist die Verwaltung selbstverständlich aufgrund dieses Gesetzes nur zu einer Einzelfallregelung befugt, welche der materiellen Rechtslage entspricht. Der mögliche Regelungsinhalt des Verwaltungsaktes wird durch die Kompetenznormen begrenzt und mit dem materiellen Recht verknüpft. Dadurch, daß die Ermächtigung mittelbar auf den Inhalt der Normen des materiellen Verwaltungsrechts Bezug nimmt, gilt der Vorbehalt des Gesetzes weiterhin auch für den Regelungsinhalt eines jeden Verwaltungsaktes mit Eingriffsqualität. Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt damit für den Erlaß einer konkretisierenden Verfügung oder eines feststellenden Verwaltungsaktes mit Eingriffswirkung eine doppelte normative DeckungEinerseits muß der Verwaltung die Aufgabe und Befugnis zur verbindlichen Regelung dieses Verwaltungsrechtsverhältnisses in der Rechtsform des Verwaltungsakts durch eine gesetzliche Ermächtigung übertragen worden sein, und andererseits muß der Regelungsinhalt mit den konkretisierten Normen des materiellen Verwaltungsrechts im Einklang stehen. Die Prüfung der Regelungskompetenz der Verwaltung erfaßt auf diese Weise gleichermaßen Regelungsform und Regelungsinhalt.
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Renck, JuS 1965, 129(130).
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Teil 6: Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung
G. Kompetenz und Zuständigkeit Der im staats- und verwaltungsrechtlichen Schriftum mit verschiedenen Bedeutungen verwendete Ausdruck Kompetenz wird in dieser Untersuchung als ein materiell-rechtlicher, primär auf das Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern bezogener Begriff gebraucht, nämlich als das Ergebnis der Übertragung einer hoheitlichen Aufgabe und - soweit erforderlich - die Zuordnung bestimmter Befugnisse zu dieser Aufgabe 1. Als Zuständigkeitszuweisung wird demgegenüber eine Vorschrift bezeichnet, welche die Berechtigung bzw. Verpflichtung zur Wahrnehmung dieser Kompetenz (als einem aus Aufgabe und ggf. Befugnis zusammengesetzten Gegenstand) formell-rechtlich einem bestimmten Rechtsträger der öffentlichen Verwaltung bzw. einem für diesen handelnden Organ zuordnet. Zuständigkeit ist m.a.W. die organisatorische Zuordnung einer Kompetenz, d.h. einer Aufgabe und der zur Durchführung dieser Aufgabe eingeräumten Befugnisse, zu einem Rechtssubjekt und seinen Organen 2. Führen die Länder Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten aus, so regeln sie nach Art. 84 GG selbst die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren, soweit nicht Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes regeln. Infolgedessen regeln Bundesgesetze zwar häufig die Kompetenzen der für ihren Vollzug zuständigen Behörden; die Bestimmung, welche Landesbehörden für den Vollzug des Gesetzes zuständig sein sollen, bleibt aber in der Regel den Ländern überlassen3. Im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes muß deshalb nicht nur die Existenz einer speziellen Ermächtigung geprüft werden, sondern auch die Zuständigkeit der erlassenden Behörde für die Wahrnehmung dieser aus Aufgabe und Befugnis zusammengesetzten Kompetenz4. Bei einer gesetzlichen Regelung der Kompeten1
Die vorliegende Untersuchung übernimmt Terminologie und Konzeption des Aufgaben-Befugnis-Zusammenhanges im Eingriffsbereich von Schlink, Die Amtshilfe, S. 142 f., welcher die Begriffsbildung bei Ehmke, VVDStRL 20 (1963), 53 (89 f.) und Wolff in Wolff/Bachof, VerwR II, § 72 I.b)c) fortgeführt hat. In der Literatur werden (sachliche) Zuständigkeit und Kompetenz häufig als Synonyme benutzt, meist i.S. der Zuordnung einer Aufgabe zu einem Rechtssubjekt und einem für dieses handelnden Organ {Kirchhof in HStR III, § 59 Rn. 16; Achterberg, Allg. VerwR, § 13 Rn. 19 ff.; Battis , Allg. VerwR, S. 75). Wiederum anders Stettner, S. 35, 43 ff., der Aufgabe als einen Kompetenz und Zuständigkeit vorgelagerten Gegenstand behandelt, dagegen Kompetenz, Zuständigkeit, Befugnis und Ermächtigung als austauschbare Begriffe. 2 Schlink, a.a.O. 3 So räumt § 17 BImSchG der „zuständigen Behörde" die Kompetenz ein, nach Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung Anordnungen zur Erfüllung der sich aus diesem Gesetz und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten zu treffen. Ähnliche Kompetenznormen enthalten § 24 BImSchG und § 21 KrW-/AbfG. 4 Mußmann, GewArch 1986, 126 f. Ähnlich Achterberg, DÖV 1971, 397 (402); ders., Allg. VerwR, § 13 Rn. 19 ff.
G. Kompetenz und Zuständigkeit
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zen und der Zuständigkeiten fallen allerdings regelmäßig Kompetenz und sachliche Zuständigkeit einer Behörde zusammen5. Da eine Aufgabenzuweisung ohne Befugnisse, nicht aber umgekehrt eine Befugnis ohne Aufgabenbezug zulässig ist, müssen sich so die gesetzliche Regelungen der Verwaltungsaufgabe einer bestimmten Behörde mit den Vorschriften über ihre sachliche Zuständigkeit decken6. Wenn die Befugnis einer Behörde zum Erlaß gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehener Verwaltungsakte im Wege der Auslegung ermittelt werden soll, muß deshalb ein Widerspruch zu Gesetzen vermieden werden, welche bereits die Kompetenzen und Zuständigkeiten anderer Organe der vollziehenden oder der rechtsprechenden Gewalt geregelt haben, in diesem Einzelfall über die gleiche Rechtsfrage zu entscheiden. Häufig fehlen nur auf den ersten Blick gesetzliche Regelungen der sachlichen, örtlichen und funktionellen Zuständigkeit, wenn der Erlaß eines feststellenden oder konkretisierenden Verwaltungsaktes im Fachgesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Ebenso wie ihre Kompetenz kann sich nämlich die gesetzliche Zuständigkeit zum Erlaß von Verwaltungsakten aus einer nicht auf die grammatikalische Interpretationsmethode beschränkten Auslegung bestehender Zuständigkeitsvorschriften des besonderen Verwaltungsrechts ergeben, welche die Zuständigkeit zum Erlaß dieser Verwaltungsakte nicht explizit regeln. Zunächst besteht die Möglichkeit, daß die Zuständigkeitszuweisung in einer textlich nicht auf einzelne Rechtsformen des Verwaltungshandelns beschränkten Norm mitenthalten ist, welche die Zuständigkeit dieser Behörde (für alle Maßnahmen) zur Erfüllung einer gesetzlich definierten Aufgabe anordnet 7. Fehlt es an einer allgemeinen Zuständigkeitsregelung, so kommt insbesondere eine Annexzuständigkeit in Betracht. Ist eine Behörde für den tatsächlichen Vollzug eines Gesetzes zuständig, so sprechen ihre dem Sachgebiet angepaßte personelle und fachliche Ausstattung und die daraus erwachsende Sachkenntnis ihrer Mitarbeiter dafür, ihr im Zweifel die Zuständigkeit zuzu-
5
Vgl. Schlink, Die Amtshilfe, S. 152 f. In der vorliegenden Arbeit wird die Frage offengelassen, inwieweit auch die Zuständigkeit bestimmter Organe den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten unterliegt (vgl. dazu Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 262 ff; Schlink, Die Amtshilfe, S. 149 ff.). Denn es geht hier nur um die Zuständigkeit zur verbindlichen Konkretisierung der Rechtslage innerhalb eines kraft Gesetzes bestehenden Rechtsverhältnisses. Soweit aber die Zuständigkeiten innerhalb der Rechtsbeziehungen zwischen Staat und Bürger durch Gesetz geregelt sind, darf die an die gesetzliche Zuständigkeitsordnung gebundene Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) diese Zuständigkeiten nicht zwischen ihren einzelnen Organen umverteilen (Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 262 ff.; Schlink, Die Amtshilfe, S. 150). 7 Z.B. § 63 Abs. 1 AuslG, § 14 WPflG, §§ 96 ff. BSHG, §§ 7 ff. POG NW, §§ 4 ff. OBG NW; zur polizei- und ordnungsbehördlichen Zuständigkeit vgl. Mußmann, GewArch 1986, 126 f. 6
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Teil 6: Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung
ordnen, in einem Verwaltungsverfahren über ihre eigenen Rechte, Pflichten und Befugnisse zu entscheiden. Deshalb läßt sich die für das bundesstaatliche Problem der Verbandskompetenz entwickelte Annexlehre auf das der Ressortzuständigkeit übertragen, d.h. zur Beantwortung der Frage heranziehen, welches Organ oder welcher Organwalter innerhalb des Verwaltungsaufbaues eines Verbandes dafür zuständig ist, eine bestimmte Regelung zu treffen 8. Soweit die Fachgesetze keine Zuständigkeit einer anderen Behörde für den Erlaß von Grundlagenbescheiden enthalten oder einer anderen Behörde bzw. einem Gericht eine vorrangige Kompetenz zur verbindlichen Regelung der relevanten Rechtsfragen eingeräumt haben, ist mit der Übertragimg einer Kompetenz auf eine bestimmte Behörde dieser stillschweigend auch die Annexzuständigkeit zugewiesen, die zur Vorbereitung oder Durchführung ihres eigenen Verwaltungshandelns geeigneten Maßnahmen und Feststellungen zu treffen und ggf. in einem Verwaltungsakt verselbständigt auszusprechen. Dies bedeutet, daß jede Behörde im Zweifel für den Erlaß all solcher Verwaltungsakte zuständig ist, die Präjudizwirkung für ihr eigenes Verwaltungshandeln hätten. Da bei einer Stufung des Verwaltungsverfahrens der Regelungsgehalt von Grundlagen- und Folgebescheiden letztlich mit dem Regelungsgehalt identisch sein muß, der in der normierten, einstufigen Gesamtentscheidung enthalten gewesen wäre, ist so z.B. in der Zuständigkeit zum Erlaß einer Vollregelung die Zuständigkeit zum Erlaß einer Teilregelung mitenthalten9. Aus der Zuständigkeit zur Vornahme von Rechts- oder Realhandlungen, die selbst keine Verwaltungsakte bilden, ergibt sich grundsätzlich ebenso eine Annexzuständigkeit für Verwaltungsakte, die diese Maßnahmen durch eine verbindliche Konkretisierung des materiellen Rechts regeln 10. Auch hier gilt allerdings der allgemeine Grundsatz 11, daß sich 8
Vgl. Achterberg, DÖV 1971, 397 (402); ders., Allg. VerwR, § 21 Rn. 121 f., wobei Achterberg allerdings die Begriffe Zuständigkeit und Kompetenz synonym im Sinne einer zugeordneten Aufgabe verwendet. 9 Vgl. Achterberg (Fn.8); Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 44 Rn. 65. 10 Da verwaltungsgerichtliches Urteil und Verwaltungsakt als in ihrer Wirkung vergleichbare Rechtserkenntnisakte darstellen, läßt sich die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde zur Durchführung eines Verwaltungsverfahrens hier ggf. durch einen Vergleich mit ihrer Zuständigkeit zur klageweisen Geltendmachung derselben Rechtsfolge vor den Verwaltungsgerichten überprüfen bzw. der Frage, ob sie für eine Feststellungsklage des Bürgers die richtige Beklagte wäre. Denn im Verwaltungsverfahren wird die Position der Verwaltungsbehörde als eines am Rechtsverhältnis beteiligten Staatsorganes nur um die des Rechtsanwenders in eigener Sache ergänzt. Für den Erlaß einer verbindlichen Entscheidung in einem Verwaltungsverfahren muß daher grundsätzlich dieselbe Behörde zuständig sein, die bei Wahl eines ursprünglichen, ohne Zwischenschaltung des Verwaltungsakts durchgeführten Verwaltungsstreitverfahrens aktiv zur Erhebung einer auf die gleiche Rechtsfolge gerichteten verwaltungsgerichtlichen Feststellungs- oder allgemeinen Leistungsklage legitimiert wäre oder passiv der richtige Klagegegner wäre. "Vgl Achterberg (Fn. 8).
H. Der Vorrang der gesetzlichen Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung
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eine stillschweigend mitgeschriebene Annexzuständigkeit nur dort ergeben kann, wo weder durch die grammatikalische noch durch eine andere vorrangige Auslegungsmethode eine Zuständigkeit zu ermitteln ist. Jedoch ist nochmals festzuhalten, daß die Verwaltung auch für solche Maßnahmen, die aufgrund des Prinzips der Annexzuständigkeit zu ihrem gesetzlichen Aufgabenkreis gehören, grundsätzlich einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf, wenn diese als Eingriff zu qualifizieren sind. Die (Annex-)Zuständigkeit ist insoweit eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung fiir die behördliche (Annex-)Kompetenz fiir belastende Verwaltungsakte.
H. Der Vorrang der gesetzlichen Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung Wenn man im Wege der Auslegung die Kompetenz und Zuständigkeit für ein Verwaltungsverfahren als Annex aus anderen Kompetenz- und Zuständigkeitsnormen ableitet, so gilt es zu beachten, daß der Verbindlichkeitsanspruch dieses gesetzlich nicht explizit geregelten Verwaltungsaktes nicht weitergehen darf als die Hauptzuständigkeit reicht 1. Der Vorrang des Gesetzes umfaßt nämlich eine Pflicht zur Beachtung der gesetzlichen Kompetenzen und Zuständigkeiten anderer Behörden. Aus diesem Vorrang der gesetzlichen Kompetenzund Zuständigkeitsordnung, dem Ressortprinzip und den anderen zu einer Gewaltenteilung in der Verwaltung führenden Prinzipien des Organisationsrechtes ergibt sich, daß ein auf eine Annexzuständigkeit gestützter Verwaltungsakt grundsätzlich nur für dieses Verwaltungsrechtsverhältnis der erlassenden Behörde zum Adressaten und möglichen Drittbetroffenen eine präjudizielle Verbindlichkeit beanspruchen darf. Eine weitergehende Annexzuständigkeit, das materielle Recht auch mit Wirkung für weitere Rechtsverhältnisse und am Verwaltungsverfahren nicht beteiligte Behörden und Gerichte eines fremden Ressorts zu konkretisieren, kann nur dann bestehen, wenn eine derartige übergreifende Bindungswirkung bereits für die Hauptzuständigkeit besteht. Insoweit ist hier auf die für alle Verwaltungsakte geltenden Grundsätze zur Bindung von Verwaltungsbehörden an die Entscheidungen anderer Behörden zu verweisen 2. Diesen Gesichtspunkt des Vorrangs der gesetzlichen Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung hat Engel in seiner Untersuchung zur „Planungssicherheit für Unternehmen durch Verwaltungsakt" außer acht gelassen. Dort wird nämlich jedem Betreiber einer nicht genehmigungsbedürftigen Anlage auch ohne eine gesetzliche Kompetenzzuweisung, wie sie nunmehr in § 23 Abs. la) 1 2
Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 44 Rn. 65. Vgl. Teil 2, H.IV.
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BImschG für die aufgrund einer Rechtsverordnung anzeigebedürftigen Anlagen enthalten ist, auf Antrag der Zugang zu einem Genehmigungsverfahren eröffnet 3. An dessen Ende solle statt der echten Genehmigung ein feststellender Verwaltungsakt stehen, in dem die Behörde verbindlich entscheide, daß das Vorhaben mit den öffentlich-rechtlichen Normen vereinbar ist, für deren Anwendung sie zuständig ist 4 . Wenn Engel eine Befugnis und einen Anspruch auf Erlaß von Unbedenklichkeitsbescheinigungen nicht durch Annexkompetenzen der für Anordnungen nach § 24 BImSchG zuständigen Behörde, sondern durch eine entsprechende Anwendung der Genehmigungsvorschriften durch die zuständige Behörde schaffen will, übersieht er, daß das BImSchG den für den Vollzug dieses Gesetzes zuständigen Ländern nicht die Einrichtung einer Immissionsschutzbehörde vorschreibt, die für die Genehmigimg und die Überwachung aller in ihrem örtlichen Zuständigkeitsbereich gelegenen Anlagen zuständig wäre. Da die Länder das BImSchG als eigene Angelegenheit ausführen, regeln sie die Einrichtung der hierfür zuständigen Behörden gemäß Artikel 84 Abs. 1 GG selbst und in eigener Verantwortung. Deshalb kann das Landesrecht die Kompetenz zur Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen auf verschiedene Behörden verteilen; es kann auch die Aufgabe der immissionsschutzrechtlichen Überwachung einer von der Genehmigungsbehörde verschiedenen Behörde und schließlich die Aufgaben der Überwachung nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen anderen Behörden zuweisen. Die nach Landesrecht, für die Überwachung einer bestimmten nicht genehmigungsbedürftigen Anlagenart zuständige Behörde muß also nicht zugleich Genehmigungsbehörde sein. Schon aus diesem Grunde ist ein kompetenz- und zuständigkeitsbegründender Analogie- oder Erst-Recht-Schluß von einer Genehmigungskompetenz auf die Kompetenz zur Erteilung von Unbedenklichkeitsbescheinigungen für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen unzulässig. Ein derartiger Übergriff der Genehmigungsbehörden in die Kompetenzen der immissionsschutzrechtlichen Überwachungsbehörden ließe sich allerdings noch vermeiden, wenn man die Zuständigkeit für die Erteilung einer solchen „Quasi-Genehmigung" der sonst für repressive Überwachungsmaßnahmen zuständigen Behörde zusprechen würde. Durch die analoge Anwendung der § § 6 und 13 BImschG würde dann aber immer noch in die Kompetenzen anderer Behörden eingegriffen, die für den Vollzug nicht immissionsschutzrechtlicher Normen zuständig sind. So erfaßt die Regelungsbefugnis einer Genehmigungsbehörde im immissionsschutzrechtlichen Verfahren alle aufgrund der Konzentrationswirkung des § 13 BImschG eingeschlossenen Entscheidungen und geht damit weit über die Anwendung der immissionsschutzrechtlichen Vorschriften
3 4
Engel, S. 165-167. Engel, S. 166, 163 f.
H. Der Vorrang der gesetzlichen Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung
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hinaus, die zum Regelungsgegenstand der Anordnungen nach § § 2 4 und 25 BImschG gehören können. Eine derartige Zuständigkeiten und Kompetenzen verlagernde Wirkung kann eine Willenserklärung des Bürgers nur aufgrund einer diese Rechtsfolge anordnenden Kompetenznorm haben. Denn die durch Gesetz oder Organisationsverfügung geregelte Verteilung der staatlichen Kompetenzen zwischen den verschiedenen Verwaltungsträgern und Behörden steht weder zur Disposition der Betroffenen noch der Behörden, denen die Zuständigkeiten zugewiesen wurden. Gegen eine immissionsschutzrechtliche QuasiGenehmigung spricht schließlich der Gesichtspunkt, daß auch Dritte durch deren Regelung in ihren Rechten betroffen sein könnten. Der Vorbehalt des Gesetzes gilt aber auch im Hinblick auf die potentiell belastende Drittwirkung eines Verwaltungsaktes. Sofern nicht eine dem § 23 Abs. la) BImSchG entsprechende Kompetenznorm besteht, wird also durch eine Einräumung eines Wahlrechts auf Durchführung eines Genehmigungsverfahrens die gesetzliche Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung verletzt. Zwar mag ein Unternehmer, der eine nicht genehmigungsbedürftige Anlage betreibt oder diese errichten will, gegen die Behörde, die ggf. für Anordnungen gemäß §§ 24, 25 BImschG zuständig wäre, u.U. einen Anspruch daraufhaben, daß diese eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Einleitung eines auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung gerichteten Verwaltungsverfahrens trifft 5 . Deren Regelungsinhalt würde sich auf die Entscheidung beschränken, daß der gegenwärtige oder geplante Betrieb der Anlage nicht gegen diejengen immissionsschutzrechtlichen Vorschriften verstößt, bei deren Verletzung die Überwachungsbehörde ggf. zu einem repressiven Einschreiten gemäß §§ 24 oder 25 BImSchG befugt wäre. Für die Erteilung einer solchen Unbedenklichkeitsbescheinigung besteht eine Annexzuständigkeit der Überwachungsbehörde, weil dieser Grundlagenbescheid primär eine den Erlaß einer eigenen Anordnung nach § 24 BImSchG betreffende Vorfrage regelt, nämlich durch die Feststellung, daß deren tatbestandliche Voraussetzungen zum Zeitpunkt des Erlasses der Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht erfüllt sind6. Der Grundsatz der Gewaltenteilung in der Verwaltung läßt es auch außerhalb des Immissionsschutzrechts nicht zu, einer Genehmigungsbehörde zu Lasten der Entscheidungskompetenz anderer Genehmigungs- oder Über-
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Dazu unten Teil 7, C.V.-X. Eine darüber hinausgehende Verbindlichkeit als Grundlagenbescheid für nicht auf immissionsschutzrechtliche Vorschriften gestützte Verwaltungsmaßnahmen (der gleichen oder einer anderen Behörde), z.B. im Rahmen der Bau- oder Gaststättenaufsicht, kann diese immissionsschutzrechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung nur insoweit haben, wie bei diesen Folgebescheiden auch die in einer Anordnung nach § 24 BImSchG enthaltene Konkretisierung der immissionsschutzrechtlichen Pflichten zu beachten wäre. 6
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wachungsbehörden praeter legem die Kompetenz zuzuweisen, durch Verwaltungsakt über die materielle Rechtmäßigkeit eines nicht genehmigungsbedürftigen Vorhabens zu entscheiden. Demgegenüber kann sich aus der gesetzlichen Zuständigkeit einer Genehmigungsbehörde, im Rahmen der Prüfung eines Genehmigungsantrags auch (konkludent) über die Genehmigungsbedürftigkeit des jeweiligen Vorhabens zu entscheiden, die Annexzuständigkeit ergeben, aufgrund eines entsprechenden Antrags des Trägers des Vorhabens durch Negativattest verbindlich festzustellen, daß ein bestimmtes Vorhaben nicht genehmigungsbedürftig ist. Denn an die Feststellung der Genehmigungsbehörde, ein bestimmtes Vorhaben werde von dem in den Zuständigkeitsbereich fallenden Genehmigungsvorbehalt nicht erfaßt, wären andere Genehmigungs- und Überwachungsbehörden auch dann gebunden, wenn diese Feststellung als tragender Grund in der Ablehnung eines Genehmigungsantrages für dieses Vorhaben enthalten wäre. Insoweit beansprucht die Genehmigungsbehörde mit dem Erlaß eines Negativattestes keine neue Entscheidungszuständigkeit zu Lasten anderer Organe der vollziehenden oder rechtsprechenden Gewalt, sondern trifft nur eine in ihren gesetzlichen Aufgabenbereich fallende Entscheidung in Form eines selbständigen Grundlagenbescheides.
I. Die Feststellung der geltenden Rechtslage und der Vorrang künftiger Gesetze Es gehört zur Funktion und zu den gesetzlichen Rechtsfolgen eines Verwaltungsaktes, als verbindliche Regelung eine Bindungswirkung auch für künftige Entscheidungen und andere Maßnahmen der Verwaltung zu entfalten. Hieraus ergibt sich ein Spannungsverhältnis zu der in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verpflichtung der Verwaltung, bei ihren künftigen Verwaltungsmaßnahmen Gesetz und Recht zu beachten, also auch das dann jeweils geltende materielle Recht anzuwenden. Die Bindung der vollziehenden Gewalt an das materielle Recht wird allerdings begrenzt und überlagert durch ihre verfahrensrechtliche Bindung an wirksame Verwaltungsakte. Dies bedeutet, daß jeder Verwaltungsakt, der auch nach einer Veränderung der entscheidungserheblichen Sachoder Rechtslage noch Bindungswirkung entfaltet, insoweit zum Zeitpunkt des Erlasses des Folgebescheids durch eine punktuelle Konservierung der alten Rechtslage die Bindung der vollziehenden Gewalt an den aktuellen Willen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers einschränkt} Hierbei ist insbesondere
1 Zu den objektiven, subjektiven und zeitlichen Grenzen der Bindungswirkung von Verwaltungsakten vgl. bereits die Ausfuhrungen oben Teil 2, H.IV.
I. Die Feststellung der Rechtslage und der Vorrang künftiger Gesetze
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zu berücksichtigen, daß die zuständige Behörde einen begünstigenden Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet hat, gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurücknehmen und gemäß § 49 Abs. 2 und 3 VwVfG nur aus den dort genannten Gründen nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens widerrufen kann. Bleibt die Verwaltung trotz einer Veränderung der entscheidungserheblichen Tatsachen an die getroffene Regelung gebunden (vgl. § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG), so entsprechen Folgebescheide oder andere Maßnahmen, die auf dieser nachträglich gewissermaßen rechtswidrig gewordenen Grundlage beruhen, nicht mehr der sich bei ihrem Erlaß aus dem Gesetz ergebenden Sach- und Rechtslage. Noch problematischer sind aber Fälle einer nachträglichen Änderung des materiellen Rechts (vgl. § 49 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG). Deutlich wird dies bei der Bindungswirkung der baurechtlichen Vorbescheide, deren Regelungen sich nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung2 gegenüber nachfolgenden Rechtsänderungen, insbesondere durch das Inkrafttreten einer Veränderungssperre oder eines Bebauungsplans, durchsetzen und insoweit in einem deutlichen Gegensatz zur eingeschränkten Verbindlichkeit der Zusicherung gemäß § 38 Abs. 3 VwVfG stehen. Wenn die Verwaltung einen Verwaltungsakt erläßt, der auch bei Änderungen der entscheidungserheblichen Sach- und Rechtslage noch verbindlich sein soll, so schränkt sie die Gestaltungsmacht des Normgebers für diesen konkreten Einzelfall ein und handelt insoweit nicht mehr nur als eine bloß die geltenden Gesetze vollziehende Gewalt. Es gibt zwar vielfaltige Gründe, die gerade bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung dafür sprechen können, auch bei nachträglichen Veränderungen der Sach- und Rechtslage dem Bürger einen Dispositions- und Vertrauensschutz auf den Bestand der einmal getroffenen Regelung zu gewähren. Dies ist der Normzweck des § 49 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwVfG. Allerdings hat nicht jeder Verwaltungsakt eine so weitgehende Regelungswirkung. So hat der Gesetzgeber in § 49 Abs. 2 Satz 2 und § 67 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG die zuständigen Behörden zwar ermächtigt, bereits bei der Berufung in das Beamtenverhältnis eine Vorabentscheidung über die ruhegehaltsfähigen Vordienstzeiten zu treffen, obwohl die Folgeentscheidungen über die Bewilligung der Versorgungsbezüge erst beim Eintritt des Versorgungsfalls getroffen werden dürfen. Diese Grundlagenbescheide stehen jedoch bereits kraft Gesetzes unter dem Vorbehalt eines Gleichbleibens der Rechtslage. Ebensowenig wie § 35 VwVfG als generelle Ermächtigung der Verwaltung zum Gebrauch der Handlungsform Verwaltungsakt verstanden werden darf,
2 Z.B. BVerwG, U. v. 3.2.1984 - 4 C 39/82, BVerwGE 69, 1 (ff.) = NJW 1984, 1473 f.; a.A. Seibert, S. 233, 491 ff.
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Teil 6: Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung
kann sich daher allein aus § 49 Abs. 2 VwVfG eine Befugnis zum Erlaß von Verwaltungsakten ergeben, die sich gegenüber nachfolgenden Veränderungen der Sach- und Rechtslage durchsetzen sollen. Hieraus ist der Schluß zu ziehen, daß die Verwaltung nicht ohne eine entsprechende gesetzliche Ermächtigung Verwaltungsakte erlassen darf, welche auch im Falle einer wesentlichen Änderung der Sach- oder Rechtslage noch verbindlich sein sollen. Diese Grenze der behördlichen Regelungskompetenzen kann man als einen „ Vorrang künftiger Gesetze " bezeichnen, der insoweit eine vorbehaltsgleiche Wirkung? entfaltet. Die aufgezeigten Bedenken führen jedoch nicht dazu, daß der Verwaltung der Erlaß gesetzlich nicht geregelter Feststellungsbescheide generell verboten wäre. Zwar ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten, welche sachlichen und zeitlichen Grenzen für die Bindungswirkung eines Verwaltungsaktes gelten, wenn weder der Verwaltungsakt selbst noch dessen gesetzliche Grundlagen eine explizite Regelung enthalten, ob die Bindungswirkung bei einer Änderung der Sach- und Rechtslage entfallen soll. So geht die h.M. aufgrund der Regelung des § 43 Abs. 2 und § 49 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwVfG davon aus, daß die Wirksamkeit und die Verbindlichkeit eines begünstigenden Verwaltungsaktes auch für Folgeentscheidungen der erlassenden und fremder Behörden sowie für die Gerichte nach den Bestimmungen des VwVfG bis zu seiner etwaigen Aufhebung grundsätzlich durch spätere Änderungen der bei seinem Erlaß maßgeblichen Sach- und Rechtslage nicht berührt wird 4 ; dies gelte jedoch ausnahmsweise nicht, wenn sich aus einer spezialgesetzlichen Regelung oder dem Inhalt des einzelnen Verwaltungsaktes ergebe, daß dieser bei einer Veränderung der Sach- und Rechtslage gegenstandslos werden solle5. Die baurechtliche Genehmigung einer Gaststätte soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für das gaststättenrechtliche Erlaubnisverfahren eine dahingehende Bindungswirkung entfalten, daß die Gaststätten3 Zur vorbehaltsgleichen Wirkung des allgemein anerkannten Vorrangs des Gesetzes vgl. oben Teil 3, B. 4 BVerwG, U. v. 18.08.1981 - 6 C 16.79, BVerwGE 68, 24 (18): als Verwaltungsakt zu qualifizierende Umzugskostenzusage; U. v. 3.2.1984 - 4 C 39.82, BVerwGE 69, 1 (3): baurechtlicher Vorbescheid; U. v. 7.12.1995 - 3 C 15/94, NVwZ-RR 1997, 321 f.: im Jahre 1943 erlassene jagdrechtliche Abrundungsverfügung; OVG NW, U. v. 24.3.1992 - 24 A 1093/90, NWVB1. 1993, 393 (394 f.): zum wortgleichen § 39 Abs. 2 SGB X; VGH BW, U. v. 1.3.1995 - 6 S 2854/92, VB1BW 1995, 287: zu § 39 Abs. 2 SGB X; Obermayer-Schäfer, § 43 Rn. 24; Klappstein in Knack, § 43 Rn. 4.2; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 43 Rn. 203; Kopp, VwVfG, § 43 Rn. 17 f.; Engel, S. 52 ff.; differenzierend Erichsen/Knoke, NVwZ 1983, 185 (191): Bindung der Behörde(n) an den wirksamen Verwaltungsakt, nicht aber der Gerichte. 5 Klappstein in Knack, § 43 Rn. 4.2, 5 ; Kopp, VwVfG, § 43 Rn. 17 f.; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 43 Rn. 197 ff.
I. Die Feststellung der Rechtslage und der Vorrang künftiger Gesetze
399
behörde eine entsprechende Gaststättenerlaubnis nicht aus baurechtlichen Gründen versagen darf, solange die Genehmigung besteht und die Verhältnisse sich nicht rechtserheblich ändern 6. Noch weitergehend hat Seibert in seiner Untersuchung zur Bindungswirkung von Verwaltungsakten angenommen, daß ein Verwaltungsakt grundsätzlich nur eine verbindliche Konkretisierung der bei seinem Erlaß bestehenden Sach- und Rechtslage enthalte7; nur dann, wenn ein Verwaltungsakt ausnahmsweise kraft Gesetzes oder seinem Inhalt nach eine Bindungswirkung auch für den Fall einer etwaigen künftigen Änderung der Sach- und Rechtslage beanspruche, würde hiernach der Vorrang des künftigen Gesetzes in Frage gestellt. § 49 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwVfG und die Wiederaufgreifensregel des § 51 VwVfG erfassen nach dieser Auffassung in der Regel nur Gestattungen und „Dauerverwaltungsakte", bei deren Erlaß die Behörde in einer vorausschauenden Beurteilung eine Prognose über die künftige Entwicklung abgegeben hat. Ein Ablehnungsbescheid in einem Genehmigungsverfahren und ein negativer Vorbescheid solle hingegen seinem Zweck und Inhalt nach nur eine Regelung über die im Zeitpunkt der Entscheidung gegebene Sach- und Rechtslage enthalten, nicht aber alle möglichen künftigen Sach- und Rechtslagen regeln, deren Eintritt und Inhalt noch völlig ungewiß ist. Damit geht der Streit im Kern um die Frage, ob eine Bindungswirkung auch dann besteht, wenn die Behörde in dem Grundlagenbescheid den Umfang seiner Bindungswirkung nicht geregelt hat. Jedoch hat die erlassende Behörde unstrittig die Möglichkeit, durch eine explizite Aussage in ihrem Verwaltungsakt festzulegen, ob dessen Regelungen auch nach Veränderungen der entscheidungserheblichen Sach- und Rechtslage maßgeblich sein soll 8 . Aus dem aus Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitenden Vorrang künftiger Gesetze ergibt sich folglich für die Verwaltung kein Verbot gesetzlich nicht geregelter Feststellungsbescheide. Die erlassende Behörde ist bei solchen Verwaltungsakten allerdings verpflichtet, zur Vermeidung von Auslegungsschwierigkeiten in ihrem Grundlagenbescheid erforderlichenfalls festzulegen, daß die getroffene Regelung nur eine Feststellung der gegenwärtigen Sach- und Rechtslage enthält und daß der Verwaltungsakt nach einer entscheidungserheblichen Änderung der Sach- und Rechtslage keine Bindungswirkung mehr entfalten soll 9 .
6
BVerwG, U. v. 4.10.1988 - 1 C 72.86, BVerwGE 80, 259 (261 ff.). Seibert, S. 222 ff., passim m.w.N. 8 Von ihren gegensätzlichen Grundsatzpositionen ausgehend vgl. einerseits Seibert, S. 232 ff. und andererseits Engel, S. 70 f.; Kopp, VwVfG, § 43 Rn. 18. 9 Entsprechend des hier entwickelten allgemeinen Grundsatzes nimmt Bauer in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Erl. 6 Nr. 1.3 zu § 49, Erl. 7 Nr. 8 zu § 66, an, die zuständige Behörde sei auch ohne eine dem § 49 Abs. 2 Satz 2 und § 67 Abs. 3 BeamtVG entsprechende Kompetenzzuweisung befugt, bei der Berufung eines Wahlbeamten eine Vorabentscheidung über die aufgrund der Kann-Vorschrift des § 66 Abs. 7 BeamtVG 7
400
Teil 6: Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung
Soweit die im Verwaltungsakt getroffene Feststellung für verschiedene Verwaltungsrechtsverhältnisse präjudiziell sein kann und der Umfang der intendierten Bindungswirkung sich nicht schon eindeutig aus dem Antrag oder der bestehenden gesetzlichen Kompetenzverteilung ergibt, verpflichtet der Grundsatz der hinreichenden Bestimmtheit (37 Abs. 1 VwVfG) die erlassende Behörde darüber hinaus, zur Vermeidung von Zweifelsfällen in dem gesetzlich nicht normierten Verwaltungsakt ggf. klarzustellen, für welche Verwaltungsrechtsverhältnisse die getroffene Regelung verbindlich sein soll. Denn bei einem gesetzlich nicht geregelten Verwaltungsakt ist es sehr viel schwieriger als bei den normierten Grundlagenbescheiden, das jeweilige materielle Gesetz und die vorgefundene Kompetenzverteilung im Zweifelsfall als Auslegungshilfe heranzuziehen. Für die Betroffenen muß erkennbar sein, bei Wahrnehmung welcher Kompetenzen die hierfür zuständigen Behörden an den Inhalt des Feststellungsbescheides gebunden sein sollen.
ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten zu treffen. Mangels einer entsprechenden gesetzlichen Regelung müsse dieser Verwaltungsakt allerdings ausdrücklich unter dem Vorbehalt des Gleichbleibens der Rechtslage getroffen werden.
Teil 7
Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung? Eine fallgruppenspezifische Untersuchung A. Die das Verwaltungshandeln nicht ausdrücklich als „Verwaltungsakt" bezeichnenden Ermächtigungsnormen Für den Erlaß eines Verwaltungsakts besteht eine explizite Ermächtigung, wenn das besondere Verwaltungsrecht zur Konkretisierung der gesetzlichen Rechtsfolgen eine Entscheidung vorsieht, die ihrerseits die Legaldefinition des Verwaltungsaktes (§35 VwVfG) erfüllt. Eine ausdrückliche Ermächtigung besteht schon dann, wenn das Fachgesetz eine behördliche Regelung i.S. des § 35 VwVfG mit einer speziellen Bezeichnung benennt1, z.B. durch die Formulierung ,Androhung" (§ 13 VwVG) 2 , ,Anerkennung" (§§ 5, 14 KDVG), Bescheinigung" (§ 93 Abs. 2 II. WoBauG), Bescheinigung der nach Landesrecht zuständigen oder von der Landesregierung bestimmten Stelle", daß ein bestimmtes Objekt unter Denkmalschutz steht (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe y) i.V.m. § 82i EStDV) 3 , „schriftlich bestätigt" (§ 33e Abs. 3 GewO) 4 oder wenn das Gesetz ein behördliches Verfahren der Sachverhaltsermittlung und Rechtsanwendung vorsieht, das mit einer nach außen wirkenden Einzelfallentscheidung abgeschlossen wird. Sieht ein Fachgesetz vor, daß vor einem Verwaltungshandeln eineförmliche Feststellung (z.B. § 9 Satz 2 BBesG, Art. 3 Bayerisches Jagdgesetz (BayJG)5) oder Entscheidung (§ 10 PBefG 6) über das Bestehen oder Nichtbestehen einer gesetzlichen Pflicht, einer gesetzlichen Be-
1
Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 45 Rn. 13. BVerwG, U. v. 2.12.1988 - 4 C 15/85, DVB1. 1989, 362; Sadler, § 13 Rn. 1. 3 VGH BW, U. v. 11.9.1985 - 5 S 3150/84, DVB1. 1986, 188; OVG Lüneburg, U. v. 17.2.1987 - 6 A 31/87, BRS 49 Nr. 148; Hönes, Die Unterschutzstellung, S. 224 f. 4 BVerwG, U. v. 22.10.91 - 1 C 1.91, GewArch 1992, 62. 5 Gemäß Art. 3 Bayerisches Jagdgesetz (BayJG) vom 13.10.1978 werden Bestand, Umfang und Grenzen eines Jagdreviers (Jagdbezirks), falls erforderlich, durch die Jagdbehörde festgestellt. Gegenstand eines feststellenden Verwaltungsaktes nach Art. 3 BayJG kann auch die Frage der Zugehörigkeit bestimmter Flächen zu einem Jagdbezirk sein (vgl. BayVGH, U. v. 20.8.1999 - 19 B 95.2879, BayVBl. 2000, 277 (278)). 6 König, BayVBl. 1987, 261 (263). 2
26 Kracht
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
rechtigung oder rechtlich erheblichen Eigenschaft getroffen wird, so ist grundsätzlich eine Feststellung durch Verwaltungsakt gemeint7. Eine Ermächtigung zum Erlaß von Verwaltungsakten kann auch dann vorliegen, wenn ein Gesetz zu nach Art oder Zweck näher bestimmten behördlichen Maßnahmen ermächtigt, ohne die Rechtsform des Verwaltungshandelns ausdrücklich zu fixieren. Es genügt, wenn sich ermitteln läßt, daß von dieser Norm auch Maßnahmen erfaßt sein sollen, die als Verwaltungsakte zu qualifizieren sind. So ermächtigt die polizeiliche Befugnisgeneralklausel (§ 8 MEPolG 8 , § 8 PolG NW) zu den „notwendigen Maßnahmen" der Gefahrenabwehr. Der Anwendungsbereich dieser Ermächtigung ist zwar nicht auf verbindliche Regelungen beschränkt 9; dennoch stellen doch die Verfügung und andere polizeiliche Verwaltungsakte weiterhin die wichtigste Form polizeilichen Einschreitens dar.
B. Verwaltungsakte, die von Amts wegen zur Durchsetzung und zur vorbeugenden Regelung allgemeiner gesetzlicher Pflichten ergehen L Durch Auslegung zu schließende „Kompetenzlücken" - Ein Widerspruch zur Funktion der Generalklauseln des Polizei- und Ordnungsrechts? Am Anfang einer Untersuchung bestehender Aufgaben und Regelungsbefugnisse der Verwaltung kann zunächst festgestellt werden, daß die als Gegenbild zur stillschweigenden Ermächtigung, die jeweiligen materiellen Rechtsnormen des eigenen Zuständigkeitsbereichs zu konkretisieren, beschworene totale Handlungsunfähigkeit der Verwaltung und damit eine funktions-
7
Krause, Rechtsformen, S. 207 f. MEPolG (Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder (Stand: 25.11.1977) in der Fassung des Vorentwurfs zur Änderung des MEPolG (Stand: 12.3.1986)), zitiert nach Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in Steiner, Bes. VerwR, Anhang zu II. 9 Gusy, Polizeirecht, Rn. 256; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 332 in Steiner, Bes. VerwR; Rachor in Lisken/Denninger, Rn. F 7; zumindest der Formulierung nach a.A. Götz, Allg. Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 181 f. (Ermächtigung für Eingriffs-Maßnahmen im Einzelfall (Verwaltungsakte) und Verordnungen). 8
B. Verwaltungsakte von Amts wegen zur Regelung gesetzlicher Pflichten
403
widrige mangelnde Durchsetzungsfähigkeit des materiellen Rechts im Bereich und Vorfeld der Gefahrenabwehr nicht besteht1. Jeder Verstoß gegen eine materielle Pflichtnorm, welche dem Normadressaten ein bestimmtes Verhalten ge- oder verbietet, und jedes Handeln ohne die aufgrund eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt erforderliche Genehmigung stellt nämlich eine Störung der öffentlichen Sicherheit i.S. der polizei- und ordnungsrechtlichen Generalklauseln dar 1. Denn die gesamte objektive Rechtsordnung 3, zumindest aber die 1 Götz, Allg. Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 580; Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 154 f.; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 23; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, F. Rn. 457; Osterloh, JuS 1983, 280 (283 f.); Mußmann, GewArch 1986, 126; Lechelt, DVB1. 1993, 1048 ff.; aus der Rechtsprechung vgl. insbes. das oben in Teil 4, B.II.2.b) dargestellte Urteil des BVerwG vom 11.11.1993 3 C 45/91, NJW 1994, 3024 (3027) = GewArch 1994, 336 (337 f.) = BVerwGE 94, 269 = JURIS Nr. WBRE310694803 („Heilmagnetisieren"); OVG NW, U. v. 2.12.1998 13 A 5322/96, DVB1. 1999, 1057 (1058); das 1. Wohnraumzweckentfremdungsurteil, BVerwG, U. v. 12.12.1979 - 8 C 77/78, NJW 1981, 242 (oben Teil 4, C.II.b)) sowie Bay. VGH, U. v. 25.2.1983 - 25 B 81 A/l 183, NVwZ 1983, 550. In den beiden zuletzt genannten Entscheidungen scheiterte der Rückgriff auf polizei- und ordnungsbehördliche Befugnisnormen für die aufgehobene Verfügung nur an einer Nichtbeachtung von Form- bzw. Zuständigkeitsbestimmungen. Demgegenüber will Hansmann in Landmann/Rohmer, UmweltR, § 52 BImSchG Rn. 20, Verwaltungsakte zur Durchsetzung konkreter immissionsschutzrechtlicher Pflichten auf einen mit der Aufgabenzuweisungsnorm des § 52 Abs. 1 BImSchG verbundenen allgemeinen Grundsatz einer ungeschriebenen Verwaltungsaktbefugnis stützen, da ein Rückgriff auf die ordnungsbehördliche Generalklausel wegen des Subsidiaritätsgrundsatzes nicht möglich sei. Diese Argumentation beruht auf einem Zirkelschuß (vgl. Lechelt, DVB1. 1993, 1048 (1050)): Wenn die speziellen Ermächtigungen des BImSchG und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen abschließend wären, dann käme nach dem im Verhältnis von besonderem und allgemeinen Verwaltungsrecht geltendem Spezialitätsgrundsatz ein Rückgriff auf einen ungeschriebenen Grundsatz des allgemeinen Verwaltungsrechtes nicht in Betracht. Enthält das Immissionsschutzrecht dagegen keine abschießende Regelung der zur Durchsetzung konkreter gesetzlicher Pflichten bestehenden Befugnisse, so können die für die immissionsschutzrechtliche Überwachung zuständigen Behörden als Sonderordnungsbehörden nach der Subsidiaritätsklausel (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 OBG NW) hingegen auf die ordnungsbehördliche Generalklausel zurückgreifen (Osterloh, JuS 1983, 280 (283); Lechelt, DVB1. 1993, 1048 (1050); Jarass, BImSchG, § 52 Rn. 4, 30 f.). Der Umstand, daß eine Zuständigkeitsregelung, welche ein Bundesland auf Basis einer vermeintlichen ungeschriebenen Verwaltungsaktbefugnis - wie sie von Hansmann noch immer vertreten wird -, sich dann möglicherweise als unzweckmäßig erweist, kann einer dem Vorbehalt des Gesetzes entsprechenden Auslegung des Gesetzes nicht entgegenstehen. Der Landesgesetz- oder -Verordnungsgeber kann diese Kompetenzverteilung auf unterschiedliche Behörden nämlich durch eine Änderung seiner Zuständigkeitszuweisungen ohne weiteres korrigieren. 2 Zur ordnungsbehördlichen Generalklausel als ausreichender Ermächtigung zur Untersagung einer Heilkundeausübung („Heilmagnetisieren") ohne die nach dem HeilprG erforderliche Erlaubnis vgl. das oben in Teil 4, B.II.2.b) dargestellte Urteil des BVerwG vom 11.11.1993 - 3 C 45/91, NJW 1994, 3024 (3027) = GewArch 1994, 336 (337 f.) = BVerwGE 94, 269 = JURIS Nr. WBRE310694803 ; ebenso OVG NW, U. v. 2.12.1998
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
hier relevanten Vorschriften des Straf- und Verwaltungsrechts 4, zählen nach heutigem Verständnis zum Schutzgut der öffentlichen Sicherheit. Immer dann, wenn ein Bürger durch sein gegenwärtiges Verhalten oder den Zustand einer ihm gehörenden Sache ein gesetzliches Ge- oder Verbot verletzt, liegt also eine konkrete Gefahr vor. Soweit diese Ermächtigungsgrundlage anwendbar ist, sind dann die tatbestandlichen Voraussetzungen für sog. selbständige, d.h. nicht unmittelbar auf eine Pflichtnorm gestützte Verfügungen erfüllt, durch die die gesetzlichen Pflichten konkretisiert und ggf. durchgesetzt werden können5. In seiner umfangreichen Monographie zur Durchsetzung gesetzlicher Pflichten hatte Arbeiter* bereits 1978 die Auffassung vertreten, außerhalb Bayerns seien unter Geltung der Generalklausel deshalb keine Fälle erkennbar, in denen eine Durchsetzung gesetzlicher Pflichten über das Polizei- und Ordnungsrecht nicht möglich sei. Es gebe insoweit keine generellen Kompetenzlücken, sondern nur Unzulänglichkeiten im praktischen Vollzug, wenn die allgemeinen Polizei- und Ordnungsbehörden fachgesetzliche Regelungen aus dem Zuständigkeitsbereich anderer Fachbehörden durch eigene Verwaltungsakte vollziehen müßten. Nachdem Bayern 1978 in Art. 11 Abs. 2 Bay PAG und später in Art. 7 Abs. 2 Landesstraf- und Verordnungsgesetz (Bay LStVG) in seinem Polizei- und Sicherheitsrecht als Auffangnorm jeweils Generalklauseln eingeführt hat, steht auch dort für den Erlaß gesetzeskonkretisierender Verfügungen grundsätzlich eine auf konkrete Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bezogene Befugnisgeneralklausel zur Verfügung; denn deren Relativierung durch tatbestandlich konkretisierte Regelbeispiele (die sog. Voraustatbestände), denen teilweise spezielle Eingriffsschranken im Grundrechtsbereich beigefügt sind 7 , kommt hier nicht zum Tragen.
- 13 A 5322/96, DVB1. 1999, 1057 (1058); allgemein Götz, Allg. Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 114, 580; Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 155; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 30, 32, 35-36, in Steiner, Bes. VerwR; Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 38, in Schmidt-Aßmann, Bes. VerwR. 3 Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 38, in Schmidt-Aßmann, Bes. VerwR; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 30, 32, 35-36, in Steiner, Bes. VerwR. 4 Götz, Allg. Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 114. 5 Friauf Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 38, in Schmidt-Aßmann, Bes. VerwR; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 35-36, in Steiner, Bes. VerwR.; Götz, Allg. Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 114, 580; Arbeiter, S. 95 ff.; P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 23. 6 Arbeiter, S. 92 ff.
B. Verwaltungsakte von Amts wegen zur Regelung gesetzlicher Pflichten
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Wenn die Polizei- oder Ordnungsbehörden aufgrund der polizei- und ordnungsrechtlichen Generalermächtigungen also tatsächlich jederzeit konkretisierende Verfügungen und Feststellungsbescheide erlassen könnten, so würde sich der gesamte Streit um den Vorbehalt des Gesetzes für die Durchsetzung allgemeiner gesetzlicher Pflichten damit auf den ersten Blick auf eine für die Verwaltungspraxis zu vernachlässigende Auseinandersetzung um die richtige Begründung einer unstrittigen Befugnis und die Frage reduzieren, welche Behörde ggf. für die Konkretisierung zuständig ist 8 . Seine Relevanz erweist sich erst, wenn man untersucht, wo die Interpretation der Pflichtnorm als Ermächtigungsgrundlage zusätzliche Regelungskompetenzen begründet. Nachfolgend ist daher zu fragen, ob und wann sich trotz der lückenschließenden Funktion der polizei- und ordnungsbehördlichen Generalklausel im bestehenden gesetzlichen System unseres Verwaltungsrechts echte „Kompetenzlücken" ergeben, bei denen weder eine Polizei- oder Ordnungsbehörde noch eine sonst für den Vollzug des Gesetzes zuständige Behörde ermächtigt ist, gesetzliche Rechte, Pflichten oder rechtlich erhebliche Tatsachen durch Verwaltungsakt verbindlich zu regeln. Hierbei muß sich zeigen, in welchen Fällen die „Lücken 44 , die durch das Fehlen einer Spezialermächtigung in den Regelungsbefugnissen der Verwaltung entstehen, nur logische Konsequenzen einer gesetzlichen Kompetenzordnung sind, in der der Gesetzgeber Kompetenzen mit unterschiedlichen Eingriffsschwellen geschaffen und die Aufgaben und Befugnisse zur Anwendung und zur verbindlichen Regelung des Verwaltungsrechts auf verschiedene Organe der rechtsprechenden und der vollziehenden Gewalt verteilt hat, und in welchen Fällen die „Lücken" durch eine ergänzende Auslegung bestehender Kompetenzvorschriften geschlossen werden können, die mit der Funktion des verfassungsrechtlichen Vorbehaltsprinzips noch vereinbar ist. Zu untersuchen ist zunächst, welche anderen Reaktionen der Gesetzgeber an die Nichtbefolgung gesetzlicher Pflichten knüpfen kann. Sodann wird auf die Grenzen der Eingriffsbefugnisse der Polizei- und Ordnungsbehörden eingegangen, insbesondere das Subsidiaritäts- und das Spezialitätsprinzip sowie das Tatbestandsmerkmal der konkreten Gefahr.
7 Vgl. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 109, 322 - 324 auch mit Hinweisen auf die Rechtslage in Thüringen, die im Polizeirecht das bayerische Regelungsmodell übernommen hat. 8 Osterloh, JuS 1983,280 (281).
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
II. Bestehende Vorschriften über die Durchsetzung gesetzlicher Pflichten 1. Die Ahndung, der Entzug von Vorteilen, Appelle und andere alternative Reaktionen auf eine Verletzung gesetzlicher Pflichten Wenn eine Rechtsnorm des öffentlichen Rechts ein an den Bürger gerichtetes Ge- oder Verbot eines bestimmten Verhaltens enthält, so handelt es sich nur dann um eine echte Rechtspflicht des Bürgers, wenn die Rechtsordnung dem Staat die Möglichkeit bietet, durch seine Organe in irgendeiner Weise auf eine Nichtbeachtung dieser Vorschriften zu reagieren und durch geeignete Maßnahmen auf eine gegenwärtige und künftige Beachtung hinzuwirken. Gleichwohl erlaubt die Existenz einer materiellen Rechtsnorm mit einem gesetzlichen Geoder Verbot keinen Schluß von der Aufgabe einer Fachbehörde, am Vollzug dieses Gesetzes mitzuwirken, auf ihre Befugnis, zur Verwirklichung und Durchsetzung dieser Bestimmungen Verwaltungsakte erlassen zu dürfen, wie das Bundesverwaltungsgericht beispielsweise zum Verbot einer nicht genehmigten Ausübung der Heilkunde („Heilmagnetisieren") zutreffend festgestellt hat9. Denn zunächst ist der Erlaß eines Verwaltungsaktes keineswegs das einzige Mittel, das der Gesetzgeber als Reaktion auf Verstöße gegen gesetzliche Geoder Verbote vorsehen kann. So können insbesondere Sanktionsdrohungen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts general- und spezialpräventiv künftigen Verstößen vorbeugen. Der Umstand, daß die Nichtbefolgung eines gesetzlichen Ge- oder Verbotes als Straftat oder Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann, schließt zwar nicht aus, daß eine Behörde zugleich befugt ist, mittels Verwaltungsaktes die Ausführung des Gesetzes zu verlangen oder für den Bestand der Pflicht erhebliche Tatsachen festzustellen 10. Jedoch können die zuständigen Verwaltungsbehörden grundsätzlich auch auf andere Weise als durch den Erlaß von Verwaltungsakten für die Beachtung des öffentlichen Rechts sorgen, beispielsweise mittels einer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung, einer Willensbeeinflussung durch die Gewährung oder den Entzug einer Begünstigung oder durch unverbindliche Informationen und Hinweise auf Rechtslage einschließlich der bei einer Pflichtverletzung drohenden Sanktionen und
9
BVerwG, U. v. 11.11.1993 - 3 C 45/91, NJW 1994, 3024 (3027) = GewArch 1994, 336 (337 f.) = BVerwGE 94, 269 = JURIS Nr. WBRE310694803 ; ebenso OVG NW, U. v. 2.12.1998 - 13 A 5322/96, DVB1. 1999, 1057 (1058); vgl. die Darstellung sowie weitere Beispiele aus der Rechtsprechung in Teil 4, C.II.2.b). 10 BVerwG, U. v. 25.10.1972 - VIII C 112.71, BVerwGE 41, 106 (110); U. v. 24.6.1976 - I C 56.74, GewArch 1976, 293 (294 f.); Arbeiter, S. 55 ff.; Osterloh, JuS 1983,280 (281).
B. Verwaltungsakte von Amts wegen zur Regelung gesetzlicher Pflichten
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schließlich durch Bußgelder für begangene Ordnungswidrigkeiten 11. Im Kontext der Kompetenzen und Zuständigkeiten anderer Organe der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt stellt es daher keineswegs immer eine planwidrige Lücke dar, wenn sich die Aufgabe einer Behörde darauf beschränkt, ohne hoheitliche Eingriffe lediglich mit allgemeiner Aufklärungsarbeit und individuellen Auskünften, Mitteilungen und Appellen auf die Beachtung des Gesetzes hinzuwirken. Wer annimmt, die „zuständige Behörde" sei schon aufgrund einer Pflichtnorm grundsätzlich befugt, deren Inhalt durch Verwaltungsakt zu konkretisieren, ignoriert den Unterschied zwischen Aufgaben und Befugnissen. Vielmehr ist gerade zu fragen, ob diese „zuständige Behörde" auch die Kompetenz für den Erlaß dieses Verwaltungsaktes besitzt, d.h. ob ihr die aus Aufgabe und Befugnis zusammengesetzte Kompetenz zu einer derartigen Regelung zugewiesen wurde. Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt für einen Eingriff durch Verwaltungsakt eine auf dieses Mittel bezogene Ermächtigung, welche die Voraussetzungen des Eingriffs regeln muß. Das Vorbehalts- und das Verhältnismäßigkeitsprinzip verbieten eine Interpretationsmethode, nach der die Verwaltung zum Zwecke eines möglichst effektiven Schutzes öffentlicher Interessen ohne normative Anhaltspunkte grundsätzlich möglichst viele Befugnisse haben soll. Folglich stellt die Befugnis zum Erlaß eines Verwaltungsaktes keine a priori vorauszusetzende Verwaltungskompetenz jeder Behörde dar, die vom Gesetzgeber in irgendeiner Weise mit der Vollziehung eines Gesetzes betraut worden ist, das eine allgemeine Pflichtnorm enthält12.
2. Die Generalklauseln und das Subsidiaritäts- und Spezialitätsprinzip des Polizei- und Ordnungsrechts Die Befugnisgeneralklauseln erlauben es allerdings auch den Polizei- und Ordnungsbehörden nicht immer, die Befolgung gesetzlicher Pflichten im Einzelfall mittels einer konkretisierenden Verfügung durchzusetzen. Die erste „Lücke" in den Regelungsbefugnissen der Verwaltung ergibt sich aus dem Subsidiaritätsprinzip als Grenze der polizeilichen Zuständigkeit. Auch wenn die gesamte Rechtsordnung zum Schutzgut der öffentlichen Sicherheit gehört, so heißt dies nicht, daß es Aufgabe der Polizei- und Ordnungsbehörden wäre, jeden Rechtsbruch zu verhindern oder eine eingetretene Störung zu beseitigen. Die allgemeinen Polizei- und Ordnungsbehörden besitzen keine primäre, sondern nur eine subsidiäre Allzuständigkeit zur Gefahrenabwehr. Kompetenzen,
11 Vgl. Arbeiter, S. 47 ff.; BayVGH, U. v. 25.2.1983 - 25 B 81 A/l 183, NVwZ 1983, 550 f.; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 16. 12 P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 22 f.; vgl auch oben Teil 6, E.
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
die der Gesetzgeber anderen Behörden oder Gerichten übertragen hat, gehören grundsätzlich nicht in den Zuständigkeitsbereich der allgemeinen Polizei- und Ordnungsbehörden 13. Die Aufgabe, für die Einhaltung des materiellen Verwaltungsrechtes zu sorgen, obliegt primär der Fachbehörde, die für die Anwendung und Vollziehung der gesetzlichen Vorschriften zuständig ist; diese darf zur Wahrnehmung ihrer speziellen Aufgabe nur die ihr zu diesem Zweck zugewiesenen Mitteln einsetzen14. Die zuständigen Fachbehörden können ihrerseits auf die Befugnisnormen des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechtes zurückgreifen, wenn es sich bei ihnen um Sonderordnungs- bzw. besondere Polizeibehörden handelt15 und das jeweilige Fachgesetz keine abschließende Regelung der behördlichen Befugnisse enthält 16 . Das Subsidiaritätsprinzip gilt also nicht nur dort, wo Sonderordnungsbehörden (besondere Polizeibehörden) mit der Gefahrenabwehr betraut sind, sondern auch im Verhältnis zu Behörden der allgemeinen Verwaltung und Fachbehörden, deren Aufgaben und Befugnisse materiell „entpolizeilicht" sind. Nur „soweit ein Handeln der anderen Behörden nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint", hat die Polizei im Falle der konkurrierenden Zuständigkeit einer anderen Behörde eine subsidiäre Eilzuständigkeit zur Gefahrenabwehr 17. Folglich darf die allgemeine Polizei- bzw. Ordnungsbehörde ihre Befugnisse nicht schon dann einsetzen, wenn einer anderen Behörde für ihre Vollzugsaufgaben eine Befugnisnorm fehlt. Die fehlende Zuständigkeit der allgemeinen Polizei- und Ordnungsbehörden, welche sich aus den gesetzlichen Subsidiaritätsregelungen ergibt, ist der Grund dafür, warum die polizei- und ordnungsbehördlichen Generalklauseln in der Verwaltungspraxis 18 - entgegen einer in der Literatur von Arbeiter 19
13
Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 237 ff; Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 25 ff, in Schmidt-Aßmann, Bes. VerwR. 14 Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 29 f., in Schmidt-Aßmann, Bes. VerwR. 15 Sonderordnungsbehörden sind i.d.R. nur außerhalb der allgemeinen inneren Verwaltung stehende (Ausnahme gem. § 3 Abs. 1 2. Hs. OBG NW), organisatorisch verselbständigte Behörden, denen durch Bundes- oder Landesrecht besondere Aufgaben im Bereich der Gefahrenabwehr zugewiesen sind. Soweit eine zuständigkeitszuweisende Norm keine ausdrückliche Regelung der Kompetenzwahrnehmung als Sonderordnungsbzw. besondere Polizeibehörde enthält, kommt wegen der allgemeinen Tendenz zur „Entpolizeilichung" eine Interpretation als ordnungsbehördliche Zuständigkeit i.d.R. nur im Bereich der früheren Verwaltungspolizeien in Betracht. In keinem Fall ordnungsbehördlich sind Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung ohne staatliches Weisungsrecht. Zur Abgrenzung vgl. Götz, Allg. Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 576578; Habermehl, Rn. 297 ff.; Denninger in Lisken/Denninger, Rn. E 186 ff. 16 Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 26, 26a, in Schmidt-Aßmann, Bes. VerwR; Götz, Allg. Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 579. 17 Vgl. Fn. 14. 18 Zumindest enthält die veröffentlichte Rechtsprechung keinerlei Hinweise auf eine solche Vorgehensweise.
B. Verwaltungsakte von Amts wegen zur Regelung gesetzlicher Pflichten
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vertretenen Ansicht - zu Recht nicht als Ermächtigungsgrundlagen herangezogen werden, um die Erfüllung von Schadensersatz-, Erstattungsoder sonstigen Pflichten des Bürgers, die aus verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen entstanden sind, mit Polizei- oder Ordnungsverfügungen durchzusetzen 20. Aus dem gleichen Grunde kam weder die polizei- noch die ordnungsbehördliche Generalklausel bei dem Sachverhalt der in BVerwGE 41, 106 ff. veröffentlichten Entscheidung des 8. Senates des Bundesverwaltungsgerichts als Ermächtigungsgrundlage für eine Verfügung zur Konkretisierung des gesetzlichen Verbotes der Selbstbenutzung von Sozialwohnungen in Betracht 21. Denn die sich aus dem WoBindG ergebenden Aufgaben waren den nach § 3 WoBindG i.V.m. den Regelungen des nordrhein-westfalischen Landesrecht zuständigen Stellen nicht zur Wahrnehmung als Sonderordnungsbehörden mit den sich aus dieser Funktion ergebenden Befugnissen übertragen worden 22 . Innerhalb des Polizei- und Ordnungsrechts ist die Generalermächtigung als allgemeine Regelung aus rechtssystematischen und teleologischen Gründen auch ohne eine positivrechtliche Normierung des innerpolizeilichen Subsidiaritäts- und Spezialitätsgrundsatzes23 nicht anwendbar, wenn und soweit das Spezialgesetz eine abschließende Regelung der Befugnisse enthält. Das Spezialgesetz schließt eine Anwendung der Generalermächtigung nicht nur dann aus, wenn es eine spezielle Ermächtigung zur verbindlichen Konkretisierung der materiellen Pflichtnorm enthält. Es hat schon dann eine verdrängende Wirkung, wenn es den Kreis der in Frage kommenden behördlichen Maßnahmen abschließend in der Weise regelt, daß eine konkretisierende Verfügung dieses Inhalts von ihm nicht erfaßt wird. Ob das Spezialgesetz noch einen Rückgriff auf die subsidiär geltende Generalklausel zuläßt, ist eine durch Auslegung des Spezialgesetzes zu klärende Frage 25, die nichts mit der Bestimmtheit bzw. Aus-
19
Arbeiter, S. 89 ff. (99 f.). Die h.L. und Rechtsprechung setzen die fehlende Kompetenz der Polizei- und Ordnungsbehörden als so selbstverständlich voraus, daß hierzu keinerlei Ausführungen gemacht oder Begründungen gegeben werden (vgl. für viele Osterloh, JuS 1983, 280 (281, 283, Fn. 39). 21 Vgl. oben Teil 4, C.II.6. 22 Zum heute geltenden Recht vgl. § 2 Nr. 1 der Verordnung über Zuständigkeiten im Wohnungs- und Kleinsiedlungswesen vom 2.6.1992 (SGV NW 237). 23 Vgl. z.B. § 14 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 2 OBG NW. 24 Zu den Einzelheiten des innerpolizeilichen Subsidiaritäts- und Spezialitätsprinzips vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 154 f.; Friauf Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 26, 26a, in Schmidt-Aßmann, BesVerwR; Götz, Allg. Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 579. 25 Vgl. Fn. 24. 20
410
Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
legungsbedürftigkeit der Pflichtnorm zu tun hat 26 . Sonderordnungsbehörden haben also grundsätzlich die in den Spezialgesetzen vorgesehenen Befugnisse, können aber u.U. auf die ausdrückliche Befugniszuweisung der Generalklausel zurückgreifen. Überträgt der Gesetzgeber dagegen die Wahrnehmung einer Aufgabe einer Stelle der allgemeinen Verwaltung oder einer Fachbehörde, die diese Aufgabe nicht als Polizei- bzw. Sonderordnungsbehörde zur Gefahrenabwehr wahrnehmen soll, so ist ein solcher Rückgriff ausgeschlossen. Wer bei einer solchen Rechtslage nun ohne eine ggf. im Wege der Auslegung zu gewinnende, spezielle Befugniszuweisung die jeweilige Pflichtnorm in eine Ermächtigung der zuständigen Fachbehörde umdeutet, diese durch Erlaß einer konkretisierenden Verfügung oder eines Feststellungsbescheides zu vollziehen, setzt sich in Widerspruch zu der gesetzgeberischen Entscheidung, die Aufgabe gerade nicht als Aufgabe der Gefahrenabwehr mit dem im Polizei- und Ordnungsrecht möglichen Rückgriff auf die Generalklausel wahrnehmen zu lassen. Wenn also eine Stelle der öffentlichen Verwaltung, die weder Polizei- noch Ordnungsbehörde ist, für den Vollzug eines Gesetzes mit unmittelbar kraft Gesetzes geltenden Pflichten zuständig ist und diese Behörde nicht zum Erlaß eines konkretisierenden Verwaltungsaktes ermächtigt ist, so dürfen von Amts wegen weder konkretisierende Verfügungen noch belastende Feststellungsbescheide ergehen. Würde man nämlich neben der Generalklausel im Bereich der Gefahrenabwehr noch eine ungeschriebene allgemeine Ermächtigung der Verwaltung zum Erlaß feststellender und konkretisierender Verwaltungsakte anerkennen, so wäre die gesetzliche Regelungssystematik unseres Ordnungs-, Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrechts erheblich gestört 11. Da das besondere Verwaltungsrecht im Bereich der Gefahrenabwehr mit Spezialermächtigungen und subsidiärer polizei- bzw. ordnungsbehördlicher Generalermächtigung eine geschlossene Systematik der Eingriffsbefugnisse enthält, besteht für die Durchsetzung allgemeiner Pflichten keine noch durch Rückgriff auf vermeintliche gewohnheitsrechtliche Rechtsgrundsätze zu schließende generelle „Lücke" im System der behördlichen Befugnisnormen 28. Insoweit wenden die im Uberblick wiedergegebenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Wohnraumzweckentfremdung und der Untersagung des „Heilmagnetisierens" ohne Heilpraktikererlaubnis sowohl den Vorbehalt des Gesetzes als auch die auf 26
Osterloh, JuS 1983, 280 (283). Vgl. Osterloh, JuS 1983, 280 (283 f.) mit dem Beispiel des § 17 Abs. 1 BImSchG. 28 Götz, Allg. Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 580; Drews/Wacke/Vogel/Martens S. 154 f.; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 23, in Steiner, Bes. VerwR; Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, F. Rn. 457; Osterloh, JuS 1983, 280 (283 f.); Mußmann, GewArch 1986, 126; hechelt, DVB1. 1993, 1048 ff.; ebenso Christiane Fischer, S. 137 f. 27
B. Verwaltungsakte von Amts wegen zur Regelung gesetzlicher Pflichten
411
seiner Basis entwickelten elementaren Grundsätze des Polizei- und Ordnungsrechts konsequent an, wenn sie für den Erlaß einer gesetzliche Pflichten konkretisierenden Verfügung eine diese Kompetenz regelnde Ermächtigung verlangen 29. Enthält ein bestimmtes Fachgesetz keine Ermächtigung zum Erlaß einer konkretisierenden Verfügung, ist also weiter zu prüfen, ob dieses Gesetz eine abschließende Regelung sämtlicher behördlichen Eingriffsbefugnisse enthält, oder ob die gleiche oder eine andere Behörde die gesetzlichen Ge- oder Verbote mittels eines Verwaltungsaktes konkretisieren darf, der auf die polizeibzw. ordnungsbehördliche Generalklausel gestützt wird.
3. Freiheitssichernde
Funktion der Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung
Durch den Verzicht auf das Erfordernis einer besonderen Befugnisnorm für konkretisierende Verfügungen und belastende Feststellungsbescheide käme es sonst zu einer Mißachtung der besonderen sachlichen und formellen Voraussetzungen der spezialgesetzlichen Eingriffsermächtigungen, mit denen die berührten öffentlichen und privaten Interessen bereichsspezifisch in einem geordneten Verwaltungsverfahren zu einem sachgerechten Ausgleich gebracht werden sollen. Insoweit ignorieren die vordergründig mit dem Sinn und Zweck der Fachgesetze operierenden Effektivitätsargumente, die zugunsten einer stillschweigenden Ermächtigung immer wieder vorgebracht werden, gerade den Zweck und spezifischen Sinnzusammenhang der materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften unseres besonderen Verwaltungsrechts. Zugleich ist zu beachten, daß auch die Zuständigkeitszuweisungen an bestimmte Behörden auf rechtspolitischen Entscheidungen des Gesetzgebers beruhen. So werden häufig Zuständigkeiten für die Erteilung und Versagung einer Genehmigung von denen der laufenden Überwachung der gesetzlichen Pflichten (einschließlich der Beachtung des Genehmigungserfordernisses) getrennt, weil die erstgenannten Grundsatzentscheidungen den dort stärker spezialisierten und juristisch unterstützten Fachbeamten vorbehalten bleiben sollen, während die laufende Überwachung durch ortsnahe Behörden und ggf. mit dem Polizei- und Ordnungsrecht besser vertraute Behörden erfolgen soll. Die rechtspolitische Entscheidung, ob eine bestimmte Kompetenzverteilung im Gesamtsystem wirklich effizient ist, steht dem zuständigen Gesetz- oder Verordnungsgeber zu, nicht aber den für den Vollzug im Einzelfall möglicherweise zuständigen Behörden, auch wenn die Zuständigkeit einer Ordnungs- statt der Fachbehörde im Einzelfall zu einer Verzögerung der Durchsetzung führen kann.
29
Vgl. die Darstellung und Nachweise in Teil 4, D.II.2.b).
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
I I I . Vorbeugender Rechtsschutz durch die Gerichte und die Verwaltung 1. Die konkrete Gefahr als Eingriffsvoraussetzung
der Generalklauseln
Aber selbst da, wo die subsidiäre Zuständigkeit einer Polizei- oder Ordnungsbehörde zur Wahrnehmung der Aufgabe der Gefahrenabwehr gegeben ist, wäre die Verwaltung öfter und früher in der Lage, gesetzliche Pflichten des Bürgers zu regeln, wenn sie nicht nur bei Erfüllung der Eingriffsvoraussetzungen der polizei- oder ordnungsbehördlichen Generalklausel, sondern bereits aufgrund der jeweiligen Pflichtnorm die Befugnis hätte, gesetzliche Gebote und Verbote und die für den Bestand solcher Pflichten rechtlich erheblichen Tatsachen verbindlich zu regeln. Denn die polizeiliche Generalklausel sieht als Schwelle für polizeiliche Eingriffe das tatsächliche Vorliegen einer konkreten Gefahr vor 30 . So stört zwar die polizeiliche Sicherheit, wer einem gesetzlichen Verbot zuwiderhandelt, und wer sich durch seine Handlungen dazu unmittelbar anschickt, gefährdet sie 31 . Besteht hingegen nur abstrakt die Möglichkeit, daß ein Bürger durch ein zukünftiges Verhalten möglicherweise Normen des materiellen Rechts verletzt, so liegt noch keine konkrete Gefahr vor. Aufgrund der menschlichen Entscheidungsfreiheit steht nämlich noch nicht fest, wie sich der betroffene Normadressat in Zukunft verhalten wird 3 2 . Insbesondere ist zu berücksichtigen, daß Verwaltungsrechtsnormen oft nur Unterlassungspflichten begründen, der Bürger sich also objektiv rechtstreu verhält, solange er nicht dem gesetzlichen Verbot zuwiderhandelt. Hat der Normadressat noch nicht in einer Weise gehandelt, die nach Ansicht der zuständigen Behörde das materielle Recht bereits verletzt, so darf die Verwaltung ihm ein solches Verhalten nicht einfach unterstellen. Eine konkrete Gefahr liegt erst dann vor, wenn sich aus dem Stand der Vorbereitungen oder Erklärungen des Normadressaten ergibt, daß eine Verletzung der gesetzlichen Pflicht unmittelbar bevorsteht und nicht erst von weiteren Dispositionen des Betroffenen abhängt. Die bloße Möglichkeit eines Schadens ist dagegen noch keine konkrete Gefahr i.S. der Generalklausel 33.
30
Zu Begriff und Zeitpunkt der konkreten Gefahr umfassend Drews/Wacke/Vogel/ Martens, S. 410 ff. m.w.N. 31 Drews!Wacke!Vogel!Martens, S. 155. 32 Darnstädt, S. 70 ff. 33 Darnstädt, S. 72.
B. Verwaltungsakte von Amts wegen zur Regelung gesetzlicher Pflichten
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2. Urteile und Verwaltungsakte zur vorbeugenden Regelung gesetzlicher Rechte und Pflichten Zutreffend hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts daher im zweiten Wohnraumzweckentfremdungsurteil 34 den Schluß a maiore ad minus von der Zulässigkeit einer Untersagungsverfiigung auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verhaltens abgelehnt, solange eine Untersagungsverfiigung noch gar nicht ergehen dürfte. Die Untersagungsverfiigung hätte nämlich eine dem Wohnraumzweckentfremdungsverbot widersprechende gewerbliche Nutzung 35 oder zumindest ein Verhalten des Hauseigentümers vorausgesetzt, bei dem bereits die konkrete Gefahr einer pflichtwidrigen Wohnraumzweckentfremdung bestand. Eine solche Gefahr hätte beispielsweise vorgelegen, wenn der Eigentümer ein Bauunternehmen mit Umbaumaßnahmen zur gewerblichen Nutzung oder einen Makler mit der Vermietung als Büroräume beauftragt hätte. An einer solchen konkreten Gefahr fehlte es aber im vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall, weil die strittigen Räume bei Erlaß des Widerspruchsbescheids noch leerstanden und der Eigentümer mit der Gemeinde auch noch darüber stritt, ob ihm bei einer Vermietung der Räume zu Wohnzwecken eine sog. Umwandlungsprämie zu gewähren wäre 36 . So wird durch die Eingriffsschwelle der konkreten Gefahr ein Unternehmer in der Phase vorbereitender Planungen, in der er die rechtlichen, technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen und Folgen eines Vorhabens prüft und zu diesem Zwecke Verhandlungen mit den zuständigen Behörden und potentiellen Geschäftspartnern führt, in seiner Dispositionsfreiheit vor hoheitlichen Eingriffen geschützt. Andernfalls wäre er nämlich gezwungen, gegen die Regelung vorbeugend Widerspruch und ggf. eine verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklage zu erheben, um sich die Möglichkeit zu erhalten, in Zukunft eine vielleicht wirtschaftlich sinnvolle Gewerbetätigkeit aufnehmen zu können. Daher könnte die zuständige Behörde eine Ordnungsverfügung auch nicht etwa damit begründen, aus einer bei ihr gestellten Voranfrage, ob ein bestimmtes Verhalten zulässig oder verboten sei, ergebe sich die Gefahr eines pflichtwidrigen Verhaltens des Frage- bzw. Antragstellers 37.
34
BVerwG, U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83: BVerwGE 72, 265 (269), vgl. Teil 4, C.III.6. m.w.N. 35 So das Bundesverwaltungsgericht im 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil, BVerwG, U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83: BVerwGE 72, 265 (269), vgl. Teil 4, C.III.6. m.w.N. 36 Wesentliche Elemente des in BVerwGE 72, 265 nicht abgedruckten Sachverhalts finden sich in NJW 1986, 1120, vollständiger Tatbestand in JURIS Nr.: WBRE101128602, vgl. Teil 4, C.III.6. m.w.N. 37 Die Frage der Zulässigkeit eines von Amts wegen ergehenden Bescheids ist im Hinblick auf den freiheitssichernden Zweck des Vorbehaltsprinzips von der später zu
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
Zu Recht ist der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seiner Entscheidung zur Feststellung der Genehmigungspflichtigkeit einer Gewerbetätigkeit selbst davon ausgegangen, daß er bei seiner Auslegung des § 34c Abs. 1 GewO der zuständigen Behörde mit der Befugnis, den Inhalt der materiellen Rechtsnorm durch Verwaltungsakt festzustellen, auch die Kompetenz einräumt, zu einem präventiven Schutz der jeweiligen Rechtsordnung noch vor einem möglicherweise rechtswidrigen Verhalten des Bürgers dessen materielle Rechte und Pflichten zu regeln 38. Derartige vor Eintritt einer konkreten Gefahr erlassene Verwaltungsakte können in Anlehnung an die prozeßrechtliche Terminologie als Instrumente eines präventiven oder vorbeugenden Rechtsschutzes bezeichnet werden 39 . In der zeitlichen Dimension eines Rechtsanwendungsprozesses spielen zwar grundsätzlich immer vergangene, gegenwärtige und zukünftige Elemente eines Rechtsverhältnisses eine Rolle 40 . So dient jede hoheitliche Regelung der Steuerung des künftigen Verhaltens der Rechtssubjekte und ist insoweit durch ihre Verbindlichkeit immer zukunftsgerichtet 41. Jedoch wird im zivilprozessualen „Normalfall" eines Rechtsschutzverfahrens mit der auf ein bestimmtes Tun gerichteten Leistungsklage ebenso wie mit einer allgemeinen Leistungsklage vor den Verwaltungsgerichten die verbindliche Konkretisierung von Rechtsfolgen erstrebt, die sich aus einem bereits abgeschlossenen Lebenssachverhalt ergeben. Eine vergleichbare Funktion kommt unter den Verwaltungsakten z.B. folgenden Regelungen zu: •
einem Leistungs- oder Erstattungsbescheid, mit dem die Behörde aus einem schadensstiftenden Ereignis oder einer zu Unrecht erfolgten Geldleistung die rechtlichen Konsequenzen ziehen will und die fallige, d.h. sich aus einem gesetzlichen Gebot gegenwärtig ergebende Zahlungspflicht durchsetzen will;
•
einer Verfügung, mit dem einem Gewerbetreibenden die Fortsetzung einer genehmigungspflichtigen, ohne die erforderliche Zulassung aufgenommenen Tätigkeit gem. § 15 Abs. 2 GewO untersagt wird;
untersuchenden Frage zu trennen, ob die Behörde aufgrund eines explizit auf Erlaß eines Feststellungsbescheides gerichteten Antrags zu einer feststellenden Regelung befugt ist, vgl. dazu unten C. 38 BVerwG, B. v. 10.10.1990 - 1 B 131/90, NVwZ 1991, 267 (268), vgl. die Darstellung der Urteilsgründe oben Teil 4, D.5.b). Zustimmend J. Martens, NVwZ 1987, 106 f. und Kopp, GewArch 1986, 41 (45 f.). 39 Maetzel, DVB1. 1974, 335 ff. m.w.N. 40 Trzaskalik, S. 27 ff., 58 ff., passim; Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, § 43 Rn. 2, 49. 41 Maetzel, DVB1. 1974, 335; J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 34, 210-214.
B. Verwaltungsakte von Amts wegen zur Regelung gesetzlicher Pflichten
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•
einer Verfügung, mit der ein Gewerbetreibender nach Beginn eines selbständigen, nicht genehmigungspflichtigen Betriebes aufgefordert wird, die nach § 14 Abs. 1 GewO erforderliche Anzeige abzugeben und
•
allen Ordnungsverfügungen, mit denen die Beseitigimg eines rechtswidrigen Zustands, d.h. einer bereits eingetretenen Störung der öffentlichen Sicherheit, gefordert wird.
Der von der Rechtswissenschaft entwickelte Begriff des vorbeugenden Rechtsschutzes knüpft dagegen am speziellen Verfahrensziel an und bezeichnet solche Entscheidungen, die durch die Beurteilung eines noch nicht vollständig verwirklichten Tatbestandes 42 darauf gerichtet sind, künftige Rechtsverletzungen zu verhindern 43. Der Anlaß für eine derartige Entscheidung wird gleichwohl regelmäßig ein vergangener oder gegenwärtiger Zustand, ein abgeschlossenes oder noch andauerndes Verhalten oder eine Erklärung einer am Rechtsverhältnis beteiligten Person über ein von ihr geplantes Verhalten sein 44 . Unterlassungsklagen sind gegen künftige Beeinträchtigungen gerichtet und in einem weiten Sinne deshalb notwendig vorbeugend. Der Terminus „vorbeugende Unterlassungsklage" wird demgegenüber für Unterlassungsklagen reserviert, die eine erstmals drohende Beeinträchtigung abwehren sollen, während das Klageziel der allgemeinen Unterlassungsklage darin besteht, nach schon erfolgter Beeinträchtigung zukunftsgerichtet weitere Rechtsbeeinträchtigungen zu verhindern 45. Auch die meisten Feststellungsklagen sind im weiteren Sinne Instrumente vorbeugenden Rechtsschutzes46. Überwiegend werden die Ausdrücke vorbeugender oder präventiver Rechtsschutz im Zusammenhang mit den vorbeugenden Unterlassungs- und Feststellungsklagen des Zivil- und Verwaltungsprozeßrechtes gebraucht. Da das öffentliche Recht aber nicht nur das Urteil, sondern auch den Verwaltungsakt als hoheitliche Regelungsform kennt, erscheint es gerechtfertigt, den Begriff der vorbeugenden (präventiven) Entscheidung i.w.S. auf Verwaltungsakte zu übertragen 47: Der Feststellungsklage mit einer vorbeugenden Rechtsschutzfunktion entspricht funktional ein Feststellungsbescheid, der verwaltungsrechtliche
42
Trzaskalik, S. 27 f., 57 ff. (80 f.), 81 ff. BVerwG, U. v. 08.09.1972 - IV C 17.71, BVerwGE 40, 323 (326) = JURIS Nr. BURE003698199 (Krabbenkamp); Maetzel, DVB1. 1974, 335; Pietzcker in Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Rn. 162. 44 Trzaskalik, S. 27 ff., 58 ff.; Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Rn. 162 ff. 45 Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Rn. 162. 46 Trzaskalik, S. 23 ff., 68 ff. 120 ff.; Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 43 Rn. 49. 47 Maetzel, DVB1. 1974, 335 (339, 341). 43
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
Rechte, Pflichten oder rechtlich erhebliche Eigenschaften im Hinblick auf ein künftiges Verhalten der Verwaltung oder eines Bürgers regelt. Bei der Suche nach funktionalem Äquivalent zum Rechtsinstitut der vorbeugenden Unterlassungsklage ist zu differenzieren: Die Aufgabe einer präventiven Unterlassungsklage der Verwaltung wird im Verwaltungsverfahren von einer Verbotsverfügung übernommen, mit der eine aus einem gesetzlichen Verbot - nach Auffassung der Behörde - resultierende Unterlassungspflicht noch vor einem ihr widersprechenden Verhalten des Bürgers konkretisiert wird. Das deutsche Verwaltungs- und Verwaltungsvollstreckungsrecht kennt dagegen keine Verwaltungsakte, in denen ein gegen die erlassende Behörde selbst gerichtetes Verbot in vollstreckbarer Weise ausgesprochen wird 48 . Einem Urteil, mit dem der (vorbeugenden) Unterlassungsklage eines Bürgers stattgegeben wird, entspricht deshalb funktional ein feststellender Verwaltungsakt, der ausspricht, daß der Adressat zu einem bestimmten Verhalten berechtigt oder - spiegelbildlich formuliert - die Verwaltung zu einem Einschreiten gegen dieses Verhalten oder zur Vornahme bestimmter anderer Handlungen nicht berechtigt ist 49 .
3. Das rechtliche Interesse an einer alsbaldigen Feststellung und die drohende (Wiederholungs-)Gefahr als Voraussetzungen einer vorbeugenden Regelung durch die Gerichte Für den Erlaß eines (vorbeugenden) Unterlassungs- oder Feststellungsurteils sieht unsere Rechtsordnung in einer Vielzahl von Rechtsbeziehungen des privaten wie des öffentlichen Rechts eine jeweils näher definierte, besondere Störung oder konkrete Gefahrdung des materiellen Rechts als materiellrechtliche Anspruchsvoraussetzung bzw. als besondere Form des Rechtsschutzbedürfnisses vor. So gehört die Wiederholungsgefahr, d.h. die auf Tatsachen begründete, objektive Besorgnis (weiterer) Störungen des geschützten Rechtes nach h.M. zu den regelmäßigen materiellen Anspruchsvoraussetzungen eines negatorischen Unterlassungsanspruchs aus § 1004 BGB (analog) 50. Nach dem Wortlaut des § 1004 BGB („weitere") setzt der zivilrechtliche Unterlassungsanspruch eine bereits erfolgte Rechtsbeeinträchtigung voraus, welche jedoch bereits in der Ankündigung der verbotenen Handlung liegen kann. Darüber hinaus ist nach
48
Vgl. oben Teil 2, C.II.2. Ähnlich Maetzeh DVB1. 1974, 335 (339, 340 f.). 50 Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 29; Medicus in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 1004 Rn. 82. 49
B. Verwaltungsakte von Amts wegen zur Regelung gesetzlicher Pflichten
417
ständiger Rechtsprechung ein individueller Unterlassungsanspruch auch gegenüber einer erstmals drohenden Beeinträchtigung gegeben; trifft der Störer Anstalten zu einer Verletzungshandlung, so braucht mit der Unterlassung nicht bis zur Vollendung des Eingriffs in das geschützte Rechtsgut gewartet werden 51 . Damit entsprechen die Voraussetzungen eines zivilrechtlichen Unterlassungsanspruchs weitgehend dem Begriff der „konkreten Gefahr" für die öffentliche Sicherheit und Ordnung i.S. des Polizei- und Ordnungsrechtes. In ähnlicher Weise setzt auch die Zulässigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Unterlassungsklage eine drohende konkrete Rechtsverletzung voraus 52. Feststellungsurteile setzten sowohl nach § 256 Abs. 1 ZPO als auch nach § 43 VwGO ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung voraus 53. Ein solches besonderes Rechtsschutzinteresse für eine noch im Vorfeld der Gefahrenabwehr erhobene, vorbeugende Feststellungsklage gegen den Bürger würde der Verwaltung jedenfalls meist schon deshalb fehlen, weil sie die bedrohten Interessen mit einer Ordnungsverfügung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung noch rechtzeitig schützen kann, sobald eine konkrete Gefahr eines Verstoßes gegen eine gesetzliche Pflicht entsteht54. Denn durch diese speziellen Sachurteilsvoraussetzungen der vorbeugenden Unterlassungs- und der Feststellungsklagen soll nicht nur eine funktionswidrige Inanspruchnahme der staatlichen Rechtsanwendungsorgane abgewehrt werden 55 . Bei gegen einen Bürger gerichteten Klagen soll dieser in seiner grundrechtlich geschützten Handlungsfreiheit und daraus resultierenden Privatautonomie vor der Notwendigkeit, seine Rechtsposition in einem Gerichtsverfahren zu verteidigen, und vor dem Urteil als einer ihn belastenden hoheitli51 Palandt/Bassenge, § 1004 Rn. 29; Medicus in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 1004 Rn. 80 f.; zu dem i.d.R. auf der Wiederholungsgefahr beruhenden Rechtsschutzbedürfiiis als Prozeßvoraussetzung sonstiger zivilprozessualer Unterlassungsklagen vgl. Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundzüge vor § 253 Rn. 54 ff. m.w.N. 52 Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Rn. 162 f.; Happ in Eyermann, § 42 Rn. 67 f., vor § 40 Rn. 25. Besonderheiten gelten nur für eine gegen den Erlaß eines Verwaltungsaktes gerichtete vorbeugende Unterlassungsklage (vgl. Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Rn. 164 ff. (m.w.N.)). 53 Zur zivilprozessualen Feststellungsklage vgl. nur Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 256 Rn. 36 ff. (m.w.N.); zur verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage Kopp/Schenke, VwGO, § 43 Rn. 23 ff.; Pietzcker in Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 43 Rn. 32 ff.; umfassend Trzaskalik S. 24 f., 108 ff., 168 ff, passim, jew. m.w.N. 54 Zum grundsätzlichen Streit um das Rechtsschutzbedürfhis einer Behörde für die Erhebung einer Leistungs- oder Feststellungsklage, wenn eine Klärung durch Verwaltungsakt möglich ist vgl. nur Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Rn. 171 (m.w.N.), § 43 Rn. 37, 39. 55 Trzaskalik,, S. 19 f. 27 Kracht
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
chen Entscheidung geschützt werden, solange er nicht selbst durch ein eigenes Verhalten (möglicherweise) selbst die Rechtsordnung verletzt hat oder sie in besonderer Weise gefährdet 56. Mit der Ausgestaltung des materiellen Rechts und der speziellen Sachurteilsvoraussetzungen für eine gerichtliche Entscheidung verwirklicht der Gesetzgeber also m.a.W. im Hinblick auf die rechtsprechende Gewalt den Vorbehalt des verhältnismäßigen Gesetzes, da die Gerichte nur unter den gesetzlich geregelten Voraussetzungen ermächtigt sind, durch ein Feststellungs- oder Unterlassungsurteil in die Handlungsfreiheit des verklagten Bürgers einzugreifen oder dem Kläger den geltend gemachten Anspruch durch ein klageabweisendes Urteil verbindlich abzusprechen.
4. Das öffentliche Interesse an einer vorbeugenden Regelung und deren Eingriffswirkungen als Zweck-Mittel-Relation Nach den Ergebnissen der Teile 5 und 6 der vorliegenden Untersuchung sind alle konkretisierenden Verfügungen und belastenden Feststellungsbescheide als Eingriffe zu qualifizieren, die zumindest von Amts wegen grundsätzlich nur aufgrund einer Ermächtigung erlassen werden dürfen, welche den Einsatz dieses Instruments des Verwaltungshandelns regelt. Aus dem Vergleich mit den Befugnissen der Gerichte, zum Schutz bestimmter Rechtsgüter präventiv gesetzliche Rechte und Pflichten durch Unterlassungs- und Feststellungsurteile zu regeln, ergibt sich, daß der Streit um die Geltung des Gesetzesvorbehalts für konkretisierende Verfügungen und Feststellungsbescheide sich nur für bestimmte Fallkonstellationen auf einen Streit um die richtige Rechtsform des Verwaltungshandelns beschränkt. Dies ist bei öffentlich-rechtlichen Zahlungsansprüchen und anderen Ansprüchen der Fall, bei denen sich aus der jeweiligen materiellen Rechtsnorm ergibt, daß eine bestimmte Behörde in einem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis zu einem Bürger steht und sie deshalb von ihm als Gläubigerin die Erfüllung eines falligen Anspruchs verlangen kann. Zumindest dann, wenn man der Behörde nicht die Befugnis gibt, ihren Anspruch durch Verwaltungsakt geltend zu machen, sind die allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen für eine allgemeine Leistungsklage vor den Verwaltungsgerichten erfüllt. Nur in diesen Fällen, in denen die Aufgabe, einen fälligen und (gerichtlich) durchsetzbaren Anspruch des Staates gegen einen Bürger geltend zu machen, bereits einer bestimmten Verwaltungsbehörde zugewiesen worden ist, reduziert sich die Vorbehaltsfrage auf eine Frage nach der richtigen Rechtsform des Verwaltungshandelns. Denn nicht nur der Verwaltungsakt, sondern auch die klageweise Geltendmachung führen bei einer fehlerhaften Entscheidung zu einem Rechtsverlust des Bürgers. Deshalb ist in je56
Vgl. Trzaskalik,
S. 24 f., 108 ff.
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nen Fällen nur noch danach zu fragen, ob die zuständige Behörde wegen der zusätzlichen Risiken und Belastungen, die mit dem Weg der Geltendmachung per Verwaltungsakt verbunden sind, einer speziellen Ermächtigung für diese Methode der Durchsetzung eines Anspruches bedarf, der fallig ist und andernfalls vor den Verwaltungsgerichten durchsetzbar wäre. Die Interessenlage und Rechtsschutzsituation sieht jedoch für alle Beteiligten anders aus, soweit es um vorbeugende Regelungen noch nicht abgeschlossener Rechtsverhältnisse geht. Da das materielle Verwaltungsrecht und die VwGO einen präventiven Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte nur unter besonderen Vorussetzungen gewähren, geht es hier nicht nur um die Rechtsform eines Verwaltungshandelns, sondern zugleich um die Frage, ob die Verwaltung schon jetzt befugt ist, eine verbindliche Regelung künftiger Rechte und Pflichten herbeizuführen. Es ist also nicht nur zu entscheiden, in welcher Rechtsform (Klage oder Verwaltungsakt) die Verwaltung einen Eingriff durch hoheitliche Entscheidung herbeiführen oder bewirken darf, sondern vor allem, ob ein Organ der vollziehenden oder der rechtsprechenden Gewalt unter den gegebenen Voraussetzungen überhaupt zu einem Eingriff in die Freiheitssphäre des Bürgers befugt isf. Grundsätzlich ist zwar ein legitimes öffentliches Interesse daran anzuerkennen, daß die an einem Verwaltungsrechtsverhältnis beteiligte Behörde darüber wacht, daß die jeweiligen materiellen Verwaltungsrechtsnormen vom Bürger eingehalten werden. Bei der Einräumung der Befugnis, ein zu verbindlicher Entscheidung führendes Rechtsanwendungsverfahren einzuleiten, kann aber 57
Vgl. dazu auch Teil 6, B. Besonders deutlich tritt die Fixierung auf die für Erstattungs- und andere Zahlungsansprüche passende Alternative einer verwaltungsgerichtlichen Leistungsklage bei Druschel hervor, der in seiner Untersuchung zur Verwaltungsaktbefugnis bestimmte Eingriffswirkungen des Verwaltungsakts zunächst mit dem Argument bestritten oder relativiert hat, diese seien wegen der alternativen Möglichkeit einer Klageerhebung als nicht rechtfertigungsbedürftiger Normalfall einer Rechtsdurchsetzung nicht rechtsformspezifisch (S. 51 ff., 56 f.). Verfehlt ist auch die von Druschel aufgestellte These, daß die Verwaltung, wenn man ihr - entsprechend der neueren Rechtsprechung - ohne eine spezielle gesetzliche Ermächtigung die Befugnis zum Erlaß eines Feststellungsbescheids verweigern würde, in jedem Fall noch die Möglichkeit habe, die Rechtsfrage durch Erhebung einer Feststellungsklage zu klären (S. 211). Da die Zulässigkeit einer Feststellungsklage in der Rechtsprechung sogar dann anerkannt sei, wenn die Behörde die Möglichkeit habe, das streitige Rechtsverhältnis durch Erlaß eines Verwaltungsaktes zu klären, müsse die Feststellungsklage erst recht zulässig sein, wenn ihr die Handlungsform des feststellenden Verwaltungsakts nicht zur Verfügung stehe. Dieser Erst-Recht-Schluß weist jedoch einen grundlegenden Denkfehler auf. Unter dem Aspekt des Vorbehalts des Gesetzes ist der Schluß von der schwereren Eingriffsbefugnis (hier: Erlaß eines feststellenden Verwaltungsakts) auf die leichtere Eingriffsbefugnis (hier: Erhebung einer Feststellungsklage) nur möglich, wenn der schwere Eingriff auch zulässig ist. An der Befugnis zum Erlaß eines Verwaltungsakt fehlt es hier jedoch gerade.
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nicht einseitig auf die Interessen des am materiellen Rechtsverhältnis beteiligten Staates oder Organes abgestellt werden 58 . Betrachtet man das Verwaltungsverfahren als Auseinandersetzung zweier Rechtssubjekte über ihre Rechte und Pflichten, so muß auch ein hinreichender Grund dafür vorhanden sein, warum der beteiligte Bürger gerade zum Entscheidungszeitpunkt mit den dann gegebenen Bedingungen zu seinen jetzt oder in Zukunft bestehenden Rechten und Pflichten Stellung nehmen und eine als rechtswidrig erachtete Entscheidung mit Rechtsbehelfen anfechten soll 59. Sowohl die Gerichte 60 als auch die Verwaltungsbehörden dürfen über das Bestehen einer Verhaltenspflicht oder das Nichtbestehen einer Berechtigung des Bürgers nur unter den sich aus dem materiellen und formellen Recht ergebenden Sachentscheidungsvoraussetzungen befinden. Die Kompetenz der Gerichte, zum Zwecke eines effektiven Schutzes gefährdeter Rechtsgüter durch ein Unterlassungs- oder Feststellungsurteil präventiv gesetzliche Rechte und Pflichten zu einem Zeitpunkt regeln zu können, in dem eine Rechtsverletzung noch nicht stattgefunden hatte, beruht also auf einer Interessenabwägung, bei der der Erhaltung der Handlungsfreiheit pro futuro ein hohes Gewicht zukommt. Aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kann auch der Verwaltung eine Kompetenz zur Regelung noch nicht abgeschlossener Lebenssachverhalte nur dann übertragen kann, wenn es ohne diese Entscheidung zu einer Gefahrdung öffentlicher Interessen kommen kann, welche solch frühzeitige Eingriffe in die Freiheitsspähre der Adressaten eines (möglicherweise) rechtswidrigen Verwaltungsaktes mit Blick auf das Risiko einer fehlerhaften Anwendung der Norm rechtfertigt. Bedenkt man nun, daß die Grundrechte des status negativus umgekehrt auch subjektive Ansprüche auf Unterlassung (von hoheitlichen Eingriffen) darstellen, die in ihrer Existenz keinen bestimmten vorherigen Freiheitsgebrauch voraussetzen 61, so sollte klar werden, daß sich die Interessenlage der am Rechtsverhältnis Beteiligten grundsätzlich unterscheidet, je nachdem, ob von einem Beteiligten - wie beim Leistungs- oder Erstattungsbescheid - die Regelung der Rechtsfolgen eines bereits abgeschlossenen Verhaltens oder die Beurteilung der Rechtslage im Hinblick auf ein zukünftiges Verhalten angestrebt wird 62 . Denn im letzten Fall hat das Verwaltungsverfahren einen noch teilweise hypothetischen Sachverhalt zum Gegenstand, bei dem es für beide 58
Entsprechend für die Feststellungsklage Trzaskalik, S. 24 f., passim. Entsprechend für die Feststellungsklage Trzaskalik, S. 24 f., passim. 60 Zum Gesetzesvorbehalt für Eingriffe der rechtsprechenden Gewalt vgl. Schwabe, Probleme, S. 29 m.w.N. 61 Schwabe, Probleme, S. 19 ff. 62 Vgl. Trzaskalik, S. 24 f., 60 ff., 108 ff., für Feststellungsklagen eines Bürgers gegen die Verwaltung und zivilprozessuale Feststellungsklagen eines Bürgers gegen eine andere Person des Privatrechts. 59
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Beteiligte noch ungewiß ist, ob die Entscheidung fiir ihr eigenes Verhalten relevant wird 63. Ähnlich wie für den Eingriff der rechtsprechenden Gewalt in die Freiheitssphäre des Bürgers, der mit dem Erlaß eines vorbeugenden Unterlassungs- oder Feststellungsurteils verbunden ist, muß deshalb auch für eine korrespondierende Entscheidung der Verwaltung ein besonderer Rechtfertigungsgrund dafür gegeben sein, den Bürger vor die Wahl zu stellen, entweder den Verwaltungsakt anzufechten, um sich seine grundrechtlich geschützten Verhaltensfreiheiten und Berechtigungen pro futuro zu erhalten, oder eine möglicherweise rechtswidrige Freiheitsbeschränkung hinzunehmen64. Würde man hingegen auch ohne korrespondierende Ermächtigung schon aufgrund der Pflichtnorm eine Kompetenz der zuständigen Behörde anerkennen, ihre Verwaltungsrechtsverhältnisse durch Verwaltungsakte zu regeln, so würde der zugrunde liegende Rechtssatz ausformuliert etwa so lauten: „Die zuständigen Verwaltungsbehörden können die nach ihrem Ermessen erforderlichen Feststellungsbescheide und konkretisierenden Verfügungen treffen, um die Möglichkeit einer Verletzung der Rechtsordnung abzuwehren/*65 Druschel schlägt gar einen § 35a VwVfG vor, der mit drei Ermächtigungen zum Erlaß von konkretisierenden Verfügungen und Feststellungsbescheiden alle denkbaren Regelungsinhalte erfassen, aber keinerlei tatbestandliche Eingriffsvoraussetzungen enthalten würde 66 . Bei einer solchen „Hyper-Generalklausel" würde es sich also nicht nur um die einer möglichen Doppelfunktion der Behörde als Beteiligte und Rechtsanwendungsorgan angepaßte Verlagerung der Entscheidungszuständigkeit vom
63
Entsprechend Trzaskalik, S. 68 ff. (80, 92), passim, zur verwaltungsgerichtlichen Feststellungs- und Unterlassungsklage des Bürgers. 64 Vgl. die Überlegungen von Trzaskalik, S. 24 f., 108 ff., für (zivilrechtliche) Feststellungsklagen eines Bürgers gegen einen anderen Bürger als Beeinträchtigung der privatautonomen Handlungsfreiheit des Beklagten. 65 Ähnlich formuliert Darnstädt, S. 72, zum Gefahrenbegriff in BVerwGE 59, 221 ff. 66 S. 258: „(1) Die zuständige Behörde ist befugt, die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Geldforderungen und öffentlich-rechtlicher Verhaltenspflichten durch Verwaltungsakt anzuordnen. (2) Die zuständige Behörde kann öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse zwischen einem Träger öffentlicher Verwaltung und dem Bürger durch Verwaltungsakt feststellen. (3) Die zuständige Behörde kann durch Verwaltungsakt über öffentlich-rechtliche Ansprüche des Bürgers gegen einen Träger der öffentlichen Verwaltung entscheiden." Zugleich nimmt er auf S. 258 ff. an, auch ohne eine solche ausdrückliche Vorschrift, sei eine allgemeine Ermächtigung bereits durch § 43 VwVfG im geltenden Recht enthalten.
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Gericht auf die Verwaltung handeln, sondern zugleich um eine Vorverlegung des möglichen Entscheidungszeitpunktes. Man gäbe der Verwaltung mit einer derartig weitreichenden Entscheidungskompetenz in eigener Sache ein Instrument des präventiven Rechtsschutzes öffentlicher Belange zu einem Zeitpunkt in die Hand, in dem die Verwaltungsgerichte aufgrund einer vorbeugenden Unterlassungs- oder Feststellungsklage über diese Sach- und Rechtsfragen noch nicht entscheiden dürfen. Die Kehrseite eines solchen präventiven Rechtsschutzes für und durch die Verwaltung wäre die Anfechtungslast des Betroffenen, der sich allein durch Widerspruch und Anfechtung noch die Möglichkeit erhalten könnte, eine von den Feststellungen des Verwaltungsaktes abweichende Rechtslage geltend zu machen und sich entsprechend der von ihm zu einem künftigen Zeitpunkt aus Verfassung und Gesetz abgeleiteten Freiheiten zu verhalten 67. Mit einer in der Aufgabenzuweisungs- und Pflichtnorm verankerten generellen Regelungsbefugnis wäre also ein feststellender oder verbietender Verwaltungsakt präventiv zum Schutz der der Behörde anvertrauten öffentlichen Interessen auch schon zu einem Zeitpunkt einsetzbar, in dem der Bürger seine Planungen noch nicht endgültig abgeschlossen und begonnen hat, sie in die Tat umzusetzen 68. Ja selbst dann, wenn der Bürger ein solches - aus Sicht der Verwaltung - rechtswidriges Verhalten bisher überhaupt nicht erwogen hat, könnte die Behörde ihn durch einen von Amts wegen ergehenden Feststellungsbescheid de facto „zwingen", sich kurzfristig eine eigene Auffassung über die Rechtslage zu bilden und zu entscheiden, ob die möglicherweise von der eigenen Beurteilung abweichende Regelung in dem angekündigten (§ 28 VwVfG) oder bereits erlassenen Verwaltungsakt für ihn gegenwärtig oder künftig einmal relevant werden kann (Anfechtungslast). Verglichen mit den im Polizei- und Ordnungsrecht für konkretisierende Verfügungen und feststellende Verwaltungsakte festgelegten Eingriffsvoraussetzungen kann die Anerkennung einer stillschweigenden Ermächtigung einer Behörde, materielle Rechtsnormen des öffentlichen Rechts verbindlich zu konkretisieren, so zu einer beträchtlichen Erweiterung der behördlichen Regelungsmacht führen 69. Der Überblick hat gezeigt, daß die Forderung nach speziellen, den Erlaß von konkretisierenden Verfügungen und belastenden Feststellungsbescheiden regelnden Ermächtigungen nicht nur durch den Vorbehalt des Gesetzes geboten ist, sondern auch, um Wertungswidersprüche zum geltenden Polizei- und Ord-
67 BVerwGE 72, 265 (267 f.); insoweit zustimmend Drescher, DVB1. 1986, 727 (728 f.). 68 So wohl J. Martens, NVwZ 1987, 107, zu dem Sachverhalt des 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteils (BVerwGE 72, 265). 69 Zur Begrenzungsfunktion der „konkreten Gefahr" vgl. Darnstädt, S. 72.
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nungsrecht sowie zum Prozeßrecht zu vermeiden. Hierbei gibt es keine für alle Rechtsgebiete, Normstrukturen und Lebenssachverhalte dem Gesetzgeber vorgegebene Eingriffsschwelle. Selbstverständlich kann es zu einem wirkungsvollen Schutz der öffentlichen Interessen zweckmäßig und legitim sein, der Verwaltung zu einem Zeitpunkt, in dem noch keine konkrete Gefahr im polizeirechtlichen Sinne besteht, eine Entscheidungskompetenz über gewisse Tatsachen zu geben, die jederzeit für die Entstehung gesetzlicher Rechte oder Pflichten des Bürgers relevant sein können. Solche dem potentiell gefahrlichen Tun des Bürgers vorgeschaltete Entscheidungskompetenzen schafft der Gesetzgeber beispielsweise mit jedem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Auch die Kompetenz zur präventiven Regelung einer für spätere Verhaltenspflichten relevanten Eigenschaft einer Sache, z.B. der Denkmaleigenschaft, kann er - wie im denkmalrechtlichen Classement-System 10 - der Verwaltung übertragen, beispielsweise, wenn der Eintritt einer konkreten Gefahr mit einem erheblichen Risiko für das Gemeinwohl verbunden ist, nur schwer mit einer repressiven Überwachung zu erfassen ist oder wenn aufgrund einer relativ großen Unbestimmtheit der pflichtenbegründenden Norm eine frühzeitige Klarstellung der Rechtslage geboten erscheint 71. Aber es ist nicht Aufgabe der Verwaltung
70
Vgl. Teil 2, G.II.3. Darnstädt, S. 72 f. (vgl. bereits oben Teil 2, G.I. m.w.N.). Dem steht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 02.03.1999 - 1 BvL 7/91, EuGRZ 1999, 415 (421) = BVerfGE 100, 226 = DVB1. 1999, 1498 mit krit. Anm. Hendler (S. 1501) = JURIS Nr.: KVRE289369901, nicht entgegen, nach der § 13 Abs. 1 Satz 2 des rheinland-pfalzisehen Denkmalschutz- und -pflegegesetzes (DSchPflG RP) mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG unvereinbar ist. Danach hat der Gesetzgeber zwar seine materiellrechtlichen Ausgleichsregelungen, mit denen unzumutbare Auswirkungen einer den Inhalt des Eigentums bestimmenden Regelung durch Ausgleichsmaßnahmen verhindert werden sollen durch verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen zu ergänzen, die sicherstellen, daß mit einem die Eigentumsbeschränkung aktualisierenden Verwaltungsakt zugleich (zumindest dem Grunde nach) über einen dem belasteten Eigentümer ggf. zu gewährenden Ausgleich entschieden wird. Denn ein Eigentümer, der einen ihn in seinem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG beeinträchtigenden Verwaltungsakt für unverhältnismäßig halte, müsse ihn im Verwaltungsrechtsweg anfechten. Lasse er ihn bestandskräftig werden, so könne er eine Entschädigung auch als Ausgleich im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht mehr einfordern. Der Betroffene müsse sich daher entscheiden, ob er den die Eigentumsbeschränkung aktualisierenden Eingriffsakt hinnehmen oder anfechten wolle. Diese Entscheidung könne er sinnvollerweise nur treffen, wenn er wisse, ob ihm ein Ausgleich zustehe. Es sei dem Betroffenen nicht zuzumuten, einen Verwaltungsakt, den er für unvereinbar mit der Eigentumsgarantie halte, in der unsicheren Erwartung eines nachträglich in einem anderen Verfahren zu bewilligenden Ausgleichs bestandskräftig werden zulassen. 71
Als einen solchen die Eigentumsbeschränkung aktualisierenden Verwaltungsakt, der ggf. mit einer Ausgleichsregelung verknüpft werden müsse, hat das Bundesverfassungsgericht aber nicht schon die (im konkreten Fall bestandskräftige) förmliche Unterschutzstellung angesehen, sondern erst die Versagung einer Beseitigungsgenehmigung. Das Bundesverfassungsgericht hat zu Recht keinerlei Zweifel an einem zweistufigen
4 2 4 T e i l 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
oder der Gerichte, diese Eingriffsschwelle dadurch selbst festzulegen, daß sie gesetzliche Pflichtnormen in Eingriffsermächtigungen uminterpretieren. Daher reicht es auch zum Schutz des Bürgers nicht aus, feststellende Verwaltungsakte nur bei Vorliegen eines (von der Verwaltung selbst zu definierenden) Feststellungsinteresses zuzulassen72.
IV. Die Regelungen der §§ 35 und 43 VwVfG Die Frage nach der Geltung des Vorbehaltes des Gesetzes für die Handlungsform Verwaltungsakt hätte sich allerdings weitestgehend erledigt, wenn heute die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes eine allgemeine Ermächtigung der zuständigen Behörden beinhalten würde, zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben grundsätzlich verbindliche Regelungen durch Verwaltungsakt treffen zu können und eine solche „Hyper-Generalklausel" - trotz der zuvor dargestellten Bedenken - mit dem Vorbehalt eines verhältnismäßigen Gesetzes zu vereinbaren wäre. Denkmalschutzsystem mit förmlicher Unterschutzstellung und nachfolgenden Verwaltungsentscheidungen geäußert, in denen die gesetzlichen Beschränkungen der Eigentümerbefugnisse konkretisiert werden. Vielmehr hat es den nach § 13 Abs. 1 Satz 2 DSchPflG RP nur für förmlich durch Verwaltungsakt unter Schutz gestellte Baudenkmale geltenden Genehmigungsvorbehalt ausdrücklich als verhältnismäßige Eigentumsbeschränkung gebilligt. Das Bundesverfassungsgericht hat also nicht ein zweistufiges Denkmalschutzsystem verworfen, in dem mit einer förmlichen Unterschutzstellung zunächst über den denkmalrechtlichen Status der Sache und dann aufgrund eines Genehmigungsvorbehalts in einem nachfolgenden Verwaltungsakt die Eigentumsbeschränkungen konkretisiert werden. Es hat nur verlangt, daß in der Entscheidung über die Genehmigung auch über einen etwaigen Ausgleich entschieden wird, wobei bei einer finanziellen Kompensation eine Entscheidung dem Grunde nach genügen kann. Das Verdikt des Bundesverfassungsgerichts traf also nicht ein zwei-, sondern ein aufgrund einer salvatorischen Entschädigungsklausel gewissermaßen dreistufiges Denkmalschutzsystem. 72 So aber Kopp, GewArch 1986, 41 (45 f.); König, BayVBl. 1987, 261 (264 f.); 1 Martens, NVwZ 1987, 106 f. (vgl. die Darstellung oben in Teil 4, A.I.2. a.E.). Dementsprechend hat auch das Bundesverfassungsgericht in seiner denkmalrechtlichen Entscheidung vom 02.03.1999 (Fn. 71) betont, daß es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers sei, Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu bestimmen. Es hat den Vorbehalt zu Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums ausdrücklich nicht nur auf materiellrechtliche Vorschriften bezogen, sondern den Gesetzgeber verpflichtet, diese ggf. um verwaltungsverfahrensrechtliche Vorschriften zu ergänzen, die sicherstellen, daß mit einem die gesetzlichen Eigentumsbeschränkungen aktualisierenden Verwaltungsakt zugleich über einen ggf. zu gewährenden Ausgleich entschieden wird. Dies bedeutet, daß nach dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte (hier: der Vorbehalt der Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) im Hinblick auf die Anfechtungslast des Betroffenen auch für Verwaltungsakte gelten, welche gesetzliche Eingriffe oder Inhalts- und Schrankenbestimmungen konkretisieren sollen.
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1. § 35 VwVfG i. Vm. der gesetzlichen Pflichtnorm Handlungsformermächtigung (C. Fischer)?
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als
§ 35 VwVfG stellt nach allgemeiner Meinung nur eine Legaldefinition des Verwaltungsaktes als Ziel und Abschluß des Verwaltungsverfahrens dar und begrenzt so den Anwendungsbereich der Normen des VwVfG auf bestimmte Entscheidungen im Rahmen des Verwaltungshandelns. Im Hinblick auf die schwierigen Fragen einer Abgrenzung von formellem und materiellem Verwaltungsrecht wurde in das VwVfG keine Befugnisnorm aufgenommen, aus der sich ergeben würde, wann eine Verwaltungsbehörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts einen Verwaltungsakt erlassen darf. Da weder der § 35 VwVfG noch die an den Bürger gerichteten gesetzlichen Pflichtnormen eine Regelung treffen, daß und unter welchen Voraussetzungen die Behörde zum Erlaß eines Verwaltungsaktes befugt sein soll, kann § 35 VwVfG weder isoliert noch im Rahmen einer teleologisch-systematischen Interpretation in Kombination mit der jeweiligen gesetzlichen Pflichtnorm als Ermächtigungsnorm interpretiert werden 73 . Folglich ist Christiane Fischers Versuch 74 einer derartigen Gesamtinterpretation aus den oben in Teil 6 bereits aufgezeigten Gründen 75 nur eine neue Variante des unter dem Grundgesetz unzulässigen Schlusses von der Aufgabe auf die Befugnis.
2. § 43 VwVfG als implizite Ermächtigung zur Auferlegung der Anfechtungslast (Druschel)? Entgegen der hierzu von DruscheP 6 aufgestellten Thesen kann § 43 Abs. I und 2 VwVfG, der nach seinem Wortlaut, seiner amtlichen Überschrift und Entstehungsgeschichte nur die Wirksamkeit eines nach § 41 VwVfG bekanntgegebenen Verwaltungsakts regelt, nicht in eine gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß feststellender Verwaltungsakte und konkretisierender Verfügungen umgedeutet werden 77: Zwar ist es richtig, daß ein wirksamer belastender Verwaltungsakt auch dann, wenn die Verwaltung nicht über die für seinen Erlaß erforderliche gesetz-
73 Kopp, VwVfG, § 35 Rn. 3; P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 21; Henneke in Knack, vor § 35 Rn. 7.1; Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 45 Rn. 13; Wernicke, DVB1. 1977, 914 (916); Druschel, S. 257. 74 S. 123 ff. Vgl. die Darstellung in Teil 4, A.III. 75 Vgl. oben Teil 6, B.-E. 76 S. 260-263. Zum Inhalt vgl. bereits die Darstellung in Teil 4, A.III. 77 Ebenso jetzt Geiger, NVwZ 2000, 1275 (1276); zur Bedeutung und den Rechtsfolgen der Wirksamkeit vgl. im einzelnen oben Teil 2, G.V.
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liehe Ermächtigung verfügt, nach § 43 VwVfG grundsätzlich 78 wirksam und verbindlich ist und damit bei einer belastenden Regelung die von Druschef 9 für den Vorbehalt des Gesetzes als allein relevant eingestufte Anfechtungslast auslöst. Gleichwohl ergibt sich hieraus noch keine Befugnis einer Verwaltungsbehörde, im Rahmen ihrer Zuständigkeit derartige belastende Verwaltungsakte zu erlassen. Druschel 80 selbst räumt nämlich ein, daß aus einer Norm, die einer Person die Fähigkeit verleiht, Rechtsgeschäfte oder Rechtshandlungen wirksam vorzunehmen, nicht ohne weiteres auf ihre Befugnis geschlossen werden kann, dies zu tun. Denn eine solche Unterscheidung zwischen rechtlichem Können und Dürfen ist in unserer Rechtsordnung in zahlreichen Vorschriften des Privatrechts und des öffentlichen Rechts verankert, beispielsweise bei den häufig zwischen Vertretungsmacht und Geschäftsführungsbefugnis der Organe einer juristischen Person oder der Gesellschafter einer Personengesellschaft differenzierenden Vorschriften. Daher impliziert § 43 VwVfG, welcher Behörden die Fähigkeit verleiht, verbindliche Regelungen mit den rechtsformspezifischen Rechtsfolgen des Verwaltungsaktes zu treffen, keineswegs eine korrespondierende Befugnis, von dieser rechtlichen Handlungsmacht Gebrauch zu machen. Falsch ist die für Druscheis Argumentation entscheidende These* 1, eine Anwendung des Vorbehaltsprinzips könne für den Betroffenen keinerlei Schutzwirkung mehr entfalten. Diese These begründet er mit dem Hinweis, der Betroffene müsse auch einen unter Mißachtung des Gesetzesvorbehalts erlassenen Verwaltungsakt anfechten, wenn er dessen Aufhebung erreichen wolle. Der Vorbehalt des Gesetzes befreie den Adressaten des Verwaltungsakts also nicht von der Anfechtungslast und sei deshalb, wenn die Verwaltung einen Bescheid ohne die geforderte spezielle Ermächtigung erlassen habe, wirkungslos. Die von der h.M. betonte Einschränkung der Handlungsform Verwaltungsakt sei daher nur dann effektiv, wenn die Verwaltung die ihr insoweit gezogenen Grenzen von sich aus einhalte. Eine solche dem Schutz des Bürgers dienende Rechtsbindung der Verwaltung, die von diesem nicht durchgesetzt werden könne, sei ein Fremdkörper im geltenden öffentlichen Recht. Dazu ist zunächst zu bemerken, daß Druschel hier die Betrachtung der Wirkungen des Vorbehalts des Gesetzes als eines abstrakt-generellen Rechtssatzes mit der Frage vermengt, ob eine Verletzung dieser Rechtsvorschrift in jedem Einzelfall durch eine Anfechtungsklage wieder vollständig beseitigt wird. Bei der abstrakt-generellen Betrachtung ist davon auszugehen, daß Rechtsvor78 79 80 81
D.h. solange kein nach § 44 VwVfG zur Nichtigkeit führender Mangel vorliegt. S. 33 ff. (insbes. S. 54 ff.), 258 ff. S. 260. S. 260 ff.
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Schriften von der öffentlichen Verwaltung und ihren Organen wegen ihrer Bindung an Recht und Gesetz auch dann beachtet werden müssen, wenn eine hierdurch bewirkte Rechtsverletzung nicht (vollständig) durch eine Anfechtungsklage beseitigt werden kann. Eine das Handeln der Verwaltung regelnde Vorschrift ist nicht nur dann effektiv, wenn alle Amtsträger sich in jedem Einzelfall tatsächlich an sie halten. So sind auch Vorschriften über den Schußwaffengebrauch der Polizei oder Bundeswehr nicht etwa deshalb sinnlos, weil ein Betroffener im Falle eines tödlichen Schusses die realen Folgen einer Mißachtung dieser Vorschriften nicht mehr durch eine verwaltungsgerichtliche Klage beseitigen kann. Es kann zwar sein, daß die Wirksamkeit einer Rechtsvorschrift erhöht ist, wenn sie nicht nur eine objektive Rechtsbindung der Verwaltung auslöst, sondern ihre Beachtung auch von einem Betroffenen durch ein subjektives Rechtsschutzverfahren durchgesetzt werden kann. Die Funktion und Arbeitsweise der öffentlichen Verwaltung im demokratischen Rechtsstaat wird aber verkannt, wenn man umgekehrt unterstellt, eine Vorschrift sei wirkungslos, solange ein Bürger ihre Einhaltung nicht in einem Rechtsbehelfsverfahren erzwingen könne. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Verwaltung auch von sich aus bestrebt ist, die Verfassung und Gesetze einzuhalten. Darüber hinaus ist aber auch die Aussage falsch, nach Erlaß eines ohne die erforderliche gesetzliche Ermächtigung erlassenen Verwaltungsaktes verbessere sich durch die Anwendung des Vorbehalts des Gesetzes die Rechtsstellung des Betroffenen nicht mehr. Trotz der aus § 43 VwVfG resultierenden Anfechtungslast bleibt der Handlungsform-Vorbehalt nämlich keineswegs wirkungslos. Wenn der Betroffene in dieser Situation eine Anfechtungsklage erhebt, ist der Verwaltungsakt vom Verwaltungsgericht allein wegen des Mangels einer ausreichenden Ermächtigung aufzuheben, ohne daß es noch darauf ankäme, ob die im Verwaltungsakt getroffene Feststellung der materiellen Rechtslage entspricht 82. Wegen dieses unabhängig von sonstigen Rechtsfehlern bestehenden Aufhebungsanspruchs reduziert sich die Anfechtungslast und das damit verbundene Prozeßrisiko durch die konsequente Anwendung des Vorbehaltsprinzips ganz erheblich. Insoweit ist noch einmal festzustellen, daß der Vorbehalt des Gesetzes für gesetzeskonkretisierende Verwaltungsakte den Bürger davor schützt, präventiv zur Erhaltung seiner Handlungsfreiheit ggf vor dem Verwaltungsgericht zu jedem beliebigen Zeitpunkt mit der Verwaltung über seine gegenwärtigen oder künftigen Rechte und Pflichten zu streiten 83. Schließlich ist es auch nicht so, daß eine auf eine Verletzung des Vorbehalts des Gesetzes gestützte Anfechtungsklage in jedem Fall nur zu einer Verzöge-
82 Zur erforderlichen doppelten Deckung der konkretisierenden Verfügung und des Feststellungsbescheids vgl. bereits oben Teil 6, F. 83 Vgl. dazu bereits oben III.
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rung der Rechtsdurchsetzung fuhren würde und damit für den Bürger ein sachlich leerlaufendes Verfahren wäre. Denn insbesondere aufgrund der besonderen Prozeßvoraussetzungen für alle Formen eines vorbeugenden Rechtsschutzes gibt es die von Druschel postulierte umfassende Zulässigkeit einer behördlichen Leistungs-, Unterlassungs- oder Feststellungsklage nach der VwGO nicht 84 .
V. Bestehende Kompetenznormen als Ermächtigung zu gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten Verwaltungsakten 7. Notwendigkeit
und Grenzen der Auslegung
Die bisherige Untersuchung der bestehenden Kompetenznormen hat gezeigt, daß die Anwendung des Vorbehalts des Gesetzes auf die Kompetenz zum Erlaß für konkretisierende Verfügungen und belastende Feststellungsbescheide einen effektiven Gesetzesvollzug zumindest im Bereich und Vorfeld der Gefahrenabwehr keineswegs ausschließt. Er begrenzt die Verwaltungsbefugnisse nur in einer rechtsstaatlich gebotenen Weise dadurch, daß der Gesetzgeber selbst die Zuständigkeiten und Kompetenzen so auf unterschiedliche Behörden und Gerichte verteilen muß, daß seine gesetzlichen Ziele in einer effektiven und dennoch verhältnismäßigen Weise erreicht werden. Zugleich vermeidet die Forderung nach einer speziellen Ermächtigung eine Mißachtung der im Polizeiund Ordnungsrecht festgelegten Eingriffsvoraussetzungen und -Zuständigkeiten für Maßnahmen der Gefahrenabwehr. Zumindest soweit eine Polizei- oder Ordnungsbehörde gesetzliche Ge- oder Verbote grundsätzlich aufgrund der Generalklausel mittels einer konkretisierenden Verfügung durchsetzen kann, besteht kein Anlaß, eine gesetzliche Pflichtnorm allein mit dem Argument des effektiven Gesetzesvollzugs als Ermächtigung zum Erlaß einer unselbständigen Verfügung auszulegen. Die Erstreckung des Vorbehaltes des Gesetzes auf alle belastenden Verwaltungsakte wirkt so als Appell an den Gesetzgeber, bei der Gesetzgebung unmittelbare Eingriffe durch das Gesetz (Pflichtnormen) in einer dem Sinn und Zweck der Regelungen entsprechenden Weise mit Kompetenzen der verschiedenen Organe der rechtsprechenden und der vollziehenden Gewalt zu Eingriffen aufgrund gesetzlicher Ermächtigungen (Kompetenznormen) abzustimmen. Allerdings verlangt der Vorbehalt des Gesetzes keine ausdrückliche Ermächtigung; vielmehr genügt es, wenn sich eine Ermächtigung im Wege der
84
Vgl. dazu bereits oben III.3. und. 4.
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Auslegung aus dem Gesetz ermitteln läßt 85 . Aufgabe des Gesetzesanwenders ist es dann, die bestehenden materiellrechtlichen Bestimmungen und Kompetenznormen so auszulegen, daß einerseits die gesetzgeberischen Ziele, soweit sie in Form der gesetzlichen Rechte, Pflichten und Kompetenzen in das Gesetz selbst Eingang gefunden haben, verwirklicht werden können und andererseits das Grundprinzip einer gesetzgeberischen Entscheidung über Art, Umfang und Voraussetzungen der Eingriffsbefugnisse noch gewahrt bleibt. Diese Grundsätze gilt es bei der Überprüfung und Fortentwicklung der für typische Sachund Rechtslagen in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Lösungsansätze zu beachten.
2. Befugnisnormen für Verfügungen als Ermächtigung zu feststellenden Verwaltungsakten a) Feststellende Verwaltungsakte als „Maßnahmen" der Gefahrenabwehr Die subsidiären Befugnisgeneralklauseln (§ 8 Abs. 1 MEPolG 86 , § 8 Abs. 1 PolG NW, § 14 Abs. 1 OBG NW) ermächtigen die Polizei- und Ordnungsbehörden zur Wahrnehmung der ihnen durch Rechtsvorschriften zugewiesenen Aufgaben die notwendigen „Maßnahmen " zu treffen, um eine im Einzelfall bestehende, konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit abzuwehren. Soweit keine Spezialvorschriften einschlägig sind, ist die zuständige Polizei- oder Ordnungsbehörde aufgrund ihrer Generalklausel befugt, die tatbestandlichen Eingriffsvoraussetzungen weiterer polizeilicher Vollzugsmaßnahmen in einem Grundlagenbescheid selbständig festzustellen 87. Denn diese feststellenden Verwaltungsakte können selbst „ Maßnahmen " zur Abwehr einer im Einzelfall drohenden Gefahr sein. Gegenstand einer solchen isolierten Regelung kann 85
Vgl. z.B. 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil, BVerwG, U. v. 29.11.1985 8 C 105.83: BVerwGE 72, 265 (268 f.), vgl. Teil 4, C.III.6. m.w.N.; B. v. 10.10.1990 1 B 131/90, NVwZ 1991, 267 f.; U. v. 22.10.1991 - 1 C 1.91, GewArch 1992, 62; U. v. 10.12.1998 - 7 C 41/97, JURIS Nr. WBRE410005351; OVG NW, U. v. 19.12.1990 15 A 530/89, NWVB1. 1991, 271 (272); VGH BW, U. 22.12.1992 -14 S 2326/91, GewArch 1993, 205 (206); Drescher, DVB1. 1986, 727 (729); Hill, DVB1. 1989, 321 (322 f.); Rubel, JA-Ü 1990, 86 (87); Koch/Rubel, V., Rn. 30; Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 15 Rn. 4; Faber, § 20 IL; Henneke in Knack, vor § 35 Rn. 7.2.2, § 35 Rn. 5.2.4; P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 22 f., 143; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 44 Rn. 54 ff.; Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 46 Rn. 12 i.V.m. § 30 Rn. 18 f.; Druschel, S. 54 ff., 204 ff., 211 ff. Vgl. auch die nachfolgenden Auslegungsbeispiele. 86 Vgl. Fn. 8. 87 VGH BW, B. v. 4.11.1981 - 5 S 1941/81, ZfW 1981, 301 (303); Bickel, § 138 Rn. 34; weitergehend J. Martens, DVB1. 1968, 322 (325 f.); Kopp, Verfassungsrecht, S. 147, Fn. 414.
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beispielsweise die Frage sein, ob eine Sache ein positives oder negatives Tatbestandsmerkmal einer Pflichtnorm erfüllt (z.B. als „Wohnraum" i.S. eines Wohnraumzweckentfremdungsverbots (§ 1 Abs. 1 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum 88 i.V.m. einer Zweckentfremdungsverordnung des Landes), ,3ackware" i.S. des früheren BAZG oder „Reisebedarf 4 i.S. des § 6 LadSchlG), oder die Verantwortlichkeit des Adressaten als Zustands- oder Verhaltensstörer für eine bestimmte Gefahr. Der Erlaß einer „nur" feststellenden Grundlagenentscheidung kann auch im öffentlichen Interesse liegen: Beispielsweise, wenn es möglich erscheint, durch eine Abschichtung zunächst eine beschleunigte Klärung der grundlegenden Rechtsfragen zu erreichen, und zugleich zu erwarten ist, daß in der anschliessenden Phase der Rechtsverwirklichung dann entweder der Störer die erforderlichen Maßnahmen zur Störungsbeseitigung selbst vornehmen wird oder aber eine der aktuellen Sachlage angepaßte und mit einer Anordnung der sofortigen Vollziehung versehene Ordnungsverfügung leichter einer gerichtlichen Kontrolle nach § 80 Abs. 5 VwGO standhalten wird. Denn die sofortige Vollziehung einer Ordnungsverfügung liegt i.d.R. im öffentlichen Interesse, wenn sich die Verfügung bei der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung als mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtmäßig darstellt 89, was dann aufgrund der bereits erreichten Klärung der Rechtslage i.d.R. zu bejahen wäre. Da der Gesetzgeber in der Generalklausel das Vorliegen einer konkreten Gefahr als Eingriffsschwelle vorgesehen hat 90 , darf die Polizei- oder Ordnungsbehörde jedoch mit präjudizieller Wirkung für zukünftige Verfügungen einen Verhaltenspflichten des Verantwortlichen begründenden Status einer Sache91 oder die Polizeipflichtigkeit des Eigentümers einer Sache92 grundsätzlich erst
88 Art. 6 des MRVerbG v. 4.11.1971 (BGBl. I, S. 1745), geändert durch Art. 5 des Gesetzes v. 17.5.1990 (BGBl. I, S. 926). 89 Zur Berücksichtigung der Erfolgsaussichten von Widerspruch bzw. Anfechtungsklage im Rahmen der Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO vgl. BVerfG (Vorprüfungsausschuß), B. v. 11.2.1982 - 2 BvR 77/82, NVwZ 1982, 241; Kopp/ Schenke, VwGO, § 80 Rn. 158 ff. m.w.N. 90 Vgl. oben III. 1. 91 Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil (U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83: BVerwGE 72, 265 (269), vgl. die Darstellung oben Teil 4, C.III.6) offengelassen, ob der Schluß von der Zulässigkeit einer Untersagungsverfügung auf die deshalb als milderer Eingriff den Vorzug verdienende förmliche Feststellung der Unzulässigkeit eines bestimmten Verhaltens, überhaupt in Betracht kommt; er sei jedenfalls unzulässig, wenn zum maßgeblichen Zeitpunkt der (letzten) Verwaltungsentscheidung eine Untersagungsverfügung nicht hätte ergehen dürfen. A.A. J. Martens, NVwZ 1987, 106. 92 A.A. J. Martens, DVB1. 1968, 322 (325 f.); Kopp, Verfassungsrecht, S. 147, Fn. 414.
