Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats [5. neu bearbeitete und erweiterte Auflage] 9783504381332

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German Pages 601 [602] Year 2008

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Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats [5. neu bearbeitete und erweiterte Auflage]
 9783504381332

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Lutter/Krieger· Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats

Rechteund Pflichten des Aufsichtsrats von

Prof. Dr. Dr. h.c. mult Marcus Lutter Universitätsprofessor in Bonn Rechtsanwalt in Berlin

Prof. Dr. Gerd Krieger Rechtsanwalt und Honorarprofessor in Düsseldorf

5. neubearbeitete und

erweiterte Auflage 2008

oUs

Verlag Dr.OttoSchmidt

Köln

Zitierempfehlung: Lutter/Krieger, Rechte und Pllichten des Aufsichtsrats, 2008, Rn ....

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verz:eiclmet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 info®otto-schmidt.de www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-31716-4 ©2008 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Ühersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany

Vorwort Der Aufsichtsrat als Pflichtorgan der Aktiengesellschaft, der großen GmbH und der Genossenschaft steht seit langem im Zentrum des Interesses nicht nur der Wissenschaft, sondern auch und vor allem der Praxis. Vornehmlich ihr will dieses Werk eine Handreichung sein. Sie gibt auf gedrängtem Raum einen zusammenhängenden Überblick über die Rechte und die vielfältigen Pflichten des Aufsichtsrats und seiner einzelnen Mitglieder. Zugleich soll das Werk aber auch eine schnelle Information über Einzelfragen der laufenden Arbeit bieten und Zugang zu den für den Aufsichtsrat und seine Mitglieder wichtigen Rechtsproblemen eröffnen. Wir haben deshalb weder auf weiterführende Anmerkungen noch auf eigene Stellungnahmen zu den vielen kontroversen Rechtsfragen verzichtet. Das Buch ist zuletzt vor sechs Jahren in 4. Auflage 2002 erschienen. Seither hat sich wieder viel getan und geändert: viele Bücher sind neu oder in neuer Auflage erschienen, das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) und das Gesetz über das Elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) wurden verabschiedet und der Bundesgerichtshof hat seine Rechtsprechung zu den Beraterverträgen mit Aufsichtsrats-Mitgliedern ausgeweitet. All das ist in dieser neuen Auflage berücksichtigt, die in allen ihren Teilen vollständig überarbeitet worden ist. Darüber hinaus wurden eine ganze Reihe neuer Kapitel erforderlich, insbesondere zu den Aufsichtsräten in Unternehmen der öffentlichen Hand, zu den Pflichten der Aufsichtsräte am Kapitalmarkt und zu den Aufsichtsräten in einer SE. Das Buch entspricht in allen seinen Teilen dem Stand vom 1. August 2008. Herrn Dr. Michael Voss danken wir sehr für die mühevolle Erstellung des Stichwortverzeichnisses. Darüber hinaus haben wir vielen Lesern für Fragen und Anregungen zu danken und hoffen darauf auch in Zukunft.

Bonn und Düsseldorf, im August 2008 Marcus Lutter

Gerd Krieger

V

Inhaltsübersicht Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XV

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXV

§1 Übersicht

Rn. Seite

I. Der Aufsichtsrat als spezielles Element der deutschen Unternehmensverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

1

II. Der Aufsichtsrat als Pflichtorgan . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

5

III. Die Zusammensetzung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . .

8

6

IV. Wahl und Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder . .

9

6

V. Persönliche Voraussetzungen der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

9

VI. Dauer der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

13

VII. Veröffentlichung von Beginn und Ende des Aufsichtsratsmandats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

15

VIII. Der Aufsichtsrat als Innenorgan . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

16

§2 Der Aufsichtsrat als Element einer modernen und leistungsfähigen Unternehmensführung – Corporate Governance I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

19

II. Neuerungen durch das KonTraG von 1998 . . . . . . . . .

52

20

III. Neuerungen durch das TransPuG von 2002 . . . . . . . .

53

20

IV. Neuerungen durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Haftungsrechts (UMAG) von 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

21

V. Der deutsche Corporate Governance Kodex . . . . . . . .

55

21

VI. Der Aufsichtsrat als mit-unternehmerisches Organ der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

23

VII

Inhaltsübersicht

§3 Die allgemeine Überwachung durch den Aufsichtsrat

Rn. Seite

I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

25

II. Gegenstand und Umfang, Maßstab und Grenzen der Überwachung nach § 111 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . .

63

25

III. Die Beratung mit dem Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

40

IV. Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats . . . . . . 100

44

§4 Die Überwachung im Konzern I. Erweiterung der Überwachungsaufgaben des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

55

II. Umfang der Erweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

58

III. Urteilsbildung im Aufsichtsrat über Konzernvorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

58

IV. Beratung mit dem Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

64

V. Konzernweite Zustimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . 149

64

VI. Konzernspezifische Besonderheiten der Überwachung in abhängigen Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . 154

66

§5 Aufsichtsrat und Abschlussprüfer I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

69

II. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

69

§6 Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat I. Die Unterrichtung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . 191

81

II. Verschwiegenheitspflicht des Aufsichtsrats und seiner Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 108 III. Berichts- und Informations-Ordnung für den Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 133 IV. Vertraulichkeits-Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 134

VIII

Inhaltsübersicht

§7 Bestellung und Anstellung des Vorstands und die Organisation der Vorstandstätigkeit

Rn. Seite

I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 135 II. Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 135 III. Das Anstellungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 160 IV. Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern; Verfolgung von Schadensersatzansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 187 V. Organisation der Vorstandsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 193 VI. Besondere Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 198 VII. Besonderheiten im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 209

§8 (Mit-)Entscheidungs- und sonstige Befugnisse des Aufsichtsrats I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 211 II. Feststellung des Jahresabschlusses und Billigung des Konzernabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 211 III. Erklärung zum Deutschen Corporate Governance Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 214 IV. Ausnutzung eines genehmigten Kapitals . . . . . . . . . . 499 219 V. Ausübung von Beteiligungsrechten in mitbestimmten Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 219 VI. Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 222

§9 Der Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung I. Die vom Gesetz geforderten Berichtsinhalte . . . . . . . . 562 228 II. Sonstige Berichtsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 233 III. Die Gestaltung der Berichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 596 237

IX

Inhaltsübersicht

§ 10 Überblick über die kapitalmarktrechtlichen Pflichten des Aufsichtsrats

Rn. Seite

I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 239 II. Allgemeine Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 612 239 III. Besondere Verhaltenspflichten bei Übernahmen . . . . 614 240 IV. Persönliche kapitalmarktrechtliche Verhaltenspflichten der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder . . . . . 626 243

§ 11 Die Organisation des Aufsichtsrats I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651 247 II. Der Vorsitz im Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656 250 III. Der Verfahrensablauf im Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . 687 263 IV. Bildung von Aufsichtsratsausschüssen, Aufsichtsratspräsidium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 739 292

§ 12 Rechte und Pflichten der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder I. Gleichheit und Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 821 313 II. Die Rechte der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder . . . 823 314 III. Pflichten und Pflichtenkollisionen der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 885 342

§ 13 Haftung der Aufsichtsratsmitglieder I. Haftung der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft (Innenhaftung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 981 361 II. Haftung der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber Dritten (Außenhaftung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1018 378 III. D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1024 382

X

Inhaltsübersicht

§ 14 Ersatzmitglieder des Aufsichtsrats

Rn. Seite

I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1029 387 II. Bestellung des Ersatzmitglieds und Nachrücken in den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1030 387 III. Ausscheiden des Ersatzmitglieds und Vermeidung des Nachrückfalles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1034 389 IV. Rechte und Pflichten des Ersatzmitglieds . . . . . . . . . . 1038 392

§ 15 Der Pflichtaufsichtsrat einer GmbH I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1091 393 II. Voraussetzungen für die Pflicht zur Bildung eines Aufsichtsrats – Größenmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . 1095 394 III. Die Leitungsstruktur in der GmbH mit Pflichtaufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1114 401 IV. Aufgaben und Kompetenzen des Pflichtaufsichtsrats in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1116 402

§ 16 Der freiwillige (fakultative) Aufsichtsrat in der GmbH I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1181 421 II. Die Einrichtung und Ordnung des fakultativen Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1183 421

§ 17 Besonderheiten des Aufsichtsrats in der Genossenschaft I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1251 437 II. Die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1258 439 III. Die Generalversammlung als Überwachungsorgan . . 1276 446

XI

Inhaltsübersicht

§ 18 Der Aufsichtsrat in der KGaA

Rn. Seite

I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1301 451 II. Zusammensetzung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . 1302 452 III. Keine Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1305 453 IV. Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats in der KGaA . 1309 454 V. Besonderheiten der gesetzesuntypischen KGaA . . . . . 1326 461 VI. Fakultative Gremien in der KGaA . . . . . . . . . . . . . . . . 1330 463 VII. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1333 465

§ 19 Das Aufsichtsorgan in der SE mit Sitz in Deutschland I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1351 467 II. Die Grundstrukturen des Aufsichtsorgans in der dualistischen SE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1352 468 III. Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1355 469 IV. Zusammensetzung und Organisation . . . . . . . . . . . . . 1357 469 V. Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1373 474 VI. Bestellung/Anstellung/Abberufung des Leitungsorgans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1392 481 VII. Vertretung der Gesellschaft gegenüber Leitungsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1395 482 VIII. Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1396 482 IX. Erklärung zum Deutschen Corporate Governance Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1397 483 X. Rechte und Pflichten des einzelnen Mitglieds . . . . . . 1398 483 XI. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1402 485

XII

Inhaltsübersicht

§ 20 Besonderheiten des Aufsichtsrats in Unternehmen der öffentlichen Hand

Rn. Seite

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1421 487 II. Zusammensetzung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . 1423 488 III. Weisungsfreiheit und Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1425 489 IV. Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1429 492 Anhang: Die Vergütungen der Aufsichtsrats- bzw. Aufsichtsorganmitglieder der DAX 30 Unternehmen . . . . . . . . .

496

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

507

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

545

XIII

Inhaltsverzeichnis Seite

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXV

§1 Übersicht

Rn. Seite

I. Der Aufsichtsrat als spezielles Element der deutschen Unternehmensverfassung . . . . . . . . . . . . . 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 1

1 1

2. Die Besonderheiten der sog. dualen Unternehmensverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

3

3. Europa und die Modelle der Unternehmensverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4

3

4. Die Arbeit der Regierungskommission „Corporate Governance“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

4

5. Der „Deutsche Corporate Governance Kodex“ . . . . .

6

4

II. Der Aufsichtsrat als Pflichtorgan . . . . . . . . . . . . . . . .

7

5

III. Die Zusammensetzung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . .

8

6

IV. Wahl und Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder . . 1. Wahl der Arbeitnehmer-Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . .

9 10

6 7

2. Wahl der Anteilseigner-Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . .

14

7

3. Ersatzmitglieder des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . .

18

8

V. Persönliche Voraussetzungen der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19 19

9 9

2. Unvereinbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

9

3. Sonstige persönliche Voraussetzungen/fachliche Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

11

VI. Dauer der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 27

13 13

2. Die Abberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

14

XV

Inhaltsverzeichnis Rn. Seite

3. Die Amtsniederlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

14

VII. Veröffentlichung von Beginn und Ende des Aufsichtsratsmandats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

15

VIII. Der Aufsichtsrat als Innenorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36 36

16 16

2. Der Bericht an die Hauptversammlung . . . . . . . . . . . .

37

16

3. Aufsichtsrat und Betriebsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

16

4. Der Aufsichtsrat als Kollegialorgan . . . . . . . . . . . . . . .

39

17

§2 Der Aufsichtsrat als Element einer modernen und leistungsfähigen Unternehmensführung – Corporate Governance I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

19

II. Neuerungen durch das KonTraG von 1998 . . . . . . . . .

52

20

III. Neuerungen durch das TransPuG von 2002 . . . . . . . .

53

20

IV. Neuerungen durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Haftungsrechts (UMAG) von 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

21

V. Der deutsche Corporate Governance Kodex . . . . . . . .

55

21

VI. Der Aufsichtsrat als mit-unternehmerisches Organ der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57 57

23 23

2. Erweiterung der Aufgaben des Aufsichtsrats . . . . . . .

58

23

3. Verbindung der Vorzüge von board-Verfassung und Aufsichtsrats-Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

24

I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

25

II. Gegenstand und Umfang, Maßstab und Grenzen der Überwachung nach § 111 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . 1. Gegenstand und Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63 63

25 25

2. Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

30

§3 Die allgemeine Überwachung durch den Aufsichtsrat

XVI

Inhaltsverzeichnis Rn. Seite

a) Rechtmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ordnungsmäßigkeit, insbesondere Unternehmensplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wirtschaftlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zweckmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Prüfungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

30

74 83 84 85

31 35 36 36

4. Kontrolldichte und inhaltliche Grenzen der Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) In der Normallage des Unternehmens . . . . . . . . . . b) In der Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bei Zustimmungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . .

86 86 87 92

37 37 38 40

III. Die Beratung mit dem Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beratungsrecht und Beratungspflicht . . . . . . . . . . . . .

94 94

40 40

2. Grenzen des Beratungsauftrags . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

43

IV. Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats . . . . . . 100 1. Stellungnahmen und Beanstandungen . . . . . . . . . . . . 101

44 44

2. Erlass einer Geschäftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

45

3. Zustimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umfang und Katalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Erteilung oder Versagung der Zustimmung . . . d) Einzelne Zustimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . .

103 105 109 114 118

45 45 47 50 51

4. Abberufung von Vorstandsmitgliedern . . . . . . . . . . . . 121

52

5. Einwirkungsmöglichkeiten im Rahmen der Feststellung des Jahresabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . 122

53

6. Einberufung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . 123

53

§4 Die Überwachung im Konzern I. Erweiterung der Überwachungsaufgaben des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 1. Der Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

55 55

2. Gründe für die Erweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

55

3. Besondere Schwierigkeiten der Überwachung im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

57

II. Umfang der Erweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

58

XVII

Inhaltsverzeichnis Rn. Seite

III. Urteilsbildung im Aufsichtsrat über Konzernvorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 1. Rechtmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

58 59

2. Ordnungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

61

3. Rentabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

61

4. Zweckmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

62

IV. Beratung mit dem Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

64

V. Konzernweite Zustimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . 149

64

VI. Konzernspezifische Besonderheiten der Überwachung in abhängigen Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . 154

66

§5 Aufsichtsrat und Abschlussprüfer I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

69

II. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 1. Der Abschlussprüfer als Berater und Gehilfe des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

69

2. Der Vertragsschluss mit dem Abschlussprüfer . . . . . . 173

70

3. Der Prüfungsbericht des Abschlussprüfers (§ 321 HGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

72

4. Die Bilanzsitzung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . 181

75

5. Zusätzliche Prüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

78

6. Konzernabschlussprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

79

7. Freistellung der kleinen AG von der Prüfungspflicht . 189

79

69

§6 Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat I. Die Unterrichtung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . 191 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

81 81

2. Die regelmäßigen Berichte des Vorstands . . . . . . . . . . a) Vierteljahresberichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Angaben zum Umsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gang der Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Lage der Gesellschaft; Liquiditätsübersicht . . .

83 83 83 84 84

XVIII

193 193 194 195 196

Inhaltsverzeichnis Rn. Seite

b) c) d) e)

Jahresberichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bericht über die Rentabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine Einschränkung, aber Möglichkeit zur Erweiterung der Berichtspflichten . . . . . . . . . . . . . 3. Sonderberichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsgeschäfte von erheblicher Bedeutung . . . . . b) Wichtige Anlässe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Krisen, Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vom Aufsichtsrat oder einzelnen seiner Mitglieder angeforderte Berichte . . . . . . . . . . . . . . . e) Gemeinsamkeiten der Sonderberichte . . . . . . . . . .

198 204 205

85 87 88

207 208 208 209 210

88 89 89 90 90

212 215

91 92

4. Vorlageberichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Jahresabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Abhängigkeitsbericht einer abhängigen AG nach § 312 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Maßnahmen des Vorstands, die der Mitwirkung (Zustimmung) des Aufsichtsrats bedürfen . . . . . . .

216 217

93 93

218

93

220

95

5. Die Empfänger der Berichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222

96

6. Die Gestaltung der Berichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223

97

7. Information und Berichte im Konzern . . . . . . . . . . . . a) Gleiche Regeln wie für die AG selbst . . . . . . . . . . . b) Die regelmäßigen Berichte des Vorstands . . . . . . . . c) Sonderberichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vorlageberichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

228 99 228 99 231 100 238 102 239 102

8. Das unmittelbare Einsichts- und Prüfungsrecht des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . 240 103 9. Information des Aufsichtsrats bei Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern . . . . . . . . . . . . 245 105 10. Information des Aufsichtsrats durch das Personal . . . 246 105 11. Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 107 II. Verschwiegenheitspflicht des Aufsichtsrats und seiner Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verschwiegenheitspflicht und Mitbestimmung . . . c) Verschwiegenheitspflicht und Meinungsfreiheit . .

254 254 254 255 257

108 108 108 108 110

2. Geheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 112 3. Vertrauliche Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 114

XIX

Inhaltsverzeichnis Rn. Seite

4. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 114 a) Beratungs- und Abstimmungsgeheimnis . . . . . . . . 266 115 b) „Wahlkampf“ – Rückkoppelung zwischen Wählern und Gewählten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 116 5. Einzelne typische Geheimnisse und vertrauliche Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verbot der Weitergabe von sogenannten Kenndaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Technik und Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kaufmännischer Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Finanzieller Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Planungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ausmaß der Schweigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Persönlicher Umfang der Schweigepflicht . . . . . . . b) Schweigepflicht und Aufsichtsrat in von der öffentlichen Hand beherrschten Unternehmen . . . c) Schweigepflicht im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Grenzen der Vertraulichkeitspflicht – Konflikte . . e) Die Kompetenz zur Weitergabe von Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

269 117 269 271 272 273 274

117 117 118 118 118

275 118 275 118 276 119 281 119 283 120 284 120

7. Dauer der Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . 285 121 8. Vorgaben und verantwortliche Entscheidung jedes Aufsichtsratsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 121 9. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 122 10. Sonderprobleme der Verschwiegenheit in börsennotierten Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Konzerndimension des Insiderrechts und der Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufsichtsräte und Insiderrecht . . . . . . . . . . . . . . . . c) Befugte und unbefugte Weitergabe von Insiderinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sicherung der Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . e) Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Zusammenfassung: Folgen für die Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . .

290 123 291 124 293 125 296 126 303 128 304 129 308 131

III. Berichts- und Informations-Ordnung für den Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 133 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 133 2. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 133 IV. Vertraulichkeits-Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 134

XX

Inhaltsverzeichnis

§7 Bestellung und Anstellung des Vorstands und die Organisation der Vorstandstätigkeit

Rn. Seite

I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 135 II. Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestellungshoheit des (Gesamt-)Aufsichtsrats . . . . . . a) Alleinkompetenz des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . b) Entscheidungsvorbereitung durch Personalausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

332 135 332 135 332 135

2. Entscheidungsermessen des Aufsichtsrats . . . . . . . . . a) Zahl der Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eignungsvoraussetzungen und Ausschlussgründe . c) Sachgerechte Ermessensausübung . . . . . . . . . . . . .

338 338 339 341

337 137 138 138 139 140

3. Beschlussfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 141 a) Allgemeine Wahlgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 141 b) Wahlverfahren nach § 31 MitbestG . . . . . . . . . . . . 344 142 4. Fragen der Amtszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Dauer der Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verlängerung der Amtszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zeitpunkt der (Wieder-)Bestellung . . . . . . . . . . . . .

355 355 357 358

146 146 147 148

5. Mängel der Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 149 6. Beendigung der Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Voraussetzungen des Widerrufs . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausübung des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . d) Mängel und gerichtliche Überprüfung des Widerrufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Einvernehmliche Aufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Suspendierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

361 361 364 368

150 150 150 153

372 155 377 157 378 157

7. Anmeldung zum Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . . 383 160 III. Das Anstellungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 160 1. Inhalt und Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 160 2. Abschluss des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zuständigkeit des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . b) Übertragung auf einen Ausschuss . . . . . . . . . . . . . . c) Zeitpunkt und Dauer der Anstellung . . . . . . . . . . . d) Mängel des Anstellungsvertrages . . . . . . . . . . . . . .

386 386 388 391 393

161 161 162 163 164

3. Vorstandsvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 164 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 164 b) Angemessenheit der Bezüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 165 XXI

Inhaltsverzeichnis Rn. Seite

c) Zusammensetzung der Vergütung . . . . . . . . . . . . . d) Vergütungsleistungen durch Dritte . . . . . . . . . . . . e) Leistungen bei Vertragsbeendigung . . . . . . . . . . . . 4. Beendigung und Änderung des Vertrages . . . . . . . . . . a) Verhältnis zum Widerruf der Bestellung . . . . . . . . b) Zuständigkeitsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kündigung aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . . . d) Ordentliche Kündigung; Aufhebungsvertrag . . . . . e) Kündigung durch das Vorstandsmitglied . . . . . . . . f) Leistungen an ausscheidende Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Änderungskündigung, Versetzungsklauseln, Herabsetzung der Vorstandsbezüge . . . . . . . . . . . . . h) Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

398 405 406 407 407 410 414 420 421

168 173 174 174 174 176 177 180 181

423 182 428 185 430 186

5. Anstellungsverträge zwischen Vorstandsmitgliedern und Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 186 IV. Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern; Verfolgung von Schadensersatzansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 187 1. Gerichtliche und außergerichtliche Vertretung durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 187 2. Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 192 V. Organisation der Vorstandsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . 443 193 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 193 2. Geschäftsordnungskompetenz des Aufsichtsrats . . . . 447 194 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 194 b) Bestellung des Vorstands und Geschäftsverteilung 448 195 3. Änderungen der Geschäftsverteilung . . . . . . . . . . . . . 450 197 VI. Besondere Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 198 1. Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern in den Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 198 2. Ernennung eines Vorstandsvorsitzenden . . . . . . . . . . 456 200 3. Bestellung eines Arbeitsdirektors . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestellung und Abberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auswahl des Arbeitsdirektors . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erstmalige Bestellung eines Arbeitsdirektors . . . . . e) Gleichberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXII

461 461 464 465 466 467

203 203 204 205 205 206

Inhaltsverzeichnis Rn. Seite

4. Bestellung stellvertretender Vorstandsmitglieder . . . . 471 208 VII. Besonderheiten im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 209

§8 (Mit-)Entscheidungs- und sonstige Befugnisse des Aufsichtsrats I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 211 II. Feststellung des Jahresabschlusses und Billigung des Konzernabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 211 III. Erklärung zum Deutschen Corporate Governance Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 214 IV. Ausnutzung eines genehmigten Kapitals . . . . . . . . . . 499 219 V. Ausübung von Beteiligungsrechten in mitbestimmten Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 219 VI. Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Befugnisse in Bezug auf die Hauptversammlung . . . . a) Einberufung und Beschlussvorschläge . . . . . . . . . . b) Berichterstattung an die Hauptversammlung . . . . c) Änderung der Satzungsfassung . . . . . . . . . . . . . . . .

504 504 505 508 509

222 222 222 223 223

2. Vertretung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 223 3. Kreditgewährung an Führungskräfte; Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 224 4. Stellungnahme zu Übernahmeangeboten; Verteidigungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 225

§9 Der Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung I. Die vom Gesetz geforderten Berichtsinhalte . . . . . . . 562 228 1. Der Bericht zu Jahresabschluss und Konzernabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562 228 2. Der Bericht des Aufsichtsrats zum Dividendenvorschlag des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 228 3. Der Rechenschaftsbericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566 229 4. Die Prüfung des Abhängigkeitsberichts . . . . . . . . . . . 573 231 XXIII

Inhaltsverzeichnis Rn. Seite

II. Sonstige Berichtsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 233 1. Bericht über Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 233 2. Entsprechenserklärung nach § 161 AktG . . . . . . . . . . 585 234 3. Beauftragung des Abschlussprüfers und Konzernabschlussprüfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 586 234 4. Interessenkonflikte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 235 5. Rechtliche Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591 236 6. Ungewöhnliche Ereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595 236 III. Die Gestaltung der Berichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 596 237 1. Vollständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 596 237 2. Schriftlichkeit, Auslage und Einreichung zum Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597 237

§ 10 Überblick über die kapitalmarktrechtlichen Pflichten des Aufsichtsrats I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 239 II. Allgemeine Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 612 239 1. Überwachungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 612 239 2. Abgabe der Entsprechenserklärung nach § 161 AktG

613 239

III. Besondere Verhaltenspflichten bei Übernahmen . . . . 614 240 1. Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflichten . . . . 614 240 2. Verhaltenspflichten des Aufsichtsrats der Bietergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 240 3. Verhaltenspflichten des Aufsichtsrats der Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 617 241 a) Stellungnahmepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 618 241 b) Pflichten bei feindlichen Übernahmen . . . . . . . . . . 623 242 IV. Persönliche kapitalmarktrechtliche Verhaltenspflichten der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder . . . . 626 243 1. Directors Dealing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627 243 2. Angabe des Aktienbesitzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 628 244 3. Verbot von Insidergeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 629 245

XXIV

Inhaltsverzeichnis

§ 11 Die Organisation des Aufsichtsrats

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I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651 247 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651 247 2. Geschäftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652 247 3. Selbstorganisationspflicht; Effizienzprüfung . . . . . . . 654 249 II. Der Vorsitz im Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestellung des Vorsitzenden und des Stellvertreters . a) Rechtslage nach dem Aktiengesetz . . . . . . . . . . . . b) Besonderheiten nach dem MitbestG . . . . . . . . . . . .

656 656 656 666

250 250 250 254

2. Aufgaben des Vorsitzenden und des Stellvertreters . . 675 258 3. Ehrenvorsitzender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 685 262 III. Der Verfahrensablauf im Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . 1. Aufsichtsratssitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zahl der Sitzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorbesprechungen bei mitbestimmten Aufsichtsräten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Teilnahme an Aufsichtsratssitzungen . . . . . . . . . . f) Sitzungsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Sitzungsniederschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

687 687 687 690

263 263 263 265

698 699 704 706

268 269 272 273

2. Beschlussfassung im Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Mehrheitserfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse . . . . . . . . . . . .

712 712 714 719 730 734

275 275 276 277 285 287

IV. Bildung von Aufsichtsratsausschüssen, Aufsichtsratspräsidium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 739 292 1. Vermittlungsausschuss nach § 27 Abs. 3 MitbestG . . 739 292 2. Ausschüsse nach § 107 Abs. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grenzen der Aufgabendelegation . . . . . . . . . . . . . . c) Einsetzung von Ausschüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Besetzung von Ausschüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Innere Ordnung der Ausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . f) Informationssystem und Ausschüsse . . . . . . . . . . . aa) Informationsansprüche des Ausschusses . . . . . bb) Informationsansprüche des Plenums . . . . . . . .

743 743 745 752 755 762 771 771 775

293 293 294 296 297 300 306 306 307

XXV

Inhaltsverzeichnis Rn. Seite

cc) Informationsansprüche einzelner Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 782 308 3. Aufsichtsratspräsidium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 786 310

§ 12 Rechte und Pflichten der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder I. Gleichheit und Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 821 313 II. Die Rechte der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder . . . 823 314 1. Aufsichtsratsinterne Mitwirkungsbefugnisse . . . . . . 824 315 2. Rechte gegenüber anderen Gesellschaftsorganen . . . . 829 316 3. Rechte auf Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ergänzung des unvollständig besetzten Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Richtige Zusammensetzung des Aufsichtsrats . . . c) Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Beschlüssen der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unwirksamkeit von Beschlüssen des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Durchsetzung von subjektiven Organrechten . . . . f) Klagebefugnis anstelle des Aufsichtsrats? . . . . . . . g) Klagebefugnis aus persönlichen Ansprüchen, insbesondere auf Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Persönliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsverhältnis zur Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . b) Allgemeine Vergütungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . c) Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Erfolgsorientierte Vergütung von Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aktienkursorientierte Vergütung . . . . . . . . . . . . . . b) Dividendenorientierte Vergütung . . . . . . . . . . . . . . c) Von Unternehmenskennziffern abhängige Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Beraterverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsbereich der §§ 113, 114 AktG . . . . . . c) Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Auftrag durch den Aufsichtsrat selbst . . . . . . . . . . e) Beraterverträge in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Beraterverträge im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVI

831 317 833 317 835 319 836 319 837 320 838 321 840 322 841 322 842 842 843 845

322 322 323 324

848 326 849 327 855 328 857 329 858 858 859 863 865 868 871

329 329 330 333 334 335 336

Inhaltsverzeichnis Rn. Seite

g) Beraterverträge mit einer dem Aufsichtsratsmitglied verbundenen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . h) Rückgewähr ungerechtfertigter Vergütungen . . . . i) Offenlegung der Beraterverträge und ihres Inhalts . 7. Drittgeschäfte mit Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . . . a) Kreditierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonstige Drittgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Pflichten und Pflichtenkollisionen der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . a) Pflicht zur Mitarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pflicht zur Urteilsbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insbesondere: Pflicht zur persönlichen Urteilsbildung über die Eignung des Vorstands . . . . . . . . . d) Organisationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Informationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Prüfungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Pflicht zum Einschreiten bei Anhaltspunkten für eine Pflichtverletzung des Vorstands . . . . . . . .

876 877 878 879 879 880

338 338 339 339 339 340

885 885 886 887

342 342 342 342

888 889 890 891

343 343 343 344

892 344

2. Die Verpflichtung auf das Wohl der Gesellschaft . . . . 893 344 3. Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . b) Unterschiedliche Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fallgruppenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einfache Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . bb) Pflichtenkollisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat . . . (2) Konflikte im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Konflikte von Repräsentanten öffentlicher Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Konflikte durch Beteiligung von Bankenvertretern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Insbesondere: Interessenkonflikte bei Übernahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Freundliche Übernahme . . . . . . . . . . . . . . . (2) Feindliche Übernahme . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Bankenvertreter bei feindlichen Übernahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Der Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

894 895 896 897 904 904 907 907 911

346 346 347 347 349 349 350 350 352

914 353 915 354 918 354 919 355 920 355 924 356 926 357 929 358

4. Gerichtliche Abberufung aus wichtigem Grund . . . . 930 358

XXVII

Inhaltsverzeichnis

§ 13 Haftung der Aufsichtsratsmitglieder

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I. Haftung der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft (Innenhaftung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 981 361 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 981 361 2. Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 984 a) Sorgfaltsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 984 aa) Amtspflichten des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . 985 bb) Mitwirkungspflichten der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . 993 cc) Überwachungsverpflichtung und Ausschusstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 998 b) Treuepflicht und Verschwiegenheitspflicht . . . . . . 1001

361 361 362 368 369 370

3. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1005 372 4. Beweislastumkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1009 374 5. Haftungsausschlüsse und -einschränkungen . . . . . . . 1010 a) Mitwirkung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . 1010 b) Verzicht, Vergleich, Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . 1011 c) Haftungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1012

374 374 375 375

6. Durchsetzung des Ersatzanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . 1013 a) Zuständigkeit und Handlungspflicht des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1013 b) Anspruchsverfolgung durch die Hauptversammlung oder eine Aktionärsminderheit . . . . . . 1014 c) Anspruchsverfolgung durch einzelne Aktionäre und Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1016

376 376 376 378

II. Haftung der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber Dritten (Außenhaftung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1018 378 1. Haftung gegenüber Aktionären . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1019 379 2. Haftung gegenüber Anlegern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1021 380 3. Haftung gegenüber Gesellschaftsgläubigern und sonstigen Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1023 381 III. D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1024 382

XXVIII

Inhaltsverzeichnis

§ 14 Ersatzmitglieder des Aufsichtsrats

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I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1029 387 II. Bestellung des Ersatzmitglieds und Nachrücken in den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1030 387 III. Ausscheiden des Ersatzmitglieds und Vermeidung des Nachrückfalles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1034 389 1. Entziehende Nachwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1035 390 2. Überholende Nachwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1037 391 IV. Rechte und Pflichten des Ersatzmitglieds . . . . . . . . . . 1038 392

§ 15 Der Pflichtaufsichtsrat einer GmbH I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1091 393 II. Voraussetzungen für die Pflicht zur Bildung eines Aufsichtsrats – Größenmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . 1095 394 1. Nach dem Drittelbeteiligungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . 1096 394 2. Nach dem Mitbestimmungsgesetz 1976 . . . . . . . . . . . 1098 394 3. Nach dem Montan-Mitbestimmungsgesetz und Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetz . . . . . . . . 1099 395 4. Nach dem Investmentgesetz und für Unternehmen von öffentlichem Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1100 395 5. Maßgebende Arbeitnehmerzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . 1101 396 6. Arbeitnehmerbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1102 396 7. Feststellung des einschlägigen Aufsichtsratssystems 1110 399 III. Die Leitungsstruktur in der GmbH mit Pflichtaufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1114 401 IV. Aufgaben und Kompetenzen des Pflichtaufsichtsrats in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1116 402 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1116 402 2. Die Überwachung der Geschäftsführung . . . . . . . . . . 1118 a) Der Überwachungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1118 b) Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1122 c) Einwirkungsmöglichkeiten auf die Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1124

402 402 404 406

XXIX

Inhaltsverzeichnis Rn. Seite

3. Prüfung des Jahresabschlusses und Erteilung des Prüfungsauftrags an den Abschlussprüfer . . . . . . . . . . 1131 409 4. Besetzung der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1132 a) Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer . . 1132 aa) Paritätisch mitbestimmte GmbH . . . . . . . . . . . 1132 bb) Drittelmitbestimmte GmbH nach DrittelbG . 1134 b) Anstellungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1135 aa) Paritätisch mitbestimmte GmbH . . . . . . . . . . . 1135 bb) Drittelmitbestimmte GmbH nach DrittelbG . 1137 c) Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1138 d) Organisationskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1139 aa) Paritätisch mitbestimmte GmbH . . . . . . . . . . . 1139 bb) Drittelmitbestimmte GmbH nach DrittelbG . 1144 e) Bestellung von Prokuristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1145 aa) Paritätisch mitbestimmte GmbH . . . . . . . . . . . 1145 bb) Drittelmitbestimmte GmbH nach DrittelbG . 1147

409 409 409 410 411 411 412 412 412 412 414 414 414 415

5. Mitwirkung auf Gesellschafterebene . . . . . . . . . . . . . 1148 415 a) Paritätisch mitbestimmte GmbH . . . . . . . . . . . . . . 1148 415 b) Drittelmitbestimmte GmbH nach DrittelbG . . . . 1152 417 6. Innere Organisation des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . 1153 417 a) Paritätisch mitbestimmte GmbH . . . . . . . . . . . . . . 1153 417 b) Drittelmitbestimmte GmbH nach DrittelbG . . . . 1154 417 7. Rechte und Pflichten des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1155 418 8. Das besondere Weisungsrecht der AnteilseignerVertreter im Aufsichtsrat aus § 32 MitbestG . . . . . . . 1156 418

§ 16 Der freiwillige (fakultative) Aufsichtsrat in der GmbH I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1181 421 II. Die Einrichtung und Ordnung des fakultativen Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1183 421 1. Einrichtung durch Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1183 421 2. Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1184 422 3. Zusammensetzung des fakultativen Aufsichtsrats . . 1186 422 4. Persönliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1191 423 5. Altersregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1196 424 6. Bestellung und Abberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1198 425 XXX

Inhaltsverzeichnis Rn. Seite

7. Ersatzmitglieder und Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1202 426 8. Befugnisse: Rechte und Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . 1204 427 9. Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . 1212 431 10. Information des Aufsichtsrats und Pflicht zur Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1215 431 11. Interne Ordnung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . 1217 432 12. Aufhebung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1224 434 13. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1226 435

§ 17 Besonderheiten des Aufsichtsrats in der Genossenschaft I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1251 437 1. Der Aufsichtsrat der Genossenschaft nach dem Reformgesetz von 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1251 437 2. Einrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1252 437 3. Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1253 438 4. Die Rechte und Pflichten nach den Regeln des GenG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1257 439 II. Die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1258 439 1. Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1258 439 2. Information des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1260 a) Die regelmäßige Information . . . . . . . . . . . . . . . . . 1260 b) Zustimmungsvorbehalte und Vorlageberichte . . . . 1263 c) Einsichts- und Untersuchungsrechte . . . . . . . . . . . 1265 d) Prüfungsbericht des Verbandsprüfers . . . . . . . . . . . 1266 e) Sonderberichte und angeforderte Berichte . . . . . . . 1269

440 440 441 442 442 443

3. Information, Geheimhaltung und Vertraulichkeit . . . 1270 443 4. Ausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1271 444 5. Bestellung und Abberufung des Vorstands . . . . . . . . . 1272 444 a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1272 444 b) MitbestG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1273 445 6. Vertretung der Genossenschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1274 445 7. Pflichtverletzung und Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1275 446

XXXI

Inhaltsverzeichnis Rn. Seite

III. Die Generalversammlung als Überwachungsorgan . . 1276 446 1. Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1277 446 2. Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1278 447 a) Die Generalversammlung als Willensbildungsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1278 447 b) Die Generalversammlung „als Überwachungsorgan“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1279 448 3. Rechte und Pflichten des einzelnen Mitglieds . . . . . . 1280 448 4. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1281 448 5. Meinung Beuthien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1282 449

§ 18 Der Aufsichtsrat in der KGaA I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1301 451 II. Zusammensetzung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . 1302 452 III. Keine Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1305 453 IV. Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats in der KGaA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1309 1. Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1309 a) Umfang der Überwachung und Veränderbarkeit . . 1310 b) Information des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . 1311 c) Einwirkungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1313 d) Unterrichtung durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . 1315

454 454 454 455 455 456

2. Zustimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1316 457 3. Erlass einer Geschäftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1319 458 4. Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Komplementären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1320 458 5. Vertretung der Kommanditaktionäre . . . . . . . . . . . . . 1322 459 6. Ausführungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1323 460 7. Börsennotierte KGaA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1325 461 V. Besonderheiten der gesetzesuntypischen KGaA . . . . . 1326 461 1. Ausgestaltungsmöglichkeiten durch die Satzung . . . . 1326 461 2. Insbesondere: Die Kapitalgesellschaft und Co. KGaA 1329 462 VI. Fakultative Gremien in der KGaA . . . . . . . . . . . . . . . 1330 463 VII. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1333 465 XXXII

Inhaltsverzeichnis

§ 19 Das Aufsichtsorgan in der SE mit Sitz in Deutschland

Rn. Seite

I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1351 467 II. Die Grundstrukturen des Aufsichtsorgans in der dualistischen SE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1352 468 III. Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1355 469 IV. Zusammensetzung und Organisation . . . . . . . . . . . . . 1357 469 1. Zusammensetzung des Aufsichtsorgans . . . . . . . . . . . 1357 469 2. Abberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1361 470 3. Amtszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1362 471 4. Vorsitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1364 472 5. Geschäftsordnung für das Aufsichtsorgan, Beschlussfassung und Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . 1365 472 6. Wahrnehmung der Geschäftsleitung durch Mitglieder des Aufsichtsorgans . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1369 473 7. Zahl der Sitzungen, Einberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1371 474 8. Ausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1372 474 V. Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1373 474 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1374 475 2. Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1375 a) Information des Aufsichtsorgans gemäß Art. 41 SE-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1376 b) Information des Aufsichtsorgans im Konzern . . . . 1385 c) Berichtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1386

475 475 478 479

3. Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1387 479 4. Einwirkungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1388 480 a) Zustimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1389 480 b) Geschäftsordnung für Leitungsorgan . . . . . . . . . . . 1391 481 VI. Bestellung/Anstellung/Abberufung des Leitungsorgans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1392 481 VII. Vertretung der Gesellschaft gegenüber Leitungsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1395 482 VIII. Bilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1396 482 IX. Erklärung zum Deutschen Corporate Governance Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1397 483

XXXIII

Inhaltsverzeichnis Rn. Seite

X. Rechte und Pflichten des einzelnen Mitglieds . . . . . . 1398 483 1. Persönliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1399 483 2. Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1400 484 3. Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1401 485 XI. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1402 485

§ 20 Besonderheiten des Aufsichtsrats in Unternehmen der öffentlichen Hand I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1421 487 II. Zusammensetzung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . 1423 488 III. Weisungsfreiheit und Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1425 489 IV. Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1429 492 Anhang: Die Vergütungen der Aufsichtsrats- bzw. Aufsichtsorganmitglieder der DAX 30 Unternehmen . . . . . . . . .

496

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

507

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

545

XXXIV

Abkürzungsverzeichnis a.A ABl. Abs. AcP a.E. a.F. AG AGG AktG Allg. AN Anm. AP arg. Art. Aufl. Aufsichtsrat AüG AuR BAG BayObLG BB BBG Bd. Begr. RegE BetrVG BFuP BGB BGE BGH BGHZ BilMoG

anderer Ansicht Amtsblatt Absatz Archiv für die civilistische Praxis am Ende alte Fassung Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift), Aktiengesellschaft, Amtsgericht Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Aktiengesetz Allgemein(e, -er, -es) Arbeitnehmer Anmerkung Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts argumentum Artikel Auflage Der Aufsichtsrat (Zeitschrift) Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) Arbeit und Recht (Zeitschrift) Bundesarbeitsgericht Bayrisches Oberstes Landesgericht Der Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bundesbeamtengesetz Band Begründung zum Regierungsentwurf Betriebsverfassungsgesetz Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift) Bürgerliches Gesetzbuch Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz)

XXXV

Abkürzungsverzeichnis

BiRiLiG

Bl. BR BT BVerfGE bzw.

Gesetz zur Durchführung der 4., 7. und 8. Richtlinie des Rates der EG zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanzrichtliniengesetz) Blatt Bundesrat(s) Bundestag(s) Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise

CCZ

Corporate Compliance Zeitschrift

DB DBW d.h. Diss. DJT DrittelbG

Der Betrieb (Zeitschrift) Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift) das heißt Dissertation Deutscher Juristentag Gesetz über die Drittelbeteiligung der arbeitnehmer im Aufsichtsrat (Drittelbeteiligungsgesetz) Drucksache Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Durchführungsverordnung Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

Drucks. DStR DVBl. DVO DZWir EG EHUG Einl. entspr. etc. EU EuroEG EWiR f., ff. FamFG FGG FGG-RG

XXXVI

Europäische Gemeinschaft Gesetz über elektronischeHandelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister Einleitung entsprechend et cetera Europäische Union Gesetz zur Einführung des Euro Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (fort-)folgende Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz; FamFG)

Abkürzungsverzeichnis

Fn. Form. FS

Fußnote Formular Festschrift

GenG

Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Der Gesellschafter (Zeitschrift) Gewerkschaft Grundgesetz gegebenenfalls Gemeinschaftskommentar zum Mitbestimmungsgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) Geschäftsordnung Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift)

GesRZ GewS GG ggf. GK-MitbestG GmbH GmbHG GmbHR GO GRUR Hdb. HGB h.L. h.M. HRefG Hrsg. HS

Handbuch Handelsgesetzbuch herrschende Lehre herrschende Meinung Gesetz zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrechts und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften Herausgeber Halbsatz

incl. insbes. InvG i.S. (d., v.) i.V.m.

inclusive insbesondere Investmentgesetz im Sinne (des, von) in Verbindung mit

JA Jura JZ

Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Jura (Zeitschrift) Juristenzeitung (Zeitschrift)

KAGG KapAEG

Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften Gesetz zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Konzerne an Kapitalmärkten und zur Erleichterung der Aufnahme von Gesellschafterdarlehen (Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz) Kommentar (zum)

Komm.

XXXVII

Abkürzungsverzeichnis

KonTraG

Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich

LG LKV

Landgericht Länder- und Kommunalverwaltung (Zeitschrift)

MitbestErgG

Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie MitbestG Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz) MitbestGespr. Das Mitbestimmungsgespräch (Zeitschrift); ab 1982: Die Mitbestimmung MoMiG Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen MontanMitbestErgG s. MitbestErgG MontanMitbestG Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie m.w.N./Nachw. mit weiteren Nachweisen NaStraG n.F. NJW Nr. NVersZ NZG

Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (Namensaktiengesetz) neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Nummer Neue Zeitschrift für Versicherung und Recht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

OHG ÖJZ OLG

Oberster Gerichtshof (Österreich) Österreichische Juristenzeitung (Zeitschrift) Oberlandesgericht

RdA RdW RegE RGBl. RGZ

Recht der Arbeit (Zeitschrift) Recht der Wirtschaft (österr. Zeitschrift) Regierungsentwurf Reichsgesetzblatt Entscheidung des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Randnummer

RIW Rn.

XXXVIII

Abkürzungsverzeichnis

S. SAG SE SEAG

SEBG SJZ sog. StGB str. StückAG SZW TransPuG TUG

u. u.a. u.Ä. u.E. UMAG

Seite, Siehe Die schweizerische Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Societas Europaea (Europäische Gesellschaft) Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statur der Europäischen Gesellschaft (SE) (SE-Ausführungsgesetz) Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SE-Beteiligungsgesetz) Schweizerische Juristen-Zeitung sogenannt(e, -er, -es, -en) Strafgesetzbuch streitig Gesetz über die Zulassung von Stückaktien (Stückaktiengesetz) Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz)

umstr. usw. u.U.

und und andere, unter anderem und Ähnlich(en, -er, -es) unseres Erachtens Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts umstritten und so weiter unter Umständen

v. VAG VerwArch vgl.

vom, von Versicherungsaufsichtsgesetz Verwaltungsarchiv (Zeitschrift) vergleiche XXXIX

Abkürzungsverzeichnis

VGR VO Vorb./Vorbem.

Gesellschaftsrechtliche Vereinigung Verordnung Vorbemerkung

WGG

Gesetz über die Gemeinnützigkeit im Wohnwesen Wirtschaftsrechtliche Beratung (Zeitschrift) Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift) weitere Nachweise Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen nach dem Wertpapierhandelsgesetz (Wertpapierhandelsanzeige und Insiderverzeichnisverordnung) Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) Wertpapierhandelsgesetz Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Entscheidungssammlung zum Wirtschaftsund Bankrecht

WiB WM w.N. WpA/V

WPg WpHG WpÜG WuB z.B. ZCG ZfA ZfB ZfbF ZfgG ZfO ZGR ZHR Ziff. ZIP zit. ZPO z.T. ZZP

XL

zum Beispiel Zeitschrift für Corporate Governance Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Betriebswirtschaft Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen Zeitschrift für Organisation Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zivilprozessordnung zum Teil Zeitschrift für Zivilprozess

§1 Übersicht I. Der Aufsichtsrat als spezielles Element der deutschen Unternehmensverfassung 1. Einführung Keine Figur des Unternehmensrechts hat die Phantasie und die Ge- 1 müter von Fachleuten und Laien im In- und Ausland in den letzten 50 Jahren so sehr beschäftigt wie der Aufsichtsrat. Dabei ist er eine schon über 100 Jahre zurückreichende Erfindung des deutschen Rechts1, wie dann auch – in ganz konsequenter Weise – die Mitbestimmung im Aufsichtsrat eine deutsche Erfindung wurde2; gerade sie hat den Aufsichtsrat seit 1950 ins Zentrum des politischen und gesellschaftlichen Interesses am Unternehmensrecht gerückt und auch international (Schweden, Dänemark, Niederlande, Luxemburg, Österreich) einige Erfolge gehabt3. Auch die Kommission der EU hat seit Beginn ihrer Bemühungen um eine Angleichung der nationalen Gesellschaftsrechte in Europa Vorschläge für eine „Europäisierung“ der Mitbestimmung in der EU ausgearbeitet4 und sogar das Projekt „Europäische Aktiengesellschaft“ verwirklicht5 – allerdings ohne ei-

1 Zur Entstehungsgeschichte vgl. Wiethölter, Interessen und Organisation, S. 270 ff. und Hommelhoff in Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, S. 53, 91 ff. sowie eingehend Jan Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, S. 65 f. und Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, 2007. 2 Erstmals eingeführt im Betriebsräte-Gesetz von 1920. 3 Vgl. dazu H. Hoffmann, Mitbestimmung für Arbeitnehmer in Gesellschaftsorganen und grenzüberschreitenden Unternehmenszusammenschlüssen der Europäischen Gemeinschaft, Diss. Bonn 1976. 4 Zur Entwicklung vgl. Kolvenbach, Mitbestimmungsprobleme im gemeinsamen Markt, 1991, S. 22 ff.; Schwarz, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 25 ff. und S. 643 ff. sowie die Arbeiten an der 5. Richtlinie, abgedruckt bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, 3. Aufl. 1991, S. 233 ff. 5 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. 10. 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. EG Nr. L 294 vom 10. 11. 2001, S. 1 ff.; Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. 10. 2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer, ABl. EG Nr. L 294, S. 22 ff. (im Internet abrufbar unter www.eur-lex.europa.eu) sowie das Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SEEG) vom 22.12.2004, BGBl. I 2004, 3675 mit seinen beiden Teilen SE-Ausführungsgesetz (SEAG) und dem SE-Beteiligungsgesetz (SEBG), das die oben zit. Richtlinie umsetzt. Eingehend dazu Lutter in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Einleitung.

1

§1

Übersicht

ne Harmonisierung der Mitbestimmung in Europa zu erreichen1. Das alles aber darf nicht darüber hinweg täuschen, dass Aufsichtsrats-Verfassung und Mitbestimmung sich bislang nur im kontinental-europäischen Bereich entwickelt und – höchst teilweise – durchgesetzt haben2. International überwiegt bei weitem die einstufige Organisation der Verwaltung von rechtlich selbständigen Unternehmen des Privatrechts, das sog. board-Modell des anglo-amerikanischen Rechts bzw. das (im Prinzip gleiche) Modell des conseil d’administration des französischen Rechts und seiner Ableger3. In diesen Rechten gibt es denn auch kaum eine etablierte Form der Mitbestimmung. Das gilt insbesondere für Großbritannien und die von ihm beeinflussten Rechte sowie für die USA; dort sind Vertreter der Arbeitnehmer nur ganz selten aufgrund besonderer Vereinbarungen im board vertreten4. 2

Mitglied im Aufsichtsrat, gar Vorsitzender eines Aufsichtsrats zu sein, ist hochbegehrt5, auch wenn die Bezüge wesentlich niedriger liegen als beim Vorstand (siehe zu den Aufsichtsratsbezügen Tabelle 1 Vorrang genießt nach Art. 3 der Richtlinie eine Verhandlungslösung. Wird keine Einigung erzielt, greift nach Art. 7 der Richtlinie eine Auffangregelung ein, nach der die weitestgehende nationale Mitbestimmungsregelung zur Anwendung kommt, die bis zur Gründung des SE in einer der nationalen Gründungsgesellschaften galt; vgl. dazu §§ 4 ff. SEBG einerseits, §§ 34 ff. SEBG andererseits. Es gibt also nicht eine „europäische SE“, sondern eine „deutsche SE“, eine „englische SE“ etc. Vgl. Blanquet, ZGR 2002, 20 ff.; Heinze, ZGR 2002, 66 ff. 2 Kritisch zum deutschen Modell der Trennung von Geschäftsführung und Überwachung Bleicher, ZfbF 1988, 930, 931, 935: Der Aufsichtsrat als „strategische Lücke der Spitzenverfassung deutscher Aktiengesellschaften“. Zur deutlich veränderten Position des Aufsichtsrats heute vgl. unten Rn. 57 ff. 3 Zum einstufigen board-Modell vgl. die gute Darstellung bei Conard, ZGR 1987, 180 ff.; vgl. weiter Henzler in Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Zeitgemäße Gestaltung der Führungsspitze von Unternehmen 1983, sowie Bleicher/ Paul, DBW 1986, 263 ff.; zum Modell des conseil d’administration vgl. Brachvogel, Aktiengesellschaft und Gesellschaftsgruppe im französischen Recht, 1971, S. 55 ff. Ein erstes deutsch-französisches binationales Unternehmen war die Europipe GmbH in Ratingen: Die Mannesmann AG und die französische Usinor-Sacilor S.A. hatten ihre Großröhrenproduktion zusammengelegt und in der Holding – der Europipe GmbH – einen zwölfköpfigen Aufsichtsrat eingerichtet, in dem die Arbeitnehmer durch zwei Vertreter aus Deutschland und zwei aus Frankreich repräsentiert sind, vgl. FAZ vom 10. 9. 1991, S. 23 und Wirtschaftswoche vom 31. 5. 1991, S. 56 f. 4 Vgl. dazu Bleicher/Paul, DBW 1986, 263 ff. 5 Empirische Untersuchungen zur personellen Verflechtung, zu den hauptberuflichen Tätigkeiten, dem Alter und der Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern sowie zur Größe von Aufsichtsräten finden sich bei Schiffels, Aufsichtsrat als Instrument der Unternehmenskooperation, 1998, sowie bei Bleicher, Aufsichtsrat im Wandel, 1987. Eine neue DSW-Aufsichtsratsstudie 2006 zu den DAX-30-Gesellschaften stammt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz und kann unter www.dswinfo.de/DSW-Aufsichtsratstudie-2006.805.0.html abgerufen werden.

2

Element der deutschen Unternehmensverfassung

§1

im Anhang, S. 496 ff.). Was aber hat der Aufsichtsrat eigentlich zu tun, welches sind seine Rechte und Pflichten, welche Funktion hat er und haben seine Mitglieder im unternehmerischen Geschehen der betreffenden Gesellschaft? Wie ist seine Stellung zum Vorstand, wie zum Betriebsrat? Davon soll hier die Rede sein.

2. Die Besonderheiten der sog. dualen Unternehmensverfassung Die Besonderheit besteht zunächst einmal in der schlichten Existenz 3 eines Aufsichtsrats. Das ist nicht selbstverständlich; denn das in der Welt weit überwiegende One Board- oder One Tier-System kennt den Aufsichtsrat nicht und mithin – aus unserer Sicht – nur den Vorstand. Diese anderen Rechte kennen damit auch nicht die speziellen Probleme, die sich aus dem Verhältnis der beiden Organe zueinander ergeben; sie müssen nicht die Frage entscheiden, wer wofür und für welche Entscheidung in der Gesellschaft zuständig ist, wer was vom anderen verlangen kann etc.: alles Fragen, die Gegenstand dieses Buches sind. Im One Tier-System hingegen ist der Vorstand (Verwaltungsrat, board, conseil d’administration) für alle Entscheidungen in der Gesellschaft zuständig, die nicht ausnahmsweise der Hauptversammlung vorbehalten sind. Eine Abgrenzung der Zuständigkeiten ist nicht erforderlich. Im Gegenzug verzichten diese Rechte auf das Element der Aufsicht über den Vorstand – was unserem GmbH-Recht bis zur Grenze von 500 Arbeitnehmern entspricht1.

3. Europa und die Modelle der Unternehmensverfassung Die in Deutschland entwickelte duale Unternehmensverfassung hat 4 einige Gefolgschaft vor allem auf dem europäischen Kontinent gefunden (insbesondere Niederlande, Österreich, Polen und andere einst sozialistische Länder, in Frankreich und Italien wahlweise). Da diese duale Verfassung in vielen Fällen mit der Arbeitnehmer-Mitbestimmung verknüpft ist (dazu oben Rn. 1), führt sie zu großen Schwierigkeiten bei einer Europäisierung der Unternehmensverfassung: 30 Jahre lang stand sie der Europäischen Aktiengesellschaft (dazu oben Rn. 1 mit Fn. 4 und 6) entgegen, und nach wie vor verhindert sie die förmliche internationale Sitzverlegung2. Dabei ist heute längst klar, dass sich der Gedanke an eine einheitliche Unternehmensverfassung 1 Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG (wie früher nach § 77 BetrVG 1952) muss eine GmbH mit mehr als 500 Arbeitnehmern einen Aufsichtsrat bilden; näher dazu Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 21 ff. 2 Vgl. dazu die Arbeiten des 10. Bonner Europa-Symposions, abgedruckt in ZGR 1999, 1 ff.

3

§1

Übersicht

in Europa nicht verwirklichen lässt, es vielmehr nur um eine teilweise Europäisierung unter Aufrechterhaltung wesentlicher Unterschiede gehen kann1. Daher richtet sich die Unternehmensverfassung der AG nach dem nationalen Recht am Sitz der jeweiligen AG; und das Gleiche gilt auch für die übernehmende Gesellschaft nach einer internationalen Verschmelzung gemäß den §§ 122a ff. UmwG2. Demgegenüber erlaubt Art. 38 der SE-VO den Gründern einer SE die Wahl zwischen der monistischen (board-)Verfassung oder der dualistischen (Vorstand – Aufsichtsrat-)Verfassung3.

4. Die Arbeit der Regierungskommission „Corporate Governance“ 5

Am 29. Mai 2000 wurde von der Bundesregierung die Kommission „Corporate Governance – Unternehmensführung – Unternehmenskontrolle – Modernisierung des Aktienrechts“ eingesetzt. Diese erhielt den Auftrag, sich mit möglichen Defiziten des deutschen Systems der Unternehmensführung und -kontrolle auseinanderzusetzen. Im Rahmen dieses Auftrags hat sich die Corporate Governance-Kommission unter anderem mit der Frage nach einer verbesserten und effektiveren Überwachung der Unternehmensleitung durch den Aufsichtsrat befasst. Die in diesem Zusammenhang von der Regierungskommission in ihrem Abschlussbericht vom 12. Juli 20014 ausgesprochenen Empfehlungen finden an den betreffenden Stellen des vorliegenden Buches Erwähnung. Bei diesen Empfehlungen handelt es sich nur zum Teil um Vorschläge zur Änderung des zwingenden Aktienrechts, der Großteil sind vielmehr Regelungsvorschläge, die in den deutschen Corporate Governance Kodex aufgenommen werden sollen, den zu erstellen die Kommission vorgeschlagen hat.

5. Der „Deutsche Corporate Governance Kodex“ 6

Dieser Kodex guter Unternehmensführung ist von einer weiteren, von der Bundesjustizministerin eingesetzten Kommission erarbeitet, verabschiedet und im Bundesanzeiger veröffentlicht worden5. 1 Signifikant dafür ist die Geschichte der sog. EU-Strukturrichtlinie, bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 171 ff. 2 Dazu Bayer in Lutter, Komm. UmwG, §§ 122a ff. 3 Dazu Teichmann in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 38 Rn. 14 ff. 4 Der Bericht ist veröffentlicht: Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001. 5 Der Kodex ist unter www.corporate-governance-code.de immer aktuell abrufbar; vgl. dazu auch Seibert, BB 2002, 581 sowie Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Komm. Kodex, Rn. 119 ff. und Peltzer, Leitfaden, Rn. 22 ff.

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Der Aufsichtsrat als Pflichtorgan

§1

Der Kodex enthält zunächst einmal und zu 50 % seines Textes Hinweise auf das geltende Recht, insbesondere bezüglich Vorstand und Aufsichtsrat, zu 40 % aber insgesamt 80 Empfehlungen, die über das geltende Recht hinausgehen, und zu etwa 10 % unverbindliche Anregungen. Die einzelnen Teile des Kodex unterscheiden sich nur sprachlich. So sind Empfehlungen im Text des Kodex durch die Verwendung des Wortes „soll“ gekennzeichnet, während die unverbindlichen Anregungen mit „sollte“ oder „kann“ bezeichnet sind. Die sprachlich nicht weiter gekennzeichneten Teile des Kodex beinhalten das geltende Gesetzesrecht. Der Kodex selbst ist kein Gesetz. Doch müssen Vorstand und Aufsichtsrat (nur) einer börsennotierten Aktiengesellschaft nach § 161 AktG jährlich erklären, ob sie die Empfehlungen des Kodex eingehalten haben und einhalten werden oder ob und wo sie abgewichen sind und abweichen werden. Aber auch diese Erklärung führt nicht zu einer Verbindlichkeit; denn Vorstand und Aufsichtsrat können jederzeit und mithin auch „unterjährig“ ihre Meinung ändern, müssen das dann aber auch umgehend publizieren1. Die Empfehlungen des Kodex an den Aufsichtsrat sind in diesem Buch ausdrücklich berücksichtigt.

II. Der Aufsichtsrat als Pflichtorgan Der Aufsichtsrat ist Organ in bestimmten Gesellschaften. Seine Exis- 7 tenz in der konkreten einzelnen Gesellschaft beruht entweder auf Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag oder auf Gesetz; nur von diesem letzteren, dem gesetzlichen Pflicht-Aufsichtsrat soll hier zunächst2 gesprochen werden. Ein solcher Aufsichtsrat ist kraft Gesetzes Pflichtorgan in allen Aktiengesellschaften, allen Genossenschaften sowie in allen solchen Gesellschaften mbH, die der MontanMitbestimmung unterliegen3 oder Kapitalanlagegesellschaften (§ 6 Abs. 2 InvG) sind oder mehr als 500 (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG) oder 2000 (§ 1 MitbestG) Arbeitnehmer haben.

1 Zu dieser Entsprechens-Erklärung des Aufsichtsrats siehe unten Rn. 491 ff., zu den Risiken für den Fall, dass die Erklärung abgegeben, aber die Empfehlungen des Kodex doch nicht befolgt werden, siehe unten Rn. 981 ff. 2 Siehe aber zum fakultativen Aufsichtsrat in der GmbH unten Rn. 1181 ff. 3 1980 existierten zwei solche GmbHs, vgl. Säcker/Theisen in Säcker/Zander, Mitbestimmung und Effizienz, S. 165. Derzeit unterliegt aber offenbar keine GmbH mehr der Montan-Mitbestimmung.

5

§1

Übersicht

III. Die Zusammensetzung des Aufsichtsrats 8

Der Aufsichtsrat ist immer Kollegialorgan mit mindestens drei Mitgliedern. Seine Zusammensetzung regelt sich auf höchst unterschiedliche Weise. – In den wenigen Montan-Gesellschaften nach dem MontanMitbestG1: je gleiche Zahlen von Vertretern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer bzw. ihnen nahestehender Personen sowie eines Neutralen; sog. 11., 15. oder 21. Mann (§§ 4, 9 MontanMitbestG; § 5 MitbestErgG). – In Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien sowie Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit mehr als 500, aber weniger als 2000 Arbeitnehmern nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG: je 2/3 Anteilseigner-Vertreter und 1/3 Arbeitnehmer-Vertreter. – In den Gesellschaften mit mehr als 2000 Arbeitnehmern nach dem MitbestG2: je gleiche Zahl von Anteilseigner- und ArbeitnehmerVertretern (§ 7 MitbestG)3. – In den verbleibenden Aktiengesellschaften mit weniger als 500 Arbeitnehmern: nur Anteilseigner-Vertreter (§§ 95, 96 AktG).

IV. Wahl und Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder 9

Die Wahl und Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder ist außerordentlich vielfältig und kompliziert und nicht Gegenstand dieses Buches; eine kurze Übersicht muss daher genügen. Dabei muss in 1 Die am 1.1.1989 in Kraft getretene Änderung des MitbestErgG sieht in § 3 Abs. 2 Satz 1 vor, dass Unternehmen so lange der Montanmitbestimmung unterliegen, wie die Montantätigkeit noch 20 % beträgt oder mehr als 2000 AN im Montanbereich tätig sind. Für Unternehmen, die bisher nicht montan-mitbestimmungspflichtig waren, liegt die Schwelle erst bei sechs Geschäftsjahren und über 50 % Montantätigkeit, § 16 Abs. 1 Nr. 1 MitbestErgG. Die unterschiedlichen Voraussetzungen für das Eingreifen des MitbestErgG haben zu Bedenken hinsichtlich Art. 3 Abs. 1 GG geführt, die aber vom BVerfG in seiner Entscheidung vom 2.3.1999 – 1 BvL 2/91, BVerfGE 99, 367 abgelehnt worden sind. 2 Zahlenangaben und Einzelheiten zu den Unternehmen, die unter das MitbestG fallen, finden sich in Die Mitbestimmung 2002, 75: per 31. 12. 2001 insgesamt 388 Aktiengesellschaften und 325 GmbH. Am 31.12.2006 waren 319 von insgesamt rd. 15 000 bestehenden Aktiengesellschaften paritätisch mitbestimmt; vgl. Die Mitbestimmung 2007, 70. 3 Vgl. zum Problem der Doppelvertretung von Arbeitnehmern, wenn sie nach dem MitbestG und als Inhaber von Belegschaftsaktien Aufsichtsratsmitglieder wählen, Etzel, Die Doppelvertretung der Belegschaftsaktionäre im mitbestimmten Aufsichtsrat, 1991, S. 127 ff., 149 ff.

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Wahl und Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder

§1

erster Linie danach unterschieden werden, ob es sich um Vertreter der Arbeitnehmer oder um solche der Anteilseigner handelt.

1. Wahl der Arbeitnehmer-Vertreter Die Wahl der Arbeitnehmer-Vertreter regelt sich nach den Besonderheiten des betreffenden Gesetzes, auf dem die Mitbestimmung in der fraglichen Gesellschaft beruht.

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Montan-Mitbestimmung: Die Arbeitnehmer-Vertreter werden vom Betriebsrat vorgeschlagen und durch das Wahlorgan, also die Hauptversammlung oder die Gesellschafterversammlung, gewählt; dieses aber ist an die Vorschläge gebunden, die sog. Wahl eine reine Formalie (§ 6 Abs. 1, 6 MontanMitbestG).

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Auch die Abberufung erfolgt nur auf Vorschlag des Betriebsrates mit der Maßgabe, dass für die Abstimmung im Wahlorgan eine ¾-Mehrheit erforderlich ist (§ 11 MontanMitbestG). Die Wahl des Neutralen geschieht durch das Wahlorgan auf Vorschlag des Aufsichtsrats selbst (also praktisch durch Kooptation der 10, 14 oder 20 Arbeitnehmerund Anteilseignervertreter, § 8 Abs. 1 MontanMitbestG). Drittelbeteiligungsgesetz: Die Wahl der Arbeitnehmervertreter er- 12 folgt unmittelbar durch alle Arbeitnehmer der betreffenden Gesellschaft bzw. des Konzerns (§§ 2 und 5 DrittelbG); das Gleiche gilt für die Abberufung mit der Maßgabe, dass dafür auch hier eine ¾-Mehrheit erforderlich ist (§ 12 DrittelbG). MitbestG: Die Wahl erfolgt unmittelbar durch die Belegschaft oder mittelbar durch gewählte Delegierte (§ 9 MitbestG); das Gleiche gilt für die Abberufung mit der Maßgabe, dass hierfür erneut eine ¾-Mehrheit erforderlich ist (§ 23 MitbestG).

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2. Wahl der Anteilseigner-Vertreter Die Wahl der Anteilseigner-Vertreter bestimmt sich nach der Rechts- 14 form: Aktiengesellschaft, Genossenschaft oder GmbH. In der AG ist für die Wahl der Anteilseigner-Vertreter nur die Hauptversammlung zuständig, für die Abberufung mit der Maßgabe, dass eine ¾-Mehrheit erforderlich ist (§ 103 Abs. 1 Satz 2 AktG). Die Satzung kann bestimmten Aktionären (ad personam) ein Entsendungsrecht in den Aufsichtsrat einräumen, jedoch höchstens für ein Drittel der Anteilseigner-Vertreter, de facto also höchstens für drei Sitze. Von dieser Möglichkeit wird nur selten und dann vor allem in gemischtwirtschaftlichen Unternehmen mit staatlicher oder kommunaler Beteiligung Gebrauch gemacht (z.B. VW; Hamburgische Elektrizitätswerke AG – HEW). Kürzlich wurde die Satzung der rein privatwirt7

§1

Übersicht

schaftlichen ThyssenKrupp AG geändert und der mit mehr als 25 % beteiligten Krupp-Stiftung ein Entsenderecht für drei Sitze eingeräumt. Die Abberufung erfolgt dann ebenfalls durch den Entsendungsberechtigten. 15

In der Genossenschaft werden die Anteilseigner-Vertreter durch die Mitgliederversammlung oder durch die Vertreterversammlung gewählt und abberufen; für letztere ist wiederum eine qualifizierte Mehrheit von ¾ erforderlich. Ein Entsendungsrecht kennt das Genossenschaftsrecht nicht.

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Die Wahl der Anteilseigner-Vertreter in der GmbH erfolgt durch die Gesellschafterversammlung. Doch ist die Satzung hier frei, die Zuständigkeit zur Wahl einem anderen Organ (z.B. Gesellschafterausschuss, Beirat, auch Kooptation durch den Aufsichtsrat selbst) oder einzelnen Gesellschaftern ein Entsendungsrecht zum Aufsichtsrat einzuräumen oder sie selbst schon in der Satzung als Aufsichtsratsmitglieder zu bestimmen. Für die Abberufung gelten die gleichen Grundsätze; ist in der Satzung nichts Besonderes geregelt, so findet § 103 AktG entsprechende Anwendung, d.h. zur Abberufung ist dann eine ¾-Mehrheit erforderlich.

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Absprachen unter den Aktionären/Gesellschaftern/Genossen bei Wahlen zum Aufsichtsrat (sog. Wahlvereinbarungen) sind weit verbreitet und zulässig1. Darin liegt kein sog. acting in concert nach § 30 Abs. 2 WpÜG, so dass deswegen jedenfalls kein Übernahmeangebot abgegeben werden muss2.

3. Ersatzmitglieder des Aufsichtsrats 18

Aus den verschiedensten Gründen können Aufsichtsratsmitglieder während einer Wahlperiode wegfallen; das würde dann das gesetzliche Gleichgewicht insbesondere bei der paritätischen Mitbestimmung nach Montan-Recht und MitbestG sehr stören. Die Einberufung einer außerordentlichen Wahlversammlung (Hauptversammlung, Betriebsversammlung) aber ist zeitaufwändig, kompliziert und teuer; die Möglichkeit der Ersatzbestellung durch das Registergericht nach § 104 AktG ist in aller Regel unerwünscht. Daher hat sich in unterschiedlichem Maße die Wahl von Ersatzmitgliedern für weggefallene Aufsichtratsmitglieder herausgebildet; sie ist im Gesetz ausdrücklich zugelassen (§ 101 Abs. 3 AktG; näher dazu unten Rn. 1030 ff.).

1 BGH v. 29.5.1967 – II ZR 105/66, BGHZ 48, 163; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 101 Rn. 25 ff. mit allen Nachw. 2 BGH v. 18.9.2006 – II ZR 137/05, BGHZ 169, 98 = BB 2006, 2432 = AG 2006, 883.

8

Persönliche Voraussetzungen der Mitgliedschaft

§1

V. Persönliche Voraussetzungen der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat 1. Allgemeines Mitglied des Aufsichtsrats kann jede natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige und nicht betreute Person sein (§ 100 Abs. 1 AktG). Eine GmbH kann also ebenso wenig Mitglied des Aufsichtsrats sein wie ein Minderjähriger. Darüber hinaus sind einzelne Personen vom Amt des Aufsichtsrats in wenigen weiteren Fällen ausgeschlossen, nämlich vor allem, wenn sie

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– Mitglied des geschäftsführenden Organs der betreffenden Gesellschaft selbst sind (Unvereinbarkeit von Vorstands- bzw. Geschäftsführer- und Aufsichtsrats-Amt) oder eine solche Position in einer von dieser abhängigen anderen Gesellschaft haben oder Prokurist, Generalbevollmächtigter oder Generalhandlungsbevollmächtigter der Gesellschaft sind (§§ 100 Abs. 2 Nr. 2, 105 Abs. 1 AktG), – schon in zehn anderen Gesellschaften mit einem Pflicht-Aufsichtsrat Mitglied des Aufsichtsrats sind (§ 100 Abs. 2 Nr. 1 AktG), wobei bis zu fünf Mandate in Aufsichtsräten von Konzerngesellschaften nicht angerechnet werden, so dass eine Person in solchen Fällen bis zu 15 Mandate wahrnehmen kann (§ 100 Abs. 2 Satz 2 AktG), während der Vorsitz in Aufsichtsräten doppelt gerechnet wird (§ 100 Abs. 2 Satz 3 AktG)1, sowie – in den Fällen der Überkreuzverflechtung des § 100 Abs. 2 Nr. 3 AktG. Die Mitgliedschaft von Arbeitnehmern gleichzeitig im Betriebsrat und im Aufsichtsrat ist hingegen nicht nur erlaubt, sondern zweckmäßig und oft geübt.

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2. Unvereinbarkeit Über die soeben zu 1. genannten Fälle (Rn. 19) hinaus kennt das Gesetz keine weiteren Regeln zur Unvereinbarkeit. Daraus schließt die herrschende Lehre, dass es auch in naheliegenden anderen Fällen wie insbesondere bei Aufsichtsratsmitgliedern in Konkurrenzgesellschaften keinen Ausschluss vom Amt gebe. Die herrschende Lehre akzep-

1 Der Kodex empfiehlt in Ziff. 5.4.3 eine Höchstzahl von 5 Aufsichtsrats-Sitzen in börsennotierten Gesellschaften.

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21

§1

Übersicht

tiert also, dass dieselbe Person Aufsichtsrat von Daimler und Audi1, von Siemens und Bosch, von Kaufhof und Karstadt sein kann2. 22

Dem können wir für Unternehmen nicht folgen, bei denen eine Konkurrenzsituation in ihren zentralen Tätigkeitsbereichen besteht3. Vielmehr ist in einem solchen Fall Amtsunfähigkeit in Bezug auf die zeitlich spätere Wahl gegeben4. Jedes Aufsichtsratsmitglied ist aus dem Gesichtspunkt ordnungsgemäßer Amtsführung (§ 116 Satz 1 AktG) verpflichtet, das Wohl „seiner“ Gesellschaft zu fördern. Das Wohl zweier miteinander im Wettbewerb stehender Unternehmen in gleicher Weise zu fördern, ist aber schwerlich möglich5. Aufsichtsräte sind umfassend gerade auch über die künftigen Vorhaben und Planungen ihrer Gesellschaft zu unterrichten; darüber soll im Aufsichtsrat eine Erörterung stattfinden (näher dazu unten Rn. 94 ff.). Wie soll aber eine offene Diskussion stattfinden, wenn „ein Mann von der Konkurrenz“ daran beteiligt ist6? Wie soll man die Modellpolitik zur C-Klasse oder E-Klasse bei Daimler erörtern, wenn ein „Mann“ von BMW dabeisitzt?

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Wer daher als Aufsichtsratsmitglied in ein Konkurrenzunternehmen gewählt wird, kann diese Wahl nur wirklich annehmen, wenn er zuvor das erste Mandat niedergelegt hat. Tut er das nicht, wird er nicht Aufsichtsratsmitglied im Konkurrenzunternehmen; er ist nur Schein-

1 So einst der IG-Metall-Bezirksleiter von Stuttgart, Lisla, und der IG-MetallVorsitzende Steinkühler. 2 BGH v. 21.2.1963 – II ZR 76/62, BGHZ 39, 116, 123: Ausgeschlossen ist eine Person aus solchen Gründen nur, wenn es „krass gesellschaftswidrig“, also „schlechthin untragbar ist“; das führt aber auch nicht zu einem zwingenden Wählbarkeitshindernis, sondern stellt einen wichtigen Grund zur Abberufung gemäß § 103 Abs. 3 AktG dar; ebenso Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 261; Dreher, JZ 1990, 896, 898 ff.; Krebs, Interessenkonflikte, S. 267 ff. mit allen Nachw.; ebenso für das österreichische Recht Kastner in FS Strasser, 1983, S. 843, 849 f. 3 Näher dazu Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 236 ff.; Lutter, RdW 1987, 314, 319; Lutter in FS Beusch, 1993, S. 509 ff. und in Lutter, 25 Jahre Aktiengesetz, S. 63 ff.; Wardenbach, Interessenkonflikte als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat der AG, S. 13 ff.; Säcker in FS Rebmann, 1989, S. 781, 788 f.; auch Lüderitz in FS Steindorff, 1990, S. 113, 122 für Einproduktunternehmen; anders Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 68 ff. 4 Lutter in Lutter, 25 Jahre Aktiengesetz, S. 64. 5 Einen Fall zweier widerstreitender Aufgaben, die nicht beide zugleich pflichtgemäß wahrgenommen werden können, behandelt auch OLG Hamburg v. 23.1.1990 – 11 W 92/89, WM 1990, 311 = AG 1990, 218 = EWiR § 103 AktG 2/90, 219 (Hirte): Der schleswig-holsteinische Energieminister Jansen, verantwortlich für den „Ausstieg“ seines Landes aus der Kernenergie, wurde aus dem Aufsichtsrat der Hamburger Electricitätswerke aus wichtigem Grund abberufen. 6 So auch Lüderitz in FS Steindorff, 1990, S. 113, 119.