B. Verwaltungsakte von Amts wegen zur Regelung gesetzlicher Pflichten
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dann von Amts wegen feststellen, wenn durch ein pflichtwidriges Verhalten oder den Zustand der Sache bereits eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eingetreten ist oder zumindest eine konkrete Gefahr einer Verletzung der gesetzlichen Ge- oder Verbote besteht. Mit Blick auf die Garantie einer effektiven und vollständigen gerichtlichen Kontrolle der Rechtmäßigkeit hoheitlicher Maßnahmen (Art. 19 Abs. 4 GG) darf die Verwaltung allerdings keinen feststellenden Grundlagenbescheid erlassen, bei dem die potentiellen präjudiziellen Wirkungen der getroffenen Feststellung aus Sicht des Adressaten nicht eindeutig erkennbar sind 93 . Eine Stufiing des Verwaltungsverfahrens ist ohne ausdrückliche Ermächtigung auch dann unzulässig, wenn sich bei einer Aufgliederung der gesetzlich vorgesehenen Gesamtentscheidung die Anfechtungslast des Bürgers durch eine Vielzahl von Einzelentscheidungen quantitativ oder qualitativ nicht nur unwesentlich erhöhen würde (Verbot einer „Salami-Taktik" der Verwaltung).
b) Feststellungsbefugnis per argumentum a maiore ad minus Während die polizei- und ordnungsbehördlichen Generalklauseln mit dem Begriff der „Maßnahme" auch feststellende Verwaltungsakte erfassen, werden die zuständigen Behörden in anderen Befugnisnormen dem Wortlaut nach nur zum Erlaß befehlender oder rechtsgestaltender Verwaltungsakte ermächtigt, z.B. zu „ A u f f o r d e r u n g e n " in § 15 BStatG,,Anordnungen" in § 21 KrW-/AbfG oder „Befristungen, Bedingungen und Auflagen" in § 35 Abs. 2 KrW-/AbfG. Hier kann eine Ermächtigung zum Erlaß eines Feststellungsbescheides jedoch häufig durch Auslegung mittels verschiedener Erst-Recht-Schliisse gewonnen werden:
aa) Vorweggenommene Teilregelungen
(Grundlagenbescheide)
Unter dem Gesichtspunkt der Zuständigkeitsverteilung zwischen den verschiedenen Organen der vollziehenden Gewalt ist in Teil 6 der vorliegenden Untersuchung bereits grundsätzlich die Möglichkeit einer Verfahrensstufung anerkannt worden, bei der sich die Zuständigkeit einer Behörde zum Erlaß eines feststellenden Grundlagenbescheides als zeitlich vorweggenommene Teilregelung aus ihrer Zuständigkeit zum Erlaß einer umfassenden Vollregelung
93
Zur eindeutigen Vorhersehbarkeit als allgemeine Voraussetzung einer präjudiziellen Wirkung vgl. bereits oben Teil 5, D.II, sowie Erichsen/Knoke, NVwZ 1983, 185 (191 f.); Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 19 IV Rn. 239.
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
des Rechtsverhältnisses ergibt (Annexzuständigkeit)94. Unter dem Gesichtspunkt der Eingriffskompetenz gegenüber dem von der Regelung betroffenen Bürger ist der feststellende Grundlagenbescheid jedoch nur rechtmäßig, wenn sich durch Auslegung auch eine entsprechende Ermächtigung gewinnen läßt. Hat der Gesetzgeber der Exekutive bereits eine Befugnis zum Erlaß eines gestaltenden, feststellenden oder befehlenden Verwaltungsaktes übertragen, so gilt diese gesetzliche Ermächtigung regelmäßig auch für einen feststellenden Verwaltungsakt, der nur einzelne für die pflichtenbegründende Norm relevante Vorfragen oder Teile des Rechtsverhältnisses regelt. Denn der Regelungsinhalt eines derartigen Grundlagenbescheides ist nur ein Ausschnitt aus dem Regelungsinhalt des im Gesetz ausdrücklich zugelassenen Verwaltungsaktes. Bei den gestaltenden und befehlenden Entscheidungen wird die für das Rechtsinstitut des Verwaltungsaktes essentielle Funktion der verbindlichen Konkretisierung des materiellen Rechts, welche die alleinige Rechtsfolge des feststellenden Verwaltungsaktes ist und aus der sich dessen Eingriffswirkung ergibt, nämlich nur noch um eine Gestaltungs- bzw. Vollstreckungsfunktion ergänzt 95. Dementsprechend verringert sich die vom jeweiligen materiellen Regelungsgehalt ausgehende belastende Wirkung, wenn die Behörde statt einer zulässigen befehlenden oder gestaltenden Entscheidung nur eine isolierte Feststellung trifft, die auch zum Regelungsgehalt dieses weitergehenden, gesetzlich geregelten Verwaltungsaktes gehören würde. Per argumentum a maiore ad minus 96 ist deshalb in solchen Fällen regelmäßig die Kompetenz zum Erlaß eines feststellenden Teil- oder Grundlagenbescheides in der Kompetenz zum Erlaß einer Verfügung oder eines rechtsgestaltenden Verwaltungsaktes mitenthalten97, es sei
94
Vgl. Teil 6, G. J. Martens, NVwZ 1987, 106, zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Regelungsinhalte vgl. die grundsätzlichen Ausführungen in Teil 2, B.VI.3 und C.II.l. 96 Achterberg, DÖV 1971, 397 (404 f.); ders., Allg. VerwR, § 21 Rn. 122; Merten, VSSR 1973, 66 (77). 97 BayVGH, U. v. 18.8.1980 - 22.B - 1410/79, GewArch 1981, 18 (20 f.); VGH BW, B. v. 4.11.1981 - 5 S 1941/81, ZfW 1981, 301 (303); J. Martens, NVwZ 1987, 106. Beide Gerichtsentscheidungen betrafen zwar konkret eine den Adressaten begünstigende Entscheidung; die Begründungen erfassen jedoch auch die Fälle belastender Feststellungen. Da die Feststellungskompetenz hier aus der Befugnis zum Erlaß einer konkretisierenden Verfügung abgeleitet wird, reicht auch hier die Pflichtnorm i.V.m. der Aufgabenzuweisung nicht als gesetzliche Ermächtigung (so aber BayVGH, a.a.O.). Vielmehr ist eine besondere, das Verwaltungshandeln regelnde Befugnisnorm erforderlich (so i.E. VGH BW, a.a.O.). Der 19. Senat des BayVGH (U. v. 2.6.1999 - 19 B 94.2154, BayVBl. 2000, 470 (471)) begründet seine abweichende Rechtsprechung, nach der eine landesrechtliche Vorschrift, welche die Vollzugsbehörden ermächtigt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Anordnungen zu treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand einer mit Strafe oder Geldbuße bedrohten Zuwiderhandlung gegen Vorschriften des Rechts der Ernährungswirtschaft oder des landwirtschaftlichen Marktwesens verwirkli95
B. Verwaltungsakte von Amts wegen zur Regelung gesetzlicher Pflichten
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denn, daß sich durch die Aufspaltung in mehrere Entscheidungen die Anfechtungslast quantitativ oder qualitativ wesentlich erhöhen würde. Bei der konkreten Anwendung des argumentum a maiore ad minus auf gesetzlich nicht vorgesehene Teil- und Grundlagenbescheide wird in der Literatur 98 allerdings teilweise übersehen, daß ein logischer Schluß von der größeren auf die geringere Eingriffsbefugnis nur dann möglich ist, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des schweren Eingriffs im Einzelfall tatsächlich vollständig erfüllt sind. Die Feststellung einer für den Erlaß einer Verfügung oder eines gestaltenden Verwaltungsaktes entscheidungserheblichen Eigenschaft einer Person oder Sache oder einer Verhaltenspflicht des Adressaten ist also - wie der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts im zweiten der hier relevanten Wohnraumzweckentfremdungsurteile zu Recht bemerkt hat aufgrund dieses Erst-Recht-Schlusses nur dann zulässig, wenn zum Zeitpunkt des Erlasses des feststellenden Grundlagenbescheides auch ein das gesamte Rechtsverhältnis regelnder Verwaltungsakt bereits ergehen dürfteDie Fest-
chen, zu verhüten, zu unterbinden oder durch solche Handlungen verursachte Zustände zu beseitigen, keine Rechtsgrundlage für den Erlaß eines feststellenden Verwaltungsaktes biete, vor allem mit dem im bayerischen Sicherheitsrecht nicht unüblichen Wortlaut der Befugnisnorm. Er verkennt dabei, daß eine Befugnis zum Erlaß eines feststellenden Grundlagenbescheids, durchaus Sinn und Zweck dieser Spezialermächtigung zur Gefahrenabwehr entsprechen kann, sofern die jeweilige Regelung als Grundlagenbescheid für spätere befehlende Verwaltungsakte fungieren kann. Hierzu ist es allerdings erforderlich, daß die Vollzugsbehörde eine Feststellung trifft, die (auch) für ein gegenwärtiges oder zukünftiges Verhalten des Adressaten oder einen anderen noch nicht abgeschlossenen Lebenssachverhalt rechtlich relvant sein kann. Falls die Klägerin beispielsweise bestritten hätte, überhaupt zu einer derartigen Warenkennzeichnung verpflichtet zu sein und die Gefahr eines vergleichbaren Fehlverhaltens im künftigen Geschäftsverkehr bestand, hätte die zuständige Vollzugsbehörde anstelle der lediglich vergangenheitsbezogenen und deshalb unzulässigen Feststellung, „die Klägerin habe am 20.10.1988 mindestens 16 Packungen ä 50 kg eines im Oktober 1988 hergestellten Ergänzungsfutters für Legehennen an die Firma H.B in T. geliefert, wobei die enthaltenen Einzelfuttermittel nicht richtig in der absteigenden Reihenfolge ihrer Gewichtsanteile angegeben gewesen seien", beispielsweise die Feststellung treffen können, bei den von der Klägerin aus mehreren Einzelfuttermitteln hergestellten Ergänzungsfuttermitteln handele es sich um Erzeugnisse, welche diese nur mit einer Kennzeichnung in Verkehr bringen dürfe, auf der die Einzelfuttermittel entsprechend ihrer Gewichtsanteile in absteigender Reihenfolge angeben sind. 98 J. Martens, DVB1. 1968, 322 (325 f.); ders., NVwZ 1987, 106; Kopp, Verfassungsrecht, S. 147, Fn. 414. 99 So das BVerwG im 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil (U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83: BVerwGE 72, 265 (269), vgl. die Darstellung oben Teil 4, C.III.6. Der 8. Senat hatte zu Recht Bedenken, das von der Revision angeführte, verfassungsrechtliche Übermaßverbot als „gesetzliche" Grundlage i.S. des Vorbehaltes des Gesetzes anzusehen. Tatsächlich kann das Übermaßverbot keine gesetzliche Grundlage ersetzen, sondern nur belegen, daß eine bestehende gesetzliche Ermächtigung, welche jetzt zum Erlaß einer vollstreckbaren Untersagungsverfügung ermächtigt, der Verwaltung erst recht 28 Kracht
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
Stellung muß für gegenwärtige oder künftige Rechte oder Pflichten relevant sein (können) und darf sich nicht nur auf einen bereits vollständig abgeschlossenen Lebenssachverhalt beziehen 100 . So kann die zuständige Behörde nach § 21 Abs. 1 Kreislaufwirtschaftsund Abfallgesetz (KrW-/AbfG) die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Anordnungen treffen. Besteht beispielsweise im Verhältnis zum Abfallerzeuger oder -besitzer Streit oder Rechtsunsicherheit über den Bestand oder Umfang von Überlassungspflichten nach § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG, so ermächtigt § 21 Abs. 1 KrW-/AbfG als abfallrechtliche Generalklausel die zuständige Behörde, die normativen Vorgaben des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes im Einzelfall durch Erlaß einer Verfugung zu konkretisieren, welche dem Adressaten aufgibt, bestimmte bereits angefallene oder künftig anfallende Abfalle dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu überlassen. Wie oben bereits in Teil 2 dargestellt, liegt eine hinreichend bestimmte Regelung eines Einzelfalls nur dann vor, wenn bereits in der Grundverfügung die erforderliche Konkretisierung vorgenommen wird, welche Sachen als Abfälle zur Beseitigung zu überlassen sind 101 . Diese Entscheidung muß aus rechtsstaatlichen Gründen spätestens auf der Ebene der verwaltungsrechtlichen Grundverfügung (Anordnungsbzw. Verfügungsebene) erfolgen, hier also in einer auf § 21 KrW-/AbfG gestützten konkretisierenden Verfügung. A maiore ad minus gestattet es diese Ermächtigung der zuständigen Behörde auch, die Klärung der für das Bestehen einer Überlassungspflicht bei hausmüllähnlichen Gewerbeabfallen entscheidende, aber tatsächlich und rechtlich schwierig zu beantwortende Frage der Einstufung bestimmter Sachen als Abfall zur Beseitigung (§ 3 Abs. 1 KrW/AbfG) in einem nicht vollstreckbaren, feststellenden Verwaltungsakt vorzunehmen und auf diese Weise beispielsweise die ebenso umstrittene Frage der Rechtsfolgen einer unzulässigen Vermischung von Überlassungspflichtigen Abfallen zur Beseitigung mit Abfallen zur Verwertung zunächst aus ihrer Entscheidung auszuklammern. Denn in einer solchen Situation ist bereits die verbindliche Feststellung geeignet, bestehende Unsicherheiten über die gesetzlichen Pflichten dieses Erzeugers oder Besitzers auszuräumen und dient damit im Sinne des § 21 Abs. 1 KrW-/AbfG der Durchführung dieses Gesetzes. § 21 KrW-/AbfG ermächtigt daher zu Bescheiden, mit denen die zuständige Behörde feststellt, daß gewisse, näherbestimmte Abfälle, die bei einem Erzeuger regelmäßig anfallen, oder bestimmte Abfälle, die sich im Besitz des Adressaten des Bescheides befinden, ,Abfall zur Beseitigung" oder „überlassungspflichdie Befugnis einräumt, einen die Unzulässigkeit eines bestimmten Verhaltens bloß feststellenden Bescheid zu erlassen. A.A. J. Martens, NVwZ 1987, 106. 100 Vgl. den zweiten Absatz in Fn. 97. 101 Vgl. VGH BW, B. v. 05.10.1999 - 10 S 1059/99, JURIS Nr. MWRE110529900 = UPR 2000, 39 = DÖV 2000, 39 = NuR 2000, 99 sowie oben Teil 2, C.III.2.
B. Verwaltungsakte von Amts wegen zur Regelung gesetzlicher Pflichten
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tiger Abfall zur Beseitigung" sind 102 . Dabei muß die zuständige Behörde ihre Regelung nicht auf tatsächlich bereits angefallene Abfälle beschränken. Wenn in einem Unternehmen regelmäßig hausmüllähnliche Abfälle zur Beseitigung in einer bestimmter Art und Beschaffenheit anfallen, ist der gewerbliche Erzeuger nämlich nach § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG grundsätzlich dauernd zu einer Überlassung an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger verpflichtet. In Anwendung dieser dem Grunde nach bereits bestehenden Überlassungspflicht kann die zuständige Behörde auch für die in diesem Gewerbebetrieb künftig anfallenden Abfalle einen Feststellungsbescheid treffen; allerdings muß sie dann hinreichend genau bestimmen, für welche Stoffe oder Gegenstände diese „abstrakt-individuelle" Regelung gelten soll (§ 37 VwVfG) 1 0 3 . Desgleichen ist der Rechtsprechung des OVG NW zuzustimmen, nach der sich aus der in § 15 BStatG enthaltenen Ermächtigung, durch Verwaltungsakt zur Auskunftserteilung aufzufordern, auch eine Befugnis zum Erlaß von Verwaltungsakten ergibt, durch die die Auskunftspflicht dem Grunde nach für zukünftige statistische Erhebungen festgestellt wird m. Sinn eines solchen Feststellungsbescheides ist es, das Bestehen einer Auskunftspflicht vorab für künftige Erhebungen, die nach den einschlägigen Rechtsverordnungen zu bestimmten, regelmäßig wiederkehrenden Terminen durchgeführt werden, vorab verbindlich zu regeln. Da in einem solchen Falle die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtspflicht noch nicht vollständig erfüllt sind, kann die Befugnis zum Erlaß eines Grundlagenbescheides hier nicht mit einem einfachen logischen Schluß a maiore ad minus begründet werden, sondern nur mit einer teleologisch-systematischen Interpretation, wie sie vom OVG NW vorgenommen wurde. Käme es bei einer der künftigen Erhebungen wegen eines erst durch die Aufforderung zur Auskunftserteilung ausgelösten Rechtsstreits zu einer Verzö102
37 f.
103
VG Freiburg, U. v. 23.07.1998 - 3 K 1217/97, Städte- und Gemeinderat 1999,
Dagegen bietet § 21 KrW-/AbfG keine gesetzliche Grundlage für eine Regelung der zuständigen Behörde, nach der sämtliche in ihrem Gebiet anfallenden gemischten Baustellenabfalle einschließlich Bauschutt mit einem Störanteil von mehr als 5 Vol.-% als Abfalle zur Beseitigung dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu überlassen sind. Denn bei einer solchen Regelung, die künftig erst entstehenden Sachen und eine Vielzahl von konkret noch nicht absehbaren Vorgängen im Rahmen der Entsorgung von Bauabfallen mit jetzt noch nicht feststehenden Beteiligten (Bauherren, Abbruchunternehmen, Bauunternehmen, Abfalltransporteuren und -entsorgern) betrifft, handelt es sich nicht um eine Allgemeinverfügung i.S. des § 35 Satz 2 VwVfG, sondern um eine abstrakt-generelle Regelung, wie sie nur durch Rechtsnorm getroffen werden kann (so auch die Rechtsauffassung, der das VG Berlin im Rahmen eines Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO zuneigte, B. v. 4.6.1997 - 10 A 88/97, NVwZ 1997, 1032 (1033 f.)). 104 OVG NW, B. v. 15.02.1996 - 4 B 1043/95, JURIS Nr. MWRE296005545 = GewArch 1996, 378; vgl. hierzu auch die Darstellung oben in 4.Teil, D.II.5.
Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
gerung der Beantwortung der Fragen, so würden die im Einzelfall zu ermittelnden Daten wertlos werden, wenn die auf einen Stichtag bezogene Auswertung bereits abgeschlossen ist. Daher hat der Gesetzgeber in § 15 Abs. 6 BStatG den Ausschluß der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Aufforderung zur Auskunftserteilung angeordnet. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber nicht nur ein besonderes öffentliches Interesse an einer aktuellen und zuverlässigen Datenbeschaffung anerkannt 105, sondern die gegenüber jedem Verwaltungsakt bestehende Anfechtungslast erhöht. Denn der Betroffene kann nach einer Aufforderung einen effektiven Rechtsschutz nur noch bei einem erfolgreichen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung erreichen. Kommt es bei einer der Erhebungen zum Streit um die Auskunftspflicht, so läßt sich diese Grundsatzfrage auch nicht im Rahmen des Bußgeldverfahrens (§ 23 BStatG) klären. Denn dort geht es nur um die Ahndung in der Vergangenheit erfolgter Pflichtverstöße; eine auf die Zukunft bezogene Feststellung kann im Bußgeldverfahren nicht getroffen werden. Dem mit § 15 BStatG verfolgten Zweck der Sicherung der Aktualität und Zuverlässigkeit der Daten entspricht es deshalb, wenn die mit dem Bestehen der Auskunftspflicht zusammenhängenden Streitfragen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt und dann für die Zukunft verbindlich geklärt werden 106 . Das OVG NW führte in diesem Zusammenhang weiter aus, daß dem Interesse der potentiell Auskunftspflichtigen mit dem Erlaß solcher die Auskunftspflicht dem Grunde nach regelnder Bescheide ebenfalls gedient sei. Zum einen seien sie nicht mehr dem Risiko ausgesetzt, nachträglich mit erheblichen Bußgeldern belegt zu werden. Zum anderen brauchten sie es nicht mehr auf eine Heranziehung ankommen zu lassen, die möglicherweise zum Erlaß einer Vielzahl von Bescheiden und einer entsprechenden Vielzahl von gerichtlichen Bescheiden führe. Das letztgenannte Rechtsschutzargument steht allerdings auf den ersten Blick in Widerspruch zu dem auch vom OVG NW zitierten zweiten Wohnraumzweckentfremdungsurteil des Bundesverwaltungsgerichts. Denn der 8. Senat ist dort davon ausgegangen, daß die Befugnis zu einer der Rechtsauffassung des Adressaten widersprechenden Feststellung nicht mit dessen Interesse an einer frühzeitigen Klärung der Rechtslage gerechtfertigt werden könne, weil die Möglichkeit des Betroffenen, nach der behördlichen Androhung eines Bußgeldes Rechtsschutz zu erlangen, aufgrund der Instrumente des vorbeugenden Rechtsschutzes nach der VwGO nicht von der Zwischenschaltung eines feststellenden Verwaltungsakts abhänge.
105
OVG NW, B. v. 15.02.1996 - 4 B 1043/95, JURIS Nr.: MWRE296005545 = GewArch 1996, 378 (379). 106 OVG NW, a.a.O. (Fn. 25).
B. Verwaltungsakte von Amts wegen zur Regelung gesetzlicher Pflichten
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Der scheinbare Widerspruch läßt sich jedoch ausräumen. Zum einen hat der Gesetzgeber mit dem Ausschluß der aufschiebenden Wirkung in § 15 Abs. 6 BStatG ein besonderes Interesse an einer aktuellen und zuverlässigen Datenbeschaffung und dessen Durchsetzung mittels Verwaltungsakt anerkannt. Zum anderen hängt der Eintritt der Rechtspflichten hier nicht vom Verhalten des Adressaten oder anderen ungewissen Umständen ab, sondern ist lediglich aufschiebend befristet. Solange kein Grundlagenbescheid vorliegt, würde jede spätere der in § 15 Abs. 6 BStatG geregelten Heranziehungen zur Auskunftserteilung eine Feststellung der Auskunftspflicht umfassen. Unter diesen Umständen wird die Anfechtungslast des Betroffenen durch das zeitliche Vorziehen und Zusammenfassen dieses zentralen Elements sämtlicher Regelungen der künftigen Auskunftspflichten in einem einzigen, die Auskunftspflichten dem Grunde nach regelnden Feststellungsbescheid quantitativ und qualitativ nicht erhöht, sondern vermindert. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß das Argument, eine frühzeitige Klärung der Rechtslage liege auch im Interesse des Adressaten, keinen Verzicht auf eine gesetzliche Ermächtigung rechtfertigen soll, sondern eher ein Hilfsargument darstellt, warum im Hinblick auf eine gewisse Kompensation der Nachteile durch begünstigende Nebeneffekte der weiterhin belastenden Regelung, der Gesetzgeber keine ausdrückliche Ermächtigung zum Erlaß des Feststellungsbescheides treffen mußte. Daher ist bei einer teleologisch-systematischen Interpretation des § 15 BStatG eine behördliche Befugnis anzuerkennen, in einem feststellenden Verwaltungsakt die Auskunftspflicht dem Grunde nach für zukünftige statistische Erhebungen zu regeln.
bb) Die Feststellung des Genehmigungsinhalts durch die Überwachungsbehörde Auch dem Beschluß des VG Chemnitz 107 , nach dem sich aus § 35 Abs. 2 KrW-/AbfG eine Ermächtigung der zuständigen Behörde ergibt, den bestandsgeschützten Umfang einer Altgenehmigung mittels Verwaltungsakt verbindlich festzulegen, liegt im wesentlichen ein Erst-Recht-Schluß zugrunde. Allerdings handelt es sich dabei nicht, wie bei den zuvor untersuchten Beispielen, um einen Schluß von der Kompetenz zur Vollregelung auf die Befugnis der Behörde, zu dem gleichen Lebenssachverhalt vorab eine inhaltlich eingeschränkte Teilregelung zu treffen. Vielmehr hat das VG Chemnitz hier aus der ausdrücklich geregelten weitergehenden Kompetenz, in bestimmten Fällen durch rechtsgestaltenden Verwaltungsakt sogar den aufgrund der Altgenehmigung gesetz-
107
B. v. 26.8.1998 - 2 K 2260/97, S. 7 f. = VwRR MO 1999, 189 = LKV 1999, 468 = DÖV 1999, 439 (nur Leitsatz), zu den wesentlichen Entscheidungsgründen vgl. die Darstellung oben in Teil 4, D.II.3. a.E.
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
lieh gewährten Bestandsschutz einzuschränken, auf eine generell bestehende Befugnis geschlossen, den Umfang des kraft Gesetzes bestehenden Bestandsschutzes festzustellen. Obwohl sich damit die Eingriffsbefugnis zum Erlaß eines feststellenden Verwaltungsaktes auch auf Fälle erstreckt, in denen ein den Bestandsschutz einschränkender Verwaltungsakt (noch) nicht ergehen durfte, ist diese Schlußfolgerung von der schwereren auf die geringere Eingriffskompetenz gerechtfertigt. Für eine enge Auslegung der Bestandsschutzregelung des § 35 Abs. 2, welche die sonst im Planfeststellungsverfahren bestehenden behördlichen Regelungsbefugnisse nur einschränkt, aber nicht völlig beseitigt, spricht zunächst der systematische Zusammenhang des § 35 zum Zulassungsvorbehalt des § 31 KrW-/AbfG, der dem gleichen Zweck dient. Hinzu kommt der im Zusammenhang mit der Feststellungskompetenz vom VG Chemnitz nicht eigens erwähnte Gesichtspunkt, daß bei jeglicher Überschreitung des Umfangs der Altgenehmigung die allgemeinen Regeln für die Zulassung von Abfallbeseitigungsanlagen anzuwenden sind und ein über den Bestandsschutz hinausgehender Betrieb dann allein wegen des Verstoßes gegen § 27 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG untersagt werden kann 108 . Insoweit liegt eine frühzeitige Klärung des Bestandsschutzes auch im Interesse des Anlagenbetreibers. Mit ähnlichen Überlegungen hat der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertreten, aus dem Zweck des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG) ergebe sich im Zusammenhang mit den dazu ergangenen Ausführungsverordnungen eine ausreichende Rechtsgrundlage für den Erlaß eines feststellenden Verwaltungsakts, welchen - unter den Beteiligten streitigen - Inhalt eine auf bestimmte Rechtsgebiete beschränkte Teilerlaubnis hat 109. Allerdings dürfte der Leitsatz des VGH BW zumindest mißverständlich formuliert sein, weil der Eindruck entstehen könnte, eine Überwachungsbehörde dürfe eine solche präventive Feststellung unabhängig davon treffen, ob der Erlaubnisinhaber durch sein eigenes Verhalten Anlaß zu einer solchen Entscheidung gegeben oder - wie im zugrunde liegenden Sachverhalt - selbst die Erteilung eines rechtsmittelfähigen Bescheids beantragt hat. Denn nach Art. 1 § 1 RBerG ist die Tätigkeit als Rechtsbeistand unter Erlaubnisvorbehalt gestellt; die Erlaubnis darf nur zuverlässigen, persönlich geeigneten und sachkundigen Personen erteilt werden. Die Erlaubnisinhaber unterliegen der Aufsicht des zuständigen Landgerichts- oder Amtsgerichtspräsidenten, der die Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung prüft. Er kann nach den einschlägigen Ausführungsverordnungen Weisungen hinsichtlich der Berufsbezeichnung geben, insbesondere die Führung von Bezeichnungen untersagen, die einen Irrtum über Art und Umfang der Tätigkeit hervorrufen kön108 109
VG Chemnitz (Fn. 26), S. 6, 9 m.w.N. VGH BW, U. v. 22.12.1992 - 9 S 2018/90, NJW 1993, 1219 f.
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nen; er kann Mißbilligungen und Rügen erteilen, den Widerruf der Erlaubnis androhen und schließlich die Erlaubnis widerrufen. Diese Regelungen dienen insgesamt einer wirksamen, präventiven Überwachung der Tätigkeit eines Rechtsbeistandes gerade auch im Hinblick darauf, daß er die Grenzen seiner Erlaubnis nicht überschreitet 110. Dementsprechend ermächtigen die Bestimmungen über die Aufsicht ihrem Sinngehalt nach auch dazu, die erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen zu ergreifen, um den Grund der Beanstandung zu beheben, also z.B. bestimmte nicht von der Erlaubnis gedeckte Tätigkeiten zu untersagen111. Die Kompetenz zur verbindlichen Untersagung einer Tätigkeit, die von der Erlaubnis nicht mehr gedeckt ist, umfaßt dann grundsätzlich auch die Befugnis, die Grenzen der Erlaubnis festzustellen. Jedoch ist zu berücksichtigen, daß sämtliche Normen, die dem LG-Präsidenten als Genehmigungs- und Überwachungsbehörde eine Regelungsbefugnis einräumen, entweder an das Vorliegen eines Antrags (auf Erteilung der Erlaubnis) oder eine konkrete Art der Ausführung der Tätigkeit durch den Erlaubnisinhaber anknüpfen; das Verhalten des Erlaubnisinhabers muß also Anlaß für den Erlaß einer Aufsichtsmaßnahme geben112. Daher ist bei einer Gesamtschau der einschlägigen Vorschriften eine Befugnis zum Erlaß eines den Genehmigungsinhalt feststellenden Verwaltungsaktes auch nur insoweit anzuerkennen, wie der Erlaubnisinhaber eine solche Entscheidung selbst beantragt hat oder wie aufgrund eines bestimmten, bereits eingetretenen Sachverhalts die konkrete Gefahr der Überschreitung der Grenzen der Erlaubnis besteht. Hieran fehlt es, wenn sich der Erlaubnisinhaber - ohne einen Feststellungsantrag zu stellen - im Vorfeld einer von ihm erwogenen, aber noch nicht in Angriff genommenen Ausweitung seiner Geschäftstätigkeit lediglich nach den Grenzen seiner Erlaubnis erkundigt. Andernfalls würde der Erlaubnisinhaber ggf. gezwungen, zur Erhaltung seiner Berufsausübungsfreiheit einen abstrakten Rechtsstreit um die Grenzen seiner Erlaubnis zu einem Zeitpunkt zu führen, zu dem er nicht weiß, ob diese Fragen für ihn jemals relevant werden. Durch diese mögliche Ungewißheit über die Relevanz des Feststellungsbescheids unterscheidet sich die Situation des Rechtsberaters wesentlich von der des Deponiebetreibers, der sich mit der Verfüllung seiner Deponie zwangsläufig der Grenze des durch die Altgenehmigung Erlaubten annähert.
110 VGH BW, U. v. 22.12.1992 - 9 S 2018/90, NJW 1993, 1219 f.; BVerwG, U. v. 20.09.98 - 1 C 4.97, GewArch 1999, 34. 111 BVerwG, U. v. 20.09.98 - 1 C 4.97, GewArch 1999, 34. 112 BVerwG, U. v. 20.09.98 - 1 C 4.97, GewArch 1999, 34 (35).
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
3. Die Konkretisierung
einer Anzeige- oder Genehmigungspflicht
a) Verpflichtung zur Erstattung einer Anzeige Während die Rechtsprechung in den zuvor untersuchten Fällen aus einer vom Gesetzgeber ausdrücklich zugewiesenen Regelungskompetenz durch Auslegung per argumentum a maiore ad minus und ergänzende teleologischsystematische Erwägungen bestimmte Kompetenzen zum Erlaß nicht normierter Feststellungsbescheide zugewiesen hat, beruhen andere Entscheidungen, welche die Befugnis zum Erlaß unselbständiger Verfügungen mit der Notwendigkeit einer effektiven Überwachung begründen, letztlich auf einem isolierten und deshalb mit Vorbehalt des Gesetzes nicht zu vereinbarenden Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis oder auf einer überholten Interpretation der polizeilichen Generalklausel, bei der eine Gefahr nur dann bejaht wurde, wenn es durch die Verletzung der materiellen Pflichtnorm zu einer konkreten Gefahr für die durch sie geschützten Rechtsgüter kam 113 . Dies gilt insbesondere für die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Anzeigepflicht nach §14 GewO a.F. 114 , in der keinerlei Anhaltspunkte flir eine normative Zuweisung von Eingriffsbefugnissen durch den Bundesgesetzgeber aufgezeigt werden. Abgesehen von den rechtsstaatlichen Bedenken kann das Argument der Notwendigkeit einer effektiven Überwachung im Bereich und Vorfeld der Gefahrenabwehr eine Interpretation von bürgeradressierten Pflichtnormen als Ermächtigungen der Verwaltung auch deshalb nicht rechtfertigen, weil in den subsidiär anwendbaren Vorschriften des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts mit den jeweiligen Generalklauseln durchaus Ermächtigungen zur Konkretisierung und Durchsetzung gesetzlicher Pflichten zur Verfügung stehen115.
113
BVerwG, U. v. 24.6.1976,1 C 56.76, GewArch 1976, 293 (294), U. v. 1.7.1987 1 C 25/85, JURIS Nr. WBRE105708702 = BVerwGE 78, 6 = NVwZ 1988, 56. Anzeigepflicht gem. § 14 Abs. 1 GewO a.F.; U. v. 16.12.1977 - VII C 79.75, Buchholz 442.03 § 52 GüKG Nr. 1 - Meldepflicht; U. v. 23.1.1979 - VII C 31.76, Buchholz 442.16 § 18 StVZO Nr. 1 - Zulassungspflicht; U. v. 26.6.1970 - VII C 143.66, BVerwGE 35, 319 (324 ff.) - § 42 Abs. 2 StVO a.F. s § 33 Abs. 1 StVO n.F.; OVG Lüneburg, U. v. 21.3.1957 - 1 OVG A 153/56, OVGE 12, 450 (452) - unselbständige auf Ge- und Verbotsnormen der StVO gestützte sog. unselbständige Verfügung; König, BayVBl. 1967, 262 (263, Fn. 5); Pietzner, JA 1973, 413 (415). Darstellung und Kritik der auch im Schrifttum praktizierten Gleichsetzung von Pflicht- und Befugnisnorm bei Arbeiter, S. 19 ff., 81 ff.; Druschel, S. 165 ff. sowie unten in Teil 6, B.; Teil 7, B.III, und V.3. 114 BVerwG, U. v. 4.6.1976 - 1 C 56.74, GewArch 1976, 293 f.; BVerwG, U. v. 1.7.1987 - 1 C 25/85, JURIS Nr. WBRE105708702 = BVerwGE 78, 6; vgl. Teil 4, D.II.2.a). 115 Vgl. oben II. 2 und III. 1.
B. Verwaltungsakte von Amts wegen zur Regelung gesetzlicher Pflichten
441
b) Allgemeine Befugnisse der Genehmigungs- und Überwachungsbehörden Wird eine Tätigkeit oder ein Vorhaben, für die ein präventives oder repressives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt besteht, ohne die erforderliche Erlaubnis ausgeführt, so besitzt die Genehmigungsbehörde weder die Kompetenz, gegen ein nicht genehmigtes Vorhaben durch eine Untersagungsverfügung einzuschreiten, noch die Befugnis, die Genehmigungspflichtigkeit von Amts wegen festzustellen, solange ihr eine solche Regelungskompetenz nicht durch eine spezielle Ermächtigung zugewiesen wurde 116 . Denn bei den gesetzlichen Regelungstechniken des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt und des repressiven Verbots mit Befreiungsvorbehalt stellt ein auf die Erteilung einer Genehmigung gerichteter Antrag eine notwendige Voraussetzung für die Einleitung des mitwirkungsbedürftigen Genehmigungsverfahrens und der abschließenden Erteilung oder Versagung der Genehmigung dar 117 . Für die Antragstellung gilt im Verwaltungsverfahren grundsätzlich die Dispositionsmaxime, d.h. es steht im Belieben des Bürgers, ob er bei der Behörde einen Antrag auf Erlaß eines ihn begünstigenden Verwaltungsakts stellt. Hierfür ist es unerheblich, ob es um ein noch nicht realisiertes Vorhaben geht oder darum, eine bereits errichtete Anlage nachträglich zu legalisieren. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein präventiv vorgeschaltetes Anzeigeverfahren eine Befugnis der Genehmigungsbehörde impliziert, verbindlich über die Genehmigungsbedürftigkeit eines angezeigten Vorhabens zu entscheiden118, wenn eine gesetzliche Pflicht zur Einreichung von Antragsunterlagen oder wenn kraft Gesetzes eine Pflicht zur Verwirklichung eines genehmigungspflichtigen Vorhabens besteht. Im letztgenannten Fall ergibt sich die Pflicht zur Stellung des Genehmigungsantrags und Einreichung der Antragsunterlagen aus der weitergehenden materiellrechtlichen Pflicht zur Durchführung des Vorhabens. Auch die Überwachungsbehörden können den Verantwortlichen ohne eine spezielle gesetzliche Ermächtigung nicht verpflichten, eine Genehmigung zu beantragen. Denn die Anordnung, einen Genehmigungsantrag zu stellen, ist nicht etwa ein „Weniger", ein milderes Mittel, gegenüber einer Nutzungsunter-
116 BVerwG, U. v. 21.6.1974 - IV C 45/71, DÖV 1975, 208 (zum BFStrG i.d.F.v. 6.8.1961, vgl. aber die heutige spezielle Ermächtigung des § 8 Abs. 7a BFStrG); BVerwG, U. v. 11.11.1993 - 3 C 45/91, NJW 1994, 3024 (3027) = GewArch 1994, 336 (337 f.) = BVerwGE 94, 269 = JURIS Nr. WBRE310694803 ; Stelkens, NuR 1985, 213 (217 f.) m.w.N. 117 Stelkens, NuR 1985, 213 (217 f.) m.w.N. 118 Vgl. unten c).
442
Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
sagung oder Stillegungsverfügung, sondern stellt eine völlig andere Maßnahme dar 119 .
c) Entscheidung über die Genehmigungsbedürftigkeit als Abschluß eines Anzeigeverfahrens aa) Teleologische Interpretation
des Anzeigeverfahrens
In Teil 4 wurde bereits dargestellt 120, daß die Rechtsprechung in bestimmten Fällen eine Befugnis der zuständigen Behörde bejaht hat, die Genehmigungsbedürftigkeit präventiv aufgrund einer Anzeige des Trägers des Vorhabens bereits vor der Stellung eines Genehmigungsantrags oder Durchführung des Vorhabens von Amts wegen festzustellen, wenn der Gesetzgeber im jeweiligen Gesetz als Instrument zur Überwachung des gesetzlichen Genehmigungsvorbehalts ein Anzeigeverfahren vorgesehen hat. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Denn ausgehend von dem Grundsatz, daß der Vorbehalt des Gesetzes für belastende Feststellungsbescheide keine ausdrückliche Ermächtigimg verlangt, kann sich die erforderliche gesetzliche Grundlage auch im Wege einer teleologisch-systematischen Auslegung aus Vorschriften über die präventive Kontrolle der möglicherweise genehmigungsbedürftigen Tätigkeiten oder Vorhaben ergeben. Wenn der Gesetzgeber die Einhaltung einer gesetzlichen Genehmigungspflicht nämlich durch die Einführung eines Anzeigeverfahrens für einen weitergehenden Kreis potentiell genehmigungsbedürftiger Vorhaben absichern will, muß die zuständige Behörde bei einer an Sinn und Zweck dieses zusätzlichen Instruments der präventiven Kontrolle orientierten Auslegung auch irgendwelche rechtlichen Konsequenzen aus der Anzeige ziehen dürfen. Andernfalls hätte es der Gesetzgeber bei der regulären Befugnis der zuständigen Polizei- oder Ordnungsbehörden belassen können, gegen ein ohne die erforderliche Genehmigung begonnenes Vorhaben einzuschreiten. So schreibt etwa § 15 Abs. 2 Satz 1 BImSchG ausdrücklich, daß die zuständige Behörde nach Eingang der Anzeige und der erforderlichen Unterlagen zu prüfen hat, ob eine nach § 15 Abs. 1 BImSchG angezeigte Änderung einer genehmigungsbedürftigen Anlage einer Genehmigung bedarf. In Satz 2 werden bestimmte Rechtsfolgen einer Mitteilung der Behörde geregelt, daß die Änderung keiner Genehmigung bedarf; in diesem Fall darf der Vorhabenträger die 119
BVerwG, B. v. 10.10.1990 - 1 B 131/90, NVwZ 1991, 267 (268); OVG Lüneburg, B. v. 7.7.1992 - 7 M 2954/92, NVwZ-RR, 1993, 7 (8); Stelkens, NuR 1985, 213 (215); P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/ Sachs, § 35 Rn. 159; Stelkens/Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, § 22 Rn. 26 ff.; a.A. König, BayVBl. 1988, 171 (172). 120 Vgl. Teil 4, C.II.4.b).
B. Verwaltungsakte von Amts wegen zur Regelung gesetzlicher Pflichten
443
Änderung vornehmen. Da eine solche Mitteilung im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG final darauf gerichtet ist, das gesetzlich sonst bis zum Ablauf der Monatsfrist geltende Verbot einer anzeigebedürftigen Änderung vorzeitig aufzuheben, handelt es sich bei ihr um einen Verwaltungsakt, der ein feststellendes und ein gestaltendes Regelungselement enthält. Im Hinblick auf das präventive Verbot sind seine Regelungswirkungen also mit denen einer Genehmigung vergleichbar, welche die Schranke eines präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt aufhebt. Einerseits aus der Funktion des Anzeigeverfahrens, bei wesentlichen Änderungen eine Einhaltung der Genehmigungspflicht sicherzustellen und bei sonstigen Änderungen Anordnungen nach § 17 zu ermöglichen, und andererseits aus dem u.a. in § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG zum Ausdruck kommenden Interesse an einem dem Betreiber Rechtssicherheit gewährenden Abschluß des Anzeigeverfahrens ergibt sich hier eine Befugnis der zuständigen Behörde, ihre Prüfung der Genehmigungsbedürftigkeit der Änderung unabhängig von deren Ausgang mit einem (feststellenden) Verwaltungsakt abzuschließen121. Fehlt eine ausdrückliche Ermächtigung zum Erlaß eines die Genehmigungsbedürftigkeit regelnden Bescheids, so läßt sich i.d.R. zumindest aus dem systematischen Zusammenhang von Anzeige-, Genehmigungs- und Überwachungsvorschriften eine behördliche Befugnis ableiten, nach Anzeige durch feststellenden Verwaltungsakt über die Genehmigungsbedürftigkeit zu entscheiden oder das gesetzliche, aber unter Erlaubnisvorbehalt stehende Verbot durch eine Untersagungsverfügung zu konkretisieren. Im Ergebnis ist daher der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Feststellung der Genehmigungsbedürftigkeit einer Gewerbetätigkeit gemäß §§ 14, 15 Abs. 2, §§30 f f GewO 122 und zur Feststellung der Genehmigungsbedürftigkeit einer Flughafenänderung gem. § 6 Abs. 4 Satz 2, § 45 Abs. 2 Satz 1 LuftVZO 1 2 3 zu folgen. Gesetzliche Grundlage für den Erlaß eines derartigen feststellenden Verwaltungsaktes oder einer das gesetzliche Verbot konkretisierenden Verfü-
121
Jarass, BImSchG, § 15 Rn. 27 f.; Hansmann in Landmann/Rohmer, UmweltR, § 15 BImSchG Rn. 38; Zöttl, NVwZ 1998, 234 ff.; Nr. 10.9.1, 10.9.2 und 10.12 der Verwaltungsvorschriften des Landes Schleswig-Holstein zum Bundes-Immissionsschutzgesetz, Gl.Nr. 791410, Bekanntmachung des Ministeriums für Umwelt, Natur und Forsten v. 30.3.1998 (Amtsbl. Schl.-H. S. 169), welche insoweit die in den meisten Ländern angewandten Auslegungshinweise des Länderausschusses für Immissionsschutz übernommen haben. A.A. Führ in GK-BImSchG, § 15 n.F. Rn. n48 ff. sowie das Bay. StMLU (vgl. die Protokollerklärung zu Nr. 5.9.2 der LAI-Auslegungshinweise (zit. nach Führ in GK-BImSchG, § 15 n.F. Rn. n48). 122 BVerwG, B. v. 10.10.1990 - 1 B 131/191, NVwZ 1991, 267 (268); zustimmend auch OVG NW, U. v. 28.01.2000 - 4 A 4976/97, JURIS Nr. MWRE200009836 = GewArch 2000, 282; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 44 Rn. 60. 123 BVerwG, U. v. 22.6.1979 - 4 C 40/75, NJW 1980, 718 (718 f.) = DÖV 1980, 136.
4 4 4 T e i l 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
gung sind dann allerdings bei der hier erörterten Fallgruppe - entgegen den Formulierungen des Bundesverwaltungsgerichts - nicht (allein) die jeweiligen Genehmigungsvorschriften:
bb) Beispiele (1) Gewerbeuntersagung und Feststellung einer Erlaubnispflicht nach der Gewerbeanmeldung (§ 15 Abs. 2 i.V.m. §§ 30, 33a - 34c GewO oder anderen Zulassungsvorschriften) Nach dem in § 1 Gewerbeordnung (GewO) verankerten Grundsatz der Gewerbefreiheit ist der Betrieb eines Gewerbes jedermann gestattet, soweit nicht durch dieses Gesetz Ausnahmen oder Beschränkungen vorgeschrieben oder zugelassen sind. Die GewO enthält zwei verschiedene Pflichten, die eine präventive Kontrolle aller Personen ermöglichen sollen, die ein der GewO unterliegenden stehendes Gewerbe ausüben. Der Regelfall ist die Anzeigepflicht gemäß § 14 GewO, nach der u.a. jeder, der den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes oder den Betrieb einer Zweigniederlassung oder einer unselbständigen Zweigstelle anfängt, dies der zuständigen Behörde gleichzeitig anzeigen muß. Demgegenüber bedürfen nach den §§ 30 ff. GewO einzelne Gewerbearten, z.B. die Vermittlungs- und Nachweistätigkeit eines Maklers gem. § 34c Abs. 1 Nr. 1 GewO, einer besonderen Genehmigung. Die GewO enthält keine ausdrückliche Regelung darüber, wie in Fällen zu verfahren ist, in denen ein Gewerbetreibender eine bestimmte Gewerbetätigkeit aufnehmen will, die er als genehmigungsfrei, die zuständige Behörde aber als genehmigungsbedürftig ansieht. Allerdings wird die zuständige Behörde in § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO ermächtigt, die Fortsetzung eines (angezeigten) Betriebes zu verhindern, wenn ein Gewerbe ohne eine hierfür erforderliche Zulassung betrieben wird. Eine Befugnis der zuständigen Behörde, die strittige Genehmigungsbedürftigkeit durch Verwaltungsakt festzustellen, hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts 1 2 4 /?^^ aus dem Zweck der Genehmigungsvorschrift abgeleitet, eine wirksame, präventive Überwachung zu ermöglichen sowie ihrem systematischen Zusammenhang mit den §§ 14, 15 GewO. Eine derartige Verfahrensweise diene auch den Interessen des Gewerbetreibenden, der sich möglichst noch vor Aufnahme seiner u.U. mit erheblichen Investitionen verbundenen Tätigkeit hierauf einstellen könne, indem er sein Vorhaben aufgebe, einen Genehmigungsantrag stelle oder den Rechtsweg beschreite. Schlösse das Gesetze einen solchen feststellenden Verwaltungsakt aus, so könnte die Behörde 124 BVerwG, B. v. 10.10.1990 - 1 B 131/191, NVwZ 1991, 267 (268); vgl. oben Teil 4, C.II.4.b)aa).
B. Verwaltungsakte von Amts wegen zur Regelung gesetzlicher Pflichten
445
aus der nach ihrer Ansicht bestehenden Genehmigungsbedürftigkeit oftmals erst nach Beginn der Gewerbetätigkeit verwaltungsmäßige Konsequenzen ziehen, indem sie zu den Mitteln der Einstellungsverfügung (§ 15 Abs. 2 GewO) oder des Bußgeldverfahrens (§ 144 Abs. 1 GewO) griffe. Beides trüge sowohl dem Zweck der präventiven Kontrolle als auch dem Interesse der Gewerbetreibenden nicht angemessen Rechnung. Allein mit der präventiven Kontrollfunktion des Genehmigungsvorbehalts könnte allerdings letztlich aus jeder Genehmigungspflicht eine Kompetenz der Genehmigungsbehörde abgeleitet werden, bereits vor der Antragstellung und dem Beginn der erlaubnispflichtigen Tätigkeit oder Anlage präventiv über die Reichweite eines gesetzlichen Verbots im Einzelfall zu entscheiden. Daher muß die Begründung der Regelungsbefugnis eher umgekehrt bei den gesetzlichen Regelungen des Anzeigeverfahrens und den hierauf ggf aufbauenden Kompetenznormen ansetzen und diese in einen systematischen Zusammenhang zu den Genehmigungsvorschriften stellen. Dazu ist nun festzustellen, daß die Gewerbeordnung als allgemeines Instrument der präventiven Kontrolle in § 14 Abs. 1 GewO eine gesetzliche Anzeigepflicht vorsieht. Nach § 15 Abs. 1 GewO bescheinigt die Behörde innerhalb von drei Tagen den Empfang der Anzeige. Eine Anzeigepflicht macht nur dann Sinn, wenn die zuständige Behörde aus einer bei ihr eingegangenen Anzeige auch irgendwelche verwaltungsmäßigen Konsequenzen ziehen darf. Solche Konsequenzen sind in § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO geregelt. Wird ein Gewerbe, zu dessen Ausübung nach den §§ 30 ff. GewO oder anderen Bestimmungen eine Erlaubnis, Genehmigung, Konzession oder Bewilligung erforderlich ist, ohne diese Zulassung betrieben, kann die zuständige Behörde „die Fortsetzung des Betriebs" verhindern. Dies geschieht in der Regel durch eine auf § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO als Ermächtigungsgrundlage gestützte Einstellungsverfügung. Denn bei dieser Bestimmung handelt es sich nicht um eine vollstreckungsrechtliche Regelung, sondern um eine Ermächtigung zum Erlaß einer den Betrieb untersagenden Verfügung 125 . Als Beginn des Betriebs eines stehenden Gewerbes i.S. des § 14 Abs. 1 GewO sind nach heute allgemeiner Meinung 126 bereits bestimmte, nach außen wirkende vorbereitende Handlungen (wie z.B. die Anmietung von Geschäftsräumen, die Einstellung von Personal, das Inserieren in Tageszeitungen) anzusehen und nicht erst die Eröffnung des Betriebes zu seinem bestimmungsgemäßen Gebrauch. Hat der Anzeigeerstatter eine solche nach außen wirkende Vorbereitungshandlung vorgenommen, so hat
125 BVerwG, U. v. 2.2.1982 - 1 C 20/78, JURIS Nr. WBRE101738363 = GewArch 1982, 200 (201); B. v. 10.10.1990 - 1 B 131/191, NVwZ 1991, 267 (268); Mareks in Landmann/Rohmer, GewO, § 15 Rn. 17 f.; App, GewArch 1999, 55 f. m.w.N. 126 Mareks in Landmann/Rohmer, GewO, § 14 Rn. 45 m.w.N.
4 4 6 T e i l 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
er seinen Betrieb im Sinne der §§ 14 und 15 Abs. 2 GewO bereits begonnen; die zuständige Behörde kann dann auf Grundlage des § 15 Abs. 2 GewO bereits vor der Ausführung der im Genehmigungstatbestand selbst umschriebenen Handlungen, wie z.B. der gewerbsmäßigen Vermittlung von Grundstücken, Wohnungen oder Darlehen ( § 34c GewO), den weiteren Betrieb des Gewerbes untersagen. Fraglich bleibt damit nur noch, ob die Behörde zu einer Untersagung des Betriebes auch schon befugt ist, wenn der Unternehmer bereits vor einer nach außen wirkenden Tätigkeit eine Anzeige erstattet, um unmittelbar nach Abschluß eines Gesellschaftervertrages oder der Handelsregisteranmeldung durch eine frühzeitige Klärung der Genehmigungsbedürftigkeit Fehlinvestitionen oder im Falle eines pflichtwidrigen Verhaltens drohende Sanktionen zu vermeiden. Setzt man § 15 Abs. 2 GewO in einen systematischen Zusammenhang mit den weiteren Regelungen des Anzeigeverfahrens in § 14 und 15 Abs. 1 GewO, so umfaßt diese Ermächtigung auch eine Befugnis der zuständigen Behörde, es dem Anzeigeerstatter in einem solchen Fall nach Empfang der Anzeige präventiv zu untersagen, seinen angezeigten, aber noch nicht eröffneten Betrieb ohne die erforderliche Zulassung auszuüben. Einer solchen Auslegung des § 15 Abs. 2 GewO im Sinne einer präventiven Regelungsbefugnis steht die Formulierung des § 15 Abs. 2 GewO nicht entgegen, nach der die zuständige Behörde „die Fortsetzung" des Betriebes verhindern kann. Es widerspräche dem Sinn und Zweck des Anzeigeerfordernisses und der Eingriffsermächtigung des § 15 Abs. 2 GewO, aus dem Begriff der Fortsetzung des Betriebes den Umkehrschluß zu ziehen, daß die Behörde untätig bleiben müsse, wenn ein Unternehmer eine nach Auffassung der Behörde erlaubnisbedürftige Tätigkeit zwar angezeigt, aber noch nicht aufgenommen hat Die Formulierung der Eingriffsermächtigung geht nur davon aus, daß der Gewerbetreibende seine Tätigkeit entsprechend seiner gesetzlichen Verpflichtung aus § 14 GewO „gleichzeitig" mit der Aufnahme seines Betriebes anzeigt. In der gesetzlich an sich vorgesehenen Reihenfolge (Betriebseröffhung und gleichzeitige Anzeige - Empfangsbescheinigung - Verfügung gemäß § 15 Abs. 2) ist eine Verfügung, die auf Grundlage einer Anzeige des Gewerbetreibenden das gesetzliche Verbot konkretisieren soll, eine genehmigungspflichtige Tätigkeit ohne Zulassung auszuüben, immer darauf gerichtet, die „Fortsetzung" des Betriebes zu verhindern. Wenn der Gewerbetreibende im Vorfeld einer geplanten Gewerbetätigkeit nicht nur formlos Erkundigungen bei den zuständigen Behörden einholt, sondern freiwillig unter Verwendung des entsprechenden Formulars die Anzeige bereits vor der Aufnahme des Betriebes erstattet, würde es gleichermaßen dem Zweck einer wirksamen Gewerbeüberwachung als auch den Interessen des Anzeigenden widersprechen, wenn die Behörde für den Erlaß einer Gewerbeuntersagung gem. § 15 Abs. 2 GewO erst die angezeigte, aber noch nicht ausgeführte Betriebseröffhung abwarten müßte. Denn mit seiner Anzeige hat der
B. Verwaltungsakte von Amts wegen zur Regelung gesetzlicher Pflichten
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Betroffene selbst erklärt, daß es bei ungehindertem Geschehensablauf zu dem nach Auffassung der Behörde verbotswidrigen Handeln kommen wird. Ein schutzwürdiges Interesse des Gewerbetreibenden an einem Aufschub der Verbotsverfügung ist nicht zu erkennen, weil er selbst freiwillig den Weg zu der im Gesetz vorgesehenen präventiven Kontrolle seiner Gewerbetätigkeit freigegeben hat. Mit dem Erfordernis einer förmlichen Gewerbeanmeldung ist auch zum Schutz anderer Gewerbetreibender eine klare Grenze der behördlichen Eingriffsbefugnisse gezogen. Solange die Gewerbeausübung auch in Form von nach außen wirkender Vorbereitungshandlungen noch nicht begonnen wurde, besteht nur eine Anzeigebefugnis, aber noch keine Anzeigepflicht. Öffentliche Interessen stehen einer solchen Interpretation auch nicht entgegen, weil die Behörde vor Beginn des Gewerbebetriebs nach § 15 Abs. 1 nur bei Bestehen eines entsprechenden Feststellungsinteresses verpflichtet sein kann, eine Empfangsbescheinigung zu erteilen 127 . Ein derartiges Feststellungsinteresse fehlt hingegen z.B., wenn der Anzeigende erkennbar nicht die Absicht hat, das von ihm angegebene Gewerbe zu betreiben, sondern die Anzeige nur erstattet, um mit der Empfangsbescheinigung einen Ausweis für den Einkauf im Großhandel zur Deckung seines privaten Bedarfs zu erhalten 128.
(2) Änderungen des Flughafenbetriebs (§ 6 Abs. 4 Satz 2, § 31 Abs. 2 Nr. 17 i.V.m. Nr. 4 LuftVG; § 45 Abs. 2 Satz 1 LuftVZO) Gemäß § 6 Abs. 1 Luftverkehrsgesetz (LuftVG) dürfen Flugplätze (Flughäfen, Landeplätze und Segelflugplätze) nur mit Genehmigung angelegt oder betrieben werden. Die Genehmigung ist nach § 6 Abs. 4 Satz 1 zu ergänzen, wenn dies nach dem Ergebnis eines Planfeststellungsverfahrens (§§8 bis 10) notwendig ist. Gemäß § 6 Abs. 4 Satz 2 ist eine Änderung der Genehmigung auch erforderlich, wenn die Anlage oder der Betrieb eines Flugplatzes wesentlich erweitert oder geändert werden soll. Nach § 8 Abs. 1 dürfen bauliche Erweiterungen oder Änderungen von Flughäfen grundsätzlich nur vorgenommen werden, wenn vorher der Plan nach § 10 festgestellt worden ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 obliegt der Planfeststellungsbehörde allerdings die Ermessensentscheidung gemäß § 8 Abs. 3 LuftVG, ob bei baulichen Änderungen oder Erweiterungen von unwesentlicher Bedeutung eine Planfeststellung unterbleiben kann oder nicht. § 45 Abs. 2 Satz 1 Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung (LuftVZO) verpflichtet den Flughafenunternehmer, beabsichtigte bauliche und betriebliche Erweiterungen und Änderungen der Genehmigungsbehörde rechtzeitig anzuzeigen. LuftVG und LuftVZO enthalten aber keine ausdrückliche 127 128
Vgl. dazu unten C.VII.-X. Mareks in Landmann/Rohmer, GewO, § 15 Rn. 6.
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
Regelung über das weitere Verfahren in jenen Fällen, in denen ein Flughafenunternehmer eine beabsichtigte betriebliche oder bauliche Erweiterung oder Änderung des Flughafenbetriebs ohne Stellung eines Genehmigungsantrages anzeigt. Wegen der potentiellen Drittwirkung ist hierbei sowohl der Fall problematisch, in dem die Genehmigungsbehörde die Einschätzung des Unternehmers teilt, daß die geplanten Maßnahmen wegen ihrer nur unwesentlichen Bedeutung einer luftverkehrsrechtlichen Zulassung nicht bedürfen, als auch der Fall, in dem die Genehmigungsbehörde - im Gegensatz zu der Rechtsauffassung des Flughafenunternehmers - eine beabsichtigte Maßnahme für zulassungsbedürftig hält. In beiden Fällen sind die Kompetenzen der Genehmigungsbehörde abzugrenzen von denen der Luftfahrtbehörde (§ 29 LuftVG), und bei baulichen Änderungen und Erweiterungen von denen der Planfeststellungsbehörde ( § § 8 - 1 0 LuftVG). Bauliche und betriebliche Erweiterungen und Änderungen eines Flughafens können nicht nur für den Flughafenunternehmer selbst, sondern auch für die Auswirkungen des Flughafens auf seine räumliche Umgebung, die Sicherheit des Luftverkehrs sowie die von der Luftfahrt ausgehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung von erheblicher Bedeutung sein. Bereits dies spricht dafür, daß die Frage, ob eine angezeigte Erweiterung oder Änderung der Genehmigungspflicht unterliegt oder wegen unwesentlicher Bedeutung von der Genehmigungspflicht ausgenommen ist, nach dem vom Gesetz mit dem Genehmigungs- und dem Anzeigeerfordernis erstrebten Ziel nicht offenbleiben darf, sondern vor der Ausführung der geplanten Maßnahme durch eine behördliche Entscheidung verbindlich geklärt werden muß 129 . Bei der Auslegung ist weiter zu berücksichtigen, daß das LuftVG in seinem Kompetenzsystem deutlich unterscheidet zwischen der Luftaufsicht (§§ 29, § 31 Abs. 2 Nr. 18) und der Aufsicht innerhalb der anderen Verwaltungszuständigkeiten, hier also der Aufsicht innerhalb der Zuständigkeit einer Behörde für die Genehmigung von Flugplätzen (§§ 6, 31 Abs. 2 Nr. 17 i.V.m. Nr. 4). Die Luftaufsicht, d.h. die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs sowie für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Luftfahrt, ist gem. § 29 LuftVG Aufgabe der Luftfahrtbehörden. Eine dem präventiven Verbot widersprechende wesentliche Erweiterung oder Änderung eines Flugplatzes ohne die gem. § 6 Abs. 4 LuftVG erforderliche Genehmigung wäre zwar als Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu qualifizieren. A u f den ersten Blick könnte man deshalb annehmen, aufgrund der polizeilichen General129 BVerwG, U. v. 22.6.1979 - 4 C 40/75, NJW 1980, 718 (719) = DÖV 1980, 718; VGH BW, U. v. 19.11.1999 - 8 S 127/99, VB1BW 2000, 157 (158); Hofmann/ Grabherr, § 6 Rn. 148 betrachten die Befugnis zum Erlaß eines die Genehmigungsbedürftigkeit klärenden Feststellungsbescheides als notwendige Schlußfolgerung aus dem Zweck des Genehmigungserfordernisses.
B. Verwaltungsakte von Amts wegen zur Regelung gesetzlicher Pflichten
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klausel des § 29 Abs. 1 Satz 2 LuftVG sei die Luftfahrtbehörde bei einem pflichtwidrigen Beginn der Änderung in Ausübung der Luftaufsicht zum Erlaß einer konkretisierenden Untersagungsverfügung oder eines die Genehmigungsbedürftigkeit feststellenden Bescheides befugt. Jedoch ist auch bei der Anwendung dieser sonderpolizeilichen Kompetenznorm der allgemeine polizeiliche Subsidiaritätsgrundsatz zu beachten130. Weil das LuftVG und §§ 47, 53 Abs. 1, § 60 LuftVZO insoweit besondere Genehmigungs- und Aufsichtsvorschriften enthalten, kommt § 29 Abs. 1 Satz 2 LuftVG als Befugnisnorm für die Feststellung der Genehmigungsbedürftigkeit nicht zum Zuge 131 . Bereits der in § 31 Abs. 2 Nr. 17 LuftVG gebrauchte Ausdruck „Aufsicht" ist ein erstes Indiz dafür, daß die jeweils zuständigen Verwaltungsbehörden zumindest in bestimmten Fällen ermächtigt sein sollen, innerhalb ihrer Zuständigkeiten durch Verwaltungsakte oder andere Maßnahmen hoheitlich tätig zu werden 132 ; angesichts der im Polizei- und Ordnungsrecht etablierten und auch im LuftVG vorgenommenen Unterscheidung zwischen Befugnis- und Aufgabenzuweisungsnormen enthält § 31 Abs. 2 Nr. 17 LuftVG selbst noch keine Befugniszuweisung. Eine solche Ermächtigung der zuständigen Behörde, über die Genehmigungsbedürftigkeit aufgrund einer Anzeige des Flughafenunternehmers bereits vor der Vornahme der wesentlichen Änderung durch feststellenden Verwaltungsakt zu entscheiden, ergibt sich jedoch unter Berücksichtigung der Anzeigepflicht des § 45 Abs. 2 Satz 1 LuftVZO, welche nach ihrem systematischen Zusammenhang insbesondere der Kontrolle der Einhaltung des Genehmigungsvorbehalts des § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG dient 133 . Eine Anzeigepflicht im Vorfeld einer möglicherweise zulassungsbedürftigen Handlung macht auch hier nur dann Sinn, wenn die Verwaltung aus einer bei ihr eingegangenen Anzeige auch irgendwelche Konsequenzen ziehen darf und nicht erst Handlungen abwarten muß, die sie als zulassungsbedürftig ansieht. Allerdings ist zu beachten, daß die Entscheidung über alle baulichen Änderungen von Flughäfen gemäß §§ 8, 10 Abs. 1 LuftVG der Planfeststellungsbehörde obliegt. Hieraus ergibt sich, daß dann, wenn die Anzeige lediglich eine betriebliche Erweiterung oder Änderung betrifft, die Genehmigungsbehörde bei einer teleologisch-systematischen Interpretation der §§ 6, 31 Abs. 2 Nr. 17 130
Rn. 3.
Hofmann/Grabherr,
§ 29 Rn. 13; Giemulla in Giemulla/Schmid, § 29 LuftVG
131 Zum Verhältnis der Genehmigungsaufsicht zur Luftaufsicht vgl. Hofmann/Grabherr, § 6 Rn. 175 - 178, § 29 Rn. 13, 17; Giemulla in Giemulla/Schmid, § 6 LuftVG Rn. 46, § 29 LuftVG Rn. 3. 132 Vgl. dazu unten 5. 133 BVerwG, U. v. 22.6.1979 - 4 C 40/75, NJW 1980, 718 (719) = DÖV 1980, 718; VGH BW, U. v. 19.11.1999 - 8 S 127/99, VB1BW 2000, 157 (158); Hofmann/ Grabherr, § 6 Rn. 146; Giemulla in Giemulla/Schmid, § 6 Rn. 43. 29 Kracht
4 5 0 T e i l 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
i.V.m. Nr. 4 LuftVG und § 45 Abs. 2 LuftVZO befugt und verpflichtet ist, verbindlich darüber zu entscheiden, ob die angezeigte Maßnahme einer Genehmigung gem. § 6 Abs. 4 Satz 2 LuftVG bedarf 1 3 4 . Bejaht sie dies, so erläßt sie einen den Flughafenunternehmer belastenden Verwaltungsakt, durch den sie die Genehmigungspflicht verbindlich feststellt. Umgekehrt stellt ein die Genehmigungspflicht verneinendes Negativattest, einen den Unternehmer begünstigenden Bescheid mit belastender Drittwirkung gegenüber den von der Änderung potentiell betroffenen Gemeinden und Bürgern dar 135 . Wenn die Änderung dagegen eine bauliche Erweiterung oder Änderung des Flughafens betrifft, so muß die Genehmigungsbehörde die Anzeige zur verbindlichen Entscheidung an die Planfeststellungsbehörde abgeben136. Denn nach der Grundregel des § 8 Abs. 1 LuftVG dürfen Flughäfen nur angelegt und bestehende nur geändert werden, wenn vorher der Plan nach § 10 festgestellt worden ist. § 8 Abs. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 2 ermächtigt die Planfeststellungsbehörde lediglich, bei baulichen Änderungen oder Erweiterungen von unwesentlicher Bedeutung nach ihrem Ermessen darüber zu entscheiden, ob eine Planfeststellung (dennoch) durchzuführen ist oder ob von ihr (ausnahmsweise) abgesehen werden kann. Diese rechtsgestaltende Ermessensentscheidung ist nach § 10 Abs. 1 Satz 2 der Planfeststellungsbehörde vorbehalten; eines vorherigen Änderungsgenehmigungsverfahrens bedarf es in diesen Fällen nicht 137 . Das nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor einer Planfeststellung ohnehin nur sehr eingeschränkt bestehende Genehmigungserfordernis ist durch den durch das Planungsgenehmigungsvereinfachungsgesetz eingefügten § 8 Abs. 6 LuftVG völlig entfallen; danach ist die Genehmigung nach § 6 keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für ein Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren 138. Dies muß erst recht für die Anzeige nach § 45 Abs. 2 Satz 1 LuftVZO gelten; reicht der Flugplatzunternehmer den Plan unmittelbar bei der Planfeststellungsbehörde ein, so entfallt zwar nicht die Pflicht, der Genehmigungsbehörde nach § 45 Abs. 2 Satz 1 LuftVZO Anzeige zu erstatten. Die Anzeige hat aber nur noch eine rein informatorische Bedeutung 139 ,
134 BVerwG, U. v. 22.6.1979 - 4 C 40/75, a.a.O. (Fn. 133); Hofmann/Grabherr, §6 Rn. 146. 135 BVerwG, U. v. 22.6.1979 - 4 C 40/75, a.a.O. (Fn. 133); Hofmann/Grabherr, §6 Rn. 146. 136 Hofmann/Grabherr, § 6 Rn. 148. 137 BVerwG, U. v. 5.12.1986 - 4 C 13.85, BVerwGE 75, 214 (221 f.). Das Urteil vom 22.6.1979, a.a.O. (Fn. 133), ist insoweit überholt (vgl. Hofmann/Grabherr, §6 Rn. 148; § 8 Rn. 11-13). 138 Hofmann/Grabherr, § 6 Rn. 148; § 8 Rn. 13. 139 Hofmann/Grabherr, § 6 Rn. 148; § 6 Rn. 148.
B. Verwaltungsakte von Amts wegen zur Regelung gesetzlicher Pflichten
451
so daß zur Prüfung der Genehmigungsbedürftigkeit oder -fahigkeit erforderliche Unterlagen nicht vorgelegt werden müssen.
4. Pflicht- und Vollstreckungsnormen als gesetzliche Grundlage für konkretisierende Verfügungen und Zwangsmittelfestsetzungen Die Vollstreckung von Verwaltungsakten regelnde Normen sind in verschiedenen Fallkonstellationen von der Rechtsprechung herangezogen worden, um im Rahmen einer teleologisch-systematischen Interpretation eine gesetzlich nicht explizit geregelte Befugnis zum Erlaß eines vollstreckbaren Verwaltungsakts zu rechtfertigen. Wenn eine Pflichtnorm im gleichen Fachgesetz um eine Befugnisnorm ergänzt wird, nach der die zur Durchsetzung der gesetzlichen Pflicht erlassenen Verwaltungsakte von der zuständigen Behörde zwangsweise vollstreckt werden dürfen, so soll sie nach den in Teil 4 dargestellten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zum Wohnungsbindungsgesetz in seiner ursprünglichen Fassung vom 24. August 1965 sowie der Rechtsprechung des VGH BW zu § 1 Abs. 3 SchfG auch befugt sein, solche vollstreckungsfähigen Verfügungen zu erlassen 140. Eine andere Fallgruppe bilden im Rahmen eines abgekürzten Vollstreckungsverfahrens nicht vorgesehene Zwangsmittelfestsetzungen. Wenn das einschlägige Gesetz die in den meisten Vollstrekkungsgesetzen vorgesehene Stufe einer Zwangsmittelfestsetzung nicht kennt, wird in der Rechtsprechung mit einem argumentum a maiore ad minus häufig aus der Befugnis einer Behörde zur Zwangsmittelanwendung die Befugnis abgeleitet, vor der endgültigen Anwendung ein Zwangsmittel in einem besonderen Verwaltungsakt zunächst festzusetzen 141.
a) Befugnisnormen für die Vollstreckung von Verwaltungsakten Zur Überprüfung dieser Auslegungsgrundsätze ist es erforderlich, sich zunächst das Verhältnis von Regelungs- und Vollstreckungsbefugnis bei den allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Bestimmungen zu verdeutlichen. Die Verwaltungsvollstreckungsgesetze des Bundes und der Länder enthalten Bestimmungen, aus denen sich ergibt, wann, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Zwangsmitteln ein befehlender Verwaltungsakt vollstreckt werden 140
BVerwG, U. v. 25.10.1972 - VIII C 112.71, BVerwGE 41, 106 (108 ff.); VGH BW, U. v. 22.12.1992 - 14 S 2326/91, GewArch 1993, 205 (206); vgl. oben Teil 4, C.II.5. 141 OVG Rh-Pf., B. v. 19.1.1984 - 1 B 92/83, NVwZ 1985, 201; B. v. 22.1.1986 8 B 44/85, NVwZ 1986, 762; OVG NW, U. v. 14.08.1974 - IV A 826/73, DÖV 1975, 286; i.E. ebenso BVerwG, U. v. 29.4.1983 - 1 C 19.79, EZAR 130 Nr. 2, S. 5.
452
Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
kann. Es handelt sich zwar um Vorschriften, die die Verwaltung zu zahlreichen Eingriffen in die grundrechtlich geschützte Freiheitssphäre des Bürgers ermächtigen. Für die Vorbehaltsfrage folgt jedoch aus den einschlägigen Bestimmungen der Verwaltungsvollstreckungsgesetze nur, daß eine Verwaltungsvollstreckung eingeleitet werden kann, wenn der zu einer bestimmten Handlung verpflichtete Bürger einen Leistungsbescheid oder eine andere vollziehbare Verfügung erhalten hat. Die allgemeinen Vorschriften über die Verwaltungsvollstreckung treffen aber keine Regelungen darüber, ob und wann ein Leistungsbescheid oder eine andere Verfügung statt eines (sonstigen) vollstreckbaren Titels ergehen darf. Vielmehr setzen diese Bestimmungen voraus, daß aufgrund anderer Kompetenznormen eine Befugnis der Verwaltung bestanden hatte, die als Vollstreckungstitel dienende Grundverfügung zu erlassen 142. Die allgemeinen Verwaltungsvollstreckungsgesetze enthalten also Kompetenznormen, die zu einer zwangsweisen Durchsetzung von Verwaltungsakten, nicht aber zu deren Erlaß ermächtigen.
b) Teleologisch-systematische Interpretation eines Gesetzes, das Pflicht- und Vollstreckungsnormen enthält Diese rechtssystematische Differenzierung zwischen der Befugnis zum Erlaß einer Grundverfügung und der zu ihrer Vollstreckung muß auch dann beachtet werden, wenn die Kompetenz zur Vollstreckung ausnahmsweise in einer Norm des besonderen Verwaltungsrechts geregelt ist. Aus fachgesetzlichen Spezialnormen, die die Vollstreckung von Verfügungen regeln, welche allgemeine gesetzliche Pflichten konkretisieren, läßt sich daher nicht ohne weiteres eine Kompetenz zu deren Erlaß ableiten 143. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine 142 BVerwG, U. v. 24.6.1966 - VI C 183.62, BVerwGE 24, 225 (234 f.); BVerwG, U. v. 28.6.1969 - VII C 118.66, DVB1. 1969, 665; Arbeiter, S. 52 f.; Pietzner, JA 1973, 413 (414 m.w.N.); Osterloh, JuS 1983, 280 (281). Demgegenüber bleibt bei König,, BayVBl. 1988, 171 (173 f.) unklar, ob er bei Verwaltungsakten, die i.S. von Art. 18 Abs. 1 BayVwZVG „zu einer unmittelbar kraft einer Rechtsnorm bestehenden... Pflicht" anhalten, die Pflichtnorm oder Art. 18 Abs. 1 als Rechtsgrundlage der konkretisierenden Verfügung ansieht oder ob er auf Basis der älteren beamten- und soldatenrechtlichen Rechtsprechung eine generelle Befugnis aller Behörden annimmt, im Rahmen ihrer Zuständigkeit verwaltungsrechtliche Rechte und Pflichten durch Verwaltungsakt zu konkretisieren. Dementsprechend bilden auch die §§ 1 und 3 VwVG und landesrechtliche Parallelbestimmungen keine gesetzliche Grundlage zum Erlaß von Leistungsbescheiden vgl. unten D.IV. 143 Vgl. Arbeiter, S. 125, gegen BVerwGE 41, 106 (109) und Herzog (Hrsg.), JA 1973, 423. Das Vorbehaltsproblem ist für das dort erörterte Beispiel des § 24 WoBindG allerdings nicht mehr relevant, da der Gesetzgeber für Verfügungen, die das Verbot der Selbstbenutzung von Sozialwohnung konkretisieren sollen, mit § 6 Abs. 6 WoBindG inzwischen eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage geschaffen hat. Anders ist die
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polizei- und ordnungsbehördliche Generalklausel als Ermächtigungsgrundlage für die in dem vollstreckungsrechtlichen Teil des Gesetzes genannte vollstreckbare Verfügung in Betracht kommt. Wenn jedoch das jeweilige Fachgesetz die hoheitlichen Eingriffsbefugnisse zur Durchsetzung der gesetzlichen Ge- und Verbote abschließend regeln soll, kann das Fehlen einer ausdrücklichen Ermächtigung zum Erlaß konkretisierender Verfügungen eine planwidrige und durch Auslegung zu schließende Regelungslücke darstellen; aus einer Gesamtschau der in einem Gesetz enthaltenen Pflichtnorm und einer gesetzlichen Ermächtigung der für den Vollzug dieses Gesetzes zuständigen Behörde, die zur Konkretisierung der gesetzlichen Pflichten erlassenen Verwaltungsakte im Wege des Verwaltungszwangs zu vollstrecken, ergibt sich dann bei einer teleologisch-systematischen Interpretation des gesamten Normengefüges auch eine stillschweigende gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß konkretisierender Verfligungen, wenn die zuständige Behörde andernfalls überhaupt keine vollstreckbaren Grundverfügungen erlassen dürfte 144. Eine solche Auslegung kommt insbesondere bei Bundesgesetzen in Betracht, wenn diese nach der grundgesetzlichen Kompetenzordnung ausnahmsweise nicht von den Ländern, sondern von Bundesbehörden oder einem nach Bundesrecht beliehenen Unternehmer 145 vollzogen werden. Denn dann ist, anders als dies beim regelmäßigen Vollzug durch Landesbehörden grundsätzlich möglich ist, der Rückgriff auf eine landesrechtliche Generalklausel zur Gefahrenabwehr ausgeschlossen. Anders ist die Rechtslage jedoch zu beurteilen, wenn das Fachgesetz nach dem Willen des Gesetzgebers überhaupt keinen abschließenden Katalog der Maßnahmen zur Durchsetzung der Pflichtnormen enthalten sollte. So „fehlen" in Bundesgesetzen, die von den Ländern vollzogen werden, häufig Ermächtigungen zum Erlaß von Verwaltungsakten, weil der Bund auf VerwaltungsRechtslage zu beurteilen, wenn ein Fachgesetz eine gesetzliche Zahlungspflicht und „deren" Vollstreckung nach Maßgabe der Verwaltungsvollstreckungsgesetze regelt (vgl. unten D.VI.). 144 So die an sich zutreffende Schlußfolgerung in BVerwGE 41, 106 (109); a.A. Arbeiter, S. 125. Der damalige 8. Senat hat jedoch die Prämisse nicht erkannt und deshalb den Nachweis nicht erbracht, daß der Bundesgesetzgeber eine ergänzende landesgesetzliche Regelung der Eingriffsbefugnisse ausschließen wollte. Ähnlich VGH BW, U. v. 22.12.1992 - 14 S 2326/91, GewArch 1993, 205 (206) zum Erlaß einer Duldungsverfügung auf Grundlage des § 1 Abs. 3 SchfG. 145 Zur Konkretisierung von Mitteilungs- und Vorlagepflichten gemäß § 11 Abs. 2 i.V.m. § 10 Abs. 4 BetrVG durch den Pensions-Sicherungs-Verein: BVerwG, U. v. 22.11.1994 - 1 C 22/92, BVerwGE 97, 117 = JURIS Nr. WBRE410000672; zustimmend Barth, BVerwG EWiR § 10 BetrAVG 1/95, 217, EWiR 1995, 217 f. Vgl. hierzu die Darstellung oben Teil 4, D.II.6. sowie unten 5.
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
verfahren im Verwaltungsbereich der Länder keinen Einfluß nehmen wollte und deshalb darauf verzichtet hat, diese Behörden kraft Bundesrecht mit Eingriffsbefugnissen zu versehen. Die bundesrechtliche Regelung überläßt es dann den Ländern, die Mittel der Ausführung des Bundesgesetzes zu regeln 146 . Der Landesgesetzgeber kann die zuständigen Behörden zum Erlaß von konkretisierenden Verfügungen und Feststellungsbescheiden ermächtigen, wenn er die Einräumung der damit verbundenen Eingriffsbefugnisse als verhältnismäßige Methode der Durchsetzung des Gesetzes ansieht; er muß es aber nicht. Eine landesrechtliche Ermächtigung wird bei einer solchen unvollkommenen bundesgesetzlichen Normierung häufig dadurch bewirkt, daß das Land in einem auf den ersten Blick nur die Zuständigkeit regelnden Gesetz oder einer auf einem Kompetenzen regelnden Gesetz beruhenden Rechtsverordnung bestimmten Stellen der öffentlichen Verwaltung die Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben in ihrer Funktion als Sonderordnungsbehörden (bzw. Polizeibehörden) übertragt. Denn in diesem Fall können die zuständigen Sonderordnungsbehörden bei Verstößen gegen die bundesgesetzliche Pflichtnorm konkretisierende Verfügungen und Feststellungsbescheide aufgrund der für alle Sonderordnungsbehörden (bzw. Polizeibehörden) subsidiär geltenden ordnungsbehördlichen Generalklausel erlassen (vgl. z.B. § 14 Abs. 2 OBG NW), weil das Fachgesetz keine entsprechende Regelung ihrer Befugnisse enthält 147 . Fehlt jedoch eine nach Bundesrecht zulässige, ergänzende landesgesetzliche Ermächtigung, beispielsweise weil der Landesgesetzgeber die Kompetenz zur Ausführung des Gesetzes ohne eine spezielle Ermächtigung auf eine Stelle der allgemeinen Verwaltung übertragen hat, die wegen der Entpolizeilichung der Rechtsmaterie nicht auf ordnungsbehördliche Ermächtigungen zurückgreifen kann 148 , so ist die zuständige Stelle überhaupt nicht befolgt, eingreifende Verwaltungsakte zur Regelung der gesetzlichen Pflichten zu erlassen. Der Gesetzgeber kann die „Kompetenzlücke" für die Verwaltung durch eine Ermächtigung zum Erlaß von Verwaltungsakten schließen, er kann aber auch andere
146
Vgl. für das Zweckentfremdungsverbot für Wohnräume das 1. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.12.1979 (8 C 77/78, NJW 1981, 242 f.) und das 2. Urteil, BVerwG, U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83: BVerwGE 72, 265 (268 f.), vgl. Teil 4, C.III.6. m.w.N. 147 Vgl. oben II.2. 148 Arbeiter, S. 125, der in seiner Kritik an BVerwG, U. v. 25.10.1972 - VIII C 112.71, BVerwGE 41, 106 (109), unter Bezugnahme auf Herzog (Hrsg.), JA 1973, 423 den Rückgriff auf ordnungsbehördliche Befugnisse vorschlug, hat übersehen, daß die nach nordrhein-westfalischem Recht zuständige Kommune zur Wahrnehmung ihrer Aufgabe als zuständiger Stelle i.S. des § 3 WoBindG nicht als Sonderordnungsbehörde tätig werden konnte und ihre Befugnisse als allgemeine Ordnungsbehörde nach dem Subsidiaritätsprinzip nicht zur Wahrnehmung des anderen Aufgabenkreises einsetzen durfte.
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verwaltungsrechtliche Sanktionen oder eine höhere Bußgeld- oder Strafbewehrung vorsehen. Macht er von keiner dieser Möglichkeiten Gebrauch, so rechtfertigt der Wunsch der Verwaltung, das materielle Gesetz effektiver durchsetzen zu können, mangels gesetzlicher Ermächtigung weder den Erlaß belastender Verwaltungsakte noch andere Maßnahmen mit Eingriffsqualität. Ob ein Bundesgesetz selbst eine abschließende Regelung der bei seinem Vollzug durch sie zuständigen Landesbehörden einsetzbaren Eingriffsbefugnisse enthält, ist durch Auslegung der einzelnen Fachgesetze zu ermitteln. Zumindest bei Rechtsgebieten, bei denen ein Vollzug durch Polizei- und Ordnungsbehörden naheliegt, dürfte bei einer unvollkommenen, fragmentarischen Regelung der Eingriffsbefugnisse im Zweifelsfall davon auszugehen sein, daß eine abschließende bundesrechtliche Regelung nicht beabsichtigt war. Insoweit war die Interpretation des WoBindG a.F. durch das Bundesverwaltungsgericht fraglich. Demgegenüber spricht der Umstand, daß § 1 Abs. 3 SchfG eine dem Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG Einschränkung der Unverletzlichkeit der Wohnung enthält, für eine Auslegung dieser Bestimmung als Ermächtigungsgrundlage für Duldungsverfügungen, wie sie vom VGH B W 1 4 9 vorgenommen wurde. Denn bereits durch die Anordnung, den Zutritt zu den Wohnräumen zu dulden, wird in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung eingegriffen.
c) Die Ermächtigung zur Anwendung als Grundlage für die Festsetzung eines Zwangsmittels Für die Vollstreckung eines unanfechtbaren oder sofort vollziehbaren Verwaltungsaktes, der auf die Herausgabe einer Sache oder auf die Vornahme einer Handlung, Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, sieht das Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes (VwVG) ein gestrecktes Verfahren vor, das sich erforderlichenfalls in den drei Stufen vollzieht: •
der Androhung (§ 13),
•
der Festsetzung (§ 14) und
•
der Anwendung (§ 15) des Zwangsmittels.
Die Androhung enthält die Regelung, daß die Grundverfügung im Falle einer nicht fristgemäßen Erfüllung der in ihr festgelegten Handlungs-, Duldungsoder Unterlassungspflichten mit einem bestimmten Zwangsmittel durchgesetzt wird. Durch die Entscheidung über das Ob und Wie der Zwangsmittelanwen149 VGH BW, U v. 22.12.1992 - 14 S 2326/91, GewArch 1993, 205 (206); vgl. oben Teil 4, C.II.5.
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
dung werden also wesentliche Fragen der Vollstreckung für das weitere Verfahren verbindlich geregelt; sie wird deshalb einhellig als ein gegenüber der Grundverfügung selbständiger Verwaltungsakt angesehen150. Die Festsetzung (Anordnung) des Zwangsmittels enthält nicht nur eine letzte Warnung des Betroffenen vor dem realen Zwang, sondern auch die verbindliche Bestätigung, daß der Pflichtige den zu vollstreckenden Verwaltungsakt innerhalb der festgesetzten Frist noch nicht erfüllt hat und eine Regelung der näheren Einzelheiten der angedrohten Zwangsmittelanwendung. Ihr kommt schon aus diesen Gründen ein eigenständiger Regelungsgehalt zu 1 5 1 . Bei der Zwangsgeldfestsetzung folgt der Verwaltungsaktcharakter auch daraus, daß nicht die Androhung, sondern erst die Festsetzung als neuer Leistungsbescheid eine Verpflichtung zur Zahlung des festgesetzten Zwangsgeldes entstehen läßt 152 . Demgegenüber sehen die meisten Vollstreckungsgesetze der Länder und auch vollstreckungsrechtliche Spezialregelungen des Bundes bei der Vollstreckung von Verwaltungsakten für einzelne Arten von Zwangsmitteln ein abgekürztes Vollstreckungsverfahren vor, bei dem entweder Androhung und Festsetzung des Zwangsmittels zusammenfallen oder die Festsetzung des Zwangsmittels entfallt oder entfallen kann 153 . Wenn die Vollstreckungsbehörde nach dem maßgeblichen Vollstreckungsrecht vor der Zwangsmittelanwendung keinen besonderen Festsetzungsbescheid erlassen muß, so darf sie sich gleichwohl dieses Mittels bedienen 154, solange die gesetzliche Regelung der Vollstreckungsmaßnahmen keinen abschließenden Charakter hat 155 . Die Befugnis zur verbindlichen Regelung der Zwangsmittelanwendung ergibt sich bei einer teleologisch-systematischen Interpretation hier aus einem argumentum a maiore ad minus:
150
Pietzner, VerwArch 84 (1993), 261 (266 f); App, GewArch 1999, 55 (57 f.); Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Rn. 34. 151 BVerwG, U. v. 15.2.1990 - 4 C 45/87, BVerwGE 84, 354 (360), OVG Rh-Pf., B. v. 22.1.1986 - 8 B 44/85, NVwZ 1986, 762; Sadler, § 14 Rn. 1, 5; Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Rn. 34; Pietzner, VerwArch 84 (1993), 261 (269 f.) m.w.N. 152 Pietzner, VerwArch 84 (1993), 261 (269 f.) m.w.N. 153 App, GewArch 1999, 55 (57 ff.); Engelhardt/App, § 14 VwVG Anm. 4. 154 So die in Fn. 141 zitierte Rechtsprechung sowie Pietzner, VerwArch 84 (1993), 261 (270); Götz, NVwZ 1987, 858 (863). 155 So für das bayerische Recht: BayVGH, U. v. 5.7.1973 - Nr. 60 II 72, BayVBl. 1973, 611; U. v. 24.9.1985 - Nr. 20 B 85 A.17, BayVBl. 1986, 176 (177); kritisch dazu Pietzner, VerwArch 84 (1993), 261 (262 (Fn. 5), 270 (Fn. 6)); für die Zwangsgeldfestsetzung nach ThürVwZVG: VG Weimar, B. v. 20.4.1995 - 6 E 430/95.WE, KKZ 1996, 118 = LKV 1996, 143; dagegen VG Gera, B. v. 19.6.1996 - 4 E 755/95.GE, LKV 1997, 36 = JURIS Nr. MWRE109999600; App, GewArch 1999, 55 (59).
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Ein Teil der Rechtsprechung und Lehre interpretieren in jede Anwendung des Zwangsmittels einen konkludenten, die Duldungspflicht des Bürgers 156 oder die Zulässigkeit der Vollstreckung regelnden Verwaltungsakt hinein; dann wäre die Festsetzung im Verhältnis zum Vollzug des Zwangsmittels eine abgeschwächte, aber gleichwertige Teilmaßnahme, die von der Ermächtigung zur Anwendung mitumfaßt ist 157 . Eine solche der preußischen Rechtstradition entstammende Konstruktion ist aber angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG und der Generalklausel des § 40 VwGO nicht mehr erforderlich, um den Zugang zu den Gerichten zu eröffnen. Solange das jeweilige Vollstreckungsrecht eine derartige Verknüpfung von Regelung und sofortigem Vollzug des Zwangsmittels nicht vorsieht und auch andere objektiv für einen Regelungswillen und eine Willenserklärung der Verwaltung sprechende Faktoren nicht erkennbar sind, ist die Zwangsmittelanwendung daher als ein bloßer Realakt ohne konkludenten Verwaltungsakt anzusehen158. Die Festsetzimg bildet folglich keinen lediglich vorweggenommen Teil eines gesetzlich zugelassenen Verwaltungsaktes. Streckt die Behörde das Vollstreckungsverfahren, in dem sie zwischen die Androhung und dem möglichen Realakt der Ausführung des Zwangsmittels als gesetzlich nicht geregelte Vollstreckungsmaßnahme noch eine Festsetzung vornimmt, so erscheint die Zwischenschaltung eines derartigen Verwaltungsaktes gegenüber dem Eingriff, der durch eine sofortige Ausführung der Androhung bewirkt würde, als ein milderes Mittel zur Durchsetzung der Grundverfügung. Denn die Zwangsmittelanwendung würde bereits vollendete Tatsachen schaffen, die der Betroffene allenfalls noch im Wege eines nachträglichen Rechtsschutzverfahrens korrigieren lassen könnte. Demgegenüber wird ihm durch die Zwangsmittelfestsetzung noch eine letzte Möglichkeit eingeräumt, die Vollstreckung durch das in der Grundverfügung angeordnete Verhalten oder Rechtsbehelfe gegen die Zwangsmittelfestsetzung abzuwenden 159. Auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung ist eine Zwangsmittelfestsetzung daher zulässig, wenn und solange die gesetzlichen Voraussetzungen der Zwangsmittel-
156 So z.B. BVerwG, U. v. 9.2.1967 - 1 C 49.64, BVerwGE 26, 161 (164); Kopp, VwVfG, § 35 Rn. 9. 157 OVG Rh-Pf., B. v. 19.1.1984 - 1 B 92/83, NVwZ 1985, 201; B. v. 22.1.1986 8 B 44/85, NVwZ 1986, 762; OVG NW, U. v. 14.08.1974 - IV A 826/73, DÖV 1975, 286. 158 VG Weimar, B. v. 3.5.1999 - 7 E 964/99, NVwZ-RR 2000,478; Renck, JuS 1970, 113 (114 f.); Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 21 Rn. 18; Siegmund in Brandt/ Sachs, Rn. D 40; Pietzner, VerwArch 84 (1993), 261 (271 ff.); Pietzcker in Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Rn. 34. 159 OVG Rh-Pf., B. v. 22.1.1986 - 8 B 44/85, NVwZ 1986, 762.
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anwendung erfüllt sind 160 . Denn in dieser besonderen Fallkonstellation begründet der Verwaltungsakt ausnahmsweise trotz seines belastenden Regelungsinhalts keine Anfechtungslast zur Abwendung künftig drohender Vollzugsmaßnahmen, sondern verschafft eine zusätzliche Chance zur Abwendung solcher formell bereits zulässigen Zwangsmaßnahmen.
5. Zur Aufgabenerßllung notwendige Befiignisse eines Beliehenen oder einer Fachbehörde In eine nicht unbedenkliche Nähe zu einem unzulässigen Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis ist das Bundesverwaltungsgericht bei der Beurteilung der Regelungsbefugnisse des Pensions-Sicherungs-Vereins, des Eisenbahn-Bundesamtes und der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) geraten 161. Allerdings gehört die teleologische Interpretation durchaus zu den anerkannten Auslegungsmethoden. Insoweit ist zunächst festzustellen, daß die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Interpretation des jeweiligen Gesetzes hier - abweichend vom zuvor kritisierten Urteil zum WoBindG - durchaus „erforderlich" war, um den genannten Behörden eine Regelungsbefugnis zu verschaffen, da der durch Bundesrecht beliehene PensionsSicherungs-Verein sowie das Eisenbahn-Bundesamt und die BvS 162 als Bundesbehörden zur Konkretisierung der gesetzlichen Pflichten der Adressaten ihrer Bescheide nicht auf landesrechtliche Ermächtigungen zurückgreifen können. Zugleich können die gesetzlichen Pflichten auch von den Polizei- und Ordnungsbehörden der Länder nicht durchgesetzt werden, weil diesen aufgrund des Subsidiaritätsgrundsatzes hierfür die Zuständigkeit fehlt 163 . Im Bereich des Vorbehalts des Gesetzes kann aber die bloße Zweckmäßigkeit einer behördlichen Eingriffsbefugnis diese niemals allein begründen; die anderen Auslegungsmethoden müssen daher hinreichende weitere Anhaltspunkte für eine gesetzliche Befugniszuweisung liefern. 160 OVG Rh-Pf., B. v. 19.1.1984 - 1 B 92/83, NVwZ 1985, 201; B. v. 22.1.1986 8 B 44/85, NVwZ 1986, 762; OVG NW, U. v. 14.08.1974 - IV A 826/73, DÖV 1975, 286; Pietzner, VerwArch 84 (1993), 261 (270); Götz, NVwZ 1987, 858 (863). Zur Festsetzung (Anordnung) der Abschiebung nach dem Ausländergesetz 1965 i.E. ebenso BVerwG, U. v. 29.4.1983 - 1 C 19.79, EZAR 130 Nr. 2, S. 5: Die Zulässigkeit einer Abschiebungsanordnung begründete das BVerwG in einer systematischen Gesetzesinterpretation mit § 20 Abs. 2 Satz 3 AuslG 1965, der eine derartige Festsetzungskompetenz der Ausländerbehörde voraussetzte. 161 Vgl. die Darstellung der wesentlichen Urteilsgründe oben in Teil 4, D.II.7 162 Die BvS handelte hier als Rechtsnachfolgerin der unabhängigen Kommission nach § 20b Abs. 3 PartG-DDR. 163 Vgl. BVerwG, U. v. 13.10.1994 - 7 VR 10/94, NVwZ 1995, 379 = JURIS Nr. WBRE4100003 86 (Eisenbahn-Bundesamt).
B. Verwaltungsakte von Amts wegen zur Regelung gesetzlicher Pflichten
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Betrachtet man unter diesem Blickwinkel zunächst die Entscheidung zum Pensions-Sicherungs-Verein 164, so konnte das Bundesverwaltungsgerichts ähnlich wie bereits im Urteil zum WoBindG - hier mit § 10 Abs. 4 BetrAVG wenigstens an eine Norm anknüpfen, welche eine Befugnis des PensionsSicherungs-Vereins zum Erlaß von Verwaltungsakten voraussetzte. Nun besteht zwar Einigkeit, daß die in den allgemeinen Vollstreckungsgesetzen enthaltenen Vorschriften über die Vollstreckung von Verwaltungsakten nicht zu deren Erlaß ermächtigen 165. Da der Pensions-Sicherungs-Verein als Träger der Insolvenzsicherung für seine Tätigkeit gegenüber Arbeitgebern nur auf das BetrAVG als Rechtsgrundlage zurückgreifen konnte, implizierte § 10 Abs. 4 BetrAVG als eine die Vollstreckung von Beitragsbescheiden regelnde Norm zwangsläufig eine aufgrund dieses Gesetzes bestehende Befugnis zum Erlaß dieser Verwaltungsakte. Eine konkrete Norm als Anknüpfungspunkt fehlte dann allerdings für die Befugnis auf feststellende Grundlagenbescheide und die Auskunfts- und Mitteilungspflichten konkretisierenden Verfügungen. Diese Regelungsbefugnis hatte das Bundesverwaltungsgericht in einem ersten Schritt schon in seinem Urteil zur Beitragspflicht des WDR 1 6 6 durch den allgemein anerkannten Schluß von der Zulässigkeit des eine Zahlungspflicht konkretisierenden Bescheides auf das mildere Mittel des feststellenden Grundlagenbescheides ausgedehnt. A u f der so schon erweiterten Argumentationsbasis hat das Bundesverwaltungsgericht sie dann in der hier erörterten Entscheidung durch eine Verknüpfung einer teleologisch-systematischen mit einer historischen Interpretation auf Verfügungen erstreckt, die eine Auskunfts- und Mitteilungspflicht des Arbeitgebers konkretisieren. Eine solche Regelungsbefugnis ist für den Vollzug des Gesetzes zwar nicht zwingend notwendig. Wenn man bedenkt, daß das BetrAVG vom 19. Dezember 1974 zu einer Zeit verabschiedet wurde, zu der die Erstreckung des Vorbehalts des Gesetzes auf die Befugnis zum Erlaß konkretisierender Verfügungen und feststellender Verwaltungsakte in der Rechtsprechung und Literatur noch nicht im heutigen Umfang anerkannt war, ist diese den Gesichtspunkt des effektiven Vollzugs betonende Auslegung dennoch gerechtfertigt 167.
164
BVerwG, U. v. 22.11.1994 - 1 C 22/92, BVerwGE 97, 117 = JURIS Nr. WBRE410000672; zustimmend Barth, BVerwG EWiR § 10 BetrAVG 1/95, 217, EWiR 1995, 217 f.; i.E. auch Christiane Fischer, S. 139. 165 Vgl. oben 4.a), Fn. 142. 166 BVerwG, U. v. 15.1.1987 - 3 C 3/81, BVerwGE 75, 318 = JURIS Nr. WBRE100358703. 167 Aufgrund ihres Ansatzes, eine allgemeine Verwaltungsaktbefugnis aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) oder einer Kombination von § 35 VwVfG mit der gesetzlichen Pflichtnorm abzuleiten, stimmt Christiane Fischer, S. 139, dem Urteil i.E. zwar gleichfalls zu, sieht es aber als ein Paradebeispiel für eine durch
460
Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
Demgegenüber fehlt sowohl im EVerkVerwG als auch in der Eisenbahnbauund Betriebsordnung eine Norm, die explizit eine Befugnis des EisenbahnBundesamts voraussetzen würde, gegenüber den privatisierten Eisenbahnunternehmen des Bundes Verwaltungsakte zur Durchsetzung der einschlägigen Umweltschutzbestimmungen zu erlassen. Auch § 20b Part-G DDR enthält keine Regelung über den Erlaß oder die Rechtsfolgen von Verwaltungsakten, die gegenüber einem nicht mit der Partei verbundenen Dritten ergehen. Die Entscheidungen zum Eisenbahn-Bundesamt168 und zur BvS 1 6 9 sind daher von dem Bestreben des Bundesverwaltungsgerichts gekennzeichnet, es auch ohne solche Anknüpfungspunkte durch eine weitreichende Auslegung des als Regelungseinheit betrachteten Gesetzes zu verhindern, daß die jeweils durch das Gesetz neu geschaffene Behörde zum „zahnlosen Tiger" wurde, weil dort ausdrückliche Befugniszuweisungen für bestimmte konkretisierende Verfügungen bzw. feststellende Verwaltungsakte fehlen, deren Erlaß für eine effektive Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben offensichtlich unerläßlich ist. So ist die Interpretation des Begriffs der „Eisenbahnaufsicht" als Ermächtigungsgrundlage letztlich eine Verlegenheitslösung 170. Sie ist nur dadurch gerechtfertigt, daß der Gesetzgeber die Auswirkungen der Neuordnung des Eisenbahnwesens auf die Eisenbahnaufsicht anscheinend selbst nicht übersehen und es deshalb versäumt hat, die innerdienstlichen Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse, welche zuvor zur Sicherstellung eines gesetzmäßigen Handelns gegenüber und innerhalb der Behörden DB und DR standen, durch ausdrückliche Eingriffsbefugnisse des Eisenbahn-Bundesamtes gegenüber den privatisierten Eisenbahnunternehmen zu ersetzen. Neben seiner generellen Funktion als Aufgabenzuweisungsnorm ist § 3 Abs. 2 Nr. 2 EVerkVerwG in Anwendung des polizeirechtlichen Subsidiaritätsgrundsatzes folglich nur insoweit eine Ermächtigungsgrundlage für hoheitliche Eingriffe des Eisenbahn-Bundesamts, wie andere gesetzliche Ermächtigungen zur Durchsetzung gesetzlicher Pflichten weder für diese Behörde noch die sonst zuständigen Landesbehörden bereitstehen. Aus den vom Bundesverwaltungsgericht dargelegten Gründen der Entstehungsgeschichte und des Regelungszusammenhangs ergibt sich insbesondere, daß § 3 Abs. 2 Nr. 2 EVerkVerwG das Eisenbahnbundesamt nur zum Erlaß konkretisierender Verfügungen und anderer hoheitlicher Maßnahmen gegenüber den als Rechtsnachfolger der DB und DR privatrechtlich organisierten Eisenbahnen des Bundes ermächtigt und nicht etwa zu Verfügungen gegenüber eidas 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.11.1985 gestiftete „Verwirrung" an. 168 BVerwG, U. v. 13.10.1994 - 7 VR 10/94, NVwZ 1995, 379 = JURIS Nr. WBRE4100003 86. 169 BVerwG, U. v. 10.12.1998 - 7 C 41/97, JURIS Nr. WBRE410005351. 170 P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 22.
B. Verwaltungsakte von Amts wegen zur Regelung gesetzlicher Pflichten
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nem Privatunternehmen, das eigene Reisezugwagen zu gewerblich-touristischen Zwecken in Züge der Deutschen Bahn AG oder deren Tochterunternehmen einstellt 171 . In ähnlicher Weise betrifft das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu der aus Sinn und Zweck der Treuhandverwaltung nach § 20b PartG-DDR abgeleiteten Befugnis der BvS, die Zugehörigkeit eines bestimmten Gegenstandes zum Parteialtvermögen gegenüber einem mit der Partei nicht verbundenen Dritten durch Verwaltungsakt bindend festzustellen, einen nicht zu verallgemeinernden Sonderfall der Gesetzgebung nach der Wende in der DDR. Angesichts der historischen Dimensionen und der völlig neuartigen Aufgaben bei der Abwicklung des Vermögens der SED, der Blockparteien und der mit ihnen verbundenen Organisationen ist es offensichtlich, daß die erstmals demokratisch gewählte Volkskammer der DDR bei der gesetzlichen Einrichtung der unabhängigen Kommission nach § 20b Abs. 2 PartG-DDR nicht alle Einzelheiten der Treuhandverwaltung regeln konnte. Insoweit ist es gerechtfertigt, wenn das Bundesverwaltungsgericht hier eine gesetzliche Befugnis der BvS, die Verstrickung des zum Parteialtvermögen gehörenden Treuguts und die ihr damit zustehenden hoheitlichen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse in Form eines Verwaltungsakts geltend zu machen, ohne eine ausdrückliche Ermächtigung als folgerichtige Konsequenz aus dem Zweck und der vom Gesetzgeber angeordneten Ausgestaltung des Treuhandverhältnisses abgeleitet hat. Damit ist deutlich geworden, daß die in den drei zuletzt besprochenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts verwandten Auslegungsgrundsätze Verlegenheitslösungen für Gesetze enthalten, bei denen der Gesetzgeber im Rahmen der Neuordnung einer Gesetzgebungsmaterie bei der Übertragung einer Verwaltungsaufgabe auf eine neue Behörde bzw. ein beliehenes Unternehmen nicht alle Einzelheiten des Vollzugs durchdacht hat. Ausgehend von der Feststellung, daß der Gesetzgeber in jedem dieser Fälle durchaus hoheitliche Eingriffsbefugnisse übertragen wollte, hat das Bundesverwaltungsgericht dann das Gesetz hinsichtlich der nur ansatzweise zum Ausdruck gekommenen Befugnisse durch eine teleologisch-systematische Interpretation quasi zu Ende gedacht. Eine solche Vorgehensweise, bei der in Sonderfallen schon jedes Indiz für den Willen des Gesetzgebers, der zuständigen Behörde Eingriffsbefugnisse zu übertragen, als normative Grundlage für deren tatsächliche Übertragung gewertet wurde, bildet jedoch keinen adäquaten Maßstab für den Normalfall der Gesetzesauslegung. Insbesondere müssen die zuständigen Gesetzgebungsorgane (und die die Entwürfe vorbereitenden Ministerialverwaltungen) bei der Gesetzgebung in Zukunft bedenken, daß die Geltung des Vorbehaltes des Ge-
171 OVG NW, B. v. 31.1.1996 - 25 B 3455/95 bis 25 B 3460/95, JURIS Nr. MWRE296005757 = NZV 1996, 417.
Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
462
setzes für den Erlaß konkretisierender Verfügungen und belastender feststellender Verwaltungsakte heute von der höchstrichterlichen Rechtsprechung allgemein anerkannt wird.
C. Verwaltungsakte, die in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren das Bestehen oder Nichtbestehen allgemeiner gesetzlicher Pflichten oder pflichtenrelevanter Eigenschaften feststellen I. Rechtsfolgen eines Antrags auf Erlaß eines Feststellungsbescheids Der Überblick hatte gezeigt, daß auch die heute herrschende Rechtsprechung, welche von der Geltung des Vorbehalts des Gesetzes für feststellende Verwaltungsakte ausgeht, den Erlaß eines Feststellungsbescheids ohne eine gesetzliche Ermächtigung grundsätzlich gebilligt hat, wenn der Adressat diesen Bescheid selbst beantragt hat1. Unterschiedliche Auffassungen werden dabei allerdings zu der Frage vertreten, ob die Verwaltung aufgrund eines Feststellungsantrags nur zum Erlaß eines die Rechtsauffassung des Antragstellers bestätigenden Bescheides befugt ist oder auch zu einer inhaltlich abweichenden Feststellung der Rechtslage2. Systematisch ließe sich dies entweder in der Weise erklären, daß bei einem antragsgemäß erlassenen Verwaltungsakt überhaupt kein den Vorbehalt des Gesetzes begründender Eingriff vorliegt, oder aber in der Weise, daß der Antrag als eine Einwilligung des Betroffenen in den Eingriff gewissermaßen die gesetzliche Ermächtigung ersetzen kann. Die Nennung einiger der wesentlichen Argumente im Überblick hat gezeigt, daß die Lösung der einzelnen Fälle und Fallgruppen mehrere staats- und verwaltungsrechtliche Grundsatzfragen berührt, aber möglicherweise auch von einer interessengerechten Auslegung der einzelnen Anträge abhängt. Im Rahmen einer systematischen Aufarbeitung soll hier zunächst geklärt werden, welche Verfahrens- oder materiellrechtlichen Rechtsfolgen Anträge auf Erlaß von Verwaltungsakten überhaupt haben können3. Sodann wird die allgemeine staatsrechtliche Frage zum Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes erörtert, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine Einwilligung des Betroffenen das sonst gegebene Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung beseitigen kann4. Aufbauend auf diesen allgemeinen Verwaltungsverfahrens- und staats-
1 2 3 4
Vgl. die Darstellung und Nachweise in Teil 4, D.III.5. und 6. Vgl. die Darstellung und Nachweise in Teil 4, D.III.6. Sogleich unter II. Siehe unten IV.
C. Verwaltungsakte in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren
463
rechtlichen Vorüberlegungen wird dann die spezielle Frage der vorliegenden Untersuchung beantwortet, unter welchen Voraussetzungen ein Antrag des Adressaten der Verwaltung die Befugnis verschaffen kann, einen feststellenden Verwaltungsakt zu erlassen, für den sie ohne Stellung eines solchen Antrages einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung bedürfte 5.
n . Mögliche Verfahrens- und materiellrechtliche Wirkungen von Anträgen 1. Mitwirkungs-
und zustimmungsbedürftige
Verwaltungsakte
Anträge sind verwaltungsrechtliche Willenserklärungen eines Bürgers, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlaß eines Verwaltungsaktes gerichtet sind und/oder die Zustimmung zum Regelungsinhalt eines Verwaltungsaktes enthalten; es sind also Mitwirkungshandlungen, die eine verfahrensrechtliche und/oder eine materiellrechtliche Funktion im Hinblick auf den Erlaß und/oder den Inhalt eines Verwaltungsaktes haben können6. A u f Grund eines Antrags ergehen Verwaltungsakte, für deren Rechtmäßigkeit und/ oder Rechtswirksamkeit ein hierauf gerichteter Antrag oder eine andere Form der Beteiligung eines Bürgers kraft Gesetzes oder nach der Natur der Sache7 von (Verfahrens- und/oder materiellrechtlicher) Bedeutung ist; derartige Bescheide werden in der vorliegenden Untersuchung mit dem Oberbegriff der mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakte bezeichnet8. Je nach Funktion und Rechtsfolgen der Mitwirkungshandlung lassen sich dabei formell und materiell mitwirkungsbedürftige Verwaltungsakte unterscheiden. Demgegenüber wird der Begriff des mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsaktes in der Literatur teilweise auch in einer engeren Bedeutung verwandt, nämlich als Bezeichnung solcher Verwaltungsakte, deren materielle Rechtmäßigkeit von der Zustimmung des Betroffenen zu dem jeweiligen Regelungsinhalt abhängt9. Damit ginge jedoch für alle Verwaltungsakte, bei denen die Mitwirkung des Betroffenen eine Verfahrens- oder eine materiellrechtliche Bedeutung hat, ein die wesentlichen Merkmale kennzeichnender Oberbegriff verlo-
5
Siehe unten VI. und VII. Gusy, BayVBl. 1985, 484 ff.; Stelkens, NuR 1985, 314 ff.; Stelkens/Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, § 22 Rn. 11; Clausen in Knack, § 22 Rn. 4.1; Badura in Erichsen, Allg. VerwR, § 36 Rn. 2, 3, 7. 7 Henneke in Knack, § 35 Rn. 5.4.2. 8 Ebenso P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 153; Henneke in Knack, § 35 Rn. 5.4.2.; Obermayer-Janßen, § 35 Rn. 138; Woljf/Bachof/Stober, VerwR I, § 46 Rn. 35; Hühne y S. 49, passim (m.w.N.). 9 Badura in Erichsen, Allg. VerwR, § 36 Rn. 37; Clausen in Knack, § 22 Rn. 4.1. 6
464
Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
ren. Eine einengende Definition ist auch deshalb unzweckmäßig, weil für die genannte Fallgruppe der materiell mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakte noch der anschaulichere Begriff der zustimmungsbedürftigen Verwaltungsakte zur Verfügung steht10.
2. Verfahrensrechtliche
Antragsfolgen und -funktionen
Das Verwaltungsverfahrensgesetz befaßt sich in einer ganzen Reihe von Vorschriften mit dem Antrag und dem Antragsteller (§§ 13, 17, 22, 23, 24 Abs. 3, §§ 25, 28 Abs. 2, §§ 32, 45 Abs. 1 Nr. 1, §§ 51, 64, 68 Abs. 4), ohne 10
Ebenso Maurer, Allg. VerwR, § 9 Rn. 25, § 14 Rn. 19; ähnlich Kirchhof DVB1. 1985, 651 (653 ff.), der mit dem Begriff „Verwaltungsakte auf Zustimmung" solche mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakte bezeichnet, deren Rechtmäßigkeit und/oder Wirksamkeit von einer vor oder nach Erlaß des Verwaltungsaktes abgegebenen materiellen Willenserklärung des Adressaten abhängt, welche eine Zustimmung des Adressaten zum Inhalt des Verwaltungsakts enthält. Auf Basis einer strengen Ablehnung von O. Mayers Rechtsfigur des Verwaltungsakts auf Unterwerfung sieht Kirchhof aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes eingreifende und begünstigende rechtsgestaltende Verwaltungsakte auf Zustimmung nur dann als zulässig an, wenn in speziellen Verfassungsbestimmungen, einfach-gesetzlichen Vorschriften oder dem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Verbots einer aufgedrängten Bereicherung eine gesetzliche Grundlage für diese Form des Verwaltungshandelns bestehe; für den Erlaß rein begünstigender Feststellungsbescheide gelte das Verbot einer aufgedrängten Bereicherung dagegen nicht. Die Notwendigkeit einer speziellen gesetzlichen Ermächtigung für inhaltlich belastende Feststellungsbescheide und konkretisierende Verfügungen behandelt er nicht ausdrücklich; angesichts seiner strengen Ablehnung des Verwaltungsakts auf Unterwerfung dürfte er sie aber implizit voraussetzen. In der Literatur werden aus den hier als zustimmungsbedürftig bezeichneten Verwaltungsakten oft die sog. Verwaltungsakte auf Unterwerfung als besondere Fallgruppe herausgenommen. Als Verwaltungsakt auf Unterwerfung werden dabei teils im Sinne von O. Mayers (Dt. VerwR I, 1. Aufl., S. 98) ursprünglicher Rechtsfigur solche belastenden Verwaltungsakte definiert, die ohne gesetzliche Grundlage aufgrund einer Einwilligung (der sog. Unterwerfung) des Betroffenen dessen Rechtsstellung einschränken (so Woljf/Bachof/Stober, VerwR I, § 46 Rn. 51), teils weitergehend alle materiell mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakte, die den Rechtskreis des Bürgers einschränken, so daß dann von allen materiell mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakten nur noch die begünstigenden Verwaltungsakte als zustimmungsbedürftig bezeichnet werden (P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 154; Henneke in Knack, § 35 Rn. 5.4.2; Huhne, S. 50 ff., m.w.N. auf S. 30 ff.). Diese Beschränkung des Begriffs des zustimmungsbedürftigen Verwaltungsaktes auf begünstigende Verwaltungsakte erweist sich schon deshalb als nicht zweckmäßig, weil der Gesetzgeber in § 2 Abs. 2 BFStr und den entsprechenden landesrechtlichen Widmungsvorschriften die Mitwirkung des Eigentümers an einem ihn belastenden Verwaltungsakt als „Zustimmung" bezeichnet hat. Zudem ist die Rechtsfigur des Verwaltungsakts auf Unterwerfung nicht nur in ihrer genauen Abgrenzung und bei den Rechtsfolgen einer fehlenden Mitwirkung, sondern auch in ihrer rechtlichen Tragfähigkeit äußerst umstritten. Der Begriff wird daher hier nicht übernommen.
C. Verwaltungsakte in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren
465
den Begriff des Antrags selbst zu definieren. Insbesondere aus § 22 VwVfG ergibt sich, daß als Antrag im Sinne dieser verfahrensrechtlichen Vorschriften eine an eine Behörde gerichtete Willenserklärung eines Dritten zu verstehen ist, die auf die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens gerichtet ist u. Ein Verwaltungsverfahren ist nach der Legaldefinition des § 9 VwVfG eine Behördentätigkeit, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlaß eines Verwaltungsaktes oder den Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist. In unserem Zusammenhang interessieren nur Anträge, die auf den Erlaß eines Verwaltungsaktes 12, genauer gesagt: die auf die Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens gerichtet sind, das mit dem Erlaß eines Verwaltungsaktes abschließen soll. Mehrere verfahrensrechtliche Rechtsfolgen eines Antrags für die Entscheidungen der Behörde, bei der der Antrag gestellt wurde, lassen sich also unterscheiden: •
Die unmittelbaren verfahrensrechtlichen Wirkungen des Antrags ergeben sich aus § 22 VwVfG. Nach Satz 1 dieser den Beginn des Verwaltungsverfahrens regelnden Vorschrift entscheidet die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen, ob und wann sie ein Verwaltungsverfahren durchführt. Dies gilt nicht, wenn die Behörde auf Grund von Rechtsvorschriften von Amts wegen oder auf Antrag tätig werden muß (Satz 2 Nr. 1) oder nur auf Antrag tätig werden darf und ein Antrag nicht vorliegt (Satz 2 Nr. 2). Jeder verfahrensrechtliche Antrag hat also die Funktion, die Behörde zur Einleitung eines Verwaltungsverfahrens zu veranlassea
•
Soweit die Behörde auf Grund von Rechtsvorschriften nur auf Antrag und nicht von Amts wegen tätig werden darf, ist der Antrag eine verfahrensrechtliche Voraussetzung für die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens (§ 22 Satz 2 Nr. 2 VwVfG).
•
Soweit die Behörde auf Grund von Rechtsvorschriften auf Antrag tätig werden muß, ergibt sich aus der Stellung eines Antrags für den Antragsteller ein Rechtsanspruch auf Durchführung eines Verwaltungsverfahrens.
•
Soweit ein solcher verfahrensrechtlicher Anspruch auf Verfahrenseinleitung i.S. des § 22 Satz 2 Nr. 1 Alt. 2 VwVfG nicht besteht, verbleibt es auch in
11 Gusy, BayVBl. 1985, 484 (485); Stelkens,NuR 1985, 213 (214); Stelkens/Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, § 22 Rn. 18; Clausen in Knack, § 22 Rn. 4.1. 12 Verfahrenshandlungen, die auf die Vorbereitung und den Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet sind, sowie verfahrensrechtliche Anträge, die auf die Sachentscheidung vorbereitende Maßnahmen innerhalb eines Verwaltungsverfahrens (z.B. auf Akteneinsicht, zu den Beweismitteln, das Verlangen nach einer Antragskonferenz (§ 71 e VwVfG) oder schriftliche Auskunft (§ 71c VwVfG)) bleiben hier also außer Betracht. 30 Kracht
466
Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
antragsbedürftigen Verwaltungsverfahren bei der Grundregel des § 22 Satz 1 VwVfG, nach der die zuständige Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen darüber entscheidet, ob und wann sie ein Verwaltungsverfahren durchführt. Trotz der mittelbaren Ziele einer realen Leistung und/oder des Erlasses eines bestimmten Verwaltungsaktes ist der Antrag in seiner verfahrensrechtlichen Funktion zunächst unmittelbar aber nur auf die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens gerichtet 13, in dem dann die Voraussetzungen eines bestimmten Verwaltungsaktes zu prüfen sind und dieser Verwaltungsakt u.U. erlassen wird. Die im Rahmen des Antragsverfahrens bestehende Sachentscheidungskompetenz der Behörde ist inhaltlich jedoch nicht auf den Erlaß der vom Bürger begehrten Entscheidung beschränkt 14; im Rahmen des durch den Antrag bestimmten Verfahrensgegenstandes kann sie zumindest durch Verwaltungsakt auch die begehrte Entscheidung ablehnen15. Ob die Behörde darüber hinaus auf Grund des Antrags auch befugt ist, festzustellen, daß die geltend gemachten Rechtsfolgen oder bestimmte für den Verfahrensgegenstand rechtlich erheblichen Eigenschaften einer Person oder Sache nicht bestehen, richtet sich nach dem jeweiligen materiellen Recht 16 . Da der Antrag aber Mittel
13
Gusy, BayVBl. 1985, 484 (485); Stelkens, NuR 1985, 213 (214); Stelkens/Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, § 22 Rn. 18; P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 154; Clausen in Knack, § 22 Rn. 4.1; Obermayer-Engelhardt, § 22 Rn. 86. Die gebräuchliche, aber verkürzende Bezeichnung als „Antrag auf Erlaß eines Verwaltungsaktes" (so z.B. Badura in Erichsen, Allg. VerwR, § 36 Rn. 2) darf jedenfalls nicht zu dem Schluß verleiten, die Behörde dürfe im Rahmen des eingeleiteten Verwaltungsverfahrens immer nur einen Verwaltungsakt mit dem beantragten Regelungsinhalt erlassen. 14 Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 9 Rn. 99. 15 Vgl. oben Teil 2, B.V.3.a)bb). 16 So wird beispielsweise mit jedem Asylantrag gem. § 13 Abs. 2 AsylVfG sowohl die Feststellung beantragt, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (drohende politische Verfolgung), als auch, wenn der Ausländer dies nicht ausdrücklich ablehnt, die Anerkennung als Asylberechtigter beantragt. Das zuständige Bundesamt ist aufgrund eines solchen Antrages nicht nur zum Erlaß der beantragten, begünstigenden Feststellungen befugt, sondern auch zu deren Ablehnung, die dann als unbegründet, offensichtlich unbegründet oder unbeachtlich zu qualifizieren ist. § 31 AsylVfG regelt detailliert, welche Feststellungen, die Gegenstand des beantragten Anerkennungsbescheides gewesen wären oder die für das Bestehen oder nicht Nichtbestehen eines Anspruchs auf Anerkennung oder Abschiebungsschutzes präjudiziell sind, ggf. in die Entscheidung des Bundesamtes über Asylanträge aufzunehmen sind. Nach Stellung eines Asylantrages obliegt dem Bundesamt gemäß § 24 Abs. 2, § 31 Abs. 3 AsylVfG sogar die Entscheidung, ob Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen, also eine Entscheidung, auf die der Asylantrag gemäß § 13 AsylVfG gar nicht gerichtet ist. Zur umstrittenen Frage, ob eine aus Gründen des materiellen Rechts erfolgende Ablehnung eines Verwaltungsaktes, insbesondere einer Genehmigung oder eines Vorbescheides, auch Feststellungen zur materiellen Rechtslage enthält, vgl. oben Teil 2, B.V.3.a)bb).
C. Verwaltungsakte in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren
467
zum Zweck der vom Bürger verfolgten Interessen bleibt, kann die materiellrechtliche Zielsetzung des Antragstellers auch den Umfang des Verfahrensgegenstandes mitbestimmen, wenn und soweit der Antragsteller über diesen disponieren darf 17 .
3. Materiellrechtliche
Antragsfolgen und -funktionen
Von den verfahrensrechtlichen Funktionen und Rechtsfolgen eines Antrags sind strukturell seine möglicherweise auch bestehenden materiellrechtlichen Funktionen und Rechtsfolgen zu unterscheiden, die ein Antrag dann haben kann, wenn er als Zustimmung des Antragstellers zu der im Verwaltungsakt enthaltenen Regelung zu interpretieren ist™. Eine solche Funktion als materiellrechtliche Willenserklärung kann ein Antrag dann haben, wenn die Rechtsordnung die materielle Rechtmäßigkeit oder Wirksamkeit eines Verwaltungsakts von der Zustimmung des betroffenen Bürgers abhängig macht 19 . Ebenso wie im Zivilrecht können wir bei solchen Mitwirkungshandlungen, die eine materiellrechtliche Zustimmung enthalten, auch im Verwaltungsrecht zwischen der vorherigen Einwilligung (vgl. § 183 BGB) und der nachträglichen Genehmigung (vgl. § 184 BGB) unterscheiden. Der materiellrechtliche Antrag auf Erlaß eines bestimmten Verwaltungsaktes, der eine Einwilligung zu dem begehrten Regelungsinhalt enthält, ist die häufigste Form der Zustimmung Betroffener im öffentlichen Recht20.
I I I . Verfahrensrechtliche, aber keine materiellrechtlichen Wirkungen des Antrags auf Erlaß eines Feststellungsbescheids Eine materiellrechtliche Funktion könnte der Antrag demgegenüber nur dann haben, wenn eine Rechtsnorm die materielle Rechtmäßigkeit eines bestimmten Verwaltungsaktes von der Zustimmung des betroffenen Bürgers zu seinem Regelungsinhalt abhängig machen würde. Nicht normierte Feststel17
J. Martens, NVwZ 1988, 684 m.w.N. Stelkens, NuR 1985, 213 (218); Stelkens/Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, § 22 Rn. 19; Clausen in Knack, § 22 Rn. 4.1. 19 Gusy, BayVBl. 1985, 284 (289); Stelkens, NuR 1985, 213 (214 ff); Kirchhof DVB1. 1985, 651 (653 ff.); Stelkens/Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, § 22 Rn. 19; Clausen in Knack, § 22 Rn. 4.1. 20 Allerdings gibt es auch andere Formen der Einwilligung in Verwaltungsakte, beispielsweise die Zustimmung eines Eigentümers bei einer straßenrechtlichen Widmung (z.B. gem. § 2 Abs. 2 BFStrG) oder die Annahme der Ernennungsurkunde bei einer Beamtenernennung (§ 6 BBG, § 5 BRRG). 18
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
lungsbescheide können eine solche Wirkung nicht haben, da ihre Rechtsfolgen spezialgesetzlich gerade nicht geregelt sind. Die materielle Rechtmäßigkeit ihres Regelungsinhalts hängt deshalb nicht davon ab, ob die getroffene Regelung die Rechtsauffassung der Betroffenen bestätigt oder von ihr abweicht. Ein Antrag hat nicht schon deshalb eine materiellrechtliche Funktion und entsprechende materielle Rechtsfolgen, weil der Verwaltungsakt, der das beantragte Verwaltungsverfahren abschließen soll, seinerseits eine verbindliche Konkretisierung des materiellen Rechts enthalten soll. Denn die verbindliche Konkretisierung des materiellen Rechts ist die gemeinsame Grundfunktion aller Verwaltungsakte als verbindliche verfahrensrechtliche Entscheidungen21. Folglich hat ein Antrag auf Erlaß eines gesetzlich nicht geregelten Feststellungsbescheides unmittelbar lediglich verfahrensrechtliche Funktionen. Der Antragsteller will die Behörde mit seinem Antrag zur Einleitung eines Verwaltungsverfahrens veranlassen, das auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlaß des begehrten Verwaltungsaktes gerichtetet ist. Wenn die Behörde aufgrund der grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte einen (belastenden) Feststellungsbescheid nur auf Antrag erlassen darf, so kann erst ein hierauf gerichteter Antrag der Behörde die Befugnis verschaffen, nach pflichtgemäßem Ermessen über die Einleitung des Verwaltungsverfahrens zu entscheiden. Der Antrag enthält die Einwilligung in die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens durch die Behörde, bei der der Antrag gestellt wurde. Er bildet eine verfahrensrechtliche Voraussetzung für die Einleitung dieses Verwaltungsverfahrens und zugleich eine verfahrensrechtliche Sachentscheidungsvoraussetzung.
IV. Kann eine Einwilligung das Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung beseitigen? 1. Die Einwilligung:
kein „ Grundrechtsverzicht"
Die Frage, ob die Verwaltung für den Erlaß eines Verwaltungsaktes, der eine den Adressaten oder Drittbetroffene inhaltlich belastende Feststellung enthält, aufgrund des jeweils berührten grundrechtlichen Gesetzesvorbehalts auch dann einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf, wenn der Adressat die Durchführung eines auf den Erlaß eines Feststellungsbescheides gerichteten Verwaltungsverfahren beantragt hat, gehört zum Themenbereich des sogenannten
21
Vgl. oben Teil 2, B.V.
C. Verwaltungsakte in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren
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Grundrechtsverzichts 11. Mit diesem mißverständlichen Stichwort ist kein völliger und dauerhafter Verzicht des jeweiligen Grundrechtsträgers auf sämtliche Berechtigungen aus dem Grundrecht gemeint; denn ein solcher Totalverzicht wäre nach allgemeiner Meinung unwirksam. Vielmehr geht es um die Möglichkeit und Rechtswirkungen einer individuellen Verfügung über einzelne Grundrechtspositionen durch eine Willensäußerung des Grundrechtsträgers 23, d.h. um die Frage, ob staatliche Maßnahmen, die den Schutzbereich eines Grundrechts berühren (können) und die sonst als Eingriff nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes unter Beachtung der hierfür im Grundgesetz festgelegten Voraussetzungen vorgenommen werden dürften, mit Einwilligung des Betroffenen ohne Beachtung dieser Grundrechtsschranken vorgenommen werden dürfen.
2. Die legitimierende Wirkung einer Einwilligung: eine Frage des Vorbehalts oder Vorrangs des Gesetzes? Wie oben in Teil 3 dargestellt, nimmt die h.M. an, der allgemeine Vorbehalt des Gesetzes sei ein heute in Art. 20 Abs. 3 GG verankerter Verfassungsrechtssatz, welcher trotz gemeinsamer Wurzeln unabhängig von den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten bestehe. A u f dieser Grundlage gliedert die h.M. die Prüfung, ob ein Grundrechtsträger nach dem GG befugt ist, durch seine Zustimmung über eine bestimmte grundrechtlich geschützte Rechtsposition zu verfügen, in zwei große Prüfungsschritte. Zunächst wird in einer vom betroffenen Grundrecht, der Art der staatlichen Maßnahme und der konkreten Fallkonstellation unabhängigen Betrachtung gefragt, ob die Zustimmung des Betroffenen die sonst nach dem allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes erforderliche gesetzliche Grundlage des Verwaltungshandelns ersetzen kann 24 . Dies wird überwiegend bejaht: Zur Begründung wird entweder darauf abgestellt, daß der Vorbehalt des Gesetzes nach seiner überkommenen Bedeutung und Schutzfunktion nur für Eingriffe oder sonstige Einwirkungen auf Freiheit und Eigen-
22
Zur Problematik des Grundrechtsverzichts und der Einwilligung allgemein: Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527-551; Sachs, VerwArch 76 (1985), 398-426; Stern, Staatsrecht III/2, § 86, S. 887 ff.; Pieroth/Schlink, Rn. 131 ff.; Jarass in Jarass/Pieroth, vor Art. 1 Rn. 27, 21; v. Münch in v. Münch/Kunig, vor Art. 1-19, Rn. 62-63. 23 Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527 (531); Bleckmann, JZ 1988, 57 ff.; ders, Staatsrecht II, § 15 Rn. 10 ff. (25); Sachs in Sachs, GG, vor Art. 1 Rn. 52 f.; Stern, Staatsrecht III/2, § 86, S. 887 ff (906); Geiger, NVwZ 1989, 35 (36 f.). 24 Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527 (534 f.); Sachs, VerwArch 76 (1985), 398 (412 ff.); Bleckmann, JZ 1988, 57 (60 f.); ders., Staatsrecht II, § 15 Rn. 14 ff.; Stern, Staatsrecht III/2, § 86, S. 909 ff., 920.
4 7 0 T e i l 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
tum gelte, die gegen den Willen des Betroffenen erfolgten 25, oder es wird auf den in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Grundsatz der Selbstbestimmung verwiesen, der den Grundsatz legitimiere, über Grundrechte verfügen zu können26 . Nach dem zuletzt genannten Ansatz umfaßt das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) prinzipiell auch die Berechtigung, auf den von der Verfassung eingeräumten Grundrechtsschutz zu verzichten; da die Grundrechte als Teil des Verfassungsrechts höchstrangiges Recht darstellten, könne die grundrechtlich geschützte Verfügungsfahigkeit über Grundrechtspositionen nicht durch den Vorbehalt des Gesetzes begrenzt sein27. Gleichwohl soll eine freiwilligen Einwilligung des Betroffenen nicht bei allen den Schutzbereich eines Grundrechts berührenden Maßnahmen eine legitimierende Wirkung haben. Denn in einem zweiten Prüfungsschritt sei zu prüfen, ob die jeweils im Einzelfall konkret betroffenen Grundrechtsnormen mit ihren Gesetzesvorbehalten der Wirksamkeit des Grundrechtsverzichts entgegenstünden28. Hieran ändere auch die grundrechtliche Absicherung der Verfügungsfähigkeit durch Art. 2 Abs. 1 GG nichts, da die allgemeine Handlungsfreiheit ihrerseits durch die verfassungsmäßige Ordnung begrenzt sei 29 . Rechtssystematisch sei die Frage, ob eine Einwilligung des Betroffenen eine behördliche Maßnahme legitimiere, die jedenfalls ohne diese Zustimmung als Eingriff zu qualifizieren sei oder ob das Grundrecht dieser Einwilligung keiner Bedeutung zumesse, nicht beim Vorbehalt, sondern beim Vorrang des (Verfassungs-) Gesetzes angesiedelt; zu klären sei nämlich die Frage, ob die jeweiligen Grundrechtsnormen ihrem Sinn nach einer wirksamen Einwilligung entgegenstün" den 30 . Bei diesem letzten Prüfungsschritt hat sich heute die Auffassung weitgehend durchgesetzt, daß eine Lösung nur durch ein nach den betroffenen Grundrechten und Sachverhalten differenzierendes Vorgehen gefunden werden kann 31 . Eine nähere Betrachtung zeigt jedoch, daß diese scheinbaren Gegensätze zwischen Vorbehalts- und Vorrangfrage und zwischen allgemeinem Vorbehalt des Gesetzes und grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten sich durch einige 25 Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527 (534); Sachs, VerwArch 76 (1985), 398 (412 ff.). 26 Bleckmann, JZ 1988, 57 (60 f.); ders., Staatsrecht II, § 15 Rn. 21 ff.; Stern, Staatsrecht III/2, § 86, S. 907 ff. 27 Stern, Staatsrecht III/2, § 86, S. 908, 920. 28 Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527 (535 ff.); Sachs, VerwArch 76 (1985), 398 (418 ff.); Bleckmann, JZ 1988, 57 (61 f.); Stern, Staatsrecht III/2, § 86, S. 910 f., 920 f. 29 Stern, Staatsrecht III/2, § 86, S. 911. 30 Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527 (535 ff.); Stern, Staatsrecht III/2, § 86, S. 910 f., 920 f. 31 Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527 (535 ff.); Sachs, VerwArch 76 (1985), 398 (419 ff.); Stern, Staatsrecht III/2, § 86, S. 911 ff, 925 f.
C. Verwaltungsakte in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren
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Überlegungen zur Normstruktur der Grundrechte und zum normlogischen Verhältnis beider Elemente des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung auflösen lassen. Der Vorrang des Gesetzes, wie er in Art. 20 Abs. 3 GG ausdrücklich verankert ist, besagt nämlich, daß der in Form eines Gesetzes geäußerte Staatswille jeder anderen staatlichen Willensäußerung vorgeht 32 . Die Bindung an Gesetz und Recht schließt dabei eine Bindung an alle Verfassungsgesetze ein, so daß der Vorrang des Gesetzes umfassend als ein Vorrang des ranghöheren vor dem rangniedrigeren Rechtsakt33 bezeichnet werden kann. Folglich sind die Grundrechte auch ein vorrangiges Gesetz im Sinne des Vorrangs des Gesetzes, der für die vollziehende und die rechtsprechende Gewalt eine Pflicht zur Anwendung der Gesetze (d.h. der Grundgesetznormen und der verfassungsmäßigen Gesetze) begründet (Anwendungsgebot) und eine Pflicht, bei ihren Maßnahmen nicht gegen solche Gesetze zu verstoßen (Abweichungsverbot) 34 . Der Vorbehalt des Gesetzes beinhaltet demgegenüber, daß gewisse Staatshandlungen nur rechtmäßig sind, wenn sie gesetzlich vorgesehen sind 35 . Dies läßt sich auch umformulieren in ein Verbot der Abweichung von den in den Grundrechtsartikeln enthaltenen Gesetzesvorbehalten. In dieser Fassung eines Verbots des gesetzlosen Vorgehens wird der Vorbehalt des Gesetzes damit normlogisch zu einem Unterfall des Vorrangs des Gesetzesi 36. Dabei steht allerdings dieses Gesetz, nämlich der Rechtssatz vom Vorbehalt des Gesetzes, auf derselben verfassungsrechtlichen Geltungsstufe wie der Vorrang des Gesetzes37. Die Sichtweise der Grundrechte mit ihren Gesetzesvorbehalten als vorrangige Gesetze auf Verfassungsebene, die der Verwaltung ein grundrechtswidriges Verhalten verbieten, erlaubt es, die aus Zivil- und Strafrecht vertrauten Kategorien der Verbotsnorm und der Rechtfertigung des Eingriffs durch eine Einwilligung auch in der Grundrechtsdogmatik anzuwenden38. Allerdings wird auch hier deutlich, wie fragwürdig die Annahme ist, das Grundgesetz kenne neben den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten noch einen allgemeinen, gleichfalls zumindest für Eingriffe in Freiheit und Eigentum geltenden, ungeschriebenen allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes39. Wenn nämlich der Grundsatz der Selbstbestimmung des Grundrechtsträgers als kollidierendes Verfassungsrecht bei einem konkreten Sachverhalt für einen Eingriff in 32
Vgl. oben Teil 3, B. Pietzcker, JuS 1979,710. 34 Vgl. oben Teil 3, B. 35 Vgl. oben Teil 3, C.I. sowie Sachs, VerwArch 76 (1985), 398 (407). 36 Sachs, VerwArch 76 (1985), 398 (407). 37 Sachs, VerwArch 76 (1985), 398 (407). 38 Sachs, VerwArch 76 (1985), 398 (408); Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527 (535 f.). 39 Vgl. bereits oben Teil 3, C.III. 33
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
eine bestimmte Rechtsposition gegenüber dem allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes eine rechtfertigende Wirkung haben soll, so müßte er konsequenterweise auch den Eingriff in das konkret betroffene Grundrecht legitimieren. Die Notwendigkeit einer differenzierenden Auslegung der einzelnen Grundrechte bestätigt die Aussage, daß die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte Ausprägungen und Fortentwicklungen des rechtsstaatlichen Eingriffsvorbehalts sind, die eine zusätzliche Prüfung eines Allgemeinvorbehalts zumindest entbehrlich machen. Auch hier besteht die Gefahr, daß andernfalls die abstrakten Aussagen, die allgemein für den rechtsstaatlichen Vorbehalt des Gesetzes gewonnen wurden, ohne Berücksichtigung der im jeweiligen Grundrecht selbst enthaltenen Grundrechtsschranken auf die speziellen grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte angewandt werden 40. Da jede einen Gesetzesvorbehalt enthaltene Verfassungsnorm (in der Formulierung als Verbot eines gesetzlosen Vorgehens) sich demnach als ein spezieller Anwendungsfall des Vorrangs der (Verfassungs-)Gesetze beschreiben läßt, erscheint es mir zweckmäßig, die hier zu lösende Frage, ob für eine Verwaltungsmaßnahme, für die „normalerweise" ein grundrechtlicher Gesetzesvorbehalt gilt, bei einer Einwilligung des Betroffenen keine gesetzliche Ermächtigung erforderlich ist, systematisch dem spezielleren Rechtsprinzip, also dem Vorbehalt des Gesetzes, zuzuordnen. Die Lösung wird so zu einem Teil der allgemeinen Grundrechtslehre vom Vorbehalt des Gesetzes41, ohne daß hierdurch der Gedanke einer den Eingriff ausschließenden oder rechtfertigenden Einwilligung ausgeschlossen würde.
40 Auch die Konstruktion, die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs.l GG) schütze ein Recht, auf andere Grundrechte zu verzichten, wird entbehrlich. Denn es geht hier nicht um das Recht, als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit einen Verzicht aussprechen zu dürfen, sondern um die Frage, ob eine frei und eigenverantwortlich getroffene Einwilligung des Grundrechtsträgers im Bereich des von der staatlichen Maßnahme betroffenen Grundrechts eine sonst erforderliche gesetzliche Grundlage ersetzen kann, m.a.W. ob der Grundrechtsträger für diesen Eingriff auf den Schutzmechanismus des Gesetzesvorbehalts verzichten kann. 41 Der Hinweis auf den Vorrang des jeweiligen (Verfassungs-)Gesetzes macht aber deutlich, daß die Lösung einzelner Einwilligungsfalle auch die Formulierung und Funktionen des jeweils betroffenen Grundrechts und seiner speziellen Grundrechtsvorbehalte beachten muß. Insofern ist die Wechselbeziehung zwischen der Auslegung des Schutzbereichs der jeweiligen Grundrechtsnorm, des „Eingriffs" als Tatbestandsmerkmal der grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte (tatbestandsausschließende Einwilligung?) und der Rechtsfolge der Gesetzesvorbehalte (Einwilligung als Rechtfertigungsgrund?) zu beachten.
C. Verwaltungsakte in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren 473 3. Formulierung und Funktion der Grundrechte a) Ausdrückliche Regelungen über die Einwilligung Der Text der einzelnen Grundrechte enthält meist keine Anhaltspunkte dafür, ob die Einwilligung des Betroffenen dazu führt, daß eine den Schutzbereich zumindest berührende Maßnahme auch dann verfassungsgemäß ist, wenn sie nicht von einer gesetzlichen Ermächtigung abgedeckt ist. In den wenigen Artikeln, in denen das Grundgesetz selbst den Willen des Betroffenen behandelt, wird der Schutzbereich des jeweiligen Grundrechts meist auf staatliche Maßnahmen beschränkt, die gegen den Willen des Betroffenen erfolgen (Art. 4 Abs. 3, Art. 6 Abs. 3, Art. 7 Abs. 3 Satz 3, Art. 12 Abs. 2 und 3, Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG). In Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG werden jedoch Abreden, die das Grundrecht der Koalitionsfreiheit einschränken oder behindern sollen, für unwirksam erklärt. Die aus diesem Grundrecht Berechtigten können also vertraglich nicht wirksam über ihre Grundrechtsposition verfügen. Die Beispiele zeigen, daß das Grundgesetz zwar grundsätzlich Rechtsverhältnisse kennt, bei denen nur ein staatliches Handeln gegen den Willen des Betroffenen als Grundrechtseingriff zu qualifizieren ist, im übrigen die Zulässigkeit von Verfügungen über Grundrechtspositionen aber differenziert beurteilt werden muß?2.
b) Die Einwilligung als Mittel zur Verwirklichung grundrechtlich geschützter Interessen Wenn der Text des einzelnen Grundrechtes selbst keine Anhaltspunkte für die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit eines Grundrechtsverzichts enthält, muß auf teleologische Erwägungen über die Funktion der Grundrechte im allgemeinen oder des konkret in Frage stehenden Einzelgrundrechts zurückgegriffen werden. Insoweit verwundert es nicht, wenn hier der dogmatische Lösungsweg auch von der jeweils zugrunde gelegten Grundrechtstheorie abhängt43. Wer die Grundrechte primär als individuelle Freiheitsrechte des Bürgers gegen die staatlichen Gewalten versteht, wird im Verzicht eher einen Akt der Freiheitsausübung sehen (Grundrechtsverzicht als Grundrechtsgebrauch); bei einem Verständnis der Grundrechte als Abwehrrechte besteht eine Vermutung für die Zulässigkeit einer Verfügung über die Grundrechtsposition. Wer hingegen die objektivrechtliche Funktion der Grundrechte als Strukturprinzipien des
42 Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527 (542 ff.); Stern, Staatsrecht III/2, § 86, S. 911 ff, 925 f.; Jarass in Jarass/Pieroth, vor Art. 1 Rn. 27, 21a; ; Sachs in Sachs, GG, vor Art. 1 Rn. 53 ff.; Pieroth/Schlink, Rn. 135 ff. 43 Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527 (539 ff.).
4 7 4 T e i l 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
Gemeinwesens betont, muß prinzipiell zur Unzulässigkeit eines Grundrechtsverzichts gelangen44. Da trotz dieser unterschiedlichen Ausgangspunkte heute gleichwohl im Ergebnis Einigkeit besteht, daß die Einwilligung des Betroffenen zumindest in bestimmten Fällen dazu fiihren kann, daß die Verwaltung ohne eine gesetzliche Ermächtigung eine (sonst) als Eingriff zu qualifizierende Maßnahme vornehmen darf 5, wird hier darauf verzichtet, die unterschiedlichen dogmatischen Ansätze sowie die unter dem Gesichtspunkt der Multifunktionalität der Grundrechte inzwischen herrschende, differenzierende Auffassung 46 im einzelnen nachzuzeichnen. Auch an dieser Stelle der Untersuchung wird davon ausgegangen, daß die Grundrechte, soweit es sich nicht um Gleichheitsrechte handelt, unbeschadet der bei einzelnen Grundrechten hinzutretenden Funktionen grundsätzlich als Abwehrrechte auszulegen sind; dementsprechend werden die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte im Sinne eines Eingriffsvorbehalts interpretiert. Der Vorbehalt des Gesetzes schützt also zunächst in den sich aus der Verfassung ergebenden Schranken einen bestimmten Freiheitsraum vor staatlichen Eingriffen und sichert so die autonome Selbstbestimmung des Einzelnen über seine grundrechtlich geschützte Sphäre. Der Grundsatz der Selbstbestimmung spricht dann für eine grundsätzliche Dispositionsbefugnis über die durch das Grundrecht geschützten Rechtspositionen47. Zugleich ist der Vorbehalt des Gesetzes ein Schutzmechanismus, nach dem nur die im Gesetz zum Ausdruck kommende Zustimmung der Mehrheit die Zustimmung des Grundrechtsinhabers ersetzt. Bei einer solchen individualschützenden Funktion des Vorbehalts ist der Weg grundsätzlich frei für eine Grundrechtsinterpretation, bei der die freiwillige Zustimmung des Betroffenen als Akt autonomer Selbstbestimmung umgekehrt wiederum die Zustimmung der gewählten Volksvertreter ersetzen kann („volenti non fit iniuria ...") 48 . Dieser Zusammenhang zwischen der rechtsstaat44
Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527 (540 f.); Stern, Staatsrecht III/2, § 86, S. 894 ff.; v. Münch in v. Münch/Kunig, GG, vor Art. 1-19 Rn. 63; Pieroth/Schlink, Rn. 135. 45 Vgl. Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527 (542 ff); v. Münch in v. Münch/Kunig, vor Art. 1-19, Rn. 63; Sachs in Sachs, GG, vor Art. 1 Rn. 53 ff.; Stern, Staatsrecht III/2, § 86, S. 897 ff. 46 Vgl. Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527 (539 ff.); v. Münch in v. Münch/Kunig, vor Art. 1-19, Rn. 63; Sachs in Sachs, GG, vor Art. 1 Rn. 53 ff.; Stern, Staatsrecht III/2, § 86, S. 894 ff.; Pieroth/Schlink, Rn. 136 ff. 47 Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527 (540 ff.); Stern, Staatsrecht III/2, § 86, S. 907 ff.; Sachs in Sachs, GG vor Art. 1 Rn. 57; Isensee, HStR V, § 111 Rn. 60; v. Münch in v. Münch/Kunig, vor Art. 1 Rn. 63; i.E. ebenso Bleckmann, JZ 1988, 57 (58 ff.); ders, Staatsrecht II, § 15 Rn. 15 ff.; Pieroth/Schlink, Rn. 137. 48 Sachs, VerwArch 76 (1985), 398 (412 ff.); Stern, Staatsrecht III/2, § 86, S. 917 f.; a.A. Bleckmann, Staatsrecht II, § 15 Rn. 14, 16; Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 139 ff.
C. Verwaltungsakte in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren
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lich-individualschützenden Funktion des Vorbehalts des Gesetzes und der Einwilligung des Betroffenen trat bereits deutlich in der von Otto Mayer entwikkelten Begründung seiner Rechtsfigur des Verwaltungsakts auf Unterwerfung hervor: „Umgekehrt kann auch ein belastender Verwaltungsakt ergehen ohne gesetzliche Grundlage auf Grund der Einwilligung des Betroffenen. Der Vorbehalt des Gesetzes, wie er namentlich in den sogenannten Freiheitsrechten formuliert wird, ist zu Gunsten des Einzelnen gemeint und wirkt für ihn; eine Verletzung dieses Vorbehalts zu seinem Nachteil ist ein Unrecht gegen ihn. Die Freiheit selbst wäre aber verleugnet, wenn dieser Schutz unbedingt gemeint wäre; eine Verfügungsmacht des Geschützten muß bestehen bleiben [...]. Insofern haben die verfassungsmäßigen Vorbehalte, welche die Belastung ohne Gesetz ausschließen, die stillschweigende Klausel: es sei denn, daß der Betroffene zulässiger Weise seine Einwilligung erklärt. So entstehen die Verwaltungsakte auf Unterwerfung. Die Unterwerfung ersetzt [...] die Ermächtigung des Gesetzes und räumt damit die Rechtsschranke weg, welche der verfassungsmäßige Vorbehalt sonst entgegen gestellt hätte.tt49 Der Grund für die Anerkennung der Möglichkeit einer Einwilligung ist u.a. darin zu sehen, daß der Eingriffsvorbehalt seine Schutzfunktion für die individuelle Entscheidungs- und Verhaltensfreiheit nur dann erfüllen kann, wenn er grundsätzlich für alle hoheitlichen Maßnahmen gilt, die (objektiv) auch eine freiheitsbeschränkende Wirkung haben können 50 . Ist eine bestimmte Verwaltungsmaßnahme für den Bürger objektiv mit verschiedenen Vor- und Nachteilen verbunden, so darf die Verwaltung nicht aus eigener Machtvollkommenheit darüber entscheiden, ob sie für den betroffenen Bürger insgesamt vorteilhaft oder nachteilig ist 51 . Die Gewährleistung grundrechtlicher Freiheiten hat jedoch auch den Zweck, dem Grundrechtsträger eine möglichst freie Verwirklichung seiner eigenen wirtschaftlichen, persönlichen und kulturellen Interessen zu ermöglichen. Er soll im Rahmen der Gesetze eigenverantwortlich darüber entscheiden können, was für ihn von Vorteil oder Nachteil ist und was er tun, dulden oder unterlassen will 5 2 . Daher kann der eine Bürger eine bestimmte staatliche Maßnahme durchaus als willkommene staatliche Leistung bewerten, der ein anderer Bürger in einer vergleichbaren Situation niemals zustimmen würde.
49 O. Mayer, Dt. VerwR I, 1. Aufl., S. 98 (ohne Begründung ebenso in der 3. Aufl., S. 98). Bemerkenswert ist allerdings der Umstand, daß bereits O. Mayer in seinem Lehrbuch, 1. Aufl., S. 98 (Fn. 5) i.V.m. S. 299 (Fn. 19) auch die Notwendigkeit und Schwierigkeit betont, die Grenzen zu finden, bis zu der der einzelne über seine Freiheit verfügen könne, weil der belastende Akt sonst trotz der vorherigen Unterwerfung als gegen den verfassungsmäßigen Vorbehalt verstoßend und ungültig anzusehen wäre. O. Mayer verweist als Beispiel für eine solche Grenze auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 50 Isensee, HStR V, § 111 Rn. 60. 51 Isensee, HStRV,§ 111 Rn. 60. 52 Bleckmann, JZ 1988, 57 (59 ff.); ders, Staatsrecht II, § 15 Rn. 17 ff.
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
Ist eine Maßnahme für den einzelnen sowohl mit Vorteilen als auch mit Nachteilen verbunden, mag der eine Bürger sie folglich als ein „gutes Geschäft" und der nächste sie als eine „Mogelpackung" einstufen. Fehlt der Verwaltung aber für eine den Antragsteller zugleich belastende und begünstigende Maßnahme die nach dem Vorbehaltsprinzip erforderliche gesetzliche Ermächtigung, so kann der Betroffene die Verwaltung nur dann in die Lage versetzen, ihm die Begünstigung zu gewähren, wenn man zumindest in bestimmten Fällen eine die gesetzliche Ermächtigung ersetzende Wirkung der Einwilligung anerkennt 53. Auch die Regelungen des öffentlich-rechtlichen Vertrages (§§ 54 ff. VwVfG) beruhen auf dem Gedanken, daß der Bürger sich, um eine Gegenleistung der Verwaltung zu erlangen, grundsätzlich durch eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung gegenüber der Verwaltung zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen verpflichten kann, soweit Rechtsvorschriften dem nicht entgegenstehen. Denn die grundsätzliche Vertragsfreiheit ist ein derart wesentliches Strukturelement unserer Rechtsordnung, daß nicht einzusehen ist, warum dem einzelnen bei der Wahrnehmung seiner wirtschaftlichen Interessen gegenüber staatlichen Stellen prinzipiell die Möglichkeit einer vertraglichen Gestaltung von Rechtsbeziehungen genommen werden sollte 54 . Wenn die Grundrechte es aber zulassen, daß sich ein Grundrechtsträger im Rahmen eines auf den Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichteten Verwaltungsverfahrens zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen verpflichten kann, daß die Verwaltung ohne diese Willenserklärung von ihm nicht erzwingen könnte, so ist kein Grund zu erkennen, warum der Bürger nicht auch bei den auf den Erlaß von Verwaltungsakte gerichteten Verwaltungsverfahren prinzipiell die Möglichkeit haben sollte, die Entscheidungen und das reale Handeln der Verwaltung durch Einwilligungserklärungen zu beeinflussen, soweit dies der Verwirklichung seiner grundrechtlich geschützten Interessen dient 55 . Allerdings wird die abwehrrechtliche Funktion bei verschiedenen Grundrechten durch weitere Funktionen ergänzt. Daher ist bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Grundrechtsverzichts u.a. nach der Funktion der jeweils betroffenen Einzelgrundrechte zu differenzieren^: Soweit ein Grundrecht vornehmlich der Verwirklichung materieller Interessen oder der freien Entfaltung der Per53 Bleckmann, JZ 1988, 57 (60 ff.); ders., Staatsrecht II, § 15 Rn. 17, 27 ff.; ausgehend von einer tatbestandlichen Einschränkung des Eingriffsbegriffs auf Maßnahmen gegen den Willen des Betroffenen i.E. ebenso Isensee, HStR V, § 111 Rn. 60. 54 Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527 (534, 544 ff.); Bleckmann, JZ 1988, 57 (60 ff.); ders., Staatsrecht II, § 15 Rn. 17, 27 ff.; Pieroth/Schlink, Rn. 137 f. 55 Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527 (534 ff.); Bleckmann, JZ 1988, 57 (60 ff.); ders., Staatsrecht II, § 15 Rn. 17, 27 ff. 56 Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527 (542 ff.); Stern, Staatsrecht III/2, § 86, S. 911 f.; Pieroth/Schlink, Rn. 136 ff.
C. Verwaltungsakte in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren
All
sönlichkeit dient, spricht dies tendenziell dafür, daß die Einwilligung eine gesetzliche Ermächtigung ersetzen kann. Eine Verfiigungsbefiignis des Grundrechtsträgers über die grundrechtlich geschützte Rechtsposition besteht dagegen nicht oder nur in einem eingeschränkten Maß, soweit das Grundrecht einen starken Gemeinschaftsbezug hat, insbesondere eine Bedeutung für die Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte, für die politische Willensbildung oder - wie die Meinungs-, Kunst- und Bekenntnisfreiheit - für den Kommunikationsprozeß in der Gesellschaft.
4. Freiwilligkeit,
Kopplungsverbot und weitere Wirksamkeitsvoraussetzungen
Dies bedeutet nicht, daß O. Mayers Konstruktion des Verwaltungsakts auf Unterwerfung, welche die Verwaltung insbesondere in den durch Verwaltungsakt begründeten besonderen Gewaltverhältnissen auf Dauer von Grundrechtsbindungen freistellte, heute noch uneingeschränkt der Verfassungsrechtslage entspricht. Insofern gilt es, aus dem Sinn und Zweck des Vorbehaltsprinzips sowie den jeweils einschlägigen Grundrechten die Wirksamkeitsvoraussetzungen zu bestimmen, unter denen die Einwilligung bei einer staatlichen Maßnahme, für die sonst eine gesetzliche Ermächtigung erforderlich wäre, ein Verwaltungshandeln ohne gesetzliche Ermächtigung legitimieren kann. Legt man hierbei den Begriff des Grundrechtseingriffs so aus, daß er (grundsätzlich) nur hoheitliche Maßnahmen erfaßt, die gegen oder ohne den Willen des Grundrechtsinhabers erfolgen, so führt eine wirksame Einwilligung dazu, daß schon tatbestandlich überhaupt kein die Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung begründender Eingriff vorliegt 57 . Die alternative Betrachtungsweise, daß eine wirksame Einwilligung nicht die Eingriffsqualität der in den Schutzbereich einwirkenden Maßnahme beseitigt, sondern nach Art eines Rechtfertigungsgrundes eingriffslegitimierend wirkt 5*, führt zu keinerlei abweichenden Rechts59 folgen . Weil die letztgenannte dogmatische Konstruktion jedoch die zentrale Frage, wann eine Einwilligung als Verfügung über eine bestimmte Grundrechtsposition wirksam ist, deutlicher hervortreten läßt 60 , bildet sie terminologisch die Basis der nachfolgenden Untersuchung.
57 Isensee, HStR V, § 111 Rn. 60; Pieroth/Schlink, Rn. 141; Malorny, JA 1974, 475 (479); Sachs, VerwArch 76 (1985), 398 (419 ff.); ders., JuS 1995, 303 (306 f.); Bethge, VVDStRL 57, 7 (44); Jarass in Jarass/Pieroth, vor Art. 1 Rn27, 21a; Geiger, NVwZ 1989,35 (36 f.). 58 Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527 (532, 536); Robbers, JuS 1985, 925; Stern, Staatsrecht III/2, § 86, S.918. 59 Robbers, JuS 1985, 925. 60 Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527 (532, 536).
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
Wenn man deshalb grundsätzlich die Möglichkeit anerkennt, daß eine Einwilligung eine gesetzliche Ermächtigung als Grundlage einer potentiell belastenden Verwaltungsmaßnahme ersetzen kann, so bildet zunächst Art 19 Abs. 2 GG eine materielle Grenze ihrer Wirksamkeit. Auch mit Einwilligung des Grundrechtsinhabers darf das Grundrecht durch das staatliche Handeln nicht in seinem Wesensgehalt angetastet werden. Insbesondere darf die vom Grundrechtsträger gebilligte Maßnahme seine Menschenwürde nicht verletzen 61. Darüber hinaus ist davon auszugehen, daß der einzelne nicht auf ein Grundrecht als solches, sondern nur auf einzelne daraus fließende Befugnisse verzichten kann; denn andernfalls wäre das Grundrecht in seinem Wesensgehalt zerstört und dem Betroffenen die Möglichkeit genommen, aufgrund eines veränderten Willens künftig belastende Verwaltungsmaßnahmen abzuwehren 62. Die Einwilligung kann einer potentiell belastenden Verwaltungsmaßnahme nur dann den Charakter eines Eingriffs nehmen, wenn sie deutlich erkennbar und freiwillig geleistet wird 6 3 . Die Freiwilligkeit setzt nach allgemeiner Meinung voraus, daß die Zustimmung des Betroffenen nicht unter Zwang, unzulässiger Drohung oder Täuschung zustande gekommen ist 64 . Problematisch ist demgegenüber, ob nicht auch sonstige die Willensbildung beeinflussende Einwirkungen, insbesondere ein staatliches Versprechen bestimmter Gegenleistungen für den Grundrechtsverzicht, die Freiwilligkeit einer Einwilligung ausschließen können. So wird ein Bürger mit der Stellung eines Antrags auf Erlaß eines (auch) belastenden Verwaltungsaktes oder in einem Verwaltungsverfahren einen Verzicht auf eine grundrechtlich geschützte Rechtsposition typischerweise dann aussprechen, wenn die Verwaltung selbst die Einwilligung des Betroffenen als notwendige Voraussetzung oder Gegenleistung für eine bestimmte, vom Bürger begehrte Maßnahme der Verwaltung gefordert hat, um auf diese Weise die Eingriffsschranke des Gesetzesvorbehalts überwinden zu können. Der Betroffene ist in einer solchen Situation zwar keinem hoheitlichen Befehl unterworfen; wenn er unter diesen Umständen nicht auf die Leistung der Verwaltung verzichten will, ist er gleichwohl faktisch zur Abgabe
61 Stern, Staatsrecht III/2, § 86, S. 923 f.; Pieroth/Schlink, Rn. 137. Allerdings ist der Wesensgehalt gegenüber der Einwilligung keine feste Größe, da eine freie Einwilligung als Ausdruck der Selbstbestimmung einer Maßnahme auch den würdeverletzenden oder übermäßig eingreifenden Charakter nehmen kann (vgl. Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527 (536 f.)). 62 Sachs in Sachs, GG, vor Art. 1 Rn. 52, 55; Jarass in Jarass/Pieroth, vor Art 1 Rn. 27; Bleckmann, JZ 1980, 57 (59); v. Münch in v. Münch/Kunig, GG, vor Art. 1-19 Rn. 63. 63 Stern, Staatsrecht III/2, § 86, S. 913 f.; Pieroth/Schlink, Rn. 136. 64 Stern, Staatsrecht III/2, § 86, S. 914; Pieroth/Schlink, Rn. 136.
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einer Einwilligungserklärung „gezwungen" 65 . Damit besteht ebenso wie beim Abschluß verwaltungsrechtlicher Verträge die Gefahr, daß der Staat in illegitimer Weise seine staatliche Übermacht ausnutzt und als Gegenleistung für ein bestimmtes Verwaltungshandeln aus sachwidrigen Gründen den Verzicht auf bestimmte grundrechtlich geschützte Freiheiten verlangt 66. Dieser Gefahr läßt sich nicht durch eine auf eine besonders starke oder schwache Anreizwirkung abstellende Einschränkung des Begriffs der Freiwilligkeit entgegenwirken. Folglich erscheint es angebracht, zum Schutz der grundrechtlichen Freiheiten nicht allein auf die mehr oder minder große faktische Zwangslage abzustellen, sondern bei Fehlen von Zwang, unzulässiger Drohung oder Täuschung die Freiwilligkeit zu bejahen67 und statt dessen - im Anschluß an Pietzckerergänzend das sogenannte allgemeine Kopplungsverbot anzuwenden. Das Kopplungsverbot, das von der Rechtsprechung zunächst für die Kontrolle öffentlich-rechtlicher Verträge aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet wurde 69 , aber beispielsweise auch bei der Prüfung der Zulässigkeit von Auflagen eines Verwaltungsakts zu beachten ist 70 , besagt, daß (unter anderem) durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag nichts miteinander verknüpft werden darf, was nicht ohnehin in einem inneren Zusammenhang steht. Allgemeiner formuliert: Eine Behörde darf die Erfüllung ihrer Aufgaben grundsätzlich nicht von einer Gegenleistung abhängig machen, die mit diesem Verwaltungshandeln nicht ohnehin in einem inneren Zusammenhang stehf \ weil sonst die machtbegrenzende und -aufteilende Funktion des Vorbehalts des verhältnismäßigen Gesetzes72 ausgehöhlt würde. Die Verwaltung darf also aufgrund des Verbots sach65 Geiger, NVwZ 1989, 35 (36 f.); Jarass in Jarass/Pieroth, vor Art. IRn. 21, 21a, 27, beschreibt diese Fallgruppe als „influenzierende Einwirkungen". 66 Zum Gesichtspunkt eines die autonome Selbstbestimmung gefährdenden Machtungleichgewichts zwischen verschiedenen Grundrechtsträgern einerseits sowie zwischen Staat und Grundrechtsträger andererseits vgl. Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527 (544 f.); Bleckmann, JZ 1988, 57 (61 f.); ders., Staatsrecht II, § 15 Rn. 17 ff. 67 Geiger, NVwZ 1989, 35 (37); Pieroth/Schlink, Rn. 136, 139. 68 Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527 (545). Die Beachtung des Kopplungsverbots wird teilweise als eine allgemeine Voraussetzung eines einseitigen oder vertraglichen Verzichts im öffentlichen Recht angesehen (vgl. Maurer, Allg. VerwR, § 14 Rn. 34; Stern, Staatsrecht III/2, § 86, S. 892). 69 BVerwG, U. v. 13.7.1979 - 4 C 67/76, NJW 1980, 1294 f.; Bonk in Stelkens/ Bonk/Sachs, § 56 Rn. 3 m.w.N. 70 Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn. 80 f.; Henneke in Knack, § 36 Rn. 4.4. 71 Bonk in Stelkens/Bonk/Sachs, § 56 Rn. 3; Henneke in Knack, § 56 Rn. 1.2. Darüber hinaus wird als Ausdruck des Kopplungsverbots auch der Grundsatz verstanden, daß hoheitliche Entscheidungen i.d.R. nicht von (zusätzlichen) wirtschaftlichen Gegenleistungen abhängig gemacht werden dürfen (vgl. BVerwG, U. v. 13.7.1979 4 C 67/76, NJW 1980, 1294 f.). 72 Denn im Rahmen des durch das GG in den Grundrechten verankerten Vorbehalts des verhältnismäßigen Gesetzes hat die Ermächtigung u.a. die Funktion, der Verwaltung
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widriger Kopplung auch mit Zustimmung des Bürgers grundsätzlich nicht die gesetzliche Ausdifferenzierung der verschiedenen öffentlichen Aufgaben und Zwecke überspielen 73. Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes ist vor allem der § 40 VwVfG normativer Anknüpfungspunkt für die Prüfung, ob die Einwilligung des Betroffenen in den Grundrechtseingriff sachwidrig „ausgehandelt und erkauft" wurde. Eine Ermessensentscheidung darf also grundsätzlich nicht davon abhängig gemacht werden, daß der Bürger durch finanzielle Leistungen oder durch einen Verzicht auf bestimmte grundrechtlich geschützte Rechtspositionen eine „Gegenleistung" erbringt, die nicht mehr in einem angemessenen sachlichen Zusammenhang mit der öffentlichrechtlichen Zwecksetzung des begehrten Verwaltungshandelns steht74.
V. Die begünstigende Feststellung ohne beiastende Drittwirkung Wie bereits erörtert 75, gilt der allgemeine Vorbehalt des Gesetzes nicht für Verwaltungsakte, die ausschließlich einen nach geltender Sach- und Rechtslage bestehenden Anspruch, ein entsprechendes Recht oder eine nur für begünstigende Rechtsfolgen relevante Eigenschaft einer Person oder Sache feststellen, sofern sie •
keine die Begünstigung einschränkenden Nebenbestimmungen oder zusätzliche Auflagen enthalten,
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weder durch eine abschließende Regelung des gegenwärtigen Rechtsverhältnisses weitergehende Berechtigungen des Adressaten ausschließen sollen
bestimmte Befugnisse zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben einzuräumen, vgl. oben Teil 6, D. 73 Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527 (545) weist im Hinblick auf den Grundrechtsverzicht darauf hin, daß eine Kopplung verschiedener Zwecke beim vertraglichen Verwaltungshandeln nicht völlig ausgeschlossen ist. 74 Weiterhin muß die Einwilligung ausreichend konkret sein, damit der Betroffene die Folgen seiner Erklärung hinreichend deutlich erkennen kann (Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527 (549); Jarass in Jarass/Pieroth, vor Art 1 Rn. 27; Pieroth/Schlink, Rn. 136, 140). Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Einwilligung sind desweiteren die Schwere und die Dauer des Eingriffs zu berücksichtigen und Sachverhalte mit einer lediglich für eine ganz konkrete Maßnahme wirkenden oder zumindest frei widerruflichen Zustimmung von Fallkonstellationen zu unterscheiden, bei denen eine einmal erklärte Einwilligung ohne Rücksicht auf ihren Fortbestand eine den Grundrechtsträger belastende Bindungswirkung für die Zukunft entfalten soll (Pietzcker, Der Staat 17 (1978), 527 (544 f., 547 ff.); Sachs, VerwArch 76 (1985), 398 (422 ff.); Stern, Staatsrecht III/2, § 86 S. 915; Pieroth/Schlink, Rn. 139 f.; v. Münch in v. Münch/Kunig, GG, vor Art. 1-19 Rn. 63). 75 Vgl. oben Teil 5, B.II.2.
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noch durch eine bei einer begünstigenden Änderung der Sach- oder Rechtslage fortbestehende Bindungswirkung 76
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und schließlich auch keine belastende Drittwirkung haben können 77 .
Im Überblick über die bisherige Rechtsprechung wurde daraufhingewiesen, daß in einer Reihe höchstrichterlicher Entscheidungen ein Anspruch des Betroffenen auf Erlaß einer gesetzlich nicht geregelten Unbedenklichkeitsbescheinigung mit der Begründung abgelehnt wurde, der Betroffene könne bei einer zweifelhaften Rechtslage zur Durchsetzung seiner Rechte ggf. unmittelbaren verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz erlangen 78. Die Befugnis der Verwaltung, einen solchen begünstigenden Verwaltungsakt trotz der fehlenden Verpflichtung zu erlassen, wurde in diesen Entscheidungen allerdings nicht bestritten. Sie wird auch von den Gerichten bejaht, die es nicht für zulässig halten, aus dem Antrag auf Erlaß einer Unbedenklichkeitsbescheinigung oder eines ähnlichen begünstigenden Feststellungsbescheides eine Befugnis der zuständigen Behörde abzuleiten, die Rechtslage abweichend von der Rechtsauffassung des Antragstellers festzustellen. So hat etwa das Bundesverwaltungsgericht im o.a. 3. Wohnraumzweckentfremdungsurteil vom 1.10.198679 eine Befugnis der zuständigen Behörde anerkannt, dem Betroffenen seinen Rechtsstandpunkt durch eine Unbedenklichkeitsbescheinigung verbindlich zu bestätigen. Dieser Rechtsprechung ist im Ergebnis zuzustimmen. Denn Unbedenklichkeitsbescheinigungen, mit denen eine sonst zum Einschreiten befugte Behörde auf Antrag des potentiell Betroffenen verbindlich feststellt, daß ein bestimmtes Verhalten oder ein bestimmter Zustand, nicht gegen bestimmte, von ihr zu überwachende Vorschriften verstößt 80, bewirken keinen Eingriff, sondern stellen eine ausschließlich begünstigende Regelung dar, sofern sie ohne Vorbehalte ergehen und keine belastende Drittwirkung entfalten. Sie konkretisieren eine Berechtigung des Adressaten zu einem bestimmten Tim, Dulden oder Unterlassen und ggf. einen spiegelbildlichen Abwehranspruch gegen einen mit der Unrechtmäßigkeit dieses Verhaltens begründeten staatlichen Eingriff, indem sie zugunsten des Antragstellers eine Rechtsunsicherheit beseitigen, die sich aus der abstrakt-generellen, mehr oder minder unbestimmten Fassung der gesetzlichen Pflichtnorm ergibt 81 . 76
Vgl. oben Teil 5, B.II.2. und Teil 6,1. Vgl. oben Teil 5.B.II.4. 78 Vgl. die Nachweise oben in Teil 4, C.III. 1. a.E. (Fn. 59) und C.III.5. (Fn. 65, 72). 79 U. v. 1.10.1986 - 8 C 53/85, NJW 1987, 969. 80 Vgl. oben Teil 5, B.II.2. 81 Kirchhof, DVB1. 1985, 651 (657); Engel, S. 13 f., 154 ff.; Christiane Fischer, S. 144 ff. 77
31 Kracht
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
Diese Rechtsprechung zum Wohnraumzweckentfremdungsrecht, das Eigenjagdbezirks- 82 und die Semmelknödelrohlinge-Urteil des BayVGH 83 und das Urteil des VGH BW zum gesetzlichen Biotopschutz84 zeigen zugleich beispielhaft, daß auch die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer rechtlich erheblichen Eigenschaft einer Sache oder einer Person eine ausschließlich oder teilweise begünstigende Wirkung haben kann. Dies ist bei der Feststellung des Nichtbestehens einer Eigenschaft insbesondere dann der Fall, wenn bei Vorliegen dieser Eigenschaft ein Verwaltungsrechtsverhältnis mit belastenden Rechtsfolgen bestehen würde oder entstehen könnte, wenn also z.B. bestimmte gesetzliche Ge- oder Verbote die Handlungsbefugnisse des Adressaten als Eigentümer dieser Sache einschränken würden. So gilt für Wohnräume in bestimmten Gebieten nach dem Wohnraumzweckentfremdungsgesetz das Verbot einer anderweitigen Nutzung (§ 1 Abs. 1 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum 85 i.V.m. einer Zweckentfremdungsverordnung des Landes). Stellt die für die Überwachung dieses Gesetzes zuständige Behörde auf Antrag des Eigentümers fest, daß bestimmte Räume keine Wohnräume i.S. der gesetzlichen Verbotsvorschriften darstellen, so ergibt sich hieraus für dieses Verwaltungsrechtsverhältnis, daß diese Räume nicht dem Verbot der Wohnraumzweckentfremdung unterliegen. Eine solche behördliche Feststellung kann beispielsweise im Rahmen eines Bußgeldverfahrens relevant werden, wenn die zuständige Verwaltungsbehörde, Staatsanwaltschaft oder ein Richter über die verwaltungsrechtliche Vorfrage entscheiden müssen, ob diese Räume zur Tatzeit dem Verbot der Wohnraumzweckentfremdung unterlagen und ob der Betroffene ggf. schuldhaft gegen das gesetzliche Verbot der Wohnraumzweckentfremdung verstoßen hat. Durch seine Regelungsfunktion entfaltet ein verbindlicher Feststellungsbescheid eine unmittelbare verwaltungsrechtliche Schutzwirkung gegenüber behördlichen Eingriffen zur Durchsetzung gesetzlicher Pflichtnormen, die nur für Personen oder Sachen mit der fraglichen Eigenschaft gelten. Im Vertrauen auf die Bestandskraft des Feststellung kann der Eigentümer dann ohne die Einschränkungen des gesetzlichen Verbots die jeweilige Sache nutzen und auch Investitionen oder andere Dispositionen treffen, die wirtschaftlich nur dann sinnvoll sind, wenn die zuständigen Behörden nicht nachträglich wegen der Rechtswidrigkeit des Verhaltens oder des geschaffenen Zustands dessen Beseitigung verlangen können. An einer Feststel82 U. v. 17.8.1960 - 195 IV 55, DVB1. 1960, 735 f. (vgl. die Darstellung in Teil 4, D.III.5.) 83 BayVGH, U. v. 18.08.1980 - 22 B 1470/79, GewArch 1981, 18 = NJW 1981, 2076 (vgl. die Darstellung in Teil 4, D.III.5.). 84 U. v. 9.9.1992, 5 S 3088/90, NVwZ-RR 1993, 241 f. (vgl. die Darstellung in Teil 4, D.III.6.). 85 Art. 6 des MRVerbG v. 4.11.1971 (BGBl. I, S. 1745), geändert durch Art. 5 des Gesetzes v. 17.5.1990 (BGBl. I, S. 926).
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lung bestimmter präjudizieller Eigenschaften wird ein Bürger insbesondere dann interessiert sein, wenn an einen besonderen gesetzlichen Status einer Sache (als Wohnraum, Baudenkmal, gesetzlich geschütztes Biotop usw.) oder Person eine Vielzahl gesetzlicher Pflichten anknüpfen und er frühzeitig eine Entscheidungsgrundlage für sein weiteres Verhalten erhalten will oder eine auf ein bestimmtes Verhalten bezogene Unbedenklichkeitsbescheinigung noch nicht ergehen könnte, weil die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von weiteren, noch ungewissen Elementen des jeweiligen Sachverhalts abhängt. Die negative Feststellung hat dann eine der Unbedenklichkeitsbescheinigung vergleichbare Wirkung. Für den Erlaß eines gesetzlich nicht geregelten, aber ausschließlich begünstigend wirkenden Feststellungsbescheids bedarf die zuständige Behörde mangels Eingriffswirkung keiner besonderen gesetzlichen Ermächtigung. Der Antrag auf Erlaß eines solchen Bescheides hat nur die Funktion, die Behörde zum Erlaß eines Verwaltungsaktes zu veranlassen. Sofern der Antragsteller durch den Erlaß des begehrten Verwaltungsaktes rechtlich begünstigt würde, begründet der Antrag gemäß § 22 VwVfG einen Anspruch darauf, daß die Behörde ihr Ermessen, ob und wann sie ein auf seinen Erlaß gerichtetes Verwaltungsverfahren einleitet, fehlerfrei ausübt86.
VI. Die begünstigende, den Antrag aber teilweise ablehnende Regelung 1. Vorbescheide mit Vorbehalten und Nebenbestimmungen Auf Grundlage der hier vertretenen Konzeption des belastenden Feststellungsbescheids als Eingriff in die gesetzliche Rechtslage ist ein Vorbescheid, der nur mit gewissen Vorbehalten ergeht, welche die Voraussetzungen seiner begünstigenden Regelung festlegen, trotz der verbindlichen Konkretisierung der gesetzlichen Begünstigung als auch belastend einzustufen und unterliegt damit dem Vorbehalt des Gesetzes. Denn er würde insoweit im Falle seiner Rechtswidrigkeit unzutreffende inhaltliche Einschränkungen gegenüber der kraft Gesetzes bestehenden Rechtslage enthalten. Überträgt man eine der Kernaussagen des 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.11.198587 auf diese Fallkonstellation, so könnte die Vor-
86 Begünstigende Verwaltungsakte, die für Dritte belastende Rechtsfolgen haben können, bedürfen im Hinblick auf die Geltung des Gesetzesvorbehalts und der kompetenzrechtlichen Wirkungen eines Antrags einer gesonderten Betrachtung; dazu unten VIII. 87 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil, BVerwG, U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83, BVerwGE 72, 265 (267 f.), vgl. Teil 4, C.III.6. m.w.N.
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anfrage unter dem Gesichtspunkt des Einverständnisses einen derartigen, durch die verbindliche Ablehnung des weitergehenden Feststellungsbegehrens auch belastenden Bescheid nicht tragen. Denn dort heißt es u.a., daß derjenige, der von der Behörde die Bestätigung einer ganz bestimmten, von ihm für vorteilhaft gehaltenen Rechtslage erbitte, dadurch nicht sein Einverständnis mit einer inhaltlich abweichenden Feststellung durch Verwaltungsakt treffe. Zur Begründung führt der 8. Senat an, die Gegenposition, die auf das Bedürfiiis des Betroffenen abstelle, eine Klärung der Rechtslage bereits vor einer eingreifenden Verfügung zu erlangen, vernachlässige das Institut des vorbeugenden Rechtsschutzes durch die Verwaltungsgerichte. Ob diese Argumentation bei Fallkonstellationen des präventiven Rechtsschutzes gegenüber späteren Eingriffsakten tragfahig ist, bedarf noch einer vertieften Untersuchung. Sie läßt sich jedenfalls nicht auf Vorbescheide übertragen, die dem Feststellungsbegehren unter Vorbehalten stattgeben. Denn das Ziel des Antragstellers besteht bei einer Voranfrage darin, daß die zuständige Behörde unter Verzicht auf die Vorlage sämtlicher Genehmigungsunterlagen eine Entscheidung über die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens trifft, die sonst Bestandteil der Genehmigungsentscheidimg wäre. Die endgültige Genehmigung könnte die Behörde aber nur für ein ganz bestimmtes Vorhaben treffen und müßte diese ggf. gemäß § 36 VwVfG mit Nebenbestimmungen versehen. Dies bedeutet, daß die Genehmigungsbehörde überhaupt keine zusätzlichen Regelungskompetenzen für sich in Anspruch nimmt, wenn sie bei einer Vorabentscheidung den Gegenstand ihrer Regelung durch geeignete Vorbehalte konkretisiert, soweit dies aufgrund des eingeschränkten Umfangs der vorgelegten Unterlagen und Sachprüfung erforderlich ist, und ggf. den Vorbescheid mit einschränkenden Nebenbestimmungen versieht, die sie auch in die Genehmigung eines solchen Vorhabens aufnehmen dürfte. Aus diesem Grund geht auch die Rechtsprechung zu Recht davon aus, daß die zuständige Behörde bei einer Voranfrage befugt ist, die begünstigende Sachaussage ihres Vorbescheids durch Vorbehalte inhaltlich einzuschränken. So hatte das Bundesverwaltungsgericht 88 aus den §§ 16 ff. GewO a.F. eine Kompetenz der Genehmigungsbehörde abgeleitet, einzelne Fragen einer genehmigungspflichtigen Anlage durch einen für alle Beteiligten verbindlichen Vorbescheid zu regeln. Die Vorschriften über die Genehmigungsbedürftigkeit sprächen zwar nicht ausdrücklich davon, daß die Behörde einzelne klärungsbedürftige Fragen vorab entscheiden dürfe. Ähnlich wie durch die Bebauungsgenehmigung im Baugenehmigungsverfahren dürfe entsprechend den Belangen der Beteiligten auch in dem nicht bis ins einzelne ausdrücklich geregelten Ge88 BVerwGE 24, 23 (26 ff.); zu Vorbescheiden mit belastender Drittwirkung vgl. unten VIII.2.
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nehmigungsverfahren nach den §§ 16 ff. GewO a.F. auf Antrag die Prüfung und Entscheidung auf die Feststellung beschränkt werden, ob dem Vorhaben Bedenken grundsätzlicher Art entgegenstünden. Durch einen solchen Vorbescheid werde allen Belangen gebührend Rechnung getragen; so könne der Antragsteller nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Vorbescheids ohne unangemessenes Kostenrisiko die Pläne für die Einholung der Genehmigung anfertigen lassen und Dritte, die sich durch das Vorhaben beeinträchtigt fühlten, könnten schon in diesem Stadium Einwendungen gegen die neue Anlage erheben. Der Vorbescheid nehme dann, wenn durch ihn das Vorhaben nicht von vornherein abgelehnt werde, unter mehr oder weniger weit gehenden Vorbehalten in gewisser Hinsicht die spätere Genehmigung vorweg, so daß die Behörde bei gleichbleibender Sach- und Rechtslage bei ihrer späteren Entscheidung über den Genehmigungsantrag an diesen positiven Vorbescheid gebunden sei. Ein spezielles Interesse an der verbindlichen Vorabklärung einzelner Genehmigungsfragen kann sich insbesondere aus dem Umstand ergeben, daß der Antragsteller im Genehmigungsverfahren alle zur Prüfung der jeweiligen Genehmigungsvoraussetzungen erforderlichen Pläne, Erläuterungen und sonstigen technischen Unterlagen vorlegen muß. Hierfür kann eine mit erheblichem Aufwand von Zeit und Kosten verbundene detaillierte technische Planung und Ausarbeitung entsprechender Genehmigungsunterlagen erforderlich sein. Diese Kosten hätte der Antragsteller vergeblich aufgewendet, wenn sich im späteren Genehmigungsverfahren herausstellen würde, daß eine Anlage oder Tätigkeit dieser Art an dem konkreten Standort unabhängig von der konkreten Art ihrer Ausführung überhaupt nicht genehmigungsfähig ist 89 . In dem vom BVerwG entschiedenen Fall der geplanten Neuzulassung eines bislang in Dänemark zugelassenen Flugzeugs kam hinzu, daß die deutsche Zulassung nur nach einer vorherigen Abmeldung in Dänemark erteilt werden dürfte, so daß der Inhaber ohne Vorabentscheidung mit der Abmeldung bei der dänischen Zulassungsbehörde das Flugzug bei einer endgültigen Versagung der deutschen Zulassung überhaupt nicht mehr nutzen könnte 90 . Auch ein unter gewissen Vorbehalten ergehender Vorbescheid kann noch der Verwirklichung legitimer Interessen des Antragstellers dienen. Denn trotz der Vorbehalte begrenzt der Vorbescheid mit seiner Feststellung, daß das Vorhaben die überprüfte Genehmigungsvoraussetzung unter bestimmten Voraussetzungen erfüllt, die Eingriffswirkungen des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt. Die Möglichkeit der Genehmigungsbehörde, in einem
89
a.F.
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Vgl. BVerwGE 24, 23 (25 f.) zum Genehmigungsverfahren nach §§ 16 ff. GewO Vgl. oben Teil 4, C.III. 1.
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Vorbescheid durch mehr oder weniger weit gehende Vorbehalte zum Ausdruck zu bringen, unter welchen Voraussetzungen eine Anlage oder Tätigkeit der beantragten Art grundsätzlich genehmigungsfähig ist 91 , führt zu keiner Verschlechterung der verfahrensrechtlichen Position des Betroffenen. Dem Antragsteller wäre nämlich nicht gedient, wenn die Behörde den Erlaß eines Vorbescheides nur deshalb ablehnen müßte, weil der Antragsteller in seinem Antrag noch nicht alle Bedingungen aufgelistet hatte, unter denen die geprüften Genehmigungsvoraussetzungen zu bejahen sind. Der Vorbescheid als verbindliche Grundlagenentscheidung erlaubt es dem Antragsteller dann, die Detailplanung unter Beachtung der maßgeblichen Behördenentscheidung fortzuführen und sein Vorhaben ggf. auch entsprechend zu modifizieren. Aus alledem ergibt sich, daß ein Antragsteller dadurch, daß er der Verwaltung die Befugnis verschafft, einzelne Fragen der Genehmigungsfähigkeit seines Vorhabens noch vor Einreichung sämtlicher Antragsunterlagen zu entscheiden, für sich die Eingriffswirkungen des präventiven Verbots reduzieren und im Vergleich zum normalen Ablauf des Genehmigungsverfahrens Zeit, Mühe und Kosten sparen kann 92. Ebenso wie bei den gesetzlich geregelten Vorbescheiden kann die Genehmigungsbehörde einen nicht normierten Vorbescheid daher grundsätzlich unter Vorbehalten erteilen, die den Regelungsgegenstand oder die Voraussetzungen der ausgesprochenen Rechtsfolge konkretisieren oder beschränken, es sei denn, daß der Antragsteller eine solche Vorgehensweise abgelehnt und ausdrücklich nur einen uneingeschränkten Vorbescheid beantragt hat. Insoweit ist auch bei Fehlen einer den Vorbescheid ausdrücklich regelnden Vorschrift aus der Ermächtigung zum Erlaß einer Genehmigung per argumentum a maiore ad minus die Kompetenz abzuleiten, auf Antrag des
91
BVerwGE 24, 23 (27). BVerwGE 24, 23 (28). Trotz dieser sehr positiven Umschreibung der Entlastungsfunktion des Vorbescheids wird nicht verkannt, daß bei großtechnischen Genehmigungsverfahren, insbesondere im Immissionsschutzrecht, in den vergangenen Jahren auch die gesetzlich geregelten Vorbescheide kaum mehr beantragt worden sind. Dies dürfte u.a. daran liegen, daß bei diesen Verfahren die Genehmigungsfähigkeit vor allem von technischen Einzelheiten und komplexen Betrachtungen der Auswirkungen des Vorhabens abhängt, die sich endgültig nur bei Vorlage (fast) aller Genehmigungsunterlagen beurteilen lassen. Folglich würde eine Stufung des Verwaltungsverfahrens hier keine beschleunigenden oder kostensparenden Effekte haben. Die Streckung eines Verwaltungsverfahrens durch Aufteilung des Regelungsgehalts der Genehmigung auf mehrere selbständige Teilentscheidungen macht nämlich nur dann Sinn, wenn sich die Komplexität einer Genehmigungsentscheidung durch eine schrittweise Beantwortung abbauen läßt. 92
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Vorhabenträgers in einem Vorbescheid vorab eine verbindliche Regelung zu einzelnen Fragen des genehmigungsbedürftigen Vorhabens zu treffen 93.
2. Negativatteste und ähnliche Grundlagenbescheide Die gleichen Grundsätze gelten auch für andere Grundlagenbescheide, in denen zwar auf Antrag des Betroffenen eine begünstigende Rechtsfolge festgestellt wird, die zugleich aber eine im Antrag noch nicht enthaltene verbindliche Konkretisierung der Voraussetzungen enthalten, unter denen die festgestellte Rechtsfolge gilt oder eintritt. So ist beispielsweise der Antrag auf Erteilung eines Negativattestes, daß ein bestimmtes Vorhaben nicht genehmigungsbedürftig sei, unter Würdigung der Interessen aller Beteiligten i.d.R. so auszulegen, daß er die zuständige Behörde auch ermächtigt, die Voraussetzungen der Genehmigungsfreiheit näher festzulegen!. Ein Interesse des Betroffenen an einer verbindlichen Klärung der Genehmigungsbedürftigkeit kann entweder dann bestehen, wenn es zweifelhaft ist, ob das geplante Vorhaben von der Definition der genehmigungspflichtigen und daher zunächst verbotenen Tätigkeiten oder Anlagen überhaupt erfaßt wird oder dann, wenn es für ihn unklar ist, ob das Vorhaben aufgrund eines gesetzlichen Ausnahmetatbestandes, z.B. wegen seiner unwesentlichen Bedeutung, vom generellen Genehmigungserfordernis freigestellt ist. Der Antrag auf Erlaß eines Negativattestes hat dann primär den Zweck, die Dispositionsfreiheit des Antragstellers durch eine einfache Entscheidung über die Genehmigungsbedürftigkeit zu schützen. Handelt er nämlich bei einer zweifelhaften Rechtslage ohne eine solche behördliche Bestätigung, so muß er grundsätzlich das Risiko seiner eigenen Fehlbeurteilung der Rechtslage tragen. Soweit die Verbotsnorm straf- oder bußgeldbewehrt ist, riskiert er eine Verfolgung wegen eines Handelns ohne die erforderliche Genehmigung. Zugleich besteht für ihn die Gefahr, daß sich die Vorbereitung oder Ausführung des Vorhabens später als Fehlinvestition erweist oder daß er vertraglichen Schadensersatzansprüchen ausgesetzt ist, weil er Verträge nicht erfüllen kann, wenn die zuständige Behörde später das gesetzliche Verbot mittels einer konkretisierenden Verfügung durchsetzt. Diesem Risiko könnte er zwar auch dadurch entgehen, daß er vorsorglich einen Genehmigungsantrag stellt; denn wenn die Genehmigungs-
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Preuß. OVG, OVGE 104, 206 (208); BVerwG, BVerwGE 24, 23 (26 ff.); B. vom 25.09.1996, 11 C 11/95, NVwZ 1997, 922 (Leitsatz); JURIS Nr. WBRE4100002680; OVG Hamburg, U. v. 24.09.1997 - Bf V 69/95, JURIS Nr. MWRE103419800 = NordÖR 1998, 359; Wernicke, , DVB1. 1977, 914 (915 f.); Zeitler in Sieder/Zeitler/ Dahme/Knopp, Bayerisches Wassergesetz, Art. 80 Rn. 18; Czychowski, WHG, § 9 Rn. 7 m.w.N.; Salis, S. 304; Christiane Fischer, S. 140 ff.
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behörde diesen mangels Genehmigungsbedürftigkeit ablehnen würde, würde er gleichfalls über eine verbindliche Regelung der Genehmigungsfreiheit verfügen. Eine mit Mühe, Zeit und Kosten verbundene Erarbeitung der vollständigen Genehmigungsunterlagen ist dem Betroffenen aber nicht zuzumuten, wenn sich die entscheidende Vorfrage, ob das Vorhaben überhaupt genehmigungsbedürftig ist, ohne Einreichung dieser Unterlagen klären läßt. Folglich kann die zuständige Genehmigungsbehörde ein Negativattest, daß ein bestimmtes, näher beschriebenes Vorhaben (unter bestimmten Voraussetzungen) nicht genehmigungsbedürftig ist, auf Antrag des Betroffenen auch ohne Einreichung der vollständigen Genehmigungsunterlagen erteilen 94.
3. Duldungsbescheide Aus ähnlichen Gründen umfaßt die vom Hessischen VGH im Ergebnis zu Recht anerkannte verfahrensrechtliche Kompetenz der Bauaufsichtsbehörde, aufgrund eines Antrags des Bauherrn durch einen sog. Duldungsverwaltungsakt den Bestandsschutz eines nicht mehr genehmigungsfahigen Bauwerks festzustellen95, die Befugnis, den Umfang des Bestandsschutzes inhaltlich zu konkretisieren und ggf. einen weitergehenden Antrag abzulehnen. Im Hinblick auf die intendierte Schutzwirkung vor behördlichen Eingriffen wirkt der Duldungsverwaltungsakt aber auch dann noch begünstigend, wenn er mit gewissen Einschränkungen versehen ist. Das Beispiel des Duldungsbescheids zeigt, daß ein besonderes Interesse an einer alsbaldigen Feststellung der Rechtslage auch schon dann bestehen kann, wenn die Behörde gegenwärtig (noch) nicht mit einem Einschreiten droht und zwar auch dann, wenn der Antragsteller gegenwärtig noch keine bestimmten Investitionen plant. Es ergibt sich hier aus dem Umstand, daß der Bestandsschutz auf einer früheren Rechtslage beruht, so daß ein Rechtsschutzverfahren, das erst Jahre oder Jahrzehnte später anläßlich einer Umbaumaßnahme oder Erweiterung erfolgen würde, den Schutz der subjektiven Rechte des Antragstellers nicht mehr in gleicher Weise gewährleisten würde. Die Chancen eines Nachweises, daß das Bauwerk und seine Nutzung der früheren Rechtslage entsprachen, dürften nämlich typischerweise schwinden, je mehr Zeit zwischen 94 Zu der bei einem gesetzlich geregelten Anzeigeverfahren bestehenden Befugnis, das Bestehen oder Nichtbestehen der Genehmigungsbedürftigkeit von Amts wegen festzustellen vgl. oben B.V.3.c). 95 Allerdings ging der Hess. VGH, B. v. 10.11.1994 - 4 TH 1864/94, JURIS Nr. MWRE101509500 (insoweit nicht in NVwZ-RR 1995, 321 (nur Leitsatz) abgedruckt), davon aus, das die zuständige Behörde das Rechtsinstrument des feststellenden Verwaltungsaktes auch dann einsetzen dürfe, wenn es im Gesetz nicht ausdrücklich als Handlungsform vorgegeben sei, sofern diese Befugnis sachlich geboten sei.
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der Änderung der Rechtslage und der behördlichen Entscheidung über den Bestandsschutz vergeht. Dies wird deutlich bei der bauplanungsrechtlichen Beurteilung eines formell illegalen Gebäudes, das zum Zeitpunkt seiner Errichtung und ersten Nutzung im nichtbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) lag. Wird für dieses Gebiet ein Bebauungsplan erlassen, so soll sich die bauliche Nutzung gerade auf Dauer entsprechend den im Bebauungsplan getroffenen Festlegungen entwickeln. Es ist offensichtlich, daß es dann wegen dieser Veränderung der Sachlage auf Dauer immer schwieriger wird, festzustellen, ob eine nach dem gültigen Bebauungsplan nicht mehr zulässige Nutzung sich früher in ihre Umgebung eingefügt hat. Je frühzeitiger die Feststellung erfolgt, ob und in welchem Umfang das ohne eine Genehmigung errichtete Gebäude Bestandsschutz genießt, desto geringer ist tendenziell ihr Fehlenisiko. Folglich entspricht es der Interessenlage des Bauherrn und dem öffentlichen Interesse an der Rechtmäßigkeit künftiger Verwaltungsentscheidungen, wenn der Eigentümer der Bauaufsichtsbehörde durch Stellung eines entsprechenden Feststellungsantrags und Vorlage ausreichender Bauunterlagen die Befugnis verschaffen kann, über den Umfang des Bestandsschutzes in einem Duldungsbescheid zu entscheiden.
V I I . Die Feststellung des kontradiktorischen Gegenteils der gewünschten Regelung 1. Fragestellung und Gang der Untersuchung Bei den bisher erörterten Fallgruppen ergab sich die Möglichkeit der Einwilligung in eine belastende Regelung aus dem Umstand, daß die behördliche Feststellung der Rechtslage zugleich den Antragsteller begünstigende Elemente enthält. Eingriff und Begünstigung sind in der Regelung des jeweiligen Verwaltungsaktes miteinander verknüpft. An einer solchen begünstigenden Wirkung des Regelungsinhalts fehlt es bei Verwaltungsakten, mit denen die Behörde zwar eine Entscheidung zur Sach- und Rechtslage erläßt, inhaltlich aber gerade eine der Rechtsauffassung des Antragstellers widersprechende und ihn inhaltlich ausschließlich belastende Feststellung trifft. Im Überblick über die Rechtsprechung wurde dargestellt, daß eine Befugnis der Überwachungsbehörde, auf Antrag des Betroffenen die Rechtslage festzustellen, bis zum 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil des Bundesverwaltungsgerichts häufig mit dessen Interesse am Schutz seiner Dispositionsfreiheit gerechtfertigt worden ist. Wenn das Gesetz an die Verletzung bestimmter Tatbestände, deren Reichweite für den Adressaten nicht ohne weiteres erkennbar sei, Strafen, Bußgelder oder andere nicht mehr rückgängig zu machende Rechtsfolgen von erheblichem Gewicht knüpfe, so habe er zum Schutz seiner
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Dispositionsfreiheit ein legitimes Interesse an einer behördlichen Entscheidung, ob ein von ihm geplantes Verhalten erlaubt oder verboten sei. Es sei ihm dann nicht zuzumuten auf eigenes Risiko zu handeln und abzuwarten, ob die Behörde nachträglich gegen ihn einschreite. Bei der Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung werde festgestellt, daß das Vorhaben mit dem Gesetz vereinbar sei. Bei ihrer Versagung werde die Gesetzwidrigkeit festgestellt und der Weg zu einer richterlichen Überprüfung eröffnet 96. Dem hat der 8. Senat des Bun97 desverwaltungsgerichts in seinem 2. Wohnraumzweckentfremdungsurtei entgegengehalten, diese Interpretation des Feststellungsantrags als Einwilligung auch in eine von der eigenen Rechtsauffassung abweichenden Feststellung vernachlässige das Institut des vorbeugenden Rechtsschutzes durch die Verwaltungsgerichte. Wenn die Behörde aufgrund einer von ihr offengelegten Rechtsauffassung einzuschreiten drohe, mache die VwGO die Befriedigung des Rechtsschutzbedürfhisses nicht davon abhängig, daß zuvor ein feststellender Verwaltungsakt zwischengeschaltet werde. Angesichts dieser gegenteiligen Bewertungen der Interessenlage des Bürgers soll hier zunächst die nach der Rechtsprechung bestehende Rechtsschutzzone der Feststellungsklage mit der des feststellenden Verwaltungsaktes verglichen werden (unten 2.). Hierzu ist zunächst anhand der Rechtsprechung zu § 43 VwGO zu klären, ob in allen im Überblick dargestellen Fällen zu dem Zeitpunkt, zu dem der Antragsteller bei der zuständigen Behörde einen Feststellungsbescheid beantragt hatte, wirklich bereits eine verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage zulässig gewesen wäre. Soweit dies nicht der Fall ist, könnte sich nämlich der Antrag auf Erlaß eines feststellenden Verwaltungsakts für den Betroffenen als Schlüssel zum präventiven Rechtsschutz und damit als ein Instrument zum Schutz seiner Verhaltens- und Dispositionsfreiheit erweisen (unten 3.). Dazu ist zu fragen, ob zur Schließung von Rechtsschutzlücken, die auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestehen, sich aus den Grundrechten, § 43 VwGO oder den Vorschriften des VwVfG möglicherweise ein Anspruch auf Erlaß eines Feststellungsbescheids oder wenigstens ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Eröffnung eines solchen Verwaltungsverfahrens ergibt. Im Hinblick auf das 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil des Bundesverwaltungsgerichts ist insbesondere zu klären, ob die Verwaltung ihre Bereitschaft, ein Verwaltungsverfahren zu eröffnen und ggf. mit einer begünstigenden Regelung abzuschließen, davon
96
Vgl. die Darstellung und Nachweise in Teil 4, C.III.4. BVerwG, U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83, BVerwGE 72, 265 (267 f.), vgl. die Darstellung des Tatbestands und der Entscheidungsgründe oben in Teil 4, C.III.5.; zustimmend Schenke/Roth, WiVerw 1997, 81 (173), Druschel, S. 212 f.; a.A. Drescher, DVB1. 1986, 727 (729); J. Martens, NVwZ 1987, 106; kritisch auch P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk, § 35 Rn. 143. 97
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abhängig machen darf, daß der Antragsteller ihr die Befugnis einräumt, am Ende des Verwaltungsverfahrens eine verbindliche Regelung der Rechte und Pflichten auch dann zu treffen, wenn das Ergebnis ihrer Prüfung nicht mit der vom Antragsteller geäußerten Rechtsauffassung übereinstimmt. In diesem Zusammenhang gilt es, nicht nur Interessen des Bürgers an einer präventiven Klärung der Rechtslage, sondern auch parallel gerichtete sowie entgegenstehende öffentliche und private Interessen zu analysieren und unter Berücksichtigung anderer dem Bürger zur Verfügung stehender Rechtsschutzmöglichkeiten und des Grundsatzes der Verwaltungseffizienz zu einem sachgerechten Ausgleich zu bringen. Es folgt eine Untersuchung der Interessen- und Rechtslage in denjenigen Fällen, in denen bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der Behörde eine verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage zulässig gewesen wäre (unten 4.), und bei Anträgen auf Erlaß eines Feststellungsbescheids mit belastender Drittwirkung (unten VIII.). Nach Überlegungen zur Auslegung des Antrags und den Beratungspflichten der Behörde gemäß § 25 VwVfG (unten IX.) kann dann die Rechtsschutzzone des feststellenden Verwaltungsaktes im Vergleich zur Feststellungsklage insgesamt neu bestimmt werden (unten X.), um so bei pflichtenbegründenden Normen die Rechtsanwendungspflichten und -risiken sachgerecht zwischen Bürger und Verwaltung zu verteilen (unten XI.).
2. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rechtsschutzzone der vorbeugenden Feststellungsklage und des feststellenden Verwaltungsakts a) Die Rechtsprechung zur Feststellungsklage § 43 VwGO regelt die Zulässigkeit der Feststellungsklage. Absatz 1 umschreibt die Rechtsschutzzone der Feststellungsklage mit zwei Merkmalen: dem Ziel der Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses und dem berechtigten Interesse an der alsbaldigen Feststellung. Absatz 2 fügt als zusätzliche Sachurteilsvoraussetzung lediglich hinzu, daß der Kläger seine Rechte nicht durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Als Rechtsverhältnis i.S. des § 43 VwGO werden gemeinhin die rechtlichen Beziehungen angesehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander (oder einer Person zu einer Sache ergeben) 98. Diese Definition ist äußerst weit gefaßt. 98
BVerwG, U. v. 23.1.1992 - 3 C 50.98, DVB1. 1992, 1168 = BVerwGE 89, 327 (329); Hess. VGH, U. v. 17.12.1985 - 9 UE 2162/85, NVwZ 1988, 445 (446); Happ in Eyermann, § 43 Rn. 12 ff.; Kopp!Schenke, § 43 Rn. 11. Rechtliche Beziehungen (Rech-
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Hierunter fallen nicht nur komplexe Rechtsbeziehungen mit einem ganzen Bündel von Rechten und Pflichten, sondern jedes einzelne subjektive Recht und jede Pflicht". A u f dieser Anknüpfung an den Begriff des Rechtsverhältnisses beruht eine gewisse Konturenarmut der Feststellungsklage100. Um eine Überlastung der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu verhindern, ihre Funktionsfahigkeit als Rechtsschutzorgan zu sichern und eine sachgerechte Abgrenzung zu anderen Rechtsschutzformen zu erreichen, haben sich Rechtsprechung und Rechtswissenschaft daher bemüht, die Zulässigkeit der Feststellungsklage funktionsgerecht zu begrenzen und zwar durch eine Präzisierung oder Ergänzung der Tatbestandsmerkmale des Rechtsverhältnisses und/oder des Feststellungsinteresses bzw. eines hiervon zu unterscheidenden besonderen qualifizierten Rechtsschutzbedürfnisses sowie durch eine Einschränkung der Statthaftigkeit der Feststellungsklage unter den Gesichtspunkten der Verfahrenskonkurrenz und des Vorrangs des repressiven Rechtsschutzes. Angesichts dieses versteckten Ziels einer teleologisch-systematischen Interpretation der Rechtsschutzzone der Feststellungsklage überrascht es nicht, daß die begriffliche Anknüpfung nicht immer gelingt und derselbe sachliche Gesichtspunkt in der Rechtsprechung in dem einen Fall schon unter dem weiten Begriff des Rechtsverhältnisses zur Unzulässigkeit der Feststellungsklage führt, in anderen Entscheidungen bei den zusätzlichen Voraussetzungen der„Konkretheit" oder „Streitigkeit" des Rechtsverhältnisses angeführt oder schließlich zur Verneinung eines berechtigten Feststellungsinteresses gebraucht wird 1 0 1 . An dieser Stelle ist es nicht erforderlich, die verschiedenen Varianten der begrifflichen Zuordnung einzelner teleologisch-systematischer Interpretationsgesichtspunkte zu einzelnen Sachurteilsvoraussetzungen nachzuzeichnen oder eine eigene Systematik zu entwikkeln. Es kommt hier nur darauf an, die im Ergebnis nach der obergerichtlichen Rechtsprechung für den (präventiven) Rechtsschutz des Bürgers bestehenden Anwendungsbereiche der Feststellungsklage und des feststellenden Verwaltungsakts miteinander zu vergleichen, um ggf. Überschneidungen oder Lücken feststellen zu können.
te oder Pflichten) können letztlich immer nur zwischen Personen bestehen; das Rechtsverhältnis einer Person zu einer Sache ist nur eine verkürzte Sprachweise für rechtliche Beziehungen zwischen einer Person und meist einer unbestimmten Vielzahl anderer Personen, die rechtstechnisch durch die Zuordnung einer Sache zu einer Person vermittelt wird (Schenke/Kopp, § 43 Rn. 11; Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, §43 Rn. 2, 5 ff, 17 ff.). 99 Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 43 Rn. 2, 5 ff.; Happ in Eyermann, § 43 Rn. 12 ff. 100 Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 43 Rn. 2. 101 Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 43 Rn. 2, 5 ff, 17 ff, 34; Schenke/Roth, WiVerw 1997, 81 ff. (153 ff.).
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Nach ständiger Rechtsprechung liegt ein feststellungsföhiges Rechtsverhältnis nur vor, wenn die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien hinreichend konkretisiert („verdichtet") und streitig sind 102. Denn Rechtsbeziehungen allgemeiner Art bestünden zwischen dem Bürger und der Verwaltung, wie z.B. einem Gewerbetreibenden und der zuständigen Überwachungsbehörde, immer, so daß sich allein anhand der Frage des Bestehens oder Nichtbestehens einzelner Rechte oder Pflichten der prozessuale Streitgegenstand nicht eingrenzen lasse103. Es sei daher erforderlich, daß die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien sich bereits durch ein dem öffentlichen Recht zurechenbares Verhalten konkretisiert, d.h. zu einer festen Form verdichtet hätten; darüber hinaus müsse zwischen den Beteiligten des Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit bestehen 104 . Diese Voraussetzungen sind nach der sog. Damokles-Rechtsprechung 105 dann erfüllt, wenn eine Überwachungsbehörde ein konkretes Verhalten eines Gewerbetreibenden beanstandet und fiir den Fall der Wiederholung die Erstattung einer Strafanzeige oder die Einleitung eines Bußgeldverfahrens androht. In diesem Fall habe der Kläger ein berechtigtes Interesse daran, die Klärung seiner verwaltungsrechtlichen Berechtigungen und Pflichten in einem verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren und nicht auf der Anklagebank zu erleben 106. Dabei spiele es keine Rolle, daß die Entscheidung des Verwaltungsgerichts für Bußgeldbehörde, Staatsanwaltschaft und Strafrichter nicht bindend seien; schon der Einfluß, den eine die verwaltungsrechtlichen Pflichten verneinende Entscheidung auf die Beurteilung der Schuldfrage ausüben könne, rechtfertige das Feststellungsbegehren 107. Das Interesse des Unternehmens an der Klärung der mit der Überwachungsbehörde streitigen Rechtsfragen sei berechtigt, denn es müsse seine Tätigkeiten und wirtschaftlichen Dispositionen längerfristig
102 BVerwG, U. 13.1.1969 - I C 86.64, Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 31; U. v. 7.5.1987 - 3 C 53/85, BVerwGE 77, 207 (211 ff.) = NVwZ 1988, 430 (431); U. v. 23.1.1992 - 3 C 50.98, DVB1. 1992, 1168 = BVerwGE 89, 327 (329); Hess. VGH, U. v. 17.12.1985-9 UE 2162/85, NVwZ 1985,445 (446). 103 Hess. VGH, U. v. 17.12.1985 - 9 UE 2162/85, NVwZ 1985, 445 (446). 104 BVerwG, U. v. 23.1.1992 - 3 C 50.98, DVB1. 1992, 1168 = BVerwGE 89, 327 (329). 105 Hess. VGH, U. v. 17.12.1985 - 9 UE 2162/85, NVwZ 1985,445 (446). 106 BVerwG, U. 13.1.1969 - I C 86.64, Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 31; Hess. VGH, U. v. 17.12.1985 - 9 UE 2162/85, NVwZ 1985, 445 (446); OVG NW, U. v. 31.1.1996 - 13 A 6644/95, NVwZ-RR 1997, 264 = JURIS Nr. MWRE296005585; VG München, U. v. 19.1.1999 - M 16 K 97.8454, GewArch 1999, 345 (346). Sehr restriktiv demgegenüber BVerwG, U. v. 23.1.1992 - 3 C 50.98, DVB1. 1992, 1168 = BVerwGE 89, 327 (329). 107 Vgl. Fn. 106.
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planen können, ohne Inhaber und Angestellte ständig der Gefahr von Bußgeldbzw. Strafverfahren auszusetzen108. Solange keine konkrete Beanstandung eines bestimmten Verhaltens durch die zuständige Überwachungsbehörde erfolgt ist und die Behörde weder mit der Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens gedroht noch bestimmte Verwaltungsmaßnahmen angekündigt hat, soll sich das Rechtsverhältnis dagegen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht hinreichend konkretisiert haben. Der Rechtsstreit müsse sich auf einen bestimmten, bereits überschaubaren Sachverhalt beziehen; abstrakte Rechtsfragen zum Inhalt der gesetzlichen Pflichten könnten nicht zum Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage gemacht werden. Für eine präventive Feststellungsklage sei das erforderliche Interesse an einer baldigen Feststellung zudem nur zu bejahen, wenn ein spezielles, auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse besteht, insbesondere wenn der Kläger unter Berücksichtigung der Möglichkeiten des vorläufigen Rechtsschutzes durch Erhebung einer Anfechtungs-, Verpflichtungs- oder Unterlassungsklage gegenüber befürchteten hoheitlichen Eingriffen später nicht mehr mit ausreichender Sicherheit einen gleichwertigen Rechtsschutz erlangen könnte und ihm deshalb ein weiteres Abwarten nicht zuzumuten ist. Nach der Rechtsprechung soll ein solches speziell auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichteten Rechtsschutzinteresses fehlen, wenn kein Strafoder Bußgeldverfahren anhängig sei und die zuständige Behörde weder die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens noch bestimmte Verwaltungsakte oder andere verwaltungsrechtliche Maßnahmen aufgrund eines konkreten Sachverhaltes angedroht habe109. Weil die zuständige Behörde dem Kläger mit Hinweis, daß eine Vermietung für Bürozwecke ein Bußgeldverfahren wegen unerlaubter Zweckentfremdung nach sich ziehen werde, gedroht hatte, war er demnach bei dem Sachverhalt des 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteils des Bundesverwaltungsgerichts in der Tat nicht darauf angewiesen, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung zu beantragen, sondern hätte unmittelbar eine verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage erheben können. Demgegenüber hätten die Kläger bei dem Sachverhalt der vom 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts kritisierten Entscheidung des Bayerischen VGH vom 17.8.1960 (Eigenjagdbezirk) 110 keine unmittelbare verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage erheben können. Denn die zuständige 108
Hess. VGH, U. v. 17.12.1985 - 9 UE 2162/85, NVwZ 1985, 445 (446); OVG NW, U. v. 31.1.1996 - 13 A 6644/95, JURIS Nr. MWRE296005585 = NVwZ-RR 1997, 264. 109 Vgl. die in Fn. 102 und 106 zitierten Urteile. 110 U. v. 17.8.1960 - 195 IV 55, DVB1. 1960, 735 f. (vgl. die Darstellung in Teil 4, D.III.5.).
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Behörde hatte dort nicht mit einem Bußgeldverfahren gedroht, sondern sich bereit erklärt, ihre frühere Entscheidung und das Vorliegen eines Eigenjagdbezirks nach neuer Rechtslage zu überprüfen. Auch bei dem Sachverhalt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 6.12.1978 (Versagung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz) 111 wäre eine unmittelbare Feststellungsklage unstatthaft gewesen. Denn dort ging es um ein vom Kläger geplantes Vorhaben, bei dem das klagende Wohnungsbauunternehmen dem Risiko entgehen wollte, daß dieses nach der nicht mehr rückgängig zu machenden Ausführung durch die zuständige Behörde als gesetzwidrig eingestuft würde, was zum Entzug der Gemeinnützigkeit und möglicherweise zur Existenzvernichtung geführt hätte. Sein Antrag auf Erteilung einer „Genehmigung" (Unbedenklichkeitsbescheinigung) sollte die Behörde erst zu einer Prüfung des geplanten Vorhabens veranlassen. Erst durch diese nach Einleitung des Verwaltungsverfahrens vorgenommene hoheitliche Tätigkeit hatte sich die Rechtsbeziehung des Unternehmers zur zuständigen Behörde nach den Maßstäben der Rechtsprechung zu einem konkreten Rechtsverhältnis verdichtet und erst mit Ablehnung der gewünschten Entscheidung wurde die Stufe eines konkreten und streitigen Rechtsverhältnis erreicht. Auch der Backwarenhersteller, der bei der Überwachungsbehörde die verbindliche Feststellung beantragt hatte, daß die Herstellung von Semmelknödel-Rohlingen nicht unter die nur für Backwaren geltenden Beschränkungen des Nachtbackverbotes fielen, hätte sein präventives Rechtsschutzziel mangels eines bereits streitigen Rechtsverhältnisses nicht mit einer unmittelbaren Feststellungsklage erreichen können. Denn bei diesem vom Bay. VGH am 18.8.1980 entschiedenen Fall 1 1 2 war keine auf den Betrieb des Klägers bezogene Beanstandung, sondern eine allgemein verschärfte behördliche Überwachung Anlaß für den Kläger, einen feststellenden Verwaltungsakt zu der Frage zu beantragen, ob die Produktion von Semmelknödelrohlingen unter das Nachtbackverbot falle. Er befürchtete, sein Unternehmen werde früher oder später auch überprüft und wollte deshalb eine verläßliche Rechtsgrundlage für die von ihm zur Legalisierung seiner Betriebsweise geplanten Investitionen. Damit ist festzustellen, daß bei Sachverhalten, bei denen die Überwachungsbehörde eine konkrete Verhaltensweise bereits vor der Antragstellung gerügt und ausdrücklich oder konkludent die Einleitung eines Straf-, Bußgeldoder Verwaltungsverfahrens angedroht hatte, der Betroffene zur Verwirklichung seines präventiven Rechtsschutzziels nicht auf die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens angewiesen ist, da er unter diesen Voraussetzungen 111
U. v. 6.12.1978 - 8 C 24.78, BVerwGE 57, 158 (161 f.) (vgl. die Darstellung in Teil 4, D.III.5.). 112 Bay VGH, U. v. 18.08.1980 - 22 B 1470/79, GewArch 1981, 18 = NJW 1981, 2076 (vgl. die Darstellung in Teil 4, D.III.5.).
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unmittelbar eine verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage erheben kann. Demgegenüber steht die Feststellungsklage als Instrument des präventiven Rechtsschutzes nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zumindest solange nicht zur Verfügung, wie die Verwaltung noch keine Stellungnahme zu der Frage abgegeben hat, ob eine bestimmte Verhaltensweise oder ein geplantes Vorhaben den gesetzlichen Bestimmungen (Pflichtnormen) entspricht.
b) Die Rechtsprechung zum Feststellungsbescheid aa) Wahlrecht zwischen Verpflichtungs- und Feststellungsklage nach Abschluß eines Verwaltungsverfahrens Diese Lücke im präventiven Rechtsschutz wird nach dem 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil des Bundesverwaltungsgerichts allerdings geschlossen, sobald die zuständige Behörde auf Antrag des möglicherweise von der Pflichtnorm Betroffenen in einem Verwaltungsverfahren geprüft hat, ob sie die Rechtmäßigkeit des Verhaltens in einem feststellenden Verwaltungsakt bestätigen kann. Denn dann muß die Behörde dem Betroffenen entweder durch Verwaltungsakt bestätigen, daß für sein Verhalten oder seine Sache nicht die gesetzlichen Pflichten gelten oder den Erlaß einer solchen verbindlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung ablehnen. Hierbei bleibt in den Urteilen des 8. Senats zwar unklar, ob es sich um eine schlichte, nicht als Verwaltungsakt zu qualifizierende Ablehnung oder um eine als Verwaltungsakt einzustufende verbindliche Ablehnung des Anspruchs auf Erlaß einer Unbedenklichkeitsbescheinigung handeln soll; jedenfalls würde sie keine Implizitfeststellung der materiellen Rechtslage enthalten. Sofern nicht bereits vor der Durchführung des Verwaltungsverfahrens Meinungsverschiedenheiten über die konkreten Rechte und Pflichten vorlagen, haben sich die Rechtsbeziehungen des Antragstellers zur Überwachungsbehörde dann durch die aus Gründen des materiellen Rechts erfolgte Verweigerung der Unbedenklichkeitsbescheinigung zu dem von der Rechtsprechung als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Feststellungsklage geforderten, konkreten und streitigen Rechtsverhältnis verdichtet. Folglich werden ihm durch das nur auf Erlaß eines begünstigenden Feststellungsbescheides gerichtete Verwaltungsverfahren nach der Rechtsprechung des 8. Senats des Bundesverwaltungsgerichts zwei Wege zur Verwirklichung seines Feststellungsbegehrens eröffnet. Zum einen kann er gemäß § 43 VwGO unmittelbar und nicht fristgebunden eine Feststellungsklage erheben. Zum anderen kann er binnen Monatsfrist gegen die Versagung der Unbedenklichkeitsbescheinigung Widerspruch einlegen; auf diese Weise erreicht er zunächst eine nochmalige Überprüfung durch die Widerspruchsbehörde. Gibt
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diese seinem Widerspruch nicht statt, hat der dann ein Wahlrecht zwischen fristgebundener Verpflichtungsklage auf Erlaß des Feststellungsbescheids und nicht fristgebundener Feststellungsklage.
bb) Ermessen über die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens Damit stellt sich die Frage, ob und ggf. in welchen Fällen ein Bürger sein Interesse an einer verbindlichen Klärung der Rechtslage zwar nicht durch eine unmittelbare Feststellungsklage aber durch einen Antrag auf Erlaß eines feststellenden Verwaltungsakts verwirklichen kann und ob er zu diesem Zweck der Verwaltung mit seinem Antrag u.U. auch die Kompetenz einräumen muß, ggf. eine nicht seiner Rechtsauffassung entsprechende Feststellung der Rechtslage zu treffen. Zu einer solchen Einwilligung hätte der Bürger keinen Anlaß, wenn die Verwaltung auch ohne eine solche Übernahme der Anfechtungslast verpflichtet wäre, auf seinen Antrag ein Verwaltungsverfahren zu eröffnen und dieses immer dann, wenn die Sach- und Rechtslage nach dem Ergebnis der behördlichen Prüfung inhaltlich der Rechtsauffassung des Antragstellers entspricht, mit dem begehrten begünstigenden Bescheid abzuschließen. Dies ist jedoch nach der Rechtsprechung des 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts nicht der Fall. Danach bedarf eine Unbedenklichkeitsbescheinigung oder ein Negativattest keiner gesetzlichen Grundlage, wenn es mit dem geforderten Inhalt den Rechtsstandpunkt des Antragstellers bestätigen soll. Ein solcher feststellender Verwaltungsakt dürfe ohne gesetzliche Grundlage erlassen werden, und er sei zu erlassen, wenn darauf aus besonderen Gründen, beispielsweise als Folge einer ständigen Übung der zuständigen Behörde, ein Anspruch bestehe. Dies bedeutet, daß nach der Rechtsprechung des 8. Senats des Bundesverwaltungsgerichts der Erlaß einer Unbedenklichkeitsbescheinigung grundsätzlich im Ermessen der zuständigen Behörde steht; nur bei „besonderen Gründen" sei sie zum Erlaß verpflichtet. Außer der ständigen Übung finden sich in diesem Zusammenhang keine Beispiele oder Erläuterungen, wann ein besonderer Feststellungsgrund vorliegen soll. In anderen Entscheidungen hat das Bundesverwaltungsgericht Verpflichtungsklagen auf Erlaß eines Vorbescheides 113 oder einer Zusicherung 114 sogar mit der Begründung abgewiesen, daß die Antragsteller immer dann, wenn sie aufgrund des Gebots des effektiven Rechtsschut113
BVerwG, B. v. 6.7.1977 - IV B 118.77, Buchholz 11 Art. 19 GG Nr. 55 = BRS 32 Nr. 196. 114 BVerwG, U. v. 23.5.1986 - 8 C 5/85, NVwZ 1986, 1011 (1012); krit. dazu auch Stelkens, NVwZ 1997,471 f., der annimmt, die Behörde sei auf Antrag zum Erlaß einer als Verwaltungsakt zu qualifizierenden Zusicherung befugt; dementsprechend habe die potentiell durch den zugesicherten Verwaltungsakt begünstigte Antragstellerin einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung über den Erlaß einer Zusicherung. 32 Kracht
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zes zum Schutz ihrer subjektiven Rechte auf eine präventive Regelung angewiesen seien, ohne den „Umweg" einer Voranfrage unmittelbar eine verwaltungsgerichtliche Klage erheben könnten. Sollte dem Antragsteller dagegen ein solches qualifiziertes Rechtsschutzinteresse fehlen, so hätte es mit der Versagung vorbeugenden gerichtlichen Rechtsschutzes sein Bewenden; diesem Ergebnis dürfe dann nicht durch die „Erfindung" eines Anspruchs auf Vorbescheid oder Zusicherung ausgewichen werden.
c) Kritik der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Damit zeigen sich erhebliche Fehler, Wertungswidersprüche und Lücken in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts: 1. § 43 VwGO gibt dem Bürger zwar unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf eine präventive gerichtliche Feststellung der Rechtslage; knüpft die Zulässigkeit der Feststellungsklage aber an die Erfüllung bestimmter Sachentscheidungsvoraussetzungen. Ein Ermessen der Gerichte, eine Feststellungsklage auch dann zuzulassen, wenn diese Sachentscheidungsvoraussetzungen (noch) nicht erfüllt sind, besteht nicht. Nach der Rechtsprechung des 8. Senats des Bundesverwaltungsgerichts kann der Bürger eine präventive gerichtliche Feststellung, ob ein von ihm geplantes Verhalten gegen gesetzliche Pflichtnormen verstößt, allenfalls dann verlangen, wenn die zuständige Behörde zu dieser Frage bereits Stellung genommen und für den Fall der Ausführung des Vorhabens die Einleitung eines Bußgeld- oder Strafverfahrens oder verwaltungsrechtliche Maßnahmen angedroht hat. 2. Ganz andere Sachentscheidungsvoraussetzungen gelten für den Erlaß eines feststellenden Verwaltungsakts; die Rechtsprechung prüft insbesondere den Vorrang und den Vorbehalt des Gesetzes und allgemeine Grundsätze der Ermessenslehre. Die Entscheidung über die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens, das auf den Erlaß eines feststellenden Verwaltungsakts gerichtet ist, steht nach der Rechtsprechung grundsätzlich im Ermessen der zuständigen Behörde: auf Antrag des Bürgers darf sie einen feststellenden Verwaltungsakt auch dann erlassen, wenn sie hierzu nicht verpflichtet ist. Hieraus ergibt sich, daß die Verwaltung auf Antrag des Bürgers einen feststellenden Verwaltungsakt u.U. auch dann erlassen darf, wenn das Verwaltungsgericht eine entsprechende Feststellungsklage abweisen müßte. 3. Spezielle Regeln zur Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens über die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens, das auf den Erlaß einer Unbedenklichkeitsbescheinigung oder eines funktional vergleichbaren, nicht normier-
C. Verwaltungsakte in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren
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ten Feststellungsbescheides gerichtet ist, hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts nicht entwickelt. 4. Der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts übersieht, daß der primär auf die Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens gerichtete Antrag auf Erlaß eines Feststellungsbescheids unter Berücksichtigung der bei Antragstellung bestehenden Interessenlage auszulegen ist Die Auslegung des Feststellungsbescheids im 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil verkennt sowohl den zu einem kraft Gesetzes bestehenden Rechtsverhältnis führenden Regelungsinhalt einer gesetzlichen Pflichtnorm als auch das daraus erwachsende Interesse des Bürgers an einer Klärung der gesetzlichen Rechtslage. Zunächst fehlt es vor dem Erlaß einer polizei- oder ordnungsbehördlichen Verfügung oder einer Drohung mit Sanktionen nicht an einem konkreten, durch Urteil oder Verwaltungsakt feststellbaren Rechtsverhältnis 115. Denn ein Verwaltungsrechtsverhältnis besteht bereits immer dann, wenn sich durch Anwendung einer Norm auf einen einzelnen Lebenssachverhalt konkrete Rechtsbeziehung zwischen einem Bürger und der Verwaltung ergibt, die über das allgemeine Staat-Bürger-Verhältnis hinausgeht; es besteht aus mindestens einer subjektiven Berechtigung etwas zu tun oder zu unterlassen, kann aber auch eine Vielzahl von aufeinander bezogenen Rechten und Pflichten umfassen 116. Im Falle eines gesetzlichen Ver- oder Gebotes wirkt das Gesetz als unmittelbarer Eingriff in Freiheit und Eigentum und verpflichtet den Normadressaten auch ohne weitere Vollzugsakte der Verwaltung zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen. Soweit nicht die über das allgemeine Staat-Bürger-Verhältnis hinausgehende Konkretisierung der Rechtsbeziehung bei einer Handlungspflicht bereits dadurch erfolgt ist, daß die jeweilige materielle Norm einen bestimmten Verwaltungsträger oder eine bestimmte Behörde als Gläubiger ausweist, geschieht die erforderliche Konkretisierung des Subjekts der öffentlichen Verwaltung dadurch, daß der an den Bürger adressierte Befehl der Pflichtnorm durch eine verwaltungsadressierte Kompetenznorm ergänzt wird, welche einem bestimmten Träger oder Organ der öffentlichen Verwaltung die Aufgabe und ggf. Befugnis zuweist, über die Einhaltung des Normbefehls zu wachen. Verletzt der Bürger seine gesetzlichen Pflichten, so ist die zuständige Überwachungsbehörde grundsätzlich zu einem Einschreiten befugt; diese Handlungsbefugnis ist Voraussetzung für den Erlaß des Verwaltungsaktes, nicht erst eine Rechtsfolge seines Erlasses. Die Nichtbefolgung der Norm ist straf- oder bußgeldbewehrt oder kann verwaltungsrechtliche Sanktio-
115 Schenke/Roth, WiVerw 1997, 81 (126 ff, 149 ff.); Pietzcker in Schoch/SchmidtAßmann/Pietzner, § 43 Rn. 17; Happ in Eyermann, § 43 Rn. 25; Trzaskalik, S. 81 ff, 108 ff. 116 Vgl. oben Teil 2, B.V.2.a).
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nen nach sich ziehen. In der Regel kann die zuständige Behörde nach dem Beginn eines rechtswidrigen Vorhabens dessen weitere Ausführung untersagen und eine Beseitigung verlangen. Daher besteht bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem der Bürger durch sein Verhalten (möglicherweise) den Tatbestand eines gesetzlichen Ge- oder Verbots verwirklicht, zwischen dem Bürger und der Behörde, die für die Überwachung der Einhaltung dieser Norm zuständig ist, ein 117 konkretes Verwaltungsrechtsverhältnis . Weder ein Rechtsstreit noch eine Ausübung der hoheitlichen Befugnisse, z.B. in Form eines Verwaltungsaktes, noch die Androhung hoheitlicher Maßnahmen sind Voraussetzung für die Entstehung eines Verwaltungsrechtsverhältnisses oder eines Rechtsverhältnisses i.S. von § 43 VwGO 1 1 8 . Plant der Bürger dagegen erst ein Verhalten, ohne mit dessen Ausführung bereits begonnen zu haben, so liegt allerdings - unabhängig von der Frage, ob es im Falle seiner Realisierung rechtmäßig oder rechtswidrig wäre - gegenwärtig noch keine konkrete Gefahr vor. Solange die Verwaltung noch nicht geltend gemacht hat, das geplante Verhalten verstoße gegen bestimmte öffentlich-rechtliche Vorschriften, sich also noch keiner Befugnis zum Eingriff in die Handlungsfreiheit berühmt hat, liegt noch kein „gegenwärtiges" Rechtsverhältnis vor. Jedoch ist die Rechtsschutzzone der Feststellungsklage und feststellender Verwaltungsakte nicht auf „gegenwärtige" Rechtsverhältnisse beschränkt; vielmehr ergibt sich das Interesse an einer präventiven Feststellung typischerweise gerade aus einer Rechtsungewißheit über den Umfang der eigenen Handlungsbefugnisse und der korrespondierenden Frage, ob staatliche Organe künftig zu einem Eingriff befugt sein würden, wenn der Bürger sich in einer bestimmten Weise verhält. Gegenstand der Feststellungsklage, einer Unbedenklichkeitsbescheinigung oder eines Negativattestes ist damit ein hinreichend bestimmter, allerdings tatsächlich noch nicht (vollständig) verwirklichter Sachverhalt. Gleichwohl ist es möglich, rechtliche Feststellungen über diesen hypothetischen Sachverhalt zu treffen 119 . Vor allem aber verkennt die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch die Ursachen und das Ziel des Rechtsschutzbegehrens. Der Bürger beantragt bei der zuständigen Behörde oder dem Verwaltungsgericht nämlich nicht, die Unzulässigkeit bestimmter Verwaltungsmaßnahmen festzustellen, sondern die Feststellung, daß ein bestimmtes, von ihm geplantes Vorhaben rechtmäßig ist. Er will auf diese Weise eine Rechtsunsicherheit überwinden, die aufgrund der vom Gesetzgeber eingesetzten Regelungstechnik einer gesetzlichen Pflichtnorm entstanden ist. Danach gelten für einen vom Gesetzgeber definierten Per117 118 119
Vgl. oben Teil 2, B.V.2.a), c), d). Vgl. dieNachw. in Fn. 115. Trzaskalik, S.68 ff., passim.
C. Verwaltungsakte in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren
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sonenkreis gewisse Ge- oder Verbote unmittelbar bei Verwirklichimg bestimmter abstrakt-generell definierter Tatbestände. Das Nichtbestehen eines solchen Rechtsverhältnisses kann zu dem Zeitpunkt rechtlich relevant werden, zu dem der Bürger ein Verhalten plant, das möglicherweise vom Tatbestand der Pflichtnorm erfaßt wird. Aufgrund der mehr oder minder unbestimmten Fassung der Pflichtnorm oder Schwierigkeiten bei der Feststellung des relevanten Sachverhaltes sind beim Bürger Zweifel entstanden, ob eine von ihm geplante Tätigkeit erlaubt ist oder unter das gesetzliche Verbot fallt. Wenn der Betroffene keine Feststellungsklage erheben kann und das Gesetz weder obligatorisch noch fakultativ ein Verwaltungsverfahren zur Feststellung der gesetzlichen Pflichten vorsieht, steht er vor der Alternative, entweder zur Vermeidung eines Sanktionsrisikos oder wirtschaftlicher Fehldispositionen die Durchfiihrung des Vorhabens zu unterlassen oder bei dessen Ausßhrung das Risiko einer eigenen Fehleinschätzung der Rechtslage zu tragen. Das Feststellungsbegehren dient in einem solchen Fall nicht nur einer präventiven Abwehr rechtswidriger Verwaltungsmaßnahmen, sondern vor allem der Vermeidung von drohenden Rechtsnachteilen rechtmäßiger Sanktionen oder anderer Verwaltungsmaßnahmen. Das primäre Ziel des Feststellungsbegehrens ist die Absicherung der Verhaltens- und Dispositionsfreiheit durch Überwindung der bestehenden Rechtsunsicherheit über die unmittelbar kraft Gesetzes geltenden Verhaltenspflichten 120. Das mit dem Bild des Damoklesschwerts zutreffend beschriebene Risiko nachträglicher Sanktionen, von Fehlinvestitionen und anderer Vermögensdispositionen, die sich nicht oder zumindest nicht ohne erhebliche Verluste rückgängig machen lassen, besteht unmittelbar kraft Gesetzes und wird nicht etwa erst dadurch geschaffen, daß die Behörde die Sanktionen oder ein nachträgliches Einschreiten androht. Die Androhung einer Sanktion oder verwaltungsrechtlicher Maßnahmen begründet daher nicht das Sanktionsoder Investitionsrisiko und kann folglich keine conditio sine qua non für das aus dieser Gefahr - und nicht erst der Androhung - erwachsende Feststellungsinteresse darstellen 121. Insoweit bestehen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Lücken im präventiven Rechtsschutzsystem zur Überwindung einer Verhaltensunsicherheit über die kraft Gesetzes bestehenden Verhaltenspflichten, wenn die Behörde keine Stellungnahme zu diesen gesetzlichen Pflichten abgibt m. Demgegenüber stellt der gleiche Senat die vorgelagerte Frage, ob die Behörde überhaupt ein Feststellungsverfahren eröffnet, in das behördliche Ermessen, 120 Schenke/Roth, WiVerw 1997, 81 (122 ff, 149 ff.); Pietzcker in Schoch/SchmidtAßmann/Pietzner, § 43 Rn. 34; Trzaskalik, S. 108 ff, 175 ff. 121 Schenke/Roth, WiVerw 1997, 81 (149 ff.). 122 Schenke/Roth, WiVerw 1997, 81 (149 ff.); Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, § 43 Rn. 20; Trzaskalik, S. 108 ff, 175 ff.
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
ohne irgendwelche sachlichen Gesichtspunkte für diese Ermessensausübung zu benennen. Wenn die zuständige Behörde dann - ohne hierzu verpflichtet zu sein - auf Antrag des Bürgers in einem auf die Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung gerichteten Verwaltungsverfahren die Rechtmäßigkeit des geplanten Verhaltens verneint hat, darf sie nach der Rechtsprechung des 8. Senats des Bundesverwaltungsgerichts keinesfalls eine verbindliche Feststellung der gesetzlichen Pflichten treffen; gleichwohl werden dem betroffenen Bürger durch die Äußerung der Verwaltung nun eine ganze Palette von Rechtsschutzmöglichkeiten eröffnet™. Als Konsequenz dieser Rechtsprechung könnte sich die Behörde der Belastung, als Beklagte in einem auf eine behördliche oder gerichtliche Feststellung der Rechtslage gerichteten verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitwirken zu müssen, am wirkungsvollsten dadurch entziehen, daß sie überhaupt keine Stellungnahme abgibt. Diese Rechtsprechung ist inkonsistent und unschlüssig. Es erscheint nicht sachgerecht, der Behörde weitgehende Freiheit in der Frage zu gewähren, ob sie überhaupt eine verbindliche Regelung der Rechtslage trifft und dann bei der Ablehnung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung aus Gründen des materiellen Rechts dem Bürger einen Rechtsanspruch auf eine hoheitliche Regelung dieses Rechtsverhältnisses in Form des gerichtlichen Urteils zu geben. Ist das Planungsinteresse gewichtig genug, um - im Falle einer für den Bürger negativen Äußerung - einen Anspruch des Bürgers auf vorbeugenden gerichtlichen Rechtsschutz zu begründen, so muß man diesem Bedürfiiis nach Rechtsklarheit auch Rechnung tragen, wenn die Behörde sich überhaupt nicht äußert oder es zwar gegenwärtig für unbedenklich hält, hierzu jedoch keine sie auf Dauer bindende Entscheidung treffen will 1 2 4 .
3. Der Feststellungsantrag
als Schlüssel zum präventiven Rechtsschutz
a) Auslegung des Feststellungsantrags vor Eröffnung des Verwaltungsverfahrens (ex ante-Betrachtung) Die unzureichende Analyse der Interessenlage des Bürgers und der Verwaltung, die der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts im Hinblick auf nicht normierte Feststellungsbescheide vorgenommen hat, dürfte zwei Ursachen haben. Zum einen lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem sich die zuständige Behörde bereits vor dem Feststellungsantrag des Bürgers zur fraglichen Sachund Rechtslage geäußert hatte 125 und der Betroffene deshalb bereits zum 123 124 125
Vgl. oben b)aa). Trzaskalik, S. 108 ff.; Schenke/Roth, WiVerw 1997, 81 (146 f.). Vgl. dazu unten 4.
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503
Zeitpunkt der Antragstellung gerichtlichen Rechtsschutz in Form einer Feststellungsklage erlangen konnte. Zum anderen stellt der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts für die Beantwortung der Vorbehaltsfrage nicht auf die ex ante ambivalenten Wirkungen eines ergebnisoffenen Antrags auf Feststellung der Rechtslage ab, sondern vergleicht nach Abschluß des Verwaltungsverfahrens die belastenden Wirkungen des negativen Feststellungsbescheids mit denen einer schlichten Ablehnung der Begünstigung (Betrachtung ex post). Hierdurch wird der Gesichtspunkt vernachlässigt, daß möglicherweise erst der Feststellungsantrag die Behörde zur Einleitung des Verwaltungsverfahrens veranlaßt hat. Der Antrag als verfahrensrechtliche Willenserklärung ist jedoch unter Berücksichtigung der Interessenlage auszulegen, die bei seiner Stellung bestand (Betrachtung ex ante). Folglich ist zu fragen, ob die freiwillige Übernahme der Anfechtungslast durch einen auf Feststellung der objektiven Rechtslage gerichteten Antrag für den Rechtsschutz suchenden Bürger ein Mittel sein kann, um die Behörde überhaupt zur Einleitung eines Feststellungsverfahrens zu bewegen. Der weit gefaßte Antrag würde ihm dann bei einer Betrachtung ex ante erst die Chance eröffnen, daß das auf seiner Grundlage eingeleitete Verwaltungsverfahren mit dem Erlaß der Unbedenklichkeitsbescheinigung bzw. eines anderen begehrten Feststellungsbescheides abschließt. Bei einer ex postBetrachtung der Ergebnisse des Verwaltungsverfahrens wäre dann zwar der von der Rechtsauffassung und dem Feststellungsbegehren abweichende Feststellungsbescheid wegen seines materiellen Regelungsinhalts als Eingriff und belastender, anfechtbarer Verwaltungsakt zu qualifizieren. Als Schlüssel für den Zugang zum Verwaltungsverfahren hat der Antrag mit der Einleitung des Verwaltungsverfahrens verfahrensrechtlich aber zunächst eine begünstigende Wirkung gehabt. Diese den Rechtsschutz eröffnende Funktion eines vor der behördlichen Entscheidung ergebnisoffen formulierten Antrags („Ich beantrage die Feststellung, ob ...") geht nicht dadurch verloren, daß der Bürger nach einem seiner Rechtsauffassung widersprechenden Bescheid Rechtsbehelfe einlegen muß, wenn er eine nochmalige Überprüfung der Sach- und Rechtslage durch die Widerspruchsbehörde bzw. das Verwaltungsgericht erreichen will. Daher darf bei Sachverhalten, in denen der Bürger von der Behörde den Erlaß einer Unbedenklichkeitsbescheinigung oder eines ähnlichen begünstigenden Feststellungsbescheids begehrt, eine Einwilligung in eine Feststellung der objektiven Rechtslage nicht mit dem 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil des Bundesverwaltungsgerichts generell ausgeschlossen werden 126 . Umgekehrt kann aber - unabhängig von der Willenserklärung und den zu ihrer Aus126 BVerwG, U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83, JURIS Nr. WBRE101128602 BVerwGE 72, 265 = NJW 1986, 1120 = DVB1. 1986, 560 = DÖV 1986, 570 = BayVBl. 1986, 536; zum Sachverhalt und den Entscheidungsgründen vgl. oben Teil 4, C.III.5.; zustimmend Schenke/Roth, WiVerw 1997, 81 (173), Druschel, S. 212 f.
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
legung zu berücksichtigenden Umständen des Einzelfalls - ebensowenig einfach unterstellt werden, er habe eine verbindliche Regelung beantragt, ob sein Verhalten rechtmäßig ist oder nicht und damit auch in eine verbindliche Regelung des kontradiktorischen Gegenteils der begehrten Feststellung eingewilligt 1 2 7 . Bei der rechtlichen Analyse der möglichen Rechtsfolgen eines Antrags sind folglich zwei Schritte zu unterscheiden. Zunächst ist zu fragen, ob die Einwilligung in eine umfassende Regelungsbefugnis der zuständigen Behörde für einen potentiellen Adressaten überhaupt ein sinnvolles Instrument zum Schutz seiner Verhaltens- und Dispositionsfreiheit sein kann. Dies wäre zu verneinen, wenn er auch ohne Übernahme der Anfechtungslast gegenüber einer negativen Sachentscheidung einen Anspruch auf Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens hätte oder wenn er sein Rechtsschutzziel in jedem Fall ebensogut durch eine vorbeugende Feststellungs- oder Unterlassungsklage verwirklichen könnte. Wenn danach ein Feststellungsinteresse unter Berücksichtigung des Kopplungsverbots die Übernahme der Anfechtungslast grundsätzlich rechtfertigen könnte, heißt dies aber noch nicht, daß der Antragsteller im konkreten Einzelfall tatsächlich bereit ist, diese zu übernehmen. Angesichts der bei einem gesetzlich nicht geregelten Verwaltungsverfahren zunächst uneingeschränkt bestehenden Dispositionsfreiheit des Antragstellers bedarf es daher im zweiten Schritt einer Auslegung, ob sich der im konkreten Einzelfall gestellte Antrag nur auf eine begünstigende Entscheidung bezieht oder weitergehend eine Ermächtigung der Behörde enthält, über die Rechtslage auch dann verbindlich zu entscheiden, wenn ihre eigene Rechtsauffassung der des Antragstellers widersprechen sollte.
127 So aber Drescher, DVB1. 1986, 727 (729); J. Martens, NVwZ 1987, 106; Christiane Fischer, S. 74 ff. Allerdings nimmt Fischer auf S. 139, 144 ff. an, die Einwilligung des Betroffenen sei überhaupt keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung. In Fällen, in denen der Bürger zur Vermeidung späterer Sanktionen geklärt haben wolle, ob sein Verhalten rechtmäßig sei oder nicht, könne kein Zweifel daran bestehen, daß mit der Ermächtigung zum Einschreiten per Verwaltungsakt in einer bestimmten Situation auch die nach dem Bestimmtheitsgrundsatz erforderlichen Voraussetzungen für die Feststellung des (Nicht-)Vorliegens gegeben sind (a.a.O., S. 145). Hier übersieht sie aber, daß nach ihren eigenen - insoweit zutreffenden - Ausführungen (a.a.O., S. 137 f.) eine Verfügung zur Durchsetzung allgemeiner gesetzlicher Pflichten nicht allein auf die Pflichtnorm, sondern als sog. unselbständige Verfügung nur auf die polizei- oder ordnungsbehördliche Generalklausel (oder eine Spezialermächtigung) gestützt werden kann. Folglich sind vor der Ausführung des Vorhabens die in der Generalklausel mit dem Begriff der Gefahr festgelegten Voraussetzungen für ein Einschreiten i.d.R. eben noch nicht erfüllt, wie sie selbst auf S. 146 einräumt. Daher kommt es entgegen Christiane Fischers in sich widersprüchlicher Thesen i.d.R. doch darauf an, ob ein Antrag den Erlaß eines gesetzlich nicht vorgesehenen Feststellungsbescheides auch dann decken kann, wenn die Behörde eine der Rechtsauffassung des Antragstellers widersprechende belastende Feststellung trifft.
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b) Das Verwaltungsverfahren als Kompensation für die Unbestimmtheit der gesetzlichen Pflichtnorm Ein Teil der Literatur und Rechtsprechung will die nach der Rechtsprechung des 8. Senats des Bundesverwaltungsgerichts bestehende Lücke im System des vorbeugenden Rechtsschutzes dadurch schließen, daß sie die zuständige Behörde als befugt und/oder verpflichtet ansieht, auf Antrag eines möglicherweise von der Pflichtnorm Betroffenen durch feststellenden Verwaltungsakt über das Bestehen oder Nichtbestehen bestimmter gesetzlicher Pflichten oder einer pflichtnormrelevanten Eigenschaft zu entscheiden. Mittels einer solchen durch den Antrag des Betroffenen eingeräumten Verwaltungsaktbefugnis sollen verfassungsrechtliche Bedenken ausgeräumt werden, die in den vergangenen Jahren insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgebots gegen gesetzliche Pflichtnormen vorgebracht worden sind, die bußgeld- oder strafbewehrt sind oder bei denen eine Fehleinschätzung der Rechtslage für den Normadressaten zu sonstigen erheblichen Nachteilen führen kann. Ausgangspunkt ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu dem im Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerten Gebot hinreichender Bestimmtheit von Gesetzen. Danach nimmt die Auslegungsfahigkeit und bedürftigkeit einer gesetzlichen Bestimmung ihr noch nicht die erforderliche Bestimmtheit. Das Bestimmtheitsgebot gebietet es aber, grundrechtsrelevante Vorschriften in ihren tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so klar zu formulieren, daß die Betroffenen die Rechtslage erkennen können und ihr Verhalten ohne unzumutbares Risiko danach einrichten können. Das schließt die Verwendung unbestimmter, wertausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriffe oder von Generalklauseln nicht aus, sofern sich mit Hilfe der allgemein anerkannten Auslegungsmethoden unter Berücksichtigung des Normengefüges oder aufgrund einer gefestigten Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für die Anwendung und Auslegung finden läßt 128 . In jedem Fall ist der Gesetzgeber jedoch gehalten, seine Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist 129 . Hiervon ausgehend wurden in der Rechtsprechung und Literatur vereinzelt Pflichtnormen mit unbestimmten Rechtsbegriffen, deren Anwendung auf den Lebenssachverhalt typischerweise eine besondere Fachkunde erfordert, über 128 BVerfG, B. v. 21.6.1977 - 2 BvR 308/77, BVerfGE 45, 363 (371); BVerfG, B. v. 14.11.1989 - 1 BvL 14/85, 1 BvL 1276/84, BVerfGE 81, 70 (88) = NJW 1990, 1349 (1350). 129 BVerfG, B. v. 18.5.1988 - 2 BvR 579/84, BVerfGE 78, 205 (212) = NJW 1988, 2583; BVerfG, U. v. 24.4.1991 1 BvR 1341/90, BVerfGE 84, 133 (149) = NJW 1991, 1667(1668).
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die Normadressaten persönlich in der Regel nicht verfugen, als verfassungswidrig qualifiziert. So sah das OVG NW § 62 Landschaftsgesetz NW, der den unmittelbaren gesetzlichen Biotopschutz des § 20c BNatSchG umsetzt, als verfassungswidrig an, weil der Normadressat bei der Auslegung und Anwendung der gesetzlich festgelegten Biotoptypen und der Prüfung, ob bestimmte Handlungen und Maßnahmen aufgrund der natürlichen Eigenheiten und Wirkungszusammenhänge des konkreten Biotops dieses erheblich beeinträchtigen oder zerstören können, letztlich allein auf sich gestellt sei. Er könne nicht etwa, wie dies bei einer Unterschutzstellung durch Verwaltungsakt der Fall wäre, auf eine fachliche Vorprüfung der Merkmale, räumlichen Grenzen und spezifischen Eigenschaften des Biotops durch die Fachverwaltung zurückgreifen. Da die landesrechtlich vorgesehene Erfassung und Kartierung der Biotope lediglich deklaratorischen Charakter habe, liege das außerordentlich hohe Risiko einer Fehleinschätzung der Rechtslage ausschließlich beim Normadressaten, was diesem trotz der Bedeutung des gesetzlichen Schutzzweckes nicht zuzumuten sei 130 . Mit vergleichbaren Argumenten ist in der denkmalrechtlichen Literatur wegen der aus mehreren unbestimmten Rechtsbegriffen zusammengesetzten Definition des Denkmals, für deren Ausfüllung nicht die Wertmaßstäbe potentieller Normadressaten sondern wissenschaftlicher Sachverständiger gelten, die Auffassung vertreten worden, die ipso iure geltenden Schutzsysteme mit bloß deklaratorischer Eintragung verstießen wegen ihrer unmittelbar geltenden, z.T. sanktionsbewehrten Pflichtnormen gegen den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz und das Gebot effektiven Rechtsschutzes131. Demgegenüber hat ein anderer Teil der Rechtsprechung und Literatur unter den Gesichtspunkten des Bestimmtheitsgebots und des effektiven Rechtsschutzes zwar verfassungsrechtliche Bedenken gegen sanktionsbewehrte verwaltungsrechtliche Pflichtnormen dem Grunde nach anerkannt, jedoch die kompensatorische Funktion des behördlichen Verfahrens und/oder des präventiven Rechtsschutzes durch die Verwaltungsgerichte betont. So vertrat das OVG
130
OVG NW, U. v. 15.08.1994 - 7 A 2883/92, JURIS Nr. MWRE295004251 = NuR 1995, 301). Durch Kammerbeschluß vom 16.9.1998 ( l B v L 21/94, JURIS Nr. KVRE284049801) hat das Bundesverfassungsgericht diese Richtervorlage mangels Entscheidungserheblichkeit als unzulässig abgewiesen. Zu Regelungsgehalt und Verfassungskonformität des gesetzlichen Biotopschutzes nach § 20 c BNatSchG vgl. jedoch Schink, VerwArch 86 (1995), 398 (417 ff.) m.w.N.; VerfG Brandenburg, B. v. 12.10.2000 - VfGBbg 20/00, NuR 2001, 146 (147 ff.). 131 Niebaum/Eschenbach, DÖV 1994, 12 (14 ff.); Bedenken auch bei Hönes, Die Unterschutzstellung, S. 269; Moench, NVwZ 1988, 304 (307); Schneider, BauR 1998, 733 (735); weitere Nachweise bei Franzmeyer-Werbe, DÖV 1996, 950 (Fn. 2). Zum Begriff des Kulturdenkmals und den unterschiedlichen Schutzssystemen vgl. oben Teil 2, F.II.
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Berlin 132 die Auffassung, daß es dem Landesgesetzgeber nicht verwehrt werden könne, sich im Interesse eines effizienten Denkmalschutzes für ein System des bereits kraft Gesetzes entstehenden Denkmalschutzes zu entscheiden; es sah es jedoch als erforderlich an, im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung die einschlägigen Pflichtnormen so auszulegen, daß diese zu Lasten des Eigentümers oder sonstigen Normadressaten solange nicht eingreifen, wie das Bauwerk nicht in die Denkmalliste eingetragen ist oder der Normadressat zuvor durch eine entsprechende Ankündigung der Denkmalschutzbehörde oder auf andere Weise hinreichend zuverlässige Kenntnis von der pflichtenbegründenden Denkmaleigenschaft erlangt hat. Sofern die pflichtenbegründende Denkmaleigenschaft nicht ausnahmsweise evident ist oder der Betroffene im Einzelfall selbst über die für die Beurteilung der Denkmaleigenschaft erforderliche Fachkunde verfügt, will das OVG Berlin den Normadressaten bis zu einer konkreten behördlichen Mitteilung über die pflichtenbegründenden Eigenschaft seines Bauwerks damit von dem nach dem Wortlaut der Pflichtnorm bestehenden Rechtsanwendungsrisiko entlasten. Die durch den im Hinblick auf die Materie unvermeidlich offen formulierten Denkmalbegriff entstehende Rechtsunsicherheit lasse sich so durch die nachrichtlichen Denkmallisten und ergänzende behördliche Informations- und Auskunftspflichten erheblich reduzieren; bei Vorliegen eines berechtigten Feststellungsinteresses sei ein effektiver Rechtsschutz dann jedenfalls durch das Instrument der vorbeugenden Feststellungsklage gewährleistet 133. Schließlich sind im Überblick über die bisherige Rechtsprechung 134 Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Eigenjagdbezirk, Semmelknödelrohlinge), des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofs (gesetzlicher Biotopschutz) und die später aufgegebene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Unbedenklichkeitsbescheinigung für Tätigkeiten eines gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmens dargestellt worden, die bei rechtlichen oder faktischen Zweifeln über die Reichweite einer gesetzlichen Verbotsnorm bei einem legitimen Interesses an einer Klärung der Sach- und Rechtslage eine ermächtigungsersetzende Wirkung des auf eine behördliche Feststellung gerichteten Antrags anerkannt haben und dem potentiell von einer gesetzlichen Pflichtnorm Betroffenen zum Schutz von Freiheit, Eigentum und 132 OVG Berlin, U. v. 3.1.1997 - 2 B 10/93, LKV 1998, 152 ff. = BauR 1998, 773 ff.; bestätigt durch BVerwG, B. v. 9.10.1997 - 6 B 42/97, LKV 1998, 150 (151); zum niedersächsischen Recht ebenso BVerwG, B. v. 26.04.1996 - 4 B 19/96, JURIS Nr. WBRE4100002263. 133 OVG Berlin, U. v. 3.1.1997 - 2 B 10/93, LKV 1998, 152 (157) = BauR 1998, 773 ff.; bestätigt durch B. v. 9.10.1997 - 6 B 42/97, LKV 1998, 150 (151); zum niedersächsischen Recht ebenso BVerwG, B. v. 26.04.1996 - 4 B 19/96, JURIS Nr. WBRE4100002263. 134 Vgl. Teil 4, D.III.5. und 6.
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Dispositionsfreiheit einen aus den Grundrechten abzuleitenden Anspruch auf Einleitung eines derartigen Verwaltungsverfahrens geben. In einer solchen Situation, in der erst der Feststellungsbescheid die sich aus der abstraktgenerellen Fassung des Gesetzes und dem Regelungstyp einer gesetzlichen Pflichtnorm ergebenden Zweifel am Umfang der Rechte und Pflichten des Grundrechtsträgers wieder beseitige, ergebe sich für den Betroffenen, aus dessen Sicht Gesetzgebung und Verwaltung nur als arbeitsteilige Organe einer einheitlichen Staatsgewalt erscheinen, jedenfalls bei ernsthaften Zweifeln an der Reichweite der Pflichtnorm und einem berechtigten Interesse an der Klärung der im Einzelfall bestehenden Rechtslage quasi ein Anspruch auf „Folgenbeseitigung", der auf den Erlaß eines die Zweifel an der Reichweite der Pflichtnorm klärenden Feststellungsbescheides gerichtet sei 135 . Auch in der Literatur gibt es zahlreiche Stimmen, welche bei Zweifeln an der Reichweite einer gesetzlichen Pflichtnorm dem potentiellen Normadressaten zum verfahrensrechtlichen Ausgleich der Bestimmtheitsmängel der abstrakt-generellen Pflichtnorm einen Anspruch auf verbindliche Klärung der ungewissen Rechtslage geben und aus diesem Grund die zuständige Behörde grundsätzlich als befugt ansehen, auf Antrag des möglicherweise von der Norm Betroffenen durch feststellenden Verwaltungsakt über die das Bestehen bestimmter gesetzlicher Pflichten, pflichtnormrelevante Eigenschaften einer Sache oder deren räumliche und sachliche Grenzen zu entscheiden. In der Rechtsprechung und Literatur werden dabei unterschiedliche Auffassungen vertreten, ob und wann ein potentiell von der Pflichtnorm Betroffener einen Anspruch auf Erlaß eines seine Rechte und Pflichten klärenden Feststellungsbescheids haben soll. So wollte das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 6.12.1978 zu Unbedenklichkeitsbescheinigungen nach dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz136 im Hinblick auf ein geplantes, nicht genehmigungsbedürftiges Verhalten eine Klärung der Rechtslage durch einen anfechtbaren feststellenden Verwaltungsakt ermöglichen, wenn eine gesetzwidrige Betätigung unter Sanktionsdrohung stehe und nicht mehr rückgängig zu machende Rechtsfolgen von erheblichem Gewicht auslöse. Da es in diesem Zusammenhang davon sprach, daß das Gesetz seinem reinen Wortlaut nach den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen das Risiko aufbürde, durch gesetzwidrige Betätigungen eine möglicherweise existenzvernichtende Entziehung der Gemeinnützigkeit auszulösen, und den Verwaltungsakt als Instrument des vorbeugenden Rechtsschutzes mit einer unmittelbaren Klageerhebung verglich, setzte das Bundesverwaltungsgericht in diesem Urteil für den Anspruch auf 135 Bay. VGH, U.18.8.1980 - 22 B - 1410/79, GewArch 1981, 18 (21 f.) = NJW 1981,2076 (2077 f.). 136 BVerwG, U. v. 6.12.1978 - 8 C 24.78, BVerwGE 57, 158 (161 f.); aufgegeben durch U. v. 23.5.1986 - 8 C 5/85, NVwZ 1986, 1011 (1012); vgl. oben Teil 4, C.III.4.
C. Verwaltungsakte in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren
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Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung wohl ein dem § 43 VwGO vergleichbares spezifisches Interesse an einem vorbeugenden Rechtsschutz voraus, räumte diesen Anspruch auf Erlaß einer Unbedenklichkeitsbescheinigung aber auch bei einem Sachverhalt ein, bei dem sich die Verwaltung noch nicht zur Rechtslage geäußert hatte. Wohl etwas niedriger hat der Bay. VGH in seinem Urteil vom 18.8.1980 (Semmelknödelrohlinge) 137 die Zumutbarkeitsschwelle angesetzt. Danach soll ein Anspruch auf Erlaß einer Unbedenklichkeitsbescheinigung schon dann bestehen, wenn und soweit die mittels einer gesetzlichen Verbotsnorm geregelte Berufsausübung nur aufgrund ins Gewicht fallender Investitionen möglich werde. Denn dann sei es unverhältnismäßig, dem Gewerbetreibenden das Investitionsrisiko aufzubürden und Zweifel über die Reichweite des gesetzlichen Verbots erst nachträglich in einem Untersagungsverfahren zu klären. Demgegenüber nimmt Engel m an, es genüge nicht, in Parallele zur vorbeugenden Feststellungsklage einen Anspruch auf Erlaß einer Unbedenklichkeitsbescheinigung, eines Negativattestes oder eines vergleichbaren Verwaltungsaktes nur dann zu geben, wenn es für den Unternehmer aus besonderen Gründen unzumutbar wäre, den künftigen Eingriff abzuwarten und dann erst Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Denn immer dann, wenn der Gesetzgeber zum Schutz der öffentlichen Interessen für besonders gefahrliche und kontrollbedürftige Vorhaben ein Genehmigungsvorhaben vorschreibe, gewähre die vorgesehene Genehmigung den Betroffenen Unternehmen Rechtssicherheit und Vertrauensschutz. Wenn die Rechtsordnung für viel gefahrlichere Aktivitäten durch den Erlaß einer Genehmigung eine gewisse Investitionssicherheit gewähre, müsse sie auch für deutlich weniger gefährliche Vorhaben eine vergleichbare Rechtssicherheit durch einen Anspruch auf Erlaß einer Unbedenklichkeitsbescheinigung, eines Negativbescheids oder eines ähnlichen Feststellungsbescheids vorsehen. Aus der eklatanten Ungleichbehandlung und der sehr weit gehenden Gefahrdung des Eigentums und der Berufsfreiheit ergebe sich dann ein Anspruch auf Zugang zum Verwaltungs verfahren. Trzaskalik 139 hat einen Anspruch des Bürgers auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung aus dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung abgeleitet. Während im Privatrecht das Planungsinteresse des Individuums in der Regel seine Schranken finde an der Freiheit eines jeden, sich nicht zu verpflichten und nicht mit fremden Angelegenheiten behelligt zu werden, sei das öffentliche Recht nicht durch eine solche Konkurrenz der Eigeninteressen und
137 BayVGH, U. v. 18.08.1980 - 22 B 1470/79, GewArch 1981, 18 = NJW 1981, 2076 (teilw. abgedruckt), vgl. die Darstellung oben Teil 4, C.III.4. 138 S. 164 ff. 139 S. 108 ff.
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
Freiheiten beherrscht, könne die Verwaltung sich nicht auf den Standpunkt stellen, daß die Vorhaben des Bürgers sie nichts angingen. Ihr obliege die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die öffentlich-rechtlichen Vorschriften beachtet werden. Das Anliegen des Bürgers, rechtmäßig zu handeln, sei daher stets auch Teil des von der Behörde wahrzunehmenden Interesses. Es könne daher nie im öffentlichen Interesse liegen, dem Bürger eine verbindliche Auskunft über die Rechtmäßigkeit des geplanten Vorhabens zu versagen und ihn dann möglicherweise zu dessen Beseitigung zu zwingen. Schenke/Roth m gehen davon aus, mangels gesetzlicher Regelung bestehe kein Anspruch auf Erlaß eines feststellenden Verwaltungsaktes, wenn nach dem Willen des Gesetzgebers gesetzliche Pflichten unmittelbar kraft Gesetzes ohne konkretisierende Verwaltungsentscheidung entstehen sollten. Durch eine solche gesetzliche Regelungstechnik könne für den Betroffenen aber eine erhebliche Rechtsunsicherheit entstehen, ob ein bestimmtes von ihm geplantes Verhalten erlaubt oder verboten sei. Wenn er diese Rechtsunsicherheit auch durch Einholung anwaltlichen Rates nicht beseitigen könne, dürfe die Rechtsordnung ihn nicht vor die Alternative stellen, entweder das möglicherweise rechtswidrige Verhalten zu unterlassen oder mit diesem Verhalten ein persönliches Strafbarkeitsrisiko zu übernehmen bzw. seine Investitionen nur mit dem Risiko einer Entwertung durch ein nachträgliches behördliches Einschreiten vornehmen zu können 141 . Wenn der Gesetzgeber vom Kontrollinstrument eines vorgeschalteten Genehmigungsverfahrens absehe, ergebe sich aus dem Gebot einer verfahrensrechtlich effektiven Absicherung und Umsetzung des Schutzes der materiellen Grundrechte die Notwendigkeit einer verfahrensrechtlichen Kompensation durch eine grundrechtsfreundliche Auslegung der vorhandenen Verfahrensvorschriften. Zur Verwirklichung des verfassungsrechtlichen Ziels eines effektiven Grundrechtsschutzes stehe in einer solchen Situation nach der VwGO grundsätzlich das Instrument der präventiven Feststellungsklage zur Verfügung. Andererseits sei bei der Prüfung der Statthaftigkeit einer vorbeugenden Feststellungsklage zu bedenken, daß sich aus verschiedenen Regelungen der VwGO (§§ 42, 68 f f ) und speziell für die Feststellungsklage aus § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO eine Subsidiarität des vorbeugenden gegenüber dem repressiven Rechtsschutz ergebe. Für eine Begrenzung des Anwendungsbereichs der vorbeugenden Feststellungsklage sprächen dabei nicht nur der Gedanke der Vermeidung überflüssiger Rechtsstreitigkeiten und die sonstigen beim präventiven Rechtsschutz in allen Gerichtszweigen zu berücksichtigenden prozeßökonomischen und prozessualen Erwägungen. Speziell im Verwaltungsprozeß komme als Grund für eine besondere Zurückhaltung gegenüber Feststellungs-
140 141
WiVerw 1997,81 (172). Schenke/Roth, WiVerw 1997, 81 (153 ff.).