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Persönliche Voraussetzungen der Mitgliedschaft

§1

Mitglied1. Unter seiner Mitwirkung ergangene Aufsichtsratsbeschlüsse sind nichtig2; das kann jedes Aufsichtsratsmitglied im Wege der Feststellungsklage geltend machen; vgl. Rn. 734 ff., 831 ff. Diese Mindermeinung3 wird von uns gegen die h.M. aufrechterhalten und gibt den Gerichten zu gegebener Zeit die Möglichkeit, ihre Tragfähigkeit zu testen.

3. Sonstige persönliche Voraussetzungen/fachliche Zusammensetzung a) Von der Satzung der betreffenden Gesellschaft können sonstige per- 24 sönliche Voraussetzungen für die Wählbarkeit von Aufsichtsratsmitgliedern nur für Anteilseignervertreter und nicht für Arbeitnehmervertreter festgelegt werden (§ 100 Abs. 4 AktG). In den Satzungen von Aktiengesellschaften geschieht das selten, häufiger hingegen in der GmbH. In Betracht kommen: Festlegung eines höheren Mindest- oder Höchstalters4, berufliche und fremdsprachliche5 Qualifikation, Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie o.Ä. Im Übrigen sollte im Interesse einer leistungsfähigen Unternehmensführung und -überwachung auch ohne besondere Festsetzungen in der Satzung bei der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder darauf geachtet werden, dass der im Aufsichtsrat insgesamt vertretene Sachverstand die Aufgaben im Unternehmen abdeckt. Der Kodex formuliert dazu unter Ziff. 5.4.1: „Bei Vorschlägen zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern soll darauf geachtet werden, dass dem Aufsichtsrat jederzeit Mitglieder angehören, die insgesamt über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen und hinreichend unabhängig sind. Ferner sollten die internationale Tätigkeit der Gesellschaft, potentielle Interessenkonflikte und eine festzulegende Altersgrenze für Aufsichtsratsmitglieder berücksichtigt werden.“Nicht jedes Aufsichtsratsmitglied muss Spezialist sein; der Aufsichtsrat insgesamt sollte aber die Grundfunk-

1 Dies entspricht der Rechtslage bei den gesetzlich ausdrücklich genannten Fällen der Unvereinbarkeit, vgl. nur § 250 Abs. 1 Nr. 4 AktG und Hüffer, MünchKomm. AktG, § 250 Rn. 13 ff.; Schwab in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 250 Rn. 5 und 6; Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff, Komm. AktG, § 105 Rn. 6. Zum Fall einer erst nach Amtsannahme eintretenden Konkurrenzsituation siehe Rn. 611 ff., 703 ff. 2 Der Kodex sagt dazu in seiner Ziff. 5.5.3: „Wesentliche und nicht nur vorübergehende Interessenkonflikte in der Person eines Aufsichtsratsmitglieds sollen zur Beendigung des Mandats führen.“ 3 Vgl. nur Mertens, AG 2003, 221 und Semler/Stengel, NZG 2003,1. 4 Dazu Lutter, Anwendbarkeit der Altersbestimmungen des AGG auf Organpersonen, BB 2007, 725. 5 Dazu Dreher in FS Lutter 2000, S. 357, 365.

11

§1

Übersicht

tionen des Unternehmens beurteilen können1, also nicht nur aus Bankiers und Anwälten zusammengesetzt sein2. 25

b) Nach Lutter3 sollten die Anteilseigner-Vertreter im Aufsichtsrat großer und größerer Gesellschaften einen Besetzungsplan für die Aufsichtsräte der Anteilseigner entwickeln, in dem sie die in ihrem Aufsichtsrat erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen auflisten, also etwa einen – (früheren) Unternehmensleiter (mit Auslandserfahrung) – Produktionsfachmann (Techniker) – Entwicklungsfachmann – Finanzmann – unternehmensrechtlich erfahrenen Juristen – Steuerfachmann – Rechnungsleger und erst anschließend die Suche nach der oder dem Besten des fraglichen Gebietes beginnen, also nicht ad personam besetzen, sondern primär ad causam. Der Kodex folgt diesem Gedanken in doppelter Weise. Zum einen verlangt er vom Vorsitzenden des Prüfungsausschusses (dazu unten Rn. 744) Kenntnisse und Erfahrungen in der Rechnungslegung und der internen Kontrolle (Ziff. 5.3.2)4; zum anderen verlangt er die Bildung eines Nominierungsausschusses (Ziff. 5.3.3), der vernünftigerweise nicht anders verfahren kann und wird als hier beschrieben5.

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c) Ob und welche Mindestqualifikationen ein Aufsichtsratsmitglied von Gesetzes wegen haben muss, ist lebhaft umstritten6. Der Bundesgerichtshof hat dazu in der Hertie-Entscheidung vom 15.11.19827 gesagt: 1 Semler, Führungsvorsorge im Unternehmen, in Unternehmensführung heute, S. 7, 9; zur Auswahl der Aufsichtsratsmitglieder vgl. auch noch Bleicher, ZfbF 1988, 930, 937 f. Eine Typologie der Besetzung von Aufsichtsräten findet sich bei Gerum, DBW 1991, 719, 726 ff. 2 Der German Code of Corporate Governance des Berliner Initiativkreises (DB 2000, 1573 = AG 2001, 6 ff.) fordert ausdrücklich unter Ziff. IV, 4.2 „unterschiedliche Qualifikationen“ der Aufsichtsräte der Anteilseigner. 3 Lutter, ZIP 2003, 417. 4 So jetzt auch das Gesetz in Befolgung der geänderten 8. EU-Richtlinie: § 107 AktG (neu). Im Übrigen vgl. Kremer in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Komm. Kodex, Rn. 1005. 5 Lutter in FS Wymeersch, 2008. 6 Vgl. dazu die Kontroverse zwischen Semler, MünchKomm. AktG, 2. Aufl., § 100 Rn. 76 ff. einerseits und Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 100 Rn. 22 ff. andererseits. 7 BGH v. 15.11.1982 – II ZR 27/82, BGHZ 85, 293 = AG 1983, 133.

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Dauer der Mitgliedschaft

§1

„Mit diesem Gebot persönlicher und eigenverantwortlicher Amtsausübung ist vorausgesetzt, dass ein Aufsichtsratsmitglied diejenigen Mindestkenntnisse und -fähigkeiten besitzen oder sich aneignen muss, die es braucht, um alle normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge auch ohne fremde Hilfe verstehen und sachgerecht beurteilen zu können…“

VI. Dauer der Mitgliedschaft 1. Regelfall Das einzelne Aufsichtsratsmitglied erwirbt das Amt mit seiner Be- 27 stellung (Wahl) und deren Annahme und verliert es durch Zeitablauf (Ablauf der Wahlperiode), durch Tod, Verlust der Wählbarkeit (bei Arbeitnehmervertretern also auch durch Pensionierung oder Wechsel des Arbeitsplatzes, § 24 Abs. 1 MitbestG), durch wirksame Abberufung oder Amtsniederlegung. Die Amtszeit beträgt nach dem Gesetz einheitlich für alle Aufsichts- 28 ratsmitglieder höchstens fünf Jahre, § 102 Abs. 1 AktG mit § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG und § 6 Abs. 2 MitbestG. Die Satzung der Gesellschaft kann kürzere Wahlperioden anordnen. Auch unterschiedliche Wahlperioden für verschiedene Aufsichtsratsmitglieder sind möglich1, nicht jedoch Sonderregeln gerade nur für Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer2, 3.

1 BGH v. 15.12.1986 – II ZR 18/86, BGHZ 99, 211, 215 = AG 1987, 152; OLG Frankfurt v. 19.11.1985 – 5 U 30/85, AG 1987, 159, 160. 2 H.M., zwingendes Gebot der Nicht-Diskriminierung, vgl. BGH v. 15.12.1986 – II ZR 18/86, BGHZ 99, 211, 215 = AG 1987, 152; BGH v. 29.6.1987 – II ZR 242/86, WM 1987, 1070 = AG 1987, 348; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 102 Rn. 16. 3 Besondere Probleme der Amtszeit ergeben sich, wenn durch Satzungsänderungen die Mitgliederzahl eines mitbestimmten Aufsichtsrats verringert wird. Nach wohl überwiegender und zutreffender Meinung gilt in diesem Fall: Das Statusverfahren nach §§ 97 ff. AktG ist nicht anwendbar. Die Satzungsänderung wird nicht sofort, sondern erst mit Ende der laufenden Amtsperiode der Arbeitnehmervertreter wirksam. Vgl. ausführlich BAG v. 3.10.1989 – 1 ABR 12/88, WM 1990, 633, 635 f. = AG 1990, 361 – obiter und OLG Hamburg v. 26.8.1988 – 11 W 53/88, ZIP 1988, 1191 mit ausführlichen Nachweisen zum Meinungsstand. Hat der Aufsichtsrat aufgrund gesunkener Arbeitnehmerzahlen zuviele Mitglieder, ist das Statusverfahren nach §§ 97 ff. AktG durchzuführen und anschließend der gesamte Aufsichtsrat neu zu besetzen; vgl. Henssler in Ulmer/Habersack/ Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 7 MitbestG Rn. 23 m.w.N. Zur Rechtslage in nicht mitbestimmten Gesellschaften vgl. Habersack, MünchKomm. AktG, § 95 Rn. 18; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 95 Rn. 27; Hüffer, Komm. AktG, § 95 Rn. 5.

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§1 29

Übersicht

In diesem Zusammenhang ist ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24.6.20021 von großer Bedeutung. Denn danach endet das Amt mit Ablauf der Amtszeit automatisch mit der Folge, dass das betreffende Aufsichtsratsmitglied plötzlich „Nicht-Mitglied“ ist und der Aufsichtsrat unvollständig besetzt ist, wenn nicht rechtzeitig vor Ablauf der Amtszeit eine Neuwahl stattgefunden hat.

2. Die Abberufung 30

Sie ist nach dem Gesetz nur unter erschwerten Voraussetzungen möglich (¾-Mehrheit; siehe bereits oben Rn. 11 ff.); für (alle) Anteilseigner-Vertreter und (nur) für Arbeitnehmer-Vertreter nach DrittelbG kann die Satzung einheitlich für alle Aufsichtsratsmitglieder2 geringere, aber auch höhere Mehrheiten und weitere Voraussetzungen festlegen, z.B. einen wichtigen Grund in der Person des abzuberufenden Mitglieds3. Für Arbeitnehmer-Vertreter nach dem Montan-MitbestG und dem MitbestG gilt stets die gesetzliche ¾-Mehrheit. Zur gerichtlichen Abberufung aus wichtigem Grund vgl. unten Rn. 930 ff.

3. Die Amtsniederlegung 31

a) Jedes Aufsichtsratsmitglied kann sein Amt jederzeit niederlegen, ohne dass es eines wichtigen Grundes dafür bedürfte; das ist zu Recht heute die weit überwiegende Meinung4. Umstritten ist nur, ob die Niederlegung nicht zur Unzeit, also insbesondere nicht in der wirtschaftlichen Krise der Gesellschaft erfolgen darf5. Aber auch das hindert die Wirksamkeit der Amtsniederlegung nicht; es geht nur um die Frage nach der etwaigen Pflichtverletzung. Das Aufsichtsratsmitglied steht in keinem Vertragsverhältnis zur Gesellschaft; es ist vielmehr Inhaber eines privaten Amtes, das vom Gesetz frei und offen gestaltet ist. Richtiger Ansicht nach muss ein Aufsichtsratsmitglied 1 BGH v. 24.6.2002 – II ZR 296/01, AG 2002, 676; str., vgl. Hüffer, Komm. AktG, § 102 Rn. 3. 2 BGH v. 15.12.1986 – II ZR 18/86, BGHZ 99, 211, 215 f. = AG 1987, 152; BGH v. 29.6.1987 – II ZR 242/86, WM 1987, 1070 = AG 1987, 348. 3 Dazu eingehend Uwe H. Schneider/Nietsch in FS Westermann, 2008, S. 1447 ff. 4 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 103 Rn. 56; Hüffer, Komm. AktG, § 103 Rn. 17; Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 7; Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 301; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 30 Rn. 51; Wardenbach, AG 1999, 74, 75; demgegenüber halten Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 52 einen wichtigen Grund für erforderlich. 5 So Habersack, MünchKomm. AktG, § 103 Rn. 60; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 6 MitbestG Rn. 72; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 103 Rn. 53.

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Veröffentlichung von Beginn und Ende des Aufsichtsratsmandats

§1

daher keine Voraussetzungen beachten, sondern kann ohne Angabe von Gründen ad nutum jederzeit sein Amt niederlegen, mithin auch in der Krise der Gesellschaft. Eine äußerste Grenze bildet allerdings die Treupflicht des Aufsichtsratsmitglieds zur Gesellschaft1, die ein betont schädigendes Verhalten des Aufsichtsratsmitglieds ausschließt und ggf. zur Schadensersatzpflicht, aber nicht zur Bleibepflicht führt. b) Von der organschaftlichen Freiheit zur Amtsniederlegung sind et- 32 waige besondere vertragliche Bindungen des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds zur Gesellschaft zu unterscheiden. So kann die Gesellschaft in Sonderfällen mit dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied die Übernahme und Erfüllung zusätzlicher Aufgaben vertraglich vereinbaren (§ 114 Abs. 1 AktG). Hierfür gelten dann naturgemäß die besonderen Regeln der §§ 611 ff. BGB, die eine vorzeitige Niederlegung dieser vertraglichen Pflicht nur aus wichtigem Grund und jedenfalls nicht zur Unzeit erlauben2; anderenfalls droht hier eine Schadensersatzpflicht. c) Die Amtsniederlegung erfolgt durch formlose, aber empfangs- 33 bedürftige Willenserklärung gegenüber der Gesellschaft zu Händen des Aufsichtsrats (seines Vorsitzenden) oder des Vorstands und muss die Amtsniederlegung deutlich erkennbar werden lassen3. Reine Untätigkeit ist keine Amtsniederlegung4, führt nicht zur Befreiung von Pflichten, sondern im Gegenteil zur Haftung wegen Verletzung der Amtspflicht. Die Amtsniederlegung kann auch in einer Hauptversammlung erklärt werden. d) Das Amt erlischt mit Zugang der Niederlegungserklärung bei der 34 Gesellschaft, es sei denn, das Aufsichtsratsmitglied habe die Niederlegung ausdrücklich für einen späteren Zeitpunkt erklärt.

VII. Veröffentlichung von Beginn und Ende des Aufsichtsratsmandats Früher hatte der Vorstand nach § 106 AktG jeden Wechsel im Amt des Aufsichtsrats in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen und ein Exemplar der Bekanntmachung zum Handelsregister einzureichen; und das galt auch für den Geschäftsführer einer mitbestimmten GmbH, § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG, § 25 Abs. 1 Nr. 2 Mit1 Zur Treupflicht des Aufsichtsratsmitglieds gegenüber der Gesellschaft vgl. unten Rn. 757 sowie Hüffer, Komm. AktG, § 116 Rn. 4; Fleck in FS Heinsius, 1991, S. 89 f.; Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 44. 2 Ähnlich Baumbach/Hueck, Komm. AktG, § 102 Anm. 4. 3 Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 7. 4 BGH v. 13.6.1983 – II ZR 67/82, WM 1983, 835, 836.

15

35

§1

Übersicht

bestG i.V.m. § 106 AktG. Der Interessierte musste also die aktuelle Zusammensetzung des Aufsichtsrats einer Gesellschaft aus einer Vielzahl von Einzelmeldungen gewinnen. Diese Regelung wurde durch Art. 9 Nr. 8 EHUG mit Wirkung ab 1.1.2007 durch eine Neufassung des § 106 AktG geändert. Nunmehr ist bei jedem Wechsel im Aufsichtsrat eine vollständige Liste aller Mitglieder des Aufsichtsrats mit Name, Vorname, Beruf und Wohnort vom Vorstand oder Geschäftsführer zum Handelsregister einzureichen, wo diese Liste von jedermann eingesehen werden kann, der dadurch stets einen aktuellen Überblick erhält. Das Registergericht seinerseits hat die Einreichung der Liste – nicht die Liste selbst – nach § 10 HGB bekannt zu machen.

VIII. Der Aufsichtsrat als Innenorgan 1. Überblick 36

Der Aufsichtsrat ist Innenorgan. Seine Aufgaben beziehen sich fast ausschließlich auf das interne Geschehen in der Gesellschaft. Nach außen tritt er nur selten in Erscheinung. Er vertritt die Gesellschaft nur gegenüber den Mitgliedern des Vorstands (§ 112 AktG), früheren Vorstandsmitgliedern und deren Witwen1 und ggf. Kindern sowie dem Abschlussprüfer (§ 111 Abs. 2 Satz 3 AktG) gerichtlich und außergerichtlich, insbesondere also beim Abschluss und bei der Aufhebung der entsprechenden Verträge. Sonstigen Dritten gegenüber vertritt er die Gesellschaft weder in gerichtlichen Verfahren noch beim Abschluss von Verträgen, führt also keine Verhandlungen und tätigt keine Abschlüsse. Er leitet die Gesellschaft nicht, gibt keine Erklärungen – auch keine Presseerklärungen! – für diese ab; allenfalls teilt er durch seinen Vorsitzenden die Bestellung oder Abberufung von Vorstandsmitgliedern mit.

2. Der Bericht an die Hauptversammlung 37

Die einzige reguläre Verlautbarung des Aufsichtsrats erfolgt gegenüber der Hauptversammlung. Dieser gegenüber ist er einmal jährlich berichtspflichtig (§ 171 Abs. 2 AktG). Dazu näher unten Rn. 562 ff.

3. Aufsichtsrat und Betriebsrat 38

Die Hauptversammlung ist der einzige Adressat des Berichts des Aufsichtsrats. Dieser steht als solcher in keinerlei besonderer Beziehung 1 BGH v. 16.10.2006 – II ZR 7/05, ZIP 2006, 2213 = AG 2007, 86.

16

Der Aufsichtsrat als Innenorgan

§1

zum Betriebsrat; dessen Gesprächspartner ist der Vorstand. Aber nichts steht entgegen, wenn der Aufsichtsrat etwa den Betriebsrat zu einem Informationsgespräch einlädt.

4. Der Aufsichtsrat als Kollegialorgan Der Aufsichtsrat hat je nach Größe der Gesellschaft mit dem für sie 39 geltenden Mitbestimmungsmodell mindestens 3 und höchstens 21 Mitglieder, ist also notwendigerweise Kollegialorgan. Er nimmt daher durch Beschlüsse und sonstige Maßnahmen des Kollegiums seine Rechte wahr und übt seine Pflichten aus. Das einzelne Mitglied hat nur innerhalb des Kollegiums seine Aufgaben zu erfüllen, nur innerhalb des Kollegiums hat das einzelne Mitglied Rechte und Pflichten, nicht aber als einzelnes Aufsichtsratsmitglied persönlich1. Selbst der besondere Informationsanspruch des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds nach § 90 Abs. 3 AktG geht auf Unterrichtung des gesamten Aufsichtsrats, nicht (nur) des einzelnen Mitglieds. Von dieser Regel gibt es nur eine Ausnahme: wenn ein Aufsichtsratsmitglied durch einen Beschluss des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG mit besonderen Prüfungsaufgaben in der Gesellschaft beauftragt worden ist; das aber kommt selten genug vor, da der Aufsichtsrat in einer solchen offenbar kritischen Situation entweder den Abschlussprüfer oder einen außenstehenden Sachverständigen mit der notwendigen Untersuchung beauftragen wird. Einstweilen frei.

40–50

1 OLG Stuttgart v. 30.5.2007 – 20 U 14/06, AG 2007, 873.

17

§2 Der Aufsichtsrat als Element einer modernen und leistungsfähigen Unternehmensführung – Corporate Governance1 I. Überblick Schwere Unternehmenskrisen und Unternehmenszusammenbrüche 51 in den 90er Jahren2 hatten zunehmend Zweifel am Aufsichtsrat und seiner Leistungsfähigkeit genährt3. Dabei hatte sich herausgestellt, dass die eher passive Haltung des Aufsichtsrats den hohen Anforderungen moderner Unternehmensführung kaum mehr gewachsen war4. Diese Feststellung hat in der Folge zu einer Fülle von Vorschlägen zur Verbesserung der Aufsichtsrats-Arbeit geführt5. Dabei gingen die Auffassungen vor allem darüber auseinander, ob der Gesetzgeber mit entsprechenden zwingenden Vorschriften eingreifen solle oder Appelle an den Aufsichtsrat genügen6. Der Gesetzgeber hat sich im KonTraG von 1998 zu einem Kompromiss entschlossen, indem er relativ wenige neue zwingende Normen für den Aufsichtsrat geschaffen, zusätzlich aber einige Normen entwickelt hat, die das Verhalten des jeweiligen Aufsichtsrats und seiner Mitglieder in bestimmter Weise steuern sollen („Anregungsnormen“7). So empfiehlt das Gesetz erst jetzt und in Umsetzung einer entsprechenden Vorschrift der ge1 Die deutsche und internationale Literatur zu diesem Thema ist kaum mehr überschaubar; verwiesen sei daher vor allem auf Feddersen/Hommelhoff/ Uwe H. Schneider (Hrsg.), Corporate Governance, 1996; Hommelhoff/ Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003; Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge (Hrsg.), Comparative Corporate Governance, 1996; Hopt, Corporate Governance: Aufsichtsrat oder Markt, Dritte Max Hachenburg Gedächtnisvorlesung, 1998; Hopt, Gemeinsame Grundsätze der Corporate Governance in Europa, ZGR 2000, 779; Lutter, Vergleichende Corporate Governance, ZGR 2001, 215 und JurA 2002, 83 sowie die Abhandlungen in GesR 2002, Sonderheft „Corporate Governance“; Wackerbarth, Investorenvertrauen und Corporate Governance, ZGR 2005, 686; Habersack, Der Aufsichtsrat im Visier der Kommission, ZHR 168 (2004), 373; je mit vielen weiteren Nachw. 2 Von Co-op über Balsam und Metallgesellschaft bis zu Holzmann. 3 Schilling, Der Aufsichtsrat ist für die Katz, FAZ Nr. 199 vom 27. 8. 1994, S. 11; Bremeier/Mülder/Schilling, Praxis der Aufsichtsratstätigkeit in Deutschland, 1994. 4 Deutlich Böckli in FS Reist, 1992, S. 3 ff. und Mertens, Kölner Komm. AktG, 1. Aufl., Vorb. § 95 Rn. 2. 5 Vgl. nur Lutter, ZHR 159 (1995), 287 ff. 6 Etwa Lutter, ZHR 159 (1995), 287 ff. einerseits, Hopt und Mertens, AG 1997, Sonderheft „Die Aktienrechtsreform 1997“ andererseits. 7 Die Formulierung stammt von Hommelhoff/Mattheus, AG 1998, 249 ff.

19

§2

Der Aufsichtsrat als Element der Unternehmensführung

änderten 8. EU-Richtlinie1 die Bildung eines Prüfungsausschusses in börsennotierten Gesellschaften und verlangt vom Aufsichtsrat einer solchen Gesellschaft in seinem Bericht an die Hauptversammlung weitere Angaben darüber, ob und welche (anderen) Ausschüsse er gebildet hat, § 171 Abs. 2 Satz 2 AktG, regt also zur Bildung weiterer Ausschüsse nachdrücklich an. Der Kodex hat in Ziff. 5.3.2 von Anfang an die Bildung eines Prüfungsausschusses empfohlen und seit 2007 auch die eines Nominierungsausschusses (Ziff. 5.3.3).

II. Neuerungen durch das KonTraG von 19982 52

Das Gesetz hat viele Detail-Änderungen gebracht, die sich zum Teil an die Aufsichtsratsmitglieder selbst wenden, – so zählt jetzt für die Höchstzahl von zehn Aufsichtsratssitzen, die eine Person nach § 100 Abs. 2 Nr. 1 AktG halten darf, der Vorsitz in einem Aufsichtsrat doppelt (§ 100 Abs. 2 Satz 3 AktG), zum Teil seine Pflichten berühren – so die Pflicht zur Überwachung des vom Vorstand einzurichtenden Risikomanagement-Systems nach § 91 Abs. 2 AktG und die Pflicht, den Abschlussprüfer zu seiner Sitzung über den Jahresabschluss einzuladen und anzuhören nach § 171 Abs. 1 Satz 2 AktG, oder seine Rechte ausweiten – so seine neu geschaffene Zuständigkeit für den Abschluss des Vertrages mit dem Abschlussprüfer (§ 111 Abs. 2 Satz 3 AktG). Vor allem aber betreffen diese Neuerungen – wie soeben schon angedeutet – das Verhältnis des Aufsichtsrats zum Abschlussprüfer (dazu unten Rn. 171 ff.).

III. Neuerungen durch das TransPuG von 2002 53

Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission „Corporate Governance“ hat rund 100 Vorschläge zur Änderung des Aktiengesetzes und des Handelsgesetzbuchs vorgelegt3. Davon hat das Transparenz- und PublizitätsG von 20024 eine Reihe aufgegriffen. Für den 1 Richtlinie 2006/43/EG vom 17. Mai 2006, ABl. EG Nr. L 157 vom 9.6.2006, S. 87 ff., dort Art. 41, umgesetzt jetzt als § 107 AktG. 2 Eingehend dazu Hommelhoff/Mattheus, AG 1998, 249 ff. und Feddersen, AG 2000, 385 ff. 3 Vgl. Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001. 4 BGBl. I 2002, 2681 ff.

20

Der deutsche Corporate Governance Kodex

§2

Aufsichtsrat sind davon mehrere Gesetzesänderungen von erheblicher Bedeutung, nämlich: – Nach § 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG ist in den Jahres-Berichten nach § 90 Abs. 2 i.V.m. § 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG des Vorstands an den Aufsichtsrat auch auf die Unternehmensplanung und auf etwaige Abweichungen von den Planungen mit Gründen einzugehen; – nach § 90 Abs. 1 Satz 2 AktG haben diese Berichte mit gleichen Gegenständen auch auf die Konzernunternehmen einzugehen; – nach § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG kann jedes Aufsichtsratsmitglied künftig auch allein einen Zusatzbericht vom Vorstand verlangen; – die Berichte sind möglichst rechtzeitig und in der Regel schriftlich („in Textform“) zu erstatten, § 90 Abs. 4 und 5 AktG; – Aufsichtsrats-Ausschüsse müssen regelmäßig über ihre Arbeit an den Gesamtaufsichtsrat berichten, § 107 Abs. 3 AktG; – der Aufsichtsrat kann jetzt nicht mehr nur, sondern er hat einen Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte zu verabschieden, § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG; – und schließlich formuliert § 116 Satz 2 AktG jetzt: „Die Aufsichtsratsmitglieder sind insbesondere zur Verschwiegenheit über erhaltene vertrauliche Berichte und vertrauliche Beratungen verpflichtet.“

IV. Neuerungen durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Haftungsrechts (UMAG) von 2005 Dieses Gesetz hat die Regeln zum Aufsichtsrat weder geändert noch ergänzt. Es hat aber in den Abs. 1 von § 93 AktG einen neuen Satz 2 eingefügt und damit die sog. Business Judgment Rule kodifiziert, die schon zuvor – durch die Rechtsprechung entwickelt1 – geltendes Recht war. Durch die Verweisung in § 116 AktG auf § 93 AktG gilt das jetzt auch für den Aufsichtsrat (näher unten Rn. 986)2.

54

V. Der deutsche Corporate Governance Kodex Die soeben (Rn. 53) erwähnte Kommission „Corporate Governance“ hat aber auch internationalen Erfahrungen folgend3 die Erarbeitung 1 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 = AG 1997, 377 (ARAG). 2 Eingehend dazu Lutter, Die Business Judgment Rule und ihre praktische Anwendung, ZIP 2007, 97. 3 Vgl. nur Hopt, ZGR 2000, 779 und Bundesverband der deutschen Industrie (BDI), Corporate Governance in Deutschland, 2001 sowie Böckli, SZW 1999, 1 ff.

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55

§2

Der Aufsichtsrat als Element der Unternehmensführung

eines deutschen Corporate Governance Kodex vorgeschlagen. Dieser Kodex und seine Regeln sollen für die betreffenden Gesellschaften nicht verpflichtend sein, doch sollen Vorstand und Aufsichtsrat jeder börsennotierten Gesellschaft jährlich erklären, ob sie die Regeln dieses Kodex eingehalten haben und einhalten werden oder warum sie davon abgewichen sind („comply or explain“). Die Bundesregierung ist auch diesem Vorschlag gefolgt und hat eine neue Kommission zur Erarbeitung des Kodex eingesetzt. Dieser Kodex wurde im Jahre 2002 verabschiedet1. Darüber hinaus hat der Bundesgesetzgeber im Transparenz- und PublizitätsG (Rn. 53) einen neuen § 161 AktG verabschiedet mit folgendem Wortlaut: „Vorstand und Aufsichtsrat der börsennotierten Gesellschaft erklären jährlich, dass den vom Bundesministerium der Justiz im amtlichen Teil des elektronischen Bundesanzeigers bekannt gemachten Empfehlungen der „Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex“ entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet werden. Die Erklärung ist den Aktionären dauerhaft zugänglich zu machen.“

56

Die Aufsichtsräte und (Vorstände) börsennotierter Aktiengesellschaften müssen also seit 2002 in jedem Jahr öffentlich erklären, ob sie den Empfehlungen des Kodex gefolgt sind, folgen werden und wo und warum sie abgewichen sind2. Die Befolgung des Kodex ist also in die autonome Entscheidung von Vorstand und Aufsichtsrat der börsennotierten Aktiengesellschaft gestellt. Dabei gehen die Kommission „Corporate Governance“ und der Gesetzgeber davon aus, dass der Kapitalmarkt diese Entscheidung entsprechend positiv oder negativ honoriert3. Wird die Erklärung positiv abgegeben, so sind Vorstand und Aufsichtsrat naturgemäß gehalten, die Empfehlungen des Kodex auch zu beachten4, soweit sie nicht eine „Gegenerklärung“ beschlossen und erneut publiziert haben5.

1 Der Kodex ist in seiner jeweils neuesten Fassung abrufbar unter www.corporate-governance-code.de; vgl. dazu auch den Kommentar von Ringleb/ Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, 3. Aufl. 2007 und Peltzer, Deutsche Corporate Governance – Ein Leitfaden, 2. Aufl. 2004. 2 Zu dieser Erklärung vgl. unten Rn. 491 sowie Lutter, Die Erklärung zum Corporate Governance Kodex, ZHR 166 (2002), 523 und Lutter in FS Huber, 2006, S. 871 ff. 3 Vgl. zur Honorierung guter Corporate Governance durch den Kapitalmarkt McKinsey, Investor Opinion Survey, June 2000, Appendix; skeptisch Mahr/ Rott/Nowak, ZGR 2005, 252. 4 Vgl. dazu Lutter in FS Druey, Zürich 2002, S. 463 ff. 5 Im Zweifel ist dazu der Vorstand wegen der Kursrelevanz des Vorgangs schon nach § 15 Abs. 1 WpHG verpflichtet.

22

Mit-unternehmerisches Organ der Gesellschaft

§2

Die Empfehlungen des Kodex sind, soweit sie für den Aufsichtsrat relevant sind, in diesem Buch ausdrücklich berücksichtigt1. Sie werden auch von den börsennotierten Gesellschaften in einem ganz hohen Maße (rd. 90 %) eingehalten2, so dass es für die einzelne Gesellschaft faktisch immer schwieriger wird, sich auszuschließen.

VI. Der Aufsichtsrat als mit-unternehmerisches Organ der Gesellschaft3 1. Überblick Die Kontrolle des Vorstands durch den Aufsichtsrat (§ 111 Abs. 1 57 AktG) wurde traditionell retrospektiv gesehen: Was ist in den letzten drei oder zwölf Monaten geschehen, lautete die Frage. Es ging um Rechenschaft für Vergangenes. Das genau entspricht auch der historischen Entstehung des Aufsichtsrats vor über 100 Jahren: Die praktische Unmöglichkeit der Hauptversammlung, die Geschäftsführung des Vorstands (allein) zu kontrollieren, führte zur Schaffung des Aufsichtsrats als Pflicht-Organ.

2. Erweiterung der Aufgaben des Aufsichtsrats Diese retrospektive Betrachtung und Aufgabenstellung für den Auf- 58 sichtsrat hat sich in nur zehn Jahren von 1991–2002 durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes4, das KonTraG (Rn. 52) und das TransPuG (Rn. 53) geradezu dramatisch geändert im Sinne einer Erweiterung der Aufgaben des Aufsichtsrats als Organ sowie der Rechte und Pflichten seiner Mitglieder. Der Aufsichtsrat bleibt wie bisher zuständig für die Überwachung der Geschäftsführung des Vorstands (dazu unten §§ 3 und 4). Zugewachsen ist dem Aufsichtsrat aber seither die weitere Aufgabe eines mit1 Im Übrigen vgl. dazu Lutter, Der Deutsche Corporate Governance Kodex, GesRZ (Der Gesellschafter) 2002, Sonderheft, S. 19 ff. 2 Vgl. dazu die jährlichen Berichte von v. Werder, etwa für 2007, v. Werder/ Talaulicar, DB 2008, 825 ff.; und für 2006 v. Werder/Talaulicar, DB 2007, 869 ff. 3 Lutter, Der Aufsichtsrat: Kontrolleur oder Mitunternehmer?, in FS Albach, 2001, S. 225 ff.; ähnlich schon früher Gutenberg, ZfB 1970, Ergänzungsheft, S. 1 ff. 4 BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 130 = AG 1991, 312: „Die Aufgabe des Aufsichtsrats, die Geschäftsführung zu überwachen, enthält die Pflicht, den Vorstand in übergeordneten Fragen der Unternehmensführung zu beraten.“ BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 255 = AG 1997, 377 (ARAG): “ … wo er (der Aufsichtsrat) die unternehmerische Tätigkeit des Vorstands im Sinne einer präventiven Kontrolle begleitend mitgestaltet.“

23

§2

Der Aufsichtsrat als Element der Unternehmensführung

unternehmerischen, beratenden und mit-entscheidenden Unternehmensorgans. Der Aufsichtsrat ist heute mit-verantwortlich für die Führung der Gesellschaft und des Konzerns, er hat nicht mehr nur retrospektive, sondern betont zukunftsorientierte Aufgaben. Er hat diese Aufgaben selbstverständlich nicht allein, sondern zusammen mit dem Vorstand1. Die Annahme dieser gewichtigen Aufgaben und ihrer Ausfüllung ist Sache jeder einzelnen Person, jedes Mitglieds. Gesetz, Rechtsprechung, Lehre und Kodex können nur Vorgaben machen. Im Übrigen muss man hoffen, dass diese Vorgaben in dem gedachten aktiven, mit-unternehmerischen Sinne auch tatsächlich ausgefüllt und übernommen werden.

3. Verbindung der Vorzüge von board-Verfassung und Aufsichtsrats-Verfassung 59

Idealtypisch verbindet diese neue Festlegung der Aufgaben des Aufsichtsrats die Vorteile der weltweit führenden monistischen boardVerfassung (alle Organmitglieder sind zuständig für die strategischen und unternehmenspolitischen, zukunftsorientierten Entscheidungen) mit den Vorzügen der dualistischen Aufsichtsrats-Verfassung (Existenz auch einer Kontrollinstanz, die im board-System fehlt).

60

Einstweilen frei.

1 So ausdrücklich auch Abschnitt 3 des Kodex „Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat“.

24

§3 Die allgemeine Überwachung durch den Aufsichtsrat I. Überblick Der Aufsichtsrat hat als wichtigste, ständige und unabdingbare Auf- 61 gabe gemäß § 111 Abs. 1 AktG die Geschäftsführung des Vorstands zu überwachen. Die gleiche Aufgabe trifft ihn gemäß § 268 Abs. 2 Satz 2 AktG gegenüber den Abwicklern einer aufgelösten Gesellschaft. Daneben steht – hier nur zu erwähnen – ein gewisser Einfluss des Aufsichtsrats auf Entscheidungen der Hauptversammlung, der aus seinem Beschlussvorschlagsrecht nach § 124 Abs. 3 AktG, aus seinem Teilnahmerecht an der Hauptversammlung (§ 118 Abs. 2 Satz 1 AktG) und der Befugnis zur Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen (§ 245 Nr. 5 AktG) resultiert. Im Zentrum seiner Tätigkeit aber steht die Überwachung der Geschäftsführung des Vorstands. Die Aufgabe umfasst zweierlei: Sie ist zum einen auf die Kontrolle 62 der Geschäftsführung des Vorstands zur Verhinderung oder Aufdeckung von Fehlern gerichtet, zum anderen auf dessen Beratung. In einigen Angelegenheiten ist der Aufsichtsrat darüber hinaus zu echter Mitentscheidung berufen. Versagt ist es ihm hingegen, selbst die Geschäftsführung der Gesellschaft auszuüben: Die Leitung der Gesellschaft obliegt eigenverantwortlich allein dem Vorstand (§ 76 Abs. 1 AktG); weder können dem Aufsichtsrat Maßnahmen der Geschäftsführung übertragen werden (§ 111 Abs. 4 Satz 1 AktG), noch steht ihm die Möglichkeit zur Verfügung, den Vorstand zu einem bestimmten Verhalten rechtsverbindlich anzuweisen. Die Rechtsmacht des Aufsichtsrats erstreckt sich allenfalls auf die Verhinderung bestimmter Geschäftsführungsmaßnahmen, nicht aber auf deren Erzwingung.

II. Gegenstand und Umfang, Maßstab und Grenzen der Überwachung nach § 111 Abs. 1 AktG 1. Gegenstand und Umfang a) Gegenstand der Überwachung des Aufsichtsrats ist die Geschäftsführung. Anders als noch § 246 HGB in seiner alten, bis 1937 geltenden Fassung spricht das Gesetz heute nicht mehr von einer Überwachung der Geschäftsführung „in allen Zweigen der Verwaltung“. Einem derart umfassend beschriebenen Überwachungsauftrag könnte 25

63

§3

Die allgemeine Überwachung durch den Aufsichtsrat

ein Aufsichtsrat nicht gerecht werden. Seine Aufgabe erstreckt sich daher nur auf die Leitungsmaßnahmen in der Gesellschaft; Überwachungsgegenstand ist somit die Tätigkeit des Vorstands, dem diese Leitung obliegt (§ 76 Abs. 1 AktG), nicht die des Personals1. Zu den Leitungsaufgaben gehört auch das von § 91 Abs. 2 AktG geforderte Risikomanagement2. Der Aufsichtsrat hat also zu prüfen, – dass der Vorstand ein solches System eingerichtet und dokumentiert3 hat und – dass es seine Aufgaben auch erfüllen kann. Insoweit hilft § 317 Abs. 4 HGB dem Aufsichtsrat börsennotierter Gesellschaften, weil genau das auch der Abschlussprüfer zu prüfen hat. Das Gleiche gilt für die Einrichtung einer Internen Revision zur Vermeidung von Unterschlagungen und Bestechungen4 (Compliance)5. 64

b) Die Schwerpunkte der so umrissenen Überwachungsaufgaben konkretisiert – neben § 171 Abs. 1 AktG (Pflicht zur Prüfung des Jahresabschlusses, Konzernabschlusses, Lageberichts und des Gewinnverwendungsvorschlags) und § 314 Abs. 1 AktG (Pflicht zur Prüfung des etwaigen Abhängigkeitsberichts) – vor allem § 90 Abs. 1 AktG mit seinen Berichtspflichten des Vorstands an den Aufsichtsrat. Was dem Aufsichtsrat zu berichten ist, ist zugleich Gegenstand seiner Prüfung. Hierzu gehören vor allem die beabsichtigte Unternehmenspolitik und andere wesentliche Fragen der Unternehmensplanung, insbesondere die Finanz-, Investitions- und Personalplanung (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG)6. Daneben stehen alle anderen wesentlichen Fra1 Zu diesem Streit ausführlich Hopt/Roth, Großkomm. AktG § 111 Rn. 248 ff.; und Lutter, AG 2006, 517, 520, 521. Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 87 f., unterscheidet zwischen Funktionsund Organkontrolle, wobei die Überwachung des Aufsichtsrats als Funktionskontrolle angesehen wird im Gegensatz zu Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 112, der als Gegenstand der Überwachung das Organ Vorstand erachtet. Eine solche Differenzierung ist nicht erforderlich, da die Geschäftsführung (Leitung) im Sinne des Gesetzes allein dem Vorstand zusteht, im Rechtssinne allein von ihm wahrgenommen wird, so dass Funktion und Organ zusammenfallen. Vgl. dazu auch Spindler, MünchKomm. AktG, § 76 Rn. 21; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 3; Dreist, Überwachungsfunktion, S. 81. 2 Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 229 sowie unten Rn. 80 ff. 3 Dazu LG München I v. 5.4.2007 – 5 HK O 15964/06, BB 2007, 2170 = AG 2007, 417. 4 Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 210 f. 5 Dazu der Kodex in den Ziff. 3.4, 4.1.3 und 5.3.2; eingehend Hauschka (Hrsg.), Corporate Compilance, 2007 und Bachmann, Compliance-Rechtsgrundlagen und offene Fragen, in VGR 2008, S. 66 ff. 6 Die Pflicht des Vorstands, dem Aufsichtsrat über die Unternehmensplanung Bericht zu erstatten, wurde erst mit dem KonTraG ausdrücklich in

26

Gegenstand, Umfang, Prüfungsmaßstab und Grenzen

§3

gen künftiger Tätigkeit des Unternehmens, d.h. alle anderen Führungsentscheidungen, die die Entwicklung des Unternehmens mitteloder langfristig steuern, die von bedeutsamem Einfluss auf seine Vermögens-, Ertrags- oder Finanzlage oder die Interessen seiner Belegschaft sind. Im Übrigen hat der Aufsichtsrat dem Gang der Geschäfte der Gesell- 65 schaft, ihrem Umsatz, ihrer Lage am Markt und ihrer finanziellen Situation ständig sein Augenmerk zu widmen (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AktG). Einzelne Rechtsgeschäfte oder andere Einzelvorgänge bedürfen seiner Prüfung aber nur dann, wenn sie von wesentlichem Einfluss auf Rentabilität oder Liquidität der Gesellschaft sein können oder aus anderen Gründen für sie von wesentlicher Bedeutung sind (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Satz 3 AktG)1. Der Beobachtung weniger gewichtiger Maßnahmen des Vorstands kann der Aufsichtsrat sich nicht nur enthalten, sondern er muss es auch. Um die Leitungsautonomie des Vorstands nicht zu beeinträchtigen, darf der Aufsichtsrat nicht als dessen ständiger Schatten fungieren, sondern hat seine Kontrolle auf bedeutsame Schwerpunkte der Vorstandstätigkeit zu konzentrieren2. c) Insbesondere unterliegt die Erledigung des laufenden Tages- 66 geschäfts im Einzelnen nicht der Überwachung durch den Aufsichtsrat3. Hier kann auch der Vorstand nicht über jede Maßnahme selbst befinden, sondern muss delegieren und hat sich darauf zu beschränken, die Ausführung seiner Leitungsentscheidung zu lenken, zu koordinieren und zu kontrollieren und für die ordentliche Besetzung nachgeordneter Entscheidungsträger zu sorgen; das allerdings ist unverzichtbare Leitungsaufgabe des Vorstands und insoweit auch Gegenstand der Überwachung durch den Aufsichtsrat. d) Überwachung der Geschäftsführung i.S.v. § 111 Abs. 1 AktG be- 67 deutet, dass diese auf das Organ Vorstand, d.h. die Gesamtheit seiner Mitglieder gerichtet ist. Der Aufsichtsrat hat sich daher mit seinen Fragen, Bedenken und ggf. Beanstandungen zunächst an das Gesamtorgan zu wenden. Führt dieses Vorgehen zu keinem Ergebnis und insbesondere zu keiner Beseitigung der gerügten Mängel, so kann und § 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG aufgenommen, bestand jedoch auch schon davor, vgl. 3. Aufl., Rn. 24 und Lutter, Information und Vertraulichkeit, bereits in der 1. Aufl. 1979, S. 13 und jetzt in der 3. Aufl. 2006, Rn. 45 ff. sowie Lutter, AG 1991, 249 ff.; Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 291 f.; zur Unternehmensplanung näher unten Rn. 75 ff. 1 Siehe dazu Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 61 ff. 2 Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 113; ebenso Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 29 Rn. 23. 3 Ebenso Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 346; v. Schenck in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 7 Rn. 34.

27

§3

Die allgemeine Überwachung durch den Aufsichtsrat

muss er sich dann auf das zuständige Vorstandsmitglied sowohl bei der Ermittlung des relevanten Sachverhalts als auch bei der Ausübung von Einwirkungskompetenzen konzentrieren1. 68

e) Überwachungsgegenstand ist – wie auch § 268 Abs. 2 Satz 2 AktG zeigt – die Geschäftsführung des Vorstands, nicht aber die Tätigkeit von Angestellten2. Sie zu leiten und zu beaufsichtigen ist Sache des Vorstands, der vom Aufsichtsrat daraufhin überwacht wird, ob er dieser Aufgabe ordnungsgemäß nachkommt. Nur heißt dies nicht, dass der Aufsichtsrat sich mit der Tätigkeit von Angestellten gar nicht zu befassen habe; sie ist lediglich kein selbständiges Überwachungsobjekt, spielt aber naturgemäß eine Rolle für die Frage, ob der Vorstand seinen Leitungspflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist. Der Aufsichtsrat überprüft in diesem Zusammenhang, ob die Delegation von Geschäftsführungsmaßnahmen auf leitende Angestellte zweckmäßig organisiert ist, ob die Personen entsprechend geeignet sind3 und vom Vorstand ausreichend überwacht werden. Problematisch ist dieser Aspekt nur bei Angestellten, die unterhalb des Vorstands maßgebliche Leitungsfunktion wahrnehmen (insbes. sog. Geschäftsbereichsleiter). Hat der Aufsichtsrat die Leitung der Gesellschaft zu überwachen, so liegt es zwar nahe, diese Aufgabe auch auf Angestellte dieser zweiten Hierarchie-Ebene zu erstrecken. So nimmt etwa Uwe H. Schneider4 an, die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats beziehe sich auch auf Mitarbeiter, die maßgeblich an der Vorbereitung und Durchführung grundlegender Entscheidungen beteiligt sind5. Auch

1 v. Schenck in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 7 Rn. 27 f.; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 122 ff.; nur in Nuancen anders Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 19, wonach der Aufsichtsrat generell auch das einzelne Vorstandsmitglied zu überwachen hat; die sich daraus etwa ergebenden Beanstandungen muss er jedoch auch nach der Auffassung von Mertens grundsätzlich gegenüber dem Gesamtvorstand geltend machen. 2 Ebenso Semler, MünchKomm. AktG, 2. Aufl., § 111 Rn. 107 ff.; Habersack, MünchKomm. AktG, 3. Aufl., § 111 Rn. 21, 25; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 21 (a.A. noch in der 1. Aufl., § 111 Rn. 32); WendelingSchröder, Divisionalisierung, S. 76 f.; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 29 Rn. 24; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 40 ff.; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 342; weitergehend aber Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 248 ff.; a.A. Baumbach/Hueck, Komm. AktG, § 111 Anm. 5; Hüffer, Komm. AktG, § 111 Rn. 3. 3 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 21; v. Schenck in Semler/ v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 7 Rn. 29. 4 Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 90. 5 Ähnlich Biener, BFuP 1977, 489, 491; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 53; Raiser, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 69; Dreist, Überwachungsfunktion, S. 87; Schönbrod, Organstellung, S. 195; a.A. Semler, Leitung und Überwachung, S. 23; Semler in FS Döllerer, 1988, S. 571, 588; ausführlich zu Rechtsproble-

28

Gegenstand, Umfang, Prüfungsmaßstab und Grenzen

§3

Ulmer/Habersack1 meinen, dass für den Umfang der Überwachung eher die Bedeutung und das Gewicht der fraglichen Maßnahmen für das Unternehmen entscheidend sei als die Frage, ob sie vom Vorstand oder von Angestellten ausgeführt worden sind oder werden sollen. Diesen gewiss naheliegenden Überlegungen ist nicht zu folgen, da an- 69 dernfalls die klare Ordnung der Zuständigkeiten und der Verantwortung verloren gehen könnte. Kontrolliert der Aufsichtsrat „unten“, so mag sich der Vorstand „oben“ entpflichtet und entlastet fühlen. Das aber geht nicht an. Vor dem Hintergrund des § 76 AktG, der den Vorstand zu eigenverantwortlicher Leitung der Gesellschaft verpflichtet, dürfte die richtige Lösung eher darin liegen, durch die Betonung seiner Lenkungs- und Kontrollpflichten in Bezug auf alle Tätigkeiten im Unternehmen und insbesondere auch in Bezug auf die zweite Hierarchiestufe, einem Rückzug des Vorstands aus seiner Leitungsaufgabe entgegenzuwirken. Bleiben die Fäden in dessen Hand und sorgt der Aufsichtsrat dafür, dann funktioniert das gesetzliche Überwachungssystem des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand, ohne dass es einer – auch schwerlich erfüllbaren – Ausdehnung der Überwachungspflicht auf weitere Hierarchiestufen bedürfte2. f) Den zeitlichen und gegenständlichen Umfang seiner Über- 70 wachungstätigkeit kann der Aufsichtsrat normalerweise an den vom Vorstand nach § 90 AktG und einer in der Gesellschaft bestehenden Berichtsordnung (dazu unten Rn. 317) erstatteten Berichten ausrichten. Er genügt seiner Überwachungsaufgabe in der Regel durch sorgfältige Prüfung und Erörterung der Vorstandsberichte, wobei er in Zweifelsfällen Erläuterungen und weitere Informationen verlangen und unmittelbar die Unterlagen der Gesellschaft einsehen kann (§§ 90 Abs. 3, 111 Abs. 2 AktG) und ggf. muss3. In Sondersituationen – bei schlechter Lage der Gesellschaft, schwerwiegenden Bedenken gegen die Geschäftsführung des Vorstands oder nach der Bestellung neuer Vorstandsmitglieder – steigert sich die Intensität der Überwachungspflicht4.

1 2 3 4

men der Spartenorganisation Schwark, ZHR 142 (1978), 203 ff.; WendelingSchröder, Divisionalisierung, S. 76 f.; Schiessl, ZGR 1992, 64. Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 50; ebenso Hüffer, Komm. AktG, § 111 Rn. 3. Zum Ganzen Lutter, AG 2006, 417 ff. Semler, MünchKomm. AktG, 2. Aufl., § 111 Rn. 164 ff.; Habersack, MünchKomm. AktG, 3. Aufl., § 111 Rn. 29 f., 44; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 13 und 16. Semler, MünchKomm. AktG, 2. Aufl., § 111 Rn. 208 ff.; Habersack, MünchKomm. AktG, 3. Aufl., § 111 Rn. 45 f.; näher zur „abgestuften Überwachung“ unten Rn. 87 ff.

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§3

Die allgemeine Überwachung durch den Aufsichtsrat

2. Prüfungsmaßstab 71

Die Überwachung hat sich auf Rechtmäßigkeit, Ordnungsmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung zu beziehen1. a) Rechtmäßigkeit

72

Die Rechtmäßigkeit (Legalität) der Geschäftsführung durch den Vorstand gehört zu den Grundbedingungen der korrekten Leitung der Gesellschaft und unterliegt daher fraglos der Überwachung durch den Aufsichtsrat. Dieser hat daher auf die Einhaltung der Regeln des Aktiengesetzes (insbes. im Hinblick auf § 93 Abs. 3 AktG) und der Satzung der Gesellschaft, aber auch auf die Beachtung der anderen, gerade an Wirtschaftsunternehmen und ihre Repräsentanten gerichteten Normen (Kartellrecht, Wettbewerbsrecht, Steuerrecht, Umweltrecht, Vergaberecht, Bestechung etc.) zu achten. Es wäre ein Missverständnis anzunehmen, der Aufsichtsrat habe sich in solche Fragen nicht einzumischen; seine Frage danach, wie im Unternehmen sichergestellt sei, dass die Regeln des Umweltschutzrechtes von den Mitarbeitern beachtet werden, ist völlig korrekt, ja ggf. notwendig. Nicht minder wäre es ein Missverständnis, würde der Aufsichtsrat seine Aufgabe hier in Anzeigen an Behörden und Verwaltungen sehen: Er hat mit eigenen Mitteln das Haus zu bestellen und für Legalität zu sorgen; gerade das ist seine Aufgabe (Selbstverwaltung der Unternehmen). Eine Pflicht des Aufsichtsrats zur Erstattung von Anzeigen kann sich nur dann ergeben, wenn er trotz Ausschöpfung aller gesellschaftsinternen Einwirkungsmittel einen gesetzmäßigen Zustand nicht herstellen kann; außerdem bei einer alle Staatsbürger treffenden Anzeigepflicht oder wenn nur auf diesem Weg ein schwerer Schaden von der Gesellschaft abgewendet werden kann2. Im Übrigen hat er darauf zu achten, dass die Bestimmungen der Geschäftsordnung vom Vorstand eingehalten, die Berichte an ihn ordnungsgemäß und zeitgerecht erstattet3 und die Termine für Jahresabschluss, Hauptversammlung und die Veröffentlichungen eingehalten werden. 1 Allg. Meinung; vgl. BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 129 f.; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 11; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 183; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 114 ff.; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 29 Rn. 26; Potthoff/Trescher/ Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 490 ff.; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 85 ff., die allerdings das Kriterium der Ordnungsmäßigkeit ablehnt. 2 v. Schenck in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 7 Rn. 124. 3 Nach v. Schenck in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 7 Rn. 120 gehören die vorstehend erwähnten Überwachungsgegenstände zur „Ordnungsgemäßheit“ der Geschäftsführung.

30

Gegenstand, Umfang, Prüfungsmaßstab und Grenzen

§3

Insbesondere Compliance:1 Es ist Aufgabe des Vorstands, für die Einhaltung von Gesetz und Recht im Unternehmen und im Konzern2 zu sorgen; das ist unstreitig. Wie er das macht, unterliegt im Prinzip seinem Ermessen. Nun haben aber die Vorgänge bei Siemens gezeigt, dass die Maßnahmen zur Gewährleistung der Legalität heute viel systematischer und energischer sein müssen als ehedem. Insbesondere bei großen und größeren Gesellschaften ist daher die Einrichtung einer Compliance-Organisation und die Benennung eines ComplianceBeauftragten (Compliance Officer) praktisch unabdingbar. Das „Wie“ einer solchen Organisation hängt dagegen sehr von den individuellen Gegebenheiten des einzelnen Unternehmens ab. Der Aufsichtsrat hat die Einrichtung eines solchen Systems zu überwachen, sich von seiner Plausibilität zu überzeugen und sich regelmäßig vom Vorstand über dessen Maßnahmen und das Feedback aus dem Unternehmen berichten zu lassen. Insgesamt: Der Aufsichtsrat ist mit-verantwortlich für die Einhaltung von Gesetz und Recht in der Gesellschaft und im Konzern3. Es ist daher richtig, dass im Zuge der Bestechungsaffäre bei Siemens nicht nur der Vorstands-Vorsitzende, sondern auch der AufsichtsratsVorsitzende zurücktreten musste. Stellt der Aufsichtsrat, auf welchem Wege auch immer, Verstöße fest, 73 so hat er korrigierend einzugreifen, ohne dass es auf eine Unterscheidung in geringfügige4 oder schwerwiegende5 Verstöße ankäme; denn der Aufsichtsrat hat durch seine Maßnahmen Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Auch zunächst geringfügig erscheinende Verstöße können zu großen ideellen (Ansehensschmälerung) und materiellen Schäden führen. Die Unterscheidung mag sich aber darin auswirken, wie scharf der Aufsichtsrat eingreift6, ob er also Abhilfe durch den Vorstand nur anmahnt oder diesen gar förmlich abmahnt. b) Ordnungsmäßigkeit, insbesondere Unternehmensplanung aa) Ordnungsmäßigkeit in der Leitung der Gesellschaft bedeutet zunächst einmal eine der Größe, Struktur und Eigenart der Gesellschaft entsprechende und angemessene Organisation des Unternehmens7 1 Dazu vor allem Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2007; Bachmann, Compliance – Rechtsgrundlagen und offene Fragen, in VGR 2008, S. 66 ff. mit allen Nachw. 2 Eingehend Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider, ZIP 2007, 2061; Lutter, AG 2006, 517, 518 f.; Fleischer, CCZ 2008, 1 ff. 3 Lutter, AG 2006, 517, 518 f.; Fleischer, CCZ 2008, 1. 4 So v. Schenck in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 7 Rn. 123. 5 So Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 187. 6 Zu den Einwirkungsmöglichkeiten unten Rn. 100 ff. 7 Dazu Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 184.

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74

§3

Die allgemeine Überwachung durch den Aufsichtsrat

der Gesellschaft und des Konzerns unter Beachtung betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse und Erfahrungen. Hier muss sich der Aufsichtsrat davon überzeugen, dass der Vorstand die Gesellschaft tatsächlich leiten und steuern kann, obwohl er als Vorstand selbst nur Anweisungen und Impulse zu geben vermag (korrekte Leitung trotz Delegation). Wesentliches Kennzeichen hierfür ist eine angemessene Planung im Unternehmen1. 75

bb) Eine entsprechende Pflicht des Vorstands zur Planung wird durch § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG ausdrücklich bestätigt. Planung macht das Handeln überschaubar. Erfolge und Misserfolge sind in einem Soll-Ist-Vergleich (Planung/Ergebnis) ablesbar2; das erleichtert die Überwachung. Bei negativen Abweichungen der Ist-Entwicklung von der Planvorstellung besteht die Möglichkeit einer Erörterung der Gründe und der etwa erforderlichen Maßnahmen zur Anpassung des Ist an das Soll.

76

Der Aufsichtsrat hat sich über die Tatsache einer angemessenen Unternehmensplanung zu vergewissern und ihre Existenz zu gewährleisten. Da die Anforderungen an den Inhalt der vorzulegenden Planung stark vom einzelnen Unternehmen abhängen, sollte der Aufsichtsrat dazu bestimmte Vorgaben machen3. Die Planung muss im Einzelnen umfassen eine kurzfristige Planung (Budgetierung des laufenden und des nächsten Geschäftsjahres in Zahlen4) und eine Mittelfristplanung je der Produktion, des Umsatzes, der Finanzen (Liquidität und Erträge) und der Investitionen, in der die Entwicklung für einen überschaubaren Zeitraum (drei bis vier Jahre) dargelegt wird5. Voraussetzung jeder Planung aber ist Klarheit über die Strategie, die das Unternehmen in der Zukunft verfolgen will. Sie ist mit dem Aufsichtsrat abzustimmen und über ihre Umsetzung ist ihm regelmäßig zu berichten6. 1 Dazu Semler, ZGR 1983, 1, 16 ff.; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 50 ff.; Lutter, AG 1991, 249 ff.; ausführlich Fuhr, Prüfung der Unternehmensplanung, 2003. 2 So auch für das Schweizer Recht Theisen, RIW 1991, 920, 924. 3 Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 55. 4 Also der aus den Einzelplänen der Produktgruppen oder Unternehmensbereichen zusammengesetzte Unternehmens-Gesamtplan, unterteilt in Umsatz-, Ertrags-, Liquiditäts- und Investitionsplanung, dazu Lutter, AG 1991, 249, 253 m.w.N. 5 Zur Frage, was der Vorstand davon dem Aufsichtsrat zwecks Überprüfung vorzulegen hat – die kurzfristige Planung in Zahlen, die mittelfristige verbal – siehe Rn. 223 ff. Nach Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 56 muss die mittelfristige Planung „mit Zahlen unterlegt“ sein. 6 Kodex Ziff 3.2 und dazu v. Werder in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Komm. Kodex, Rn. 361 ff.; vgl. dazu auch Grothe, Unternehmensüber-

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Gegenstand, Umfang, Prüfungsmaßstab und Grenzen

§3

Über einen Zeitraum von vier bis fünf Jahren hinaus besteht eine Pflicht zur Langzeitplanung nur, wenn sich dies aus Größe und Struktur der unternehmerischen Tätigkeit ergibt1.

77

Bei der Frage nach den Folgen einer Ablehnung der vom Vorstand vorgelegten Planung durch den Aufsichtsrat muss differenziert werden. So besteht eine Pflicht des Vorstands zur Neuplanung, wenn die ursprüngliche Planung gegen fachliche Grundsätze oder Vorschriften der Geschäftsordnung oder der Satzung verstößt. Dagegen muss der Vorstand seine Planungen nicht den abweichenden unternehmerischen Vorstellungen des Aufsichtsrats anpassen. Er ist sogar verpflichtet, Planungsänderungen, die ihm der Aufsichtsrat nahelegt, unberücksichtigt zu lassen, wenn sie – aus seiner Sicht – mit Nachteilen für die Gesellschaft verbunden oder unrealistisch sind. Der Aufsichtsrat kann seine Vorstellungen nur durch Ad hoc-Anordnung eines speziellen Zustimmungsvorbehalts oder durch eine personelle Neugestaltung des Vorstands durchsetzen – fehlende Übereinstimmung in Grundsatzfragen der Unternehmenspolitik ist ein wichtiger Abberufungsgrund (dazu unten Rn. 364). Selbst für den Fall, dass hinsichtlich der Unternehmensplanung ein allgemeiner Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 AktG besteht, hat der Aufsichtsrat nur diese begrenzten Befugnisse2, kann seine Vorstellungen dem Vorstand also nicht vorschreiben.

78

cc) Ein weiteres Kennzeichen einer angemessenen Unternehmens- 79 organisation ist die ausreichende und ständige Information des Vorstands von „unten“ sowie aufgrund eines effektiven Rechnungs- und Berichtswesens. Beide Gesichtspunkte lassen sich vom Aufsichtsrat überprüfen: Sind unternehmensinterne Daten kurzfristig verfügbar? Wann liegen die Monatsdaten vor, wann der Quartalsbericht? Sind die Analysen der Abweichung vom Soll der Planung zum Ist des Ergebnisses überzeugend, mindestens plausibel? Etc. Das alles gilt ebenso für die modernen Führungsinstrumente der Delegation, der Berichte und eines ausgebauten, leistungsfähigen Rechnungswesens. Als Teile ordnungsgemäßer Unternehmensorganisation gehören sie zum Überwachungsfeld des Aufsichtsrats3. Selbstverständlich gehö-

wachung, S. 147 ff., 186 ff. sowie Müller-Stewens/Schimmer, Der Aufsichtsrat 2008, 98, die für die Einrichtung eines Strategie-Ausschusses plädieren. 1 Zum Beispiel bei Großunternehmen mit langfristigen Investitionen wie in den Branchen Bergbau, Stahl und Energie; zum Ganzen schon ausführlich Lutter, AG 1991, 249, 252 ff. 2 Kropff, NZG 1998, 613, 616 f. Zur Frage der Zulässigkeit eines Zustimmungsvorbehalts bei der Unternehmensplanung vgl. unten Rn. 103 ff. 3 Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 117.

33

§3

Die allgemeine Überwachung durch den Aufsichtsrat

ren eine angemessene Personalplanung1, ausdrücklich erwähnt in § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG, und Förderung der Weiterbildung der Beschäftigten ebenso zur Ordnungsmäßigkeit der Leitung wie die Beachtung sozialer Aspekte2. 80

dd) Der durch das KonTraG 1998 eingefügte Abs. 2 von § 91 AktG begründet eine Pflicht des Vorstands, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, insbesondere ein Risiko-Überwachungssystem einzurichten, um Entwicklungen, die den Bestand der Gesellschaft gefährden, rechtzeitig zu erkennen.

81

Der Aufsichtsrat von börsennotierten Gesellschaften wird bei der Überwachung dieser Vorstandsverpflichtung vom Abschlussprüfer unterstützt3; denn dieser hat das vom Vorstand geschaffene Früherkennungs- und Überwachungssystem in seine Prüfung miteinzubeziehen (§ 317 Abs. 4 HGB) und dem Aufsichtsrat darüber in einer gesonderten Beurteilung zu berichten (§ 321 Abs. 4 HGB).

82

ee) Zum Umfang der dem Vorstand im Rahmen von § 91 Abs. 2 AktG obliegenden Maßnahmen sagt das Gesetz allerdings nichts, sondern überlässt ihm – unter der Kontrolle des Aufsichtsrats und des Abschlussprüfers – die Entscheidung über die Art der „geeigneten Maßnahmen“. Im betriebswirtschaftlichen Schrifttum wird eine Pflicht des Leitungsorgans zur Einrichtung eines umfassenden Risikomanagementsystems angenommen, mit Hilfe dessen unternehmerische Risiken systematisch erkannt, überwacht und letztlich abgewehrt werden sollen4. Eine derart weite Auslegung ist jedoch von § 91 Abs. 2 AktG nicht gemeint; denn das von der Norm ausdrücklich geforderte Überwachungssystem bezieht sich nur auf die Eignung der Früherkennungsmaßnahmen sowie deren tatsächliche Einhaltung5. 1 Dabei ist auch auf die Nachwuchs-Vorsorge im Unternehmen zu achten, Semler, Führungsvorsorge im Unternehmen, in Unternehmensführung heute, S. 18 ff. 2 Ebenso Raiser in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 87; Henn, Handbuch des Aktienrechts, Rn. 612; a.A. insoweit Meyer-Landrut in Meyer-Landrut/Miller/Niehus, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 21; ebenso Hüffer, Komm. AktG, § 111 Rn. 6 ohne Begründung. 3 Bei den übrigen Aktiengesellschaften hat der Abschlussprüfer nur zu prüfen, ob Risiken der zukünftigen Entwicklung zutreffend im Lagebericht dargestellt sind (§ 317 Abs. 2 Satz 2 HGB); er muss dazu in seinem Prüfungsbericht Stellung beziehen (§ 321 Abs. 1 HGB). Kritisch gegenüber dieser Differenzierung Hommelhoff in FS Sandrock, 1999, S. 373, 375 f. 4 Vgl. Brebeck/Herrmann, WPg 1997, 381 ff.; Kromschröder/Lück, DB 1998, 1573 ff.; Kuhl/Nickel, DB 1999, 133 ff.; Lück, DB 1998, 8 ff. und 1925 ff.; Scharpf in Dörner/Menold/Pfitzer/Oser (Hrsg.), Reform des Aktienrechts, der Rechnungslegung und Prüfung, S. 380 f. 5 So ausdrücklich noch § 93 Abs. 1 Satz 3 des Referentenentwurfs KonTraG (abgedruckt in AG 1997, Sonderheft, 1, 7); die Neufassung im Regierungs-

34

Gegenstand, Umfang, Prüfungsmaßstab und Grenzen

§3

Hüffer1 nimmt daher an, dass dem Vorstand nur die Schaffung eines Informationsweitergabesystems obliegt, aufgrund dessen ihm die bestandsgefährdenden Entwicklungen erfahrungsgemäß so frühzeitig bekannt werden, dass er ihnen noch erfolgversprechend entgegenwirken kann. Eine „erfahrungsgemäße“ Kenntnisnahme seitens des Vorstands genügt jedoch nicht; die Risikoerfassung und Informationsweiterleitung an den Vorstand ist vielmehr durch ein planmäßiges Vorgehen sicherzustellen2 und intern durch ein entsprechendes Kontrollsystem zu überwachen (Controlling) und zu dokumentieren3. Dieses „Paket“ aus Risikoerfassung, Weiterleitung, Kontrolle4 und Dokumentation hat der Aufsichtsrat seinerseits zu überwachen5. ff) Das BilMoG soll sich erneut mit der Risiko-Überwachung in der Gesellschaft beschäftigen6. So soll künftig die Delegation der Überwachungspflicht des Aufsichtsrats bezüglich des Risiko-Managements in der Gesellschaft an den Prüfungsausschuss möglich sein (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG-E). Außerdem soll der Abschlussprüfer den Aufsichtsrat bzw. seinen Prüfungsausschuss ausdrücklich über etwaige Schwächen dieses Systems unterrichten (§ 171 Abs. 1 Satz 2 AktG-E). c) Wirtschaftlichkeit Mit der Wirtschaftlichkeit hat der Vorstand die Lebens- und Überlebensfähigkeit des Unternehmens zu sichern: Von Verlusten kann niemand, auch kein Unternehmen leben, ohne ausreichende Erträge sinkt die Investitions- und damit Innovationskraft der Gesellschaft. Das aber mindert ihre Überlebensfähigkeit im Wettbewerb mit anderen Unternehmen7. Der Aufsichtsrat hat sich also davon zu überzeugen, dass der Vorstand die Sicherung der Liquidität der Gesellschaft,

1 2 3

4 5 6 7

entwurf sollte keine inhaltliche Änderung bewirken, vgl. Begr. RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/1972, S. 15. Hüffer, Komm. AktG, § 91 Rn. 6 ff. In diesem Sinne Drygala/Drygala, ZIP 2000, 297, 299; Seibert in FS Bezzenberger, 2000, S. 427, 437 (Nr. 1). Zutr. hat das LG München I im Urteil vom 5.4.2007 – 5 HK O 15964/06, BB 2007, 2170 = AG 2007, 417, in der fehlenden Dokumentation einen Gesetzesverstoß gesehen, der einer wirksamen Entlastung des Vorstands entgegenstand; dazu Huth, BB 2007, 2167. Begr. RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/1972, S. 15; Hommelhoff in FS Sandrock, 1999, S. 373, 375 f.; Dobler, DStR 2001, 2086; Weber, BB 2001, 140. Eingehend dazu Claussen/Korth in FS Lutter, 2000, S. 327 ff.; sowie Kropff, NZG 2003, 346; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 229 f. Näher dazu Hommelhoff/Mattheus, Risikomanagementsystem im Entwurf des BilMoG als Funktionselement der Corporate Governance, BB 2007, 2787 ff. Dazu insbesondere Albach, Verhandlungen des 55. DJT, Bd. II, 1984, K9, K15 ff.; Albach, AG 1979, 121 ff.

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§3

Die allgemeine Überwachung durch den Aufsichtsrat

ihre angemessene Finanzierung und ihre Ertragskraft ebenso wie ihre Stellung am Markt als ständige und zentrale Aufgabe seiner Leitung vor Augen hat und mit entsprechenden Maßnahmen auch zu sichern versteht1. Der Kodex verpflichtet den Vorstand in seiner Ziff. 4.1.1, seine Geschäftsführung am Ziel der Steigerung des nachhaltigen Unternehmenswertes auszurichten. Auch dem muss die Berichterstattung des Vorstands an den Aufsichtsrat gerecht werden (wertorientierte Berichterstattung), da der Aufsichtsrat genau das zu überwachen hat2. d) Zweckmäßigkeit 84

Die Zweckmäßigkeit der Leitung ist in den meisten der soeben angesprochenen Aspekte schon mit enthalten und daher in der Regel keine eigene Kategorie in der Überwachung: Eine unzweckmäßige Organisation oder Finanzierung ist eben schlecht und vom Aufsichtsrat zu beanstanden. Insoweit gehört die Zweckmäßigkeit getroffener oder geplanter Maßnahmen gewiss zum Kontrollbereich des Aufsichtsrats3. Im Übrigen kann die ständige Umorganisation des Unternehmens und damit die Verlagerung von Ressourcen nach innen statt nach außen ein Beispiel für eine per-se-Unzweckmäßigkeit der Unternehmensführung sein. Andererseits darf Kontrolle der Zweckmäßigkeit nicht im Sinne einer Kontrolle alltäglicher Dinge oder der Einmischung in beliebige Alternativen (Kredit bei A oder B, Einstellung des Angestellten X statt Y) missverstanden werden: Diese Zweckmäßigkeitsfragen stehen allein zur Disposition des Vorstands4.

3. Prüfungsmittel 85

Dem Aufsichtsrat stehen vielfältige Mittel zur Verfügung, mit deren Hilfe er seine Aufsichtspflicht verwirklichen kann. Dazu gehören in erster Linie die Berichte, die ihm vom Vorstand unaufgefordert (Rn. 193 ff.), aber möglichst nach Vorgaben des Aufsichtsrats 1 Näher Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 191. 2 Dazu Deutsches Aktieninstitut, Wertorientierte Überwachung durch den Aufsichtsrat, 2005, S. 45 ff. 3 H.M., vgl. BGH v. 12.1.1979 – III ZR 154/77, BGHZ 75, 120, 133; BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 129 = AG 1991, 312; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 192 ff.; Henn, Handbuch des Aktienrechts, Rn. 612; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 221; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 493; v. Schenck in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 7 Rn. 126; Hüffer, Komm. AktG, § 111 Rn. 6; a.A. hier Mertens, ZGR 1977, 270, 278. 4 Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 119.

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Gegenstand, Umfang, Prüfungsmaßstab und Grenzen

§3

(Rn. 317) zu erstatten sind, die von ihm selbst angeforderten (Zusatz-)Berichte (Rn. 212) und die eigenen Einsichts- und Prüfungsrechte (Rn. 240 ff.). Wichtig ist hier der Hinweis, dass alle Berichte nur wirklich sinnvoll sind, wenn sie das Soll der Planung (Rn. 200) mit dem erreichten Ist in Vergleich setzen (Soll/Ist-Vergleich)1 und die (etwaige) Abweichung analysieren (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG). Dafür hat der Aufsichtsrat eine eigene Verantwortung, kann sich also nicht mit jedweder Art der Berichterstattung zufrieden geben2. Anders gewendet: Der Aufsichtsrat und jedes seiner Mitglieder muss, wann immer er sich nicht ausreichend informiert fühlt, von seiner Möglichkeit Gebrauch machen, zusätzliche Berichte anzufordern (§ 90 Abs. 4 AktG). Mit der schlichten Aussage „davon habe ich nichts gewusst“ wird das Aufsichtsratsmitglied im Haftungsprozess nicht gehört.

4. Kontrolldichte und inhaltliche Grenzen der Überwachung a) In der Normallage des Unternehmens Gerade im Rahmen dieser Zweckmäßigkeits- und Wirtschaftlich- 86 keitskontrolle gilt es zu beachten, dass der Aufsichtsrat zu überwachen, nicht aber selbst die Gesellschaft zu leiten hat3. Deshalb kann und muss er sich darauf beschränken, erst dann einzugreifen, wenn eine Maßnahme des Vorstands in seinem pflichtgemäßen Urteil unvertretbar erscheint. Hält sich der Vorstand im Rahmen vertretbaren Ermessens, ist es Aufgabe des Aufsichtsrats, seine Sicht dem Vorstand vor Augen zu stellen, nicht aber ist es Sache des Aufsichtsrats, seine eigene Beurteilung gegenüber dem Vorstand durchzusetzen4.

1 Dazu Lutter, Unternehmensplanung und Aufsichtsrat, in FS Albach, 1991, S. 345 ff. = AG 1991, 249; Bea/Scheurer, DB 1994, 2149. 2 Sog. „Holschuld“; vgl. Ziff. 3.4 des Kodex. 3 Insbesondere darf ein Aufsichtsratsmitglied nicht Kontakt mit Geschäftspartnern der Aktiengesellschaft aufnehmen, um sich über Einzelheiten der Geschäftsbeziehungen zu informieren. Dies gehört zum Kompetenzbereich des Vorstands, OLG Zweibrücken v. 28.5.1990 – 3 W 93/80, DB 1990, 1401 mit Anm. Theisen = EWiR § 103 AktG 3/90, 631 (Altmeppen). 4 Vgl. Semler, MünchKomm. AktG, 2. Aufl., § 111 Rn. 131 ff.; Habersack, MünchKomm. AktG, 3. Aufl., § 111 Rn. 43; v. Schenck in Semler/ v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 7 Rn. 191; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 35; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 271 ff.; Hüffer, Komm. AktG, § 111 Rn. 7; Semler in FS Ulmer, 2003, S. 625, 629, 641.