C. Verwaltungsakte in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren
511
klagen der verfassungsrechtliche Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) hinzu, aus dem abzuleiten sei, daß die Verwaltungsgerichte sich grundsätzlich auf eine Kontrolle des Verwaltungshandelns beschränken sollten 142 . Deshalb wäre es bedenklich, eine Feststellungsklage auch dann zuzulassen, wenn die zuständige Behörde zuvor noch nicht mit der aus Sicht des Bürgers zweifelhaften Frage befaßt war und keine Gelegenheit hatte, selbst dem berechtigten Rechtsschutzanliegen des Bürgers Genüge zu tun. Wenn die Verwaltung sich nicht ohnehin schon in Form einer behördlichen Drohung oder Beanstandung zur Rechtmäßigkeit der geplanten Handlung oder des sonstigen Vorhabens geäußert habe, treffe den Bürger daher zur Überwindung dieses Spannungsverhältnisses zwischen Rechtssicherheitsbedürfiiis und Gewaltenteilungsgrundsatz nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz die Obliegenheit, vor der Erhebung einer Feststellungsklage zunächst bei der zuständigen Behörde den Antrag zu stellen, durch Verwaltungsakt festzustellen, daß sein (im einzelnen näher beschriebenes) Vorhaben nicht gegen die einschlägigen Vorschriften verstoße. Wenn die Behörde daraufhin die begehrte Unbedenklichkeitsbescheinigung erlasse, sei das Rechtssicherheitsinteresse des Bürgers befriedigt und eine Feststellungsklage unzulässig. Wenn die Verwaltung dem Antrag dagegen nicht stattgebe, sei eine auf die Feststellung der Rechtmäßigkeit des geplanten Verhaltens gerichtete Feststellungsklage nach § 43 VwGO zulässig, nicht etwa eine Verpflichtungsklage auf Erlaß des zuvor beantragten feststellenden Verwaltungsakts 143. Während Engel in seiner Untersuchung nicht auf die Frage eingeht, ob die Verwaltung dann, wenn die materielle Rechtslage nach ihrer eigenen Prüfung inhaltlich nicht dem Feststellungsbegehren des Antragstellers entspricht, nicht nur befugt ist, den begehrten Bescheid abzulehnen, sondern auch eine kontradiktorische Feststellung der Rechtslage zu treffen, wird eine solche Befugnis von Schenke/Roth m im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgelehnt. Einen solchen, das Gegenteil der begehrten Regelung feststellenden Verwaltungsakt schließt auch Trzaskalik inzident aus, wenn er eine Auskunftspflicht der Behörde und einen korrespondierenden Auskunftsanspruch des Bürgers als dem gerichtlichen Feststellungsprozeß vorgelagerte Tatbestände konzipiert 145 und die durch die präventive Entscheidung bewirkte Entlastung der Verwaltung auf dem Eingriffssektor allein mit der Erwartung begründet, der Bürger werde sich nach der erteilten Auskunft verhalten 146 (und
142 143 144 145 146
Schenke/Roth, WiVerw 1997, 81 (154 ff, 169 ff.). Schenke/Roth, WiVerw 1997, 81 (171 ff.). WiVerw 1997, 81 (173). Trzaskalik, S. 108 ff. Trzaskalik, S. 116 f.
512
Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
nicht etwa mit einer Bindungswirkung dieser Erklärung). Demgegenüber bejaht Christiane Fischer 147 aus Gründen der Rechtssicherheit in der Regel zwar auch einen Anspruch auf Bescheidung des Antrags auf Erlaß einer Unbedenklichkeitsbescheinigung, eines Negativattestes oder eines ähnlichen feststellenden Verwaltungsakts, räumt der zuständigen Behörde aber ohne weitere Begründung in einem solchen Verfahren auch die Kompetenz zu einer der Rechtsauffassung des Antragstellers widersprechenden verbindlichen Feststellung ein, daß das geplante Verhalten nicht rechtmäßig sei. Angesichts der durch die Komplexität der Baurechtsmaterie und der Verwendung zahlreicher unbestimmter Rechtsbegriffe entstehenden Rechtsunsicherheit leitet Held 1 4 8 für planungsrechtlich bedeutsame, aber im Geltungsbereich eines Bebauungsplans in der jeweiligen Landesbauordnung kraft Gesetzes vom Erfordernis einer Baugenehmigung freigestellte Bauvorhaben aus den staatlichen Schutzpflichten in Verbindung mit der objektiv-rechtlichen Wertung der Eigentumsgarantie grundsätzlich ein subjektives Recht des Bauherrn auf Baugenehmigung bzw. einen verfahrensrechtlichen Bestandsschutz vermittelnden Verwaltungsakt ab („Grundrechtsschutz durch Verwaltungsverfahren"). Nach Errichtung eines von Anfang an rechtswidrigen Vorhabens könne sich der Bauherr gegenüber (rechtlichen) Angriffen eines Nachbarn oder Eingriffen der Bauaufsichtsbehörde als Störer zwar kaum auf eine staatliche Schutzpflicht berufen. Schutzwürdig sei er jedoch im Hinblick auf die Gefahr, daß die in Form eines Bebauungsplanes zunächst gegebene materielle Rechtsgrundlage erst nach Realisierung seines Vorhabens mit Wirkung ex tunc bei einer Nichtigkeit des Bebauungsplans entfalle. Vor dieser ihm nicht zurechenbaren Gefahrdung seines Eigentums sei dem Bauherrn auf Antrag durch einen verfahrensrechtlich Bestandsschutz vermittelnden feststellenden Verwaltungsakt zu gewähren. Weil die Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens oder eines anderen die materielle Rechtmäßigkeit des Bauvorhabens klärenden Verwaltungsverfahrens nach dem Willen des bayerischen Gesetzgebers für die von der Genehmigungsfreistellung erfaßten Vorhaben gerade ausgeschlossen sein sollte, habe die bayerische Regelung zur Genehmigungsfreistellung die Grenze zur Verfassungswidrigkeit überschritten. Der Vorrang des Gesetzes würde es der Verwaltung also in Bayern verbieten, auf Antrag des Bauherrn statt in einem Baugenehmigungsverfahren in einem gesetzlich nicht vorgesehenen Verwaltungsverfahren in Form der Erteilung oder Versagung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung über die Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit dem Baurecht zu entscheiden149.
147 148 149
S. 144 ff. UPR 1999, 210 ff. Vgl. dazu bereits oben Teil 3, B.
C. Verwaltungsakte in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren 513 c) Das Verfahrensermessen und sein Zweck (§§ 22,40 VwVfG) Bemerkenswerterweise wurde nach Inkrafttreten des VwVfG bislang weder in der Rechtsprechung noch in der soeben dargestellten Literatur der Versuch unternommen, den Anspruch auf Erlaß eines Feststellungsbescheids aus den Vorschriften des VwVfG abzuleiten. Vielmehr wurde argumentativ unmittelbar auf die Grundrechte und Vergleiche mit gesetzlich geregelten Genehmigungsverfahren oder der Regelung des § 43 VwGO zurückgegriffen. Eine solche Vorgehensweise mißachtet den Vorrang des Gesetzes. Denn die Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder finden grundsätzlich auf alle Verwaltungsverfahren Anwendung, soweit nicht die jeweiligen Rechtsvorschriften des Bundes oder der Länder inhaltsgleiche oder entgegenstehende Vorschriften enthalten. Folglich müssen die Vorschriften des VwVfG und nicht der § 43 VwGO der rechtliche Ausgangspunkt für eine Analyse der Rechtsfolgen eines Antrags auf Erlaß eines feststellenden Verwaltungsakts sein. § 22 Satz 1 VwVfG enthält die maßgebliche Grundregel, nach der die zuständige Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet, ob und wann sie ein Verwaltungsverfahren einleitet. Dies gilt nach Satz 2 Nr. 2 nicht, wenn die Behörde auf Grund von Rechtsvorschriften nur auf Antrag tätig werden darf und ein Antrag nicht vorliegt. Bei der hier zu untersuchenden Fallgruppe der durch Gesetz oder Rechtsverordnung nicht geregelten Verwaltungsakte ergibt sich aus den Grundrechten mit ihren Gesetzesvorbehalten zwar, daß die zuständige Behörde einen Verwaltungsakt, der für den Adressaten auch belastende Rechtsfolgen haben kann, allenfalls auf Antrag erlassen darf. Wenn jedoch ein wirksamer und die Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung beseitigender Antrag auf Erlaß eines Feststellungsbescheides vorliegt, muß wieder die Grundregel des § 22 Satz 1 VwVfG gelten, nach der die zuständige Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen über die Einleitung des Verwaltungsverfahrens entscheidet Ein verfahrensrechtlicher Anspruch auf Durchführung eines behördlichen Feststellungsverfahrens müßte sich also entweder mit einer Ermessensreduzierung auf Null begründen lassen oder unmittelbar aus dem möglicherweise von der Pflichtnorm betroffenen Grundrecht, welches dann als eine einen Feststellungsanspruch begründende „Rechtsvorschrift" im Sinne des § 22 Satz 2 VwVfG zu interpretieren wäre. Die gesetzgeberische Grundentscheidung, der Verwaltung ein Verfahrensermessen einzuräumen, hat zur Folge, daß innerhalb der Grenzen pflichtgemäßen Ermessens sowohl die Entscheidung der zuständigen Behörde, ein auf den Erlaß eines feststellenden Verwaltungsakts gerichtetes Verwaltungsverfahren einzuleiten, als auch die Entscheidung, dieses nicht durchzuführen, rechtmäßig sein kann. Die Ausübung des Verfahrensermessens muß immer im Interesse der Allgemeinheit, in der Regel aber auch im individuellen Interesse der vom 33 Kracht
5 1 4 T e i l 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
Verwaltungsverfahren Betroffenen erfolgen 150 . Soweit eigene individuelle Interessen durch die Verfahrenseröffhung oder -Unterlassung geschützt werden, wie hier das Interesse des Antragstellers an einem Schutz des eigenen Verhaltens und vermögensrelevanter Dispositionen vor nachträglichen Sanktionen, hat der Betroffene einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung. Eine Ermessensschrumpfung auf Null kann bestehen, soweit der Betroffene zur Verwirklichung seines materiellen Rechts auf die Durchführung des Verwaltungsverfahrens angewiesen ist 151 . Die zuständige Behörde hat ihr nach § 22 VwVfG bestehendes Ermessen, ob und wann sie ein auf den Erlaß eines feststellenden Verwaltungsaktes gerichtetes Verwaltungsverfahren einleiten soll, gemäß § 40 VwVfG entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Nun enthält der § 22 VwVfG - ebensowenig wie die meisten materiellen Ermessensvorschriften - keine ausdrückliche Bestimmung des Zwecks der gesetzlichen Ermächtigung. Daher muß für die Bestimmung des Zwecks und der Grenzen der Ermächtigung zunächst auf die Funktion des Verwaltungsverfahrens und des Verwaltungsaktes, insbesondere als Mittel zur verbindlichen Konkretisierung des materiellen Rechts, zurückgegriffen werden 152 . Auf Grund dieser dienenden Funktion des Verwaltungsverfahrens wirkt das materielle Recht auch dort, wo das jeweilige Fachrecht keine speziellen, die materiellen Rechtsnormen ergänzenden Verfahrensvorschriften enthält, auf die Ermessensausübung nach § 22 Satz 1 VwVfG ein 153 . Auszugehen ist also zunächst von der gesetzlichen Aufgabe der zuständigen Behörde und den für die Wahrnehmung dieser Aufgabe geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätzen. Dies sind nicht nur die Grundrechte, sondern auch die das Verhalten des Bürgers betreffenden, materiellrechtlichen Vorschriften des Rechtsgebietes, welche mit der behördlichen Entscheidung konkretisiert werden sollen. Hinzu kommen vor allem die verwaltungsverfahrensrechtlichen und die sonstigen das Verwaltungshandeln steuernden Vorschriften. Für behördliche Maßnahmen im Bereich und Vorfeld der Gefahrenabwehr gilt grundsätzlich das Opportunitätsprinzip, nach dem die Polizei- und Ordnungsbehörden ihre Maßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen haben. Es ist allgemein anerkannt, daß sich dieses pflichtgemäße Ermessen 150 Stelkens/Schmitz 6 m.w.N. 151 Stelkens/Schmitz 6 m.w.N. 152 Stelkens/Schmitz 153 Stelkens/Schmitz
in Stelkens/Bonk/Sachs, § 22 Rn. 6; Kopp, VwVfG, § 22 Rn. 1, in Stelkens/Bonk/Sachs, § 22 Rn. 6; Kopp, VwVfG, § 22 Rn. 1, in Stelkens/Bonk/Sachs, § 22 Rn. 7, 10 f. in Stelkens/Bonk/Sachs, § 22 Rn. 10 f.
C. Verwaltungsakte in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren
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nicht nur auf die Art der Maßnahme, sondern auch darauf bezieht, ob überhaupt Maßnahmen ergriffen werden sollen, und daß dieses pflichtgemäße Ermessen durch die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in unterschiedlichem Maße eingeschränkt sein kann 154 . Die Regeln über den polizei- und ordnungsbehördlichen Opportunitätsgrundsatz und seine Grenzen können jedoch nicht erst bei der materiellen Entscheidung am Ende eines Verwaltungsverfahrens Anwendung finden 155 . Denn die Entscheidung, ein Verwaltungsverfahren einzuleiten, ist ein notwendiger Zwischenschritt zur materiellen Entscheidung selbst. Obwohl bei der Darstellung der Fälle der „Ermessensschrumpfung auf Null" im Rahmen des Polizei- und Ordnungsrechtes bislang meist nur das materielle Entschließungsermessen über das „Ob" eines Einschreitens am Ende eines Verwaltungsverfahrens erörtert worden ist, muß in diesen Fällen auch das zeitlich und logisch vorgelagerte Ermessen hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Entscheidung reduziert sein, ob ein Verwaltungsverfahrens eingeleitet wird, das dem Ziel einer Konkretisierung des materiellen Rechts dient 156 . Die Rechtsgrundsätze, die für die Ausübung und Reduzierung des Ermessens entwickelt wurden, das materiellrechtlich bei der Entscheidung über das „Ob" und „Wie" einer Maßnahme der Gefahrenabwehr aufgrund des Opportunitätsprinzips besteht, gelten daher auch für das verfahrensrechtlichen Ermessen über die Einleitung eines nicht normierten Feststellungsverfahrens durch eine Genehmigungs- oder Überwachungsbehörde. Zugleich muß gemäß §§ 22, 40 VwVfG auch der Zweck der Vorschrift beachtet werden, die durch den feststellenden Verwaltungsakt konkretisiert werden soll. Hierbei ist nicht nur auf das materielle Ziel der konkretisierten Norm abzustellen. Bei der Ausübung des Verfahrensermessens kann und muß die Verwaltung auch die Gründe berücksichtigen, die den Gesetzgeber dazu bewogen haben, die jeweiligen Pflichten unmittelbar kraft Gesetzes zu begründen und auf die konstitutive Zwischenschaltung einer pflichtenbegründenden Verfügung oder eines anderen rechtsgestaltenden Verwaltungsaktes zu verzichten.
d) Die begünstigende Feststellung als Orientierungsmaßstab für ein rechtmäßiges Verhalten Die Polizei- und Ordnungsbehörden haben nach den einschlägigen Aufgabenzuweisungsnormen die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit 154 Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 370 ff.; Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 58 ff., in Schmidt-Aßmann, Bes. VerwR; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 66 ff., in Steiner, Bes. VerwR. 155 Stelkens/Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, § 22 Rn. 7, 10 f. 156 Stelkens/Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, § 22 Rn. 11.
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
oder Ordnung abzuwehren. A u f den ersten Blick könnte man meinen, der Erlaß einer Unbedenklichkeitsbescheinigung gehöre überhaupt nicht zu den gesetzlichen Aufgaben einer Polizei- oder Ordnungsbehörde, weil durch deren Regelung gerade festgestellt wird, daß ein bestimmtes Verhalten nicht gegen bestimmte Rechtsnormen verstößt, also keine Gefahr begründet. Gleichwohl trägt die Behörde durch den Erlaß von Unbedenklichkeitsbescheinigungen und ähnlichen Verwaltungsakten, die feststellen, daß der Bürger zu einem bestimmten Verhalten nicht verpflichtet ist, indirekt zur Befolgung der Pflichtnormen bei. Denn sie schafft dem Bürger mit ihrer Entscheidung einen Orientierungsmaßstab für ein rechtmäßiges Verhalten. A u f diese Weise sichert sie nicht nur ein rechtmäßiges Verhalten vor der Gefahr nachträglicher Eingriffe ab. Vielmehr kann das behördliche Angebot, die Rechtslage präventiv zu prüfen, Normadressaten, die selbst Zweifel haben, ob ihr Vorhaben der geltenden Rechtslage entspricht, von einem Handeln nach eigenem Gutdünken abhalten. Wenn die zuständige Behörde - abweichend von der Rechtsprechung des 8. Senats des Bundesverwaltungsgerichts - durch den Feststellungsantrag auch zum Erlaß eines die Verhaltenspflichten feststellenden Verwaltungsaktes ermächtigt wird, ist es offensichtlich, daß ein solcher Bescheid aufgrund der erreichten verbindlichen Konkretisierung der Rechtslage ein präventives Mittel der Gefahrenabwehr ist. Aber auch dann, wenn die Behörde nicht zu einer der Rechtsauffassung des Antragstellers widersprechenden verbindlichen Regelung befugt sein sollte, dürften die Antragsteller sich dennoch in zahlreichen Fällen an der von der Behörde geäußerten Einschätzung der Rechtslage orientieren 157 , wenn diese überzeugend begründet worden ist.
e) Privates und öffentliches Interesse an der Begrenzung der Eingriffswirkung der Pflichtnormen Wir hatten bereits festgestellt, daß der Bürger ein legitimes Interesse daran hat, sich auf Grundlage einer behördlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung, eines Negativattestes oder eines Bescheides, durch den festgestellt wird, daß seine Sache eine bestimmte pflichtenrelevante Eigenschaft nicht aufweist, rechtmäßig verhalten zu können und Fehlinvestitionen, Sanktionen oder andere Nachteile zu vermeiden, die entstehen würden, wenn die zuständige Behörde erst nach Ausführung des geplanten Vorhabens repressiv gegen dieses einschreiten würde. Die Erteilung eines solchen Feststellungsbescheides liegt aber nicht nur im privaten Interesse des Antragstellers. Zunächst besteht nämlich ein öffentliches Interesse daran, dem Bürger eine klare Entscheidungsgrundlage
157
Trzaskalik,
S. 116 f. in Fn. 106.
C. Verwaltungsakte in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren
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fiir ein der objektiven Rechtsordnung entsprechendes Verhalten zu geben158. Zugleich stellen diese feststellenden Verwaltungsakte eine dem Schutzzweck der Norm entsprechende Begrenzung der faktischen Grundrechtsbeeinträchtigung all derjenigen Personen dar, die auf den ersten Blick der Pflichtnorm unterworfen sein könnten; insoweit dient die begehrte begünstigende Feststellung auch dem öffentlichen Interesse einer größtmöglichen Freiheitsgewährung bzw. der Vermeidung vermögenswirksamer Fehldispositionen.
f) Freiheit und Verantwortung des Bürgers - Mitverantwortung des Staates Gleichwohl besteht bei Stellung eines Antrags auf Erlaß einer Unbedenklichkeitsbescheinigung, eines Negativattestes oder eines ähnlichen freiheitssichernden Feststellungsbescheides keine völlige Interessenidentität zwischen dem möglicherweise von der Pflichtnorm betroffenen Bürger und der Behörde, die für die Anwendung und Durchsetzung der Pflichtnorm zuständig ist. Zunächst ist zu fragen, ob die Verwaltung die Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens mit der Begründung ablehnen kann, der Bürger sei für einen effektiven Rechtsschutz überhaupt nicht auf den Erlaß eines Feststellungsbescheids angewiesen, so daß sie im Rahmen des Opportunitätsprinzips ihre begrenzten sachlichen und personellen Kapazitäten für die Erfüllung anderer Aufgaben einsetzen könne. Sodann ist die Frage zu klären, ob die Verwaltung ihre Bereitschaft, ein Verwaltungsverfahrens zu eröffiien und ggf. mit einer den Bürger begünstigenden Regelung abzuschließen, im Rahmen des Opportunitätsprinzips gemäß §§ 22, 40 VwVfG ermessensfehlerfrei davon abhängig machen darf, daß der Antragsteller ihr die Befugnis einräumt, am Ende des Verwaltungsverfahrens eine verbindliche Regelung der gesetzlichen Rechte und Pflichten auch dann zu treffen, wenn das Ergebnis ihrer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht mit der vom Antragsteller geäußerten Rechtsauffassung übereinstimmt. Bei der Beantwortung dieser Fragen geht es darum, wie die Rechtsanwendungspflichten und -risiken bei pflichtenbegründenden Normen sachgerecht zwischen Bürger und Verwaltung zu verteilen sind. Mit seinem Antrag auf Erlaß einer Unbedenklichkeitsbescheinigung oder eines ähnlichen, die Rechtmäßigkeit des eigenen Verhaltens klärenden Verwaltungsaktes will der Bürger erreichen, daß die Verwaltung seine Freiheitsrechte und seine hinter diesen Grundrechten stehenden materiellen oder ideellen Interessen vor Gefährdungen schützt, die sich aus seiner Sicht aus dem abstrakt-generellen Gesetz und denkbaren Maßnahmen zu dessen Durchsetzung ergeben. Wer jedoch schon die Schaffung einer Verbotsnorm als ausrei-
158
Trzaskalik,
S. 113 ff.
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
chenden Grund für einen Anspruch auf Durchführung eines Verwaltungsverfahrens betrachtet, vernachlässigt den Umstand, daß im Einzelfall unmittelbar erst der Gebrauch der grundrechtlichen Freiheiten aus der abstrakten Möglichkeit, daß die Anwendung der abstrakt-generellen Norm wegen ihrer Offenheit unter Umständen nicht zu eindeutigen Ergebnissen führt, die konkrete Gefahr einer nachträglichen behördlichen Sanktion begründet. Wenn aber die Grundrechte dem Bürger einen Freiraum zur eigenverantwortlichen Gestaltung seines Lebens und seiner wirtschaftlichen Aktivitäten in den im jeweiligen Grundrecht genannten Grenzen gewähren, so muß er selbst auch Verantwortung für seinen Freiheitsgebrauch tragen; Freiheit und Verantwortlichkeit fiir das eigene Tun lassen sich nicht von einander trennen 159. Unsere Rechtsordnung steht daher immer wieder vor der Aufgabe, die Punkte zu finden, wo sinnvollerweise die Risiken und die Verantwortung für die Folgen des eigenen Verhaltens allein dem Bürger zuzurechnen sind und wo die Überbürdung der Risiken auf den Staat, und das heißt auf die Allgemeinheit aller Bürger, in Widerspruch zur Legitimation des Bürgerhandelns aus seiner Freiheit und seinem Eigentum gerät. Denn diese Legitimation und damit die Reichweite jeder einzelnen Freiheitsgewährung wird fragwürdig, wenn dem Freiheits- und Eigentumsgebrauch keine zureichende Verantwortung mehr entspricht 160 . Gleichwohl ist unverkennbar, daß den Staat eine Verantwortung für das Handeln seiner Organe treffen kann, wenn er regelnd, überwachend oder genehmigend das Bürgerverhalten begleitet 161 oder aber trotz bestehender Rechtssetzungs- oder Entscheidungsbefugnisse im Einzelfall untätig bleibt. Damit stellt sich die Frage, wie die Verantwortungsbereiche des Bürgers und des Staates von einander abgegrenzt werden können und in welchen Fällen eine Mitverantwortung des Staates fiir ein Handeln seiner Bürger besteht, hier also insbesondere für die Rechtmäßigkeit eines Verhaltens, mit dem diese eigene Interessen verfolgen. Geht man von den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten aus, die nicht nur die Verwaltung zu Eingriffen auf Grund eines Gesetzes ermächtigen, sondern auch den Gesetzgeber zu unmittelbaren Eingriffen durch ein Gesetz und zur Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, so wird deutlich, daß nicht schon die bloße Wahl der Regelungstechnik einer gesetzlichen Pflichtnorm eine so große Mitverantwortung des Staates begründet, die die Verwaltung bei jedem Zweifel an der Reichweite einer gesetzlichen Pflicht zum Erlaß eines konkretisierenden Bescheides verpflichten würde. Denn ein gewisser Zweifel darüber, welche Rechtsfolgen sich im Einzelfall aus einer Norm ergeben, ist jeder abstrakt-generellen Normsetzung immanent.
159 160 161
Vgl. Pietzcker, JZ 1985, 209 ff. (m.w.N.). Pietzcker, JZ 1985, 209 (210). Pietzcker, JZ 1985, 209 ff.
C. Verwaltungsakte in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren
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Bereits in Teil 2 der vorliegenden Untersuchung ist dargestellt worden 162 , daß es „verwaltungsferne", aber regelungsbedürftige Lebenssachverhalte gibt, bei denen der Gesetzgeber zur Verwirklichung seiner Ziele auf die Regelungstechnik einer gesetzlichen Pflichtnorm zurückgreifen muß, wenn nicht an jeder Straßenecke ein Polizist stehen soll. Selbst Normen, die alltägliche Lebenssachverhalte bußgeldbewehrt regeln, kommen nicht ohne - mehr oder minder „unbestimmte" Rechtsbegriffe aus. So handelt etwa gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO im Sinne des § 24 des Straßenverkehrsgesetzes ordnungswidrig, wer gegen die Vorschrift des § 3 StVO verstößt, nach der ein Fahrzeugführer seine Geschwindigkeit insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie seinen persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen hat. An zahlreichen Straßen wird diese von 8 variablen Faktoren abhängige, bußgeldbewehrte Pflichtnorm durch Verkehrsschilder mit Beschränkungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit weiter konkretisiert, auf einigen Autobahnen gibt es sogar Strecken, an denen die gleichbleibenden Schilder durch Lichtzeichen ersetzt wurden, mit denen die zuständige Polizeidienststelle die Höchstgeschwindigkeit den aktuellen Straßen«, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen anpassen kann. Gleichwohl ist zu Recht noch niemand auf den Gedanken gekommen, um dem Bürger nicht mehr dem Risiko einer Fehleinschätzung der nach § 3 StVO zulässigen Höchstgeschwindigkeit auszusetzen, müsse unser gesamtes Straßennetz zur Ermittlung des Verkehrsaufkommens und Straßenzustands mit Induktionsschleifen und anderen automatischen Meßeinrichtungen versehen und deren Meßergebnisse zeitnah in örtlichen Rechenzentren in Höchstgeschwindigkeiten umgerechnet werden, die dann an jeder Straßenecke in variablen, mit Lichtern erzeugten Verkehrszeichen anzuzeigen seien. Denn es ist offenkundig, daß der Staat schon aus Kostengründen kein gigantisches Verkehrslenkungssystem im Straßenverkehr aufbauen kann, um Autofahrern bei der Verwirklichung ihres Wunsches nach größtmöglicher Geschwindigkeit Rechtssicherheit zu gewährleisten. Wenn aber jedermann im Straßenverkehr mit gewissen Rechtsunsicherheiten leben muß, ist auch die entsprechende Forderung, die öffentliche Verwaltung müsse generell auf Antrag zur Gesetzesanwendung qualifizierte Fachbeamte und Juristen einsetzen, um durch den Erlaß von Unbedenklichkeitsbescheinigungen und ähnlichen begünstigenden Verwaltungsakten die Auslegungsbedürftigkeit verwaltungsrechtlicher Pflichtnormen zugunsten der betroffenen Unternehmen zu beseitigen, in Frage zu stellen. Da jedoch die materielle Pflichtnorm nur einen bestimmten Adressatenkreis unter bestimmten Bedingungen zu einem gewünschten Verhalten verpflichten soll, trifft den Staat gleichwohl grundsätzlich eine Mitverantwortung fiir eine
162
Vgl. Teil 2, G.I.
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Geföhrdung oder Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Interessen, die dadurch eintritt, daß eine Rechtsnorm entgegen ihres Normzweckes so „unklar" formuliert ist, daß der Bürger allein anhand dieser Norm nicht mehr mit hinreichender Sicherheit über die Rechtmäßigkeit oder andere Rechtsfolgen seines eigenen geplanten Verhaltens entscheiden kann. Unklare normative Anforderungen an den Bürger können dessen Verantwortung mindern und eine korrespondierende Mitverantwortung der staatlichen Rechtsanwendungsorgane begründen 163. Die unklare Rechtslage führt dann dazu, daß der Staat entweder eine zumutbare Möglichkeit zur Klärung der Rechtslage schaffen oder den Umstand, daß der Bürger nur auf eigenes Risiko handeln konnte, bei den Rechtsfolgen eines unrechtmäßigen Verhaltens berücksichtigen muß, wie dies das OVG Berlin bei seiner teleologischen Reduktion des Inhalts und der Reichweite der gesetzlichen Pflichtnormen des kraft Gesetzes geltenden Denkmalschutzes getan hat. Dort, wo der Gesetzgeber mit der Regelungstechnik der allgemein verbindlichen Pflichtnorm auf eine zwingende Beteiligung der Verwaltung verzichtet hat, kann sich im Hinblick auf die durch die vom Gesetzgeber mit dem Erlaß einer relativ unbestimmten Pflichtnorm geschaffenen Mitverantwortung des Staates aus den betroffenen Grundrechten grundsätzlich eine (Mit-)Verantwortung der Verwaltung für die Konkretisierung der gesetzlichen Anforderung ergeben 164. Ein grundrechtlicher Anspruch auf Einleitung eines auf eine präventive Feststellung der Rechtslage gerichteten Verwaltungsverfahrens im Wege der Ermessensreduzierung auf Null kann aber erst dann entstehen, wenn der Bürger einerseits keine anderweitige zumutbare Möglichkeit zur Klärung der Rechtslage hat und es ihm andererseits wegen des Ausmaßes der Rechtsunsicherheit oder der Schwere der Nachteile, die sich aus einer eigenen Fehleinschätzung der Rechtslage ergeben würden, unter Berücksichtigung aller Interessen, die der Übertragung der Entscheidungsverantwortung auf eine Verwaltungsbehörde entgegenstehen können, nicht zumutbar ist, auf eigenes Risiko zu handeln.
g) Berücksichtigung anderer Rechtsschutzmöglichkeiten aa) Beratung durch Rechtsanwälte, Sachverständige, Kammern oder Berufsverbände Ausgehend von der Überlegung, daß jeder Grundrechtsträger nach unserer Rechtsordnung grundsätzlich selbst für den rechtmäßigen Gebrauch seiner 163
Vgl. Pietzcker, JZ 1985, 209 (215 f.) für das Beispiel der Mitverantwortung des Staates in den Parteispendenfallen der siebziger und frühen achtziger Jahre. 164 Pietzcker, JZ 1985, 209 (215).
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Freiheit und die Einhaltung der allgemeinen Gesetze verantwortlich ist, muß er zunächst einmal selbst die Rechtslage prüfen und kann zu diesem Zweck auch Rechtsberatung durch nichtstaatliche Stellen in Anspruch nehmen. Insoweit ist von der Grundentscheidung des § 3 BRAO auszugehen, nach der der Rechtsanwalt der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten ist. Durch das ergänzende Beratungshilfegesetz hat der Gesetzgeber dafür gesorgt, daß auch Bürger mit geringem Einkommen und Vermögen in Verwaltungsrechtssachen anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen können. Zahlreiche Zweifelsfragen, die sich für einen nicht rechtskundigen Bürger aus einer speziellen verwaltungsrechtlichen Terminologie einer Geoder Verbotsnorm ergeben, lassen sich bereits von einem Rechtsanwalt unter Berücksichtigung der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung so eindeutig klären, daß der Bürger in diesen Fällen nicht mehr unbedingt auf eine Konkretisierung durch Verwaltungsakt oder gerichtliches Urteil angewiesen ist. Auskünfte und Beratung zu den für ihre Tätigkeit relevanten Rechtsfragen erhalten Gewerbetreibende auch durch die Industrie- und Handelskammern oder Handwerkskammern und -innungen oder durch berufsständische oder auf ähnlicher Grundlage gebildete Interessenvereinigungen im Rahmen ihrer jeweils durch Gesetz oder Satzung vorgegebenen Aufgabenbereiche. Insbesondere kann eine rechtskundige Beratung bei einer straf- oder bußgeldbewehrten Pflichtnorm dazu führen, daß ein Betroffener, der im Einklang mit einer vertrauenswürdigen Auskunft handelt, nachträglich bei einer abweichenden Anwendung der Pflichtnorm im Ordnungswidrigkeits- oder Strafverfahren wegen eines unvermeidbaren Verbotsirrtums nicht mit einer Sanktion belegt werden kann (§ 17 Satz 1 StGB, § 11 OWiG). Soweit die Rechtsunsicherheiten für den Betroffenen nicht durch allgemeine Auslegungsfragen der Pflichtnorm entstehen, sondern im Tatsächlichen bei der Frage, ob sein Vorhaben bestimmte in Rechtsnormen festgelegte Anforderungen (z.B. technische Anforderungen, Emissions- oder Immissionswerte) oder pflichtenbegründende Tatbestandsmerkmale (wie z.B. die Definitionsmerkmale eines Baudenkmales) erfüllt, kann er zur Klärung dieser Subsumtionsfragen auch die Hilfe von Sachverständigen in Anspruch nehmen. Gleichwohl werden zahlreiche Einzelfälle verbleiben, in denen der Bürger wegen der Offenheit der gesetzlichen Begriffe oder wegen der schwerwiegenden Konsequenzen, die eine Fehleinschätzung der Rechtslage für ihn hätte, auch nach Ausschöpfung der eigenen Erkenntnisquellen und ggf. Inanspruchnahme einer unabhängigen Beratung weiterhin ein legitimes Interesse am Erlaß eines präventiven Feststellungsbescheides oder -urteils hat. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn zu einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage noch keine gesicherte Rechtsprechung vorliegt oder die Subsumtion unter die Norm von einer wertenden Betrachtung der Umstände des Einzelfalls abhängt.
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
bb) Behördliche Auskunft Desweiteren ist zu fragen, ob zur Klärung der Sach- und Rechtslage nicht eine formlose und unverbindliche behördliche Auskunft ausreicht 165. Hierzu ist zunächst festzustellen, daß das VwVfG in § 25 zwar gewisse Ansprüche auf verfahrensrechtliche Beratung und Auskunft gewährt, im Unterschied zur Regelung der §§ 14 und 15 SGB I keinen allgemeinen Anspruch auf Beratung und Auskünfte auch über die materiellen Rechte und Pflichten enthält. Daher kann die bloße Möglichkeit, die zuständige Behörde um eine unverbindliche Auskunft über die im Einzelfall gegebene Rechtslage zu bitten, nicht zur Unzulässigkeit eines Feststellungsantrags führen. Vielmehr ist zu fragen, ob die zuständige Behörde ihr durch § 22 VwVfG eingeräumtes Verfahrensermessen in der Weise ausüben darf, daß sie die Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens ablehnt, zugleich aber unverbindlich ihre Einschätzung der Sach- und Rechtslage mitteilt oder sich bereit erklärt, nach Vorlage der zur Beurteilung erforderlichen Unterlagen eine unverbindliche Auskunft zu erteilen. Ob durch eine solche Auskunft das Interesse des Betroffenen an einer Klärung der Rechtslage verwirklicht wird, ist differenziert zu beurteilen. Soweit der Betroffene sein Feststellungsbegehren damit begründet, daß ihm bei einer Zuwiderhandlung gegen die Pflichtnorm Sanktionen des Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrechts drohen, muß eine auf richtigen Angaben des Betroffenen beruhende, ausreichend begründete Rechtsauskunft der für den Vollzug dieser straf- oder bußgeldbewehrten Verwaltungsrechtsnorm zuständigen Behörde i.d.R. zu einer Entlastung des Betroffenen führen. Wenn nämlich der zuständige Richter in einer Bußgeld- oder Strafsache später die objektive Rechtslage abweichend beurteilen würde, wäre einem Beschuldigten, der bei seinem Verhalten auf die Auskunft der zuständigen Fachbehörde vertraute, grundsätzlich ein unvermeidbarer Verbotsirrtum zuzubillgen 166 . Ein feststellender Verwaltungsakt oder ein verwaltungsgerichtliches Feststellungsurteil könnten dem betroffenen Bürger im allgemeinen keinen größeren Schutz vor einer Verhängung eines Bußgeldes oder einer Strafe bieten. Zwar 165 So BayVGH, U. v. 2.9.1986 - 26 B 83 A.2240, NVwZ 1988, 944: Ein Bauherr habe keinen Anspruch, daß ihm die Bauaufsichtsbehörde mittels Verwaltungsakt („Negativ-Bescheid") bestätige, ein bestimmtes Vorhaben unterliege nicht der Genehmigungspflicht. In Fällen, in denen die Genehmigungsfreiheit nicht völlig zweifelsfrei sei, stehe es dem Betroffenen frei, vor der Ausführung des Vorhabens bei der Bauaufsichtsbehörde eine schriftliche Auskunft einzuholen. Ergebe diese Auskunft, daß die Frage, ob Genehmigungspflicht oder -freiheit bestehe, zwischen Bauherr und Behörde strittig sei, so stehe dem Bauherrn insoweit die Feststellungsklage nach § 43 VwGO und somit ausreichender effektiver Rechtsschutz zu. 166 VerfG Brandenburg, B. v. 12.10.2000 - VfGBbg 20/00, NuR 2001, 146 (148 ff.) m.w.N.
C. Verwaltungsakte in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren
523
wird in der verwaltungsrechtlichen Literatur immer wieder die Auffassung vertreten, aufgrund der Wirkung der materiellen Rechtskraft des Urteils (§121 VwGO) bzw. Verbindlichkeit (Bestandskraft) des Verwaltungsaktes (§43 VwVfG) seien die ordentliche Gerichte, die Staatsanwaltschaft und die für ein Bußgeldverfahren zuständige Verwaltungsbehörde in Straf- und Ordnungswidrigkeitensachen bei der Beurteilung präjudizieller verwaltungsrechtlicher Vorfragen an die rechtskräftigen Urteile bzw. bestandskräftigen Verwaltungsakte der sachnäheren Verwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsbehörden gebunden167, so daß der Anspruch auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung Vorrang vor einer unverbindlichen Auskunft habe. Eine solche formelle Bindung wird jedoch von der ordentlichen Gerichtsbarkeit zumindest bei nicht verwaltungsaktsakzessorischen Tatbeständen in ständiger Rechtsprechung unter Hinweis auf den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) im Ergebnis zu Recht verneint 168 . Jegliche Anwendung des Grundsatzes „ne bis in idem" setzt nämlich voraus, daß die zuvor getroffene Entscheidung dieselbe Rechtsfrage beantwortet hat, die im nachfolgenden Verfahren zu beurteilen ist. Der Inhalt einer Regelung stellt so die objektive Grenze der materiellen Rechtskraft des Urteils und der Verbindlichkeit eines Verwaltungsakts dar 169 . Diese ist nur auf den ersten Blick gewahrt, wenn die Verhängung eines Bußgeldes oder einer Strafe u.a. von der bereits durch verwaltungsgerichtliches Urteil oder Verwaltungsakt entschiedenen Frage abhängt, ob ein bestimmtes Verhalten den Tatbestand einer sanktionsbewehrten Pflichtnorm erfüllt. Trotz der äußeren Übereinstimmung einer in beiden Verfahren aufgeworfenen Rechtsfrage ist eine Identität des Verfahrensgegenstandes nämlich zu verneinen, wenn bei ihrer Beurteilung in beiden Verfahren unterschiedliche Verfahrensgrundsätze anzuwenden sind 110. Da Inhalt und Umfang der zu treffenden Entscheidung von jeweils abweichenden Verfahrensgrundsätzen und -zielen beeinflußt werden, handelt es sich gar nicht mehr um „dieselbe Sache", für die im Interesse der Rechtssicherheit und Verfahrensökonomie der Grundsatz „ne bis in idem" eingreifen könnte 171 . Daher kann die Prüfung einer verwaltungsrechtlichen Vorfrage durch den Strafrichter nicht allein deshalb unterbleiben, weil über „diese", vermeintlich identische Rechtsfrage bereits einmal verbindlich in einem verwaltungsgerichtlichen Urteil oder Verwaltungsakt entschieden wurde. Inselwelt gilt zwar hinsichtlich der Beweiserhebung und Wahrheitsfindung im Verwaltungsverfahren, Verwaltungsprozeß und im Straf- bzw. Bußgeldverfahren
167
Lässig, NVwZ 1988, 410 (412); Kopp, DVB1. 1983, 392 (393 ff.); J. Ipsen, Die Verwaltung 17 (1984), 169 (191 ff). 168 RGSt 43, 373 (377); BGHSt 5, 106 (110). 169 Erichsen/Knoke, NVwZ 1983, 185 (190 f.). 170 Haaf S. 102-135, 174-200; Schenke/Roth, WiVerw 1997, 81 (111 ff.). 171 Haaf S. 114-134.
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gleichermaßen der Untersuchungsgrundsatz (§ 24 VwVfG, § 86 VwGO, § 155 Abs. 2, § 244 StPO, §§ 46, 77 Abs. 1 OWiG), jedoch treffen die Beteiligten im Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahren stärkere Mitwirkungslasten als einen Angeklagten im Strafverfahren 172. Noch gravierender ist der Unterschied bei der objektiven (formellen) Beweislast, d.h. der Frage, zu wessen Lasten die Unerweislichkeit von Tatsachen geht. Im Verwaltungsverfahren und im Verwaltungsgerichtsprozeß gelten im Falle eines non-liquet die allgemein anerkannten Grundsätze der Beweislastverteilung; die Unerweislichkeit einer Tatsache geht folglich grundsätzlich zu Lasten desjenigen Beteiligten, der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge ableitet. Im Strafprozeß ist hingegen bei Zweifeln im Tatsächlichen immer zugunsten des Angeklagten zu entscheiden. Daher müßte selbst bei gleicher Entscheidungsgrundlage über eine nach dem materiellen Recht gleichlautende verwaltungsrechtliche Vorfrage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren möglicherweise anders entschieden werden als im nachfolgenden Straf- oder Bußgeldverfahren, in dem der Grundsatz „in dubio pro reo " anzuwenden ist. Schon aus diesem Grund fehlt es an einer Vorgreiflichkeit der Entscheidung173. Eine gravierende Diskrepanz ergibt sich desweiteren bei der Herrschaft über den Streitgegenstand und das Verfahren. Während im Strafprozeß die Offizialmaxime herrscht, gilt im Verwaltungsgerichtsverfahren eine eingeschränkte Dispositionsmaxime (§§ 88, 91, 92, 106, 173 VwGO i.V.m. §§ 306 f. ZPO). Dies kann für den Strafrichter zu einem Spannungsverhältnis zwischen feststellendem Verwaltungsakt oder verwaltungsgerichtlichem Feststellungsurteil einerseits und materiellem Recht führen, wenn es durch die Anwendung des Dispositionsgrundsatzes im Verwaltungs(gerichts)verfahren aus Sicht des Strafrichters zu einem Vorrang der „formellen" Wahrheit gekommen ist 1 7 4 , beispielsweise weil der Adressat eines Verwaltungsaktes die Widerspruchs- oder Klagefrist versäumte oder wegen des Kostenrisikos im Verwaltungsprozeß ein Anerkenntnisurteil gegen sich ergehen ließ oder keine Berufung eingelegt hat. Wegen dieser unterschiedlichen gesetzlichen Ausgestaltung von Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozeß einerseits und dem Straf- und Bußgeldverfahren andererseits fehlt es an einer Identität des Entscheidungsgegenstandes, die es rechtfertigen könnte, aus der Verbindlichkeit eines Feststellungsbescheids über die aufgrund einer sanktionsbewehrten Pflichtnorm bestehenden Verhaltenspflichten oder der materiellen Rechtskraft eines entsprechenden verwaltungsgerichtlichen Feststellungsurteils eine formelle Bindung
172 173 174
Schenke/Roth, WiVerw 1997, 81 (115 f.). Haaf S. 200-203; Schenke/Roth, WiVerw 1997, 81 (116). Haaf S. 116-120, 201-203; Schenke/Roth, WiVerw 1997, 81 (114 ff.).
C. Verwaltungsakte in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren
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des Strafrichters, der Staatsanwaltschaft oder der Verwaltungsbehörde in Strafoder Bußgeldsachen abzuleiten175. Gleichwohl hat ein verwaltungsgerichtliches Urteil oder ein feststellender Verwaltungsakt erhebliche Bedeutung für den Ausgang des Strafverfahrens. Zunächst werden sowohl die Entscheidungen der sachnäheren Verwaltungsgerichtsbarkeit als auch die der zuständigen Fachbehörde nicht nur für den Bürger sondern auch für den Strafrichter oder Staatsanwalt häufig eine wichtige Orientierungshilfe bei der Beurteilung komplexer verwaltungsrechtlicher Vorfragen bieten. Selbst wenn aber diese formell an das verwaltungsgerichtliche Urteil oder den Verwaltungsakt nicht gebundenen Strafverfolgungsorgane die darin festgehaltene Rechtsauffassung nicht teilen, werden sie einen Angeklagten, der sich an die Vorgaben eines verwaltungsgerichtlichen Urteils oder einer behördlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung gehalten hat, in der Regel wegen eines unvermeidbaren Verbotsirrtums ( § 1 7 Satz 1 StGB, § 11 Abs. 2 OWiG) freisprechen müssen176. Umgekehrt ist das Strafgericht dagegen bei der Prüfung des objektiven Tatbestands und der Rechtmäßigkeit nicht gehindert, abweichend von einem früheren Verwaltungsakt oder verwaltungsgerichtlichen Urteil die Rechtswidrigkeit des Verhaltens zu verneinen 177 . Eine vom Rechtsanwendungsrisiko entlastende Wirkung haben rechtskräftige Urteile und verbindliche Verwaltungsakte also nicht aufgrund einer verfahrensrechtlichen Bindung der ordentlichen Gerichte, sondern als Faktum, das materiellrechtlich bei der Beurteilung der Schuldfrage zu beachten ist m. Eine solche das Verschulden ausschließende Wirkung können auch unverbindliche Auskünfte der zuständigen Behörde haben 179 . Der Bürger kann jedoch auf eine Auskunft nur dann in gleicher Weise wie auf einen Verwaltungsakt vertrauen, wenn sie von der Behörde aufgrund einer vergleichbar sorgfaltigen Prüfung der Rechtslage gegeben wurde; um die erstrebte Entlastungswirkung zu erzielen, müßte die Auskunft gleichfalls schriftlich abgefaßt und ähnlich wie ein Verwaltungsakt begründet werden. Weil damit der behördliche Aufwand für eine den konkreten Einzelfall betreffende Auskunft über verwaltungsrechtliche Rechten und Pflichten überhaupt nicht hinter dem Aufwand für den Erlaß eines feststellenden Verwaltungsakts zurückbleibt, würde die zuständige Behörde in der Regel ermessensfehlerhaft handeln, wenn sie den Antrag
175
Haaf, S. 201-203; Schenke/Roth, WiVerw 1997, 81 (116 f.). VerfG Brandenburg, B. v. 12.10.2000 - VfGBbg 20/00, NuR 2001, 146 (148 ff.) m.w.N.; Schenke/Roth, WiVerw 1997, 81 (119 f., 141 ff.). 177 Schenke/Roth, WiVerw 1997, 81 (119 f., 142 m.w.N.). 178 Schenke/Roth, WiVerw 1997, 81 (120). 179 VerfG Brandenburg, B. v. 12.10.2000 - VfGBbg 20/00, NuR 2001, 146 (148 ff.) m.w.N.; skeptisch hierzu Schenke/Roth, WiVerw 1997, 81 (170 f.). 176
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auf Einleitung eines Verwaltungsverfahrens mit dem Argument zurückweist, dem Bürger genüge die Erteilung einer unverbindlichen Auskunft. Denn eine falsche Auskunft schützt grundsätzlich nicht vor verwaltungsrechtlichen Sanktionen, insbesondere Verfügungen, die auf die Beseitigung eines rechtswidrigen Zustands gerichtet sind, der dadurch entstanden ist, daß der Bürger eine bestimmte, nachträglich mißbilligte Handlung im Vertrauen auf die Richtigkeit einer die Unbedenklichkeit bestätigenden Auskunft ausgeführt hat. Zwar können behördliche Auskünfte zur Sach- und Rechtslage das Risiko mindern, daß der rechtsunterworfene Bürger die Rechtslage falsch einschätzt und im Falle der Unrichtigkeit ggf. Folgenbeseitigungs- oder Amtshaftungsansprüche auslösen. Ein schutzwürdiges Vertrauen in den Inhalt einer Auskunft müssen die zuständigen Behörden u.U. auch bei einer Ermessensentscheidung über ein nachträgliches Einschreiten berücksichtigen, bei dem eine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage zugrunde gelegt werden soll 180 . Bei der verwaltungsrechtlichen Beurteilung sind behördliche Auskünfte aber anders als ein Verwaltungsakt - gleichwohl weder für die erteilende Behörde noch für andere Behörden oder Gerichte verbindlich und begründen keinen Erfüllungsanspruch. Aus diesem Grunde sind sie mit Blick auf die verwaltungsrechtlichen Rechtsfolgen nicht in gleicher Weise wie eine feststellender Verwaltungsakt geeignet, die sich aus der Auslegungsbedürftigkeit der abstraktgenerellen Verwaltungsrechtsnorm ergebende Rechtsunsicherheit zu beseitigen. Da aber bei einem Verstoß gegen eine straf- oder bußgeldbewehrte Pflichtnorm neben der Ahndung grundsätzlich auch verwaltungsrechtliche Sanktionen, wie eine Untersagungs- oder Beseitigungsverfügung in Betracht kommen, bietet ein insoweit Bindungswirkung entfaltender feststellender Verwaltungsakt dem Bürger insgesamt einen wirkungsvolleren Schutz als eine unverbindliche Auskunft.
cc) Nachträglicher
und vorläufiger
Rechtsschutz
Schließlich ist zu fragen, ob die zuständige Behörde im Hinblick auf ihre beschränkten sachlichen und personellen Kapazitäten die Einleitung eines präventiven, auf den Erlaß einer Unbedenklichkeitsbescheinigung oder eines vergleichbaren Feststellungsbescheides gerichteten Verwaltungsverfahrens mit dem Argument ablehnen darf, der Bürger habe kein spezifisches, auf den Erlaß einer vorbeugenden Regelung gerichtetes Feststellungsinteresse, weil er einen effektiven Rechtsschutz gegen behördliche Eingriffe später ggf. noch durch die
180
773 ff.
OVG Berlin, U. v. 3.1.1997 - 2 B 10/93, LKV 1998, 152 (154 f.) = BauR 1998,
C. Verwaltungsakte in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren
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in der VwGO vorgesehenen Instrumente des nachträglichen und ggf. vorläufigen Rechtsschutzes abwehren könne. Bei der Prüfimg der Effektivität und Zumutbarkeit des nachträglichen Rechtsschutzes ist davon auszugehen, daß das Rechtsschutzbedürfiiis des Betroffenen, mit dem ein befürchteter Eingriff schon im Vorfeld abgewehrt werden soll, um so geringer ist, je wirksamer der vorläufige Rechtsschutz ist, der im Falle der befürchteten Ordnungsverfügung oder eines anderen unmittelbaren Eingriffs der Verwaltung zur Verfügung stünde. Der repressive und der vorläufige Rechtsschutz gegen gesetzeskonkretisierende Verwaltungsakte und andere belastende Verwaltungsmaßnahmen sowie gegen Bußgelder und Strafen können also häufig ebenso wirksam wie der vorbeugende Rechtsschutz vor rechtswidrigen Eingriffen schützen. Sie bieten jedoch keinen Schutz gegen die Folgen einer eigenen Fehleinschätzung der Rechtslage. Wenn die der Ordnungsverfügung oder der Sanktion eines rechtswidrigen Verhaltens zugrunde liegende behördliche Rechtsauffassung im Anfechtungsprozeß, Bußgeld- oder Strafverfahren nachträglich bestätigt wird, so erweisen sich die vom Bürger aufgrund seiner eigenen Fehleinschätzung der Rechtslage vorgenommenen Dispositionen als Fehlinvestition; die gegen ihn verhängten Sanktionen sind rechtmäßig. Demgegenüber besteht die Funktion des vorbeugenden Rechtsschutzes im öffentlichen Recht auch darin, dem Bürger ein rechtmäßiges Handeln zu ermöglichen. Das Urteil oder der Verwaltungsakt sollen primär noch vor einem in die „Grauzone" der Pflichtnorm fallenden Verhalten die geplante Handlung durch eine gerichtliche oder behördliche Bestätigung ihrer Rechtmäßigkeit absichern; hilfsweise will der Bürger aber verhindern, daß eine eigene Fehlbeurteilung der Rechtslage nachteilige, staatliche Reaktionen nach sich ziehen könnte 181 . Das zuletzt genannte Ziel kann er durch die Instrumente des repressiven und vorläufigen Rechtsschutzes nicht erreichen. Ein präventives Feststellungsverfahren, in dem durch die verbindliche Regelung bestimmter Rechte oder Pflichten oder bestimmter für die Verhaltenspflichten des Bürgers relevanter Vorfragen über die Rechtmäßigkeit eines geplanten Verhaltens entschieden wird, hat deshalb nicht nur die Rechtsschutzfunktion einer antizipierten Anfechtungsklage. Vor allem entlastet es den Bürger von dem Rechtsanwendungsrisiko, das auf der gesetzlichen Regelungstechnik einer Pflichtenbegründung kraft Gesetzes beruht und schützt ihn so auch vor den nachteiligen Folgen eines der Durchsetzung der Pflichtnorm dienenden rechtmäßigen Eingriffs der Verwaltung, der durch sein eigenes rechtswidriges Verhalten ausgelöst würde 182 .
181 182
Trzaskalik, S. 105 ff.; Schenke/Roth, WiVerw 1997, 81 (158 f.). Schenke/Roth, WiVerw 1997, 81 (158 f.).
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
Folglich schließen weder die bestehenden Möglichkeiten, bei Rechtsanwälten oder anderen Stellen eine Auskunft über die im konkreten Einzelfall bestehende Rechtslage einzuholen, noch die des repressiven Rechtsschutzes generell ein berechtigtes Interesse des Bürgers an der Einleitung eines Verwaltungsverfahrens aus, das auf die Erteilung einer gesetzlich nicht geregelten Unbedenklichkeitsbescheinigung oder eines anderen Feststellungsbescheids gerichtet ist.
h) Berücksichtigung des Grundsatzes der Verwaltungseffizienz im Rahmen des Opportunitätsprinzips Es bleibt die Frage zu klären, ob die Verwaltung ihre Bereitschaft, ein Verwaltungsverfahren zu eröffnen und ggf. mit einer den Bürger begünstigenden Regelung abzuschließen, im Rahmen des Opportunitätsprinzips gemäß §§ 22, 40 VwVfG ermessensfehlerfrei davon abhängig machen darf, daß der Antragsteller ihr die Befugnis einräumt, am Ende des Verwaltungsverfahrens eine verbindliche Regelung der gesetzlichen Rechte und Pflichten auch dann zu treffen, wenn das Ergebnis ihrer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht mit der vom Antragsteller geäußerten Rechtsauffassung übereinstimmt. In den Mittelpunkt der Betrachtung rückt damit der Grundsatz der Verwaltungseffizienz, ein allgemeiner Verfahrensgrundsatz, dem teilweise sogar Verfassungsrang zugesprochen wird 1 8 3 . Jedenfalls gibt § 22 VwVfG durchaus Raum fiir eine Berücksichtigung des Effektivitätsgrundsatzes im Sinne einer verfahrensrechtlichen Zweck-Mittel-Relation. Die Zwecke, welche die Verwaltung zu verwirklichen hat, ergeben sich entweder konkret aus bestimmten gesetzlichen Aufgabenzuweisungen oder lassen sich aus allgemeinen Zielvorgaben ableiten. Der durch das Haushaltsrecht begrenzte personelle und sachliche Mitteleinsatz der Behörde muß im Interesse der Allgemeinheit, des Antragstellers, etwaiger vom jeweiligen Verwaltungsverfahren betroffener Dritter und schließlich auch im Interesse der Beteiligten anderer Verwaltungsverfahren, für deren Bearbeitung die Behörde zuständig ist, effizient erfolgen 184 . Der Grundsatz der Verwaltungseffizienz hat dabei zwei Dimensionen: Einerseits kann die Verwaltung bei der Ausübung des Verfahrensermessens das Ziel verfolgen, durch eine endgültige Verwaltungsentscheidung einen wiederholten Rechtsstreit über die gleiche Sach- und Rechtsfrage zu vermeiden, also eine effiziente Aufgabenerledigung innerhalb des Verwaltungsrechtsverhältnisses anstreben. Bei knappen personellen und sachlichen Kapazitäten will die zuständige Behörde darüber hinaus möglicherweise anderen Verwaltungsaufgaben Vorrang einräumen gegenüber dem vom Bürger begehrten Rechtsschutz durch Verwaltungs183 184
Stelkens/Schmitz Stelkens/Schmitz
in Stelkens/Bonk/Sachs, § 9 Rn. 76 m.w.N. in Stelkens/Bonk/Sachs, § 9 Rn. 78.
C. Verwaltungsakte in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren
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verfahren; es geht damit um eine Prioritätensetzung und effiziente Verwirklichung möglichst aller, einander teilweise aber widersprechender Verwaltungsaufgaben.
aa) Effiziente Aufgabenwahrnehmung innerhalb des Verwaltungsrechtsverhältnisses (1) Öffentliches Interesse an der verbindlichen Regelung gesetzlicher Pflichten Wenn ein möglicherweise von einer Pflichtnorm betroffener Bürger den Erlaß einer Unbedenklichkeitsbescheinigung oder eines ähnlichen feststellenden Verwaltungsaktes beantragt, so will er letztlich eine ihn begünstigende Konkretisierung der Rechtslage erreichen. Demgegenüber besteht ein öffentliches Interesse an einer Beseitigung der sich aus der abstrakt-generellen Gesetzesfassung für den Einzelfall ergebenden Rechtsunsicherheit und einer Verwirklichung der objektiven Rechtslage grundsätzlich auch dann, wenn der einzelne nach dem Ergebnis der Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall dem gesetzlichen Ge- oder Verbot unterliegen sollte. Denn gerade mit einer Konkretisierung der gesetzlichen Ge- oder Verbote oder der hierfür präjudiziellen Vorschriften, welche die Handlungsbefugnisse des Bürgers begrenzen, würde die Polizei- oder Ordnungsbehörde ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Daher läge es durchaus im Interesse eines möglichst effizienten Gesetzesvollzugs im konkreten Verwaltungsrechtsverhältnis, wenn die Überwachungsbehörde aufgrund des Antrags bereits im Vorfeld der Gefahrenabwehr noch vor einer Verletzung der Pflichtnorm die Rechtslage verbindlich klären könnte.
(2) Öffentliches Interesse an der Vermeidung überflüssiger oder ineffizienter Verfahren Zugleich besteht ein öffentliches Interesse an der Vermeidung von gesetzlich nicht vorgeschriebenen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, die in einer beachtlichen Zahl von Fällen nicht mit einer verbindlichen Entscheidung über den Verfahrensgegenstand abgeschlossen werden können. Aus Sicht der Verwaltung erweist sich das konkrete Verwaltungsverfahren nämlich zum einen dann als überflüssig, wenn der Bürger das überprüfte Vorhaben später trotz der bestätigten Unbedenklichkeit aus anderen Gründen, beispielsweise mangels Rentabilität nicht ausführt. Zum anderen ist es dann nicht effizient, wenn die Verwaltung zum Abschluß des Verfahrens keine der Rechtsauffassung des Antragstellers widersprechende Regelung treffen darf und der Bürger sich später 34 Kracht
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
nicht an die in der Begründung des Ablehnungsbescheids nur unverbindlich geäußerte Rechtsauffassung der Behörde hält. Die Behörde müßte dann vor dem Erlaß einer das gesetzliche Verbot konkretisierenden Ordnungsverfügung die gesamte Prüfung der Sach- und Rechtslage noch einmal vornehmen. Ein zweites, auf Klärung der Rechtslage gerichtetes Verfahren wäre auch dann erforderlich, wenn der Antragsteller entsprechend der Rechtsprechung des 8. Senats des Bundesverwaltungsgerichts nach der Ablehnung seines ursprünglichen Antrags auf Erlaß der Unbedenklichkeitsbescheinigung später noch eine Feststellungs- oder vorbeugende Unterlassungsklage erheben könnte, weil der erste Bescheid weder ausdrücklich noch konkludent die Rechtslage bestandskräftig geregelt hat. Durch eine solche, gegenüber einer an die Ablehnung anknüpfenden Verpflichtungs- oder Anfechtungsklage verschobenen Feststellungs- oder Unterlassungsklage würde sich der Verwaltungsaufwand erhöhen. Denn das ursprüngliche Verwaltungsverfahren wäre nicht nur rechtlich bedeutungslos, auch faktisch wäre der dann mit der Prozeßvertretung betraute Behördenmitarbeiter gezwungen, sich neu in die Sache einzuarbeiten. Insoweit ist als Ausprägung des Grundsatzes der Verwaltungseffizienz ein öffentliches Interesse daran anzuerkennen, nach Einleitung eines Verwaltungsverfahrens durch eine abschließende und der Bestandskraft fähigen Regelung des Verwaltungsrechtsverhältnisses weitere Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren zu vermeiden 185. Diesem Argument ist entgegengehalten worden, zum Schutz der Allgemeinheit genüge es, für die Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung, des Negativattestes oder des anderen beantragten Feststellungsbescheides eine Verwaltungsgebühr zu erheben, die den spezifischen Aufwand decke 186 . Dieses Gegenargument überzeugt schon deshalb nicht, weil die geltenden Gebührentarife keineswegs immer kostendeckend sind. Vorallem aber muß berücksichtigt werden, daß die zuständigen Überwachungsbehörden nur über begrenzte personelle und sachliche Kapazitäten verfügen. Der Opportunitätsgrundsatz im Polizei- und Ordnungsrecht soll es den zuständigen Behörden u.a. ermöglichen, innerhalb der sehr großen Zahl denkbarer Maßnahmen der präventiven Gefahrenabwehr Prioritäten zu setzen, also bestimmte Maßnahmen zu ergreifen und andere zu unterlassen.
185 Zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Bestandskraft von Verwaltungsakten unter den Gesichtspunkten der Rechtssicherheit und der Verwaltungseffizienz vgl. BVerfG, B. v. 20.4.1982 - 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253 (269 ff.); Kopp, DVB1. 1983, 392 (393 ff.); sowie die Darstellung und Kritik dieser Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts oben in Teil 5, D.II. (m.w.N.) 186 Trzaskaliky S. 117; Engel, S. 166.
C. Verwaltungsakte in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren
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bb) Effiziente Verwirklichung aller Verwaltungsaufgaben: Rechtsschutzauftrag und Gefahrenabwehr im Lichte des Opportunitäts- und Effizienzprinzips Bei der Ausübung des Verfahrensermessens geht es folglich nicht nur um die Verwirklichung der Interessen eines Antragstellers und die Erfüllung eines korrespondierenden Rechtsschutzauftrages der Verwaltung, sondern um die Verwirklichung aller der jeweiligen Verwaltungsbehörde übertragenen Aufgaben. Die Verwaltung darf und muß bei der Ausübung ihres Verfahrensermessens dafür sorgen, daß sie ihren Handlungsauftrag, der weit über die Sicherung und Verwirklichung subjektiver Rechte, wie hier der unternehmerischen Handlungsfreiheit hinausgeht, insgesamt zweckmäßig erfüllen kann. Mit dem Grundsatz der Verwaltungseffizienz, ist also nicht nur das Ziel angesprochen, daß die Verwaltung ihre innerhalb eines Verwaltungsrechtsverhältnisses bestehenden Rechte und Pflichten effektiv ausübt, es geht vor allem um das Ziel die Summe aller, möglicherweise auch widerstreitende Verwaltungszwecke mit minimalen Mitteln bestmöglich zu erreichen 1* 1. Der Umstand, daß die grundsätzlich durch Steuern von der Allgemeinheit finanzierte Verwaltung nur über begrenzte sachliche und personelle Ressourcen verfügt, zwingt sie dazu, diese sachgerecht auf alle Verwaltungsaufgaben, und d.h. auch auf die Wahrnehmung der Interessen anderer Grundrechtsträger und der Allgemeinheit, zu verteilen m und hierbei ggf. Prioritäten zu setzen. Von zentraler Bedeutung ist hier zunächst die gesetzliche Aufgabe der zuständigen Polizei- oder Ordnungsbehörde, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Trotz aller notwendigen Diskussionen um die Modernisierung der Verwaltung und eine verstärkte Dienstleistungsorientierung darf nicht vergessen werden, daß die Gewerbeaufsicht, Umweltämter, Ordnungs- und andere Überwachungsbehörden nach ihren gesetzlichen Aufgaben - zumindest primär - keine für die gewerblichen Unternehmen tätigen Service- und Dienstleistungseinrichtungen der öffentlichen Hand sind, sondern Behörden zur Überwachung und Kontrolle von potentiell gefahrlichen Unternehmen und Tätigkeiten, welche bei der Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben allerdings auch die Grundrechte der zu Überwachenden berücksichtigen müssen. Angesichts der beschränkten Ressourcen der Überwachungsbehörden kann die Einleitung eines auf die Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung gerichteten Verwaltungsverfahrens nämlich dazu fuhren, daß eine andere Verwaltungstätigkeit nicht oder erst später durchgeführt werden kann, daß also beispielsweise die Routinekontrolle eines anderen Unterneh187 Zum Spannungsverhältnis von Individualrechtsschutz und Verwaltungseffizienz im Verwaltungsverfahren vgl. Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), 193 (196 ff.); Stelkens/ Schmitz in Stelkens/Bonk, § 9 Rn. 76 ff. 188 Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), 193 (208 f.).
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mens unterbleibt, bei der möglicherweise konkrete Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung festgestellt würden, oder daß sich die Bearbeitung des Genehmigungsantrags eines anderen Unternehmens verzögert. Die erste Möglichkeit droht das Vollzugsdefizit in den Bereichen des Umwelt- und sonstigen Ordnungsrechts, dessen Einhaltung nicht durch präventive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt gesichert ist, zu vergrößern. Die zweite Möglichkeit führt zu einem Interessenkonflikt mit dem Ziel der Beschleunigung und Effektuierung von Genehmigungsverfahren, das gleichfalls grundrechtlich fundiert ist. Das in § 22 VwVfG eingeräumte Verfahrensermessen soll also nicht einen Freiraum für eine Untätigkeit der Verwaltung schaffen, sondern ihr eine Prioritätensetzung und effektive Wahrnehmung ihrer Aufgaben ermöglichen. Wer ohne Berücksichtigung des Risikos, daß die jeweiligen Antragsteller sich ohne eine behördliche Vorabkontrolle tatsächlich rechtswidrig verhalten, allen Bauherrn oder Gewerbetreibenden einen Anspruch auf präventive Feststellung ihrer gesetzlichen Pflichten gibt, muß sich fragen lassen, ob die Behörde dann noch in der Lage bleibt, die weiterhin große Zahl anderer potentieller Normadressaten zu überwachen und zumindest bei gravierenden Rechtsverstößen schnellstmöglich einzuschreiten. Folglich spricht der Zweck der gesetzlichen Ermächtigung des § 22 VwVfG in Verbindung mit den materiellrechtlichen Aufgaben- und Befugnisnormen des Polizei- und Ordnungsrechts bzw. des einschlägigen besonderen Verwaltungsrechts grundsätzlich dafür, der zuständigen Behörde einen Ermessensspielraum bei der Entscheidung zu erhalten, ob sie ihre beschränkten sachlichen und personellen Kapazitäten auf Antrag des Bürgers zur Durchführung eines präventiven Verwaltungsverfahrens oder zur Wahrnehmung anderer Verwaltungsaufgaben einsetzen soll. Die Gefahr, daß bei einer grundsätzlichen Anerkennung eines Interesses am Erlaß von Unbedenklichkeitsbescheinigungen und ähnlichen feststellenden Verwaltungsakten der behördliche Apparat durch ein Anwachsen der Zahl von Verwaltungsverfahren erheblich ausgedehnt werden müßte, läßt sich zunächst dadurch begrenzen, daß der Antragsteller darlegen muß, inwieweit er durch die ungeklärte Rechtslage in eigenen Rechten betroffen ist und warum er jetzt ein Interesse an der alsbaldigen Feststellung hat m. Die Gefahr einer potentiell überflüssigen Durchführung eines Verwaltungsverfahrens wird außerdem merklich herabgesetzt, wenn die Behörde aufgrund eines entsprechend weitgefaßten Antrags des Bürgers befugt ist, die nach ihrer Auffassung bestehende Rechtslage festzustellen und zwar auch dann, wenn das vom Bürger zur Prüfung gestellte Vorhaben nicht (völlig) unbedenklich ist. Zum einen sinkt das Risiko der Durchführung überflüssiger Verwaltungs-
189
TrzaskaliK
S. 116.
C. Verwaltungsakte in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren
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verfahren, wenn der Bürger mit seinem Feststellungsantrag die Anfechtungslast gegenüber einer negativen Feststellung übernehmen muß. Denn er wird i.d.R. nur dann zur Führung eines Rechtsstreits für sein Vorhaben bereit sein, wenn er die finanziellen, wirtschaftlichen oder technischen Möglichkeiten für eine Realisierung des Vorhabens geprüft hat. Die Bereitschaft zur Übernahme der Anfechtungslast bildet insoweit für die Behörde ein Indiz, daß es sich nicht um eine rein vorsorgliche Voranfrage in einem sehr frühen Planungsstadium handelt, in dem es noch völlig ungewiß ist, ob das Vorhaben, so wie beantragt, überhaupt realisiert werden kann. Vor allem aber wird das Spannungsverhältnis zwischen dem gesetzlichen Gefahrenabwehr- und Vollziehungsauftrag und dem grundrechtlich fundierten Rechtsschutzauftrag der Verwaltung überbrückt, wenn die Behörde durch den Antrag des Bürgers ermächtigt wird, das Verwaltungsverfahren unabhängig von seinem bei Antragstellung noch unbekannten Ergebnis mit einer verbindlichen Regelung des Verfahrensgegenstandes abzuschließen. Aus Sicht ex ante bleibt das Verwaltungsverfahren für den Bürger ein Instrument des vorbeugenden Rechtsschutzes, weil es mit einer Unbedenklichkeitsbescheinigung abgeschlossen werden kann. Zugleich ist die Eröffnung eines solchen Verwaltungsverfahrens dann für die Behörde auch unmittelbar ein Mittel der Gefahrenabwehr, weil die Behörde es ggf mit der präventiven verbindlichen Konkretisierung der gesetzlichen Pflichten abschließen kann. Es dient deshalb grundsätzlich dem öffentlichen Interesse an einem möglichst effektiven Einsatz der knappen sachlichen und personellen Mittel der Polizei- und Ordnungsbehörden, wenn die zuständige Behörde ihre Bereitschaft, ein Verwaltungsverfahren durchzuführen und ggf. die kraft Gesetzes bestehende Rechtslage zugunsten des Antragstellers durch Erlaß eines Feststellungsbescheides zu konkretisieren, davon abhängig macht, daß der Antragsteller sie ermächtigt, die Rechtslage ggf. auch dann durch einen feststellenden Verwaltungsakt zu konkretisieren, wenn die behördliche Beurteilung ganz oder teilweise der Rechtsauffassung des Antragstellers widerspricht.
cc) Keine Verletzung des Kopplungsverbots Allein das Ziel der Vermeidung einer zusätzlichen Belastung der staatlichen Rechtsanwendungsorgane kann aber noch nicht in jedem Fall eine behördliche Forderung rechtfertigen, der Bürger müsse sich auch damit einverstanden erklären, daß die Behörde nach Abschluß des Feststellungsverfahrens ggf. auch eine für ihn nachteilige Regelung der Rechtslage treffe. Im Rahmen des demokratischen und sozialen Rechtsstaates des Grundgesetzes ist das Gebot der Verwaltungseffizienz nämlich nicht auf die Verwirklichung eines einzelnen Verwaltungszweckes beschränkt; die Effizienz zielt darüber hinaus auf eine
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bestmögliche Verwirklichung rechtsstaatlicher, sozialer und demokratischer Prinzipien 190 . Deshalb muß die staatliche Verwaltung, wenn sie sich auf das Gebot effektiven Handelns berufen will, insbesondere auch die sich aus den Grundrechten ergebenden Schranken beachten. Insoweit darf die Verwaltung von einem Bürger nicht aus sachfremden Erwägungen verlangen, daß dieser auf den Schutz seiner Grundrechte verzichtet, um eine staatliche Leistung, wie hier die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens mit einer verbindlichen Regelung der in einem bestimmten Verwaltungsrechtsverhältnis bestehenden Rechte und Pflichten, zu erlangen (Kopplungsverbot) 191 . Hier nun ist festzustellen, daß zwischen dem Interesse der Verwaltung, nach einer vollständigen Prüfung der Sach- und Rechtslage auch dann eine verbindliche Regelung der gesetzlichen Rechte und Pflichten vornehmen zu können, wenn die Rechtslage nicht der Rechtsauffassung des Antragstellers entspricht, und dem Interesse des Antragstellers am Erlaß einer Unbedenklichkeitsbescheinigung oder eines ähnlichen Feststellungsbescheides ein sachlicher Zusammenhang besteht. Denn sowohl das private als auch das öffentliche Interesse an einer verbindlichen präventiven Regelung der im Einzelfall bestehenden Rechtslage beruhen auf der gesetzlichen Regelungstechnik des unmittelbaren Eingriffs kraft Gesetzes und der hierbei aus der abstrakt-generellen Fassung des Gesetzes beruhenden Rechtsunsicherheit. Bei einem auf Feststellung einer gesetzlichen Rechtslage gerichteten Verwaltungsverfahren ist das Risiko einer seiner Rechtsauffassung widersprechenden Entscheidung für den Antragsteller nur die Kehrseite der Chance einer behördlichen Bestätigung der eigenen Rechtsauffassung. Folglich wird das Kopplungsverbot nicht verletzt, wenn die Behörde ihre Bereitschaft zu Einleitung eines gesetzlich nicht geregelten Feststellungsverfahrens davon abhängig macht, daß der Antragsteller sie ermächtigt, am Ende des Verwaltungsverfahrens ggf. eine seiner eigenen Rechtsauffassung widersprechende Feststellung der Rechtslage zu treffen. Mit Blick auf die gesetzlich geregelten Verwaltungsverfahren könnte der von einer gesetzlichen Pflichtnorm in seiner Verhaltens- und Dispositionsfreiheit beschränkte Grundrechtsträger aus dem allgemeinen Gleichheitssatz192 allenfalls einen Anspruch auf ein in seiner Rechtsschutzfunktion dem Genehmigungsverfahren vergleichbares Verwaltungsverfahren ableiten. Auch bei einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt trägt der Bürger aber das rechtsformspezifische Risiko der Anfechtungslast und nach Maßgabe des einschlägigen Rechts kann die in einer ablehnende Entscheidung enthaltene verbindliche
190
Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), 193 (196 ff.); Stelkens/Schmitz Sachs, § 9 Rn. 76 m.w.N. 191 Vgl. oben C.IV.4. 192 Engel, S. 164 ff.; Schenke/Roth, WiVerw 1997, 81 (159 ff.).
in Stelkens/Bonk/
C. Verwaltungsakte in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren
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Konkretisierungs des materiellen Rechts eine verfahrensübergreifende Verbindlichkeit entfalten.
4. Der Antrag auf behördliche Feststellung bei Zulässigkeit einer Feststellungsklage Bei den bislang untersuchten Sachverhalten läßt sich eine verfahrensrechtliche Einwilligung des Antragstellers in die Befugnis der Behörde, ein antragsgemäß eröffnetes Verwaltungsverfahren ggf. mit einer seiner Rechtsauffassung widersprechenden Feststellung abzuschließen, damit begründen, daß die zuständige Behörde die Eröffnung eines lediglich begünstigenden Verwaltungsverfahrens i.d.R. ermessensfehlerfrei ablehnen kann. Wenn die Behörde dem Betroffenen zuvor weder die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens noch verwaltungsrechtliche Sanktionen angedroht hatte, ist der Antrag auf Erlaß eines nicht normierten Feststellungsbescheids für den Bürger der Schlüssel zur Erlangung einer präventiven Rechtsschutzmöglichkeit. Demgegenüber hatte der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts bei seinem 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil 193 über einen Sachverhalt zu entscheiden, bei dem der Betroffene nach der Damokles-Rechtsprechung vorbeugenden Rechtsschutz auch unmittelbar durch eine verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage hätte erlangen können. Es ist zwar möglich, daß der Antragsteller im konkreten Einzelfall der zuständigen Behörde vor der Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage nur eine letzte Möglichkeit geben wollte, ein drohendes Gerichtsverfahren durch die Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung abzuwenden. Der 8. Senat läßt bei seinem pauschalen Argument, wegen der drohenden Bestandskraft sei der Feststellungsantrag niemals als Einwilligung in eine der eigenen Rechtsauffassung widersprechende Feststellung auszulegen, jedoch zunächst den Umstand außer acht, daß bei der als Rechtsschutzalternative in Betracht zu ziehenden präventiven Feststellungsklage immer das vergleichbare Risiko besteht, daß mit einer Klageabweisung das kontradiktorische Gegenteil der begehrten Feststellung in materielle Rechtskraft erwächst. Wird eine Feststellungsklage als unbegründet abgewiesen, so erwächst nämlich nach den allgemeinen Regeln über die materielle Rechtskraft gemäß § 121 VwGO nicht nur die Abweisung des Feststellungsbegehrens, sondern auch das kontradiktorische Gegenteil der begehrten Feststellung in materielle Rechtskraft. Wenn bei193
BVerwG, U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83: BVerwGE 72, 265 (267 f.), vgl. die Darstellung oben in Teil 4, C.III.6; zustimmend Schenke/Roth, WiVerw 1997, 81 (173), Druschel, S. 212 f.; a.A. Drescher, DVB1. 1986, 727 (729); J. Martens, NVwZ 1987, 106; kritisch auch P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 143.
5 3 6 T e i l 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
spielsweise der Eigentümer beim zuständigen Verwaltungsgericht eine Feststellungsklage erhoben hätte, daß die strittigen Räume seines Hauses nicht dem Verbot der Wohnraumzweckentfremdung unterliegen, so hätte das Gericht bei einer Unbegründetheit des Antrags mit der Klageabweisung implizit genau jene Feststellung getroffen, welche die Behörde nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund eines wortgleichen Antrags auf Erlaß eines Feststellungsbescheides nicht treffen durfte, nämlich die kontradiktorische Feststellung, daß die streitbefangenen Räume Wohnräume sind und dem Verbot der Wohnraumzweckentfremdung unterliegen. Dieses klageabweisende Urteil hätte in materielle Rechtskraft erwachsen können. Der 8. Senat des Bundesverwaltungsgericht übersieht desweiteren, daß es auch bei Zulässigkeit einer vorbeugenden Feststellungs- oder Unterlassungsklage für den Bürger sowohl unter Zeit- als auch unter Kostengesichtspunkten belastender sein kann, ein verwaltungsgerichtliches Verfahren durchführen zu müssen, als wenn ihm die Möglichkeit eröffnet wird, die streitige Frage zunächst im Verwaltungswege auszutragen und dort vielleicht endgültig zu klären 194 . Wenn der Betroffene zur Klärung der Rechtslage ohnehin durch einen Feststellungsantrag die Initiative ergreifen muß, ist deshalb zu fragen, ob er nicht im Hinblick auf die zweimalige Chance, vor einem gerichtlichen Urteil bereits im Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren die begehrte Feststellung zu erreichen, die Anfechtungslast gegenüber einer negativen Sachentscheidung der Behörde übernehmen will 1 9 5 . Schon behördenintern ist es nämlich keineswegs sicher, daß die Behörde bei ihrer bisherigen Beurteilung der Sach- und Rechtslage bleiben wird. Denn der Verwaltungsakt ist möglicherweise von einer anderen Person als dem bislang zuständigen Sachbearbeiter zu unterzeichnen oder es sind andere Arbeitseinheiten im Wege der Mitzeichnung zu beteiligen; zumindest zwingt die Notwendigkeit, einen vom Antrag abweichenden Feststellungsbescheid schriftlich zu begründen (§ 39 VwVfG), den Sachbearbeiter zu einer Überprüfung seines bisherigen Standpunkts. Im Vergleich zu der unmittelbaren Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Feststellungs- oder Unterlassungsklage kann der Betroffene die Schaffung zusätzlicher Entscheidungsinstanzen (Ausgangsbehörde, Widerspruchsbehörde) wegen der beiden zusätzlichen Möglichkeiten einer positiven Entscheidung deshalb als Vorteil, wegen der Gefahr eigener oder fremder Verfahrensfehler und einer Verzögerung der gerichtlichen Entscheidung aber auch als Nachteil ansehen. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß eine verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage nur zulässig ist, wenn der Kläger einen hinreichend bestimmten
194
BayVGH, U. v. 18.08.1980 - 22 B 1470/79, GewArch 1981, 18 (22) = NJW 1981, 2076 (vgl. die Darstellung in Teil 4, D.III.5.). 195 Drescher, DVB1. 1986, 727 (729).
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Antrag stellt. Der Antragsteller muß also selbst den Verfahrensgegenstand hinreichend konkretisieren 196 und bei einer vorbeugenden Feststellungsklage relativ präzise umschreiben, wie das von ihm geplante Vorhaben ausgeführt werden soll und unter welchen Voraussetzungen es als rechtmäßig anzusehen ist. Andernfalls riskiert er eine teilweise Klageabweisung. Demgegenüber muß bei einem Antrag auf Einleitung eines Verwaltungsverfahrens nur das angestrebte Ziel des Verwaltungsverfahrens erkennbar sein; hierbei sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen 197 . Insoweit bietet das Verwaltungsverfahren für den Bürger die Möglichkeit, die Sach- und Rechtskunde der Verwaltung zu nutzen und ggf. nach einer ablehnenden, aber schriftlich zu begründenden Entscheidung die Erfolgsaussichten einer verwaltungsgerichtlichen Klage besser abschätzen zu können. Außerdem kann er im Widerspruchsverfahren und ggf. im Rahmen einer Verpflichtungs- und Bescheidungsklage ein im Verwaltungsverfahren zunächst allgemeiner gefaßtes Feststellungsbegehren unter Berücksichtigung der Gründe des Ablehnungs- und des Widerspruchsbescheids präzisieren.
5. Ergebnis: Kein Anspruch auf Rechtsschutz durch Verfahren ohne Mitwirkungs- und Anfechtungslast Somit läßt sich auch aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes kein Anspruch auf einen vorbeugenden behördlichen Rechtsschutz ohne jegliches Rechtsanwendungsrisiko ableiten. Denn auch bei dem von Artikel 19 Abs. 4 GG unmittelbar gewährleisteten gerichtlichen Rechtsschutz muß der Bürger mit seinem bei Gericht gestellten Klageantrag das Risiko einer seiner Rechtsauffassung widersprechenden und sogar der materiellen Rechtskraft fähigen Sachentscheidung tragen. Insbesondere aufgrund der geringeren Richtigkeitsgewähr des Verwaltungsverfahrens und der Anfechtungslast ist die Behörde zwar nicht befugt, dieses von Amts wegen einzuleiten. Wenn der Bürger aber selbst die Gewährung eines vorbeugenden Rechtsschutzes durch Verwaltungsverfahren verlangt, so muß er auch bereit sein, die für diese Form des Rechtsschutzes typischen Risiken hinzunehmen. Folglich darf und muß die Verwaltung bei der Ausübung ihres Verfahrensermessens berücksichtigen, daß der Bürger, der zur Verwirklichung seiner eigenen Interessen die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens beantragt, eine Leistung der öffentlichen Verwaltung begehrt, die finanziert werden muß. 196
Happ in Eyermann, § 43 Rn. 21; Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, §43 Rn. 17 ff. 197 Stelkens/Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, § 22 Rn. 46 f.; Clausen in Knack, § 22 Rn. 4.5.
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
Wenn der Bürger für einen Sachverhalt, für den der Gesetzgeber kein vorbeugendes Rechtsschutzverfahren vorgesehen hat, mit seinem Feststellungsantrag die Behörde nicht zu einer seiner Rechtsauffassimg widersprechenden Feststellung ermächtigen will, beantragt er mehr als zur Verwirklichung seines Rechtsschutzziels erforderlich ist und mehr als der Gesetzgeber bei den gesetzlich geregelten Verwaltungsverfahren sowie dem nachträglichen und vorbeugenden gerichtlichen Rechtsschutz vorgesehen hat, nämlich ein ihn lediglich begünstigendes Feststellungsverfahren ohne Rechtsanwendungsrisiko. Sofern keine fortdauernde Verwaltungspraxis besteht, in der entsprechende Verwaltungsverfahren auf Antrag eines betroffenen Bürgers auch dann eingeleitet werden, wenn sie ausschließlich auf eine begünstigende Feststellung gerichtet sind, kann die Behörde dem Antragsteller im Rahmen ihrer Ermessensausübung entgegenhalten, daß die Mittel der Verwaltung zur Verwirklichung ihrer Aufgaben in einem überwiegend durch Steuern finanzierten Gemeinwesen grundsätzlich begrenzt sind und die Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens ablehnen, das sie nur mit einem den Antragsteller begünstigenden Feststellungsbescheid abschließen dürfte.
V I I I . Der Antrag auf Erlaß eines begünstigenden Bescheids mit belastender Drittwirkung Bei der verfahrensrechtlichen Interessenabwägung auf Grundlage des polizei- und ordnungsbehördlichen Opportunitätsprinzips muß die Behörde aber nicht nur das allgemeine Interesse aller Steuerzahler an einem sparsamen Einsatz der behördlichen Kapazitäten berücksichtigen. Soweit die beantragte Feststellung drittschützende Normen betrifft, muß die Behörde auch die Grundrechte und durch diese Vorschriften geschützten Interessen der Dritten beachten.
1. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung Der Vorbehalt des Gesetzes gilt auch bei feststellenden Verwaltungsakten mit belastender Drittwirkung. Erläßt beispielsweise die für die Überwachung einer Anlage oder einer Tätigkeit zuständige Behörde eine Unbedenklichkeitsbescheinigung, in der sie feststellt, daß ein antragsgemäß ausgeführtes Vorhaben nicht gegen die in ihre Überwachungszuständigkeit fallenden Vorschriften verstoßen würde, so hat diese Regelung eine belastende Drittwirkung, wenn durch sie auch eine Vereinbarkeit mit drittschützenden Normen festgestellt wird und geschützte Dritte von dem Vorhaben tatsächlich betroffen sein können. Denn solange die Unbedenklichkeitsbescheinigung wirksam ist, darf die
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Überwachungsbehörde keine dieser Feststellung widersprechenden Verwaltungsakte erlassen, also auch keine den Drittschutz realisierenden, gesetzeskonkretisierenden Verfügungen. Folglich ist der Dritte, der bei der Frage, ob die Überwachungsbehörde gegen ein rechtswidriges Verhalten seines Nachbarn einschreiten soll, sonst einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung hätte, von der ein Einschreiten ausschließenden Feststellung in eigenen Rechten betroffen. Aus diesem Grunde nimmt Engel 198 an, für diese Fallgruppe komme man an dem Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage nicht vorbei; wenn die behördliche Befugnis zum Erlaß eines die Unbedenklichkeit feststellenden Verwaltungsakts nicht geregelt sei, habe der von der Pflichtnorm Betroffene lediglich gegen den Gesetzgeber einen Anspruch auf gesetzliche Einrichtung eines solchen Verwaltungsverfahrens. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß der Zeitpunkt, zu dem die Verwaltung zu einer die Nachbarn belastenden Regelung befugt ist, nach der spezialgesetzlichen Eingriffsermächtigung oder polizei- oder ordnungsbehördlichen Generalklausel und der dort in Bezug genommenen Pflichtnorm nicht von einem eigenen Verhalten des Dritten, sondern ausschließlich von dem Verhalten des (potentiellen) Adressaten der Pflichtnorm und der Verwaltung abhängt. Sobald der Adressat der Pflichtnorm nämlich mit der Ausführung des umstrittenen Vorhabens beginnen würde, wäre die Verwaltung zu einem Einschreiten befugt, wenn sie dieses Vorhaben als rechtswidrig ansieht. Der Nachbar wäre gemäß § 13 Abs. 2 VwVfG im Verwaltungsverfahren als Beteiligter hinzuzuziehen und ggf. im Verwaltungsprozeß gemäß § 65 Abs. 2 VwGO notwendig beizuladen. Eine erfolgreiche Anfechtung der Ordnungsverfügung im Widerspruchs- oder gerichtlichen Anfechtungsprozeß würde dann dazu führen, daß die Behörde zu einem die Interessen des Nachbarn schützenden Einschreiten nicht mehr befugt wäre. Folglich begründet jede Kompetenznorm, die einer Überwachungsbehörde die Befugnis verleiht, eine drittschützende Norm durch Erlaß einer konkretisierenden Verfügung zu vollziehen, für den geschützten Nachbarn eine Mitwirkungs- und ggf. Anfechtungslast. Zwar ist oben hervorgehoben worden, daß die Verwaltung bei feststellenden Verwaltungsakten auch die in der jeweiligen Ermächtigungsnorm festgelegten Eingriffsvoraussetzungen und den sich daraus ergebenden Zeitpunkt eines Eingriffs beachten muß. Im Dreiecksverhältnis besteht hier jedoch die Besonderheit, daß der die Feststellung beantragende Bürger mit dem Beginn der Tätigkeit jederzeit eine Regelungsbefugnis der Verwaltung begründen kann. Damit stellt sich die Frage, ob der Antragsteller zur Begründung der behördlichen Regelungsbefugnis mit der Ausführung seines Vorhabens tatsächlich begonnen haben muß.
198
S. 173 f.
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Hierzu ist festzustellen, daß die Anfechtungslast des Nachbarn nicht generell erhöht ist, wenn die Verwaltung eine Regelung bereits im Vorfeld der Ausführung des Vorhabens treffen darf, also nicht einen tatsächlichen bereits verwirklichten, sondern einen im Antrag beschriebenen hypothetischen Sachverhalt beurteilt. Dies wäre allenfalls dann der Fall, wenn die Mitwirkungs- und Anfechtungslast des Nachbarn in den gesetzlich geregelten Fällen erst nach vollständiger Ausführung des Vorhabens bestünde. Dies ist jedoch nicht der Fall, weil eine die Überwachungsbehörde zu einer verbindlichen Konkretisierung der Pflichten ermächtigende „Gefahr" bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorläge. Geht es beispielsweise um die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer nicht genehmigungsbedürftigen Änderung einer baulichen Anlage, so ist offensichtlich, daß das Risiko einer behördlichen Fehlbeurteilung der Rechtslage vor und nach einer Beauftragung eines Bauunternehmens oder dem ersten Spatenstich als unmittelbarer Beginn der Ausführung praktisch unverändert ist. Denn auch dann, wenn die Überwachungsbehörde unmittelbar nach dem ersten Spatenstich einschreiten würde, wäre im Verwaltungs- und ggf. Gerichtsverfahren nicht ein bereits abgeschlossener Lebenssachverhalt zu beurteilen, sondern aufgrund einer Planunterlage ein weitgehend hypothetischer Sachverhalt. Diese Mitwirkungs- und Anfechtungslast des Nachbarn ist in diesem Fall eine notwendige Kehrseite des drittschützenden Charakters der Ermächtigungsnorm; sie besteht allerdings nur in einem Verwaltungsverfahren, das (auch) auf den Erlaß einer den Nachbarn begünstigenden Regelung gerichtet ist. Der entscheidende Unterschied besteht also darin, daß in dem auf Erlaß einer Untersagungsverfügung gerichteten Verwaltungsverfahren die Behörde zugunsten des betroffenen Nachbarn einschreiten würde, mit der mittelbaren Folge des Risikos eines erfolgreichen Anfechtungsprozesses des handelnden Nachbarn. Demgegenüber bezweckt der Antragsteller mit seinem Antrag auf Erlaß einer Unbedenklichkeitsbescheinigung gerade umgekehrt einen ihn begünstigenden und den Dritten belastenden Verwaltungsakt. Die Mitwirkungslast und das Risiko einer fehlerhaften behördlichen Entscheidung wären deshalb für den Nachbarn verdoppelt, wenn sich die Regelungskompetenz der Behörde im präventiven Feststellungsverfahren ausschließlich auf eine den Antragsteller begünstigende Regelung beschränken würde. Wenn der Bauherr später nämlich trotz der unverbindlichen Ablehnung der Unbedenklichkeitsbescheinigung sein Vorhaben ausführen würde, könnte die Behörde zwar gegen den Bauherrn einschreiten; zur Durchsetzung seines Anspruchs auf ein Einschreiten würde ihn in diesem Verfahren erneut eine Mitwirkungslast treffen. Wenn ein Antragsteller zur Verwirklichung seiner eigenen Interessen mit seinem Antrag einem Nachbarn Mitwirkungs- und Anfechtungslasten gegenüber der begehrten Unbedenklichkeitsbescheinigimg auferlegen will, so muß er
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auch bereit'sein, entsprechende mitwirkungs- und Anfechtungslasten für den Fall zu übernehmen, daß die Behörde am Ende des Verwaltungsverfahrens seine Rechtsauffassung nicht teilt. Das Rechtsschutzbedürfiiis des Vorhabenträgers rechtfertigt auf Grundlage der drittschützenden Kompetenznorm nur eine zeitliche Vorverlagerung, nicht aber eine Verdopplung der Mitwirkungs- und Anfechtungslasten des Nachbarn. Unter diesen Voraussetzungen muß der Antragsteller nicht formal mit der Ausführung seines Vorhabens beginnen, um eine Regelungsbefugnis der Verwaltung zu begründen, sondern kann auch einen Antrag auf Feststellung stellen, ob sein Vorhaben gegen drittschützende Normen verstößt.
2. Der Vorbescheid Diese Überlegungen lassen sich auf die gesetzlich nicht geregelten Vorbescheide übertragen, soweit diese drittschützende Normen betreffen, wie dies beispielsweise bei einem wasserrechtlichen Vorbescheid 199 der Fall sein kann. Würde man nämlich dem Träger eines Vorhabens nach einer Ablehnung des Vorbescheides oder nach einem erfolgreichen Rechtsbehelf eines Nachbarn die Möglichkeit einräumen, trotz der erfolgten Klärung der Rechtsfrage bei unveränderter Sach- und Rechtslage noch einen weiteren Antrag auf Genehmigung des gleichen Vorhabens zu stellen, so käme es zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Verdopplung der Mitwirkungs- und Anfechtungslast des Nachbarn. Beantragt der Träger eines Vorhabens den Erlaß eines gesetzlich nicht geregelten Vorbescheides (auch) zu nachbarschützenden Fragen eines genehmigungsbedürftigen Vorhabens, so darf die Genehmigungsbehörde ein derartiges Verwaltungsverfahren nur eröffnen, wenn der Antragsteller sie ermächtigt, im Falle eines seiner eigenen Rechtsauffassung widersprechenden Ergebnisses des Verwaltungsverfahrens durch einen negativen Vorbescheid 200 eine verbindliche Konkretisierung der für die Versagung der begehrten Feststellung maßgeblichen Rechtslage zu treffen. Nur unter diesen Voraussetzungen umfaßt die (drittbelastende) Ermächtigung zur Erteilung einer Genehmigung grundsätzlich auch die Befugnis der Genehmigungsbehörde, auf Antrag des Vorhabenträgers durch Vorbescheid über einzelne Fragen des genehmigungsbedürftigen Vorhabens zu entscheiden; die bloße zeitliche Vorverlagerung der Angriffsposition des Nachbarn ist solange nicht als eigenständige, einer besonderen Ermächti-
199
Allgemein zu gesetzlich nicht geregelten Vorbescheiden im Wasserrecht: fVernicke, DVB1. 1977, 914 (915 f.); Zeitler in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, Bayerisches Wassergesetz, Art. 80 Rn. 18; Czychowski, WHG, § 9 Rn. 7 m.w.N. 200 Zum negativen Vorbescheid bei gesetzlich geregelten Verfahren vgl. oben Teil 2, E.I.
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gung bedürftige Belastung anzusehen, wie sich seine Abwehrmöglichkeiten durch die gesetzlich nicht geregelte Stufung des Verwaltungsverfahrens nicht verschlechtern 201. Die Genehmigungsbehörde darf daher einen Vorbescheid unter Anwendung drittschützender Normen ohne spezielle Ermächtigung nur erteilen, wenn die geschützten Dritten in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht erkennen können, in welcher Weise sie von dem Vorhaben betroffen werden, eine eigene Prüfung der Sach- und Rechtslage für die Dritten durch die Stufung des Verwaltungsverfahrens nicht erschwert und die Mitwirkungslast durch die formale Aufteilung auf mehrere Verwaltungsverfahren insgesamt tendenziell nicht erhöht wird 2 0 2 .
IX. Auslegung des Antrags und Beratungspflicht der Behörde (§ 25 VwVfG) Die oben gemachten Ausführungen zum Ziel und zur Wirkung von Anträgen haben ergeben, daß ein verfahrensrechtlicher Antrag im Sinne des § 22 VwVfG auch dann, wenn der Inhalt des begehrten Verwaltungsaktes genau bezeichnet wird, primär auf die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens gerichtet ist und daher der zuständigen Behörde grundsätzlich auch den Weg zu einer von der Rechtsauffassung des Antragstellers abweichenden Bescheidung eröffnen kann 203 . Sodann hatten wir festgestellt, daß es vernünftige Erwägungen gibt, die den Antragsteller veranlassen können, seinen verfahrensrechtlichen Antrag auf Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens inhaltlich nicht lediglich auf eine ihn begünstigende Feststellung der Rechtslage zu begrenzen. Insbesondere kann er die Anfechtungslast gegenüber einer seiner Rechtsauffassung widersprechenden Entscheidung in Kauf nehmen, um die zuständige Behörde überhaupt zur Eröffnung eines auf die verbindliche Klärung der gesetzlichen Rechtslage gerichteten Verwaltungsverfahrens zu veranlassen. Weil der Antrag in jedem Fall einen Anspruch des Antragstellers auf fehlerfreie Ausübung des behördlichen Ermessens über die Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens eröffnet, ist die Auffassung des 8. Senats des Bundesverwaltungsgerichts abzulehnen, nach der ein Feststellungsantrag die Behörde nie ermächtigen kann, eine der Rechtsauffassung des Antragstellers widersprechende Feststellung der Rechtslage zu treffen.
201
Ebenso Salis, S. 306 ff. und Druse hei, S. 202 f., die allerdings auf das Problem der Reichweite des Antrags nicht eingehen. 202 Erichsen/Knoke, NVwZ 1983, 185 (191); Salis, S. 307 ff. (m.w.N.). Zur Vorhersehbarkeit als Voraussetzung der Präjudizialität eines Grundlagenbescheides vgl. bereits oben Teil 2, B.V.3.c)cc), G.IV.5. a.E. 203 Vgl. oben I.
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Gleichwohl ist aber auch vor der umgekehrten Interpretation zu warnen, daß derjenige, der von einer Behörde eine Unbedenklichkeitsbescheinigung, ein Negativattest oder einen anderen begünstigenden Feststellungsbescheid verlangt, immer das Risiko einer kontradiktorischen Feststellung in Kauf nimmt m. Denn in den wenigsten Fällen wird der Antragsteller selbst diffizile rechtliche Erwägungen zur Möglichkeit einer negativen Entscheidung oder gar zur Berücksichtigung anderer privater und öffentlicher Interessen im Rahmen eines behördlichen Verfahrensermessens anstellen. Er ist primär an einer positiven Sachentscheidung interessiert. Stellt er seinen Antrag auf Erlaß einer Unbedenklichkeitsbescheinigung bereits in einem frühen Planungsstadium, in dem er die wirtschaftlichen oder technischen Realisierungsmöglichkeiten noch nicht abgeklärt hat, so hat er zwar schon ein Interesse an einer begünstigenden Entscheidung; er muß aber nicht bereit sein, zur Durchsetzung dieses Interesses bereits jetzt einen Rechtsstreit zu riskieren. Hatte die Behörde dem Bürger schon mit einem Straf- oder Bußgeldverfahren oder verwaltungsrechtlichen Sanktionen gedroht, so kann es auch sein, daß der Antragsteller der zuständigen Behörde vor der Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage nur eine letzte Möglichkeit geben wollte, ein drohendes Gerichtsverfahren durch die Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung abzuwenden, bei deren Verweigerung er unmittelbar gemäß § 43 VwGO eine Feststellungsklage erheben oder auf eigenes Risiko handeln will. Die verschiedenen Interpretationen des Antrags und der zugrunde liegenden Interessenlage, die in der Literatur und Rechtsprechung zu Sachverhalten wie der 2. Wohnraumzweckentfremdungsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts 205 und den einschlägigen Urteilen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Eigenjagd" bezirk 206 , Semmelknödelrohlinge 207) gegeben worden sind, zeigen deutlich, daß allgemeine Überlegungen zum Rechtsschutzinteresse nur die erste Stufe der Auslegung sein können. Angesichts der Rechtsprechung des 8. Senats des Bundesverwaltungsgerichts kann es selbst bei einem rechtskundigen Antragsteller von Zufälligkeiten abhängen, ob er in seinem Feststellungsantrag exakt die begehrte begünstigende Feststellung nennt oder eine neutrale, ergebnisoffe-
204 So aber Drescher, DVB1. 1986, 727 (729); J. Martens, NVwZ 1987, 106; Christiane Fischer, S. 74 ff., 144 ff. 205 BVerwG, U. v. 29.11.1985 - 8 C 105.83: BVerwGE 72, 265 (267 f.), vgl. die Darstellung oben in Teil 4, C.III.6; zustimmend Schenke/Roth, WiVerw 1997, 81 (173), Druschel, S. 212 f.; a.A. Drescher, DVB1. 1986, 727 (729); J. Martens, NVwZ 1987, 106; Christiane Fischer, S. 74 ff, 144 ff.; kritisch auch P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 143. 206 U. v. 17.8.1960 - 195 IV 55, DVB1. 1960, 735 f., vgl. die Darstellung oben in Teil 4, C.III.5. 207 U. v. 18.08.1980 - 22 B 1470/79, GewArch 1981, 18, vgl. die Darstellung oben in Teil 4, C.III.5. (m.w.N.).
5 4 4 T e i l 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
ne Formulierung gebraucht (z.B. „Ich beantrage festzustellen, ob ..."). Folglich ist es Aufgabe der zuständigen Behörde, im konkreten Einzelfall die Reichweite des Feststellungsantrags durch Auslegung und ggf durch eine ergänzende Nachfrage beim Antragsteller zu ermitteln. Lediglich bei der Bitte um einen rechtsmittelfahigen Bescheid dürfte es eindeutig sein, daß der Antragsteller verfahrensrechtlich mit einer anfechtbaren Entscheidung durch Verwaltungsakt auch für den Fall einverstanden ist, daß die Behörde am Ende des Verwaltungsverfahrens zu einem von seiner Rechtsauffassung abweichenden Ergebnis kommen sollte. Im übrigen darf daher nicht einfach unterstellt werden, der Bürger übernehme mit seinem Feststellungsantrag die Anfechtungslast gegenüber einem Ablehnungsbescheid oder einem explizit seiner Rechtsauffassung widersprechenden Feststellungsbescheid. Die Verwaltung darf nicht aus eigener Machtvollkommenheit darüber entscheiden, ob die Eröffnung eines ergebnisoffenen Verwaltungsverfahrens bei einer Abwägung der mit damit verbundenen Vor- und Nachteile für den Betroffenen insgesamt so vorteilhaft ist, daß es sich für ihn lohnt, die Nachteile in Kauf zu nehmen 208 . Wenn der Inhalt des beantragten Feststellungsbescheids gesetzlich nicht geregelt ist, gilt der Dispositionsgrundsatz in der Weise, daß der Bürger mit seinem Antrag nicht nur allgemein den Verfahrensgegenstand bestimmt, sondern zugleich auch den Inhalt der begehrten Entscheidung begrenzen kann 209 . Ein dem Wortlaut nach auf den Erlaß eines begünstigenden Feststellungsbescheids gerichteter Antrag kann daher nur dann als verfahrensrechtliche, aber unter dem Vorbehalt der Anfechtung stehende Einwilligung auch in eine der eigenen Rechtsauffassung widersprechende Feststellung der Rechtslage ausgelegt werden, wenn sich eine solche Bereitschaft zur Übernahme der Anfechtungslast aus dem Antrag oder den Gesamtumständen eindeutig ergibt. Wenn der Antrag des Bürgers seinem Wortlaut nach nur auf eine begünstigende Entscheidung gerichtet ist, die Behörde ein Verwaltungsverfahren dagegen eröffnen würde, wenn der Bürger bereit wäre, die Anfechtungslast gegenüber einer negativen Sachentscheidung zu übernehmen, darf die Behörde den eng gefaßten Antrag nicht ohne weiteres ablehnen. Nach § 25 VwVfG Satz 1 soll die Behörde nämlich die Stellung oder Berichtigung von Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind. Diese Beratungspflicht gilt auch für präzisierungsbedürftige Anträge 210 . Da der Antragsteller in der Regel weder die genauen Voraussetzungen kennt, unter denen die Behörde bisher gesetzlich nicht geregelte Feststellungsverfahren eingeleitet hat, noch 208 209 210
Vgl. oben IV.3.b). Vgl. oben C.II.2. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 25 Rn. 36; Clausen in Knack, § 22 Rn. 4.5.
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deren aktuelle Erwägungen zum Opportunitäts- und Effizienzprinzip sowie zum Drittschutz erkennen kann, muß die Behörde den Bürger ggf. darüber aufklären, unter welchen Voraussetzungen sie bereit ist, ein Verwaltungsverfahren einzuleiten, das mit der begehrten begünstigenden Feststellung enden kann. Ist die Behörde nur bei Übernahme der Anfechtungslast durch den Antragsteller bereit, ein objektiv auf die Feststellung der gesetzlichen Rechte und Pflichten gerichtetes Verwaltungsverfahren einzuleiten, muß sie nach § 25 Satz 1 VwVfG daher ggf. den Antragsteller hierüber aufklären und eine entsprechende Klarstellung oder Ergänzung des bisherigen Feststellungsantrags anregen. Zweckmäßigerweise wird die Behörde in einem solchen Schreiben den Antragsteller ggf. vorsorglich zugleich gemäß § 24 VwVfG um fehlende Unterlagen oder Informationen bitten und ihm gemäß § 28 VwVfG Gelegenheit geben, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern.
X. Die Rechtsschutzzone des feststellenden Verwaltungsaktes im Vergleich zur Feststellungsklage Weder die Rechtsschutzzone der Feststellungsklage noch die des feststellenden Verwaltungsaktes ist auf „gegenwärtige" Rechtsverhältnisse beschränkt. Vielmehr ergibt sich das Interesse an einer präventiven Feststellung typischerweise gerade aus einer Rechtsungewißheit über den Umfang der eigenen Handlungsbefugnisse und der korrespondierenden Frage, ob staatliche Organe künftig zu einem Eingriff befugt sein würden, wenn der Bürger sich in einer bestimmten Weise verhält. Gegenstand der Feststellungsklage, einer Unbedenklichkeitsbescheinigimg oder eines Negativattestes ist dann ein hinreichend bestimmter, allerdings tatsächlich noch nicht (vollständig) verwirklichter Sachverhalt. Auch wenn die Verwaltung vor dem Rechtsschutzantrag des Bürgers zu dieser künftigen Rechtslage noch nicht Stellung genommen hatte, ist es möglich, in einem Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren rechtliche Feststellungen über diesen hypothetischen Sachverhalt zu treffen. Wenn auf Antrag des Betroffenen die zuständige Behörde einen feststellenden Verwaltungsakt oder das Verwaltungsgericht ein Feststellungsurteil erläßt, so wird durch diese verbindliche Entscheidung jeweils die bei einer abstraktgenerellen Formulierung gesetzlicher Rechte und Pflichten immer in einem mehr oder minder großen Umfang bestehende Rechtsunsicherheit beseitigt. Im Rahmen des vorbeugenden Rechtsschutzes bewirken beide Verfahrensarten eine verfahrensrechtliche Kompensation für die Unbestimmtheit einer Pflichtnorm. Sowohl mit einer unmittelbar erhobenen Feststellungsklage als auch mit einem Antrag auf Erlaß eines feststellenden Verwaltungsakts begehrt der Bürger eine verbindliche Konkretisierung der im Verwaltungsrechtsverhältnis geltenden Rechte und Pflichten. 35 Kracht
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
Allerdings sehen die VwGO und das VwVfG für beide Verfahrensarten unterschiedliche Sachentscheidungsvoraussetzungen vor. Während nach § 43 VwGO auf Antrag des Bürgers eine vorbeugende Feststellungsklage nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig ist, begründet der ggf. auch zu einer belastenden Verwaltungsentscheidung ermächtigende Antrag auf Einleitung eines Verwaltungsverfahrens einen Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens (§ 22 VwVfG). Darüber hinaus steht die Feststellungsklage dem Bürger als alternatives Instrument des präventiven Rechtsschutzes zumindest solange nicht zur Verfügung, wie die Verwaltung noch keine Stellungnahme zu der Frage abgegeben hat, ob eine bestimmte Verhaltensweise oder ein geplantes Vorhaben den gesetzlichen Bestimmungen (Pflichtnormen) entspricht. Als Schlüssel för den Zugang zum Verwaltungsverfahren hat der Antrag auf Einleitung eines Verwaltungsverfahrens, das auf eine verbindliche Feststellung der Rechtslage gerichtet ist, verfahrensrechtlich auch dann eine den Antragsteller begünstigende Wirkung, wenn er die Behörde ermächtigt, in Abhängigkeit von dem jetzt noch ungewissen Ergebnis ihrer Prüfung der Sach- und Rechtslage eine seine Rechtsauffassung bestätigende oder eine ihr inhaltlich (ganz oder teilweise) widersprechende Regelung zu treffen. Bei Sachverhalten, bei denen die Überwachungsbehörde eine konkrete Verhaltensweise bereits vor der Antragstellung gerügt und ausdrücklich oder konkludent die Einleitung eines Straf-, Bußgeld- oder Verwaltungsverfahrens angedroht hatte, ist der Betroffene dagegen zur Verwirklichung seines präventiven Rechtsschutzziels nicht auf die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens angewiesen. Obwohl in diesen Fällen eine vorbeugenden Feststellungs- oder Unterlassungsklage zulässig ist, kann der Bürger sowohl unter Zeit- als auch unter Kostengesichtspunkten daran interessiert sein, die streitige Frage zunächst im Verwaltungswege auszutragen und dort vielleicht endgültig zu klären. Die zuständige Behörde hat bei der Ausübung des Ermessens, ob und wann sie ein gesetzlich nicht geregeltes Verwaltungsverfahren eröffnet und zu diesem Zweck ggf. andere Verwaltungsaufgaben zurückstellt, das öffentliche und das private Interesse des Antragstellers an der Wahrnehmung des ihr übertragenen Rechtsschutzauftrags mit den gegenläufigen öffentlichen und privaten Interessen abzuwägen. Bei dieser Abwägung gibt es keine starre Grenze, bei der sich allein aus einem Feststellungsinteresse des Antragstellers ein Anspruch auf sofortige Feststellung ableiten läßt. Vielmehr hat die Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung zunächst die sonstigen konkreten Umstände des Einzelfalls, insbesondere die vorhandenen - bzw. zumeist fehlenden - personellen und sachlichen Kapazitäten, die Art und den Umfang der sonstigen Verwaltungsaufgaben sowie sonstige legitime Ermessenserwägungen zu berücksichtigen.
C. Verwaltungsakte in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren
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Gegenüber dem Gerichtsverfahren ist das Verwaltungsverfahren ein aliud, das nicht nur eine Rechtsschutzfunktion hat. Seine Eröffnung steht im pflichtgemäß auszuübenden Ermessen der zuständigen Behörde, so daß sie auf Antrag ein Verwaltungsverfahren auch dann eröffnen darf, wenn ein nach der VwGO zur Zulässigkeit einer korrespondierenden Feststellungsklage führendes Interesse an einer vorbeugenden Feststellung (noch) nicht besteht211. Eine Ermessensreduzierung auf Null und damit eine grundsätzliche Verpflichtung zur Einleitung eines Verwaltungsverfahrens liegt jedenfalls dann vor, wenn das Feststellungsinteresse des Antragstellers so groß ist, daß bei einer unmittelbar erhobenen verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage nach § 43 Abs. 2 VwGO ein berechtigtes Interesse an einer baldigen Feststellung durch das Verwaltungsgericht zu bejahen wäre. Denn auch der Prozeß würde die beklagte Behörde zu einer Prüfung und Stellungnahme zur Rechtslage zwingen, zusätzlich müßte sich allerdings mit dem Gericht noch ein zweites Rechtsanwendungsorgan mit der Sache befassen. Der bei einer Ermessensreduzierung auf Null gemäß § 22 VwVfG bestehende Anspruch auf Einleitung eines behördlichen Feststellungsverfahrens und das berechtigte Interesse am Erlaß eines Feststellungsurteils im Sinne des § 43 VwGO sind deshalb als zwei unterschiedliche Ausprägungen eines einheitlichen Anspruchs auf verbindliche Klärung der Rechtslage anzusehen, den der Bürger unter den in § 43 VwGO festgelegten Voraussetzungen gegen eine Behörde hat, die ihm gegenüber für die Anwendung und den Vollzug dieser Verwaltungsrechtsnorm zuständig ist. Folglich kann die Zulässigkeit einer vorbeugenden Feststellungs- oder Unterlassungsklage nie zur Unzulässigkeit eines Antrags auf Erlaß einer Unbedenklichkeitsbescheinigung, eines Negativattestes oder eines anderen Verwaltungsaktes mit präventiver Rechtsschutzfunktion führen. Selbst bei grundsätzlicher Anerkennung eines Anspruchs auf behördliche Feststellung (Ermessensreduzierung über das „Ob"), verbleibt der Behörde allerdings gemäß § 22 VwVfG noch ein Ermessen über die Reihenfolge der Erledigung ihrer Verwaltungsaufgaben (das „Wann"). So könnte die Lebensmittelüberwachungsbehörde beispielsweise eine Entscheidung darüber, ob eine bestimmte Werbebehauptung auf einer Lebensmittelverpackung gegen das gesetzliche Verbot einer „irreführenden Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung" (§ 17 Abs. 1 Nr. 5 LMBG) verstößt 212 oder eine Entscheidung darüber, ob ein Importeur mit Stichproben, die er routinemäßig bei 5 Prozent aller eingeführten Lebensmittel einer bestimmten Art durchführt, seinen gesetzlichen
211 Stelkens, NVwZ 1997, 471 (472) in krit. Auseinandersetzung von BVerwG, U. v. 23.5.1986 - 8 C 5/85, NVwZ 1986, 1011 (1012). 212 Vgl. den Sachverhalt einer entsprechenden Feststellungsklage in Hess. VGH, U. v. 17.12.1985 - 9 UE 2162/85, NVwZ 1985,446.
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
Warenuntersuchungspflichten genügt 213 , solange zurückstellen, wie sie im Rahmen eines akuten Lebensmittelskandals ihr Personal vorrangig einsetzen muß, um die konkrete Gefahr zu bekämpfen, daß ein in hohem Maße gesundheitsschädliches Lebensmittel in Verkehr gebracht wird. Wenn in dem Verwaltungsverfahren keine drittschützenden Normen anzuwenden sind, darf die zuständige Behörde ein Verwaltungsverfahren u.U. auch dann eröffnen, wenn der Antragsteller ausschließlich einen begünstigenden Bescheid begehrt. Das einen Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des Verfahrensermessens (§ 22 Satz 1 VwVfG) auslösende Feststellungsinteresse des Antragstellers muß auch nicht die von § 43 VwGO vorausgesetzte Intensität erreichen. So kann die Behörde z.B. mit der Einleitung eines auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung gerichteten Verwaltungsverfahrens das Ziel verfolgen, einem potentiellen Investor den Entschluß zu erleichtern, seine noch vagen Pläne zur Ausführung eines Arbeitsplätze oder Wohnraum sichernden Investitionsvorhabens auf einer gesicherten Rechtsgrundlage weiter zu verfolgen. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung wäre dann quasi eine Serviceleistung im Rahmen einer kommunalen oder regionalen Gewerbeansiedlungs- oder Investitionsförderungspolitik. In ihrer Funktion nähert sie sich dann einer Zusicherung an 214 . Wenn solche besonderen Umstände nicht vorliegen, wäre die Entscheidung, ein ausschließlich auf einen begünstigenden Verwaltungsakt ausgerichtetes Verwaltungsverfahren zu eröffnen, jedoch entgegen der Rechtsprechung des 8. Senats des Bundesverwaltungsgerichts 215 im Hinblick auf die konkurrierenden Verwaltungsaufgaben und den Anspruch aller Bürger auf einen verantwortungsvollen Umgang mit ihren Steuermitteln in der Regel ermessensfehlerhaft. Denn typischerweise herrscht in der öffentlichen Verwaltung heute ein akuter Mangel an Personal und an sachlichen Mitteln, demzufolge in vielen Verwaltungsbereichen ein Vollzugsdefizit zu beklagen ist.
213 Vgl. den Sachverhalt einer entsprechenden Feststellungsklage in BVerwG, U. v. 7.5.1987 - 3 C 53/85, BVerwGE 77, 207 = NVwZ 1988,430 (mit Klageanträgen). 214 In seiner Kritik des Urteils des 8. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.5.1986 - 8 C 5/85, NVwZ 1986, 1011 (1012), nimmt Stelkens, NVwZ 1997, 471 f. an, die Behörde sei auf Antrag zum Erlaß einer als Verwaltungsakt zu qualifizierenden Zusicherung befugt; dementsprechend habe der potentiell durch den zugesicherten Verwaltungsakt begünstigte Antragsteller einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung über den Erlaß einer solchen Zusicherung. 215 3. Wohnraumzweckentfremdungsurteil v. 1.10.1986 - 8 C 53/85, NJW 1987, 969 (vgl. Teil 4, C.III.6. a.E.).
C. Verwaltungsakte in einem auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren
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XI. Sachgerechte Verteilung der Rechtsanwendungspflichten und -risiken zwischen Bürger und Verwaltung Bei der Beurteilung der Befugnis und ggf. Verpflichtung der zuständigen Behörde, auf Antrag des Bürgers über dessen Rechte und Pflichten zu entscheiden, geht es darum, wie die Rechtsanwendungspflichten und -risiken bei pflichtenbegründenden Normen sachgerecht und gesetzeskonform zwischen Bürger und Verwaltung zu verteilen sind. Diese Frage ist von besonderer Relevanz, wenn der Bürger erkennen kann, daß er möglicherweise kraft Gesetzes zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet ist. Hat der Gesetzgeber die Regelungstechnik der Begründung bestimmter Verhaltenspflichten unmittelbar kraft Gesetzes gewählt, so hat er damit auch den potentiellen Normadressaten die Pflicht auferlegt, diese Pflichtnormen anzuwenden und zunächst in eigener Verantwortung aufzuklären, ob sie gesetzlich zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen verpflichtet sind. Die Auferlegung einer solchen Verantwortung ist grundsätzlich gerechtfertigt. Denn erst mit dem Gebrauch der grundrechtlichen Freiheiten ergibt sich aus der abstrakten Möglichkeit, daß die Anwendung der abstrakt-generellen Norm wegen ihrer Offenheit nicht zu eindeutigen Ergebnissen führt, im konkreten Einzelfall das Risiko eines Normverstoßes und zugleich die konkrete Gefahr einer nachträglichen staatlichen Sanktion. Weil die Grundrechte dem Bürger einen Freiraum zur eigenverantwortlichen Gestaltung seines Lebens und seiner wirtschaftlichen Aktivitäten in den im Grundrecht genannten Grenzen gewähren, muß er selbst auch Verantwortung für seinen Freiheitsgebrauch tragen; Freiheit und Verantwortlichkeit für das eigene Tun lassen sich nicht von einander trennen. Ein gewisser Zweifel darüber, welche Rechtsfolgen sich im Einzelfall aus einer Vorschrift ergeben, ist jeder abstrakt-generellen Normsetzung immanent. Da die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte einen Eingriff in Freiheit und Eigentum unmittelbar durch Gesetz zulassen, ist die Regelungstechnik einer gesetzlichen Pflichtnorm grundsätzlich mit dem Grundgesetz zu vereinbaren und zwar auch dann, wenn das Gesetz an einen Normverstoß schwerwiegende Sanktionen knüpft. Dem mit der Regelungstechnik einer gesetzlichen Pflichtnorm verfolgten gesetzgeberischen Ziel, das Verhalten des Bürgers unmittelbar, d.h. ohne Zwischenschaltung von Vollzugsakten der vollziehenden oder rechtsprechenden Gewalt zu steuern, widerspräche es, dem Bürger einen Verstoß gegen eine Pflichtnorm nur dann zuzurechnen, wenn die Behörde ihn über die nach ihrer Auffassung geltenden Rechte und Pflichten aufgeklärt hat oder das Bestehen einer gesetzlichen Verpflichtung für den Bürger ausnahmsweise evident war, wie dies das OVG Berlin 216 bei seiner vermeintlich verfassungskonformen 216
773 ff.
OVG Berlin, U. v. 3.1.1997 - 2 B 10/93, LKV 1998, 152 (154 f.) = BauR 1998,
5 5 0 T e i l 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
Interpretation des nachrichtlichen Schutzsystems des Berliner Denkmalschutzgesetzes gemacht hat. Wenn der Bürger erkennen kann, daß sein Verhalten möglicherweise gegen bestimmte gesetzliche Pflichten verstößt, besteht kein Anlaß, ihn sofort von seiner gesetzlichen Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung seiner Rechte und Pflichten zu befreien. Bei einem „Anfangsverdacht" ist es dem Bürger grundsätzlich zuzumuten, sich, ggf. mit Hilfeeines Rechtsanwaltes oder anderer geeigneter Informationsquellen, über die Rechtslage zu informieren und erforderlichenfalls bei der zuständigen Behörde einen Feststellungsbescheid zu beantragen, ob sein Vorhaben mit den einschlägigen Vorschriften vereinbar ist bzw. ob und ggf. in welchem Umfang sein Eigentum bestimmten Schutzbestimmungen unterliegt. Verzichtet er auf einen zumutbaren präventiven Rechtsschutz durch Verwaltungsverfahren oder - soweit diese bereits zulässig ist - eine verwaltungsgerichtliche Feststellungs- oder Unterlassungsklage, so muß er später sowohl in einem Straf- oder Bußgeldverfahren als auch bei einer Anfechtungsklage gegen verwaltungsrechtliche Maßnahmen, die aufgrund des Normverstoßes eingeleitet werden, grundsätzlich das Risiko einer eigenen Fehlbeurteilung der Rechtslage tragen. Wer sich „freiwillig", unter Verzicht auf bestehende Möglichkeiten eines präventiven Rechtsschutzes, in eine rechtliche „ Grauzone" hineinbegibt, verdient keinen uneingeschränkten Schutz. Unwissenheit schützt dann weder vor Strafe noch vor verwaltungsrechtlichen Nachteilen. Entscheidet die Behörde innerhalb angemessener Fristen nicht über die Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung, so ist der Umstand, daß der Bürger nur auf eigenes Risiko handeln konnte, bei den Rechtsfolgen eines unrechtmäßigen Verhaltens zu berücksichtigen und zwar unabhängig davon, ob der feststellende Verwaltungsakt wegen einer nachvollziehbaren anderweitigen Prioritätensetzung, einer Überlastung der Behörde oder wegen eines Ermessensfehlers nicht erlassen wurde. Die Mitverantwortung des Staates, die im Einzelfall zu einer völligen Entlastung des Bürgers vom Risiko einer Fehlbeurteilung der Rechtslage führen kann, beruht dann auf der Verantwortung des Gesetzgebers für die Unbestimmtheit der Pflichtnorm und der Nichtgewährung präventiven Rechtsschutzes durch die vollziehende und ggf. die rechtsprechende Gewalt. Entscheidet die Verwaltung nicht über den Feststellungsantrag, so kann der Antragsteller ggf. Verpflichtungs- oder Bescheidungsklage erheben. In diesem Fall kann auch eine Verzögerung der Entscheidung, nach der ein weiteres Abwarten nicht mehr zumutbar ist, eine staatliche Mitverantwortung für das Verhalten des Bürgers begründen.
D. Verwaltungsakte zur Regelung von Zahlungsansprüchen
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D. Verwaltungsakte zur Regelung und Durchsetzung von Zahlungsansprüchen I. Die Kompetenz zur Geltendmachung fälliger Zahlungsansprüche Hat einer der an einem Rechtsverhältnis Beteiligten durch sein reales Verhalten nach Ansicht des anderen Beteiligten dessen materielles Recht verletzt, so räumen die jeweiligen Prozeßordnungen für alle zivil- und öffentlichrechtlichen sowie für öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehungen teilweise auch die einschlägigen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts eine Befugnis zur Geltendmachung der Rechtsverletzung ein, um durch eine verbindliche und vollstreckbare Entscheidung eine Verwirklichung bzw. Wiederherstellung des Rechts zu erreichen. In der behaupteten Überschreitung der rechtlichen Grenzen der vom (potentiellen) Rechtsverletzer in Anspruch genommenen Handlungsfreiheit liegt die sachliche Rechtfertigung dafür, ihn im Rechtserkenntnisverfahren zu einer Stellungnahme zu seinen Rechten und Befugnissen zu zwingen1. Aufgrund der verwaltungsgerichtlichen Generalklausel des § 40 VwGO können nicht nur Bürger, sondern auch Behörden zur Durchsetzung ihrer öffentlich-rechtlichen Ansprüche eine allgemeine Leistungsklage vor den Verwaltungsgerichten erheben. Hierbei gilt der allgemeine prozeßrechtliche Grundsatz, daß ein Rechtsschutzinteresse für die Geltendmachimg falliger Ansprüche grundsätzlich zu bejahen ist; ebenso wie die anderen Prozeßordnungen hat die VwGO das Rechtsschutzbedürfiiis als allgemeine und im Regelfall bestehende Sachurteilsvoraussetzung deshalb nicht explizit geregelt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entfallt das Rechtsschutzinteresse für eine allgemeine Leistungsklage einer Behörde i.d.R. auch dann nicht, wenn diese nach der jeweiligen gesetzlichen Regelung zwar befugt, aber nicht ausdrücklich verpflichtet ist, ihren Anspruch durch Verwaltungsakt geltend zu machen2. Gibt das materielle Recht einer Behörde einen Anspruch gegen einen Bürger, so ist sie kraft dieses verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses als Gläubigerin berechtigt, von dem Schuldner diese Leistung zu fordern (vgl. § 241 BGB). Zahlungsansprüche sind in unserer Rechtsordnung mit ihrer Entstehung grundsätzlich fällig und durchsetzbar. In Normen, die einen Bürger zu einer Geldzahlung an die öffentliche Hand verpflichten, wird der Anspruch fast 1
Trzaskalik, S. 24. BVerwGE 25, 280 (290); BVerwG, U. v. 24.09.1987 - 2 C 3/84, DVB1. 1988, 347 (348); Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs. 1 VwGO Rn. 171 (m.w.N.); a.A. BSG, U. v. 3.9.1986 - 9a RV 10/85, JURIS Nr. KSRE019113327 = DVB1. 1987, 247 (248); Kopp/Schenke, VwGO, vor § 40 Rn. 50. 2
5 5 2 T e i l 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
immer bereits einem bestimmten Verwaltungsorgan zugeordnet 3 und damit - im Gegensatz zu den meisten gesetzlichen Verboten und vielen anderen gesetzlichen Geboten - in einer über das allgemeine Gewaltverhältnis hinausgehenden Weise konkretisiert. Begründet ein Gesetz eine Verpflichtung des Bürgers, eine Geldsumme an eine bestimmte Verwaltungsbehörde zu zahlen, so enthält diese Rechtsnorm folglich eine immanente Ermächtigung dieser Behörde, den Anspruch als Organ der anspruchsberechtigten juristischen Person des öffentlichen Rechts bei Fälligkeit in einem Rechtsanwendungsverfahren geltend zu machen, das zu einer verbindlichen und vollstreckbaren Entscheidimg führt.
II. Klage oder Verwaltungsakt? Fraglich bleibt also bei Zahlungsansprüchen allein die Rechtsform der Geltendmachung durch die Verwaltung, nämlich entweder durch den Erlaß einer eigenen Verfügung oder durch die Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Leistungsklage4. Da nicht nur der Verwaltungsakt, sondern auch die klageweise Geltendmachung zu einem Rechtsverlust des Bürgers führt, wenn das verbindlich entscheidende Staatsorgan das materielle Verwaltungsrecht fehlerhaft anwendet, reduziert sich die Vorbehaltsfrage hier - im Gegensatz zu den behördlichen Maßnahmen zur und im Vorfeld der Gefahrenabwehr 5 - ausnahmsweise wirklich einmal auf die Frage nach der zulässigen Rechtsform des Verwaltungshandelns. Es geht nur darum, welches Verfahren die zuständige Behörde zur Geltendmachung ihres Anspruchs beschreiten darf: Beinhaltet die Befugnis zur Geltendmachung implizit eine Ermächtigung zur Regelung durch Verwaltungsakt oder bedarf die Verwaltung hierfür einer besonderen gesetzlichen Befugniszuweisung? Wenn keine ausdrückliche oder konkludente Regelung über das anzuwendende Verfahren besteht, so ist eine staatliche Ansprüche oder Befugnisse begründende Norm nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz so auszulegen, daß sie im Zweifel nur zu dem geringstmöglichen Eingriff durch Organe der öffentlichen Gewalt ermächtigt. Nach den grundgesetzlichen Wertungen bietet die richterliche Entscheidung eines unabhängigen Dritten für den Bürger die größtmögliche Richtigkeitsgewähr, zu deren Herbeiführung dem Bürger bei einem möglicherweise rechtswidrigen Verwaltungsakt eine zusätzliche Anfechtungslast aufgebürdet wird. Die konkretisierende Verfügung bildet zudem
3 4 5
Christiane Fischer, S. 138. Christiane Fischer, S. 138. Vgl. oben B.III.
D. Verwaltungsakte zur Regelung von Zahlungsansprüchen
553
einen Titel, der unter bestimmten Voraussetzungen ohne gerichtliche Entscheidung (vorläufig) vollstreckbar sein kann. Deshalb führt die verbindliche Regelung durch Verwaltungsakt auch bei falligen Zahlungsansprüchen grundsätzlich zu zusätzlichen rechtsformspezifischen Belastungen des Bürgers, die mit dem alternativen Weg der Durchsetzung nicht verbunden wären 6. Aufgrund des Vorbehaltes des Gesetzes bedarf die Verwaltung für die Durchsetzung ihrer gesetzlichen Zahlungsansprüche durch Verwaltungsakt einer besonderen Ermächtigungsnorm, welche sie zu den zusätzlichen mit diesem Verfahren verbundenen Belastungen des Bürgers legitimiert 7 .
I I I . Die Feststellung von Zahlungsansprüchen dem Grunde nach Sofern eine gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß eines anspruchskonkretisierenden oder anspruchsbegründenden Leistungsbescheides besteht, ist die zuständige Behörde aufgrund der Überlegungen zum argumentum a fortiori, die oben bereits für allgemeine gesetzliche Pflichten entwickelt wurden 8, grundsätzlich auch ermächtigt, die Geldleistungspflicht zunächst nur durch einen feststellenden Verwaltungsakt verbindlich zu konkretisieren 9. Läßt man näm-
6
Vgl. oben Teil 5, B.III. OVG Lüneburg, U. v. 15.3.1988 - 10 A 14/87, NVwZ 1989, 880 (881 f.); Nieders. OVG, U. v. 19.6.1996 - 13 L 6935/95, NJW 1996, 2947 (vgl. die Darstellung dieser Entscheidungen oben in Teil 4, B.II.); Rupp, DVB1. 1963, 577 (578 f.); Renck, JuS 1965, 129 (131 ff.); Pietzner, JA 1973, 413 f.; Grosser, VerwArch 17 (1984), 329 (339 ff.); Hill, DVB1. 1989, 321 (322 ff.); Rubel, JA-Ü 1990, 86 (87); Löwenberg, S. 74 ff.; Arbeiter, S. 127 ff.; Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 15 Rn. 4; Wolff/Bachof/ Stober, VerwR I, § 30 Rn. 19, § 45 Rn. 13 f.; Henneke in Knack, vor § 35 Rn. 7.2.2.; P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 21 f.; Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 278 ff.; a.A. Kopp, VwVfG, § 35 Rn. 3; ders., Verfassungsrecht, S. 209 ff.; ders., GewArch 1986, 41 (44 f.); König, BayVBl. 1987, 261 (264); H. Meyer in Meyer/Borgs, § 35 Rn. 76 f.; Maurer, Allg. VerwR, § 10 Rn. 5-7; Bull, Rn. 598; Schmidt-Salzer, VerwArch 62 (1971), 135 (148 ff.); J. Martens, NVwZ 1987, 106 (108); Enuschat, JuS 1998, 905 (908); Borgs-Maciejewski, Die Durchsetzung vermögensrechtlicher Ansprüche, S. 99 ff.; Ulf Fischer S. 65, 80; Schmidt-Salzer, VerwArch 62 (1971), 135 (148 ff.); J. Martens, NVwZ 1987, 106 (108); Enuschat, JuS 1998, 905 (908); Christiane Fischer, S. 138. Weitere Nachweise oben in Teil 4, A.I.2. und B.II. 8 Vgl. oben B.V.2.b)aa). 9 BVerwGE 67, 163 (165); BVerwG, U. v. 15.01.1987 - 3 C 3/81, JURIS Nr. WBRE100358703 = BVerwGE 75, 318 (319) und BVerwG, U. v. 22.11.1994 1 C 22/92, JURIS Nr. WBRE410000672 = BVerwGE 97, 117 (zur Feststellung der Beitragspflicht durch den Pensions-Sicherungs-Verein gem. § 10 BetrAVG); BayVGH, U. v. 20.9.1967 - Nr. 155 IV 65, BayVBl. 1968, 207; OVG Berlin, B. v. 28.10.1999 2 N 9/99, NVwZ-RR 2000, 649 (650); König, BayVBl. 1987, 261 (264). Clausen in Knack, § 9 Rn. 5.3; Kopp, VwVfG, § 9 Rn. 38, 40 ff. (m.w.N.). 7
5 5 4 T e i l 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
lieh bei einer isolierten Betrachtung zunächst die Belastungen unberücksichtigt, die durch eine Aufspaltung der Entscheidung in zwei Verwaltungsverfahren und zwei Anfechtungsprozesse entstehen können, so bleibt ein die Zahlungspflicht nur feststellender Bescheid in seinen belastenden Rechtswirkungen hinter denen zurück, die eine Verfügung für den Betroffenen mit sich bringen würde. Regelt ein feststellender Verwaltungsakt den Anspruch vollständig dem Grund und der Höhe nach, so nimmt der Verzicht auf den Leistungsbefehl der Regelung gleichwohl die Rechtsfolge der Vollstreckbarkeit, weil die Verwaltungsvollstreckungsgesetze des Bundes und der Länder eine behördliche Vollstreckung wegen Geldforderungen nur aus Leistungsbescheiden zulassen, d.h. befehlenden Verwaltungsakten, durch die der Schuldner zur Leistung aufgefordert worden ist (vgl. z.B. § 3 Abs. 2 Buchstabe a) VwVG des Bundes). Wird in einem Feststellungsbescheid das Bestehen eines Zahlungsanspruches darüber hinaus nur dem Grunde, nicht aber der Höhe nach festgestellt, so bildet die Regelung ihrem Inhalt nach nur einen Ausschnitt aus der im Leistungsbescheid möglichen Konkretisierung des materiellen Anspruchs. Aufgrund des Vorrang des Gesetzes ist der Verwaltung der Erlaß eines solchen feststellenden Verwaltungsaktes verboten, wenn der Weg der Anspruchsverwirklichung durch eine befehlende Verfügung zwingend vorgeschrieben ist 10. Andernfalls ist zu prüfen, ob die Verfahrensgestaltung mit einer gesonderten Vorabentscheidung gegen Art. 19 Abs. 4 GG verstößt, weil sie dem Betroffenen eine unzumutbare Anfechtungslast auferlegt 11. Dies wäre der Fall, wenn die Aufspaltung eines einheitlichen Verfahrens mit eng zusammenhängenden Sach- und Rechtsfragen dem Betroffenen eine effektive Rechtsverteidigung erschweren würde. Außerdem ist die Verfahrensstufung nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip unzulässig, wenn kein legitimes öffentliches Interesse an dem Erlaß eines solchen Feststellungsbescheids als Zwischenstufe zwischen unverbindlicher Zahlungsaufforderung und Leistungsbescheid existiert. Denn bei jeder Aufspaltung einer vom Gesetzgeber als einheitlich gedachten Regelung läuft der Betroffene Gefahr, zur Abwehr eines letztlich zu Unrecht geltend gemachten Anspruches zwei Prozesse führen zu müssen. Hierbei kann er nicht sicher sein kann, mit welchem seiner Argumente gegen eine Zahlungspflicht er vor Gericht Erfolg haben wird. Es kann ihm also passieren, daß er den vorsorglich schon gegen den Grundlagenbescheid angestrengten Prozeß kostenpflich-
10
Vgl. oben Teil 3, B. Ohne Begründung ebenso BVerwGE 67, 163 (165); BVerwG, U. v. 15.01.1987 - 3 C 3/81, JURIS Nr. WBRE100358703 = BVerwGE 75, 318 (319). 11 BVerwG, U. v. 15.01.1987 - 3 C 3/81, JURIS Nr. WBRE100358703 = BVerwGE 75, 318 (319): Feststellung der Beitragspflicht durch den Pensions-Sicherungs-Verein gem. § 10 BetrAVG. Zur vorgelagerten Frage, ob dieser Beliehene überhaupt zum Erlaß von Beitragsbescheiden und anderen Verwaltungsakten zur Konkretisierung gesetzlicher Pflichten ermächtigt ist, vgl. sogleich unter E.
D. Verwaltungsakte zur Regelung von Zahlungsansprüchen
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tig verliert, im Anfechtungsprozeß gegen den Folgebescheid aber überwiegend obsiegt, wenn der von der Verwaltung mit beiden Bescheiden geltend gemachte Anspruch nur zu einem Teil besteht. Ist die Verwaltung ermächtigt, zur Durchsetzung eines Zahlungsanspruchs eine Verfügung zu erlassen, so darf die Zulässigkeit und Zweckmäßigkeit einer isolierten Feststellung deshalb nicht ohne weiteres bejaht werden, sondern ist in entsprechender Anwendung der fiir das Grundurteil (§111 VwGO, § 304 ZPO) 12 und för die Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO, § 256 Abs. 1 ZPO) 13 geltenden Grundsätze zu beurteilen. Ein feststellender Verwaltungsakt ist beispielsweise zulässig, wenn die Ungewißheit oder der Streit zwischen den am Verwaltungsrechtsverhältnis Beteiligten (vorerst) nur den Anspruchsgrund betrifft und zu erwarten ist, der Adressat werde fähig und bereit sein, aufgrund der Feststellung seiner Verpflichtung nachzukommen14. In einem solchen Fall stellt der Erlaß eines Grundlagenbescheides auch für den Adressaten eine verfahrensrechtliche Erleichterung dar, weil er sich in diesem Stadium der rechtlichen Auseinandersetzung mit der Behörde noch nicht mit der Höhe der Abgabenforderung auseinandersetzen muß 15 . Wenn sich ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch der Verwaltung summenmäßig noch nicht genau beziffern läßt, besteht im Hinblick auf die beschleunigte Klärung der Rechtslage gleichfalls ein legitimes öffentliches Interesse an der Vorabentscheidung 16. Können aus einem bestimmten Lebenssachverhalt kraft Gesetzes immer wieder gleichartige Abgabepflichten erwachsen 17, so ist ein Grundverwaltungsakt, der für mehrere Folgebescheide Verbindlichkeit beansprucht, jedenfalls 12
Kopp, VwVfG, § 9 Rn. 39 ff.; Clausen in Knack, § 9 Rn. 5.3. Zur Subsidiarität im Verwaltungsprozeß vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 43 Rn. 28; Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 43 Rn. 40-45; zum fehlenden Feststellungsinteresse im Zivilprozeß vgl. Jauernig, § 35 III.l.; Thomas/Putzo, § 256 Rn. 18; speziell zum Ausschluß der Feststellungsklage durch andere Rechtsbehelfe Schumann in Stein/Jonas, § 256 Rn. 79-97. 14 BayVGH, U. v. 20.9.1967 - Nr. 155 IV 65, BayVBl. 1968, 207; König, BayVBl. 1987, 261 (264). 15 BVerwG, U. v. 15.01.1987 - 3 C 3/81, JURIS Nr. WBRE100358703 = BVerwGE 75,318(319). 16 Zur entsprechenden Funktion der Feststellungsklage vgl. Jauernig, § 34 H.2.; Kopp/Schenke, VwGO, § 43 Rn. 29. 17 Aus diesem Grund bestand bei dem vom BayVGH mit Urteil vom 20.9.1967 - Nr. 155 IV 65, BayVBl. 1968, 207, entschiedenen Fall ein Interesse der Gemeinde, die Kurabgabepflicht der Besucher eines Hotels gegenüber dessen Inhaber für alle gegenwärtigen und künftigen Fälle dem Grunde nach durch einen besonderen Feststellungsbescheid zu klären. Denn beim Erlaß eines Leistungsbescheides wäre die Anwendbarkeit des Abgabetatbestandes nur eine präjudizielle Vorfrage gewesen, die nicht mit Wirkung für künftige Fälle an der Bestandskraft der Regelung teilgenommen hätte. 13
5 5 6 T e i l 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
dann zulässig, wenn der Adressat den seine Zahlungspflicht begründenden Tatbestand zumindest einmal verwirklicht hat und der Betroffene Inhalt und Umfang der präjudiziellen Wirkung für künftige Zahlungspflichten grundsätzlich erkennen kann. Denn dann ist der Tatbestand der zur verbindlichen Regelung ermächtigenden Norm erfüllt und das Rechtsverhältnis im Hinblick auf die zu regelnde Rechtsfrage zumindest potentiell streitbefangen 18. Die Feststellung der Geldleistungspflicht dem Grunde nach kann dann entweder als isolierte Feststellung vorab ergehen oder mit einem vollstreckbaren Leistungsgebot, das eine verbindliche Konkretisierung der bereits fälligen Forderung enthält, zu einem teils nur feststellenden und teils auch befehlenden Verwaltungsakt verbunden werden.
IV. Keine Ermächtigung durch §§ 1 und 3 V w V G und landesrechtliche Parallelbestimmungen Es ist heute allgemein anerkannt, daß sich eine Ermächtigung zum Erlaß von Leistungsbescheiden nicht schon aus den §§ 1 VwVG des Bundes bzw. den Parallelbestimmungen in den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen der Länder ergibt. Zwar bestimmt § 1 Abs. 1 VwVG, daß öffentlich-rechtliche Geldforderungen des Bundes im Verwaltungswege vollstreckt werden und nach § 3 Abs. 2 Buchstabe a) VwVG gehört ein Leistungsbescheid, durch den der Schuldner zur Leistung aufgefordert worden ist, zu den Voraussetzungen für die Einleitung der Vollstreckung. Gleichwohl verleihen diese Bestimmungen der Behörde nicht stillschweigend eine Befugnis zum Erlaß eines Leistungsbescheides. Denn nach § 1 Abs. 2 VwVG sind öffentlich-rechtliche Geldforderungen, die im Wege des Parteistreites vor den Verwaltungsgerichten verfolgt werden oder für die ein anderer Rechtsweg als der Verwaltungsrechtsweg begründet ist, von der Verwaltungsvollstreckung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes ausgenommen. Die Verwaltungsvollstreckungsgesetze gehen also selbst davon aus, daß nicht alle öffentlich-rechtlichen Geldforderungen von Bund, Ländern, Gemeinden und sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts 18
Ähnlich dem Rechtsgedanken der Verfahrensökonomie bei der Zwischenfeststellungsklage gem. § 256 Abs. 2 ZPO (vgl. Jauernig, § 35 III.2.) kann dann auf ein besonderes, einen belastenden Verwaltungsakt rechtfertigendes Feststellungsinteresse, dessen Regelung dem Gesetzgeber vorbehalten wäre, verzichtet werden. Denn durch eine derartige Vorabentscheidung wird die Anfechtungslast durch die Präjudizwirkung für alle künftigen Fälle vermindert und das Risiko einer fehlerhaften Rechtsanwendung verglichen mit der Summe aller künftigen Streitfälle - weder quantitativ noch qualitativ erhöht. Kann also über den Grund der Leistungspflicht ohnehin in einem Verwaltungsverfahren incidenter entschieden werden, so stellt der Weg eines Feststellungsverfahren keinen zusätzlichen Eingriff in die Rechtsspähre des als Abgabeschuldner in Anspruch Genommenen dar.
D. Verwaltungsakte zur Regelung von Zahlungsansprüchen
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im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchgesetzt werden können. Der Leistungsbescheid ist nach § 3 Abs. 2 Buchstabe a) VwVG Voraussetzung, nicht aber Maßnahme der Vollstreckung. Dementsprechend kann aus den Bestimmungen der Verwaltungsvollstreckungsgesetze keine Berechtigung zum Erlaß eines Leistungsbescheides abgeleitet werden 19 ; sie enthalten Kompetenznormen, die zu einer zwangsweisen Durchsetzung von Verwaltungsakten, nicht aber zu deren Erlaß ermächtigen.
V. Keine gewohnheitsrechtliche Anerkennung der Verwaltungsaktbefugnis Wenn Enuschat20 unter Bezugnahme auf BVerwGE 19, 243 (245) und Kopp 21 in seinem Kommentar zum VwVfG noch im Jahre 1998 annahmen, es sei gewohnheitsrechtlich anerkannt, daß die Verwaltung zumindest dann, wenn Staat und Bürger in Bezug auf das konkrete Rechtsverhältnis in einem Überund Unterordnungsverhältnis stünden, ihre Zahlungsansprüche durch Verwaltungsakt festsetzen könne, so widerlegt bereits die von ihm selbst zitierte jüngere Rechtsprechung die für eine gewohnheitsrechtliche Anerkennung notwendige allgemeine Rechtsüberzeugung 22. Denn nach der heute h.M. 23 bedürfen auch die eine gesetzliche Zahlungspflicht konkretisierenden Verfügungen aus den bereits dargestellten Gründen einer gesetzlichen Ermächtigung.
V I . Teleologisch-systematische Interpretation eines Gesetzes, das gesetzliche Zahlungspflichten und Vollstreckungsnormen enthält Demgegenüber ergibt sich eine Ermächtigung zum Erlaß eines Leistungsbescheides im Wege einer teleologisch-systematischen Interpretation, wenn ein Gesetz sowohl eine zur Zahlung verpflichtende materielle Pflichtnorm als auch eine Vorschrift enthält, nach der diese Zahlungspflicht nach den Vorschriften eines Verwaltungsvollstreckungsgesetzes des Bundes oder Landes vollstreckt werden kann. Weil nach den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen gesetzliche Zahlungspflichten nicht unmittelbar, sondern nur in einem Leistungsbescheid
19
BVerwG, U. v. 24.6.66 - VI C 183.62, BVerwGE 24, 225 (234 f.); BVerwG, U. v. 28.6.1969 - VII C 118.66, DVB1. 1969, 665 (666); Arbeiter, S. 52 f.; Pietzner, JA 1973, 413 (414 m.w.N.); Osterloh, JuS 1983, 280 (281); Druschel, S. 83 (m.w.N.); Christiane Fischer, S. 42 f. 20 JuS 1998, 905 (908). 21 VwVfG, § 35 Rn. 3. 22 Vgl. oben Teil 6, C.I. 23 Vgl. oben Fn. 7.
558
Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
enthaltene Geldforderungen im Wege des Verwaltungszwangs vollstreckt werden können, setzt eine solche Regelung nämlich eine Befugnis der zuständigen Behörde voraus, ihren Zahlungsanspruch durch Verwaltungsakt (Leistungsbescheid) geltend zu machen24. Anders als bei den allgemeinen Pflichtnormen 25 kann für eine Geldzahlungspflichten konkretisierende Verfügimg auf Grund des Subsidiaritätsprinzips weder die forderungsberechtigte Behörde noch die allgemeine Polizei- oder Ordnungsbehörde auf die polizei- und ordnungsbehördliche Generalklausel als Ermächtigungsgrundlage zurückgreifen 26. Somit enthält das eine Zahlungspflicht regelnde Fachgesetz immer eine ggf. durch Auslegung zu ermittelnde, abschließende Regelung, ob eine Verwaltungsbehörde den Zahlungsanspruch durch Verwaltungsakt oder Klage geltend machen kann. Daher ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang der einen Zahlungsanspruch begründenden Norm mit einer Vorschrift, welche eine Vollstreckung der Zahlungsverpflichtung im Wege des Verwaltungszwangs vorsieht, immer eine stillschweigende Ermächtigung zum Erlaß eines die Zahlungspflicht konkretisierenden Leistungsbescheids.
V I I . Keine Ermächtigung durch § 53 VwVfG Demgegenüber ermächtigt § 53 Abs. 1 VwVfG die Verwaltung nicht, Verwaltungsakte zur Durchsetzung ihrer Zahlungsansprüche zu erlassen. Denn diese Bestimmung regelt nur, daß wirksame Verwaltungsakte, die zu diesem Zweck ergehen, bestimmte verjährungsrechtliche Rechtsfolgen haben. Ebensowenig wie die allgemeinen Bestimmungen der Verwaltungsvollstreckungsgesetze, die eine Kompetenz zum Erlaß einer Grundverfügung als Vollstreckungstitel voraussetzen, bietet § 53 Abs. 1 VwVfG mit seiner allgemeinen Regelung gewisser verjährungsrechtlicher Wirkungen eine gesetzliche Grundlage für Leistungs- oder Feststellungsbescheide27.
24 BVerwG, U. v. 22.11.1994 - 1 C 22/92, BVerwGE 97, 117 : § 10 Abs. 4 BetrAVG; U. v. 24.11.1998 - 1 C 33.97, BayVBl. 1999, 468 f. = DVB1. 1999, 537 (538) = JZ 1999, 671 (mit zustimmender Anm. Kube, S. 676): § 84 Abs. 1 und 2 AuslG; VGH BW, U. v. 29.7.1993 - 2 S 246/93, NVwZ 1994, 1135 f.: § 25 Abs. 4 Satz 3 BadWürttSchfG. 25 Vgl. oben B.V.4.b). 26 Vgl. oben B.II.2. 27 Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 53 Rn. 30.
D. Verwaltungsakte zur Regelung von Zahlungsansprüchen
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V n i . Befugnis zur Geltendmachung von Erstattungsansprüchen entsprechend der Kehrseitentheorie 1. Die drei in § 49a Abs. 1 Satz 2 VwVfG geregelten Erstattungstatbestände Bereits mit Inkrafttreten des VwVfG hatte der Streit, ob die Verwaltung zum Erlaß eines Verwaltungsaktes, mit dem sie einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch verbindlich konkretisiert, aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf, viel von seiner praktischen Relevanz verloren. Denn für den durch die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts ausgelösten Erstattungsanspruch enthielt bereits der ursprüngliche § 48 Abs. 2 Satz 5 bis 8 VwVfG eine Spezialregelung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs, die mit der verfahrensrechtlichen Vorschrift abschloß, daß die zu erstattende Leistung durch die zuständige Behörde zugleich mit der Rücknahme des Verwaltungsakts festgesetzt werden sollte. Diese später im Rahmen des Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 2. Mai 199628 durch 49a VwVfG abgelöste Norm war zwar nicht in der sonst für gesetzliche Ermächtigungen üblichen Weise formuliert, weil der Gesetzgeber ihr im Hinblick auf die Kehrseitentheorie der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur eine klarstellende Bedeutung zumaß29. Mit der Regelung des Zeitpunktes der Festsetzung setzte sie aber voraus, daß die Verwaltung überhaupt befugt ist, ihre durch die Rücknahme ausgelöste Erstattungsforderung durch eine konkretisierende Verfügung geltend zu machen. Der § 48 Abs. 2 Satz 8 VwVfG a.F. war deshalb als eine gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß eines Erstattungsbescheides zu interpretieren 30. Im Anwendungsbereich des § 48 Abs. 2 Satz 8 VwVfG a.F. hatte sich deshalb der Streit um die Reichweite des Gesetzesvorbehalts für die Geltendmachung eines durch die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts begründeten Erstattungsanspruchs, also eine der wichtigsten Fallgruppen der Kehrseitentheorie, bereits 1976 mit dem Inkrafttreten des VwVfG erledigt. Durch das Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 2. Mai 1996 sind die Vorschriften des VwVfG des Bundes über die Rücknahme und den Widerruf von Verwaltungsakten, novelliert worden. Kernstück des Änderungsgesetzes war die Einfügung einer Vorschrift über den Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes in den neu eingefügten § 49 Abs. 3 VwVfG unter Übernahme und Ersetzung der Sonder-
28 29
BGBl. I S. 656. Begründung des Entwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks. 7/910, S. 70.
30 Obermayer, VwVfG, § 48 Rn. 107; Stelkens/Sachs 3. Aufl., §48 Rn. 116.
in Stelkens/Bonk/Leonhardt,
Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
Vorschrift des § 44a Bundeshaushaltsordnung (BHO) 31 . Unter Ablösung und teilweiser Erweiterung des Anwendungsbereichs der diesbezüglichen Vorschriften des § 48 Abs. 2 Satz 5 bis 8 VwVfG a.F. und des § 44a BHO wurde mit dem § 49a in das VwVfG zugleich eine zusammenfassende Regelung eingefügt über die Erstattungspflicht des Begünstigten bei rückwirkender Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes, der Leistungen gewährt hat oder Voraussetzung hierfür war. § 49a VwVfG enthält also keine allgemeine Kodifizierung des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs, sondern gilt - ebenso wie die durch diese Vorschrift teilweise kodifizierte Kehrseitentheorie des Bundesverwaltungsgerichts - nur für bestimmte Ansprüche auf Rückgewähr von Leistungen, die aufgrund eines Verwaltungsaktes erbracht wurden. Von der Neuregelung nicht erfaßt sind insbesondere Leistungen zur Erfüllung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages, eines nicht auf einem Verwaltungsakt beruhenden gesetzlichen Rechtsverhältnisses und nicht auf einer „Leistung" beruhende Vermögensverschiebungen „in sonstiger Weise"; soweit keine speziellen Regelungen der Erstattungspflicht einschlägig sind, verbleibt es bei diesen Fallgruppen bei der Anwendung der Rechtsgrundsätze über den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch 32. Weil die Leistung nicht aufgrund eines Verwaltungsakts erfolgte, ergibt sich hier auch nach der Kehrseitentheorie keine Verwaltungsaktbefugnis. Fehlt in diesen Fällen eine spezielle gesetzliche Ermächtigung, so ist die Verwaltung aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes grundsätzlich nicht befugt, den Erstattungsanspruch mittels Verwaltungsakt geltend zu machen. Aber auch für Leistungen, die innerhalb eines durch Verwaltungsakt geregelten Rechtsverhältnisses erfolgten, hat § 49a VwVfG die Diskussion um die Herleitung der Verwaltungsaktbefugnis zur Geltendmachung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs nicht beendet. Denn nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte erfaßt § 49a VwVfG nicht alle Fälle eines Anspruchs auf Rückgewähr von Leistungen, die von der Verwaltung zur Erfüllung eines begünstigenden Verwaltungsaktes erbracht wurden, sondern nur drei Fallgruppen einer nachträglichen Unwirksamkeit eines begünstigenden Verwaltungsaktes 33, nämlich
31 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/1534, S. 5. Aus der umfangreichen Literatur zu dieser Novellierung des VwVfG vgl. nur Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361-390 m.w.N. in Fn. 2 (S. 361 f.). 32 Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 49a Rn. 5, 16-24; Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (376 ff.). 3
Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 49a Rn. ; Suerbaum, VerwArch 90 (1999),361(3).
D. Verwaltungsakte zur Regelung von Zahlungsansprüchen
•
561
die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit gemäß § 48 Abs. 2 VwVfG 3 4 ,
•
den Widerruf mit Wirkung für die Vergangenheit 35 und
•
die Unwirksamkeit infolge Eintritts einer aufschiebenden Bedingung.
Als spezielle Ausprägung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs regelt § 49a VwVfG für diese Tatbestände die Erstattungspflicht dem Grunde (Abs. 1 Satz 1) und dem Umfang (Abs. 2) nach, einschließlich der Verpflichtung zur Verzinsung (Abs. 3) und zur Zahlung von Zwischenzinsen (Abs. 4). Gemäß § 49a Abs. 1 Satz 2 VwVfG ist die zu erstattende Leistung durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Auch wenn diese Vorschrift - wie § 48 Abs. 2 Satz 8 VwVfG a.F. - nach der Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung 36 nur klarstellen sollte, daß die zu erstattende Leistung durch Verwaltungsakt zurückgefordert werden kann, gibt § 49a Abs. 1 Satz 2 VwVfG in seinem Anwendungsbereich der zuständigen Behörde eine gesetzliche Grundlage für den Erlaß eines Leistungsbescheides 11. In Sachsen und Berlin gilt die Neufassung der §§48 bis 49a VwVfG kraft einer dynamischen Verweisung des Landesrechts auf das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes; die anderen Bundesländer haben teilweise bereits vor den Änderungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes inhaltsgleiche Novellierungen ihrer Verwaltungsverfahrensgesetze vorgenommen 38. Trotz seines gegenüber § 48 Abs. 2 Satz 8 VwVfG a.F. erweiterten Anwendungsbereichs verfügen die zuständigen Behörden mit § 49a Abs. 1 Satz 2 VwVfG noch nicht für alle in den ursprünglichen Anwendungsbereich der Kehrseitentheorie fallenden Sachverhalte über eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß eines Erstattungsbescheides, so daß sich insoweit weiterhin die Frage nach der Notwendigkeit einer speziellen gesetzlichen Ermächtigung stellt.
34
Insoweit löste § 49a den § 48 Abs. 2 Satz 5 bis 8 VwVfG a.F. ab. Insoweit löste § 49a VwVfG den § 44a BHO bzw. die jeweilige Bestimmung in den Landesverwaltungsverfahrensgesetzen entsprechende landesrechtliche Vorschriften ab. Die Vorschriften des § 49a VwVfG des Bundes und der Länder haben aber einen weiteren Anwendungsbereich als die abgelösten haushaltsrechtlichen Bestimmungen. Zur Geltung der beiden Tatbestandsalternativen vorangestellten Wörter „mit Wirkung für die Vergangenheit" auch für den Fall des Widerrufs vgl. unten 3.c)dd). 36 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/1534, S. 6 f. 37 Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 49a Rn. 34, 36; Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (376). 35
38
Vgl. die Nachweise bei Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (362).
36 Kracht
562
Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
2. Erstattungsansprüche, auf die § 49a VwVfG wegen der Subsidiaritätsklauseln des § 1 VwVfG keine Anwendung findet a) Spezialgesetzliche Regelungen von Rücknahme, Widerruf und öffentlich-rechtlichem Erstattungsanspruch Gemäß § 1 Abs. 1 und 2 VwVfG des Bundes und der entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen gilt das jeweilige Verwaltungsverfahrensgesetz nicht, soweit andere Rechtsvorschriften (des jeweils zuständigen Gesetzgebers) inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten; es bleibt jedoch ergänzend anwendbar, soweit eine spezialgesetzliche Regelung lückenhaft ist 39 . Soweit das Spezialgesetz eine abschließende Regelung des Verfahrens zur Geltendmachung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs enthält, ist damit die Frage nach der Verwaltungsaktbefugnis gelöst: Zumeist dürfte die Verwaltung dann durch eine dem Vorbehalt des Gesetzes genügende Norm zum Erlaß eines Erstattungsbescheides ermächtigt werden; soweit ein Gesetz nur die klageweise Durchsetzung vorsehen sollte, greift der Vorrang des Gesetzes ein. Trotz der Subsidiaritätsklausel des § 1 VwVfG bleibt § 49a VwVfG mit seiner Ermächtigung zum Erlaß eines Leistungsbescheides allerdings anwendbar, wenn andere Rechtsvorschriften für Verwaltungsakte lediglich inhaltsgleiche oder entgegenstehende Rücknahme-, Widerrufsoder sonstige Unwirksamkeitsgründe enthalten. Wenn nicht bereits die generellen Ausnahmen vom Anwendungsbereich nach § 2 VwVfG eingreifen, verdrängen spezialgesetzlichen Vorschriften die einzelnen Vorschriften des VwVfG nach den Subsidiaritätsklauseln des § 1 VwVfG nämlich nur, „soweit" sie inhaltsgleiche oder entgegenstehende Vorschriften enthalten. Werden in den speziellen Rechtsvorschriften die Rücknahme- und Widerrufsvorschriften nicht durch eine Regelung des Erstattungsanspruchs ergänzt, so bleibt deshalb die subsidiäre verfahrensrechtliche Bestimmung des § 49a VwVfG anwendbar. Sie bildet auch in diesen Fällen eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für die Verwaltung, den durch die Rücknahme oder den Widerruf ausgelösten Erstattungsanspruchs in Form eines Leistungsbescheides hoheitlich zu regeln 40. Auslegungsprobleme ergeben sich dagegen, wenn Rechtsvorschriften nicht nur die Aufhebung des Verwaltungsakts, sondern auch den Rechtsgrund oder den Umfang des Erstattungsanspruch regeln, dabei aber keine Aussagen zum Verfahren zu seiner Geltendmachung enthalten. Hier ist durch Auslegung der jeweiligen Rechtsvorschriften zu klären, ob es sich um eine den § 49a VwVfG
39 Bonk in Stelkens/Bonk/Sachs, § 1 Rn. 211; Klappstein in Knack, § 1 Rn. 2.1.1 m.w.N. 40
Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (377); Kopp/Ramsauer,
§ 49a Rn. 4.
D. Verwaltungsakte zur Regelung von Zahlungsansprüchen
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insgesamt verdrängende, spezielle Regelung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs handelt oder ob die verfahrensrechtliche Vorschrift des § 49a Abs. 1 Satz 2 VwVfG subsidiär ergänzend zu den speziellen Vorschriften des besonderen Verwaltungsrechts anwendbar bleibt. So sollen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die beamten- und soldatenrechtlichen Vorschriften über die Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge als Spezialgesetze die allgemeinen Vorschriften des VwVfG über die Erstattung von Leistungen, die nach der Rücknahme eines Verwaltungsaktes rechtsgrundlos geworden sind (§ 48 Abs. 2 Satz 5 bis 8 a.F. bzw. § 49a n.F) verdrängen 41. Nach § 12 Abs. 2 BBesG, § 52 Abs. 2 BeamtVG, § 87 Abs. 2 BBG, § 49 SVG, § 30 Abs. 3 SG, und den aufgrund des § 53 Abs. 2 BRRG erlassenen landesrechtlichen Vorschriften über beamtenrechtliche Erstattungsansprüche richtet sich die Rückforderung zuviel gezahlter Dienstund Versorgungsbezüge und sonstiger Leistungen grundsätzlich nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit keine besonderen Rückzahlungsvorschriften bestehen42. Diese Vorschriften regeln spezielle öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche 43; sie enthalten aber keine spezielle Ermächtigung, diese Ansprüche mittels eines vollstreckbaren Erstattungsbescheides durchzusetzen. Bezüge oder andere Leistungen sind im Sinne der genannten Vorschriften zuviel gezahlt, wenn die Leistung ohne rechtlichen Grund erbracht wurde. Als Rechtsgrund für die Zahlung kommen alie verbindlichen Regelungen eines Anspruchs auf die gewährte Leistung in Betracht, also einerseits abstraktgenerelle Regelungen in einem Gesetz, einer Rechtsverordnung oder einer Verwaltungsvorschrift und anderseits konkret-individuelle Regelungen in einem wirksamen Verwaltungsakt 44. Wurden die Leistungen zur Erfüllung eines beamten- oder soldatenrechtlichen Anspruchs aufgrund eines wirksamen Verwaltungsaktes, z.B. eines Festsetzungsbescheides über Versorgungsansprüche (§ 49 BeamtVG) oder eines Beihilfebescheides, erbracht, so löst erst dessen Aufhebung die Erstattungspflicht aus. Dies legt den Schluß nahe, mangels einer
41
BVerwG, U. v. 18.03.1982 - 6 B 75/81, Buchholz 238.41, § 49 SVG Nr. 2 = JURIS Nr. WBRE103518200; U. v. 15.1.1986 - 2 B 84/84, Buchholz 235, § 12 BBesG Nr. 9 = JURIS Nr. WBRE105788602; U. v. 21.5.1992 - 2 C 4/91, DÖV 1993, 33; U. v. 21.10.1999 - 2 C 11/99, NVwZ 2000, 443 (444); ebenso Becker ZBR 1982, 256 (271); a.A. (§ 12 Abs. 2 BBesG verdränge nur § 48 Abs. 2 Satz 5 bis 7 VwVfG a.F., nicht aber die verfahrensrechtliche Ermächtigung des § 48 Abs. Satz 8 (a.F.). bzw. § 49a Abs. 1 (n.F.) VwVfG ): Nr. 12.2.0.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesbesoldungsgesetz (BBesGVwV) vom 11. Juli 1997 (GMB1. S. 314), zit. nach Schwegmann/Summer/Mayer, § 12 BBesG; Battis, BBG, § 87 Rn. 20. 42 Nr. 12.2.1 BBesGVwV. 43 Nr. 12.2.0.1. BBesGVwV; Schwegmann/Summer/Mayer, § 12 Anm. 4a). 44
Nr. 12.2.2 - 12.2.7. BBesGVwV; Schwegmann/Summer/Mayer,
§ 12 Anm. 5.
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
spezialgesetzlichen Ermächtigung dürfe die zu Rücknahme und Widerruf ermächtigte Behörde gemäß § 49a VwVfG die zu erstattende Leistung durch Verwaltungsakt festsetzen 45. Im Rahmen der Anwendung der Subsidiaritätsklausel des § 1 VwVfG ist jedoch zu berücksichtigen, daß bei der Regelung des Erstattungsanspruchs in § 49a VwVfG die materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften eng miteinander verknüpft sind. So sieht etwa § 49a Abs. 3 Satz 2 VwVfG vor, daß von der Geltendmachung des Zinsanspruchs insbesondere dann abgesehen werden kann, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsakts geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. Vor allem aber begründet § 49a Abs. 1 VwVfG in seinem Satz 1 eine gesetzliche Pflicht zur Erstattung erbrachter Leistungen, die nach Satz 2 durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen sind. § 49a Abs. 1 Satz 2 VwVfG ist deshalb nicht nur eine Ermächtigung zur Geltendmachung durch Verwaltungsakt, sondern verpflichtet die zuständige Behörde darüber hinaus, den Erstattungsanspruch geltend zu machen46. Demgegenüber sehen die speziellen gesetzlichen Vorschriften über den beamtenund soldatenrechtlichen Erstattungsanspruch (z.B. § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG, 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG, § 53 Abs. 2 Satz 3 BRRG ) explizit vor, daß die Behörde aus Billigkeitsgründen von der Rückforderung ganz oder teilweise absehen kann. Derartige Vorschriften, die der zuständigen Behörde explizit oder implizit ein Ermessen einräumen, ob sie den jeweiligen Erstattungsanspruch tatsächlich geltend macht, sind deshalb der Anwendung des § 49a Abs. 1 Satz 2 VwVfG entgegenstehende Rechtsvorschriften %1.
b) Kein Grundsatz einer verfahrenseinheitlichen Gestaltung aller durch Verwaltungsakt begründeten und gestalteten Verwaltungsrechtsverhältnisse Trotz der verkürzenden Bezeichnung als „Kehrseitentheorie" kann eine Befugnis, die sich aus der Aufhebung eines durch Verwaltungsakt begründeten Rechtsverhältnisses ergebende Rechtsfolge durch Verwaltungsakt zu regeln, heute nicht mehr unmittelbar aus einer Verwaltungskompetenz zur Begründung gleichartiger Rechtsverhältnisse abgeleitet werden; auch die auf der Kehrseitentheorie und der beamten- und soldatenrechtlichen Rechtsprechung aufbauende Lehre vom Grundsatz einer verfahrenseinheitlichen Gestaltung der durch
45 So Battis, BBG, §87 Rn. 2; vgl. auch die Nachweise zur Vorgängervorschrift des § 48 Abs. 2 Satz 8 VwVfG a.F. in Fn. 41. 46 Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 49a Rn. 10, 37. 47
Ohne Begründung ebenso Schwegmann/Summer/Mayer, Battis, BBG, § 87 Rn. 20.
§ 12 Anm. 4a); a.A.
D. Verwaltungsakte zur Regelung von Zahlungsansprüchen
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Verwaltungsakt begründeten und gestalteten Verwaltungsrechtsverhältnisse 48 ist mit dem Vorbehalt des Gesetzes und dem geltenden Verwaltungsverfahrensrecht nicht zu vereinbaren. Die Wurzel der vom Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Kehrseitentheorie bildete nämlich das Argument des actus contrarius, mit dem in der Rechtsprechung eine Befugnis der Verwaltung zur Rücknahme und zum Widerruf begünstigender Verwaltungsakte begründet wurde. Das Bundesverwaltungsgericht vertrat bis zur Verabschiedung des VwVfG des Bundes und der Länder in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, es sei gewohnheitsrechtlich allgemein anerkannt, daß die Rücknahme oder der Widerruf eines Verwaltungsakts durch Verwaltungsakt erfolgen könne und zwar auch dann wenn diese Entscheidungen eine belastende Wirkung haben, weil der zurückgenommene oder widerrufene Verwaltungsakt den Betroffenen begünstigt habe49. Dieses erste Element der Kehrseitentheorie war in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelt worden, weil bis zur Kodifizierung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht in den Verwaltungsverfahrensgesetzen des Bundes und der Länder, der Abgabenordnung und im SGB X ausdrückliche Regelungen über den Widerruf und die Rücknahme von Verwaltungsakten nur in einigen Fachgesetzen existierten. Die Begründung einer ungeschriebenen Verwaltungskompetenz zur gleichzeitigen Aufhebung leistungsgewährender Bescheide und Rückforderung der gewährten Leistung durch Verwaltungsakt entstand also in einer Phase der Rechtsentwicklung, in der Rechtsprechung und Lehre erst nach und nach vom Grundsatz der freien Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte Abschied nahmen und wesentliche Elemente der heute normierten Grundsätze über die Rücknahme und den Widerruf unmittelbar aus dem rechtsstaatlichen Gebot des Vertrauensschutzes entwickelten50. Bereits vor der Kodifizierung dieser Grundsätze im VwVfG hatte sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß die für die Rücknahme als actus contrarius zuständige Ausgangsbehörde bei ihrer Entscheidung über die Aufhebung neben dem Prinzip des Vorrangs des Gesetzes auch den Grundsatz der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens berücksichtigen und deshalb einem schutzwürdigen Vertrauen des Begünstigten in den Bestand der Regelung Rechnung tragen müsse. Darf die Verwaltung also verbindliche Regelungen, deren Rechtswidrigkeit sie nachträglich erkannt hat, unter Geltung des Grundgesetzes nicht in jedem Fall zurücknehmen, so ergibt sich aus ihrer Befugnis zum Erlaß eines Verwaltungsaktes keineswegs mehr automatisch eine Befugnis zur Rücknahme 48
Osterloh, JuS 1983, 280 (284 f.); vgl. die Darstellung oben in Teil 4, C.I.4.c). Vgl. nur BVerwG, U. v. 17.3.1977 - V C 59/75, NJW 1977, 1838 (1839); weitere Nachweise oben in Teil 4, B.I.4.a). 49
50 Zur Rechtsentwicklung bis hin zu den §§ 48 ff. VwVfG vgl. Erichsen in ders., Allg. VerwR, § 17 Rn. 1 f.; Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 51 Rn. 1 ff.
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oder zum Widerruf. Damit gilt die Prämisse des ersten Elementes der Kehrseitentheorie heute nicht mehr. Hat die Aufhebungsentscheidung für den Bürger wegen des Entzugs gewährter Vorteile eine belastende Wirkung, so ist die Verwaltung zu einem solchen Eingriff nur aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigimg befugt, welche die Voraussetzungen dieser Maßnahme regelt. Betrachtet man den Vorbehalt des Gesetzes als grundlegendes Prinzip einer sachgerechten Kompetenzverteilung zwischen den Organen der gesetzgebenden, rechtsprechenden und vollziehenden Gewalt, so kann es nur Aufgabe des Gesetzgebers sein, aus einer Abwägung zwischen Gesetzmäßigkeit und Rechtssicherheit als gleichwertigen Bestandteilen des Rechtsstaatsprinzips allgemeine Regeln zu entwickeln, in welchen Fällen einem Vertrauen des Begünstigten Rechnung getragen werden soll und in welcher Weise, nämlich durch Bestandsschutz oder finanziellem Ausgleich, dies dann geschehen muß. Die §§48 ff. VwVfG bzw. die nach den Subsidiaritätsklauseln des § 1 Abs. 1 und 2 VwVfG an ihre Stelle tretenden, spezialgesetzlichen Rücknahme- und Widerrufsbestimmungen regeln als gesetzliche Ermächtigungen 51 heute ausdrücklich die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Aufhebung von Verwaltungsakten durch die Verwaltung. Mit ihren detaillierten Regelungen lassen sie keinen Freiraum mehr für eine allgemeine Rechtsüberzeugung, daß die zuständige Behörde jederzeit zur Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsaktes befugt sei. Insoweit wie die „Kehrseitentheorie" zur Begründung einer Rücknahme- und Widerrufsbefugnis gedient hat, ist sie heute kein allgemein anerkannter Rechtssatz des Gewohnheitsrechtes mehr, sondern gilt nur noch in der Form fort, wie sie Eingang in das VwVfG oder die speziellen gesetzlichen Regelungen des Verwaltungsverfahrensrechts gefunden hat Sie kann erst recht nicht zu einem generellen Prinzip einer notwendig einheitlichen Gestaltung besonderer Verwaltungsrechtsverhältnisse verallgemeinert werden, bei dem sich aus der Kompetenz, ein Rechtsverhältnis durch Verwaltungsakt zu begründen, automatisch für die zuständige Behörde auch eine Befugnis ergäbe, dessen Veränderung, Beendigung und Abwicklung durch Verwaltungsakt zu regeln. Denn der Gesetzgeber kann für die Begründung, Veränderung und Beendigung eines Verwaltungsrechtsverhältnisses jeweils bewußt unterschiedliche Konstruktionen wählen. Zugleich ist zu berücksichtigen, daß aus der Befugnis, auf Antrag des Betroffenen eine ihn (auch) begünstigende Rechtsgestaltung zu treffen, keinesfalls eine Befugnis der zuständigen Behörde abgeleitet werden kann, von Amts wegen zu jedem beliebigen Zeitpunkt eine nur ihrem Regelungsgegenstand nach vergleichbare (auch) belastende Feststellung der Rechtslage zu treffen. Deshalb hatte das Preußische 51
Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 48 Rn. 2 m.w.N.
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OVG es bereits zu Zeiten Otto Mayers zu Recht abgelehnt, der für die Änderung eines Familiennamens, also der Vornahme eines gestaltenden Verwaltungsaktes, zuständigen Behörde automatisch auch die Befugnis zu Feststellungen verwandter Art bei einer zweifelhaften Rechtslage zuzubilligen 52 . Dementsprechend hat das OVG Nordrhein-Westfalen unter Hinweis auf die verschiedenartigen Erwerbstatbestände des Staatsangehörigkeitsrechts, welche z.T. detailliert durch spezielle Verfahrensvorschriften ergänzt würden, entschieden, daß es der Einbürgerungsbehörde für eine durch Verwaltungsakt getroffene Feststellung, daß die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Erklärungserwerb gemäß Art. 3 RuStAÄndG 1974 erworben worden ist, an der erforderlichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage fehle 53 .
c) Annexkompetenz zur Geltendmachung des durch die Aufhebung eines Verwaltungsakts entstandenen Erstattungsanspruchs Soweit § 49a VwVfG wegen einer abschließenden spezialgesetzlichen Regelung der Rücknahme und des Widerrufs eines Verwaltungsaktes und seiner Rechtsfolgen nicht anwendbar ist, ergibt sich im Wege der ergänzenden Auslegung bestehender Ermächtigungen gleichwohl eine Befugnis der zuständigen Behörde, den durch die Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsakts entstandenen Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt geltend zu machen, wenn man das zweite Begründungselement der Kehrseitentheorie des Bundesverwaltungsgerichts heranzieht. Danach verleiht die jeweilige Ermächtigung, einen begünstigenden Bescheid durch Verwaltungsakt zurückzunehmen bzw. zu widerrufen, der Verwaltung im Wege einer ergänzenden Auslegung zugleich stillschweigend die Annexbefugnis, die infolge der Aufhebung zu erstattenden Leistungen durch Verwaltungsakt zurückzufordern und dabei die Höhe der Erstattungsforderung, ihre Fälligkeit und die Art und Weise der Rückgewähr verbindlich zu regeln 54.
52 Pr. OVG, U. v. 5.5.1913, OVGE 65, 264. Zustimmend W. Jellinek, der diese Aussage in seinem Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 3. Aufl., S. 259 f., zum Ausgangspunkt seiner Erörterungen zum feststellenden Verwaltungsakt machte. 53 OVG NW, U. v. 2.9.1996 - 25 A 47/94, DÖV 1997, 428 f. Allerdings kann sich auch im Staatsangehörigkeitsrecht aus der Befugnis, auf Antrag eine Einbürgerung vorzunehmen, im Wege der Auslegung als Minus die Kompetenz zur Feststellung ergeben, der Antragsteller sei bereits Deutscher; der Antrag muß dann erkennbar auf ein bestimmtes Regelungsergebnis (hier: die deutsche Staatsangehörigkeit) gerichtet sein, gleich ob durch Gestaltung oder Feststellung (vgl. Seibert, S. 549 unter Hinweis auf BVerwGE 41, 277 (279 ff.)). 54 Dieser tragende Entscheidungsgrund wird deutlich in BVerwG, U. v. 17.3.77 V I I C 59/75, NJW 1977, 1838 (1839).
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
Für eine solche Annexkompetenz spricht vor allem der Gesichtspunkt, daß die Verwaltung bereits in der Rücknahme- bzw. Widerrufsentscheidung über den Fortfall des Rechtsgrundes der Leistung und die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in der Rechtsform Verwaltungsakt entscheiden muß 55 . Nach einer bestandskräftigen Aufhebung des begünstigenden Verwaltungsaktes, der seinen materiellen Anspruch konkretisiert hatte, kann der Bürger grundsätzlich weder ein Recht auf die Leistung noch einen Vertrauenstatbestand geltend machen. Das rechtsformspezifische Fehlerrisiko des Verwaltungsaktes, aus dem die Geltung des Gesetzesvorbehaltes in der vorliegenden Untersuchung u.a. abgeleitet wurde, kann sich also im Regelfall nur in der Rücknahme bzw. dem Widerruf selbst realisieren. Der Bürger muß ohnehin durch Widerspruch und Anfechtungsklage seine rechtshindernden Einreden gegen den Erstattungsanspruch geltend machen; fraglich ist nur noch, in welchem Verfahren er rechtsvernichtende Tatsachen (z.B. eine Erfüllung des Erstattungsanspruchs durch Zahlung oder Aufrechnung) oder rechtshemmende Tatsachen (z.B. eine Stundung) vortragen muß. Gäbe man der Verwaltung nicht die Annexbefugnis, den Erstattungsanspruch in einer vollstreckbaren Verfügung (also in einem Bescheid zusammen mit Rücknahme bzw. Widerruf) selbst zu regeln, so müßte sie in den Fällen, in denen die Zahlungsunwilligkeit oder -Unfähigkeit des Erstattungspflichtigen nach Abschluß des notwendigen Rücknahme- bzw. Widerrufsverfahrens (und einem ggf. anschließenden Anfechtungsprozeß) fortbesteht, zusätzlich immer noch eine Leistungsklage gegen den Erstattungspflichtigen erheben, um einen vollstreckbaren Titel zu erlangen. Eine solche Aufspaltung des Prozesses der Rechtsverwirklichung in ein Verwaltungsverfahren zur Aufhebung des begünstigenden Bescheids und ein späteres Klageverfahren zur Erlangung eines vollstreckbaren Titels ist für Verwaltung, Bürger und Verwaltungsgericht gleichermaßen unzweckmäßig56. Für den Bürger würden die Mühen, Kosten und Risiken, die das Widerspruchsverfahren und die Anfechtungsklage gegen den Rücknahme- bzw. Widerrufsbescheid ohnehin mit sich bringen, ggf. nur noch um die Prozeßführungslast und die Kostentragungspflicht als Beklagter der Leistungsklage vermehrt. So wird durch die Anerkennung einer stillschweigenden Annexbefugnis der Verwaltung, welche ein einheitliches Entscheidungsverfahren über Aufhebung des gewährenden Verwaltungsaktes und Rückforderung der tatsächlich erhaltenen Leistung erst ermöglicht, die verfahrensrechtliche Position des Bürgers im allgemeinen weder rechtlich noch tatsächlich verschlechtert, sondern verbessert. Soweit die
55
BVerwG, U. v. 17.3.77 - VII C 59/75, NJW 1977, 1838 (1839); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 436 f.; Osterloh, JuS 1983, 280 (284 f.). 56
Osterloh, JuS 1983, 280 (285).
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speziellen Ermächtigungen des VwVfG nicht zur Anwendung kommen, ist die zuständige Behörde daher aufgrund der Norm, welche die Verwaltung zur Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsaktes ermächtigt, auch als befugt anzusehen, alle sich aus der Rücknahme bzw. dem Widerruf kraft Gesetzes ergebenden Ansprüche mittels Verwaltungsakt zu regeln; insbesondere kann sie aufgrund dieser Annexkompetenz ggf. die zur Erfüllung des Verwaltungsaktes erbrachten Leistungen zurückfordern 57.
3. Erstattungsansprüche bei einer von § 49a VwVfG nicht erfaßten Unwirksamkeit des leistungsgewährenden Bescheids a) Keine abschließende Regelung der Erstattungsansprüche in § 49a VwVfG Nach der Begründung des Regierungsentwurfs sollte § 49a VwVfG zusammenfassend alle Regelungen über die Erstattungspflicht des Begünstigten bei rückwirkender Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes enthalten, der Leistungen gewährt hat oder Voraussetzung hierfür war 58 . Vom Wortlaut des § 49a VwVfG nicht erfaßt werden Fälle der ursprünglichen Unwirksamkeit wegen Nichtigkeit oder endgültigem Nichteintritt einer aufschiebenden Bedingung, als Fälle einer nachträglichen, aber nicht rückwirkenden Unwirksamkeit des leistungsgewährenden Bescheids, die Aufhebung durch Urteil im Verwaltungsprozeß oder durch Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid im Vorverfahren, die Erledigung eines vorläufigen Verwaltungsaktes bei Erlaß des endgültigen Verwaltungsakts und Fälle einer Rücknahme oder eines Widerrufs mit Wirkung für die Zukunft sowie schließlich schlichte Überzahlungen in einem durch Verwaltungsakt geregelten Rechtsverhältnis 59. Damit stellt sich die Frage, ob in diesen Fällen der § 49a VwVfG analog angewandt werden kann oder ob ein Rückgriff auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch möglich ist. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung ist ggf. weiterhin zu prüfen, ob die zuständige Behörde im Falle der Anwendung des nicht kodifizierten, allgemeinen Erstattungsanspruchs befugt ist, diesen durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Sowohl eine analoge Anwendung des § 49a VwVfG als auch ein Rückgriff auf den allgemeinen Erstattungsanspruch wären ausgeschlossen, wenn § 49a VwVfG eine abschließende Regelung der Erstattungspflichten bei Unwirksam57 Vgl. für viele OssenbühU Staatshaftungsrecht, S. 436 f.; Osterloh, JuS 1983, 280 (284 f.) m.w.N. 58 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/1534, S. 5 f. 59 Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 49a Rn. 7 ff.; Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (378 ff.).
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
keit eines Verwaltungsakts darstellen würde 60 . Nach der Begründung des Regierungsentwurfs wollte der Gesetzgeber jedoch mit der Einfügung des § 49a in das VwVfG keine umfassende Regelung sämtlicher durch die Unwirksamkeit eines Verwaltungsakts ausgelösten Erstattungsansprüche treffen 61. Auch der Zusammenhang mit den Änderungen des § 48 Abs. 2 und der Einfügung des § 49 Abs. 3 VwVfG sowie der systematische Vergleich mit den in § 43 Abs. 2 und 3 genannten Unwirksamkeitsgründen zeigen, daß § 49a VwVfG keine abschließende Regelung der durch die Unwirksamkeit eines Verwaltungsakts ausgelösten öffentlich-rechtlichen Erstattungsansprüche enthält. Folglich kann eine öffentlich-rechtliche Erstattungspflicht grundsätzlich auch bei den vom Wortlaut des § 49a VwVfG nicht erfaßten Fällen einer anfänglichen oder nachträglichen Unwirksamkeit eines leistungsgewährenden Verwaltungsakts bestehen62.
b) Fälle einer ursprünglichen Unwirksamkeit des leistungsgewährenden Verwaltungsakts aa) Unterschiedliche Rechtsfolgen des allgemeinen Erstattungsanspruchs und einer analogen Anwendung des § 49a VwVfG Es kann nicht einfach dahingestellt bleiben, ob auf die von den drei Tatbestandsalternativen des § 49a VwVfG nicht erfaßten Sachverhalte einer rechtsgrundlosen Leistung diese Norm entsprechend anzuwenden ist oder auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zurückzugreifen ist. Denn trotz der gemeinsamen Wurzeln und zahlreicher Parallelen enthält der § 49a VwVfG für den rechtsgrundlos Begünstigten im Vergleich zu den Grundsätzen des allgemeinen Erstattungsanspruchs nachteiligere Rechtsfolgen 63 und zwar auch dann, wenn man zunächst einmal die verfahrensrechtliche Frage der Verwaltungsaktbefugnis beim öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch außer 60
Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (380, 383 ff). Zwar nennt die Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 13/1534, S. 6) als Beispiel für die nicht erfaßten Fälle nur die Aufhebung im Verwaltungsstreitverfahren. Dieses Beispiel dürfte kaum von praktischer Relevanz sein, weil § 49a VwVfG nur Erstattungsansprüche der öffentlichen Verwaltung gegen den begünstigten Bürger regelt und das geltende Recht Konkurrenten nur in wenigen Fällen eine Klagebefugnis gegen leistungsgewährende Verwaltungsakte einräumt, die im Rahmen eines Verwaltungsprozesses zu einer Aufhebung des begünstigenden Bescheides führen könnte. 62 Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 49a Rn. 4, 7 ff.; Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (376); Kopp/Ramsauer, § 49a Rn. 4 f. 61
63 Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 49a Rn. 10; Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (383 ff.).
D. Verwaltungsakte zur Regelung von Zahlungsansprüchen
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Betracht läßt. Nach der in der Literatur z.T. problematisierten 64 Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gelten hinsichtlich des Umfangs des Erstattungsanspruchs zwar weitgehend die gleichen Grundsätze, wie sie jetzt in § 49a Abs. 2 VwVfG normiert sind, insbesondere seien § 818 Abs. 3 und § 819 Abs. 1 BGB nicht entsprechend anzuwenden65. Jedoch soll außerhalb gesetzlicher Regelungen mit Ausnahme der seit langem anerkannten Prozeßzinsen grundsätzlich kein Zinsanspruch bestehen66. Zudem räumt § 49a Abs. 1 Satz 2 VwVfG nicht nur die Befugnis ein, den Erstattungsanspruch in einem Verwaltungsakt festzusetzen, sondern verpflichtet die Behörde auch, den Erstattungsanspruch geltend zu machen67. Von der Geltendmachung des allgemeinen Erstattungsanspruchs kann die Behörde hingegen unter bestimmten Voraussetzungen absehen.
bb) Analogievoraussetzungen
nicht erfüllt
Die verfassungsrechtliche Frage, ob der Vorbehalt des Gesetzes eine den Bürger belastende Analogie ausschließt, bedarf an dieser Stelle keiner grundsätzlichen Untersuchung 68, weil schon die in der allgemeinen juristischen Methodenlehre entwickelten Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 49a VwVfG auf Fälle der ursprünglichen Unwirksamkeit eines leistungsgewährenden Bescheids nicht erfüllt sind. Bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Analogie ist nach der allgemeinen juristischen Methodenlehre zwischen Analogieschlüssen zur Schließung unbewußter (planwidriger) Regelungslücken und solchen zur Schließung von dem Gesetzgeber bereits bewußten Regelungslücken zu unterscheiden, d.h. Rechtsfragen, deren Lösung der Gesetzgeber bewußt der Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen hat 69 . Hinsichtlich der Sachverhalte einer ursprünglichen Unwirksamkeit des Verwaltungsakts, der Leistungen gewährt hat oder hierfür Voraussetzung war, fehlt es schon an der für beide Analogieformen erforderlichen Regelungslücke 70. Denn der Gesetz64
Maurer, JZ 1990, 863 (865). Vgl. BVerwG, U. v. 12.3.1985 - 7 C 48/82, BVerwGE 71, 85 = JURIS Nr. WBRE103968505; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 350 ff.; Sachs in Stelkens/Bonk/ Sachs, § 49a Rn. 10. 66 BVerwG, U. v. 12.3.1985 - 7 C 48/82, BVerwGE 71, 85 = JURIS Nr. WBRE103968505 (m.w.N.); Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 49a Rn. 10; Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (383); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 432. 67 Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 49a Rn. 10, 37. 68 Dazu unten F.I.2. 69 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 379. 65
Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 49a Rn. ; Suerbaum, VerwArch 90 (1999),361(37).
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
geber wollte in § 49a VwVfG nur eine spezielle Regelung der Erstattungspflicht bei Fällen der nachträglichen und rückwirkenden Unwirksamkeit des begünstigenden Verwaltungsakts treffen 71 , welche in unmittelbarem Zusammenhang mit der gleichzeitigen Änderung des § 49 Abs. 3 VwVfG stand. Es gibt auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber davon ausging, die Neuregelung werde die Rechtsprechung zu einer Prüfung veranlassen, ob es zweckmäßig sei, auch auf Fälle der ursprünglichen Unwirksamkeit des begünstigenden Bescheides die Rechtsfolgen des § 49a VwVfG anzuwenden. Rechtsprechung und Lehre hatten nämlich zuvor mit dem Rechtsinstitut des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs bereits für diese Sachverhalte Lösungen entwickelt. Daher ist nicht von einer planwidrigen, sondern einer planmäßigen Unvollständigkeit der in § 49a VwVfG getroffenen Regelung auszugehen72. Außerdem besteht zwischen den in § 49a VwVfG ausdrücklich geregelten Fällen einer nachträglichen Unwirksamkeit und den nicht erfaßten Fällen einer ursprünglichen Unwirksamkeit keine hinreichende RechtsähnlichkeiP. Beiden Fallgruppen ist zwar gemeinsam, daß die Leistung von der Verwaltung zur Erfüllung eines Verwaltungsaktes erbracht wurde, dieser Rechtsgrund der Vermögensverschiebung aber aufgrund der Aufhebung des Verwaltungsakts bzw. Eintritts der auflösenden Bedingung nachträglich entfällt bzw. in den nicht geregelten Fällen von vornherein fehlt. A u f den ersten Blick könnte man meinen, daß die strengen Rechtsfolgen des § 49a VwVfG bei einer ursprünglichen Unwirksamkeit erst recht gerechtfertigt sind, weil der Begünstigte die Leistung nie aufgrund eines wirksamen Verwaltungsakts besaß. Damit ist der entscheidende Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes angesprochen. Dieser wird in den gesetzlich geregelten Fällen jedoch primär über die Anwendung der § § 4 8 und 49 VwVfG realisiert: im Falle der Rücknahme wird einem schutzwürdigen Vertrauen über die Schranken des § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 4 Rechnung getragen; beim rückwirkenden Widerruf dient § 48 Abs. 3 mit seinem abschließenden Katalog der sich aus gesetzlichen Vorschriften oder dem Regelungsgehalt des begünstigenden Verwaltungsakts ergebenden Widerrufsgründe dem Schutz des Begünstigten. In beiden Fällen steht die Aufhebung zudem im Ermessen der zuständigen Behörde. Die strenge Rechtsfolge der behördlichen Verpflichtung zur Geltendmachung des durch eine Aufhebung entstehenden Erstattungsanspruchs ist hier gerechtfertigt, weil Vertrauensschutzgesichtspunkten und anderen schutzwürdigen Interessen des Leistungsempfängers schon bei der zwischengeschalteten Entscheidung über die Aufhebung des Verwaltungsakts Rechnung getragen werden konnte. An einer
71 72 73
Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/1534, S. 5 f. Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (383 ff.). Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (385 ff.).
D. Verwaltungsakte zur Regelung von Zahlungsansprüchen
573
solchen, ggf. den erforderlichen Vertrauensschutz vermittelnden Entscheidung über den Fortbestand des Rechtsgrundes fehlt es aber in den Fällen der Nichtigkeit 74 und des Nichteintritts einer aufschiebenden Bedingung 75. Damit unterscheidet sich die Situation des nicht bereits durch eine zwischengeschaltete Aufhebungsentscheidung geschützten Leistungsempfangers (oder seines Erben) in den Fällen der anfanglichen Unwirksamkeit des begünstigenden Verwaltungsakts erheblich von der Situation eines Leistungsempfängers nach Rücknahme oder Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsakts 76. Weil § 49a VwVfG im Hinblick auf die Fälle der ursprünglichen Unwirksamkeit des leistungsgewährenden Verwaltungsakts keine planwidrige Regelungslücke aufweist und auch eine hinreichende Rechtsähnlichkeit zu den dort ausdrücklich geregelten Fällen besteht, richtet sich die Rückforderung von Geld- oder Sachleistungen, die von der Verwaltung zur Erfüllung eines nichtigen Verwaltungsakts 77 oder eines Verwaltungsakts erbracht wurden, dessen aufschiebende Bedingung endgültig nicht mehr eintreten kann 78 , nach den Grundsätzen des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs.
cc) Leistung zur Erfiillung
eines nichtigen Verwaltungsakts
Da der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch nicht kodifiziert, sondern nur als ungeschriebener Grundsatz des allgemeinen Verwaltungs74 Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (383 ff.); für eine analoge Anwendung des § 49a demgegenüber Kopp/Ramsauer, § 49a Rn. 5. 75 Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (383 f.). Ein solches schutzwürdiges Vertrauen kann beispielsweise gegeben sein, wenn Renten, Sozialleistungen oder andere personenbezogene Geld- oder Sachleistungen im voraus unter der (gesetzlichen) aufschiebenden Bedingung ausgezahlt oder überwiesen werden, daß der Begünstigte zum Fälligkeitszeitpunkt noch lebt, der Begünstigte aber noch vor der Fälligkeit verstirbt. Zum vergleichbaren, materiellrechtlich aber normierten Fall einer Auszahlung von beamten- oder soldatenrechtlichen Dienst- oder Versorgungsbezügen vgl. unten G.I.2. 76 Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (383 f.). Auch der Rechtsfolgenautomatismus der auflösenden Bedingung, auf dem die dritte Tatbestandsalternative des § 49a VwVfG aufbaut, greift nur ein, wenn der unmittelbare Wegfall der Wirkungen des begünstigenden Verwaltungsakts bereits in einer hinreichend klaren Nebenbestimmung oder als Rechtsbedingung im Gesetz festgelegt war, so daß der Begünstigte die Rechtmäßigkeit dieser auflösenden Bedingung und der daraus resultierenden unbedingten Rückzahlungspflicht bei Erlaß des Verwaltungsaktes prüfen und sein Verhalten auf diese Bedingung einstellen konnte. 77 Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 49a Rn. 7; Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (383 ff); für eine analoge Anwendung des § 49a demgegenüber Kopp/Ramsauer, § 49a Rn. 5.
Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 49a Rn. 7; Suerbaum, VerwArch 90
(199
5 7 4 T e i l 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
rechts oder als Gewohnheitsrecht anerkannt ist, existiert auch keine spezielle Ermächtigung der Verwaltung, diesen Anspruch mittels Verwaltungsakt geltend zu machen. Dennoch ist im Falle eines durch die Nichtigkeit des begünstigten Verwaltungsakts ausgelösten Erstattungsanspruchs eine Befugnis der zuständigen Behörde anzuerkennen, die Erstattungsforderung mittels Verwaltungsakt geltend zu machen. Gemäß § 44 Abs. 5 VwVfG ist die zuständige Behörde nämlich ermächtigt, die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen festzustellen. Insoweit hat der Gesetzgeber ihr explizit eine Entscheidungsbefugnis über die für die Erstattungspflicht präjudizielle Rechtsfrage der Unwirksamkeit des Verwaltungsakts eingeräumt. Macht sie von dieser gesetzlichen Feststellungsbefugnis Gebrauch, so ist sie auch als ermächtigt anzusehen, im Annex zu dieser präjudiziellen Rechtsfrage über die Erstattungspflicht zu entscheiden 19.
dd) Endgültiger Nichteintritt
einer aufschiebenden Bedingung
An einer vergleichbaren gesetzlichen Ermächtigung, über die einen Erstattungsanspruch auslösende Unwirksamkeit des leistungsgewährenden Bescheids durch Verwaltungsakt zu entscheiden, fehlt es dagegen beim Unwirksamkeitsgrund des Nichteintritts einer aufschiebenden Bedingung. Mangels einer solchen Hauptkompetenz gibt es auch keine stillschweigende Annexbefugnis, den durch den Ausfall der aufschiebenden Bedingung ausgelösten Erstattungsaspruch in einem Verwaltungakt verbindlich zu regeln 80.
79
Denn durch die Verbindung in einem gemeinsamen Verwaltungsverfahren wird die verfahrensrechtliche Situation des Adressaten im Vergleich zu einer getrennten Nichtigkeitsfeststellung durch Verwaltungsakt und einer anschließenden Geltendmachung des hieraus resultierenden Erstattungsanspruchs durch eine Leistungsklage der Verwaltung verbessert, weil sich beispielsweise die für die Nichtigkeit relevanten Rechtsfragen des Vorliegens eines besonders schwerwiegenden Fehlers und der Offensichtlichkeit mit den für die Rückforderung relevanten Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes und einer sachgerechten Ermessensausübung überschneiden können. Damit verringert sich bei einer Verbindung beider Entscheidungen in einem Verwaltungsakt für den Betroffenen die Anfechtungslast und das Prozeßrisiko, weil er ggf. nicht mehr zwei Prozesse führen oder das Risiko eingehen muß, seine Einwendungen gegen die Erstattungspflicht ggf. im falschen Verfahren vorzubringen. Zur Annexkompetenz als tragfähigem Begründungselement der Kehrseitentheorie vgl. bereits oben unter VI.2.c). 80 Wohl a.A. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 49a Rn. 10. Zur wichtigen Fallgruppe der Rückforderung von für den Folgemonat ausgezahlten oder überwiesenen Dienstoder Versorgungsbezügen, deren Empfanger noch vor deren Fälligkeit verstorben ist, vgl. jedoch unten G.I.2.
D. Verwaltungsakte zur Regelung von Zahlungsansprüchen
575
c) Fälle einer nachträglichen, aber nicht rückwirkenden Unwirksamkeit des leistungsgewährenden Verwaltungsakts aa) Aufliebung im Verwaltungsprozeß Zu den nach dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht von § 49a VwVfG erfaßten Fällen, in denen ein Verwaltungsakt aus sonstigen Gründen unwirksam wird, gehört nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregie81 rung der Fall einer Aufliebung im Verwaltungsstreitverfahren . Mangels planwidriger Regelungslücke kommt daher eine analoge Anwendung des § 49a VwVfG nicht in Betracht; vielmehr sind nach der im Verwaltungsprozeß nur aufgrund einer Konkurrentenklage denkbaren Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsakts 82 die Grundsätze des allgemeinen Erstattungsanspruchs anzuwenden83. Da die Unwirksamkeit nicht durch eine behördliche Aufhebungsentscheidung herbeigeführt wird, könnte die zuständige Behörde einen Leistungsbescheid zur Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs nicht auf eine Annexkompetenz stützen. Soweit keine spezielle gesetzliche Ermächtigung besteht, kann sie, wenn der Leistungsempfänger die zu erstattende Leistung nicht zurückzahlt, den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nicht durch VerwaltungsakP 4, sondern ggf. nur durch eine Aufrechnung oder mit Hilfe einer verwaltungsgerichtlichen Leistungsklage geltend machen.
bb) Aufhebung im Vorverfahren Wird der begünstigende Bescheid bereits im Vorverfahren durch Abhilfeöder Widerspruchsbescheid aufgehoben, so wird die Erstattungspflicht nach den allgemeinen Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs 85 zwar durch eine verwaltungsbehördliche Entscheidung ausgelöst. Da der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch weder Gegenstand des begünstigenden Bescheids noch des Widerspruch gegen diesen Bescheid war, kann er jedoch nicht uno acto im Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid geregelt werden. Insoweit könnte ein den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch realisierender Leistungsbescheid nur in einem getrennten Verwaltungsverfahren ergehen und
81
Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/1534, S. 6. Suerbaum,, VerwArch 90 (1999), 361 (381). Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 49a Rn. 7; Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361
82 83
(385). 84 5
Wohl a.A. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 49a Rn. 10. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 49a Rn. 7; Suerbaum, VerwArch 90 (1999),361(38).
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
würde so eine zusätzliche Anfechtungslast begründen. Soweit der zuständigen Behörde für einen solchen belastenden Verwaltungsakt keine spezielle gesetzliche Ermächtigung zur Verfügung steht, bleibt ihr im Falle der Nichterfüllung nur der Weg einer Aufrechnung oder einer verwaltungsgerichtlichen Leistungsklage B6.
cc) Erledigung eines vorläufigen
Verwaltungsakts
Weil § 49a VwVfG keine das Rechtsinstitut des allgemeinen Erstattungsanspruchs verdrängende abschließende Regelung der Erstattungsansprüche enthält, ist die Rechtsfigur des vorläufigen Verwaltungsakts 87, der nur bis zum Erlaß der endgültigen Regelung einen Rechtsgrund für die Leistung darstellt, durch das Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 2. Mai 1996 nicht obsolet geworden 88. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung ist es nicht erforderlich, sämtlichen Zweifelsfragen der gesetzlich nicht geregelten Rechtsfigur des vorläufigen Verwaltungsakts (z.B. Vorbehalt des Gesetzes, Regelungsinhalt und -Wirkung, Vertrauensschutz usw.) nachzugehen. Hier ist nur die Frage relevant, ob die zuständige Behörde im Falle der Ersetzung des vorläufigen Bewilligungsbescheides durch eine negative endgültige Entscheidung befugt ist, den entstehenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Zunächst ist § 49a VwVfG nicht unmittelbar anwendbar 89. Der vorläufige Verwaltungsakt steht nicht unter einer auflösenden Bedingimg im Sinne von § 49a und § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG, weil es sich bei der vorbehaltenen endgültigen Entscheidung nicht um ein ungewisses zukünftiges Ereignis handelt; Ungewißheit besteht vielmehr über die gegenwärtigen für die endgültige Subventionsgewährung relevanten Umstände90. Der vom Bundesverwaltungsgericht 91 im Anschluß an Tiedemann 92 anerkannte vorläufige Verwaltungsakt 86
Wohl a.A. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 49a Rn. 10. Zur Rechtsfigur des vorläufigen Verwaltungsakts und den mit ihr zusammenhängenden Zweifelsfragen vgl. nur Tiedemann, DÖV 1981, 786 ff.; BVerwG, U. v. 14.4.1983 - 3 C 8/82, BVerwGE 67, 99; U. v. 14.8.1986 - 3C 9/85, BVerwGE 74, 357 (365); OVG NW, U. v. 28.9.1990 - 15 A 708/88, NVwZ 1991, 588; Peine, Festschrift für Werner Thieme, 563 ff. m.w.N. 88 Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 49a Rn. 9; Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (379 f., 384 f.). 89 Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 49a Rn. 6; Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (376). 90 Peine (Fn. 87), S. 572 f.; Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (376) jew. m.w.N. 91 Vgl. dieNachw. in Fn. 87. 87
92
Tiedemann, DÖV 1981, 786 ff.
D. Verwaltungsakte zur Regelung von Zahlungsansprüchen
577
ist vielmehr durch eine von vornherein begrenzte Regelungswirkung gekennzeichnet. Sein Regelungsgehalt ist in dem Sinne vorläufig, daß er mit Erlaß der endgültigen Regelung seine Wirksamkeit automatisch, d.h. ohne eine Rücknahme oder einen Widerruf i.S. von § 49a Abs. 1 VwVfG, verliert. Das Ergehen der endgültigen Regelung führt zu einer Erledigung des vorläufigen Verwaltungsakts „auf andere Weise" i.S. von § 43 Abs. 2 VwVfG 9 3 . Bestätigt die endgültige Regelung die vorläufig Regelung, so bildet sie einen neuen Rechtsgrund für die von der Verwaltung bereits erbrachte Leistung; stellt sie dagegen fest, daß die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nicht erfüllt waren, so ergibt sich aus dieser Regelung zumindest, daß nunmehr kein Rechtsgrund für die Leistung besteht. Auch eine analoge Anwendung des § 49a VwVfG und damit seiner in Absatz 1 Satz 2 enthaltenen Ermächtigung zum Erlaß eines Erstattungsbescheids kommt nicht in Betracht, weil der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift bewußt nicht alle Fälle erfassen wollte, bei denen der Rechtsgrund der Leistung aufgrund der Unwirksamkeit des leistungsgewährenden Verwaltungsakts entfallt 94 ; insoweit gibt es keine Hinweise, daß gerade im Hinblick auf die Erledigung eines vorläufigen Verwaltungsakts eine planwidrige Regelungslücke besteht95. Gleichwohl ist eine behördliche Regelungsbefugnis nach dem Prinzip der Annexkompetenz 96 zu bejahen, wenn die zuständige Behörde die Regelung der Erstattungspflicht in den die Subventionsberechtigung ganz oder teilweise verneinenden, endgültigen Bescheid aufnimmt. Denn auch in diesem Fall wird durch die Verknüpfung der präjudiziellen Entscheidung über den Rechtsgrund und die Pflicht zur Erstattung der gewährten Leistung die Anfechtungs- bzw. Prozeßführungslast des Leistungsempfängers nicht erhöht, sondern vermindert.
dd) Rücknahme oder Widerruf
mit Wirkung für die Zukunft
In der Literatur ist umstritten, ob nach der Novellierung der §§ 48-49a VwVfG durch das Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 2. Mai 1996 der Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsaktes für die Zukunft (noch) zulässig ist und ob ggf. die gewährten Leistungen nach einer Rücknahme oder einem Widerruf mit Wirkung für die Zukunft in 93
(379).
Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 49a Rn. 8; Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361
94
Vgl. Fn. 71. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 49a Rn. 8; Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (384 f.). 95
96 Zur Annexkompetenz als tragfahigem Begründungselement der Kehrseitentheorie vgl. bereits oben unter VI.2.c). 37 Kracht
578
Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
direkter oder entsprechender Anwendung des § 49a VwVfG oder nach den Grundsätzen des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs zu erstatten sind. Aus der Syntax des § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG ergibt sich zwar nicht eindeutig, ob sich die vorangestellten Worte „mit Wirkung für die Vergangenheit" allein auf den Fall der Rücknahme oder auch auf den Fall des Widerrufs eines Verwaltungsakts beziehen, der eine Geld- oder Sachleistung gewährt hat oder Voraussetzung hierfür war. Aus der Entstehungsgeschichte und dem systematischen Zusammenhang zur Neuregelung des § 49 Abs. 3 VwVfG läßt sich jedoch ableiten, daß § 49a VwVfG sowohl bei der Rücknahme als auch beim Widerruf eine Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit voraussetzt 97. Denn mit der Novellierung sollten die bisherigen verwaltungsverfahrensrechtlichen Sondervorschriften des § 44a BHO in das Verwaltungsverfahrensgesetz übernommen und so eine Harmonisierung der bundes- und landesrechtlichen Vorschriften über die Rückforderung von nicht zweckentsprechend verwendeten Haushaltsmitteln erreicht werden 98 . § 49a VwVfG ist der Erstattungsregelung in § 44a Abs. 2 BHO a.F. nachgebildet, welche nach ihrer Entstehungsgeschichte gleichfalls einen ex tunc wirkenden Widerruf voraussetzte. Dementsprechend wurde in der Begründung des Regierungsentwurfs 99 erläutert, der neu einzufügende § 49a VwVfG enthalte zusammenfassend alle Regelungen über die Erstattungspflicht des Begünstigten bei rückwirkender Unwirksamkeit eines Verwaltungsakts, der Leistungen gewährt hat oder Voraussetzung hierfür war. Die Vorschrift solle generell die Erstattung gewährter Leistungen für die Vergangenheit regeln. Sie gelte daher sowohl für die Fälle des § 48 Abs. 2 als auch für die Fälle des neuen § 49 Abs. 3 VwVfG. Nicht erfaßt würden jedoch andere Fälle, in denen ein Verwaltungsakt aus sonstigen Gründen unwirksam werde. Aus der Beschränkung der Erstattungsvorschrift des § 49a VwVfG auf Fälle des rückwirkenden Widerrufs ist in der Literatur teilweise die Schlußfolgerung gezogen worden, nach der Novellierung des VwVfG sei ein Widerruf ex nunc nicht (mehr) möglich 100 . Diese Ansicht kann an Aussagen der Begründung des Regierungsentwurfs des Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften anknüpfen. In der Begründung des Regierungsentwurfs wurde zur Ausgangslage der Novellierung ausgeführt 101, daß der Widerruf eines 97
Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 49a Rn. 19; Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (377) m.w.N. 98 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/1534, S. 5. 99 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/1534, S. 5 f. 100 Baumeister, NVwZ 1997, 19 (23 f.); Gröpl, VerwArch 88 (1997), 23 (39, Fn. 75); Erichsen in Erichsen, Allg. VerwR, § 29 Rn. 28. 101 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/1534, S. 5.
D. Verwaltungsakte zur Regelung von Zahlungsansprüchen
579
rechtmäßigen Verwaltungsakts nach § 49 ausnahmslos nur mit Wirkung für die Zukunft möglich gewesen sei. Dies reiche nicht aus, um in Fällen, in denen öffentliche Mittel zur Erfüllung eines im öffentlichen Interesse liegenden bestimmten Zwecks gewährt worden sind, bei Zweckverfehlung die Mittel in dem gebotenen Maß zurückfordern zu können; der nach § 49 VwVfG mögliche Widerruf könne den Rechtsgrund für das Behaltendürfen einer gewährten Leistung nicht beseitigen. Um eine Rückforderung von Haushaltsmitteln in solchen Fällen zu ermöglichen, sei die Sondervorschrift des § 44a BHO geschaffen worden, welche durch das Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften in das VwVfG integriert werde. Dementsprechend hieß es im Besonderen Teil der Begründung 102 , daß die Neuregelung des § 49 Abs. 3 VwVfG zur Wahrung haushaltsrechtlicher Belange geboten sei. Wäre die in der Begründung des Regierungsentwurfs enthaltene Rechtsauffassung des Gesetzgebers über die Rechtsfolgen eines ex nunc erfolgenden Widerrufs richtig, so könnten in der Vergangenheit gewährte Leistungen nicht nach einem auf nach § 49 Abs. 2 VwVfG gestützten Widerruf in der Tat zurückverlangt werden 103 . Bei der insoweit wortgleich aus der Begründung der Vorgängervorschrift des § 44a BHO übernommenen Beschreibung der Rechtslage in der Begründung der Novelle des VwVfG 1 0 4 wurde jedoch nicht berücksichtigt, daß die obergerichtliche Rechtsprechung seit dem Gleisanschlußurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.02.1983 eine abweichende Rechtsauffassung vertrat, nach der ein Widerruf ex nunc genügt, um einen Rückforderungsanspruch auszulösen, weil er durch die Aufhebung des Bewilligungsbescheides den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der gewährten Leistung beseitige105. Dieser überzeugenden Interpretation der Wirkungen eines Widerrufs nach § 49 Abs. 2 VwVfG steht die spätere Einfügung des § 49 Abs. 3 VwVfG nicht entgegen. Im gesamten Gesetzgebungsverfahren des Gesetzes vom 2. Mai 1996 wurde diese Rechtsprechung nicht erörtert. Folglich wollte der Gesetzgeber mit der Novellierung der §§48 bis 49a VwVfG die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht korrigieren, sondern hat sie schlicht übersehen. Daher ist davon auszugehen, daß ein Widerruf von Bewilligungsbescheiden mit Wirkung für die Zukunft nach § 49 Abs. 2 VwVfG weiterhin möglich bleibt und den Rechtsgrund für das Behaltendürfen einer bereits
102
Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/1534, S. 6. Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (386 ff.). 104 Vgl. BT-Drucks. 8/3785, S. 5; Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (387). 105 BVerwG, U. v. 11.2.1983 - 7 C 70/80, DVB1. 1983, 810; U. v. 30.10. 1992 7 C 24/92, NJW 1993, 1610 f.; OVG NW, U. v. 4.11.1993 - 4 A 3488/92, Städte- und Gemeinderat 1994, 285; Hess. VGH, U. v. 26.4.1988 - 11 UE 219/84, NVwZ 1989, 165 (166); weitere Nachw. auch zur Literatur bei Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (363 (Fn. 12), 387 (Fn. 130-134)). 103
580
Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
gewährten Leistung beseitigt sowie einen von § 49a VwVfG zumindest nicht unmittelbar erfaßten Erstattungsanspruch begründet 106. Fraglich ist damit nur noch, ob man hinsichtlich der Begründung und des Umfangs der Erstattungspflicht bei einer Rücknahme oder einem Widerruf mit Wirkung für die Zukunft weiterhin auf die nicht kodifizierten Regeln des allgemeinen Erstattungsanspruchs zurückgreift oder den § 49a VwVfG analog anwendet. Eine solche Analogie wird von Sachs107 für die Fälle befürwortet, in denen nach § 48 Abs. 2 Satz 2 Satz 4 bzw. § 49 Abs. 3 oder vorrangigen Spezialvorschriften auch eine Rücknahme oder ein Widerruf mit Wirkung für die Vergangenheit zulässig gewesen sei. Wenn die Behörde hier zugunsten des Adressaten einen späteren Zeitpunkt wähle, sei kein Anlaß für eine von den Rechtsfolgen des § 49a Abs. 1 bis 3 abweichende Behandlung ersichtlich. In der Tat spricht manches dafür, die Nichteinbeziehung der Fälle einer behördlichen Aufhebung ex nunc als eine planwidrige Regelungslücke des § 49a VwVfG anzusehen, die auf Unkenntnis des zuständigen Gesetzgebers von der höchstrichterlichen Interpretation des § 49 Abs. 2 VwVfG beruht. Andererseits weichen nicht nur die Rechtsfolgen des allgemeinen Erstattungsanspruchs und des § 49a sowie der § 49 Abs. 2 und 3 VwVfG voneinander ab, sondern auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 und 3 VwVfG. Die von Sachs für eine analoge Anwendung des § 49a VwVfG vorausgesetzte doppelte Prüfung von tatsächlich angewandten und möglichen Rücknahmegründen ist im VwVfG auch für andere Sachverhalte nicht vorgesehen. Berücksichtigt man zudem, daß die Behörde bei einer analogen Anwendung des § 49a VwVfG nicht verpflichtet wäre, den Erstattungsanspruch zusammen mit der Aufhebung geltend zu machen, könnte bei einer ex nunc Aufhebung ein effektiver Rechtsschutz für den Betroffenen erschwert werden. Bei einer Trennung von Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid könnte er nämlich nicht mehr erkennen, welche Rechtsfolgen sich im Hinblick auf den Erstattungsanspruch aus einer Rücknahme oder einem Widerruf mit Wirkung für die Zukunft ergeben können, nämlich die des allgemeinen oder die des strengeren in § 49a VwVfG geregelten Erstattungsanspruchs. Daher kann es für die Erstattung nicht darauf ankommen, welche Rechtsfolgen die Behörde mit einer anderen Entscheidung hätte setzen können, sondern welche Entscheidung sie tatsächlich getroffen hat 108 . Insgesamt fehlt es damit in den Fällen einer Rücknahme und eines Widerrufs mit Wirkung für die Zukunft an einer für eine analoge Anwendung des § 49a VwVfG hinreichenden Rechtsähnlichkeit. 106 Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 49a Rn. 9-11; vgl. Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (386 ff): Der Streit, ob ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 VwVfG den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch auslöse, behalte seine Relevanz. 107 Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 49a Rn. 11. 108
Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (386, Fn. 124).
D. Verwaltungsakte zur Regelung von Zahlungsansprüchen
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Wegen des nicht abschießenden Charakters des § 49a VwVfG ist folglich in allen Fällen einer Rücknahme oder eines Widerrufs ex nunc auf die Grundsätze des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs zurückzugrei109 fen . Auch hier kann die zuständige Behörde aufgrund einer Annexbefugnis uo in einem Verwaltungsakt die Aufhebung des leistungsgewährenden Bescheides mit der Festsetzung eines hieraus resultierenden Erstattungsanspruchs verbinden.
d) Schlichte Überzahlungen Nach schlichten Überzahlungen, bei denen ein Leistungsempfanger (z.B. infolge einer doppelt ausgeführten oder fehlerhaften Überweisung) mehr erhalten hat, als ihm nach dem Regelungsinhalt des zugrunde liegenden Verwaltungsakts gewährt wurde, gelten gleichfalls die Grundsätze des allgemeinen Erstattungsanspruchs, soweit keine spezielle Regelung der Erstattungspflicht eingreift 111 . Obwohl das Rechtsverhältnis durch Verwaltungsakt geregelt wurde, geht es hier nämlich - anders als in den in § 49a VwVfG geregelten Fallgruppen - nicht um eine Vermögensverschiebung aufgrund eines Verwaltungsakts, der nachträglich seine Wirksamkeit verliert. Bezüglich der Überzahlung fehlt es vielmehr von vornherein an einer causa. A u f diese von Anfang an und unabhängig von der Wirksamkeit des leistungsgewährenden Verwaltungsakts rechtsgrundlose Leistung 112 kann § 49a VwVfG weder direkt noch analog angewandt werden. Da die Überzahlung der Behörde keine Befugnis verleiht, den leistungsgewährenden Bescheid zu ändern, existiert bei schlichten Überzahlungen auch keine Annexkompetenz, den Erstattungsanspruch in einem Leistungsbescheid festzusetzen.
109
Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (386 ff.). Zur Annexkompetenz als tragfahigem Begründungselement der Kehrseitentheorie vgl. bereits oben unter VI.2.c). 111 Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (385). 110
112
Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (376).
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
E. Fortentwicklung der Kehrseitentheorie: Regelungen der Unwirksamkeit eines Verwaltungsakts, der Beendigung eines Rechtsverhältnisses und der sich daraus ergebenden Rechtsfolgen L § 52 V w V f G In Fortentwicklung des Kehrseitengedankens gibt § 52 VwVfG, ebenso wie die Parallelvorschriften des § 51 SGB X und des § 133 AO, der Verwaltung eine weitere Annexbefugnis für die Rückabwicklung eines durch Verwaltungsakt begründeten oder festgestellten Rechtsverhältnisses. Ist ein Verwaltungsakt unanfechtbar widerrufen oder zurückgenommen worden oder seine Wirksamkeit aus einem anderen Grunde nicht (mehr) gegeben, so ist die Behörde gem. § 52 VwVfG befugt, die aufgrund dieses Verwaltungsaktes erteilten Urkunden oder Sachen mit Beweisfunktion zurückzufordern. Diese Bestimmung soll nicht nur die Rückgabeverpflichtung des Inhabers der Urkunde oder Sache klarstellen, sondern zugleich die Durchsetzung dieser Pflicht mit Hilfe des Verwaltungszwanges ermöglichen 1. Als Titel kann das Rückgabeverlangen nach § 6 VwVG des Bundes bzw. den entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen i.d.R. nur fungieren, wenn es in der Rechtsform eines befehlenden Verwaltungsaktes erfolgt 2. Da nach § 52 VwVfG die Rückforderung in einer einseitigen Erklärung der Verwaltung ausgesprochen werden soll, stellt diese Vorschrift somit eine gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß eines Verwaltungsaktes dar 3.
I I . § 44 Abs. 5 V w V f G Eine ausdrückliche Ermächtigung, durch Verwaltungsakt eine bestimmte Form der Unwirksamkeit eines begünstigenden Verwaltungsaktes festzustellen, enthält § 44 Abs. 5 VwVfG für nichtige und damit gemäß § 43 Abs. 3 VwVfG unwirksame Verwaltungsakte. § 44 Abs. 5 VwVfG dient der Rechtssicherheit und ermächtigt die Behörde, den sich aus der äußeren Existenz des Regelungsaktes ergebenden Rechtsschein einer wirksamen Regelung mit Hilfe einer Feststellung der Nichtigkeit des Verwaltungsaktes zu beseitigen.
1
Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks. 7/910, S. 75; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 52 Rn. 25; Kopp, VwVfG, § 52 Rn. 14 m.w.N. 2 Vgl. oben B.V.4.a). 3
Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 52 Rn. 25; Kopp, VwVfG, § 52 Rn. 14.
E. Fortentwicklung der Kehrseitentheorie
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I I I . Die Feststellung der sonstigen Unwirksamkeit eines begünstigenden Verwaltungsaktes oder einer Zusicherung Nach Wortlaut und Gesetzessystematik bildet der nichtige Verwaltungsakt nur einen Unterfall aus der Gruppe der unwirksamen Verwaltungsakte 4. Während § 43 Abs. 3 und § 44 VwVfG sich mit dem Ausnahmefall einer ursprünglichen Unwirksamkeit befassen, regelt § 43 Abs. 2 VwVfG das Ende der Wirksamkeit eines Verwaltungsakts, der als Regelungsakt zunächst rechtliche Existenz und Wirksamkeit gemäß § 43 Abs. 1 VwVfG erlangt hatte5. Explizit ermächtigt § 49a Abs. 1 VwVfG in seiner 3. Tatbestandsalternative die Verwaltung, bestimmte vermögensrechtliche Rechtsfolgen, nämlich das Bestehen und den Umfang einer Pflicht zur Rückerstattung und Verzinsung der gewährten Leistung, festzustellen, die sich aus der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes infolge des Eintritts einer auflösenden Bedingung ergeben. Eine umfassende, dem § 44 Abs. 5 VwVfG entsprechende Kompetenzzuweisung an die zuständige Behörde, in einem Bescheid verbindlich festzustellen, daß ein Verwaltungsakt sich im Sinne des § 43 Abs. 3 VwVfG durch Zeitablauf oder auf sonstige Weise erledigt hat, enthält das VwVfG zumindest nicht ausdrücklich.
1. Keine Feststellung der ursprünglichen (Un-)Wirksamkeit, Rechtswidrigkeit oder Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes analog § 44 Abs. 5 VwVfG Eine Kompetenz der Verwaltung, die Rechtswidrigkeit, Rechtmäßigkeit oder ursprüngliche (Un-)wirksamkeit eines Verwaltungsaktes von Amts wegen durch Verwaltungsakt festzustellen, kann nicht mit einer analogen Anwendung des § 44 Abs. 5 VwVfG begründet werden 6. Zwar bildet die Feststellung der Rechtswidrigkeit auch einen Teil der Nichtigkeitsfeststellung; jedoch ist die Behörde zu einer den Bürger potentiell belastenden, verbindlichen Regelung nach § 44 Abs. 5 VwVfG nur dann befugt, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig war und der Rechtsfehler zusätzlich noch schwer und offenkundig war oder zu den in Abs. 2 genannten Mängeln gehört. Der Gesetzesvorbehalt verbietet eine ergänzende Auslegung, die die Eingriffsvoraussetzungen reduziert und dadurch zu einem argumentum a minore ad maius wird. Zugleich zeigt die auf Fälle einer nachträglichen Unwirksamkeit beschränkte Ermächtigung zur Festsetzung des ErstattungsA
Knoke, S. 80. Zur Unterscheidung und zum Zusammenhang von rechtlicher Existenz und Wirksamkeit des Verwaltungsakts vgl. oben Teil 2, G.V.I., 3. 5
6
Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 44 Rn. 207; a.A. Kopp, VwVfG, § 9 Rn. 51 f., § 44 Rn. 70.
5 8 4 T e i l 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
anspruchs in § 49a VwVfG 7 , daß es sich bei der in § 44 Abs. 5 VwVfG vorgenommenen Beschränkung der behördlichen Feststellungskompetenz auf einen bestimmten Fall der (ursprünglichen) Unwirksamkeit des Verwaltungsakts nicht um eine planwidrige Regelungslücke handelt. § 44 Abs. 5 VwVfG ist daher nicht analogiefahig.
2. Die Feststellung der nachträglichen Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes oder einer Zusicherung a) Aufhebung und andere Formen der Beendigung der Regelungswirkung eines Verwaltungsaktes Es war bereits in Teil 2 8 darauf hingewiesen worden, daß zur Beseitigung der Rechtswirkungen eines Verwaltungsaktes nicht in jedem Fall dessen förmliche Aufhebung erforderlich ist. Wenn dies im Gesetz oder im ursprünglichen Verwaltungsakt vorgesehen ist, kann sich der Verwaltungsakt gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG auch durch Zeitablauf oder auf andere Weise, d.h. eine nicht als Verwaltungsakt zu qualifizierende Willenserklärung, eine auflösende Bedingung oder eine Veränderung der im Verwaltungsakt geregelten Sach- und Rechtslage unmittelbar kraft Gesetzes, erledigen. Er verliert dann m.a.W. seine Wirksamkeit oder regelnde Wirkung für das materielle Rechtsverhältnis 9. Aus der Aufzählung des § 43 Abs. 2 VwVfG, nach der für die Beendigung der Wirksamkeit die einschlägigen fachgesetzlichen Regelungen, die §§ 48 ff. VwVfG und die im Verwaltungsakt aufgenommenen Nebenbestimmungen 7
Vgl. oben D.VIII. Vgl. Teil 2, B.V.2.f). 9 Vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 43 Rn. 191 ff. (m.w.N.). Bei der Anwendung gesetzlicher Vorschriften, welche die Beendigung eines Rechtsverhältnisses regeln, ist allerdings darauf zu achten, ob nach der gesetzlichen Regelung lediglich der materielle Anspruch, der im Verwaltungsakt konkretisiert worden war, oder auch die verfahrensrechtlichen Wirkungen des Verwaltungsakts selbst entfallen sollen. Da der Verwaltungsakt als hoheitliche Regelung des Rechtsverhältnisses einen Vertrauenstatbestand für das weitere Verhalten des Bürgers bildet und deshalb nach der verfahrensrechtlichen Bestimmung des § 49 VwVfG eine Veränderung der Sach- oder Rechtslage grundsätzlich nur einen Widerrufstatbestand bildet, ist bei der Auslegung des Gesetzes oder Ausgangsbescheids im Zweifel davon auszugehen, daß die getroffene Regelung nach einer Änderung der Sach- oder Rechtslage, welche den materiellrechtlichen Anspruch begründet hatte, nur widerrufbar sein soll. Soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder sich aus der Regelung des jeweiligen Verwaltungsaktes mit seinen Nebenbestimmungen ergibt, bleibt die getroffene Konkretisierung der Rechtsbeziehungen also auch bei einer Veränderung der Sach- und Rechtslage bis zu einer förmlichen Aufhebung durch Verwaltungsakt oder Urteil verbindlich (vgl. BSG, U. v. 21.2.1985 11 RL 1/84, SozR 5850, § 4 Nr. 8). 8
E. Fortentwicklung der Kehrseitentheorie
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maßgeblich sind, ergibt sich ein abgestufter Katalog von Beendigungsgründen. Nur bei einem Teil dieser Beendigungsgründe führen Sachverhalte, welche materiellrechtlich eine Beendigung und Abwicklung des Rechtsverhältnisses rechtfertigen können, unmittelbar (ipso iure) ohne Mitwirkung der Behörde zur Unwirksamkeit. Demgegenüber muß bei materiellrechtlichen Rücknahme-, Widerrufs- oder anderen Aufhebungsgründen die Behörde die Unwirksamkeit des Verwaltungsakts nach Eintritt eines bestimmten, die Beendigung rechtfertigenden Lebenssachverhaltes aufgrund einer ausdrücklichen Kompetenzzuweisung erst durch einen neuen Verwaltungsakt als actus contrarius herbeiführen. So gibt es eine Beendigung unmittelbar durch Gesetz, eine Beendigung unmittelbar durch den Eintritt einer auflösenden Befristung oder Bedingung (d.h. aufgrund einer im Verwaltungsakt enthaltenen Nebenbestimmung), eine Beendigung durch Verwaltungsakt aufgrund eines Gesetzes und schließlich eine Beendigung aufgrund eines in einer Nebenbestimmung des Verwaltungsaktes vorbehaltenen Widerrufsbescheids. Alle Beendigungstatbestände, die eo ipso ohne Mitwirkung der Verwaltung die Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes herbeiführen sollen, stehen tendenziell im Widerspruch zur Stabilisierungs- und Konkretisierungsfunktion des Verwaltungsaktes. Denn aus dem Verwaltungsakt selbst kann niemand entnehmen, ob die Begünstigung noch wirksam ist. Gesetzliche Erlöschenstatbestände führen ebenso wie aufschiebende und auflösende Bedingungen, die einem Verwaltungsakt beigefügt wurden, zu einem eigentümlichen „Schwebezustand", bei denen weder die Verwaltung noch der durch den Bescheid Begünstigte mit Sicherheit weiß, ob noch eine Kongruenz von rechtlicher Existenz und Wirksamkeit des Bescheides besteht10. Es stellt sich daher auch hier die Frage, in welchen Fällen ein öffentliches Interesse und eine Befugnis der Verwaltung besteht, die nachträglich eingetretene Unwirksamkeit von Amts wegen verbindlich festzustellen und so den vom Bescheid ausgehenden Rechtsschein zu beseitigen. An der präventiven Feststellung der Unwirksamkeit besteht nur ein geringes Interesse, wenn der Bescheid lediglich einen Leistungsanspruch des Bürgers gegen die Verwaltung konkretisiert. Denn ein Entscheidungsbedarf wird für die Verwaltung in diesen Fällen regelmäßig erst dann entstehen, wenn der durch den Bescheid Begünstigte die Auszahlung des zugesprochenen Betrages oder eine andere Form der realen Leistungsgewährung verlangt. Anders sieht die Situation jedoch in den Fällen aus, in denen der Verwaltungsakt ein komplexes Rechtsverhältnis mit einer Vielzahl von Rechten und Pflichten geregelt hat oder in Fällen, in denen der Inhaber einer Genehmigung behauptet, er verfüge
10 Zur Unterscheidung und zum Zusammenhang von rechtlicher Existenz und Wirksamkeit des Verwaltungsakts vgl. oben Teil 2, G.V. 1., 3.
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
(noch) über eine wirksame Genehmigung für das von ihm geplante, errichtete oder betriebene genehmigungsbedürftige Vorhaben. In all diesen Fällen kann oder muß die Verwaltung selbst aktiv einschreiten, wenn sie ein rechtswidriges Verhalten verhindern will. Folglich kann sie, bei einer aus tatsächlichen oder Rechtsgründen zweifelhaften oder vom Betroffenen bestrittenen Unwirksamkeit auch noch vor Eintritt einer konkreten Gefahr daran interessiert sein, in einem Grundlagenbescheid die Unwirksamkeit verbindlich mit Wirkung für alle ihre Folgeentscheidungen festzustellen.
b) Verwaltungsaktbefugnis bei einem normativen Stufenverhältnis zwischen Aufhebungs- und gesetzlichen Beendigungstatbeständen In einer Reihe von Fachgesetzen wird die Verwaltung für die Fälle bestimmter Veränderungen der tatsächlichen oder rechtlichen Grundlagen eines Verwaltungsrechtsverhältnisses ermächtigt, das Rechtsverhältnis durch einen Widerruf des rechtsbegründenden oder feststellenden Bescheides aufzuheben, während bei anderen Veränderungen das Rechtsverhältnis bzw. die Rechtswirkungen des Verwaltungsaktes unmittelbar kraft Gesetzes erlöschen sollen 11 : Bei den erstgenannten, als Regelfall zu begreifenden Tatbeständen ist also ein förmlicher Widerruf des Ausgangsbescheides oder ein anderer, das Rechtsverhältnis ex nunc aufhebender Verwaltungsakt erforderlich. Vorschriften, nach denen ein Rechtsverhältnis und damit die Rechtswirkungen eines dieses Rechtsverhältnis begründenden oder feststellenden Verwaltungsaktes bei Verwirklichung bestimmter Sachverhalte bereits kraft Gesetzes erlöschen sollen, erfassen typischerweise Sachverhalte, die ohne diese spezielle Norm die tatbestandlichen Voraussetzungen der Widerrufsbzw. Aufhebungsermächtigung erfüllen würden. Der Gesetzgeber hat also bei der Beendigung einer den Bürger begünstigenden Rechtsstellung in diesen Fällen ausnahmsweise auf die Zwischenschaltung eines Verwaltungsaktes verzichtet, mit dem bei einer rechtsgestaltenden Aufhebung normalerweise der materiellrechtliche Tatbestand konkretisiert werden muß, welcher die Beendigung des Rechtsverhältnisses rechtfertigt. Der Einsatz der Regelungstechnik eines unmittelbaren Erlöschens der Regelungswirkungen eines Verwaltungsaktes dürfte - möglicherweise unbewußt - auf der Bewertung beruhen, daß bei diesem (gesetzlichen) Eingriff die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens entbehrlich sei, weil ein Vertrauen des Bürgers in den Fortbestand semer Rechtsstellung aufgrund des speziellen Inhalts der ursprünglichen Regelung, seines eigenen Verhaltens oder aufgrund der Offensichtlichkeit eines die Beendigung rechtfertigenden Tatbestandes ausgeschlossen oder nicht schutzwürdig sei. 11
Beispiele im nachfolgenden Text unter 5.
E. Fortentwicklung der Kehrseitentheorie
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Auch wenn der Gesetzgeber die Erlöschenstatbestände demnach häufig für Evidenzfälle konzipiert hat, sind damit nicht die grundsätzlichen Probleme jeglicher Normanwendung auf den Einzelfall beseitigt. Wenn aufgrund der unvermeidlichen Offenheit abstrakt-genereller Normen im Einzelfall Streit oder Unsicherheit darüber besteht, ob sich ein Verwaltungsakt kraft Gesetzes erledigt hat, kann sich daher aus Sicht der Verwaltung ein öffentliches Interesse an einer frühzeitigen Klarstellung und verbindlichen Regelung der Rechtslage ergeben, die für das Verhalten aller Beteiligten eine verläßliche Grundlage schafft. Aus einem solchen Vergleich der im jeweiligen Fachgesetz enthaltenen unterschiedlichen Formen zur Beendigung eines bestimmten Rechtsverhältnisses ergibt sich bei einer teleologisch-systematischen Interpretation der vorhandenen Aufgaben- und Befugnisnormen dann der erforderliche normative Anhaltspunkt für eine stillschweigende Ermächtigung der Verwaltung, auch bei gesetzlichen Erlöschenstatbeständen die Beendigung der Rechtswirkungen des begünstigenden Verwaltungsaktes durch einen belastenden Verwaltungsakt zu regeln. Der im Regelfall zur Beseitigung der Rechtswirkungen eines Verwaltungsaktes erforderliche Rücknahme- oder Widerrufsbescheid enthält nämlich eine der Feststellung der gesetzlichen Beendigung des Rechtsverhältnisses vergleichbare - materiellrechtliche und zusätzlich noch eine verfahrensrechtliche Verwaltungsentscheidung. Materiellrechtlich muß die Behörde bei der Aufhebung feststellen, daß der jetzige Sachverhalt nicht mit dem Tatbestand der Norm des materiellen Verwaltungsrechts übereinstimmt, über die im früheren Verwaltungsakt entschieden war, oder mit dem Sollzustand, der im früheren ermessensausübenden Verwaltungsakt festgelegt worden war. In den §§ 48 ff. VwVfG bzw. der spezialgesetzlichen Widerrufsnorm hat der Gesetzgeber die Verwaltung also zu einer solchen materiellrechtlichen Entscheidung ermäch" tigt 12 . Verfahrensrechtlich ist bei der Aufhebung eines Verwaltungsaktes außerdem in dem die Rücknahme (oder den Widerruf) aussprechenden Verwaltungsakt die Frage der Durchbrechung der Bestandskraft verbindlich zu regeln 13. Zu diesem Zweck muß die Behörde über die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen der Rücknahme14 (bzw. des Widerrufs 15 ) entscheiden und schließlich16
12
Vgl. die Darstellung oben unter 1. J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 443. 14 Kein schutzwürdiges Vertrauen (§ 48 Abs. 2 VwVfG); Jahresfrist (§ 48 Abs. 4 VwVfG) usw. 15 Bestehen eines Widerrufsvorbehalts und ggf. Vorliegen der besonderen Gründe, die im Widerrufsvorbehalt als Bedingung für dessen Ausübung festgelegt worden waren, (§ 49 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG); Nichterfüllung einer Auflage (§ 49 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG) usw. 13
5 8 8 T e i l 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
gemäß § 48 (bzw. § 49) VwVfG eine materiellrechtliche Ermessensentscheidung treffen, ob und in welchem Umfang sie den Verwaltungsakt aufhebt. Die verbindliche Konkretisierung des materiellen Verwaltungsrechts, welche in einem Feststellungsbescheid über die gesetzliche Beendigung des Rechtsverhältnisses enthalten ist, entspricht inhaltlich also derjenigen, die in dem gesetzlich explizit geregelten Rücknahme- oder Widerrufsbescheid vorgenommen werden muß. Es entfällt lediglich die Prüfung der in den Rücknahmeund Widerrufstatbeständen für die Aufhebung des Verwaltungsakts zusätzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen und die Ermessensentscheidung über die Zweckmäßigkeit einer Aufhebung. Bei Tatbeständen, die ein Erlöschen unmittelbar kraft Gesetzes anordnen, weil die sofortige Beendigung wegen der Schwere oder Offensichtlichkeit des Beendigungsgrundes gerechtfertigt ist, vermindert sich außerdem für den von der Regelung Betroffenen das Risiko einer fehlerhaften Anwendung des materiellen Rechts gegenüber den Tatbeständen, bei denen die Behörde ausdrücklich ermächtigt ist, über das Bestehen eines gleichartigen, aber minder schweren Beendigungsgrundes in einem Widerrufsbescheid verbindlich zu entscheiden. Wenn der Gesetzgeber in einem Gesetz für bestimmte, nach seiner Bewertung besonders schwerwiegende oder evidente Sachverhalte die Rechtswirkungen eines begünstigenden Verwaltungsaktes unmittelbar kraft Gesetzes enden läßt, daneben aber für weniger schwerwiegende Sachverhalte der Verwaltung eine Widerrufsbefugnis einräumt, so soll mit der gesetzlichen Regelungstechnik des gesetzlichen Erlöschenstatbestandes die effektive Wirkung des materiellen Verwaltungsrechtes erhöht, nicht aber gegenüber dem Normalfall einer Widerrufsbefugnis abgeschwächt werden, in dem die Verwaltung befugt ist, mittels (rechtsgestaltenden) Verwaltungsakt die Unwirksamkeit des Verwaltungsakts zu regeln. Ist eine Verwaltungsbehörde aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung befugt, ein Rechtsverhältnis einer bestimmten Art durch Rücknahme, Widerruf oder sonstigen Verwaltungsakt aufzuheben, so ist sie bei einer teleologisch-systematischen Interpretation aller gesetzlichen Vorschriften, welche die Beendigung durch und aufgrund des Gesetzes regeln, erst Recht befugt, eine kraft Gesetzes bereits eingetretene Beendigung eines solchen Rechtsverhältnisses und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen durch einen feststellenden oder befehlenden Verwaltungsakt verbindlich zu regeln 11.
16
Sofern Spezialgesetze die Rücknahme (oder den Widerruf) nicht als zwingende Rechtsfolge einer relevanten Veränderung der Sach- oder Rechtslage vorsehen. 17 Kopp, VwVfG, § 48 Rn. 17, spricht von einer Rücknahme bzw. einem Widerruf mit deklaratorischer Bedeutung, der in einem solchen Fall nicht notwendig, aber im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zur Vermeidung von Zweifeln häufig zweckmäßig sei. Bei diesem feststellenden Verwaltungsakt sei die Behörde an die in
E. Fortentwicklung der Kehrseitentheorie
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Diese ergänzende Auslegung einer zur verbindlichen Konkretisierung eines Rechtsverhältnisses ermächtigenden Befugnisnorm setzt ein normatives Stufenverhältnis der gesetzlichen Beendigungs- und Widerrufsgründe, d.h. der Tatbestandsmerkmale voraus, bei deren Vorliegen es bereits kraft Gesetzes zu einem Verlust der begünstigenden Rechtsposition kommt und jenen materiellrechtlichen Tatbestandsmerkmalen, bei deren Vorliegen die Behörde aufgrund einer Befugnisnorm zu einem den begünstigenden Verwaltungsakt aufhebenden Widerrufsbescheid ermächtigt ist. Im folgenden Abschnitt wird dieses argumentum a maiore ad minus zur Verdeutlichung beispielhaft auf einige Gesetze angewandt werden, in denen gesetzliche Erlöschenstatbestände neben Kompetenznormen stehen, die zum Erlaß eines Widerrufsbescheids oder eines anderen Verwaltungsaktes ermächtigen, mit denen das jeweilige Rechtsverhältnis aufgehoben wird.
c) Beispiele aa) Erlöschen eines alten Rechts oder einer alten Befugnis zur Gewässerbenutzung (§ 15 WHG) Gemäß § 2 WHG bedarf die Benutzung von Gewässern der behördlichen Erlaubnis oder Bewilligung, soweit sich nicht aus dem WHG oder aus den im Rahmen dieses Gesetzes erlassenen landesrechtlichen Bestimmungen etwas anderes ergibt. Da das Grundeigentum nicht zu einer Gewässerbenutzung berechtigt (§ la Abs. 3 WHG), kennt das Wasserrecht keine Unterscheidung zwischen formeller und materieller Rechtmäßigkeit einer Gewässerbenutzung. Das Recht zur Benutzung wird grundsätzlich durch einen gestaltenden Verwaltungsakt verliehen, es endet erst mit Rücknahme oder Widerruf der Erlaubnis oder Bewilligung. Eine Ausnahme von diesem System bilden die in § 15 WHG geregelten alten Rechte und alten Befugnisse, für die eine Erlaubnis oder eine Bewilligung nach dem WHG nicht erforderlich ist, soweit die Länder nichts anderes bestimmt haben. Inhalt und Umfang dieser alten Rechte und Befugnisse richten sich nach den ggf. zugrunde liegenden alten Rechtstiteln und den bisherigen Rechtsvorschriften 18. Beruhte das alte Recht oder die alte Befugnis auf einem besonderen Rechtstitel, so bleiben die bisherigen Widerrufs- bzw. Rücknahmetatbestände anwendbar; sie werden nur durch die Widerrufsermäch-
den §§ 48 ff. zum Schutz berechtigten Vertrauens des Begünstigten enthaltenen Beschränkungen nicht gebunden. 18 BVerwG, B. v. 26.10.1990 - 7 B 151/90, NVwZ-RR 1991, 236 f. = ZfW 1991, 162 = UPR 1991, 306 = BayVBl. 1991, 376; Dahme in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, § 15 Rn. 21 ff. m.w.N.; klarstellend z.B. § 122 Abs. 2 Satz 1 bw WG.
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
tigung des § 15 Abs. 4 WHG ergänzt. Eine verfahrensrechtliche Regelungslücke besteht im Text des WHG jedoch für diejenigen Sachverhalte, bei denen das insoweit weiterhin anwendbare 19 frühere Wasserrecht einen Untergang der alten Rechte und alten Befugnisse kraft Gesetzes anordnete. Nach derartigen, nur bestimmte Rechte und Befugnisse betreffenden oder nicht im gesamten Bundesgebiet geltenden Bestimmungen kam es jedenfalls bis zum Inkrafttreten des WHG zu einem unmittelbaren Rechtsverlust, wenn die Benutzung eine bestimmte Zeitlang nicht mehr ausgeübt, nicht innerhalb einer bestimmten Frist begonnen oder wesentlich geändert wurde 20 . Es sind also Sachverhalte, die ohne den Erlöschenstatbestand i.d.R. nach § 15 Abs. 4 WHG eine Widerrufsbefugnis der Verwaltung begründen würden. Dahme nimmt an, in diesen Fällen habe es nach Inkrafttreten des WHG nicht mehr zu einem Erlöschen der alten Rechte und Befugnisse kraft Gesetzes kommen können, weil die das Erlöschen anordnenden alten Rechtsvorschriften bei Erlaß der neuen Wassergesetze aufgehoben worden seien. Aus den früher zum Erlöschen führenden Tatbeständen ergebe sich jetzt allerdings ergänzend zu den in § 15 Abs. 4 Satz 2 WHG festgelegten Tatbeständen eine Befugnis zum entschädigungslosen Widerruf 2 1 . Dem steht jedoch entgegen, daß der Inhalt der alten Rechte und Befugnisse sich bis zum Inkrafttreten des neuen Rechts nicht nur aus privaten oder öffentlich-rechtlichen Rechtstiteln, sondern auch aus den Inhalt und Wirkung solcher Rechtstitel regelnden Gesetzen ergab. Nach § 15 Abs. 1 und 3 WHG sollen die alten Rechte und alten Befugnisse grundsätzlich mit ihrem bisherigen Inhalt fortbestehen 22 und nicht erweitert werden. Daher ist davon auszugehen, daß diese alten Rechte und alten Befugnisse bei Eintritt der alten gesetzlichen Erlöschenstatbestände eo ipso unmittelbar untergehen; ein Widerruf ist nicht erforderlich 23. Eine behördliche Feststellungsbefugnis wird hierdurch jedoch nicht ausgeschlossen24. Denn zunächst ermächtigen die im Rahmen des WHG erlassenen landesrechtlichen Bestimmungen mit Ausnahme des Bayerischen Wassergesetzes die jeweiligen Wasserbehörden, Inhalt und Umfang der alten Rechte und Befugnisse von Amts wegen festzustellen, wobei die Feststellungen sich allerdings meist auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des jeweiligen Landeswasser19
Czychowski, § 15 Rn. 12c, 14d m.w.N.; a.A. Dahme in Sieder/Zeitler/Dahme/ Knopp, § 15 Rn. 22, 30. 20 Vgl. Dahme in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, § 15 Rn. 29 ff. 21 Dahme in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, § 15 Rn. 31. 22 Czychowski, § 15 Rn. 12, 12c, 14d m.w.N. 23 BVerwG, B. v. 26.10.1990 - 7 B 151/90, NVwZ-RR 1991, 236 f. = ZfW 1991, 162 = UPR 1991, 306 = BayVBl. 1991, 376; Czychowski, § 15 Rn. 12c, 14d m.w.N. 24 BVerwG, B. v. 26.10.1990 - 7 B 151/90, NVwZ-RR 1991, 236 f. = ZfW 1991, 162 = UPR 1991, 306 = BayVBl. 1991, 376.
E. Fortentwicklung der Kehrseitentheorie
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gesetzes beziehen25. Diese Normen sind auch eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Feststellung des Nichtbestehens oder Erlöschens 26, soweit das Recht bereits bei Inkrafttreten des neuen Rechts untergegangen war. Dem steht nicht entgegen, daß nur ein bestehendes Recht einen bestimmten Inhalt haben kann 27 . Da sich aus der Rechtsbindung der Verwaltung noch keine Befugnis zur verselbständigten Regelung präjudizieller Rechtsfragen ergibt, folgt die Feststellungskompetenz umgekehrt aber auch noch nicht daraus, daß eine Inzidentprüfung der Entstehungs- und Erlöschenstatbestände ein notwendiger Teil dieses Rechtsanwendungsprozesses ist 28 . Ausschlaggebend für eine weite Auslegung der Ermächtigung sind vielmehr der Zweck der Regelungsermächtigung und die rechtssystematische Beziehung der verschiedenartigen Aufhebungstatbestände. Die Ermächtigung zu einer verbindlichen Regelung der alten Rechte und Befugnisse durch Verwaltungsakt dient der Schaffung von Rechtsklarheit bei allen Beteiligten, wenn sich die Zulässigkeit einer Gewässerbenutzung nicht aus besonderen Rechtstiteln, sondern nur aus nicht mehr allgemein zugänglichen Rechtsquellen ermitteln läßt. Das öffentliche Interesse an einer verbindlichen Einzelfallregelung, mit der der gesetzliche Gewässerschutz konkretisiert werden soll, steigt aber noch, wenn statt einer Überschreitung der Grenzen einer in gewissem Umfang zulässigen Nutzung eine Nutzung droht, die weder durch ein altes Recht noch durch eine neue Erlaubnis oder Bewilligung legalisiert ist. Wenn die Verwaltung aufgrund des § 15 Abs. 4 WHG schon dem Inhaber eines alten Rechtes oder einer alten Befugnis das unvermeidliche Fehlerrisiko und die Anfechtungslast zur Verteidigung seiner legitimen Rechte auferlegen darf, so muß sie gegenüber demjenigen, der nach ihrer Auffassung überhaupt keine schutzwürdige Rechtsposition innehat, erst recht zu der Feststellung befugt sein, daß ein altes Benutzungsrecht kraft Gesetzes überhaupt nicht (mehr) besteht. Wenn eine solche landesrechtliche Regelung des Feststellungsverfahrens fehlt oder der Erlöschenstatbestand erst nach dem maßgeblichen Zeitpunkt des Inkrafttretens des Landeswassergesetzes eintrat, so bildet §15 Abs. 4 WHG selbst eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Feststellung, daß ein
25
Czychowski, § 15 Rn. 12b. I.E. ebenso Bickel, § 118 Rn. 34. 27 So aber VGH BW, U. v. 16.12.1981 - 5 S 1339/80, NVwZ 1982, 570. 28 So aber die Begründung von Bickel, § 118 Rn. 34. Auch bei den alten Rechten und Befugnissen muß die der Eintragung ins Wasserbuch (§ 16 WHG) vorangehende Prüfung („Feststellung") der materiellen Rechtslage, mit der immer wieder versucht wird, eine Regelungsbefugnis zu begründen (so VGH BW, U. v. 16.12.1981 - 5 S 1339/80, NVwZ 1982, 570; Bickel, § 118 Rn. 34), nicht mit einer verbindlichen Regelung abschließen, vgl. unten Teil 7,1. 26
5 9 2 T e i l 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
altes Recht oder eine alte Befiignis kraft Gesetzes erloschen ist 29. Denn auch hier gilt der Grundsatz, daß bei gleichen tatbestandlichen Voraussetzungen der unmittelbar durch Gesetz erfolgende Eingriff in eine begünstigende Rechtsstellung einen schwereren Eingriff darstellt als die bloße Ermächtigung, dieses Recht aufgrund einer gesetzlichen Regelung nach eigenem Ermessen aufzuheben oder bestehen zu lassen. Wenn nun gesetzlicher Erlöschenstatbestand und die Ermächtigung zur Aufhebung durch Verwaltungsakt nebeneinander bestehen, so ergibt sich die Kompetenz, das kraft Gesetzes bereits eingetretene Erlöschen eines Rechtsverhältnisses festzustellen, per argumentum a maiore ad minus aus der Gestaltungsbefugnis 30.
bb) Beendigung eines Beamtenverhältnisses bei strafgerichtlicher (§ 24 Abs. 1 BRRG, § 48 BBG)
Verurteilung
Das Beamtenrecht kennt verschiedenartige Gründe und Formen der Beendigimg eines Beamtenverhältnisses (§ 21 BRRG). Neben dem Regelfall des Eintritts in den Ruhestand sind die häufigsten Fälle die Entlassung durch Verwaltungsakt und die Entfernung aus dem Dienst durch ein Urteil des Disziplinargerichts im förmlichen Disziplinarverfahren. Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, die Wohnsitznahme im Ausland ohne Zustimmung des Dienstherrn und der Eintritt in ein öffentlich-rechtliches Dienst- oder Arbeitsverhältnis zu einem anderen Dienstherrn (§ 29 Abs. 1 BBG, § 22 Abs. 1 BRRG) bewirken dagegen eine Entlassung kraft Gesetzes; die Beamtengesetze des Bundes und der Länder sehen in diesen Fällen ausdrücklich einen feststellenden Verwaltungsakt darüber vor, ob diese Voraussetzungen vorliegen und an welchem Tag die Beendigung eingetreten ist (§ 29 Abs. 3 Satz 1 BBG, § 32 Abs. 3 Satz 1 nw LBG). Eine ausdrückliche Ermächtigung zum Erlaß eines Feststellungsbescheides fehlt jedoch für die Fälle, in denen das Beamtenverhältnis mit der Rechtskraft des Urteils eines deutschen Gerichts im ordentlichen Strafverfahren endet,
29 VGH BW, U. v. 16.12.1981 - 5 S 1339/80, NVwZ 1982, 570; Czychowski, § 15 Rn. 14d; a.A. Dahme in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, § 15 Rn. 31, der annimmt, die Erlöschenstatbestände seien durch Tatbestände zu ersetzen, die zu einem entschädigungslosen Widerruf berechtigen. 30 Ähnlich VGH BW, U. v. 16.12.1981 - 5 S 1339/80, NVwZ 1982, 570. Erfolgt nach dem Erlöschen des alten Rechts oder der alten Befugnis schließlich eine Benutzung ohne die erforderliche Erlaubnis oder Bewilligung, so kann die Feststellung der Illegalität auch auf die Gefahrenabwehrermächtigungen des jeweiligen Landeswasserrechts gestützt werden, wenn die Entscheidung als Grundlagenbescheid für eine Untersagungsverfügung oder ein anderes polizei- bzw. ordnungsbehördliches Einschreiten ergeht (Bichel, § 118 Rn. 34; vgl. oben Teil 7, B.V.2.a).
E. Fortentwicklung der Kehrseitentheorie
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durch das der Beamte wegen bestimmter vorsätzlicher Staatsschutzdelikte zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder wegen einer vorsätzlichen anderen Tat zu Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde (§ 48 BBG, § 24 Abs. 1 BRRG). Diesen Normen liegt der Gedanke zugrunde, daß ein Beamter mit einer solchen Straftat einen so schweren Pflichtverstoß begeht, daß ein Dienstordnungsverfahren ohnehin zur Entfernung aus dem Dienst führen würde 31 . Die Durchführung eines formlichen Disziplinarverfahrens, dessen Ergebnis von vornherein feststünde, wäre demnach für alle Beteiligten sinnlos; daher soll die Beendigung unmittelbar ohne Zwischenschaltung eines das Beamtenverhältnis formlich aufhebenden Urteils oder eines auf die Beendigung gerichteten Verwaltungsaktes eintreten 32. Für eine Regelung des Ausscheidens und seiner Rechtsfolgen kann jedoch ausnahmsweise noch ein Bedürfiiis bestehen, wenn sich der Grund der Verurteilung bei einer Gesamtstrafe nicht eindeutig aus dem Tenor ergibt oder deshalb, weil im Urteil keine Aussage über den Zeitpunkt seiner Rechtskraft enthalten sein kann, welche für den Termin der Beendigung des Beamtenverhältnisses maßgeblich ist. Eine Mitteilung über die Beendigung des Beamtenverhältnisses ist dann als feststellender Verwaltungsakt zu werten, wenn sie, wie in entsprechenden Verwaltungsvorschriften vorgesehen, durch ihre äußere Form und eine Rechtsmittelbelehrung erkennbar mit dem Anspruch auf Verbindlichkeit ergeht 33. Obwohl § 48 BBG bzw. § 24 BRRG nicht ausdrücklich zum Erlaß eines die Beendigung kraft Gesetzes feststellenden Verwaltungsaktes ermächtigen, wird die Befugnis des Dienstherrn zu einer derartigen Regelung von der h.M. nicht in Frage gestellt, da der Dienstherr im Beamten- und Soldatenverhältnis generell befugt sei, die Rechte und Pflichten des Beamten durch Verwaltungsakt zu regeln 34. Unabhängig von der Frage, ob ein solch allgemeiner Grundsatz anzuerkennen ist, ergibt sich eine stillschweigende Feststellungsbefiignis im Wege einer ergänzenden Auslegung schon aus der Zuordnung des § 48 BBG bzw. § 24 BRRG zu dem nach Schwere der Dienstpflichtverletzung und der Sanktionen sich steigernden System der Disziplinarordnungen. Dieses sieht für leichte Dienstvergehen die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen durch 31
Studienkommission für die Reform des öffentlichen Dienstrechts, Bericht, Rn. 293 f.; Battis, BBG, § 48 Rn. 1; Ule, ZBR 1981, 169 (173 ff.) mit rechtspolitischer Kritik des § 24 Abs. 1 Nr. 1 BRRG. 32 Studienkommission für die Reform des öffentlichen Dienstrechts, Bericht, Rn. 28 293; Ule, ZBR 1981, 169 ff. 33 BVerwGE 34, 353 (354 f.); Zängl in GKÖD I, § 48 BBG Rn. 10; a.A. Battis, BBG, § 48 Rn. 8; Maiwald in Schütz, Beamtenrecht, Teil C, § 51 Rn. 15. 34 Vgl. Zängl in GKÖD I, § 48 BBG Rn. 10; Lemhöfer in Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 48 Rn. 11; ohne ausdrückliche Begründung ebenso die st. Rspr. des BVerwG: BVerwGE 34, 353 (354 f.); U. v. 8.6.2000 - 2 C 20/99, NJW 200, 3297 = JURIS Nr. WBRE410006943 (m.w.N.) a.A. Battis, BBG, § 48 Rn. 8. 38 Kracht
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
einen gestaltenden Verwaltungsakt, die Disziplinarverfügung, und für schwerere ein Urteil des Disziplinargerichts vor. Das Beamtenrecht verzichtet bei der gravierendsten Rechtsfolge des Erlöschens ex lege nur deshalb auf ein besonderes disziplinarrechtliches Erkenntnisverfahren mit konstitutiver Wirkung, weil der Strafrichter durch seine Verurteilung zugleich die Frage einer dienstrechtlichen Verfehlung mitentschieden haben soll. Der Gesetzgeber hat nicht erkannt, daß sich in bestimmten Fällen gleichwohl ein Bedürfiiis nach einer verbindlichen Entscheidung ergeben kann. Im Falle einer Gesamtstrafenbildung kann zweifelhaft sein, ob die Voraussetzungen einer Beendigung des Beamtenverhältnisses überhaupt vorliegen; auch in anderen Fällen steht der Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft und damit der Beendigung des Beamtenverhältnisses nicht immer eindeutig fest. Zur Lösung dieser Fragen müssen nur die Urteilsgründe bzw. die Fristbestimmungen der StPO herangezogen werden, so daß das Fehlerrisiko einer Feststellung der Beendigung des Beamtenverhältnisses weit geringer ist als das bei Erlaß einer Disziplinarverfügung, bei der über das Vorliegen eines Pflichtverstoßes und die angemessene Disziplinarmaßnahme zu entscheiden ist. Wenn aber schon gegen den Beamten, der nur einer leichten Verfehlung bezichtigt wird, eine verbindliche Verwaltungsentscheidung in Form der Disziplinarverfügung ergehen darf und der Verzicht auf ein förmliches Entlassungsverfahren den Dienstherrn in die Lage versetzen soll, unmittelbar belastende Maßnahmen zu vollziehen, so muß er erst recht befugt sein, Grund und Zeitpunkt einer rechtskräftigen Verurteilung im Strafverfahren und die daraus resultierende Rechtsfolge der Beendigung des Beamtenverhältnisses vor weiteren Vollzugsmaßnahmen durch Verwaltungsakt festzustellen. Eine Befugnis, die infolge einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe eingetretene Beendigung des Beamtenverhältnisses festzustellen, ergibt sich deshalb im Schluß a maiore ad minus aus den im Falle eines minder schweren Vergehens bestehenden Regelungsbefugnissen im Disziplinarverfahren. Die Befugnis zum Erlaß eines Feststellungsbescheides läßt sich auch mit einer entsprechenden Anwendung der Kompetenznormen begründen, welche eine Feststellung in den anderen Fällen einer Entlassung kraft Gesetzes erlauben (§ 29 Abs. 2 Satz 1 BBG, § 32 Abs. 3 Satz 1 nw LBG). Ein Vergleich mit diesen Kompetenznormen ergibt eine planwidrige Regelungslücke, da der Gesetzgeber nicht erkannt hatte, daß auch bei der Verurteilung des Beamten in einer Strafsache im Einzelfall noch Streit oder Unsicherheit über das Ob oder den Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses bestehen kann 35 .
35 Zum weitergehenden Begründungsansatz einer Gesamtanalogie zu diesen und einer Vielzahl weiterer Befugnisnormen im Beamtenrecht vgl. unten F., insbesondere F.II.3.