37

§3

Die allgemeine Überwachung durch den Aufsichtsrat

b) In der Krise 87

In der Krise und auch schon bei sich abzeichnenden erhöhten Risiken oder Ergebnisverschlechterungen erhöht sich die Kontrolldichte in sachlichem und zeitlichem Umfang1. Aus einer „begleitenden“ Überwachung bei normalem Verlauf der Geschäftsentwicklung wird bei Verschlechterung der Lage eine unterstützende Überwachung, die ihre größte Kontrolldichte in der Krise des Unternehmens entfaltet2. Das alles gilt auch, wenn sich der Verdacht auf bilanzielle Manipulationen ergibt. In einer solchen Situation kommt der Aufsichtsrat seinen Pflichten nur nach, wenn er geeignete Ermittlungen veranlasst und häufiger zu Sitzungen zusammentritt3.

88

Zwar darf der Aufsichtsrat nicht selbst in die Geschäftsführung eingreifen; er muss sich jedoch durch Anforderung zusätzlicher Berichte verstärkt informieren und häufiger zu Aufsichtsratssitzungen zusammenfinden4. Der Aufsichtsrat muss auch vermehrt Zustimmungsvorbehalte festlegen5 und u.U. Sachverständige mit Prüfungen beauftragen6. Er hat darüber zu wachen, dass der Vorstand die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung rechtzeitig, spätestens nach drei Wochen, beantragt (§ 92 Abs. 2 AktG)7. Kurz: In der Krise der Gesellschaft wird ein Höchstmaß an Kontrolldichte und Kontrollintensität als Pflicht des Aufsichtsrats erreicht.

89

In der Krise muss der Aufsichtsrat vor allem für einen Vorstand sorgen, der zur Lösung der Krisensituation geeignet ist. Damit greift der Aufsichtsrat auch hier nicht in die Geschäftsleitung ein, sondern macht von seiner Personalkompetenz Gebrauch. Er kann die Ge1 LG München I v. 31.5.2007 – 5 HK O 11977/06, AG 2007, 827; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 231 ff.; Semler, AG 1983, 141 ff.; Semler, AG 1984, 21 f.; ebenso Goerdeler, WPg 1982, 33 ff.; Hüffer, Komm. AktG, § 111 Rn. 7; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 3; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 92 ff. Im Ansatz wohl schon ebenso Semler, MünchKomm. AktG, 2. Aufl., § 111 Rn. 213 und Habersack, MünchKomm. AktG, 3. Aufl., § 111 Rn. 46; im Ergebnis ebenso Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 20. 2 Semler, AG 1983, 141 f.; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 20 lehnt dagegen diese strikte Dreistufigkeit der Überwachungspflicht ab, da sie weder in der Praxis von Nutzen noch vom Gesetz vorgesehen ist. 3 LG Nürnberg-Fürth v. 18.10.2007 – 1 HK O 6564/07, EWiR § 145 AktG 1/07 (Wilsing/Siebmann). 4 Die Grenze liegt dort, wo die Aufsichtsratstätigkeit in eine Beschäftigung mit Tagesfragen abzugleiten droht. 5 Die aber nicht zu einer Hemmung der Vorstandstätigkeit führen dürfen. 6 Semler, AG 1983, 141, 142. 7 Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1296.

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Gegenstand, Umfang, Prüfungsmaßstab und Grenzen

§3

schäftsverteilung ändern, neue Vorstandsmitglieder bestellen und andere abberufen. Ein die Abberufung rechtfertigender wichtiger Grund im Sinne von § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG ist die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung in der Krise1. Von „führender“ Überwachung2 lässt sich insofern sprechen, als der Weg aus der Krise u.U. über die Umgestaltung des Vorstands führt. Da diese Entscheidung aber dem Aufsichtsrat obliegt, kommt ihm in der Krise die vorrangige Handlungspflicht zu3. In einer besonders kritischen Lage der Gesellschaft kann der Aufsichtsrat ausnahmsweise gehalten sein, vorübergehend zwingend erforderliche Geschäftsführungsmaßnahmen selbst zu veranlassen4, insbesondere durch Delegation einer seiner Mitglieder nach § 105 Abs. 2 AktG in den Vorstand. Im Übrigen ist und bleibt die Führung und Leitung der Gesellschaft Aufgabe des Vorstands. Diese Überlegungen sind von Claussen5 u.a. mit dem Argument an- 90 gegriffen worden, der Aufsichtsrat habe stets mit gleichbleibender Intensität zu überwachen. Dagegen spricht aber gerade das Beispiel der Abberufung eines Vorstandsmitglieds in der Krise: Eine derartige Maßnahme ist – wie § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG zeigt – nur in besonderen Situationen des Unternehmens gerechtfertigt: Zu den alltäglichen Überwachungsinstrumenten gehört die Abberufung nicht6. Sind die Führungspositionen durch den Aufsichtsrat mit geeigneten Personen besetzt, muss der Aufsichtsrat darauf hinwirken, dass der Vorstand ein Sanierungskonzept vorlegt und dieses eingehend mit ihm berät. Dabei sollte jede Maßnahme „nach Art, Zweck und Ziel, Investitionsbedarf, Kosten, Erfolgserwartung, Zeit und Verantwortlichkeit“ beurteilt werden7. Dem Sanierungsplan vorausgehend hat der Vorstand eine Ursachenanalyse der Krise (Führungsprobleme, konjunkturelle und strukturelle Probleme der Branche oder des Unternehmens) vorzunehmen und damit eine Analyse hinsichtlich der 1 Semler, AG 1983, 141, 142, 145. 2 So noch die missverständliche Formulierung von Semler, AG 1983, 141, 142; er spricht jetzt von „gestaltender Überwachung“, Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 234 (Fn. 359). 3 Semler, AG 1983, 141, 142. 4 Hüffer, Komm. AktG, § 111 Rn. 7; v. Schenck in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 7 Rn. 129; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 234. 5 Claussen, WPg 1981, 454; Claussen, AG 1984, 20 f. In der Terminologie kritisierend, in der Sache aber Semler zustimmend Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 102.1; ebenso Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1290: Nicht die Kompetenzen des Aufsichtsrats vergrößern sich, sondern seine Wachsamkeit und Intensität bei der Überwachung. 6 In diesem Sinne auch Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 93 f. 7 Semler, AG 1983, 141, 146 f.; ihm folgend Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1293.

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Die allgemeine Überwachung durch den Aufsichtsrat

vorhandenen Ressourcen der Gesellschaft (stille Reserven, qualifiziertes Fachpersonal) zu verbinden. Der Aufsichtsrat hat die entsprechenden Berichte durchzuarbeiten; hält er die Analysen für unzureichend, muss er notfalls Sachverständige zur Prüfung bzw. sogar zur neuen Erstellung heranziehen1. c) Bei Zustimmungsvorbehalten 92

Anders verhält es sich bei Geschäften, die gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen. Hier ist der Aufsichtsrat berechtigt, seine Zustimmung auch dann zu versagen, wenn er die Maßnahme des Vorstands zwar für vertretbar hält, selbst aber eine andere Lösung bevorzugen würde. Aber auch hier wird man keine Pflicht zum Eingreifen annehmen können, solange auch für die Auffassung des Vorstands gute Gründe bestehen2.

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Eine solche Pflicht des Aufsichtsrats zu Eingriffen besteht erst bei unterschiedlicher Beurteilung der unternehmerischen Zielkonzeption3. Diese Grundlagenentscheidungen erfordern Übereinstimmung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat. Fehlt es daran, ist es zwar nicht Sache des Aufsichtsrats, eine eigene Unternehmenspolitik zu erarbeiten, er ist aber verpflichtet, beim Vorstand auf die Erarbeitung einer Konzeption hinzuwirken, der er sich glaubt anschließen zu können. Versagt hier der Vorstand, so kann dies ein wichtiger Grund zu seiner Abberufung sein.

III. Die Beratung mit dem Vorstand 1. Beratungsrecht und Beratungspflicht 94

a) Die Überwachung des Vorstands darf nicht nur darauf gerichtet sein, diesen zu kontrollieren, Mängel festzustellen, diese zu monieren und damit künftige Mängel der Geschäftsführung zu verhindern; der Aufsichtsrat ist auch und vor allem zur Beratung des Vorstands und mit dem Vorstand über Fragen der Leitung (also zentrale Fragen der Unternehmenskonzeption und Unternehmensführung) berufen; denn abgeschlossene Tatbestände sind zwar rechtlich von großem Gewicht (etwa: Abberufung des Vorstands aus wichtigem Grund we1 Semler, AG 1983, 141, 146; auch Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1292. 2 Wie hier Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 85; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 585; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 153 ff.; wohl auch Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 51 a.E. 3 Vgl. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 27; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 216.

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Die Beratung mit dem Vorstand

§3

gen solcher historischer Mängel). Viel wichtiger ist aber die Gestaltung der Zukunft des Unternehmens und die möglichst klare Vermeidung künftiger Fehler dabei. Mehr als nur Kontrolleur historischer Vorgänge und relativ einfacher Sachverhalte (z.B. Legalität der Unternehmensführung) ist der Aufsichtsrat daher institutioneller Ratgeber und Gesprächspartner des Vorstands1 im Sinne einer „vorbeugenden Überwachung“2 oder „begleitenden und vorausschauenden Kontrolle“3. Der BGH4 spricht von „in die Zukunft gerichteter Kontrolle“. Aus den Berichtspflichten des Vorstands nach § 90 AktG, die dem Aufsichtsrat die Möglichkeit rechtzeitiger Mitsprache eröffnen, wird das besonders deutlich. Muss sich der Aufsichtsrat im Rahmen seiner unmittelbaren Kontrollaufgaben darauf beschränken, Unvertretbares zu verhindern, so heißt das nicht, dass er sich auch darauf beschränken dürfte, die Vorlagen und Vorhaben des Vorstands von vornherein nur auf ihre Vertretbarkeit hin zu prüfen. Zwar ist vom Aufsichtsrat keine so intensive Tätigkeit verlangt, dass er schließlich in der Lage wäre zu entscheiden, ob er selbst als Vorstand sich ebenso verhalten würde. Er hat aber die Vorlagen und Vorhaben des Vorstands im Rahmen seiner Möglichkeiten auf ihre Plausibilität zu untersuchen, ggf. Zusatzinformationen einzuholen, sorgfältig zu erwägen, ob nach seinen Informationen, Kenntnissen und Erfahrungen nicht ein anderes Verhalten des Vorstands zweckmäßiger sein könnte. Kommt der Aufsichtsrat dabei zu anderen Ergebnissen als der Vorstand, hat er seine Bedenken darzulegen und seine Überlegungen mit dem Vorstand zu erörtern, auch wenn er diesem dann die endgültige Entscheidung überlassen muss5. Dagegen kann – und soll! – vom Aufsichtsrat im 1 So ausdrücklich auch der BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 130 = ZIP 1991, 653, 654 = NJW 1991, 1830 = AG 1991, 312: „ständige Diskussion“ und „laufende Beratung“; dazu Boujong, AG 1995, 203, 205; Bestätigung einer Beratungspflicht des Aufsichtsrats als Teil seiner Überwachungsaufgabe in BGH v. 4.7.1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 344 f. = ZIP 1994, 1216, 1217 f. = AG 1994, 508; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1258 f.; Henze, BB 2005, 165; nach Siebel in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 5 Rn. 15: „Beratungsorgan“; im Übrigen vgl. zur Beratungsfunktion des Aufsichtsrats auch Deckert, AG 1997, 109; Habersack, MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 12, 39 ff.; Hüffer, ZGR 1980, 321, 324; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 20; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 249 ff.; wesentlich enger Mertens, AG 1980, 67, 68. 2 Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 247.1; vgl. auch Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 29 Rn. 32: „vorausschauende“ Beratung als Teil der Überwachungsaufgabe. 3 Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 91 und 124 sowie Dreist, Überwachungsfunktion, S. 88. 4 BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 130 = ZIP 1991, 653, 654 = NJW 1991, 1830 = AG 1991, 312; dazu Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87. 5 Vgl. zum Ganzen auch Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 26 ff., insbesondere Rn. 29.

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§3

Die allgemeine Überwachung durch den Aufsichtsrat

Rahmen seiner Beratungsaufgabe nicht verlangt werden, dass er dem Vorstand entscheidungsreife Alternativpläne vorlegt1: Das wäre ein Eingriff in die Leitungsbefugnis des Vorstands. 95

So wie der Aufsichtsrat verpflichtet ist, den Vorstand zu beraten, so ist der Vorstand verpflichtet, sich beraten zu lassen. Über Art, Zeit und Ausmaß der Beratung mit dem Vorstand entscheidet der Aufsichtsrat. Der Vorstand ist verpflichtet, sich der Erörterung mit dem Aufsichtsrat zu stellen und dessen Anregungen sorgfältig zu erwägen. Die Vorstellung, die Beratung könne aus der Sicht des Vorstands immer nur ein Angebot sein und nur stattfinden, wenn sie vom Vorstand gewünscht werde, wäre also unrichtig2.

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b) Gegenüber dieser These von der Beratungspflicht und dem Beratungsrecht des Aufsichtsrats mit dem Vorstand über Fragen der Unternehmensleitung verhalten sich Steinmann/Klaus3 besonders kritisch und bezweifeln die Möglichkeiten des Aufsichtsrats, überhaupt Ratgeber eines modernen, professionellen Managements sein zu können. Diese Beurteilung mag für Großunternehmen vielleicht hin und wieder zutreffen, obwohl gerade in deren Aufsichtsräten erfahrene Leiter anderer Unternehmen sitzen, die schließlich wissen, wovon die Rede ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die kritische Beurteilung einer Leitungsentscheidung nicht das gleiche Know-how verlangt wie deren Findung4. Vor allem aber wird bei solchen Analysen übersehen, welch wichtige Beratungshilfen ein überlegt zusammengesetzter Aufsichtsrat in mittelständischen Unternehmen leisten kann und nach hier vertretener Meinung auch leisten muss: Immerhin gibt es einen Aufsichtsrat nicht nur in den rund 750 Unternehmen mit mehr als 2000 Arbeitnehmern, sondern eben auch in den wahrscheinlich mehr als 15 000 Aktiengesellschaften und GmbHs mit mehr als 500, aber weniger als 2000 Arbeitnehmern. Im Gegensatz zu Großunternehmen ist in diesen mittelständischen Unternehmen auch die Ebene unterhalb von Vorstand/Geschäftsführung nicht immer so professionell besetzt, als dass die Geschäftsführung stets auch in der Belegschaft selbst erfahrene Gesprächspartner hätte5.

1 In diesem Sinne Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1260; a.A. Höhn, GmbHR 1993, 777, 778. 2 Wie hier Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1263. 3 Steinmann/Klaus, AG 1987, 29 ff. 4 Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1262. 5 Gewichtig ist der Hinweis von Steinmann/Klaus, AG 1987, 29, 33, Überwachung setze Misstrauen voraus, das dem Aufsichtsrat gegenüber dem Vorstand verlorengehen könne, je mehr er sich mit diesem beratend verbinde: Dieser Gefahr muss sich der Aufsichtsrat tatsächlich bewusst sein.

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Die Beratung mit dem Vorstand

§3

Im Gegensatz zu dieser herrschenden Betrachtung plädiert Theisen1 97 analog § 49 WPO und § 319 Abs. 2 Nr. 5 HGB für ein generelles Verbot der Beratung durch das Überwachungsorgan und seine Mitglieder, da Überwachung und Beratung sich funktionell ausschließen würden. Während die Überwachung im Interesse und auf Wunsch Dritter erfolge, finde eine Beratung hingegen im Interesse des Ratsuchenden statt. Diese Auffassung verkennt, dass das frühzeitige Erkennen und Korrigieren von Fehlern in der unternehmerischen Zukunftsplanung aufgrund der Beratung durch den und mit dem Aufsichtsrat gerade auch im Interesse der Aktionäre liegt. Außerdem sind Aufsichtsrat und Vorstand dem übergeordneten Unternehmensinteresse verpflichtet2.

2. Grenzen des Beratungsauftrags Überspannt würde der Beratungsauftrag des Aufsichtsrats allerdings, wollte man es ihm zur Pflicht machen, zu jedweder Vorlage und jedwedem Vorhaben des Vorstands förmlich Stellung zu beziehen: Tatsächlich übt der Aufsichtsrat im Unternehmen eine Nebentätigkeit und nicht ein Hauptamt aus. Wie sich der Aufsichtsrat gegenüber dem Vorstand verhält, obliegt seinem pflichtgemäßen Ermessen. Ergeben sich im Aufsichtsrat keine Bedenken oder teilt die Mehrheit des Aufsichtsrats die Auffassung des Vorstands, bedarf es keiner Äußerung3. Hat der Aufsichtsrat Zweifel an der Zweckmäßigkeit des Vorstandshandelns, so genügt er seinem Auftrag auch durch eine formlose Erörterung mit dem Vorstand.

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Außerhalb des Bereichs überwachungsbedürftigen Vorstandshan- 99 delns, bei den weniger bedeutsamen Maßnahmen, trifft den Aufsichtsrat keine besondere Beratungspflicht. Wo er nicht kontrollieren muss, muss er auch keinen Rat erteilen. Daher beschränkt sich seine organschaftliche Pflicht zur Beratung auf die strategisch-konzeptionellen Teile der Unternehmensleitung, erfasst hingegen nicht den operativen Bereich4. Er kann sich der Beschäftigung mit solchen Angelegenheiten gänzlich enthalten und ist von sich aus nicht einmal berechtigt, zu sämtlichen Angelegenheiten der Gesellschaft ungebeten Stellung zu nehmen. Denn soll der Vorstand die Gesellschaft eigenverantwortlich leiten, gilt es, ihn vor ständigen, wenn auch unverbindlichen Einmischungen in seinen Tätigkeitsbereich zu schützen5. 1 Theisen, AG 1995, 193, 199 f.; bereits Theisen, AG 1993, 49, 64 f. 2 So Jäger, DStR 1996, 671, 674, der zwar ein Recht des Aufsichtsrats zur Beratung für gegeben hält, eine organschaftliche Pflicht aber ablehnt. 3 Wie hier Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 201. 4 Deckert, AG 1997, 109, 114. 5 Ähnlich Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 56; weitergehend Semler, Leitung und

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§3

Die allgemeine Überwachung durch den Aufsichtsrat

IV. Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats 100

Sinnvolle Überwachung kann sich nicht nur auf bloßes Prüfen beschränken, sondern erfordert die Möglichkeit zur Einwirkung auf den zu Prüfenden. Das vom Gesetz dem Aufsichtsrat hierzu zur Verfügung gestellte Instrumentarium ist begrenzt. In Betracht kommen hier vor allem: – Stellungnahmen und Beanstandungen, – Erlass einer Geschäftsordnung für den Vorstand, – Zustimmungsvorbehalte nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG, – Abberufung von Vorstandsmitgliedern, – im Rahmen der Prüfung von Jahresabschluss und Abhängigkeitsbericht: Verweigerung der Zustimmung zum Jahresabschluss oder Konzernabschluss (§§ 172 Abs. 1, 173 Abs. 1 AktG) und Beanstandungen im Pflichtbericht an die Hauptversammlung über das Ergebnis der Prüfung (§§ 171 Abs. 2, 314 Abs. 2 AktG), – Einberufung einer Hauptversammlung nach § 111 Abs. 3 AktG, – gerichtliche Klagen.

1. Stellungnahmen und Beanstandungen 101

Stellungnahmen und Beanstandungen des Aufsichtsrats hat der Vorstand zwar sorgfältig zu erwägen, ihnen kommt aber aus sich heraus keine rechtliche Verbindlichkeit zu. Der Aufsichtsrat verfügt – von Sonderfällen abgesehen – über kein Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand. Befolgt dieser eine Stellungnahme des Aufsichtsrats nicht, so ist seine Maßnahme nicht allein deshalb rechtswidrig, sondern sie kann pflichtwidrig nur wegen ihres Inhalts selbst sein. Umgekehrt kann eine Stellungnahme des Aufsichtsrats den Vorstand nicht von seiner Pflicht zu eigenverantwortlicher Leitung der Gesellschaft entlasten: Er darf ihr nicht unbesehen folgen, sondern hat unter Erwägung der Meinung des Aufsichtsrats selbst zu entscheiden, was zu tun ist1.

Überwachung, Rn. 264; insoweit zutreffend Mertens, AG 1980, 67, 68; einschränkend Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 297. 1 Vgl. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 32 m.w.N.; Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 125.

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Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats

§3

2. Erlass einer Geschäftsordnung Zum Erlass einer Geschäftsordnung für den Vorstand vgl. Rn. 447.

102

3. Zustimmungsvorbehalte Die Möglichkeit rechtsverbindlicher Einflussnahme auf Maßnahmen der Unternehmensleitung kann dem Aufsichtsrat – und nur ihm – gemäß § 111 Abs. 4 AktG dadurch eröffnet werden, dass bestimmte Arten von Geschäften an seine Zustimmung gebunden werden. Auch dann kann der Aufsichtsrat dem Vorstand zwar keine bestimmte Verhaltensweise positiv vorschreiben, er kann aber vom Vorstand beabsichtigte Maßnahmen verhindern: seine Ablehnung wirkt wie ein Veto.

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Diese Zustimmungsvorbehalte waren bis zum TransPuG von 2002 in das Ermessen des Satzungsgebers oder des Aufsichtsrats selbst gestellt1. Das Gesetz verpflichtet durch eine Änderung des Wortlauts von § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG2 – früher: „kann jedoch“, nunmehr: „hat jedoch“ – die Gesellschaft zur Schaffung eines solchen Kataloges zustimmungspflichtiger Geschäfte, ohne ihnen jedoch inhaltliche Vorgaben zu machen3. Damit können die Hauptversammlung (Satzung) oder der Aufsichtsrat selbst nach wie vor den speziellen Bedürfnissen und Besonderheiten je ihrer Gesellschaft Rechnung tragen. Das ist vom Gesetzgeber und vom Kodex so gewollt.

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a) Einrichtung Zur Einrichtung solcher Zustimmungsvorbehalte sind Satzung und 105 Aufsichtsrat unabhängig voneinander befugt: In der Satzung angeordnete Zustimmungsvorbehalte kann der Aufsichtsrat weder aufheben noch durch Erteilung einer „Generalzustimmung“ überspielen4. Andererseits kann die Satzung das Recht des Aufsichtsrats zur Anord-

1 Im Gefolge des MitbestG 1976 hatten die betreffenden Gesellschaften ihre statutarischen Kataloge zustimmungspflichtiger Geschäfte abgeschafft; vgl. Ulmer, Anpassung der Satzungen, 1980. 2 Auch insoweit einem Vorschlag der Kommission Corporate Governance folgend; vgl. Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rn. 34 u. 35; dazu Berrar, DB 2001, 2181. 3 Anders das österreichische (§ 95 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1–11 öAktG) und das niederländische Recht (dort Buch 2, Art 164 B.W.). 4 Habersack, MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 126; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 62; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 591; im Ergebnis ebenso Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 18.

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Die allgemeine Überwachung durch den Aufsichtsrat

nung von (weiteren) Zustimmungsvorbehalten weder ausschließen noch in irgendeiner Form beschränken1, 2. 106

Zur Einrichtung eines Zustimmungsvorbehalts durch den Aufsichtsrat selbst bedarf es eines Plenarbeschlusses; einem Aufsichtsratsausschuss kann die Entscheidung nicht übertragen werden (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG). Welche Zustimmungsvorbehalte der Aufsichtsrat anordnet, unterliegt seinem pflichtgemäßen Ermessen, beschränkt jedoch auf Geschäfte von Bedeutung3; andererseits sollten alle Geschäfte von grundlegender Bedeutung erfasst sein4, 5. Seine Pflicht zu gewissenhafter Kontrolle des Vorstands kann es aber verlangen, bestimmte Maßnahmen der Zustimmungspflicht zu unterwerfen6. Dem BGH7 zufolge reduziert sich das Ermessen des Aufsichtsrats dann auf eine Pflicht zur Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts, wenn eine gesetzeswidrige Maßnahme des Vorstands nur noch auf diese Weise verhindert werden kann. Dasselbe ist bei einem satzungswidrigen Vorstandsverhalten anzunehmen8. Verzichtet der Aufsichtsrat daher auf solche speziellen Zustimmungsvorbehalte 1 H.M., vgl. Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 48 m.w.N.; Habersack, MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 103; ausführlich Immenga, ZGR 1977, 249, 261 ff.; Götz, ZGR 1990, 633, 634 ff.; Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 19; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 60; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 590; Potthoff/Trescher/ Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1752; wie die h.M. auch Ulmer/ Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 61 mit dem Argument, dass die dadurch eröffnete Mitwirkung des Aufsichtsrats an bestimmten Geschäftsführungsmaßnahmen ein wesentliches Kontroll- und Überwachungsinstrument ist. A.A. Wiedemann, ZGR 1975, 385, 426; Wiedemann, BB 1978, 1, 8. 2 Statutarische Zustimmungsvorbehalte sind heute eher selten, um bei den sich rasch verändernden äußeren Umständen keine „Zementierung“ zu bewirken. 3 Zutr. Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 641 ff.; vgl. auch unten Rn. 112. 4 Habersack, MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 102 versteht das zu Unrecht als „muss“; zutr. Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 608 ff. 5 Welche das in concreto sind, variiert nach Größe und Tätigkeitsfeld der Gesellschaft; vgl. im Übrigen unten Rn. 109. 6 Ebenso Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 152 (für GmbH); Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 148 f.; Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 41 f.; vgl. auch schon Biener, BFuP 1977, 489, 496; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 48, die diese Pflicht allerdings nur zwecks Sicherstellung rechtzeitiger Unterrichtung des Aufsichtsrats begründen, während es u.E. auch um die Verpflichtung geht, sich bei besonders wichtigen Angelegenheiten eine Veto-Position zu eröffnen; enger Götz, ZGR 1990, 633, 637 ff. 7 BGH v. 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 127 = AG 1994, 124. 8 Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 304; Schön, JZ 1994, 684, 685.

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Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats

§3

oder hält er den Katalog der zustimmungspflichtigen Maßnahmen bewusst eng, so kann darin eine Pflichtwidrigkeit liegen, die seine Schadensersatzpflicht auszulösen vermag1. Das aber bedeutet nicht, dass ein Beschluss des Aufsichtsrats, der solche Zustimmungserfordernisse ablehnt, a priori nichtig wäre2. Ein Unterlassen des Vorstands kann nicht an einen Zustimmungsvorbehalt gebunden werden, da das zu einer Handlungspflicht des Vorstands führen würde. Das aber steht dem Aufsichtsrat nicht zu3. Zustimmungsvorbehalte sind üblicherweise Teil einer Geschäftsordnung, die sich der Aufsichtsrat selbst gegeben oder für den Vorstand erlassen hat4. Im Zweifel sollte das auch im Sinne einer guten Corporate Governance geschehen.

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Ein solcher Zustimmungsvorbehalt kann (und muss ggf.) vom Auf- 108 sichtsrat auch ad hoc beschlossen werden5, etwa um Absichten des Vorstands, die der Aufsichtsrat für unvertretbar hält, noch verhindern zu können, insbesondere wenn der Vorstand sich in der Erörterung trotz gewichtiger Gegenargumente nicht überzeugen lässt. b) Umfang und Katalog Zustimmungsvorbehalte können nur für „bestimmte Arten von Geschäften“ (so wörtlich § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG) festgelegt werden. Ausgeschlossen sind damit generalklauselartige Zustimmungsvorbehalte wie etwa „alle bedeutenden Geschäfte“6; die vom Zustimmungsvorbehalt erfassten Geschäfte müssen vielmehr nach allgemeinen Merkmalen bestimmt werden. Beispiele für solche Zustimmungsvorbehalte sind: (1) Die Jahresplanung (Budget) und die Investitionsplanung sowie deren Änderungen und Überschreitungen; 1 Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 61a; a.A. Götz, ZGR 1990, 633. 2 So aber Säcker, Aufsichtsratsausschüsse, S. 28. 3 Wie hier Lieder, DB 2004, 2254; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 647; a.A. Lange, DStR 2003, 376, 380. 4 Neuere Untersuchungen zur Häufigkeit und zum Inhalt solcher Kataloge fehlen, vgl. Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 29 Rn. 39 ff. 5 BGH v. 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 127 = AG 1994, 124; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 595; Theisen, Die Überwachung der Unternehmungsführung, S. 352. 6 OLG Stuttgart v. 27.2.1979 – 12 U 17/77, WM 1979, 1296, 1300 = BB 1979, 885; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 62; Habersack, MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 106; Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 25; ebenso Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 304 bezüglich eines Vorbehalts bei „allen Geschäften, die über den laufenden Geschäftsbetrieb hinausgehen“.

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Die allgemeine Überwachung durch den Aufsichtsrat

(2) Gründung von Tochtergesellschaften und Niederlassungen im In- und Ausland, soweit diese nicht nur reine Vertriebsaufgaben haben; (3) Erwerb und Veräußerung von Unternehmen und Unternehmensteilen über x Euro hinaus; (4) Erwerb und Veräußerung von Grundbesitz über x Euro hinaus; (5) Aufnahme von Krediten über x Euro hinaus; (6) Gewährung von Krediten über x Euro hinaus; (7) Einführung und Änderung von Optionsplänen gleich welcher Ausgestaltung für Mitarbeiter; (8) Aufnahme neuer Produkte und Produktionen sowie deren Aufgabe; (9) Bestellung und Abberufung von Vorständen und Geschäftsführern in wesentlichen Tochtergesellschaften. (10) Der Vorstand ist verpflichtet, für die Einführung gleicher Zustimmungsvorbehalte in wesentlichen Tochtergesellschaften zu sorgen verbunden mit seiner Pflicht, seine Zustimmung erst nach der Zustimmung des Aufsichtsrats zu erteilen. Auch der Abschluss von Haustarifverträgen und Betriebsvereinbarungen kann der Zustimmung des Aufsichtsrats unterworfen werden. Es ist kein Ansatz dafür ersichtlich, insoweit immanente Schranken aus der Tarifautonomie der Gewerkschaften oder den Kompetenzen der betriebsverfassungsrechtlichen Organe abzuleiten1. 110

Ausnahmsweise können aber auch einzelne Geschäfte von herausragender Bedeutung für die Gesellschaft der Zustimmungspflicht unterworfen werden2. Als Beispiel kann man etwa an den Jahresvertrag eines Zulieferer-Unternehmens mit seinem Hauptkunden denken. Zustimmungspflichten in diesem Zusammenhang sind in der Praxis offenbar sehr selten.

111

Zustimmungsvorbehalte können auch und gerade rein unternehmensinterne Maßnahmen betreffen, insbesondere also auch unter-

1 Ebenso Vogel, Aktienrecht und Aktienwirklichkeit, S. 227; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 28. Zur Frage des Stimmrechtsausschlusses vgl. unten Rn. 894 ff. 2 BGH v. 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 127 = AG 1994, 124; Habersack, MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 106; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 61; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 29 Rn. 43; Hüffer, Komm. AktG, § 111 Rn. 18; Götz, ZGR 1990, 633, 642 f.; a.A. aber Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 304, der Einzelgeschäfte ausnahmslos ausnimmt; ablehnend auch Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 7; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 151 f.

48

Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats

§3

nehmerische Planungen des Vorstands1, wie etwa Großinvestitionen oder das jährliche Investitionsbudget. Überhaupt werden Maßnahmen vorausschauender Planung von der Betriebswirtschaftslehre als besonders geeignet für Zustimmungsvorbehalte und damit für förmliche Beratungspflichten mit dem Vorstand angesehen. Begrenzt wird das Recht zur Anordnung von Zustimmungsvorbehal- 112 ten durch die Befugnis des Vorstands zu autonomer Leitung der Gesellschaft (§ 76 AktG). Um diese nicht zu beeinträchtigen, dürfen Zustimmungsvorbehalte zum einen nur für bedeutsame Angelegenheiten angeordnet werden, zum anderen müssen sie auch in diesem Bereich in ihrem Umfang bestimmt und begrenzt bleiben. Nicht nur für Routinegeschäfte sind Zustimmungsvorbehalte deshalb unzulässig, sondern unzulässig wäre es auch, alle „wichtigen“ Geschäfte pauschal für zustimmungsbedürftig zu erklären oder den Zustimmungskatalog in konkreter Form auf alle oder den Großteil der Vorstandsentscheidungen zu erstrecken2. Unter Hinweis auf die Leitungsverantwortung des Vorstands (§ 76 113 Abs. 1 AktG) und das Geschäftsführungsverbot des Aufsichtsrats (§ 111 Abs. 4 Satz 1 AktG) wird es teilweise für unzulässig gehalten, eine Mehrjahresplanung von der Zustimmung des Aufsichtsrats abhängig zu machen. Die nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG erforderliche konkrete Bezeichnung der zustimmungspflichtigen Geschäfte sei außerdem nur bei einzelnen Planungsmaßnahmen und eventuell bei der jährlichen Budgetplanung möglich3. Tatsächlich bleibt die gesetzliche Zuordnung der Geschäftsführung zum Vorstand jedoch auch bei einer zustimmungspflichtigen Mehrjahresplanung unangetastet, da der Aufsichtsrat seine abweichenden geschäftspolitischen Vorstellungen nicht mit der Forderung nach einer Neuplanung durchsetzen kann. Der Vorstand ist nur dann verpflichtet, die vom Aufsichtsrat geforderten Planungsänderungen vorzunehmen, wenn seine ursprüngliche Planung gegen fachliche Grundsätze, die Satzung oder die Geschäftsordnung verstoßen hat4. Außerdem hat die Anordnung 1 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 29 Rn. 43; Kropff in Semler/ v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 28; Kropff, NZG 1998, 613, 616 f.; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 11; Schilling, JZ 1967, 615; einschränkend v. Rechenberg, BB 1990, 1356 ff. 2 Vgl. Habersack, MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 106 ff.; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 61 m.w.N.; ebenso Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 304; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 62; etwas zu eng Götz, ZGR 1990, 633, 640 ff., der Zustimmungsvorbehalte auf Geschäfte i.S.v. § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AktG beschränken will. 3 Hüffer, Komm. AktG, § 111 Rn. 18; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 68; a.A. Lutter, AG 1991, 249, 254. 4 Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 62; Kropff, NZG 1998, 613, 616; Lieder, DB 2004, 2251, 2255.

49

§3

Die allgemeine Überwachung durch den Aufsichtsrat

dieses Zustimmungsvorbehalts den Vorteil, dass der Aufsichtsrat gezwungen ist, sich eingehend mit der Planung auseinanderzusetzen und Stellung zu beziehen1. c) Die Erteilung oder Versagung der Zustimmung 114

Sie ist nur im Innenverhältnis zwischen Vorstand und Gesellschaft von Bedeutung. Auch bei versagter Zustimmung kann der Vorstand nach außen wirksam handeln, er darf es aber nicht und handelt pflichtwidrig, wenn er sich über das Fehlen der Zustimmung hinwegsetzt. Gegen die Zustimmungsverweigerung des Aufsichtsrats kann der Vorstand jedoch die Hauptversammlung anrufen, die dann anstelle des Aufsichtsrats mit ¾-Mehrheit die Zustimmung erteilen kann (§ 111 Abs. 4 Sätze 3 und 4 AktG). Praktisch kommt das nicht vor.

115

Ist die Zustimmung des Aufsichtsrats zu einer Maßnahme des Vorstands vorbehalten, so bedarf es ihrer Einholung vor Durchführung des beabsichtigten Geschäfts. Bei einer nur nachträglichen Genehmigung stünde der Aufsichtsrat vor vollendeten Verhältnissen, und es wäre der Zweck des Zustimmungsvorbehalts schlechthin verfehlt2. Die Gegenansicht ist verfehlt und selbst die Auffassung, eine nachträgliche Zustimmung genüge ausnahmsweise in dringenden Fällen3, begegnet erheblichen Bedenken. Angesichts der Möglichkeiten fernmündlicher Beschlussfassung und schriftlicher Stimmabgabe (§ 108 Abs. 3 und 4 AktG) ist der Aufsichtsrat auch Eilsituationen in der Regel gewachsen, so dass in jedem Fall zumindest der Versuch unternommen werden kann, eine vorherige Entscheidung des Aufsichtsrats zu erlangen. Allenfalls wenn der Versuch scheitert und die Entscheidung keinen Aufschub mehr duldet, darf der Vorstand ohne vorherige Einwilligung des Aufsichtsrats handeln. Und das alles gilt naturgemäß erst recht, wenn die Zustimmungsbefugnis an einen Ausschuss delegiert ist: An ihm vorbei zu handeln, dürfte im Zweifel stets pflichtwidrig vom Vorstand sein4. 1 Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 300. 2 H.M., vgl. Baumbach/Hueck, Komm. AktG, § 111 Anm. 12; Habersack, MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 123; Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 47; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 65; Bauer, Organklagen, S. 97: grundsätzlich vorherige Zustimmung, Ausnahmen bei besonders eiligen Geschäften; a.A. Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 680 ff. und Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 302. 3 So aber die h.M., vgl. Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 50; Habersack, MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 124; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 65; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 29 Rn. 46; enger Götz, ZGR 1990, 633, 643 f. 4 Ebenso Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 47.

50

Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats

§3

Ob der Aufsichtsrat die Zustimmung erteilt, unterliegt seinem pflichtgemäßen Ermessen; hält er die vom Vorstand beabsichtigte Maßnahme für unvertretbar, muss er sie untersagen; hält er sie zwar für vertretbar, eine andere Maßnahme aber für zweckmäßiger, darf er die Zustimmung verweigern, muss es aber nicht.

116

Innerhalb des Aufsichtsrats kann die Entscheidung einem Ausschuss 117 übertragen werden. Das Delegationsverbot des § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG nennt die Zustimmungsvorbehalte des § 111 Abs. 4 AktG gerade nicht1. Bei einem statutarisch eingerichteten Zustimmungsvorbehalt ist der Ausschuss zur Erteilung einer Generalzustimmung nicht befugt; bei vom Aufsichtsrat vorbehaltener Zustimmung darf er eine generelle Zustimmungserklärung nur bei ausdrücklicher Ermächtigung durch das Plenum abgeben2, da es sich bei der Generalzustimmung und in ihrem Umfange faktisch um eine zumindest teilweise Abschaffung des Zustimmungsvorbehalts handelt. d) Einzelne Zustimmungsvorbehalte Entscheidungen über größere Investitionen der Gesellschaft, ins- 118 besondere über den Erwerb von Unternehmensbeteiligungen, werden häufig einem Zustimmungsvorbehalt unterworfen. Der Aufsichtsrat muss sich vor Erteilung seiner Zustimmung zu einer solchen Investition vergewissern, dass deren Chancen und Risiken von der Geschäftsführung sorgfältig gegeneinander abgewogen werden3. Dazu muss er umfassende Informationen vom Vorstand einfordern; die Rentabilität der Investition ist ihm durch eine Wirtschaftlichkeitsberechnung nachzuweisen4. Seine Zustimmung sollte der Aufsichtsrat unter der Auflage erteilen, dass der Vorstand regelmäßig über die Entwicklung der Investition berichtet5. Erfolgt die Investition in Form eines Unternehmens- oder Beteiligungskaufs, trifft den Aufsichtsrat die Pflicht, die Vorlage eines Bewertungsgutachtens oder zumindest dessen Zusammenfassung hinsichtlich des zu erwerbenden Objekts zu verlangen. Das Gutachten kann der Vorstand selbst erstellen, er kann sich dazu auch externer 1 Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 26 und 35 und Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 61a. 2 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 64; Habersack, MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 126. 3 Potthoff/Trescher, Das Aufsichtsratsmitglied, 5. Aufl., S. 319. (in Neuauflage nicht mehr enthalten). 4 Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 73; Potthoff/Trescher, Das Aufsichtsratsmitglied, 5. Aufl., S. 319 (in Neuauflage nicht mehr enthalten). 5 Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 71.

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119

§3

Die allgemeine Überwachung durch den Aufsichtsrat

Gutachter bedienen, muss dann aber zu dessen Vorgehensweise und Ergebnissen gegenüber dem Aufsichtsrat Stellung nehmen1. Vermehrt wird vor einem Beteiligungs- oder Unternehmenserwerb bei Zustimmung des Zielunternehmens die aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis stammende due diligence-Prüfung vorgenommen, in deren Rahmen die mit dem Erwerb verbundenen Risiken ermittelt und bewertet werden sollen. Im Hinblick auf die nur eingeschränkte Zulässigkeit der due diligence2 und deren noch nicht abschließend geklärte gewährleistungsrechtliche Folgen3 kann derzeit noch keine allgemeine und regelmäßige Pflicht des Vorstands zur Durchführung dieser Prüfung angenommen werden4. Unabhängig davon muss sich der Aufsichtsrat jedenfalls darüber informieren, welche Risiken die Geschäftsleitung bereit ist einzugehen, ob das nach dem Zustand der eigenen Gesellschaft gerechtfertigt ist und wie man sich dagegen durch Gewährleistungsvereinbarungen mit dem Verkäufer abgesichert hat. Die Existenz der eigenen Gesellschaft darf selbst im worst case nie in Frage stehen5. Letztendlich hat der Aufsichtsrat zu prüfen, ob sich der Erwerb in die Unternehmensstrategie, wie sie in der Mittelfrist- und Langzeitplanung dargelegt wurde, einfügt6. 120

Im Rahmen von Personalentscheidungen sollten Zustimmungsvorbehalte aus Praktikabilitätsgründen nur für Angestellte direkt unterhalb des Vorstands angeordnet werden. Ferner sollte die Entscheidung über die Zustimmung einem Personalausschuss übertragen werden.

4. Abberufung von Vorstandsmitgliedern 121

Zur Abberufung von Vorstandsmitgliedern als einer Maßnahme der Einwirkung auf die Geschäftsführung und deren Kontrolle vgl. Rn. 331 und 361 ff. Dabei vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich sowohl bei der korporativen Abberu1 Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 65 f. 2 Vgl. dazu Lutter, ZIP 1997, 613 ff.; weitergehend Mertens, AG 1997, 541 ff. 3 Näher dazu Loges, DB 1997, 965, 967 ff.; Merkt, BB 1995, 1041, 1046 ff. sowie Eggenberger, Gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen und Fragen einer due diligence-Prüfung, 2001. 4 Im Ergebnis ebenso Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 70; a.A. Kiethe, NZG 1999, 976, 982 f., der für den Fall, dass das Zielunternehmen eine due diligence-Prüfung nicht zulässt, eine Pflicht des Vorstands zur Ablehnung des Erwerbs annimmt. Vgl. auch die due diligence-Checkliste von Wegen, WiB 1994, 291 ff. 5 Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 68. 6 Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 70; Potthoff/Trescher, Das Aufsichtsratsmitglied, 5. Aufl., S. 320 (in Neuauflage nicht mehr enthalten).

52

Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats

§3

fung als auch bei der Kündigung und dem etwaigen Rechtsstreit daraus1.

5. Einwirkungsmöglichkeiten im Rahmen der Feststellung des Jahresabschlusses Vgl. Rn. 484 ff.

122

6. Einberufung der Hauptversammlung Der Überwachungsaufgabe nutzbar gemacht werden kann schließlich 123 auch das Recht des Aufsichtsrats, gemäß § 111 Abs. 3 AktG eine Hauptversammlung einzuberufen, wenn es das Wohl der Gesellschaft verlangt. Der Aufsichtsrat kann auf diese Weise Beschlüsse über Angelegenheiten aus dem Zuständigkeitsbereich der Hauptversammlung (§ 119 Abs. 1 AktG) initiieren und der Hauptversammlung Gelegenheit geben, Vorstandsmitgliedern das Vertrauen zu entziehen und so einen wichtigen Grund zu deren Abberufung statuieren (§ 84 Abs. 3 Satz 2 AktG). Man wird es aber auch für zulässig halten müssen, der Hauptversammlung die Möglichkeit zur Erörterung von Geschäftsführungsfragen zu bieten2. Entscheiden kann sie in Fragen der Geschäftsführung zwar in der Regel nur auf Verlangen des Vorstands (§ 119 Abs. 2 AktG3). Hat sie aber das Recht, Maßnahmen des Vorstands zum Anlass für einen Vertrauensentzug zu nehmen, kann ihr vorbeugend durchaus das Recht zuerkannt werden, besonders gewichtige Fragen auch ohne ein entsprechendes Begehren des Vorstands zu erörtern und – wenn auch unverbindlich – zu ihnen Stellung zu nehmen. Einstweilen frei.

124–130

1 BGH v. 9.10.1986 – II ZR 284/85, AG 1987, 19; der Aufsichtsrat ist in diesen Streitigkeiten auch dann vertretungsbefugt, wenn die Organstellung des Vorstandsmitgliedes vorher durch Zeitablauf erloschen ist, BGH v. 8.2.1988 – II ZR 159/87, BGHZ 103, 213 und BGH v. 22.4.1991 – II ZR 151/90, WM 1991, 941 = AG 1991, 269. 2 Ebenso Biener, BFuP 1977, 489; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 167 f.; a.A. Habersack, MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 89 ff.; Zöllner, Kölner Komm. AktG, 1. Aufl., § 119 Rn. 33. 3 Nur ausnahmsweise hat der Vorstand die Pflicht, die Hauptversammlung zur Entscheidung einer außergewöhnlichen Maßnahme einzuberufen: vgl. BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122 = AG 1982, 158 (Holzmüller) und dazu Lutter in FS Stimpel, 1985, S. 825 ff. sowie BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30 = AG 2004, 384 (Gelatine I) und BGH v. 26.4.2004 – II ZR 154/02, ZIP 2004, 1001 = NZG 2004, 575 (Gelatine II); dazu Fleischer, NJW 2004, 2335 und Götze, NZG 2004, 585. Eine derartige Pflicht besteht bei Ausgliederung der Datenverarbeitung nicht, LG Darmstadt v. 6.5.1986 – 14 O 328/85, ZIP 1986, 1389 = AG 1987, 218 und dazu Kort, AG 1987, 193 ff.

53

§4 Die Überwachung im Konzern I. Erweiterung der Überwachungsaufgaben des Aufsichtsrats 1. Der Konzern Aktiengesellschaften und größere (500–2000 Arbeitnehmer)1 und gro- 131 ße GmbHs (mehr als 2000 Arbeitnehmer)2 sind heute nahezu ausnahmslos Teil eines Unternehmensverbundes, eines Konzerns. Der Konzern als die Verbindung von einem herrschenden Unternehmen (Obergesellschaft) und einem oder mehreren abhängigen Unternehmen (Tochtergesellschaften) unter der einheitlichen Leitung der Obergesellschaft (§ 18 Abs. 1 AktG) hat selbst aber keine eigene Rechtsform, sondern ist der funktionale Zusammenschluss aus mehreren (gar nicht selten mehreren hundert)3 rechtlich selbständigen Gesellschaften unterschiedlicher Rechtsform und unterschiedlicher Nationalität4. Diese abhängigen Gesellschaften leben je nach den Regeln des für sie zuständigen Rechts. Insoweit ergeben sich keine Besonderheiten gegenüber dem bisher Gesagten5.

2. Gründe für die Erweiterung Im Konzern aber werden alle Dinge komplexer und schwieriger. 132 Denn einerseits gelten für alle Konzerngesellschaften die Regeln ihres eigenen Rechts weiter, haben ihre Aufsichtsräte die Geschäftsführung von Vorständen oder Geschäftsführern ihrer Gesellschaften zu 1 Gesellschaften, die einen Aufsichtsrat haben müssen, in dem die Arbeitnehmer ein Drittel der Sitze innehaben (§ 4 Abs. 1 DrittelbG); siehe dazu oben Rn. 8. 2 Gesellschaften, die einen Aufsichtsrat haben müssen, in dem die Arbeitnehmer die Hälfte der Sitze innehaben (§§ 1 ff. MitbestG); siehe oben Rn. 8. 3 Die frühere VEBA und heutige e-on AG soll mehr als 1000 abhängige Tochter-, Enkel- und Urenkel-Gesellschaften haben. 4 Von besonderer Bedeutung sind heute die nach ausländischem Recht gegründeten und im Ausland ansässigen Tochtergesellschaften: Für sie ist allein das betreffende ausländische Recht maßgebend, vgl. Großfeld in Staudinger, Internationales Gesellschaftsrecht, Rn. 188 ff.; Assmann, Großkomm. AktG, Einl. Rn. 517 ff.; Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, Einl. Rn. 30 ff. 5 Die vier großen derzeitigen oder ehemaligen Tochter-Aktiengesellschaften der e-on AG (VEBA Öl AG, VEBA Chemie AG, VEBA Handel AG und PreußenElektra AG) haben je ihren eigenen, nach den Regeln des MitbestG gebildeten Aufsichtsrat.

55

§4

Die Überwachung im Konzern

überwachen etc., andererseits erweitert sich zugleich der unternehmerische Handlungsspielraum des Vorstands einer Obergesellschaft. Denn der Konzern ist vom Gesetz definiert durch die einheitliche Leitung mehrerer Unternehmen aus einer Obergesellschaft heraus (§ 18 Abs. 1 AktG)1. Die Leitung der Obergesellschaft bestimmt also nicht mehr nur das Geschehen im eigenen Unternehmen, sondern zugleich – mehr oder minder – das in einer oder mehreren anderen Gesellschaften. Mittel dieser Leitung über weitere, „fremde“ Gesellschaften sind Unternehmensverträge (Vertragskonzern) und Beteiligungen (faktischer Konzern). Dehnt sich aber der Handlungsspielraum des Vorstands aus, so kann das nicht unkontrolliert geschehen: Parallel dazu weitet sich auch der Aufgabenkreis des Aufsichtsrats aus. Grundlage für diese Aussage ist die Erkenntnis, dass diese einheitliche Leitung auch der anderen Gesellschaften zugleich Geschäftsführung für die Obergesellschaft ist2. Der Aufsichtsrat hat aber die gesamte Geschäftsführung des Vorstands, also auch diejenige im Zusammenhang mit der Konzernleitung zu überwachen (§ 111 Abs. 1 AktG)3. Das wird auch bestätigt durch §§ 171, 337 AktG, wonach der Konzernabschluss einschließlich des Konzernlageberichts und des Prüfungsberichts des Abschlussprüfers eben diesem Aufsichtsrat der Obergesellschaft zur Prüfung vorzulegen ist4. Das aber erhält seinen Sinn nur aus der Pflicht des Aufsichtsrats zur Überwachung auch der konzernleitenden Maßnahmen seines Vorstands5. 1 Zum Begriff der einheitlichen Leitung vgl. Koppensteiner, Kölner Komm. AktG, § 18 Rn. 15; Krieger, Münchener Hdb. AG, § 68 Rn. 67 ff.; zur Stellung des Aufsichtsrats im beherrschten Unternehmen vgl. Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 456 ff. und Turner, DB 1991, 583 f. 2 Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 156; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 23; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 369 ff.; v. Schenck in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 7 Rn. 39; Timm, AG 1980, 172, 181; Lutter, AG 2006, 517 ff.; Henze, BB 2005, 165, 168. 3 Nach Uwe H. Schneider, BB 1981, 249, 252 (für den GmbH-Konzern Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 187) sind auch die geschäftsführenden Organe der nachgeordneten Konzerngesellschaften durch den Aufsichtsrat der Obergesellschaft zu überwachen. Dem steht jedoch die rechtliche Selbständigkeit der Konzernunternehmen entgegen, vgl. v. Schenck in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 7 Rn. 38. Wie hier Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982, S. 188; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 401; Habersack, MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 52; Krieger, Münchener Hdb. AG, § 69 Rn. 30; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 500 ff. 4 Auch über diese Prüfung hat der Aufsichtsrat an die Hauptversammlung zu berichten, § 171 Abs. 2 u. 3 AktG; vgl. im Übrigen unten Rn. 561 ff. 5 Hierzu näher Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 163; Lutter, AG 2006, 517, 518; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 369 ff.; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 381 ff.; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982, S. 190; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 500.

56

Erweiterung der Überwachungsaufgaben

§4

Diese schon immer richtige Sicht wird durch § 90 Abs. 1 Satz 2 AktG bestätigt, wonach gilt:

133

„Ist die Gesellschaft Mutterunternehmen (§ 290 Abs. 1, 2 des Handelsgesetzbuchs), so hat der Bericht auch auf Tochterunternehmen und auf Gemeinschaftsunternehmen (§ 310 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs) einzugehen.“

Was aber dem Aufsichtsrat zu berichten ist, muss von ihm auch kontrolliert werden. Aufgrund dieser Erweiterung der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats der Obergesellschaft1 kann es zweckmäßig oder sogar erforderlich sein, offizielle Aufsichtsratsausschüsse zu bilden, die einzelne Konzernbereiche verstärkt überwachen2.

3. Besondere Schwierigkeiten der Überwachung im Konzern Der Konzern hat keine eigene Rechtsform, der Aufsichtsrat der Ober- 134 gesellschaft ist daher auch nicht der förmliche Aufsichtsrat des Konzerns. In den Tochter- und Enkelgesellschaften ist er nicht Aufsichtsrat, ist nicht Organ im Verhältnis zur dortigen Geschäftsleitung, hat keine eigenen Informationsrechte diesen gegenüber. Auch in schwierigen Situationen kann er nicht etwa die betreffende Tochtergesellschaft selbst besuchen und dort Einblick in die Bücher nehmen und sich mit der örtlichen Geschäftsleitung beraten. All das wäre nur mit Zustimmung des Vorstands der Obergesellschaft und mit Zustimmung der örtlichen Geschäftsleitung und den örtlichen Aufsichtsräten möglich. Daher muss sich der Aufsichtsrat der Obergesellschaft mit seinem Informationssystem (dazu näher unten Rn. 317), ggf. mit seinen Ausschüssen und mit seinen Möglichkeiten der Rückkoppelung zum Konzern-Abschlussprüfer (§ 111 Abs. 2 Satz 3 AktG) darauf einrichten, seine Überwachungsaufgabe im Konzern ebenfalls zentral und parallel zur Überwachung der Obergesellschaft und ihres Vorstands selbst zu organisieren und zu verwirklichen. Es ist gerade hier daran zu erinnern, dass der Aufsichtsrat für die Organisation seiner Überwachung und für diese selbst verantwortlich ist, bei Mängeln der Organisation seiner Überwachung und etwaigen Schäden daraus selbst einzustehen hat und ggf. selbst haftet. Das alles zeigen die §§ 90 Abs. 1 Satz 2, 171 Abs. 1 Satz 1 AktG mit der Informationspflicht des Vorstands über den Konzern und der Verantwortung des Aufsichtsrats der Obergesellschaft für den Konzernabschluss. 1 So auch Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 111 Rn. 21. 2 Krieger in Lutter, Holding-Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 6 Rn. 39; Scheffler, DB 1994, 783, 797. Hoffmann-Becking, ZHR 159 (1995), 325, 342 hält hingegen einen „Konzernausschuss“ nur bei unterschiedlichen Geschäftsbereichen von Ober- und Untergesellschaft für zweckmäßig.

57

§4 135

Die Überwachung im Konzern

Die unten (Rn. 317) behandelte Informationsordnung des Aufsichtsrats ist mithin von Anfang an nicht nur auf die Obergesellschaft selbst, sondern auch auf den Konzern insgesamt so auszulegen, dass dessen wirtschaftliche und unternehmerische Entwicklung transparent und zugleich die Orte der etwaigen Schwachstellen im Konzern erkennbar sind: Der Aufsichtsrat der Obergesellschaft muss in relativ einfacher und klarer Weise erkennen können, ob die Obergesellschaft selbst erfolgreich arbeitet, der Konzern insgesamt im Prinzip ebenfalls, gravierende Schwächen aber bei der brasilianischen und der kanadischen Tochtergesellschaft aufgetreten sind: Darüber hat dann das Gespräch mit dem Vorstand zu erfolgen1.

II. Umfang der Erweiterung 136

Die Überwachung des Aufsichtsrats richtet sich nach der Geschäftsführung des Vorstands. Diese aber hat je nach der Organisation des Konzerns unterschiedlich starke Einwirkungsmöglichkeiten und Verantwortlichkeitsstrukturen in Bezug auf den Konzern2: Bei eingegliederten Gesellschaften treffen Ergebnis und Haftung voll die Obergesellschaft; hier ist der Aufsichtsrat nicht mehr und nicht weniger zur Überwachung verpflichtet wie bei einer Betriebsabteilung der eigenen Gesellschaft. Gleiches gilt aus praktisch gleichen Gründen bei Organschaftsverträgen (Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag) und, wegen der ungemein engen Verbindung, auch für die 100 %igen oder fast 100 %igen Tochtergesellschaften3. Im einfachen faktischen, auf Mehrheitsbesitz beruhenden Konzern ist der Handlungsspielraum des Vorstands der Obergesellschaft geringer, insbesondere wegen der §§ 311 ff. AktG; dem entspricht auch ein geringerer Überwachungsrahmen des Aufsichtsrats4.

III. Urteilsbildung im Aufsichtsrat über Konzernvorgänge 137

Während die Handlungen des Vorstands in der eigenen Gesellschaft ausgerichtet sind an deren Nutzen und Besten (Interessen), geht es 1 Dazu Theisen in FS E. Frese, 1998, S. 442, 444 ff.; zum Ganzen Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 148 ff.; Lutter, AG 2006, 517, 518 ff. 2 Dazu Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AG, § 111 Rn. 22. 3 Zu beiden ausführlich Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 163 ff.; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 372. 4 Selbstverständlich unterliegt auch der schlichte Beteiligungsbesitz einer Gesellschaft und seine Verwaltung durch den Vorstand der Überwachung durch den Aufsichtsrat. Nur enthält das keine Besonderheiten aus dem Aspekt des Konzerns.

58

Urteilsbildung über Konzernvorgänge

§4

bei den Konzerngesellschaften aus der Sicht des Vorstands der Obergesellschaft nicht nur um deren Bestes, sondern um die Förderung des Konzerns. Maßstab des Vorstandshandelns im Konzern ist das Konzerninteresse, die Förderung des Unternehmensverbundes als Ganzem1. Dieser Sicht hat der Aufsichtsrat bei der Überwachung und der Beurteilung des Vorstandshandelns zu folgen. Dabei sind insbesondere folgende Einzelaspekte zu beachten:

1. Rechtmäßigkeit a) Der Aufsichtsrat hat die Rechtmäßigkeit der Konzerngeschäftsführung zu überwachen2. Hier kommt dem Aufsichtsrat besondere Verantwortung zu im Hinblick auf die §§ 311 ff. AktG3 und die Einhaltung entsprechender Treuepflichten in der GmbH mit Minderheitsgesellschaftern durch den Vorstand der Obergesellschaft4. Daher hat der Aufsichtsrat mit großer Sorgfalt darauf zu achten, dass der Abhängigkeitsbericht nach §§ 313, 314 AktG keinerlei Beanstandungen von Seiten des Abschlussprüfers oder des Aufsichtsrats der betreffenden abhängigen Gesellschaft enthält5.

138

Zur Rechtmäßigkeit des Vorstandshandelns im Konzern als Aspekt der Überwachung durch den Aufsichtsrat gehört im internationalen (multinationalen) Konzern aber auch – soweit einschlägig – die Ein-

139

1 Ebenso Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 12 Rn. 132; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 367; Semler, MünchKomm. AktG, 2. Aufl., § 111 Rn. 233; Scheffler, DB 1994, 793, 797; demgegenüber sprechen sich für eine Verpflichtung des Vorstands allein auf das Unternehmensinteresse der Konzernobergesellschaft aus: v. Schenck in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 7 Rn. 135; Hoffmann-Becking, ZHR 159 (1995), 325, 329 ff. und jetzt auch Habersack, MünchKomm. AktG, 3. Aufl., § 111 Rn. 54, während Krieger in Lutter, Holding-Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 6 Rn. 30; Krieger, Münchener Hdb. AG, § 69 Rn. 31a mit guten Gründen zweifelt, ob Konzerninteresse und Interesse der Konzernobergesellschaft überhaupt miteinander in Konflikt stehen können; zur Auflösung des Streitstandes und Vereinbarung beider Begriffe miteinander siehe Löbbe, Unternehmenskontrolle, 2003, S. 64 ff. 2 Lutter, AG 2006, 517, 519; zum Inhalt der Konzernleitungspflicht vgl. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982, S. 182 ff.; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 469 ff.; Götz, ZGR 1998, 524, 530 ff.; Reuter, DB 1999, 2250. 3 Ebenso Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 428; Krieger, Münchener Hdb. AG, § 69 Rn. 31; Uwe H. Schneider in FS Hadding, 2004, S. 621, 627. 4 Es gehört auch zu den Regeln ordnungsgemäßer Führung der Gesellschaft und des Konzerns, die Minderheit nicht durch Maßnahmen der Geschäftsführung zugunsten der Mehrheit zu benachteiligen; vgl. dazu BGH v. 5.6.1975 – II ZR 23/74, BGHZ 65, 15 ff. (ITT) (Konzernumlage). 5 Vgl. zur Prüfung des Abhängigkeitsberichts durch den Aufsichtsrat der abhängigen Gesellschaft unten Rn. 218.

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§4

Die Überwachung im Konzern

haltung des fremden Rechts1 sowie die Berücksichtigung der für multinationale Unternehmen festgelegten Grundsätze2. Auch wenn diese letzteren Grundsätze kein formelles Recht sind3, so gehört ihre Berücksichtigung doch zu den Grundsätzen ordnungsgemäßer Konzerngeschäftsführung4. Das aber bedeutet, dass eine Abweichung von diesen Regeln jedenfalls der Begründung gegenüber dem Aufsichtsrat bedarf. 140

b) Zur ordnungsgemäßen Konzerngeschäftsführung durch den Vorstand der Obergesellschaft gehört auch, dass dieser für die Einhaltung von Gesetz und Recht in den Konzerngesellschaften sorgt5. Das geschieht etwa durch die Bestellung eines Compliance-Beauftragten (Compiliance Officer) in der Obergesellschaft mit Zuständigkeit für den ganzen Konzern6 und der Aufgabe, bis in die letzte Urenkel-Gesellschaft für die Einhaltung von Gesetz und Recht zu sorgen, etwaige Verstöße festzustellen und zu ahnden bzw. ahnden zu lassen. Die ganz große Bedeutung dieses Bereichs wird deutlich wenn man bedenkt, dass alle Verstöße der jüngeren Vergangenheit bei Tochterund Enkelgesellschaften stattfanden, wegen der zentralen Verantwortung der Obergesellschaft aber dort zu sehr hohen Bußgeldern geführt haben. All das hat der Aufsichtsrat zu überwachen. Er ist also mitverantwortlich für die Compliance im Konzern7, muss sich über die getroffenen Maßnahmen laufend Bericht erstatten lassen und diese Maßnahmen mindestens auf ihre Plausibilität hin prüfen.

1 Z.B. die Beachtung amerikanischen Kartellrechts, brasilianischen Steuerund Devisenrechts etc. 2 Vgl. dazu Steeg, ZGR 1985, 1 ff. mit allen Nachw. 3 Deshalb spricht man in diesem Zusammenhang auch gerne von „soft law“, von „weichem“ Recht! Vgl. dazu Kolvenbach, ZGR 1986, 47, 49; Steeg, ZGR 1985, 1, 14 m.w.N. 4 Ebenso Scheffler, Corporate Governance, S. 147, 164; Krieger in Lutter, Holding-Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 6 Rn. 31. 5 Der Kodex sagt dazu in Ziff. 4.1.3: „Der Vorstand hat für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der unternehmensinternen Richtlinien zu sorgen und wirkt auf deren Beachtung durch die Konzernunternehmen hin (Compliance).“ Vgl. dazu auch Ringleb in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Komm. Kodex, Rn. 615 ff. und Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 246 und 247. 6 Vgl. dazu Brückle in Hauschka (Hrsg.), Corporate Compliance, 2007, § 8, S. 127 ff. 7 Nicht zuletzt auf Initiative des Aufsichtsrats von Siemens wurde ein neues Vorstandsmitglied bestellt allein zur Sicherung der Compliance im Konzern.

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Urteilsbildung über Konzernvorgänge

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2. Ordnungsmäßigkeit Der Aufsichtsrat hat weiter auch hier auf die Ordnungsmäßigkeit der 141 Konzerngeschäftsführung zu achten. Dazu gehört die Investitions-, Produkt-, Absatz-, Finanz- und vor allem die Personalplanung im Konzern1. Die Pflichten des Vorstands zur Planung und des Aufsichtsrats zur Überwachung der Planung bestimmen sich nach denselben Grundsätzen, die für die Einzelgesellschaft gelten2. Die Ordnungsmäßigkeit der Konzerngeschäftsführung betrifft aber auch eine sachgerechte und der Konzernpolitik angemessene Konzernorganisation. Diese darf weder dem Zufallsprinzip folgen noch in Unübersichtlichkeit zerfließen, sondern muss rational betriebswirtschaftlichen (und allerdings auch steuerlichen) Grundsätzen folgen3. Zur Ordnungsmäßigkeit der Konzerngeschäftsführung gehört auch 142 die Einrichtung eines konzernweiten, betriebswirtschaftlichen Anforderungen genügenden Controlling-Systems4; das gilt umso mehr, als die großen Unternehmenskrisen des vergangenen Jahrzehnts ihren Ausgang bei Tochtergesellschaften im In- oder Ausland nahmen. Der Aufsichtsrat hat hier eine besonders wichtige und verantwortliche Kontrollaufgabe. § 91 Abs. 2 AktG spricht nur vom Risiko-Kontrollsystem der Gesellschaft (oben Rn. 82). Die dort statuierte Pflicht ist aber nur deklaratorischer Natur, formuliert nur, was sowieso Teil einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung ist. Daher auch gilt Gleiches für die ordnungsgemäße Konzerngeschäftsführung: der Vorstand ist zur Einrichtung eines konzernweiten Systems der Risiko-Früherkennung und eines konzernweiten Controllings verpflichtet und der Aufsichtsrat hat das zu überwachen, wobei er nach Lage der Dinge verpflichtet sein kann, den Prüfungsauftrag des Abschlussprüfers darauf zu erweitern5.

3. Rentabilität Von besonderer Bedeutung und großem Gewicht sind im Konzern die Fragen der Finanzierung und der Rentabilität (Wirtschaftlichkeit). 1 Zur Planung im Konzern mit instruktiven Beispielen Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 324 ff. 2 Siehe oben Rn. 75 ff. und Lutter, AG 1991, 249, 255. 3 Zu den verschiedenen Formen der Organisation eines Konzerns (z.B. Regionalprinzip, Spartenprinzip etc.) vgl. Bleicher, ZfO 1979, 243 ff., 328 ff.; Schwark, ZHR 142 (1978), 203, 205. 4 Krieger in Lutter, Holding-Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 6 Rn. 32; Semler in Lutter, Holding-Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 5 Rn. 93; Potthoff/Trescher/ Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 531 f. 5 Nach § 317 Abs. 4 HGB muss das der Abschlussprüfer bei börsennotierten Gesellschaften in jedem Falle prüfen, und zwar konzernweit; vgl. Hopt/ Merkt in Baumbach/Hopt, Komm. HGB, § 317 Rn. 10.

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§4

Die Überwachung im Konzern

Für Letztere gilt das Gleiche wie oben Rn. 83 zur Einzelgesellschaft ausgeführt, nur muss die Überwachung verstärkt betrieben werden im Hinblick auf die großen Gefahren aus einem Verlust der Gesamtrentabilität1 und die technischen Schwierigkeiten des Überblicks2. Im Übrigen ist die Finanzierung des Konzerns nach einheitlichen Aspekten geradezu ein konstitutives Element des Konzerns3. Sie ist heute von großer betriebswirtschaftlicher4 und rechtlicher Bedeutung5 einschließlich der Fragen, die sich aus Gewinnen und Verlusten im Konzern auf die Einbehaltung und Ausschüttung an die Aktionäre ergeben6. Dieser Bedeutung muss dann auch die Überwachung durch den Aufsichtsrat unter Berücksichtigung der Optimierung und der Sicherung (Liquidität) entsprechen. Die vom Gesetz (§ 90 Abs. 1 Satz 2 AktG) vorgeschriebenen vierteljährlichen Berichte des Vorstands an den Aufsichtsrat über die Entwicklung von Ertrag und Liquidität im Konzern entsprechen dieser Bedeutung (näher dazu unten Rn. 196 ff.). Der Aufsichtrat ist aber gut beraten, wenn er die Häufigkeit gerade dieser Berichte in seiner Berichtsordnung für den Vorstand erhöht und monatliche Berichte verlangt.

4. Zweckmäßigkeit 144

Schließlich hat der Aufsichtsrat auch im Konzernbereich die Zweckmäßigkeit der Geschäftsführung des Vorstands zu überwachen. Das bedeutet auch hier mitnichten, dass er für die Durchsetzung seiner eigenen Meinung einzutreten hätte: Wie der Vorstand die Gesellschaft leitet, so leitet er – als Geschäftsleiter der Obergesellschaft – auch den Konzern in eigener Verantwortung7. Der Aufsichtsrat aber hat – wie in der Gesellschaft – auch im Konzern für die Zweckmäßigkeit i.S.v. Plausibilität und innerer Folgerichtigkeit im Vorstandshan1 VW hat an seiner Triumph/Adler AG nahezu 2 Mrd. DM (!) verloren; bei weiteren Verlusten von „nur noch“ 1 Mrd. DM wäre die Gesamtrentabilität des Unternehmens VW über Jahre hinaus fraglich geworden. An ähnliche Entwicklungen bei BMW, Daimler oder Metallgesellschaft sei erinnert. 2 Beton und Monierbau AG fiel in die Insolvenz vor allem wegen plötzlicher und hoher Verluste einer afrikanischen Tochtergesellschaft. Die Fast-Insolvenz der Metallgesellschaft hatte ihren Grund im riesigen Verlust einer amerikanischen Tochtergesellschaft. 3 So vor allem Koppensteiner, Kölner Komm. AktG, § 18 Rn. 26 ff. m.w.N. 4 Vgl. Reintges in Christians, Finanzierungshandbuch, S. 661 ff.; Schnabel, ZfB 51 (1981), 1238 ff. 5 Dazu vor allem Uwe H. Schneider, ZGR 1984, 497 ff.; sowie Lutter/Scheffler/U.H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Konzernfinanzierung, 1998, insbes. S. 1 ff. und S. 171 ff. Dazu auch Theisen in Lutter, Holding-Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 11 S. 470 ff. 6 Dazu vor allem Götz, AG 1984, 93 ff.; Geßler, AG 1985, 257 ff.; Werner in FS Stimpel, 1985, S. 935, 940 ff.; Lutter in FS Goerdeler, 1987, S. 327 ff.; Lutter in Lutter/Scheffler/U.H. Schneider, Konzernfinanzierung, 1998, Rn. 14.1 ff. 7 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982, S. 165 ff.

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deln zu sorgen, auf Widersprüche hinzuweisen und für die Einhaltung der allgemeinen Regeln ordnungsmäßiger Konzerngeschäftsführung und Konzernorganisation zu sorgen. Bei einer faktisch herrschenden Obergesellschaft hat ihr Aufsichtsrat die Konzerngeschäftsführung auch dahingehend zu überwachen, dass diese durch die Art und Weise ihrer Einwirkung auf die abhängigen Gesellschaften nicht ein Haftungsrisiko der Obergesellschaft begründet1.

145

Der Inhalt der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats in der Kon- 146 zernobergesellschaft im Hinblick auf die Konzerngeschäftsführung lässt sich im Wesentlichen wie folgt zusammenfassen2: – Einhaltung der Vorschriften des Konzernrechts, – Einhaltung von Gesetz und Recht in allen Teilen des Konzerns und deren Sicherung durch geeignete Maßnahmen (Compliance), – Vorliegen einer zweckmäßigen Konzernorganisation, – Einrichtung eines Konzern-Controlling und eines konzernweiten Risiko-Managements entspr. § 91 Abs. 2 AktG, – Zweckmäßigkeit der Vorgaben und Richtlinien der Konzernleitung sowie deren Beachtung und – Erzielung eines nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolges im Konzern. Hinsichtlich einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung in den ab- 147 hängigen Gesellschaften kann sich der Aufsichtsrat der Obergesellschaft grundsätzlich darauf verlassen, dass diese durch eine ordnungsgemäße Überwachung der Tochteraufsichtsräte – soweit solche vorhanden sind – sichergestellt wird3. Von diesem Grundsatz sind allerdings zwei Ausnahmen zu machen: dann, wenn es sich um wesentliche wirtschaftliche Aktivitäten oder Vermögensbindungen handelt4, oder wenn Anzeichen dafür bestehen, dass der Aufsichtsrat in der Untergesellschaft seinen Verpflichtungen nicht in ausreichendem Maße nachkommt5.

1 Vgl. etwa BGH v. 17.9.2001 – II ZR 178/99, ZIP 2001, 1874 = AG 2002, 43 (Bremer Vulkan). 2 Scheffler, DB 1994, 793, 796 f.; Lutter, AG 2006, 517 ff. 3 Hommelhoff, ZGR 1996, 144, 155 f., 159. 4 Hoffmann-Becking, ZHR 159 (1995), 325, 333; Scheffler, DB 1994, 793, 797; a.A. Hommelhoff, ZGR 1996, 144, 156. 5 Hommelhoff, ZGR 1996, 144, 156.

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§4

Die Überwachung im Konzern

IV. Beratung mit dem Vorstand 148

Beratung ist Teil der Überwachung1. Da der Aufsichtsrat zur Überwachung der Konzernleitung und der Führung verbundener Unternehmen durch den Vorstand verpflichtet ist, gilt für die Beratung in Konzernfragen das Gleiche wie zu den Fragen der Gesellschaft selbst (siehe dazu oben Rn. 94 ff.).

V. Konzernweite Zustimmungsvorbehalte 149

1. Der Aufsichtsrat kann bestimmte Maßnahmen seines Vorstands in den Untergesellschaften von seiner eigenen Zustimmung abhängig machen (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG); denn soweit der Vorstand in der Untergesellschaft handelt, betreibt er zugleich Geschäftsführung für die Obergesellschaft2. Maßnahmen dieser Art können etwa sein: Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern in der Tochtergesellschaft, Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen, schwerwiegende Änderungen in der Produktion, Kapitalerhöhungen, Satzungsänderungen etc. in den (wesentlichen) Tochtergesellschaften3. Dabei gilt auch hier der bereits oben Rn. 112 erörterte Grundsatz, dass solche Zustimmungspflichten des Aufsichtsrats der Obergesellschaft für Maßnahmen des Vorstands in Konzerngesellschaften von einigem Gewicht sein müssen und nicht gerade die Alltäglichkeiten der Konzernführung erfassen dürfen4.

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In den meisten Fällen beziehen sich die in der Obergesellschaft festgelegten Zustimmungsvorbehalte nicht ausdrücklich auf Maßnahmen ihres Vorstands in den Untergesellschaften. Bei Auslegung dieser „neutralen“ Zustimmungsvorbehalte ist entscheidend, ob das zu beurteilende Geschäft der abhängigen Gesellschaft in seinen Folgen für die Entwicklung des herrschenden Unternehmens den dort ausdrücklich dem Zustimmungsvorbehalt unterworfenen Geschäften vergleichbar ist. Das ist anzunehmen, wenn es für den Fall, dass die Untergesellschaft ein rechtlich unselbständiger Teil der Obergesell-

1 BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 129 f. = AG 1991, 312 und Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87, 88 f. Ebenso der Kodex unter Ziff. 3.1 u. 2 sowie 5.1.1. 2 Dazu ausführlich Lutter in FS Fischer, 1979, S. 419 ff.; Lutter, AG 2006, 517, 520; ebenso Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 431 ff.; Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 194 f. 3 Vgl. bereits oben den Katalog Rn. 109; vgl. weiter Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 562 ff. 4 Zutreffend Martens, ZHR 147 (1983), 377 ff., 419; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 29 Rn. 45.