E. Fortentwicklung der Kehrseitentheorie
cc) Wegfall der Bindungswirkung
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einer Zusicherung (§ 38 Abs. 3 VwVfG)
Bei einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt bildet eine Veränderung der Sach- oder Rechtslage gemäß § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 bzw. Nr. 4 VwVfG unter den weiteren dort genannten Voraussetzungen nur einen Widerrufsgrund. Demgegenüber entfallt die Bindungswirkung einer Zusicherung bei einer Änderung der Sach- oder Rechtslage gemäß § 38 Abs. 3 VwVfG ohne Zwischenschaltung einer behördlichen Willenserklärung bereits kraft Gesetzes36, wenn die Behörde bei Kenntnis der nachträglichen Änderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen hätte geben dürfen. Soweit der Tatbestand des § 38 Abs. 3 VwVfG erfüllt ist, hat sich die in der Zusicherung getroffene Regelung erledigt, so daß eine förmliche Aufhebungsentscheidung entbehrlich ist 37 . Die gesetzgeberische Entscheidung, die Bindungswirkung einer Zusicherung ohne Berücksichtigung oder Ausgleich getroffener Dispositionen entfallen zu lassen, wurde im Gesetzgebungsverfahren damit begründet, daß die Zusicherung ein seiner Natur nach in die Zukunft gerichteter Akt sei 38 . Allein dieser Gesichtspunkt könnte die unterschiedlichen Rechtsfolgen der verwandten Tatbestände kaum rechtfertigen, da auch ein Vorbescheid oder ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung eine zukunftsgerichtete Komponente enthält. Wenn in den Fällen des § 38 Abs. 3 im Gegensatz zu den verwandten Tatbeständen des § 49 VwVfG ein Verwaltungsverfahren nicht mehr durchgeführt zu werden braucht, um eine begünstigende Regelung zu beseitigen, so beruht dies wohl darauf, daß die Zusicherung im Prozeß der Rechtsverwirklichung von abstrakt-generellem Gesetz über Zusicherung und begünstigendem Verwaltungsakt bis hin zur realen Leistungsgewährung erst eine frühe, dem Verwaltungsakt vorgelagerte Stufe darstellt. Bei der bloßen Zusicherung eines Verwaltungsakts gibt der Gesetzgeber dem Adressaten noch nicht den gleichen Schutz vor einem Entzug der begünstigenden Rechtsposition wie bei einem Verwaltungsakt. Ist aber trotz der prinzipiell höheren Schutzwürdigkeit des Adressaten eines Verwaltungsakts die Verwaltung gemäß § 49 Abs. 2 VwVfG diesem gegenüber ermächtigt, über die Aufhebung seiner begünstigenden Rechtsstellung zu entscheiden, so muß sie gegenüber dem Zusicherungsempfänger erst Recht eine vergleichbare Regelungskompetenz haben, weil § 38 Abs. 3 VwVfG die Behörde sowohl Verfahrens- als auch materiellrechtlich von der Bindung an ihre Zusicherung freistellen soll. Die Behörde, die nach § 38 Abs. 2, § 49 Abs. 4 36 Stelkens in Stelkens/Bonk/Leonhardt, 3. Aufl., § 38 Rn. 77; Henneke in Knack, § 38 Rn. 6; Obermayer, § 38 Rn. 85; Meyer/Borgs, § 38 Rn. 28. 37 Meyer/Borgs, § 38 Rn. 28. 38 Begr. des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 7/910, S. 60 unter Bezugnahme auf BVerwGE 20, 292.
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
VwVfG für einen Widerruf zuständig wäre, ist daher in entsprechender Anwendung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 VwVfG ermächtigt, in einem verbindlichen Bescheid festzustellen, daß sie wegen einer Änderung der Sachoder Rechtslage gemäß § 38 Abs. 3 VwVfG nicht mehr an die Zusicherung gebunden ist 39 .
d) Die Feststellung des Eintritts einer auflösenden Bedingung Während in den zuvor beschriebenen Fällen eines gesetzlichen Erlöschens die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes mit dem Eintritt eines im gesetzlichen Beendigungstatbestand festgelegten Ereignisses kraft Gesetzes endete, fallt sie gemäß § 43 Abs. 2 i.V.m. § 36 Abs. 1 oder 2 Nr. 2 VwVfG mit dem Eintritt jenes Ereignisses weg, welches in einer Nebenbestimmung zum Verwaltungsakt als auflösende Bedingung für die Wirksamkeit der begünstigenden Regelung festgelegt worden war 40 , gleichfalls unmittelbar („ipso iure"), d.h. automatisch und ohne Zutun der Behörde, weg. Mit dem Eintritt des Ereignisses, von dem in der auflösenden Bedingung der Fortbestand der Begünstigung abhängig gemacht wurde, bleibt der Verwaltungsakt formell zwar rechtlich existent, verliert aber seine Wirksamkeit, d.h. seine final intendierten Rechtswirkungen sind beendet41. Materiellrechtlich sind die Folgen des Bedingungseintritts also dieselben wie die eines wirksamen Widerrufs oder einer Rücknahme* 2. Wird ein Verwaltungsakt, durch den eine einmalige oder laufende Sachleistung gewährt wurde oder der hierfür Voraussetzung war, infolge des Eintritts
39 Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 38 Rn. 77, begründet die Feststellungsbefugnis mit einer Analogie zu § 44 Abs. 5 VwVfG. Die bei diesem Analogieschluß vorausgesetzte Rechtsähnlichkeit der ex lege Unwirksamkeitstatbestände von § 44 Abs. 1 und 2 sowie § 38 Abs. 3 ist zu bejahen, weil beide Fallgruppen in einem normativen Stufenverhältnis zu den Rücknahme- bzw. Widerrufstatbeständen der §§48 und 49 VwVfG stehen. Die hier im Text gegebene Begründung arbeitet i.E. ohne sachlichen Unterschied lediglich unmittelbar mit dem Rechtsgedanken, der beiden Erlöschenstatbeständen zugrunde liegt. 40 Elster, 62 ff., 170 ff., 187 ff.; Seibert, S. 198 f., 206 ff., 218 f. Trotz abweichender Terminologie i.E. ebenso H.-J. Schneider, Nebenbestimmungen und Verwaltungsprozeß, S. 23 ff.; Stelkens in Stelkens/Bonk/Leonhardt, § 36 Rn. 18, die den Terminus der „Wirksamkeit" auf die rechtliche Existenz des Regelungsaktes und von einem Schwebezustand der „Geltung" bzw. der bedingten Rechtsfolgen sprechen. Auf einen Nachweis der unterschiedlichen Terminologie wird in der folgenden Darstellung verzichtet. Zum Begriff und den Rechtsfolgen der Wirksamkeit vgl. bereits oben Teil 2, G. insbesondere G.V.l. und 3. 41 Elster, S. 187 ff.; Seibert, S. 222. A2
Elster, S. 187.
E. Fortentwicklung der Kehrseitentheorie
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einer auflösenden Bedingung unwirksam, so ermächtigt § 49a Abs. 1 VwVfG die zuständige Behörde, den sich aus der Unwirksamkeit des leistungsgewährenden Bescheides ergebenden Erstattungsanspruch durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Ein vergleichbares Interesse der Verwaltung, die Unwirksamkeit bzw. die sich aus der Unwirksamkeit des Bescheides ergebenden Rechtsfolgen gegenüber dessen Adressaten verbindlich klarzustellen, kann sich aber auch bei einem auflösend bedingten Erstattungsbescheid ergeben, auf den § 49a VwVfG wegen einer vorrangigen Regelung des Erstattungsanspruchs nicht anwendbar ist, sowie bei sonstigen begünstigenden Verwaltungsakten, z.B. bei mit einer auflösenden Bedingung versehenen Genehmigungen oder Sondernutzungserlaubnissen. Wenn die Bedingung in dem begünstigenden Verwaltungsakt fehlen würde, wäre die Verwaltung bei Eintritt der als auflösende Bedingung formulierten nachträglichen Tatsachen nunmehr gemäß § 49 Abs. 2 oder 3 VwVfG befugt, durch Verwaltungsakt verbindlich zu regeln, ob der Sachverhalt materiellrechtlich noch mit dem Tatbestand der Norm übereinstimmt über die im früheren Verwaltungsakt entschieden worden war. Eine Verwaltungsaktbefugnis bestünde § 49 Abs. 2 oder 3 VwVfG auch, wenn die Verwaltung statt der auflösenden Bedingung als milderes Mittel den Verwaltungsakt mit einem Widerrufsvorbehalt oder einer Auflage verbunden hätte, um sicherzustellen, daß die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts oder der im Verwaltungsakt festgelegte materiellrechtliche Sollzustand eingehalten werden. Die Rücknahme- und Widerrufsbestimmungen ermächtigen die Verwaltung explizit, bei relevanten Veränderungen der Sach- und Rechtslage die Unwirksamkeit des begünstigenden Verwaltungsaktes durch (rechtsgestaltenden) Verwaltungsakt zu regeln. Die Entscheidung, die in einem den Eintritt einer auflösenden Bedingung feststellenden Bescheid getroffen wird, bleibt inhaltlich in ihrem Umfang und damit auch ihrem rechtsformspezifischen Fehlerrisiko hinter der eines Widerrufsbescheides zurück. Einer entsprechenden Anwendung des § 49 Abs. 2 und 3 VwVfG bzw. der spezialgesetzlichen Widerrufsregelungen als Ermächtigung, die aufgrund einer auflösenden Bedingung bereits eingetretene Unwirksamkeit festzustellen, scheint allerdings auf den ersten Blick der Einwand entgegenzustehen, daß die Widerrufsermächtigung der Verwaltung eine Entscheidungskompetenz über die Beendigung des Rechtsverhältnisses noch nicht bei jeder Veränderung der Sachlage einräumt, sondern erst dann, wenn mit dem Widerrufsvorbehalt, der Gefährdung des öffentlichen Interesses usw. weitere tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt sind. Gleichwohl ist eine entsprechende Anwendung der Regelungsermächtigung aufgrund eines argumentum a maiore ad minus gerechtfertigt, weil als auflösende Bedingungen in einem begünstigenden Verwaltungsakt letztlich nur solche Sachverhalte aufgenommen werden dürfen,
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
die materiellrechtlich als Widerrufs- oder Rücknahmegründe anerkannt sind 43 . Mit der auflösenden Bedingung entfallt die Möglichkeit und Notwendigkeit, vor einer Beendigung des Rechtsverhältnisses noch die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in den Fortbestand der Regelung und die Verhältnismäßigkeit der Aufhebung zu prüfen 44 . Bei einer auflösenden Bedingung wird folglich durch die Nebenbestimmung selbst ein Vertrauen auf den Bestand eo ipso ausgeschlossen 45. Die Behörde darf deshalb eine Begünstigung nur dann unter einer auflösenden Bedingung gewähren, wenn bereits bei Erlaß des Verwaltungsaktes feststeht, daß die als auflösende Bedingung formulierte Veränderung der Sach- und Rechtslage für den Bestand des Verwaltungsaktes so erheblich ist, daß ihr Eintritt in jedem Fall ohne weitere Vertrauensschutz- oder Verhältnismäßigkeitsprüfung materiellrechtlich den Entzug der Begünstigung rechtfertigt 46 . Unter dem Gesichtspunkt der Geltungsbeendigung stellt die auflösende Bedingung wegen ihres schneidigen Rechtsfolgeautomatismus 47 also diejenige Form der Nebenbestimmungen dar, welche den Adressaten eines begünstigenden Verwaltungsaktes am stärksten belastet48. Der Sache nach hat die Verwaltung also ihre verfahrensrechtliche Entscheidung über die Voraussetzungen einer Durchbrechung der Bestandskraft, über die sie normalerweise im Widerrufsbescheid (Rücknahmebescheid) entscheiden muß, bereits mit ihrer Entscheidung vorweggenommen, den begünstigenden Verwaltungsakt nur unter einer auflösenden Bedingung zu erlassen 49. Hat 43
Elster, S. 187 ff.; ähnlich H.-J. Schneider, Nebenbestimmungen und Verwaltungsprozeß, S. 47 ff., 61 ff. "Elster, S. 190 ff. 45 H.-J. Schneider, Nebenbestimmungen und Verwaltungsprozeß, S. 60. «Elster, S. 190 ff. 47 Suerbaum, VerwArch 90 (1999), 361 (384). 48 Insbesondere wenn die Bedingung Begriffe mit normativem Einschlag enthält, kann es für den Betroffenen und für die Verwaltung gleichermaßen zweifelhaft sein, ob die auflösende Bedingung bereits eingetreten ist. Tendenziell ist das Verwaltungsrecht daher bedingungsfeindlich; denn die Klarheit und Überschaubarkeit der Rechtsverhältnisse leiden, wenn ein definitionsgemäß ungewisses Ereignis jederzeit automatisch Rechtsänderungen herbeiführen kann. Erteilt die Verwaltung eine Genehmigung unter einer auflösenden Bedingung, so wird sie zwar vordergründig von ihrer Aufgabe „befreit", die weitere Entwicklung der Sach- und Rechtslage kontinuierlich (§ 48 Abs. 4 VwVfG!) zu überprüfen. Weil die Genehmigung aber auch bei Bedingungseintritt äußerlich existent bleibt, wird durch den Erlaß eines bedingten Verwaltungsaktes ein unerwünschtes Auseinanderfallen von tatsächlichen Verhältnissen und materieller Rechtslage sogar noch begünstigt (vgl. Andersson, JuS 1969, 328 (331); Elster, S. 171 ff.). 49 Soweit beispielsweise bei einem unbedingten Verwaltungsakt der § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG zur Anwendung käme, durfte die Behörde eine auflösende Bedingung grundsätzlich nur dann in ihren Verwaltungsakt aufnehmen, wenn bereits damals feststand, daß nach einem Eintritt der zur auflösenden Bedingung erhobenen Tatsachen ohne Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes das öffentliche Interesse gefährdet würde.
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der Begünstigte die Entscheidung der Verwaltung, die Begünstigung nur unter einer auflösenden Bedingung zu gewähren, nicht angefochten, so kann er sich in der Phase der Abwicklung gegenüber einem Verwaltungsakt, mit dem die Behörde den Eintritt der Unwirksamkeit feststellt, nicht mit Erfolg darauf berufen, die gesetzlich ausdrücklich vorgesehene Widerrufsentscheidung verlange vor einer Beendigung des Rechtsverhältnisses von der Verwaltung noch die hier bereits antizipierte Prüfung des öffentlichen Interesses an der Aufhebung des Verwaltungsaktes. Außerdem hätte die Behörde in all den Fällen, in denen sie zur Gewährung unter einer auflösenden Bedingung befugt war, als geringere Eingriffsformen entweder einen Widerrufsvorbehalt wählen 50 und die ,3edingung" als Voraussetzung seiner Ausübung festlegen können oder dem Begünstigten in einer Auflage nur ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen vorschreiben können, ohne an eine Nichteinhaltung dieser Bestimmung den automatischen Wegfall der Begünstigung zu knüpfen. Hieraus ergibt sich, daß der Adressat eines mit einer auflösenden Bedingung versehenen Verwaltungsaktes gegenüber einer Verwaltungsentscheidung, welche die Beendigung der Begünstigung regelt, keinen größeren verfahrensrechtlichen Schutz verdient, als den, den die Adressaten einer unbedingten, mit Auflagen oder einem Widerrufsvorbehalt versehenen Begünstigung bei einer vergleichbaren Verwaltungsentscheidung über die Veränderung der Sachlage haben. Diesen hat der Gesetzgeber mit der Ermächtigung der Verwaltung, in Form einer Rücknahme oder eines Widerrufs über die Beendigung des begünstigenden Rechtsverhältnisses zu entscheiden, die Anfechtungslast gegenüber rechtswidrigen Verwaltungsakten und die anderen rechtsformspezifischen Eingriffswirkungen ausdrücklich auferlegt. Soweit nicht schon die Ermächtigung des § 49a Abs. 1 Satz 2 VwVfG eingreift, ist diejenige Behörde, die normalerweise über die Aufhebung des begünstigenden Verwaltungsaktes entscheiden dürfte, daher wegen der Rechtsähnlichkeit des Entscheidungsinhaltes und der Vergleichbarkeit der Interessenlage von Bürger und Verwaltung per argumentum a maiore ad minus in entsprechender Anwendung der in den Rücknahme- und Widerrufsbestimmungen enthaltenen Regelungskompetenzen befugt, die sich aus dem Eintritt der auflösenden Bedingung ergebende Unwirksamkeit des begünstigenden Verwaltungsaktes festzustellen und im Annex alle sich aus der Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes ergebenden Erstattungsansprüche und die sonstigen Rechtsfolgen zu regeln, die sich im Rahmen der Abwicklung des Rechtsverhältnisses
50 Elster, S. 190 ff.; H.-J. Schneider, Nebenbestimmungen und Verwaltungsprozeß, S. 70 f.
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
ergeben s\ Für die in den Anwendungsbereich des VwVfG fallenden sonstigen begünstigenden Verwaltungsakte entspricht diese verfahrensrechtliche Gleichstellung beider Fallgruppen zudem der Entscheidung, die der Gesetzgeber in § 49a Abs. 1 VwVfG speziell für Verwaltungsakte getroffen hat, durch die eine Geld- oder Sachleistung gewährt wurde oder die hierfür Voraussetzung waren.
I V . Rücknahme oder Widerruf eines unwirksamen Verwaltungsaktes Bei Veränderungen des Lebenssachverhaltes, auf den sich die Regelung eines Verwaltungsaktes bezieht, kann es im Einzelfall zweifelhaft sein, ob diese Änderung der Sachlage nur dazu führt, daß die zuständige Behörde diesen Verwaltungsakt widerrufen darf oder ob wegen einer inhaltlichen Begrenzung der im Verwaltungsakt enthalten Regelung keinerlei Rechte und Pflichten mehr aus dem - einen anderen Sachverhalt regelnden - Bescheid abgeleitet werden können. Ebenso kann zweifelhaft sein, ob eine möglicherweise einen Widerruf rechtfertigende Veränderung der Sach- oder Rechtslage zugleich den Tatbestand einer im Verwaltungsakt enthaltenen auflösenden Bedingung erfüllt. Ob die Verwaltung zur Beseitigung der Wirksamkeit eines Verwaltungsakts diesen förmlich aufheben muß, ist außerdem in den Fällen problematisch, in denen begründete Zweifel daran bestehen, ob eine im Verwaltungsakt als B e dingung" bezeichnete Bestimmung als inhaltliche Begrenzung des Regelimgsinhaltes oder als Nebenbestimmung, nämlich als eine echte Bedingung i.S. von § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG, als eine Auflage oder als ein an bestimmte Bedingungen geknüpfter Widerrufsvorbehalt zu verstehen ist oder ob gar nur ein Hinweis auf die gesetzlichen Widerrufsbefugnisse der Verwaltung vorliegt.
51
I.E. ebenso Kopp, VwVfG, § 48 Rn. 17, der sich jedoch nicht für eine bestimmte Begründung der Feststellungskompetenz entscheidet. Er begründet die Regelungsbefugnis zunächst, wie die vorliegende Untersuchung, mit einer (zumindest) analogen Anwendung des § 48 VwVfG, dann aber mit einer Analogie zu § 113 Abs. 1 Satz 4 YwGO und schließlich einer allgemeinen Befugnis der Behörde, Verwaltungsakte in Über- und Unterordnungsverhältnissen zu erlassen. Andersson, JuS 1969, 328 (330 f.), gab der Verwaltung vor Verabschiedung der Verwaltungsverfahrensgesetze wohl aus den hier genannten Gründen „selbstverständlich" die Befugnis, nach Eintritt einer auflösenden Bedingung einen deklaratorisch wirkenden „Widerruf 4 zu erlassen. Wenn Elster, S. 189 f., dagegen fordert, die Verwaltung solle von einer ausdrücklichen Feststellung, daß die auflösende Bedingung eingetreten und der Verwaltungsakt seine begünstigende Wirkung ebenso wie von einem „Widerruf wegen Nichterfüllung der Bedingung" absehen, um eine klare Abgrenzung zum Widerrufsvorbehalt zu erreichen, so verkennt er, daß dem berechtigten Anliegen nach Rechtsklarheit auch durch eine eindeutige Tenorierung und Begründung des Bescheides Rechnung getragen werden kann (vgl. dazu sogleich unter IV. a.E.).
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So kann es nicht verwundern, daß in der Praxis der „Widerruf eines Verwaltungsaktes auch in Fällen erfolgt, in denen der Bescheid möglicherweise schon aufgrund einer Erledigung infolge einer gesetzlichen Beendigung des Rechtsverhältnisses, einer inhaltlichen Begrenzung seiner Regelungswirkungen, der Nichterfüllung einer aufschiebenden Bedingung, des Eintritts einer auflösenden Bedingung oder Befristung keine Rechtswirkungen (mehr) entfaltet 52. In der Rechtsprechung und Literatur wird demgegenüber überwiegend der Unterschied zwischen einer Aufhebung des Verwaltungsaktes durch einen Rücknahme- oder Widerrufsbescheid und der Regelung seiner Unwirksamkeit durch einen feststellenden Verwaltungsakt betont 53 . Während ein Teil der Rechtsprechung und Lehre beide Formen einer Regelung der Beendigung des Rechtsverhältnisses für zulässig erachtet 54, soll nach der Gegenauffassung 55 eine Rücknahme-, Widerrufs- oder sonstige Aufhebungsentscheidimg hier begrifflich und rechtskonstruktiv generell ausgeschlossen sein, weil die Rechtswirkungen des ursprünglichen Bescheids mit dem Erlöschen bereits beseitigt seien. Bei der zuletzt genannten Argumentation wird jedoch nicht ausreichend berücksichtigt, daß der Verwaltungsakt in all diesen Fällen mit seiner Bekanntgabe als Regelungsakt rechtliche Existenz erlangt hat 56 und seine ursprünglich vorhandene (innere) Wirksamkeit erst nachträglich wieder entfallen ist. Ebenso wie bei einem nichtigen Verwaltungsakt existiert bei einem erledigten Verwaltungsakt trotz der (inneren) Unwirksamkeit der Regelung noch die behördliche Willenserklärung. Ahnlich wie in den Fällen der zivilrechtlichen Anfechtung eines nichtigen Rechtsgeschäftes 57 und der nach § 43 Abs. 2 Satz 2 VwGO 52
Elster, S. 63 f.; vgl. die Sachverhalte von Pr. OVG, OVGE 39, 355 (360); 104, 248 (252); BayVGH, U. v. 12.10.1989 - Nr. 26 B 86.02944, BayVBl. 1990, 405; auch Andersson, JuS 1969, 328 (330 f.), sprach von einem „Widerruf mit deklaratorischer Wirkung. 53 Kopp, § 48 Rn. 17. Speziell zum nichtigen Verwaltungsakt Sachs in Stelkens/ Bonk/Sachs, § 48 Rn. 67 (m.w.N.), der aber annimmt, im übrigen komme eine Rücknahme unwirksamer Verwaltungsakte regelmäßig nicht in Betracht (§ 48 Rn. 48). 54 Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 48 Rn. 67; Kopp, VwVfG, § 48 Rn. 17; Knoke, S. 83 ff. 55 BayVGH, U. v. 12.10.1989 - Nr. 26 B 86.02944, BayVBl. 1990, 405; Meyer in Meyer/Borgs, § 48 Rn. 13; Klappstein in Knack, § 48 Rn. 2.1, § 49 Rn. 6.3.3; wohl auch Elster, S. 63 f., 189 f. 56 Nach h.M. beruht die rechtliche Existenz als Regelungsakt (§ 35 VwVfG) nicht unmittelbar auf der Bekanntgabe (§ 41 VwVfG), sondern gemäß § 43 Abs. 1 VwVfG auf der sog. äußeren Wirksamkeit (vgl. dazu Teil 2, G.V.I., 3.). 57 Im Zivilrecht wird mit Hilfe der Lehre von den Doppelwirkungen im Recht seit langem einem Anfechtungsberechtigten das Recht gegeben, ein nichtiges Rechtsgeschäft anzufechten. Auch dort erscheint die Herbeiführung der Unwirksamkeit einer bereits unwirksamen Willenserklärungen bei einer rein begrifflichen Beurteilung ausgeschlossen zu sein, wird aber anerkannt, wenn Nichtigkeits- und Anfechtungsgrund
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zulässigen Anfechtungsklage gegen einen nichtigen Verwaltungsakt 58 besteht deshalb rechtstechnisch in den Erledigungsfallen grundsätzlich die Möglichkeit, einen Verwaltungsakt aufzuheben, dessen Regelung bereits unwirksam geworden ist 59 . Zur Beseitigung des Rechtsscheins einer Fortgeltung der Regelung kommen folglich - ebenso wie beim nichtigen Verwaltungsakt rechtskonstruktiv zwei Arten von Verwaltungsakten in Betracht, die wegen ihrer unterschiedlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen nicht beliebig austauschbar sind: nämlich einerseits Rücknahme, Widerruf oder eine andere Form der Aufliebung des Verwaltungsaktes und andererseits eine verbindliche Feststellung, daß der Verwaltungsakt keinerlei Rechtswirkungen mehr entfaltet Wenn es unsicher oder streitig ist, ob der Verwaltungsakt unwirksam oder „nur" aufhebbar ist, mag sich die Behörde veranlaßt sehen, auf eine Feststellung der Unwirksamkeit zu verzichten und den Verwaltungsakt vorsichtshalber aufgrund einer unmittelbaren Anwendung der Rücknahme- oder Widerrufsvorschriften ausdrücklich aufzuheben 60. Ist die Unwirksamkeit ex lege aus Rechtsgründen zweifelhaft oder tatsächlich nur schwer zu beweisen, so kann die Behörde nämlich eine Beachtung der intendierten Unwirksamkeit des Verwaltungsakts durch einen Widerruf schneller erreichen als in einem Verwaltungsoder Gerichtsverfahren, in dem lange und mit unsicherem Ergebnis um die zusätzlichen Voraussetzungen des Erlöschenstatbestandes gestritten würde. W i l l die Behörde den Weg des Widerrufs, der Rücknahme oder einer sonstigen Aufhebung beschreiten, so muß sie allerdings die für die jeweilige Aufhebungsform geltenden Voraussetzungen und Rechtsfolgen beachten und anwenden61. Der Vorrang der gesetzlichen Spezialnorm, nach der die Rechtswirkungen des Verwaltungsaktes mit Eintritt des gesetzlichen Erlöschenstatbestandes sofort und entschädigungslos entfallen sollen, verbietet es der Verwaltung grundsätzlich 62, aufgrund einer unmittelbaren Anwendung der §§ 48 ff. gleichermaßen dem Schutz des Anfechtungsberechtigten dienen. Ein praktisches Bedürfnis für die Anfechtungsmöglichkeit besteht, wenn der Anfechtungsgrund gewichtig, der Nichtigkeitsgrund aber schwer zu beweisen ist, sowie in den Fällen, in denen der Anfechtungsgrund stärker wirkt als der gleichzeitig gegebene Nichtigkeitsgrund (vgl. Flume, Das Rechtsgeschäft, § 31 6.; Palandt/Heinrichs, Uberblick vor § 104, Rn. 35). 58 BT-Drucks. 3/55, S. 32; OVG RP, U. v. 25.6.1986 - 8 A 92/85, NVwZ 1987, 899; Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 3 (m.w.N.), § 43 Rn. 7, 32; a.A. Pietzcker in Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs. 1 Rn. 18 (m.w.N.), nach dessen Auffassung das Gericht bei einer begründeten Anfechtungsklage gegen einen nichtigen Verwaltungsakt ein Feststellungsurteil erlassen soll. 59 Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 48 Rn. 67; Kopp, VwVfG, § 48 Rn. 17 (§ 48 VwVfG sei zumindest analog anwendbar); Knoke, S. 83 ff.; a.A. Meyer/Borgs, § 48 Rn. 13; Klappstein in Knack, § 49 Rn. 6.3.3. 60 Kopp, VwVfG, § 48 Rn. 17. 61 Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 48 Rn. 67; Kopp, VwVfG, § 48 Rn. 17. 62
Ohne Begründung so auch Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 48 Rn. 48, 67.
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VwVfG einen echten Rücknahme- oder Widerrufsbescheid zu erlassen, wenn sich aus der formlichen Aufhebungsentscheidung Rechtsfolgen ergeben können, die mit dem gesetzlichen Erlöschen nicht zu vereinbaren sind. Nimmt die Behörde an, ein Verwaltungsakt habe sich bereits kraft Gesetzes erledigt, so dürften daher praktisch nur wenige Fälle in Betracht kommen, bei denen sie den Verwaltungsakt zurücknehmen oder widerrufen darf, statt seine Unwirksamkeit festzustellen. Zunächst ist sie ausnahmsweise dann zu einer Rücknahme oder zu einem Widerruf befugt, wenn die Rechtsfolgen der Aufhebung des Verwaltungsaktes im konkreten Einzelfall für Bürger und Verwaltung mit denen identisch sind, die sich ohnehin aus einer kraft Gesetzes schon bestehenden Unwirksamkeit seines Regelungsinhaltes ergeben würden 63 . Denn dann ist es rechtlich irrelevant, ob auch die zusätzlichen materiellrechtlichen Voraussetzungen des gesetzlichen Erlöschenstatbestandes erfüllt sind. Wenn beispielsweise auch bei Wirksamkeit eines rechtswidrigen leistungsgewährenden Bescheides das Vertrauen des Begünstigten auf dessen Bestand nach § 48 Abs. 2 VwVfG nicht schutzwürdig wäre, kann die Behörde die Frage dahingestellt lassen, ob der zur Rechtswidrigkeit führende Mangel bereits bei Erlaß i.S. von § 44 Abs. 1 besonders schwerwiegend und offenkundig war, und den jedenfalls i.S. von § 48 VwVfG rechtswidrigen Bescheid nach § 48 Abs. 2 VwVfG zurücknehmen 64. Würden hingegen Aufhebung und Feststellung der Unwirksamkeit zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führen, so dürfte die zuständige Behörde eine bloße Rücknahme oder einen bloßen Widerruf ermessens fehlerfrei wohl nur noch in Situationen erlassen, in denen bei verständiger Würdigung des Sachverhalts und der Rechtslage eine Ungewißheit über die Unwirksamkeit des Bescheides so groß ist, daß die Behörde gemäß § 55 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen mit dem Betroffenen auch einen Vergleichsvertrag über die Rechtslage abschließen dürfte, dessen Rechtsfolgen denen der Aufhebung entsprechen.
63 Wegen des Vorranges jener gesetzlichen Spezialregelungen, welche anordnen, daß das Rechtsverhältnis unmittelbar mit Eintritt einer bestimmten Sach- und Rechtslage ohne Ausgleich irgendwelcher Vermögensnachteile erlöschen soll, darf die Behörde den Weg einer echten Rücknahme oder eines Widerrufs insbesondere nur dort bischreiten, wo Ausgleichs- oder Entschädigungsansprüche wegen Fehlens eines Vermögensnachteils oder eines schutzwürdigen Vertrauens in den Bestand der Regelung offensichtlich nicht in Betracht kommen. Nur dann darf die Verwaltung - unbeschadet einer möglicherweise bereits eingetretenen Unwirksamkeit - einen Rücknahme- bzw. Widerrufsbescheid erlassen und so die äußere und innere Unwirksamkeit verbindlich regeln (ähnlich Kopp, VwVfG, § 48 Rn. 17). Knoke, S. 83 ff., lehnt dagegen eine Rücknahme nichtiger Verwaltungsakte (also einen Spezialfall der unwirksamen Verwaltungsakte) wegen der hier angeführten unterschiedlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen nichtiger und wirksamer Verwaltungsakte generell ab. 64
Kopp, VwVfG, § 48 Rn. 17.
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Wegen der grundsätzlich unterschiedlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen, die ein Rücknahme- oder Widerrufsbescheid einerseits und ein Erlöschen kraft Gesetzes andererseits im Regelfall haben, muß die zuständige Behörde folglich in allen Entscheidungen, mit denen sie die Beendigung des Rechtsverhältnisses und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen regelt, klarstellen, ob sie aufgrund einer unmittelbaren Anwendung der Aufhebungsermächtigung den begünstigenden Verwaltungsakt zurücknehmen bzw. widerrufen will oder ob sie aufgrund einer entsprechenden Anwendung der Widerrufsermächtigung die bereits eingetretene Beendigung des Rechtsverhältnisses feststellen will 65.
V. Ergebnis Im Zusammenspiel mit den einschlägigen materiellrechtlichen Vorschriften ergeben sich bei einer teleologisch-systematischen Interpretation aus den Bestimmungen des VwVfG oder aus den spezialgesetzlichen Vorschriften, die die Verwaltung zur Aufhebung von Verwaltungsakten und zum Erlaß von ergänzenden Annexregelungen ermächtigen, in der Regel auch weitreichende Befugnisse, die aus einem anderen Grunde eingetretene Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes oder die sonstige Beendigung eines durch Verwaltungsakt regelbaren Rechtsverhältnisses festzustellen und die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen durch Verwaltungsakt verbindlich zu regeln. Dennoch läßt sich aus dem geltenden Recht kein allgemeiner Grundsatz einer verfahrenseinheitlichen Gestaltung aller durch Verwaltungsakt begründeten Rechtsverhältnisse 65 Weil die gesetzlichen Vorschriften für die rechtsgestaltende Rücknahme bzw. den Widerruf andere materiell- und verfahrensrechtliche Voraussetzungen vorsehen als für die gesetzliche Beendigung, und die Aufhebung außerdem regelmäßig nicht zwingend vorgeschrieben ist, hängt nämlich im Regelfall für den Betroffenen schon das Anfechtungs- und Prozeßrisiko entscheidend davon ab, auf welche Vorschriften die Verwaltung ihre Entscheidung stützt. Außerdem verlangt das Gebot eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG), daß der Betroffene den Regelungsgehalt und die Folgewirkungen der Verwaltungsentscheidung bereits während der Anfechtungsfrist erkennen kann. Daher ginge es nicht an, wenn die Verwaltung sich in den Fällen, in denen der Betroffene eine Rücknahme oder einen Widerruf für die Zukunft in der Erwartung eines Ausgleichs- bzw. Entschädigungsanspruches hingenommen hat, sich später noch darauf berufen könnte, der Verwaltungsakt habe sich bereits vor seiner Aufhebung erledigt und der Bürger könne deshalb durch die Aufhebung auch keine auszugleichenden Vermögensnachteile erlitten haben. Bezeichnet die Behörde ihre Entscheidung zwar als „Widerruf 4, regelt sie in ihrer Entscheidung aber in einer dem Adressaten erkennbaren Weise tatsächlich den Tatbestand und die Rechtsfolgen einer gesetzlichen Beendigung, so handelt es sich trotz der falsa demonstratio um einen Feststellungsbescheid (ähnlich für den Widerruf wegen Eintritts der Bedingung bzw. Nichtigkeit Elster, S. 63 f. Knoke, S. 88 m.w.N.). In anderen Fällen ist unter Umständen eine Umdeutung möglich (vgl. Bay. VGH, U. v. 12.10.1989 - Nr. 26 B 86.02944, BayVBl. 1990,405 (406)).
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ableiten, der in dem Prinzip münden würde: „Einmal Verwaltungsakt - immer Verwaltungsakt." Denn unmittelbarer Anknüpfungspunkt der vorgenommenen teleologisch-systematischen Interpretation der jeweiligen Regelungsbefugnisse waren nicht Vorschriften über die Begründung des Rechtsverhältnisses durch Verwaltungsakt, sondern gesetzlich eingeräumte Befugnisse zur Beendigung dieses Rechtsverhältnisses durch Aufhebung des rechtsbegründenden Verwaltungsakts. Derartige Aufhebungsbefugnisse bestehen nicht in allen Verwaltungsrechtsverhältnissen und die zur Aufhebung ermächtigenden Normen enthalten unterschiedliche gesetzliche Regelungen ihrer Voraussetzungen und Rechtsfolgen, die Einfluß auf die Interpretation haben müssen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen im Wege der ergänzenden Auslegung zusätzlich gesetzlich nicht explizit normierte Feststellungskompetenzen der Verwaltung anzuerkennen sind. Ist eine Verwaltungsbehörde aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung befugt, ein Rechtsverhältnis einer bestimmten Art durch Rücknahme, Widerruf oder sonstigen Verwaltungsakt aufzuheben, so kann die Behörde bei einer teleologisch-systematischen Interpretation aller gesetzlichen Vorschriften, welche die Beendigung durch und aufgrund des Gesetzes regeln, erst Recht befugt sein, eine kraft Gesetzes bereits eingetretene Beendigung eines solchen Rechtsverhältnisses und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen durch einen feststellenden oder befehlenden Verwaltungsakt verbindlich zu regeln. Diese ergänzende Auslegung einer zur verbindlichen Konkretisierung eines Rechtsverhältnisses ermächtigenden Befugnisnorm setzt ein normatives Stufenverhältnis der gesetzlichen Beendigungs- und Widerrufsgründe voraus, das dann besteht, wenn die Sachverhalte, bei denen eine Beendigung des Rechtsverhältnisses kraft Gesetzes eintreten soll, typischerweise ohne diese speziellen Normen die tatbestandlichen Voraussetzungen der zur Aufhebung ermächtigenden Norm erfüllen würden.
F. Verwaltungsakte im Beamten- und Soldatenverhältnis I. Begründung und Zulässigkeit einer Gesamtanalogie im Beamten- und Soldatenrecht 1. Analyse der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Eine Befugnis des Dienstherrn, im Verhältnis zu seinen Beamten und Soldaten einzelne Rechte und Pflichten aus diesem Rechtsverhältnis durch Verwaltungsakt zu regeln, wird seit langem in verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen nicht mehr argumentativ, sondern allenfalls mit einem Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts begründet; hinterfragt wird die Regelungsbefugnis nur noch bei der Frage, ob vergleichbare Kompe-
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
tenzen gegenüber Erben des Beamten oder Soldaten bestehen1. Auch nach dem 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil des 8. Senats vom 19.11.1985 fand in den Entscheidungen des für das Beamten- und Soldatenrecht zuständigen 2. Senats des Bundesverwaltungsgerichts eine Auseinandersetzung mit dem Wandel der Rechtsprechung auf anderen Rechtsgebieten nicht statt; er verwies noch 1999 schlicht auf seine eigene ständige Rechtsprechung2. Bei einer kritischen Analyse der Rechtsprechung muß daher hier auf die in den Jahren 1964 bis 1967 ergangenen grundlegenden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zurückgegriffen werden. Aus den im Überblick in Teil 4 dargestellten Urteilen lassen sich vier einander teilweise ergänzende Argumente extrahieren, mit denen eine ungeschriebene Befugnis zum Erlaß beamten- und soldatenrechtlicher Erstattungs- und Leistungsbescheide begründet wurde 3. Angeführt wurden •
ein im allgemeinen und besonderen Gewaltverhältnis geltendes allgemeines Gewohnheitsrecht,
gleichermaßen
•
die subordinationsrechtliche Rechtsnatur des jeweils geltend gemachten Anspruchs,
•
die hoheitliche (subordinationsrechtliche) Rechtsnatur Beamten- und Soldatenverhältnisses und schließlich
•
die das gesamte Dienst- und Treueverhältnis prägende Kraft zahlreicher gesetzlicher Vorschriften, aufgrund derer der Dienstherr tendenziell umfassend befugt sei, beamten- und soldatenrechtliche Rechte und Pflichten durch Verwaltungsakt zu regeln.
des
gesamten
Das Bundesverwaltungsgericht hatte die Befugnis des Dienstherrn, beamtenund soldatenrechtliche Erstattungs- und Schadensersatzansprüche mittels Verwaltungsakt durchzusetzen, zunächst damit begründet, daß die Exekutive allgemein kraft Gewohnheitsrecht befugt sei, ihre hoheitlichen Ansprüche durch Verwaltungsakt zu regeln 4. Ein solcher Gewohnheitsrechtssatz existiert nach 1
BVerwG, U. v. 11.3.1971 - II C 36.68, BVerwGE 37, 314 ff.; BVerwG, U. v. 28.8.1986, 2 C 41/83, NVwZ 1987, 501; OVG NW, U. v. 21.2.1985 - 12 A 3380/83, NJW 1985, 2438 = DVB1. 1985, 755; VGH BW, B. v. 27.1.1989 - 4 S 1476/88, NVwZ 1989, 89. Zu den an Erben eines Beamten oder Soldaten gerichteten Erstattungs- und Leistungsbescheiden vgl. unten G. 2 Vgl. z.B. BVerwG, U. v. 11.3.1999 - 2 C 15.98, DÖV 1999, 645 = Schütz, Beamtenrecht, ES/B II.2. Nr. 32; ohne Begründung der Befugnis zur Feststellung einer kraft Gesetzes eingetretenen Beendigung des Beamtenverhältnisses durch Verwaltungsakt jetzt BVerwG, U. v. 8.6.2000 - 2 C 20/99, JURIS Nr. WBRE410006943 = NJW 2000, 3297 (m.w.N.). 3 Vgl. oben Teil 4, A.I.2 und B.1.1. 4
BVerwG, U. v. 1.6.1962 - II C 147.61, BVerwGE 19, 243 (245 f.); 21, 270 (271).
F. Verwaltungsakte im Beamten- und Soldatenverhältnis
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dem Ergebnis der bisherigen Untersuchung weder allgemein für alle Rechtsgebiete noch speziell für das Recht des öffentlichen Dienstes 5. Auch das Argument der hoheitsrechtlichen Rechtsnatur des jeweils geltend gemachten Anspruchs 6 erweist sich als nicht tragfähig. Die sogenannte subordinationsrechtliche Rechtsnatur des beamtenrechtlichen Erstattungsanspruchs hat das Bundesverwaltungsgericht damit begründet, daß die Rückforderung nicht nur rein fiskalischen Zwecken diene, sondern ebenso wie die hoheitliche Regelung der Dienst- und Besoldungsbezüge demselben Zweck wie das Beamtenverhältnis diene und zudem den Sinn habe, alle Beamten je nach ihrem Amt gleichmäßig, gerecht und damit in einer Weise zu alimentieren, die Störungen der Verwaltungsarbeit durch Unzufriedenheit fernhält 7. Insoweit ist dem Bundesverwaltungsgericht zwar zuzustimmen, daß der betriebliche Frieden und die Einsatzbereitschaft gestört wären, wenn einzelne Beamte, die infolge eigenen Fehlverhaltens oder auf Grund von Fehlern der Verwaltung zu Unrecht Zahlungen erhalten haben, diese behalten und damit einen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber den ordnungsgemäß handelnden und behandelten Beamten gewinnen könnten8. Aber aus dieser Grundforderung nach einer gleichmäßigen und gerechten Behandlung aller Beamten ließe sich doch allenfalls ableiten, daß der Dienstherr auf die Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen verzichten darf. Der Gerechtigkeit wäre auch Genüge getan, wenn der Dienstherr Erstattungsansprüche generell nur im Wege der Klage oder durch Aufrechnung mit fälligen Bezügen durchsetzen könnte, da auch auf diese Weise ein Ausgleich der ungerechtfertigten Bereicherung stattfinden und eine gleichmäßige Behandlung aller Beamten und Soldaten sichergestellt werden kann. Folglich ist dieser Gerechtigkeitsgedanke für die Beantwortung der Frage irrelevant, ob die Verwaltung die genannten Ansprüche (auch) durch Verwaltungsakt oder (nur) durch Klage geltend machen kann. In ähnlicher Weise hat das Bundesverwaltungsgericht für die subordinationsrechtliche Qualifikation der Vorschriften über die Schadensersatzpflicht bei Dienstverletzungen angeführt, daß die Haftung nicht nur dem Ausgleich des Schadens diene, sondern auch den Charakter einer Sanktion wegen Vernachlässigung der dienstrechtlichen Pflichten in sich berge 9. Bei der näheren Bestimmung darüber, ob, in welcher Höhe und auf welche Weise der Schadensersatz geltend zu machen sei, kämen neben den fiskalischen Gesichtspunk5 6 7 8 9
Vgl. oben Teil 6, C.I. BVerwGE 21, 270 (273); 24, 225 (228 ff.); 28, 1 (4 ff.). BVerwGE 28, 1 (4 f.). BVerwGE 28, 1 (5). BVerwGE 21, 270 (273); 27, 245 (249); 27, 250 (253).
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
ten auch Erwägungen erzieherischer Art in Betracht 10. Dem ist entgegenzuhalten, daß der Dienstherr gegenüber anderen Beamten und Soldaten den Nachweis, daß sich Nachlässigkeit oder eine bewußte Mißachtung dienstrechtlicher Pflichten nicht auszahlen, mindestens ebensogut mit einer vom Verwaltungsgericht öffentlich zu verhandelnden Leistungsklage erbringen könnte. Zudem können Überlegungen zur dienstrechtlichen Zweckmäßigkeit einer bestimmten Verfahrensweise Eingriffe des Dienstherrn nur im Rahmen der durch Gesetz geschaffenen Handlungsbefugnisse rechtfertigen. Aus den materiellrechtlichen Vorschriften über die Schadensersatzpflicht bei Dienstpflichtverletzungen läßt sich nur ableiten, daß dem Dienstherr mindestens ein Mittel zur Durchsetzung seines Anspruchs zu Verfügung stehen muß. Als Mittel zur Verwirklichung des Anspruchs kommen neben dem Verwaltungsakt mit seinen rechtsformspezifischen Eingriffswirkungen auch hier eine Aufrechnung mit falligen Bezügen und eine verwaltungsgerichtliche Leistungsklage in Betracht. Daher kann aus dem Zweck der materiellrechtlichen Bestimmungen über die Haftung des Beamten oder Soldaten nicht auf die zulässige Methode ihrer Durchsetzung geschlossen werden. Der Begriff des »Anspruchs" bezeichnet das Recht, von einem anderen ein Tun oder ein Unterlassen zu verlangen (vgl. § 194 Abs. 1 BGB). Insoweit führt es in die Irre, wenn insbesondere in der beamtenrechtlichen Rechtsprechung versucht wird, die Regelungsbefugnis der Verwaltung mit einer vermeintlichen „subordinationsrechtlichen" oder „hoheitlichen" Rechtsnatur des Anspruchs zu begründen. Vielmehr ist zu fragen, ob die Behörde ermächtigt ist, den öffentlich-rechtlichen Anspruch durch Verwaltungsakt zu regeln, ob ihr also zur Wahrnehmung ihrer jeweiligen Aufgabe, hier also z.B. zur Rückforderung von zu Unrecht ausbezahlten Bezügen, durch eine oder mehrere gesetzliche Regelungen die hoheitliche Handlungsbefugnis zugewiesen ist, einen den Anspruch konkretisierenden Verwaltungsakt zu erlassen; m.a.W. nicht ein „Anspruch" kann „hoheitlich" oder „subordinationsrechtlich" sein, sondern nur die Methode seiner Durchsetzung. Deshalb soll hier geprüft werden, ob sich nicht ohne Rekurs auf angebliches Gewohnheitsrecht oder subordinationsrechtliche Zwecke des einzelnen Anspruchs unmittelbar aus denjenigen Rechtsnormen, mit denen das Bundesverwaltungsgericht den hoheitlichen Charakter des gesamten Dienstverhältnisses begründet hat, eine ungeschriebene Regelungskompetenz des Dienstherrn ableiten läßt. Eine bei der Erörterung der Vorbehaltsfrage vom Bundesverwaltungsgericht zu Recht hervorgehobene Besonderheit der Beamten- und Soldatenverhältnisse besteht nämlich darin, daß der Dienstherr in diesen Rechtsbeziehungen aufgrund einer Vielzahl gesetzlicher Bestimmungen - beginnend mit 10
BVerwGE 27, 245 (249); 27, 250 (253).
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der Ernennung, über die Festsetzung von Bezügen, die Bewilligung von Beihilfen, die Rückforderung von überzahlten Bezügen unter Aufhebung des Bewilligungsbescheides bis hin zur Entlassung oder zur Versetzung in den Ruhestand - typischerweise befugt ist, durch gestaltende oder feststellende Verwaltungsakte die sich aus materiellrechtlichen Vorschriften im Einzelfall ergebenden Rechte und Pflichten zu konkretisieren oder bestimmte, für die weitere Entwicklung des Rechtsverhältnisses erhebliche Tatsachen - wie etwa das Besoldungsdienstalter - durch einen feststellenden Verwaltungsakt zu regeln. Die für diese Verwaltungsakte bestehenden ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigungen beziehen sich auf höchst unterschiedliche Statusfragen, Ansprüche und Maßnahmen, welche jeweils den eigenen Rechtskreis des Beamten oder Soldaten betreffen. Das Bundesverwaltungsgericht hat hieraus das Argument abgeleitet, im gesamten Beamten- und Soldatenrecht bestehe eine Tendenz, den Dienstherrn umfassend mit der Kompetenz zum Erlaß von Verwaltungsakten auszustatten 11. Zur Begründung der tendenziell umfassenden Regelungsbefugnis entnimmt das Bundesverwaltungsgericht also mehreren gesetzlichen Bestimmungen, die an verschiedene Tatbestände des Beamten- bzw. Soldatenrechts die gleiche Rechtsfolge (hier: die Befugnis zur Regelung durch Verwaltungsakt) knüpfen, einen „allgemeinen Rechtsgrundsatz", der auf einen im Gesetz nicht geregelten Tatbestand wertungsmäßig ebenso zutreffe wie auf die geregelten Tatbestände. Rechtsmethodisch verbirgt sich hinter der Formel vom hoheitlichen Über- und Unterordnungsverhältnis in diesem Fall eine Gesamtanalogie (Rechtsanalogiej n zu ausdrücklichen Kompetenznormen.
2. Zulässigkeit und Grenzen einer belastenden Analogie a) Uneinheitliche Rechtsprechung und Lehre Damit stellt sich zunächst die Frage, ob eine den Bürger belastende Analogie zur Begründung einer Eingriffsbefugnis der Verwaltung überhaupt statthaft ist. Zwar ist die Analogie als Methode der Rechtsgewinnung im
11
BVerwGE 24, 225 (229 f.); 28, 1 (4 f.). Zur Schlußtechnik und den Voraussetzungen dieser Methode der Rechtsfortbildung vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 383 ff., der die herkömmlichen Begriffe der Rechts- und der Gesetzesanalogie (Achterberg, Allg. VerwR, § 17 Rn. 50; Gern, DÖV 1985, 558 (561)) durch das anschaulichere Begriffspaar der Gesamt- und der Einzelanalogie ersetzt hat. Der Analogieschluß tritt noch deutlicher hervor, wenn man die Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts um die Aussage ergänzt, das Beamtenund das Soldatenverhältnis seien so sehr durch gesetzlich ausdrücklich zugewiesene Regelungsbefugnisse geprägt, daß die verbleibenden Fälle, in denen eine ausdrückliche Ermächtigung fehle, als eine planwidrige Regelungslücke anzusehen seien. 12
39 Kracht
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
Verwaltungsrecht grundsätzlich ebenso anerkannt wie im Zivilrecht. Fraglich ist jedoch, inwieweit durch eine entsprechende Anwendung von Befugnisnormen auf Sachverhalte, die vom Wortlaut des Gesetzes nicht erfaßt werden, die Eingriffsbefugnisse der Verwaltung erweitert werden dürfen. Hierzu hat Anschütz bereits im Jahre 1906 in einer Abhandlung über die „Lücken in Verfassungs- und Verwaltungsgesetzen" 13 erklärt: „Die Analogie ist unstatthaft, soweit es sich um die Gewährung von administrativen Eingriffsmöglichkeiten, also um die Aufstellung von Tatbeständen handelt, welche die Verwaltung zu einem Einschreiten mit Befehl und Zwang berechtigen. Es steht hier im Verwaltungsrechte ganz ähnlich wie im Strafrechte. Im Strafrecht ist bekanntlich der Grundsatz nulla poena sine lege streng durchgeführt, so daß der Richter nur strafen darf nach der lex und niemals nach Analogie einer lex. Nicht minder streng gilt jener Grundsatz im Verwaltungsrechte, wenn man sich an Stelle des Wortes poena das Wort „Eingriff' oder „Verfügung" denkt. So wenig wie der Strafrichter zu den im Strafgesetz angegebenen strafbaren Tatbeständen per analogiam noch weitere hinzukonstruieren darf, ebensowenig ist es ... dem Verwaltungsrichter gestattet, eine im Gesetz nicht vorgesehene administrative Anordnung für rechtsgültig zu erklären und gutzuheißen vermittelst analoger Herbeiziehung eines anderen, nicht zur Entscheidung stehenden, aber einen ähnlichen Fall regelnden Gesetzes. Insoweit ist die Analogie als Mittel zur Füllung von Lücken der Verwaltungsgesetze schlechthin unanwendbar.... Die Verwaltung darf gesetzlichen Zwang ausüben nur in den vom Gesetze bestimmten Fällen, nicht aber auch in allen „ähnlichen" Fällen." Eine vergleichbare rigorose Ablehnung der belastenden Analogie dominierte über lange Zeit in der steuerrechtlichen Literatur und Rechtsprechung 14, allerdings ließ der BFH die sog. zweischneidige Analogie bereits 1968 zu 15 . Zudem ist die Grenze zwischen der anerkannten teleologischen Interpretation und der abgelehnten steuerschärfenden Analogie mit zweischneidigen Lückenausfüllungen, der Bilanzbündelungstheorie und der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum wirtschaftlichen Eigentum (vor Inkrafttreten der AO 1977) von der finanzgerichtlichen Rechtsprechung manches Mal überschritten worden 16 .
13
VerwArch 14 (1906), 315 (329 f.). Vgl. z.B. BFH, U. v. 16.12.1975 - VIII R 3/74, BFHE 117, 563 (567 m.w.N.); aus der Literatur z.B. Flume, StbJb. 1964/65, 55 (68 ff.); StbJb. 1985/86, 277 (290 ff.); Friaufy in: Tipke (Hrsg.), Grenzen der Rechtsfortbildung, S. 53 (60 ff.); Scholtz in Koch/Scholtz, AO, § 4 Rn. 18; Kühn/Hofmann, AO, Anhang zu § 4 Anm. lb). Aus ihrer Sicht als Gegner eines Analogieverbots geben Tipke, Die Steuerrechtsordnung I, S. 202 ff. und zusammenfassend Lang in Tipke/Lang, § 4 Rn. 184-188 einen Überblick über die Entwicklung und Tendenzen der steuerrechtlichen Rechtsprechung und Literatur. 15 BFH, U. v. 28.5.1968 - IV R 202/67, JURIS Nr. STRE092555173 = BStBl. 1968 II, 650. 14
16
Vgl. die Darstellung der BFH-Rechtsprechung durch Woerner, in: Tipke (Hrsg.), Grenzen der Rechtsfortbildung, S. 21 ff. und Tipke, Die Steuerrechtsordnung I, S. 206 f.
F. Verwaltungsakte im Beamten- und Soldatenverhältnis
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In der steuerrechtlichen Literatur 17 und Rechtsprechung 18 wird jedoch seit Anfang der achtziger Jahre auch dafür plädiert, den Wortlaut nicht mehr als absolute Anwendungsgrenze gesetzlicher Vorschriften anzusehen, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch einen nachteiligen Analogieschluß zur Schließung planwidriger Gesetzeslücken zuzulassen. Eine gegenläufige Tendenz besteht im allgemeinen Verwaltungsrecht: Während die Zulässigkeit und Grenzen der Analogie in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 19 und unseren Lehrbüchern des allgemeinen Verwaltungsrechts über lange Zeit kaum hinterfragt wurden 20 , lehnt man bei einer verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Erörterung des Problems seit den achtziger Jahren die analoge Anwendung einer Ermächtigungsgrundlage für belastende Verwaltungsakte entweder generell ab 21 oder will sie auf seltene Ausnahmefalle beschränken, in denen die entsprechende Anwendung einer belastenden Norm unerläßlich sein müsse, um den Zweck des Gesetzes zu verwirklichen 22 . Auch die 2. Kammer des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts hat durch Beschluß vom 14.8.199623 einer Verfassungsbeschwerde gegen einen auf einer belastende Analogie beruhenden Gerichtsbeschluß als offensichtlich begründet stattgegeben. § 121 Abs. 5 StVollzG regelt das Verwaltungsverfahren der Beitreibung von Gerichtskosten im Wege der Aufrechnung gegen das sog. Haus-
17
Vgl. Tipke und Woerner, in: Tipke (Hrsg.), Grenzen der Rechtsfortbildung, S. 1 (10 ff.) und S. 21 (35 ff.); Tipke, Steuerrechtsordnung I, S.202 ff. (223 ff.); Lang in Tipke/Lang, § 4 Rn. 184; Gersch in Klein, AO, § 4 Anm. 9. 18 BFH, U. v. 20.10.1983 - IV R 175/79, BFHE 139, 561 (567 f.) = NVwZ 1984, 823; offengelassen in BFH, U. v. 13.1.1984 - VI R 194/80, BFHE 140, 246 (249) = NVwZ 1984, 822. 19 So sah es das Bundesverwaltungsgericht 1970 ohne weitere Erörterung als zulässig an, die Vorschrift des § 350a LAG, welche eine Behörde ermächtigte, zur Durchsetzung eines Erstattungsanspruchs gegenüber dem ursprünglichen Leistungsempfanger einen Verwaltungsakt zu erlassen, analog auf die mithaftende oder bürgende Ehefrau des Darlehensempfängers anzuwenden (BVerwGE 35, 170 (172 f.)). 20 Vgl. Gern, DÖV 1985, 558 (560 f.); Konzak, NVwZ 1997, 873 f. m.w.N. So enthält beispielsweise weder die Darstellung der Rechtsgewinnungs- und -anwendungsmethoden bei Achterberg, Allg. VerwR, § 17 Rn. 48-50 noch die Rechtsquellenlehre bei Ossenbühl in Erichsen, Allg. VerwR, § 6 Rn. 94, einen Hinweis auf die Vorbehaltsfrage. Aus der großen Zahl der Befürworter der Analogie haben in der Lehrbuchliteratur wohl nur W. Jellinek, S. 151 f., und Forsthoff, S. 167, die Vereinbarkeit einer belastenden Analogie mit dem Vorbehalt des Gesetzes erörtert. Die wenigen knappen Gegenstimmen haben Gern, DÖV 1985, 558 (560 f.), und Konzak, NVwZ 1997, 873 f. nachgewiesen. 21 Bleckmann, Grundrechte, § 12 IV.l.e); Zuleeg, JuS 1985, 106 (109); Konzak, NVwZ 1997, 873 f. m.w.N. 22 Gern, DÖV 1985, 558 (563); Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, § 44 Rn. 53. 23 2 BvR 2088/93, DVB1. 1997, 351 mit ablehnender Anmerkung Schwabe, S. 352 f.; zustimmend Konzak, NVwZ 1997, 873 f.
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geld 24 eines Strafgefangenen in der Weise, daß durch eine Aufrechnung der zuständigen Gerichtskasse der Anspruch des Gefangenen auf Auszahlung des Hausgeldes bis auf einen bestimmten Sockelbetrag sofort erlischt. Dadurch wird für die Gerichtskosten als öffentliche Abgaben der sonst übliche Weg der Pfändung und Überweisung entbehrlich. Für den Gefangenen bedeutet dies, daß er sich nicht mehr auf die im Beitreibungsverfahren entsprechend anwendbaren Schuldnerschutzvorschriften der ZPO berufen kann. Die zuständige Gerichtskasse hatte gegenüber einem Gefangenen, der weder über Eigengeld noch über Hausgeld verfügte, eine Aufrechnung von Verfahrenskosten gegen sein Taschengeldguthaben und seine künftigen Taschengeldansprüche25 erklärt. Der hiergegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung blieb erfolglos, weil die Strafvollstreckungskammer und das OLG die Aufrechnung in entsprechender Anwendung des § 121 Abs. 5 StVollzG für Rechtens hielten. Der Vorprüfungsausschuß ging davon aus, daß die maßgebliche verfassungsrechtliche Frage vom Bundesverfassungsgericht entschieden sei. Er gab der Verfassungsbeschwerde statt, weil in der von der Gerichtskasse erklärten Aufrechnung ein hoheitlicher Eingriff in die Rechtssphäre des Bürgers liege, der nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung einer gesetzlichen Grundlage bedürfe. Die Grundsätze des Rechtsstaats forderten, daß Ermächtigungen der Exekutive zur Vornahme belastender Verwaltungsakte durch das ermächtigende Gesetz nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt seien, so daß die Eingriffe meßbar und in gewissem Umfang für den einzelnen voraussehbar und berechenbar werden. Mit der Aufrechnung von Verfahrenskosten gegen den Taschengeldanspruch des Beschwerdeführers habe die Gerichtskasse ohne gesetzliche Grundlage in dessen Recht eingegriffen. Da sie als Verwaltungsbehörde nicht über dem Gesetz stehe und nicht befugt sei, selbst neue Eingriffstatbestände zu schaffen, habe sie die gesetzliche Grundlage nicht durch eine analoge Anwendung der nur das Hausgeld betreffenden Vorschrift des § 121 Abs. 5 StVollzG gewinnen können. Der Gesetzgeber habe die Aufrechnungsbestimmung auf das Hausgeld begrenzt und das Taschengeld freigelassen. Dies sei für die Verwaltung bindend. Schwabe hat in einer kritischen Anmerkung 26 zu Recht darauf hingewiesen, daß das Bundesverfassungsgericht die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage einer belastenden Analogie 24 Ein arbeitender oder in Ausbildung stehender Gefangener erhält grundsätzlich ein Hausgeld in Höhe von 2/3 seiner Bezüge oder bei einem freien Arbeitsverhältnis in festgesetzter Höhe (§ 47 StVollzG). 25 Nach § 46 StVollzG wird einem Gefangenen ein Taschengeld gewährt, wenn er bedürftig ist und ohne sein Verschulden weder Arbeitsentgelt noch Ausbildungshilfe erhält. 26
DVB1. 1997,352 (353).
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zuvor keineswegs im Sinne der hierauf bezogenen Grundaussagen dieses Kammerbeschlusses entschieden hatte. Vielmehr hat es weder den Analogieschluß noch andere Formen der richterlichen Rechtsfortbildung im Bereich der Eingriffsverwaltung grundsätzlich verworfen 21, sondern die Rechtsfortbildung stets als Teil der Aufgaben und Befugnisse der Gerichte behandelt28. Rechtsfortbildung sei in der deutschen Rechtsgeschichte nicht nur seit jeher eine anerkannte Funktion der Rechtsprechung; sie sei auch im modernen Staat geradezu unentbehrlich. Gewichtige Regelungen des gegenwärtigen bürgerlichen wie öffentlichen Rechts beruhten auf ihr. Mit dieser Begründung hat das Bundesverfassungsgericht die heftig kritisierte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Betriebsaufspaltung gebilligt und ausgeführt, die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung wären erst dann überschritten, wenn die gesetzliche Regelung, an welche die Rechtsprechung anknüpfe, nach Wortlaut, Systematik und Sinn abschließend gestaltet sei 29 . Auch im Bereich richterlicher Zuständigkeitsregelungen gilt nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung kein generelles Analogieverbot 30. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner jüngeren Rechtsprechung die Möglichkeit einer analogen Anwendung von Eingriffsermächtigungen 31 und belastend wirkenden Verfahrensregelungen 32 grundsätzlich anerkannt, allerdings teilweise das Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke verneint 33. Im Hinblick auf den Vorbehalt des Gesetzes hat es betont, daß allgemeine Rechtsgrundsätze und zivilrechtliche Vorschriften nur dann analog angewendet werden dürften, wenn nachgewiesen sei, daß sie sich
27
In BVerfGE 15, 226 (233) ist das Bundesverfassungsgericht von einer grundsätzlichen Unbedenklichkeit der Gesetzes- und der Rechtsanalogie ausgegangen und hat nur die analoge Anwendung eines Gewohnheitsrechtssatzes abgelehnt. Die analoge Heranziehung einer Vorschrift als materiell-gesetzliche Grundlage für eine Freiheitsentziehung hat es in BVerfGE 29, 183 (195 f.) nur deshalb abgelehnt, weil Art. 104 Abs. 1 GG den in Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG bereits enthaltenen Gesetzesvorbehalt für eine Freiheitsbeschränkung nicht nur wiederaufnehme, sondern durch das Erfordernis eines „förmlichen" Gesetzes und nach Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen verstärke. 28 BVerfGE 69, 188 (202 ff.) m.w.N. 29 BVerfGE 69, 188(204). 30 BVerfG, B. v. 10.7.1990 - 1 BvR 884/87 u. 1 BvR 985/87, BVerfGE 82, 286 (304) = JURIS Nr. KVRE210149001. 31 BVerwG, U. v. 17.8.1995 - 5 C 26/93, JURIS Nr. WBRE410001321 = BVerwGE 99, 114; U. v. 3.4.1996 - 6 C 5/94, JURIS Nr. WBRE410002380 = BVerwGE 101,51. 32 BVerwG, U. v. 29.9.1998 - 9 C 31/97, DVB1. 1999, 175. 33
Vgl. Fn. 31.
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in einer Weise in den fraglichen Regelungszusammenhang einpassen, daß sie auch die Besonderheiten dieses Regelungszusammenhangs erfaßten 34.
b) Keine freie Rechtsschöpfung, sondern Rechtsnormergänzung durch Analogie Nach den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten ist die Verwaltung zu Eingriffen in Freiheit und Eigentum grundsätzlich nur aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung, d.h. der legislativen Zuweisung einer Befugnis zur Wahrnehmung einer Verwaltungsaufgabe befugt. Der an Gesetz und Verfassungsrecht gebundene Richter, welcher ein Urteil über die Kompetenzen der Verwaltung fällt, darf die Eingriffsbefugnisse nicht ohne gesetzliche Grundlage aus eigenen Zweckmäßigkeitsüberlegungen ergänzen. Folglich ist im Eingriffsbereich ein Analogieschluß zur Schließung anfänglicher offener Regelungslücken 35 unzulässig. Hat der Gesetzgeber in einem Gesetz für bestimmte Lebenssachverhalte bewußt Inhalt, Zweck und Ausmaß der in Betracht kommenden Verwaltungstätigkeiten nicht geregelt, so können weder die materiellen Rechtsnormen dieses Gesetzes noch Befugnisnormen anderer Gesetze von den Organen der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt als Ermächtigungsnormen zu Grundrechtseingriffen herangezogen werden. Dagegen ist eine belastende Analogie zur Schließung planwidriger Regelungslücken nicht grundsätzlich ausgeschlossen 16. Zwar scheint auch ein solcher Analogieschluß zu Lasten des Bürgers tendenziell der Grundaussage des Vorbehalts des Gesetzes zu widersprechen, welcher einen administrativen Eingriff in die grundrechtliche Freiheitssphäre nur dann erlaubt, wenn sich die Voraussetzungen der Grundrechtseinschränkung sowie Inhalt, Zweck und Ausmaß des Eingriffs aus einer gesetzlichen Ermächtigung ergeben. Bei Anwendung des Vorbehalts des Gesetzes ist aber zu berücksichtigen, daß sich der Inhalt des Rechts und damit auch der Verwaltungsbefugnisse nur selten allein
34 BVerwG, U. v. 3.4.1996 - 6 C 5/94, JURIS Nr. WBRE410002380 = BVerwGE 101,51. 35 Zur Begrifflichkeit vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 377 ff.; Gersch in Klein, AO, § 4 Anm. 8 (m.w.N.) nimmt dagegen an, in einem solchen Fall liege keine Gesetzeslücke vor. 36 BFH, U. v. 20.10.1983 - IV R 175/79, NVwZ 1984, 823; BVerwG, U. v. 3.4.1996 - 6 C 5/94, BVerwGE 101, 51 = WBRE410002380; Tipke in: Tipke (Hrsg.), Grenzen der Rechtsfortbildung, S. 1 (10 ff.); Woerner, ebd., S. 21 (35 ff.); Gern, DÖV 1985, 558 (563); Tipke, Die Steuerrechtsordnung I, S. 223 ff.; Lang in Tipke/Lang, § 4 Rn. 189 ff.; Schwabe, DVB1. 1997, 352 f.; Stelkens/Sachs in Stelkens/Bonk/Leonhardt, § 44 Rn. 26; a.A. BVerfG, B. v. 14.8.1996, 2 BvR 2088/93, DVB1. 1997, 351; Konzak, NVwZ 1997, 873 f.
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aus dem Gesetzestext oder gar aus isolierten Textstellen ablesen läßt. Die Vorschriften des Gesetzes sind in ihren Beziehungen und Abhängigkeiten als Ganzes und unter Beachtung der Gesetzeszwecke zu verstehen 37. Insoweit sind viele der in der bisherigen Untersuchung dargestellten Rechtslagen, bei denen eine Ermächtigung durch Auslegung gefunden wurde, dadurch gekennzeichnet, daß als „gesetzliche Ermächtigimg" keine einzelne Norm mit einer expliziten Zuweisung der Aufgabe und Befugnis zur verbindlichen Regelung existiert, sondern daß mehrere in einem Gesetz enthaltene Bestimmungen oder die in einem Gesetz enthaltenen materiellen Pflichtnormen im Zusammenspiel mit den in einem anderen Gesetz enthaltenen Kompetenznormen im Rahmen einer teleologisch-systematischen Interpretation des gesamten Normengefüges als „gesetzliche Ermächtigung" interpretiert werden. Insoweit wäre es verfehlt, die Begründung einer Ermächtigung durch eine Gesamtanalogie nur deshalb auszuschließen, weil die Auslegung hier mehrere Normen heranzieht, die den in Rede stehenden Sachverhalt nicht explizit regeln. Insoweit bestehen nur graduelle Unterschiede zwischen der teleologisch-systematischen Interpretation eines Gesetzes, das an verschiedenen Stellen Pflicht-, Aufgabenzuweisungs- und Befugnisnormen enthält, einer teleologisch-systematischen Interpretation zweier Gesetze, von denen eines die Pflicht- und das andere die Kompetenznormen enthält und schließlich der teleologisch-systematischen Interpretation sämtlicher Gesetze, die erst in ihrem Zusammenspiel ein besonderes Verwaltungsrechtsverhältnis komplett regeln, im Rahmen einer Gesamtanalogie. Sowohl das zur Begründung einer gesetzlichen Ermächtigung im Sinne des Vorbehalts des Gesetzes allgemein anerkannte argumentum a maiore ad minus als auch die Gesamtanalogie leiten eine Eingriffsbefugnis der Verwaltung aus ihrer bei einer anderen Sach- und Rechtslage bestehenden Eingriffsbefugnis ab. Während das argumentum a maiore ad minus an eine einzelne Befugnisnorm anknüpft, die der Verwaltung für die gleiche Sachlage die Befugnis zu einem anderen Eingriff verleiht, der vom Rechtsanwender als „schwerer" beurteilt wird, wird bei einer Gesamtanalogie als argumentum a simile 38 aus der in einer Vielzahl von Normen jeweils ausdrücklich zugesprochenen Befugnis zur Wahrnehmung einer Aufgabe ein allgemeines Rechtsprinzip abgeleitet, mit dem der Rechtsanwender der Verwaltung bei einer ähnlicher Sach- und Rechtslage die Befugnis zu einem gleich schweren Eingriff zuspricht. Beide Schlußtechniken beruhen auf einer teleologisch-systematischen Interpretation der Normen, die das jeweilige Verwaltungsrechtsverhältnis begründen, und beide ergänzen die vom Gesetzgeber zur Wahrnehmung einer
37 BFH, U. v. 20.10.1983 - IV R 175/79, NVwZ 1984, 823; Tipke in: Tipke (Hrsg.), Grenzen der Rechtsfortbildung, S. 1 (10 ff.); Woerner, ebd., S. 21 (35 ff.); Tipke, Die Steuerrechtsordnung I, S. 226 ff.; Lang in Tipke/Lang § 4 Rn. 191 f. 38
Lang in Tipke/Lang, § 4 Rn. 185.
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Verwaltungsaufgabe ausdrücklich verliehenen Kompetenzen um weitere Befugnisse. Wenn man zu Recht anerkennt, daß der Vorbehalt des Gesetzes keine ausdrückliche Ermächtigung verlangt, besteht kein Grund, die Gesamtanalogie zur Begründung von Eingriffsbefugnissen prinzipiell abzulehnen. Die Anwendungsgrenze des möglichen Wortsinns, mit der ein generelles Analogieverbot im Eingriffsbereich gelegentlich begründet wird, schafft auch sonst nur bedingt Rechtssicherheit, da es innerhalb der Wortsinngrenze in der Regel auch mehrere Sinn- und Auslegungsvarianten gibt 39 . In einer Rechtsordnung mit einer Vielzahl gesetzlicher Ermächtigungen innerhalb eines komplexen Systems administrativer Aufgaben und Befugnisse hat der Vorbehalt des Gesetzes nicht die Funktion, es jedem rechtsunkundigen Laien zu ermöglichen, sich durch einen kurzen Blick in den Gesetzestext einen Überblick über die Exekutivbefugnisse zu verschaffen. Analogie ist keine freie Rechtsschöpfung, sondern eine ebenso stringente juristische Methode der Rechtsfindung wie die teleologische Interpretation gesetzlicher Generalklauseln, unbestimmter Rechtsbegriffe und Typusbegriffe, die im deutschen Verwaltungsrecht seit jeher als zulässige Elemente gesetzlicher Eingriffsermächtigungen anerkannt sind 40 . Der Vorbehalt des Gesetzes verbietet es der Verwaltung und dem sie kontrollierenden Richter zwar, gesetzliche Ermächtigungen beliebig auf Sachverhalte anzuwenden, die dem geregelten Sachverhalt in irgendeiner Weise ähnlich sind, und neuartige Eingriffstatbestände zu schaffen. Zulässig ist hingegen eine analoge Anwendung gesetzlicher Befugnisnormen, eine über den Wortlaut hinausgehende Erweiterung des Anwendungsbereichs einer Ermächtigung, die sich willkürfrei aus einer an Sinn und Zweck orientierten Auslegung der materiellen und verfahrensrechtlichen Vorschriften ergibt und erkennbare Lücken in einem unvollkommen formulierten gesetzlichen Regelwerk ausfüllt 41. Hieraus folgt zunächst, daß nicht jede „Lücke" dem Rechtsanwender die analoge Anwendung einer Eingriffsermächtigung erlaubt. Ein Gesetz ist im Sinne der Lehre über die Analogie lückenhaft, wenn in ihm eine bestimmte, nach dem Regelungsplan oder dem Gesamtzusammenhang des Gesetzes zu erwartende Regel fehlt 42 und wenn sich aus der Gesamtheit der gesetzlichen 39 Tipke in: Tipke (Hrsg.), Grenzen der Rechtsfortbildung, S. 1(12); Tipke, Die Steuerrechtsordnung I, S. 226 ff; Lang in Tipke/Lang § 4 Rn. 191 f. 40 Gern, DÖV 1985, 558 (563); Tipke, Die Steuerrechtsordnung I, S. 226 ff.; Lang in Tipke/Lang § 4 Rn. 191 f. 41 BFH, U. v. 20.10.1983 - IV R 175/79, NVwZ 1984, 823; Gern, DÖV 1985, 558 (563); Tipke in: Tipke (Hrsg.), Grenzen der Rechtsfortbildung, S. 1 (10 ff.); Woerner, ebd., S. 21 (35 ff); Tipke, Die Steuerrechtsordnung I, S. 226 ff.; Lang in Tipke/Lang § 4 Rn. 191 f. 42
Larenz, Methodenlehre, S. 375; Lang in Tipke/Lang § 4 Rn. 185.
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Vorschriften zugleich ergibt, daß diese Regelungslücke nur durch die entsprechende Anwendung gerade dieser Eingriffsermächtigung sachgerecht geschlossen werden kann 43 . Außerdem sind die für die Befugnis zum Erlaß feststellender Verwaltungsakte und gesetzeskonkretisierender Verfügungen nicht einschlägigen Regeln über das Rückwirkungsverbot zu beachten44.
c) Analoge Anwendung nur innerhalb des gleichen Rechtsverhältnisses oder sonstigen Regelungszusammenhangs Bereits die Voraussetzung des Bestehens einer planwidrigen Regelungslücke setzt dem Analogieschluß im Bereich „fehlender" gesetzlicher Ermächtigungen enge Grenzen. Unsere Verwaltungsrechtsordnung bildet kein einheitliches und in sich geschlossenes System, das auf einem einheitlichen Regelungsplan beruhen würde. Unzulässig wäre deshalb eine analoge Anwendung der Vorschriften über die Eintragung von Denkmalen in Denkmallisten auf die Eintragung des Wohnsitzes von Einwohnern in Einwohnermelderegistern oder gar eine Übertragung der in einer Vielzahl deutscher Verwaltungsgesetze enthaltenen Ermächtigungen zum Erlaß von gesetzeskonkretisierenden Verwaltungsakten auf andere Rechtsverhältnisse, bei denen die einschlägigen Rechtsvorschriften keine Anhaltspunkte für vergleichbare Regelungskompetenzen enthalten. Zugleich verlangen der Vorbehalt des Gesetzes und das rechtsstaatliche Gebot hinreichender Klarheit und Eindeutigkeit von Eingriffsnormen eine konkrete tragfähige, hinsichtlich aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale durch den Gesetzgeber gesteuerte Rechtsgrundlage. Dabei ist es unter dem Aspekt des Vorbehalts des Gesetzes nicht von vornherein ausgeschlossen, bei Einzelfragen, zu denen eine spezielle Regelung fehlt, allgemeine Rechtsgrundsätze anzuwenden. Wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 3.4.199645 zu Recht ausgeführt hat, setzt ein Rückgriff auf allgemeine Rechtsgrundsätze allerdings voraus, daß diese geeignet und ausreichend sind, gerade auch die Besonderheiten des jeweiligen Regelungszusammenhangs zu erfassen. Je spezieller dieser Regelungszusammenhang ist und je detaillierter und differenzierter nach den allgemeinen Grundsätzen des Vorbehalts des Gesetzes wesentliche Angelegenheiten normativ zu regeln sind, desto höhere Anforderungen sind an
43 44
Ähnlich Gern, DÖV 1985, 558 (563). Tipke, Die Steuerrechtsordnung I, S. 230, Lang in Tipke/Lang § 4 Rn. 193.
45 BVerwG, U. v. 3.4.1996 - 6 C 5/94, BVerwGE 101, 51 = JURIS Nr. WBRE4100023 80.
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den Nachweis zu stellen, daß die jeweilige Einzelfrage durch den Rückgriff auf allgemeine Grundsätze beantwortet werden kann 46 . Der Vorbehalt des verhältnismäßigen Gesetzgebers verlangt vom Gesetzgeber für die einzelnen Regelungsmaterien in der Regel differenzierte, Zweck und Wirkungen der jeweiligen Eingriffe berücksichtigende Ermächtigungen. Bei der Entscheidung, welches Organ der vollziehenden oder rechtsprechenden Gewalt, wann und unter welchen Voraussetzungen befugt sein soll, eine verbindliche Entscheidung über die Rechte und Pflichten des Bürgers zu treffen, muß der Gesetzgeber deshalb die sich aus dem jeweiligen materiellen Recht ergebende Tragweite einer fehlerhaften Entscheidung für den Betroffenen, das Risiko einer Fehlentscheidung und die Möglichkeit des Betroffenen berücksichtigen, innerhalb der Rechtsmittelfristen Klarheit über die Bedeutung der Entscheidung und die Chancen und Risiken einer Anfechtung zu gewinnen. Enthält ein bestimmtes „Gesetz" für einen bestimmten Eingriff keine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung, so können in der Regel nur solche Befugnisnormen entsprechend angewandt werden, die der Verwaltung zur Erfüllung der gleichen gesetzlichen Aufgabe zur Verfügung stehen. Diese Forderung ergibt sich sowohl aus der Analogievoraussetzung einer Regelungslücke als auch aus dem Vorbehalt des Gesetzes. Das als Grundlage für eine Gesamtanalogie in Betracht kommende „Gesetz" umfaßt hierbei die Gesamtheit aller Rechtsnormen, die ein bestimmtes Rechtsverhältnis zwischen der handelnden Behörde und dem betroffenen Bürger kodifizieren. Daher ist der Analogieschluß nur innerhalb eines Normengefüges möglich, aus dem sich insgesamt die in einem Verwaltungsrechtsverhältnis bestehenden Rechte und Pflichten, einschließlich der Regelungskompetenzen der Verwaltung, ergeben. Diese brauchen nicht zwingend in einem „Gesetz" im Sinne eines einzelnen Rechtsetzungsaktes zusammengefaßt sein. Sie können auch auf ein formelles Gesetz und eine Rechtsverordnung oder auf mehrere solche Gesetze im materiellen Sinne verteilt sein, die das jeweilige Rechtsverhältnis regeln. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die zuständigen Gesetzgebungsorgane die Einzelvorschriften in einem einzigen Gesetz oder Gesetzbuch zusammengefaßt haben oder die das Rechtsverhältnis konstituierenden Normen auf mehrere in einem inneren Regelungszusammenhang stehenden Gesetze verteilt hat.
46 BVerwG, U. v. 3.4.1996 - 6 C 5/94, BVerwGE 101, 51 = JURIS Nr. WBRE4100023 80.
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d) Die planwidrige Regelungslücke im Beamten- und Soldatenrecht Folglich können auch im Bereich des Beamten- und Soldatenrechts Eingriffsbefugnisse nicht durch eine analoge Anwendung von Vorschriften des bürgerlichen Rechts begründet werden 47 . Grundsätzlich möglich ist demgegenüber eine Gesamtanalogie zu Kompetenznormen, welche den Dienstherrn ermächtigen, im gleichen Rechtsverhältnis vergleichbare Rechte und Pflichten des Beamten bzw. Soldaten oder hierflir erhebliche Statusfragen und sonstige Eigenschaften durch Verwaltungsakt zu regeln. Wenn im Recht des öffentlichen Dienstes bei speziellen Ansprüchen oder rechtlich erheblichen Tatsachen ausnahmsweise gesetzliche Ermächtigungen zum Erlaß konkretisierender Verfügungen und feststellender Verwaltungsakte fehlen, obwohl derartige Befugnisse für vergleichbare Ansprüche und Eigenschaften im Beamten- und Soldatenrecht sonst oft ausdrücklich geregelt sind, kann auch eine „Planwidrigkeit" der Regelungslücke bejaht werden. Denn die Erkenntnis von der Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung für diese Verwaltungsakte stellt sich erst als Ergebnis verschiedener Faktoren der Rechtsentwicklung dar, nämlich dem Abschied vom besonderen Gewaltverhältnis als immanenter Grundrechtsschranke 48, der Abkehr von dem durch O. Mayer geprägten Verständnis des Verwaltungsaktes als Emanation der Staatsgewalt49 und schließlich als das Ergebnis einer zunehmenden Kodifizierung des Verwaltungsverfahrensrechts. So hatte beispielsweise Anschütz, der zuvor als strikter Gegner jeglicher belastender Analogie zitiert wurde, die Bedeutung des Gewohnheitsrechts im Verwaltungsrecht betont und festgestellt, daß die Verwaltung ein von ihr mit dem Erlaß eines Verwaltungsaktes beanspruchtes Eingriffs- bzw. Verfügungsrecht oft nur auf einen Satz des Gewohnheitsrechtes stützen könne 50 . Obwohl auch bei dieser Methode der Lückenfüllung ungeschriebenes Recht in die Lükken des geschriebenen trat, sah Anschütz das Gewohnheitsrecht als einen gewichtigen und legitimen Faktor an, um im Vorbehaltsbereich bestehende Lükken der gesetzlichen Ermächtigungen zu schließen. Noch für Forsthoff wurde das positivistische Dogma von der Lückenlosigkeit des Rechts nirgendwo eindeutiger ad absurdum geführt als auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts, das 47 Ähnlich BVerwG, U. v. 3.4.1996 - 6 C 5/94, BVerwGE 101, 51 = JURIS Nr. WBRE4100023 80. Nach diesem Urteil reichen analoge herangezogene Regelungen des bürgerlichen Rechts über das Auftragsverhältnis und die positive Forderungsverletzung nicht aus, um die Schadensersatzpflicht des Mitglieds eines im Rahmen der Hochschulselbstverwaltung bestehenden studentischen Sprecherrates zu begründen. 48 Vgl. oben Teil 3, C.II.2. und III. sowie unten H. 49 Vgl. oben Teil 6, C. 50
VerwArch 14 (1906), 315 (326 f.).
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lange Zeit nur über einen Bestand positiver Rechtsnormen verfügte, der hinter den Rechtsgegebenheiten weit zurückblieb 51 . Bis zum Erlaß des VwVfG und der Parallelkodifikationen im SGB X und der AO wurde unser Verwaltungsverfahrensrecht in weiten Teilen von allgemeinen Rechtsgrundsätzen geprägt, die ein aus Gewohnheitsrecht, aus allgemeinen, auch im Zivilrecht geltenden Rechtsgrundsätzen und aus dem Verfassungsrecht abgeleitetes Richterrecht 52 waren. Daher konnte der Gesetzgeber angesichts der subordinationsrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei Regelungen auf dem Gebiet des Beamten- und Soldatenrechts bislang noch davon ausgehen, daß der Dienstherr allgemein ohne spezielle gesetzliche Ermächtigung befugt sei, beamten- und soldatenrechtliche Ansprüche und hierfür rechtserhebliche Tatsachen durch Verwaltungsakt zu regeln. Soweit im Beamten- und Soldatenrecht Regelungen der Befugnis zum Erlaß eines feststellenden Verwaltungsaktes oder einer konkretisierenden Verfügung für einzelne Sachverhalte fehlen, bei denen diese im Hinblick auf bestehende Ermächtigungen für vergleichbare Normen und Sachverhalte zu erwarten wären, ist folglich eine planwidrige nachträgliche Regelungslücke gegeben. In einer solchen Situation führt eine Lückenschließung im Wege der Gesamtanalogie nur zu einer Vervollständigung der gesetzgeberischen Entscheidung über die Aufgaben und Befugnisse der Verwaltung.
3. Zwischenergebnis Wenn einzelne beamten- bzw. soldatenrechtliche Vorschriften keine Ermächtigung des Dienstherrn enthalten, einen bestimmten materiellrechtlichen Anspruch oder eine rechtlich erhebliche Eigenschaft durch Verwaltungsakt zu regeln, obwohl das Beamten- oder Soldatenrecht für die Anwendung ähnlicher materieller Rechtssätze auf vergleichbare Lebenssachverhalte an anderer Stelle ausdrückliche Ermächtigungen enthält, ist der Erlaß einer konkretisierenden Verfügung oder eines feststellenden Verwaltungsaktes grundsätzlich aufgrund einer Gesamtanalogie zu den Vorschriften möglich, welche den Dienstherrn sonst gegenüber seinem Beamten oder Soldaten zum Erlaß vergleichbarer Verwaltungsakte ermächtigen. Wie bei jeder anderen Gesamtanalogie muß allerdings auch hier jeweils geprüft werden, ob nicht Besonderheiten der fragli-
51 52
Forsthoff,
S. 167.
Zur Rechtsquellenlehre vgl. insoweit Ossenbühl in Erichsen, Allg. VerwR, § 6 Rn. 87-94.
F. Verwaltungsakte im Beamten- und Soldatenverhältnis
621
chen Fallgruppe eine von der Tendenz zu allumfassenden Regelungsbefugnissen des Dienstherrn abweichende Bewertung erforderlich machen53.
II. Anwendungsbereich und Grenzen der dienstrechtlichen Gesamtanalogie 1. Erstattungs- und Leistungsbescheide a) Erstattungsbescheide bei Leistung aufgrund eines Verwaltungsakts Nach § 12 Abs. 2 BBesG, § 52 Abs. 2 BeamtVG, § 87 Abs. 2 BBG, § 49 SVG, § 30 Abs. 3 SG und den aufgrund des § 53 Abs. 2 BRRG erlassenen landesrechtlichen Vorschriften über beamtenrechtliche Erstattungsansprüche richtet sich die Rückforderung zuviel gezahlter Dienst- und Versorgungsbezüge und sonstiger Leistungen grundsätzlich nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit keine besonderen Rückzahlungsvorschriften bestehen. Diese Regelungen spezieller öffentlich-rechtlicher Erstattungsansprüche enthalten keine spezielle Ermächtigung, diese Ansprüche mittels vollstreckbarer Erstattungsbescheide durchzusetzen. Bezüge oder andere Leistungen sind im Sinne der genannten Vorschriften zuviel gezahlt, wenn die Leistung ohne rechtlichen Grund erbracht wurde 54 . Als Rechtsgrund für die Zahlung kommen alle verbindlichen Regelungen eines Anspruchs auf die gewährte Leistung in Betracht, also einerseits abstrakt-generelle Regelungen in einem Gesetz, einer Rechtsverordnung oder einer Verwaltungsvorschrift und anderseits konkret-individuelle Regelungen in einem wirksamen Verwaltungsakt 55. Bei der Suche nach einer gesetzlichen Ermächtigung für den Erlaß von Rückforderungsbescheiden ist daher zu unterscheiden zwischen Überzahlungen, die auf Grund eines Verwaltungsaktes erfolgten und solchen Überzahlungen, die ohne Bescheid im Widerspruch zum geltenden Recht oder im Widerspruch zu einem wirksamen Bescheid erfolgt sind 56 . Wurden die Leistungen zur Erfüllung eines beamten- oder soldatenrecht' liehen Anspruchs aufgrund eines wirksamen Verwaltungsaktes, z.B. eines Festsetzungsbescheides über Versorgungsansprüche (§ 49 BeamtVG) oder eines Beihilfebescheides, erbracht, so löst erst dessen Aufhebung die Erstattungs53
Larenz, Methodenlehre, S. 386. Vgl. oben D.VIII.2. bei Fn. 41 ff. 55 Nr. 12.2.2. - 12.2.7. BBesGVwV; Schwegmann/Summer/Mayer, § 12 Anm. 5. 56 Zu den Fallgruppen der Überzahlung vgl. Nummer 12.2.2.-4. BBesGVwV und Schwegmann/Summer/Mayer, § 12 Anm. 5. 54
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Pflicht aus. Die beamten- und soldatenrechtlichen Vorschriften über die Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge haben als Spezialgesetze Vorrang vor der allgemeinen Vorschrift des § 49a VwVfG über die Erstattung von Leistungen, die nach der Rücknahme eines Verwaltungsaktes rechtsgrundlos geworden sind 57 . Eine Befugnis zur Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs durch Verwaltungsakt läßt sich in diesen Fällen entweder mit einer Gesamtanalogie zu den im jeweiligen beamten- oder soldatenrechtlichen Dienstverhältnis bestehenden Regelungsbefugnissen oder nach den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen mit einer Annexkompetenz zu den Rücknahmeund Widerrufsbefugnissen begründen 58. Wenn die Behörde nämlich ermächtigt ist, den Rückforderungsanspruch durch Aufhebung des leistungsgewährenden Bescheids zu begründen, so würde sich die verfahrensrechtliche Mitwirkungslast des Leistungsempfängers erhöhen, wenn die Aufhebung des leistungsgewährenden Bescheids und die Rückforderung der gewährten Leistung nicht in einem einheitlichen Verwaltungsverfahren erfolgen könnte.
b) Nicht auf eine Annexkompetenz zu stützende Erstattungsund Leistungsbescheide Soweit nicht ausnahmsweise das Erstattungsgesetz oder andere spezielle Vorschriften über Erstattungsbescheide anwendbar sind, besteht jedoch eine verfahrensrechtliche Regelungslücke, wenn und soweit Bezüge oder andere Leistungen im Widerspruch zu einem wirksamen Bescheid59 oder ohne Bescheid im Widerspruch zum geltenden Recht gezahlt wurden 60 , sowie bei einer öffentlich-rechtlichen Bereicherung in sonstiger Weise. Fälle einer schlichten Überzahlung können insbesondere bei der Auszahlung von Besoldungsbezügen auftreten. Denn im Gegensatz zum BeamtVG ist im BBesG die schriftliche Festsetzung durch Verwaltungsakt nur für das Besoldungsdienstalter (§ 28 Abs. 4 BBesG) vorgeschrieben 61. Eine verfahrensrechtliche Ermächtigung zum Erlaß konkretisierender Verfügungen ist auch in den Vorschriften nicht enthalten, welche die Haftung des
57 Vgl. oben D.VIII.2.a); Schwegmann/Summer/Mayer, § 12 Anm. 4a); a.A. Battis, BBG, § 87 Rn. 20. 58 Vgl. oben D.VIII.2.c). 59 Beispielsweise bei Doppelzahlungen oder bei Fehlern während der verwaltungsinternen Dateneingabe von festgesetzten Versorgungsbezügen. 60 Weitere Beispiele bei Schwegmann/Summer/Mayer, § 12 Anm. 5e). 61
Schwegmann/Summer/Mayer,
§ 12 Rn. 5e).
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Beamten oder Soldaten für Schäden aus einer schuldhaften Verletzung der Dienstpflichten regeln (§ 78 BBG, § 46 BRRG, § 24 SG) 62 . Ihrem Inhalt und ihrem Rechtsgrund nach ähneln die genannten Zahlungsansprüche zwar zivilrechtlichen Bereicherungs- oder Schadensersatzansprüchen. Insoweit ist in der vorliegenden Untersuchung bereits festgestellt worden, daß der vermeintlich hoheitliche Zweck der Geltendmachung eines Zahlungsanspruchs noch nicht den Einsatz des Verwaltungsaktes als Mittel der Anspruchsverwirklichung rechtfertigt, da dieses Mittel mit rechtsformspezifischen Eingriffswirkungen verbunden ist. Wenn man die Auslegung des Rechts des öffentlichen Dienstes endlich von einem Denken in subordinationsrechtlichen Kategorien befreit hat, ist die materiellrechtliche Parallele zu zivilrechtlichen Ausgleichsansprüchen umgekehrt allerdings auch kein ausreichender Grund mehr, Erstattungs- und Schadensersatzforderungen von dem allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsatz auszunehmen, daß der Dienstherr Ansprüche aus dem Beamten- und Soldatenverhältnis durch Verwaltungsakt regeln darf, soweit gesetzlich nicht etwas anderes vorgeschrieben ist. Denn die im öffentlichen Dienstrecht anwendbaren Ermächtigungen zum Erlaß konkretisierender Verfügungen, wie z.B. § 49 BeamtVG für Bescheide über Versorgungsansprüche 63, erfassen auch fallige Zahlungsansprüche der Verwaltung. In Analogie zu den ausdrücklich geregelten Befugnissen ist der Dienstherr deshalb gegenüber seinen Beamten und Soldaten grundsätzlich befugt, öffentlich-rechtliche Zahlungsansprüche, die sich aus diesen Dienstverhältnissen ergeben, durch Verwaltungsakt zu regeln 64.
c) Keine Leistungsbescheide zur Geltendmachung von Regreßansprüchen des Dienstherrn (Art. 34 Satz 2 GG) Aus der beamten- und soldatenrechtlichen Gesamtanalogie zu den Regelungsbefugnissen des Dienstherrn ergibt sich jedoch keine Ermächtigung des Dienstherrn, Regreßansprüche durch Verwaltungsakt geltend zu machen, die ihm im Falle einer mittelbaren Schädigung durch einen Amtshaftungsanspruch bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Beamten nach Art. 34 Satz 2 GG zustehen. Denn nach Art 34 Satz 3 GG darf für den Rückgriff der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen worden. Aus dieser Verfassungsnorm ergibt
62
BVerwGE 27, 245 (246). Bewilligungsbescheide sind zu den auch belastenden Verwaltungsakten zu rechnen, wenn sie eine abschließende Regelung des Zahlungsanspruchs enthalten und ihn auf diese Weise der Höhe nach begrenzen (vgl. Teil 5, B.II.3.b)). 63
64
A.A. Battis, BBG, § 78 Rn. 18, § 87 Rn. 20 m.w.N.
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sich nach h.M. ein Verbot, den Regreßanspruch mittels Leistungsbescheid geltend zu machen65. Teilweise wird zwar die Auffassung vertreten, Art. 34 Satz 3 GG schließe einen Rückgriff mittels Verwaltungsakt nicht aus, weil im Falle einer entsprechenden Rechtswegzuweisung die ordentlichen Gerichte auch befugt seien, Verwaltungsakte inhaltlich zu überprüfen und ggf. aufzuheben 66. Da das Grundgesetz keine eigenständige Verwaltungsgerichtsbarkeit garantiert, sondern - für andere Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt - in Art. 19 Abs. 4 Satz 2 GG eine Auffangzuständigkeit der ordentlichen Gerichte begründet, wird man in der Tat davon ausgehen müssen, daß der einfache Gesetzgeber die ordentlichen Gerichte auch zu einer Aufhebung von Verwaltungsakten ermächtigen kann. Angesichts der verwaltungsgerichtlichen Generalklausel und der detaillierten Normierung spezieller Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Anfechtungsklage in der VwGO wäre es jedoch systemfremd, ohne eine spezielle gesetzliche Regelung Verwaltungsakte zuzulassen, die quasi vor den ordentlichen Gerichten anzufechten wären 67. Denn das geltende Zivilprozeßrecht enthält keine adäquaten Rechtsschutzformen, mit denen der in Anspruch genommene Beamte gegen einen Leistungsbescheid des Dienstherrn vorgehen könnte 68 . Daher kann hier dahingestellt bleiben, unter welchen prozessualen Rahmenbedingungen der Gesetzgeber befugt wäre, den Dienstherrn ausdrücklich zu ermächtigen, den ihm nach Art. 34 GG zustehenden Rückgriff mittels Leistungsbescheid geltend zu machen. Jedenfalls ist der Regreßanspruch aufgrund der Rechtswegzuweisung des Art. 34 Satz 3 GG nicht mit der Vielzahl von gesetzlichen Vorschriften vergleichbar, aufgrund derer der Dienstherr tendenziell umfassend befugt ist, beamten- und soldatenrechtliche Ansprüche mittels Verwaltungsakt zu regeln. Es fehlt so an einer hinreichenden Rechtsähnlichkeit, welche erforderlich wäre, um die Geltendmachung des Regreßanspruches durch Leistungsbescheid auf eine Gesamtanalogie zu den sonst bestehenden Ermächtigungen zu stützen.
65
BVerwG, U. v. 6.5.1964 - VIII C 394.63, BVerwGE 18, 283 (288); Rupp, DVB1. 1963, 577 (580); Wacke, DÖV 1966, 311 (317); Günther, DÖD 1991, 159 (168 f.); Druschel, S. 97 ff.; Dagtoglou in Bonner Kommentar, Art. 34 Rn. 351 f.; Papier in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 34 Rn. 327; Battis, BBG, § 78 Rn. 16. 66 OVG Münster, U. v. 19.7.1962 - I A 672/61, DVB1. 1963, 187 (188); BorgsMaciejewski, Die Durchsetzung vermögensrechtlicher Ansprüche, S. 143 f. 67 Rupp, NJW 1978, 337; Druschel, S. 99. 68 Papier in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art 34 Rn. 327; Rupp, NJW 1978, 337; Druschel, S. 99.
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d) Leistungs- und Erstattungsbescheide nur durch den Dienstherrn Die hier anerkannte ungeschriebene Befugnis des Dienstherrn, öffentlichrechtliche Erstattungs- und Schadensersatzansprüche grundsätzlich durch Verwaltungsakt gegenüber seinen Beamten geltend zu machen, beruht auf einer Gesamtanalogie zu einer Vielzahl von Kompetenznormen, welche den Dienstherrn ermächtigen, den Status seines Beamten und die innerhalb dieses Dienstverhältnisses entstandenen Ansprüche durch Verwaltungsakt zu regeln. Nur die besonderen, durch das Dienst- und Treueverhältnis und die durch umfassende Regelungsbefugnisse des Dienstherrn geprägten Beziehungen zwischen dem Beamten und dem Dienstherrn rechtfertigen es, auch bei Fehlen einer besonderen gesetzlichen Ermächtigimg der zuständigen Stelle des Dienstherrn im Wege der Gesamtanalogie grundsätzlich eine Befugnis zur einseitigen Regelung einzuräumen. Ein vergleichbares durch Regelungsbefugnisse geprägtes Flechtwerk von Rechtsbeziehungen liegt dagegen nicht vor, wenn der Beamte aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift nur bei einzelnen Tätigkeiten für eine andere als seine Anstellungskörperschaft als Organ handelt69 oder faktisch im Bereich einer anderen Körperschaft tätig wird 70 . Daher hat die Rechtsprechung zurecht die Kompetenz des Freistaates Bayern verneint, einen Schaden, den ihm ein Landrat (d.h. der Hauptverwaltungsbeamter des Kreises) bei einer als Organ des Staates ausgeübten Tätigkeit zugefügt hatte, durch Verwaltungsakt geltend zu machen71. Ebensowenig darf eine Selbstverwaltungskörperschaft ohne eine spezielle Ermächtigung ihre Schadensersatzansprüche gegenüber Landesbeamten durch Leistungsbescheid regeln. Dies gilt sowohl für Ansprüche des kommunalen Schulträgers gegenüber einem als Lehrer an seiner Schule tätigen Landesbeamten72 als auch für Ansprüche einer Universität gegen einen „ihrer" Professoren 73. Die gesetzlichen Vorschriften über die Stellung, Aufgaben und Befugnisse des Dienstherrn rechtfertigen und begrenzen insoweit die Befugnis zum Erlaß von Leistungsund Erstattungsbescheiden. Umgekehrt kann jedoch der Dienstherr den bei der anderen Körperschaft entstandenen Schaden im Wege der Drittschadensliquidation mittels eines Leistungsbescheides geltend machen74, der materiellrechtlich auf die beamtenrechtlichen Anspruchsgrundlagen (§ 78 BBG, § 46 BRRG) 69
BVerwGE 24, 225 (230 ff.). OVG Lüneburg, U. v. 14.1.1986 - 2 A 89/84, NVwZ 1987, 522. 71 BVerwGE 24, 225 (230 ff.). 72 BVerwG, U. v. 13.6.1985 - 2 C 42/84, NVwZ 1985, 904 f.; OVG Lüneburg, U. v. 14.1.1986 - 2 A 89/84, NVwZ 1987, 522; Battis, BBG, § 78 Rn. 6 m.w.N. 73 OVG Lüneburg, U. v. 9.3.1983 - 2 A 25/78 (zitiert nach dem U. v. 14.1.1986 2 A 89/84, NVwZ 1987, 522). 74 Hess. VGH, U. v. 2.11.1988 - 1 OE 31/83, Schütz ES/B II 2 Nr. 18, S. 60. 70
40 Kracht
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und verfahrensrechtlich auf eine Gesamtanalogie zu den im Beamtenverhältnis bestehenden Befugnisnormen zu stützen ist.
2. Die Festsetzung eines Dienstalters analog § 28 Abs. 4 BBesG a) Die Vorschriften über das Dienstalter aa) Das Besoldungsdienstalter Nach der materiellen Rechtsnorm des § 27 Abs. 1 BBesG wird das Grundgehalt des Beamten oder Soldaten grundsätzlich nach aufsteigenden Dienstaltersstufen, deren Beginn nach Maßgabe des § 28 BBesG zu berechnen ist, sowie der Leistung bemessen. § 28 Abs. 1 BBesG sieht vor, daß das Besoldungsdienstalter grundsätzlich am Ersten des Monats beginnt, in dem der Beamte oder Soldat das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat. Bei Beamten und Soldaten, die nach Vollendung des 31. bzw. 35. Lebensjahr in den Dienst eintreten, wird der Beginn des BDA nach § 28 Abs. 2 Satz 2 jedoch um bestimmte Zeiten hinausgeschoben, es sei denn, daß die in Absatz 2 Satz 4 und Absatz 3 festgelegten Tätigkeiten bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn, Kinderbetreuungs- oder Verfolgungszeiten zu berücksichtigen wären. Die verfahrensrechtliche Vorschrift des § 28 Abs. 4 BBesG sieht vor, daß die Berechnung und die Festsetzung des Besoldungsdienstalters (BDA) dem Beamten oder Soldaten schriftlich mitzuteilen ist. Ebenso wie die bis zum 31.12.1989 geltende wortgleiche Vorgängervorschrift des § 27 Abs. 4 BBesG a.F. 7 5 , welche der hohen Komplexität der früheren BDA-Vorschriften Rechnung trug, ist § 28 Abs. 4 BBesG als Ermächtigung zum Erlaß eines feststellenden Verwaltungsaktes zu interpretieren 76.
75 Diese Vorschrift ging ihrerseits auf § 8 des Reichsbesoldungsgesetzes vom 16. Dezember 1927 zurück, wonach der Beamte von der Festsetzung seines Besoldungsdienstalters schriftlich zu benachrichtigen war; die Entscheidungen der zuständigen Verwaltungsbehörden waren für die Beurteilung der vor den ordentlichen Gerichten geltend gemachten vermögensrechtlichen Ansprüche des Beamten maßgebend. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts wurden die gesetzlichen Bestimmungen über die Berechnung des BDA damit zu bloßen Anweisungen an die Verwaltung, deren Entscheidungen grundsätzlich einer gerichtlichen Nachprüfung entzogen waren (RGZ 140, 101 (102 f.) m.w.N.). 76 Schwegmann/Summer/Sander, § 28; Anm. 16; Clemens/Millack/Lantermann/ Engelking/Henkel, § 28 BBesG Anm. 15.3 (m.w.N.).
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bb) Das Versorgungsdienstalter Ähnlich wie das BBesG enthält auch das BeamtenVG in seinen §§ 6 bis 13 detaillierte Vorschriften darüber, welche Zeiten als ruhegehaltsfähige Dienstzeiten bei der Berechnung von Versorgungsbezügen zwingend zu berücksichtigen sind und welche Zeiten auf Grund einer Ermessensentscheidung der zuständigen Behörde des Dienstherrn berücksichtigt werden können. § 49 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ermächtigt die Behörde nicht erst bei Fälligkeit des jeweiligen Zahlungsanspruchs, sondern bereits bei Eintritt des Versorgungsfalles in einem Grundlagenbescheid vorab mit Wirkung für sämtliche Folgeentscheidungen in diesem Versorgungsverhältnis über die Berücksichtigung von Zeiten als ruhegehaltsfähige Dienstzeiten oder andere tragende Elemente der Festsetzung zu entscheiden. Das beamtenrechtliche Versorgungsverhältnis wird demnach durch zwei Elemente bestimmt, nämlich durch den im Gesetz in Form von abstrakt-generellen Vorschriften begründeten Versorgungsanspruch und durch den konkretisierenden Festsetzungsbescheid77. Für die rechtsgestaltenden Entscheidungen über die Bewilligung von Versorgungsbezügen, welche auf Grund von Kann-Vorschriften zu treffen sind, legt § 49 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG fest, daß diese grundsätzlich erst beim Eintritt des Versorgungsfalles getroffen werden dürfen. Von dieser Grundregel wird aber in Satz 2 eine Ausnahme gemacht, nach der in der Regel bereits bei der Berufung in das Beamtenverhältnis darüber entschieden werden soll, welche Zeiten aufgrund der Soll- und Kann-Vorschriften der §§ 10 bis 12 als ruhegehaltsfähige Dienstzeiten zu berücksichtigen sind. § 49 BeamtVG enthält keine ausdrückliche Bestimmung, zu welchem Zeitpunkt die zuständige Behörde feststellende Verwaltungsakte erlassen darf, die die Bewilligung von Versorgungsbezügen auf Grund von zwingenden gesetzlichen Vorschriften regeln. Für die Versorgung der Hochschulprofessoren, der Wissenschaftlichen und Künstlerischen Assistenten usw. trifft § 67 BeamtVG hierzu Regelungen. Absatz 2 enthält zwingende Vorschriften sowie Soll- und Kann-Vorschriften zur Anrechnung von Vordienstzeiten, die nicht schon aufgrund der allgemeinen Vorschriften ruhegehaltsfähig wären. Nach der verfahrensrechtlichen Ermächtigung des Absatz 3 soll über die Ruhegehaltsfahigkeit von Zeiten nach Absatz 2 sowie auf Grund der §§ 10 bis 12 in der Regel bei der Berufung in das Beamtenverhältnis entschieden werden.
77
Beck in Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 49 BeamtVG Rn. 9.
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cc) Das Allgemeine Dienstalter Die Bedeutung und die Festsetzung eines Allgemeinen Dienstalters (ADA) ist in beamtenrechtlichen Gesetzen und Rechtsverordnungen nicht geregelt. Die Regelung des A D A beruht im Geltungsbereich des BBG vielmehr auf einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift, die der Bundesminister des Innern nach § 200 BBG zur Durchführung des BBG erlassen hat 78 . Nach diesen Richtlinien soll das A D A als Anhalt dienen, um für Entscheidungen in Personalangelegenheiten (z.B. dienstliche Verwendung, Übertragung einer Vertretung, Beförderung) im einfachen, mittleren und gehobenen Dienst eine Reihenfolge der Beamten zu bestimmen, die Ämter in derselben Besoldungsgruppe innehaben. Bei den genannten Personalentscheidungen kann das A D A im Verhältnis solcher Beamten Bedeutung gewinnen, die nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gleich beurteilt werden. Die Richtlinien zur Regelung des A D A enthalten zunächst Vorschriften, die hinsichtlich des Beginns und der Verbesserung des Dienstalters durch die Berücksichtigung gewisser Zeiten außerhalb des Dienstverhältnisses zwar nicht inhaltlich, aber doch in ihrer Funktion den materiellen Vorschriften der §§ 28 bis 30 BBesG und der §§ 6 bis 12 BeamtVG entsprechen. In Parallele zu § 28 Abs. 4 BBesG sieht die Nummer 11 der Richtlinien vor, daß die Berechnung und Festsetzung des A D A dem Beamten schriftlich mitzuteilen ist. Da das A D A nach Nummer 1 und 2 der Richtlinien grundsätzlich erst mit der ersten Verleihung eines Amtes (Anstellung), der Verleihung eines Beforderungsamtes oder dem Aufstieg in eine höhere Laufbahn beginnt, kann eine Festsetzung frühestens bei der Anstellung erfolgen. Aus Gründen des materiellen Rechts ist daher eine ADA-Festsetzung - im Gegensatz zur BDA-Festsetzung - noch nicht bei der Ernennung unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe oder Widerruf möglich. Ohne eine Erörterung der Vorbehaltsproblematik hat das Bundesverwaltungsgericht die Befugnis des Dienstherrn anerkannt, das nach den Richtlinien berechnete A D A bei seinen Personalentscheidungen zur Erleichterung einer gerechten Behandlung gleichqualifizierter Bewerber zu berücksichtigen und das A D A zu diesem Zwecke bereits aus Anlaß der Anstellung oder bei einem späteren dienstlichen Bedürfiiis durch anfechtbaren Verwaltungsakt festzusetzen. Der Feststellungsbescheid kann also lange vor jenen Personalentscheidungen ergehen, für die das A D A nach den Richtlinien relevant ist 79 . Das Bundesver-
78 Richtlinien zur Regelung des Allgemeinen Dienstalters (ADA) in der Fassung vom 1. August 1968, GMB1. 1968, 264, geändert durch Rundschreiben des BMI vom 16.5.1972 (GMB1 S. 389) und vom 8.9.1992 (GMB1 S. 984); für das Landesrecht vgl. z.B. die nordrhein-westfalische Verwaltungsvorschrift zur Regelung des Allgemeinen Dienstalters vom 20.1.1960 in Schütz, Kommentar, G.I.2.2.3. 79
BVerwGE 19, 19 ff.
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waltungsgericht stellte hierzu ausdrücklich fest, daß eine Benachteiligung bei der ADA-Festsetzung für den Beamten mit einem Ausscheiden aus dem engeren Kreis der Beforderungskandidaten gleichbedeutend ist und seine Beforderungschancen zeitlich zu seinen Ungunsten verschiebt 80.
dd) Das Jubiläumsdienstalter Nach § 80b BBG i.V.m. § 1 der Verordnung über die Gewährung von Jubiläumszuwendungen an Beamte und Richter des Bundes (JubV) 81 erhalten Bundesbeamte bei Vollendung einer Dienstzeit von 25, 40 und 50 Jahren eine Jubiläumszuwendung. Die § § 3 und 4 JubV enthalten Bestimmungen über die Berechnung dieser Dienstzeit 82 ; dabei ist gemäß § 3 Satz 3 ein Teil der im BBesG enthaltenen materiellen Regelungen über das Besoldungsdienstalter auf das Jubiläumsdienstalter sinngemäß anzuwenden. Obwohl die JubV hierzu keine ausdrückliche Ermächtigung enthält, besteht bei einem Teil der Bundesbehörden eine Verwaltungspraxis, das Jubiläumsdienstalter bereits bei Beginn der Dienstzeit bei der Beschäftigungsbehörde ggf. unter Anrechnung anderer Zeiten - bereits alsbald nach der Ernennung zum Bundesbeamten durch Verwaltungsakt festzusetzen; bei anderen Dienststellen wird die Berechnung der auf das Jubiläumsdienstalter anzurechnenden Zeiten dem Beamten dagegen nur auf Anfrage oder kurz vor dem errechneten Jubiläumstermin mitgeteilt 83 . b) Analogiefähigkeit des § 28 Abs. 4 BBesG aa) Zweck und Folgen einer BDA-Festsetzung Die in §§ 28 Abs. 4 BBesG enthaltene Ermächtigung des Dienstherrn, das für die Besoldungsansprüche eines Beamten relevante Dienstalter durch Verwaltungsakt festzusetzen, trägt dem Umstand Rechnung, daß das BDA in be80 BVerwGE 19, 19 (22 f.); zur Bedeutung des ADA vgl. auch BVerwG, U. v. 28.8.86 - 2 C 5.84, Schütz ES/A.II. 1.4 Nr. 15, S. 40 = ZBR 87,45. 81 In der Fassung der Bekanntmachung vom 13. März 1990 (BGBl. I S. 487), geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 1991 (BGBl. I S. 2317), Abdruck in GKOD I, Teil 1, D 720. 82 Gemäß §§3 und 4 JubV zählen zu der Dienstzeit nicht nur Zeiten als Bundesbeamter, sondern auch Zeiten einer anderen hauptberuflichen Tätigkeiten im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn, Zeiten des Wehr- oder Zivildienstes usw. 83 Rechtsmittelfahige Bescheide erteilt beispielsweise das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, das mich auf die abweichende Verfahrensweise anderer oberster Bundesbehörden hingewiesen hat.
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stimmten Fällen einer besonderen Berechnung bedarf 8 4 . Denn trotz der erheblichen Rechtsvereinfachung durch das am 1.1.1990 in Kraft getretene Fünfte Gesetz zur Veränderung besoldungsrechtlicher Vorschriften stimmt das Besoldungsdienstalter nach den maßgeblichen Vorschriften nicht unbedingt mit dem auf dem Lebensalter beruhenden Regel-BDA nach § 28 Abs. 1 BBesG überein 85. Vielmehr wird es bei einem Dienstbeginn nach der Vollendung des 31. bzw. 35. Lebensjahres grundsätzlich um bestimmte Fristen hinausgeschoben wird, es sei denn, daß die in Absatz 2 Satz 4 und Absatz 3 festgelegte Tätigkeiten bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn, Kinderbetreuungsoder Verfolgungszeiten zu berücksichtigen wären. Die Tatsachenfeststellung und rechtliche Bewertung, ob Vordienst-, Kinderbetreuungs- oder Verfolgungszeiten eine das Hinausschieben verhindernde Rückausnahme begründen, ist nicht immer ein einfacher Rechenvorgang, sondern kann sich unter Umständen als schwierige juristische Entscheidung erweisen. Die Verpflichtung zur Festsetzung und Mitteilung der Berechnung soll einerseits sicherstellen, daß der Beamte selbständig nachprüfen kann, ob die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen für die BDA-Festsetzung zutreffen und ist in seiner Eigenschaft als (auch) begünstigenden Verwaltungsakt im Fürsorgeprinzip verankert. Als Kehrseite bürdet das Gesetz durch die Ermächtigung der Behörde, das BDA in Form eines Verwaltungsaktes festzusetzen, dem Beamten aber im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit auch eine Mitverantwortung für die Richtigkeit der Festsetzung auf 87 . § 28 Abs. 4 BBesG belastet die Gruppe der Beamten, bei denen das Besoldungsdienstalter fehlerhaft festgesetzt wurde, den Bescheid fristgerecht anzufechten oder die BDA-Festsetzung als maßgeblich für ihre Besoldungsansprüche hinzunehmen. Die Mitwirkungs- und Anfechtungslast des Beamten wird durch den Umstand gerechtfertigt, daß die tatsächliche und rechtliche Beurteilung der Vordienstzeiten am besten möglich ist, wenn sie bereits bei der Einstellung oder Wiedereinstellung und damit in zeitlicher Nähe zu den entscheidungserheblichen Tätigkeiten erfolgt; demgegenüber können bei einer späteren Beurteilung Beweismittel über die rechtserheblichen Tatsachen bereits verlorengegangen sein 88 . Zeitnahe Entscheidungen bieten so die größte Richtigkeitsgewähr; zugleich verschaffen frühzeitige Regelungen ihrer Besoldungsgrundlagen den Beamten eine verläßliche Grundlage
84
Schwegmann/Summer/Sander, § 28 Anm. 16. Zur Grundstruktur des heutigen Rechts vgl. Schwegmann/Summer/Sander, § 28 Anm. 3. 86 Clemens/Millack/Lantermann/Engelking/Henkel, § 28 BBesG Anm. 15.1. 87 Clemens/Millack/Lantermann/Engelking/HenkeU § 28 BBesG Anm. 15.1. 88 Für die Kann-Entscheidungen gem. § 49 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG ebenso Beck in Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 49 BeamtVG Rn. 19. 85
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für ihre finanziellen Dispositionen89 . Bei einer generalisierenden Betrachtung liegt die frühzeitige Regelung des Besoldungsdienstalters sowohl im öffentlichen Interesse als auch Interesse der betroffenen Beamten. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll das im Einzelfall möglicherweise bestehende gegenläufige Interesse des Beamten, jederzeit eine Korrektur der Berechnung seines Dienstalters verlangen zu können, gegenüber dem allgemeinen Interesse nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zurücktreten. Die Ermächtigung der Behörde, bei der Einstellung eine verbindliche und der Bestandskraft fähige Entscheidung über das Dienstalter zu treffen, beruht deshalb auf einer legitimen Abwägung gegenläufiger Interessen im Spannungsverhältnis von individueller Einzelfallgerechtigkeit und Rechtssicherheit. bb) Rechtsähnlichkeit anderer Festsetzungen eines Dienstalters Die ratio legis der verbindlichen Festsetzung des Besoldungsdienstalters läßt sich auf die Festsetzung des Versorgungs-, des Jubiläums- und des Allgemeinen Dienstalters übertragen, bei denen das Risiko einer fehlerhaften Anwendung der Vorschriften über die Anrechnung gewisser Vordienstzeiten gleichfalls in zeitlicher Nähe zu den entscheidungserheblichen Tätigkeiten am geringsten ist. Die Ermächtigung des § 28 Abs. 4 BBesG rechtfertigt es, die beamtenrechtliche Gesamtanalogie auch auf vergleichbare Festsetzungen eines Dienstalters zu erstrecken. Aufgrund der Gesamtanalogie zu einer Vielzahl sonstiger beamtenrechtlicher Ermächtigungen zum Erlaß von Verwaltungsakten und insbesondere in entsprechender Anwendung des § 28 Abs. 4 BBesG darf der Dienstherr bereits bei der Ernennung über das Versorgungsdienstalter und das Jubiläumsdienstalter entscheiden. Ebenso besteht eine Befugnis, das Allgemeine Dienstalter durch Verwaltungsakt zu regeln. Diese Festsetzung des A D A kann allerdings erst bei der Anstellung erfolgen, da dieser Zeitpunkt in den maßgeblichen Richtlinien als Ausgangspunkt der Berechnung dieses Dienstalters vorgesehen ist. Die Befugnis zur Festsetzung des Versorgungsdienstalters läßt sich darüber hinaus auch aus der Ermächtigung des Dienstherrn ableiten, bei der Berufung in das Beamtenverhältnis über solche Zeiten zu entscheiden, welche aufgrund von Ermessensvorschriften als ruhegehaltsfähig berücksichtigt werden können. Für das Versorgungsdienstalter hat der Gesetzgeber nämlich in § 49 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen, über die Anrechnung gewisser Vordienstzeiten durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Auch diese Ermächtigung beruht auf der Überlegung, daß die für die Entscheidung
89 Für die Kann-Entscheidungen gem. § 49 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG ebenso Beck in Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 49 BeamtVG Rn. 19.
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
über die Ruhegehaltsfahigkeit notwendige Ermittlung und Würdigung des Sachverhaltes zum Zeitpunkt der Berufung in das Beamtenverhältnis ungleich einfacher durchzuführen ist, als später bei Eintritt des Versorgungsfalles 90. Zwar ist die Ermächtigung des § 49 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG ihrem Wortlaut nach auf den Erlaß eines Grundlagenbescheids über die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ermessensentscheidung beschränkt. Die Ermächtigung knüpft jedoch nicht an Besonderheiten der Ermessensausübung an, sondern beruht auf Schwierigkeiten der Ermittlung und Bewertung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Entscheidung über die Ruhegehaltsfahigkeit, die auch bei gebundenen Entscheidungen über Vordienstzeiten auftreten können. § 49 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG ist daher nur im Verhältnis zu den in Satz 1 geregelten Ermessensentscheidungen als eine Ausnahmevorschrift zu interpretieren. Der systematische Zusammenhang mit der Ermessensvorschrift des Satzes 1 und der Normzweck ergeben, daß sich aus dieser Vorschrift keine ungeschriebene Regel ableiten läßt, Entscheidungen über das Versorgungsdienstalter seien erst bei Eintritt des Versorgungsfalls zulässig. Folglich sind feststellende Verwaltungsakte über das Versorgungsdienstalter nicht im Umkehrschluß verboten, sondern unter Berücksichtigung allgemeiner beamtenrechtlicher Verfahrensprinzipien und der in § 28 Abs. 4 BBesG geregelten ähnlichen Festsetzung des Besoldungsdienstalters erst recht erlaubt. Hierfür spricht auch die spezielle Ermächtigung in § 67 Abs. 3 BeamtVG, die bei der Feststellung der Ruhegehaltsfähigkeit nach Absatz 2 nicht zwischen einer Vorwegentscheidung aufgrund der zwingenden Vorschrift des Absatz 2 Satz 1 und den Soll- und Kann-Vorschriften des Satz 2 unterscheidet 91. Dort hat der Gesetzgeber angesichts der nicht immer einfach anzuwendenden Rechtsbegriffe ein besonderes Bedürfiiis nach einer verbindlichen Vorabentscheidung anerkannt, ohne daß diese spezielle Ermächtigung einen Umkehrschluß auf eine fehlende Regelungsbefugnis in anderen Fällen erlauben würde 92 . Mangels einer dem § 49 Abs. 2 Satz 2 und § 67 Abs. 3 Satz 2 BeamtVG entsprechenden gesetzlichen Regelung müssen die gesetzlich nicht geregelten Dienstaltersfestsetzungen im Hinblick auf den Vorrang künftiger Gesetze ausdrücklich unter dem Vorbehalt des Gleichbleibens der Rechtslage bzw. bei einem nur durch Verwaltungsvorschrift geregelten ADA unter dem Vorbehalt einer unveränderten Verwaltungspraxis getroffen werden 93.
90
Beck in Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 49 BeamtVG Rn. 19. Bauer in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, § 67 Abs. 3 Erl. 2.1; Beck in Plog/ Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 67 BeamtVG Erl. zu Abs. 3. 92 Ebenso Bauer in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Erl. 6 Nr. 1.3 zu § 49, Erl. 7 Nr. 8 zu § 66. 93 Vgl. Bauer in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Erl. 6 Nr. 1.3 zu § 49, Erl. 7 Nr. 8 zu § 66, sowie oben Teil 6,1. 91
F. Verwaltungsakte im Beamten- und Soldatenverhältnis
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3. Die Feststellung der Beendigung eines Beamtenverhältnisses bei strafgerichtlicher Verurteilung (§ 24 Abs. 1 BRRG, § 48 BBG) Die Befugnis des Dienstherrn, eine nach strafgerichtlicher Verurteilung eingetretene Beendigung eines Beamtenverhältnisses durch Verwaltungsakt verbindlich festzustellen, ist in der vorliegenden Untersuchung bereits mit einem argumentum a maiore ad minus aus der Befugnis abgeleitet worden, in einem Disziplinarverfahren bei einem minder schweren Vergehen gegen den Beamten eine Disziplinarverfügung zu erlassen 94. Die ausdrücklich verliehenen disziplinarrechtlichen Befugnisse bilden aber auch einen Teil der tendenziell allumfassenden Regelungskompetenzen des Dienstherrn im Beamtenverhältnis, so daß die verbindliche Feststellung, der Beamte sei durch eine strafgerichtliche Verurteilung kraft Gesetzes zu einem bestimmten Zeitpunkt aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden, zugleich mit der beamtenrechtlichen Gesamtanalogie begründet werden kann.
I I I . Nachträgliche Regelungspflicht des Gesetzgebers In den Fällen, in denen hier eine Verwaltungsaktbefugnis mit einer Gesamtanalogie begründet wurde, ist es allerdings Aufgabe des zuständigen Gesetzoder Verordnungsgebers, die im geschriebenen Recht bestehende Lücke jeweils durch eine ausdrückliche Ermächtigung zu ersetzen^. Die Anerkennung einer in einer Übergangsperiode noch fortbestehenden Kompetenz des Dienstherrn zum Erlaß von feststellenden Verwaltungsakten und gesetzeskonkretisierenden Verfügungen steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Fachgerichte, nach der eine dem Parlaments- oder Gesetzesvorbehalt nicht genügende Regelung nur dann übergangsweise angewendet werden darf, wie dies für die Sicherung der
94
Vgl. oben E.III.2.c)bb). Gern, DÖV 1985, 558 (564). Im Interesse der Rechtssicherheit wird eine nachträgliche Änderung oder Ergänzung des Gesetzeswortlautes auch von Tipke, Die Steuerrechtsordnung, S. 231, befürwortet. Allerdings bleibt bei Tipke („Der Gesetzgeber würde die Rechtssicherheit erhöhen ...") offen, ob er eine Regelungspflicht oder nur einen rechtspolitischen Appell an den Gesetzgeber begründen will. Diese nachträgliche Regelungspflicht des Gesetzgebers wird spätestens zu dem Zeitpunkt akut werden, zu dem zuständige Senate des Bundesverwaltungsgerichts oder der Verwaltungsgerichtshöfe die subordinationsrechtliche Begründung der Regelungsbefugnisse des Dienstherrn aufgeben und klarstellen, daß die Verwaltung auch die Rechte und Pflichten eines Beamten oder Soldaten sowie die hierfür erheblichen Eigenschaften grundsätzlich nur dann verbindlich durch Verwaltungsakt regeln darf, wenn sie hierzu durch Gesetz oder Rechtsverordnung ermächtigt ist. 95
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
Verwaltung unerläßlich ist und sich die Funktionsfahigkeit der Verwaltung nicht mit schonenderen Maßnahmen96 sicherstellen läßt 97 . Denn diese Voraussetzungen beziehen sich auf Sachverhalte, bei denen sich für bestimmte dem Gesetzesvorbehalt unterliegende Maßnahmen auch im Wege der Auslegung keine ausreichende gesetzliche Grundlage ermitteln ließ. Hier ergibt sich die Notwendigkeit eines gesetzgeberischen Handelns jedoch nicht aus dem völligen Fehlen einer gesetzlichen Ermächtigung, sondern aus dem Umstand, daß eine gesetzliche Grundlage im Wege einer Gesamtanalogie gefunden wurde, die nur - und das heißt auch nur solange - zulässig ist, wie im jeweiligen Gesetz eine planwidrige Regelungslücke besteht. Wenn der Gesetzgeber nun in Kenntnis einer Rechtsprechung, die im Gesetz eine planwidrige Regelungslükke aufgedeckt hat, das betroffene Teilgebiet des Beamten- und Soldatenrechts novelliert, so entscheidet er neu über die Vollständigkeit der gesetzlichen Ermächtigungen. Er steht dann vor der Wahl, diese Lücke entweder durch eine ausdrückliche Ermächtigung zu schließen oder die Rechtsprechung im Sinne seines wirklichen Plans98, genauer gesagt, im Sinne seiner jetzigen Vorstellung von einer sachgerechten Kompetenzordnung, zu korrigieren. Novelliert er das einschlägige Gesetz ohne die von der Rechtsprechung aufgezeigte Lücke durch eine gesetzliche Regelung zu füllen, so kann nicht mehr von einer planwidrigen Lücke ausgegangen werden. Die methodischen Voraussetzungen jeglichen Analogieschlusses führen deshalb dazu, daß eine ungeschriebene Befugnis des Dienstherrn, das materielle Beamten- bzw. Soldatenrecht verbindlich durch Verwaltungsakt zu regeln, nur noch für eine Übergangsperiode anerkannt werden kann. Daher sind die zuständigen Gesetzes- oder Verordnungsgeber aufgerufen, bei den nächsten Novellierungen die Lücken im Beamten- und Soldatenrecht zu schließen und ausdrückliche Ermächtigungen zum Erlaß feststellender Verwaltungsakte und konkretisierender Verfügungen zu schaffen.
96
Hier also beispielsweise der Geltendmachung von Erstattungs- oder Schadensersatzansprüchen durch eine verwaltungsgerichtliche Klage. 97 BVerfG, B. v. 13.6.1979 - 1 BvR 699/77, BVerfGE 51, 268 (288 ff.); B. v. 20.10.1981 - 1 BvR 640/80, BVerfGE, 257 (280); OVG NW, U. v. 26.2.1993, 13 A 175/92, DVB1. 1993, 1321 (1322 f.) m.w.N.; zur fachgerichtlichen Übergangsrechtsprechung vgl. Muckel NJW 1993, 2283 ff. 98 Gern, DÖV 1985, 558 (564).
G. Erstattungs- und Leistungsbescheide gegenüber Erben eines Beamten
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G. Erstattungs- und Leistungsbescheide gegenüber Erben eines Beamten oder Soldaten I. Erstattungsbescheide Uneinheitlich wird in der Rechtsprechung die Frage beantwortet, ob und in welchen Fällen der Dienstherr befugt ist, von dem Erben eines Beamten, Soldaten oder Versorgungsempfängers Leistungen durch Verwaltungsakt zurückzufordern, die er zu Unrecht als Beihilfe, Abschlagszahlung, Dienst-, Ruhegehalts-, oder Versorgungsbezüge an diesen oder in Unkenntnis von dessen Tod auf das Konto des Verstorbenen 1 überwiesen hat2. Im Rahmen der Erörterung der Befugnis zum Erlaß eines Verwaltungsakts vermischt sich die im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung stehende Vorbehaltsfrage bei dieser Fallgruppe mit der vorgelagerten Frage, ob es sich bei dem geltend gemachten Anspruch um einen zivilrechtlichen Bereicherungs- oder einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch handelt3. Denn die Verwaltung darf einen Anspruch auf Erstattung einer rechtsgrundlosen Leistung gemäß § 35 VwVfG nur dann mittels Verwaltungsakt geltend machen, wenn es sich hierbei um einen Anspruch „auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts" handelt. Bei der Beantwortung ist davon auszugehen, daß der Rechtsgrundsatz, ungerechtfertigte Bereicherungen seien auszugleichen, sowohl im privaten wie im öffentlichen Recht gilt. Die rechtliche Zuordnung der Ausgleichspflicht als Kehrseite des Leistungsanspruchs hängt deshalb davon ab, wie es zu der Bereicherung gekommen ist, die durch die Erstattung wieder rückgängig gemacht werden soll. Zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Rückgewähransprüche sind Ansprüche, mit denen ein vermeintlicher oder nachträglich weggefallener Leistungs-
1
Aufgrund der parallelen Regelungsstruktur des Beamten- und des Soldatenverhältnisses - mit einer vergleichbaren Tendenz zu allumfassenden Regelungsbefugnissen des Dienstherrn - sowie der aus diesen Rechtsverhältnissen erwachsenden Pensions- und Versorgungsansprüche, müssen für die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen gegenüber den Rechtsnachfolgern von Beamten, Soldaten und Versorgungsempfangern, unbeschadet spezieller gesetzlicher Regelungen, die gleichen Grundsätze gelten. Nur zur sprachlichen Vereinfachung wird in der nachfolgenden Darstellung vereinfacht von dem „Beamten" statt von dem „Beamten, Soldaten oder Versorgungsempfänger" gesprochen. 2 Vgl. Günther, Zur Handlungsform des beamtenrechtlichen Leistungsbescheides, DÖD 1991, 159 (170 ff), dessen Darstellung die Grundsätze der beamtenrechtlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nachzeichnet und argumentativ unterlegt. 3 Vgl. die umfangreichen Nachweise bei Graf, Beamtenrechtliche Erstattungsansprüche gegen Hinterbliebene - ein Rechtswegproblem, ZBR 1996, 380 ff.