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Konzernweite Zustimmungsvorbehalte

§4

schaft wäre, vom Zustimmungskatalog erfasst würde1. Außerdem ist nach der Geschäftsart zu differenzieren: während Zustimmungsvorbehalte z.B. bei Investitionen und Unternehmensverträgen konzernweit zu interpretieren sind, werden Personalentscheidungen und Prokuraerteilungen in den Untergesellschaften nicht vom Zustimmungsvorbehalt der herrschenden Gesellschaft erfasst2. Erstreckt sich der Zustimmungsvorbehalt auch auf Geschäfte in den Tochterunternehmen, stellt sich die Frage nach seiner Durchsetzung, denn deren Vorstand kann nicht an die Zustimmung des Aufsichtsrats der Obergesellschaft gebunden werden. Vielmehr ist der Vorstand des herrschenden Unternehmens verpflichtet, im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten am Geschäft der Untergesellschaft mitzuwirken, um so einen Anknüpfungspunkt für die Aufsichtsratszustimmung zu liefern3. Bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrags oder einer Eingliederung kann er dazu von seinem Weisungsrecht Gebrauch machen. Besteht dagegen nur ein faktisches Beherrschungsverhältnis, so hat 151 der Vorstand, dessen Mitglieder zumeist im Aufsichtsrat des abhängigen Unternehmens vertreten sind, auf die Schaffung eines Zustimmungsvorbehalts in dieser Gesellschaft hinzuwirken4. Verweigert nun der Aufsichtsrat der faktisch herrschenden Obergesellschaft seine Zustimmung zu einem für die Untergesellschaft vorteilhaften Geschäft, dann befinden sich diese Vorstandsmitglieder bei ihrer Entscheidung im Tochteraufsichtsrat in einem Konflikt zwischen den Interessen des Konzerns und denen der Untergesellschaft. Diesen Konflikt haben sie zugunsten der Interessen der Untergesellschaft 1 Lutter in FS Fischer, 1979, S. 419 ff.; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 29 Rn. 45; Hoffmann-Becking, ZHR 159 (1995), 325, 340; ihnen folgend Hüffer, Komm. AktG, § 111 Rn. 16; Habersack, MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 118; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 687 ff.; Lenz, AG 1997, 448, 452; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 563; in diesem Sinne auch Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 81; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 77 f., der jedoch eine Auslegung zugunsten konzernweiter Sachverhalte dann ablehnt, wenn der Aufsichtsrat der Obergesellschaft die Zustimmungsvorbehalte selbst beschließt. 2 Lutter in FS Fischer, 1979, S. 419, 437 f.; ebenso Kropff in Semler/ v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 82; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 77; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 438; a.A. Krieger in Lutter, Holding-Handbuch, 4. Aufl. 2004, § 6 Rn. 44. 3 Götz, ZGR 1990, 633, 646 ff.; Hoffmann-Becking, ZHR 159 (1995), 325, 341 f.; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 74; in diesem Sinne auch Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 565 f. 4 Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 87; Semler, MünchKomm. AktG, 2. Aufl., § 111 Rn. 237 sowie Habersack, MünchKomm. AktG, 3. Aufl., § 111 Rn. 53.

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§4

Die Überwachung im Konzern

aufzulösen. Sie dürfen allenfalls dann dem Ablehnungswunsch des Aufsichtsrats der herrschenden Gesellschaft Folge leisten, wenn sichergestellt ist, dass ein eventuell beim abhängigen Unternehmen eintretender Nachteil nach § 311 AktG ausgleichsfähig ist und auch ausgeglichen wird1. 152

2. Der Aufsichtsrat kann weiterhin Konflikte zwischen der Konzernleitung und einer Untergesellschaft über § 308 Abs. 3 AktG zu schlichten behilflich sein; die dort geregelte Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats der Untergesellschaft ist dieser Gesellschaft zugeordnet und setzt daher beim herrschenden Unternehmen keinen eigenen solchen Zustimmungsvorbehalt in dessen Satzung oder durch Beschluss des Aufsichtsrats voraus2.

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3. Schließlich hat der Aufsichtsrat als mitbestimmter Aufsichtsrat nach dem MitbestG die besonderen Befugnisse aus § 32 MitbestG (ähnlich nach § 15 MontanMitbestErgG), wonach der Vorstand in einer Reihe von Konzernmaßnahmen sogar an die Weisungen seines eigenen Aufsichtsrats gebunden ist: Solche verbindlichen Weisungen des Aufsichtsrats an den Vorstand sind dem Gesellschaftsrecht sonst ganz fremd3. Korrespondierend zu diesen besonderen und zusätzlichen Aufgaben im Konzern hat der Aufsichtsrat auch zusätzliche Informationsrechte; siehe dazu unten Rn. 228 ff.

VI. Konzernspezifische Besonderheiten der Überwachung in abhängigen Gesellschaften 154

Die Überwachung durch den Aufsichtsrat einer eingegliederten, faktisch oder vertraglich konzernierten Gesellschaft folgt zunächst denselben Grundsätzen, die für die Überwachung einer konzernfreien

1 Lutter in FS Fischer, 1979, S. 419, 427 ff.; Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 90; Potthoff/Trescher/ Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 567; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 437; wohl auch Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 75 f.; a.A. Götz, ZGR 1990, 633; 653 f., der bei der Möglichkeit des Nachteilsausgleichs die Vorstandsmitglieder für verpflichtet hält, dem Interesse der Obergesellschaft Vorrang einzuräumen. 2 Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 117. Eingehend zur Frage von Zustimmungsvorbehalten in Bezug auf Tochtergesellschaften auch Götz, ZGR 1990, 633, 646 ff. 3 Zur rechtspolitischen Kritik an § 32 MitbestG vgl. Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 32 MitbestG Rn. 4 m.w.N. sowie Lutter, Mitbestimmung im Konzern, S. 69 ff.

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Konzernspezifische Besonderheiten in abhängigen Gesellschaften

§4

Gesellschaft gelten1. Aufgrund der Einflussnahme des herrschenden Unternehmens auf die Tochtergesellschaft ergeben sich jedoch einige konzernspezifische Überwachungsaufgaben2. In der faktisch abhängigen Aktiengesellschaft trifft den Aufsichtsrat die zusätzliche Pflicht, den Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen, den sog. Abhängigkeitsbericht, seines Vorstands zu prüfen und der Hauptversammlung darüber Rechenschaft abzulegen, ggf. hat er zu einem Bericht des Abschlussprüfers Stellung zu nehmen (§ 314 Abs. 2 AktG)3. Gegenstück zu dieser Verpflichtung ist die Haftungsregelung des 155 § 318 Abs. 2 AktG4. Ergeben sich aus dem Abhängigkeitsbericht Hinweise auf eine Benachteiligung der Untergesellschaft, dann muss der Aufsichtsrat diesen nachgehen. Bestätigt sich sein Verdacht, hat er auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach § 317 AktG hinzuwirken und ggf. gegen den eigenen Vorstand einzuschreiten5. Der Aufsichtsrat muss aber bereits während des Geschäftsjahres Informationen darüber einholen, ob der Vorstand die Interessen der Untergesellschaft im Rahmen des § 311 AktG hinreichend vertreten hat, etwa durch eindringlichen Hinweis auf drohende Nachteile und einen angemessenen Ausgleich6. Sind im Aufsichtsrat der konzernabhängigen Gesellschaft Vorstandsmitglieder der Obergesellschaft vertreten, müssen sie bei Erfüllung ihrer Überwachungsaufgabe den Interessen der Untergesellschaft den Vorzug geben7. Ist das nicht möglich, haben sie sich bei der Abstim1 Krieger, Münchener Hdb. AG, § 69 Rn. 35; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 24; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 381; Hoffmann-Becking, ZHR 159 (1995), 325, 345. 2 Dazu Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 111 Rn. 23 f.; Potthoff/ Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 597 ff.; Habersack, MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 57. 3 Versäumt der Aufsichtsrat diese Prüfung und Berichterstattung, so kann er nicht entlastet werden, LG München v. 31.5.2001 – 5 HK O 17738/00, DB 2001, 1714 = AG 2002, 302. Seine Entlastung kann wirksam angefochten werden, wenn der Aufsichtsrat den Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers in seinem Bericht an die Hauptversammlung nicht aufnimmt oder nicht wörtlich wiedergibt, LG München v. 29.9.2005 – 5 HK O 13412/05, DB 2006, 94 = AG 2005, 170. 4 Nach h.M. verdrängt § 318 Abs. 2 AktG die §§ 93, 116 AktG nicht, sondern modifiziert diese nur; vgl. dazu Kropff, MünchKomm. AktG, § 318 Rn. 24 ff.; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 387; Hüffer, Komm. AktG, § 318 Rn. 9 f.; Krieger, Münchener Hdb. AG, § 69 Rn. 130 f. 5 Vgl. dazu Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 468 f. 6 Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 603; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 462; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 181. 7 Krieger, Münchener Hdb. AG, § 69 Rn. 35; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 567; Scheffler, DB 1994, 793, 799; Hoffmann-Be-

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§4

Die Überwachung im Konzern

mung zu enthalten oder bei einem permanenten Interessenkonflikt sogar ihr Amt niederzulegen1. 157

In der vertraglich beherrschten Aktiengesellschaft muss der Vorstand die Weisungen der Obergesellschaft befolgen, es sei denn, sie überschreiten die durch Gesetz, Satzung und Beherrschungsvertrag gezogenen Grenzen, dienen offensichtlich nicht Konzernbelangen (§ 308 Abs. 2 AktG) oder gefährden die Existenz der Untergesellschaft2. Der Überwachungsauftrag des Aufsichtsrats der Untergesellschaft wird beim Vorliegen einer Weisung der Obergesellschaft nicht hinfällig, sondern konkretisiert sich auf die Überprüfung, ob der Vorstand der Untergesellschaft die Grenzen seiner Folgepflicht ordnungsgemäß eingehalten hat3. Der Vorstand wiederum hat den Aufsichtsrat darüber zu unterrichten, wann und aus welchem Grund er eine Weisung nicht befolgt, damit dieser vermittelnd tätig werden kann4.

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Bei einer eingegliederten Aktiengesellschaft besteht dagegen auch die Pflicht des Vorstands zur Befolgung von existenzgefährdenden Weisungen und solchen, die mit den Konzernbelangen offensichtlich nicht im Einklang stehen. Sie entfällt nur bei Rechtswidrigkeit der Weisung5. Entsprechend modifiziert sich der Überwachungsumfang des Aufsichtsrats in der eingegliederten Gesellschaft.

159–170

1 2 3 4 5

Einstweilen frei.

cking, ZHR 159 (1995), 325, 344; sinngemäß Martens, ZHR 159 (1995), 567, 588; auch Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 464, 466, der zu Recht annimmt, dass der Aufsichtsrat der abhängigen Gesellschaft nicht auf seinen Vorstand einwirken darf, wenn dieser aufgrund rechtmäßigen Konzerneinflusses vom Interesse der Untergesellschaft abweicht. Nach BGH v. 21.12.1979 – II ZR 244/78, DB 1980, 438 = AG 1980, 111 führt die Interessenvertretung zugunsten des herrschenden Unternehmens nicht zum Ausschluss der Haftung als Aufsichtsratsmitglied der Untergesellschaft. Scheffler, DB 1994, 793, 799; Lutter in FS Priester, 2007, S. 417 ff. Zu Letzterem Hüffer, Komm. AktG, § 308 Rn. 19; Krieger, Münchener Hdb. AG, § 70 Rn. 148; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 615; a.A. Koppensteiner, Kölner Komm. AktG, § 308 Rn. 50 ff. Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 612; Hommelhoff, ZGR 1996, 144, 147. Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 616. Koppensteiner, Kölner Komm. AktG, § 323 Rn. 7; Semler, MünchKomm. AktG, § 323 Rn. 2; Hüffer, Komm. AktG, § 323 Rn. 3; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 323 Rn. 6 und 13; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 624.

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§5 Aufsichtsrat und Abschlussprüfer I. Überblick In diesem Buch ist von den Rechten und Pflichten des Aufsichtsrats 171 und seiner einzelnen Mitglieder die Rede. Daher kommt der Abschlussprüfer in dieser Darstellung nur an einzelnen Punkten vor, so bei der Befugnis des Aufsichtsrats zum Abschluss des Prüfungsvertrages mit dem von der Hauptversammlung/Gesellschafterversammlung gewählten Abschlussprüfer (§ 111 Abs. 2 Satz 3 AktG), so bei der notwendigen Beteiligung des Abschlussprüfers an den Beratungen des Aufsichtsrats über den Jahresabschluss und den Konzernabschluss (§ 171 Abs. 1 Satz 2 AktG). Das allein aber wird der besonderen Rolle und Aufgabe des Abschlussprüfers im Zusammenhang mit dem Aufsichtsrat insbesondere nach entsprechenden Änderungen im KonTraG und TransPuG nicht mehr gerecht: Der Abschlussprüfer ist zu dem Berater des Aufsichtsrats bei der Durchführung seiner Überwachungsaufgaben geworden1.

II. Einzelheiten 1. Der Abschlussprüfer als Berater und Gehilfe des Aufsichtsrats Der Abschlussprüfer wurde in der Aktienrechtsreform des Jahres 172 19312 und nach den großen aktienrechtlichen Problemen der 20er Jahre als Folge der Wirtschaftskrise dieser Jahre vom deutschen Gesetzgeber „erfunden“, und zwar als Gehilfe des Aufsichtsrats bei Erfüllung seiner Pflicht zur Prüfung und Feststellung des Jahresabschlusses der Gesellschaft (heute §§ 171, 172 AktG); denn der Aufsichtsrat war mit dieser ganz speziellen und zunehmend auch technischen Aufgabe überfordert. Daneben aber entwickelte sich mehr und mehr eine Art Garantiefunktion des Abschlussprüfers gegenüber der Öffentlichkeit und insbesondere den Anlegern am Kapitalmarkt, bestätigt er diesen doch die Richtigkeit des Jahresabschlusses, seines Anhangs und des Lageberichts, wie ihn der Vorstand 1 Eingehend dazu die Beiträge in Lutter (Hrsg.), Der Wirtschaftsprüfer als Element der Corporate Governance, 2001. 2 Erste Notverordnung des Reichspräsidenten vom 19. 9. 1931, RGBl. I/1931, S. 493 ff.; vgl. dazu Schlegelberger/Quassowski/Schmölder, Verordnung über Aktienrecht, 1932, § 262a HGB 1931 Rn. 6; Klausing, Reform des Aktienrechts, 1933, S. 171 f.

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aufgestellt hat. Damit wurde der Abschlussprüfer mehr und mehr aus der Rolle des Gehilfen des Aufsichtsrats herausgenommen und mehr und mehr in die Nähe des Vorstands gerückt, der ja den Jahresabschluss aufzustellen hatte und hat: Es lag nahe, dass der Vorstand sich zuvor mit dem Abschlussprüfer verständigte, um unterschiedliche Meinungen schon im Vorfeld ausräumen zu können. Dieser Entwicklung wollte das KonTraG entgegenwirken, indem es sich um die Klarstellung der beiden Funktionen des Abschlussprüfers – Berater des Aufsichtsrats und Garant für Anleger und Öffentlichkeit – bemüht und seine Unterstützungsfunktion gegenüber dem Aufsichtsrat betont hat1.

2. Der Vertragsschluss mit dem Abschlussprüfer 173

Die Bestellung des Abschlussprüfers erfolgt durch die Hauptversammlung oder Gesellschafterversammlung (§ 318 Abs. 1 Satz 1 HGB, §119 Abs. 1 Nr. 4 AktG, § 48 Abs. 1 GmbHG)2. Daneben aber muss der Geschäftsbesorgungsvertrag mit Werkvertragscharakter3 mit dem Prüfer geschlossen, seine Vergütung und der Umfang seiner Aufgaben festgelegt werden. Diese Aufgabe wurde durch das KonTraG vom Vorstand auf den Aufsichtsrat übertragen (§ 111 Abs. 2 Satz 3 AktG)4. Das ist eine der Änderungen, durch welche im Interesse der Neutralität der Abschlussprüfer ein größerer Abstand zwischen dem Vorstand und seinen Kontrolleuren geschaffen werden sollte5. Das Gesetz legt (nur) einen Mindestumfang fest (Prüfung des Jahres1 In diesem Sinne Begründung des Regierungsentwurfs BR-Drucks. 872/97, S. 41; abgedruckt auch bei Ernst/Seibert/Stuckert, KonTraG, KapAEG, StückAG, 1988 S. 29 ff.; Endres, ZHR 163 (1999), 441, 457; Forster, AG 1999, 193, 194; Hommelhoff, BB 1998, 2567, 2568 f.; Hommelhoff/Mattheus, AG 1998, 249, 251 („Gehilfe des Aufsichtsrats“); Mattheus, ZGR 1999, 682, 684; nach Hopt/Merkt in Baumbach/Hopt, Komm. HGB, § 317 Rn. 1: „Partner des Aufsichtsrats“, nach Gelhausen, BFuP 1999, 390 „eine Zweckgemeinschaft“. 2 Zum Abschlussprüfer im Konzern siehe unten Rn. 185 f. 3 BGH v. 28.10.1993 – IX ZR 21/93, BGHZ 124, 27, 30 = AG 1994, 81; Adler/ Düring/Schmaltz, § 318 HGB Rn. 126; Hopt/Merkt in Baumbach/Hopt, Komm. HGB, § 318 Rn. 3. 4 § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG könnte dahin missverstanden werden, dass der Aufsichtsrat nur dann die Kompetenz zur Erteilung des Prüfungsauftrags innehat, wenn die Aufstellung und Prüfung der (Konzern-)Abschlüsse gesetzlich angeordnet ist. Von der Regierungskommission „Corporate Governance“ wurde aus diesem Grund eine gesetzliche Klarstellung dahingehend angeregt, dass der Aufsichtsrat auch bei den freiwillig aufgestellten (Konzern-)Abschlüssen für die Auftragserteilung zuständig ist, vgl. Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission, Rn. 284. Diese Klarstellung ist bislang nicht erfolgt. 5 Forster, WPg 1998, 41, 42; grundlegend Hommelhoff/Mattheus, AG 1998, 249, 257.

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Einzelheiten

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abschlusses samt Lagebericht, Prüfung des Konzernabschlusses samt Konzernlagebericht, Prüfung des Risikomanagements des Vorstands). In diesem Rahmen kann der Aufsichtsrat Prüfungsschwerpunkte festlegen, z.B. verstärkte Prüfung der Kontrollsysteme bei Derivatehandel, Vorratsbewertung und Verlustrisiken aus langfristigen Anlageaufträgen. Zweckmäßigerweise sollten diese Schwerpunkte jährlich gewechselt werden1. Der Aufsichtsrat kann – und muss ggf. – darüber hinaus gehen, indem er etwa in einzelnen Jahren gezielte erweiterte Prüfungen gemäß § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG veranlasst, etwa eine gezielte Bestechungs- oder Betrugsprüfung oder eine Prüfung über die Einhaltung der Informationsordnung (unten Rn. 317) durch den Vorstand. Der (Gesamt-)Aufsichtsrat beschließt über den Prüfungsumfang, 174 kann aber naturgemäß nicht die Verhandlungen mit dem Abschlussprüfer führen. Dazu kann er entweder einen Ausschuss ermächtigen (audit committee, Bilanzausschuss) oder den Aufsichtsratsvorsitzenden. Ob diese Ermächtigung nur zur Vorbereitung geschehen kann mit der Folge, dass der Gesamtaufsichtsrat letztlich zu entscheiden hat2, oder ob die Ermächtigung auch zum endgültigen Abschluss durch (den Aufsichtsratsvorsitzenden bzw.) einen Ausschuss3 erfolgen kann, ist umstritten. Beide Ansichten haben gute Argumente für sich. Zugunsten einer vollständigen Übertragung der Erteilung des Prüfungsauftrags auf einen Ausschuss, etwa auf den Bilanzausschuss, wird § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG angeführt. Das in dieser Vorschrift niedergelegte Delegationsverbot erwähne die Mandatserteilung an den Abschlussprüfer gerade nicht4. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die konkrete Ausgestaltung des Prüferauftrags eine wesentliche Grundlage für die ordnungsgemäße Erfüllung der eigenen Prüfungskompetenz des Aufsichtsrats hinsichtlich des Jahresabschlusses ist (so hat er nach § 171 Abs. 2 Satz 3 AktG zum Prüfungsbericht der Abschlussprüfer Stellung zu nehmen), die gemäß § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG nicht abschließend auf einen Ausschuss übertragen werden kann5. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass mit den Änderungen 1 Vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf BR-Drucks. 872/97, S. 41; Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 157; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 337; Forster, WPg 1998, 41, 43. 2 In diesem Sinne Forster, WPg 1998, 41, 42; Hommelhoff, BB 1998, 2567, 2570; Hommelhoff/Mattheus, AG 1998, 249, 257; Mattheus, ZGR 1999, 682, 708; Theisen, DB 1999, 341, 345; Schindler/Rabenhorst, BB 1998, 1886, 1887; Ziemons, DB 2000, 77, 81. 3 Hüffer, Komm. AktG, § 111 Rn. 12c. 4 Hüffer, Komm. AktG, § 111 Rn. 12c. 5 Theisen, DB 1999, 341, 345; Ziemons, DB 2000, 77, 79 stellt außerdem darauf ab, dass die Erteilung des Prüfungsauftrags an den Abschlussprüfer die allgemeine Überwachungsaufgabe konkretisiere, die, obwohl sie in § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG keine Erwähnung gefunden hat, unbestritten nicht auf

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Aufsichtsrat und Abschlussprüfer

des KonTraG gerade eine effektivere Zusammenarbeit zwischen Abschlussprüfer und (Gesamt-)Aufsichtsrat gefördert werden und letzterer über die gezielte Einflussnahme auf die Prüfungsschwerpunkte seine eigene Kontrolltätigkeit verbessern sollte. In der Begründung zum Regierungsentwurf heißt es daher nicht ohne Grund: „ … Er (der Aufsichtsrat) kann die vorbereitenden Arbeiten hierzu auch an … einen Ausschuss delegieren“1. Die abschließende Entscheidung über den Inhalt des Prüfungsvertrags und damit auch eine entsprechende Verantwortung sollten dem gesetzgeberischen Willen zufolge beim Gesamtaufsichtsrat verbleiben. Der Aufsichtsratsvorsitzende kann allerdings beim eigentlichen Vertragsabschluss als sein Erklärungsvertreter auftreten2. 175

Über die Frage einer möglichen Mitwirkung des Vorstands im Vorfeld der Auftragserteilung herrscht Uneinigkeit: Der Entwurfsbegründung zufolge ist sie im Rahmen vorbereitender Arbeiten zulässig3, im Schrifttum wird eine Mitarbeit hingegen aufgrund der durch das KonTraG beabsichtigten Trennlinie zwischen Vorstand und Abschlussprüfer abgelehnt4. Es kann nicht geleugnet werden, dass die Kenntnisse des Vorstands bei der Auftragserteilung von Nutzen sein können, jedenfalls aber ist der Aufsichtsrat zu einer kritischen Überprüfung der Beiträge seitens des Vorstands angehalten5.

3. Der Prüfungsbericht des Abschlussprüfers (§ 321 HGB) 176

Eine Pflichtprüfung ist bei Gesellschaften i.S.v. § 316 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 i.V.m. § 267 HGB durchzuführen. Der Abschlussprüfer/Konzernabschlussprüfer hat dabei das Ergebnis seiner Prüfung nicht nur in einem Bestätigungsvermerk (§ 322 HGB) zusammenzufassen, sondern die gesamte Prüfung in einem Prüfungsbericht darzustellen und zu erläutern (§ 321 HGB). Dabei hat der Abschlussprüfer insbesondere darzustellen, „ … ob die Buchführung und die weiteren geprüften Unterlagen, der Jahresabschluss, der Lagebericht, der Konzernabschluss und der Kon-

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einen Ausschuss verlagert werden kann; in diesem Sinne auch Hommelhoff, BB 1998, 2567, 2570. BR-Drucks. 872/97, S. 41. Hüffer, Komm. AktG, § 111 Rn. 12c; allgemeiner Hüffer in FS Claussen, 1997, S. 171, 184; Schindler/Rabenhorst, BB 1998, 1886, 1887. BR-Drucks. 872/97, S. 47; kritisch Forster, WPg 1998, 41, 42 f. Hommelhoff, BB 1998, 2567, 2570; Lenz/Ostrowski, BB 1997, 1523, 1524; kritisch auch Dörner, DB 1998, 1, 5. Von Rechts wegen ganz außerordentlich problematisch ist die nach wie vor gar nicht seltene Übung, dass der Vorstand die gesamte Vorbereitung einschließlich der Auswahl des Abschlussprüfers übernimmt und dem Aufsichtsrat nur noch das fertige Ergebnis zur Beschlussfassung und Unterzeichnung vorlegt; dazu Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 325.

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Einzelheiten

§5

zernlagebericht den gesetzlichen Vorschriften und den ergänzenden Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung entsprechen. In diesem Rahmen ist auch über Beanstandungen zu berichten, die nicht zur Einschränkung oder Versagung des Bestätigungsvermerks geführt haben, soweit die für die Überwachung der Geschäftsführung und des geprüften Unternehmens von Bedeutung ist. Es ist auch darauf einzugehen, ob der Abschluss insgesamt unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung oder sonstiger maßgeblicher Rechnungslegungsgrundsätze ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft oder des Konzerns vermittelt. Dazu ist auch auf wesentliche Bewertungsgrundlagen sowie darauf einzugehen, welchen Einfluss Änderungen in den Bewertungsgrundlagen einschließlich der Ausübung von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten und der Ausnutzung von Ermessensspielräumen sowie sachverhaltsgestaltende Maßnahmen insgesamt auf die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage haben. Hierzu sind die Posten des Jahres- und des Konzernabschlusses aufzugliedern und ausreichend zu erläutern, soweit diese Angaben nicht im Anhang enthalten sind. Es ist darzustellen, ob die gesetzlichen Vertreter die verlangten Aufklärungen und Nachweise erbracht haben.“ Darüber hinaus hat der Abschlussprüfer darzustellen, – ob bei Durchführung der Prüfung Unrichtigkeiten oder Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften festgestellt worden sind, – ob Tatsachen festgestellt worden sind, die den Bestand des geprüften Unternehmens oder des Konzerns gefährden oder seine Entwicklung wesentlich beeinträchtigen können, – ob Tatsachen festgestellt worden sind, die schwerwiegende Verstöße der gesetzlichen Vertreter oder von Arbeitnehmern gegen Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder die Satzung erkennen lassen1 (§ 321 Abs. 1 HGB). 1 Dieser Berichtspflicht des Abschlussprüfers über nicht rechnungslegungsbezogene Gesetzes- und Satzungsverstöße soll nach einer Empfehlung der Regierungskommission „Corporate Governance“ (Baums [Hrsg.], Bericht der Regierungskommission, Rn. 290) zukünftig in einer gesonderten Erklärung nachgekommen werden, die nur dem Aufsichtsrat, nicht aber sonstigen Berichtsadressaten, wie z.B. Aufsichtsämter, zuzuleiten ist. Dadurch soll die Bereitschaft der Abschlussprüfer zur Darstellung entsprechender Verstöße erhöht werden. Weiterhin wurde diese Regelung durch das TransPuG dahingehend geändert, dass der Abschlussprüfer bereits bei Tatsachen zu berichten hat, die einen Gesetzes- oder Satzungsverstoß „erkennen lassen“ (im früheren Wortlaut hieß es „darstellen“). Damit wird der Abschlussprüfer von umfassenden juristischen Prüfungen hinsichtlich einer Gesetzes- oder Satzungsverletzung befreit, die möglicherweise zu einer zurückhaltenden Berichterstattung in diesem Bereich führen. Zu dieser ungemein wichtigen sog. „Redepflicht“ des Abschlussprüfers vgl. Lück, BB 2001, 404.

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§5

Aufsichtsrat und Abschlussprüfer

Und schließlich hat der Abschlussprüfer bei börsennotierten Gesellschaften1 in einem besonderen Abschnitt seines Berichtes dazu Stellung zu nehmen, „ … ob der Vorstand die ihm nach § 91 Abs. 2 des Aktiengesetzes obliegenden Maßnahmen in einer geeigneten Form getroffen hat und ob das danach einzurichtende Überwachungssystem seine Aufgaben erfüllen kann.“ (§ 317 Abs. 4 HGB) 177

Durch das KonTraG und das TransPuG wurde das Recht des Prüfungsberichts umfassend neugestaltet, unter anderem auch, um die stärkere Problemorientierung der Abschlussprüfung nach dem ebenfalls neu eingefügten § 317 Abs. 1 Satz 3 HGB zwecks Unterstützung des Aufsichtsrats widerzuspiegeln. Die Prüfungstätigkeit ist vom Abschlussprüfer danach von Beginn an so anzulegen, dass Unrichtigkeiten und Verstöße gegen Gesetz und/oder Satzung „bei gewissenhafter Berufsausübung erkannt werden.“ Hilfreich für den Aufsichtsrat ist außerdem eine weitere Neuerung: Dem Prüfungsbericht ist fortan „vorweg“ ein Kommentar des Abschlussprüfers zum (Konzern-)Lagebericht des Vorstands zu stellen, vgl. § 321 Abs. 1 Satz 2 AktG. Der Aufsichtsrat soll dadurch auf wesentliche Probleme hinsichtlich Bestand und künftiger Entwicklung des Unternehmens aufmerksam gemacht werden2.

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Alle diese Informationen richten sich an den Aufsichtsrat, er ist der Empfänger des Berichts (§ 321 Abs. 5 Satz 2 HGB), ihm ist dieser Bericht vom Abschlussprüfer über den Aufsichtsratsvorsitzenden und nicht mehr über den Vorstand zuzuleiten. Allerdings ist dem Vorstand vor der Zuleitung des Berichts an den Aufsichtsrat aber nach Unterzeichnung durch den Abschlussprüfer Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen (§ 321 Abs. 5 Satz 2 HGB).

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Im Prinzip hat jedes Aufsichtsratsmitglied einen individuellen Anspruch auf Aushändigung des Berichtes (§ 170 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 AktG). Hat der Aufsichtsrat allerdings die Einrichtung eines Ausschusses beschlossen (dazu Rn. 629 ff.), so kann er zugleich beschließen, dass nur die Mitglieder dieses Ausschusses den Bericht erhalten. Das aber berührt nicht die Befugnis jedes Aufsichtsratsmitglieds, Einsicht und Kenntnis vom Prüfungsbericht zu nehmen (§ 170 Abs. 3 Satz 1 AktG)3. 1 § 317 Abs. 4 AktG hatte zunächst einen engeren Anwendungsbereich als der Begriff der Börsennotiertheit aus § 3 Abs. 2 AktG; das wurde durch das TransPuG geändert. 2 Hommelhoff/Mattheus, AG 1998, 249, 256 f.; Schindler/Rabenhorst, BB 1998, 1939, 1940; vgl. im Einzelnen zum Lagekommentar des Abschlussprüfers Hopt/Merkt in Baumbach/Hopt, Komm. HGB, § 321 Rn. 1. 3 Strieder/Graf, BB 1997, 1943, 1945 sehen in dem Verweis auf das Einsichtsrecht eine zu weitgehende faktische Informationsbeschränkung für Nicht-

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Einzelheiten

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Der Prüfungsbericht des Abschlussprüfers/Konzernabschlussprüfers 180 ist die wichtigste „neutrale“ Informationsquelle des Aufsichtsrats und seiner Mitglieder und muss daher entsprechend sorgfältig studiert und ggf. mit dem Abschlussprüfer diskutiert werden1. Kein Aufsichtsratsmitglied kann sich nach der entscheidenden Bilanzsitzung (unten Rn. 181) mehr darauf berufen, es habe die Unterlagen nicht gesehen oder nicht verstanden. Im Gegenteil: Eine solche Erklärung wäre die einfachste und klarste direkte Grundlage der persönlichen Haftung des betreffenden Aufsichtsratsmitglieds nach §§ 93, 116 Satz 1 AktG gegenüber der Gesellschaft. Das Aufsichtsratsmitglied kann sich der Verantwortung auch nicht dadurch entziehen, indem es diese Aufgabe auf einen Beauftragten des Aufsichtsrats oder eine Gruppe im Aufsichtsrat bzw. sogar einen außenstehenden Sachverständigen delegiert2.

4. Die Bilanzsitzung des Aufsichtsrats Der Aufsichtsrat erhält vom Vorstand den aufgestellten Jahresabschluss, vom Abschlussprüfer den Bestätigungsvermerk und den Prüfungsbericht. Das Gleiche gilt für die entsprechenden Unterlagen bezüglich des Konzerns, also für Konzernabschluss, Konzern-Bestätigungsvermerk und Prüfungsbericht des Abschlussprüfers bezüglich dieses Konzernabschlusses3. Auf dieser Grundlage hat sodann jedes Aufsichtsratsmitglied diese Unterlagen zu studieren und zu prüfen und in Anwesenheit des Abschlussprüfers mit diesem darüber zu beraten, ob er den Jahresabschluss billigt: Nur dann ist dieser festgestellt (§ 172 AktG) und zugleich Grundlage für den späteren Dividenden-Verteilungsbeschluss der Hauptversammlung. Vorstand, Aufsichtsrat und Abschlussprüfer tragen also gemeinsam die Verantausschussmitglieder; Hüffer, Komm. AktG, § 170 Rn. 12 hält es für praktikabel; ebenso Kropff, MünchKomm. AktG, § 170 Rn. 91 f.; Hommelhoff, BB 1998, 2567, 2573 geht von einer Aushändigungspflicht gegenüber jedem Aufsichtsratsmitglied im Hinblick auf den Prüferkommentar zum Vorstands-Lagebericht aus, denn nur so könnte dieser objektiv gewürdigt werden. 1 Zur Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit des einzelnen Mitglieds siehe ausführlich Kropff, MünchKomm. AktG, § 171 Rn. 77 ff. 2 BGH v. 15.11.1982 – II ZR 27/82, BGHZ 85, 293 ff. = AG 1983, 133 (Hertie). 3 Auf Vorschlag der Regierungskommission „Corporate Governance“ sollen Aufsichtsrat oder Prüfungsausschuss festlegen, dass Mitgliedern des Prüfungsausschusses oder anderen von Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern ausgewählten Aufsichtsratsmitgliedern bereits vor der Erteilung des Bestätigungsvermerks Leseentwürfe des Jahres-(Konzern-)Abschlusses, des (Konzern-)Lageberichts und des Geschäftsberichts zur kurzfristigen Prüfung und Stellungnahme zugeleitet werden. Zweck dieser Regelung, die in den Corporate Governance Kodex aufgenommen werden sollte, ist es, Kritik und Vorschläge des Aufsichtsrats frühzeitig zu berücksichtigen. Die KodexKommission hat diesen Vorschlag nicht aufgegriffen.

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Aufsichtsrat und Abschlussprüfer

wortung für den anschließend zu publizierenden Jahresabschluss samt Lagebericht sowie Konzernabschluss samt Konzern-Lagebericht. Darüber hinaus soll der Aufsichtsrat bei der Anhörung des Abschlussprüfers in der Bilanzsitzung (und bereits bei der Erteilung des Prüfungsauftrags) sicherstellen, dass ihm über die Berichtsinhalte des § 321 HGB hinaus auch über alle wesentlichen Vorkommnisse berichtet wird, die sich bei der Abschlussprüfung ergeben und für die Überwachungsaufgabe bedeutsam sind, z.B. Organisationsmängel1. Der Kodex ist dem in seiner Empfehlung Ziff. 7.2.3 gefolgt2. 182

Wegen der besonderen Bedeutung des Jahresabschlusses/Konzernabschlusses und der besonderen Verantwortung des Aufsichtsrats dafür schreibt das Gesetz ausdrücklich die Anwesenheit des Abschlussprüfers bei der Beratung über die Prüfung und Feststellung des Jahresabschlusses sowie die Prüfung des Konzernabschlusses durch den (Gesamt-)Aufsichtsrat vor (§ 171 Abs. 1 Satz 2 AktG)3, wobei eine Delegation dieser Aufgabe an einen beschließenden Ausschuss nicht möglich ist (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG). Um Aufsichtsrat und Abschlussprüfer dabei miteinander ins Gespräch zu bringen, muss letzterer trotz seines vorliegenden schriftlichen Berichts erläuternd und ergänzend mündlich über seine Prüfungsergebnisse berichten.

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Das Gesetz sagt an dieser Stelle, der Abschlussprüfer habe „an den Verhandlungen des Aufsichtsrats oder eines Ausschusses … teilzunehmen“. Daraus wird von mancher Seite geschlossen, es genüge, wenn der Abschlussprüfer nur an der (vorbereitenden Bilanz-)Ausschusssitzung teilnimmt; er müsse dann nicht zusätzlich auch noch an der Plenarsitzung teilnehmen, auch wenn das sinnvoll sei4. Diese Auffassung trifft nicht zu. Die Entscheidung über den Jahresabschluss (und den Konzernabschluss) trifft nur das Plenum (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG). Daher muss dort der Abschlussprüfer zur Verfügung stehen und jedes Mitglied des Aufsichtsrats die Möglichkeit haben, Fragen zu stellen. Das „oder“ im Text bezieht sich also im Sinne einer Kumulation auf den (Bilanz-)Ausschuss. Dort hat der Abschlussprüfer auch teilzunehmen; denn die Vorprüfung durch den

1 Benner (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission, Rn. 324. 2 Siehe dazu auch den Fragenkatalog für Aufsichtsräte bei Pfitzer/Oser/Orth, Der Aufsichtsrat 2006, 2, 3. 3 Damit hat der KonTraG-Gesetzgeber entsprechenden Forderungen im Schrifttum Rechnung getragen: vgl. etwa Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 299; Claussen, AG 1996, 481, 488; Theisen, WPg 1994, 809, 815. 4 Kropff, MünchKomm. AktG, § 171 Rn. 109; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1561; Hüffer, Komm. AktG, § 171 Rn. 11a.

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Einzelheiten

§5

Ausschuss kann intensiver und sachverständiger erfolgen als im Plenum1. Mit dieser Teilnahmepflicht des Abschlussprüfers im Ausschuss und Plenum entzieht das Gesetz erneut dem Aufsichtsrat und seinen Mitgliedern den (späteren) Einwand, sie hätten Sinn und Bedeutung einzelner Unterlagen nicht erkannt: Der Aufsichtsrat und jedes seiner Mitglieder hätte nach diesen Regeln fraglos Zeit und Gelegenheit gehabt, Fragen zu stellen und Unklarheiten zu beseitigen2. Jedes Aufsichtsratsmitglied ist also gut beraten, sich auf diese Sitzung anhand der reichen Unterlagen gründlich vorzubereiten und sich an der Diskussion darüber zu beteiligen3. Die Anwesenheitsverpflichtung des Abschlussprüfers ist nicht etwa, 184 wie aufgrund der Aussage in den Gesetzesmaterialien („Der Prüfer soll zur Teilnahme … verpflichtet sein, soweit der Aufsichtsrat nicht ausdrücklich anders entscheidet“4) vermutet werden könnte, zur Disposition des Aufsichtsrats gestellt. Eine dahingehende Interpretation des Gesetzes entspricht der Rechtslage vor Inkrafttreten des KonTraG, der Gesetzgeber beabsichtigte jedoch gerade, mit der Neuregelung eine engere Zusammenarbeit zwischen Abschlussprüfer und Aufsichtsrat herbeizuführen. Zudem findet sich im Wortlaut des § 171 Abs. 1 Satz 2 AktG kein Anhaltspunkt für eine Ausschlussbefugnis des Aufsichtsrats5. Nimmt der Abschlussprüfer nicht an der Bilanzsitzung des Aufsichtsrats teil, wirkt sich das nicht auf die Wirksamkeit des festgestellten Jahresabschlusses aus. Die Nicht-Einladung des Abschlussprüfers durch den Aufsichtsrat bzw. seinen Vorsitzenden oder dessen Nicht-Erscheinen ist per se Pflichtverletzung6. Es bestehen daher, je nachdem, ob der Abschlussprüfer oder der Aufsichtsrat die Pflichtverletzung begangen hat, Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen den Abschlussprüfer aus positiver Ver1 Das hier Gesagte gilt in gleicher Weise für den Konzernabschlussprüfer. Dazu unten Rn. 185 f. 2 Die Regierungskommission „Corporate Governance“ empfiehlt daher, § 171 Abs. 1 AktG dahingehend zu ergänzen, dass jedes Aufsichtsratsmitglied das Recht hat, in den Verhandlungen des Aufsichtsrats oder des Prüfungsausschusses Auskunft vom Abschlussprüfer über die Ergebnisse seiner Prüfung zu verlangen (Baums [Hrsg.], Bericht der Regierungskommission, Rn. 326). Das ist bisher nicht geschehen. 3 Im Einzelnen dazu Kropff, MünchKomm. AktG, § 171 Rn. 135 und Claussen/Korth, Kölner Komm. AktG, § 171 Rn. 3. 4 Begründung zum Regierungsentwurf BR-Drucks. 872/97, S. 58. 5 Hüffer, Komm. AktG, § 171 Rn. 11a; Kropff, MünchKomm. AktG, § 171 Rn. 111; Bischof/Oser, WPg 1998, 539, 541 f.; Böcking/Orth, WPg 1998, 351, 361; Schindler/Rabenhorst, BB 1998, 1886, 1888; Schulze-Osterloh, ZIP 1998, 2129, 2133; a.A.: ohne Begründung Dörner, DB 1998, 1, 6; Gelhausen, AG 1997, Sonderheft, 73, 79; Lingemann/Wasmann, BB 1998, 853, 858; Peemöller/Keller, DStR 1997, 1986, 1988. 6 Scheffler, WPg 2002, 1289, 1300.

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§5

Aufsichtsrat und Abschlussprüfer

tragsverletzung des Prüfungsvertrags oder gegen die Mitglieder des Aufsichtsrats aufgrund eines Sorgfaltsverstoßes i.S.v. § 116 Satz 1 AktG1.

5. Zusätzliche Prüfungen 185

a) Der Prüfer des Jahresabschlusses und des Lageberichts, des Konzernabschlusses und des Konzern-Lageberichts hat ein gesetzlich festgelegtes, umfangreiches Prüfungsprogramm zu absolvieren und dem Aufsichtsrat darüber zu berichten2. Es gibt aber allgemeine Gründe und spezielle Anlässe für den Aufsichtsrat, dieses Prüfungsprogramm noch einmal zu erweitern. So kann es sich – wie oben Rn. 173 schon gesagt – von Zeit zu Zeit empfehlen, den Abschlussprüfer mit einer speziellen Untersuchung über etwaige Unterschlagungen durch Mitarbeiter und Bestechung von Mitarbeitern zu beauftragen. Aber auch eine gelegentliche Untersuchung etwa der Mieten und der Grundstückswerte etc. kann sich empfehlen, ebenso die Professionalität der Planung des Vorstands sowie der zeitgerechten und korrekten Information des Aufsichtsrats durch den Vorstand: All das liegt in der Entscheidungskompetenz des Aufsichtsrats, soweit er dabei im Interesse der Gesellschaft und des Konzerns sowie insgesamt in einem angemessenen Rahmen handelt3. Bei diesen zusätzlichen Prüfungen wird der Abschlussprüfer vom Aufsichtsrat als Sachverständiger gemäß § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG beauftragt.

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b) In besonderem Maße gilt das, wenn der Aufsichtsrat von einem Fehlverhalten des Vorstands hört4. Rückfragen beim Vorstand sind dann nutzlos, eigene Prüfungen nach § 111 Abs. 2 AktG (unten Rn. 240 ff.) im Zweifel auch nicht hilfreich. Hier liegt der Gedanke an einen zusätzlichen Auftrag zur Prüfung an den Abschlussprüfer auf der Hand5. 1 Hüffer, Komm. AktG, § 171 Rn. 11a; Bischof/Oser, WPg 1998, 539, 543; Schindler/Rabenhorst, BB 1998, 1886, 1888 f. 2 Börsennahe Gesellschaften sind durch das TUG verpflichtet worden, einen Halbjahresfinanzbericht zu erstellen und zu veröffentlichen. Dieser Bericht kann – nicht muss – durch einen dafür eigens zu bestellenden Abschlussprüfer einer prüferischen Durchsicht unterzogen werden, § 37w WpHG. Der Aufsichtsrat wird in diesem Zusammenhang vom Gesetz nicht angesprochen, doch tut er gut daran, sich diesen Bericht und ggf. den Vermerk des Abschlussprüfers vor seiner Veröffentlichung vorlegen zu lassen; vgl. dazu Wagner, BB 2007, 454 ff. und Wiederhold/Pukallus, Der Konzern 2007, 264 ff. 3 Siehe dazu auch die Vorschläge bei Scheffler, WPg 2002, 1289, 1299. 4 Vgl. den Fall LG Bielefeld v. 16. 11. 1999 – 15 O 91/98, ZIP 2000, 20 mit Anm. Westermann, ZIP 2000, 25 ff. = BB 1999, 2630 mit Anm. Thümmel, BB 1999, 2633 ff. = WM 1999, 2457 = AG 2000, 136. 5 Im Falle LG Bielefeld (v. 16.11.1999 – 15 0 91/98, ZIP 2000, 20) wäre das die richtige Entscheidung des Aufsichtsrats gewesen und hätte seine Pflicht-

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Einzelheiten

§5

6. Konzernabschlussprüfung In § 171 Abs. 1 Satz 1 AktG wurde durch das KonTraG für den Auf- 187 sichtsrat eines Mutterunternehmens i.S.v. § 290 HGB die Prüfungspflicht hinsichtlich des Konzernabschlusses und Konzernlageberichts eingeführt1. Die zum Jahresabschluss des Einzelunternehmens dargestellten Grundsätze finden auf die Konzernabschlussprüfung uneingeschränkt Anwendung (siehe oben Rn. 176 ff.). Der Abschlussprüfer ist insbesondere gemäß § 171 Abs. 1 Satz 2 AktG zur Teilnahme an den Verhandlungen des Aufsichtsrats bzw. Ausschusses über den Konzernabschluss verpflichtet, auch wenn sich das nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm ergibt, so doch im Wege einer Analogie2. Die Regierungskommission „Corporate Governance“ hat vorgeschla- 188 gen, in den Corporate Governance Kodex eine Regelung aufzunehmen, wonach der Aufsichtsrat von konzernabschlusspflichtigen Mutterunternehmen sicherstellen soll, dass von den in den Konzernabschluss einzubeziehenden Tochterunternehmen der gleiche Abschlussprüfer bzw. die gleiche Prüfungsgesellschaft bestellt wird, der bzw. die auch die Konzernabschlussprüfung vornimmt. Die damit verbundene Konzentrationswirkung sei durch die erhöhte Effektivität der Konzernabschlussprüfung gerechtfertigt3. Die Kodex-Kommission ist diesem Vorschlag nicht gefolgt. Der Aufsichtsrat ist also frei, ob er sich bei den Haupt- und Gesellschaftsversammlungen der Konzerntöchter für die Einheitslösung verwenden will oder nicht; denn dort fällt die Entscheidung, die deren Aufsichtsrat dann zu vollziehen hat.

7. Freistellung der kleinen AG von der Prüfungspflicht a) § 316 Abs. 1 Satz 1 HGB stellt die kleine, nicht börsennotierte AG 189 (§ 267 HGB, insbes. Abs. 3 Satz 2) von der Pflicht zur Prüfung ihres Jahresabschlusses frei. Das schließt naturgemäß die freiwillige Prüfung nach Vorgabe der Satzung der AG nicht aus4. Wird der Jahresabschluss endgültig nicht geprüft, so steigt die Verantwortung des Aufsichtsrats energisch; denn er ist dann die einzige Instanz, welche

1 2 3 4

widrigkeit verhindert. In der Sache hätte es wahrscheinlich nicht geholfen, weil der Abschlussprüfer mit dem Vorstand unter einer Decke saß. Dagegen müssen praktisch alle Regeln versagen. Damit sollte der Bedeutung des Konzernabschlusses bei größeren, börsennotierten Gesellschaften Rechnung getragen werden, vgl. BT-Drucks. 13/9712, S. 22; außerdem Kropff in FS Claussen, 1997, S. 659, 661 f., 665. Bischof/Oser, WPg 1998, 539, 540 f.; ihnen folgend Hüffer, Komm. AktG, § 171 Rn. 11; ebenso Kropff, MünchKomm. AktG, § 171 Rn. 102. Vgl. Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission, Rn. 282 f. Hopt/Merkt in Baumbach/Hopt, Komm. HGB, § 316 Rn. 5.

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§5

Aufsichtsrat und Abschlussprüfer

die Darstellung des Vorstands im Jahresabschluss kontrollieren kann und muss. Fühlt er sich dabei überfordert, kann er von sich aus und zu Lasten der Gesellschaft eine Prüfung anordnen (§ 111 Abs. 2 Satz 2 AktG). 190

b) Da die kleine AG auch von der Aufstellung eines Konzernabschlusses befreit ist (§ 293 HGB), entfällt insoweit auch die Prüfungspflicht per se. Für die freiwillige Aufstellung eines Konzernabschlusses und dessen Prüfung gilt dann Gleiches wie bei Rn. 189.

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§6 Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat I. Die Unterrichtung des Aufsichtsrats1 1. Überblick a) Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung auf Rechtmäßigkeit2, 191 Ordnungsmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit3 zu überwachen. Er muss den Vorstand beraten und personell ergänzen. Das alles kann er nur verwirklichen, wenn er – d.h. seine Mitglieder – über das Geschehen in der Gesellschaft informiert ist. Da nun aber der Aufsichtsrat die Gesellschaft nicht leitet, erfährt er von den Vorhaben und Geschehnissen in ihr nichts durch eigene Anschauung und Tätigkeit, sondern muss darüber informiert werden4. Diese Information des Aufsichtsrats geschieht durch regelmäßige Berichte und Sonderberichte des Vorstands, durch den jährlichen Bericht des Wirtschaftsprüfers (§§ 170 Abs. 3, 171 Abs. 1 Satz 2 AktG)5 und ggf. auch durch eigene Ermittlungen des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 2 AktG. Wichtigster Teil in diesem System der Information des Aufsichtsrats sind – neben dem jährlichen Bericht des Abschlussprüfers/Konzernabschlussprüfers (dazu oben Rn. 171 ff.) – die Berichte des Vorstands. Die Eigentümlichkeit des Systems liegt also darin, dass gerade die Geschäftsleitung, welche ja überwacht werden soll, die Daten zu ihrer eigenen Überwachung zu liefern hat. Daher ist es wichtig, dass in jeder Gesellschaft aus den regulären Informationspflichten des Vorstands und den zusätzlichen Informationswünschen des Aufsichtsrats ein System regelmäßiger, rechtzeitiger und einheitlicher, mithin

1 Vgl. zum Ganzen ausführlich Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 32 ff.; Mertens, AG 1980, 67 ff.; Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 90 Rn. 6 ff.; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 90 Rn. 1 ff.; Spindler, MünchKomm. AktG, § 90 Rn. 1 ff.; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 141 ff.; Semler in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 1 Rn. 91 ff.; Theisen, Information und Berichterstattung, S. 27 ff.; Zöllner, Aktienrechtliche Binnenkommunikation, S. 69, 79 ff. 2 BGH v. 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 127 = AG 1994, 124. 3 BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 129 f. = AG 1991, 312. 4 Das für die Überwachung nötige Informationsniveau rechtfertigt es aber nicht, dass Aufsichtsratsmitglieder Kontakt mit Geschäftspartnern der Aktiengesellschaft aufnehmen, um sich über Einzelheiten der Geschäftsbeziehungen zu unterrichten, OLG Zweibrücken v. 28.5.1990 – 3 W 93/80, DB 1990, 1401 mit Anm. Theisen. 5 Soweit die betreffende AG nicht als sog. „kleine AG“ nach §§ 316 Abs. 1 i.V.m. 267 Abs. 1 HGB von der Prüfungspflicht befreit ist.

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§6

Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat

vergleichbarer Berichte entwickelt wird; kurz: eine vom Aufsichtsrat selbst verabschiedete Berichtsordnung für den Vorstand1. Im Übrigen: Der Aufsichtrat hat ein nahezu unbeschränktes Informationsrecht2. Was der Vorstand weiß, darf auch der Aufsichtsrat wissen3. Und: Der Aufsichtsrat darf sich nicht einfach auf die rechtzeitige und vollständige Information durch den Vorstand verlassen, sondern muss ggf. seinerseits mit dem Wunsch nach Sonderberichten (§ 90 Abs. 3 AktG) oder der Einsicht in die Unterlagen der Gesellschaft aktiv werden4. Im Prozess um seine Haftung wird er mit dem Satz, er sei vom Vorstand nicht informiert worden, nicht gehört. 192

Die Information des Aufsichtsrats ist folglich die Grundlage für die Erfüllung seiner Überwachungspflicht nach § 111 Abs. 1 AktG. Art und Inhalt dieser Überwachungspflicht haben daher Einfluss auf die Art und Weise der Information des Aufsichtsrats und umgekehrt. Haben wir oben (Rn. 75 ff.) festgestellt, dass eine sinnvolle Überwachung nur aufgrund von Planung im Unternehmen und dem Vergleich mit der Verwirklichung dieser Planung möglich ist, so bestimmt das auch den Inhalt der Berichtspflicht des Vorstands – wie umgekehrt die in § 90 Abs. 1 Satz 3 AktG statuierte Sonderberichtspflicht des Vorstands auch Auswirkungen auf die Pflicht des Aufsichtsrats und seines Vorsitzenden hat. Die Pflicht des Vorstands zur Unternehmensplanung ist durch das KonTraG und das TransPuG nochmals verdeutlicht worden. So dient der Klammerzusatz in § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG der Konkretisierung der Planungspflichten des Vorstands, um die zukunftsgerichtete ex-ante-Kontrolle des Aufsichtsrats wie seine Konzern-Kontrolle zu erleichtern5. Das gilt erst recht für die dort ebenfalls betonte Pflicht des Vorstands, bei Gelegenheit seines nächsten Berichts an den Aufsichtsrat ausdrücklich darauf einzugehen, ob die Planziele erreicht wurden und weshalb ggf. nicht (follow up).

1 Vgl. dazu Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 98 ff. Eine solche Berichtsordnung empfiehlt jetzt auch der Kodex in Ziff. 3.4. 2 LG Dortmund v. 10.8.1984 – 12 O 580/83, Die Mitbestimmung 1984, 410 mit Anm. Köstler; Theisen, Information und Berichterstattung, S. 112; Wilde, ZGR 1998, 423, 426 ff. 3 Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 289. 4 Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 383. 5 BT-Drucks. 13/9712, S. 15 und § 90 Abs. 1 Satz 2 AktG.

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Die Unterrichtung des Aufsichtsrats

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2. Die regelmäßigen Berichte des Vorstands a) Vierteljahresberichte Nach den Vorstellungen des Gesetzes tagt der Aufsichtsrat mindes- 193 tens vierteljährlich (§ 110 Abs. 3 AktG); dem entspricht auch ganz überwiegend die Praxis1. Der Gesetzgeber hat auch bei der Schaffung des KonTraG auf eine Änderung dieses Leitbildes in der Hoffnung auf eine erhöhte Bildung und Tätigkeit von Ausschüssen verzichtet2. Und mit dieser Vorstellung des Gesetzes vom Rhythmus der Aufsichtsratstätigkeit sind dann auch die sogenannten Vierteljahresberichte des Vorstands nach § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 mit Abs. 2 Nr. 3 AktG verknüpft: Sie zielen auf eine regelmäßige, ordnungsgemäße und zeitnahe Unterrichtung des Aufsichtsrats, da mindestens vierteljährlich zu berichten ist3. Eine ordnungsgemäße Leitung der Aufsichtsratsgeschäfte durch den Aufsichtsratsvorsitzenden wird also die Termine der Aufsichtsrats-Sitzungen so legen, dass dann bereits die Berichte des Vorstands zum vorausgehenden Quartal vorliegen können; dazu reichen erfahrungsgemäß vier bis sechs Wochen aus. In diesem Sinne hat der Vorstand dem Aufsichtsrat mindestens vierteljährlich über den Gang der Geschäfte, insbesondere den Umsatz, und über die Lage der Gesellschaft zu berichten (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 3 AktG). aa) Angaben zum Umsatz Sie besagen als solches herzlich wenig; erst im Vergleich und in der 194 Gewichtung erhalten diese Angaben ihre Bedeutung. Daher müssen diese Angaben zum Umsatz im Periodenvergleich stehen und mindestens nach Sparten, wenn nicht gar nach Produkten bzw. Produktgruppen aufgegliedert sein4. Diese Angaben zum Umsatz müssen vor 1 Bleicher, Aufsichtsrat im Wandel, S. 41, 44 gibt einen Durchschnittswert von 3, 80 Aufsichtsratssitzungen pro Jahr an. 2 BT-Drucks. 13/9712, S. 16. 3 Osterloh, AuR 1986, 332, 336 weist zutreffend darauf hin, dass die in § 90 Abs. 2 Nr. 3 AktG angeordnete „regelmäßige, mindestens vierteljährliche Berichterstattung“ vordergründig noch nichts über die Rechtzeitigkeit der Information aussagt. Insbesondere bei Vorhaben der Gesellschaft hängt es entscheidend davon ab, in welcher Phase der Plan mitgeteilt und die Information gegeben wird, ob der Aufsichtsrat dieses Vorhaben beratend begleiten kann oder – faktisch – nur noch zur Kenntnis nehmen muss. Zum Erfordernis der Aktualität der dem Aufsichtsrat zu berichtenden Informationen aus betriebswirtschaftlicher Perspektive siehe Theisen, Die Überwachung der Unternehmungsführung, S. 68. 4 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 90 Rn. 36; Hüffer, Komm. AktG, § 90 Rn. 6; Spindler, MünchKomm. AktG, § 90 Rn. 27; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 153; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 659.

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§6

Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat

allem aber auch verdeutlichen, in welchem Maße die Umsatzplanung verwirklicht werden konnte: Der Vergleich zwischen dem Soll der Jahresplanung ist also dem zeitanteiligen Ist gegenüberzustellen; erst das gibt ein wirklich relevantes Bild1. Beispiel: Der Umsatz der Gesellschaft in Fahrrädern ist um 5 % gegenüber der Vorjahresperiode gestiegen; das klingt gut. Geplant war aber eine Umsatzsteigerung von 20 %. Dieses Minus von 15 % gegenüber Plan ist naturgemäß viel mehr von Gewicht und ist vom Vorstand eingehend zu erläutern, § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG. bb) Gang der Geschäfte 195

Darunter versteht man die allgemeine Entwicklung der Gesellschaft, insbesondere im Hinblick auf positive und negative Abweichungen gegenüber Vergleichsperioden und insbesondere gegenüber den Plänen2. Damit scheint das Gesetz die erforderlichen Angaben zu Rn. 194 zu wiederholen; aber das scheint nur so. Gemeint ist tatsächlich damit eine Zusammenfassung und eine Analyse der einzelnen Umsätze nach Sparten, Produktgruppen und ggf. Einzelprodukten: Daraus werden dann der Gang der Geschäfte der Gesellschaft und die Lage der Gesellschaft am Markt deutlich. cc) Lage der Gesellschaft; Liquiditätsübersicht

196

Aber weder dieser „Gang der Geschäfte“ noch allein die Lage der Gesellschaft am Markt machen die „Lage der Gesellschaft“ aus; sie kann am Markt gut, finanziell aber ganz schlecht sein, weil etwa die Umsätze mit hohen Preisnachlässen „erkauft“ wurden. Daher gehört „zur Lage der Gesellschaft“ auch ihre Ertrags- und ihre Liquiditätslage. Diese ist in einer Liquiditätsübersicht im Periodenvergleich (Quartalsvergleich) ebenso überschaubar darzustellen wie jene, wobei gerade bei der Ertragslage eine Produkt- oder doch spartenbezogene Darstellung naheliegend ist3.

197

Zur Darstellung der gesamten Lage der Gesellschaft gehört dann aber auch eine Analyse derjenigen Faktoren, die zu Abweichungen in Umsatz oder Ertrag gegenüber den Plänen bzw. zur Verbesserung/Ver-

1 Theisen, Die Überwachung der Unternehmungsführung, S. 77; Oltmanns, in Heidel, Komm. AktG, § 90 Rn. 8. 2 Semler, ZGR 1983, 1, 30; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 153; Hüffer, Komm. AktG, § 90 Rn. 6; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 25 Rn. 20. 3 Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 659.

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Die Unterrichtung des Aufsichtsrats

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schlechterung der Liquiditätslage geführt haben1. Sieht und handhabt man das alles in dieser Weise richtig, so steht dem Aufsichtsrat ein wirksames und zeitnahes Kontrollinstrument zur Verfügung, das die Erfolge und Misserfolge des Vorstands offenlegt und diesem zugleich die Chance der Analyse und der Erläuterung gibt: Auch negative Abweichungen im Periodenvergleich oder von Plänen bedeuten ja nicht unbedingt einen Mangel der Geschäftsführung; ebenso können externe Faktoren (sinkende Kaufkraft, Änderung von Währungsparitäten, Eindringen eines neuen Wettbewerbers etc.) die entscheidende und vom Vorstand nicht beeinflussbare Rolle spielen. b) Jahresberichte Mindestens einmal jährlich muss der Vorstand dem Aufsichtsrat über die von ihm beabsichtigte Geschäftspolitik der Gesellschaft und andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung berichten (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 AktG)2. Eine solche „beabsichtigte Geschäftspolitik“ aber lässt sich rational nur in der Form von Einzelplanungen und Planrechnungen entwickeln und darstellen3. Und da dieser Bericht jährlich für die Zukunft zu erfolgen hat, muss er vor Beginn oder ganz unmittelbar am Anfang des betreffenden Geschäftsjahres vorliegen.

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§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG spricht an sich nur von „grundsätzli- 199 chen Fragen der Unternehmensplanung“. Die Gesetzesmaterialien lassen aber ebenso wie der Klammerzusatz keinen Zweifel daran, dass der Vorstand zur Unternehmensplanung verpflichtet sein soll4. Abhängig von Größe und Branche des Unternehmens können andere Planbereiche hinzukommen. Hieraus fließt zudem, dass auch Umfang und Reichweite der Planungspflicht des Vorstands nur vom Einzelfall bestimmt werden können. Entscheidend ist indes, dass der Vorstand überhaupt eine rationale und nachprüfbare Planung betreibt, die der konkreten Struktur und den besonderen Bedürfnissen der betreffenden Gesellschaft gerecht wird: Eine Produktionsgesell-

1 Peltzer, WM 1981, 346, 350 spricht in diesem Zusammenhang zutreffend vom Erfordernis einer „prägnanten Abweichungsanalyse“. So ausdrücklich auch § 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG. 2 Unklar ist das Verhältnis von „beabsichtigter Geschäftspolitik“ und „Unternehmensplanung“, vgl. Hüffer, Komm. AktG, § 90 Rn. 4a. 3 Zur Gleichsetzung von „beabsichtigter Geschäftspolitik“ mit Unternehmensplanung siehe Osterloh, AuR 1986, 332, 337 m.w.N.; dort auch zur Unterscheidung zwischen strategischer, taktischer und operativer Planung. 4 BT-Drucks. 13/9712, S. 15.

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schaft plant jedenfalls teilweise anders als eine Handelsgesellschaft etc1. 200

Planung der Geschäftspolitik setzt nach dem heutigen Stande der Betriebswirtschaftslehre Planrechnungen voraus2. Sie sind Basis für eine fundierte Kontrolle des Vorstands durch den Aufsichtsrat; denn sowohl die Vierteljahresberichte als auch der spätere Jahresabschluss ermöglichen sehr deutlich den Vergleich zwischen Planung und Erreichtem. Hinsichtlich des Inhalts der Berichte ist zwischen kurzfristiger Planung einerseits und mittel- bzw. langfristiger Planung andererseits zu unterscheiden3. Soll das Jahresbudget korrekt formuliert sein, so muss es im Kern aus Zahlen bestehen. Verbale Ausführungen können zusätzlich erfolgen, genügen aber allein nicht: Genaue Zielvorgaben an die Mitarbeiter sind erforderlich, und das erfordert Zahlen. Außerdem ist der zu planende – und zu berichtende – Zeitraum relativ gering, so dass Zahlenangaben nicht mit so hohen Unsicherheiten belastet sind, dass sie keine taugliche Zielvorgabe abgeben könnten. Nur ein derart abgefasster Bericht ermöglicht die Kontrolle des Vorstands im Soll-Ist-Vergleich.

201

Anders hingegen bei der Mittel- und Langfristplanung: Bei Zeiträumen von bis zu zehn Jahren in die Zukunft beruhen alle Zahlen auf so hohen Unsicherheiten, dass zur Verhinderung von Irrtümern die verbale Darstellung im Mittelpunkt stehen muss. Unbenommen bleibt dem Vorstand, seine Planungen in Zahlenwerke umzusetzen; berichten muss er diese jedenfalls nicht4.

202

Das Gesetz sagt jetzt klar und deutlich, dass auch alle Planungsberichte im Periodenvergleich zu erfolgen haben, also etwa nach folgendem Schema: Was hatten wir uns für das laufende Jahr vorgenommen, was haben wir erreicht (sog. follow up), was planen wir jetzt für das nächste Jahr? 1 Zur Planungspflicht des Vorstands bereits nach altem Recht Lutter, AG 1991, 249, 250 f.; Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 291 f.; Kropff, NZG 1998, 613, 613; Albach, ZGR 1997, 32, 33. 2 Vgl. dazu Semler, ZGR 1983, 1, 17 f.; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 146; Semler in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 1 Rn. 117; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 54 sowie Theisen, Die Überwachung der Unternehmungsführung, S. 77–81. 3 Zum Folgenden vgl. Lutter, AG 1991, 249, 254; Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 90 Rn. 12 ff. Zwischen kurz-, mittel- und langfristiger Planung unterscheidet auch die Begr. RegE zum KonTraG, BTDrucks. 13/9712, S. 15. 4 Wie hier Semler in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 1 Rn. 116, der jedoch die mittelfristige Planung durchweg als quantitativ fassbar und damit als Zahlenwerk darstellbar ansieht.

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Oder: wie lautete unsere letzte 4-Jahres-Planung, was haben wir davon bis jetzt erreicht (follow up), wie passen wir diese 4-Jahres-Planung aufgrund der Erfahrung des letzten Jahres an? Positive, vor allem aber negative Abweichungen sind jeweils sorgfältig zu begründen1. Der Jahresbericht ist auch der geeignete Rahmen, über die Einrich- 203 tung und die Funktionsweise des Risikofrühwarnsystems nach § 91 Abs. 2 AktG zu berichten. Der Bericht ist regelmäßig schriftlich abzufassen. c) Bericht über die Rentabilität Bei der sog. Bilanzsitzung des Aufsichtsrats, also bei seiner Beratung und Beschlussfassung über den Jahresabschluss nach §§ 171, 172 AktG, ist auch die Rentabilität der Gesellschaft zu erläutern (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AktG). Gemeint ist damit die Ertragskraft der Gesellschaft. Dieser Rentabilitätsbericht kann sich zunächst einmal auf die Jahresplanung (oben Rn. 198 ff.) und die Quartalsberichte (oben Rn. 193 ff.) stützen. Als zusammenfassender Bericht über einen längeren Zeitabschnitt (abgelaufenes Geschäftsjahr) und sachliche Ergänzung zum Jahresabschluss muss dieser Bericht aber aussagekräftiger sein als die entsprechenden Erläuterungen in den Quartalsberichten und deren Addition. Er muss aber auch deutlich aussagekräftiger sein als die Pflichtangaben im Jahresabschluss samt Anhang2, muss also in jedem Falle außer den vom Gesetz vorgeschriebenen Angaben zur Verzinsung des Eigenkapitals weitere Rentabilitätskennziffern enthalten, insbesondere also den cash-flow, die Umsatz-Rentabilität3 und den Return on Investment (ROI). Gerade bei börsennotierten Gesellschaften sind Kennzahlen wie der Gewinn je Aktie besonders wichtig; denn sie sind für Käufer und Verkäufer von Aktien sowie deren Berater von erheblicher Bedeutung und damit für den Börsenwert des Unternehmens. Ferner ist der Gewinn je Aktie für die Bestimmung der price earnings ratio relevant; er dient damit auch dem Ziel einer vergleichenden Kursbeurteilung4. 1 Ebenso Semler in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 1 Rn. 114. 2 Der Rentabilitätsbericht ist also mehr und anderes als der einstige Geschäftsbericht und heutige Anhang; missverständlich daher Mertens, Kölner Komm. AktG, § 90 Rn. 35. 3 Vgl. auch Mertens, AG 1980, 67, 70 f.; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 90 Rn. 35; Oltmanns in Heidel, Komm. AktG, § 90 Rn. 7; Spindler, MünchKomm. AktG, § 90 Rn. 25; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 682 ff.; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 150 mit Fn. 213; Semler in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 1 Rn. 124. 4 Vgl. Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 688.

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d) Zusammenfassung 205

Dem Aufsichtsrat müssen mithin folgende regelmäßige Informations- und Erkenntnismittel zur Verfügung stehen: – Die Jahresplanung mit ihren Unterteilen: Finanz-, Investitionsund Personalplanung, je nach Branche und Unternehmensgröße weitere Planungen wie Liquiditätsplanung, Produktions-, Absatz-, Beschaffungs-, Entwicklungs-, Kosten- und Ergebnisplanung; abgesehen von der Liquiditätsplanung ist eine Unterteilung nach Sparten, Produkten oder Produktgruppen vorzunehmen. Aufzunehmen sind ferner Informationen zur Wirkungs- und Funktionsweise des Risikofrühwarnsystems. – Der Jahres-Rentabilitätsbericht mit den entsprechenden Kennziffern sowie den Vergleichszahlen zum Vorjahr und zu den einstigen Planzahlen (Soll-Ist-Vergleich). – Das Jahres-Investitionsbudget, ggf. verbunden mit einer Investitionsrechnung. – Die Quartalsberichte zur Marktstellung der Gesellschaft je mit dem Soll-Ist-Vergleich und dessen Analyse. – Die Quartalsberichte zur Entwicklung der Ertrags- und Liquiditätslage der Gesellschaft. – Mittelfristplanung des Umsatzes, der Finanzen und der Investitionen.

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Auf dieser Grundlage sachlicher und sachlich nachprüfbarer Informationen kann der Aufsichtsrat seiner Pflicht zur Überwachung des Vorstands durchaus wirkungsvoll nachkommen1. Diese Überwachung konzentriert sich dann darauf festzustellen, ob die negativen Abweichungen Mängel der Geschäftsführung offenlegen (Gleichgültigkeit, schlechte Organisation, mangelnde Motivation der Mitarbeiter, schlampige Planung, Inkompetenz etc.) oder aber aus externen Faktoren folgen, die auch eine wirkungsvolle Geschäftsführung nicht hat antizipieren können. e) Keine Einschränkung, aber Möglichkeit zur Erweiterung der Berichtspflichten

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Die hier angesprochenen Berichtspflichten des Vorstands an den Aufsichtsrat sind Mindestpflichten und können weder durch die Satzung noch durch Beschluss des Aufsichtsrats selbst eingeschränkt wer1 Skeptisch Theisen, Die Überwachung der Unternehmungsführung, S. 78 f., der das Informationssystem des § 90 AktG im Hinblick auf die Aufgaben des Aufsichtsrats für unzureichend hält; skeptisch auch Zöllner, Aktienrechtliche Binnenkommunikation, S. 69, 83.

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den1. Wohl aber kann der Aufsichtsrat selbst nach § 90 Abs. 3 AktG, aber auch die Satzung, die insoweit nicht sperrt, die Informationspflichten des Vorstands ausweiten, also etwa vom Drei-MonatsRhythmus auf den Zwei-Monats-Rhythmus übergehen2: Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes handelt es sich bei diesen Regular-Berichten und Informationen um Mindestpflichten des Vorstands. Grenze der Ausweitung dieser Pflichten ist nur der Rechtsmissbrauch, hier verstanden als sinnlose und unvernünftige Beschäftigung des Vorstands mit zusätzlichen Berichten, deren Erkenntnisgehalt gering ist3. Im Übrigen entspricht der laufende Informationsaustausch zwischen Vorstand und Aufsichtsrat – zumindest über die jeweiligen Vorsitzenden – vielfach zu beobachtender Unternehmenspraxis4.

3. Sonderberichte a) Rechtsgeschäfte von erheblicher Bedeutung Über Rechtsgeschäfte der Gesellschaft, die von erheblicher Bedeu- 208 tung für Rentabilität und Liquidität auch nur werden können, ist stets zu berichten, § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 4 AktG5. Das gilt auch dann, wenn das betreffende Geschäft keiner besonderen Genehmigung des Aufsichtsrats bedarf. Die besondere Bedeutung für die Gesellschaft bestimmt sich nach den möglichen Auswirkungen auf deren Gesamttätigkeit (z.B. Verkauf einer Produktionsstätte bzw. Erwerb eines anderen Unternehmens mit neuen Produkten) und auf die bisherige Geschäftspolitik (z.B. erstmalige Investition im Ausland). Sie beurteilt sich weiter nach dem Risiko des geplanten Rechtsgeschäfts für Liquidität und Ertrag. Die Erfüllung des Elements „besondere Bedeutung“ ist daher stets in Bezug auf die betreffende Gesellschaft zu sehen und ist zugleich in doppelter Weise größen1 Allg. Meinung; vgl. nur Mertens, Kölner Komm. AktG, § 90 Rn. 29; Spindler, MünchKomm. AktG, § 90 Rn. 8; Meyer-Landrut, Großkomm. AktG, 3. Aufl.,§ 90 Anm. 15. 2 Vgl. Spindler, MünchKomm. AktG, § 90 Rn. 8; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 93; wohl auch Meyer-Landrut, Großkomm. AktG, 3. Aufl., § 90 Anm. 15; a.A. hinsichtlich des Rentabilitätsberichts Mertens, Kölner Komm. AktG, § 90 Rn. 29. 3 Zur Frage nach weiteren Informationsschranken bei zweckwidrigem Informationsverlangen, der Gefahr missbräuchlicher Informationsverwertung und bei geheimhaltungspflichtigen Tatbeständen Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 108 ff.; Mertens, AG 1980, 67, 72 f.; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 90 Rn. 6 ff.; Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 90 Rn. 47; Sina, NJW 1990, 1016, 1017 ff. 4 Zu den hieraus resultierenden Problemen des Sonderwissens einzelner Aufsichtsratsmitglieder vgl. Emde, DB 1999, 486 ff. 5 Näher dazu Mertens, Kölner Komm. AktG, § 90 Rn. 37 f., Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 60 ff. sowie Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 90 Rn. 25 ff.

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abhängig: von dem Umfang des geplanten Rechtsgeschäfts selbst und von seinem Verhältnis zu den entsprechenden Daten der Gesellschaft. Sinn und Zweck dieser Berichtspflicht ist es, dem Aufsichtsrat die Möglichkeit zu einer Beratung mit dem Vorstand zu geben. Daher hat die Unterrichtung, wenn irgend möglich, vor Abschluss des Rechtsgeschäfts zu geschehen. Und auf jeden Fall ist der Aufsichtsrats-Vorsitzende zu unterrichten. b) Wichtige Anlässe 209

Mit der Pflicht zum Bericht über geplante Rechtsgeschäfte von besonderer Bedeutung hängt zusammen die Berichtspflicht nach § 90 Abs. 1 Satz 3 AktG. Danach hat der Vorstand auch bei allen sonstigen „wichtigen Anlässen“ zu berichten. Hintergrund auch dieser Berichtspflicht sind wiederum die Beratung mit und die Kontrolle durch den Aufsichtsrat1. Daher sind hier vor allem die negativen Ereignisse und die gewichtigen Gefahren für die Interessen der Gesellschaft angesprochen, wie insbesondere wesentliche Verluste, Gefährdung von Außenständen, gefährliche Angriffe in der Öffentlichkeit oder vor Gericht, Unglücke mit Umweltschäden, Betriebsstörungen, behördliche Eingriffe oder drohende Arbeitskämpfe2. Auch hier ist die Relation des Ereignisses zu den sonstigen Daten der Gesellschaft maßgebend für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „wichtig“: Die „Beton- und Monierbau AG“ und eine ihrer ausländischen Tochtergesellschaften konnten Außenstände nicht realisieren. Damit war die Liquidität plötzlich gefährdet: Selbstverständlich musste sofort informiert werden. c) Krisen, Risikomanagement

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Im Übrigen sei noch auf § 92 AktG und auf § 91 Abs. 2 AktG verwiesen. Die in § 92 AktG formulierten Pflichten des Vorstands bei Verlusten, Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung unterfallen auch der Überwachungspflicht des Aufsichtsrats, verbunden mit den Gefahren seiner ganz persönlichen Haftung aus §§ 93 Abs. 1 Satz 1, 116 Satz 1 AktG.