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
anspruch gleichsam umgekehrt wird. Nach einer gängigen Formulierung teilen sie dementsprechend die Rechtsqualität des Anspruchs, den sie umkehren 4.
1. Erstattungsanspruch nach Leistung an den Erblasser aufgrund eines wirksamen Verwaltungsaktes a) Die Rechtsprechung Eine Kompetenz zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs durch Verwaltungsakt wird in der Rechtsprechung allgemein anerkannt, wenn die nunmehr zurückgeforderte Leistung noch zu Lebzeiten des Beamten erfolgte, der Beamte also selbst noch Empfänger der Leistung war 5 . Für die Entstehung der durch die Zahlung ausgelösten Rechtsbeziehungen ist insoweit der Zeitpunkt der Leistung maßgeblich; bei der üblichen Überweisung im bargeldlosen Zahlungsverkehr ist dies nicht der Zeitpunkt des verwaltungsinternen Vorgangs der EDV-Eingabe oder der Überweisungsauftrag, sondern der Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Konto des Beamten6. Der durch eine solche Zahlung begründete beamtenrechtliche Rückforderungsanspruch verändere seine Rechtsnatur durch den Tod des Erblassers nicht. Nach den erbrechtlichen Grundsätzen der Gesamtrechtsnachfolge in Rechte und Verbindlichkeiten des Erblassers trete der Erbe dann auch in die durch den Rückforderungsanspruch gegebene Nachlaßverbindlichkeit ein, so wie sie zum Zeitpunkt des Todes bestanden habe (§§ 1922, 1967 BGB (analog)). Der Erbe trete deshalb - begrenzt auf den geltend gemachten Rückforderungsanspruch - in das Über-/Unterordnungsverhältnis ein, das hinsichtlich dieses Anspruchs bereits beim Tode des Beamten bestanden habe. Ein solcher durch Erbfolge übergegangener Rückforde-
4 BGH, U. v. 30.03.1978 - VI ZR 244/76, JURIS BORE0070001 = BGHZ 71, 180 (182); BVerwG, U. v. 23.1.1990 - 8 C 37/88, JZ 1990, 862 (mit krit. Anmerkung Maurer,, S. 863-865) = NJW 1990, 2482 f. = BayVBl. 1990, 475 = BVerwGE 84, 274 (m.w.N.); BSG, U. v. 29.10.1986 - 7 RAr 77/85, DVB1. 1987, 850 (m.w.N.); Graf ZBR 1996, 380 (383 ff.). Vgl. aber auch Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 415-417, 423 f. („Diese Charakterisierung ist plastisch und einprägsam, aber verführerisch..."). Wegen der präjudiziellen Bedeutung der Rechtsnatur des Anspruchs für eine etwaige Verwaltungsaktbefugnis werden in die nachfolgende Darstellung auch Urteile einbezogen, bei denen der Dienstherr zur Rückforderung keinen Verwaltungsakt erlassen sondern bei einem ordentlichen Gericht oder einem Verwaltungsgericht eine Leistungsklage erhoben hatte. 5 BVerwG, U. v. 11.3.1971 - II C 36.68, BVerwGE 37, 314 (318 f.); OVG NW, U. v. 21.2.1985 - 12 A 3380/83, NJW 1985, 2438 = DVB1. 1985, 755 (756); VGH BW, B. v. 27.1.89 - 4 S 1476/88, NVwZ 1989, 892 (893). 6
VGH BW, B. v. 27.1.89 - 4 S 1476/88, N V w Z 1989, 892 (893).
G. Erstattungs- und Leistungsbescheide gegenüber Erben eines Beamten
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rungsanspruch könne auch gegenüber dem Erben hoheitlich durch Leistungsbescheid geltend gemacht werden 7.
b) Lösung Wenn die Zahlung zur Erfüllung eines noch zu Lebzeiten des Beamten bereits fälligen Leistungsanspruchs erfolgte, ist der Erstattungsanspruch, der diese Leistungsbeziehung umkehren soll, sowohl in den Fällen, in denen der vermeintliche Rechtsgrund von Beginn an nicht bestand, als auch in den Fällen, in denen er nachträglich, insbesondere durch die Aufhebung eines Bewilligungsbescheides, weggefallen ist, unzweifelhaft dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Die Verpflichtung des Beamten zur Erstattung überzahlter Dienst- oder Versorgungsbezüge (§ 12 Abs. 2 BBesG, § 52 Abs. 2 BeamtVG, § 53 Abs. 2 BRRG) ist rein vermögensrechtlicher Natur und deshalb ohne weiteres analog § 1967 BGB vererblich. Der bereits durch eine Leistung an den Beamten begründete beamtenrechtliche Rückforderungsanspruch verändert seine öffentlich-rechtliche Rechtsnatur durch den Tod des Beamten und die Gesamtrechtsnachfolge des Erben nicht*. Wenn die zuständige Behörde den Anspruch eines Beamten diesem gegenüber durch einen Bewilligungsbescheid konkretisiert hatte, so kann sie eine Leistung, die der verbindlichen Regelung dieses Anspruchs entsprach, allerdings solange nicht als eine rechtsgrundlose Leistung zurückfordern, wie die inhaltlich entgegenstehende Regelung des Bewillungsbescheides wirksam ist 9 . Diese den Leistungsempfanger begünstigende Bindungswirkung des Verwaltungsaktes erstreckt sich auch auf den Erben 10 . Hatte der Dienstherr die Lei-
7
BVerwG, U. v. 11.3.1971 - II C 36.68, BVerwGE 37, 314 (318); OVG NW, U. v. 21.2.1985 - 12 A 3380/83, NJW 1985, 2438; VGH BW, B. v. 27.1.89 - 4 S 1476/88, NVwZ 1989, 892 (893). 8 OVG NW, U. v. 21.2.1985 - 12 A 3380/83, NJW 1985, 2438 = DVB1. 1985, 755 (756); VGH BW, B. v. 27.1.89 - 4 S 1476/88, NVwZ 1989, 892 (893); Christiane Fischer, S. 157 f. 9 Nr. 12.2.3.4 und 12.2.7 BBesGVwV; BVerwG, U. v. 17.3.1977 - 7 C 59/75, NJW 1977, 1838; Battis, BBG, § 87 Rn. 6; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 426 (m.w.N.). 10 Vgl. BVerwG, U. v. 22.3.1990 - 2 C 49/87, NVwZ 1991, 169 (170), das darüber hinaus den Bewilligungsbescheid als eigenen Rechtsgrund ansieht, der zur Vererblichkeit des festgesetzten Beihilfeanspruchs führe: „Durch die bescheidmäßige Festsetzung der beantragten Beihilfe wird zwischen dem Beihilfeberechtigten und dem Dienstherrn eine öffentlichrechtliche Leistungsbeziehung begründet, in die der Erbe kraft Erbgangs eintritt. Der den Beihilfeanspruch konkretisierende Bescheid bildet insoweit einen rechtlich selbständigen Zahlungsgrund, der nachträglich nicht deshalb entfallt, weil der Berechtigte nach Zahlungsanweisung, aber vor Zahlungseingang stirbt. Das Ableben des
6 3 8 T e i l 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
stung noch an den Beamten selbst zur Erfüllung eines durch Verwaltungsakt geregelten Anspruchs erbracht, so ist er aufgrund der §§ 48 ff. VwVfG oder spezieller beamtenrechtlicher Bestimmungen bei Vorliegen eines Rücknahmeoder Widerrufsgrundes auch gegenüber dem Erben des Beamten befugt, den leistungsgewährenden Verwaltungsakt durch einen Rücknahme- bzw. Widerrufsbescheid aufzuheben 11. Die Außebungsbefiignis gegenüber dem Erben ist insoweit eine zwangsläufige Kehrseite der den Erben begünstigenden Bindungswirkung des leistungsgewährenden Bescheides. Fällt ein leistungsgewährender Verwaltungsakt als öffentlich-rechtlicher „Rechtsgrund", genauer gesagt, als verbindliche Konkretisierung eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs, nach dem Tod des durch die Zahlung bereicherten Beamten durch Rücknahme oder Widerruf weg, so löst erst diese Aufhebungsentscheidung den Erstattungsanspruch aus12. Da die speziellen beamtenrechtlichen Vorschriften über die Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge nicht nur die §§48 und 49 VwVfG, sondern auch den § 49a VwVfG mit seinen materiell- und verfahrensrechtlichen Regelungen des Erstattungsanspruchs verdrängen, ergibt sich die Befugnis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nach dem zutreffenden Begründungselement der Kehrseitentheorie aus einer Annexkompetenz zur Aufhebungsbefugnis 1 3 .
Beihilfeberechtigten stellt keinen Umstand dar, der den Beihilfebescheid rechtswidrig und damit i.S. des § 48 Abs. 2 VwVfG zurücknehmbar macht." 11 BVerwG, U. v. 11.3.1971 - II C 36.68, BVerwGE 37, 314 (318 f.); BVerwG, U. v. 22.3.1990 - 2 C 49/87, NVwZ 1991, 169 (170); Bauer in Stegmüller/Schmalhofer/ Bauer, § 49 Anm. 2.e). 12 BVerwG, B. v. 3.3.1988 2 B 25/88, NJW 1988, 1927. Wenn man dem Verwaltungsakt im öffentlichen Recht als Rechtsgrund eine vergleichbare Funktion einräumt wie dem Vertrag im Privatrecht, so dürfte der durch einen Rücknahme- oder Widerrufsbescheid ausgelöste Erstattungsanspruch funktional weit öfter einem vertraglichen Rückgewährschuldverhältnis des Zivilrechts (§§ 346 ff. BGB) entsprechen, als dem seltenen Fall einer condictio ob causam finitam (§812 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. BGB). Insoweit ist es fragwürdig, den verwaltungsrechtlichen Erstattungsanspruch immer nur mit dem Recht der ungerechtfertigten Bereicherung der §§ 812 ff. BGB zu vergleichen. 13 Zur Verdrängung der zwingenden Kompetenznorm des § 49a Abs. 1 Satz 2 VwVfG durch die speziellen beamten- und soldatenrechtlichen Vorschriften über die Rückforderung überzahlter Bezüge u.ä. Leistungen vgl. oben D.VIII.2.a)c). I.E. ebenso Christiane Fischer, S. 157 f., die allerdings schon aus der öffentlich-rechtlichen Rechtsnatur des Zahlungsanspruchs eine grundsätzliche Befugnis der zuständigen Behörde zur Geltendmachung durch Verwaltungsakt ableitet.
G. Erstattungs- und Leistungsbescheide gegenüber Erben eines Beamten
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2. Erstattungsanspruch nach Leistung an den Erblasser zur Erfüllung eines durch Verwaltungsakt geregelten, aber nicht entstandenen Anspruchs a) Die Rechtsprechung Der Anspruch eines Beamten auf Besoldung und der Anspruch eines Ruhestandsbeamten auf Versorgung enden unmittelbar kraft Gesetzes14 mit dem Tode des Beamten; gemäß § 17 BeamtVG verbleiben den Erben lediglich für den Sterbemonat die Bezüge des Verstorbenen. Ihrem Inhalt nach erfassen die an den Ruhestandsbeamten gerichteten Pensionsfestsetzungsbescheide daher nur Ansprüche des lebenden Beamten. Die Versorgungsbezüge werden grundsätzlich monatlich im voraus gezahlt (§ 49 Abs. 4 BeamtVG); eine Überzahlung von Bezügen tritt daher immer dann ein, wenn ein (Ruhestands-) Beamter nach Gutschrift der im voraus überwiesenen Bezüge vor dem ersten Tag des Folgemonats verstirbt 15. In der Rechtsprechung ist umstritten, ob es sich bei dieser Fallgruppe gleichfalls um eine vom Erblasser herrührende, öffentlich-rechtliche Forderung handelt, welche wegen einer „subordinationsrechtlichen" Rechtsnatur des Anspruchs durch Verwaltungsakt geltend gemacht werden könne. Dies wurde vom 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts, dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof sowie früher vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof bejaht 16 . Hierzu heißt es in BVerwGE 37, 314 (315 ff.), daß die Überzahlung zwar erst infolge des Todes des Ruhestandsbeamten, also nicht bereits während des mit dem Tode endenden Versorgungsverhältnisses eingetreten sei. Gleichwohl handele es sich um eine vom Erblasser herrührende, vererbte Verbindlichkeit. Denn eine solche liege nach h.M. bereits dann vor, wenn bei Lebzeiten des Erblassers für seine Person der Verpflichtungsgrund (die causa), d.h. das Rechtsgeschäft oder der sonstige die Verpflichtung begründende wesentliche Tatbestand, gegeben war, und zwar auch dann, wenn die nachteiligen Folgen der Verpflichtung erst nach dem Tode durch weiter Umstände eintraten. Eine solche Konstellation sei bei einer noch an den Erblasser selbst vorgenommenen Auszahlung von (Versorgungs-)Bezügen vor Fälligkeit gegeben. Allein der 14 Dies ergibt sich aus § 3 Abs. 3 BBesG (vgl. Schwegmann/Summer, § 3 Rn. 15) bzw. aus dem Umstand, daß es sich bei dem Ruhegehaltsanspruch um eine Forderung handelt, die aufgrund der gesetzlichen Regelung (§ 3 BeamtVG) der Gläubigerstellung nur in der Person des Ruhestandsbeamten entstehen kann. 15 Vgl. den Sachverhalt von BVerwG, U. v. 11.3.1971 - II C 36.68, BVerwGE 37, 314; Graf ZBR 1996, 380 (381). 16 BVerwG, U. v. 11.3.1971 - II C 36.68, BVerwGE 37, 314 (315 ff.); Hess. VGH, U. v. 9.1.68 - OS 141/66, ZBR 1968, 410 f.; BayVGH, U. v. 17.5.1968 - Nr. 216 III 67, ZBR 1968, 324 (325), weitere Nachw. bei Graf ZBR 1996, 380 f.; ebenso Schwegmann/Summer/Mayer, § 12 Rn. 14a); sowie ohne Begründung Nr. 12.2.25 BBesGVwV.
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Umstand, daß statt der schon für die Dauer des Versorgungsverhältnisses denkbaren verschiedenen Überzahlungsgründe der Tod des (Ruhestands-)Beamten die Überzahlung eintreten ließ, könne nicht zu der Annahme berechtigen, daß es sich nicht um eine vom Erblasser herrührende, „vererbte" Nachlaßverbindlichkeit handele. Dadurch, daß das mit dem Rückforderungsanspruch belastete Vermögen des (Ruhestands-)Beamten auf den Erben übergegangen sei, habe der beamtenrechtliche Rückforderungsanspruch seinen öffentlich-rechtlichen Charakter nicht verloren. Trotz der mit dem Tod eingetretenen Beendigung des versorgungsrechtlichen Rechtsverhältnisses zum Erblasser sei der Dienstherr noch befugt, im Rahmen der Abwicklung des durch hoheitliche Überordnung gekennzeichneten Beamten- und Versorgungsverhältnisses den Erstattungsanspruch als Spiegelbild des beamtenrechtlichen Leistungsverhältnisses durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Denn der Erbe trete in materiell- und verfahrensrechtlicher Hinsicht uneingeschränkt in die Rechtsstellung des Beamten ein. Demgegenüber hat das Bundessozialgericht in einem vergleichbaren Fall einen gegen die Erbin gerichteten vergleichbaren Anspruch auf Rückzahlung von Leistungen der Kriegsopferfürsorge, deren Empfängerin nach Erhalt, aber noch vor Fälligkeit verstorben war, als zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch qualifiziert 17 . Denn zwischen der zuständigen Behörde und der Erbin habe kein dem öffentlichen Recht zurechenbares Rechtsverhältnis bestanden. Gegenüber der Versorgungsempfangerin habe noch kein Erstattungsanspruch bestanden. Ihr Nachlaß sei zum Zeitpunkt des Anfalls der Erbschaft nicht mit einer öffentlich-rechtlichen Forderung belastet gewesen. Zur Vermögensmehrung sei es nämlich nicht aufgrund einer zu Unrecht gewährten Leistung der Behörde, sondern aufgrund des Erbganges gekommen, also infolge einer bürgerlichrechtlichen Beziehung zwischen Versorgungsempfangerin und Erbin.
b) Lösung Bei der Analyse der Rechtsnatur des Rückforderungsanspruchs ist davon auszugehen, daß es sich um einen beamtenrechtlichen Erstattungsanspruch handelt, auf den gemäß § 52 Abs. 2 BeamtVG, § 12 Abs. 2 BBesG, § 53 Abs. 2 BRRG die Vorschriften des BGB über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung grundsätzlich entsprechend anzuwenden sind 18 . Es liegt hier der Fall einer öffentlich-rechtlichen condictio indebiti (entsprechend § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) vor, welche durch eine Leistung an den Beamten begründet wur-
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BSGE15, 14 (16 f.). A.A. Christiane Fischer, S. 158 f.
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de. Denn auf Anweisung des Dienstherrn erfolgte eine Gutschrift des überwiesenen Betrags auf dem Konto des Ruhestandsbeamten, der durch diese Leistung zu Lebzeiten noch selbst bereichert wurde. Die Zahlung erfolgte auch ohne Rechtsgrund, da ein Versorgungsanspruch für den Folgemonat noch nicht bestand; die Entstehung des Anspruchs stand vielmehr kraft Gesetzes unter der Bedingung, daß der Beamte am Beginn des Folgemonats noch lebt. Die Erfüllung einer solchen aufschiebend bedingten Verbindlichkeit vor Eintritt der Bedingung gilt als Leistung auf eine Nichtschuld 19 . Folglich war dem Grunde nach bereits der Erblasser Schuldner 20 eines einredebehafteten 21, öffentlichrechtlichen Bereicherungsanspruchs. Mit dem Tod des Beamten wurde sein Erbe kraft Erbgangs in entsprechender Anwendung der §§ 1922, 1942 BGB auf der Schuldnerseite deshalb zum Rechtsnachfolger eines beamtenrechtlichen Erstattungsanspruchs. Es handelt sich somit um einen Anspruch auf Rückgewähr einer aufgrund eines Verwaltungsakts erfolgten öffentlich-rechtlichen Leistung, die zu erstatten ist, weil die aufschiebende Bedingung ausfiel, daß der Empfanger zu Beginn des Folgemonats noch lebt. Da der Dienstherr gemäß § 49 Abs. 1 BeamtVG grundsätzlich befugt ist, Veränderungen des gesetzlichen Versorgungsanspruchs durch Verwaltungsakt zu regeln, ist er - nach den oben entwikkelten Grundsätzen über das Verhältnis von Aufhebungskompetenzen und gesetzlichen Beendigungstatbeständen - per argumentum a maiore ad minus 22
19
Zivilrechtlich unstrittig vgl. Palandt/Thomas, § 812 Rn. 73; Lieb in Münchener Kommentar, § 813 Rn. 14 m.w.N.; a.A. für das Beamtenrecht Graf ZBR 1996, 380 (383 f.): condictio causa data, causa non secuta nach § 52 Abs. 2 BeamtVG i.V.m. § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB. Christiane Fischer, S. 158 f., nimmt demgegenüber ohne Nennung einer Rechtsgrundlage an, zu Lebzeiten des Beamten habe ein Rechtsgrund für die Zahlung bestanden. Erst durch dessen Tod stelle sich die Zahlung als „Überzahlung" dar, so daß mit dem Tod der öffentlich-rechtliche Charakter des (potentiellen) Rückzahlungsanspruchs und damit die Befugnis zur Geltendmachung durch Verwaltungsakt entfalle. 20 A.A. BVerwG, U. v. 11.3.1971 - II C 36.68, BVerwGE 37, 314 (316), das annimmt, erst der Tod des Ruhestandsbeamten (Erblassers) lasse die Überzahlung eintreten. Gleichwohl kommt auch das Bundesverwaltungsgericht zu dem Schluß, es handele sich um eine von dem Erblasser herrührende, „vererbte" Nachlaßverbindlichkeit. 21 Solange das Dienstverhältnis noch bestand, hätte der Beamte einem Rückzahlungsverlangen den Einwand entgegenhalten können, der Dienstherr sei ihm gegenüber verpflichtet, die demnächst falligen Bezüge im voraus zu überweisen. Der zivilrechtlichen Arglisteinrede entspricht verwaltungsrechtlich der Einwand einer ermessensfehlerhaften Rückforderung: Wenn die Auszahlung zu einem Termin vor Fälligkeit einer Verwaltungspraxis entspricht, mit der eine rechtzeitige Erfüllung eines künftigen Anspruchs sichergestellt wird, ist eine Rückforderung grundsätzlich ausgeschlossen. Ausnahmsweise ist die Rückforderung aber zulässig, wenn ein Ereignis eintritt, das die Entstehung des Anspruchs verhindert. 22
Vgl. oben E.III.2.b).
41 Kracht
6 4 2 T e i l 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
auch befugt, nach einer gesetzlichen Beendigung des Versorgungsanspruchs die im voraus durch Verwaltungsakt geregelten Ruhegehaltszahlungen durch Verwaltungsakt zurückzufordern. Wäre der Verwaltungsakt über den Tod des Ruhestandsbeamten hinaus wirksam geblieben, so wäre der Dienstherr nämlich gegenüber dem Erben als dessen Rechtsnachfolger zur Aufhebung des Versorgungsbescheids befugt gewesen und hätte aufgrund der mit der Widerrufsermächtigung verbundenen Annexbefugnis die erbrachten Leistungen mittels Verwaltungsakt geltend machen können 23 . Aus dem Stufenverhältnis der auch gegenüber dem Erben bestehenden Aufhebungs- und gesetzlichen Beendigungsgründe ergibt sich deshalb eine Befugnis des Dienstherrn, die im Hinblick auf den endgültig unwirksam gewordenen Verwaltungsakt erbrachte Leistung durch Verwaltungsakt zurückzufordern 24 und den durch Erbfolge übergegangenen Rückforderungsanspruch auch gegenüber dem Erben hoheitlich durch Leistungsbescheid gelten zu machen. Im Ergebnis ist deshalb der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zuzustimmen, die in diesen Fällen, in denen die Bezüge noch zu Lebzeiten des Beamten auf dessen Konto gutgeschrieben wurden, eine Befugnis für solche durch Verwaltungsakt geregelten Bezüge anerkannt hat 25 . Diese Regelungsbefugnis ergibt sich aus einer teleologisch-systematischen Interpretation der bestehenden beamtenrechtlichen Ermächtigungen, so daß auf eine diffuse, zumeist an die Rechtsnatur und den Zweck des jeweiligen Anspruchs anknüpfende subordinationsrechtliche Argumentation verzichtet werden kann.
5. Erstattungsanspruch
nach Leistung an den Erben
a) Die Rechtsprechung Völlig uneinheitliche Rechtsprechung liegt zu der Frage vor, ob der Dienstherr befugt ist, vom Erben durch Verwaltungsakt Zahlungen zurückzufordern, die er zur Erfüllung von Besoldungs-, Versorgungs-, Beihilfe- oder ähnlichen Absprüchen des (Ruhestands-)Beamten oder als Abschlagszahlung auf solche
23
Zur Verdrängung der zwingenden Kompetenznorm des § 49a Abs. 1 Satz 2 VwVfG durch die speziellen beamten- und soldatenrechtlichen Vorschriften über die Rückforderung überzahlter Bezüge u.ä. Leistungen vgl. oben D.VIII.2.a). 24 Vgl. oben E.III.2.b). 25 OVG NW, U. v. 21.2.1985 - 12 A 3380/83, NJW 1985, 2438 = DVB1. 1985, 755 (756); VGH BW, B. v. 27.1.89 - 4 S 1476/88, NVwZ 1989, 892 (893).
G. Erstattungs- und Leistungsbescheide gegenüber Erben eines Beamten
643
Ansprüche auf das bisherige Konto des Beamten überwiesen hatte, die dort aber erst nach dem Tod des Beamten gutgeschrieben wurden 26 : Nach der Rechtsprechung des für das Beamtenrecht zuständigen 2. Senats des Bundesverwaltungsgerichts handelt es sich bei dem Anspruch auf Rückzahlung einer nach dem Tode des Beamten auf dessen Konto gutgeschriebenen Beihilfe um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch, der zu den beamtenrechtlichen Streitigkeiten im Sinne des § 126 BRRG zu zählen sei 27 . Die Frage, ob der Dienstherr auch berechtigt sei, den Erben mittels Leistungsbescheides in Anspruch zu nehmen, weil der Erblasser die Rechtsbeziehungen noch aufgrund seines Beamten- bzw. Versorgungsverhältnisses begründet habe, so daß der Erbe auch verfahrensrechtlich in dieses Über-AJnterordnungsverhältnis eintrete 28 , konnte das Bundesverwaltungsgericht offenlassen 29, weil die Behörde zur Durchsetzung des Anspruchs beim Verwaltungsgericht eine allgemeine Leistungsklage erhoben hatte. Nach Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichtes für das Land Nordrhein-Westfalen 30 und des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofs ist der Dienstherr nicht befugt, vom Erben solche Dienst- oder Versorgungsbezüge durch Verwaltungsakt zurückzufordern, die erst nach dem Tode des Beamten durch Überweisung auf das Konto des verstorbenen Beamten geleistet wurden. In beiden Entscheidungen wurde offengelassen, ob es sich bei einem solchen Rückforderungsanspruch, der auf einer Auszahlung von Bezügen nach dem Tode des Beamten beruhe, um einen unmittelbar auf §§ 812 ff. BGB gestützten zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch handele, der generell nur mit einer Leistungsklage im ordentlichen Rechtsweg durchgesetzt werden könne, oder ob es sich bei diesem Rückforderungsanspruch um einen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch handele. Denn auch wenn der Anspruch als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren sei, fehle es in Bezug auf diesen Rückforderungsanspruch an einem Verhältnis der hoheitlichen Überordnung der Verwaltung gegenüber ihrem Anspruchsgegner. Das beamtenrechtliche Subordinationsverhältnis, in dem der Dienstherr dem Beamten in einer Position der hoheitlichen Überordnung gegenübergestanden habe, sei nämlich mit dem Tode des Beamten erloschen. Ein neues Über-AJnterordnungsverhältnis sei 26
Zu der Frage, ob es sich um einen zivilrechtlichen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung oder einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch handelt vgl. auch die weiteren Rechtsprechungsnachweise bei Graf ZBR 1996, 380 (381 ff.). 27 BVerwG, U. v. 22.3.1990 - 2 C 33/87, NVwZ 1991, 168. 28 So unter Bezugnahme auf die Argumentation in BVerwGE 37, 314 Schwegmann/ Summer/Mayer, § 12 Rn. 14a. 29 BVerwG, U. v. 22.3.1990 - 2 C 49/87, NVwZ 1991, 169 (170). 30 U. v. 21.2.1985 - 12 A 3380/83, NJW 1985, 2438 f. = DVB1. 1985, 755 (756 f.). 31
B. v. 27.1.89 - 4 S 1476/88, N V w Z 1989, 892 (893 f.).
31
644
Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
auch nicht durch die rechtsgrundlose Gutschrift auf dem früheren Konto des verstorbenen Beamten entstanden. Die Zahlung an einen Erben in Unkenntnis des Erbgangs ähnle vielmehr den Fällen einer versehentlichen Zahlung an einen anderen Dritten (z.B. wegen einer Verwechslung der Kontonummer). Seien die Bezüge erst nach dem Tode des Beamten erbracht worden, so bestünde deshalb bezüglich des Rückforderungsanspruchs ein Verhältnis der Gleichordnung, in dem der Erbe nicht der hoheitlichen Gewalt der Behörde unterworfen sei. Nach Nr. 12.2.25 BBesGVwV können Bezüge, die nach dem Tod des Beamten fortgezahlt worden sind, grundsätzlich nicht durch Leistungsbescheid von den Erben zurückgefordert werden. Es handele sich um einen unmittelbar auf §§ 812 ff. BGB gestützten zivilrechtlichen Erstattungsanspruch, der ggf. im Wege einer zivilrechtlichen Leistungsklage geltend zu machen sei. Diese Verwaltungsvorschrift stimmt mit einem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15.2.1989 überein, welches gleichfalls davon ausgeht, daß sich die Rückforderung von Beihilfeleistungen, die nach dem Tod des beihilfeberechtigten Beamten an dessen Erben gelangt sind, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 ff. BGB) richtet32. In diesem Zusammenhang ist zugleich auf eine ganze Reihe von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, des Bundessozialgerichts und des 8. Senats des Bundesverwaltungsgerichts hinzuweisen, in denen ähnliche Rückerstattungsansprüche dem Zivilrecht zugeordnet worden sind 33 . In all diesen Fällen hatte die zuständige Behörde in Unkenntnis des Todes des ursprünglich Berechtigten zur Erfüllung eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs auf Wohngeld oder andere Sozialleistungen Geld auf ein vom Erblasser angegebenes Konto überwiesen, und der überwiesene Betrag war - ähnlich wie in den soeben dargestellten beamtenrechtlichen Fällen - erst nach dem Tode des Erblassers jenem Konto gutgeschrieben worden. Ein privatrechtlicher Bereicherungsanspruch wurde hier mit der Begründung angenommen, daß ein Bürger der öffentlichen Gewalt der leistenden Behörde nicht schon deshalb unterworfen sei, weil er von ihr zu Unrecht eine Geldleistung empfangen habe. Ein Erstattungsanspruch könne nur dann als öffentlich-rechtlich qualifiziert werden, wenn die Behörde die Zahlung in der Annahme vorgenommen habe, sie sei 32
Bay. VGH, U. v. 15.12.1989 - 3 B 88.01552, NJW 1990, 933. BGH, U. v. 30.03.1978 - VI ZR 244/76, JURIS BORE0070001 = BGHZ 71, 180 (182); U. v. 18.1.1979 - VII ZR 165/78, JURIS Nr. BORE102907909 = BVerwGE 73, 202 (204); BSG, U. v. 29.10.1986 - 7 RAr 77/85, DVB1. 1987, 850 (m.w.N.); BVerwG, U. v. 23.1.1990 - 8 C 37/88, JZ 1990, 862 (mit krit. Anmerkung Maurer, S. 863-865) = NJW 1990, 2482 f. = BayVBl. 1990, 475 = BVerwGE 84, 274 (m.w.N.). Weitere Rechtsprechungsnachweise bei Graf ZBR 199, 380 (381 ff.). 33
G. Erstattungs- und Leistungsbescheide gegenüber Erben eines Beamten
645
aufgrund eines tatsächlich bestehenden oder eines vermeintlichen öffentlichrechtlichen Leistungsverhältnisses zur Auszahlung des Betrages an den bereicherten Leistungsempfänger verpflichtet gewesen. Bei dieser Betrachtungsweise wäre ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch und folglich eine Befugnis zur Regelung durch Verwaltungsakt auch in den zuvor geschilderten Fällen zu verneinen, in denen der Dienstherr in Unkenntnis des Todes seines Beamten Bezüge oder Beihilfen weiterhin auf das vom Beamten angegebene Konto überwiesen hatte; denn zum Zeitpunkt der Gutschrift war der Erbe bereits Kontoinhaber und ist somit zu Unrecht selbst um einen nicht zum ererbten Vermögen gehörenden Auszahlungsanspruch gegen die Bank bereichert worden.
b) Lösung aa) Zivilrechtlicher Bereicherungs- oder öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch ? Diese Fallgruppe unterscheidet sich von jenen Sachverhalten einer Leistung zu Lebzeiten des Erblassers grundlegend dadurch, daß der Erbe hinsichtlich des geltend gemachten Rückgewähranspruchs schon in materiellrechtlicher Hinsicht nicht Rechtsnachfolger des Beamten bzw. Soldaten ist und es hier also um eine in der Person des Erben als solchen entstandene Verbindlichkeit geht 34 . Der Erbe war nämlich gemäß § 1922 BGB mit dem Erbfall in den zwischen dem Erblasser und der kontoführenden Bank bestehenden Girovertrag eingetreten. Folglich wuchs dem Erben aus der nach dem Tode erfolgten Gutschrift des vom Dienstherrn überwiesenen Betrages auf dem Konto ein eigener Anspruch gegen die kontoführende Bank zu; er ist insoweit durch eine im Valutaverhältnis (d.h. im Verhältnis zwischen dem Überweisenden und dem Überweisungsempfänger) dem überweisenden Dienstherrn zuzurechnende Leistung bereichert worden. Wenn diese Vermögensverschiebung nicht durch einen Rechtsgrund gedeckt war, ist der Erbe als Kontoinhaber selbst unmittelbar zum Schuldner des Erstattungsanspruchs geworden und ist verpflichtet, den durch den (zivil- oder öffentlich-rechtlichen) Bereicherungsvorgang erlangten Vermögensvorteil herauszugeben, soweit er sich nicht ausnahmsweise gem. § 818 Abs. 3 BGB (analog) auf einen Wegfall der Bereicherung oder einen öffentlich-rechtlichen Vertrauensschutz berufen kann. Die zuständige Behörde dürfte einen solchen Anspruch auf Rückgewähr der zu Unrecht erbrachten Leistungen jedenfalls dann nicht durch Leistungsbescheid geltend machen, wenn es sich hierbei um einen zivilrechtlichen 34 OVG NW, U v. 21.2.1985 - 12 A 3380/83, NJW 1985, 2438 = DVB1. 1985, 755 (756); VGH BW, B. v. 27.1.89 - 4 S 1476/88, NVwZ 1989, 892 (893).
646
Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung handeln würde; nach der Legaldefinition des Verwaltungsaktes in § 35 VwVfG darf sie dieses Regelungsinstrument nämlich nur einsetzen, um einen Einzelfall „auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts" zu regeln 35 . Zivil- und öffentlich-rechtliche Rückgewähransprüche sind Ansprüche, mit denen ein vermeintlicher oder nachträglich weggefallener Leistungsanspruch gleichsam umgekehrt wird; dementsprechend teilen sie die Rechtsqualität des Anspruchs, den sie umkehren 36. Diese von ihnen selbst aufgestellte Prämisse verlassen der BGH und der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts jedoch mit ihrer weiteren These, der hier in Rede stehende Erstattungsanspruch könne nur dann öffentlich-rechtlicher Natur sein, wenn dem Erben die Leistung aufgrund eines zwischen ihm und der Behörde bestehenden oder zumindest vermeintlichen öffentlich-rechtlichen Leistungsverhältnisses zugeflossen wäre. Ein Rechtsgrund, der im Verhältnis zwischen der leistenden Verwaltung und dem bereicherten Bürger zum Zeitpunkt der Mehrung des Vermögens überhaupt nicht vorhanden war, kann weder dem öffentlichen noch dem privaten Recht zugeordnet werden. Der Schluß vom Fehlen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsgrundes auf einen zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch ist also nicht tragfahig, weil sowohl ein öffentlichrechtlicher Erstattungsanspruch als auch ein privatrechtlicher Bereicherungsanspruch nur dann bestehen kann, wenn der Leistung keine öffentlich-rechtliche causa zugrunde liegt. Diese Schwierigkeit kann man bei Vermögensverschiebungen, denen ein erkennbares Leistungsmotiv zugrunde liegt, überwinden, indem man nach der hypothetischen causa fragt und darauf abstellt, welche Verbindlichkeit die Leistung (erkennbar) erfüllen sollte 37 . Hier kann offenbleiben, ob die Rechtsnatur der Handlung nach dem subjektiven Willen oder Vorstellungen der Verwaltung 38 , dem objektiven Tätigkeitsfeld der Verwaltung 39 oder nach objektivem Empfangerhorizont 40 zu bestimmen ist. Hat der Dienstherr zum Zeitpunkt der Zahlungsanweisung noch keine Kenntnis vom Tod seines Beamten, so will die leistende Behörde subjektiv 35 BVerwG, U. v. 23.1.1990 - 8 C 37/88, JZ 1990, 862 (mit insoweit zustimmender Anmerkung Maurer, JZ 1990, 863) = NJW 1990, 2482 f. = BayVBl. 1990, 475 = BVerwGE 84, 274; Druschel, S. 112 f. m.w.N. 36 BGH, U. v. 30.03.1978 - VI ZR 244/76, BGHZ 71, 180 (182) = JURIS BORE0070001; BVerwG, U. v. 23.1.1990 - 8 C 37/88, JZ 1990, 862 (mit krit. Anmerkung Maurer, S. 863-865) = NJW 1990, 2482 f. = BayVBl. 1990, 475 = BVerwGE 84, 274 (m.w.N.); BSG, U. v. 29.10.1986 - 7 RAr 77/85, DVB1. 1987, 850 (m.w.N.); Graf ZBR 1996, 380 (383 ff.); kritisch dazu Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 415-417, 423 f. 37 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 416. 38 Bethge, NJW 1978, 1801 f.; Günther, DÖD 1991, 159 (173). 39 Maurer, JZ 1990, 863 (864); Graf ZBR 1996, 380 (384 f.). 40
Günther, DÖD 1991, 159 (173).
G. Erstattungs- und Leistungsbescheide gegenüber Erben eines Beamten
647
nämlich einen (objektiv wegen des Todes des Berechtigten nicht entstandenen oder erloschenen) beamtenrechtlichen Anspruch erfüllen', infolge des Todes des Beamten irrt sie nur in der Person des Leistungsempfangers. Wenn die Verwaltung öffentlich-rechtlich tätig werden will, so verliert eine öffentlich-rechtliche Handlung, wie die Zahlung von Beihilfe oder Wohngeld, nicht nur deshalb ihre (subjektive) Zweckbestimmung und Rechtsnatur, weil sie als „aberratio ictus" ihr Ziel verfehlt 41 . Überweist eine Stelle des Dienstherrn, wie das Bundesamt für Besoldung, einen Geldbetrag, der den bisher gezahlten Bezügen, der letzten Besoldungsmitteilung oder einem Versorgungsbescheid entspricht, oder die Beihilfestelle einen Betrag, der sich im Rahmen der üblichen Beihilfezahlungen bewegt, auf ein bislang für den Beamten geführtes Girokonto, so liegt auch objektiv 42 keine Abweichung von der bisherigen Handhabung vor, mit der ein öffentlich-rechtlicher Anspruch des (Ruhestands-) Beamten erfüllt wurde. Insoweit besteht ein gravierender Unterschied zu dem vom BGH und Bayerischen Verwaltungsgerichtshof 43 herangezogenen Vergleichsfall der versehentlichen Fehlleistung von Bezügen an einen unbeteiligten Dritten 44 . Die öffentlichrechtliche Zweckbestimmung einer Handlung, wie hier bei einer Überweisung bestimmter Beträge als Beihilfeleistungen oder als Wohngeld, geht nicht deshalb verloren, weil sie aufgrund unerkannter oder nachfolgender Ereignisse, wie dem Tod des Empfängers, ihren öffentlich-rechtlichen Zweck verfehlt 45 . Nichts anderes ergibt sich, wenn man die Rechtsnatur der Leistung nach objektivem Empföngerhorizont bestimmt 46 . Denn der Erbe eines Beamten kann schon anhand der Angabe des Auftraggebers in den Kontoauszügen oder Belegen ohne Schwierigkeiten erkennen, daß mit dieser Zahlung verwaltungsrechtliche Ansprüche erfüllt werden sollten. Für ihn mag allenfalls zweifelhaft sein, ob die Zahlung des Dienstherrn noch dem Erblasser zugute kommen sollte oder
41
Bethge, NJW 1978, 1801 (1802); Günther, DÖD 1991, 159 (173). Maurer, JZ 1990, 863 (864); Graf, ZBR 1996, 380 (384 f.). 43 BGH, U. v. 30.03.1978 - VI ZR 244/76, BGHZ 71, 180 (182) = JURIS BORE0070001; Bay. VGH, U. v. 15.2.1989 - 3 B 88.01552, NJW 1990, 933 (934). 44 Graf ZBR 1996, 380 (384 f.). 45 Maurer, JZ 1990, 863 (864); Graf ZBR 1996, 380 (384 f.). 46 Günther, DÖD 1991, 159 (173). Die Beurteilung der Rechtsnatur der Leistung nach objektivem Empfangerhorizont wäre insoweit eine konsequente Fortführung der Rechtsprechung des BGH, nach der bei Fehlvorstellungen der Beteiligten über die Leistungsbeziehungen zur Bestimmung der Person des Leistenden in entsprechender Anwendung der §§ 133, 157 BGB darauf abzustellen, als wessen Leistung sich die Zuwendung bei objektiver Betrachtungsweise aus Sicht des Zuwendungsempfangers darstellt (BGHZ 40, 272 (272); 67, 232 (241); 72, 246 (249); BGH, U. v. 4.2.1999 III ZR 56/98, NJW 1999, 1393; Fikentscher, Rn. 1076; im Ansatz auch Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2 § 70 III.3; krit. dazu z.B. Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 687 f.; Lieb in Münchener Kommentar, § 812 Rn. 30 ff. (63 f.); Schnauder, NJW 1999, 2481 ff.; vgl. auch die Darstellung bei Lorenz in Staudinger, § 812 Rn. 61. 42
6 4 8 T e i l 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
ob die Verwaltung mit der Überweisung bereits einen ihm aufgrund des Erbgangs oder einer vermögensrechtlichen Nachwirkung des Dienst- oder Versorgungsverhältnisses zustehenden Anspruch erfüllen wollte. In beiden Fällen würde es sich aber nach dem objektiven Empfangerhorizont um eine Leistung zur Erfüllung einer dem öffentlichen Recht zuzuordnenden causa handeln. Sowohl aus Sicht der leistenden Verwaltung als auch aus Sicht des bereicherten Leistungsempfangers soll eine Leistung, die eine für Besoldungs- oder Versorgungs- oder Beihilfeleistungen zuständige Stelle mit der Überweisung auf ein bis zum Erbfall dem Beamten gehörendes Konto erbringt, erkennbar der Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Verbindlichkeit dienen. Der Dienstherr hat folglich auch bei einer nach dem Tod des (Ruhestands-)Beamten erfolgten Leistung gegenüber dem Erben einen beamtenrechtlichen Erstattungsanspruch 47. Das für die Qualifikation als zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch angeführte Argument, ein Bürger sei der öffentlichen Gewalt nicht schon deshalb unterworfen, weil er von ihr zu Unrecht eine Geldleistung empfangen habe 48 , beruht auf den Prämissen, die Verwaltung sei grundsätzlich befugt, öffentlichrechtliche Ansprüche durch Verwaltungsakt geltend zu machen und der Bürger sei bei einer Qualifikation des Zahlungsverlangens als zivilrechtlicher Bereicherungsanspruch besser vor einer unrechtmäßigen Inanspruchnahme durch die Verwaltung geschützt. Beide Prämissen erweisen sich jedoch als unzutreffend. Mit der Zuordnung der Anspruchsgrundlage zum öffentlichen Rechts wird der Leistungsempfanger nämlich nicht schon der öffentlichen Gewalt eines Hoheitsträgers in der Weise unterworfen, daß die Verwaltung ohne eine diese Handlungsbefugnis verleihende gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß von Leistungs- oder Feststellungsbescheiden befugt wäre. Weil der Vorbehalt des Gesetzes sich auch auf die Befugnis zum Erlaß konkretisierender Verfügungen erstreckt, ist mit der Zuordnung des Rückgewähranspruchs zum öffentlichen Recht noch nicht über die Verwaltungsaktbefugnis entschieden. Auch zur Durchsetzung eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs darf die Verwaltung eine konkretisierende Verfügung nur dann erlassen, wenn sie hierzu
47 BVerwG, U. v. 22.3.1990 - 2 C 33/87, NVwZ 1991, 168; Maurer, JZ 1990, 863 (865); Günther, DÖD 1991, 159 (173 f.); Hänlein, JuS 1992, 559 (562 f.); Graf ZBR 1996, 380 (385 f.); Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, Rn. 565; a.A. Christiane Fischer, S. 158 f. 48 BGH, U. v. 30.03.1978 - VI ZR 244/76, BGHZ 71, 180 (182) = JURIS Nr. BORE0070001; U. v. 18.01.1979, VI ZR 165/78, BGHZ 73, 202 (204) = JURIS Nr. BORE102907909; BVerwG, U. v. 23.1.1990 - 8 C 37/88, JZ 1990, 862 (mit krit. Anmerkung Maurer, S. 863-865) = NJW 1990, 2482 f. = BayVBl. 1990, 475 = BVerwGE 84, 274 (m.w.N.); BSG, U. v. 29.10.1986 - 7 RAr 77/85, DVB1. 1987, 850 (m.w.N.)). Offensichtlich rekurriert diese Formel auf eine vermeintliche behördliche Befugnis, alle öffentlich-rechtlichen Ansprüche mittels Verwaltungsakt durchzusetzen.
G. Erstattungs- und Leistungsbescheide gegenüber Erben eines Beamten
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gegenüber dem in Anspruch genommenen Leistungsempfänger aufgrund einer Aufgaben- und Befugnisnorm ermächtigt ist 49 . Selbst in den Fällen, in denen die Verwaltung bei einer Zuordnung des Rückforderungsanspruchs zum öffentlichen Recht aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung einen Leistungsbescheid erlassen darf, würde sich durch eine Zuordnung des Rückgewähranspruchs zum Zivilrecht die verfahrensrechtliche Rechtslage des Erben nicht verbessern, sondern verschlechtern 50. Denn an die Stelle der öffentlich-rechtlichen Befugnis zum Erlaß eines Verwaltungsaktes würde dann die zivilrechtliche Befugnis der Verwaltung treten, nach den §§ 688 ff. ZPO einen Mahnbescheid zu beantragen. Im Mahnverfahren könnte die zuständige Behörde - ebenso wie im Verwaltungsverfahren - ohne eine richterliche Prüfung der Schlüssigkeit des geltend gemachten Anspruchs einen hoheitlichen Zahlungstitel erlangen. Anders als im Verwaltungsverfahren gemäß § 24 VwVfG ist die Verwaltung aber nach den Vorschriften der ZPO nicht verpflichtet, vor einer Geltendmachung des Rückgewähranspruchs von Amts wegen den Sachverhalt zu ermitteln. Vor der Beantragung eines Mahnbescheides zur Geltendmachung eines zivilrechtlichen Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung müßte die Verwaltung den Schuldner weder entsprechend § 28 VwVfG anhören noch ihm ggf. Akteneinsicht (§ 29 VwVfG) gewähren. Die Mitwirkungslast im Widerspruchsverfahren nach der ZPO und die Prozeßführungslast in dem vom Beibringungsgrundsatz beherrschten Zivilprozeß bergen für den betroffenen Anspruchsgegner größere Risiken einer unrechtmäßigen Inanspruchnahme als die, die mit der Verbindlichkeit und Anfechtungslast bei einem verwaltungsrechtlichen Erstattungsbescheid verbunden sind. Im Unterschied zu dem einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch konkretisierenden Verwaltungsakt könnte der Vollstreckungsbescheid sogar in Rechtskraft erwachsen. Daher wird der Bürger verfahrensrechtlich in jedem Fall besser gestellt, wenn der Rückforderungsanspruch dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist. Schließlich spricht auch der zur Abgrenzung allgemein akzeptierte Gesichtspunkt der Sachnähe des entscheidenden Gerichts für eine Einstufung als öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. Die These des BGH und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, wenn der Empfanger eine Leistung nach Maßgabe der §§ 812 ff. BGB erhalte, sei die Sachnähe der ordentlichen Gerichte zur Entscheidung einer solchen Streitigkeit größer als die der Sozial- oder Verwal49
Vgl. oben Teil 6, A.-F. und Teil 7, D. Die Parallele zwischen dem mit dem Erlaß eines Leistungsbescheides abschließenden Verwaltungsverfahren zeigt deutlich, wie notwendig es ist, die überkommenen subordinationsrechtliche Kategorien unserer Verwaltungsrechtslehre durch eine präzise Analyse des geltenden Rechts zu ersetzen (J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 240, 320). 50
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tungsgerichte 51, beruht auf einem Zirkelschluß 52 . Der Rechtsgrundsatz, daß ungerechtfertigte Bereicherungen auszugleichen sind, gilt nämlich sowohl im privaten als auch im öffentlichen Recht. Vielmehr besteht eine größere Sachnähe zur Verwaltungsgerichtsbarkeit, weil es bei den hier in Rede stehenden Rechtsstreitigkeiten häufig um die Frage gehen, ob der Erbe nicht aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Vorschrift doch einen Anspruch auf die erbrachte Leistung hatte. Die Frage nach einem etwaigen Rechtsgrund des Behaltendürfens, sei es aus übergegangenem sei es aus eigenem Recht, muß anhand der hierfür maßgeblichen Sachnormen des öffentlichen Rechts beantwortet werden. Folglich sollte die Rechtswegefrage nach Möglichkeit zugunsten des insoweit sachnäheren Verwaltungsgerichtes entschieden werden 53 . Zugleich wird auf diese Weise vermieden, daß die Abwicklung eines Leistungsverhältnisses, durch eine Aufteilung in öffentlich- und privatrechtliche Anspruchsgrundlagen auf unterschiedliche Gerichtsbarkeiten verteilt wird 5 4 . Es ist daher nicht sachgerecht, eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nur in den Fällen anzunehmen, in denen die Behörde eine verwaltungsrechtliche Leistung gerade an den Erben erbringen wollte. In Fällen einer zwischen Leistungshandlung und -erfolg eingetretenen Rechtsnachfolge ist der Rückgewähranspruch jedenfalls dann dem öffentlichen Recht zuzuordnen, wenn die Verwaltung die Zahlung oder Überweisimg nach objektivem Empfangerhorizont zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Verpflichtung vorgenommen hat.
bb) Keine analoge Anwendung der gegenüber dem Beamten bestehenden Regelungsbefugnisse auf seinen Erben Aus der rechtlichen Qualifikation eines Rückgewähranspruchs als öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch ergibt sich jedoch noch nicht automatisch eine Befugnis der zuständigen Behörde, diesen mittels Verwaltungsakt durchzusetzen. Denn nach den grundlegenden Aussagen der vorliegenden Untersuchung zum Vorbehalt des Gesetzes bedarf die Verwaltung auch für die ver-
51 BGH, U. v. 30.03.1978 - VI ZR 244/76, BGHZ 71, 180 = JURIS BORE0070001; BayVGH, U. v. 15.2.1989 - 3 B 88.01552, NJW 1990, 933 (934). 52 Graf ZBR 1996, 380 (384 f.). 53 BVerwG, U. v. 22.3.1990 - 2 C 33/87, NVwZ 1991, 168; Maurer, JZ 1990, 863 (865); Günther, DÖD 1991, 159 (173 f.); Hänlein, JuS 1992, 559 (562 f.); Graf ZBR 1996, 380 (385 f.); Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, Rn. 565. 54 Graf ZBR 1996, 380 (386). Dazu würde es sonst beispielsweise kommen, wenn eine zur Erfüllung künftiger Versorgungs- oder Rentenansprüche geleistete Zahlung noch kurz vor dem Tode des Erblassers auf dessen Konto gutgeschrieben, eine von der Behörde in Unkenntnis des Todes auf das gleiche Konto geleistete Folgezahlung aber bereits den Erben unmittelbar bereichert hat.
G. Erstattungs- und Leistungsbescheide gegenüber Erben eines Beamten
651
bindliche Regelung öffentlich-rechtlicher Ansprüche grundsätzlich einer gesetzlichen Ermächtigung. Bei einer nach dem Tode des (Ruhestands-)Beamten erfolgten Leistung von Dienst- oder Versorgungsbezügen auf ein zuvor dem Erblasser, nunmehr aber zum Vermögen des Erben gehörendes Konto besteht weder gemäß § 49a VwVfG noch aufgrund einer nicht kodifizierten Annexbefugnis, die Erstattung einer durch Verwaltungsakt gewährten Leistung durch Verwaltungsakt zu regeln, eine Kompetenz zum Erlaß eines Erstattungsbescheides. Denn die Bereicherung des Erben ist in diesen Fällen nicht vom Regelungsinhalt eines an den Beamten bzw. Soldaten gerichteten Bewilligungsbescheides gedeckt, welcher nur Leistungsansprüche des Beamten regeln sollte. Eine auch ohne explizite Ermächtigung gegenüber seinen Beamten und Soldaten bestehende Befugnis des Dienstherrn, fallige Ansprüche und gewisse für das Dienstverhältnis erhebliche Tatsachen durch Verwaltungsakt zu konkretisieren, ist in der vorliegenden Untersuchung mit einer Gesamtanalogie zu zahlreichen Vorschriften gerechtfertigt worden, welche den Dienstherrn im Beamten- und Soldatenverhältnis ausdrücklich zum Erlaß vergleichbarer Verwaltungsakte ermächtigen 55. Eine entsprechende Vielzahl ausdrücklicher Ermächtigungen existiert für Verwaltungsakte gegenüber dem Erben eines Beamten nicht. Der Umstand, daß der einzelne Erstattungsanspruch seine Wurzel in einem Rechtsverhältnis hat, das insgesamt durch hoheitliche Regelungsbefugnisse des Dienstherrn geprägt war, kann eine Regelungsbefugnis gegenüber dem Erben nicht rechtfertigen. Denn dieses Rechtsverhältnis ist mit dem Tode des Beamten bzw. Soldaten erloschen. Der Erbe ist hinsichtlich dieses höchstpersönlichen Dienst- und Treueverhältnisses nicht zum Universalrechtsnachfolger des Beamten geworden und tritt folglich - entgegen der älteren Rechtsprechung des 2. Senats des Bundesverwaltungsgerichts 56 - hinsichtlich des Anspruchs des Dienstherrn auf Rückforderung zuviel gezahlter Dienstoder Versorgungsbezüge nicht uneingeschränkt in materiell- und verfahrensrechtlicher Hinsicht in die Rechtsstellung des Erblassers ein 57 . 55
Vgl. oben F.I.2., 3. und II. BVerwG, U. v.l 1.3.1971 - II C 36.68, BVerwGE 37, 314 (319); ebenso Günther, DÖD 1991, 159 (171 f.). Die Befugnis zum Erlaß eines Leistungsbescheides zur Rückforderung einer nach dem Tode des Berechtigten bewilligten und auf dessen Konto gutgeschriebenen Beihilfe hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem U. v. 28.8.1986 2 C 41/83, NVwZ 1987, 501, ausdrücklich offengelassen. 57 Dies wird auch von der neueren Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte anerkannt, für die aus der materiellrechtlichen Rechtsnachfolge hinsichtlich des einzelnen Anspruchs eine verfahrensrechtliche Rechtsnachfolge in eine mit Eingriffsbefugnissen belastete Rechtsposition folgt, vgl. OVG NW, U. v. 21.2.1985 - 12 A 3380/83, NJW 1985, 2438 = DVB1. 1985, 755 (756); VGH BW, B. v. 27.1.1989 - 4 S 1476/88, NVwZ 1989, 892 (893). 56
652
Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
Wenn die Verwaltung gegenüber dem Erben einen Erstattungsanspruch durch Leistungsbescheid geltend macht, sind die Anfechtungslast und das Anfechtungsrisiko für den Erben außerdem oft größer als sie es für den Beamten gewesen wären. Der Erbe kennt nämlich den Lebenssachverhalt und die Rechtsgrundlagen der Leistung sowie die Zahlungsvorgänge, aus denen die ungerechtfertigte Bereicherung resultieren soll, typischerweise nicht so gut wie der Erblasser. Der Beamte war zudem aufgrund seiner Ausbildung, seiner Eingliederung in den Verwaltungsapparat, eigenen Erfahrungen oder Gesprächen mit Kollegen typischerweise mit der Bedeutung und den Rechtsfolgen des Verwaltungsaktes vertraut. Demgegenüber steht der Erbe in der Regel wie jeder andere Staatsbürger außerhalb der Verwaltung. Für ihn ist der zuständige Beamte des Personalreferates oder des für Besoldung und Versorgung zuständigen Amtes kein (früherer)„Kollege" mehr, den man „auf dem kurzen Dienstweg" persönlich oder telefonisch um eine Erläuterung des Bescheides bitten kann. Faktisch wird der Erbe meist nicht in gleicher Weise wie der Beamte die Möglichkeit haben, innerhalb der Widerspruchsfrist eine Beratung durch den Personalrat oder eine Gewerkschaft in Anspruch zu nehmen. Aufgrund der Veränderung der maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände weichen die Eingriffswirkungen, die feststellende Verwaltungsakte und konkretisierende Verfügungen gegenüber dem Erben eines Beamten haben, in rechtlich relevanter Weise von den Eingriffswirkungen ab, welche mit inhaltlich vergleichbaren Erstattungsentscheidungen gegenüber dem Beamten verbunden gewesen wären. Mangels einer hinreichenden Rechtsähnlichkeit der rechtlichen und tatsächlichen Lage des Beamten und der verfahrensrechtlichen Position seines Erben ist es daher nicht zulässig, per Gesamtanalogie aus den Regelungsbefugnissen, die gegenüber dem Beamten bestanden, eine Befugnis des Dienstherrn abzuleiten, beamtenrechtliche Erstattungsansprüche gegenüber dem Erben des Beamten durch Verwaltungsakt zu regeln.
I I . Beamtenrechtliche Haftung § 24 SG, § 78 BBG und die auf § 46 BRRG gestützten Vorschriften der Landesbeamtengesetze sind materiellrechtliche Vorschriften, welche eine Haftung des Beamten bzw. Soldaten für Schäden aus einer schuldhaften Verletzung seiner Dienstpflichten begründen; sie enthalten jedoch weder im Verhältnis zum Beamten noch zu dessen Erben eine Ermächtigung, diesen Anspruch durch Verwaltungsakt zu regeln 58. Wenn der Beamte oder Soldat eine ihn auf-
58 Kunig in Schmidt-Aßmann, Bes. VerwR, Das Recht des öffentlichen Dienstes Rn. 147; Battis, BBG, § 78 Rn. 18 m.w.N.
H. Subordinations-, besonderes Gewaltverhältnis und Verwaltungsakt
653
grund dieser verwaltungsrechtlichen Normen treffende Schadensersatzpflicht bei seinem Tode noch nicht erfüllt hatte, haftet der Erbe zwar nach den insoweit auch im öffentlichen Recht anwendbaren Grundsätzen der §§ 1922, 1967 BGB für diese vom Erblasser herrührende gesetzliche Verpflichtung. Das höchstpersönliche Dienst- und Treueverhältnis ist dagegen mit dem Tode des Beamten bzw. Soldaten erloschen. Da wertungsmäßig keine annähernde Identität des Normengefüges sowie der betroffenen Sachverhalte und Interessen besteht, lassen sich die im Verhältnis zu den Beamten und Soldaten gegebenen Ermächtigungen nicht analog auf die Geltendmachung einer erbrechtlichen Haftung für einzelne beamten- oder soldatenrechtlichen Schadensersatzverpflichtungen anwenden. In den Fällen der Erbenhaftung ist der Dienstherr nur dann befugt, eine auf den Erben übergegangene Schadensersatzverpflichtung des Beamten oder Soldaten mittels eines an den Erben gerichteten Leistungsbescheides geltend zu machen, wenn er auf § 2 Abs. 1 ErstG oder eine andere spezielle gesetzliche Ermächtigung zurückgreifen kann.
H. Subordinationsverhältnis, besonderes Gewaltverhältnis und Verwaltungsakt In der Terminologie und in ihren Begründungen war die beamten- und soldatenrechtliche Judikatur der sechziger Jahre noch sehr von der Vorstellung beherrscht, der Dienstherr stehe gegenüber seinen Beamten und Soldaten in einem hoheitlich geprägten, besonderen Rechtsverhältnis der Über- und Unterordnung. Das Bundesverwaltungsgericht hat aber die Befugnis zum Erlaß von Leistungs- und Erstattungsbescheiden nie ausdrücklich aus einer immanenten Einschränkung der Grundrechte im besonderen Gewaltverhältnis abgeleitet. Das Rechtsinstitut des „besonderen Gewaltverhältnisses" war und ist auch ungeeignet, eine Befugnis zum Erlaß feststellender und gesetzeskonkretisierender Verwaltungsakte zu begründen. Ursprünglich sollte nämlich mit dieser Rechtsfigur eines Verhältnisses der „verschärften Abhängigkeit des Einzelnen zum Staat, welche zugunsten eines bestimmten Zweckes öffentlicher Verwaltung begründet wird für alle Einzelnen, die in den vorgesehenen besonderen Zusammenhang treten" (O. Mayer 1 ), nicht nur ein Zustand verminderter Freiheit beschrieben werden, in dem der Vorbehalt des Gesetzes nicht galt. Mit dem Ein1 Dt. VerwR I, 3. Aufl., S.101 f. Zu der in Otto Mayers System des Deutschen Verwaltungsrechts bestehenden Funktion dieses Rechtsinstitutes, die jeweiligen Gewaltverhältnisse von der Geltung des Vorbehalts des Gesetzes und auch den rechtsstaatlichen Sicherungen des Verwaltungsakts auszunehmen vgl. O. Mayer, Dt. VerwR I, 3. Aufl., S.101 ff. Dt. VerwR II, 1. Aufl., S. 335 f.; 234 ff.; 3. Aufl., S. 285 f., 181 ff., 195 f.; dazu kritisch Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 133 ff.
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
tritt in den Machtbereich solcher besonderen Gewaltverhältnisse sah man den Einzelnen in einem rechtsfreien staatlichen Innenraum. Folglich war es ausgeschlossen, die kraft dieses Gewaltverhältnisses ergehenden bindenden Entscheidungen der vollziehenden Gewalt als Verwaltungsakt zu qualifizieren; die »Anweisung" im besonderen Gewaltverhältnis war und ist in ihrer Funktion als einseitige Regelung mit dem Verwaltungsakt nahe verwandt, doch zugleich in anderen Elementen wesentlich von ihm verschieden 2. Das „besondere Gewaltverhältnis" brauchte und konnte so in seiner ursprünglichen Bedeutung eine Befugnis zum Erlaß von Verwaltungsakten gar nicht rechtfertigen 3. Von der späteren verfassungsrechtlichen Funktion dieses Begriffs, in der Anerkennung der Institution eines besonderen Gewaltverhältnisses durch die Verfassung eine implizite Grundrechtseinschränkung zu sehen und für das ,3etriebsverhältnis" einen vom Gesetzesvorbehalt ausgenommenen Handlungsfreiraum der Exekutivgewalt zu begründen, haben Rechtsprechung und Staatsrechtslehre seit der grundlegenden Strafvollzugsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts Abschied genommen; auch innerhalb eines Rechtsverhältnisses mit einer besonderen Pflichtenbindung oder Abhängigkeit vom Staat können Grundrechte nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden 4. Diese Ermächtigung mag zwar wegen der Funktion und Komplexität der Sonderstatusverhältnisse in ihrer Bestimmtheit hinter dem zurückbleiben, was bei punktuellen Rechtsverhältnissen erforderlich ist; die zugelassenen generalklauselartigen Ermächtigungen können u.U. den Weg zu Beschränkungen der Grundrechte eröffnen, welche in besonderer Weise den Sinn und Zweck der durch Verfassung und Gesetz anerkannten besonderen Gewaltverhältnisse berücksichtigen. Hier ist nicht der Raum für eine umfassende Betrachtung, welche Bedeutung dem Abstraktionsbegriff des „besonderen Gewaltverhältnisses" in der Grundrechts- und Verwaltungsrechtsdogmatik heute zukommen kann; jedenfalls verschafft die Existenz eines Verwaltungsrechtsverhältnisses mit einer besonders engen tatsächlichen Beziehung oder komplexen gegenseitigen Pflichtenbindung der Exekutive keinen Handlungsfreiraum mehr, in dem
2
O. Mayer, Dt. VerwR I, 3. Aufl., S. 101 (anders noch in der 1. Auflage, S. 102), vgl. Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 133 ff. 3 Rupp, DVB1. 1963, 577 f. m.w.N.; Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 133 ff. 4 BVerfG, B. v. 14.3.1972 - 2 BvR 41/71, BVerfGE 33, 1 (9 ff.) - Strafvollzug; v.Münch in Erichsen, Allg. VerwR, § 3 Rn. 63; Ronellenfltsch, DÖV 1984, 781 (783 f.); Bull, Allg. VerwR, Rn. 275 ff.; zum Zusammenhang zwischen der Ausdehnung des Gesetzesvorbehalts auf die besonderen Gewaltverhältnisse und der Wesentlichkeitstheorie vgl. bereits oben Teil 3, C.III.
H. Subordinations-, besonderes Gewaltverhältnis und Verwaltungsakt
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eine gesetzliche Ermächtigung für Eingriffe in den grundrechtlich geschützten Freiheitsraum entbehrlich wäre 5. Desweiteren ist festzustellen, daß die Verwaltungsgerichte keineswegs bei allen „besonderen Gewaltverhältnissen" aus den dort bestehenden hoheitlichen Befugnissen ein generelles Verhältnis der Über- und Unterordnung abgeleitet und damit eine ungeschriebene Befugnis zum Erlaß von Verwaltungsakten begründet haben. Die Argumentation blieb in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts von vornherein auf die Beamten- und Soldatenverhältnisse beschränkt 6. Dies ist kein Zufall, sondern beruht darauf, daß die Befugnisse und typischen Handlungsformen des Dienstherrn sich deutlich von den Verwaltungskompetenzen in anderen Sonderstatusverhältnissen unterscheiden: Im Schulverhältnis sprechen die Lehrer gegenüber ihren Schülern zwar eine Vielzahl von Ge- und Verboten aus, welche sich dogmatisch mit den Weisungen im beamtenrechtlichen „Betriebsverhältnis", aber auch den Anordnungen der Vollzugsbediensteten gegenüber dem Gefangenen im Strafvollzug vergleichen lassen. Diese einseitig vom Lehrer ausgesprochenen Ge- und Verbote muß der betroffene Schüler aufgrund spezieller das Schulverhältnis regelnder Ermächtigungsnormen grundsätzlich befolgen 7. Es handelt sich also um Regelungen eines Rechtsverhältnisses auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, die ein Träger der öffentlichen Gewalt aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung einseitig treffen darf und deshalb um hoheitliche Maßnahmen. Sie stellen jedoch in der Regel keine Verwaltungsakte dar, weil sie nicht auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet sind; folglich erwachsen sie auch nicht in Bestandskraft. Verwaltungsakte ergehen im Schulverhältnis schon deshalb nur ausnahmsweise, weil sie gemäß § 43 VwVfG gegenüber einem minderjährigen Schüler erst mit der Bekanntgabe an seine Erziehungsberechtigten ihre Regelungswirkungen entfalten können. Aufgrund ihrer rechtsformspezifischen Wirksamkeitsbedingungen kommen Verwaltungsakte deshalb gegenüber den meist minderjährigen Schülern gar nicht als geeignete Maßnahmen zur Regelung des laufenden Schulbetriebs in Betracht. Verwaltungsakte, wie die Versetzung oder die Verhängung einer Ordnungsmaßnahme, welche als grundlegende Entscheidungen den Erziehungsberechtigten bekanntgemacht werden müssen, sind vom Schulalltag abweichende oder gar atypische Maßnahmen zur verbindlichen Regelung dieses Rechtsverhältnisses. Obwohl sich der Schüler also in einem hoheitlichen Sonderstatusverhältnis mit besonderen Pflichten befindet, prägen Verwaltungsakte das Schulverhältnis - im Gegensatz zum
5
Vgl. die Nachw. in Fn. 4 sowie speziell zur Verwaltungsaktbefugnis Christiane Fischer, S. 100 f. 6 Differenzierend insoweit auch die Kritik bei Osterloh, JuS 1983, 280 (284 f.). 7
Vgl. z.B. § 8 Abs. 1 Satz 1 ASchO NW.
6 5 6 T e i l 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
Beamtenverhältnis - gerade nicht Schadensersatzansprüche aus dem Schulverhältnis können die Schulverwaltungen deshalb bei Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung weder gegenüber den Schülern noch gegen deren Eltern durch Verwaltungsakt geltend machen8. Soweit es sich um öffentlichrechtliche Ansprüche handelt9, kann der Schulträger sie nur durch allgemeine Leistungsklagen vor den Verwaltungsgerichten geltend machen. In einem Rechtsstaat ist wohl kaum ein stärkeres Verhältnis der Über- und Unterordnung denkbar als das der Ärzte und Krankenpfleger gegenüber einem psychisch Kranken, der zwangsweise in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht ist und dort gegen seinen Willen, möglicherweise sogar gewaltsam, behandelt werden muß. Gleichwohl ist der Rechtsprechimg des 10. Senats des OVG Lüneburg 10 zu folgen, nach der in öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnissen wie der zwangsweisen Unterbringung in einem Landeskrankenhaus für die Handlungsform Verwaltungsakt uneingeschränkt der Vorbehalt des Gesetzes gelte. Es sei nicht zwingend geboten, das hoheitliche Überordnungsverhältnis, das bezüglich des Rechts des Untergebrachten, seinen Aufenthalt zu bestimmen, bestehe, auf die übrigen Rechtsbeziehungen, insbesondere auf die Kosten der Unterbringung, zu erstrecken. Der Hinweis des OVG, die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Fallgruppen, in denen Gewohnheitsrecht ausnahmsweise als Grundlage für den Erlaß von Verwaltungsakten anerkannt worden sei, seien nicht ohne weiteres mit dem Entgeltanspruch für die Kosten einer zwangsweisen Unterbringung und Pflege vergleichbar, reicht allerdings als Erklärung für die unterschiedlichen verfahrensrechtlichen Befugnisse nicht aus.11 Ein sachlicher Unterschied zum Beamten- und Soldatenverhältnis dürfte darin zu sehen sein, daß während der zwangsweisen Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses in der Regel gerade keine Verwaltungsakte ergehen. Soweit ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten nicht besorgen kann,
8
Nieders. OVG, U. v. 19.6.1996 - 13 L 6935/95, NJW 1996, 2947. Nieders. OVG, U. v. 19.6.1996 - 13 L 6935/95, NJW 1996, 2947, tendierte allerdings zu der Auffassung, das niedersächsische Gesetz über die Lernmittelfreiheit habe die Nutzungsüberlassung von Schulbüchern als privatrechtliches Rechtsverhältnis ausgestaltet. 10 OVG Lüneburg, U. v. 15.3.1988 - 10 A 14/87, NVwZ 1989, 880 (881 f.). 11 Zwar stimmt die Aussage des Senates, daß der geltend gemachte, öffentlichrechtliche Entgeltanspruch mit einem privatrechtlichen Zahlungsanspruch aus Vertrag oder ungerechtfertigter Bereicherung verglichen werden könne, welche dem Krankenhausträger bei einem freiwilligen Krankenhausaufenthalt des Patienten zustehe. Jedoch ist auch gegenüber der beamtenrechtlichen Rechtsprechung immer wieder der Einwand erhoben worden, der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch weise eine solche Nähe zum zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch auf. 9
I. Entscheidungen einer beurkundenden oder registerführenden Behörde
657
könnten Verwaltungsakte zur Regelung dieses Rechtsverhältnisses nämlich nur bei einer Bekanntgabe an seinen Betreuer (§ 1896, 1902 BGB) oder Bevollmächtigten wirksam werden. Das öffentlich-rechtliche Unterbringungsverhältnis ist ein Rechtsverhältnis, in dem die Verwaltung schon wegen der das Rechtsverhältnis prägenden persönlichen Merkmale des Betroffenen nur ausnahmsweise Verwaltungsakte erlassen kann. Ebenso wie im Schulverhältnis erwächst hier aus anderen hoheitlichen Befugnissen keine ungeschriebene Kompetenz, gesetzlich nicht geregelte Verwaltungsakte zu erlassen. Der Vergleich des Beamten- und Soldatenverhältnisses mit anderen besonderen Gewaltverhältnissen hat gezeigt, daß es für die Befugnis zum Erlaß eines Verwaltungsaktes nicht darauf ankommen kann, ob im jeweiligen Rechtsverhältnis irgendwelche hoheitlichen Befugnisse bestehen, die mit dieser Rechtsform des Verwaltungshandelns nichts zu tun haben. Mit der allgemeinen staatsrechtlichen Kategorie des „besonderen Gewaltverhältnisses " oder der „Sonderstatusbeziehung " kann eine Befiignis zum Erlaß feststellender Verwaltungsakte und konkretisierender Verfugungen , insbesondere die zum Erlaß von Leistungs- und Erstattungsbescheiden, nicht gerechtfertigt werden 12 Insoweit zeigt sich auch hier die Notwendigkeit einer sorgfaltigen Analyse der rechtlichen und tatsächlichen Besonderheiten der jeweiligen Rechtsverhältnisse, welche nicht aufgrund eines gemeinsamen Oberbegriffs „des" besonderen Gewaltverhältnisses oder Sonderverhältnisses vernachlässigt werden darf 13 .
I. Entscheidungen einer beurkundenden oder registerführenden Behörde I. Fragestellung und Gang der Untersuchung Im Überblick ist auf die Rechtsprechung der süddeutschen Verwaltungsgerichtshöfe hingewiesen worden, nach der sich aus der Kompetenz zur Führung des Melderegisters eine Kompetenz der Meldebehörde ergeben soll, in Form der Feststellung der Hauptwohnung durch Verwaltungsakt eine verbind-
12
OVG Lüneburg, U. v. 15.3.1988 - 10 A 14/87, NVwZ 1989, 880 (881 f.); Nieders. OVG, U. v. 19.6.1996 - 13 L 6935/95, NJW 1996, 2947; Pietzner , JA 1973, 413 (416); Arbeiter , S. 123. 13 Hesse, Rn. 323 ff.; Maurer , Allg. VerwR, § 8 Rn. 30. 42 Kracht
6 5 8 T e i l 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
liehe Regelung der einzutragenden Rechtslage zu treffen 1; insbesondere sei eine Fortschreibung des Melderegisters in Form einer von Amts wegen erfolgenden Abmeldung als ein feststellender Verwaltungsakt, daß der Betroffene in der Gemeinde keinen Wohnsitz habe, einzustufen. Denn für den Betroffenen ergäben sich aus dem Bescheid unmittelbare Rechtswirkungen, nämlich ein Wegfall der örtlichen Zuständigkeit, des örtlichen Wahlrechts und weiterer, nach dem jeweiligen Kommmunalverfassungsrecht bestehender Rechte2. Demgegenüber lehnen andere Oberverwaltungsgerichte eine Befugnis zum Erlaß eines feststellenden Verwaltungsakts ab, weil die ursprüngliche Eintragung in das Melderegister und auch eine von Amts wegen erfolgende Berichtigung und Fortschreibung selbst nur als ein tatsächliches Verwaltungshandeln zu qualifizieren sei3. Vor der Suche nach einer die Befugnis zum Erlaß eines Verwaltungsaktes einräumenden Ermächtigung ist daher zunächst die Vorfrage zu lösen, ob die hier in Rede stehenden Maßnahmen der Meldebehörde überhaupt als Verwaltungsakte einzustufen sind. Die rechtliche Qualifikation als Verwaltungsakt, Rechtshandlung oder tatsächliches Verwaltungshandeln ist auch bei einer Reihe weiterer Erklärungen von Verwaltungsbehörden umstritten, die Aussagen zu rechtlich erheblichen Eigenschaften enthalten. Folglich ist hier zunächst unter Berücksichtigung der Funktion und Rechtsfolgen verschiedener öffentlicher Urkunden und behördlicher Register zu klären, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Ausstellung einer öffentlichen Urkunde oder eine Registereintragung aufgrund der darin enthaltenen Aussage über rechtlich erhebliche Tatsachen oder Rechtsfolgen als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist. Denn dann enthielten die gesetzlichen Vorschriften über die im Rahmen der Beurkundung oder Registereintragung zu treffende
1
Vgl. oben Teil 4, D.: VGH BW, U. v. 21.7.1986 - 1 S 3060/85, NJW 1987, 209; U.v. 24.3.1987 - 1 S 134/86, NVwZ 1987, 1007 f. (m.w.N.); U. v. 21.4.1992 1 S 2186/91, NVwZ-RR 1992, 480; B. v. 30.11.1992 - 1 S 2567/92,NVwZ 1993, 797; BayVGH, B. v. 27.7.1998 - 5 ZS 98.1714, NVwZ 1998, 1318; Hess. VGH, B. v. 26.9.1989 - 11 TH 2862/89, NVwZ 1990, 182; ebenso VG Gießen, U. v. 22.11.1988 IV/2 E 480/88, NVwZ-RR 1989, 367 (368) und VG Freiburg, U. v. 4.2.1987 6 K 127/86, NVwZ 1987, 1017: Zulässigkeit einer Feststellung der Hauptwohnung durch Verwaltungsakt der Meldebehörde. Dazu unten Teil 7,1. 2 BayVGH, B. v. 27.7.1998 - 5 ZS 98.1714, NVwZ 1998, 1318; Hess. VGH, B. v. 26.9.1989 - 11 TH 2862/89, NVwZ 1990, 182; ebenso VG Gießen, U. v. 22.11.1988 IV/2 E 480/88, NVwZ-RR 1989, 367 (368). 3 OVG NW, U v. 5.4.1989 - 18 A 1362/88, NVwZ 1989, 1082; B. v. 24.8.1989 18 B 3719/88, NVwZ 1990, 181; OVG MV, B. v. 21.6.1999 - 1 M 63/99, DÖV 1999, 1009; ebenso Medert/Süßmuth, § 9 MRRG Rn. 12, § 10 Rn. IIb (m.w.N.). Anders jedoch die Tendenz von Medert/Süßmuth hinsichtlich der Bestimmung der Hauptwohnung durch Verwaltungsakt in der Erläuterung zu § 12 MRRG Rn. 42 ff.
I. Entscheidungen einer beurkundenden oder registerführenden Behörde
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„Feststellung" immanent auch die erforderliche gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß eines solchen Feststellungsbescheides. Soweit der Regelungscharakter der Beurkundung oder Registereintragung selbst dagegen zu verneinen sein sollte, muß allerdings weiter gefragt werden, ob die zuständige Behörde dennoch im konkreten Einzelfall durch Verwaltungsakt eine verbindliche Entscheidung über ihre Befugnis zur Beurkundung bzw. Registereintragung („Entscheidung , ob ...") oder über die inhaltliche Richtigkeit der zu beurkundenden oder einzutragenden Eigenschaften einer Person oder Sache getroffen hat. Unter dem Gesichtspunkt des Vorbehalts des Gesetzes ist dann nämlich weiter zu prüfen, ob die zuständige Behörde durch die jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen nur zur Beurkundung oder Registerführung selbst oder aufgrund einer stillschweigenden Annexkompetenz auch zu Feststellungsbescheiden ermächtigt ist, mit denen sie die Voraussetzungen dieser Verwaltungstätigkeit verbindlich regelt.
II. Zur Rechtsnatur öffentlicher Urkunden, behördlicher Register und Dateien 1. Die öffentliche
Urkunde
Unter einer Urkunde ist die Verkörperung eines Gedankens (Erklärung) mit Beweisfunktion zu verstehen4. § 415 ZPO definiert öffentliche Urkunden als Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb ihrer sachlichen Zuständigkeit in der vorgeschriebenen Form aufgenommen worden sind5. Wesentliche Eigenschaft der öffentlichen Urkunde ist ihre Beweisfunktion 6. Gemäß § 415 Abs. 1, §§417 und 418 Abs. 1 ZPO begründen echte öffentliche Urkunden den vollen Beweis des beurkundeten Vorgangs, des Inhalts der behördlichen Erklärung bzw. der bezeugten Tatsachen. Ein freier Gegenbeweis (Beweis der Unrichtigkeit) bleibt rechtlich zulässig (§415 Abs. 2, § 418 Abs. 2 Satz 2 ZPO), ist jedoch i.d.R. aufgrund der aus dem besonderen Urkundsverfahren resultierenden erhöhten Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde de facto erheblich erschwert 7. Gesetzliche Folge einer öffentlichen Urkunde i.e.S. der ZPO ist damit eine Umkehr der Beweislast.
4 Krause, Rechtsformen, S. 345; Thomas/Putzo, vor § 415, Rn. Schwab/Gottwald, § 121 I; Jauernig,, § 55 I. 5 Thomas/Putzo, vor § 415, Rn. 1; Rosenberg/Schwab/Gottwald, 6 Kormann, System, S. 131; Krause, Rechtsfomen, S. 345; Forsthoff, 7 Zeidler, Auskunft und Zusage, S. 30 f.; Krause, Rechtsformen, Jauernig, § 55 V.l.
1; Rosenberg/ § 121 Il.l.a). § 11 3.d). S. 345 ff;
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
Unter der Herrschaft des Untersuchungsgrundsatzes sind dem Verwaltungsrecht Regeln über die Beweisführungslast fremd; der Begriff der verwaltungsrechtlichen Urkunde sollte daher nicht mit einer bestimmten Beweisführungsregel verknüpft werden 8. Zu den verwaltungsrechtlichen Urkunden (i.w.S.) sind daher alle Registereintragungen, Ausweise, Bescheinigungen und ähnliche unverbindliche Behördenerklärungen zu zählen, die nachförmlicher Prüfung der beurkundeten Tatsache, Erklärung bzw. des Vorgangs in einem besonderen Urkundsverfahren 9 zu Beweiszwecken erfolgen. Derartige unverbindliche öffentlich-rechtliche Behördenerklärungen über rechtlich erhebliche Tatsachen oder Rechtsfolgen mit Beweisfunktion (verwaltungsrechtliche Urkunden) können in unterschiedlicher Form verkörpert werden. In der Regel handelt es sich um Erklärungen in Schriftform 10 , es gibt aber auch verwaltungsrechtliche Beurkundungen durch nonverbale Zeichen oder Symbole mit einem bestimmten Erklärungswert wie Eichmarken, Staumarken, Grenzsteine und ähnliche Markierungen 11 . Denkbar sind auch Beurkundungen auf anderen Datenträgern (Filmen, Tonbändern, Magnetspeichern, u.ä.), soweit diese zur Speicherung und Wiedergabe der jeweiligen behördlichen Erklärung zu Beweiszwecken geeignet sind 12 . Der Urkundsbegriff 13 umfaßt sowohl unselbständige Eintragungen in öffentliche Bücher, Listen und Register mit Beweisfunktion 1*, soweit es sich bei diesen nicht um formgebundene, rechtsbegründende oder feststellende Verwaltungsakte handelt, als auch selbständige Urkunden 15. Die bekannteste Erscheinungsform der selbständigen Urkunden sind die Ausweise 16, d.h. personenbezogene Urkunden, welche im Besitz des Berechtigten bleiben und zum Nachweis der Identität und bestimmter rechtlich 8
Redeker/v. Oertzen, § 98 Rn. 13; zweifelnd BVerwG, U. v. 16.3.1984 - 4 C 52/80, NJW 1984, 2962 (für Mitteilungen der Verwaltung in eigenen Angelegenheiten während vorprozessualer Auseinandersetzungen); a.A. Kopp/Schenke, VwGO, § 98, Rn. 18; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 415 Rn. 14. 9 Krause, Rechtsformen, S. 346 ff. (349). 10 Urkunde i.S. der ZPO ist nur die in Schriftzeichen erfolgte Verkörperung einer Gedankenerklärung (vgl. Thomas/Putzo, vor § 405 Rn. 1; Jauernig, § 55 I). 11 BVerwG, B. v. 1.4.1971 - IV B 59.70, DÖV 1972, 174; Kormann, System, S. 129 f.; Krause, Rechtsformen, S. 344. 12 Zur Sicherung digitaler Daten vor Verfälschungen durch eine digitale Signatur vgl. das Gesetz zur digitalen Signatur (Signaturgesetz - SIGG), verkündet als Artikel 3 des Gesetzes vom 22.7.1997, BGBl. I S. 1870, 1872. 13 Zu den Formen vgl. Kormann, System, S. 129 f. 14 Z.B. die Personenstandsbücher (§ 1 Abs. 2 PStG), Wasserbücher (§ 37 WHG), Straßen- und Wegeverzeichnisse (z.B. § 4 StrWG NW), Baulastverzeichnisse (§ 79 MBO, § 78 BauONW). 15 Z.B. die Personenstandsurkunden (§ 61a ff. PStG), Pässe (§§ 1, 4, 6, 11 PaßG), Personalausweise (§ 1 Gesetz über Personalausweise). 16
Krause, Rechtsformen, S. 351.
I. Entscheidungen einer beurkundenden oder registerführenden Behörde
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erheblicher Eigenschaften des Inhabers gegenüber Behörden und/oder Privatpersonen ausgestellt werden. Daneben gibt es aber auch Bescheinigungen über rechtlich erhebliche Eigenschaften einer Person oder Sache bzw. deren gutachterliche Bewertung, welche zur Vorbereitung einer bestimmten Entscheidungsfindung bestimmt sind und daher bei der entscheidenden Behörde oder dem Gericht einzureichen sind 17 . Selbst dann, wenn das Gesetz an eine derartige Beurkundung keine rechtliche Vermutung der Richtigkeit knüpft, so begründen doch die verfahrensmäßigen Sicherungen, die erhöhte Zeit- und Sachnähe des Urkundsverfahrens zum wirklichen Geschehen18 und bei einer gutachterlichen Bescheinigung19 die besondere Fachkompetenz der beurkundenden Stelle zumindest eine tatsächliche Vermutung der Richtigkeit der Erklärung und verleihen ihr so eine Beweisfiinktion (prima facie-Beweis) 20. Die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde über einen Verwaltungsakt oder eine andere verwaltungsrechtliche Entscheidung erstreckt sich nur darauf, daß die Entscheidung so ergangen ist, nicht auf deren sachliche Richtigkeit 21 . Daher ist eine in einer öffentlichen Urkunde dokumentierte „Feststellung" nicht aufgrund der Urkundsfunktion, einer darüber ausgestellten Bescheinigung oder eines Ausweises für eine Behörde verbindlich. Eine inhaltliche Bindungswirkung kann nur von einem in der öffentlichen Urkunde dokumentierten Verwaltungsakt ausgehen, wenn dieser nach den jeweiligen Bestimmungen des besonderen Verwaltungsrechts als Grundlagenbescheid für Folgeentscheidungen verbindlich ist 22 . Dann bleibt nur noch der Gegenbeweis zulässig, der beurkundete Verwaltungsakt sei nicht erlassen worden, er sei aufgehoben worden, habe sich 17
Vgl. BVerwG, U. v. 10.5.1984 - 3 C 68/82, NJW 1985, 1302 (1303) - Bescheinigung des Bundesamts für Ernährung u. Forstwirtschaft, daß einzuführendes Obst nicht den EG-Qualitätsnormen entspricht, nur gutachterliche Äußerung für die Entscheidung der Zollbehörden über zollamtliche Abfertigung (a.A. Kopp , VwVfG, § 35 Rn. 36); Beleg des Sozialamtes über die persönlichen Verhältnisse für den Prozeßkostenhilfeantrag (§117 Abs. 2 ZPO), vgl. Zeidler , Auskunft und Zusage, S. 30 f., zum früheren Armenrechtverfahren. 18 Krause , Rechtsformen, S. 346. 19 Wenn beurkundende und entscheidende Stelle nicht identisch sind und die die Erklärung mit Beweisfunktion abgebende Fachbehörde eine größere Sachnähe zum wirklichen Geschehen hat, sind die Übergänge zwischen Gutachten und Urkunde sind fließend. Da im Verwaltungsverfahren § 26 VwVfG auf beide Beweismittel Anwendung findet, ist eine randscharfe Abgrenzung entbehrlich. 20 So für die Eintragung ins Wasserbuch: BVerwGE 37, 103 (104); Gieseke/Wiedemann/Czychowski , § 37 Rn. 3, 3a; ins Baulastverzeichnis: OVG NW, U. v. 29.9.1978, XI A 112/78, BRS 33 Nr. 156, Böckenförde in Gädtke/Böckenförde/Temme/Heintz, § 83 Rn. 57. 21 Thomas in Thomas/Putzo, § 417 Rn. 2; Jauernig, § 55 V.2. Vgl. oben Teil 2, E.IV.
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
in sonstiger Weise erledigt oder sei nichtig 23 . Umgekehrt ist ein wirksamer Grundlagenbescheid grundsätzlich auch dann für Folgebescheide verbindlich, wenn die spezielle den Nachweis erleichternde Urkunde nicht vorgelegt wird. So kann der Status als Schwerbehinderter oder ein gesundheitliches Merkmal nicht nur durch den Schwerbehindertenausweis, sondern z.B. auch unmittelbar durch Vorlage des Feststellungsbescheids bewiesen werden, es sei denn das jeweilige Gesetz hätte die Gewährung einer Vergünstigung an die Vorlage des Ausweises geknüpft 24 .
2. Behördliche Register und Dateien Behördliche Listen, Register und Dateien mit Informationen über rechtlich erhebliche Erklärungen, Eigenschaften oder Vorgänge, die von der registerführende Stelle auf Anfrage oder Ersuchen in einer selbständigen neuen Erklärung behördenintern oder an eine andere öffentlichen Stelle des Bundes und der Länder i.S. von § 3 Abs. 3 BDSG übermittelt werden oder die von Betroffenen als Informationsquelle eingesehen werden können, sind nur dann öffentliche Urkunden, wenn ihnen aufgrund eines besonderen Urkundsverfahrens eine rechtliche oder tatsächliche Vermutung der Richtigkeit oder Vollständigkeit beizumessen ist 15. Soweit der Eintragung selbst weder eine Tatbestandswirkung i.e.S. noch Verbindlichkeit in der Weise zukommt, daß die benachrichtigten Stellen an den Inhalt der Mitteilung gebunden wären, stellen die Eintragungen mangels Regelungswirkung auch keine Verwaltungsakte dar 26 . Die in das Regi-
23
A.A. Neumann in Neumann/Pahlen, § 4 Rn. 32 für den Fall der Erschleichung des Ausweises. 24 Neumann in Neumann/Pahlen, § 4 Rn. 32. 25 Hess. VGH, U. v. 23.01.1992 - 4 UE 3467/88, JURIS Nr. MWRE105939200 = NVwZ-RR 1993, 462 = BRS 54 Nr. 122. Nach Medert/Süßmuth, Melderecht, § 1 MRRG, Rn. 24; diess., MRRG, § 1 Rn. 12 stellen sie wegen der fehlenden Zugänglichkeit für jedermann keine öffentlichen Register dar. Demgegenüber ordnet Krause, Rechtsformen, S. 354, wohl alle Eintragungen in öffentliche Register den Beurkundungen zu, indem er die Nachweis- mit der Beweisfunktion gleichsetzt. Dies wäre nicht richtig: Die Nachweisfunktion eines öffentlichen Registers kann zwar bei einem besonderen Urkundsverfahren, das zu einer rechtlichen oder tatsächlichen Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit des Registers führt, durch eine Beweisfunktion ergänzt werden; sie muß es aber nicht. Da auf die lediglich Nachweiszwecken dienenden Register die besonderen Regeln über das Urkundsverfahren und die besonderen Rechtsfolgen einer rechtlichen oder tatsächlichen Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Beurkundung nicht passen, erscheint es bei einer Systematisierung der Handlungsformen nicht zweckmäßig, sie nur deshalb den öffentlichen Urkunden zuzurechnen, weil sie auch nicht als Verwaltungsakte zu qualifizieren sind. 26 So für das Verkehrszentralregister BVerwG, U. v. 20.05.1987 - 7 C 83/84, JURIS Nr. WBRE103368705 = BVerwGE 77, 268; für nachrichtliche Denkmallisten Hess.
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ster eingetragenen Informationen oder die in der Datei gespeicherten Daten können sich auf Verfahren und Entscheidungen anderer Behörden oder Gerichte, auf rechtlich erhebliche Tatsachen, Erklärungen oder Vorgänge oder auf eine Bewertung solcher Sachverhalte durch die registerführende Fachbehörde beziehen. Sie dienen dazu, den Mitarbeitern der eigenen Behörde, anderen Behörden oder den Gerichten die notwendigen Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben zu liefern; eine Informations- und Nachweisfunktion für die von der Eintragung Betroffenen kann hinzutreten. So wurde beispielsweise das Verkehrszentralregister , die sog. Flensburger Verkehrssünderkartei, als zentrale Sammel- und Auskunftsstelle über verkehrsrechtliche Entscheidungen und sonst erhebliche Vorgänge auf dem Gebiete des Straßenverkehrsrechts geschaffen, um den in § 30 Abs. 2 Satz 1 StVG genannten Stellen die notwendigen Informationen zur Erfüllung ihrer in Absatz 1 dieser Vorschrift genannten Aufgaben liefern zu können. Mit der zentralen Registrierung dieser Informationen wird die Arbeit der auskunfts- und abrufberechtigten Stellen lediglich in tatsächlicher Hinsicht erleichtert. Rechtsfolgen können sich erst aus den Entscheidungen ergeben, die diese Stellen, wenn auch möglicherweise gestützt auf das Ergebnis der eingeholten Auskünfte, treffen. Die Registereintragung selbst soll aber bei einem solchen Register, bei dem die auskunftsberechtigten Stellen in eigener Verantwortung über das Vorliegen und die Rechtserheblichkeit der registrierten Informationen entscheiden, im Sinne der Legaldefinition der Regelung in § 35 VwVfG keine unmittelbaren Rechtswirkungen erzeugen und ist daher kein Verwaltungsakt 27. Als weitere Beispiele für derartige unverbindliche Listen, Register oder Dateien sind das Bundeszentralregister, das Gewerbezentralregister, die Dateien nach §§ 15 -16 GüKG und die Melderegister 28 zu nennen. Als zentrale Informationsquelle sind sie in vielen Bereichen für einen effizienten Verwaltungsvollzug unverzichtbar. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die nachgewiesenen Urteile, Entscheidungen oder Informationen über eine Person oder ein Unternehmen von einer großen Vielzahl von Gerichten und Behörden stammen. Die Aufgaben der registerführenden Behörde müssen sich nicht auf die Sammlung und den Nachweis von Informationen beschränken, die bei anderen öffentlichen Stellen bereits vorliegen. Die Einrichtung einer Liste oder eines Registers kann auch dann sinnvoll sein, wenn die nachgewiesene Eigenschaft, VGH, U. v. 23.01.1992 - 4 UE 3467/88, JURIS Nr. MWRE105939200 = NVwZ-RR 1993, 462 = BRS 54 Nr. 122; OVG Berlin, U. v. 3.1.1997 - 2 B 10/93, LKV 1998, 152 (153 f.) sowie bereits die Darstellung oben in Teil 2, F.II.2.b). 27 BVerwG, U. v. 20.05.1987 - 7 C 83/84, JURIS Nr. WBRE103368705 = BVerwGE 77, 268; Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs. 1 Rn. 28; Siegmund in Brandt/Sachs, Handbuch, Rn. D. 36. 28
Vgl. dazu sogleich unter c).
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
wie die in den nachrichtlichen Denkmallisten eingetragene Denkmaleigenschaft, bei einer großen Zahl von Sachverhalten für eine Vielzahl von Behörden und Privatpersonen rechtlich relevant sein kann, die i.d.R. selbst nicht über die notwendigen Fachkenntnisse zu deren Beurteilung verfügen. Dann kann es zweckmäßig sein, einer Fachbehörde gesetzlich die Aufgabe einer vorsorglichen Sachverhaltsermittlung und -bewertung zu übertragen. In einem solchen Register werden kontinuierlich die Ergebnisse der Sachverhaltsermittlung und -bewertung im Zuständigkeitsbereich der Fachbehörde dokumentiert. A u f Anfrage steht es als Informationsquelle allen Gerichten, Behörden und Privatpersonen zur Verfügung, für deren rechtliche Entscheidungen oder der tatsächliches Verhalten das Bestehen oder Nichtbestehen der einzutragenden Eigenschaft aufgrund der von ihnen ggf. zu beachtenden Rechtsvorschriften erheblich sein kann, ohne daß sie an die Bewertung gebunden wären. So sollen etwa die Eintragungen in nachrichtliche Denkmallisten weder mit Außenwirkung gegenüber den Betroffenen noch verwaltungsintern gegenüber anderen Behörden die Denkmaleigenschaft verbindlich regeln, sondern eine unverbindliche Subsumtionshilfe und Informationsquelle zur Anwendung des gesetzlichen Denkmalbegriffs auf die eingetragenen Objekte bieten 29 . Auch wenn solche Register öffentlich zugänglich sind, kommt ihnen keine erhöhte Beweiswirkung im Sinne der §§ 415 ff. ZPO zu 30 . Das gleiche gilt für landesrechtliche Vorschriften, nach denen Listen mit den gesetzlich geschützten Biotopen i.S. des § 20c Abs. 1 und 3 BNatSchG zur Einsicht für jedermann ausgelegt werden 31.
3. Unterscheidung zwischen BeweisNachweis-
und Regelungsfunktion
Dennoch sind sowohl Ausstellungen selbständiger öffentlicher Urkunden als auch Eintragungen in behördliche Register, welche für nachfolgende Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidungen nicht in dem in Teil 2 herausgearbeiteten Sinne mit Rechtswirkung nach außen verbindlich sind (bzw. die Entscheidung über derartige Beurkundungen 32), immer wieder als Verwaltungsakte qualifi-
29
Vgl. Hess. VGH, U. v. 23.01.1992 - 4 UE 3467/88, JURIS Nr. MWRE105939200 = NVwZ-RR 1993, 462 = BRS 54 Nr. 122; OVG Berlin, U. v. 3.1.1997 - 2 B 10/93, LKV 1998, 152 (153 f.) und die Darstellung oben in Teil 2, F.II.2.b) m.w.N. 30 Hess. VGH, U. v. 23.01.1992 - 4 UE 3467/88, JURIS Nr. MWRE105939200 = NVwZ-RR 1993,462 = BRS 54 Nr. 122. 31 Vgl. Schink, VerwArch 86 (1995), 398 (402 f., 422 f.). 32 VGH BW, U. v. 21.7.1986 - 1 S 3060/85, NJW 1987, 209 (Feststellung der Hauptwohnung als Kundgabe der gesetzlichen Pflicht zur Berichtigung des Melderegisters); Obermayer, VwVfG, § 35 Rn. 115 f.; Kopp, VwVfG, § 35 Rn. 10. Zur Entschei-
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ziert worden. Die Rechtsprechung hat in diesem Zusammenhang meist nur lapidar darauf hingewiesen, daß das Rechtsinstitut eines feststellenden 33 oder beurkundenden 34 Verwaltungsakts grundsätzlich anerkannt sei, ohne eine eigene Subsumtion der jeweiligen Bescheinigung oder Eintragung unter die Legaldefmition des Verwaltungsakts vorzunehmen. Das Schrifttum hat sich oft ebenfalls auf die Beschreibung des beurkundenden Verwaltungsakts durch Forsthoff 5 berufen und die Einstufung als Verwaltungsakt damit begründet, daß die erhöhte Beweiskraft eine von Form und Verfahren der öffentlichen Beurkundung ausgehende und von der beurkundenden Behörde final intendierte Rechtswirkung der Urkunde sei 36 . Der vorgenannten Rechtsprechung und Literaturansicht, die keine präzise Subsumtion unter das Tatbestandsmerkmal der „Verfügung, Entscheidung oder anderen hoheitlichen Maßnahme ...zur Regelung eines Einzelfalls" in § 35 VwVfG vornimmt, ist von der zumindest seit Inkrafttreten des VwVfG herrschenden Lehre widersprochen worden 37 . Im Gegensatz zu der schon damals nicht herrschenden, aber mangels einer im ganzen Bundesgebiet geltenden Normierung legitimerweise selbst gegebenen Definition des Verwaltungsakts im Lehrbuch von Forsthoff 38 , bildet nämlich gem. § 35 Satz 1 VwVfG nicht jede behördliche Maßnahme, die auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist, einen Verwaltungsakt. Kumulativ („und"!) verlangt § 35 Satz 1 VwVfG noch, daß die Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen wurde 39 . Zum Definitionselement der dung über die Speicherung, Berichtigung, Löschung oder Weitergabe behördlicher Informationen vgl. unten III. 33 VGH BW, U. v. 21.7.1986 - 1 S 3060/85, NJW 1987, 209. 34 BVerwGE 37, 103 (104) (Eintragung ins Wasserbuch); dagegen i.E. zutreffend: VG Hannover, U. v. 5.3.1965 - II A 61/64, ZfW 1965, 121 (122) (Eintragung ins Wasserbuch); OVG NW, U. v. 29.9.1978 - XI A 112/178, BRS 33 Nr. 156. BSGE 39, 38 f. betont ausdrücklich, daß der „beurkundende Verwaltungsakt" lediglich der Beweissicherung diene und daher - im Gegensatz zum feststellenden Verwaltungsakt - nicht bindend sei. 35 Forsthoff, S. 210. 36 Simon , DVB1. 1956, 355 (356 f.); Achterberg, Allg. VerwR, § 21 Rn. 64; Obermayer, VwVfG, § 35 Rn. 115 f.; Kopp, VwVfG, § 35 Rn. 10; wohl auch Wolff/ Bachof/Stober, VerwR I, § 46 Rn. 7 f. 37 Angesichts der differenzierenden Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale des § 35 VwVfG, die das Bundesverwaltungsgericht in seinen neueren Urteilen, z.B. zur Eintragung in das Verkehrszentralregister in seiner Entscheidung vom 20.05.1987 (BVerwGE 77, 268), vorgenommen hat, ist es aberfraglich, ob das Bundesverwaltungsgericht eine behördliche Maßnahme, die lediglich eine Beweisfunktion hat, heute noch als einen (beurkundenden) Verwaltungsakt einstufen würde. 38 Forsthoff, S. 205. 39 Krause, Rechtsformen, S. 124 f., 349 f., 354 ff.; P. Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 81.
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Regelung gehört die intendierte Verbindlichkeit des Erklärungsgehalts. Insoweit genügt keine faktische oder rechtliche Beweislastumkehr in einem nachfolgenden Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren oder irgendeine andere rechtliche Bedeutung der Beurkundung. Eine verbindliche Regelung liegt nur dann vor, wenn während der Geltungsdauer der Entscheidung die Geltendmachung einer vom Inhalt der behördlichen Willenserklärung abweichenden Rechtslage rechtlich ausgeschlossen ist. Eine Urkunde, bei der der Beweis der Unrichtigkeit der getroffenen Aussage (Feststellung) jederzeit rechtlich zulässig ist, enthält keine verbindliche Regelung des Rechtsverhältnisses, ist also kein Verwaltungsakt 40. Der Begriff des „beurkundenden Verwaltungsakts" mißachtet sowohl die Definition und Funktion des Verwaltungsakts als einer besonderen hoheitlichen Regelungsform als auch die Funktion der lediglich der Beweissicherung dienenden öffentlichen Urkunde. Als Konsequenz dieser Begriffsbildung müßte man eigentlich auf den Beurkundungsvorgang und vorallem die Urkunde Regeln und Rechtsfolgen des Verwaltungsaktes anwenden, die der bloßen Beweissicherungsfunktion der jeweiligen Urkunde zuwiderlaufen. Erkennt man aber deren Unangemessenheit und wendet deshalb zentrale Rechtssätze über den Verwaltungsakt nicht an 41 , so verliert die Qualifikation als Verwaltungsakt ihren Sinn und verstößt gegen den Vorrang des Gesetzes42. Würde man den Begriff des „beurkundenden Verwaltungsaktes" dagegen auf Eintragungen eines Rechts in ein öffentliches Registers beschränken, bei denen aufgrund der Eintragung die Existenz des Rechts nicht widerlegt werden kann, so würde es sich nur noch um einen Spezialfall des feststellenden Verwaltungsaktes handeln43. Diese Kategorie hätte dann keinerlei dogmatische Funktion, würde aber wegen der gerade nicht angewandten Regeln über die Rechtsfolgen einer Beurkundung leicht zu Fehlbeurteilungen führen. Der in sich widersprüchliche Begriff des beurkundenden Verwaltungsakts sollte daher nicht mehr verwendet werden™. Begrifflich hiervon zu unterscheiden sind Beurkundungen eines Verwaltungsaktes in Form von Ausweisen oder von Eintragungen in öffentliche
40
Kormann, System, S. 131 f.; Krause, Rechtsformen, S. 349 f., 354 ff. (m.w.N.); Henneke in Knack, § 35 Rn. 5.1.1.; i.E. ebenso Zeidler, Auskunft und Zusage, S. 32 ff.; unklar Stern, BayVBl. 1957, 86 f. (Er erkennt zwar behördlichen Bescheinigungen nur dann die Merkmale eines Verwaltungsakts zu, wenn der Feststellung eine bindende Wirkung zukommt. Jedoch soll auch eine „faktisch" vorweggenommene Entscheidung das Erfordernis der Verbindlichkeit erfüllen.). 41 So aber beispielsweise BSGE 39, 38 f. 42 Krause, Rechtsformen, S. 349 f., 354 ff. 43 So Peine, Allg. VerwR, Rn. 144. 44
Krause, Rechtsformen, S. 350 Fn. 83.
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Register, bei denen eine rechtliche oder tatsächliche Vermutung für die Richtigkeit der Eintragung besteht. Bei Urkunden, an die sich ausdrücklich kraft Gesetzes oder durch die Funktion des speziellen Urkundsverfahrens unmittelbar eine Vermutung der Richtigkeit knüpft, handelt es sich um Rechtshandlungenbei anderen unverbindlichen Bescheinigungen und Mitteilungen i.d.R. um Realakte 46. Nachrichtliche Denkmallisten und andere Register und Dateien, bei denen mit der Eintragung oder Speicherung nicht verbindlich über das Vorliegen der eingetragenen rechtlich erheblichen Eigenschaft entschieden wird, haben nur eine Beweisoder Nachweisfunktion. Die Eintragung, ihre Berichtigung, Veränderung oder Löschung enthält dann keine unmittelbar auf Rechtswirkung nach außen gerichtete Regelung und ist daher gemäß § 35 VwVfG nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren 47. Bei zentralen Registern, wie dem Verkehrszentralregister, bei dem die registerführende Behörde pro Arbeitstag nahezu 10.000 Meldungen erfassen und eintragen muß, wäre das Verwaltungsverfahren zudem praktisch undurchführbar, wenn die Betroffenen entsprechend den Bestimmungen des VwVfG vor der Eintragung angehört, ihnen auf Verlangen Akteneinsicht gewährt und dann der Inhalt der Eintragung durch einen mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid bekanntgegeben werden müßte 48 . Dies gilt auch dann, wenn verwaltungsintern eine grundsätzliche Bindung an die eingetragenen bzw. übermittelten Daten oder Feststellungen vorgeschrieben ist 49 oder die übermittelten Informationen in der Praxis von Mitarbeitern oder Behörden, an die sie übermittelt werden, routinemäßig als wahr deren eigenen Entscheidungen oder sonstigen Maßnahmen zugrunde gelegt werden und so faktisch bei einer fehlerhaften oder unzulässigen Eintragung oder Übermittlung die Rechtsstellung der Betroffenen beeinträchtigen können. Registereintragungen sind mangels Regelungswirkung keine Verwaltungsakte, wenn der Betroffene befugt bleibt, sich gegenüber den mit Hilfe der Auskunft vorbereiteten Maßnahmen auf die Unrichtigkeit der Eintragung zu berufen.
45
Kormann , System, S. 132; Krause , Rechtsformen, S. 350. Kormann , System, S. 128 f.; Krause, Rechtsformen, S. 331 ff. (338 f., 342). 47 Dazu allgemein Krause , Rechtsformen, S. 349 f., 354 ff.; Pietzcker in Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs. 1 Rn. 28. Speziell zur Eintragung in nachrichtliche Denkmallisten vgl. Hess. VGH, U. v. 23.01.1992 - 4 UE 3467/88, JURIS Nr. MWRE105939200 = NVwZ-RR 1993, 462 = BRS 54 Nr. 122; OVG Berlin, U. v. 3.1.1997 - 2 B 10/93, LKV 1998, 152 (153 f.) sowie oben Teil 2, F.II.2.b) m.w.N. 48 BVerwG, U. v. 20.05.1987 - 7 C 83/84, JURIS Nr. WBRE103368705 = BVerwGE 77, 268. 49 Vgl. Hess. VGH, U. v. 23.01.1992 - 4 UE 3467/88, JURIS Nr. MWRE105939200 = NVwZ-RR 1993,462 = BRS 54 Nr. 122. 46
6 6 8 T e i l 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
Auch die Eintragung in das Melderegister sowie dessen Berichtigung und Fortschreibung stellen aus diesem Grunde keine Regelung i.S. des § 35 VwVfG dar. In Ausfüllung der Vorschriften des Melderechtsrahmengesetzes enthalten die Meldegesetze aller Länder Vorschriften, welche die Aufgaben der Meldebehörden festlegen (§ 1 MRRG) und sie zur Speicherung (§ 2 MRRG) sowie zu einer von Amts wegen oder auf Antrag des Betroffenen vorzunehmenden Berichtigung (§ 9 MRRG) personenbezogener Daten im Melderegister ermächtigen. Die Rechtsform der hierbei zu treffenden Maßnahmen ist weder im Melderechtsrahmengesetz noch in den Meldegesetzen der Länder explizit geregelt. Unbeschadet des Umstandes, daß auf ihrer Grundlage die Wählerverzeichnisse für Bundestags-, Landtags- oder Kommunalwahlen zu erstellen sind, stellen Eintragungen, Berichtigungen und Fortschreibungen des Melderegisters, auch hinsichtlich der Eintragungen der Hauptwohnung, - entgegen der Rechtsprechung des Hessischen50 und Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs 51 - tatsächliche Verwaltungshandlungen ohne Regelungscharakter dar 52 . Nach den einschlägigen Wahlvorschriften (z.B. § 16 BWO) werden zwar alle am festgelegten Stichtag vor der Wahl bei der Meldebehörde gemeldeten Wahlberechtigten von Amts wegen in das Wählerverzeichnis eingetragen; insoweit stimmt auch noch die Aussage des Hessischen und Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, daß der im Melderegister eingetragene Status einer Wohnung als Hauptwohnung für andere Verwaltungstätigkeiten und die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts von Bedeutung ist. Eine Bindung an die Eintragungen in den Melderegistern ist jedoch nicht vorgesehen. Vielmehr gewähren die Wahlrechtsvorschriften dem Betroffenen ein eigenständiges Antrags» sowie ein Einspruchsrecht, wenn die Gemeindebehörde dem Eintragungsantrag nicht stattgibt oder sie eine eingetragene Person aus dem Wählerverzeichnis streicht. Zudem sind auf Antrag in das Wählerverzeichnis auch Wahlberechtigte einzutragen, die ohne eine Wohnung innezuhaben sich sonst im Wahlgebiet gewöhnlich aufhalten (vgl. z.B. § 16 Abs. 2 Nr. la) BWO). Da-
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B. v. 26.9.1989 - 11 TH 2862/89, NVwZ 1990, 182; ebenso VG Gießen, U. v. 22.11.1988 - IV/2 E 480/88, NVwZ-RR 1989, 367 (368). 51 U v. 9.12. 1988 - 5 B 87.04031, NVwZ-RR 1989, 365. 52 OVG NW, U. v. 5.4.1989 - 18 A 1362/88, NVwZ 1989, 1082; B. v. 24.8.1989 18 B 3719/88, NVwZ 1990, 181; VGH BW, U. v. 21.7.1986 - 1 S 3060/85, NJW 1987, 209; U. v. 24.3.1987 - 1 S 134/86, NVwZ 1987, 1007 f. (m.w.N.); U. v. 21.4.1992 1 S 2186/91, NVwZ-RR 1992,480;; B. v. 30.11.1992 - 1 S 2567/92, NVwZ 1993, 797; OVG MV, B. v. 21.6.1999 - 1 M 63/99, DÖV 1999, 1009; VG Freiburg, U. v. 4.2.1987 - 6 K 127/86, NVwZ 1987, 1017; Medert/Süßmuth, § 9 MRRG Rn. 12, § 10 Rn. 1 lb (m.w.N.). Anders jedoch die Tendenz von Medert/Süßmuth hinsichtlich der Bestimmung der Hauptwohnung in der Erläuterung zu § 12 MRRG Rn. 42 ff.
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her ergibt sich aus den wahlrechtlichen Bestimmungen auch keine Tatbestandswirkung der Melderegistereintragung 53. Unter der verwaltungsgerichtlichen Generalklausel ist der Rechtsschutz gegen eine unrichtige Melderegistereintragung, welche die Ausübung des Wahlrechts oder sonstiger subjektiver Rechte des Betroffenen faktisch beeinträchtigen oder sonstige Rechte verletzen kann, auch dann gewährleistet, wenn diese nicht als Verwaltungsakt einzustufen ist. Folglich besteht auch hier kein Anlaß, aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes wegen der Bedeutung der Richtigkeit des Melderegisters, insbesondere im Hinblick auf die Ausübung des Wahlrechts, anzunehmen, eine von den Angaben des Meldepflichtigen abweichende Speicherung oder Berichtigung erfolge in Form eines feststellenden Verwaltungsakts54. Die Funktion des Melderegisters, der Meldebehörde jederzeit gegenüber den zuständigen Behörden und anderen Personen einen aktuellen und richtigen Nachweis über die einzutragenden Daten zu ermöglichen, wäre nicht mehr gewährleistet, wenn eine den Betroffenen begünstigende unrichtige Eintragung nur unter den engen, für die Rücknahme eines Verwaltungsakts geltenden Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG berichtigt werden dürfte und der Widerspruch der Betroffenen gegen eine Berichtigung des Melderegisters grundsätzlich aufschiebende Wirkung hätte55. Nur wenn eine von der Verwaltungsbehörde mit der Urkunde oder Registereintragung getroffene Feststellung - anders als bei der Eintragung in die Flensburger Verkehrssünderkartei oder das Melderegister - für ein nachfolgendes Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren in der Weise mit Rechtswirkung nach außen verbindlich ist, daß der Betroffene in diesem Verfahren keine vom Inhalt der Urkunde oder Registereintragung abweichende Rechtslage geltend machen kann, liegt ein u.U. formgebundener Grundlagenbescheid, d.h. ein Verwaltungsakt, vor 56 . Für die Vorbehaltsfrage ist daraus die Konsequenz zu ziehen, daß zunächst bei allen gesetzlichen Vorschriften, welche eine besondere behördliche Feststellung gewisser rechtlich erheblicher Tatsachen oder Lebenssachverhalte vorsehen, jeweils durch Auslegung zu ermitteln ist, ob die getroffene Feststellung für ein späteres Verwaltungshandeln der gleichen oder einer anderen Behörde 53
Zur Tatbestandswirkung i.e.S. vgl. oben Teil 2, G.IV.3.b)aa). So aber z.B. VG Gießen, U. v. 22.11.1988 - IV/2 E 480/88, NVwZ-RR 1989, 367 (368); dagegen wie hier OVG MV, B. v. 21.6.1999 -1 M 63/99, DÖV 1999, 1009 f.; Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs. 1 Rn. 31; zur Eintragung in das Verkehrszentralregister ebenso BVerwG, U. v. 20.05.1987 - 7 C 83/84, JURIS Nr. WBRE103368705 = BVerwGE 77, 268. 55 OVG MV, B. v. 21.6.1999 -1 M 63/99, DÖV 1999, 1009. 56 Vgl. nochmals insbes. Krause , Rechtsformen, S. 124 f., 349 f., 354 ff.; Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs. 1 Rn. 28, 35. 54
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verbindlich sein soll, wie dies beispielsweise in Bundesländern mit einem zweistufigen denkmalrechtlichen Classement-System bei der Unterschutzstellung von Baudenkmälern durch Eintragung in Denkmallisten der Fall ist 57 . Wenn eine derartige Bindungswirkung ßr Folgeentscheidungen besteht, so handelt es sich bei den Feststellungen nicht um bloße Beurkundungen oder sonstige unverbindliche Mitteilungen, sondern um Verwaltungsakte. Dann enthalten die gesetzlichen Vorschriften über die zu treffende Feststellung selbst die erforderliche gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß dieses (möglicherweise formgebundenen) feststellenden Verwaltungsaktes 58.
I I I . Die Entscheidung über eine Beurkundung oder Registereintragung 1. Fragestellung Von der zuvor erörterten Frage, ob eine Beurkundung oder Registereintragung selbst die verbindliche Regelung eines Rechtsverhältnisses enthält, sind, die weiteren Fragen zu unterscheiden, •
ob die zuständige Behörde über ihre Berechtigung oder Verpflichtung zur Vornahme einer Registereintragung oder zur Beurkundung oder die inhalt-
57
Vgl. oben Teil 2, F.II.2.a). Einen ähnlichen Schluß von der praktischen Notwendigkeit einer gesicherten Entscheidungsgrundlage für spätere Verwaltungsmaßnahmen enthält der Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.3.1992, 7 B 24.92, DVB1. 1992, 1295, zur Zulässigkeit der Feststellung der Einwohnerzahl einer Gemeinde durch feststellenden Verwaltungsakt aufgrund des Volkzählungsgesetzes 1987. Ausgehend vom Sinn und Zweck des VZG sei aus einer Gesamtschau der die Feststellung der amtlichen Bevölkerungszahl betreffenden Regelungen des VZG eine materielle Feststellungsbefugnis der statistischen Landesämter zu bejahen. Aus der Begründung des Gesetzentwurfes lasse sich zweifelsfrei entnehmen, daß die Schaffung einer ,,gesicherte(n) Datenbasis" zu den zentralen Anliegen der Volkszählung gehört habe und dementsprechend die amtliche Bevölkerungszahl erst mit der Bestandskraft der jeweiligen Feststellungsbescheide habe vorliegen sollen. Der Gesetzgeber sei mithin von einer Feststellung der Bevölkerungszahl durch Verwaltungsakt und damit von einer Obliegenheit der Gemeinden ausgegangen, die festgestellte Einwohnerzahl im Beanstandungsfall fristgerecht gerichtlich überprüfen zu lassen. Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei hier nur darauf hingewiesen, daß der Vorbehalt des Gesetzes für derartige feststellende Verwaltungsakte nicht aus den Grundrechten folgt, sondern aus der „nach Maßgabe der Gesetze" bestehenden kommunalen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG, die den Gemeinden ein strukturell vergleichbares Abwehrrecht gegen Eingriffe in ihr Recht auf Selbstverwaltung gibt. 58
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liehe Richtigkeit der zu beurkundenen oder einzutragenden Eigenschaft einer Person oder Sache durch Verwaltungsakt entschieden hat 59 und •
ob die beurkundende oder registerführende Behörde in einem solchen Fall durch Vorschriften, die explizit nur ihre nicht als Verwaltungsakte einzustufenden Tätigkeiten regeln, stillschweigend zu derartigen verbindlichen Entscheidungen mitermächtigt ist.
Auch wenn eine Behördenerklärung selbst ein Realakt oder eine nicht als Verwaltungsakt zu qualifizierende Rechtshandlung ist, erfolgt vor dieser Maßnahme nämlich immer zumindest im Kopf des handelnden Amtswalters oder behördenintern eine „Entscheidung, ob" diese Maßnahme vorgenommen werden soll 60 .
2. Rechtsprechung und Literatur zur „Entscheidung, ob" In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, unter welchen Voraussetzungen die einer Rechtshandlung oder einem tatsächlichen Verwaltungshandeln vorgelagerte Entscheidung über die Ausführung dieser Maßnahme als Verwaltungsakt anzusehen ist, insbesondere wenn eine beantragte Maßnahme abgelehnt wird. Dieses Problem ist im Hinblick auf die Entscheidung über die Erteilung oder Versagung einer behördlichen Auskunft intensiv untersucht worden. Anknüpfend an die viel kritisierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Auskunft über den Namen eines Informanten durch ein Landesamt für Verfassungsschutz nahm die Rechtsprechung über lange Zeit überwiegend
59
Krause , Rechtsformen, S. 338 f., 354 ff.; Achterberg, Allg. VerwR, § 21 Rn. 296; Maurer , Allg. VerwR, § 9 Rn. 62, § 15 Rn. 7; Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, § 42 Abs. 1 Rn. 28, 31 f. 35, 96; Widmann , S. 86 ff. Schon sprachlich symptomatisch für die immer wieder anzutreffende Vermengung beider Fragen ist das Urteil des BVerwG zur Halterauskunft, nach dem ,/Jie begehrte behördliche Entscheidung , Auskunft gemäß § 26 Abs. 5 StVZO zu erteilen, einen Verwaltungsakt, nämlich die Regelung eines Einzelfalls des öffentlichen Rechts mit Außenwirkung zum Gegenstand hat (U. v. 21.3.1986 - 7 C 71.83, NJW 1986, 2329 (2330)). Die in § 35 Satz 1 VwVfG genannte „Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls... trifft", verkürzt als Entscheidung oder „Regelung" bezeichnet, muß nicht einen Verwaltungsakt zum Gegenstand haben; vielmehr definiert das Gesetz Entscheidungen der in § 35 VwVfG genannten Art als Verwaltungsakt. Gegenstand der Entscheidung ist hingegen ein Einzelfall auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (ein konkretes Rechtsverhältnis, Rechte, Pflichten oder rechtlich erhebliche Eigenschaften), also nur ausnahmsweise ein Anspruch auf Erlaß eines weiteren Verwaltungsakts. 60
Vgl dazu bereits oben Teil 2, A.III.2
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Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
an 61 , daß sich die Frage, ob mit dem Antrag auf Erteilung einer behördlichen Auskunft ein Verwaltungsakt begehrt werde, nicht allgemein bejahen oder verneinen lasse, daß aber die Rechtsnatur einer positiven, dem Antrag stattgebenden und einer ablehnenden Entscheidung jeweils einheitlich zu beurteilen sei. Oft sah man es als maßgebliches Kriterium für die Annahme eines Verwaltungsaktes an, daß die um Auskunft ersuchte Behörde prüfen müsse, ob die Erteilung der Auskunft mit der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben vereinbar sei; demgegenüber sei ein Prüfungs- und Regelungsbedürfiiis und deshalb auch ein Verwaltungsakt zu verneinen, wenn die Erteilung von Auskünften, wie etwa beim Einwohnermeldeamt, zu den gesetzlichen Aufgaben der Behörde gehöre. Stehe die Erteilung der Auskunft im Ermessen der Behörde, so liege der rechtliche Schwerpunkt des Verwaltungshandelns nicht in der Erteilung oder Unterlassung der Auskunft, sondern in der hierdurch konkludent oder ausdrücklich zum Ausdruck gebrachten Ermessensentscheidung über die Erteilung der Auskunft. Dann erfülle die durch die Auskunftserteilung zum Ausdruck gebrachte Entscheidung, dem Auskunftsbegehren stattzugeben, ebenso die Tatbestandsmerkmale des Verwaltungsakts wie die Ablehnung des Antrags auf eine behördliche Auskunft 62 . In der Rechtsprechung sind teilweise aber auch gebundene Entscheidungen über Auskünfte, die zum gesetzlichen Aufgabenkreis der Behörde gehören, wie die Melderegisterauskunft oder die Halterauskunft gem. § 26 Abs. 5 StVZO 63 , als Verwaltungsakte qualifiziert worden. In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, die Versagung einer Verwaltungsmaßnahme teile die Rechtsnatur der Vornahme der begehrten Handlung. Die Ablehnung der Erteilung einer Auskunft oder einer sonstigen schlichten Verwaltungsmaßnahme sei daher eine schlichte Verwaltungsäußerung 64 .
61 BVerwGE 31, 300 (306 f.) (m. abl. Anm. Bettermann DVB1. 1969, 703 und Menger/Erichsen, VerwArch 60 (1969), 376 (388 f.)); BFH, U. v. 25.7.1978 VII R 77/74, DVB1. 1979, 560 (m. abl. Anm. Lässig); zustimmend: Bachof WDStRL 30, 322. Entsprechend der BVerwG-Entscheidung, aber (soweit abgedruckt) ohne eigene Begründung gewähren VG Köln, U. v. 5.5.1982 - 14 K 8/81, NVwZ 1983, 112; OVG Bremen, U. v. 24.2.1987 - 1 BA 50/86, RDV 1987, 194 (195) den Rechtsschutz gegenüber einer Auskunftsverweigerung durch das LfV in Form eines Bescheidungsurteils; Verwaltungsaktcharakter der Auskunftserteilung durch das LfV offengelassen von VG Schleswig-Holstein, B. v. 29.1.1986 - 3 A 1/85, RDV 1986, 93. 62 Vgl. BVerwG, BFH a.a.O. (Fn. 62). 63 BVerwG, U. v. 21.3.1986 - 7 C 71.83, NJW 1986, 2329 (2330). 64 Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 218; Obermayer, VwVfG, § 35 Rn. 125; Obermayer-Janßen, § 35 Rn. 61; König, BayVBl. 1993, 268 (269 f.); Rasch, DVB1. 1992, 207 (208). Für alle Wissenserklärungen i.E. ebenso Zimmer, Jura 1980, 242 (253): Von der Entscheidung darüber, ob ein bestimmtes Wissen, etwa der Name eines Informan-
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Rechtsprechung und Lehre differenzieren z.T. zwischen der Auskunftserteilung und deren Ablehnung: eine antragsgemäße Auskunftserteilung erschöpfe sich in einem tatsächlichen Verwaltungshandeln, während in jeder Ablehnung eine verbindliche Regelung des Auskunftsanspruchs zu sehen sei 65 . Schließlich wird noch die Meinung vertreten, es komme nicht auf ein objektives Regelungsbedürfiiis, sondern auf die tatsächlich zum Ausdruck gebrachte Erklärung an66. Hierbei wird meist die Auffassung vertreten, in der Erteilung der Auskunft selbst sei keine konkludente Regelung über deren Zulässigkeit enthalten67. Bei der Ablehnung müsse zwischen der schlichten Verweigerung der Auskunft und Erklärungen unterschieden werden, mit denen die Behörde erkennbar eine verbindliche Entscheidung über den Anspruch auf Auskunft oder Vornahme der sonstigen Realhandlung treffen wolle. Ein solcher feststellender Verwaltungsakt liege immer vor, wenn die Behörde ihre Ablehnung in der sonst auch bei Verwaltungsakten üblichen äußeren Form eines Bescheides mit Rechtsbehelfsbelehrung erkläre 68, könne aber im Einzelfall auch sonst vorliegen, wenn die Behörde erkennbar eine zwischen dem Antragsteller und der Behörde streitige Angelegenheit abschließend klären wolle 69 . Zudem würde eine Interpretation der Ablehnung eines auf ein schlichtes Verwaltungshandeln gerichteten Antrags als verbindliche Feststellung, daß hierauf kein Anspruch bestehe, dazu führen, daß die auf die Vornahme der begehrten Handlung gerichtete allgemeine Leistungsklage systemwidrig in der Regel mit einer fristgebundenen Anfechtung des Ablehnungsbescheids verbunden werden müßte 70 .
ten, mitgeteilt werde, gingen keine unmittelbaren rechtlichen Wirkungen aus; Wirkungen könnten erst mittelbar durch die Namensnennung hervorgerufen werde. Kopp, VwVfG, § 35 Rn. 4, befürwortet zwar den Ansatz der rechtlich einheitlichen Bewertung von Vornahme und Ablehnung, geht aber zugleich davon aus, daß der Vornahme der Handlung in der Regel eine als Verwaltungsakt zu qualifizierende Entscheidung über die Vornahme vorgeschaltet sei (Rn. 4, 9). In der Konsequenz sieht Kopp - entgegen der Darstellung bei Widmann , S. 96, - sowohl die positive als auch die ablehnende Entscheidung über die Erteilung einer Auskunft oder ein anderes schlichtes Verwaltungshandeln als Verwaltungsakt an. 65 BayVGH, U. v. 24.3.1983 - Nr. 21 B 82 A.2492, BayVBl. 1983, 402; Bettermann , DVB1. 1969, 703 (704); Lässig , DVB1. 1979, 561 f.; Meyer in Meyer/Borgs, § 35 Rn. 38; Medert/Süßmuth , Melderecht, § 8 MRRG Rn. 16; Siegmund in Brandt/Sachs, Handbuch, Rn. D 34. 66 Krause , Rechtsformen, S. 50 ff., 198 f., 338 f., 354 ff.; Maurer , Allg. VerwR, § 15 Rn. 7; Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs. 1 Rn. 26, 31, 96. 67 Widmann , S. 93 f.; wohl auch Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs. 1 Rn. 31. 68 Widmann , S. 81 ff. 69 Widmann , S. 98 ff.; Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs. 1 Rn. 32. 70
Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs. 1 Rn. 32.
43 Kracht
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Das gleiche Meinungsspektrum findet sich zu der Frage, ob die Entscheidung über die Eintragung 71 bzw. Speicherung, die Vorlage 72 bzw. Übermittlung, die Berichtigung 73 oder die Vernichtung 74 bzw. Löschung75 von Erklärungen, Informationen oder Daten, die in öffentlichen Urkunden, Registern oder Akten bzw. Dateien enthalten sind, als Verwaltungsakte zu qualifizieren sind.
3. Eigene Auffassung Bei der Problemlösung ist davon auszugehen, daß unter Geltung des Art. 19 Abs. 4 GG und der verwaltungsgerichtlichen Generalklausel die Zwischenschaltung eines Verwaltungsakts konstruktiv nicht mehr erforderlich ist, um dem Bürger verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz zur Erlangung oder Abwehr unverbindlicher Mitteilungen und Beurkundungen zu gewähren; auch eine Real- bzw. Rechtshandlung ohne Regelungscharakter kann Gegenstand ei-
71
VGH BW, U. v. 21.7.1986 - 1 S 3060/85, NJW 1987, 209; U. v. 24.3.1987 1 S 134/86, NVwZ 1987, 1007; VG Freiburg, U. v. 4.2.1987 - 6 K 127/86, NVwZ 1987, 1017; tendenziell auch Medert/Süßmuth, § 12 MRRG Rn. 42-44: Zulässigkeit einer Feststellung der Hauptwohnung durch Verwaltungsakt der Meldebehörde; Hess. VGH, U. v. 23.01.1992 - 4 UE 3467/88, JURIS Nr. MWRE105939200 = NVwZ-RR 1993, 462 = BRS 54 Nr. 122; OVG Berlin, U. v. 3.1.1997 - 2 B 10/93, LKV 1998, 152 ff.: die Entscheidungen über die Eintragung in nachrichtliche Denkmallisten seien keine Verwaltungsakte (vgl. dazu oben F.II.3. m.w.N. in Fn. 24, 32 und 34). 72 Offengelassen von BVerwG, U. v. 19.8.1986 - 1 C 7/85, DuD 1986, 558 m.w.N. 73 OVG Rh.-Pf., U. v. 29.1.1993 - 7 A 11526/92, OVGE 24, 86: Verwaltungsakt. VGH BW, U.v. 21.7.1986 - 1 S 3060/85, NJW 1987, 209; U. v. 24.3.1987 1 S 134/86, NVwZ 1987, 1007 (1008); B. v. 30.11.1992 - 1 S 2567/92, NVwZ 1993, 797: Bei einer von Amts wegen vorgenommenen Berichtigung oder Fortschreibung des Melderegisters könne es sich, ebenso wie bei der Ablehnung eines Berichtigungsantrags, um einen Verwaltungsakt handeln. Anders differenzieren Medert/Süßmuth, § 9 MRRG Rn. 12, § 10 MRRG Rn. IIb: Löschen, Selbstauskunft und Berichtigung des Melderegisters seien schlicht-hoheitliches Handeln (Realakt). Lehne die Behörde diese Maßnahmen ganz oder teilweise ab, so liege demgegenüber ein Verwaltungsakt vor; offengelassen durch OVG MV, B. v. 21.6.1999 - 1 M 63/99, DÖV 1999, 1009. 74 BayVGH, U. v. 27.9.1983 - Nr. 21 B 82 A.2261, NJW 1984, 2235; VG Frankfurt, U. v. 18.2.1987 - VI 1 E 1979/85, RDV 1987, 88: Entscheidung der Behörde über die beantragte Vernichtung polizeilicher Akten sei ein Verwaltungsakt. 75 VG Hannover, U. v. 20.2.1987 - 10 A 186/84, NVwZ 1987, 826 (nur Ls.): Die begehrte Löschung von personenbzogenen Daten, die in einer behördlichen Datei gespeichert sind, setzte einen Verwaltungsakt voraus und sei deshalb mit der Verpflichtungsklage zu erstreiten. Offengelassen von VG Schleswig-Holstein, B. v. 29.1.1986 3 A 1/85, RDV 1986, 93. Differenzierend Medert/Süßmuth, § 9 MRRG Rn. 12, § 10 MRRG Rn. IIb: Löschen, Selbstauskunft und Berichtigung des Melderegisters seien schlicht-hoheitliches Handeln (Realakt). Lehne die Behörde diese Maßnahmen ganz oder teilweise ab, so liege demgegenüber ein Verwaltungsakt vor.