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Gleiches gilt für die Verpflichtung des Vorstands aus § 91 Abs. 2 AktG. Das KonTraG hat hier die Pflicht des Vorstands, für ein angemessenes Risikomanagement und für eine angemessene interne Re1 Dazu Mertens, Kölner Komm. AktG, § 90 Rn. 37 f.; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 60 ff.; Peltzer, WM 1981, 346, 350 sowie Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 238 ff.; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 699 f. 2 Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 700; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 25 Rn. 22; Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 90 Rn. 33 ff.; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 90 Rn. 39; Oltmanns in Heidel, Komm. AktG, § 90 Rn. 11.

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vision zu sorgen1, verdeutlicht. Für den Aufsichtsrat folgt hieraus die Pflicht, die Einrichtung und das Funktionieren eines Frühwarnsystems zu überwachen2. Da die vollständige Überprüfung der Zuverlässigkeit des Risikoüberwachungssystems die Kapazitäten des Aufsichtsrats übersteigt, liegt der Schwerpunkt der Überwachungstätigkeit hier beim Abschlussprüfer (§§ 317 Abs. 4, 321 Abs. 4 HGB)3. d) Vom Aufsichtsrat oder einzelnen seiner Mitglieder angeforderte Berichte Von ganz besonderer Bedeutung ist schließlich die Berichtspflicht des 212 Vorstands aufgrund von Anforderungen des Aufsichtsrats selbst nach § 90 Abs. 3 AktG. Dieses sehr weitgehende Initiativrecht des Aufsichtsrats und seiner Mitglieder hat seinen Grund nicht in der unzureichenden Ordnung der regulären Informationspflicht des Vorstands4, da diese reguläre Informationspflicht, richtig verstanden und gehandhabt, durchaus zweckentsprechend ist. Grund der gesetzlichen Regelung mit dem Initiativrecht des Aufsichtsrats und seiner Mitglieder selbst sind die unterschiedlichen Betrachtungen und Gewichtungen, die stets möglich sind im Hinblick auf die Auswahl von Informationen. In den bisher geschilderten Fällen lag die Initiative und damit auch der Inhalt und die Gestaltung der Berichte in der Regel beim Vorstand5. Die dort gesetzten Schwerpunkte aber mögen mit der Sichtweise des Aufsichtsrats ganz und gar nicht übereinstimmen. Diesem Aspekt will § 90 Abs. 3 AktG Rechnung tragen und damit auch von Rechts wegen die hier bestimmende und maßgebende Rolle des Aufsichtsrats betonen. Daher kann hier, im Initiativbereich des Aufsichtsrats, dieser selbst durch Beschluss, aber auch jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied jederzeit und zusätzlich zu den Regularberichten des Vorstands über alle Angelegenheiten der Gesellschaft einen Bericht an die Aufsichtsräte verlangen. Diese Berichtspflicht ist thematisch nur begrenzt durch den notwen- 213 digen Bezug zur Gesellschaft (Angelegenheiten der Gesellschaft). Ein in diesem Rahmen liegendes Verlangen des Aufsichtsrats oder einzelner seiner Mitglieder kann vom Vorstand überhaupt nicht zurückgewiesen werden, auch das Berichtsverlangen eines einzelnen Aufsichtsratsmitgliedes genügt. Positiv heißt das: Jedes Aufsichtsratsmitglied kann stets in diesem weiten Rahmen zusätzliche Berichte des Vorstands an den Aufsichtsrat verlangen, ohne dass der Vor1 2 3 4 5

Zur Entstehungsgeschichte Seibert in FS Bezzenberger, 2000, S. 427 ff. Thümmel, DB 1999, 885, 886. Endres, ZHR 163 (1999), 441, 457. So aber Spindler, MünchKomm. AktG, § 90 Rn. 32. Soweit nicht der Aufsichtsrat eine Berichtsordnung für den Vorstand erlassen hat; vgl. oben Rn. 191.

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Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat

stand oder auch die Mehrheit des Aufsichtsrats intervenieren könnte. Da die Befugnis jedem Mitglied zusteht, kann auch jeder Aufsichtsrats-Ausschuss solche Sonderberichte anfordern. Wie der Vorstand solche Berichtswünsche nicht zurückweisen kann, so kann es auch der Aufsichtsrat selbst nicht etwa durch Beschluss gegen einzelne seiner Mitglieder: Die betreffenden Rechte sind unangreifbar und weder durch die Satzung noch durch den Vorstand oder den Aufsichtsrat selbst einschränkend gestaltbar1. 214

Da die Initiative hier vom Aufsichtsrat oder einzelnen seiner Mitglieder ausgeht, müssen diese zunächst einmal ihr Anliegen so präzise formulieren, dass der Vorstand in dem notwendigerweise eingeschränkten Umfang eines jeglichen Berichts überhaupt darauf antworten kann2. Darüber hinaus aber muss das Verlangen noch erfüllbar sein und darf nicht identisch sein mit einem sowieso in aller Kürze zu erstattenden Regularbericht. Mit anderen Worten: Ergibt sich die gewünschte Antwort aus einem erst kürzlich vorgelegten Regularbericht oder Sonderbericht oder ist dieser sowieso in aller Kürze zu erstatten und daher der angeforderte Bericht nach § 90 Abs. 3 AktG nicht oder nicht wesentlich früher erfüllbar, so zielt die Anforderung ins Leere. Erfülltes oder sowieso Geschuldetes kann zu leisten nicht bzw. nicht noch einmal begehrt werden3. Darüber hinaus darf das Begehren auch nicht aus anderen Gründen missbräuchlich sein. Das wäre etwa der Fall, wenn ein Aufsichtsratsmitglied den Zusatzbericht und die in ihm erwarteten Informationen für persönliche Zwecke verwenden will oder es um Quisquilien geht, die unter keinem Aspekt (oben Rn. 191) den Kontrollauftrag des Aufsichtsrats betreffen. e) Gemeinsamkeiten der Sonderberichte

215

Auch diese Sonderberichte gehen in jedem Falle vom Vorstand an den Aufsichtsrat, also nicht etwa an das einzelne Aufsichtsratsmitglied, welches den Sonderbericht veranlasst hat. Im Übrigen gelten die allgemeinen Regeln bezüglich Form und Sorgfalt der Erstellung sowie Kenntnis und Einsicht wie unten erläutert (Rn. 223 ff.). 1 Vgl. oben Rn. 207; LG Düsseldorf v. 8.3.1988 – 36 O 138/87, AG 1988, 386, 387 lässt es aber zu, dass der Aufsichtsrat durch einstimmige Übertragung bestimmter Angelegenheiten auf einen paritätisch besetzten Ausschuss für diesen Bereich auf sein Auskunftsrecht verzichtet. Das erscheint uns problematisch. 2 LG Bonn v. 16.10.1986 – 10 O 166/85, und OLG Köln v. 9.5.1986 – 19 U 193/85, AG 1987, 24 ff.; Hüffer, Komm. AktG, § 90 Rn. 11; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 90 Rn. 41; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 25 Rn. 24. 3 Ähnlich Spindler, MünchKomm. AktG, § 90 Rn. 35, der hier von Rechtsmissbrauch spricht; vgl. auch zur ähnlichen Situation im GmbH-Recht beim Auskunftsrecht der Gesellschafter Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 51a Rn. 7 ff.

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4. Vorlageberichte Der Vorstand hat im Rahmen von Vorlagen immer dann zu berichten, wenn er einen bestimmten Beschluss des Aufsichtsrats erstrebt. Zu diesen Vorlagen gehören insbesondere:

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a) Jahresabschluss Der Jahresabschluss mit seinem Anhang (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB) und 217 dem Lagebericht ist dem Aufsichtsrat zu selbständiger Prüfung vorzulegen. Darüber hinaus ist der Prüfungsbericht des Abschlussprüfers (soweit nicht „kleine AG“1) direkt dem Aufsichtsrat ohne den Umweg über den Vorstand zuzuleiten (§ 321 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 1 HGB). Dies ist eine Folge der Auftragserteilung durch den Aufsichtsrat (§ 111 Abs. 2 Satz 2 AktG) und unterstreicht die Unabhängigkeit zwischen Abschlussprüfer und Vorstand2. Näher dazu oben Rn. 171 ff. Der Aufsichtsrat muss in jedem Falle diese Unterlagen prüfen und darüber einen positiven oder negativen eigenen Beschluss fassen (§ 171 Abs. 1 Satz 1 AktG). Soll die Feststellung ausnahmsweise durch die Hauptversammlung erfolgen (wie sonst stets bei der GmbH), so trägt der Aufsichtsrat zwar keine Mitverantwortung dafür, er muss aber dennoch seine Sicht der Dinge dieser Versammlung erläutern (§ 124 Abs. 3 AktG) und bedarf daher auch in diesem Falle der gleichen Angaben und Unterlagen3, 4. b) Der Abhängigkeitsbericht einer abhängigen AG nach § 312 AktG Dieser besondere und wichtige Bericht des Vorstands einer abhängigen Aktiengesellschaft (§ 17 AktG) ist ebenfalls dem Aufsichtsrat vorzulegen. Auch er ist durch den Abschlussprüfer zu prüfen, und sein Bericht dazu ist ebenfalls dem Aufsichtsrat unmittelbar zuzuleiten. Dieser hat die Unterlagen wiederum selbständig zu prüfen und darüber Beschluss zu fassen. Auch hier muss der Abschlussprüfer an 1 Ist die betreffende AG nicht prüfungspflichtig, so entfällt naturgemäß auch der Prüfungsbericht, vgl. oben Rn. 189. 2 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 13/9712, S. 22. 3 Die Vorlagepflicht des § 170 AktG besteht auch in den Gesellschaften mbH unter dem DrittelbG (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG verweist auf § 170 AktG) und dem MitbestG, obwohl dort eine ausdrückliche gesetzliche Verweisung auf diese Norm fehlt; vgl. OLG Karlsruhe v. 20.11.1986 – 8 W 54/86, Die Mitbestimmung 1987, 72; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 754 und dort Fn. 4 sowie Raiser in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 233; ähnlich auch Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 58, die auf § 111 Abs. 2 AktG i.V.m. § 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG verweisen. 4 Die Vorlagepflicht nach § 170 AktG und die Prüfungspflicht des Aufsichtsrats nach § 171 AktG sind sogar für den fakultativen Aufsichtsrat nach § 52 GmbHG festgelegt.

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der betreffenden Sitzung des Aufsichtsrats teilnehmen und diesem über die wesentlichen Ergebnisse seiner Prüfung berichten, § 314 Abs. 4 AktG. 218a

Das Gesetz versagt dem Aktionär die Einsicht in den Abhängigkeitsbericht und gibt ihm nur die Entscheidung von Prüfer und Aufsichtsrat bekannt; außerdem ist nach § 312 Abs. 3 Satz 3 AktG die Erklärung des Vorstands über den Ausgleich etwaiger Nachteile auch in den Lagebericht aufzunehmen. Das Gesetz bringt auf diese Weise die beiden Instanzen Aufsichtsrat und Prüfer in die Position von Garanten der abhängigen Gesellschaft und ihrer Minderheit: Umso sorgfältiger hat der Aufsichtsrat beide Berichte zu prüfen, und umso detaillierter hat der Vorstand über etwaige Unterschiede aus seiner Sicht und der Sicht des Prüfers dem Aufsichtsrat zu berichten.

218b

Im Übrigen verlangt das Gesetz vom Aufsichtsrat dieser abhängigen AG einen sehr eingehenden Bericht an die Hauptversammlung, und zwar – über das Ergebnis seiner Prüfung des Abhängigkeitsberichtes, – über das Ergebnis der Prüfung des Abhängigkeitsberichtes durch den Abschlussprüfer unter wörtlicher Wiedergabe von dessen Bestätigungsvermerk bzw. dessen Versagung. Am Schluss dieses Berichtes hat der Aufsichtsrat zu erklären, „ob nach dem abschließenden Ergebnis seiner Prüfung Einwendungen gegen die Erklärung des Vorstands am Schluss des Berichts über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen zu erheben sind“.

Fehlt der Bericht oder fehlt auch nur eines seiner Elemente, so kann der Aufsichtsrat nicht entlastet werden. Geschieht das doch, ist der Beschluss anfechtbar1. 219

Besonders sorgfältig muss der Aufsichtsrat prüfen, wenn es sich um eine kleine AG handelt, die nach §§ 316 Abs. 1, 267 Abs. 1 HGB keiner Pflichtprüfung unterliegt und daher auch keine Prüfer für den Abhängigkeitsbericht hat; gerade bei abhängigen Aktiengesellschaften wird das in Zukunft häufiger der Fall sein.

1 Vgl. BGH v. 25.11.2003 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47 = NJW 2003, 1032 = AG 2003, 273 (Macrotron); OLG Dresden v. 23.4.2003 – 18 U 1976/02, AG 2003, 433, 435 (Anfechtbarkeit bei Informationsverletzung); LG München v. 29.9.2005 – 5 HK O 13412/05, AG 2006, 170; Kropff, MünchKomm. AktG, § 314 Rn. 31; Hüffer, Komm. AktG, § 314 Rn. 5.

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c) Maßnahmen des Vorstands, die der Mitwirkung (Zustimmung) des Aufsichtsrats bedürfen Vorgänge dieser Art gibt es schon nach dem Gesetz in nicht geringer 220 Zahl (z.B. §§ 59 Abs. 3, 89, 114, 115, 171, 202 Abs. 3 Satz 2, 308 Abs. 3 Satz 2 AktG), hinzukommen in je nach Gesellschaft unterschiedlichem Maße Zustimmungsrechte kraft Satzung oder Beschluss des Aufsichtsrats gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG selbst (dazu oben Rn. 103 ff.). In allen diesen Fällen geht es um eine „mitwirkende Überwachung“ der Geschäftsführung des Vorstands durch den Aufsichtsrat. In allen diesen Fällen steht die Initiative dem Vorstand zu, der, ergreift er sie, den Aufsichtsrat für seine Vorstellungen gewinnen muss. Das setzt entsprechende Informationen voraus. Das gilt insbesondere für die zustimmungsbedürftigen Maßnahmen nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG; hier handelt es sich um eine Kooperation zwischen Vorstand und Aufsichtsrat. Es liegt auf der Hand, dass sie ein vollständiges Maß an Information des Aufsichtsrats bedingen, da dieser sonst die Entscheidung für die Gesellschaft nicht tragen bzw. mittragen kann1. Die erforderliche Information wird hier als Begründung des Vorstands für die eigenen Vorstellungen gegeben, soweit sie nicht bereits in den beigefügten Unterlagen selbst enthalten ist. Selbstverständlich können auch hier Zusatzfragen und Zusatzberichte zur Ergänzung der Unterlagen (Begründung) verlangt werden (siehe oben Rn. 212). Sehr kritisch sind Wünsche des Vorstands auf nachträgliche Zustim- 221 mung (Genehmigung) seines Handelns zu sehen. Der Vorstand kann in den Fällen auch ohne die vorherige Mitwirkung des Aufsichtsrats rechtlich wirksam handeln2, aber er darf bzw. soll es nicht. Hier mag es seltene Fälle geben, in denen es aus Zeitgründen oder Gründen der Geheimhaltung richtig ist, den Aufsichtsrat erst nachträglich zu befassen: Den Vorsitzenden bzw. das Präsidium vorweg zu informieren aber ist stets möglich und daher unabdingbar. Da die fragliche Maßnahme selbst in solchen Fällen nicht mehr zu beeinflussen (zu stoppen) ist, gilt es, sie im Sinne der Kontrolle der Geschäftsführung des 1 Der BGH hat das im Leitsatz seiner Entscheidung vom 11.12.2006 – II ZR 243/05, ZIP 2007, 224 nachdrücklich betont: „Der … Aufsichtsrat … verletzt seine zur Haftung führenden organschaftlichen Pflichten …, wenn er ohne gebotene Information … seine Zustimmung zu nachteiligen Geschäften erteilt“. 2 Grundsätzlich ist die Vertretungsmacht des Vorstands unbeschränkt, § 82 Abs. 1 AktG. Zustimmungserfordernisse betreffen also in der Regel nur die internen Geschäftsführungsbefugnisse, vgl. Spindler, MünchKomm. AktG, § 82 Rn. 1, 30. Die Zustimmung nach § 114 AktG beinhaltet allerdings ein Wirksamkeitserfordernis, vgl. Habersack, MünchKomm. AktG, § 114 Rn. 27. Teilweise wird dies auch für §§ 89, 115 AktG angenommen, vgl. Jörg Gessler, Komm. AktG, § 89 Rn. 5; a.A. die h.M., vgl. nur Spindler, MünchKomm. AktG, § 89 Rn. 51 m.w.N.

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Vorstands jedenfalls nachträglich sorgfältig zu beurteilen; denn für die hier gefragte Kooperation zwischen Vorstand und Aufsichtsrat ist die Meinung des Aufsichtsrats sowohl in der Sache wie zum Zeitfaktor wie zum Verhalten des Vorstands überhaupt von großem Gewicht.

5. Die Empfänger der Berichte 222

Die Berichte des Vorstands gehen stets an den Aufsichtsrat. Dieser wird bei schriftlichen Berichten dabei durch seinen Vorsitzenden repräsentiert1; über ihn sind also die schriftlichen Berichte an alle Aufsichtsratsmitglieder zu leiten2, soweit der Aufsichtsrats-Vorsitzende nicht den Vorstand gebeten hat, die Berichte unmittelbar allen Aufsichtsratsmitgliedern zuzuleiten. Das gilt für alle schriftlichen Berichte, also auch für die von einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern angeforderten (Zusatz-)Berichte (oben Rn. 212). Und weil das für alle Berichte gilt, hat auch der Aufsichtsrats-Vorsitzende ihm zugehende Sonderberichte nach § 90 Abs. 1 Satz 3 AktG möglichst umgehend an die übrigen Aufsichtsratsmitglieder weiterzuleiten; spätestens in der nächsten Aufsichtsratssitzung muss der Vorsitzende die übrigen Mitglieder über diese Sonderberichte und ihren Inhalt unterrichten, § 90 Abs. 5 Satz 3 AktG. Nach § 90 Abs. 5 Satz 2 AktG kann (nur) der Aufsichtsrat selbst durch Beschluss (also nicht die Satzung!)3 die Aushändigung von Berichten an die Aufsichtsratsmitglieder ausschließen und die Mitglieder auf die Möglichkeit der Einsicht in diese Unterlagen in den Räumen der Gesellschaft verweisen; diese Möglichkeit kann dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied nie genommen werden. Wenn von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, kommt eine Übermittlung der betreffenden Berichte an die Aufsichtsratsmitglieder naturgemäß nicht in Betracht. An die Stelle der Übersendung tritt dann die – unabdingbar notwendige – Unterrichtung der Aufsichtsratsmitglieder, sei es durch den Vorstand, sei es durch den Aufsichtsratsvorsitzenden, dass der Vorstand einen Bericht zum Thema X bzw.

1 Gläubiger ist das Organ Aufsichtsrat. Zum Teil wird allerdings angenommen, die Gesellschaft selbst sei Gläubiger der Berichte, so Spindler, MünchKomm. AktG, § 90 Rn. 36 und 59; Baumbach/Hueck, Komm. AktG, § 82 Anm. 14; weitere Nachweise bei Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 119 in Fn. 372. Diese Ansicht stößt indes auf unüberwindliche Probleme, da sie auf einen Anspruch der Gesellschaft gegen sich selbst hinausläuft. Auch sind die Aufsichtsratsmitglieder nicht etwa Gesamtgläubiger nach § 428 BGB; so aber Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 154 ff. 2 H.M., vgl. Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 187 m.w.N.; Mertens, AG 1980, 67, 73; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 149 f. m.w.N.; Oltmanns in Heidel, Komm. AktG, § 90 Rn. 19. Demgegenüber können mündliche Berichte nur in einer förmlichen Sitzung des Aufsichtsrats erstattet werden. 3 Vgl. Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 196.

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nach §§ Y AktG erstellt hat und dieser zur Einsicht der Aufsichtsratsmitglieder in den Geschäftsräumen der Gesellschaft ausliegt.

6. Die Gestaltung der Berichte a) Diese Gestaltung obliegt dem Vorstand. Der Bericht hat dabei „den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen“ (§ 90 Abs. 4 Satz 1 AktG).

223

b) Der Bericht muss inhaltlich vollständig sein, und er muss vor al- 224 lem sorgfältig zwischen der Mitteilung von Tatsachen und ihrer Bewertung (Meinung) unterscheiden. Er sollte tunlichst an frühere Berichte anschließen und deren Daten aufnehmen. Er muss übersichtlich gegliedert und geordnet, straff formuliert (statt geschwätzig) und gedanklich klar (statt wirr) sein1 und sollte versuchen, durch Tabellen und Schaubilder die Darstellung zu straffen und zu vereinfachen2. Er hat sodann die mitgeteilten Fakten zu werten, hat also eine Meinung des Vorstands zur Bedeutung des geschilderten Sachverhalts für die Lage und die Politik der Gesellschaft erkennen zu lassen und ggf. mit einem Entscheidungsvorschlag an den Aufsichtsrat zu enden. Ein auf unzureichende Information des Aufsichtsrats gefasster Beschluss ist nichtig3, was von jedem Aufsichtsratsmitglied mit der Feststellungsklage geltend gemacht werden kann. c) In welcher Form der Vorstand zu berichten hat, ist vom Gesetz 225 über lange Zeit hin offengelassen worden und war daher in der Literatur sehr umstritten4. Dieser Streit gehört der Vergangenheit an; denn § 90 Abs. 4 AktG hat durch das TransPuG einen weiteren Satz erhalten mit folgendem Wortlaut: „Sie sind möglichst rechtzeitig und, mit Ausnahme des Berichts nach Absatz 1 Satz 3, in der Regel in Textform zu erstatten.“

Damit ist geklärt, dass die regulären Berichte schriftlich oder in Textform (Fax, E-Mail) zu erstatten sind und nur deren aktuelle Ergänzung sowie die Mitteilung neuester Geschehnisse und Entwicklungen mündlich in der Sitzung erfolgen kann. Das ist auch völlig richtig und sachgerecht so; denn der Vorstand kann – beratend! – nur wirksam kontrolliert werden, wenn sich die Aufsichtsratsmitglieder auf diese Sitzungen gründlich vorbereitet haben und die Stichhaltigkeit 1 Ebenso Peltzer, WM 1981, 346, 350: „Systematisch, aussagekräftig, gut gegliedert, klar und den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend“. 2 Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 25 Rn. 34; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 659 f. 3 LG Hannover v. 27.6.1989 – 7 O 214/89, DB 1989, 1816. 4 Vgl. dazu etwa Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 259 ff.; Lutter, AG 1991, 249, 252; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 142.

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(Plausibilität) der Argumentation des Vorstands in Ruhe bedenken können. Es ist auch für wirtschaftlich erfahrene Personen ausgeschlossen, aufgrund allein mündlicher Vorträge spontan die etwaigen Probleme sicher zu erkennen. Denn der Vorstand wird stets versuchen, auf Probleme und Pannen von sich aus nicht eingehen zu müssen. Jedenfalls wird er auf sie (zu) spät hinweisen, um ein Problem unbemerkt vom Aufsichtsrat selbst lösen zu können. Das ist die ganz normale Haltung eines Vorstands, und sie ist unabdingbar die Folge des gesetzlichen Systems, wonach der Vorstand selbst den Aufsichtsrat zu informieren hat, einen Aufsichtsrat, der die Personalhoheit über ihn ausübt und daher auch über energische Sanktionsmöglichkeiten ihm gegenüber verfügt: Niemand reicht einem anderen gern und rasch den Strick, mit dem er aufgeknüpft werden kann! Soll also der Aufsichtsrat im Bereich der Überwachung des Vorstands mehr sein als ein Reiter auf dem dünn vereisten Bodensee – und das soll er nach dem Gesetz gewisslich! –, dann verlangt das von jedem Aufsichtsratsmitglied Vorbereitung und Beschäftigung mit dem betreffenden Unternehmen und seinen Problemen über die vier Sitzungstage im Jahr hinaus1. Anders ist moderne Unternehmensführung – und darauf bezogen ist ja der Aufsichtsrat – nicht möglich. 226

Das Regel-Ausnahme-Verhältnis ist also genau umgekehrt als von der herrschenden Meinung bisher angenommen: Im Zweifel ist schriftlich zu berichten (natürlich vor dem Hintergrund geplanter weiterer mündlicher Ergänzungen) und nur ausnahmsweise – und das heißt: mit entsprechender Begründung – mündlich. Ein freies Ermessen besteht hier nicht. Sieht man das richtig, so kommt eine (nur) mündliche Berichterstattung vor allem aus zwei Gründen in Betracht: wegen der besonderen Geheimhaltungsbedürftigkeit der betreffenden Angaben und wegen der sich rasch verändernden Umstände, die eine Festlegung (noch) nicht erlauben.

227

Zu einer nach § 90 Abs. 4 AktG ordnungsgemäßen Berichterstattung des Vorstands gehört auch, dass dieser seine schriftlichen Regelberichte dem Aufsichtsratsvorsitzenden oder auf dessen Bitte unmittelbar den Mitgliedern rechtzeitig vor den Aufsichtsratssitzungen zuleitet. Nur unter dieser Voraussetzung ist den Aufsichtsratsmitgliedern ein hinreichendes Studium der Berichte sowie deren Bewertung möglich. Auch das stellt Satz 2 von § 90 Abs. 4 AktG ausdrücklich klar („möglichst rechtzeitig“)2. 1 Boujong, AG 1995, 203, 205 spricht sogar von „ständiger Diskussion mit dem Vorstand“ und dessen „laufender Beratung“. 2 Vgl. auch bei Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 271. Die Formulierung des Gesetzes „in der Regel“ erlaubt wiederum einen Verzicht seitens des Aufsichtsrats und Ausnahmen in Sonderfällen, z.B. hohe Vertraulichkeit des Berichtsinhalts.

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7. Information und Berichte im Konzern a) Gleiche Regeln wie für die AG selbst Alle bisher erörterten Berichte betreffen die Gesellschaft, nicht die Gruppe oder den Konzern. Andererseits wurde bereits oben (Rn. 131 ff.) festgestellt, dass der Aufsichtsrat, d.h. der Aufsichtsrat einer Konzernobergesellschaft, fraglos auch die Aufgabe hat, die Leitung des Gesamtkonzerns durch den Vorstand der (seiner) Obergesellschaft zu überwachen. Das aber kann er nur vor dem Hintergrund von Informationen; und diese wiederum kann ihm nur der Vorstand verschaffen1.

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Der Konzern wird vom Gesetz selbst als funktionale („einheitliche 229 Leitung“, § 18 AktG) und als wirtschaftliche Einheit trotz seiner Zusammensetzung aus selbständigen Gliedgesellschaften, also auch aus rechtlich selbständigen Teilen, verstanden (den Konzerngesellschaften)2. Deswegen auch hat der Vorstand der Konzernobergesellschaft vielfache auf diese „Einheit“ bezogene Pflichten der Leitung und Führung3; und er hat über diese funktionale Einheit „Konzern“ auch einheitlich Rechnung zu legen (§§ 290 ff. HGB)4. Es ist damit offenbar, dass der Vorstand das nicht etwa im rechtsleeren Raum tut, sondern als Teil seiner Pflicht zur Geschäftsführung für die Obergesellschaft, deren Herrschaftsrechte aus Beteiligung und Vertrag in den Konzerngesellschaften er wahrnimmt und wahrnehmen muss. Genau das zu kontrollieren ist Aufgabe des Aufsichtsrats5, der das gar nicht anders kann als vor dem Hintergrund von Informationen, wie sie auch für die AG selbst gelten. Daraus folgt, dass der Konzern in den Berichten des Vorstands an den Aufsichtsrat in gleicher Weise und nach den gleichen Regeln erscheinen muss wie in den vom Gesetz vorgeschriebenen Berichten für die Gesellschaft (AG) selbst. Insbesondere ist nicht erkennbar, weshalb etwa nur der Aufsichtsratsvorsitzende zu informieren sein sollte6 oder der Gesamtaufsichtsrat nur dann, wenn einzelne Entwicklungen im Konzern für die Gesellschaft selbst unmittelbar von Bedeutung sind: Denn das gilt nach § 90 Abs. 1 AktG sowieso,

1 2 3 4

Dazu auch Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 503. Koppensteiner, Kölner Komm. AktG, § 18 Rn. 14 f. m.w.N. Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982, S. 77 m.w.N. § 290 Abs. 1 HGB formuliert ausdrücklich: „Stehen in einem Konzern die Unternehmen unter der einheitlichen Leitung einer Kapitalgesellschaft … so haben … einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht aufzustellen.“ 5 Zutreffend Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 381 ff.; ebenso Mertens, AG 1980, 67, 70; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 90 Rn. 18; Götz, ZGR 1998, 524, 540; Schwark in Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Corporate Governance, S. 87 ff. 6 So etwa Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 248.1.

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etwa dann, wenn bei einer Tochtergesellschaft Verluste entstanden sind, zu deren Übernahme die AG nach § 302 AktG verpflichtet ist. 230

Das Gesetz selbst hat die Fragen der Information im Konzern nicht ausreichend und insbesondere nicht systematisch bedacht und daher auch nur in Ansätzen geregelt, so z.B. in § 90 Abs. 2 und Abs. 3 AktG, aus denen sich die Geschäftsführungspflicht des Vorstands für den Gesamtkonzern und die darauf beruhende Überwachungspflicht des Aufsichtsrats folgern lässt. Insgesamt lässt sich damit sagen: b) Die regelmäßigen Berichte des Vorstands

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aa) Die regelmäßigen Berichte des Vorstands an den Aufsichtsrat (Vierteljahres-Berichte, Jahresberichte, Rentabilitätsberichte) müssen in gleichem Umfange und mit gleichem Inhalt auch für den Konzern erstattet werden, § 90 Abs. 1 Satz 2 AktG1. Das gilt insbesondere für die eingegliederten Gesellschaften nach §§ 319 ff. AktG, die Organgesellschaften (§§ 291 ff. AktG) und die (fast) 100 %igen Tochter- und Enkelgesellschaften. Ihre wirtschaftliche Lage, ihre Liquiditäts- und Ertragssituation sind für die Obergesellschaft und deren wirtschaftliche Situation unmittelbar relevant. Mängel der Geschäftsführung in ihnen wirken sich nicht weniger und nicht anders aus als Mängel in der Geschäftsführung der Gesellschaft selbst. Ihnen gegenzusteuern ist der Vorstand der Obergesellschaft (AG) verpflichtet und in der Lage (z.B. Abberufung des Managements in der betreffenden Tochtergesellschaft). Der Gesetzgeber hat das erst spät erkannt und es erst im TransPuG von 2002 durch Einfügung eines neuen Satzes 2 von § 90 Abs. 1 AktG geregelt: „Ist die Gesellschaft Mutterunternehmen (§ 290 Abs. 1, 2 des Handelsgesetzbuchs), so hat der Bericht auch auf Tochterunternehmen und auf Gemeinschaftsunternehmen (§ 310 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs) einzugehen.“

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bb) Die zur Überwachung der Konzernleitung benötigten Informationen können vom Vorstand der Tochtergesellschaft an den Vorstand der Muttergesellschaft oder, mit dessen Zustimmung, direkt an deren Aufsichtsrat erfolgen.

1 Ausführlich Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 148 ff. m.w.N.; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 404 ff.; Spindler, MünchKomm. AktG, § 90 Rn. 22. Im Übrigen: Wenn z.B. VW eine neue Fabrik im In- oder Ausland zu bauen beabsichtigt, kann es für die Mitwirkung des Aufsichtsrats an Planung und Entscheidung überhaupt keinen Unterschied machen, ob diese Investition von der VW AG selbst oder einer ihrer ausländischen Tochtergesellschaften getätigt wird.

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Dieser Informationsfluss im Konzern ist nicht verboten: Der Kon- 233 zern, auch der faktische, ist rechtmäßig, §§ 291 ff., 311 ff. AktG, einheitliche Leitung also erlaubt. Da einheitliche Leitung aber der Information bedarf, sind Auskünfte der Tochtergesellschaften an die Muttergesellschaft zum Zwecke der Konzernleitung nicht nur zulässig, sondern auch erforderlich1. Werden derartige Informationen von der Tochter außerhalb der 234 Hauptversammlung erteilt, so findet doch § 131 Abs. 4 AktG keine Anwendung; denn die Mutter erhält die Information nicht in ihrer Eigenschaft als Aktionär, sondern als konzernleitendes Unternehmen2. Das wird in § 131 Abs. 4 Satz 3 AktG für den Spezialfall der Einbeziehung der Tochter in den Konzernabschluss der Mutter ausdrücklich klargestellt. cc) Anders ist die Rechtslage dann, wenn in den Tochtergesellschaf- 235 ten noch „echte“ Minderheitsaktionäre sind und kein Unternehmensvertrag besteht: Dann sind gegenläufige Interessen der Tochter strikt zu berücksichtigen, wie die §§ 311 ff. AktG zeigen. Das aber unterbricht die Erlaubnis zum schrankenlosen Informationsfluss zwischen dem Tochterbereich und dem Aufsichtsrat der Obergesellschaft3. Der Vorstand der Tochter muss dann „nach oben“ berichten, dass eine Weitergabe der gewünschten Information im Interesse der Tochter und ihrer Minderheitsgesellschafter nicht möglich ist. dd) Bei der Gestaltung dieser regelmäßigen Berichte über den Konzern 236 hat sich der Vorstand an deren Funktion zu orientieren: Darstellung des Konzerns als wirtschaftliche Einheit unter den genannten Aspekten. Er wird also tunlichst über den Konzern nach dem gleichen Schema und nach den gleichen Regeln berichten wie über die Gesellschaft selbst4, also über den Umsatz und den Ertrag im Konzern insgesamt und nach Sparten bzw. Bereichen getrennt, je im Periodenvergleich und im Vergleich zur Planung. Außerdem sind Hinweise zu den spezifischen Risiken und Kostenfaktoren (Zins, Währung, Arbeitnehmer) in den verschiedenen Sparten bzw. Bereichen zu geben. Dabei hat der Vorstand wichtige Konzerngesellschaften – ähnlich wie wichtige Betriebsabteilungen in der Gesellschaft selbst – besonders hervorzuheben, um sie ggf. mit ihren besonderen Stärken und Schwächen

1 Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 156 ff.; Pentz, ZIP 2007, 2298 ff. 2 H.M., vgl. nur Krieger, Münchener Hdb. AG, § 69 Rn. 26; Zöllner, Kölner Komm. AktG, § 131 Rn. 69; Hüffer, Komm. AktG, § 131 Rn. 38; Scheffler, DB 1994, 793, 798; ebenso Kubis, MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 141 f. 3 Dazu Lutter, AG 1991, 249, 255. 4 So geschieht es auch in der Praxis der börsennotierten Aktiengesellschaften hinsichtlich ihrer Geschäfts- und ihrer Quartalsberichte.

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Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat

sowie den dort vorgesehenen Maßnahmen zur Ausnutzung von Stärken bzw. zur Überwindung von Schwächen darzustellen. 237

ee) Für den Inhalt des Jahresberichts gelten die gleichen Regeln wie für den Jahresbericht der Gesellschaft selbst1: Im Zentrum stehen die Planungen im Konzern. Im Übrigen wird es am zweckmäßigsten sein, nach Schwerpunkten und Tätigkeitsgebieten (Produkten, Bereichen) zu gliedern: Es besagt wenig, wenn der Vorstand über die Absicht einer Investition von X US-Dollar bei der A-Corporation (die Kunststoffteile und chemische Produkte herstellt) berichtet, aber viel, wenn über geplante Investitionen im Sektor chemischer Produkte mit Schwerpunkt bei der A-Corporation mitgeteilt wird. Nicht zu übersehen ist schließlich der jährliche Konzern-Rentabilitätsbericht. Auch hier gelten die obigen Überlegungen: Es sagt wenig, ja möglicherweise sogar Falsches, wenn der Rentabilitätsbericht für die Gesellschaft selbst zufriedenstellend, vielleicht sogar gut ist, während sich die Lage im Konzern dramatisch verschlechtert. Gerade in der beginnenden Krise wird eine solche Konstellation nicht selten sein. Der Aufsichtsrat verletzt daher seine Pflicht, wenn er nicht auf zeitnaher Information über Gesellschaft und Konzern besteht. Zum Zwecke einer effektiven Konzernleitungskontrolle empfiehlt es sich, vom Vorstand ein Kontrollstatut zu fordern, in dem das Instrumentarium zur Kontrolle der Unternehmensgruppe niedergelegt ist2. c) Sonderberichte

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Sonderberichte über den Konzern sind schon im Gesetz selbst vorgesehen, § 90 Abs. 1 Satz 3 AktG. Unter den gleichen Voraussetzungen, wie sie oben (Rn. 208 ff.) zur Gesellschaft selbst formuliert wurden, nunmehr aber bezogen auf den Konzern als wirtschaftliche Einheit, sind solche Sonderberichte zu erstatten. Das gilt aber nicht für den Konzern als solchen, sondern auch für die einzelne Konzerngesellschaft, in der sich Sonderentwicklungen abzeichnen. Daher ist selbstverständlich über Arbeitskämpfe, behördliche Eingriffe, Absatzund Ertragseinbrüche etc. in wichtigen Tochtergesellschaften im Rahmen solcher Sonderberichte zu berichten. d) Vorlageberichte

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Sie betreffen vor allem die Vorlage des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts nach § 337 Abs. 1 Satz 1 AktG i.V.m. §§ 219, 315 HGB. Sie sind weiterhin angezeigt, wenn der Vorstand die Durchführung einer zustimmungspflichtigen Maßnahme im Konzern 1 Vgl. Götz, ZGR 1998, 524, 540 f. 2 Näher siehe Götz, ZGR 1998, 524, 541; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 420; zu dieser Forderung auch schon Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 308.

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wünscht (vgl. dazu oben Rn. 149 ff.), und sie gelten erst recht, wenn der Vorstand nach § 32 MitbestG oder § 15 MontanMitbestErgG die Zustimmung bzw. Weisung des Aufsichtsrats für bestimmte Maßnahmen in Konzerngesellschaften benötigt.

8. Das unmittelbare Einsichts- und Prüfungsrecht des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 2 AktG a) Der Vorstand ist die wichtigste Informationsquelle für den Auf- 240 sichtsrat, aber er kann als derjenige, der zu kontrollieren ist, nicht die einzige Informationsquelle für den Aufsichtsrat sein. Das wird unmittelbar einsichtig, wenn man an den durchaus möglichen und weitreichenden Konflikt zwischen den beiden Organen denkt. Und es gilt erst recht, wenn die Frage akut wird, ob sich der Vorstand Pflichtverletzungen hat zuschulden kommen lassen. Daher sieht § 111 Abs. 2 AktG vor, dass sich der Aufsichtsrat die gewünschte Information auch durch eigene und unmittelbare Einsicht in die Unterlagen der Gesellschaft selbst verschaffen und dabei insbesondere die Angaben des Vorstands vor Ort überprüfen kann1. Dieses Recht steht dem Organ Aufsichtsrat zu; er hat es also durch Mehrheitsbeschluss einzuleiten. Ein Recht einzelner Mitglieder auf unmittelbare Einsicht und Prüfung kennt das Gesetz hier (im Gegensatz zur Berichtspflicht des Vorstands: Zusatzberichte) nicht2; das einzelne Mitglied kann also nur einen entsprechenden Antrag im Aufsichtsrat selbst zur Entscheidung (Abstimmung) stellen. Das Einsichts- und Prüfungsrecht dient der Überwachung (nur) des Vorstands, besteht also nicht beliebig und per se. b) Die konkrete Ausübung des Rechts durch den gesamten Aufsichts- 241 rat wäre denkbar unzweckmäßig. Sie würde auch zu einer großen Beunruhigung im Unternehmen führen und daher der Gesellschaft eher schaden als nützen. Daher sieht das Gesetz vor, dass der Aufsichtsrat eine Gruppe (z.B. einen Ausschuss) oder gar ein einzelnes Mitglied mit der Einsicht oder Prüfung beauftragt. Der Vorteil einer solchen Vorgehensweise liegt in einem erhöhten Maß an Vertraulichkeit3, was wiederum gerade bei börsennotierten Gesellschaften der Prävention von Insidergeschäften zuträglich ist (siehe unten Rn. 290 ff.). Schließlich kann die Prüfung der konkreten Frage (z.B. Liquiditätslage, Auftragsbestand, Organisation, bestimmtes Fehlverhalten des Vorstands) auch durch einen Dritten und hier insbesondere 1 Zu den Schranken des Einsichts- und Prüfungsrechts vgl. näher Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 293 ff. 2 Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 166; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 129; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 284 m.w.N.; Hüffer, Komm. AktG, § 111 Rn. 11. 3 Vgl. Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 286.

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einen Wirtschaftsprüfer oder den eigenen Abschlussprüfer durchgeführt werden1. Es muss sich dabei aber stets um die Prüfung einer konkreten und bestimmten Frage handeln, nicht um eine unspezifische, „flächendeckende“ allgemeine Prüfung2. 242

c) Diese Prüfung muss sich naturgemäß auf die Überwachung des Vorstands beziehen. Geht es etwa um das Fehlverhalten von Arbeitnehmern, so kann der Aufsichtsrat nur den Vorstand um Klärung des Sachverhalts und Bericht an sich auffordern, kann aber weder selbst prüfen noch prüfen lassen. Das wird anders, wenn der Aufsichtsrat Grund zur Annahme hat, dass der Vorstand unvollständig oder unrichtig berichtet: Dann geht es um die Klärung des Verhaltens des Vorstands. Das ist eine Frage, die der Aufsicht des Aufsichtsrats unterliegt; sie wird sich häufig gerade in Konzernsachverhalten stellen. Aber auch in diesen Fällen ist der Aufsichtsrat nur in sehr engen Grenzen befugt, Arbeitnehmer unmittelbar zu befragen. Geht es um (alte) Sachverhalte, die den jetzigen Vorstand nicht betreffen, so geht es auch nicht um seine Überwachung. Sind jedoch mögliche Schadensersatzansprüche gegen frühere Vorstandsmitglieder im Gespräch und sind diese noch nicht verjährt (§ 93 Abs. 6 AktG), so kann der Aufsichtsrat die Rechte aus § 111 Abs. 2 AktG zu deren Klärung einsetzen (Annexkompetenz), da nur er zu deren Geltendmachung berechtigt (§ 112 AktG) und zugleich verpflichtet3 ist.

243

d) Das Einsichts- und Prüfungsrecht steht in keiner „Rangordnung“ zum Informationsrecht nach § 90 AktG, darf also an sich jederzeit ausgeübt werden. Aber der Aufsichtsrat ist selbstverständlich auf die Interessen der Gesellschaft verpflichtet (§§ 93, 116 AktG) (vgl. unten Rn. 885 ff.). Für diese aber ist ein solcher Vorgang eine hohe Belastung, signalisiert er doch der gesamten Belegschaft (und damit praktisch der Öffentlichkeit) das Misstrauen des Aufsichtsrats gegenüber dem amtierenden Vorstand. Daher sollte dieses Recht vom Aufsichtsrat als Ultima Ratio verstanden und nicht etwa beliebig eingesetzt werden4.

1 Vgl. dazu näher Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 298 ff.; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 130 ff. 2 BGH v. 15.11.1982 – II ZR 27/82, BGHZ 85, 293 ff. = AG 1983, 133 (Hertie) betont daher zutreffend, dass nur zur Klärung bestimmter Fragen ein besonderer Sachverständiger nach §§ 109 Abs. 1 Satz 2, 111 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 5 AktG beauftragt werden kann; vgl. auch Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 50 f.; Hüffer, Komm. AktG, § 111 Rn. 12; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 165; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 130. 3 Vgl. nur BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 = AG 1997, 377 (ARAG). 4 Zustimmend Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 174; wohl eher einfaches Ermessen befürwortend Hüffer, Komm. AktG, § 111 Rn. 11.

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e) Dieses unmittelbare Einsichts- und Prüfungsrecht betrifft nur die 244 Gesellschaft, nicht aber Konzerngesellschaften. Der Aufsichtsrat der Obergesellschaft kann also nur bei der eigenen Gesellschaft die dort befindlichen und den Konzern betreffenden Unterlagen einsehen und prüfen (lassen), nicht aber bei den Konzerngesellschaften unmittelbar tätig werden. Hier liegt eine deutliche Schwäche im Überwachungssystem1! Das gilt vor allem dann, wenn der Vorstand selbst in den Tochtergesellschaften tätig ist, dort aber keiner oder jedenfalls keiner relevanten Überwachung durch unabhängige Dritte unterworfen ist2. Dieser mangelnden Überwachung in den Konzerngesellschaften kann der Aufsichtsrat in der Obergesellschaft nur durch sein Beharren auf detaillierten und eingehenden Berichten durch den Vorstand entgegenwirken.

9. Information des Aufsichtsrats bei Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern Die Besonderheiten, die sich hinsichtlich der Information des Auf- 245 sichtsrats bei Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern durch die Einschaltung von Personalausschüssen ergeben, werden unten (Rn. 737) näher erläutert.

10. Information des Aufsichtsrats durch das Personal Ein schwieriges Kapitel ist die Frage, ob der Aufsichtsrat berechtigt und dann auch verpflichtet ist, Informationen beim Personal einzuholen3. Das Gesetz verbietet es nicht4. Andererseits lehnt die weit 1 Aus diesem Grund empfiehlt die Regierungskommission „Corporate Governance“, § 111 Abs. 2 AktG um folgenden Satz zu erweitern: „Ein vom Aufsichtsrat bestellter zur Berufsverschwiegenheit verpflichteter Sachverständiger sollte die Rechte nach § 111 Abs. 2 Satz 1 AktG auch gegenüber Tochterunternehmen im Sinne des § 290 Abs. 2 HGB und anderen Unternehmen im Sinne des § 310 HGB haben; er sollte von deren gesetzlichen Vertretern Aufklärungen und Nachweise verlangen können.“ (Baums [Hrsg.], Bericht der Regierungskommission, Rn. 22). Diese Empfehlung ist vom Gesetzgeber bisher nicht aufgenommen worden. 2 Hier liegt ein faktisches Problem aus bestimmten Formen der Konzernorganisation: Sind Mitglieder des Vorstands zugleich im Vorstand/Geschäftsführung der Tochter und wird deren Aufsichtsrat vor allem durch sonstige Personen aus dem Konzern besetzt, dann kann die Überwachung in der Tochter kaum funktionieren; hier ist der Aufsichtsrat der Obergesellschaft in besonderem Maße gefordert. 3 Sehr eingehend und kritisch gegenüber der (noch) h.M. Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 502 ff. und Habersack, MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 68. 4 Zutr. Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 507; Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 182.

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überwiegende Meinung eine solche Information des Aufsichtsrats durch und beim Personal ab mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat einerseits und dem notwendigen Schutz der Autorität des Vorstands andererseits1. Man wird hier sorgfältig unterscheiden müssen: 247

a) Geht es um das Einsichts- und Prüfungsrecht des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 2 AktG (oben Rn. 240 ff.) und wird es von einem Aufsichtsratsmitglied, einem Ausschuss oder einem Beauftragten ausgeübt, so sind Fragen an das Personal zum Verständnis und zur Erläuterung der etwa eingesehenen Unterlagen fast unabdingbar und zulässig2.

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b) Geht es um die Klärung von Vorwürfen gegenüber dem Vorstand, insbesondere um mangelhafte oder gar fehlerhafte Information, um Unkorrektheit oder gar Unredlichkeit, so gilt das Gleiche: der Aufsichtsrat kann sich hier unmittelbar an dafür zuständige Mitarbeiter wenden, etwa den Leiter der internen Revision3.

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c) Geht es hingegen um Fragen zur Geschäftsführung des Vorstands, ist der Aufsichtsrat nicht berechtigt, am Vorstand vorbei zu handeln, sondern hat diesen zu bitten, den oder die gewünschten Mitarbeiter zur Sitzung des Aufsichtsrats mitzubringen; der Vorstand kann dann an der Diskussion des Aufsichtsrats mit diesen Mitarbeitern teilnehmen. Das gilt insbesondere, wenn der Aufsichtsrat sich über das Risikomanagement und das Risiko-Überwachungssystem (§ 91 Abs. 2 AktG), die Maßnahmen zur Verhinderung von Unterschlagungen (interne Revision) oder Bestechungen (Compliance-Abteilung) regelmäßig informieren will: hier können und sollten mit dem Vorstand feste Termine für die Teilnahme der entsprechenden Mitarbeiter vereinbart werden, die dem Vorstand dann bekannt sind und ihm die Möglichkeit der Teilnahme geben4. Das alles gilt entsprechend für die Aufsichtsrats-Ausschüsse, insbesondere das Audit Committee und den Leiter der Rechnungs-Abteilung. Alle diese Maßnahmen müssen den Charakter der Kooperation mit dem Vorstand tragen und dürfen nicht als Inquisition missverstanden werden. 1 Vgl. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 90 Rn. 44; Semler, MünchKomm. AktG, 2. Aufl., § 111 Rn. 286; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 171 f.; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 135; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 3; zum Ganzen Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 504 ff. mit allen Nachw. und Lutter, AG 2006, 517, 520 f. 2 Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 311; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 128; Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 175 f. 3 Hüffer, Komm. AktG, § 90 Rn. 11; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 313; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 90 Rn. 44. 4 Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 502 ff.; Grothe, Unternehmensüberwachung, S. 273 ff.

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Dieser ganze und für die Information des Aufsichtsrats wichtige Komplex sollte Gegenstand der schon mehrfach angesprochenen Informationsordnung des Aufsichtsrats für den Vorstand sein. d) Besteht im Unternehmen kein sog. whistleblowing-System und 250 tragen daher Mitarbeiter von sich aus offen oder anonym Pflichtverletzungen des Vorstands oder Rechtsverletzungen im Unternehmen an den Aufsichtsrat heran, so hat dieser diesen Vorwürfen sorgfältig nachzugehen, den Vorstand zu hören und dabei die oft gewünschte Anonymität des Informanten zu schützen. Die Mitarbeiter müssen wissen, dass der Aufsichtsrat diese Vorgänge und ihr naheliegendes Interesse am Schutz der eigenen Person ernst nimmt. Der Aufsichtsrat kann durch Beschluss Vorkehrungen treffen, um solche Informationen entgegenzunehmen und den Informanten zu schützen1. e) Gewiss unzulässig ist es hingegen, wenn der Aufsichtsrat am Vor- 251 stand vorbei versucht, mit Hilfe von Mitarbeitern ein eigenes Informationssystem aufzubauen oder sich auf laufende Zuträge aus dem Unternehmen einlässt. Das verstößt gegen das Recht des Vorstands, den Aufsichtsrat zu informieren, und gegen dessen Pflicht, die Autorität des Vorstands zu schützen2.

11. Schlussbemerkung Manchmal wird vor allem von betriebswirtschaftlicher Seite in allgemeinen Publikationen der Eindruck erweckt, Aufsichtsräte würden ständig unzureichend informiert. Die Verfasser können das aus eigener Anschauung nicht bestätigen. Aber sie möchten mit Nachdruck betonen, dass schlechte Information durch den Vorstand auch durch einen gleichgültigen Aufsichtsrat veranlasst sein kann. Anders gewendet: Der Aufsichtsrat hat alle rechtlichen und faktischen Mittel zur Verfügung, um sich ausreichende und ordnungsgemäß aufbereitete Informationen zu beschaffen. Wenn der Aufsichtsrat dennoch von seinen Informationsmöglichkeiten keinen Gebrauch macht, so entlastet ihn der Hinweis auf Mängel der Vorstandsberichte in keiner Weise3.

252

In diesem Zusammenhang muss auch die ARAG-Rechtsprechung des 253 BGH Berücksichtigung finden4. Die in dieser Entscheidung betonte Pflicht des Aufsichtsrats, Regressansprüche gegen den Vorstand grundsätzlich geltend zu machen, übt zugleich Druck auf den Auf1 Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 508 f. 2 Eingehend dazu Lutter, Der Aufsichtsrat im Konzern, AG 2006, 517, 520 f. m.w.N. 3 Der Kodex formuliert daher auch in Ziff. 3.4 zutr. die Mitverantwortung des Aufsichtsrats für seine eigene Information („Holschuld“). 4 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 = AG 1997, 377 (ARAG/ Garmenbeck); dazu Lutter, ZIP 1995, 441 f.

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Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat

sichtsrat aus, von den ihm zur Verfügung stehenden Informationsrechten in effizienter Weise Gebrauch zu machen.

II. Verschwiegenheitspflicht des Aufsichtsrats und seiner Mitglieder 1. Überblick a) Grundsatz 254

§ 93 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 116 AktG verpflichtet den Aufsichtsrat und jedes einzelne seiner Mitglieder zur Wahrung von Geheimnissen und vertraulichen Angaben der Gesellschaft1. Das kann nicht überraschen; denn wer, wie der Aufsichtsrat, umfassend zu informieren ist, muss auch die Interessen der Gesellschaft an der Sicherung der für sie wichtigen Informationen vor den Ohren Dritter respektieren. Dabei liegt es auf der Hand, dass der Aufsichtsrat und alle seine Mitglieder, je mehr sie von ihren Informationsrechten Gebrauch machen und in die Interna der Gesellschaft eindringen, desto mehr gehalten sein müssen, die derart erlangten Kenntnisse mit Sorgfalt zu behandeln und zu bewahren: Wer über Dritte viel wissen will und wissen muss, muss auch schweigen können. Das gilt für Ärzte ebenso wie für Priester, für Anwälte ebenso wie für Notare, und ebenso für Aufsichtsräte, die nicht eigennützig (im Eigeninteresse), sondern fremdnützig (in Ausübung eines privaten Amtes für einen Dritten, die Gesellschaft) tätig sind. Das alles wird ausdrücklich durch § 116 AktG bestätigt, wo es in Satz 2 heißt: „Die Aufsichtsratsmitglieder sind insbesondere zur Verschwiegenheit über erhaltene vertrauliche Berichte und vertrauliche Beratungen verpflichtet.“ b) Verschwiegenheitspflicht und Mitbestimmung

255

Die Fragen und Einzelheiten zum Umfang und zu den Grenzen der Verschwiegenheitspflicht haben die Literatur seit dem Mitbestimmungs-Gesetz von 1976 ganz ungewöhnlich stark beschäftigt2. Das hängt mit sehr verschiedenen Aspekten aus dem praktischen Leben von Mitbestimmung zusammen. So etwa werden die ArbeitnehmerVertreter im Aufsichtsrat der großen Gesellschaften in einer oft leb1 Dazu Säcker, NJW 1986, 803 ff. und Gaul, GmbHR 1986, 296 ff. sowie ausführlich Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 384 ff. mit allen Nachw. 2 Vgl. nur die Nachweise bei Säcker, NJW 1986, 803 ff. und Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 384 ff. sowie die Rechtsprechungsübersicht bei Theisen, AG 1987, 137, 147 ff.; Theisen, AG 1998, 153, 162 ff.

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haft geführten Kampagne von der Belegschaft gewählt1, während die Wahl der Anteilseigner-Vertreter in der Hauptversammlung demgegenüber eine sublime Form der Kooptation oder der Wahl in einem von wenigen Personen beherrschten System (Oligarchie) ist2 – mag sich dieses System auch derzeit ändern3. Hier liegt es für die Arbeitnehmer-Vertreter nahe, im „Wahlkampf“ die eigenen „Erfolge“ während der letzten Wahlperiode auszuloben bzw. während einer Wahlperiode zur Festigung der eigenen Position bekannt zumachen. Und das setzt unabdingbar die Weitergabe von Informationen voraus und naturgemäß solcher, die bislang so nicht bekannt waren: je stärker vertraulich und geheim, desto besser aus der Sicht der Zuhörer. Nicht minder besteht ein solches Interesse, wenn im Aufsichtsrat mögliche Beschäftigungsprobleme erörtert werden; es ist eine seit alters her erfolgreiche Strategie, die Pläne des Gegners zu stören oder zu zerstören, indem man eben diese Pläne öffentlich bekannt macht. Kurz: Der Druck verständlicher Wünsche und Interessen der Arbeitnehmer geht vielfältig auf Offenlegung von Sachverhalten, deren vertrauliche Behandlung das Unternehmen selbst aus vielfältigen Gründen wünscht4. Von Seiten der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften wird dabei 256 allerdings leicht übersehen, dass bei solcher Strategie der Vorstand im Interesse der Gesellschaft versuchen wird, Informationen nicht oder erst im spätesten Moment zu geben. Dadurch leidet zwar die Arbeit im Aufsichtsrat; aber gegen den Informationsträger Vorstand ist schwer zu handeln, wenn er glaubt, im Interesse der Gesellschaft „mauern“ zu müssen: Man kann eben den Kuchen nicht gleichzeitig essen und behalten5. Wollen die Mitglieder des Aufsichtsrats also 1 Vgl. nur die ungemein komplexen Regeln zur mittelbaren oder unmittelbaren Wahl der Arbeitnehmervertreter nach dem MitbestG bei Henssler in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, Vorb. vor § 9 MitbestG. 2 So schon Lutter, Aktionär, S. 20; näher dazu der Bericht der Mitbestimmungskommission, BT-Drucks. VI/334, S. 32 sowie Witte, ZfB 51 (1981), 733, 744 ff. und Flume, Juristische Person, S. 56. Das gilt insbesondere für Publikumsgesellschaften ohne Großaktionär, in denen nach Vogel, Aktienrecht und Aktienwirklichkeit, S. 200 ff., 202, nur in 10 % der Fälle keine Kooptation stattfindet. 3 Den Verf. ist bekannt, dass große Gesellschaften heute sog. head-hunter beauftragen, geeignete Kandidaten für vakante Aufsichtsratspositionen vorzuschlagen. 4 Solche Situationen lagen den Verfahren AG München v. 2.5.1985 – HRB 2212, ZIP 1985, 1139 = AG 1986, 170 und LG Stuttgart v. 8.5.1985 – 26 O 192/85 zugrunde; vgl. Theisen, AG 1987, 137, 143. 5 Man kann wohl annehmen, dass im Streitfall zwischen den Arbeitnehmervertretern und dem Vorstand der Adam Opel AG in BGH v. 28.11.1988 – II ZR 57/88, BGHZ 106, 54 = AG 1989, 89, genau das die Alternative des Vorstands war, der den ganzen und besonders sensiblen Datenbereich aus der Gesellschaft ausgegliedert hatte.

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sachverständig und kompetent im Aufsichtsrat mitarbeiten und wirklich mitentscheiden, so sollten sie auch aus Gründen des eigenen Nutzens und der eigenen Interessen der hiesigen Rechtsauffassung folgen: Sie sollten volle Information gegen zuverlässige Vertraulichkeit in Anspruch nehmen und auf spektakuläre Einzelerfolge verzichten. Das hier Gesagte gilt schließlich auch im Verhältnis zu den Organen der Betriebsverfassung1. Es mag zwar durchaus zutreffen, dass die Informations-Durchlässigkeit vom Aufsichtsrat zum Betriebsrat (Gesamtbetriebsrat, Konzernbetriebsrat) zu „Synergieeffekten“ bei der Vertretung von Arbeitnehmerinteressen führt2. Aber weder ist es der Zweck der Regeln über die unternehmerische Mitbestimmung, noch ist es eine der Aufgaben des Aufsichtsrats oder gar seiner Pflichten im Unternehmen, Synergieeffekte beim Betriebsrat zu begünstigen: Es geht beim Aufsichtsrat um die Mitwirkung bei der Führung eines Wirtschaftsunternehmens, das in vielfache Interessen eingebunden ist. Diese Führungsaufgabe aber ist nicht zu verwechseln mit der Wahrnehmung und Durchsetzung von Partikularinteressen. Dies wird auch durch § 116 Satz 2 AktG bestätigt. c) Verschwiegenheitspflicht und Meinungsfreiheit 257

Die Meinungsfreiheit des Bürgers hat Verfassungsrang (Art. 5 GG), die Schweigepflicht hingegen beruht auf dem einfachen (Aktien-)Gesetz und dem (einfachrechtlichen) Treuegebot des Organmitglieds gegenüber dem Unternehmen, als dessen Aufsichtsrat man tätig ist. Daher liegt der von Säcker entwickelte Gedanke nahe, dieses einfachgesetzliche Schweigegebot stets an der höherrangigen Meinungsfreiheit zu messen und verfassungsgemäß einschränkend zu interpretieren3. Dennoch trifft diese Rechtsbetrachtung nicht zu4. 1 A.A. Köstler/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rn. 554; so wie hier Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 33 Rn. 46; Hüffer, Komm. AktG, § 116 Rn. 7; Jaeger in Nirk/Ziemons/Binnewies, Handbuch der Aktiengesellschaft, Rz. I 9.313; Raiser, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 132; Edenfeld/ Neufang, AG 1999, 47, 52 unter Hinweis auf das bewusste Weglassen einer dem § 79 Abs. 1 Satz 4 BetrVG vergleichbaren Regelung durch den Gesetzgeber. 2 So Osterloh, AuR 1986, 332, 339. 3 Säcker, Informationsrechte der Betriebs- und Aufsichtsratsmitglieder, S. 60; Säcker, NJW 1986, 803, 804; neuerdings auch Köstler/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rn. 541 ff. 4 Ebenso ausdrücklich Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 12 Rn. 5; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 III, 1c, S. 824 ff.; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 116 Rn. 40, der allerdings in Extremfällen eine Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht als Folge einer grundrechtlich geschützten Gewissensentscheidung zulassen will. Dem ist ebenfalls nicht zu folgen; denn hierin liegt zum einen ein Einfallstor für Umgehungsmöglichkeiten der soeben genannten Grundsätze. Zum anderen unterliegt auch die Gewissensausübungsfreiheit

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Verschwiegenheitspflicht des Aufsichtsrats

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Selbstverständlich darf jeder Bürger seine Meinung an welchem Ort auch immer sagen und dafür im Grundsatz auch alle ihm verfügbaren Informationen verwenden. Aber genau hier liegt das Problem: Natürlich sind Meinungen umso interessanter, je reicher die Informationen sind, die in sie einfließen und mit ihnen transportiert werden. Daher ist der Journalist so wichtig. Aufsichtsräte aber sind keine Journalisten, sondern Organwalter; ihnen müssen von Rechts wegen alle Informationen gegeben werden. Es wäre nun aber merkwürdig genug, wenn das Unternehmen – zum Zwecke seiner Verwaltung und Leitung – seinen Amtswaltern alle Informationen geben muss, diese dann aber damit ihre private Meinung „füttern“ dürfen: Wer – freiwillig – sein Amt übernimmt, kann sich gegenüber dem dann selbstverständlichen Gebot der Amtsverschwiegenheit nicht auf die subjektiveigene Meinungsfreiheit berufen. Im Übrigen entspricht genau das dem Gesetz; und es wäre merkwür- 258 dig genug, wenn es anders wäre. Man kann dafür auf §§ 93 Abs. 1 Satz 2, 116 Satz 2 AktG verweisen und auf die schon lange vorher anerkannte Treupflicht jedes Aufsichtsratsmitglieds der Gesellschaft gegenüber. Man kann stattdessen höher ansetzen und auf die im Sinne des Grundgesetzes (Art. 5 Abs. 1 GG) garantierte Meinungsfreiheit i.S.v. Äußerungsfreiheit abheben, muss dann aber sofort auch auf Abs. 2 und die Schranken dieser Freiheit in den allgemeinen Gesetzen eingehen. Fraglos ist § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG in dieser Sicht dann ein solches „allgemeines Gesetz“1. Dieses muss dann sub specie der Verfassung ausgelegt werden (Wechselwirkung oder „Schaukeltheorie“). Dabei aber ist wiederum das Interesse der Gesellschaft und die Eigenschaft des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds als Organwalter von zentraler Bedeutung. Es kann auch im Lichte einer Interpretation von § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG aus Art. 5 Abs. 1 GG nicht übersehen werden, dass sich das einzelne Aufsichtsratsmitglied seinerseits freiwillig in den Interessenbereich der Gesellschaft begibt, die ihn ihrerseits nicht ablehnen kann. Demgegenüber können auch noch so schöne Worte wie „Bürgerfreiheit“2 nicht verfangen. Es muss daher einerseits bei der Regel strikter Verschwiegenheitspflicht bleiben und des Art. 4 Abs. 2 GG verfassungsimmanenten und verhältnismäßigen Schranken. Eine einfachgesetzliche Ausprägung dieser Schranken bilden auch §§ 93, 116 AktG. 1 Das hat auch Lutter nie bestritten, wie Säcker, NJW 1986, 803, 804 fälschlich meint; vgl. Lutter, BB 1980, 292 (insbesondere bei Fn. 15) und Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 628. Nicht minder unzutreffend ist die Behauptung, der BGH (BGH v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325) sei auf Art. 5 Abs. 2 GG eingegangen (so aber Säcker, Informationsrechte der Betriebs- und Aufsichtsratsmitglieder, S. 6). Wie hier Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 12 Rn. 5; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 116 Rn. 40. 2 Säcker, NJW 1986, 803 ff.

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Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat

den seltenen Ausnahmen im Interesse der Gesellschaft1 andererseits, während es gewisslich nicht um die Interessen des betreffenden Aufsichtsratsmitglieds an Beliebtheit, Wiederwahl oder gar Gegenstrategie gegen die Gesellschaft geht.

2. Geheimnis 259

Unter einem Geheimnis i.S.v. § 93 Abs. 1 AktG ist jede relativ unbekannte Tatsache zu verstehen, deren Weitergabe zu einem Schaden der Gesellschaft führen würde2. Das Tatbestandsmerkmal Tatsache ist weit zu verstehen; Tatsache umfasst alle objektiven Daten ebenso wie eine – geäußerte! – Absicht oder Meinung: Der Hinweis eines Aufsichtsratsmitglieds, es werde die Abberufung des Vorstandsmitglieds X beantragen, ist eine solche Tatsache. Die fragliche Tatsache muss relativ unbekannt, keineswegs also völlig unbekannt sein. Es genügt, dass sie bislang nur einem beschränkten Personenkreis bekannt ist3 und dass ein Dritter nicht problemlos Zugang zu den Tatsachen hat4: Ein veröffentlichtes Patent ist kein Geheimnis mehr; die dem Großhandel angekündigte Neueinführung eines bestimmten Produkts beseitigt die Unbekanntheit der Neueinführung, nicht aber seiner Zusammensetzung. Eine relativ unbekannte Tatsache liegt sonach vor, wenn ein nicht geringer Aufwand an Zeit (z.B. Produktanalyse) oder Mitteln (Feststellung von Marktanteilen) erforderlich ist, um endgültige Kenntnis von der fraglichen Tatsache zu erlangen5.

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Die Offenlegung des Geheimnisses muss den Eintritt eines Schadens für die Gesellschaft erwarten lassen. Dieser Schaden kann ein materieller Vermögensschaden der Gesellschaft im Sinne von §§ 249, 252 BGB sein, ist aber keineswegs darauf beschränkt: Jeder immaterielle Schaden, insbesondere jede Minderung des Ansehens der Gesellschaft und jeder Vertrauensverlust in sie, ist in diesem Sinne ein Schaden

1 Seit BGH v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 327 unstreitig; vgl. auch Lutter, BB 1980, 291, 292. 2 Zum Verhältnis zwischen Geheimnisbegriff und Insiderinformation siehe unten Rn. 290 ff. 3 Spindler, MünchKomm. AktG, § 93 Rn. 100; G. Hueck, RdA 1975, 35, 38; Hengeler in FS Schilling, 1973, S. 175, 176 ff.; Raiser, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 126; ausführlich v. Stebut, Geheimnisschutz und Verschwiegenheitspflicht, S. 12 ff. 4 v. Stebut, Geheimnisschutz und Verschwiegenheitspflicht, S. 7 ff.; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 414. 5 v. Stebut, Geheimnisschutz und Verschwiegenheitspflicht, S. 9 ff.

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Verschwiegenheitspflicht des Aufsichtsrats

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der Gesellschaft1. Der Eintritt eines solchen Schadens bei Weitergabe der relativ unbekannten Tatsache muss auch nicht etwa gesichert sein, es genügt, wenn er nur möglich ist: Es ist also keineswegs so, dass nur derjenige das Gebot des Geheimnisschutzes verletzt, durch dessen Handlung ein konkreter Schaden entsteht. Es genügt das Risiko eines Schadenseintritts; denn die Gesellschaft soll vor eben solchen Risiken geschützt werden. Das Geheimnis im Sinne der Norm ist mithin objektiv zu verstehen, nicht etwa subjektiv danach, was der Vorstand für geheim hält oder für geheim erklärt2. Dennoch sollte die Erklärung eines verantwortlichen Vorstands über den Geheimnischarakter einer bestimmten Tatsache nicht gering geachtet werden. Der Vorstand kann die Interessen der Gesellschaft und die Gefahr eines Schadens am ehesten ermessen.

261

Ein besonderer Geheimhaltungswille des Vorstands als des Vertreters 262 der Gesellschaft ist nicht erforderlich. Dieser aber kann ausdrücklich oder stillschweigend auf den Geheimnischarakter für die AG verzichten3. Der Vorstand beseitigt den Geheimnisstatus, wenn er eine bestimmte, bislang relativ unbekannte Tatsache bekannt macht (z.B. Veräußerung eines Unternehmensteils, Stilllegung einer Produktionsstätte). Er kann aber auch Dritte und also auch Aufsichtsratsmitglieder ermächtigen, von der fraglichen Information Gebrauch zu machen (Verzicht auf den Geheimnischarakter). Und schließlich kann er stillschweigend verzichten: Hier ist die Übung in der konkreten Gesellschaft maßgebend. Werden dort die Unterlagen über die aktuelle Liquidität und die Ertragslage der Gesellschaft jedem Interessierten jederzeit überlassen, so hat der Vorstand insoweit auf den Geheimnischarakter für die Gesellschaft verzichtet; will er seine Politik insoweit künftig ändern, so muss er das deutlich machen. Die Möglichkeit des Vorstands, auf den Geheimnisstatus zu verzichten, bedeutet nicht, dass er selbst über den Umfang seiner Pflichten entscheidet; denn die Möglichkeit, auf den Geheimnischarakter einer Tatsache durch Veröffentlichung zu verzichten, ist nicht losgelöst von der Pflichtenbindung des § 93 AktG. So würde es einen Verstoß gegen § 93 AktG bedeuten, wenn der Vorstand den Geheimnisstatus 1 Spindler, MünchKomm. AktG, § 93 Rn. 100; G. Hueck, RdA 1975, 35, 38; Hengeler in FS Schilling, 1973, S. 175, 180; Raiser, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 128; v. Stebut, Geheimnisschutz und Verschwiegenheitspflicht, S. 43; Wessing/Hölters, DB 1976, 1671, 1674. 2 Ganz h.M., vgl. nur BGH v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 328 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 III, 1c, 824 f. 3 Ebenso Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 12 Rn. 14; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 25 Rn. 42.

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fallenließe, obschon dies zum Schaden der Gesellschaft wäre. Beim Verzicht des Vorstands auf den Geheimnischarakter einer Tatsache handelt es sich ansonsten um eine unternehmerische Entscheidung, ihm steht dabei somit ein breites Ermessen zu1.

3. Vertrauliche Angaben 264

Das sind bekannte Tatsachen, deren Nicht-Erörterung („schlafen lassen“) im Interesse der Gesellschaft liegt. Vertrauliche Angaben werden also durch das objektive Interesse der Gesellschaft an dieser Handhabung bestimmt2. Und dieses objektive Interesse bestimmt sich nach den gleichen Kriterien, wie sie zum Geheimnis erörtert wurden. Auch hier kann dieses objektive Interesse also nicht etwa durch Beschluss des Vorstands oder des Aufsichtsrats geschaffen oder erweitert werden. Das Interesse der Gesellschaft besteht oder es besteht nicht. Wohl aber kann der Vorstand ausdrücklich oder konkludent auf die Vertraulichkeit für die Gesellschaft verzichten und damit auch die entsprechende Pflicht für die Aufsichtsratsmitglieder beseitigen. Im Übrigen gelten die gleichen Regeln wie zum Geheimnis (oben Rn. 259 ff.)3.

4. Einzelheiten 265

Das Organ Aufsichtsrat ist nie eine Einzelperson, immer ein Gremium aus mehreren Personen. In den hier behandelten Fällen ist es stets zusammengesetzt aus Angehörigen verschiedener Gruppen (Aktionärsvertreter, Angehörige des Managements, Arbeitnehmervertreter, Gewerkschaftsfunktionäre). Dennoch ist der Aufsichtsrat und sind alle seine Mitglieder einheitlich und ohne Unterschied auf das Wohl und die Interessen des betreffenden Unternehmens verpflichtet4. Das verlangt eine offene, stetige, von Vertrauen, Überschaubarkeit und Verlässlichkeit getragene Zusammenarbeit. Magna Charta 1 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 253 = AG 1997, 377 (ARAG). 2 H.M., vgl. etwa BGH v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 329; Spindler, MünchKomm. AktG, § 93 Rn. 103; Hüffer, Komm. AktG, § 93 Rn. 7; G. Hueck, RdA 1975, 35, 38; Mertens, AG 1975, 235; Raiser, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 130; v. Stebut, Geheimnisschutz und Verschwiegenheitspflicht, S. 57 ff., 60, 64 f.; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 116 Rn. 45; Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 12 Rn. 13. 3 H.M., vgl. BGH v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 329 sowie Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 451 f. m.w.N. 4 H.M., vgl. BVerfG v. 7.11.1972 – 1 BvR 338/68, BVerfGE 34, 103, 112; BGH v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 331; ausführlich dazu Koch, Das Unternehmensinteresse als Verhaltensmaßstab der Aufsichtsratsmitglieder im mitbestimmten Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft, 1983, S. 7 ff.; kri-

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der Arbeit im Aufsichtsrat ist daher die vertrauensvolle Zusammenarbeit seiner Mitglieder1. Als Rechtsprinzip hat diese Aussage Rechtsfolgen: a) Beratungs- und Abstimmungsgeheimnis Der Aufsichtsrat soll durch Diskussion und Argumentation zu seiner Entscheidung kommen, nicht durch das simple Abzählen längst festgelegter Stimmen. Das setzt eine offene Argumentation voraus und die Bereitschaft, sich durch andere überzeugen und in seiner Meinung umstimmen zu lassen, setzt die Bereitschaft zum Irrtum voraus und zu lebendiger, ungeschützter Diskussion. All das ist ausgeschlossen, wenn Inhalt und Verlauf der Beratung und ggf. sogar Zitate nach Abschluss der Sitzung publik gemacht werden. Es ist daher unbestritten, dass das Beratungsgeheimnis im Interesse der Gesellschaft und ihrer Funktionsfähigkeit strikt zu wahren ist2. Dem entspricht auch Satz 2 von § 116 AktG, wenn er von der Verschwiegenheitspflicht über „vertrauliche Beratungen“ spricht.

266

Von diesem Beratungsgeheimnis zu trennen ist die Vertraulichkeit 267 der Stimmabgabe. Hier ist – nahezu – unumstritten, dass weder das Abstimmungsergebnis noch die Art der Abstimmung seitens eines anderen Mitglieds (ja – nein – Enthaltung) mitgeteilt werden darf3. Umstritten ist im Grunde nur, ob man die eigene Stimmabgabe („ich habe gewiss nicht für A gestimmt“) mitteilen darf. Das ist sicher unzulässig, wenn dadurch zugleich die Abstimmung der anderen offengelegt wird (Beispiel: „ich habe als einziger gegen A gestimmt“; „alle Arbeitnehmer haben gegen A gestimmt“, der dennoch gewählt wurde: Damit wird bekannt, dass alle anderen für A gestimmt haben). Aus diesem Grunde ist es ebenfalls nicht zulässig mitzuteilen, der Aufsichtsratsvorsitzende habe von seinem Zweitstimmrecht Gebrauch gemacht; denn das Abstimmungsergebnis signalisiert dann dessen Stimmabgabe4. In den wenigen dann überhaupt noch verbleibenden Fällen sollte die eigene Stimmabgabe ebenfalls vertraulich be-

1 2

3 4

tisch Großmann, Unternehmensziele im Aktienrecht, 1980, S. 87 ff., je m.w.N. Zutreffend Säcker, NJW 1986, 803, 806; vgl. außerdem Rittner in FS Hefermehl, 1976, S. 365 ff. Vgl. nur BGH v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 332 sowie Säcker, NJW 1986, 803, 806; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 116 Rn. 24; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 106; Raiser, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 131; Jäger in Nirk/Ziemons/Binnewies, Handbuch der Aktiengesellschaft, Rz. I 9.309; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 274. BGH v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 332 sowie Säcker, NJW 1986, 803, 807 m.w.N. Ebenso Säcker, NJW 1986, 803, 807 und Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 116 Rn. 24; a.A. Köstler/Schmidt, BB 1981, 88, 90 unter un-

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handelt werden1; denn ihre Offenbarung fördert den Druck von außen auf das betreffende Mitglied und, nicht minder, auf die anderen Mitglieder. Und schließlich wäre es Außenstehenden überhaupt nicht zu verdeutlichen, weshalb man in der Regel still sein muss, aber ganz ausnahmsweise einmal – dann nämlich, wenn andere Mitglieder nicht betroffen sein können – reden darf. Insofern kann es nur in extremen Konfliktsituationen geboten sein, von der Regel eiserner Verschwiegenheit abzurücken2, so z.B. um Unruhen zu vermeiden oder Gerüchten entgegenzutreten, die von erheblichem Schaden für die Gesellschaft sein können3. Voraussetzung hierfür ist weiter, dass eine Abstimmung und Koordination im Aufsichtsrat nicht mehr rechtzeitig erfolgen kann4. b) „Wahlkampf“ – Rückkoppelung zwischen Wählern und Gewählten 268

Aktionärsvertreter brauchen das Vertrauen ihrer Gruppe, Arbeitnehmervertreter müssen regelmäßig von einer großen Zahl von Mitarbeitern wiedergewählt werden. Die Positionen im Aufsichtsrat sind begehrt. Vertrauen aber setzt vertrauensbildende Maßnahmen voraus, also Gespräche und Diskussionen. Daher steht nichts entgegen, wenn Aufsichtsräte sich mit ihrer Wahlgruppe bzw. deren Repräsentanten rückkoppeln, ihre eigene Meinung über die Unternehmenspolitik formulieren und Anregungen entgegennehmen („ich halte den Export von Arbeitsplätzen für verfehlt“; „eine weitere Verschuldung des Unternehmens ist ausgeschlossen“; „man wird über die Verjüngung des Vorstands nachdenken müssen“ etc.). Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden. Allein entscheidend ist der Transport von vertraulichen Informationen aus dem Aufsichtsrat in diesem Zusammenhang („ich war immer gegen den Export von Arbeitsplätzen; jetzt wünscht der Vorstand die Zustimmung zur Gründung einer Tochtergesellschaft in Korea; ich werde mich energisch dagegen wenden“): Das ist und bleibt verboten5. Die Information des Aufsichtsrats und seiner Mitglieder hat gerade nicht den Sinn, Aktionärs- und Arbeit-

1

2 3 4 5

zutreffendem Hinweis auf BGH v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 332. Ebenso Mertens, Kölner Komm. AktG, § 116 Rn. 50; Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 12 Rn. 25; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 25 Rn. 44; a.A. Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 106; offenlassend allerdings Raiser, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 131. Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 276. Weitere Beispiele bei Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 903 ff. Arg. § 681 Satz 1 BGB; ähnlich Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 276. So auch Edenfeld/Neufang, AG 1999, 47, 52.

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nehmer-Gegenstrategien auf anderen Ebenen zu fördern und auszulösen1.

5. Einzelne typische Geheimnisse und vertrauliche Angaben a) Verbot der Weitergabe von sogenannten Kenndaten Jedes nach modernen betriebswirtschaftlichen Grundsätzen gut geführte Unternehmen verfügt über eine ganze Reihe von Kenndaten zur Kontrolle der eigenen Leistung und Stärke bzw. Schwäche. Diese reichen vom Umsatz pro Mitarbeiter oder Verkaufsfläche über die Relation zwischen Umsatz und Ertrag und dem Return on Investment bis zur Kostenstruktur, von den Gemeinkosten, den sog. overheads, bis zu den Marktanteilen. Insgesamt und in ihren Teilen bestimmen sie den Charakter der einzelnen Wirtschaftseinheit, die Stellung des Unternehmens am Markt und im Wettbewerb. Diese Daten gehören zu den wichtigsten Geheimnissen des Unternehmens: Ihre Weitergabe an Dritte aus dem Aufsichtsrat ist eine besonders grobe Verletzung der Schweigepflicht, da sie dem Wettbewerber die Grundlage für Gegenstrategien eröffnet. Wie sehr diese Daten als Geheimnis seitens der Unternehmensleitung angesehen werden, wird schon dadurch deutlich, dass sie einem potentiellen Käufer oder Fusionspartner erst nach Abschluss eines besonderen Geheimhaltungsvertrages und Unterzeichnung eines Letter of Intent übergeben werden.

269

Allerdings ist die Geheimhaltungsdauer solcher Kennzahlen zumeist 270 sehr kurz2; zum einen lassen sich diese Daten von fachkundigen Lesern aus freiwilligen Veröffentlichungen erschließen; zum anderen kann das Unternehmen verpflichtet sein, die Daten dem Anlegerpublikum offenzulegen (§ 15 Abs. 1 WpHG). Zuständig für die Veröffentlichungen ist indes nur der Vorstand, gewiss nicht der Aufsichtsrat oder seine Mitglieder3. b) Technik und Wissenschaft Aus diesem Bereich sind typische Geheimnisse die Forschungsvor- 271 haben, die Forschungsrichtungen und die Forschungsergebnisse sowie Patente, die technischen Entwicklungen und Fertigungsverfahren, Produktentwicklungen und Produktionsvorhaben4. 1 Vgl. Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 593 ff.; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 269 ff. 2 Vgl. Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 903. 3 Vgl. Spindler, MünchKomm. AktG, § 93 Rn. 102, 112; Hopt, Großkomm. AktG, § 93 Rn. 206 ff.; v. Stebut, Geheimnisschutz und Verschwiegenheitspflicht, S. 98, 100. 4 Ebenso Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 903; Raiser, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 126.

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Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat

c) Kaufmännischer Bereich 272

Im kaufmännischen Bereich sind typische Geheimnisse das geplante Marketing und die Absatzstrategie, die Kundenlisten und die Verträge mit besonderen Kunden einschließlich der schwebenden Verhandlungen, die Werbestrategie und die Werbepläne. d) Finanzieller Bereich

273

Aus dem finanziellen Bereich sind außer den oben Rn. 269 genannten Daten noch typische Geheimnisse: der cash flow, die Ertragslage einzelner Unternehmensbereiche und einzelner Tochtergesellschaften, die Kreditverträge mit Lieferanten, Kunden und Banken, der Gewinn pro Aktie. e) Planungsbereich

274

Im Planungsbereich sind außer den bereits genannten Aspekten die Investitionsplanung, die Produktplanung und die allgemeine Unternehmensplanung typische Geheimnisse, wie man überhaupt gerade diese Vorhaben besonders vertraulich behandeln muss, da hier die Gegenstrategie des Wettbewerbers sonst besonders erfolgreich verlaufen kann.

6. Ausmaß der Schweigepflicht a) Persönlicher Umfang der Schweigepflicht 275

Geheimnisse und vertrauliche Angaben sind gegenüber jedermann zu wahren, auch gegenüber dem Betriebsrat und sonstigen Betriebsangehörigen, auch gegenüber Banken und selbstverständlich auch gegenüber Aktionären1; ihre freiwillige oder gesetzlich vorgeschriebene Information (etwa § 15 WpHG) ist ausschließlich Sache des Vorstands, niemals dagegen die des Aufsichtsrats oder einzelner seiner Mitglieder. Die Pflicht zur Vertraulichkeit besteht ebenso selbstverständlich nicht gegenüber anderen Aufsichtsratsmitgliedern, wohl aber gegenüber Ersatzmitgliedern im Aufsichtsrat, die vor ihrem Einrücken in 1 So die ganz h.M., vgl. Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 465 ff. m.w.N.; unzutreffend demgegenüber die Auffassung einiger Autoren von einer nur begrenzten Verschwiegenheitspflicht (jedenfalls der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat) gegenüber Belegschaft, Betriebsrat und Gewerkschaft; etwa Naendrup, GK-MitbestG, § 25 Rn. 194 und 205; Unterhinninghofen, GewS-Komm. MitbestG, § 25 Anm. 48 sowie Köstler/ Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rn. 554 ff.; hiergegen auch Hoffmann/ Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 270 ff.; ebenso Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 12 Rn. 41 ff.; Raiser, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 132.

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den Aufsichtsrat eben keine Aufsichtsratsmitglieder sind1. Allerdings kann der Aufsichtsrat aufgrund seiner Organisationshoheit Informationen auf einen bestimmten Ausschuss beschränken2. b) Schweigepflicht und Aufsichtsrat in von der öffentlichen Hand beherrschten Unternehmen Zu Sonderfragen bei Aufsichtsräten der öffentlichen Hand vgl. unten Rn. 1421 ff. Einstweilen frei.

276

277–280

c) Schweigepflicht im Konzern Im Zusammenhang mit den Informationsrechten des Aufsichtsrats 281 und den Informationspflichten des Vorstands wurde bereits dargetan, dass „die Gesellschaft“ im Sinne von § 90 AktG in einem erweiterten Sinne als „die Gesellschaft und die mit ihr konzernverbundenen Unternehmen“ zu verstehen ist (vgl. oben Rn. 131–133). Der Aufsichtsrat ist also vom Vorstand auch über die Interna dieser Gesellschaften, mithin ggf. auch über deren Geheimnisse und vertrauliche Angelegenheiten zu informieren. Dann muss dieser erweiterten Informationslage eine entsprechende Verschwiegenheitspflicht korrespondieren3. Das entspricht auch § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG, da das Verschwiegenheitsgebot bezüglich der Tochter-Geheimnisse den eigenen Interessen und Notwendigkeiten der Obergesellschaft selbst entspricht; denn würde eine Konzerngesellschaft auf diese Weise geschädigt, so wäre das auch ein Schaden der Obergesellschaft. Aufsichtsratsmitglieder der Obergesellschaft haben über Geheimnisse der Konzerngesellschaft und deren vertrauliche Angelegenheiten daher in gleichem Umfange und nach den gleichen Regeln Stillschweigen zu üben, wie wenn es sich um Angelegenheiten unmittelbar der Obergesellschaft selbst handeln würde. Diese Regeln gelten aber auch für die Aufsichtsräte der Untergesellschaft oder die Aufsichtsräte in gleichgeordneten Unternehmen eines Gleichordnungskonzerns, soweit sie vertrauliche Informationen über die Obergesellschaft oder Schwestergesellschaft erhalten: Jeweils läge in der Verletzung fremder Geheimnisse zugleich die Gefahr des Schadens für die eigene Gesellschaft. Die Verschwiegenheitspflicht des Aufsichtsrats der Tochtergesellschaft ist indes insofern gelockert, als eine Informationsweitergabe 1 Vgl. Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 465. 2 Vgl. Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 12 Rn. 34. 3 Vgl. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 116 Rn. 48; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 921.

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von Geheimnissen und vertraulichen Angaben an den Vorstand der Obergesellschaft zulässig ist. Ähnlich wie bei §§ 394, 395 AktG wandert in diesen Fällen der Geheimnis- und Vertraulichkeitsschutz „nach oben“, geht die Verantwortung dafür auf die Organe der Obergesellschaft und deren Mitglieder über1. d) Grenzen der Vertraulichkeitspflicht – Konflikte 283

Die Wahrung der Vertraulichkeit kann einen Schaden der Gesellschaft verhindern, zugleich Grundlage eines anderen Schadens sein (z.B. Unruhe in der Belegschaft, Gefahr von spontanen Streiks etc.). Solche Konflikte sind der Rechtsordnung durchaus vertraut und können zur Einschränkung der einen Rechtspflicht führen. Kann also die Weitergabe der (vertraulichen) Information ausnahmsweise einen (anderen) ebenso wesentlichen Nachteil der Gesellschaft beseitigen oder ist die Weitergabe gar das „kleinere Übel“ zwischen zwei Nachteilen, so darf die betreffende Information weitergegeben werden2, allerdings selektiv und in dem geringsten Umfange, der notwendig ist. Darüber hinaus kann es auch für ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied, das z.B. persönlich und öffentlich angegriffen wird, unzumutbar werden, die Vertraulichkeit weiterhin zu wahren: Insoweit aber handelt es sich um äußerste Grenzen3; nicht jede kleine Unannehmlichkeit erlaubt schon die Preisgabe von Geheimnis und Vertraulichkeit. e) Die Kompetenz zur Weitergabe von Informationen

284

Über den Fragen der Vertraulichkeit und ihrer Grenzen wird gerne übersehen, dass der Aufsichtsrat reines Innenorgan ist; zuständig für die Vertretung der Gesellschaft nach außen ist allein der Vorstand, § 78 Abs. 1 AktG4. Darf also ein Geheimnis ausnahmsweise weitergegeben werden oder liegt ein solches oder eine vertrauliche Angabe überhaupt nicht (mehr) vor, so bedeutet das noch lange nicht, dass der Aufsichtsrat bzw. das einzelne Aufsichtsratsmitglied zu einer eigenen Informationspolitik für die Gesellschaft befugt ist. Das betref1 Ebenso Mertens, Kölner Komm. AktG, § 116 Rn. 39; Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 12 Rn. 40 mit dem zusätzlichen Kriterium der strikten Erforderlichkeit der Informationsweitergabe; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 33 Rn. 48. 2 BGH v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 331. 3 Nach Gaul, GmbHR 1986, 296, 299, besteht zusätzlich eine Unzumutbarkeitsregel zwischen Gesellschaftsinteresse und dem Eigeninteresse des Organmitglieds; ebenso Spindler, MünchKomm. AktG, § 93 Rn. 116; Habersack, MünchKomm. AktG, § 116 Rn. 59; Raiser, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 135; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 276; Potthoff/Trescher/ Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 919. 4 Vgl. dazu Spindler, MünchKomm. AktG, § 78 Rn. 5 ff.; Habersack, Großkomm. AktG, § 78 Rn. 1; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 78 Rn. 3 ff.

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fende Mitglied kann die fragliche Information zur Beratung mit Dritten, zu Sachgesprächen etc. benutzen, keineswegs aber eine eigene Informationspolitik für die Gesellschaft betreiben: Weitergabe von Informationen und Informationspolitik sind Elemente der Leitung der Gesellschaft und unterstehen der Zuständigkeit des Vorstands1. Nur wenn dessen Informationspolitik zum offensichtlichen Nachteil der Gesellschaft gereicht, kann der Gesamtaufsichtsrat und, wenn dieser es ablehnt, das einzelne Aufsichtsratsmitglied selbst, ausnahmsweise und nur zur Abwendung von erheblichen Nachteilen für die Gesellschaft tätig werden2.

7. Dauer der Verschwiegenheitspflicht Die Dauer der Verschwiegenheitspflicht richtet sich nach mehreren Faktoren. Sie erlischt auf jeden Fall, wenn die Tatsache vom Vorstand bekanntgemacht wurde oder von ihm deutlich gemacht wird, dass ein Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft nicht mehr gegeben ist. Sie endet nicht mit dem Ende des Amtes; soweit dann §§ 93 Abs. 1, 116 AktG nicht mehr unmittelbar anwendbar sind, kommt die nachwirkende Treupflicht aus der früheren Mitgliedschaft im Organ Aufsichtsrat zum Tragen3. So sind zur Sicherung der Verschwiegenheitspflicht frühere Aufsichtsratsmitglieder berechtigt, gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO die Aussage zu verweigern, sofern sich die Vernehmung auf Tatsachen erstrecken würde, die ihnen anvertraut sind und deren Geheimhaltung geboten ist4.

285

8. Vorgaben und verantwortliche Entscheidung jedes Aufsichtsratsmitglieds a) Bestimmte Angaben sind per se vertraulich wie etwa die Beratung 286 im Aufsichtsrat und die Abstimmung dort (oben Rn. 266 f.). Darüber hinaus spricht das Gesetz selbst in § 116 Satz 2 AktG von „vertrauli1 Ebenso Gaul, GmbHR 1986, 296, 299; Spindler, MünchKomm. AktG, § 93 Rn. 124; v. Stebut, Geheimnisschutz und Verschwiegenheitspflicht, S. 98, 100; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 116 Rn. 47. Zum umgekehrten Fall, wenn ein Aufsichtsratsmitglied zur Informationsbeschaffung mit Geschäftspartnern der AG Kontakte aufnimmt, vgl. oben Rn. 191 (Fn. 4) und OLG Zweibrücken v. 28.5.1990 – 3 W 93/80, DB 1990, 1401. 2 BGH v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 331; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 116 Rn. 47; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 276. 3 OLG Koblenz v. 5.3.1987 – 6 W 38/87, WM 1987, 480 = AG 1987, 184; Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 12 Rn. 69; Raiser, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 123; HoffmannBecking, Münchener Hdb. AG, § 33 Rn. 45 m.w.N. in Fn. 79. 4 OLG Koblenz v. 5.3.1987 – 6 W 38/87, WM 1987, 480 = AG 1987, 184; vgl. auch Mertens, Kölner Komm. AktG, § 116 Rn. 37.

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chen Berichten“ und deutet damit deren Kennzeichnung als vertraulich (im Zweifel durch den Vorstand) an. Die Begründung zum Regierungs-Entwurf des TransPuG sagt dazu: „Das Gesetz ändert nichts daran, dass die Geheimhaltungsbedürftigkeit einer Tatsache keiner subjektiven Einstufung unterliegt, sondern objektiv zu bewerten ist. Wenn allerdings die Quelle der Information (sei es der Vorstand oder der Aufsichtsrat selbst) diese ausdrücklich als vertraulich bezeichnet, so besteht jedenfalls eine Vermutung, dass ein objektives Geheimhaltungsinteresse besteht…“

287

b) Im Übrigen muss die Frage, ob ein Geheimnis oder eine vertrauliche Angabe vorliegt oder nicht, noch immer vorliegt oder nur in der Vergangenheit vorgelegen hat, ob ausnahmsweise offenbart werden darf oder strikt geheimzuhalten ist, von jedem Aufsichtsratsmitglied für sich selbst und eigenverantwortlich beantwortet werden. Sind andere Organe der Gesellschaft (insbesondere der Vorstand) oder gar die Aufsichtsratsmehrheit der Auffassung, dass die Vertraulichkeit geboten ist, so muss das betreffende Aufsichtsratsmitglied mit besonderer Sorgfalt und großem Bedacht abwägen und entscheiden1. Vor allem aber muss es sich stets vor Augen halten, dass weder der Aufsichtsrat noch erst recht das einzelne Aufsichtsratsmitglied für die Informationspolitik der betreffenden Gesellschaft zuständig ist. Ein betonter Bruch der Vertraulichkeit muss daher zuvor im Aufsichtsrat erörtert oder mindestens mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden besprochen werden, ehe das Mitglied an die Öffentlichkeit gehen darf2.

9. Sanktionen 288

Verletzt ein Aufsichtsratsmitglied die Geheimhaltungspflicht schuldhaft, so unterliegt es der Strafdrohung aus § 404 AktG. Durch das TransPuG wurde für börsennotierte Gesellschaften der Strafrahmen des § 404 AktG angehoben3. Im Übrigen kann beim Bruch von Ge1 BGH v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 328 und Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 442 ff., Rn. 697 ff. 2 Vgl. Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 527 und dort S. 307 ff. die Vorschläge für eine vom Aufsichtsrat selbst zu beschließende Richtlinie zur Wahrung der Vertraulichkeit im Aufsichtsrat. 3 Dies war von der Regierungskommission „Corporate Governance“ gefordert worden: Mit der Anhebung der Freiheitsstrafe bei unbefugter Offenbarung von Gesellschaftsgeheimnissen (Abs. 1) von einem auf zwei Jahre, bei Handeln gegen Entgelt oder in Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht von zwei auf drei Jahre, solle eine größere Abschreckungswirkung erzielt werden, da in den erfassten Fällen nur eine geringe Aufklärungswahrscheinlichkeit besteht. Eine Ausdehnung der Strafandrohung auf die unbefugte Offenlegung von vertraulichen Angaben wurde hingegen nicht nahegelegt, da es sich insofern um kein strafwürdiges Unrecht handele (Baums [Hrsg.], Bericht der Regierungskommission, Rn. 67).

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heimnis oder Vertraulichkeit durch den Vorstand namens der Gesellschaft gegen das betreffende Aufsichtsratsmitglied auf Unterlassung und ggf. auch auf Ersatz des materiellen Schadens der Gesellschaft geklagt werden1. Außerdem kann der Aufsichtsrat selbst aufgrund eines Beschlusses mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen (dem betroffenen Mitglied steht bei diesem Beschluss kein Stimmrecht zu) einen Antrag beim örtlich zuständigen Amtsgericht auf Abberufung dieses Aufsichtsratsmitglieds nach § 103 Abs. 3 AktG stellen2; vgl. dazu auch unten Rn. 930. Eine solche Abberufung setzt einen wichtigen Grund voraus; dieser liegt an sich im Bruch der Vertraulichkeit. Dennoch ist nach der Schwere des Falles zu entscheiden3; denn Grund der Regelung ist die Unzumutbarkeit der weiteren Zusammenarbeit mit dem Mitglied im Aufsichtsrat (Pflicht zu vertrauensvoller Zusammenarbeit). Im Allgemeinen ist diese Unzumutbarkeit bei einem leichten ersten Fall noch nicht gegeben; hier muss Abmahnung durch den Vorstand bzw. den Aufsichtsratsvorsitzenden erfolgen4. Anderes gilt in groben Fällen des Vertrauensbruchs; hier kann bereits beim ersten Mal die Unzumutbarkeit künftiger Zusammenarbeit mit dem betreffenden Aufsichtsratsmitglied vorliegen mit der Folge, dass es vom Amtsgericht abberufen werden muss5. Alle diese Regeln gelten für alle Aufsichtsratsmitglieder, also auch für die entsandten Mitglieder und Vertreter der Arbeitnehmer. Schließlich ist die Abwahl eines Aufsichtsratsmitglieds durch seine eigene Wahlkörperschaft selbst in den Grenzen der § 103 AktG, § 23 MitbestG möglich6.

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10. Sonderprobleme der Verschwiegenheit in börsennotierten Unternehmen Die Sonderentwicklung der börsennotierten7 Gesellschaften findet auch auf dem Feld der Verschwiegenheitspflicht ihre besondere Aus1 Näher Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 574 ff.; Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 12 Rn. 70; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 265. 2 Für die gerichtliche Abberufung nach § 103 Abs. 3 AktG i.V.m. § 145 Abs. 1 FGG ist das Amtsgericht zuständig. Daran hat auch das neue FamFG nichts geändert, §§ 375 Nr. 3, 376 FamFG, § 23a GVG. 3 Vgl. z.B. AG München v. 2.5.1985 – HRB 2212, ZIP 1985, 1139 und OLG Hamburg v. 23.1.1990 – 11 W 92/89, WM 1990, 311 = AG 1990, 218. 4 Dazu Säcker, NJW 1986, 803, 810 f. 5 LG Frankfurt v. 14.10.1986 – 3/11 T 29/85, NJW 1987, 505, 506; OLG Stuttgart v. 7.11.2006 – 8 W 388/06, AG 2007, 218. 6 Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 581. 7 Der Begriff der Börsennotierung darf hier nicht in dem engen Sinne des § 3 AktG verstanden werden, dass etwa nur die Aktien einer Gesellschaft an der Börse notiert sind; der Anwendungsbereich der insiderrechtlichen Vor-

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Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat

prägung. Diese geht in zwei Richtungen: Auf der einen Seite werden Organe von börsennotierten Gesellschaften hinsichtlich ihrer Pflicht zur Verschwiegenheit noch strenger in die Pflicht genommen1; dies besorgen die insiderrechtlichen Strafbestimmungen der §§ 13, 14 und 38 WpHG. Danach unterliegen Aufsichtsräte strengen Unterlassungspflichten, was den Umgang mit Insiderinformationen angeht (Erwerbsverbot, Weitergabeverbot von Insiderinformationen). Auf der anderen Seite fordert die kapitalmarktrechtliche Ad-hoc-Publizität (§ 15 WpHG) von börsennotierten Gesellschaften selbst ein erhöhtes Maß an Transparenz, indem bestimmte kursrelevante und für den Anleger entscheidungsrelevante Tatsachen unverzüglich veröffentlicht werden müssen. Hier sind Kollisionen mit dem gesellschaftsrechtlichen Geheimnisschutz vorprogrammiert. a) Die Konzerndimension des Insiderrechts und der Ad-hoc-Publizität 291

Die Auswirkungen des Insiderrechts sind nicht nur auf Aufsichtsräte börsennotierter Gesellschaften beschränkt2. Erfasst werden auch Aufsichtsräte einer nicht börsennotierten Obergesellschaft, die Insiderinformationen aus der börsennotierten Tochtergesellschaft erlangen. Ebenso können Aufsichtsräte einer Tochtergesellschaft, die selbst nicht börsennotiert ist, in den Besitz von Insiderinformationen kommen, die aus der börsennotierten Obergesellschaft stammen; ferner all jene, die aufgrund ihres Berufs oder ihrer Tätigkeit oder ihrer Aufgabe bestimmungsgemäß in den Besitz von Insiderinformationen im Sinne von § 13 WpHG kommen; dazu gehören alle Aufsichtsräte der Gesellschaft und des Konzerns. All diese Personen unterliegen bei Strafe (§ 38 Abs. 1 Nr. 2a und 2c WpHG) dem oben Rn. 290 bereits erwähnten Verbot der unbefugten Weitergabe von Insiderinformationen3.

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Auch die Ad-hoc-Publizität hat Auswirkungen in Konzerndimension. So kann ein Geheimnis der Obergesellschaft im Sinne von § 93 AktG durchaus zugleich ein Geheimnis der Tochtergesellschaft sein. Ist dies bei Patenten etc., die sich bilanzierungstechnisch zuordnen lassen, selten der Fall, so stellen andererseits geplante Übernahmen oder Unternehmensverkäufe, die Auswirkungen auf den gesamten Konzern haben, regelmäßig ein Geheimnis von Mutter und Tochter dar. schriften erfasst auch andere notierte Wertpapiere wie Optionen, Genussscheine oder andere Schuldverschreibungen; vgl. § 2 Abs. 1 WpHG. Daher ist auch der Fall denkbar, dass zwar die Aktien nicht börsennotiert sind, hingegen andere Papiere, die selbständig gehandelt werden. 1 Dazu eingehend Veil, ZHR 172 (2008), 239 ff. 2 Vgl. Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 12 Rn. 183. 3 Zum Ganzen vgl. Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 635 ff., 647 ff.

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Als DaimlerChrysler sich von Chrysler trennen wollte, stellte dies gewisslich ein Geheimnis sowohl von DaimlerChrysler als auch von Chrysler dar. Der Geheimnischarakter endet jedoch, wenn der geheimzuhaltende Sachverhalt im Rahmen einer Ad-hoc-Meldung öffentlich gemacht wird. b) Aufsichtsräte und Insiderrecht Das 2. Finanzmarktförderungsgesetz hat die Vorgaben der Insider- 293 richtlinie1 in den §§ 12 ff. WpHG umgesetzt. Danach unterschied das Gesetz zwischen Primärinsidern (zu denen Vorstände und Aufsichtsräte gehörten) und Sekundärinsidern. Diese Unterscheidung wurde durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) aufgehoben; sie lebt heute nur mehr fort bei der Frage nach der Strafbarkeit des § 38 WpHG (Aufsichtsräte in der Gesellschaft und im Konzern) oder der Ordnungswidrigkeit des § 39 WpHG. Heute richtet sich das Verbot der Verwendung, der Weitergabe und der Empfehlung aufgrund von Insiderinformationen (oben Rn. 290) an jedermann. Faktisch betroffen davon sind aber naturgemäß Personen, die – wie Aufsichtsräte – gerade über solche Informationen verfügen. Insiderinformationen sind nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Wertpapieren oder diese selbst beziehen und die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs von Insiderpapieren2 erheblich zu beeinflussen, §§ 12 und 13 WpHG. Mit dem Geheimnis i.S.v. § 93 AktG (oben Rn. 259 ff.) hat die Insiderinformation das Merkmal der fehlenden öffentlichen Bekanntheit gemeinsam3. Einen Unterschied hinsichtlich

1 Richtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13. 11. 1989, abgedruckt auch bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 594 ff. 2 Der Begriff des Insiderpapiers ist legaldefiniert in § 12 WpHG: Erfasst sind demnach alle Wertpapiere im Sinne von § 2 Abs. 1 WpHG, die an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen sind; einbezogen ist auch der Freiverkehr. Insiderpapiere können aber auch Wertpapiere sein, die in einem anderen EU- oder EFTA-Staat notiert sind; für Einzelheiten siehe § 12 WpHG; näher Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 506.3 und Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, Komm. WpHG, § 12 Rn. 4 ff. 3 Fraglich ist, wann eine Insiderinformation öffentlich bekannt ist. Nach h.M. reicht es hierzu aus, wenn eine sog. Bereichsöffentlichkeit hergestellt ist; dies bedeutet, dass die Tatsache den Marktteilnehmern über ein elektronisch betriebenes Informationsverbreitungssystem zur Verfügung gestellt wird (§ 5 Abs. 1 WpAIV). Denn dies führt bereits zur Aufnahme der Information in die Kursbewegung. Nicht erforderlich ist hingegen, dass das Anlegerpublikum die Information – z.B. über den Börsenticker – erfahren hat. Daraus könnte man schließen, dass der Begriff der fehlenden Öffentlichkeit bei § 93 AktG enger zu verstehen ist, weil hier nur ein enger Kreis von Personen eingeweiht ist. Nach Sinn und Zweck des Merkmals bei der Insider-

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Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat

der tatbestandlichen Voraussetzungen bildet indes das Merkmal der Kursrelevanz1. Die Unschärfe dieses Merkmals macht im Einzelfall eine exakte Abgrenzung zwischen Geheimnis und Insiderinformation schwierig. Diese ist aber auch nicht nötig; denn eine Vielzahl von Unternehmensgeheimnissen würde bei ihrer Veröffentlichung ebenfalls einen deutlichen Kursausschlag zeitigen2. 295

Insgesamt unterscheidet sich das Geheimnis durch das Erfordernis des potentiellen Schadens für die Gesellschaft bei seiner Verletzung von der Insiderinformation durch das Erfordernis einer möglichen erheblichen Kursbeeinflussung. Das aber bedeutet: der Bereich eines strikten und strafbewehrten Vertraulichkeitsgebotes für alle Aufsichtsräte börsennotierter Gesellschaften oder solcher Gesellschaften im Konzern (oben Rn. 291) wird durch das Insiderrecht deutlich erweitert. c) Befugte und unbefugte Weitergabe von Insiderinformationen

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aa) § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG verbietet die unbefugte Weitergabe von Insiderinformationen. Wann eine Weitergabe von Informationen befugt bzw. unbefugt ist, ist bislang noch nicht endgültig geklärt. Zwar besteht Einigkeit, dass das Merkmal „unbefugt“ nicht als allgemeines Verbrechensmerkmal zu verstehen, mithin also nicht bereits die bloße Weitergabe der Information tatbestandsmäßig ist3: sie muss eben unbefugt sein. Unproblematisch befugt ist daher die Weitergabe von Insiderinformationen vom Vorstand an den Aufsichtsrat und innerhalb des Aufsichtsrats, da der Vorstand den Aufsichtsrat informieren muss, der Aufsichtsrat alles wissen darf und alle Aufsichtsratsmitglieder von Rechts wegen gleich zu behandeln sind. In dieses System des AktG greift das WpHG nicht ein.

tatsache ist dieses Merkmal aber auch hier so auszulegen, dass vor der Veröffentlichung nur ein kleiner Kreis von Personen Kenntnis hat. 1 Hierbei handelt es sich um das am schwersten zu bestimmende Tatbestandsmerkmal der Insiderinformation und mithin auch der Verbote aus § 14 WpHG (oben Rn. 290) und des Gebots zur Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG; vgl. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, Komm. WpHG, § 13 Rn. 59; Feldhaus, Eignung, S. 165 ff.; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 640. 2 Zu einer verhältnismäßig großen Schnittmenge gelangt man, wenn man den Katalog potentieller Insiderinformationen mit dem Katalog möglicher Unternehmensgeheimnisse vergleicht; zum Katalog von potentiellen Insiderinformationen vgl. den Emittentenleitfaden der BaFin; zum Katalog möglicher Unternehmensgeheimnisse vgl. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 116 Rn. 44; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 408 ff. 3 H.M., vgl. etwa Assmann in Assmann/Uwe. H. Schneider, Komm. WpHG, § 14 Rn. 72; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rn. 24 f.; Götz, DB 1995, 1949, 1952.

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Verschwiegenheitspflicht des Aufsichtsrats

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bb) Unproblematisch ist weiter, dass beliebige außenstehende Dritte unbefugt sind und nicht informiert werden dürfen. Der Wortlaut des Gesetzes setzt nicht voraus, dass die Weitergabe der Information zwecks Erwerbs oder Veräußerung von Insiderpapieren erfolgt: schon die unbefugte Weitergabe als solche ist verboten.

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cc) Damit spitzt sich für das Aufsichtsratsmitglied das Problem im Umgang mit Insiderinformationen auf die Frage zu, wann der Informationsfluss an Mitarbeiter eine unbefugte Weitergabe darstellt. Macht sich ein Aufsichtsratsmitglied strafbar nach § 38 WpHG, wenn es einem Assistenten kursrelevante vertrauliche Informationen mitteilt, damit dieser ein Konzept für die nächste Aufsichtsratssitzung ausarbeitet? Macht das Aufsichtsratsmitglied unbefugt Insiderinformationen zugänglich, das den Aktenschrank im Büro offen stehen lässt, obwohl es weiß, dass die neugierige Sekretärin gerne darin herumschnuppert?

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dd) Bei dem Merkmal „unbefugt“ handelt es sich um ein tatbestands- 299 beschränkendes Merkmal. Dies folgt auch aus der europarechtlichen Vorgabe: Nach Art. 3a der Insiderrichtlinie (siehe oben Rn. 293) soll der Informationsfluss dann zulässig – also nicht unbefugt – sein, soweit er in einem normalen Rahmen in Ausübung der Tätigkeit oder der Erfüllung der Aufgaben geschieht1. So schlüssig diese Formel auf den ersten Blick erscheint, umso mehr Folgefragen wirft sie auf den zweiten Blick auf, vor allem: Was ist als „normaler Rahmen“ anzusehen? Nicht mehr vertreten wird hierzu die Ansicht2, die Weitergabe müsse zwingend erforderlich erscheinen3. Ein derart restriktives Verständnis würde zu einer zu starken Ausdehnung der Strafbarkeit führen und damit die Organisation der Aufsichtsratsarbeit durch Delegation einzelner Aufgaben in erheblichem Maße behindern und verzögern. Im Ergebnis ist darauf abzustellen, ob die Informationsweitergabe notwendig war, um dem Informanten die Ausübung von Beruf, Tätigkeit oder Aufgabe im üblichen Rahmen zu ermöglichen4. Dabei erweist es sich als vorteilhaft, Insiderinformationen als Geheimnisse im Sinne von § 93 AktG einzustufen; denn die insiderrechtliche Zulässigkeit der Informationsweitergabe folgt damit der Grenze, die bereits durch die Verschwiegenheitspflicht gezogen ist5. 1 Nahezu ebenso die Gesetzesbegründung: BT-Drucks. 12/6679, S. 47. 2 Assmann, AG 1994, 247. 3 Assmann, AG 1997, 55; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, Komm. WpHG, § 14 Rn. 74; Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1810; Götz, DB 1995, 1950. 4 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, Komm. WpHG, § 14 Rn. 74 ff.; Caspari, ZGR 1994, 530, 545; Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1809, 1810. 5 Vgl. Lutter/Krieger, DB 1995, 257 ff.; im Ergebnis ebenso Götz, DB 1995, 1949, 1952; im Übrigen ist eine Weitergabe von Insiderinformationen ge-

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Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat

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Assistenten und Sekretäre/innen des Aufsichtsrats oder seiner einzelnen Mitglieder sind Hilfskräfte und notwendige Elemente in einem arbeitsteiligen System; sie sind daher befugt1, soweit sie in die Aufsichtsratsarbeit eingeschaltet sind, allerdings auch nur insoweit. Das Gleiche gilt für Berater von Aufsichtsräten wie Rechtsanwälte, Steuerberater, Unternehmensberater, die etwa bei der Entscheidung über ein geheimes Erwerbsprojekt eingeschaltet werden. Alle diese Personen werden dann ihrerseits Insider (§ 38 Abs. 1 Nr. 2c WpHG) und unterliegen dann ihrerseits dem Erwerbs- und Weitergabeverbot aus § 14 WpHG.

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Vorgesetzte im Bereich privater Organisationen sind als solche nicht per se befugt. Das hat der EuGH in der Entscheidung Grongaard klar gesagt2. In diesem dänischen Fall hatte der Vertreter einer Gewerkschaft im Verwaltungsrat einer börsennotierten Gesellschaft Insiderinformationen, nämlich den Plan einer Fusion, an seinen Gewerkschaftsvorsitzenden weitergegeben; dieser seinerseits gab die Information an einen Mitarbeiter weiter, der sie für ein Insidergeschäft mit hohem Gewinn ausnutzte3. Das Berufungsgericht legte dem EuGH die Frage vor, ob die Weitergabe an den Gewerkschaftsvorsitzenden „unbefugt“ oder „befugt“ gewesen sei. Der EuGH lehnte es strikt ab, den Empfänger per se als befugt anzusehen, und wies das dänische Gericht an zu prüfen, ob die Weitergabe für die reguläre Gewerkschaftsarbeit erforderlich war.

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Das gilt so nicht im öffentlich-rechtlichen Bereich, soweit die Betroffenen zur Information ihrer Vorgesetzten verpflichtet sind, wie das etwa im Rahmen der §§ 394 und 395 AktG der Fall ist4. d) Sicherung der Verschwiegenheitspflicht

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Die sehr strengen Regeln führen zwangsläufig zu der Frage, wie die hier beschriebene Verschwiegenheitspflicht in der Praxis gesichert werden kann, um zu gewährleisten, dass die Grenzen der Informati-

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wisslich dann „unbefugt“, wenn das Aufsichtsratsmitglied Anlass zu der Annahme hat, dass der Empfänger der Information dieselbe für Insidergeschäfte missbraucht; in England ist eben dieser Fall ins Gesetz aufgenommen; vgl. Uwe H. Schneider/Singhof in FS Kraft, 1998, S. 587, 589 in Fn. 15 mit entsprechenden Nachweisen. Lutter/Krieger, BB 1995, 257 ff.; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, Komm. WpHG, § 14 Rn. 96 ff.; Hasselbach, NZG 2004, 1094. EuGH v. 22.11.2005 – C-384/02, NJW 2006, 133 (Knud Grongaard). Letzterer war durch die Weitergabe seinerseits zum Insider geworden und unterlag damit fraglos dem strafbewehrten Erwerbsverbot. Vgl. dazu Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, Komm. WpHG, § 14 Rn. 80; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rn. 30; sowie unten Rn. 1421 ff.

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Verschwiegenheitspflicht des Aufsichtsrats

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onsweitergabe eingehalten werden und keine Informationen aussickern (leaking out of information). Für Wertpapierdienstleistungsunternehmen obligatorisch (§ 33 Abs. 1 Nr. 3 WpHG) ist die Einrichtung einer sog. Compliance-Abteilung. Eine solche Abteilung ist aber auch für andere vom Insiderrecht betroffene Unternehmen ausgesprochen sinnvoll. Um die Einhaltung der Insiderregeln zu sichern, geschieht das vor allem durch die Organisation von Vertraulichkeitsbereichen durch sog. Chinese Walls1. Daneben organisiert die Compliance-Abteilung die Ausgabe von Vertraulichkeits-Richtlinien für die Mitarbeiter, in denen sämtliche Vorschriften und Regeln konkretisiert und durch eine Art Leitfaden anschaulich gemacht werden2. Darüber hinaus müssen alle Emittenten ein sog. Insiderverzeichnis führen über „solche Personen, die für sie tätig sind und bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen haben“ (§ 15b Abs. 1 WpHG). e) Ad-hoc-Publizität Die Ad-hoc-Publizität geht auf Schema C Nr. 5a der Börsenzulas- 304 sungsrichtlinie3 und auf Art. 7 der Insiderrichtlinie zurück; sie war zunächst in § 44a BörsG geregelt und wurde im Rahmen des 2. Finanzmarktförderungsgesetzes unter leichten Modifikationen in § 15 WpHG umgesiedelt. Nach § 15 Abs. 1 WpHG sind Emittenten von Finanzinstrumenten, die zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, verpflichtet, unverzüglich sie betreffende Insiderinformationen zu veröffentlichen, die in ihrem Tätigkeitsbereich eingetreten und nicht öffentlich bekannt sind, wenn sie im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens geeignet sind, den Börsenpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen4.

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Ziel der Ad-hoc-Publizität ist zweierlei: Zuvörderst sollen Insider- 306 geschäfte präventiv bekämpft werden, indem mögliche Insiderinformationen öffentlich gemacht werden5. Daneben soll die Ad-hoc-Pu1 Näher dazu Eisele, WM 1993, 1021, 1024 ff. 2 Vgl. dazu Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 697 ff. 3 Richtlinie 79/279/EWG des Rates vom 5. 3. 1979, abgedruckt auch bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 528 ff. 4 Für Schuldverschreibungen gilt eine Sonderregelung: Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 WpHG kommt es bei ihnen nicht auf das Kursbeeinflussungspotential an, sondern darauf, ob die Fähigkeit des Emittenten beeinträchtigt wird, seinen Verpflichtungen nachzukommen; diese Sonderregelung geht auf Anhang Schema D Nr. 4a der Börsenzulassungsrichtlinie zurück. 5 Vgl. Lutter in FS Zöllner, 1998, S. 363, 368; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, Komm. WpHG, § 15 Rn. 32.

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Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat

blizität alle Anleger möglichst gleichzeitig mit den wichtigsten entscheidungsrelevanten Informationen versorgen und auf diese Weise angemessene Preise auf dem Kapitalmarkt sichern1. 307

Seit der Neufassung des § 15 WpHG entsteht diese Publizitätspflicht an sich spätestens mit der Entscheidung des Geschäftsführungsorgans. Bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen kann aber eine Publizität der Entscheidung des Vorstands, bevor die Entscheidung des Aufsichtsrats zu dieser Frage gefallen ist, zu einer erheblichen Schwächung der Rolle des Aufsichtsrats führen, da dieser in seiner Entscheidung nach Veröffentlichung der Entscheidung des Vorstands nicht mehr frei wäre. Allerdings sieht § 15 Abs. 3 WpHG eine Befreiung von der Pflicht zur Veröffentlichung vor. Der Emittent kann demnach so lange mit der Veröffentlichung der Insiderinformationen warten, wie es der Schutz seiner berechtigten Interessen erfordert, keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist sowie die Vertraulichkeit der Insiderinformation gewährleistet ist. Eine vor der Zustimmung des Aufsichtsrats erfolgte Veröffentlichung würde die Funktionsfähigkeit der aktienrechtlichen Organaufgaben in Frage stellen2. Daher liegt in den Fällen, in denen die Zustimmung des Aufsichtsrats noch aussteht, ein Aufschub der Publizität in der Regel im berechtigten Interesse des Emittenten sowie des Anlegers3. Dies sieht auch § 6 Nr. 2 WpAIV vor. Danach kann ein besonderes Interesse immer dann vorliegen, „wenn durch das Geschäftsführungsorgan des Emittenten abgeschlossene Verträge oder andere getroffene Entscheidungen zusammen mit der Ankündigung bekannt gegeben werden müssten, dass die für die Wirksamkeit der Maßnahme erforderliche Zustimmung eines anderen Organs des Emittenten noch aussteht, und dies die sachgerechte Bewertung der Information durch das Publikum gefährden würde.“

Der Aufschub der Information ist in den Fällen, in denen die Entscheidung des Aufsichtsrats noch aussteht, daher – vorausgesetzt die Vertraulichkeit der Information ist weiterhin gewährleistet – als Ausnahme zu § 15 Abs. 1 WpHG möglich4. Die Veröffentlichung muss aber unverzüglich nach Wegfall der Ausnahmevoraussetzungen – also der Entscheidung des Aufsichtsrats – nachgeholt werden. 1 Diese Funktion ist nach der Rechtsprechung des BGH im DAT/Altana-Beschluss besonders wichtig. 2 Siehe dazu schon Lutter in FS Zöllner, S. 363, 371 f. 3 Emittentenleitfaden der BaFin, S. 46; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, Komm. WpHG, § 15 Rn. 145. 4 Emittentenleitfaden der BaFin, S. 46; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, Komm. WpHG, § 15 Rn. 145.

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Verschwiegenheitspflicht des Aufsichtsrats

§6

f) Zusammenfassung: Folgen für die Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder Will man die Folgen der Einführung der §§ 12 ff. WpHG für die Praxis 308 des Aufsichtsrats zusammenfassen, so ergibt sich: Einerseits bedeutet die Einführung eines Straftatbestandes – nämlich des Weitergabeverbotes von Insiderinformationen – eine Verschärfung der Verschwiegenheits- und Vertraulichkeitspflichten des Aufsichtsrats. Dies betrifft vor allem Informationen über das operative Geschäft, z.B. wesentliche Entwicklungen neuer Produkte, des Umsatzes, des Gewinns oder anderer Kennzahlen. Gleiches gilt für Massenkündigungen, Betriebsstilllegungen, geplante Übernahmen und Fusionen. Auf der anderen Seite bedeutet die Veröffentlichung von Insiderinfor- 309 mationen im Wege von Ad-hoc-Meldungen eine Erleichterung für das einzelne Aufsichtsratsmitglied: Ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung kann es offen und ungehemmt über die Information verfügen. Anders gewendet: Der Zeitpunkt, von dem ab die Verschwiegenheitspflicht endet, ist für das einzelne Aufsichtsratsmitglied klar erkennbar. Um eine Strafbarkeit nach den Insiderbestimmungen zu vermeiden, 310 empfiehlt es sich – insbesondere nach einer Aufsichtsratsneuwahl – die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder über den Inhalt der Insiderbestimmungen zu informieren. Dies kann entweder durch ein Rundschreiben des Aufsichtsratsvorsitzenden, eine Informationsbroschüre, die Vertraulichkeitsrichtlinien der Compliance-Abteilung oder durch einen eigenen Tagesordnungspunkt auf der ersten Aufsichtsratssitzung geschehen. Um in der laufenden Aufsichtsratspraxis Insiderfälle zu vermeiden, 311 sollte jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied insiderrelevante Unterlagen – Pläne über Unternehmenszukäufe oder den Bericht des Abschlussprüfers – für Dritte unzugänglich aufbewahren. Auch wenn die Weitergabe von Insiderinformationen an engste Mitarbeiter zwecks Vorbereitung einer Aufsichtsratssitzung notwendig wird, sollte eine Weitergabe nur in sehr engen Grenzen stattfinden. Hierfür können vom Aufsichtsrat als Orientierungshilfe bestimmte Verfahrensgrundsätze aufgestellt werden, die z.B. Hinweise auf typische Insiderinformationen enthalten1. Ebenfalls können Tatsachen – wie in der Praxis bereits üblich – in den Unterlagen als Insiderinformationen gekennzeichnet werden. Dabei sollte auch das Datum der geplanten Veröffentlichung der Information angegeben werden; auf diese Weise 1 Sog. Wertpapierdienstleistungsunternehmen – dies sind hauptsächlich Kreditinstitute – sind sogar verpflichtet, interne Kontrollmechanismen einzuführen, um Verstöße gegen Insiderbestimmungen zu verhindern; vgl. § 33 Abs. 1 Nr. 3 WpHG.

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§6

Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat

hat das einzelne Aufsichtsratsmitglied eine Orientierung, ab wann voraussichtlich der Status der Vertraulichkeit der Information aufgehoben wird; denn mit der Veröffentlichung endet auch die Möglichkeit einer strafrechtlichen Sanktionierung. In Zweifelsfällen sollte sich das einzelne Aufsichtsratsmitglied mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats in Verbindung setzen. 312

Da auch die Ausnutzung von Insiderinformationen zwecks Veräußerung oder Erwerb von Wertpapieren gemäß §§ 13, 14 WpHG strafbar ist, sollte das einzelne Aufsichtsratsmitglied Transaktionen in Insiderpapieren nur dann vornehmen, wenn anzunehmen ist, dass alle kursrelevanten Informationen öffentlich bekannt sind. Dies ist beispielsweise in den ersten Wochen nach der jährlichen Bilanzpressekonferenz, nach einer ordentlichen Hauptversammlung oder nach der Herausgabe eines Zwischenberichtes der Fall.

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Sicherer für das Aufsichtsratsmitglied ist es, Wertpapiergeschäfte auf einen unabhängigen Dritten zu übertragen, der weisungsfrei Transaktionen für Rechnung des Aufsichtsratsmitgliedes vornimmt.

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Ein wirksames Instrument zur Prävention von Insidergeschäften ist eine offene und schnelle Investor-Relation-Politik. Zu einer solchen kann auch der Aufsichtsrat im Falle eines Zustimmungserfordernisses oder einer Anhörungspflicht beitragen.

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Ein geeigneter Weg, die vertrauliche Behandlung der Insiderinformationen bis zu ihrer Veröffentlichung zu sichern, ist die Bildung von Ausschüssen. Auf diese Weise wird der Kreis derjenigen, die mit der entsprechenden Information konfrontiert werden und sie potentiell für die Weitergabe oder gar für die Ausführung von Insidergeschäften ausnutzen können, klein gehalten. Insbesondere lohnt sich die Einrichtung eines sog. Ad-hoc-Ausschusses, der mit dem Vorstand Zeitpunkt, Umfang und Art der Veröffentlichung berät1.

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Denkbar ist auch die Verkürzung der Zeit bis zur Entscheidung des Aufsichtsrats durch eine Verkürzung der Einberufungsfristen oder durch Entscheidungen im Umlaufverfahren.

1 Vgl. Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 12 Rn. 244.

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Berichts- und Informations-Ordnung für den Vorstand

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III. Berichts- und Informations-Ordnung für den Vorstand 1. Überblick Das Gesetz macht eingehende Angaben dazu, wie, worüber und in 317 welcher zeitlicher Folge der Vorstand den Aufsichtsrat über die Gesellschaft und den Konzern zu informieren hat (oben Rn. 191 ff.). Dazu gehört auch die Pflicht zum inhaltlichen Anschluss an frühere Berichte, zur gleichen systematischen Ordnung der Berichte, zum Soll-Ist-Vergleich und zur Mitteilung über das Soll-Ist der Planung (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG). Dennoch bleiben naturgemäß erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Informationsbedürfnisse des Aufsichtsrats einer Bank, einer Maschinenfabrik, eines Kaufhaus-Unternehmens oder eines Software-Unternehmens. Da der Aufsichtsrat (auch) selbst gehalten ist, für seine ausreichende Information zu sorgen (Holschuld), empfiehlt sich der Erlass einer Berichts- und Informations-Ordnung, in der die Einzelheiten der Information des Aufsichtsrats durch den Vorstand festgelegt werden. Das empfielt auch der Kodex1. Der Sache nach handelt es sich dabei um eine Geschäftsordnung des Aufsichtsrats für den Vorstand, ist für diesen also verpflichtend.

2. Einzelheiten a) Die Informations-Ordnung ist an die Vorgaben des Gesetzes gebun- 318 den. Was dort nach Zeit und Gegenstand verlangt ist, kann nicht unterschritten werden. b) Im Übrigen wird man zunächst die innere Ordnung der laufenden 319 Berichte festlegen, also nach Umsatz der einzelnen Produkte, ihrer Bruttoerträge etc., das Ganze im Soll-Ist-Vergleich mit der Planung und ggf. der vorangehenden Periode, im Übrigen je nach den besonderen Bedürfnissen dieser Gesellschaft und des Konzerns. Sodann wird man den Rhythmus der Berichterstattung bestimmen, wobei der Drei-Monats-Rhythmus des Gesetzes die Untergrenze ist. Bei großen Gesellschaften und solchen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten kann sich ein Übergang auf den Zwei-Monats-Rhythmus empfehlen. Das Gleiche gilt für den Bericht zu Liquidität und Ertrag sowie den Bericht über die speziellen Risiken der Gesellschaft und des Konzerns.

1 Ziff. 3.4 Abs. 3 lautet dazu: „Der Aufsichtsrat soll die Informations- und Berichtspflichten des Vorstands näher festlegen.“

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§6

Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat

Und schließlich wird man die Sonderberichte aufführen und in diesem Zusammenhang erneut die Besonderheiten der betreffenden Gesellschaft berücksichtigen.

IV. Vertraulichkeits-Ordnung 320

Der Aufsichtsrat kann diese Fragen – anders als bei den Fragen seiner Information – nicht eigentlich gestalten: die Dinge sind geheim oder vertraulich und dann entsprechend zu beachten oder sie sind es eben nicht: tertium non datur. Aufsichtsrat und Vorstand können also Nicht-Geheimnisse bzw. nichtvertrauliche Angaben nicht in den Rang von Geheimnissen oder Vertraulichkeiten erheben1. Wohl aber kann eine solche Vertraulichkeits-Ordnung Regeln formulieren, wie in Zweifelsfällen von den Aufsichtsratsmitgliedern verfahren werden sollte2 und – vor allem – welche Dinge unstreitig vertraulich zu behandeln sind (vgl. dazu auch oben Rn. 266 ff.) bzw. wo eine hohe Vermutung der Pflicht zur Vertraulichkeit besteht. Gerade eine solche Situation der vermuteten Vertraulichkeit deutet auch der § 116 AktG an. Erklärt demnach der Vorstand eine schriftliche Vorlage oder eine mündliche Information für vertraulich, so spricht eine Vermutung dafür, dass dies zutrifft. Das kann in einer solchen VertraulichkeitsOrdnung auch deutlich gesagt werden. Hält sich ein Aufsichtsratsmitglied dann nicht daran, so kann es sich mit Nicht-Wissen nicht entschuldigen. Das gilt insbesondere dann, wenn in einer solchen Ordnung der Vertraulichkeit für solche Fälle ein System der Beratung festgelegt ist, etwa: zunächst mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden und dann ggf. noch mit dem Gesamtaufsichtsrat.

321–330

Einstweilen frei.

1 BGH v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325 (Bayer). 2 Das Muster einer solchen vom Aufsichtsrat zu beschließenden „Richtlinie zur Wahrung der Vertraulichkeit im Aufsichtsrat“ findet sich bei Lutter, Information und Vertraulichkeit, S. 307 ff.

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§7 Bestellung und Anstellung des Vorstands und die Organisation der Vorstandstätigkeit I. Überblick Nicht weniger bedeutsam als die Überwachungsaufgabe des Auf- 331 sichtsrats ist seine Kompetenz zur Besetzung des Vorstands (§ 84 AktG). Mit dem Recht zur Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern sind ihm zwei wesentliche Instrumente vorbeugender und repressiver Überwachung verliehen. Vor allem aber nimmt er mit der Auswahl der Vorstandsmitglieder selbst wesentlichen Einfluss auf das Geschick des Unternehmens und dessen geschäftspolitischen Kurs. Rechtstechnisch gliedert sich die Aufgabe der Vorstandsbesetzung in die Bestellung (und Abberufung) einerseits sowie den Abschluss (und die Kündigung) des Anstellungsvertrages andererseits. Mit der Bestellung wird dem Vorstandsmitglied seine körperschaftsrechtliche Stellung als Organ der Gesellschaft und die damit verbundene Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht verliehen. Sie bedarf der Annahme des Bestellten. Rechtlich davon zu trennen ist der Anstellungsvertrag, der die schuldrechtlichen Individualbeziehungen (Gehalt, Urlaub usw.) zwischen Vorstandsmitglied und Gesellschaft regelt1. Ergänzt wird die Personalkompetenz des Aufsichtsrats durch sein Recht, die Vorstandstätigkeit durch Erlass einer Vorstandsgeschäftsführung zu organisieren.

II. Bestellung 1. Bestellungshoheit des (Gesamt-)Aufsichtsrats a) Alleinkompetenz des Aufsichtsrats Zur Bestellung von Vorstandsmitgliedern ist ausschließlich der Auf- 332 sichtsrat befugt2. Weder von sich aus noch aufgrund einer entsprechenden Satzungsbestimmung (§ 23 Abs. 5 AktG) können andere Or1 Näher Kort, Großkomm. AktG, § 84 Rn. 19 ff.; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 7 f.; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 2; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 12 ff.; Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 3 ff. 2 Das gilt auch in der Insolvenz der Gesellschaft; OLG Nürnberg v. 20.3.1990 – 1 U 2275/89, WM 1991, 1719 = AG 1991, 446; Seibt in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 84 Rn. 8 und 20; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 5. Zur gerichtlichen Notbestellung nach § 85 Abs. 1 AktG vgl. etwa Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 25 ff.

135

§7

Bestellung und Anstellung des Vorstands

gane oder gar Dritte eine Vorstandsbestellung vornehmen; auch der Aufsichtsrat selbst kann diese Aufgaben nicht delegieren (§ 111 Abs. 5 AktG). 333

Diese Alleinkompetenz umfasst das Recht zur selbständigen Auswahl der Vorstandsmitglieder. Der Aufsichtsrat und seine Mitglieder sind keinerlei Weisungen1, verbindlichen Vorschlagsrechten oder Zustimmungsvorbehalten unterworfen, sondern verpflichtet, eigenständig zu entscheiden. Satzungsbestimmungen, welche die Auswahlautonomie in irgendeiner Form beschneiden, sind unwirksam (§ 23 Abs. 5 AktG)2. Das Gleiche gilt für jede Art von Vereinbarung, die die Auswahlfreiheit beeinträchtigt3.

334

Der Aufsichtsrat kann die Vorstandsbestellung auch nicht von sich aus von der Zustimmung der Hauptversammlung oder anderer Stellen abhängig machen, denn er ist zu höchstpersönlicher Entscheidungsfindung verpflichtet4. Deshalb kann sich ein Aufsichtsratsmitglied auch nicht dazu verpflichten, sein Amt niederzulegen, wenn es meint, der Empfehlung eines Dritten nicht folgen zu können5.

335

Rein faktische Einflussnahmen auf Mitglieder des Aufsichtsrats (Empfehlungen u.Ä.) schließt das Gesetz nicht aus6. Hingegen ist jede Art einer Institutionalisierung von Empfehlungen u.Ä. unzulässig. Selbst ein ausdrücklich als unverbindlich bezeichnetes Vorschlagsrecht für andere Organe oder Dritte kann nicht geschaffen werden7; 1 OLG Köln v. 4.5.1987 – 2 W 27/87, AG 1988, 50. Zur Sondersituation bei Aufsichtsratsmitgliedern, die von öffentlich-rechtlichen Körperschaften entsandt oder auf deren Veranlassung gewählt sind, vgl. unten Rn. 1425 ff. 2 Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 12; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 9; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 5. 3 Vgl. etwa OLG Köln v. 4.5.1987 – 2 W 27/87, AG 1988, 50; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 15; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 9; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 5; Krieger, Personalentscheidungen, S. 12 f., 43 ff. m.w.N. 4 Hommelhoff, BB 1977, 322, 325; Krieger, Personalentscheidungen, S. 42 f. 5 H.M., z.B. Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 33 Rn. 7; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 78; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 79; Krieger, Personalentscheidungen, S. 45 f.; a.A. Tank, AG 1977, 34, 38 f.; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 31, § 31 Rn. 28. 6 H.M., vgl. nur Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 14; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 9; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 80. 7 Streitig, wie hier Hommelhoff, BB 1977, 322, 325; Kort, Großkomm. AktG, § 84 Rn. 36; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 9; Raiser, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 7; Krieger, Personalentscheidungen, S. 51 f.; a.A. Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 5; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 14; Seibt in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 84 Rn. 11.

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Bestellung

§7

das Gleiche gilt für jeden Versuch, Aufsichtsratsmitglieder zu verpflichten, vor der Entscheidung Rücksprache zu nehmen u.Ä.1. Verträge zwischen Aktionären, in welchen diese sich gegenseitig verpflichten, für die Wahl bestimmter Vorstandsmitglieder zu sorgen (allenfalls zulässig, wenn man die Verletzung solcher Vereinbarungen als sanktionslos ansieht), binden nicht2. Gleiches wird man für Verträge annehmen müssen, mit denen Aktionäre einem Dritten zusagen, für seine Wahl in den Vorstand zu sorgen3. In der Praxis erfolgt die Besetzung vakanter Vorstandspositionen un- 336 ter normalen Umständen in enger Abstimmung mit dem amtierenden Vorstand. Das ist für eine sachgerechte Auswahlentscheidung im allgemeinen auch richtig, denn der Vorstand wird vielfach selbst am besten einschätzen können, welche fachlichen und persönlichen Eigenschaften der Nachfolger mitbringen sollte4. Es dürfte deshalb in der Regel zu den Sorgfaltspflichten des Aufsichtsrats gehören, dem Vorstand Gelegenheit zu geben, seine Vorstellungen über die erforderliche Qualifikation des Nachfolgers vorzutragen, ggf. selbst geeignete Persönlichkeiten namhaft zu machen und sich zu den vom Aufsichtsrat in die engere Wahl gezogenen Bewerbern zu äußern. Umgekehrt ist es sicher richtig, dass es zu den Pflichten des Vorstands gehört, sich an der Entscheidung zu beteiligen und ihn dabei eine gewisse Mitverantwortlichkeit trifft5. Ziff. 5.1.2 Abs. 1 des Kodex empfiehlt daher zu Recht, dass der Aufsichtsrat gemeinsam mit dem Vorstand für eine langfristige Nachfolgeplanung sorgen soll. Herr des Verfahrens ist und bleibt aber der Aufsichtsrat. Der Vorstand hat keinen eigenen Anspruch gegen den Aufsichtsrat, beteiligt zu werden. Und er ist schon gar nicht berechtigt, ohne Abstimmung mit dem Aufsichtsrat auf eigene Faust geeignete Kandidaten auszusuchen, mit ihnen zu verhandeln usw.6. b) Entscheidungsvorbereitung durch Personalausschüsse Die Entscheidung über die Bestellung kann der Aufsichtsrat keinem Ausschuss übertragen (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG), er kann sich aber 1 Krieger, Personalentscheidungen, S. 52. 2 Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 15; a.A. wohl Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 9; Niewiarra, BB 1998, 1961, 1963 f. 3 Zurückhaltend auch Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 6; offener Niewiarra, BB 1998, 1961, 1963 f. 4 Näher Martens in FS Fleck, 1988, S. 191, 203; vgl. auch Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 9; Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 17. 5 So auch Martens in FS Fleck, 1988, S. 191, 202 ff., der die rechtliche Mitverantwortung des Vorstands jedoch überdehnt; Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 17. 6 A.A. anscheinend Martens in FS Fleck, 1988, S. 191, 203.

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§7

Bestellung und Anstellung des Vorstands

zur Entscheidungsvorbereitung eines Personalausschusses bedienen (§ 107 Abs. 3 Satz 1 AktG). Herkömmlicherweise bereiten Personalausschüsse die Vorstandsbestellung so weitgehend vor, dass dem Plenum schließlich nur ein einziger Vorschlag zur Beschlussfassung unterbreitet wird; die eigentliche Auswahl findet im Ausschuss statt. Stimmen in der Literatur, die dies kritisiert und sich für eine stärkere Steuerung des Auswahlprozesses durch das Plenum ausgesprochen haben1, haben sich nicht durchsetzen können; allerdings hat der Personalauschuss im Rahmen seiner allgemeinen Berichtspflicht (§ 107 Abs. 3 Satz 3 AktG; dazu näher unten Rn. 751) das Plenum über seine Arbeit informiert zu halten.

2. Entscheidungsermessen des Aufsichtsrats a) Zahl der Vorstandsmitglieder 338

Bei der Besetzung des Vorstands ist der Aufsichtsrat zunächst durch gesetzliche Vorschriften über die Mindestzahl von Vorstandsmitgliedern gebunden. Grundsätzlich genügt die Bestellung einer Person (§ 76 Abs. 2 Satz 1 AktG), Ziff. 4.2.1 des Kodex empfiehlt jedoch grundsätzlich einen mehrköpfigen Vorstand. Unter den Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 Satz 2 AktG und, wenn die Bestellung eines Arbeitsdirektors erforderlich ist (§ 13 Abs. 1 MontanMitbestG, § 13 MitbestErgG, § 33 MitbestG), muss der Vorstand aus mindestens zwei Personen bestehen. Die Satzung hat nähere Anordnungen über die Zahl der Mitglieder des Vorstands oder die Regeln, nach denen diese Zahl festgelegt wird, zu treffen (§ 23 Abs. 3 Nr. 6 AktG). Sie kann den genauen Umfang des Vorstands oder eine höhere Mindestzahl und/oder eine Höchstzahl der Vorstandsmitglieder bestimmen2. Bestimmt die Satzung die Zahl der Vorstandsmitglieder nicht genau, kann sie die Entscheidung hierüber dem Aufsichtsrat3 oder der Hauptversammlung übertragen4, jedoch keiner anderen Stelle. 1 Krieger, Personalentscheidungen, S. 58 ff.; Köstler/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rn. 608; ablehnend namentlich Mertens, ZGR 1983, 189, 193 ff.; Peltzer, WM 1982, 996, 997; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 49 ff.; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 18; Raiser, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 6. 2 OLG Köln v. 17.2.1998 – 22 U 163/97, DB 1998, 1855 f. = AG 1998, 525; Seibt in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 84 Rn. 19; Hüffer, Komm. AktG, § 23 Rn. 31; Pentz, MünchKomm. AktG, § 23 Rn. 136; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 19 Rn. 35. 3 BGH v. 17.12.2001 – II ZR 288/99, ZIP 2002, 216, 217 = AG 2002, 289; Kraft, Kölner Komm. AktG, § 23 Rn. 76; Hüffer, Komm. AktG, § 23 Rn. 31; Pentz, MünchKomm. AktG, § 23 Rn. 138; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 19 Rn. 35. 4 OLG Köln v. 17.2.1998 – 22 U 163/97, DB 1998, 1855 ff. = AG 1998, 525; Kort, Großkomm. AktG, § 76 Rn. 195; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 76 Rn. 98.

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Bestellung

§7

b) Eignungsvoraussetzungen und Ausschlussgründe Daneben hat der Aufsichtsrat bei der Vorstandsbestellung gesetzliche 339 Eignungsvoraussetzungen und Ausschlussgründe zu beachten, die zum Teil im Aktiengesetz, zum Teil in anderen Gesetzen enthalten sind. Mitglied des Vorstands kann nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein (§ 76 Abs. 3 Satz 1 AktG). Sie muss jedoch weder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, noch ihren Wohnsitz im Gebiet der Bundesrepublik haben; auch Ausländer mit Wohnsitz im Ausland können also Vorstand einer deutschen Aktiengesellschaft sein. Selbst Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für die Bundesrepublik sind im allgemeinen keine Voraussetzung für die Bestellung zum Vorstand1. Erforderlich ist jedoch, dass der Betreffende jederzeit nach Deutschland einreisen darf2. Wer einer Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt i.S. von § 1903 BGB unterliegt, kann nicht Vorstandsmitglied sein (§ 76 Abs. 3 Satz 2 AktG). Nach näherer Maßgabe von § 76 Abs. 3 Satz 3 und 4 AktG sind Personen vom Vorstandsamt ausgeschlossen, die wegen einer Insolvenzstraftat nach den §§ 283 bis 283d StGB verurteilt worden sind oder einem Berufsoder Gewerbeverbot unterliegen3. Gemäß § 105 Abs. 1 AktG sind Aufsichtsratsmitglieder vom Vorstandsamt ausgeschlossen; zur Ausnahme des § 105 Abs. 2 AktG vgl. unten Rn. 452. Weitere Personen können kraft Verfassungsrechts nicht Vorstand sein4. Beamte bedürfen zur Übernahme des Amtes einer beamtenrechtlichen Genehmigung5. Zum Problem der Vorstandsdoppelmandate im Konzern vgl. unten Rn. 477. Die Festlegung weiterer Eignungsvoraussetzungen durch die Satzung (z.B. bestimmte Ausbildung, Familienzugehörigkeit, Mindestalter usw.) wird von der zum Aktiengsetz herrschenden Meinung ebenfalls für zulässig gehalten, allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Aus-

1 Vgl. dazu näher OLG Düsseldorf v. 20.7.1977 – 3 W 147/77, DB 1977, 1840; OLG Frankfurt v. 14.3.1977 – 20 W 113/77, NJW 1977, 1595; LG Köln v. 7.10.1983 – 87 T 16/83, GmbHR 1984, 157; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 1; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 76 Rn. 109; Bartl, BB 1977, 571 ff. 2 OLG Zweibrücken v. 13.3.2001 – 3 W 15/01, NZG 2001, 857; Spindler, MünchKomm. AktG, § 76 Rn. 104; Seibt in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 76 Rn. 24; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 1; a.A. Erdmann, NZG 2002, 503, 506; Wachter, ZIP 1999, 1577, 1581. 3 Die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen wird bezweifelt von Stein, AG 1987, 165 ff.; Voerste, AG 1987, 376 f.; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 76 Rn. 106. 4 Vgl. z.B. Art. 55 Abs. 2, 66 GG und entsprechende Bestimmungen in den Landesverfassungen. 5 Vgl. z.B. §§ 65 Abs. 1, 66 Abs. 1 Nr. 1c BBG und entsprechende Bestimmungen in den Landesbeamtengesetzen.

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§7

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wahlfreiheit des Aufsichtsrats nicht aufgehoben werden dürfe1. Der Aufsichtsrat darf nach dieser Ansicht nur solche Personen zum Vorstand bestellen, die die von der Satzung verlangten Eignungsvoraussetzungen erfüllen; zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes vgl. unten Rn. 359. Für Gesellschaften, die dem Mitbestimmungsgesetz unterfallen, werden vielfach graduell strengere Anforderungen gestellt oder statutarische Eignungsvoraussetzungen ganz abgelehnt, weil andernfalls die Mitbestimmungsbefugnis der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat durch die Anteilseigner beeinträchtigt werden könne2. Tatsächlich sind satzungsmäßige Eignungsvoraussetzungen aber bereits aus aktienrechtlichen Gründen für den Aufsichtsrat nicht verbindlich. Der Aufsichtsrat hat solche Eignungsvoraussetzungen bei seiner Entscheidungsfindung zwar mit in Erwägung zu ziehen. Er darf sich aber nach pflichtgemäßem Ermessen darüber hinwegsetzen3. c) Sachgerechte Ermessensausübung 341

Der Aufsichtsrat hat sich bei der Personalauswahl vom Interesse des Unternehmens leiten zu lassen und dem Bemühen, eine für das Unternehmen bestmögliche Wahl zu treffen. Diese Aufgabe stellt an den Aufsichtsrat große Anforderungen. Es gilt nicht nur, eine allgemein besonders qualifizierte Person zu finden, sondern es muss auch untersucht werden, ob diese Person trotz ihrer allgemeinen Qualifikation für das Unternehmen in seiner konkreten Situation und in Anbetracht der konkret anstehenden Aufgaben geeignet ist. Dabei ist die Zahl guter Manager begrenzt. Dem Aufsichtsrat erwächst daraus die Verpflichtung, den Markt möglicher Führungskräfe vor allem auch im eigenen Unternehmen laufend genau zu beobachten. Künftige Vakanzen im Vorstand müssen vorbedacht, in Aussicht genommene Bewerber über einen längeren Zeitraum beobachtet, mögliche Alternativlösungen erwogen werden. Nur so kann sich der Aufsichtsrat ein zuverlässiges Urteil bilden. Die Auswahl des Vorstands erfordert also eine sorgfältige Analyse der unternehmerischen Bedürfnisse und langfristige Planung4. Dementsprechend empfiehlt Ziff. 5.1.2 Satz 2 1 Vgl. Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 5; Hüffer, Komm. AktG, § 76 Rn. 26; Seibt in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 76 Rn. 25. 2 Vgl. dazu Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 76 Rn. 116; Oetker, Großkomm. AktG, § 31 MitbestG Rn. 3; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 10 ff.; Hüffer, Komm. AktG, § 76 Rn. 26 3 Ausführlich Hommelhoff, BB 1977, 322 ff. sowie Mertens, Kölner Komm. AktG, § 76 Rn. 117; Krieger, Personalentscheidungen, S. 13 ff.; Köstler/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rn. 610; auch Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 27. 4 Lutter, AG 1979, 85, 90; ausführlich Krieger, Personalentscheidungen, S. 22 ff.; Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 4 ff.

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Bestellung

§7

des Kodex mit Recht, dass der Aufsichtsrat gemeinsam mit dem Vorstand für eine langfristige Nachfolgeplanung sorgen soll. Zur Verpflichtung des Aufsichtsrats, sich bei seiner Entscheidung mit dem amtierenden Vorstand abzustimmen, vgl. oben Rn. 336.

3. Beschlussfassung a) Allgemeine Wahlgrundsätze Jedes Aufsichtsratsmitglied ist befugt, Beschlussanträge zu stellen, über die der Aufsichtsrat abstimmen muss; daher kann auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats Wahlvorschläge machen und darüber eine Beschlussfassung verlangen1. Die Satzung kann dieses Recht nicht einschränken2. Ein entsprechendes Wahlantragsrecht anderer Organe oder Dritter besteht hingegen nicht; es kann auch nicht durch die Satzung oder auf andere Weise geschaffen werden.

342

In der mitbestimmungsfreien AG erfolgt die Wahl durch einen mit 343 der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefassten Beschluss. Es gelten dafür die allgemeinen Regeln über Beschlussfassungen des Aufsichtsrats; vgl. dazu unten Rn. 712 ff. Die Satzung kann keine höhere Mehrheit oder zusätzliche Anforderungen vorschreiben3. Sind mehrere Vorstandspositionen zu besetzen, ist für jede gesondert zu wählen; Listenwahlen sind wegen der damit verbundenen Beschränkung der Auswahlfreiheit unzulässig4. Stimmberechtigt ist jedes Aufsichtsratsmitglied, nach inzwischen wohl herrschender, wenn auch nicht überzeugender Ansicht aber nicht das selbst zur Wahl vorgeschlagene5. 1 Allgemeine Meinung, vgl. etwa Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 17; Oetker, Großkomm. AktG, § 31 MitbestG Rn. 5; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 17. 2 A.A. Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 7, die es für zulässig halten, das Antragsrecht an die Unterstützung durch ein zweites Aufsichtsratsmitglied zu binden; wie hier Krieger, Personalentscheidungen, S. 89 f. m.w.N. 3 Allg. Meinung, z.B. Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 19; Seibt in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 84 Rn. 10; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 19. 4 Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 44; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 18; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 17. 5 Für die wohl h.M. insbesondere Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/ Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 18a; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 18; Kort, Großkomm. AktG, § 84 Rn. 35; Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 9; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 20; ähnlich Seibt in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 84 Rn. 10; a.A. noch Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 50; Mertens, ZGR 1983, 189, 203 ff.;

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§7

Bestellung und Anstellung des Vorstands

b) Wahlverfahren nach § 31 MitbestG 344

Für mitbestimmte Gesellschaften schreibt § 31 MitbestG ein abgestuftes Kompromissverfahren mit drei Wahlgängen und einem zwischengeschalteten Vermittlungsverfahren vor. Damit wird vom Gesetz der Zweck verfolgt, bei der Vorstandsbestellung die Mitwirkung beider Seiten im Aufsichtsrat in besonderem Maße sicherzustellen. Das Verfahren läuft wie folgt ab:

345

Im ersten Wahlgang bedarf es zur Wahl der Mehrheit von 2/3 der Mitglieder des Aufsichtsrats (§ 31 Abs. 2 MitbestG). Die Mehrheit berechnet sich nicht nach der Zahl der abgegebenen Stimmen, sondern nach der Zahl der Mitglieder, die dem Aufsichtsrat im Zeitpunkt der Beschlussfassung angehören (Ist-Stärke)1. Eine Wahl mit dieser Mehrheit bleibt auch im weiteren Verfahrensverlauf stets möglich. Auch wenn also die im ersten Wahlgang erforderliche Mehrheit zunächst nicht erreicht wurde und bereits der Vermittlungsausschuss (unten Rn. 346 ff.) tätig ist, kann jederzeit eine Wahl mit der im ersten Wahlgang nötigen Mehrheit erfolgen.