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nes verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sein, wenn der Betroffene eine Verletzung eigener Rechte durch ihre Vornahme oder Unterlassung geltend machen kann 76 . Gleichwohl kann die Entscheidung über die Erteilung einer Auskunft, die Vornahme oder Vernichtung einer Beurkundung bzw. die Entscheidung über die Eintragung, Berichtigung oder Löschimg einer rechtlich erheblichen Tatsache in einem Register aber ein Verwaltungsakt sein. Weil der Verwaltungsakt einen - dem verwaltungsgerichtlichen Urteil in seinem Regelungsgehalt vergleichbaren - verbindlichen hoheitlichen Rechtsanwendungsakt bildet, ist es rechtstechnisch in gleicher Weise möglich (nicht aber zwingend zulässig), über die Berechtigung oder Verpflichtung der Verwaltung zur Vornahme einer Mitteilungshandlung wie über jedes andere Verwaltungshandeln durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Dennoch reicht der Umstand, daß der zuständige Behördenmitarbeiter sich entscheiden muß, ob er die Mitteilung gibt oder unterläßt, ebenso wenig aus, um diese Entscheidung als Verwaltungsakt zu qualifizieren, wie der Umstand, daß er bei der Entscheidungsfindung Rechtsvorschriften angewendet hat 77 . Da die Verwaltung bei all ihren Tätigkeiten gemäß Art. 20 Abs. 3 GG Recht und Gesetz unterworfen ist, setzt nämlich jedes Verwaltungshandeln eine Prüfung und Anwendung der gesetzlichen Verhaltensmaßstäbe voraus, deren Ergebnis durch das entsprechende Tun oder Unterlassen auch nach außen in Erscheinung treten kann. Wer wegen der Entscheidung über Handlungsbefugnisse oder -pflichten die Vornahme oder Ablehnung einer Mitteilungshandlung generell als Verwaltungsakt bewertet oder immer dann, wenn sie das Ergebnis einer rechtlich schwierigen Abwägung darstellt, macht durch einen zweifach ungenauen Sprachgebrauch letztlich aus jedem finalen Handeln eine Regelung78. Denn bei einem finalen Handlungsbegriff enthält jede Handlung als bewußtes und gewolltes Verhalten eine „Entscheidung". Diese ist allerdings nicht von der Handlung abgehoben, sondern muß erst in einer Reflexion bewußtgemacht werden und kann dann aufgrund eines weiteren Willensentschlusses ausgesprochen werden. § 35 VwVfG meint aber nicht eine derartige, jede Handlung begleitende Entscheidung, son-
76
BVerwG, U. v. 22.5.1980 - 2 C 30/78, BVerwGE 60, 144 (148) =JURIS Nr. WBRE100738000: Umsetzung eines Beamten; U. v. 20.05.1987 - 7 C 83/84, JURIS Nr. WBRE103368705 = BVerwGE 77, 268: Verkehrszentralregister. Für viele Krause , Rechtsformen, S. 338; Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs. 1 Rn. 31. 77 Vgl. dazu bereits die Ausführungen oben Teil 2, A.III.2. 78 Krause , Rechtsformen, S. 50 ff., 125, 338 f., 354 ff.; Bettermann , DVB1. 1969, 703 (704); Lässig , DVB1. 1979, 561, (662); Bull , Allg. VerwR, Rn. 526 f.; Hess. VGH, U. v. 23.01.1992 - 4 UE 3467/88, JURIS Nr. MWRE105939200 = NVwZ-RR 1993, 462 = BRS 54 Nr. 122; BVerwG, U. v. 20.05.1987 - 7 C 83/84, JURIS Nr. WBRE103368705 = BVerwGE 77, 268.
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dem nur eine gesondert hervortretende förmliche Entscheidung mit dem Anspruch auf Verbindlichkeit 79 . Der Erteilung bzw. Unterlassung einer Auskunft oder einer unverbindlichen Mitteilung und der Eintragung, Speicherung, Berichtigung, Löschung, Vernichtung oder Vorlage einer öffentlichen Urkunde oder einer sonstigen Information durch eine Verwaltungsbehörde ist daher nur dann eine Regelung i.S. des § 35 VwVfG vorgeschaltet, wenn im konkreten Einzelfall in der Verwaltungsäußerung erkennbar der Wille zum Ausdruck kommt, eine verbindliche Regelung über die Berechtigung oder Verpflichtung zur Vornahme der Mitteilungshandlung zu treffen. Daher kann die Frage nach der Rechtsnatur nicht pauschal und einheitlich für alle Entscheidungen über Mitteilungshandlungen einer bestimmten Art oder alle Ablehnungen einer beantragten Real- oder Rechtshandlung beantwortet werden. Vielmehr handelt es sich um ein im Einzelfall nach den allgemein geltenden Gesichtspunkten zu lösendes Auslegungsproblem 80. Aus Sicht des Betroffenen ist der Vornahme eines Realakts jedenfalls kein konkludenter Verwaltungsakt vorgeschaltet. Die Auskunft wird schlicht erteilt, die Eintragung in die nachrichtliche Denkmalliste vorgenommen, das Melderegister berichtigt. Die Konstruktion eines zwischen den Gesetzesbefehl und der Ausführung in der Tat zwischengeschalteten Verwaltungsakts macht nur dann Sinn, wenn dieser Rechtsanwendungsakt bei einer belastenden Maßnahme einen Ansatzpunkt für eine gerichtliche Kontrolle noch vor der Ausführung bieten, oder bei einem begünstigenden Verwaltungshandeln Art, Höhe, Zweck und Rechtsgrund der Leistung konkretisiert und ggf. durch Nebenbestimmungen absichern würde. Mit der bloßen Vornahme einer Rechts- oder Realhandlung ist aber eine solche verbindliche und rechtzeitig nachprüfbare Konkretisierung der verwaltungsrechtlichen Rechte und Pflichten nicht verbunden. Es ist zwar denkbar, daß die für die Vornahme zuständige Behörde in einer besonderen Erklärung vorab über die Zulässigkeit der Maßnahme entscheidet, beispielsweise um dem Betroffenen, über den eine Auskunft beantragt wurde, Gelegenheit zu geben, ggf. durch Rechtsbehelfe die Erteilung der Auskunft zu verhindern. Dies setzt aber eine explizite, zeitlich von der Ausführung der Maßnahme getrennte Erklärung über die beabsichtigte Maßnahme voraus. Ein Verwaltungsakt liegt aber auch dann nur vor, wenn die Behörde nicht nur ihre Absicht zur Auskunftserteilung mitteilt, sondern - etwa durch die ausdrückliche Bezeichnung als Verwaltungsakt, die äußere Ausgestaltung als Bescheid oder
79
Vgl. die Nachweise in Fn. 78. Krause, Rechtsformen, S. 50 ff., 198 f., 338 f., 354 ff.; Maurer, Allg. VerwR, § 15 Rn. 7; Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs. 1 Rn. 26, 28, 31 f., 35; Medert/Süßmuth, MRRG, § 9 Rn. 4, § 12 Rn. 14 (unter Bezugnahme auf OVG Hamburg, U. v. 29.5.1985 - Bf V 14/85). 80
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die Anfügung einer § 59 VwGO entsprechenden Rechtsbehelfsbelehrung - für den Antragsteller oder sonstige Betroffene erkennbar eine feststellende Regelung über die Zulässigkeit der Verwaltungsmaßnahme treffen will 81. Auch in der bloßen Verweigerung einer Auskunft, Beurkundung oder sonstigen Mitteilung ist aus den genannten Gründen in der Regel noch keine verbindliche Regelung der Zulässigkeit oder eines Anspruchs auf Abgabe der Erklärung zu sehen. Anders als bei der Vornahme des Realakts liegt bei der Ablehnung jedoch in diesen Fällen eine bestimmte behördliche Erklärung über den vom Antragsteller geltend gemachten Anspruch auf ein bestimmtes tatsächliches Verwaltungshandeln vor. Aber nicht schon jede behördliche Erklärung, man werde (jetzt) nicht in der gewünschten Weise handeln, ist als Verwaltungsakt anzusehen. Denn andernfalls würde jede Verweigerung eines schlichten Verwaltungshandelns aufgrund der für belastende Verwaltungsakte geltenden Rechtsbehelfsfristen dem Betroffenen eine Anfechtungslast gegenüber dieser Verwaltungsentscheidung auferlegen und in der Regel zu einer systemwidrigen Klagehäufung von fristgebundener Anfechtungsklage und nicht fristgebundener allgemeiner Leistungsklage führen. Bei einer Auslegung nach objektivem Empfangerhorizont liegt daher bei dieser Fallgruppe ein feststellender Verwaltungsakt nur vor, wenn die Behörde erkennbar eine verbindliche Entscheidung treffen will, der Adressat oder Drittbetroffene also grundsätzlich rechtlich gehindert sein sollen, die Berechtigung oder Verpflichtung zur Vornahme bzw. Unterlassung der Mitteilung nach Ablauf der für den Verwaltungsakt vorgesehenen Rechtsbehelfsfristen geltend zu machen82.
IV. Keine stillschweigende Annexkompetenz Erst wenn die durch Auslegung der behördlichen Erklärung über die Beurkundung oder Registereintragung zu lösenden Frage, ob diese ausnahmsweise einen feststellenden Verwaltungsakt enthält, zu bejahen war, muß durch Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften ermittelt werden, ob die Behörde zum Erlaß einer solchen verbindlichen Entscheidung über die Beurkundung oder den Registerinhalt befugt ist.
81
VGH BW, B. v. 4.11.1981, 5 S 1941/81, ZfW 1981, 301 (302); U. v. 23.4.1982 5 S 2334/81, NVwZ 1983, 100; Krause , Rechtsformen, S. 190 f.; Kopp , GewArch 1986, 41 (42 f.); Kopp , VwVfG, § 35 Rn. 5a, 6 f., 32 ff.; Meyer in Meyer/Borgs, § 35 Rn. 39; Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs. 1 Rn. 26; Siegmund in Brandt/Sachs, Handbuch Rn. 27 f. 82 Pietzcker in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs. 1 Rn. 32; Widmann , S. 98 ff. (m.w.N.).
6 7 8 T e i l 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
Insoweit besteht zwar eine aus der Ausführungszuständigkeit abgeleitete (Annex-)Zuständigkeit der beurkundenden oder registerführenden Behörde, die zur Durchführung ihres eigenen, gesetzlich explizit geregelten Verwaltungshandelns geeigneten Feststellungen und sonstigen Maßnahmen zu treffen; eine solche (Annex-) Zuständigkeit ist jedoch nur eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung für die aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes erforderliche (Annex-)Kompetenz zum Erlaß eines belastenden Verwaltungsaktes83. Entgegen der melderechtlichen Rechtsprechung des VGH BadenWürttemberg 84 ergibt sich deshalb aus der Ermächtigung der zuständigen Behörde, ein Register mit Daten für eine spätere Rechtsanwendung zu fähren und ggf. die darin enthaltenen Daten von Amts wegen zu berichtigen, keine stillschweigende Ermächtigung, die einzutragenden Daten, beispielsweise den melderechtlichen Status einer in ihrem Zuständigkeitsbereich begründeten Wohnung, durch feststellenden Verwaltungsakt zu regeln* 5. Ebensowenig dürfen die Meldebehörden dem Meldepflichtigen durch Verwaltungsakt aufgeben, eine von ihm bewohnte Wohnung als Hauptwohnung zu deklarieren 86. Denn wie der VGH Baden-Württemberg selbst einräumt 87 , setzt die Anwendung der Berichtigungsvorschriften keine verbindliche Entscheidung der Behörde oder des Einwohners über den melderechtlichen Status der Wohnung voraus. Eine nach Auffassung der Meldebehörde erforderliche Aktualisierung oder Korrektur des Registers würde sogar erschwert, wenn die Behörde verpflichtet würde, vor einer Berichtigung die einzutragenden Tatsachen durch Verwaltungsakt festzustellen, weil der Widerspruch gegen einen solchen feststellenden Verwaltungsakt nach § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO aufschiebende Wirkung hätte88. Verglichen mit der bloßen Beurkundung der gleichen Sachund Rechtslage bewirkt ein feststellender Verwaltungsakt mit einer verbindlichen Regelung des Registerinhalts aufgrund seines unvermeidlichen Fehlerrisikos einen zusätzlichen und andersartigen verfahrensrechtlichen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Rechtssphäre des Bürgers, welcher nicht schon von der Ermächtigung zur Führung eines unverbindlichen Registers mit Beweis- oder Nachweisfunktion gedeckt ist.
83
Vgl. oben Teil 6, G. VGH BW, U. v. 21.7.1986 - 1 S 3060/85, NJW 1987, 209; U. v. 24.3.1987 1 S 134/86, NVwZ 1987, 1007 f. (m.w.N.); U. v. 21.4.1992 - 1 S 2186/91, NVwZ-RR 1992, 480; B. v. 30.11.1992 - 1 S 2567/92, NVwZ 1993, 797; ebenso VG Freiburg, U. v. 4.2.1987 - 6 K 127/86, NVwZ 1987, 1017. 85 OVG NW, U. v. 5.4.1989 - 18 A 1362/88, NVwZ 1989, 1082; B. v. 24.8.1989 18 B 3719/88, NVwZ 1990, 181. 86 OVG NW, B. v. 24.8.1989 - 18 B 3719/88, NVwZ 1990, 181; OVG MV, B. v. 21.6.1999 - 1 M 63/99, DÖV 1999, 1009. 87 U. v. 24.3.1987 - 1 S 134/86, NVwZ 1987, 1007 (1008). 88 OVG MV, B. v. 21.6.1999 - 1 M 63/99, DÖV 1999, 1009. 84
I. Entscheidungen einer beurkundenden oder registerführenden Behörde
679
Ebensowenig ergibt sich aus einer etwaigen Befugnis der registerführenden Behörde, unter Verwendung der im Register eingetragenen oder beurkundeten Informationen später Verwaltungsakte zu erlassen, eine Annexkompetenz , anläßlich einer Registereintragung oder -berichtigung vorab durch Verwaltungsakt über die Richtigkeit der in das Register einzutragenden oder zu löschenden rechtlich erheblichen Eigenschaften Person, Sache oder Erklärung zu entscheiden . Zunächst haben Register nämlich typischerweise eine Beweisoder eine Nachweisfunktion für eine noch unbekannte Vielzahl späterer Lebenssachverhalte und Rechtsfragen, für die die jeweils zuständigen Gesetzoder Verordnungsgeber Regelungsbefugnisse auf unterschiedliche Verwaltungsbehörden und Gerichte verteilt haben können. Nur mit der Kompetenz zum Erlaß eines auch für andere Staatsorgane verbindlichen Grundlagenbescheids überträgt der Gesetzgeber einer Fachbehörde die Aufgabe und Befugnis, das für andere Rechtsverhältnisse materielle Recht auch stellvertretend für andere Behörden verbindlich zu konkretisieren 89. Dagegen verbleibt die Kompetenz, durch Anwendung des maßgeblichen materiellen Rechts die eigene Befugnis zur Vornahme einer eigenen Entscheidung, Rechts- oder Realhandlung zu prüfen (Art. 20 Abs. 3 GG), bei der am jeweiligen Verwaltungsrechtsverhältnis beteiligten Behörde, wenn der Gesetzgeber eine andere Stelle der öffentlichen Verwaltung mit der vorbereitenden Aufgabe betraut, einen rechtlich erheblichen Vorgang oder Zustand durch einen unverbindlichen Registereintrag, eine Bescheinigung oder eine ähnliche Urkunde mit Beweisfunktion zu dokumentieren. Folglich würde sich die registerführende Behörde in der Regel fremde Entscheidungskompetenzen anmaßen, wenn sie bei einer nach ihrer eigenen oder der Auffassung des Betroffenen zweifelhaften Rechtslage - ohne eine entsprechende Ermächtigung zum Erlaß von Grundlagenbescheiden - stellvertretend und mit Bindungswirkung auch für andere Behörden eine verbindliche Entscheidung über die in das Register einzutragenden rechtlich erheblichen Tatsachen treffen würde. Aber auch dann, wenn die eingetragene Tatsache nur für das Verwaltungshandeln der registerführenden Behörde selbst rechtlich relevant sein kann, läßt sich aus einer diese Verwaltungstätigkeit regelnden Norm keine stillschweigende Ermächtigung ableiten, im Rahmen einer Registerführung vorab eine verbindliche Regelung über die Richtigkeit der in das Register aufzunehmenden Eigenschaften oder Erklärungen zu treffen. Mit den Vorschriften über das Register oder eine öffentliche Urkunde soll zwar auch die Richtigkeit späterer Entscheidungen gesichert werden. Ein Feststellungsbescheid, der für künftige Rechte und Pflichten des Bürgers und der Verwaltung verbindlich sein soll, darf nach den oben entwickelten Grundsätzen zur Reichweite des Vorbe-
89
Vgl. oben Teil 2, E., G.IV.5.
680
Teil 7: Regelungskompetenz ohne ausdrückliche Ermächtigung?
halts des Gesetzes nämlich nur dann von Amts wegen erlassen werden, wenn der Gesetzgeber für das jeweilige Verwaltungsrechtsverhältnis ein öffentliches Interesse an einer vorbeugenden Feststellung durch Verwaltungsakt anerkannt und hierfür die tatbestandlichen Eingriffsvoraussetzungen normiert hat 90. Sowohl im Hinblick auf die Zuständigkeitsverteilung zwischen den verschiedenen Organen der vollziehenden und rechtsprechenden Gewalt als auch im Hinblick auf den Vorbehalt des Gesetzes ist daher die Konstruktion abzulehnen, einer registerführenden oder beurkundenden Behörde eine stillschweigende Annexkompetenz einzuräumen, über die Richtigkeit oder Rechtmäßigkeit der einzutragenden oder bereits eingetragenen rechtlich erheblichen Eigenschaften oder ihre eigene Befugnis zur Einzutragung oder Berichtigung dieser Daten oder Bewertungen durch Verwaltungsakt zu entscheiden.
90
Vgl. oben Teil 7, B.II., III. und V.l. Soweit sich dagegen aus der Befugnis zum Erlaß eines das gesamte Rechtsverhältnis regelnden Bescheides eine Befugnis zum Erlaß von Vorbescheiden und ähnlichen Grundlagenbescheiden ergibt, sind die für den Erlass eines solchen Feststellungsbescheides geltenden Voraussetzungen aus den Vorschriften abzuleiten, welche zum Erlaß der umfassenderen Regelung ermächtigen (vgl. oben B.V.2, C.V., VI., VIII.) und nicht aus den die Registerführung regelnden Normen.
Teil 8
Bilanz und Ausblick A. Feststellungsbescheid und konkretisierende Verfügung: Prototypen des Verwaltungsakts als Mittel zur Verwirklichung des abstrakt-generellen Gesetzes Die Analyse des Tatbestandsmerkmals der Regelung in § 35 VwVfG sowie der Regelungswirkungen und -funktionen bei unterschiedlichen Erscheinungsformen des Verwaltungsakts 1 hat gezeigt, daß feststellende Verwaltungsakte und konkretisierende Verfugungen keine Fremdkörper im System des deutschen Verwaltungsrechts bilden, sondern Regelungsakte darstellen, die alle begriffsnotwendigen Merkmale und Funktionen des Verwaltungsaktes erfüllen, wie sie in der verwaltungsrechtlichen Dogmatik auf der Basis der Konzeption Otto Mayers entwickelt wurden und sich heute aus den gesetzlichen Regelungen des VwVfG und der VwGO ergeben. Der gegenüber dem Begriff des feststellenden Verwaltungsaktes erhobene Einwand, dieser sei in sich widersprüchlich, weil der Verwaltungsakt als Regelung definitionsgemäß auf die Erzeugung von Rechtsfolgen gerichtet - und damit rechtsgestaltend - sei, berücksichtigt nicht, daß die Begriffe „gestaltend" und „feststellend" in der juristischen Dogmatik zur Beschreibung und Lösung unterschiedlicher Fragestellungen mit verschiedenen Bedeutungen gebraucht werden 2. Im Streit um die materielle Rechtskraft des Urteils und die Verbindlichkeit des Verwaltungsakts wird die feststellende und gestaltende Wirkung als Gegensatzpaar verwendet, um die Verbindlichkeit einer Regelung für die am Rechtsverhältnis beteiligten Parteien oder den Richter zu beschreiben. In diesem Zusammenhang wird von einer gestaltenden Wirkung gesprochen, wenn die Willenserklärung (auch) die materiellen Ansprüche, d.h. die Verhaltenspflichten der Parteien, verändert. Von einer feststellenden Wirkung ist dagegen die Rede, wenn die Regelung die Verhaltenspflichten der am materiellen Rechtsverhältnis Beteiligten nicht verändert, sondern rechtlich nur die Entscheidung über dieses Rechtsverhältnis in allen späteren Verfahren mit den
1 2
Vgl. oben Teil 2. Vgl. oben Teil 2, B.
682
Teil 8: Bilanz und Ausblick
gleichen Parteien durch ein für den späteren Rechtsanwender geltendes Wiederholungs- und Abweichungsverbot präjudiziell wird. Mit einer solchen ausschließlich verfahrensrechtlichen Betrachtungsweise lassen sich die Wirkungen eines Verwaltungsaktes kaum in einer dem Verwaltungsvollzug angemessenen Weise beschreiben. Aus der Doppelrolle der Behörde als verbindlich entscheidendes Rechtsanwendungsorgan und als ausführendes Organ der materiell am Rechtsverhältnis beteiligten Verwaltung ist eine Doppelfunktion aller Formen des Verwaltungsaktes abzuleiten: er ist einerseits ein verfahrensrechtlicher Erkenntnisakt, muß aber andererseits auch Auswirkungen auf die materiellrechtliche Rechte und Pflichten der am Verwaltungsrechtsverhältnis beteiligten Behörde haben. Die Beschreibung des Verwaltungsakts als verfahrensrechtliche Konkretisierung des abstraktgenerellen materiellen Rechts im Einzelfall erfaßt dessen Funktion im Transformationsprozeß des Rechts am besten. Der Verwaltungsakt ist eine einseitige Willenserklärung der Verwaltung, die das durch die Rechtsnorm nicht restlos determinierte materielle Recht im Einzelfall ergänzt, vervollständigt oder verbindlich festlegt. Als Entscheidung, welche ein auf den einzelnen Lebenssachverhalt bezogenes Verwaltungsverfahren durch eine verbindliche Regelung abschließt, steht der Verwaltungsakt aber auf einer anderen Stufe der Verwirklichung des materiellen Rechts als die abstrakt-generellen Rechtsätze, deren Rechtsfolgen er im Einzelfall verbindlich konkretisiert. In diesem Zusammenhang könnte man zwar von einer das materielle Recht „gestaltenden" Wirkung aller Verwaltungsakte sprechen. Jedoch stellt dies keinen entscheidenden Einwand gegen die rechtliche Kategorie des feststellenden Verwaltungsaktes dar. Denn das Begriffspaar „gestaltend" und „feststellend" wird in der juristischen Fachsprache mit einer anderen Bedeutung verwendet, um die Entstehungs-, Veränderungs- bzw. Erlöschensgründe von Rechtsverhältnissen zu systematisieren. Unter diesem Gesichtspunkt wird ein Urteil als gestaltend bezeichnet, wenn nach den Normen des materiellen Rechts eine explizit auf die Herbeiführung einer bestimmten Rechtsfolge gerichtete Entscheidung zwingend notwendig ist, um subjektive materielle Rechte bzw. Pflichten entstehen, verändern oder untergehen zu lassen. Umgekehrt wird ein Urteil als feststellend charakterisiert, wenn sein Inhalt einem bereits bestehenden Zustand des materiellen Rechts entsprechen soll. Nicht nur die Einteilung der Urteilsarten in Gestaltungs-, Feststellungs- und Leistungsurteile beruht begrifflich auf diesen unterschiedlichen Strukturen der jeweiligen materiellen Rechtsnormen und Rechtsverhältnisse. Auch die traditionelle Einteilung der Verwaltungsakte in feststellende und gestaltende Regelungen spiegelt unterschiedliche NormStrukturen der materiellen Verwaltungsrechtsnormen wider, nach denen Rechtsverhältnisse und einzelne Rechte und Pflichten entweder unmittelbar durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes, nämlich durch einen Verwaltungsakt oder
A. Prototypen des Verwaltungsakts
683
eine andere materiellrechtliche Willenserklärung der Verwaltung oder des Bürgers, begründet, geändert oder aufgehoben werden 3. Als gestaltende Verwaltungsakte werden diejenigen Verwaltungsakte bezeichnet, die auf die Begründung, Änderung oder Aufhebung eines Verwaltungsrechtsverhältnisses oder einzelner sich aus einem solchen Rechtsverhältnis ergebender Rechte bzw. Pflichten gerichtet sind. Ein gestaltender Verwaltungsakt liegt dann vor, wenn der Erlaß eines Verwaltungsaktes dieses Inhalts in den angewandten Normen des materiellen Rechts eine tatbestandliche Voraussetzung für den Eintritt der im Verwaltungsakt ausgesprochenen Rechtsfolge bildet. Feststellende Verwaltungsakte sind darauf gerichtet, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Verwaltungsrechtsverhältnisses, einzelner sich aus einem Vewaltungsrechtsverhältis ergebender Rechte bzw. Pflichten oder von Eigenschaften einer Person oder Sache festzustellen, die für das Bestehen solcher Rechte und Pflichten rechtlich erheblich sind. Als feststellend werden also Verwaltungsakte bezeichnet, deren Regelungsgehalt sich auf die verbindliche Konkretisierung (Feststellung) einer bereits unabhängig von dieser Willenserklärung im Einzelfall bestehenden Rechtslage beschränkt. Als verwaltungsrechtliches Seitenstück zum Leistungsurteil knüpft der Begriff des befehlenden Verwaltungsaktes nicht an diese Unterscheidung an4. Als befehlend werden Verwaltungsakte bezeichnet, die ein den Adressaten zu einem bestimmten Verhalten verpflichtendes, grundsätzlich im Wege des Verwaltungszwanges vollstreckungsfahiges Gebot oder Verbot enthalten. Zu den befehlenden Verwaltungsakten zählen die konkretisierenden Verfügungen, die darauf gerichtet sind, ein bereits unmittelbar kraft Gesetzes bestehendes Geoder Verbot verbindlich zu konkretisieren; ihre Besonderheit gegenüber den ausschließlich feststellenden Verwaltungsakten besteht darin, daß ihre gesetzliche Pflichten konkretisierende Regelung in einem grundsätzlich im Wege des Verwaltungszwanges vollstreckungsfahigen Ge- oder Verbot besteht. Feststellende und gestaltende Verwaltungsakte sind somit unterschiedliche Mittel zur Verwirklichung der abstrakt-generellen Normen. Die rechtlichen Besonderheiten beider Entscheidungsformen ergeben sich allerdings nicht so sehr aus einem Vergleich der Wirkungen der Verwaltungsakte selbst, sondern letztlich aus dem Unterschied der ohne sie bestehenden Rechtslage. Je nachdem, ob der Gesetzgeber beispielsweise bei Verwirklichung eines abstrakt-generell umschriebenen Lebenssachverhaltes bereits kraft Gesetzes den Bürger zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet oder nur die Verwaltung ermächtigt, dem Bürger mittels Verwaltungsakt bestimmte Verhaltenspflichten aufzuerlegen,
3 4
Vgl. oben Teil 2, B.VI.2.-3. Vgl. oben Teil 2, C.
684
Teil 8: Bilanz und Ausblick
verteilt er die Verantwortung für die Erkenntnis und Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben in unterschiedlicher Weise zwischen Bürger und Verwaltung 5 . Bei der Untersuchung des Rechtsgrunds und der Grenzen der Verbindlichkeit von befehlenden, gestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten 6 zeigte sich, dass die verschiedenen, teils an den Eintritt der materiellen Bestandskraft, teils an die Wirksamkeit anknüpfenden dogmatischen Konstruktionen (z.B. der äußeren und inneren Wirksamkeit, materielle Bestandskraft, Tatbestands-, Feststellungs- oder Gestaltungswirkung) einander nicht sinnvoll ergänzen, sondern - nebeneinander angewandt - meist zu Wertungswidersprüchen führen. Die Theorie der materiellen Bestandskraft ist mit der historisch gewachsenen Struktur dieses Rechtsinstitutes schwerlich in Einklang zu bringen, welche heute in den positivrechtlichen Bestimmungen über die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes (§§ 43 ff. VwVfG), die zeitlich beschränkte Anfechtbarkeit (§§ 70, 74 VwGO) und die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage (§§ 80, 80a VwGO) verankert ist. Danach ist ein Verwaltungsakt grundsätzlich für die Verwaltung, den Adressaten und die sonstigen Betroffenen verbindlich, wenn und solange er wirksam ist, sofern seine Regelungswirkung nicht ausnahmsweise kraft Gesetzes oder Nebenbestimmung aufschiebend befristet oder bedingt, insbesondere an den Eintritt der Unanfechtbarkeit gekoppelt ist. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich zugleich, daß diese Verbindlichkeit bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheides noch unter dem Vorbehalt einer gerichtlichen Nachprüfung steht. In all seinen Erscheinungsformen ist der Verwaltungsakt also ein dem richterlichen Urteil funktional vergleichbarer Rechtsanwendungsakt, welcher der Erkenntnis, verbindlichen Konkretisierung und Verwirklichung des abstraktgenerellen materiellen Rechts dient. Feststellungsbescheide und konkretisierende Verfügungen sind insoweit sogar als die Prototypen dieses verfahrensrechtlichen Instruments anzusehen. Denn ihre Rechtswirkungen ergeben sich primär aus den für alle Verwaltungsakte geltenden Vorschriften des VwVfG und bei den konkretisierenden Verfügungen aus den Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsrechts, während die besonderen Rechtswirkungen gestaltender und pflichtenbegründender Verwaltungsakte auf den spezifischen Normen des materiellen Rechts beruhen, die in ihnen konkretisiert werden.
5
2, F. 6
Dazu und zu den Grenzen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit vgl. oben Teil
Vgl. oben Teil ,
.
B. Gesetzeskonkretisierende Verwaltungsakte im System der Gewaltenteilung 685
B. Gesetzeskonkretisierende Verwaltungsakte im System der Gewaltenteilung des Grundgesetzes I. Kein Verbot streitentscheidender oder feststellender Verwaltungsakte durch Art. 92 GG Eine verbindliche Rechtsfeststellung ist unter dem Grundgesetz auch dann nicht den Richtern vorbehalten, wenn sie der Streitentscheidimg dient1. Die durch Art. 92 GG allein den Richtern anvertraute rechtsprechende Gewalt umfaßt die Rechtsweggarantien in allen bürgerlich-rechtlichen und öffentlichrechtlichen Angelegenheiten und die Richtervorbehalte des Grundgesetzes sowie alle weiteren den Gerichten vom einfachen Gesetzgeber übertragenen Aufgaben, deren Erledigung mit der Zuweisung automatisch nach Maßgabe der Art. 92 bis 104 GG zu erfolgen hat. Als ein Akt materieller Rechtsprechung ist lediglich die zu einer letztverbindlichen Entscheidung führende Beurteilung von Sachverhalten in Anwendung des geltenden Rechts durch Art. 92 GG allein den Richtern anvertraut. Aus dem materiellen Begriff der Rechtsprechung i.S. des Art. 92 GG ergibt sich folglich kein eigenständiger Richtervorbehalt, der den Gerichten für bestimmte Rechtsgebiete, Entscheidungsgehalte oder Situationen „das erste und das letzte Wort" vorbehalten würde. Art. 92 GG verbietet es der Verwaltung nicht, durch feststellende Verwaltungsakte und konkretisierende Verfugungen verbindliche, aber unter dem Vorbehalt richterlicher Kontrolle stehende Regelungen eines Verwaltungsrechtsverhältnisses zu treffen.
II. Zum Vorrang des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) Mit der Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht ist der Vorrang des Gesetzes ausdrücklich in Art. 20 Abs. 3 GG verankert. Der Vorrang des Gesetzes greift nicht schon dann ein, wenn ein Verwaltungsakt gesetzlich nicht vorgesehen ist (Vorbehaltsfrage), sondern erst dann, wenn der Verwaltungsakt dem jeweiligen Gesetz widerspricht, weil dieses die Rechtsformen, Voraussetzungen und mögliche Inhalte der innerhalb des jeweiligen Rechtsverhältnisses in Betracht kommenden Entscheidungen und sonstiger Maßnahmen der Exekutive oder der Justiz abschließend regelt. Aufgrund des Vorrangs des Gesetzes ist der Erlaß eines gesetzlich nicht vorgesehenen Verwaltungsaktes also entweder dann rechtswidrig, wenn nach den spezialgesetzlichen Bestimmungen Verwaltungsakte zur Regelung der in diesem Bescheid entschiedenen Rechtsfragen generell ausgeschlossen sind oder wenn das 1
Vgl. oben Teil 3, A.
686
Teil 8: Bilanz und Ausblick
einschlägige Fachgesetz zur Verwirklichung seiner materiellen Vorgaben in einer abschließenden Normierung nur Verwaltungsakte mit anderen Regelungsinhalten oder andere Verwaltungsmaßnahmen vorsieht 2.
I I I . Zur Geltung und Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes Unter dem Grundgesetz ist es nicht erforderlich, einen für alle Eingriffe in Freiheit und Eigentum geltenden allgemeinen Vorbehalt aus Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip abzuleiten oder ihn als Verfassungsgewohnheitsrecht zu behandeln3. Denn das Grundgesetz hat den traditionellen, verfassungsgeschichtlich zunächst dem Rechtsstaatsgedanken zugeordneten Eingriffsvorbehalt in den Grundrechten mit unterschiedlich ausgeformten Gesetzesvorbehalten ausdrücklich rezipiert und durch die gleichzeitige Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte weiterentwickelt. Der allgemeine Vorbehalt des Gesetzes ist so als ein für alle grundrechtlichen Freiheiten mit ihren (ausdrücklichen oder stillschweigenden) Gesetzesvorbehalten geltendes Rechtsprinzip zu einem Teil der allgemeinen Grundrechtslehre geworden. Danach bedarf die Verwaltung für sämtliche Eingriffe und finale Beschränkungen im Schutzbereich eines Grundrechtes einer gesetzlichen Ermächtigung. Dieser Vorbehalt des Gesetzes erfaßt nicht nur wesentliche, sondern alle Eingriffe ohne Rücksicht auf ihr politisches Gewicht oder ihre individuelle Schwere. Er wird ergänzt durch spezielle grundrechtliche Sondervorbehalte und durch die im Grundgesetz enthaltenen staatsorganisatorischen und finanzrechtlichen Parlamentsvorbehalte. Die Frage, welche Regelungen für den republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat des Grundgesetzes so wesentlich sein sollen, daß man sie verfassungsrechtlich zwingend allein dem Parlament vorbehalten muß, hat der Verfassungsgeber durch die konkrete Kompetenzordnung des Grundgesetzes selbst beantwortet. Folglich ist aus dem Demokratieprinzip kein zusätzlicher, die Kompetenznormen des Grundgesetzes ergänzender Parlamentsvorbehalt abzuleiten. Da der Vorbehalt des Gesetzes unter dem Grundgesetz demnach uneingeschränkt jedenfalls in allen Fällen gilt, in denen eine staatliche Maßnahme schon die Merkmale der klassischen Eingriffsdefinition erfüllt, wurde sodann überprüft, ob konkretisierende Verfügungen und feststellende Verwaltungsakte als derartige mit Befehl und Zwang angeordnete bzw. durchgesetzte Rechtsakte aufzufassen sind, deren freiheitsbeschränkende Wirkungen final intendierte und
Vgl. oben Teil , B. Vgl. oben Teil , .
B. Gesetzeskonkretisierende Verwaltungsakte im System der Gewaltenteilung 687
unmittelbare Folgen dieser Hoheitsakte darstellen 4. Es zeigte sich, daß der Erlaß einer konkretisierenden Verfügung oder eines Verwaltungsaktes, der eine den Adressaten oder Dritte (auch) belastende Rechtslage feststellt, wegen der mit dem Gebrauch dieser Rechtsform des Verwaltungshandelns final intendierten fehlerunabhänigen Verbindlichkeit und der anderen rechtsformspezifischen Rechtsfolgen einer solchen verbindlichen Regelung immer zu einem Eingriff in die grundrechtlich geschützte Freiheitssphäre des betroffenen Bürgers führt. Da es keinen Verwaltungsakt ohne Regelungsinhalt gibt, lassen sich Form und Inhalt des Verwaltungsakts bei der Bestimmung der Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes nicht trennen. Weil die erlassende Behörde, die einen Verwaltungsakt mit einem (auch) belastend wirkenden Regelungsinhalt zur verbindlichen Konkretisierung des materiellen Rechts einsetzt, die mögliche Geltung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts trotz Rechtsmängeln und den daraus resultierenden Eingriff in subjektive Rechte des Adressaten als Mittel zur Vollziehung des Gesetzes bewußt in Kauf nimmt, ist der Erlaß einer konkretisierenden Verfügung oder eines derartigen Feststellungsbescheides als Eingriff in dasjenige Grundrecht anzusehen, dessen Schutzbereich vom Regelungsinhalt dieses Verwaltungsakts betroffen ist. Da die Fehlerhaftigkeit des verbindlichen Regelungsgehaltes eines Verwaltungsaktes nur innerhalb der gesetzlichen Rechtsbehelfsfristen (§§ 70, 74 VwGO) geltend gemacht werden kann, begründet ein Verwaltungsakt, der mit Anspruch auf Verbindlichkeit eine belastende Rechtsfolge ausspricht, zugleich eine Verschlechterung der verfahrensrechtlichen Situation des Betroffenen, die rechtsformspezifische Anfechtungslast. Der Bürger steht vor der Wahl, entweder die im Verwaltungsakt geregelte Rechtsfolge als eine dem Gesetz gemäße gegen sich gelten zu lassen oder aber von den Rechtsbehelfen des Widerspruchs und der Anfechtungsklage Gebrauch zu machen. Hierin liegt ein der Realisierung des Gesetzes dienender, finaler und unmittelbarer Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Adressaten oder eines in seinen Rechten betroffenen Dritten, welcher über die in der Regelung selbst ausgesprochenen Rechtsfolgen hinausgeht. Bei konkretisierenden Verfügungen und feststellenden Verwaltungsakten, die zur Durchsetzung von Ansprüchen öffentlich-rechtlicher Rechtsträger erlassen werden, gehört auch die in § 53 VwVfG geregelte Unterbrechung der Verjährung zu den rechtsformspezifischen Eingriffswirkungen. Diese werden bei den konkretisierenden Verfügungen durch die speziellen Rechtsfolgen er-
4
Vgl. oben Teil 5.
Teil 8: Bilanz und Ausblick
688
gänzt und verstärkt, welche diese befehlenden Verwaltungsakte als potentielle Vollstreckungstitel haben. Der allgemeine Vorbehalt des Gesetzes gilt nicht fiir rein begünstigende Feststellungsbescheide, die ausschließlich ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil bestätigen, und zwar auch dann nicht, wenn der Betroffene die getroffene Feststellung als rechtswidrig ansieht.
IV. Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung für konkretisierende Verfügungen und belastende Feststellungsbescheide Die weitere Untersuchung hat gezeigt, daß der Verwaltungsakt unter dem Grundgesetz weder ein der vollziehenden Gewalt quasi naturrechtlich zustehender Teil der Staatsgewalt noch ein Mittel darstellt, das der Verwaltung bereits kraft Verfassung oder eines in jeder materiellen Rechtsnorm mitenthaltenen Vollziehungsauftrags jederzeit zur Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung stünde5. Otto Mayer hatte zwar in seinem System des deutschen Verwaltungsrechts den Verwaltungsakt als eine nicht auf Grund des Gesetzes, sondern aus eigener Kraft wirkende Äußerung der öffentlichen Gewalt bezeichnet. A n dieser Stelle beruhte Otto Mayers Lehre vom Verwaltungsakt jedoch auf der konstitutionellen Staatsidee und der Funktion des Vorbehaltsprinzips in der spätkonstitutionellen Staatslehre. Im Staatsrecht der konstitutionellen Monarchie diente der Vorbehalt des Gesetzes noch zur partiellen Beschränkung einer ursprünglich allumfassenden monarchischen Staatsgewalt durch die Mitwirkung der Volksvertretung an der Gesetzgebung. Vor dem Hintergrund der staatsrechtlichen Vermutungsregel fand die Verbindlichkeit des Verwaltungsaktes ihre eigentliche Rechtfertigung im monarchischen Prinzip. Bereits mit der Ersetzung der konstitutionellen Monarchie durch die parlamentarische Demokratie der Weimarer Reichsverfassung war diese stillschweigend vorausgesetzte, ursprüngliche Legitimationsgrundlage des Verwaltungsaktes entfallen. Dieser Wandel der verfassungsrechtlichen Fundamente unseres Verwaltungsrechts kann nicht durch die Berufung auf vermeintliches Gewohnheitsrecht im Range eines einfachen Gesetzes überspielt werden. Spätestens seit dem 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.11.1985 ist diesem Versuch, eine ungeschriebene grundsätzliche Verwaltungsaktbefugnis zu begründen, durch die entgegenstehende verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung endgültig die Basis entzogen. Ebensowenig kann die Befugnis zum Erlaß eines belastenden Verwaltungsaktes noch mit dem Wesen des Staates und der Rechtsfigur des allgemeinen Vgl. oben Teil ,
, C.
B. Gesetzeskonkretisierende Verwaltungsakte im System der Gewaltenteilung 689
Gewaltverhältnisses gerechtfertigt werden. Unter dem Grundgesetz stellt das Vorbehaltsprinzip nicht nur eine Einschränkung einer an sich freien Staatsgewalt dar. Vielmehr ist aufgrund der umfassenden Grundrechtsbindung aller Staatsorgane (Art. 1 Abs. 3 GG) fiir jeden in den Schutzbereich eines Grundrechtes eingreifenden Hoheitsakt eine dem jeweiligen Gesetzesvorbehalt genügende gesetzliche Grundlage erforderlich. Ein vorrechtliches Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen Staat und Bürgern ist deshalb als staatsrechtliche Konzeption mit dem Grundgesetz nicht mehr zu vereinbaren. Eine Kompetenz der Verwaltung zum Erlaß gesetzeskonkretisierender Verwaltungsakte kann auch nicht aus ihrer Anerkennimg als vollziehender Gewalt durch Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abgeleitet werden. Diese Grundsatznorm unterscheidet zwar die Funktionen der Gesetzgebung, der Vollziehung und der Rechtsprechung und ordnet deren Wahrnehmung durch „besondere Organe" an. Welche Aufgaben und Befugnisse die konkreten Staatsorgane haben, wie sie jeweils organisiert sind und ob und wie sie einander kontrollieren, kann angesichts der Vielfalt denkbarer Lösungsmodelle nicht einem abstrakten, verfassungstheoretischen und -geschichtlichen Begriff „der" Gewaltenteilung, sondern nur der konkreten Verfassungsordnung des Grundgesetzes und der auf ihrer Grundlage erlassenen Zuständigkeits-, Verfahrens- und Kompetenznormen entnommen werden. Hierzu war darauf hinzuweisen, daß nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG auch die Rechtsprechung einen Verfassungsauftrag zur Rechtsanwendung hat und innerhalb des Funktionsbereichs der Vollziehung verschiedene, besondere Organe i.S. des Art. 20 Abs. 2 GG existieren („Gewaltenteilung in der Verwaltung"). Eine Behörde ist dem Bürger damit nur insoweit übergeordnet, wie ihr in einem bestimmten Verwaltungsrechtsverhältnis durch das geltende Recht bestimmte Sonderrechte oder Befugnisse eingeräumt wurden, aus denen sich eine überlegene Rechtsstellung ergibt. Der grundrechtlich fundierte Vorbehalt des Gesetzes verbietet es, im Wege einer rigorosen teleologisch-systematischen Interpretation allein aus der gesetzlichen Aufgabe einer Verwaltungsbehörde, zur Verwirklichung eines Gesetzes und seiner Zwecke beizutragen, eine Befugnis zum Erlaß einer konkretisierenden Verfügung oder eines belastenden Feststellungsbescheides abzu" leiten6. Denn ein solcher Schluß ist mit der Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte unvereinbar, welche den rechtsstaatlichen Vorbehalt des Gesetzes zu einem Vorbehalt des verhältnismäßigen Gesetzes weiterentwickelt hat. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fordert ein angemessenes Verhältnis zwischen Zweck und Mittel, also auch zwischen Aufgabe und Befugnis. Nur ein Rechtsakt, welcher durch Einräumung einer Befugnis zur Wahrnehmung einer
6
Vgl. oben Teil 6, D.
44 Kracht
690
Teil 8: Bilanz und Ausblick
bestimmten Aufgabe eine Eingriffskompetenz begründet, ist deshalb als eine dem Vorbehalt des Gesetzes genügende Ermächtigung anzusehen. Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt allerdings keine ausdrückliche Ermächtigung, in der der Verwaltungsakt als Handlungsinstrument und Entscheidungsform ausdrücklich benannt sein müßte. Die erforderliche Ermächtigung kann sich aus einem Gesetz deshalb auch durch Auslegung mit Hilfe aller allgemein zulässigen Methoden der Gesetzesinterpretation ergeben7. Wegen des darin enthaltenen, unzulässigen Schlusses von der Aufgabe auf die Befugnis waren allerdings eine ganze Reihe von Gerichtsentscheidungen zu kritisieren, in denen zwar formal die Geltung des Vorbehaltsprinzips für belastende Verwaltungsakte anerkannt, dann aber die an den Bürger gerichteten gesetzlichen Ge- und Verbote bzw. die einen Status mit belastenden Rechtsfolgen begründenden Normen ohne konkrete Anhaltspunkte für die Zuweisung einer Regelungsbefugnis als gesetzliche Ermächtigungen der zuständigen Behörden interpretiert wurden, eben dieses abstrakt-generelle Gesetz durch Erlaß einer verbindlichen Einzelfallentscheidung zu konkretisieren. Gilt ein Ge- oder Verbot ohne Zwischenschaltung eines Verwaltungsaktes unmittelbar kraft Gesetzes, so ist ein Eingriff in Freiheit und Eigentum bereits „durch Gesetz", d.h. durch die an den Bürger gerichtete Pflichtnorm, erfolgt. Ein eingreifender Verwaltungsakt darf jedoch grundsätzlich nur „aufgrund eines Gesetzes" ergehen, d.h. aufgrund einer an die Verwaltung gerichteten Kompetenznorm. Ebensowenig reicht in einer isolierten Betrachtung die Unbestimmtheit der vom Gesetzgeber verwendeten Rechtsbegriffe aus, um mit einem besonderen öffentlichen Interesse an der verbindlichen Klarstellung der Rechtslage von Amts wegen ergehende Feststellungsbescheide zu rechtfertigen. Eine gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß eines feststellenden Verwaltungsaktes oder einer konkretisierenden Verfügung kann im Wege der Auslegung nur gefunden werden, wenn das Gesetz Anhaltspunkte für die beiden Elemente einer Ermächtigung bietet, nämlich eine Aufgabenzuweisung und eine damit in Verbindung stehende Übertragung einer Eingriffsbefugnis zur Erfüllung dieser Aufgabe.
V. Kompetenz und Zuständigkeit Im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes muß nicht nur die Existenz einer speziellen Ermächtigung geprüft werden, sondern auch die Zuständigkeit der erlassenden Behörde für die Wahrnehmung einer aus Aufgabe und Befugnis zusammengesetzten Kompetenz8. Durch Auslegung
7 8
Vgl. oben Teil , . Vgl. oben Teil , .
B. Gesetzeskonkretisierende Verwaltungsakte im System der Gewaltenteilung 691
lassen sich insbesondere Annexzuständigkeiten zum Erlaß von Grundlagenbescheiden begründen, die der Vorbereitung oder Durchführung des eigenen Verwaltungshandelns dienen, sowie zum Erlaß von Teilregelungen. Jedoch bedarf die Verwaltung auch für solche Maßnahmen grundsätzlich einer gesetzlichen Ermächtigung, wenn diese im Hinblick auf ihren belastenden Regelungsinhalt als Eingriff zu qualifizieren sind. Die (Annex-)Zuständigkeit ist insoweit eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingungför eine behördliche (Annex-)Kompetenz zum Erlaß belastender Verwaltungsakte. Zugleich gilt es zu beachten, daß der Vorrang des Gesetzes eine Pflicht zur Beachtung der gesetzlichen Kompetenzen und Zuständigkeiten anderer Behörden umfaßt. Daher darf einer Genehmigungsbehörde nicht im Wege eines kompetenz- und zuständigkeitsbegründenden Analogie- oder Erst-RechtSchlusses zu Lasten der Entscheidungskompetenz anderer Genehmigungs- oder Überwachungsbehörden die Kompetenz zugewiesen werden, durch Verwaltungsakt über die materielle Rechtmäßigkeit eines nicht genehmigungsbedürftigen Vorhabens zu entscheiden. Aus der gesetzlichen Zuständigkeit einer Genehmigungsbehörde, im Rahmen der Prüfung eines Genehmigungsantrags auch (konkludent) über die Genehmigungsbedürftigkeit des jeweiligen Vorhabens zu entscheiden, ergibt sich dagegen ihre Annexzuständigkeit, auf Antrag durch Negativattest verbindlich festzustellen, daß ein bestimmtes Vorhaben nicht genehmigungsbedürftig ist.
V I . Die Feststellung der geltenden Rechtslage und der Vorrang künftiger Gesetze Aufgrund ihrer in der vorliegenden Untersuchung erstmals herausgearbeiteten Pflicht zur Beachtung des „ Vorrangs künftiger Gesetze" müssen die zuständigen Behörden beim Erlaß gesetzlich nicht normierter Feststellungsbescheide erforderlichenfalls klarstellen, daß diese nur eine Feststellung der gegenwärtigen Sach- und Rechtslage enthalten und daß diese Verwaltungsakte nach einer entscheidungserheblichen Änderung der Sach- und Rechtslage keine Bindungswirkung mehr entfalten sollen9.
9
Vgl. oben Teil 6,1.
692
Teil 8: Bilanz und Ausblick
V I I . Gebotene Abkehr vom subordinationsrechtlichen Denken Die im deutschen Verwaltungsrecht seit Otto Mayer etablierte und heute in §§35 und 43 VwVfG geregelte Befähigung der Verwaltung, mittels Verwaltungsakt für Bürger und Verwaltung verbindliche Regelungen zu treffen, darf daher unter dem Grundgesetz nicht mit einer umfassenden Regelungsbefugnis gleichgesetzt werden. Deshalb hat die Rechtsprechung seit dem 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.11.1985 zu Recht eine Abkehr vom subordinationsrechtlichen Denken vollzogen 10 ; fiir konkretisierende Verfügungen und Feststellungsbescheide mit einem (auch) belastenden Regelungsinhalt bedarf die Verwaltung aufgrund des Vorbehalts des verhältnismäßigen Gesetzes grundsätzlich einer gesetzlichen Ermächtigung, durch die ihr die Befugnis eingeräumt wird, zur Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe unter bestimmten Voraussetzungen eine inhaltlich belastende verbindliche Regelung zum Zweck einer präventiven Feststellung, Konkretisierung oder Durchsetzung des abstrakt-generellen Gesetzes zu treffen.
C. Ermächtigung durch Auslegung?: Allgemeine Grundsätze und Grenzen Die Untersuchung hat gezeigt, daß eine stillschweigende Kompetenz aller Verwaltungsbehörden, im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten Rechte und Pflichten des Bürgers durch befehlende oder feststellende Verwaltungsakte zu regeln, nicht erforderlich ist, um einen effektiven Gesetzesvollzug sicherzustellen. Die Anwendung des Vorbehalts des Gesetzes auf die Kompetenz zum Erlaß konkretisierender Verfügungen und belastender Feststellungsbescheide begrenzt die Verwaltungsbefugnisse nur in der rechtsstaatlich gebotenen Weise dadurch, daß der Gesetzgeber selbst entscheiden muß, über welche Kompetenzen die zuständigen Behörden und Gerichte verfügen sollen, um seine gesetzlichen Ziele in einer effektiven und verhältnismäßigen Weise zu erreichen.
10
Vgl. oben Teil 6 C.-E. Erstaunlicherweise wird diese neue Leitentscheidung und die nachfolgende Tendenzwende der Rechtsprechung in der Habilitationsschrift von Schmidt-De Caluwe, Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, S. 3 ff., 31 ff., 270 ff., trotz seiner Warnung vor einer unkritischen Übernahme der tradierten Verwaltungsaktlehre überhaupt nicht dargestellt und bewertet.
C. Ermächtigung durch Auslegung?: Allgemeine Grundsätze und Grenzen
693
I. Verwaltungsakte, die von Amts wegen zur präventiven Regelung, Konkretisierung und Durchsetzung gesetzlicher Rechte und Pflichten ergehen Die konsequente Anwendung des Vorbehaltsprinzips führt zunächst keineswegs zu der befürchteten Handlungsunfähigkeit der Verwaltung im Bereich und Vorfeld der Gefahrenabwehr und stellt die Durchsetzung des materiellen Rechts nicht prinzipiell in Frage 1. Denn jeder Verstoß gegen eine materielle Pflichtnorm, welche dem Normadressaten ein bestimmtes Verhalten ge- oder verbietet, und jedes Handeln ohne die aufgrund eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt erforderliche Genehmigung stellt eine Störung der öffentlichen Sicherheit i.S. der polizei- und ordnungsrechtlichen Generalklauseln dar. Immer dann, wenn ein Bürger durch sein gegenwärtiges Verhalten oder den Zustand einer ihm gehörenden Sache ein gesetzliches Ge- oder Verbot verletzt, liegt eine konkrete Gefahr vor, so daß ggf. die Polizei- und Ordnungsbehörden im Rahmen ihrer Zuständigkeiten das Gesetz mit Hilfe von selbständigen Verfügungen konkretisieren und durchsetzen können, die unmittelbar auf der Generalklausel und nicht nur auf der Pflichtnorm beruhen. Würde man neben der Generalklausel im Bereich der Gefahrenabwehr noch eine ungeschriebene allgemeine Ermächtigung der Verwaltung zum Erlaß feststellender und konkretisierender Verwaltungsakte anerkennen, so wäre die u.a. auf dem polizei- und ordnungsrechtlichen Subsidiaritätsprinzip beruhende Regelungssystematik unseres Ordnungs-, Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrechts erheblich gestört. Dann käme es nämlich leicht zu einer Mißachtung der besonderen sachlichen und formellen Voraussetzungen der spezialgesetzlichen Eingriffsermächtigungen, mit denen die berührten öffentlichen und privaten Interessen bereichsspezifisch in einem geordneten Verwaltungsverfahren zu einem sachgerechten Ausgleich gebracht werden sollen. Aber selbst da, wo die subsidiäre Zuständigkeit einer Polizei- oder Ordnungsbehörde zur Wahrnehmung der Aufgabe der Gefahrenabwehr gegeben ist, wäre die Verwaltung öfter und früher in der Lage, gesetzliche Pflichten des Bürgers zu regeln, wenn sie nicht an die Eingriffsvoraussetzungen der polizeioder ordnungsbehördlichen Generalklausel gebunden wäre. Denn die polizeiliche Generalklausel sieht als Schwelle flir polizeiliche Eingriffe das tatsächliche Vorliegen einer konkreten Gefahr vor. Besteht nur abstrakt die Möglichkeit, daß ein Bürger durch ein zukünftiges Verhalten möglicherweise Normen des materiellen Rechts verletzt, so liegt noch keine konkrete Gefahr vor. Zutreffend hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts daher im 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil den Schluß a maiore ad minus von der Zulässig-
Vgl. oben Teil 7, B.
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Teil 8: Bilanz und Ausblick
keit einer Untersagungsverfügung auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verhaltens abgelehnt, solange eine Untersagungsverfügung noch gar nicht ergehen dürfte. Derartige vor Eintritt einer konkreten Gefahr von Amts wegen erlassene Verwaltungsakte können in Anlehnung an die prozeßrechtliche Terminologie als Instrumente eines präventiven oder vorbeugenden Rechtsschutzes der Verwaltung bezeichnet werden, da sie durch die Beurteilung eines noch nicht vollständig verwirklichten Tatbestandes darauf gerichtet sind, künftige Rechtsverletzungen zu verhindern 2. Für den Erlaß eines (vorbeugenden) Unterlassungs- oder Feststellungsurteils sieht unsere Rechtsordnung sowohl für Rechtsbeziehungen des privaten als auch des öffentlichen Rechts in der Regel eine näher definierte, besondere Störung oder konkrete Gefahrdung des materiellen Rechts als materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung bzw. als besondere Form des Rechtsschutzbedürfnisses vor (vgl. § 1004 BGB (analog), § 256 Abs. 1 ZPO, § 43 VwGO). Die präventiven Verbote mit Erlaubnisvorbehalt und die denkmalrechtlichen Classement-Systeme zeigen zwar beispielhaft, daß es zu einem wirkungsvollen Schutz der öffentlichen Interessen zweckmäßig und legitim sein kann, der Verwaltung bereits zu einem Zeitpunkt, in dem noch keine konkrete Gefahr im polizeirechtlichen Sinne besteht, eine Entscheidungskompetenz über gewisse Tatsachen zu geben, die jederzeit für die Entstehung gesetzlicher Rechte oder Pflichten des Bürgers relevant sein können. Aber es ist dem Gesetzgeber vorbehalten, die Eingriffsschwelle für derartige präventive Regelungen festzulegen. Da weder der § 35 VwVfG noch die an den Bürger gerichteten gesetzlichen Pflichtnormen eine Regelung treffen, daß und unter welchen Voraussetzungen die Behörde zum Erlaß eines Verwaltungsaktes befugt sein soll, kann die Legaldefinition des Verwaltungsakts weder isoliert noch im Rahmen einer teleologisch-systematischen Interpretation in Kombination mit der jeweiligen gesetzlichen Pflichtnorm als Ermächtigungsnorm interpretiert werden 3. Auch § 43 Abs. 1 und 2 VwVfG darf aus diesem Grund nicht in eine gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß feststellender Verwaltungsakte und konkretisierender Verfügungen umgedeutet werden. Im Hinblick auf die rechtssystematische Unterscheidung zwischen rechtlichem Können und Dürfen impliziert § 43 VwVfG, welcher Behörden die Fähigkeit verleiht, verbindliche Regelungen mit den rechtsformspezifischen Rechtsfolgen des Verwaltungsaktes zu treffen, keineswegs eine korrespondierende Befugnis, von dieser rechtlichen Handlungsmacht Gebrauch zu machen4.
2 3 4
Vgl. oben Teil 7, B.III. Vgl. oben Teil 7, B.IV.l. Vgl. oben Teil 7, B.IV.2.
C. Ermächtigung durch Auslegung?: Allgemeine Grundsätze und Grenzen
695
Bei der Einzelanalyse der einschlägigen Entscheidungen zeigte sich, daß die Rechtsprechung bei von Amts wegen ergangenen Verwaltungsakten nur in wenigen Fällen zu nicht haltbaren Ergebnissen gelangt ist. Viele Urteile, in denen eine Ermächtigung durch Auslegung gefunden wurde, genügen dem Vorbehalt des Gesetzes, andere ließen sich mit einer modifizierten oder abweichenden Begründung schlüssig in eine dem gewandelten Verfassungsverständnis entsprechende Dogmatik des Verwaltungsakts einfügen. So ergibt sich aus Normen, welche die Verwaltung zum Erlaß von Verfügungen ermächtigen, häufig auch eine Befugnis zum Erlaß von Feststellungsbescheiden 5. So können Verwaltungsakte, mit denen die zuständigen Ordnungsbehörden eine für das Bestehen einer gesetzlichen Pflicht relevante Eigenschaft einer Sache oder die Verantwortlichkeit des Adressaten für eine bestimmte Gefahr feststellt, geeignete Maßnahmen zur Gefahrenabwehr sein. Hat der Gesetzgeber der Exekutive bereits eine Befugnis zum Erlaß eines gestaltenden, feststellenden oder befehlenden Verwaltungsaktes übertragen, so gilt diese gesetzliche Ermächtigung grundsätzlich auch für einen feststellenden Verwaltungsakt, der nur einzelne für die pflichtenbegründende Norm relevante Vorfragen oder Teile des Rechtsverhältnisses regelt. Aufgrund eines solchen argumentum a maiore ad minus besteht eine Kompetenz zum Erlaß eines feststellenden Teil- oder Grundlagenbescheides nur dann, wenn zum Zeitpunkt seines Erlasses auch ein das gesamte Rechtsverhältnis regelnder Verwaltungsakt bereits ergehen dürfte. Die Kompetenz einer Überwachungsbehörde zur verbindlichen Untersagung einer Tätigkeit, die von der Erlaubnis nicht mehr gedeckt ist, umfaßt grundsätzlich auch die Befugnis, die Grenzen der Erlaubnis festzustellen 6. Da eine Untersagungsverfügung allerdings nach den jeweils einschlägigen Bestimmungen in der Regel nur dann ergehen kann, wenn das Verhalten des Erlaubnisinhabers Anlaß für den Erlaß von Aufsichtsmaßnahmen gibt, ist eine Befugnis zum Erlaß eines den Genehmigungsinhalt feststellenden Verwaltungsaktes auch nur insoweit anzuerkennen, wie der Erlaubnisinhaber eine solche Entscheidung selbst beantragt hat oder wie aufgrund eines bestimmten, bereits eingetretenen Sachverhalts die konkrete Gefahr der Überschreitung der Grenzen der Erlaubnis besteht. Hat der Gesetzgeber als Instrument zur Überwachung eines Genehmigungsvorbehalts ein Anzeigeverfahren vorgesehen, so läßt sich i.d.R. zumindest aus dem systematischen Zusammenhang von Anzeige-, Genehmigungs- und Überwachungsvorschriften eine behördliche Befugnis ableiten, nach Anzeige
5 6
Vgl. oben Teil 7, B.V.2. Vgl. oben Teil 7, B.V.2.b)bb).
696
Teil 8: Bilanz und Ausblick
durch feststellenden Verwaltungsakt über die Genehmigungsbedürftigkeit entscheiden oder das gesetzliche, aber unter Erlaubnisvorbehalt stehende Verbot durch eine Untersagungsverfiigung zu konkretisieren 7.
zu
Aus fachgesetzlichen Spezialnormen, welche die Vollstreckung von konkretisierenden Verfügungen regeln, läßt sich nicht ohne weiteres eine Kompetenz zu deren Erlaß ableiten8. Wenn eine Pflichtnorm im gleichen Fachgesetz um eine Befiignisnorm ergänzt wird, nach der die zur Durchsetzung dieser Pflicht erlassenen Verwaltungsakte von der zuständigen Behörde zwangsweise vollstreckt werden dürfen, so ergibt sich aus dem Zusammenspiel dieser Regelungen nur dann eine stillschweigende gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß konkretisierender Verfügungen, wenn die zuständige Behörde andernfalls überhaupt keine vollstreckbaren Grundverfügungen erlassen dürfte. Eine solche Auslegung kommt insbesondere bei Bundesgesetzen in Betracht, wenn diese von Bundesbehörden oder einem nach Bundesrecht beliehenen Unternehmer vollzogen werden. Anders ist die Rechtslage jedoch zu beurteilen, wenn das Fachgesetz nach dem Willen des Gesetzgebers überhaupt keinen abschließenden Katalog der Maßnahmen zur Durchsetzung der Pflichtnormen enthalten sollte. So „fehlen" in Bundesgesetzen, die von den Ländern vollzogen werden, häufig Ermächtigungen zum Erlaß von Verwaltungsakten, weil der Bund auf Verwaltungsverfahren im Verwaltungsbereich der Länder keinen Einfluß nehmen wollte und es den Ländern überlassen hat, die Mittel der Ausführung des Bundesgesetzes zu regeln. Zahlreiche vollstreckungsrechtliche Vorschriften sehen für bestimmte Zwangsmittel ein abgekürztes Vollstreckungsverfahren vor, bei dem entweder Androhung und Festsetzung des Zwangsmittels zusammenfallen oder die Festsetzung des Zwangsmittels entfallt. Wenn die Vollstreckungsbehörde danach vor der Zwangsmittelanwendung keinen besonderen Festsetzungsbescheid erlassen muß, so darf sie sich gleichwohl dieses Mittels bedienen, solange die gesetzliche Regelung der Vollstreckungsmaßnahmen keinen abschließenden Charakter hat. Denn durch die Zwangsmittelfestsetzung wird dem Betroffenen noch eine letzte Möglichkeit eingeräumt, die Vollstreckung durch das in der Grundverfügung angeordnete Verhalten oder durch Rechtsbehelfe gegen die Zwangsmittelfestsetzung abzuwenden. In eine nicht unbedenkliche Nähe zu einem unzulässigen Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis ist das Bundesverwaltungsgericht bei der Beurteilung der Regelungsbefugnisse des Pensions-Sicherungs-Vereins, des Eisenbahn-Bundesamtes und der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonder-
7 8
Vgl. oben Teil 7, B.V.3. Vgl. oben Teil 7, B.V.4.
C. Ermächtigung durch Auslegung?: Allgemeine Grundsätze und Grenzen
697
aufgaben (BvS) geraten9. Es handelte sich hierbei um Gesetze, bei denen im Rahmen der Neuordnung einer Gesetzgebungsmaterie bei der Übertragung einer Verwaltungsaufgabe auf eine neue Behörde bzw. einen Beliehenen nicht alle Einzelheiten des Vollzugs durchdacht worden waren. Um zu verhindern, daß die durch das Gesetz neu geschaffene Behörde zum „zahnlosen Tiger" wurde, hat das Bundesverwaltungsgericht ihr jeweils die für eine effektive Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben unerläßlichen Befugnisse zum Erlaß bestimmter konkretisierender Verfügungen bzw. feststellender Verwaltungsakte zuerkannt, obwohl es hierfür im Gesetzestext kaum einen Anhaltspunkt für eine Befugniszuweisung gab.
II. Verwaltungsakte zur Regelung und Durchsetzung von Zahlungsansprüchen Begründet ein Gesetz eine Verpflichtung des Bürgers, eine Geldsumme an eine bestimmte Verwaltungsbehörde zu zahlen, so enthält diese Rechtsnorm eine immanente Ermächtigung dieser Behörde, den Anspruch bei Fälligkeit in einem Rechtsanwendungsverfahren geltend zu machen, das zu einer verbindlichen und vollstreckbaren Entscheidung führt. Hier reduziert sich die Vorbehaltsfrage ausnahmsweise wirklich auf die Frage nach der zulässigen Rechtsform des Verwaltungshandelns. Da nach den grundgesetzlichen Wertungen die richterliche Entscheidung für den Bürger die größtmögliche Richtigkeitsgewähr bietet, bedarf die Verwaltung jedoch auch zur Durchsetzung ihrer gesetzlichen Zahlungsansprüche mittels Verwaltungsakt einer besonderen Ermächtigungsnorm, welche sie zu den zusätzlichen mit diesem Verfahren verbundenen Belastungen des Bürgers legitimiert 10 . Sofern eine gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß eines anspruchskonkretisierenden oder anspruchsbegründenden Leistungsbescheides besteht, ist die zuständige Behörde per argumentum a fortiori auch ermächtigt, die Geldleistungspflicht zunächst nur durch einen feststellenden Verwaltungsakt verbindlich zu konkretisieren, es sei denn, daß eine vorrangige Norm den Weg der Anspruchsverwirklichung durch eine befehlende Verfügung zwingend vorschreiben oder daß dem Betroffenen durch die Zwischenschaltung eines Feststellungsbescheids eine unzumutbare Anfechtungslast auferlegt würde 11 . Die Zulässigkeit einer isolierten Feststellung ist in entsprechender Anwendung
9
Vgl. oben Teil 7, B.V.5. Vgl. oben Teil 7, D.I. - II. 11 Vgl. oben Teil 7, D.III.
10
698
Teil 8: Bilanz und Ausblick
der für das Grundurteil und die Subsidiarität der Feststellungsklage geltenden Grundsätze zu prüfen. Weder aus § 1 VwVG oder den vollstreckungsrechtlichen Parallelbestimmungen der Länder noch aus § 53 VwVfG ergibt sich eine Ermächtigimg zum Erlaß von Leistungsbescheiden, da diese Bestimmungen nur die vollstreckungs- bzw. veijährungsrechtlichen Rechtsfolgen bestimmter Verwaltungsakte, nicht aber eine behördliche Befugnis zu deren Erlaß regeln. Enthält ein Gesetz dagegen sowohl eine zur Zahlung verpflichtende materielle Pflichtnorm als auch eine vollstreckungsrechtliche Vorschrift, nach der diese Zahlungspflicht nach den Vorschriften eines Verwaltungsvollstreckungsgesetzes des Bundes oder Landes vollstreckt werden kann, so ergibt sich hieraus im Wege einer teleologisch-systematischen Interpretation immer eine stillschweigende Ermächtigung zum Erlaß eines die Zahlungspflicht konkretisierenden Leistungsbescheids n. § 49a Abs. 1 Satz 2 VwVfG stellt im Rahmen seines Anwendungsbereichs, der auf drei Fallgruppen einer nachträglichen Unwirksamkeit eines begünstigenden Verwaltungsaktes beschränkt ist, eine gesetzliche Grundlage für den Erlaß von Leistungsbescheiden dar 13 . Trotz der Subsidiaritätsklausel des § 1 VwVfG bleibt § 49a VwVfG mit seiner Ermächtigung zum Erlaß eines Leistungsbescheides anwendbar, wenn andere Rechtsvorschriften für Verwaltungsakte lediglich inhaltsgleiche oder entgegenstehende Rücknahme-, Widerrufs- oder sonstige Unwirksamkeitsgründe enthalten, ohne die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs zu regeln. Vorschriften, die der zuständigen Behörde explizit oder implizit ein Ermessen einräumen, ob sie den jeweiligen Erstattungsanspruch tatsächlich geltend macht, sind dagegen der Anwendung des § 49a Abs. 1 Satz 2 VwVfG entgegenstehende Rechtsvorschriften. Insoweit wie die „Kehrseitentheorie" des Bundesverwaltungsgerichts zur Begründung einer Rücknahme- und Widerrufsbefugnis gedient hat, gilt sie nur noch in der Form fort, wie sie Eingang in das VwVfG oder die speziellen gesetzlichen Regelungen des Verwaltungsverfahrensrechts gefunden hat. Sie kann erst Recht nicht zu einem generellen Prinzip einer einheitlichen Gestaltung besonderer Verwaltungsrechtsverhältnisse verallgemeinert werden, bei dem sich aus der Kompetenz, ein Rechtsverhältnis durch Verwaltungsakt zu begründen, automatisch für die zuständige Behörde auch eine Befugnis ergäbe, dessen Veränderung, Beendigung und Abwicklung durch Verwaltungsakt zu regeln. Soweit § 49a VwVfG nicht anwendbar ist, ergibt sich eine Befugnis der zuständigen Behörde, den durch die Aufhebung eines begünstigenden Verwal-
12 13
Vgl. oben Teil 7, D.VI. - VII. Vgl. oben Teil 7, D.VIII.
C. Ermächtigung durch Auslegung?: Allgemeine Grundsätze und Grenzen
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tungsakt entstandenen Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt geltend zu machen, wenn man das zweite Begründungselement der Kehrseitentheorie des Bundesverwaltungsgerichts heranzieht. Danach verleiht die jeweilige Ermächtigung, einen begünstigenden Bescheid durch Verwaltungsakt zurückzunehmen bzw. zu widerrufen, der Verwaltung im Wege einer ergänzenden Auslegung zugleich stillschweigend die Annexbefugnis, die infolge der Aufhebung zu erstattenden Leistungen durch Verwaltungsakt zurückzufordern und dabei die Höhe der Erstattungsforderung, ihre Fälligkeit und die Art und Weise der Rückgewähr verbindlich zu regeln. Denn bereits in der Rücknahme- bzw. Widerrufsentscheidung muß die Verwaltung über den Fortfall des Rechtsgrundes der Leistung und die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in der Rechtsform Verwaltungsakt entscheiden. Eine Aufspaltung des Prozesses der Rechtsverwirklichung in ein Verwaltungsverfahren zur Aufhebung des begünstigenden Bescheids und ein späteres Klageverfahren zur Erlangung eines vollstreckbaren Titels würde daher die verfahrensrechtliche Situation des Bürgers nur verschlechtern. Macht die zuständige Behörde von der ihr durch § 44 Abs. 5 VwVfG verliehenen Befugnis, die Nichtigkeit eines leistungsgewährenden Bescheides festzustellen, Gebrauch, so ist sie auch als ermächtigt anzusehen, im Annex zu dieser präjudiziellen Rechtsfrage im gleichen Verwaltungsakt über die Erstattungspflicht zu entscheiden. Wurde eine Subvention aufgrund eines vorläufigen Verwaltungsakts gewährt, so kann die zuständige Behörde in einem endgültigen Bescheid, durch den sie die Subventionsberechtigung ganz oder teilweise verneint, gleichfalls nach dem Prinzip der Annexkompetenz eine Regelung der Erstattungspflicht aufnehmen. A n einer vergleichbaren primären Ermächtigung, über die Unwirksamkeit des leistungsgewährenden Bescheids durch Verwaltungsakt zu entscheiden, fehlt es dagegen bei den Unwirksamkeitsgründen des Nichteintritts einer aufschiebenden Bedingung und der Aufhebung des leistungsgewährenden Bescheids im Verwaltungsstreit- oder Vorverfahren, so daß auch keine Annexkompetenz zur Regelung des infolge der Unwirksamkeit bestehenden Erstattungsanspruchs existieren kann. Auch bei Doppelüberweisungen und anderen schlichten Überzahlungen ist eine Annexkompetenz, den Erstattungsanspruch durch Leistungsbescheid geltend zu machen, ausgeschlossen.
I I I . Regelungen der Unwirksamkeit eines Verwaltungsakts, der sonstigen Beendigung eines Rechtsverhältnisses und der sich daraus ergebenden Rechtsfolgen Ist eine Verwaltungsbehörde aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung befugt, ein Rechtsverhältnis einer bestimmten Art durch Rücknahme, Widerruf
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Teil 8: Bilanz und Ausblick
oder sonstigen Verwaltungsakt aufzuheben, so kann sie bei einer teleologischsystematischen Interpretation aller gesetzlichen Vorschriften, welche die Beendigung durch und aufgrund des Gesetzes regeln, erst Recht befugt sein, die aus einem anderen Grunde eingetretene Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes oder eine sonstige kraft Gesetzes bereits eingetretene Beendigung des Rechtsverhältnisses und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen durch einen feststellenden oder befehlenden Verwaltungsakt verbindlich zu regeln 14. Diese ergänzende Auslegung einer zur verbindlichen Konkretisierung eines Rechtsverhältnisses ermächtigenden Befugnisnorm setzt ein normatives Stufenverhältnis der gesetzlichen Beendigungs- und Widerrufsgründe voraus, das dann besteht, wenn die Sachverhalte, bei denen eine Beendigung des Rechtsverhältnisses kraft Gesetzes eintreten soll, typischerweise ohne diese speziellen Normen die tatbestandlichen Voraussetzungen der zur Aufhebung ermächtigenden Norm erfüllen würden.
I V . Beamten- und soldatenrechtliche Gesamtanalogie Ohne eine Auseinandersetzung mit dem Wandel der Rechtsprechung auf anderen Rechtsgebieten hat der für das Beamten- und Soldatenrecht zuständige 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts seine ständige Rechtsprechung beibehalten, nach der der Dienstherr befugt sein soll, Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis durch Verwaltungsakt zu regeln. In den grundlegenden Entscheidungen aus den Jahren 1964 bis 1967 wurde die Verwaltungsaktbefugnis teilweise mit einer das gesamte Dienst- und Treueverhältnis prägenden Kraft zahlreicher gesetzlicher Vorschriften begründet, aufgrund derer der Dienstherr tendenziell umfassend befugt sei, beamten- und soldatenrechtliche Rechte und Pflichten durch Verwaltungsakt zu regeln. Rechtsmethodisch verbirgt sich hinter der Formel vom hoheitlichen Über- und Unterordnungsverhältnis hier eine Gesamtanalogie (Rechtsanalogie) zu ausdrücklichen Kompetenznormen 15. In Auseinandersetzung mit der insoweit uneinheitlichen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts wurde gezeigt, daß auch im Eingriffsbereich eine belastende Analogie zur Schließung planwidriger Regelungslücken nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist. Daher ist im Beamten- und Soldatenrecht der Erlaß einer konkretisierenden Verfügung oder eines feststellenden Verwaltungsaktes grundsätzlich aufgrund einer Gesamtanalogie zu den Vorschriften möglich, welche den Dienstherrn sonst gegenüber seinem Beamten oder Soldaten zum Erlaß vergleichbarer Verwaltungsakte ermächtigen. Vgl. oben Teil 7, . Vgl. oben Teil 7, .
C. Ermächtigung durch Auslegung?: Allgemeine Grundsätze und Grenzen
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In Analogie zu den ausdrücklich geregelten Befugnissen ist der Dienstherr deshalb gegenüber seinen Beamten und Soldaten grundsätzlich befugt, öffentlich-rechtliche Zahlungsansprüche, die sich aus diesen Dienstverhältnissen ergeben, durch Verwaltungsakt zu regeln. Im Hinblick auf die spezielle Rechtswegzuweisung des Art. 34 Satz 3 GG ergibt sich aus der beamten- und soldatenrechtlichen Gesamtanalogie jedoch keine Ermächtigung des Dienstherrn, Regreßansprüche durch Verwaltungsakt geltend zu machen, die ihm im Falle einer mittelbaren Schädigung durch einen Amtshaftungsanspruch bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Beamten nach Art. 34 Satz 2 GG zustehen. An einem durch Befugnisse zum Erlaß einseitiger Regelungen geprägten Flechtwerk von Rechtsbeziehungen fehlt es, wenn der Beamte aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift nur bei einzelnen Tätigkeiten für eine andere als seine Anstellungskörperschaft als Organ gehandelt oder faktisch im Bereich einer anderen Körperschaft tätig geworden ist. Da sich die ratio legis der verbindlichen Festsetzung des Besoldungsdienstalters auf die Festsetzung des Versorgungs-, des Jubiläums- und des Allgemeinen Dienstalters übertragen läßt, darf der Dienstherr insbesondere in entsprechender Anwendung des § 28 Abs. 4 BBesG derartige Festsetzungen eines Dienstalters bereits bei der Ernennung bzw. Anstellung durch Verwaltungsakt treffen. Die Befugnis, eine nach strafgerichtlicher Verurteilung eingetretene Beendigung eines Beamtenverhältnisses durch Verwaltungsakt festzustellen, kann auch mit der beamtenrechtlichen Gesamtanalogie begründet werden.
V. Erstattungs- und Leistungsbescheide gegenüber Erben eines Beamten oder Soldaten Im Rahmen der Untersuchung der Befugnisse des Dienstherrn, von dem Erben eines Beamten, Soldaten oder Versorgungsempfangers Leistungen durch Verwaltungsakt zurückzufordern 16, war zunächst jeweils zu klären, ob es sich bei dem geltend gemachten Anspruch um einen zivilrechtlichen Bereicherungsoder einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch handelt. Insoweit konnte in Übereinstimmung mit der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung festgestellt werden, daß ein bereits durch Leistung an den Beamten begründeter beamtenrechtlicher Erstattungsanspruch seine Rechtsnatur nicht durch den Tod des Beamten verändert. Abweichend von der herrschenden Rechtsprechung und Nr. 12.2.25 BBesGVwV handelt es sich auch bei dem Anspruch auf Rückzahlung von Beträgen, die nach dem Tode des Beamten auf dessen bisherigem Konto zur Erfüllung von Besoldungs-, Versorgungs-, Beihilfe- oder ähnlichen Absprüchen des (Ruhestands-)Beamten gutgeschrieben wurden, um einen 6
V g l . oben Teil 7,
.
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Teil 8: Bilanz und Ausblick
beamtenrechtlichen Erstattungsanspruch. Denn sowohl aus Sicht der leistenden Verwaltung als auch aus Sicht des bereicherten Leistungsempfangers, nämlich des Erben, soll eine Leistung, die eine für Besoldungs- oder Versorgungs- oder Beihilfeleistungen zuständige Stelle mit der Überweisung auf ein bis zum Erbfall dem Beamten gehörendes Konto Leistung erbringt, erkennbar der Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Verbindlichkeit dienen. Mangels einer hinreichenden Rechtsähnlichkeit der rechtlichen und tatsächlichen Lage des Beamten und seines Erben ist es nicht möglich, aus den Regelungsbefugnissen, die gegenüber dem Beamten bestanden, in einer Gesamtanalogie eine Befugnis des Dienstherrn abzuleiten, beamtenrechtliche Erstattungs- oder Schadensersatzansprüche auch gegenüber dem Erben des Beamten durch Verwaltungsakt zu regeln. Dort wo eine ausdrückliche Ermächtigung fehlt, lassen sich Verwaltungsaktbefugnisse des Dienstherrn jedoch teilweise mit den in der vorliegenden Untersuchung auch für andere Rechtsverhältnisse anerkannten Auslegungsmethoden begründen.
V I . Untauglichkeit der Kategorien des Subordinations- und des besonderen Gewaltverhältnisses Die Untersuchung des Schulverhältnisses und der Zwangsunterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bestätigten, daß mit den allgemeinen staatsrechtlichen Kategorien des Subordinations- oder des besonderen Gewaltverhältnisses eine Befugnis zum Erlaß feststellender Verwaltungsakte und konkretisierender Verfügungen nicht begründet werden kann 17 . Denn abweichend vom Beamten- und Soldatenverhältnis ergehen in diesen Rechtsverhältnissen typischerweise kaum Verwaltungsakte und könnten wegen der beschränkten oder fehlenden Geschäftsfähigkeit auch gar nicht gegenüber den unmittelbar Betroffenen erlassen werden.
V I I . Keine Annexkompetenz bei beurkundenden und registerführenden Behörden Nicht nur feststellende Verwaltungsakte, sondern auch zahlreiche öffentliche Urkunden und behördliche Register enthalten Aussagen zu rechtlich erheblichen Tatsachen18. Für die Vorbehaltsfrage ist daraus die Konsequenz zu ziehen, daß zunächst bei allen gesetzlichen Vorschriften, welche eine besondere be-
17 18
Vgl. oben Teil 7, H. Vgl. oben Teil 7,1.I. - II.
C. Ermächtigung durch Auslegung?: Allgemeine Grundsätze und Grenzen
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hördliche Feststellung gewisser rechtlich erheblicher Tatsachen oder Lebenssachverhalte vorsehen, jeweils durch Auslegung zu ermitteln ist, ob die getroffene Feststellung für ein späteres Verwaltungshandeln der gleichen oder einer anderen Behörde und den Betroffenen verbindlich sein soll. Wenn eine derartige Bindungswirkung für Folgeentscheidungen besteht, enthalten die gesetzlichen Vorschriften über die zu treffende Feststellung selbst die erforderliche gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß dieses feststellenden Verwaltungsaktes. Die Ausstellung öffentlicher Urkunden - sowohl in Form von Ausweisen und anderen selbständigen Erklärungen mit Beweisfunktion als auch in Form unselbständiger Eintragungen in öffentliche Bücher, Listen und Register mit Beweisfunktion - ist dagegen kein Verwaltungsakt, sondern eine Rechtshandlung ohne Regelungscharakter. Eintragungen, Speicherungen, Löschungen und Berichtigungen in öffentlichen Registern und Dateien ohne Beweisfunktion, wie etwa eine Eintragung in eine nachrichtliche Denkmalliste oder die Berichtigung bzw. Fortschreibung des Melderegisters, sind tatsächliche Verwaltungshandlungen. Unbeschadet des Umstands, daß solchen Maßnahmen wegen der Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) in der Regel eine Prüfung und verwaltungsinterne Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns vorausgeht, enthält weder die Vornahme noch eine einfache Ablehnung einer solchen Maßnahme einen konkludenten Verwaltungsakt. Selbst wenn die zuständige Behörde gegenüber dem Betroffenen ausdrücklich eine Erklärung über die zu beurkundenden Tatsachen, die in das Register einzutragenden oder zu löschenden Daten oder ihre Absicht zur Vornahme oder Unterlassung dieser Maßnahmen abgibt, liegt nur dann ein Verwaltungsakt vor, wenn die Behörde erkennbar mit ihr eine auch für den Bürger verbindliche Regelung treffen wollte 19 . Entgegen der melderechtlichen Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg umfaßt die Ermächtigung der zuständigen Behörde, ein Register mit Daten für eine spätere Rechtsanwendung zu fuhren und ggf. die darin enthaltenen Daten von Amts wegen zu berichtigen, keine stillschweigende Ermächtigung, die einzutragenden Daten durch feststellenden Verwaltungsakt zu regeln 20. Denn die Anwendung der Berichtigungsvorschriften setzt keine verbindliche Entscheidung der Behörde oder des Einwohners über den melderechtlichen Status der Wohnung voraus. Ebensowenig ergibt sich aus einer etwaigen Befugnis der registerführenden Behörde, unter Verwendung der im Register eingetragenen oder beurkundeten Informationen später Verwaltungsakte zu erlassen, eine Annexkompetenz, anläßlich einer Registereintragung oder -berichtigung vorab durch Verwaltungsakt über die Richtigkeit der in das Register ein19 20
Vgl. oben Teil 7, I.III. Vgl. oben Teil 7,1.IV.
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Teil 8: Bilanz und Ausblick
zutragenden oder zu löschenden Eigenschaften einer Person, einer Sache oder einer Erklärung zu entscheiden. Die registerführende Behörde würde sich nämlich in der Regel fremde Entscheidungskompetenzen anmaßen, wenn sie ohne eine entsprechende Ermächtigung zum Erlaß von Grundlagenbescheiden stellvertretend und mit Bindungswirkung auch für andere Behörden eine verbindliche Entscheidung über die in das Register einzutragenden rechtlich erheblichen Tatsachen treffen würde. Aber auch im Hinblick auf den Vorbehalt des Gesetzes waren alle Konstruktionen abzulehnen, einer lediglich registerführenden oder beurkundenden Behörde eine stillschweigende Annexkompetenz einzuräumen, durch Verwaltungsakt verbindlich über die Richtigkeit der einzutragenden rechtlich erheblichen Eigenschaften oder über ihre eigene Befugnis zur Einzutragung oder Berichtigung dieser Daten oder Bewertungen zu entscheiden.
V I I I . Verwaltungsrecht als konkretisiertes Verfassungsrecht Eine insgesamt positive Bilanz der Untersuchung der neueren Rechtsprechung ist somit im Hinblick auf diejenigen Urteile zu ziehen, die sich mit behördlichen Befugnissen befaßt haben, Verwaltungsakte zur präventiven Regelung, Konkretisierung und Durchsetzung gesetzlicher Rechte und Pflichten von Amts wegen zu erlassen. Das 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.11.1985 hat hier keine generelle „Verwirrung" in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechimg gestiftet 21, sondern den entscheidenden Anstoß zu einer Umorientierung gegeben, die dem Gewaltenteilungsgrundsatz des Grundgesetzes durch eine konsequente Anwendung des Vorbehalts des Gesetzes Rechnung trägt. Insgesamt hat das Zusammenspiel des in den Grundrechten verankerten Vorbehalts des verhältnismäßigen Gesetzes mit den unterschiedliche Eingriffsschwellen festlegenden gesetzlichen Ermächtigungen und den hier überprüften und fortentwickelten Auslegungsgrundsätzen einmal mehr bestätigt, daß das geltende „ Verwaltungsrecht als konkretisiertes Verfassungsrecht 422 anzusehen ist. Die interpretatorischen Notlösungen, die das Bundesverwaltungsgericht in seinen Entscheidungen zu den Regelungsbefugnissen des Pensions-Sicherungs-Vereins, des Eisenbahn-Bundesamtes und der BvS entwickeln mußte 23 , sind als bedauerliche, aber wohl unvermeidliche Übergangserscheinungen im Rahmen einer grundlegenden dogmatischen Neuorientierung zu bewerten. Die fehlende Auseinandersetzung mit der abweichenden Rechtsprechung des für das Beam21 22 23
So aber die Bewertung von Christiane Fischer, S. 139. Werner, DVB1. 1959, 527 ff. Vgl. oben Teil 7, B.V.5.
C. Ermächtigung durch Auslegung?: Allgemeine Grundsätze und Grenzen
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ten- und Soldatenrecht zuständigen 2. Senats, die am 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil des 8. Senats zu bemängeln war, sowie der Umstand, das der 2. Senat seinerseits bislang umgekehrt auch die Tendenzwende der anderen Senate in dieser Grundsatzfrage des allgemeinen Verwaltungsrechts ignoriert hat 24 , lassen sich nur mit der den Richtern an allen obersten Bundesgerichten nachgesagten Abneigung, den Großen Senat anzurufen („horror pleni") 25 , in nachvollziehbarer Weise erklären.
IX. Der Antrag auf Erlaß eines feststellenden Verwaltungsakts als Schlüssel zum präventiven Rechtsschutz Als wenig überzeugend hat sich dagegen die Rechtsprechung des 8. Senats des Bundesverwaltungsgerichts erwiesen, nach der die zuständige Behörde in einem auf Antrag des Betroffenen eingeleiteten Verwaltungsverfahren ohne eine gesetzliche Ermächtigung nicht befugt sein soll, eine der Rechtsauffassung des Antragstellers widersprechende Feststellung zu treffen 26. Hierzu wurde zunächst allgemein herausgearbeitet, daß insbesondere in den Fällen, in denen eine Verwaltungsmaßnahme für den Bürger objektiv mit Vor- und Nachteilen verbunden ist, eine die sonst erforderliche Ermächtigung ersetzende Einwilligung ein legitimes Mittel zur Verwirklichung grundrechtlich geschützer Interessen sein kann. Da bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Grundrechtsverzichts u.a. nach der Funktion der jeweils betroffenen Einzelgrundrechte zu differenzieren ist, sind aus dem Sinn und Zweck des Vorbehaltsprinzips sowie den jeweils einschlägigen Grundrechten auch die Wirksamkeitsvoraussetzungen zu bestimmen, unter denen die Einwilligung ein Verwaltungshandeln ohne gesetzliche Ermächtigung legitimieren kann. Die Einwilligung kann einer potentiell belastenden Verwaltungsmaßnahme nur dann den Charakter eines Eingriffs nehmen, wenn sie deutlich erkennbar und freiwillig geleistet wird, nicht gegen das allgemeine Kopplungsverbot verstößt und das Grundrecht durch das staatliche Handeln nicht in seinem Wesensgehalt angetastet wird. Es war deshalb insbesondere zu prüfen, ob der Antragsteller dadurch, daß er die Behörde ermächtigt, am Ende des Verwaltungsverfahrens ggf. auch eine seiner Rechtsauffassung widersprechende Feststellung zu treffen, eigene Interessen verwirklichen kann und ob die Behörde gegen das Kopplungsverbot verstößt, wenn sie die Eröffnung des Verwaltungsverfahrens von einer solchen 24 Vgl. z.B. BVerwG, U. v. 11.3.1999 - 2 C 15.98, DÖV 1999, 645 = Schütz, Beamtenrecht, Entscheidungssammlung, B II.2. Nr. 32; sowie die Darstellung oben in Teil 7, F. 25 Leisner, NJW 1989, 2446 (2448 f.) m.w.N. 26
Vgl. oben Teil 7, C., sowie sogleich die rechtspolitische Bewertung unter D.
45 Kracht
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Teil 8: Bilanz und Ausblick
Einwilligung abhängig macht. Es zeigte sich, daß die Rechtsprechung zum feststellenden Verwaltungsakt im Hinblick auf diese Fragestellungen nicht auf die Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Feststellungsklagen nach § 43 VwGO abgestimmt ist. Ausgehend von der Erkenntnis, daß die begünstigende Wirkung eines Feststellungsantrags als Schlüssel zum präventiven Rechtsschutz nicht deshalb entfallt, wenn sich am Ende des Verwaltungsverfahrens im Falle einer Feststellung des kontradiktorischen Gegenteils der vom Antragsteller begehrten Regelung das mit der freiwilligen Übernahme der Anfechtungslast verbundene Risiko realisiert, wurde deshalb in der vorliegenden Untersuchung die Rechtsschutzzone des feststellenden Verwaltungsaktes gemäß §§ 22, 40 VwVfG neu bestimmt.
D. Perspektiven für die gesetzgebende, rechtsprechende und vollziehende Gewalt I. Konsequenzen für den Gesetzgeber Bei der Untersuchung der unterschiedlichen Formen der Begründung, Änderung und Aufhebung von Rechtsverhältnissen im Abschnitt hatte sich gezeigt1, daß sich rechtstheoretisch der Inhalt jeder gesetzlichen Pflichtnorm um eine Kompetenznorm ergänzen läßt, welche eine Behörde ausdrücklich ermächtigt, die gesetzlichen Pflichten im Einzelfall durch Verwaltungsakt festzustellen. Die Pflichtnorm läßt sich aber auch in eine zwingende Kompetenznorm umwandeln, welche die Behörde (nur) ermächtigt und verpflichtet, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen bestimmte Personen durch Verwaltungsakt zu dem im Gesetz umschriebenen Verhalten zu verpflichten. Obwohl alle drei gesetzlichen Regelungstechniken letztlich darauf abzielen, daß der Bürger bzw. die Verwaltung bei Verwirklichung eines bestimmten Lebenssachverhaltes, der im gesetzlichen Tatbestand abstrakt-generell umschrieben ist, zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet sein sollen, ergeben sich für den Verwaltungsvollzug und die Rechtsstellung der Betroffenen grundlegende Unterschiede zwischen diesen gesetzlichen Regelungstypen. Insbesondere ist die Verantwortung für die Erkenntnis und Entscheidimg, wann im konkreten Einzelfall der maßgebliche Lebenssachverhalt verwirklicht ist und welche Verhaltenspflicht daraus entstehen sollen, jeweils in unterschiedlicher Weise zwischen Bürger und Verwaltung verteilt. Sowohl dieser Gesichtspunkt als auch die vom jeweiligen Lebenssachverhalt abhängigen, rechtlichen und tatsächlichen Grenzen der jeweiligen Regelungstechniken sollten folglich in Zukunft stärker bei der dem Gesetzgeber obliegenden Entscheidung, ob eine Einzelfallregelung durch VerVgl. oben Teil ,
.VI.2.
D. Perspektiven für gesetzgebende, rechtsprechende und vollziehende Gewalt 707
waltungsakt ein notwendiges oder zulässiges Instrument der Verwaltung zur Verwirklichung der gesetzlichen Ziele sein soll, berücksichtigt werden 2. Aus der Erstreckung des Vorbehaltes des Gesetzes auf alle belastenden Verwaltungsakte ist insbesondere ein Appell an den Gesetzgeber abzuleiten, bei der Normierung von Tatbeständen, die unmittelbar Eingriffe in Freiheit und Eigentum durch Gesetz bewirken, diese Pflichtnormen mit den die Kompetenzen der Organe der rechtsprechenden und der vollziehenden Gewalt regelnden Vorschriften abzustimmen. Alle an der Gesetzgebung Beteiligten müssen somit bei der Schaffung von unmittelbar kraft Gesetzes geltenden Rechten und Pflichten auch Überlegungen dazu anzustellen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Verwaltungsbehörden befugt sein sollen, diese mittels Verwaltungsakt zu konkretisieren und ob sie hierfür ggf. bereits über ausreichende gesetzliche Ermächtigungen verfügen. Zu diesem Zweck sind die für die jeweiligen Verwaltungsrechtsverhältnisse typischen Fallkonstellationen, Entwicklungsphasen und Interessenkonflikte zu durchdenken. Dort, wo der Vorbehalt des Gesetzes eine gesetzliche Regelung von Eingriffsbefugnissen verlangt, darf auch der einen schlanken Staat und den Abbau einer vermeintlichen Normenflut einfordernde Zeitgeist nicht zu einem Verzicht auf die für einen rechtsstaatlichen Gesetzesvollzug erforderlichen Vorschriften verleiten. Nach der heute fast auf allen Rechtsgebieten anerkannten Geltung des Vorbehalts des Gesetzes für belastende Verwaltungsentscheidungen kann sich der Gesetzgeber nicht mehr darauf verlassen, daß die Verwaltungsgerichte auch in Zukunft noch jedes Indiz eines gesetzgeberischen Willens, der zuständigen Behörde Eingriffsbefugnisse zu übertragen, als normative Grundlage für deren tatsächliche Übertragung bewerten werden. Verlegenheitslösungen, wie sie das Bundesverwaltungsgericht in seinen Entscheidungen zu den Regelungsbefugnissen des Pensions-Sicherungs-Vereins, des Eisenbahn-Bundesamtes und der BvS entwickeln mußte, um im Wege der Auslegung einem Beliehenen bzw. speziellen Fachbehörden die für einen effektiven Gesetzesvollzug unverzichtbaren Regelungsbefugnisse zu verschaffen, sind kein adäquater Maßstab für den Normalfall der Gesetzesauslegung3. Eine Befugnis des Dienstherrn, beamten- und soldatenrechtliche Ansprüche oder hierfür rechtlich erhebliche Tatsachen verbindlich durch Verwaltungsakt zu regeln, ist auf Grund einer Gesamtanalogie zu einer Vielzahl zum Erlaß von Verwaltungsakten ermächtigenden Bestimmungen des geltenden Beamten- und Soldatenrechts nur noch für eine Übergangsperiode grundsätzlich anzuerkennen. Daher sind die zuständigen Gesetz- und Verordnungsgeber aufgerufen, die
2 3
Vgl. oben Teil 2, F. Vgl. oben Teil 7, B.V.5.
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Teil 8: Bilanz und Ausblick
bestehenden Lücken bei den nächsten Novellierungen des Beamten- und Soldatenrechts zu schließen und jeweils ausdrückliche Ermächtigungen zum Erlaß feststellender Verwaltungsakte und konkretisierender Verfügungen zu schaffen 4. Außerdem sollte der Gesetzgeber sich in Zukunft auch dort, wo der Vorbehalt des Gesetzes nicht eingreift, verstärkt der Frage zuwenden, wann der Bürger berechtigt sein soll, einen die geltende Rechtslage feststellenden Verwaltungsakt zu beantragen. Denn die Einräumung einer solchen Antragsbefugnis kann gerade dort, wo präventive Genehmigungsverfahren nicht existieren oder abgeschafft werden sollen, eine verfahrensrechtliche Kompensation für die im Verwaltungsrecht vielfach unvermeidbare, relativ große Unbestimmtheit des Gesetzes sein5.
II. Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit: Rechtsschutzzone des feststellenden Verwaltungsakts und der Feststellungsklage Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung berühren desweiteren das Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit. Denn es war kritisch anzumerken, daß die neuere Rechtsprechung nicht ausreichend berücksichtigt, daß ein Antrag auf Durchführung eines gesetzlich nicht geregelten Verwaltungsverfahrens auch dann der Verwirklichung grundrechtlich geschützter Interessen dienen kann, wenn der Bürger die Verwaltung ermächtigt, am Ende des Verfahrens ggf. auch eine seiner Rechtsauffassung widersprechende Feststellung der Rechtslage zu treffen 6. Der Antrag kann nämlich den Zugang zu einem Verwaltungsverfahren mit präventiver Rechtsschutzfunktion eröffnen, das sich in seinen Voraussetzungen wegen des behördlichen Verfahrensermessens und in seinem einfacheren Verfahren vom vorbeugenden Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit unterscheidet. Insoweit hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts im 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteil bei der vom Einzelfall abstrahierenden Auslegung von Anträgen auf Erlaß eines feststellenden Verwaltungsaktes zunächst nicht dem Umstand 4
Vgl. oben Teil 7, F.III. Vgl. oben Teil 7, C., insbes. C.VII.2., sowie jetzt BVerwG, U. v. 19.09.2000 1 C 17.99, DVB1. 2001, 567 f., zu § 13 Abs. 3 Nr. 1 ArbZG. Durch diese 1994 bei der Neuregelung des Arbeitszeitrechts geschaffenen Vorschrift wird die zuständige Aufsichtsbehörde entsprechend der hier getroffenen Empfehlung ermächtigt, durch Bescheid festzustellen, ob eine Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen nach § 10 ArbZG zulässig ist. Weitere Beispiele für fakultative Feststellungsbescheide zur Klärung von Zweifelsfragen enthalten seit langem § 10 PBefG, § 2 VAG und § 44 Abs. 5 VwVfG. 5
6
Vgl. oben Teil 7, C , insbes. C.VII.2.-XI.
D. Perspektiven für gesetzgebende, rechtsprechende und vollziehende Gewalt 709
Rechnung getragen, daß die als alternative Rechtsschutzform in Betracht zu ziehende unmittelbare Feststellungsklage im Falle ihrer Abweisung zu einer rechtskräftigen Feststellung des kontradiktorischen Gegenteils der begehrten Feststellung fuhren würde, daß also auch ein bei Gericht eingereichtes Rechtsschutzbegehren mit einem belastenden Eingriff in die Rechtssphäre des Bürgers enden kann. Desweiteren wurde in diesem Urteil nicht berücksichtigt, daß die zuständige Behörde ein Verwaltungsverfahren gemäß § 22 VwVfG auf Antrag auch dann einleiten darf, wenn die Sachentscheidungsvoraussetzungen des § 43 VwGO für eine funktional vergleichbare Feststellungs- oder vorbeugende Unterlassungsklage (noch) nicht erfüllt sind. Bei der Bestimmung der Rechtsschutzzone des feststellenden Verwaltungsakts ist anderseits zu beachten, daß die Verwaltung nicht nur einen Rechtsschutzauftrag zu verwirklichen hat, sondern bei der Ausübung ihres Verfahrensermessens eine Vielzahl, z.T. miteinander in Konflikt stehender öffentlicher und privater Interessen berücksichtigen muß. In diesem Sinne sollte das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen, unter denen die Verwaltung auf Antrag befugt und ggf. verpflichtet ist, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Verwaltungsrechtsverhältnisses, einzelne verwaltungsrechtliche Rechte oder Pflichten oder rechtlich erhebliche Eigenschaften einer Person oder Sache durch Verwaltungsakt festzustellen, sowie die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer entsprechenden Feststellungsklage auf Basis der unterschiedlichen Rechtsgrundlagen des § 22 VwVfG einerseits und des § 43 VwGO andererseits neu bestimmen. An dieser wünschenswerten Fortentwicklung der Grundsätze des präventiven behördlichen und gerichtlichen Rechtsschutzes kann und muß sich auch die Verwaltung beteiligen. Wenn eine Behörde im Rahmen der Ausübung ihres Verfahrensermessens (§§ 22,40 VwVfG) nur bei Übernahme der Anfechtungslast durch den Antragsteller bereit ist, ein auf die Feststellung der gesetzlichen Rechte und Pflichten gerichtetes Verwaltungsverfahren einzuleiten, ist sie nach § 25 Satz 1 VwVfG nämlich ggf. verpflichtet, den Antragsteller hierüber aufzuklären und eine entsprechende Klarstellung oder Ergänzung des bisherigen Feststellungsantrags anzuregen7. Bei einer solchen Verwaltungspraxis würde es früher oder später zu einer gerichtlichen Überprüfung der hier entwickelten Grundsätze für die Ausübung des Verfahrensermessens im Spannungsverhältnis zwischen Rechtsschutzauftrag und Verwaltungseffizienz kommen8.
7
Vgl. oben Teil 7, C.IX. Sofern ein Antragsteller nicht zur Übernahme der Anfechtungslast bereit ist, sondern nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens eine Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung oder eines ähnlichen begünstigenden Feststellungsbescheids erhebt, wäre der Bescheid, mit dem die Behörde die Einleitung eines auf dieses Ziel gerichteten Verwaltungsverfahrens unter Darlegung ihrer Ermessenserwägungen abgelehnt hat, nämlich selbst Gegenstand des Rechtsstreits. 8
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Teil 8: Bilanz und Ausblick
I I I . Verwaltung und Gesetzgeber Ein neuer Aspekt des Verhältnisses der Verwaltung zum Gesetzgeber wurde in der vorliegenden Arbeit unter der Überschrift des „Vorrangs künftiger Gesetze" behandelt9. Danach müssen die zuständigen Behörden beim Erlaß gesetzlich nicht normierter Feststellungsbescheide klarstellen, daß diese nur eine Feststellung der gegenwärtigen Sach- und Rechtslage enthalten und nach einer entscheidungserheblichen Änderung der Sach- und Rechtslage keine Bindungswirkung mehr entfalten sollen.
IV. Verantwortung von Bürger und Verwaltung für einen gesetzeskonformen Freiheitsgebrauch und die effiziente Wahrnehmung staatlicher Aufgaben Die Überlegungen zu den auf Antrag eingeleiteten Verwaltungsverfahren fügen sich ein in die aktuelle Diskussion über eine sachgerechte Teilung der Verantwortung von Verwaltung und Bürger für eine effiziente Wahrnehmung staatlicher Aufgaben 10. Hier war einer Tendenz der vergangenen Jahre zu widersprechen, die öffentliche Verwaltung und Verwaltungsverfahren hauptsächlich als bürokratische Gefahren für den Wirtschaftsstandort Deutschland und heimische Arbeitsplätze zu beschreiben. Trotz aller notwendigen Diskussionen um die Modernisierung der Verwaltung und eine verstärkte Dienstleistungsorientierung darf nicht vergessen werden, daß die Gewerbeaufsicht, Umweltämter und andere Überwachungsbehörden nach ihren gesetzlichen Aufgaben - zumindest primär - keine für die gewerblichen Unternehmen
Wenn ein Antragsteller dagegen aufgrund der behördlichen Anregung einen ergebnisoffenen Antrag auf Feststellung der Rechtslage stellt, dann einen seiner Rechtsauffassung widersprechenden behördlichen Bescheid erhält und nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens schließlich eine Verpflichtungsklage oder eine isolierte Anfechtungsklage gegen den ablehnenden Bescheid erhebt, muß das Verwaltungsgericht überprüfen, ob ein solcher Antrag der Behörde rechtlich auch die Befugnis zu einer der Rechtsauffassung des Antragstellers widersprechenden Feststellung verliehen hat. Obwohl die Grundkonstellation eines solchen Rechtsstreites der des 2. Wohnraumzweckentfremdungsurteils entspräche, bestünde in jedem Fall Anlaß zur Überprüfung und ggf. Fortentwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Denn anders als beim Urteil vom 29.11.1985 wären hier ein ausdrücklich in ein ergebnisoffenes Verwaltungsverfahren einwilligender Antrag sowie das zu seiner Auslegung heranzuziehende behördliche Hinweisschreiben mit den darin enthaltenen Erwägungen zur Ausübung des Verfahrensermessens Gegenstand des Rechtsstreits. 9 Vgl. oben Teil 6,1. und Teil 7, F.II.2.b)bb). 10 Vgl. beispielsweise den Beschluß des Bundeskabinetts vom 1. Dezember 1999 in: Bundesregierung: Moderner Staat - Moderne Verwaltung. Das Programm der Bundesregierung, S. 2-4.
D. Perspektiven für gesetzgebende, rechtsprechende und vollziehende Gewalt 711
tätigen Service- und Dienstleistungseinrichtungen der öffentlichen Hand sind, sondern Behörden zur Überwachung und Kontrolle von potentiell gefahrlichen Unternehmen und Tätigkeiten 11 . Gleichwohl muß die Verwaltung bei der Wahrnehmung dieser gesetzlichen Überwachungsaufgaben auch die Grundrechte der zu Überwachenden berücksichtigen und ggf. Rechtsschutz durch Verwaltungsverfahren gewähren. Mit seinem Antrag auf Erlaß einer Unbedenklichkeitsbescheinigung oder eines ähnlichen, die Rechtmäßigkeit des eigenen Verhaltens klärenden Verwaltungsaktes will der Bürger erreichen, daß die Verwaltung seine Freiheitsrechte und seine hinter diesen Grundrechten stehenden materiellen oder ideellen Interessen vor Gefahrdungen schützt, die sich aus seiner Sicht aus dem abstrakt-generellen Gesetz und denkbaren Maßnahmen zu dessen Durchsetzung ergeben. Insoweit darf bei der Bestimmimg der Verwaltungsaufgaben und -befugnisse der Umstand nicht vernachlässigt werden, daß unmittelbar erst der Gebrauch der grundrechtlichen Freiheiten die konkrete Gefahr einer nachträglichen behördlichen Sanktion begründet. Wenn aber die Grundrechte dem Bürger einen Freiraum zur eigenverantwortlichen Gestaltung seines Lebens und seiner wirtschaftlichen Aktivitäten in den im jeweiligen Grundrecht genannten Grenzen gewähren, so muß er selbst auch Verantwortung für seinen Freiheitsgebrauch tragen; Freiheit und Verantwortlichkeit für das eigene Tun lassen sich nicht von einander trennen. In Anwendung dieses Grundgedankens wurde herausgearbeitet, daß § 22 VwVfG auch bei der Frage, unter welchen Voraussetzungen die zuständigen Behörden auf Antrag durch Verwaltungsakt verbindliche Feststellungen über das Bestehen oder Nichtbestehen bestimmter gesetzlicher Rechte, Pflichten oder Eigenschaften treffen sollen, Raum für eine Berücksichtigung des Grundsatzes der Effizienz und Effektivität des Verwaltungshandelns läßt 12 . Der durch das Haushaltsrecht begrenzte personelle und sachliche Mitteleinsatz der Behörde muß im Interesse der Allgemeinheit, des Antragstellers, etwaiger vom jeweiligen Verwaltungsverfahren betroffener Dritter und schließlich auch im Interesse der Beteiligten anderer Verwaltungsverfahren, für deren Bearbeitung die Behörde zuständig ist, effizient erfolgen. Daher sollte die zuständige Behörde ihre Bereitschaft ein gesetzlich nicht vorgesehenes Verwaltungsverfahren zu eröffnen und später ggf. mit einer den Bürger begünstigenden Regelung abzuschließen, im Rahmen des Opportunitätsprinzips gemäß §§ 22, 40 VwVfG grundsätzlich davon abhängig machen, daß der Antragsteller ihr die Befugnis einräumt, am Ende des Verwaltungsverfahrens eine verbindliche Regelung der gesetzlichen Rechte und Pflichten auch dann zu treffen, wenn das
11 12
Vgl. oben Teil 7, C.VII.-XI., insbes. C.VII.2. Vgl. oben Teil 7, C.VII.2.h).
712
Teil 8: Bilanz und Ausblick
Ergebnis ihrer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht mit seiner Rechtsauffassung übereinstimmt.
E. Fortentwicklung der Dogmatik des Verwaltungsakts Im Hinblick auf die künftige Rolle der Rechtswissenschaft ist schließlich festzustellen, daß die Rechtsprechung bei der Frage nach der Geltung des Vorbehalts des Gesetzes in den vergangenen Jahren ganz überwiegend die in der Literatur an der früheren subordinationsrechtlichen Rechtsprechung geäußerte Kritik aufgegriffen und insoweit zu Recht von Otto Mayers tradierter Lehre vom Verwaltungsakt Abschied genommen hat. Jedoch ließen sich nicht alle Entscheidungen schlüssig in ein neues dogmatisches Gesamtkonzept einfügen. Ob Verwaltungspraxis und Rechtsprechung in Zukunft die hier herausgearbeiteten Präzisierungen und Fortentwicklungen der allgemeinen Grundsätze und Regeln über den Verwaltungsakt und den Versuch der Neubestimmung der Rechtsschutzzonen der Feststellungsklage und des feststellenden Verwaltungsaktes aufgreifen werden, bleibt abzuwarten. Jedenfalls bedürfen sie weiterhin der wissenschaftlichen Begleitung und Aufarbeitung. Aufgrund der aufgezeigten Defizite wird insbesondere Anlaß bestehen, Rechtsfragen der auf Antrag ergehenden Grundlagenbescheide rechtswissenschaftlich weiter vertieft zu behandeln und ergänzend zu den hier ausgewählten Fallgruppen auch Verwaltungsakte in den durch Satzung oder Benutzungsordnung geregelten Rechtsverhältnissen 13 sowie Bescheide in der Leistungsverwaltung in weitere Untersuchungen der Vorbehaltsfragen einzubeziehen. Die verwaltungsrechtliche Dogmatik wird ihre Aufgaben auch in Zukunft nur erfüllen können, wenn sie die allgemeinen Rechtsgrundsätze über den Verwaltungsakt stets von neuem innersystematisch auf ihre Brauchbarkeit für Konfliktlösungen überprüft und in einer praxisbezogenen Rückkopplung zu den vielfältigen Normen des besonderen Verwaltungsrechts weiterentwickelt 14 .
13
Vgl. oben Teil 4, B.V. Zu dieser Aufgabenstellung vgl. bereits Bachof VVDStRL 30, 193 (198) sowie die Ausfuhrungen oben in Teil 1, A. (m.w.N.). 14
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Sachregister Abfallrecht 131 f.; 250 f., 276 f., 322 f., 434/, 438f. Ablehnung, schlichte 51,496, 502 f., 530, 540 f., 671 ff. Ablehnungsbescheid 5\,%5, 111 ff, 139 f., 292, 326 ff. ,396, 399,466, 483ff ,495 f , 502 f , 522, 526 f., 530, 535, 537 f., 540 f., 544, 671 ff. Abweichungsverbot 65 ff., 72 ff., 78 f., 89ff, 139,160ff, 208 ff., 471 Analogie 348, 381, 393 ff., 569ff, 581, 583 f., 605 ff, 645, 650 ff. Anfechtungslast 122, 148, 154, 215, 236, 243, 247 f., 303 f., 306, 332ff, 380, 385,422 f., 425 ff., 435 ff., 457 f., 468,497, 502ff, 532 ff., 552 ff., 575 f., 591, 599, 630, 649, 652, 677 Annexkompetenz, -Zuständigkeit 261 f., 266 f., 391ff, 431 ff, 567 ff., 581, 599 f., 604, 622, 638 f., 642, 651,659, 677 ff Antrag - Auslegung 462 ff., 499, 502ff, 542ff. - Begriff, Rechtsfolgen 138 ff., 158 f., 164, 176,210, 252 f , 258 f. 286ff, 321, 328, 331, 381, 394 ff., 400,403,413,438,441,444, 462 ff. - als Einwilligung 252 f., 294ff, 330,381,462, 467 ff, 489 ff., 502ff, 535ff, 544 Anzeigeverfahren 100, 149, 154, 271 f., 277 ff, 286, 355 f., 393 f., 415,440 ff argumentum a maiore ad minus 222, 260 ff., 281, 378, 381, 394, 431 ff, 440,447,456 ff., 486 f , 586ff, 615,633,641 f. Aufgabe und Befugnis siehe Kompetenz
Aufhebungsverbote 65 ff., 89 ff. Auskunft, behördliche 50 f., 61, 157, 507 ff, 521, 522ff, 663 f., 667, 671ff. Auslegung - siehe Ermächtigung durch Auslegung - siehe Antrag, Auslegung
Beamten- und Soldatenrecht 45,46 f., 194, 202, 236, 253ff, 268, 305, 327, 359ff, 398, 563 ff., 592ff, 605ff, 635ff, 707 f. Befugnis - siehe Kompetenz - siehe Ermächtigung - siehe Vorbehalt des Gesetzes für Verwaltungsakte Beendigung, Feststellung der » eines Rechtsverhältnisses 47, 259ff, 566, 582ff, 633 befehlender Verwaltungsakt - Begriff 45, 125 ff. - siehe auch konkretisierende Verfügung - siehe auch pflichtenbegründende Verfügung Beliehener, Regelungsbefugnisse 249, 282f., 453, 458 ff Beratung 143, 520 ff., 542ff, 652 - siehe auch Rechtsberatungsgesetz Bestandskraft 113,160ff, 187 f. 243, 296, 303, 317 ff., 423,482, 523, 530, 535, 587 f. - siehe auch Verbindlichkeit Bestimmtheitsgebot 157, 235 f., 369, 505ff, 545,550,616 Beurkundung siehe Urkunde, öffentliche Bußgeld siehe Sanktion
Sachregister
Damokles-Rechtsprechung (§ 43 VwGO) 492 ff, 501 f , 535 Denkmalschutz 121, 126, 141, 150ff., 326, 483,506ff, 520 f , 617, 664, 670, 673,676 Drittwirkung siehe Verwaltungsakt mit« Duldungsbescheid 249, 289, 329, 488 f. Eingriff - aufgrund eines Gesetzes 98 ff, 133 f , 354ff, 369 ff, 518 - Begriff, Merkmale 213 ff, 221 ff, 232, 240, 242ff, 258, 262, 299ff, 462 ff. - durch Gesetz 98 ff, 354ff, 430, 518 ff, 537, 549, 592 Eingriffsermächtigung siehe Ermächtigung Eingriffsvorbehalt 209, 213 ff, 218ff, 242 ff, 269 ff, 299ff, 389 ff, 462ff, 613 ff. Eingriffswirkungen von Verwaltungsakten 191, 235ff, 299ff, 369 ff, 419 ff, 468ff, 480 f , 482 ff, 503, 599, 623, 678 Einwilligung siehe Antrag als « Enteignungsrecht 140 Erbe, Erstattungs- und Leistungsbescheide gegenüber «n 257 f , 264, 606, 635 ff. Erlöschen, Feststellung des «s 260 f , 584 ff. - siehe auch Beendigung, Feststellung der « Ermächtigung - Begriff 98, 354ff, 379ff., 384ff. - durch Auslegung 246, 249 ff, 270 ff, 279 ff, 354ff, 385 ff, 402ff, 428 ff. Ermessen, verfahrensrechtliches 113, 240 f , 347, 395 f , 421, 465 ff, 480, 483,490 f , 497 ff, 513ff, 522 ff, 528ff, 564, 572, 588, 603, 672 Erstattungsanspruch, -bescheid 101, 130, 194, 246 f , 256 ff, 305, 316, 338, 359 ff, 408,414,420, 555,
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559ff, 569ff, 597, 599 f , 606 f„ 621 ff, 635ff. Erst-Recht-Schluss siehe argumentum a maiore ad minus Fachbehörde, Regelungsbefugnisse einer« 141 ff, 178, 282 ff, 404, 405ff, 458ff, 522, 525, 663 f„ 679 feststellender Verwaltungsakt - Begriff 45, 48 ff, 105 ff. - Grundlagenbescheid 86 f., 108 f., 135 ff, 164 f , 180, 263, 275 ff, 288, 318, 326 f , 349, 392, 396ff, 429 ff, 431ff, 459,487 ff, 553ff, 586 f , 627, 632, 664 f , 669 f , 679 - siehe auch Eingriffswirkungen von Verwaltungsakten - siehe auch Vorbehalt des Gesetzes für Verwaltungsakte Feststellungsantrag siehe Antrag Feststellungsinteresse 157, 241 f , 245, 287 f. 293 f„ 330 f„ 385, 387, 416ff, 430, 436 ff, 444 ff, 467, 485 ff, 489ff, 491ff, 554 f , 585, 591,597, 631 f , 680 Feststellungsklage - verwaltungsgerichtliche 157 f , 247, 293 f , 309, 415ff, 491 ff, 555 - zivilprozessuale 75 ff, 140, 349 Gefahrenabwehr 267 ff, 425ff, 428ff. , 440,453, 514 ff, 529ff, 540, 548 Genehmigungspflicht, Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer« 276 ff, 289, 396,414, 440ff, 487ff, 509ff, 515 ff. Genehmigungsfreistellung 210 Genehmigungsinhalt, Feststellung des «s 276 f , 437 ff. Gesetzgeber, Verwaltungsakt als Mittel des «s 56 f , 82, 99 ff, 117 ff, 131 ff, 145 ff. gesetzliche Grundlage siehe Ermächtigung gestaltender Verwaltungsakt, Begriff 45, 115 ff.
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Sachregister
Gewaltenteilung 190, 195 f., 217 f., 239 f., 362ff, 373ff, 5\0 f. Gewaltenteilung in der Verwaltung 178 f., 379, 393 ff Gewaltverhältnis, besonderes 218, 223, 354, 258f., 365, 477, 606, 619, 653 ff Gewerberecht 100, 130, 133 f., 270 f., 278 ff., 291 ff., 413 f., 443, 444ff, 488 f., 493, 509, 521, 531 ff, 663 Gewohnheitsrecht 220, 236 ff., 259 f., 265 f., 316, 355, 362 ff., 410, 557, 568 f., 574, 606 ff, 619 f., 656 Grundlagenbescheid siehe feststellender Verwaltungsakt Grundrechtseingriff siehe Eingriff Grundrechtsverzicht 468 ff. Handlungsform 50, 97, 190, 209, 211,216, 238 ff., 245 ff., 304 ff., 318, 335 ff., 347, 351, 355, 367 f., 374, 397, 424 ff., 655 f. - siehe auch Verwaltungsakt Heilpraktikergesetz 273 f., 410 ff. Immissionsschutzrecht 101, 138, 174 f., 287, 393 ff., 442 f. Information, unverbindliche 43 f., 50ff, 94, 155 ff., 406, 507, 663ff. Inzidentfeststellung 114 f., 119, 121ff, 139, 327ff. Kehrseitentheorie 259 ff., 559 ff., 582 ff., 638 Kompetenz, Kompetenznorm 84, 87, 98ff., 108, 122, 145, 175 ff., 233, 236 ff., 309, 355ff, 372ff, 379 ff., 383ff, 392ff, 401 ff konkretisierende Verfügung 189, 197, 201,207, 257, 267, 269 ff., 293 ff., 407 ff., 451 ff. - Begriff 106, 129 ff., - Eingriffswirkungen, spezifische 350 ff., 552 f. - siehe auch Eingriffswirkungen von Verwaltungsakten - kein Richtervorbehalt 198 ff.
- siehe auch Vorbehalt des Gesetzes für Verwaltungsakte Kopplungsverbot 477 ff., 504, 533 f. Leistungsklage - verwaltungsgerichtliche 246,283, 330, 337 ff., 414, 418,428,491, 551 ff., 568, 575 f., 608, 643 ff., 656, 673, 677 - zivilprozessuale 63, 68 f., 74 f., 125,129,349,362 Letztverbindlichkeit 203 ff., 309 Leistungsbescheid 130, 133, 197, 202, 206, 236, 254 ff., 263, 281, 305, 338 f., 362 f., 452,456, 553ff, 561 f., 575,581,606, 621 ff, 635 ff. Melderecht siehe Register mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt 441,463 ff. Naturschutzrecht 107, 294, 505 f., 664 Negativattest 289, 321, 396,450, 487ff, 497, 500, 503, 509 ff., 516ff, 543 ff. Opportunitätsprinzip 514 ff., 528 ff. Ordnungswidrigkeit siehe Sanktion Pflichten, gesetzliche 100 ff., 268 ff., 357 ff., 361 ff, 386,428,451 ff. pflichtenbegründende Verfügung 98 ff, 104,133ff, 141, 192 f , 267 f , 515 Pflichtnorm siehe Pflichten, gesetzliche Polizei- und Ordnungsrecht 129 f , 134, 144 f , 232, 248, 265 f , 268 ff, 283 f , 338, 402ff, 440ff, 447,452 ff, 458 ff, 499, 514 ff, 529 ff, 558 präventive Feststellung - siehe präventive Regelung - siehe Feststellungsinteresse präventive Regelung 84 f , 108, 130 ff, 153 ff, 268 ff, 278 ff, 331 f , 335, 338, 412ff., 438 f , 440 ff, 484, 489ff, 585 f.
Sachregister
präventiver Rechtsschutz siehe präventive Regelung Rechtsanwendung - durch feststellenden Verwaltungsakt 43,49 ff., 321, 354, 376, 387, 401,419 f., 517 ff., 549 ff., 675 - als Merkmal der Rechtsprechung 57 f., 192ff, 376 Rechtsberatungsgesetz 277,438 f. Rechtsform des Verwaltungshandelns siehe Handlungsform Rechtsschutz - effektiver 1 5 7 , 3 ^ , 4 2 0 , 4 3 1 , 436, 497 f , 506 ff., 517, 526, 537, 554 f., 580, 669 - verwaltungsgerichtlicher« • siehe Feststellungsklage • siehe Unterlassungsklage - vorbeugender « siehe präventive Regelung Rechtsprechung, Begriff der « 57 ff, 192 ff. Rechtsverhältnis - konkretes/feststellungsfähiges «i.S. von § 43 Abs. 2 VwGO 415 ff, 491 ff, 545 ff. - als Regelungsgegenstand eines Verwaltungsakts 38,45 ff, 77 ff, 96ff, 102,103 ff, 145, 176 f., 318 ff, 374 ff, 545ff, 556 f , 565 ff, 582 ff. - Verwaltungs« siehedort Rechtsweggarantie 197, 205 ff, 223, 342 ff. Regelung - Begriff 38 ff, 79 ff, 92 ff. - Eingriffswirkungen der « 304 ff. - siehe auch Eingriffswirkungen von Verwaltungsakten - siehe auch präventive Regelung - siehe auch Verwaltungsakt Register 50 f„ 148, 288, 297, 617, 657 ff. Regreßansprüche des Dienstherrn 364, 627 f. Richtervorbehalt 192 ff. Sanktion 101,148 f , 154, 157, 274, 291 ff., 338,406, 436, 444 ff.
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454 ff, 482,487 ff, 498ff, 593 ff, 607 Schulverhältnis 224, 259, 655 ff. Strafe siehe Sanktion Streitentsscheidung 193 ff. Subordinationsverhältnis 240, 248 ff, 317, 336 f , 362 ff, 369 ff, 379ff, 606, 620, 623, 639ff, 643 f , 653 ff. Subsidiaritätsprinzip des Polizei- und Ordnungsrechts 407ff, 449,458, 460, 558 Tatbestandswirkung 161,166 ff, 662, 668 f. Teilregelung 135ff, 275, 288 f , 431ff, 457 Über-/Unterordnungsverhältnis siehe Subordinationsverhältnis Unbedenklichkeitsbescheinigung 210, 290ff, 321,329, 394f., 481ff, 490ff, 497 ff, 507ff, 516 ff, 545 ff. Unterbringungsverhältnis im psychiatrischen Krankenhaus 258, 656 ff. Unterlassungsklage, verwaltungsgerichtliche 331, 338,415 ff, 494, 504, 530, 536 f , 550 Unwirksamkeit, Feststellung der « 261, 573 f , 584 ff, Urkunde, öffentliche 75,126,297, 582, 657ff. Urteils Wirkungen und -arten, zivilprozessuale 67 ff, 74 ff. Verbindlichkeit des Verwaltungsakts - Begriff der« 42 ff, 52 ff, 63 ff, 79ff, 89 ff. - Rechtsgrund und Grenzen der « 161 ff. - Vergleich mit der materiellen Rechtskraft 63 ff, 69 ff. Verfahrensermessen siehe Ermessen, verfahrensrechtliches Verfügung - siehe befehlender Verwaltungsakt - siehe auch konkretisierende Verfügung
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Sachregister
- siehe auch pflichtenbegründende Verfügung Verjährung 170, 243, 303 f , 348 ff. Verwaltungsakt - befehlender« siehedort - begünstigender« 164,185,259, 294, 318ff. , 324ff, 328ff, 396 ff., 450,476, 480ff, 538ff, 559 ff. - Einteilung nach dem Regelungsinhalt 44 ff., 58 ff, 105 ff. - feststellender« siehedort - gestaltender « siehe dort - gegenüber Hoheitsträgern 232 ff. - Konkretisierungsfunktion 53 f , 64, 79ff., 91 ff, 103 ff, 115 ff, 126 ff, 135 ff, 165 f , 175 ff, 307 ff, 351 f , 376 ff, 432, 468, 514 ff, 585 - bei Otto Mayer 31,42,48, 86 f , 129, 189, 237 f , 312, 350, 355, 364, 369 ff, 475, 477,619, 653 - mit Drittwirkung 163 ff, 187 ff, 323, 324 f , 329, 395 f , 448, 450, 484 ff, 538 - mitwirkungsbedüftiger « siehe dort - Regelung siehe dort - streitentscheidender « 193 ff. - Titelfunktion 103 f , 125ff, 132, 194,312, 337, 349ff, 363,380, 452 ff, 582 - Verbindlichkeit siehe dort - Vorbehalt des Gesetzes für «e siehe dort - als Willenserklärung 38, 40 ff, 81 ff, 92 ff. Verwaltungsaktbefugnis - siehe Ermächtigung - siehe Kompetenz, Kompetenznorm - siehe Vorbehalt des Gesetzes für Verwaltungsakte Verwaltungseffizienz 156, 360 ff, 386 ff. 411,491, 507, 528ff, 544 f , 663 Verwaltungsrechtsverhältnis 82, 86 ff, 96ff, 104ff., 358, 373, 376 f , 381, 387 ff, 499 ff, 528 ff. - siehe auch Rechtsverhältnis Verwaltungsvollstreckung 45, 103 ff, 125ff, 162 f , 171, 183, 194 f , 240, 243, 279ff, 303 f , 304, 340
f , 349, 350ff, 380,416,445, 451 #,455, 554, 556 ff. Vollziehungsauftrag, verfassungsrechtlicher 236 ff, 316, 354 ff. Vorbehalt des Gesetzes - Begriff 211 - demokratisch-funktionaler Parlamentsvorbehalt 215 ff, 228 ff. - Eingriffsvorbehalt siehe Eingriff - für Verwaltungsakte 235 ff, 247 ff, 268 ff, 299ff, 354 ff, 369 ff. - Wesentlichkeitstheorie 212 ff. Vorbescheid 136ff, 286 ff, 293, 321,397, 399, 483ff, 497 f , 541 f„ 593 vorbeugende Feststellungsklage - siehe Feststellungsklage, verwaltungsgerichtliche - siehe präventive Regelung vorbeugende Unterlassungsklage siehe präventive Regelung vorbeugender Rechtschutz siehe präventive Regelung vorbeugende Regelung siehe präventive Regelung Vorrang des Gesetzes 208ff, 308, 355,374, 392ff, 469ff, 512 f , 554, 562, 565 Vorrang künftiger Gesetze 396 ff, 632 Wirksamkeit des Verwaltungsakts 57, 64, 90, 92, 104 f , 116 ff, 121, 127 f , 160 ff Wohnraumzweckentfremdungsurteil des Bundesverwaltungsgerichts - 1. «(12.12.1979- 8 C 77/78) 272 f , 359,410 - 2. «(29.11.1985 - 8 C 105.83) 33, 36,47, 216, 241, 249 ff, 294 ff, 316 ff, 326, 335, 365,382,410, 413 f , 430, 435 f , 489ff, 496ff, 535ff, 543 ff, 606 - 3. «(1.10.1986-8 C 53/85) 296 f , 481 ff. Zahlungsansprüche 101, 133, 164, 246, 249 ff, 254, 260, 262ff, 268,
Sachregister
281, 305ff, 337 ff, 349, 371,414, 418, 551 ff, 621 ff. Zugang zu den Gerichten siehe Rechtsweggarantie
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Zusicherung 138 ff, 397,497 f„ 548, 595 f.