346

Verfehlt eine Abstimmung diese Mehrheit, hat der nach § 27 Abs. 3 MitbestG gebildete, regelmäßig aus je zwei Aufsichtsratsmitgliedern beider Seiten bestehende Vermittlungsausschuss innerhalb eines Monats einen Kompromissvorschlag zu machen (§ 31 Abs. 3 Satz 1 MitbestG).

347

Dieser Kompromissversuch ist zwingend. Weder die Satzung noch der Aufsichtsrat können darauf verzichten oder die Frist verkürzen2. Allerdings kann der Ausschuss selbst das Vermittlungsverfahren vor Ablauf der Monatsfrist beenden, indem er beschließt, er sei zu einem Vermittlungsvorschlag außerstande3. Die Gegenmeinung folgert aus dem Zweck der Monatsfrist, Kompromisse zu fördern, dass man die Frist als Sperrfrist verstehen müsse, vor deren Ablauf eine Beschlussfassung mit der niedrigeren Mehrheit nach § 31 Abs. 2 Satz 3 MitbestG in keinem Fall möglich sei4; wenn der Ausschuss seine Kom-

1 2 3 4

Oetker, Großkomm. AktG, § 31 MitbestG Rn. 6; Gach, MünchKomm. AktG, § 31 MitbestG Rn. 9; Raiser, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 13; Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision, S. 230 ff., 238 ff.; Behr, AG 1984, 281, 284 ff. Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 19; Raiser, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 14. Raiser, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 16; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 20; Oetker, Großkomm. AktG, § 31 MitbestG Rn. 7. Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 22; Ulmer/Habersack in Ulmer/ Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 20; Oetker, Großkomm. AktG, § 31 MitbestG Rn. 8; Mertens, ZGR 1983, 189, 202. So noch Krieger, Personalentscheidungen, S. 102 m.w.N.; ebenso Raiser, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 16.

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Bestellung

§7

promissunfähigkeit festgestellt hat, kann die Frist ihren Zweck aber ohnehin nicht mehr erfüllen. Unabhängig von dem laufenden Vermittlungsverfahren bleibt es stets möglich, eine Wahl mit der Mehrheit des ersten Wahlgangs vorzunehmen. Die Monatsfrist beginnt, sobald eine Abstimmung die 2/3-Mehrheit nach § 31 Abs. 2 MitbestG verfehlt hat. Eine förmliche Feststellung durch den Aufsichtsratsvorsitzenden oder den Aufsichtsrat, dass der erste Wahlgang erfolglos beendet sei, ist für den Fristbeginn nicht erforderlich1.

348

Der Vermittlungsausschuss beschließt mit einfacher Mehrheit2. Ein Zweitstimmrecht in Pattsituationen steht keinem der Ausschussmitglieder zu und kann auch nicht durch Satzung oder Aufsichtsratsbeschluss geschaffen werden3. Beschlussfähig ist der Ausschuss nur bei Teilnahme aller vier Mitglieder4. Beschlussunfähigkeit des Ausschusses hindert den Ablauf der Monatsfrist nicht. Das gilt auch dann, wenn die Beschlussunfähigkeit darauf beruht, dass eines der Ausschussmitglieder fehlt5.

349

Gelangt der Ausschuss zu einem Vorschlag, kann dieser im zweiten Wahlgang gemäß § 31 Abs. 3 Satz 2 MitbestG mit der absoluten Mehrheit der Stimmen der Aufsichtsratsmitglieder gewählt werden. Für die Berechnung der Mehrheit kommt es auch hier nicht auf die abgegebenen Stimmen an, sondern auf die Stimmen aller Mitglieder, die dem

350

1 Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 18; Raiser, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 15; Krieger, Personalentscheidungen, S. 102 f.; a.A. Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 14. 2 Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 28; Gach, MünchKomm. AktG, § 31 MitbestG Rn. 13. 3 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 102/81, BGHZ 83, 144, 147 f. = AG 1982, 221; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 28; Säcker/Theisen, AG 1980, 29, 41; Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 377 m.w.N.; a.A. OLG München v. 29.4.1981 – 20 U 1464/80, DB 1981, 1077 = AG 1981, 348. 4 Raiser, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 36; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 28; Ulmer/ Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 23; Oetker, Großkomm. AktG, § 27 MitbestG Rn. 27; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 15; a.A., zwei Mitglieder ausreichend: Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 208; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 47; wohl auch Rittner in FS Fischer, 1979, S. 627, 632; drei Mitglieder ausreichend: Meilicke/Meilicke, Komm. MitbestG, §§ 30, 31 Rn. 3.2. 5 Raiser, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 16; a.A. Rittner in FS Fischer, 1979, S. 629, 630 ff., der annimmt, das Bestellungsverfahren verharre in einem solchen Fall zwingend auf der Verfahrensstufe des § 31 Abs. 2 MitbestG.

143

§7

Bestellung und Anstellung des Vorstands

Aufsichtsrat zum Zeitpunkt der Beschlussfassung angehören (Ist-Stärke). Zugleich mit dem Vorschlag des Ausschusses können dem Plenum andere Beschlussvorschläge unterbreitet werden, für welche dann ebenfalls die absolute Mehrheit genügt. Gelangt der Ausschuss zu keinem Vorschlag, kann nach Ablauf der Monatsfrist auch allein über andere Anträge mit absoluter Mehrheit beschlossen werden1. 351

Liegt nach Ablauf der Monatsfrist weder ein Vorschlag des Ausschusses noch ein sonstiger Vorschlag vor, kann der Aufsichtsrat mit Zustimmung sämtlicher Mitglieder das Verfahren abbrechen, um es später erneut zu beginnen2. Das muss aber nicht geschehen, sondern es bleibt eine Wahl mit der Mehrheit des zweiten Wahlgangs auch für später benannte Bewerber möglich3.

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Führt auch die Abstimmung im zweiten Wahlgang nach § 31 Abs. 3 MitbestG zu keinem positiven Ergebnis, schließt sich der dritte Wahlgang nach § 31 Abs. 4 MitbestG an: Bei einer weiteren Abstimmung bedarf es nach wie vor der absoluten Mehrheit der Ist-Stärke des Aufsichtsrats, dem Vorsitzenden steht jedoch eine Zweitstimme zu. Auch in diesem Verfahrensstadium ist es wiederum zulässig, neue Vorschläge zu unterbreiten4.

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Der Aufsichtsrat muss keinen dritten Wahlgang durchführen, sondern kann mit Zustimmung aller Mitglieder das Verfahren abbrechen, um es später neu zu beginnen5. Geschieht das nicht, kann über neue Vorschläge jedes Aufsichtsratsmitglied eine Abstimmung verlangen6. Ob über die alten Anträge erneut abgestimmt wird, entscheidet hingegen 1 Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 18; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 21; Oetker, Großkomm. AktG, § 31 MitbestG Rn. 8 f. 2 Raiser, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 18; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 18. 3 Krieger, Personalentscheidungen, S. 107 f.; Raiser, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 16; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 31 MitbestG Rn. 7; a.A. Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 18, ohne jedoch zu sagen, wie lange sie im 2. Wahlgang die Einbringung neuer Vorschläge zulassen wollen. 4 Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 19; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 18; Gach, MünchKomm. AktG, § 31 MitbestG Rn. 17; a.A. Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 298 ff. 5 Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 18; Raiser, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 18; großzügiger Gach, MünchKomm. AktG, § 31 MitbestG Rn. 17, der einen Mehrheitsbeschluss über den Abbruch des Bestellungsverfahrens zulässt. 6 Krieger, Personalentscheidungen, S. 109; Raiser, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 18; a.A. Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestim-

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der Aufsichtsratsvorsitzende, mit Mehrheitsbeschluss des Aufsichtsrats kann jedoch eine erneute Abstimmung angeordnet werden1. Kommt es zu einer Abstimmung im dritten Wahlgang, hat der Auf- 354 sichtsratsvorsitzende zwei Stimmen. Die Zweitstimme dient der Überwindung von Pattsituationen. Der Aufsichtsratsvorsitzende kann sie deshalb nicht abgeben, um mit ihr eine Stimmengleichheit erst herbeizuführen2. Sind z.B. 10 Stimmen für einen Kandidaten abgegeben worden und 9 Stimmen gegen ihn, so ist der Betreffende gewählt; der Aufsichtsratsvorsitzende kann die Wahl nicht dadurch verhindern, dass er mit der Zweitstimme gegen den Bewerber stimmt und damit Stimmengleichheit herbeiführt. Der Aufsichtsratsvorsitzende ist weder verpflichtet, die Zweitstimme überhaupt abzugeben3, noch trifft ihn die Pflicht zu gleichzeitiger4 oder einheitlicher5 Abgabe seiner beiden Stimmen. Er kann vielmehr auf den Einsatz der Zweit-

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mungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 24; Gach, MünchKomm. AktG, § 31 MitbestG Rn. 19; Oetker, Großkomm. AktG, § 31 MitbestG Rn. 15, die bei Erfolglosigkeit des 3. Wahlgangs einen Neubeginn des Verfahrens fordern, ohne jedoch zu sagen, wie lange sie für den 3. Wahlgang die Einbringung von neuen Vorschlägen als zulässig ansehen wollen. Ebenso Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 29 MitbestG Rn. 13; Oetker, Großkomm. AktG, § 31 MitbestG Rn. 9; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 29 MitbestG Rn. 13; Krieger, Personalentscheidungen, S. 109 ff.; a.A. etwa Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 210, die auch insoweit jedem Aufsichtsratsmitglied ein Antragsrecht zubilligen. Umstr., wie hier z.B. Raiser, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 17; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 20; Krieger, Personalentscheidungen, S. 113 ff.; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 286 f., alle m.w.N.; a.A. z.B. Hoffmann/Lehmann/ Weinmann, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 23; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 22; Oetker, Großkomm. AktG, § 31 MitbestG Rn. 13; Gach, MünchKomm. AktG, § 31 MitbestG Rn. 18; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 31 MitbestG Rn. 8. Raiser, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 18; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 19; Ulmer/ Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 23; a.A. Luther, ZGR 1977, 306, 310. Str., a.A. z.B. Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 19; wie hier z.B. Krieger, Personalentscheidungen, S. 112; wohl auch Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 29 Rn. 30; noch enger Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 287 f., der eine gleichzeitige Abgabe der Zweitstimme mit der Erststimme sogar für unzulässig hält. Raiser, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 18; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 29 MitbestG Rn. 17; Gach, MünchKomm. AktG, § 31 MitbestG Rn. 18; Ulmer/Habersack in Ulmer/ Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 23; a.A. Luther, ZGR 1977, 306, 310; Säcker, Anpassung von Satzungen und Geschäftsordnungen an das Mitbestimmungsgesetz 1976, 1977, S. 24 Fn. 42 m.w.N.

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stimme verzichten, wenn er das für richtig hält, er kann sie gleichzeitig mit der Erststimme abgeben, kann aber auch erst einmal abwarten, welches Stimmergebnis ohne die Zweitstimme erreicht wird, und er kann mit der Zweitstimme für Ja stimmen, wenn er mit der Erststimme für Nein gestimmt hat (und umgekehrt). Die Zweitstimme kann schriftlich abgegeben werden (§ 31 Abs. 4 Satz 2 MitbestG, § 108 Abs. 3 AktG). Sie steht nur dem Aufsichtsratsvorsitzenden persönlich zu, nicht seinem Stellvertreter (§ 31 Abs. 4 Satz 3 MitbestG).

4. Fragen der Amtszeit a) Dauer der Bestellung 355

Vorstandsmitglieder können höchstens auf 5 Jahre bestellt werden (§ 84 Abs. 1 Satz 1 AktG). Spätestens nach Ablauf dieser Zeit soll der Aufsichtsrat erneut in freier Entschließung über die weitere Besetzung des Vorstands befinden. Die 5-Jahres-Frist beginnt mit der Amtszeit, nicht mit dem Bestellungsbeschluss; dieser kann schon früher gefasst werden, vgl. unten Rn. 358. Eine auf längere Zeit bemessene Bestellung wird nach Ablauf von 5 Jahren unwirksam, ist bis dahin aber wirksam (§§ 134, 139 BGB)1. Eine auf unbestimmte Zeit bemessene Vorstandsbestellung ist in aller Regel als Bestellung auf die übliche Amtszeit von 5 Jahren auszulegen2.

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Die Bemessung der Amtszeit im Einzelfall liegt bis zu der gesetzlichen Höchstdauer im Ermessen des Aufsichtsrats. Wie für die Personalauswahl selbst ist er auch für die Festlegung der Amtszeit zwingend allein zuständig3; anders als bei der SE (vgl. Art. 46 SE-VO) kann auch die Satzung die Amtszeit der Vorstandsmitglieder nicht zwingend regeln. Eine Mindestdauer der Bestellung sieht das Gesetz nicht vor. Da der Vorstand die Gesellschaft unabhängig und eigenverantwortlich leiten soll, darf er aber nicht durch zu kurzfristige Bestellungen in seiner Unabhängigkeit gefährdet werden4. In der Praxis sind 1 BGH v. 11.7.1953 – II ZR 126/52, BGHZ 10, 187, 195; BGH v. 16.11.1961 – II ZR 81/60, WM 1962, 109, 112; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 38; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 30; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 13. 2 Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 38; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 16; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 7; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 30. Vgl. im Übrigen zur Frage, ob eine Bestellung auf unbestimmte Zeit möglich ist, näher Krieger, Personalentscheidungen, S. 121. 3 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 17; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 38; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 30; Krieger, Personalentscheidungen, S. 117 f. m.w.N.; a.A. Luther in FS Hengeler, 1972, S. 167, 180. 4 Kort, Großkomm. AktG, § 84 Rn. 65; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 20; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 7; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 31.

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Vorstandsbestellungen auf weniger als 5 Jahre eher die Ausnahme. Diese praktisch vernünftig bemessene Amtszeit sollte man auch als die für eine eigenverantwortliche und unabhängige Unternehmensleitung rechtlich erforderliche Regeldauer verstehen. Von ihr kann im Einzelfall zwar abgewichen werden, je weiter der Aufsichtsrat sich von ihr aber entfernt, um so mehr bedarf es der sachlichen Rechtfertigung1. Eine kürzere Amtsdauer kann bei Erstbestellungen sachgerecht sein; dementsprechend regt Ziff. 5.1.2 Satz 4 des Kodex mit Recht an, dass bei Erstbestellungen eine Bestelldauer von fünf Jahren nicht die Regel sein sollte2. Daneben finden sich kürzere Bestellungsperioden vornehmlich bei einer letztmaligen Bestellung vor Eintritt in den Ruhestand. Eine Bestellung auf weniger als ein Jahr ist, außer in bloßen Überbrückungsfällen, in aller Regel unzulässig3. Eine zu kurze Bestellung stellt eine Pflichtwidrigkeit des Aufsichtsrats dar, sie ist jedoch wirksam und verlängert sich auch nicht auf einen angemessenen Zeitraum4. b) Verlängerung der Amtszeit Für eine Verlängerung der Amtszeit oder die Wiederbestellung eines 357 Vorstandsmitglieds nach Ablauf seiner Amtsperiode gelten die gleichen Grundsätze wie für die erstmalige Bestellung. Erforderlich ist eine ausdrückliche Beschlussfassung (§ 84 Abs. 1 Satz 3 und 4 AktG), die dem Aufsichtsratsplenum vorbehalten ist (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG) und in mitbestimmten Gesellschaften den Anforderungen des § 31 MitbestG unterliegt. Der Aufsichtsrat ist in seiner Entscheidung ebenso frei wie bei einer erstmaligen Bestellung. Er kann sich grundsätzlich nicht zu einer Wiederbestellung verpflichten5; auch Verträge, durch die Aktionäre einem Vorstandsmitglied zusagen, für seine Wiederbestellung zu sorgen, binden nicht6. Nur wenn die ursprüngliche Bestellungsdauer unter 5 Jahren lag, kann der Aufsichtsrat eine Verpflichtung zu einer späteren Verlängerung der Bestellung bis zu einer

1 Krieger, Personalentscheidungen, S. 118 ff.; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 139. 2 Für eine dreijährige Höchstfrist bei Erstbestellungen Fleischer in Spindler/ Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 14; Fleischer, AG 2006, 429, 436. 3 Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 37; Kort, Großkomm. AktG, § 84 Rn. 66; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 20. 4 Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 37; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 20; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 7. 5 Allgemeine Meinung, vgl. BGH v. 11.7.1951 – II ZR 118/50, BGHZ 3, 90, 93 f.; BGH v. 11.7.1953 – II ZR 126/52, BGHZ 10, 187, 195; BGH v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, BGHZ 41, 282, 290; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 45; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 19. 6 Vgl. schon oben Rn. 335. Zurückhaltend auch Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 6; offener Niewiarra, BB 1998, 1961, 1963 f.

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Gesamtamtszeit von 5 Jahren übernehmen1. Eine automatische Verlängerung der Amtszeit ohne erneute Beschlussfassung des Aufsichtsrats kann vorgesehen werden, sofern dadurch die Gesamtamtszeit nicht mehr als 5 Jahre beträgt (§ 84 Abs. 1 Satz 4 AktG). c) Zeitpunkt der (Wieder-)Bestellung 358

Eine Verlängerung der Amtszeit kann frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit beschlossen werden (§ 84 Abs. 1 Satz 3 AktG). Das gilt aber nur für Verlängerungen über die 5-Jahres-Grenze hinaus. Hingegen verbietet § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG es nicht, die Amtszeit auch früher als ein Jahr vor ihrem Ablauf wieder auf bis zu 5 Jahre aufzufüllen2. In der Praxis wählt man dazu in aller Regel den Weg, die laufende Bestellung einvernehmlich aufzuheben und eine Wiederbestellung auf bis zu 5 Jahre vorzunehmen; technisch ist es aber auch möglich, die laufende Amtszeit auf bis zu 5 Jahre zu verlängern. Die in jüngerer Zeit gegen die generelle Zulässigkeit dieses Verfahrens erhobenen Bedenken, überdehnen den Schutzzweck des § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG und werden den Bedürfnissen der Praxis nicht gerecht. Richtig ist aber, dass eine vorzeitige Verlängerung der Amtszeit nicht zur Regel werden darf, sondern die Ausnahme bleiben muss. Ziff. 5.1.2 Satz 5 des Kodex empfiehlt, den geschilderten Weg nur bei Vorliegen besonderer Umstände zu beschreiten. Tatsächlich wird man darin mehr als eine bloße Empfehlung sehen müssen. Die Sorgfaltspflicht des Aufsichtsrats erlaubt eine vorzeitige Verlängerung nur ausnahmsweise, wenn hierfür im Einzelfall ein besonderer Anlass besteht. Sie kommt etwa in Verbindung mit einer Ernennung zum Vorstandsvorsitzenden oder der Zuweisung eines neuen Ressorts in Betracht, es sind aber auch sonstige Umstände denkbar, die ein besonderes Interesse der Gesellschaft darin begründen, das Vorstandsmitglied vorzeitig noch einmal für die volle Amtsperiode von fünf Jahren an sich zu binden. Ohne besonderen Anlass verletzt der Aufsichtsrat seine Pflichten, wenn er sich vorzeitig bindet und seine personalpolitische Flexibilität aufgibt. Entsprechend § 84 Abs. 1 Satz 3

1 Arg. § 84 Abs. 1 Satz 4 AktG; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 46; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 33; a.A. anscheinend Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 19. 2 Ausführlich Willemer, AG 1977, 130 ff.; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 32; Seibt in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 84 Rn. 16; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 19; Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 50; Bauer/ Arnold, DB 2006, 260; Hölters/Weber, AG 2005, 629; ablehnend Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 18; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 44; Kort, Großkomm. AktG, § 84 Rn. 114; Götz, AG 2002, 305; zweifelnd Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 7; sehr eng auch Semler, MünchKomm. AktG, 2. Aufl., § 116 Rn. 312 (wichtiger Grund erforderlich).

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AktG können auch Neubestellungen nicht früher als 1 Jahr vor Amtsbeginn erfolgen1.

5. Mängel der Bestellung Die Vorstandsbestellung ist nichtig, wenn der zugrundeliegende Auf- 359 sichtsratsbeschluss wegen Mängel seines Zustandekommens nichtig ist (vgl. dazu unten Rn. 734 ff.). Sie ist ferner nichtig, wenn gesetzliche Eignungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind; fallen sie später weg, erlischt das Vorstandsamt automatisch2. Das Fehlen oder der Wegfall einer satzungsmäßigen Eignungsvoraussetzung soll das Recht begründen, die Bestellung aus wichtigem Grund zu widerrufen3. Dem ist in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen. Da satzungsmäßige Eignungsvoraussetzungen für den Aufsichtsrat nur eine unverbindliche Auswahlrichtlinie sind (vgl. oben Rn. 340), kommt es ganz auf den Einzelfall an, ob ihr Fehlen ein solches Gewicht hat, dass darin ein wichtiger Widerrufsgrund liegt4. Soweit die Vorstandsbestellung nichtig ist, kann dieser Mangel nur 360 mit Wirkung für die Zukunft geltend gemacht werden. Für die Vergangenheit ist die fehlerhafte Organstellung als wirksam anzusehen5. Die faktische Organstellung endet ohne weiteres, sobald die Unwirksamkeit der Bestellung durch Abberufungsbeschluss oder Amtsniederlegung geltend gemacht wird6. Der Aufsichtsrat ist in aller Regel gehalten, die fehlerhafte Vorstandsbestellung unverzüglich zu beenden, sei es durch Abberufung, sei es durch Behebung des Mangels. Der Widerrufsbeschluss kann nicht einem Ausschuss überlassen wer1 Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 42; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 33; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 15; Krieger, Personalentscheidungen, S. 127 f.; a.A. Kort, Großkomm. AktG, § 84 Rn. 111; Frels, AG 1967, 227. 2 BayObLG v. 16.7.1982 – BReg. 3 Z 74/82, BB 1982, 1508; Hüffer, Komm. AktG, § 76 Rn. 27; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 76 Rn. 115; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 8. 3 Kort, Großkomm. AktG, § 76 Rn. 226; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 30; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 44; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 9; Beiner, Vorstandsvertrag, Rn. 72. 4 Ähnlich Mertens, Kölner Komm. AktG, § 76 Rn. 118. 5 Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 153 ff.; Stein, Das faktische Organ, 1984 S. 97 ff., 119 ff.; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 226 ff.; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 29 ff.; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 10; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 34 ff. 6 Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 204 ff.; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 233; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 29; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 10; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 36; a.A. Stein, Das faktische Organ, 1984 S. 136 ff., die eine automatische Beendigung mit Kenntniserlangung vom Mangel annimmt.

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den, bedarf jedoch nicht des Verfahrens nach § 31 Abs. 2–4 MitbestG1.

6. Beendigung der Bestellung a) Allgemeines 361

Der Aufsichtsrat kann die Bestellung zum Vorstandsmitglied vor Ablauf der regulären Amtszeit widerrufen, sofern dafür ein wichtiger Grund vorliegt (Abberufung). Daneben bestehen die für die Praxis wichtigen, gesetzlich jedoch nicht geregelten Möglichkeiten der einvernehmlichen Beendigung des Vorstandsamtes, der Amtsniederlegung durch das Vorstandsmitglied und der vorübergehenden Suspendierung.

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Die Organstellung des Vorstandsmitglieds findet mit der Abberufung ihr Ende; Vertretungsmacht sowie Geschäftsführungsrecht und -pflicht erlöschen. Das Schicksal des Anstellungsvertrags bestimmt sich nach den allgemeinen Vorschriften (§ 84 Abs. 3 Satz 5 AktG); vgl. dazu unten Rn. 407 ff.

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Ebenso wie das Bestellungsrecht steht auch das Abberufungsrecht ausschließlich dem Aufsichtsrat zu. Es kann weder ausgeschlossen noch in irgendeiner Form (Weisungsrechte, Zustimmungsvorbehalte u.Ä.) beschränkt werden2. b) Voraussetzungen des Widerrufs

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Der Widerruf der Bestellung erfordert das Vorliegen eines wichtigen Grundes (§ 84 Abs. 3 Satz 1 AktG). Ein solcher ist gegeben, wenn der Gesellschaft auf Grund bestimmter Umstände die Beibehaltung des Vorstandsmitglieds nicht mehr zugemutet werden kann3; näher unten Rn. 365. Weder durch Satzung noch durch Vereinbarung mit dem Vorstandsmitglied kann eine Abberufung ohne wichtigen Grund zugelassen oder ein objektiv nicht ausreichender Tatbestand zum wich-

1 Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 233; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 30. 2 Vgl. BGH v. 28.1.1953 – II ZR 265/51, BGHZ 8, 348, 360 f.; BGH v. 11.7.1953 – II ZR 230/54, WM 1955, 1222; OLG Köln v. 4.5.1987 – 2 W 27/87, NJW-RR 1988, 254, 255 = AG 1988, 50; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 105; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 93 und 115. 3 BGH v. 23.10.2006 – II ZR 298/05, DStR 2007, 262 = AG 2007, 125; OLG Stuttgart v. 13.3.2002 – 20 U 59/01, AG 2003, 211, 212; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 116; Seibt in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 84 Rn. 49; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 26; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 43.

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tigen Grund erhoben werden1. Mit der Widerrufsvoraussetzung des wichtigen Grundes schützt das Gesetz die Unabhängigkeit des Vorstands. Seine Mitglieder können ihres Amtes nicht nach Belieben enthoben werden, sondern nur dann, wenn sich ihre weitere Tätigkeit für die Interessen der Gesellschaft als unzumutbar darstellt. § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG nennt als wichtige Gründe beispielhaft grobe 365 Pflichtverletzungen (z.B. unsorgfältige Geschäftsführung; Kartellverstöße; Korruptionsdelikte; Verletzung der Berichtspflicht) und Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung (z.B. längere Verhinderung; mangelnde Qualifikation), lässt aber Raum auch für eine Abberufung aus anderen Gründen, sofern nur die weitere Tätigkeit des Betroffenen nicht länger hingenommen werden kann2. Deshalb können auch unüberbrückbare Differenzen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat über grundsätzliche Fragen der Unternehmenspolitik die Abberufung rechtfertigen3. Letztlich kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an: Geht die reguläre Amtszeit ohnehin bald zu Ende, kann der Gesellschaft ein Abwarten unter Umständen eher zugemutet werden als im umgekehrten Fall4, sind minderschwere Maßnahmen (z.B. Umverteilung der Geschäfte) möglich und zumutbar, hat der Aufsichtsrat sich darauf zu beschränken. An den wichtigen Grund zur Abberufung (§ 84 Abs. 3 AktG) sind geringere Anforderungen zu stellen als an den wichtigen Grund zur Kündigung des Anstellungsvertrags (§ 626 BGB); vgl. näher unten Rn. 414. Überdies kommt es für die Abbefufung ausschließlich auf die Interessen der Gesellschaft an; die Individualinteressen des Vorstands sind bei der Frage zu prüfen, ob ein wichtiger Grund für die Kündigung des Anstellungsvertrages vorliegt, nicht jedoch bei der Frage seiner Abberufung aus der Organstellung5. 1 Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 113 f.; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 115; Seibt in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 84 Rn. 48. 2 Umfangreiche Beispiele aus Rechtsprechung und Literatur bei Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 46 ff.; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 28; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 119 ff. 3 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 103; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 48; Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 290. 4 BGH v. 7.6.1962 – II ZR 131/61, WM 1962, 811, 812; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 116; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 99. 5 Streitig, wie hier Krieger, Personalentscheidungen, S. 132; Säcker in FS Müller, 1981, S. 745, 746 ff.; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 44; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 101; Seibt in K. Schmidt/ Lutter, Komm. AktG, § 84 Rn. 49; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 117; a.A. die wohl (noch) h.M., vgl. etwa BGH v. 7.6.1962 – II ZR 131/61, WM 1962, 811, 812; OLG Stuttgart v. 13.3.2002 – 20 U 59/01, AG 2003, 211, 212; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 103; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 26; Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Auf-

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Erleichtert wird der Widerruf der Bestellung, wenn die Hauptversammlung einem Vorstandsmitglied das Vertrauen entzieht. Ein solcher Vertrauensentzug berechtigt ohne weiteres zur Abberufung, einer zusätzlichen Begründung bedarf es daneben nicht mehr1. Etwas anderes gilt nur, wenn sich der Vertrauensentzug auf offenbar unsachliche Gründe stützt (§ 84 Abs. 3 Satz 2 AktG). Das ist etwa anzunehmen, wenn der Vertrauensentzug nur als Vorwand für eine Abberufung dient, etwa um bereits verwirkte Abberufungsgründe wieder zur Geltung zu bringen, oder wenn es um willkürliche, völlig haltlose Vorwürfe geht2. Der Vertrauensentzug muss durch die Hauptversammlung beschlossen werden. Ein Vertrauensentzug durch den Aufsichtsrat reicht nicht3, ebensowenig soll es genügen, wenn sämtliche Aktionäre außerhalb einer förmlichen Hauptversammlung den Vertrauensentzug erklären4. Die bloße Verweigerung der Entlastung genügt ebenfalls nicht5.

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All dies gilt auch in mitbestimmten Gesellschaften. Auch in mitbestimmten Gesellschaften bedarf der Vorstand des Vertrauens der Aktionäre nicht weniger als sonst; das MitbestG gibt allerdings Anlass zu der Frage, ob und inwieweit er nicht auch des Vertrauens der Arbeitnehmer bedarf und ob Vertrauensverluste auf ihrer Seite im Einzelfall ebenfalls eine Abberufung rechtfertigen können6.

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sichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 288; Janzen, NZG 2003, 468, 470; Grumann/ Gillmann, DB 2003, 770, 771. Österreichischer OGH v. 28.4.1998 – 1 Ob 294/97k, AG 1999, 140; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 29; Seibt in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 84 Rn. 50. Vgl. etwa BGH v. 28.4.1954 – II ZR 211/53, BGHZ 13, 188, 193; BGH v. 3.7.1975 – II ZR 35/73, WM 1975, 787, 789; KG v. 3.12.2002 – 1 W 363/02, ZIP 2003, 1042, 1046 f. = AG 2003, 500; LG Darmstadt v. 4.2.1987 – 9 O 339/86, AG 1987, 318, 320. Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 50; a.A. OLG München v. 17.9.1985 – 7 W 1933/85, AG 1986, 234, 235, dessen Meinung das Erfordernis des wichtigen Grundes völlig leerlaufen lässt. BGH v. 7.6.1962 – II ZR 131/61, WM 1962, 811; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 30; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 50; Seibt in K. Schmidt/ Lutter, Komm. AktG, § 84 Rn. 51. LG München v. 28.7.2005 – 5 HK O 10 485/04, AG 2005, 701, 702; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 127; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 30; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 109; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 50. Vgl. dazu Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 118; Raiser, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 39; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/ Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 31; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 47; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 108; Krieger, Personalentscheidungen, S. 135 ff.

152

Bestellung

§7

c) Ausübung des Widerrufsrechts Bei der Ausübung der Widerrufsrechte steht der Aufsichtsrat zumeist 368 unter Zeitdruck. Zwar ist der Bestellungswiderruf nicht fristgebunden, aber für eine außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrags gilt die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB (näher unten Rn. 416 ff.). Wird diese verpasst, mag die Abberufung zwar wirksam sein, aber wenn der Vertrag kein ordentliches Kündigungsrecht vorsieht und keine Koppelungsklausel enthält (dazu unten Rn. 408, 420), besteht der Anstellungsvertrag fort, und der Aufsichtsrat ist hierfür eventuell sogar haftbar. Liegt ein wichtiger Grund zum Widerruf der Bestellung vor, ist der Aufsichtsrat in der Regel zur Abberufung verpflichtet. Allerdings ist ihm ein gewisser Ermessensspielraum zuzubilligen1. Das gilt vor allem bei einem Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung: hier kann es im Einzelfall – nach sorgfältiger Abwägung – gerechtfertigt sein, trotz des Vertrauensverlustes zum Schutze höherwertiger Interessen des Unternehmens auf die Abberufung zu verzichten2. Im Übrigen kann es Ausnahmesituationen geben, die es rechtfertigen, an einer unter normalen Umständen eigentlich untragbaren Person notgedrungen weiter festzuhalten. Die Entscheidung über einen Widerruf der Bestellung kann nur das Aufsichtsratsplenum treffen, die Delegation auf einen Ausschuss ist unzulässig (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG).

369

In mitbestimmten Gesellschaften gilt das mehrstufige Verfahren nach § 31 Abs. 2–4 MitbestG auch für die Abberufung (§ 31 Abs. 5 MitbestG). Allerdings ist das Abberufungsverfahren schon nach dem ersten Wahlgang beendet, wenn der Abberufungsantrag nicht die Mehrheit der abgegebenen Stimmen3 erreicht. Das gilt allerdings dann nicht, wenn die Hälfte der Stimmen aller Aufsichtsratsmitglieder (IstStärke) den Antrag unterstützt, weil dann im dritten Wahlgang die Abberufung mit der Zweitstimme des Vorsitzenden erfolgen kann4.

370

1 OLG Stuttgart v. 13.3.2002 – 20 U 59/01, AG 2003, 211, 212; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 115; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 104 und 93; Beiner, Vorstandsvertrag, Rn. 128; Krieger, Personalentscheidungen, S. 141; wohl auch BGH v. 28.4.1954 – II ZR 211/53, BGHZ 13, 188, 193; enger Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 32; a.A. Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 51; Oetker, Großkomm. AktG, § 31 MitbestG Rn. 16; Janzen, NZG 2003, 468, 471; Schaefer/Missling, NZG 1998, 441, 445. 2 Näher zur Ermessensausübung in einem solchen Fall Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 141 ff. 3 Raiser, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 34; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 33; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 40; Oetker, Großkomm. AktG, § 31 MitbestG Rn. 18; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 31 MitbestG Rn. 10. 4 Krieger, Personalentscheidungen, S. 143 ff.; Westhoff, DB 1980, 2520 ff.; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 40.

153

§7 371

Bestellung und Anstellung des Vorstands

Der Widerruf ist dem Betroffenen durch den Aufsichtsrat mitzuteilen. Er wird mit Zugang wirksam1. Der Aufsichtsrat wird in der Regel durch Geschäftsordnungsbestimmungen oder Beschluss seinen Vorsitzenden oder ein anderes Aufsichtsratsmitglied ermächtigen, den vom Plenum beschlossenen Widerruf als Erklärungsvertreter gegenüber dem Vorstandsmitglied auszusprechen2. Richtigerweise wird man den Aufsichtsratsvorsitzenden aber auch ohne ausdrückliche Regelung als konkludent ermächtigt anzusehen haben, den Widerruf zu erklären3; vgl. auch unten Rn. 681. Ob die Widerrufserklärung nach § 174 BGB zurückgewiesen werden kann, wenn der Erklärungsvertreter keine Vollmachtsurkunde vorlegt, ist umstritten. Jedenfalls ist § 174 BGB nicht anwendbar, wenn die Ermächtigung zur Übermittlung des vom Aufsichtsrat beschlossenen Widerrufs in der Satzung oder der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats enthalten ist4. Richtigerweise ist bei Übermittlung der Widerrufserklärung durch den Aufsichtsratsvorsitzenden aber auch ohne eine solche Regelung § 174 BGB nicht entsprechend anwendbar5. Angesichts des bestehenden Meinungsstreits empfiehlt es sich jedoch aus praktischen Gründen, das Original des Aufsichtsratsprotokolls mit dem Widerrufsbeschluss beizufügen6; als Alternative reicht auch eine Ermächtigungsurkunde, die von den an der Beschlussfassung mitwirkenden Aufsichtsratsmitgliedern unterschrieben sein muss7. 1 OLG Düsseldorf v. 17.11.2003 – I-15 U 225/02, AG 2004, 321, 322; OLG Stuttgart v. 13.3.2002 – 20 U 59/01, AG 2003, 211, 212; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 96; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 52. 2 OLG Düsseldorf v. 17.11.2003 – I-15 U 225/02, AG 2004, 321, 322; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 96; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 52; Bauer/S. Krieger, ZIP 2004, 1247, 1248; Leuering, NZG 2004, 120, 121. 3 Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 111; Bednarz, NZG 2005, 418, 421 f.; Bauer/S. Krieger, ZIP 2004, 1247, 1248; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 47; Semler in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 4 Rn. 147; a.A. OLG Düsseldorf v. 17.11.2003 – I-15 U 225/02, AG 2004, 321, 322 f.; Beiner, Vorstandsvertrag, Rn. 109. 4 OLG Düsseldorf v. 17.11.2003 – I-15 U 225/02, AG 2004, 321, 324; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 96; Beiner, Vorstandsvertrag, Rn. 562; Bauer/S. Krieger, ZIP 2004, 1247, 1248. 5 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 95b; Kort, Großkomm. AktG, § 84 Rn. 540; Thüsing in Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 5 Rn. 2; Bednarz, NZG 2005, 418, 422 ff.; a.A. OLG Düsseldorf v. 17.11.2003 – I-15 U 225/02, AG 2004, 321, 323; Beiner, Vorstandsvertrag, Rn. 109; Pusch, RdA 2005, 170 ff. 6 OLG Düsseldorf v. 17.11.2003 – I-15 U 225/02, AG 2004, 321, 323; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 96; Schockenhoff/Topf, DB 2005, 539, 544. 7 Bauer/S. Krieger, ZIP 2004, 1247, 1248; zu eng Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 96 (Unterzeichnung durch alle Aufsichtsratsmitglieder).

154

Bestellung

§7

d) Mängel und gerichtliche Überprüfung des Widerrufs Ein Widerruf, der ohne entsprechenden Abberufungsbeschluss des 372 Aufsichtsrats vom Aufsichtsratsvorsitzenden oder vom Personalausschuss allein ausgesprochen wird, ist unwirksam1. Das Gleiche gilt, wenn der Abberufungsbeschluss des Aufsichtsrats wegen Verfahrensfehlern nichtig ist (vgl. unten Rn. 736). Das kann etwa der Fall sein, wenn ein Teil der Aufsichtsratsmitglieder zur Sitzung nicht eingeladen war oder wenn in einer mitbestimmten Gesellschaft die Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmervertreter durch unzureichende Information und zu kurze Bemessung der Überlegungsfrist beeinträchtigt waren2. In einem solchen Fall kann das betroffene Vorstandsmitglied auf Feststellung der Unwirksamkeit seiner Abberufung klagen3. Vor allem aber ist in diesen Fällen die Feststellung der Unwirksamkeit des Bestellungswiderrufs auch im Wege einer einstweiligen Verfügung möglich; § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG steht dem nicht entgegen, sondern ist nur bei formell ordnungsgemäß zustandegekommenen Aufsichtsratsbeschlüssen anwendbar4. Das Fehlen eines wichtigen Grundes für den Widerruf der Bestellung 373 lässt den Widerruf solange wirksam, bis seine Unwirksamkeit rechtskräftig festgestellt ist (§ 84 Abs. 3 Satz 4 AktG). Das betroffene Vorstandsmitglied kann sich in diesem Fall gegen den Widerruf der Bestellung nur durch Klage zur Wehr setzen5, eine einstweilige Verfügung gegen die Abberufung ist bei Fehlen eines wichtigen Abberufungsgrundes – anders als bei formellen Beschlussmängeln (oben Rn. 372) – nicht möglich6.

1 OLG Stuttgart v. 13.3.2002 – 20 U 59/01, AG 2003, 211, 212; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 52. 2 OLG Stuttgart v. 15.4.1985 – 2 U 57/85, ZIP 1985, 539, 540 ff. = AG 1985, 193. 3 Die Klage ist – da in diesem Fall § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG nicht eingreift – Feststellungs-, nicht Gestaltungsklage; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 53; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 118; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 34. 4 OLG München v. 17.9.1985 – 7 W 1933/85, AG 1986, 234, 235; OLG Stuttgart v. 15.4.1985 – 2 U 57/85, ZIP 1985, 539, 540 f. = AG 1985, 193; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 54; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 98; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 32 und 34. 5 In diesem Fall handelt es sich um eine Gestaltungsklage mit dem Antrag, den Widerruf der Bestellung für unwirksam zu erklären; KG v. 8.7.1983 – 14 U 259/83, AG 1984, 24, 25; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 116; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 53. 6 OLG Stuttgart v. 15.4.1985 – 2 U 57/85, ZIP 1985, 539, 540 = AG 1985, 193; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 97, der eine Ausnahme bei offensichtlicher Willkür machen will; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 32 und 34; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 54; a.A. Vollmer, GmbHR 1984, 5, 10 f.

155

§7

Bestellung und Anstellung des Vorstands

374

Das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist nach h.M. in vollem Umfang gerichtlich zu überprüfen1; richtiger erscheint es jedoch, die gerichtliche Kontrolle lediglich auf die Vertretbarkeit der Entscheidung des Aufsichtsrats zu richten und dem Aufsichtsrat insoweit einen überprüfungsfreien Beurteilungsspielraum zuzubilligen2.

375

Neue, erst später eingetretene Abberufungsgründe kann die Gesellschaft im Rechtsstreit nur geltend machen, wenn zuvor der Aufsichtsrat darauf einen erneuten Abberufungsbeschluss gestützt hat3. Entsprechend ist auch das Nachschieben von Gründen, auf die die Abberufung zunächst nicht gestützt worden ist, obwohl sie bereits seinerzeit vorgelegen haben, nur zulässig, wenn der Aufsichtsrat zuvor beschlossen hat, die Abberufung auch auf sie zu stützen4. Kannte der Aufsichtsrat diese Gründe schon bei seinem ursprünglichen Abberufungsbeschluss, werden sie allerdings im allgemeinen verwirkt sein5.

376

Zuständig für Abberufungsstreitigkeiten sind die ordentlichen Gerichte, in erster Instanz das Landgericht, Kammer für Handelssachen. Die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts kann weder durch eine Schiedsklausel in der Satzung noch durch eine Schiedsvereinbarung im Einzelfall begründet werden6. Die Klage ist gegen die Gesellschaft, vertreten durch den Aufsichtsrat (§ 112 AktG), zu richten7.

1 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 104; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 26; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 51; Seibt in K. Schmidt/ Lutter, Komm. AktG, § 84 Rn. 49. 2 Näher dazu Krieger, Personalentscheidungen, S. 137 ff.; Vollmer, GmbHR 1984, 5, 7, 9; tendenziell wohl auch Peltzer, WM 1982, 996, 998. 3 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 121; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 134; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 34. 4 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 121; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 34; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 55. 5 BGH v. 28.4.1954 – II ZR 211/53, BGHZ 13, 188, 194 f.; BGH v. 16.11.1961 – II ZR 81/60, WM 1962, 109, 111; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 21; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 34; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 55. 6 BGH LM Nr. 1 zu § 199 AktG; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 86; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 53; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 132; Seibt in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 84 Rn. 53; a.A. Vollmer, GmbHR 1984, 5, 11 ff.; Beiner, Vorstandsvertrag, Rn. 547. 7 BGH v. 13.2.1984 – II ZR 2/83, WM 1984, 532 = AG 1984, 266; BGH v. 11.5.1981 – II ZR 126/80, AG 1982, 18; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 53; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 33.

156

Bestellung

§7

e) Einvernehmliche Aufhebung Eine einvernehmliche Aufhebung der Bestellung ist jederzeit zulässig, eines wichtigen Grundes bedarf es dafür nicht1. Auch hierfür liegt die Alleinkompetenz beim Aufsichtsrat. Die Entscheidung des Aufsichtsrats über den Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung ist entsprechend § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG dem Plenum vorbehalten2 und unterliegt in mitbestimmten Gesellschaften entsprechend § 31 Abs. 5 MitbestG dem abgestuften Verfahren nach § 31 Abs. 2 bis 4 MitbestG3.

377

f) Suspendierung Eine vorübergehende Enthebung eines Vorstandsmitgliedes von der 378 Amtsführung (Suspendierung) ist als milderes Mittel gegenüber einer Abberufung zulässig. Während darin vereinzelt ein echter Widerruf der Bestellung gesehen wird, der vorübergehend zur Beendigung des Vorstandsamtes führe4, geht die herrschende Meinung mit Recht davon aus, dass das suspendierte Vorstandsmitglied im Amt bleibt5. Dem suspendierten Vorstandsmitglied ist also die Amtsführung verboten, auch wenn seine Vertretungsmacht im Außenverhältnis bestehen bleibt; zugleich ist es von der Verantwortlichkeit für die Vorstandstätigkeit während des Suspendierungszeitraums befreit6. Die Suspendierung ist nicht publizierungspflichtig, insbesondere bedarf sie nicht der Anmeldung zum Handelsregister und ist das Vorstands-

1 BGH v. 24.11.1980 – II ZR 182/79, DB 1981, 308, 309 = AG 1981, 73; OLG Karlsruhe v. 13.10.1995 – 10 U 51/95, WM 1996, 161, 167 = AG 1996, 224; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 37; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 57. 2 BGH v. 24.11.1980 – II ZR 182/79, AG 1981, 73 = DB 1981, 308, 309; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 37; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 91; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 57. Ein Ausschuss kann allerdings den Aufhebungsvertrag unter der Bedingung späterer Zustimmung des Plenums abschließen; vgl. Hoffmann-Becking in FS Stimpel, 1985, S. 589, 597 ff.; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 91. 3 Krieger, Personalentscheidungen, S. 148 f.; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 57; Raiser, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 40; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 91. 4 So LG München I v. 27.6.1985 – 5 HKO 9397/85, AG 1986, 142; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 143 ff. 5 OLG München v. 17.9.1985 – 7 W 1933/85, AG 1986, 234, 235; KG v. 8.7.1983 – 14 U 259/83, AG 1984, 24, 25; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 152 ff.; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 61 f.; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 134; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 32; Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 348 ff. 6 Vgl. die Nachweise in der vorherigen Fn.

157

§7

Bestellung und Anstellung des Vorstands

mitglied weiterhin auf den Geschäftsbriefen (§ 80 Abs. 1 AktG) und im Anhang des Jahresabschlusses (§ 285 Nr. 10 HGB) zu nennen1. 379

Eine Suspendierung ist im Hinblick auf das Informationsinteresse der Öffentlichkeit nur in zeitlichen Grenzen möglich. Eine „Suspendierung“ bis zum Ende der Amtszeit ist nicht möglich, sondern stellt einen echten Widerruf der Bestellung dar2. Eine nur vorübergehend gewollte Suspendierung ist nur in einem angemessenen und erforderlichen zeitlichen Umfang zulässig. Wo diese Grenzen liegen, ist einzelfallabhängig, jedoch wird man eine Suspendierung von mehr als einem Monat allenfalls in besonderen Ausnahmen billigen können3. Bei einer Überschreitung dieser Grenzen ist die Suspendierung unwirksam, der Betroffene bleibt zur Amtsführung berechtigt. Zum Teil wird verlangt, dass die Dauer der Suspendierung schon im voraus festgesetzt wird4; das ist jedoch angesichts des ohnehin engen zeitlichen Rahmens überzogen, zumal sich der benötigte Zeitraum im Voraus häufig nicht genau absehen lässt.

380

Welche materiellen Voraussetzungen für eine Suspendierung erfüllt sein müssen, ist umstritten. Teilweise wird das Vorliegen eines wichtigen Grundes verlangt, der auch eine sofortige Abberufung rechtfertigen würde5; nach dieser Ansicht kann namentlich der Verdacht einer groben Pflichtverletzung eine Suspendierung erst dann rechtfertigen, wenn dieser Verdacht sich bereits soweit konkretisiert hat, dass er auch eine Abberufung rechtfertigen würde. Nach anderer Ansicht soll in Anlehnung an das Dienstvertragsrecht eine Suspendierung lediglich ein billigenswertes Interesse der Gesellschaft erfordern, an das allerdings hohe Anforderungen zu stellen seien; danach kann der Verdacht einer Pflichtverletzung die Suspendierung schon dann rechtfertigen, wenn dieser Verdacht mangels hinreichender Auf-

1 Krieger, Personalentscheidungen, S. 152 ff.; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 62; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 137; a.A. Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 350. 2 Krieger, Personalentscheidungen, S. 152; Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 348; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 62; Fleischer in Spindler/ Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 135. 3 Näher Krieger, Personalentscheidungen, S. 153; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 62; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 152; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 135. 4 Krieger, Personalentscheidungen, S. 153 f.; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 62; a.A. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 152. 5 So namentlich Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 144; Meyer-Landrut in FS Fischer, 1979, S. 477, 481; Krieger, Personalentscheidungen, S. 154 ff.; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 51; auch KG v. 8.7.1983 – 14 U 259/83, AG 1984, 24, 25, das allerdings offen lässt, ob die Suspendierung nicht schlechthin unzulässig ist.

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Bestellung

§7

klärung für eine Abberufung noch nicht ausreicht1. Im Interesse der durch das Erfordernis des wichtigen Grundes geschützten Unabhängigkeit des Vorstands wird man im Grundsatz auch für Suspendierungen an der Notwendigkeit eines wichtigen Grundes festhalten müssen. Weil die Suspendierung ein weniger schwerwiegender Eingriff ist als die Abberufung, können jedoch an den wichtigen Grund geringere Anforderungen gestellt werden. Deshalb kann es im Ergebnis gerechtfertigt sein, eine Suspendierung auszusprechen, wenn so gewichtige Anhaltspunkte für die Existenz eines Abberufungsgrundes bestehen, dass eine vorläufige weitere Amtsführung bis zur endgültigen Aufklärung der Angelegenheit für die Gesellschaft eine unzuträgliche Belastung würde2. Zuständig für die Suspendierung ist allein der Gesamt-Aufsichtsrat, 381 eine Übertragung der Entscheidung auf einen Ausschuss ist entsprechend § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG ausgeschlossen3. In mitbestimmten Gesellschaften ist entsprechend § 31 Abs. 5 MitbestG das abgestufte Abberufungsverfahren nach § 31 Abs. 2 bis 4 MitbestG einzuhalten4. Auf eine Suspendierung wird man § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG nicht analog anwenden können. Das hat zur Folge, dass ein Vorstand seine weitere Amtsführung bei Fehlen eines Suspendierungsgrundes anders als bei Fehlen eines Abberufungsgrundes (dazu oben Rn. 373) auch durch einstweilige Verfügung erzwingen kann5. Einvernehmliche Suspendierungen sind wegen der fehlenden Publizität einer Suspendierung nur unter den gleichen Voraussetzungen und in den gleichen zeitlichen Grenzen, die bei einer einseitigen Suspendierung gelten, zulässig; zuständig ist allein der Gesamtaufsichtsrat, in mitbestimmten Gesellschaften gilt § 31 Abs. 5 MitbestG6. Wenn eine einvernehmliche Suspendierung danach nicht möglich ist, 1 So insbesondere Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 62; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 152; offengelassen von OLG München v. 17.9.1985 – 7 W 1933/85, AG 1986, 234, 235; vgl. auch Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 35, der diese Auffassung zwar für plausibel, aber durch § 84 Abs. 3 AktG nicht gedeckt hält, während nach der Gegenmeinung die Suspendierung ohne überzeugenden Sinn sei. 2 Ebenso Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 135. 3 OLG München v. 17.9.1985 – 7 W 1933/85, AG 1986, 234, 235; KG v. 8.7.1983 – 14 U 259/83, AG 1984, 24, 25; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 63; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 138; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 156. 4 Raiser, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 42; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 62; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 138; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 156. 5 Im Ergebnis ebenso Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 158. 6 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 159; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 64; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 138; ganz ablehnend Meyer-Landrut in FS Fischer, 1979, S. 477, 484.

159

382

§7

Bestellung und Anstellung des Vorstands

kommt unter Umständen eine einvernehmliche Dienstbefreiung in Betracht, bei der im Gegensatz zur Suspendierung nicht nur die Mitgliedschaft im Vorstand, sondern auch die Teilnahme an der Gesamtverantwortung des Vorstands aufrecht erhalten bleibt; eine solche Dienstbefreiung ist rechtlich zulässig, wenn ein Vorstandsmitglied aus zwingenden Gründen für einen längeren Zeitraum gehindert ist, der Gesellschaft seine Arbeitskraft im gebotenen Umfang zur Verfügung zu stellen1.

7. Anmeldung zum Handelsregister 383

Die Bestellung von Vorstandsmitgliedern und die Beendigung der Bestellung sind zum Handelsregister anzumelden (§ 81 AktG). Die Anmeldung obliegt jedoch nicht dem Aufsichtsrat, sondern ist Sache des Vorstands2.

III. Das Anstellungsverhältnis 1. Inhalt und Rechtsnatur 384

Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht der Vorstandsmitglieder werden durch die Bestellung begründet. Gegenstand des Anstellungsvertrages sind die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen Vorstandsmitglied und Gesellschaft, also vor allem die Regelung der Vergütung, der Versorgungsbezüge, evtl. Nebenleistungen, des Urlaubs, nachvertraglicher Wettbewerbsverbote usw.3. Es handelt sich bei entgeltlicher Tätigkeit um einen Geschäftsbesorgungs-Dienstvertrag, der den Vorschriften der §§ 675, 611 ff. BGB unterliegt4.

385

Der Anstellungsvertrag ist auch das geeignete Instrument zur verbindlichen Verankerung der im Kodex vorgesehenen Verhaltensempfehlungen für die einzelnen Vorstandsmitglieder (vgl. etwa Ziff. 4.3.4 1 Vgl. dazu näher Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 160; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 64; Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 285; Kort, Großkomm. AktG, § 84 Rn. 258. 2 Vgl. dazu näher etwa Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 65 ff. 3 Vertragsmuster bei Hoffmann-Becking, Beck’sches Formularbuch, Formular X.13.; Hölters, Münchener Vertragshandbuch, Band I, Formular V.64. 4 Zur Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder und den gegenseitigen Rechten und Pflichten aus dem Anstellungsverhältnis vgl. namentlich Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 33 ff.; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 76 ff., 93 ff.; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 43 ff., 75 ff.; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 16 ff.; Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 89 ff., 109 ff., 152 ff., 163 ff.; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 28 ff.

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Das Anstellungsverhältnis

§7

– Offenlegung von Interessenkonflikten; 4.3.5 – Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats für Nebentätigkeiten). Will der Aufsichtsrat im Rahmen der jährlichen Entsprechenserklärung nach § 161 AktG die künftige Befolgung dieser Empfehlungen erklären, muss er dies im Verhältnis zu den betroffenen Vorstandsmitgliedern sicherstellen. Dazu bietet sich die Begründung einer entsprechenden Verpflichtung im Anstellungsvertrag an1.

2. Abschluss des Vertrages a) Zuständigkeit des Aufsichtsrats Ebenso wie für die Bestellung ist auch für die Regelung des Anstel- 386 lungsverhältnisses ausschließlich und zwingend der Aufsichtsrat zuständig (§ 84 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. Satz 1 bis 4 AktG). Er entscheidet – unter Beachtung der Vergütungsmaßstäbe des § 87 AktG (vgl. dazu unten Rn. 395 ff.) – frei über den Inhalt des Vertrages und vertritt die Gesellschaft gegenüber dem Vorstandsmitglied (§ 112 AktG); zur Abgabe der erforderlichen Erklärungen kann der Aufsichtsrat eines seiner Mitglieder – in der Praxis namentlich seinen Vorsitzenden – ermächtigen (vgl. unten Rn. 438). Für Zustimmungsvorbehalte Dritter, Weisungsrechte gegenüber dem Aufsichtsrat u.Ä. ist bei der Anstellung ebensowenig Raum wie bei der Bestellung2. Auch jedwede inhaltliche Vorgabe der Satzung für die Ausgestaltung des Anstellungsverhältnisses (z.B. Maßstäbe für die Vergütung usw.) wird man als unzulässig ansehen müssen3. Freiheit bei der Personalauswahl verlangt Freiheit auch bei der Regelung des Anstellungsvertrages; die Grenzen hat das Gesetz in § 87 Abs. 1 AktG schon selbst gezogen. Die Beschlussfassung unterliegt in mitbestimmten Gesellschaften nicht dem abgestuften Verfahren nach § 31 MitbestG, sondern richtet

1 Vgl. auch Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 173; Lutter, ZHR 166 (2002), 523, 536 f. 2 Vgl. BGH v. 24.2.1954 – II ZR 63/53, BGHZ 12, 327, 333; BGH v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, BGHZ 41, 282, 285; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 59; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 49; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 15. 3 Näher Krieger, Personalentscheidungen, S. 165 f.; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 15; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 49; Bors, Erfolgs- und leistungsorientierte Vorstandsvergütung, 2006, S. 68 ff.; a.A. Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 40; Grattenthaler, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Aktiengesellschaften, 2007, S. 61 ff.; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 35; Overlack, ZHR 141 (1977), 125, 134 m.w.N.

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§7

Bestellung und Anstellung des Vorstands

sich nach § 29 MitbestG1. Der Aufsichtsrat entscheidet also mit einfacher Mehrheit; vgl. näher unten Rn. 731 ff. b) Übertragung auf einen Ausschuss 388

Im Gegensatz zur Bestellung ist die Entscheidung über den Anstellungsvertrag nicht zwingend dem Plenum vorbehalten; der Aufsichtsrat kann die Regelung des Anstellungsverhältnisses einem Ausschuss übertragen2. Einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern kann die Regelung des Anstellungsvertrages hingegen ebensowenig überlassen werden wie andere Aufsichtsratsaufgaben auf einzelne Mitglieder delegiert werden können; das Gesetz lässt nur die Delegation auf einen mindestens dreiköpfigen Ausschuss zu3. Die Unterzeichnung des im Aufsichtsrat oder im Ausschuss beschlossenen Vertrages kann einem Aufsichtsratsmitglied – zumeist dem Vorsitzenden – übertragen werden4. Dabei ist es üblich und zulässig, dem mit der Vertragsunterzeichnung beauftragten Aufsichtsratsmitglied die genaue Formulierung des Vertragstextes einschließlich der Regelung von Einzelheiten zu überlassen; Plenum oder Ausschuss müssen nur zuvor den wesentlichen Vertragsinhalt festgelegt haben5.

389

Wird die Regelung des Anstellungsverhältnisses einem Ausschuss übertragen, ist dieser im Grundsatz frei, über die Anstellungsbedingungen nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen zu befinden. Die anstellungsvertragliche Regelungskompetenz des Ausschusses unterliegt aber Beschränkungen, die sich daraus ergeben, dass Bestellung und Anstellung, auch wenn sie rechtsdogmatisch zu trennen sind, praktisch auf das engste zusammenhängen. Der Ausschuss hat bei der Regelung der Anstellungsbedingungen die vorrangige Bestellungshoheit des Plenums zu beachten. Man wird daraus zwar nicht folgern müssen, dass schon vor der Bestellung die wesentlichen Anstellungsbedingungen geklärt werden müssten und das Plenum darüber zu in1 Allg. Meinung, z.B. Raiser, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 27; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 34; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 41. 2 BGH v. 23.10.1975 – II ZR 90/73, BGHZ 65, 190; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 38; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 47; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 16. 3 BGH v. 23.10.1975 – II ZR 90/73, BGHZ 65, 190; vgl. dazu näher unten Rn. 755. 4 BGH v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, BGHZ 41, 282, 285; BGH v. 17.4.1967 – II ZR 157/64, BGHZ 47, 341, 350; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 18. 5 Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 18; Kort, Großkomm. AktG, § 84 Rn. 294; Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 79; Beiner, Vorstandsvertrag, Rn. 203; Fleck, WM 1981, Sonderbeilage 3, S. 4; a.A. Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 61.

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Das Anstellungsverhältnis

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formieren sei1. Man wird den Ausschuss aber für verpflichtet ansehen müssen, das Plenum zur Entscheidung anzurufen, wenn sich im Nachhinein Schwierigkeiten ergeben, die den endgültigen Vertragsschluss in Gefahr bringen2, oder wenn der Ausschuss Anstellungsbedingungen einräumen will, die den Rahmen des Üblichen sprengen3. Der Ausschuss kann auch nicht nach eigenem Ermessen Regelungen 390 über den Tätigkeitsbereich des Vorstandsmitglieds treffen. Die Ressortzuweisung ist dem Gesamtaufsichtsrat vorbehalten4. In aller Regel ergibt sich allerdings schon aus der Bestellungsentscheidung des Plenums, für welchen Tätigkeitsbereich die Bestellung erfolgte; in einem solchen Fall steht nichts entgegen, dass der Ausschuss dieses Ressort zum Gegenstand des Anstellungsvertrages erhebt5. c) Zeitpunkt und Dauer der Anstellung Ein unbedingter Anstellungsvertrag kann nur geschlossen werden, 391 wenn zuvor oder gleichzeitig die Bestellung erfolgt ist. Die Auswahlfreiheit des Plenums bei der Entscheidung über die Bestellung darf durch den Abschluss eines Anstellungsvertrages nicht ausgehöhlt werden. Deshalb kann kein vertraglicher Anspruch auf spätere Bestellung begründet werden und ist vor dem Beschluss über die Bestellung der Abschluss eines sofort wirksam werdenden Anstellungsvertrages unzulässig6. Zulässig ist es hingegen, unter der aufschiebenden Bedingung späterer Bestellung einen Anstellungsvertrag abzuschließen7, erst recht zulässig ist es, vor der Entscheidung über die Bestel-

1 So noch Krieger, Personalentscheidungen, S. 166 ff.; wie hier Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 53 f.; Hoffmann-Becking in FS Stimpel, 1985, S. 589, 600 ff. 2 Krieger, Personalentscheidungen, S. 169; Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 75. 3 Vgl. auch BGH v. 25.2.1982 – II ZR 102/81, BGHZ 83, 144, 150 = AG 1982, 221, der Ausschuss dürfe nicht durch Vereinbarung unangemessener Anstellungsbedingungen die Bestellungszuständigkeit des Plenums unterlaufen. 4 Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 12; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 47; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 16. 5 A.A. anscheinend Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 47. 6 BGH v. 24.11.1980 – II ZR 182/79, BGHZ 79, 38, 44 = AG 1981, 73; BGH v. 25.2.1982 – II ZR 102/81, BGHZ 83, 144, 150 = AG 1982, 221; BGH v. 14.11.1983 – II ZR 33/83, BGHZ 89, 48, 56 = AG 1984, 48; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 16; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 12; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 10. 7 Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 60; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 34; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 17 und § 20 Rn. 16; Krieger, Personalentscheidungen, S. 170.

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lung nur einen Vertragsentwurf auszuhandeln. In der Praxis sind beide Verfahrensweisen anzutreffen1. 392

Anstellungsverträge dürfen nicht auf eine längere Dauer als fünf Jahre geschlossen werden (§ 84 Abs. 1 Satz 5 und 1 AktG); sind sie auf unbestimmte Zeit oder längerfristig abgeschlossen, laufen sie spätestens nach fünf Jahren aus (§§ 134, 139 BGB). Es ist jedoch möglich, im Anstellungsvertrag eine Verlängerungsklausel mit dem Inhalt zu vereinbaren, dass sich im Fall einer späteren Verlängerung der Bestellung automatisch auch der Anstellungsvertrag entsprechend verlängert (§ 84 Abs. 1 Satz 5 AktG). Wird ohne eine solche Verlängerungsklausel die Bestellung verlängert, ohne dass zugleich auch über den Anstellungsvertrag ausdrücklich entschieden wird, kann je nach den Umständen des Falles in dem Beschluss über die Verlängerung der Bestellung die konkludente Verlängerung auch des Anstellungsvertrags liegen2. Zur Vereinbarung einer automatischen Vertragsbeendigung bei Widerruf der Bestellung vgl. unten Rn. 408. d) Mängel des Anstellungsvertrages

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Erweist sich ein tatsächlich vollzogener Anstellungsvertrag nachträglich als nichtig, sind die arbeitsrechtlichen Grundsätze über fehlerhafte Arbeitsverhältnisse anzuwenden: Für die Vergangenheit ist der Vertrag als wirksam zu behandeln, für die Zukunft können sich beide Parteien jederzeit ohne weiteres vom Vertrag lossagen3.

3. Vorstandsvergütung a) Allgemeines 394

Eine besondere Rolle in der Corporate Governance-Diskussion spielt die Höhe der Vorstandsvergütung4. Dabei stehen vor allem Einzelfälle 1 Vgl. dazu näher Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 17. 2 BGH v. 12.5.1997 – II ZR 50/96, DStR 1997, 932, 933; OLG Schleswig v. 16.11.2000 – 5 U 66/99, AG 2001, 651, 653; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 20; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 41; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 50. Zur Frage der Anwendbarkeit von § 625 BGB vgl. OLG Karlsruhe v. 13.10.1995 – 10 U 51/95, AG 1996, 224, 227; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 20; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 17. 3 BGH v. 21.1.1991 – II ZR 144/90, BGHZ 113, 237, 247 ff.; BGH v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, BGHZ 41, 282, 286; näher Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 26 f.; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 52 ff.; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 19. Zur Genehmigung eines Anstellungsvertrages, bei dessen Abschluss die Gesellschaft nicht ordnungsgemäß vertreten war, vgl. BGH v. 19.12.1988 – II ZR 74/88, ZIP 1989, 294, 295 f. = AG 1989, 129. 4 Zur Vergütungsentwicklung vgl. etwa das Zahlenmaterial bei Heins, Die Angemessenheit von Vorstandsbezügen einer Aktiengesellschaft, 2006, S. 25 ff.

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Das Anstellungsverhältnis

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besonders hoher Vergütungen, Übergangszahlungen oder Abfindungen im Blickpunkt1, die häufig schnell als Anlass für eine grundsätzliche Kritik an der Höhe der Vorstandsvergütung genutzt werden2. Der Gesetzgeber hat darauf mit der Verpflichtung zur individualisierten Offenlegung der Vorstandsvergütung bei börsennotierten Gesellschaften (§ 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 5, § 314 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a Satz 5 HGB) reagiert3, nachdem die bereits im Jahre 2003 eingeführte Empfehlung des Kodex4, die Vorstandsbezüge individualisiert offenzulegen, nach Ansicht des Gesetzgebers von zu wenigen Gesellschaften befolgt wurde. Ergänzend zu den gesetzlichen Veröffentlichungspflichten empfiehlt Ziff. 4.2.5 Satz 1 des Kodex, als Teil des Corporate Governance-Berichts einen Vergütungsbericht zu erstatten, der die individualisierten Angaben zur Vorstandsvergütung wie auch eine allgemein verständliche Schilderung des Vergütungssystems umfassen soll. Zusätzlich empfiehlt Ziff. 4.2.3 Abs. 6 des Kodex, dass der Vorsitzende des Aufsichtsrats in der Hauptversammlung über die Grundzüge des Vergütungssystems und deren Veränderung informiert. b) Angemessenheit der Bezüge Gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG hat der Aufsichtsrat bei der Festset- 395 zung der Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitglieds dafür zu sorgen, dass diese in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft stehen. Die Zusage unangemessener Bezüge kann wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht des Aufsichtsrats nichtig sein5, jedenfalls aber stellt sie eine Pflichtverletzung dar, die Schadensersatzansprüche gegen die Aufsichtsratsmitglieder6, aber wohl nicht auch gegen das Vorstandsmitglied7, begründet. Als Gesamtbezüge in diesem Sinne nennt das Gesetz Gehalt, Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigun1 Beispiele bei Lutter, ZIP 2006, 733, 734. 2 Vgl. hierzu nur die Beispiele bei Ringleb in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Komm. Kodex, Rn. 395. 3 Vgl. zu den damit verbundenen Fragen näher Leuering/Simon, NZG 2005, 945; Thüsing, ZIP 2005, 1389; Baums, ZHR 169 (2005), 299; Liese, DB 2007, 209. 4 Ziff. 4.2.4 des Kodex i.d.F. vom 21.5.2003. 5 Kort, DStR 2007, 1127, 1129 ff.; Säcker/Stenzel, JZ 2006, 1151, 1154; Peltzer in FS Lutter, 2000, S. 571, 579 f.; Heins, Die Angemessenheit von Vorstandsbezügen einer Aktiengesellschaft, 2006, S. 159 f.; ähnlich Fleischer, DStR 2005, 1318, 1322. 6 Vgl. nur Kort, DStR 2007, 1127, 1132. 7 Wie hier BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, ZIP 2006, 72, 81 = AG 2006, 110 (Mannesmann): das Vorstandsmitglied treffe insoweit keine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft; a.A. Kort, DStR 2007, 1127, 1132 f.; Grattenthaler, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Aktiengesellschaften, 2007, S. 61 ff.; Heins, Die Angemessenheit von Vor-

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gen, Versicherungsentgelte, Provisionen und Nebenleistungen jeder Art. Dazu gehören auch Sachleistungen, wie die verbreitete Privatnutzung von Dienstwagen und Fahrer. Bei der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen sind außerdem Zahlungen, die erst für den Fall der Beendigung des Vorstandsamtes zugesagt wurden, wie Abfindungen und Übergangsgelder, sowie die Versorgungszusagen; Ziff. 4.2.3 Abs. 1 des Kodex stellt das zu Recht heraus. Schwieriger zu beurteilen ist die Frage, ob in die Angemessenheitsprüfung auch Leistungen von Dritten einzubeziehen sind, die im Hinblick auf die Vorstandstätigkeit gewährt werden. Das ist jedenfalls anzunehmen, soweit es um Bezüge geht, die von nachgeordneten Konzerngesellschaften geleistet werden1. Denn die Wahrnehmung von Funktionen in Tochtergesellschaften ist zugleich eine Aufgabe im Rahmen der Vorstandstätigkeit für die Mutter, und die von Tochtergesellschaften gezahlten Bezüge wirken sich auch wirtschaftlich zu Lasten der Mutter aus. Hingegen ist es sehr fraglich, ob Vergütungszahlungen übergeordneter Konzernunternehmen als Teil der Vorstandsvergütung in einem nachgeordneten Unternehmen angesehen werden können, und erst recht wird man dies bei Leistungen sonstiger Dritter zu bezweifeln haben2; denn solche Drittzahlungen betreffen das Vermögen der Gesellschaft nicht und fallen daher nicht unter den Schutzzweck des § 87 AktG. Eine andere Frage ist es allerdings, in welchem Umfang Drittvergütungen überhaupt zulässig sind, vgl. dazu unten Rn. 405. 396

Als Kriterien für die Angemessenheit nennt das Gesetz die Aufgaben des Vorstandsmitglieds und die Lage der Gesellschaft, wobei allerdings auch eine schlechte wirtschaftliche Lage höhere Bezüge nicht ausschließt, sondern im Gegenteil geradezu erfordern kann, um geeignete Persönlichkeiten zu gewinnen3. Neben den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und der Lage der Gesellschaft können weitere Gesichtspunkte berücksichtigt werden4. Ziff. 4.2.2 Abs. 2 Satz 2 des Kodex nennt vor allem die persönliche Leistung des Vorstandsmitglieds und die Leistung des Vorstands und empfiehlt, die Vergütung auf der Grundlage einer Leistungsbeurteilung festzulegen. Daneben ist von Bedeutung, was bei anderen Unternehmen dieser Größe und

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standsbezügen einer Aktiengesellschaft, 2006, S. 161 ff.; Peltzer in FS Lutter, 2000, S. 571, 577 f.; Fleischer, DStR 2005, 1318, 1322. Insoweit zutreffend Ziff. 4.2.2 Abs. 2 des Kodex; Lutter, ZIP 2006, 733, 736; Semler in FS Budde, 1995, S. 599, 607 ff.; Bauer/Arnold, DB 2006, 260, 265. Ebenso Traugott/Grün, AG 2007, 761, 768 f.; anders Ziff. 4.2.3 Abs. 1 des Kodex; Lutter, ZIP 2006, 733, 736; Bauer/Arnold, DB 2006, 260, 265; Semler in FS Budde, S. 599, 607 ff. Hüffer, Komm. AktG, § 87 Rn. 2; Hoffmann-Becking, NZG 1999, 797, 798. Hüffer, Komm. AktG, § 87 Rn. 2; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 32; Fonk, NZG 2005, 248, 249; Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 158 f.

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dieser Branche üblich ist1. Hierzu können die jährlichen individualisierten Veröffentlichungen der Vorstandsvergütungen in börsennotierten Gesellschaften Informationen liefern; daneben bedient sich die Praxis der Vergütungsstudien der Unternehmensberatung Kienbaum2 und der Unterstützung von Beratungsgesellschaften, die jedoch nicht unproblematisch ist3. Üblichkeit ist allerdings ein Kriterium, mit dem vorsichtig umgegangen werden muss. Nicht alles, was üblich ist, muss deshalb schon angemessen sein, sondern der Aufsichtsrat bleibt auch bei der Anlehnung an übliche Standards zu einer kritischen Prüfung und zur eigenverantwortlichen Beurteilung der Angemessenheit verpflichtet. Umgekehrt liegt ein Verstoß gegen § 87 Abs. 1 AktG nicht allein deshalb vor, weil die Bezüge über dem Niveau der Branche liegen4. Überragende Leistungen können auch sehr hohe Vergütungen rechtfertigen5; das gleiche kann gelten, wenn der „Marktwert“ konkreter Vorstandskandidaten besonders hoch ist6. Ein untaugliches Kriterium ist demgegenüber die Höhe der im Unternehmen gezahlten Facharbeiterbezüge7. Bei der Frage, was im jeweiligen Einzelfall angemessen ist, hat der Aufsichtsrat einen weiten Beurteilungsspielraum8. In allgemeiner Form lässt sich das nicht weiter konkretisieren9, und alle Versuche, de lege ferenda oder gar de lege lata Obergrenzen für Vorstandsgehälter zu definieren, können nicht 1 LG München v. 29.3.2007 – 5 HK O 12 931/06, NZG 2007, 477, 478 = AG 2007, 458; Lutter, ZIP 2006, 733, 735; Heins, Die Angemessenheit von Vorstandsbezügen einer Aktiengesellschaft, 2006, S. 46 ff.; Bors, Erfolgs- und leistungsorientierte Vorstandsvergütung, 2006, S. 64 ff.; vgl. auch Lücke, NZG 2005, 692, 696 f. mit einem an der Unternehmensgröße orientierten, jedoch zu schematischen „3 Stufenmodell Angemessenheit“. 2 Dazu Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 31; Lutter, ZIP 2006, 733, 736. 3 Dazu näher Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 115. 4 LG München v. 29.3.2007 – 5 HK O 12 931/06, NZG 2007, 477 = AG 2007, 458. 5 LG München v. 29.3.2007 – 5 HK O 12 931/06, NZG 2007, 477 = AG 2007, 458. 6 Feudner, NZG 2007, 779, 780; Thüsing, ZGR 2003, 457, 468 ff. 7 Feudner, NZG 2007, 779 f.; a.A. Adams, ZIP 2002, 1325, 1342; anscheinend auch Lutter, ZIP 2006, 733, 736 mit der Empfehlung, die Vergütungsgrundsätze sollten die Vorstandsbezüge mit den Leistungen von Mitarbeitern verknüpfen. 8 BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, ZIP 2006, 72, 73 = AG 2006, 110 (Mannesmann); LG München v. 29.3.2007 – 5 HK O 12 931/06, NZG 2007, 477 = AG 2007, 458; LG München v. 23.8.2007 – 5 HK O 10 734/07, NZG 2008, 114, 115 = AG 2008, 133; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 30; Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 157 f.; Schwark in FS Raiser, 2005, S. 377, 391 f.; Kort, NJW 2005, 333, 334. 9 Zutreffend Hüffer, Komm. AktG, § 87 Rn. 3; Schwark in FS Raiser, 2005, S. 377, 387 ff.; vgl. allerdings den Versuch bei Lücke, NZG 2005, 692, 696, aus Kennziffern des Unternehmens einen Vergütungskorridor abzuleiten; in

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Bestellung und Anstellung des Vorstands

überzeugen1. Mit dem Kriterium der Angemessenheit lässt sich daher nur groben Fehlentscheidungen beikommen. 397

Erfolgversprechender erscheint demgegenüber der durch das Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsgehälter bereits umgesetzte Gedanke, die Angemessenheitskontrolle durch Herstellung von Öffentlichkeit herbeizuführen (vgl. oben Rn. 394)2. In der rechtspolitischen Diskussion finden sich weitere Vorschläge, die auf eine Beteiligung der Hauptversammlung an der Vergütungsregelung abzielen. Erwogen wird z.B., die Hauptversammlung nach britischem Vorbild in unverbindlicher Form über die Vergütung beschließen zu lassen3 oder satzungsmäßige Vergütungsrichtlinien zu erlauben4. Es verbleibt jedoch Skepsis, ob – jedenfalls in Publikumsgesellschaften – die Hauptversammlung für eine sachgerechte und vorurteilsfreie Beurteilung dieser Fragen geeignet ist5. c) Zusammensetzung der Vergütung

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Nach der Empfehlung in Ziff. 4.2.3 Abs. 2 des Kodex soll die Vergütung fixe und variable Bestandteile umfassen. Das ist in der Praxis auch die Regel, wobei der Anteil der Festvergütung am Gesamteinkommen in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen ist6. Zweck des Festgehalts ist die Deckung eines angemessenen Lebensunterhalts7. Bestandteil der Festvergütung ist der Sache nach auch die häufig vereinbarte Garantietantieme. Dass diese nicht als Teil des Fest-

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diese Richtung auch Grattenthaler, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Aktiengesellschaften, 2007, S. 345 ff. Hüffer, Komm. AktG, § 87 Rn. 3; Fleischer, DStR 2005, 1279, 1281 ff.; Baums, ZIP 2004, 1877, 1879 f.; Grattenthaler, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Aktiengesellschaften, 2007, S. 377 ff.; Heins, Die Angemessenheit von Vorstandsbezügen einer Aktiengesellschaft, 2006, S. 55 ff.; a.A. namentlich Adams, ZIP 2002, 1325, 1343 (max. das 150fache des durchschnittlichen Arbeitnehmerentgelts). Näher Lutter, ZIP 2003, 737; Lutter, ZIP 2006, 733, 736; Feudner, NZG 2007, 779, 780; Heins, Die Angemessenheit von Vorstandsbezügen einer Aktiengesellschaften, 2006 S. 61 ff. Vgl. etwa Grattenthaler, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Aktiengesellschaften, 2007, S. 77 ff.; Kramarsch, ZHR 169 (2005), 112, 118. Dafür z.B. Lutter, ZIP 2003, 737, 739 f.; Group of German Experts on Corporate Law, ZIP 2002, 1310, 1313; zur Unzulässigkeit solcher Satzungsregelungen de lege lata vgl. oben Rn. 386. Ablehnend z.B. auch Martens, ZHR 169 (2005), 124, 128; Bors, Erfolgs- und leistungsorientierte Vorstandsvergütung, 2006, S. 81 f.; v. Falkenhausen, Börsen-Zeitung vom 13.2.2008. Siehe dazu auch Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 117. Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 117; Weber/Burmester, Anstellungsvertrag für Manager, 3. Aufl. 2001, S. 37.

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Das Anstellungsverhältnis

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gehalts, sondern als Teil der Tantiemen bezeichnet wird, hat im Allgemeinen den Hintergrund, dass dieser Teil der festen Vergütung bei der Altersversorgungsleistung nicht mit herangezogen werden soll1. Für die variablen Vergütungsteile regt Ziff. 4.2.3 Abs. 2 Satz 2 des Kodex drei Elemente an, nämlich (1) einmalige und (2) jährlich wiederkehrende, an den geschäftlichen Erfolg gebundene Komponenten sowie (3) Komponenten mit langfristiger Anreizwirkung und Risikocharakter. Sowohl die einmaligen als auch die jährlich wiederkehrenden Vergütungskomponenten sollen an den geschäftlichen Erfolg gebunden sein. Das muss nicht der geschäftliche Erfolg des Unternehmens sein, sondern abgestellt werden kann auch auf den geschäftlichen Erfolg des individuellen Vorstandsmitglieds2. Einmalige erfolgsabhängige Vergütungskomponenten können dazu 399 dienen, besondere, einmalige Leistungen zu honorieren, wie die Umsetzung eines bestimmten geschäftlichen Vorhabens, die Erreichung bestimmter Kennzahlen u.Ä.3. Sie können im Vorhinein auf der Basis einer Zielvereinbarung festgelegt werden, sind in dieser Form aber wohl noch nicht sehr verbreitet4. In aller Regel ist es aber auch zulässig, sie im Nachhinein auf freiwilliger Basis zu gewähren. Allerdings kann dem das verfehlte Mannesmann-Urteil des BGH5 entgegenstehen, wenn das Vorstandsamt zeitnah endet. Nach dieser Entscheidung sollen nur solche Leistungen zulässig sein, auf die das Vorstandsmitglied entweder einen vertraglichen Anspruch hat oder denen ein angemessener künftiger Vorteil für die Gesellschaft gegenübersteht, zumindest in Form einer Anreizwirkung für das Vorstandsmitglied oder für andere Führungskräfte, hingegen seien rein belohnende Leistungen an Vorstandsmitglieder unzulässig und als Untreue strafbar6. Eine freiwillige Tantieme kann nach diesen Grundsätzen 1 BGH v. 9.5.1994 – II ZR 128/93, NJW-RR 1994, 1055, 1056; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 39. 2 Ringleb in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Komm. Kodex, Rn. 730. 3 Ringleb in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Komm. Kodex, Rn. 727. 4 Dazu Ringleb in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Komm. Kodex, Rn. 727. 5 BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, ZIP 2006, 72 = AG 2006, 110 (Mannesmann); ablehnend die ganz überwiegende Literatur, z.B. Hüffer, Komm. AktG, § 87 Rn. 4; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 32; Ringleb in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Komm. Kodex, Rn. 728; Hoffmann-Becking, NZG 2006, 127 ff.; Dreher, AG 2006, 213 ff.; Spindler, ZIP 2006, 349 ff.; Peltzer, ZIP 2006, 205 ff.; siehe auch schon Fonk, NZG 2005, 248, 250 f.; Marsch-Barner in FS Röhricht, 2005, S. 401, 406; Fleischer, DStR 2005, 1318, 1320 ff.; Kort, NJW 2005, 333, 334; wie der BGH hingegen Martens, ZHR 169 (2005), 124, 131 ff.; Rolshoven, Die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit von Anerkennungsprämien, 2006, S. 86 ff.; Grattenthaler, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Aktiengesellschaften, 2007, S. 312 ff. 6 BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, ZIP 2006, 72, 74 = AG 2006, 110 (Mannesmann).

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§7

Bestellung und Anstellung des Vorstands

nur gezahlt werden, wenn die Tätigkeit des Vorstandsmitglieds weiter andauert und die Leistung damit eine Anreizwirkung gegenüber dem Vorstandsmitglied entfalten kann, oder wenn die Leistung in einer Form bekannt gemacht wird, dass sie Anreizwirkung gegenüber anderen Führungskräften entfalten kann. Ob sich an dieser Problematik etwas dadurch ändert, dass der Anstellungsvertrag nachträgliche Prämienzahlungen als zulässig und möglich vorsieht1, ist höchst zweifelhaft, solange sich damit kein Anspruch des Vorstandsmitglieds auf sachgerechte Ermessensausübung verbindet. 400

Jährlich wiederkehrende erfolgsabhängige Vergütungskomponenten (Tantieme, Bonus), sind in der Praxis üblich. In der Vergangenheit konnten solche Zahlungen sich aufgrund § 86 Abs. 2 AktG a.F. nur am Jahresüberschuss und der Dividende orientieren. Nach Streichung des § 86 AktG a.F. haben sich als Berechnungsmaßstab in der Praxis inzwischen andere Erfolgsparameter, wie EBITA, ROCE u.Ä. durchgesetzt2. Gelegentlich finden sich Tantiemeregelungen, die für die Berechnung nicht an Erfolgsparameter der Gesellschaft, sondern des Konzerns anknüpfen. Das ist jedenfalls für Vorstandsmitglieder der Konzernspitze sachgerecht, denn in ihren Verantwortungsbereich fällt nicht nur die Führung der Gesellschaft, sondern auch die Leitung und Überwachung der verbundenen Unternehmen. Für Vorstandsmitglieder von Tochtergesellschaften hingegen werden Tantiemeregelungen, die auf das Konzernergebnis abstellen, von einigen Autoren nur im Eingliederungs- und Vertragskonzern zugelassen, während sie im faktischen Konzern und bei bloßen Abhängigkeitsverhältnissen als problematisch angesehen werden, weil sie den Tochtervorstand einseitig auf den Erfolg der Mutter motivierten und dadurch mit der Verpflichtung des Tochtervorstands zur eigenverantwortlichen Leitung kollidierten3. Tatsächlich dürfte das jedoch gerade im Aktienrecht mit seinen konzernrechtlichen Schutzvorschriften der §§ 311 ff. AktG überzogen sein4. 1 So die Empfehlung von Ringleb in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Komm. Kodex, Rn. 728; Peltzer, ZIP 2006, 205, 207; ebenso die inzwischen verbreitete Praxis. 2 Näher Wiesner, Münchener Hdb. § 21 Rn. 40; Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 122 ff. 3 Vgl. etwa Spindler, MünchKomm. AktG, § 87 Rn. 43; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 42; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 86 Rn. 9; Vollmer in FS Großfeld, 1999, S. 1269, 1279 ff.; abratend auch Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 128. Zur gleichgelagerten Problematik der Einbeziehung von Tochter-Vorständen in Aktienoptionsprogramme der Mutter vgl. den Überblick über den Meinungsstand bei Krieger, Münchener Hdb. AG, § 63 Rn. 39. 4 Ebenso LG München v. 23.8.2007 – 5 HK O 10 734/07, NZG 2008, 114, 115 = AG 2008, 133; Müller-Michaels, ZCG 2008, 17, 18 ff.; Habersack in FS Raiser, 2005, S. 111, 118; Martens in FS Ulmer, 2003, S. 399, 416 f.; Krieger,

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Das Anstellungsverhältnis

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In die Kategorie der erfolgsabhängigen Vergütungskomponenten fal- 401 len auch die in der Praxis verbreiteten Ermessenstantiemen, die dem Vorstand keinen konkreten Zahlungsanspruch, sondern nur einen Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung durch den Aufsichtsrat geben. Sie sind besonders geeignet, um bei der Vorstandsvergütung jährlich die persönlichen Leistungen des Vorstandsmitglieds zu berücksichtigen1. Ermessenstantiemen sind auch im Lichte des Mannesmann-Urteils (vgl. oben Rn. 399) rechtlich unproblematisch, wenn sie vertraglich vereinbart sind, weil dann ein Anspruch des Vorstandsmitglied auf sachgerechte Ermessensausübung unter Würdigung der zuvor erbrachten Leistungen besteht2. Zur Frage, ob der Aufsichtsrat auch ohne besondere Vertragspflicht im Nachhinein zusätzliche Zahlungen gewähren kann, vgl. oben Rn. 399. Als variable Vergütungskomponenten mit langfristiger Anreizwir- 402 kung und Risikocharakter empfiehlt Ziff. 4.2.3 Abs. 3 des Kodex Aktien der Gesellschaft mit mehrjähriger Veräußerungssperre sowie Aktienoptionen oder vergleichbare Gestaltungen (z.B. Phantom Stocks). Derartige Vergütungskomponenten sind seit Mitte der 90er Jahre in der Unternehmenspraxis verbreitet und verfolgen das Ziel, die Gesellschaft liquiditätsmäßig zu entlasten und die Führungskräfte zu motivieren, ihre Tätigkeit am Ziel einer Wert- und Kurssteigerung des Unternehmens auszurichten3. Nach einem anfänglichen Boom solcher Vergütungskomponenten, ist in der Unternehmenspraxis zwischenzeitlich insbesondere gegenüber Aktienoptionsprogrammen eine gewisse Skepsis zu verzeichnen. Neben Zweifeln an der Motivationswirkung und der Sorge vor negativen Anreizwirkungen4, wird insbesondere die Kritik geäußert, Optionsprogramme seien nicht hinreichend transparent, legten vielfach zu anspruchslose Erfolgsziele fest, und führten häufig zu unangemessen hohen Bezügen5. Daneben ist verschiedentlich kritisiert worden, dass aktienkursorientierte Vergütungskomponenten erfolglose Vorstandsmitglieder auch noch belohnen, wenn die Börse ihr Ausscheiden mit einem Kursanstieg honoriert. Manche Unternehmen gehen deshalb dazu über, statt an die

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Münchener Hdb. AG, § 63 Rn. 39, jeweils für Aktienoptionsprogramme der Mutter. Näher Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 41. BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, AG 2006, 110 = ZIP 2006, 72, 75 (Mannesmann); Lutter, ZIP 2006, 733, 737. Eingehend Kohler, ZHR 161 (1997), 246, 254 ff.; Baums in FS Claussen, 1997, S. 3, 5 ff.; Begr. RegE KonTraG, abgedruckt bei Ernst/Seibert/Stuckert, KonTraG u.a., 1998, S. 78 f. Vgl. dazu etwa Fuchs, MünchKomm. AktG, § 192 Rn. 69 f. Vgl. etwa Ringleb in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Komm. Kodex, Rn. 745 f.; Fuchs, MünchKomm. AktG, § 192 Rn. 71 f.; Lutter, ZIP 2006, 737, 739 ff.; Adams, ZIP 2002, 1325 ff.

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Kursentwicklung an die langfristige Entwicklung von Erfolgskennzahlen des Unternehmens anzuknüpfen1. 403

Die technischen Einzelheiten für die Gestaltung aktienorientierter Vergütungskomponenten brauchen hier nicht dargestellt zu werden2. Das Entscheidende bei der sachgerechten Ausgestaltung von Aktienoptionsprogrammen ist die Festlegung angemessener Erfolgsziele, die sich am Börsenkurs, aber auch an anderen Kriterien (z.B. Gewinn pro Aktie, Eigenkapitalrendite usw.) orientieren oder auch mehrere Merkmale kombinieren können3. Ziff. 4.2.3 Abs. 2 Satz 2 des Kodex empfiehlt „anspruchsvolle, relevante Vergleichsparameter“4. Kursorientierte Erfolgsziele können auf die absolute Kurssteigerung abstellen oder auf eine relative Kursentwicklung im Vergleich zu einem Börsenindex. In der Praxis ist beides verbreitet5. Eine rechtliche Verpflichtung zur Anbindung an einen Index besteht nicht6. Eine nachträgliche Herabsetzung der Erfolgsziele (Repricing) ist rechtlich nur in engen Grenzen möglich, insbesondere erfordert die Änderung einen entsprechenden Hauptversammlungsbeschluss, während etwa eine Ermächtigung des Aufsichtsrats zum Repricing im Ausgangsbeschluss unzulässig wäre7. Unabhängig davon ist ein Repricing im Allgemeinen als kritisch anzusehen8. Ziff. 4.2.3 Abs. 2 Satz 3 des Kodex empfiehlt mit Recht, ein Repricing auszuschließen.

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Daneben verlangt die Verpflichtung des Aufsichtsrats, die Angemessenheit der Gesamtbezüge sicherzustellen (§ 87 AktG), geeignete Regelungen zu treffen, um zu verhindern, dass diese Vergütungsbestandteile zu unangemessen hohen Zuflüssen führen können. Ziff. 4.2.3 Abs. 3 Satz 3 des Kodex regt hierzu an, für außerordentliche, nicht vorhergesehene Entwicklungen eine Begrenzungsmöglichkeit (Cap) zu vereinbaren. Das kann in Form einer generellen Vereinbarung im 1 Vgl. etwa Ringleb in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Komm. Kodex, Rn. 751. 2 Vgl. hierzu etwa Krieger, Münchener Hdb. AG, § 63 Rn. 34 ff. 3 Fuchs, MünchKomm. AktG, § 193 Rn. 24; Frey, Großkomm. AktG, § 193 Rn. 67; Hoffmann-Becking, NZG 1999, 797, 802. 4 Vgl. dazu näher Ringleb in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Komm. Kodex, Rn. 743 f. 5 Vgl. etwa die Beispiele bei Weiss, WM 1999, 353, 358 Fn. 67 f. 6 OLG Schleswig v. 18.9.2002 – 5 U 164/01, AG 2003, 102, 103; OLG Stuttgart v. 13.6.2001 – 20 U 75/00, ZIP 2001, 1367, 1370 f. = AG 2001, 540; Begr. RegE KonTraG, abgedruckt bei Ernst/Seibert/Stuckert, KonTraG u.a., 1998, S. 80; Hüffer, Komm. AktG, § 193 Rn. 9; Frey, Großkomm. AktG, § 193 Rn. 67. 7 Näher Krieger, Münchener Hdb. AG, § 63 Rn. 44; Käpplinger/Käpplinger, WM 2004, 712 ff.; Semmer, Repricing – Die nachträgliche Modifikation von Aktienoptionsplänen zugunsten des Managements, 2005, S. 105 ff. 8 Vgl. nur Fuchs, MünchKomm. AktG, § 192 Rn. 73; Hoffmann-Becking, NZG 1999, 798, 803.

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Das Anstellungsverhältnis

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Anstellungsvertrag geschehen1, es reicht aber auch, einen entsprechenden Vorbehalt bei Zuteilung der Optionen zu vereinbaren oder auch nur in die Optionsbedingungen aufzunehmen. Der vom Kodex empfohlene Cap wirkt allerdings nur, wenn außerordentliche, nicht vorhergesehene Entwicklungen eintreten. Dieser Empfehlung liegt anscheinend die Vorstellung zugrunde, für normale, vorhersehbare Entwicklungen müsse der Aufsichtsrat schon bei Ausgestaltung des Optionsplans dafür sorgen, dass die Zuflüsse keine unangemessene Höhe annehmen könnten. Man wird bezweifeln müssen, ob das stets gewährleistet ist. Wirksamer, und jedenfalls vom Aufsichtsrat zu erwägen, ist die Vereinbarung eines echten „Caps“, also einer ziffernmäßig festgelegten oder berechenbaren Höchstgrenze2. d) Vergütungsleistungen durch Dritte In der Praxis finden sich gelegentlich Vergütungszusagen, die nicht 405 die Gesellschaft, sondern Dritte dem Vorstandsmitglied machen. Das kann einerseits der Fall sein, wenn der gesamte Anstellungsvertrag nicht mit der Gesellschaft, sondern mit Dritten geschlossen werden soll, wie es innerhalb von Konzernverhältnissen anzutreffen ist; vgl. dazu unten Rn. 431. Daneben finden sich Vereinbarungen mit Aktionären, die Vorstandsmitgliedern für das Erreichen bestimmter Ziele Prämien aussetzen. Insbesondere Finanzinvestoren haben z.B. häufig ein Interesse, dem Vorstand Boni für den Fall in Aussicht zu stellen, dass es Ihnen mit Unterstützung des Vorstands gelingt, ihre Beteiligung zu einem späteren Zeitpunkt gewinnbringend zu veräußern. Solche Drittvergütungen sind rechtlich unter verschiedenen Aspekten problematisch3. Ähnlich wie bei erfolgsabhängigen Vergütungselementen, die sich nicht am Erfolg der Gesellschaft, sondern am Erfolg der Mutter orientieren (vgl. oben Rn. 400), kann man die Frage aufwerfen, ob sie mit dem eigenverantwortlichen Leitungsauftrag des Vorstands in Konflikt stehen. Insoweit sind Drittvergütungen aber jedenfalls dann unproblematisch, wenn die Zielvorgaben, von deren Erreichen die Vergütungsleistung abhängt, mit dem Unternehmensinteresse der Gesellschaft in Einklang oder jedenfalls nicht im Wider-

1 Dafür anscheinend Ringleb in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Komm. Kodex, Rn. 761. 2 Weitergehend Brauer, NZG 2004, 502, 507; Semler in FS Budde, 1995, S. 599, 610; Hüffer, ZHR 161 (1997), 214, 235; Heins, Die Angemessenheit von Vorstandsbezügen einer Aktiengesellschaft, 2006, S. 55 ff., die von einer Verpflichtung zur Festsetzung einer Obergrenze ausgehen; wie hier Bors, Erfolgs- und leistungsorientierte Vorstandsvergütung, 2006, S. 82; jede Verpflichtung des Aufsichtsrats ablehnend Grattenthaler, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Aktiengesellschaften, 2007, S. 74 ff. 3 Unter moralischen Aspekten mahnend Peltzer/Uwe H. Schneider, Der Aufsichtsrat 2007, 33.

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Bestellung und Anstellung des Vorstands

spruch zu ihm stehen1. Schwieriger zu beantworten ist die Frage, ob die Vereinbarung einer Drittvergütung der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf. Das wird gelegentlich angenommen2, und dem wird man zustimmen müssen. Zwar wird das Vermögen der Gesellschaft durch Drittvergütungen nicht berührt, und es handelt sich auch nicht um einen Eingriff in die Personalkompetenz des Aufsichtsrats3. Das Vorstandsmitglied, das sich eine Drittvergütung zusagen lässt, begibt sich jedoch in einen potentiellen Interessenkonflikt, dem nicht allein dadurch beizukommen ist, dass man entsprechend Ziff. 4.3.4 des Kodex seine Offenlegung gegenüber dem Aufsichtsrat verlangt4. Es liegt vielmehr näher, es als vertragliche Nebenpflicht der Vorstandsmitglieder anzusehen, Vergütungszusagen Dritter nicht ohne Zustimmung des Aufsichtsrats zu akzeptieren. Die Verpflichtung zur individualisierten Offenlegung der Vergütung im (Konzern-)Anhang erstreckt sich auch auf Drittbezüge (§§ 285 Nr. 9 Buchst. a Satz 8, 314 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a Satz 8 HGB). In die Angemessenheitsprüfung nach § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG sind Drittbezüge hingegen nicht einzubeziehen; vgl. oben Rn. 395 e) Leistungen bei Vertragsbeendigung 406

Siehe hierzu unten Rn. 423 ff.

4. Beendigung und Änderung des Vertrages a) Verhältnis zum Widerruf der Bestellung 407

Die Beendigung des Anstellungsvertrages richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften (§ 84 Abs. 3 Satz 5 AktG). Neben der Befristung des Vertrages sind dabei für die Aufsichtsratspraxis insbesondere die Vereinbarung einer automatischen Beendigung des Anstellungsverhältnisses (auflösende Bedingung) bei Widerruf der Organbestellung, der Abschluss von Aufhebungsverträgen und die Kündigung von Bedeutung5.

408

Der Widerruf der Bestellung führt nicht ohne weiteres zur Beendigung des Vertrages, sondern lässt das Anstellungsverhältnis grundsätzlich unberührt. Es ist jedoch zulässig, durch eine sog. Koppelungsklausel im Anstellungsvertrag die Beendigung des Dienst1 Traugott/Grün, AG 2007, 761, 767; Bauer/Arnold, DB 2006, 260, 265; a.A. Thüsing in Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 4 Rn. 68. 2 Thüsing in Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 4 Rn. 68; Bauer/Arnold, DB 2006, 260, 265; a.A. Traugott/Grün, AG 2007, 761, 768. 3 Insoweit zutreffend Traugott/Grün, AG 2007, 761, 768. 4 So aber Traugott/Grün, AG 2007, 761, 768. 5 Zu sonstigen Beendigungsgründen vgl. Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 89 f.

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Das Anstellungsverhältnis

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vertrages an den Widerruf der Organbestellung zu koppeln1. Fehlt es daran, bedarf es zur Beendigung des Anstellungsvertrages einer gesonderten Kündigung oder Aufhebungsvereinbarung. Allerdings wird im Bestellungswiderruf im Zweifel zugleich eine konkludente außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages liegen2, so wie im umgekehrten Fall einer Vertragskündigung darin im Zweifel konkludent ein Widerruf der Bestellung liegen wird3. Solange der Anstellungsvertrag nicht beendet ist, bestehen die 409 schuldrechtlichen Rechte und Pflichten, insbesondere der Vergütungsanspruch, fort4. Das Vorstandsmitglied muss sich allerdings gemäß § 615 Satz 2 BGB anderweitigen oder böswillig unterlassenen Erwerb anrechnen lassen5 und kann verpflichtet sein, auf Verlangen eine zumutbare andere Position im Unternehmen zu akzeptieren6. Endet die Bestellung, ohne dass in nahem zeitlichem Zusammenhang auch das Anstellungsverhältnis beendet wird, kann sich dieses unter Umständen in ein normales Arbeitsverhältnis umwandeln. Das ist aber nur anzunehmen, wenn Einigkeit erzielt wird, dass das betroffene Vorstandsmitglied als normaler Arbeitnehmer für die Gesellschaft tätig bleiben soll. Solange die Wirksamkeit der Abberufung im Streit ist, ist das nicht der Fall. Es reicht auch nicht aus, wenn das Vorstandsmitglied nach Abberufung unter Fortzahlung seiner Bezüge

1 BGH v. 29.5.1989 – II ZR 220/88, ZIP 1989, 1190, 1191 f. = AG 1989, 437 m.w.N.; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 40; differenzierend Bauer/Diller, GmbHR 1998, 809, 810 ff. Beruht der Widerruf auf einem Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung (§ 84 Abs. 3 Satz 2 AktG), tritt die Beendigung des Dienstvertrages allerdings erst mit Ablauf der Frist des § 622 Abs. 1 Satz 2 BGB von einem Monat zum Monatsende ein: BGH v. 29.5.1989 – II ZR 220/88, ZIP 1989, 1190, 1192 f. = AG 1989, 437; Rellermeyer, ZGR 1993, 77, 82 ff.; a.A. anscheinend Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 138. 2 BGH v. 29.3.1973 – II ZR 20/71, WM 1973, 639; OLG Hamburg v. 28.6.1991 – 11 U 148/90, GmbHR 1992, 43, 48; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 94; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 69. 3 Vgl. etwa BGH v. 24.11.1980 – II ZR 182/79, BGHZ 79, 38, 41 f. = AG 1981, 73; BGH v. 11.7.1953 – II ZR 126/52, NJW 1953, 1465; OLG Düsseldorf v. 13.7.1979 – 8 U 132/78, BB 1979, 1314, 1315; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 73; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 94. 4 Vgl. etwa BGH v. 8.12.1977 – II ZR 219/75, WM 1978, 109, 110; BGH v. 24.11.1980 – II ZR 182/79, WM 1981, 30 = AG 1981, 73; BGH v. 13.2.1984 – II ZR 2/83, WM 1984, 532 = AG 1984, 266; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 95. 5 BGH v. 9.2.1978 – II ZR 189/76, WM 1978, 319, 320; Säcker, BB 1979, 1321, 1325 m.w.N. 6 BGH v. 14. 7. 1966 – II ZR 212/64, GmbHR 1966, 277; vgl. auch BGH v. 9.2.1978 – II ZR 189/76, WM 1978, 319, 320; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 95 u. 141; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 25.

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Bestellung und Anstellung des Vorstands

freigestellt wird1. Tritt eine Umwandlung in ein normales Arbeitsverhältnis ein, hat dies unter anderem zur Folge, dass für eine spätere Kündigung nicht mehr der Aufsichtsrat, sondern der Vorstand zuständig ist2. b) Zuständigkeitsfragen 410

Auch für die Beendigung des Anstellungsvertrages durch Kündigung seitens der Gesellschaft oder Abschluss eines Aufhebungsvertrags ist ausschließlich der Aufsichtsrat zuständig. Er kann die Entscheidung – ebenso wie den Vertragsabschluss – einem Ausschuss übertragen. Zur Abgabe der Kündigungserklärung gegenüber dem betroffenen Vorstandsmitglied können auch einzelne Aufsichtsratsmitglieder oder Dritte (z.B. andere Vorstandsmitglieder) bevollmächtigt werden3. Gleiches gilt für die Unterzeichnung des im Aufsichtsrat oder im Ausschuss beschlossenen Aufhebungsvertrages, wobei auch in diesem Fall der wesentliche Inhalt vom Plenum oder Ausschuss festgelegt sein muss, die genaue Formulierung des Vertragstextes einschließlich der Regelung von Einzelheiten jedoch dem Bevollmächtigten überlassen bleiben kann (vgl. schon oben Rn. 388).

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Wegen der ausschließlichen Plenarkompetenz zum Widerruf der Bestellung gilt für die Tätigkeit von Ausschüssen auch hier, was bereits zum Vertragsschluss gesagt wurde: Die Kündigung des Vertrages kann von einem Ausschuss erst beschlossen werden, wenn zuvor die Bestellung widerrufen wurde4. Das bedeutet aber nicht, dass der Ausschuss seine interne Entscheidung nicht schon vorher fällen könnte. Der Personalausschuss kann schon vor dem Widerruf der Bestellung die Kündigung des Vertrags für den Fall eines Bestellungswiderrufs beschließen und eines seiner Mitglieder bevollmächtigen, die Kündigung zu gegebener Zeit zu erklären5.

412

Das Gleiche gilt für eine einvernehmliche Aufhebung des Anstellungsverhältnisses. Ein Aufsichtsratsausschuss kann nicht eine Auf1 Vgl. zu diesen Fragen näher BGH v. 4.10.1973 – II ZR 130/71, WM 1973, 1320, 1321 f.; BGH v. 13.2.1984 – II ZR 2/83, WM 1984, 532, 533 = AG 1984, 266; BAG v. 25.6.1997 – 5 AZB 41/96, GmbHR 1997, 837, 838; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 24 f.; Bauer, DB 1992, 1413, 1421. 2 BGH v. 4.10.1973 – II ZR 130/71, WM 1973, 1320, 1322; BGH v. 27.3.1995 – II ZR 140/93, NJW 1995, 1750, 1751; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 25. 3 BGH v. 17.4.1967 – II ZR 157/64, BGHZ 47, 341, 350 f. 4 BGH v. 24.11.1980 – II ZR 182/79, BGHZ 79, 38, 44 = AG 1981, 73; BGH v. 25.2.1982 – II ZR 102/81, BGHZ 83, 144, 150; BGH v. 14.11.1983 – II ZR 33/83, BGHZ 89, 48, 56 = AG 1984, 48; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 38; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 91. 5 Hoffmann-Becking in FS Stimpel, 1985, S. 589, 595; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 75; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 38.

176

Das Anstellungsverhältnis

§7

hebung des Anstellungsverhältnisses vereinbaren, solange nicht das Plenum den Widerruf der Bestellung beschlossen oder eine einvernehmliche Aufhebung der Bestellung vereinbart hat1. Es steht aber nichts entgegen, dass der Ausschuss unter der aufschiebenden Bedingung eines Widerrufs oder einer einvernehmlichen Aufhebung der Bestellung durch das Plenum schon zuvor eine Vereinbarung über die Aufhebung des Anstellungsverhältnisses mit dem betreffenden Vorstandsmitglied trifft2. Nur darf der Ausschuss auch dabei nicht durch das Angebot oder die Vereinbarung unangemessener Ausscheidensbedingungen die Widerrufszuständigkeit des Plenums unterlaufen3. Eine Verpflichtung des Ausschusses, die unter dem Vorbehalt der Plenarentscheidung getroffenen Vereinbarungen unaufgefordert dem Gesamtaufsichtsrat vorzulegen, folgt daraus jedoch nicht4. Beschließt der Aufsichtsrat selbst über die Kündigung, gilt hierfür 413 nicht das abgestufte Beschlussverfahren nach § 31 MitbestG, sondern es findet § 29 MitbestG Anwendung. Für den Beschluss genügt also die einfache Mehrheit (näher unten Rn. 731 ff.). Der Aufsichtsrat kann aber nach § 29 MitbestG die Kündigung erst beschließen, wenn er zuvor im Verfahren nach § 31 MitbestG den Widerruf der Bestellung beschlossen hat5. c) Kündigung aus wichtigem Grund Gemäß § 626 BGB kann der Anstellungsvertrag aus wichtigem Grund 414 gekündigt werden. Dieses Erfordernis ist nicht mit dem wichtigen Grund für den Bestellungswiderruf nach § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG identisch. Ist ein wichtiger Grund zur Kündigung stets auch zum Widerruf der Bestellung ausreichend6, so genügt umgekehrt ein Widerrufsgrund keineswegs stets auch den Anforderungen des § 626 BGB7. Insbesondere der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung berechtigt nicht als solcher zur Kündigung des Anstellungsvertrages, 1 BGH v. 24.11.1980 – II ZR 182/79, BGHZ 79, 38, 43 f. = AG 1981, 73; BGH v. 14.11.1983 – II ZR 33/83, BGHZ 89, 48, 56 = AG 1984, 48; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 38; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 91. 2 Hoffmann-Becking in FS Stimpel, 1985, S. 589, 597 ff.; Bauer, DB 1992, 1413, 1421; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 88. 3 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 102/81, BGHZ 83, 144, 150 = AG 1982, 221. 4 Näher Hoffmann-Becking in FS Stimpel, 1985, S. 589, 600 ff.; vgl. auch oben Rn. 389. 5 Krieger, Personalentscheidungen, S. 175 f.; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 75. 6 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 103; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 77. 7 BGH v. 14.7.1966 – II ZR 212/64, WM 1966, 968, 969; BGH v. 8.12.1977 – II ZR 219/75, WM 1978, 109, 110; BGH v. 23.10.1995 – II ZR 130/94, WM 1995, 2064, 2065; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 39; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 127.

177

§7

Bestellung und Anstellung des Vorstands

sondern nur dann, wenn die dem Vertrauensentzug zugrundeliegenden Umstände den Anforderungen des § 626 BGB genügen1. 415

Ein wichtiger Kündigungsgrund liegt vor, wenn der Gesellschaft nach sorgfältiger und umfassender Abwägung ihrer Interessen gegen die Interessen des betroffenen Vorstandsmitglieds eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zu seinem Ablauf nicht mehr zugemutet werden kann2. Die Kündigung setzt keine Abmahnung nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen voraus3. Erschwerungen des Rechts zur außerordentlichen Kündigung durch Satzung oder Anstellungsvertrag zum Nachteil der Gesellschaft sind unwirksam4. Erleichterungen sind an und für sich zulässig5, man wird aber annehmen müssen, dass die Kündigung des Vertrages nicht an leichtere Voraussetzungen geknüpft werden kann als ein Widerruf der Bestellung; Gründe, die zum Widerruf der Bestellung nicht ausreichen, können auch nicht eine Kündigung des Vertrages rechtfertigen, weil sonst de facto über den Weg der erleichterten Vertragskündigung auch eine erleichterte Abberufung durchgesetzt werden könnte6. Außerdem ist die Kündigung des Vertrages aus einem Grund, der erst kraft Vereinbarung zur vorzeitigen Auflösung des Vertrages führt, nur unter Wahrung der Frist des § 622 Abs. 1 Satz 2 BGB möglich7.

416

Gemäß § 626 Abs. 2 BGB kann die Kündigung nur binnen einer Frist von zwei Wochen seit Kenntniserlangung von den Kündigungsgründen erfolgen. Die Frist beginnt nicht, solange zu einer sachgerechten

1 Vgl. BGH v. 20.10.1954 – II ZR 280/53, BGHZ 15, 71, 75; OLG Stuttgart v. 27.2.1979 – 12 U 171/77, WM 1979, 1296, 1297; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 40. 2 Wegen der Einzelheiten der Abwägung und zu Einzelfällen aus der Rechtsprechung vgl. namentlich Fleck, WM 1978 Sonderbeilage 3, S. 13; Fleck, WM 1981 Sonderbeilage 3, S. 12 f.; Fleck, WM 1985, 677, 680; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 78 f.; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 150 ff.; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 129 ff. 3 BGH v. 2.7.2007 – II ZR 71/06, ZIP 2007, 1566 = AG 2007, 699; BGH v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, ZIP 2001, 1957, 1958; Goette in FS Wiedemann, 2002, S. 873, 881 f.; differenzierend Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 164; a.A. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 136; Henssler, MünchKomm. BGB, § 626 Rn. 101; Grumann/Gillmann, DB 2003, 770, 774. 4 BGH v. 28.1.1953 – II ZR 265/51, BGHZ 8, 348, 361; BGH v. 30.11.1961 – II ZR 137/60, WM 1962, 201; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 77. 5 Fleck, WM 1981 Sonderbeilage 3, S. 11 f. 6 Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 77; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 138; vgl. dazu auch unten Rn. 420. 7 BGH v. 11.5.1981 – II ZR 126/80, WM 1981, 759 f. = AG 1982, 18; BGH v. 29.5.1989 – II ZR 220/88, ZIP 1989, 1190, 1192 = AG 1989, 437; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 77; Rellermeyer, ZGR 1993, 77, 82 ff.; a.A. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 138.

178

Das Anstellungsverhältnis

§7

Beurteilung noch weitere Ermittlungen erforderlich sind und auch tatsächlich mit der gebotenen Eile durchgeführt werden1. Die Frist beginnt grundsätzlich erst, wenn der maßgebliche Sachver- 417 halt in einer Aufsichtsratssitzung vorgetragen wird, zu der die Mitglieder ordnungsgemäß geladen und in beschlussfähiger Anzahl zusammengetreten sind2. Die Frist beginnt also nicht schon mit Kenntniserlangung durch einzelne Aufsichtsratsmitglieder3, auch nicht mit Kenntniserlangung durch den Aufsichtsratsvorsitzenden oder seinen amtierenden Stellvertreter4 und nicht einmal mit Kenntniserlangung durch alle Aufsichtsratsmitglieder außerhalb einer Sitzung5. Erforderlich ist für den Fristbeginn vielmehr, dass der Aufsichtsrat die Möglichkeit hatte, die Angelegenheit in einer Sitzung zu erörtern und darüber Beschluss zu fassen. Das setzt allerdings voraus, dass die Sitzung nicht unangemessen verzögert wird6. Erfahren der Aufsichtsratsvorsitzende oder andere Aufsichtsratsmitglieder den maßgeblichen Sachverhalt, sind diese gehalten, für eine Einberufung der Aufsichtsrats in angemessener Zeit7 zu sorgen, um diesen sodann zu informieren und eine Beschlussfassung herbeizuführen. Geschieht das nicht, ist es richtig, die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB in dem Zeitpunkt beginnen zu lassen, in welchem der Aufsichtsrat bei zeitgerechter Einberufung hätte informiert werden und einen Beschluss fassen können8. 1 BGH v. 19.5.1980 – II ZR 169/79, WM 1980, 1139 = AG 1981, 47; BGH v. 2.7.1984 – II ZR 16/84, WM 1984, 1187; BGH v. 26.2.1996 – II ZR 114/95, NJW 1996, 1403, 1404; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 59; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 81 f. 2 BGH v. 15.6.1998 – II ZR 318/96, BGHZ 139, 89, 92 f.; BGH v. 5.4.1990 – IX ZR 16/89, WM 1990, 1028, 1030; BGH v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, NZG 2002, 46, 47; KG v. 27.9.2004 – 2 U 191/02, NZG 2004, 1165, 1167 = AG 2005, 205; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 80; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 42. 3 So noch BAG v. 20.9.1984 – 2 AZR 73/83, WM 1985, 305; OLG Stuttgart v. 27.2.1979 – 12 U 171/77, WM 1979, 1296, 1297. 4 So noch Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 144. 5 So noch BGH v. 17.3.1980 – II ZR 178/79, WM 1980, 957 (für GmbH-Gesellschafter). 6 BGH v. 15.6.1998 – II ZR 318/96, BGHZ 139, 89, 92 f.; BGH v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, ZIP 2001, 1957, 1958; KG v. 27.9.2004 – 2 U 191/02, NZG 2004, 1165, 1167 = AG 2005, 205; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 42; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 158; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 80. 7 Das schließt die für eine ordentliche Sachverhaltsaufklärung nötige Zeit ein; vgl. dazu näher Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 80; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 158. 8 BGH v. 15.6.1998 – II ZR 318/96, BGHZ 139, 89, 92 f.; BGH v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, ZIP 2001, 1957, 1958; OLG München v. 14.7.2005 – 6 U 5444/04, WM 2006, 526, 529 = AG 2005, 776; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 80.

179

§7

Bestellung und Anstellung des Vorstands

418

In mitbestimmten Gesellschaften wird man annehmen müssen, dass die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB unterbrochen wird, wenn innerhalb der Frist das Ausschussverfahren nach § 31 Abs. 3 und 5 MitbestG eingeleitet wird; nach Beendigung des Ausschussverfahrens läuft die Frist von neuem1.

419

Im Rechtsstreit um die Wirksamkeit der Kündigung hat die Gesellschaft die Beweislast für die Einhaltung der Ausschlussfrist2. Kündigungsgründe, die mit den bei der Kündigung geltend gemachten Gründen nicht zusammenhängen, können nur nachgeschoben werden, wenn sie im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung schon vorgelegen haben und die Zweiwochenfrist für diese Kündigungsgründe seinerzeit noch nicht abgelaufen war3. Ein Beschluss des Aufsichtsrats, die Kündigung auch auf diese Gründe zu stützen, ist nicht erforderlich4; hingegen muss der Aufsichtsrat erneut die Kündigung beschließen, wenn er diese auf Gründe stützen will, die erst nach Ausspruch der ursprünglichen Kündigung eingetreten sind. d) Ordentliche Kündigung; Aufhebungsvertrag

420

Die ordentliche Kündigung eines Anstellungsvertrages kommt schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen nur in Betracht, wenn der Vertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen ist oder wenn er bei Abschluss auf bestimmte Zeit das Recht zur ordentlichen Kündigung besonders vorsieht. Auch unter diesen Voraussetzungen ist eine ordentliche Kündigung durch den Aufsichtsrat nur möglich, wenn zugleich die Voraussetzungen eines Widerrufs der Bestellung erfüllt sind5. Denn ließe man eine Kündigung ohne wichtigen Grund zu, 1 Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 25; Raiser, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 40; Martens in FS Werner, 1984, S. 495, 509 f.; Krieger, Personalentscheidungen, S. 179 f.; etwas anders Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 83 (Hemmung der Zweiwochenfrist durch den Beginn des Verfahrens im Vermittlungsausschuss); a.A. LG Ravensburg EWiR, § 31 MitbestG 1/85, 415; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 43; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 143. 2 BGH v. 2.7.1984 – II ZR 16/84, WM 1984, 1187; BGH v. 5.4.1990 – IX ZR 16/89, NJW-RR 1990, 1330, 1331; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 148. 3 BGH v. 22.4.1982 – VII ZR 160/81, WM 1982, 797, 798; BGH v. 17.10.1983 – II ZR 31/83, WM 1984, 29; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 82. Zur Frage der Verwirkung bereits länger bekannter Kündigungsgründe vgl. BAG v. 5.5.1977 – 2 AZR 297/76, DB 1978, 353 f.; OLG Stuttgart v. 27.2.1979 – 12 U 171/77, DB 1979, 884, 885 f.; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 149. 4 BGH v. 13.7.1998 – II ZR 131/97, AG 1998, 519, 520; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 82. 5 BGH v. 16.12.1953 – II ZR 41/53, BGHZ 12, 1, 9 f.; OLG Karlsruhe v. 10.7.1973 – 8 U 74/73, BB 1973, 1088; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21

180

Das Anstellungsverhältnis

§7

würde im Ergebnis unter Umgehung des § 84 Abs. 3 AktG auch ein Widerruf der Bestellung ohne wichtigen Grund ermöglicht, weil das Vorstandsmitglied durch eine Vertragskündigung zumindest faktisch zur Amtsniederlegung gezwungen würde. Es ist daher auch nicht möglich, mit einem neuen Vorstandsmitglied eine „Probezeit“ zu vereinbaren, in der die Gesellschaft das Anstellungsverhältnis unter erleichterten Voraussetzungen kündigen kann. Eine „Probezeit“ kann nur darin bestehen, dass für die erste Amtsperiode eine kürzere Bestellungsdauer (mindestens aber ein Jahr, vgl. oben Rn. 356) gewählt wird, während derer dann aber die allgemeinen Regeln gelten. Eine einvernehmliche Aufhebung des Anstellungsverhältnisses ist jederzeit möglich und bedarf keines wichtigen Grundes. Zur Kompetenzabgrenzung zwischen Plenum und Ausschuss bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages vgl. oben Rn. 412. e) Kündigung durch das Vorstandsmitglied Auch dem Vorstandsmitglied kann das Recht zur Kündigung aus 421 wichtigem Grund gemäß § 626 BGB zustehen. Das kommt bei schwerwiegenden Vertragsverletzungen seitens der Gesellschaft in Betracht1. Daneben wird der Verlust der eigenverantwortlichen Leitungsbefugnis durch Abschluss eines Beherrschungsvertrages oder durch Eingliederung als wichtiger Kündigungsgrund genannt2. Das ist in dieser Allgemeinheit jedoch nicht überzeugend, sondern wird danach zu beurteilen sein, inwieweit sich durch die entsprechende Strukturmaßnahme im Einzelfall tatsächlich die Verhältnisse ändern. Der Abschluss eines Beherrschungsvertrages zum Beispiel kann im Einzelfall eine nachhaltige Schmälerung der Eigenverantwortlichkeit des Vorstands zur Folge haben, er kann aber auch (zum Beispiel in einer bislang schon eng geführten 100 % Tochter) eher eine Formalie darstellen. In der Praxis finden sich zunehmend change of controlKlauseln, die dem Vorstandsmitglied das Recht geben, im Falle einer – im einzelnen definierten – Übernahme das Recht geben, das Vorstandsamt niederzulegen und den Anstellungsvertrag außerordentlich zu kündigen; zugleich wird dem Vorstandsmitglied für den Fall der Ausübung dieses Rechts eine Abfindungsleistung zugesagt. Wegen der damit verbundenen Auswirkungen auf das Vorstandsamt

Rn. 84; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 92; Krieger, Personalentscheidungen, S. 180 ff. 1 Beispiele bei Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 168; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 86. 2 Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 168; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 86; Thüsing in Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 5 Rn. 77.

181

§7

Bestellung und Anstellung des Vorstands

kann ein Ausschuss solche Klauseln im Anstellungsvertrag nur mit Zustimmung des Plenums vereinbaren1. 422

Eine ordentliche Kündigung durch das Vorstandsmitglied ist bei Verträgen auf unbestimmte Zeit möglich; es steht auch nichts entgegen, bei einem Vertrag auf bestimmte Zeit dem Vorstandsmitglied das Recht zur ordentlichen Kündigung im Vertrag einzuräumen. Ein Ausschuss des Aufsichtsrats kann einen Anstellungsvertrag, der dem Vorstand die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung gibt, allerdings nur mit Zustimmung des Plenums abschließen2. In der Praxis sind solche Gestaltungen selten und im allgemeinen auch nicht zu empfehlen3. f) Leistungen an ausscheidende Vorstandsmitglieder

423

Im Zusammenhang mit dem Ausscheiden von Vorstandsmitgliedern sind vielfach finanzielle Fragen klärungsbedürftig. Dazu hat der BGH im Mannesmann-Urteil (vgl. schon oben Rn. 399) den Grundsatz aufgestellt, dass belohnende Leistungen an Vorstandsmitglieder unzulässig und als Untreue strafbar seien. Zulässig seien nur solche Leistungen, auf die das Vorstandsmitglied entweder einen vertraglichen Anspruch habe oder denen ein angemessener Vorteil für die Gesellschaft gegenüber stehe, zumindest in Form einer Anreizwirkung für andere Führungskräfte4.

424

Bei vorzeitiger Vertragsaufhebung kann nach diesen Grundsätzen als Abfindung ein Betrag gezahlt werden, der sich an den für die restliche Vertragslaufzeit geschuldeten Leistungen der Gesellschaft bemisst. Allerdings wird man neben einer Abzinsung fordern müssen, dass – wenn der Vertrag nicht ohnehin nur noch eine geringe Restlaufzeit hat – ein angemessener Abzug für den Verzicht auf die bei Fortbestand des Vertrages geschuldete Anrechnung anderweitigen Einkommens (§ 615 Satz 2 BGB) gemacht wird5. Eine Abfindung, die über eine volle Abgeltung der vertraglichen Ansprüche für die restliche Vertragslaufzeit hinausgeht, ist vor dem Hintergrund der

1 Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 87; vgl. zur Zulässigkeit im Übrigen näher unten Rn. 425. 2 Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 191; Grobys/Littger, BB 2002, 2292, 2295. 3 Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 191. 4 BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, ZIP 2006, 72, 74 = AG 2006, 110 (Mannesmann); mit Recht ablehnend die ganz h.M. in der Literatur, vgl. oben Rn. 399 Fn. 5. 5 Hoffmann-Becking, ZIP 2007, 2101, 2104.

182

Das Anstellungsverhältnis

§7

Mannesmann-Entscheidung nur in Ausnahmefällen denkbar1, insbesondere dann, wenn der Vertrag einen entsprechenden Abfindungsanspruch gewährt. Ziff. 4.2.3 Abs. 4 des Kodex regt an, bei Abschluss von Vorstandsverträgen darauf zu achten, dass Zahlungen bei vorzeitiger Beendigung der Vorstandstätigkeit ohne wichtigen Grund den Wert von zwei Jahresvergütungen nicht überschreiten (AbfindungsCap). Technisch lässt sich das für Fälle, in denen ein wichtiger Grund zum Widerruf der Bestellung besteht, durch eine Koppelungs- oder Kündigungsklausel im Anstellungsvertrag erreichen, die vorsieht, dass bei Beendigung der Bestellung auch der Anstellungsvertrag endet oder ordentlich gekündigt werden kann und das Vorstandsmitglied in diesem Fall einen Abfindungsanspruch hat, sofern nicht ein wichtiger Grund zur Kündigung des Anstellungsvertrages vorliegt2. Fehlt ein wichtiger Abberufungsgrund, hilft eine solche Klausel jedoch nicht, solange nicht das Vorstandsmitglied bereit ist, einvernehmlich zu diesen Konditionen auszuscheiden3. Change of Control-Klauseln sehen zumeist vor, dass das Vorstands- 425 mitglied im Falle einer (näher definierten) Übernahme der Gesellschaft das Recht hat, seine Vorstandstätigkeit vorzeitig zu beenden und unter Zahlung einer Abfindung auszuscheiden4. Solche Regelungen sollen sicherstellen, dass Vorstandsmitglieder bei einer Übernahmesituation ihr Verhalten ohne Sorge um die eigene wirtschaftliche Lage ausschließlich am Interesse des Unternehmens und seiner Aktionäre ausrichten können5. Sie sind, solange sich die geldwerten Leistungen im Rahmen des Angemessenen bewegen, rechtlich unbedenklich6. Das ist auch dann nicht anders, wenn eine Change of Control-Klausel in Erwartung eines konkreten Übernahmeversuchs abgeschlossen wird, denn ihr Zweck, die Unabhängigkeit des Vorstands 1 Hoffmann-Becking, ZIP 2007, 2101, 2104; Lutter, ZIP 2006, 733, 737; Spindler, MünchKomm. AktG, § 87 Rn. 67 ff.; Kort, Großkomm. AktG, § 87 Rn. 340. Zu großzügig noch Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 344 (noch vor dem MannesmannUrteil). 2 Vgl. dazu Hoffmann-Becking, ZIP 2007, 2101, 2106; Dorrwächter/Trafkowski, NZG 2007, 846, 849. 3 Näher Hoffmann-Becking, ZIP 2007, 2101, 2106; Bauer/Arnold, BB 2007, 1793, 1794 f.; Dorrwächter/Trafkowski, NZG 2007, 846, 848 ff. 4 Näher Hoffmann-Becking, ZIP 2007, 2101, 2103 f.; Dorrwächter/Trafkowski, NZG 2007, 846, 847; Dreher, AG 2002, 214, 217 ff.; Beiner, Vorstandsvertrag, Rn. 348 f. 5 Hoffmann-Becking, ZIP 2007, 2101, 2103; Dreher, AG 2002, 214, 216 f.; Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 269; Dorrwächter/Trafkowski, NZG 2007, 846, 847. 6 Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 87; Kort, AG 2006, 106, 108; Dreher, AG 2002, 214, 216 f.; a.A. Lutter, ZIP 2006, 733, 736, der die Zusage einer Abfindung in der Change of Control-Klausel für unangemessen und unzulässig ansieht.

183

§7

Bestellung und Anstellung des Vorstands

zu sichern, ist auch dann noch erreichbar1. Als Abfindung ist häufig die Abgeltung der Ansprüche für die restliche Vertragslaufzeit und eine Zusatzzahlung von ein bis zwei Jahresbezügen vorgesehen2. Ziff. 4.2.3 Abs. 5 des Kodex regt hierzu an, dass die Leistungszusage aus einer Change of Control-Klausel 150 % des Abfindungs-Caps nach Abs. 4 (vgl. oben Rn. 424) nicht übersteigen sollte, d.h. sie sollte auf insgesamt max. drei Jahresbezüge beschränkt sein3. 426

Zu den üblichen Leistungszusagen an ausgeschiedene Vorstandsmitglieder gehören schließlich Ruhegehaltsregelungen, die für das Vorstandsmitglied und seine Hinterbliebenen Ansprüche auf Alters- und Berufsunfähigkeitsversorgung begründen4. Auch solche Zusagen unterliegen als Teil der Gesamtbezüge dem Angemessenheitsgebot des § 87 AktG. Dieses betrifft nicht nur die Leistungshöhe, sondern auch die Tatsache, dass die Versorgungsanwartschaft nach 5 Jahren (und zusätzlicher Vollendung des 30. Lebensjahres) unverfallbar wird (§ 1b Abs. 1 Satz 1 BetrAVG)5; es gilt umso mehr, wenn vereinbart wird, dass die Versorgungsanwartschaft sofort oder jedenfalls früher als nach § 1b Abs. 1 BetrAVG vorgesehen unverfallbar sein solle6. Ruhegehaltszahlungen müssen überdies rechtzeitig erteilt werden; einer Gewährung oder Aufbesserung von Pensionszusagen erst bei Ausscheiden wird in aller Regel das Mannesmann-Urteil des BGH entgegenstehen (vgl. dazu oben Rn. 399, 423). Neben Pensionszusagen stehen Vereinbarungen, die dem Vorstandsmitglied für den Fall unverschuldeten Ausscheidens ein Übergangsgeld gewähren, zumeist in Höhe der vereinbarten Ruhegeldleistungen („dritter Pensionsfall“)7. Solche Leistungen, die die Zeit bis zum regulären Eintritt in den Ruhestand oder bis zur Aufnahme einer neuen Tätigkeit überbrücken sollen, sind vertretbar, wenn sie sich auf einen angemessenen Zeitraum beschränken, sie werden jedoch in aller Regel gegen § 87 AktG verstoßen, wenn der Zeitraum nicht begrenzt ist und die Zahlungen 1 Insoweit a.A. Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 87; Kort, AG 2006, 106, 108. 2 Näher Hoffmann-Becking, ZIP 2007, 2101, 2104; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 87; Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 273; Kort, AG 2006, 106, 107; Bauer/Krets, DB 2003, 811, 816. 3 Vgl. hierzu Hoffmann-Becking, ZIP 2007, 2101, 2106 f. 4 Dazu eingehend Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 215 ff.; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 45 ff.; Grattenthaler, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Aktiengesellschaften, 2007, S. 254 ff.; Beiner, Vorstandsvertrag, Rn. 353 ff. 5 Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 45; Grattenthaler, Die Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Aktiengesellschaft, 2007, S. 294 ff. 6 Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 234; vgl. auch Beiner, Vorstandsvertrag, Rn. 390. 7 Näher Beiner, Vorstandsvertrag, Rn. 386 ff.; Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 221 f.

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Das Anstellungsverhältnis

§7

für viele Jahre oder gar Jahrzehnte bis zum Eintritt in den Ruhestand geschuldet werden. Außerdem ist die Anrechnung anderweitigen Einkommens zwingend zu vereinbaren1. Die Vereinbarung einer Abfindung- oder Übergangszahlung auch für den Fall einer Abberufung oder Kündigung aus wichtigem Grund ist unwirksam2. Von der Verpflichtung zur individualisierten Offenlegung der Vor- 427 standsbezüge im Jahres- und Konzernabschluss einer börsennotierten AG werden Abfindungszahlungen, die bei Beendigung der Tätigkeit vereinbart werden, nicht erfasst. §§ 285 Satz 1 Nr. 9 Buchst. a Satz 6, 314 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a Satz 6 HGB betreffen nur Leistungszusagen, die dem Vorstandsmitglied im Voraus für den Fall einer späteren Beendigung seiner Tätigkeit gemacht werden3. Demgegenüber sind die den Vorstandsmitgliedern im Rahmen einer Change of ControlKlausel zugesagten Abfindungsleistungen im Anhang des Einzelabschlusses und des Konzernabschlusses individualisiert anzugeben4. g) Änderungskündigung, Versetzungsklauseln, Herabsetzung der Vorstandsbezüge Die gleichen Rechtsgrundsätze wie für Beendigungskündigungen gel- 428 ten auch für Änderungskündigungen. Sie sind nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig und setzen eine vorherige Beschlussfassung des Aufsichtsratsplenums voraus, die in mitbestimmten Gesellschaften im Verfahren nach § 31 MitbestG zu erfolgen hat. Ließe man Änderungskündigungen unter erleichterten Voraussetzungen zu, würde auch dies im Ergebnis zu einer Umgehung der Vorschriften über den Widerruf der Bestellung führen5. Das Gleiche gilt, aus den gleichen Gründen, für die Ausübung eines im Anstellungsvertrag vorbehaltenen Versetzungsrechts6. Nach § 87 Abs. 2 AktG kann der Aufsichtsrat die Bezüge der Vorstandsmitglieder einseitig herabsetzen, sofern ihre Weitergewährung aufgrund einer wesentlichen Verschlechterung der Verhältnisse der Gesellschaft zu einer schweren Unbilligkeit führen würde7. Man 1 Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 234; vgl. auch Beiner, Vorstandsvertrag, Rn. 390. 2 BGH v. 3.7.2000 – II ZR 282/98, ZIP 2000, 1442 und BGH v. 17.3.2008 – II ZR 239/06, NZG 2008, 471. 3 Begr. RegE BR-Drucks. 398/05, S. 10; Hoffmann-Becking, ZIP 2007, 2101, 2107 f.; Liese, DB 2007, 209; Baums, ZHR 169 (2005), 299, 305; a.A. Thüsing, ZIP 2005, 1389, 1392; Leuering/Simon, NZG 2005, 945, 946. 4 IDW ERS HfA 20, Rn. 15; Hoffmann-Becking, ZIP 2007, 2101, 2109. 5 Näher dazu Krieger, Personalentscheidungen, S. 182. 6 Krieger, Personalentscheidungen, S. 182 f. 7 Näher Weisner/Kölling, NZG 2003, 465 ff.

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429

§7

Bestellung und Anstellung des Vorstands

wird anzunehmen haben, dass auch diese Entscheidung analog § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG nicht von einem Ausschuss getroffen werden kann, sondern dem Plenum vorbehalten ist1, das in mitbestimmten Gesellschaften nicht im Verfahren nach § 31 MitbestG, sondern nach den Regeln des § 29 MitbestG mit einfacher Mehrheit entscheidet. h) Rechtsschutz 430

Hält das Vorstandsmitglied eine Kündigung für unwirksam, kann es auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung und auf Weiterzahlung der Bezüge klagen. Die Klage ist gegen die Gesellschaft zu richten, die dabei vom Aufsichtsrat vertreten wird2. Für eine Zahlungsklage aus dem Anstellungsvertrag empfiehlt sich der Urkundenprozess (§§ 592 ff. ZPO). Zuständig ist das Landgericht, Kammer für Handelssachen. Hatte sich das Anstellungsverhältnis allerdings bereits in ein gewöhnliches Arbeitsverhältnis umgewandelt (vgl. oben Rn. 409), wird die Gesellschaft vom Vorstand vertreten; zuständig ist dann das Arbeitsgericht3.

5. Anstellungsverträge zwischen Vorstandsmitgliedern und Dritten 431

In Konzernverhältnissen kommt es vor, dass der Anstellungsvertrag des Vorstandsmitglieds einer konzernabhängigen Gesellschaft nicht mit dieser Gesellschaft, sondern mit der Konzernobergesellschaft geschlossen wird; umgekehrt kommt es vor, dass Vorstandsmitglieder abhängiger Gesellschaften zugleich in den Vorstand der Obergesellschaft berufen werden, ohne dort einen eigenen Anstellungsvertrag zu erhalten. Ob solche Verlagerungen des Anstellungsverhältnisses zulässig sind, ist zweifelhaft und umstritten. Zunehmend wird darin eine unzulässige Verletzung der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung und Gefährdung der Unabhängigkeit des Vorstands gesehen, nach anderer Ansicht sind Drittanstellungsverträge unter dem Vorbehalt zulässig, dass in Konfliktfällen ein strikter Vorrang für den Schutz des Organverhältnisses besteht4. Für die Praxis ist es in jedem 1 Krieger, Personalentscheidungen, S. 184 ff.; a.A. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 87 Rn. 12; Hüffer, Komm. AktG, § 87 Rn. 10; Fleischer in Spindler/ Stilz, Komm. AktG, § 87 Rn. 34. 2 BGH v. 9.10.1986 – II ZR 284/85, AG 1987, 19 f.; BGH v. 8.2.1988 – II ZR 159/87, WM 1988, 413 = AG 1988, 168; vgl. auch unten Rn. 433. 3 Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 25. 4 Gegen die Zulässigkeit einer Drittanstellung insbesondere Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 51; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 66; Thüsing in Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 4 Rn. 68 f.; Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 73 f.; Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 198; Theobald in FS Raiser, 2005, S. 421,

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§7

Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern

Fall zu empfehlen, den Anstellungsvertrag mit der „eigenen“ Gesellschaft zu schließen, wobei dieser Vertrag dann naturgemäß von zusätzlichen Vereinbarungen begleitet werden kann, in denen ein Dritter z.B. die Bezüge garantiert, eine Wiedereinstellungszusage abgibt u.Ä. Rechtlich wird man im Ergebnis auch einen Verzicht auf den Abschluss eines Anstellungsvertrages mit der Gesellschaft zu Gunsten einer Drittanstellung akzeptieren können, allerdings nur unter dem Vorbehalt der Eigenverantwortlichkeit des Vorstands (§ 76 AktG) und der ausschließlichen Bestellungszuständigkeit des Aufsichtsrats (§ 84 AktG). Daraus folgt, dass der Vertragspartner aufgrund des Anstellungsvertrages nicht befugt ist, Weisungen hinsichtlich der Amtsführung des Vorstands auszusprechen1 und er auch nicht berechtigt ist, ohne Zustimmung durch die Gesellschaft den Anstellungsvertrag zu beenden oder zu ändern; für eine Zustimmung durch die Gesellschaft gelten sowohl hinsichtlich der Zuständigkeit des Aufsichtsrats als auch der Voraussetzungen genau die gleichen Grundsätze wie für die Beendigung oder Änderung eines durch die Gesellschaft selbst geschlossenen Anstellungsvertrags2. Soll die Gesellschaft sich verpflichten, dem Dritten die Aufwendungen zu erstatten, die dieser im Zusammenhang mit dem Anstellungsvertrag hat, so gelten für eine solche Erstattungsvereinbarung ganz die gleichen Regelungen wie für einen unmittelbar durch die Gesellschaft abgeschlossenen Anstellungsvertrag. Insbesondere ist für eine solche Erstattungsvereinbarung ausschließlich der Aufsichtsrat zuständig3.

IV. Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern; Verfolgung von Schadensersatzansprüchen 1. Gerichtliche und außergerichtliche Vertretung durch den Aufsichtsrat Im Zusammenhang mit der Regelung des Anstellungsverhältnisses obliegt dem Aufsichtsrat die Entscheidung über eine Befreiung des 423 ff., 435 ff.; zweifelnd auch Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 14, soweit kein Beherrschungsvertrag oder eine Eingliederung bestünden. Für die Zulässigkeit bei Vorrang des Organverhältnisses Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 3; Seibt in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 84 Rn. 26; Krieger, Personalentscheidungen, S. 186 ff.; Martens in FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 437, 442 ff.; Hueck, ZfA 1985, 25, 36. 1 Baums, Geschäftsleitervertrag, S. 62; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 3. 2 Näher Krieger, Personalentscheidungen, S. 186 f.; den Vorrang des Organverhältnisses heben auch hervor Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 3; Martens in FS Hilger/Stumpf, 1983, S. 437, 442 ff.; Hueck, ZfA 1985, 25, 36. 3 Näher Krieger, Personalentscheidungen, S. 187 f.

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§7

Bestellung und Anstellung des Vorstands

Vorstands vom gesetzlichen Wettbewerbsverbot (§ 88 Abs. 1 AktG) und über Kreditgewährungen an Vorstandsmitglieder (vgl. näher § 89 AktG)1. Der Aufsichtsrat ist darüber hinaus für sämtliche anderen Rechtsgeschäfte zwischen der Gesellschaft und Mitgliedern des Vorstands ausschließlich zuständig. Er vertritt die Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern gerichtlich und außergerichtlich (§ 112 AktG). Das umfasst sowohl die interne Willensbildung, ob und mit welchem Inhalt das Geschäft geschlossen werden soll, als auch die Abgabe der erforderlichen Erklärungen nach außen. 433

Geschäfte, bei denen die Gesellschaft unter Verstoß gegen § 112 AktG nicht vom Aufsichtsrat oder einem Aufsichtsratsausschuss (vgl. Rn. 438) vertreten wird, sind nach überwiegender Meinung nichtig2. Die besseren Argumente sprechen wohl dafür, solche Geschäfte als schwebend unwirksam anzusehen mit der Folge, dass der Aufsichtsrat sie genehmigen kann (§§ 177 ff. BGB)3. Prozessual führt eine fehlerhafte Vertretung der AG im Rechtsstreit mit einem Vorstandsmitglied zur Abweisung der Klage als unzulässig, wenn der Aufsichtsrat die Prozessführung für die Gesellschaft nicht nachträglich genehmigt4.

434

Die Vertretungsmacht des Aufsichtsrats nach § 112 AktG umfasst zunächst alle Rechtsgeschäfte und Rechtsstreitigkeiten mit amtierenden Vorstandsmitgliedern. Dazu zählen auch Personen, deren Bestellung zum Vorstand nichtig ist und die nur faktisch als Vorstandsmitglied tätig sind (vgl. oben Rn. 359 f.)5. Sachlich ist die Vertretungsmacht insoweit nicht beschränkt. Das Gesetz enthält auch keine Bagatellklausel, so dass im Verhältnis zu amtierenden Vorstandsmitgliedern im Grundsatz auch Geschäfte des täglichen Lebens 1 Zu Krediten an Vorstandsmitglieder vgl. auch LG Aurich v. 24.7.1986 – 2 O 462/86, AG 1987, 320 ff. 2 OLG Stuttgart v. 20.3.1992 – 2 U 115/90, BB 1992, 1669 f. = AG 1993, 85; BGH v. 9.10.1986 – II ZR 284/85, AG 1987, 19 f.; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 112 Rn. 5; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 96. 3 OLG Celle v. 25.2.2002 – 4 U 176/01, AG 2003, 433; Werner, ZGR 1989, 369, 389 ff.; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 112 Rn. 44; Pluskat/ Baßler, Der Konzern 2006, 403, 406; Leuering in FS Kollhosser, 2004, S. 361, 373; differenzierend Hüffer, Komm. AktG, § 112 Rn. 7; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 112 Rn. 19; offengelassen in BGH v. 7.7.1993 – VIII ZR 2/92, AG 1994, 35. 4 BGH v. 21.6.1999 – II ZR 27/98, ZIP 1999, 1669, 1670; BGH v. 8.9.1997 – II ZR 55/96, WM 1998, 308, 309. Wenn die Tatsacheninstanzen auf den Fehler nicht hingewiesen haben, wird man in der Revisionsinstanz allerdings – entgegen der Praxis des Bundesgerichtshofs – eine Zurückverweisung fordern müssen, damit der Kläger den Fehler durch nachträgliche Zustellung an den Aufsichtsrat heilen kann; vgl. hierzu näher Hager, NJW 1992, 352. 5 Werner, ZGR 1989, 369, 376 f.; Hüffer, Komm. AktG, § 112 Rn. 2; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 31.

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Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern

§7

von der Vertretungsmacht des Aufsichtsrats erfasst werden1; vgl. allerdings noch unten Rn. 438). Die Vertretungsmacht des Aufsichtsrats nach § 112 AktG beschränkt 435 sich auf Geschäfte mit den Vorstandsmitgliedern selbst. Handelt ein Vorstandsmitglied als Vertreter eines Dritten, wird die Gesellschaft nicht vom Aufsichtsrat vertreten2. Ebensowenig vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft bei Rechtsgeschäften mit Dritten, mögen diese auch zu Gunsten eines Vorstandsmitglieds erfolgen. Schließt die Gesellschaft z.B. für ihre Vorstandsmitglieder eine D&O- oder eine Unfallversicherung ab, wird sie bei Abschluss des Versicherungsvertrages nicht durch den Aufsichtsrat vertreten3; der Aufsichtsrat hat jedoch zuvor im Rahmen seiner Anstellungskompetenz die Entscheidung zu treffen, dass die Gesellschaft eine solche Versicherung für ihre Vorstände abschließt. Ebensowenig vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft bei der Ausübung von Gesellschafterrechten in Tochtergesellschaften, wenn dort eines der Vorstandsmitglieder der Gesellschaft zum Mitglied des Tochter-Aufsichtsrats oder der Tochter-Geschäftsführung bestellt werden soll4. Zweifelhaft ist die Vertretung der Gesellschaft bei der Ausgabe von Wandel- oder Optionsanleihen an Vorstandsmitglieder; da es sich hier um ein Rechtsgeschäft zwischen Gesellschaft und Vorstand handelt, dürfte § 112 AktG die alleinige Vertretungsmacht des Aufsichtsrats begründen5. Gleiches gilt für die Ausgabe der Bezugsrechte an Vorstandsmitglieder im Rahmen eines stock option-Programms nach § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG6. Die Gesellschaft wird auch gegenüber ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern vom Aufsichtsrat vertreten, soweit ein Zusammenhang mit der früheren Vorstandstätigkeit besteht. Der Bundesgerichtshof ist zunächst davon ausgegangen, dass die Gesellschaft gegenüber ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern vom Vorstand vertreten werde7. 1 Hüffer, Komm. AktG, § 112 Rn. 103; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 112 Rn. 22; Habersack, MünchKomm. AktG, § 112 Rn. 19. 2 Habersack, MünchKomm. AktG, § 112 Rn. 8; näher Werner, ZGR 1989, 369, 372 ff. 3 Habersack, MünchKomm. AktG, § 112 Rn. 8; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 112 Rn. 21; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 112 Rn. 65. 4 Näher Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 112 Rn. 66 ff.; a.A. LG Berlin v. 18.12.1996 – 98 T 79/96, NJW-RR 1997, 1534, 1535. 5 Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 112 Rn. 48; Hüffer, ZHR 161 (1997), 214, 232 f.; Baums in FS Claussen, 1997, S. 3, 29 ff.; a.A. OLG Stuttgart v. 12.8.1998 – 20 U 111/97, ZIP 1998, 1482, 1486 = AG 1998, 529, die Ausgabe der Anleihe sei gemäß § 221 Abs. 2 AktG zwingend dem Vorstand vorbehalten. 6 Krieger, Münchener Hdb. AG, § 63 Rn. 37. 7 BGH v. 28.4.1957 – II ZR 211/53, BGHZ 13, 188, 191; BGH v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, BGHZ 41, 223, 227.

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436

§7

Bestellung und Anstellung des Vorstands

Diesen Grundsatz hat die Rechtsprechung im Laufe der Zeit immer weiter zu Gunsten der Vertretungskompetenz des Aufsichtsrats eingeschränkt; sie geht heute davon aus, dass die Vertretung gegenüber ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern immer dann dem Aufsichtsrat zustehe, wenn aufgrund einer typisierenden Betrachtung die abstrakte Gefahr einer nicht unbefangenen Vertretung durch den Vorstand bestehe1. Dazu zählen z.B. alle Streitigkeiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der Bestellung oder der Kündigung des Anstellungsvertrags, die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen aus der früheren Vorstandstätigkeit, die Regelung von Versorgungsangelegenheiten usw.2. Der Aufsichtsrat vertritt die Gesellschaft gegenüber ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern gerichtlich und außergerichtlich immer dann, wenn es um Fragen geht, die einen Zusammenhang mit der Vorstandstätigkeit des Betreffenden haben3. Das erfasst auch den Abschluss von Beraterverträgen mit ehemaligen Vorstandsmitgliedern4. Hingegen ist der Vorstand vertretungsbefugt für Geschäfte und Rechtsstreitigkeiten, die mit der früheren Vorstandstätigkeit nichts zu tun haben (sog. neutrale Geschäfte)5. Die gleichen Grundsätze gelten auch für die Vertretung der Gesellschaft gegenüber Hinterbliebenen früherer Vorstandsmitglieder6 und auch gegenüber ehemaligen Geschäftsführern einer zwischenzeitlich in die Rechtsform der AG umgewandelten7 oder auf eine AG verschmolzenen GmbH. 437

Schließlich kann der Aufsichtsrat die Gesellschaft auch gegenüber Personen vertreten, die als Vorstandsmitglieder in Aussicht genom-

1 BGH v. 22.4.1991 – II ZR 151/90, WM 1991, 941 = AG 1991, 269. 2 Vgl. etwa BGH v. 11.5.1981 – II ZR 126/80, WM 1981, 759 = AG 1982, 18; BGH v. 8.2.1988 – II ZR 159/87, WM 1988, 413 = AG 1988, 168; BGH v. 13.2.1989 – II ZR 209/88, WM 1989, 637 = AG 1989, 247; BGH v. 22.4.1991 – II ZR 151/90, WM 1991, 941 = AG 1991, 269; BGH v. 28.4.1997 – II ZR 282/95, ZIP 1997, 1108 = AG 1997, 417; OLG Düsseldorf v. 28.11.1996 – 6 U 11/95, AG 1997, 231, 234. 3 Hüffer, Komm. AktG, § 112 Rn. 3; Werner, ZGR 1989, 369, 377 ff. m.w.N.; Brandner in FS Quack, 1991, S. 201, 206 f.; Rellermeyer, ZGR 1993, 77, 80 ff.; a.A. OLG Köln v. 21.1.1992 – 22 U 173/91, AG 1993, 518 = OLGZ 1993, 337 f. 4 BGH v. 7.7.1993 – VIII ZR 2/92, ZIP 1993, 1380, 1381 = AG 1994, 35. 5 Habersack, MünchKomm. AktG, § 112 Rn. 15; Hüffer, Komm. AktG, § 112 Rn. 3; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 112 Rn. 8; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 112 Rn. 31; zurückhaltender Spindler in Spindler/ Stilz, Komm. AktG, § 112 Rn. 23 f. 6 BGH v. 16.10.2006 – II ZR 7/05, ZIP 2006, 2213, 2214 = AG 2007, 86; Hüffer, Komm. AktG, § 112 Rn. 2; Habersack, MünchKomm. AktG, § 112 Rn. 16; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 23 Rn. 6; a.A. OLG München v. 25.10.1995 – 7 U 3786/95, WM 1996, 346, 347 f. = AG 1996, 184. 7 BGH v. 28.4.1997 – II ZR 282/95, ZIP 1997, 1108 = AG 1997, 417.

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Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern

§7

men sind (Zusage von Auslagenersatz u.Ä.)1. Die Vertretungsmacht des Aufsichtsrats ergibt sich insoweit allerdings nicht aus § 112 AktG, sondern aus seiner allgemeinen Befugnis zum Abschluss von Hilfsgeschäften im Rahmen seiner Aufgaben; vgl. dazu unten Rn. 510. Die Vertretung nach § 112 AktG ist Sache des Gesamtaufsichtsrats, 438 jedenfalls soweit es um die Aktivvertretung der Gesellschaft geht. Die Übertragung der Vertretungsbefugnis – d.h. der Vertretung im Willen und in der Erklärung – auf einen Ausschuss ist zulässig, soweit es sich um delegationsfähige Aufgaben (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG; dazu unten Rn. 746) handelt2. Der Aufsichtsrat kann hingegen die Willensbildung nicht einzelnen seiner Mitglieder oder gar Dritten, z.B. dem Vorstand, übertragen3. Einzelne Aufsichtsratsmitglieder oder Dritte können aber als Erklärungsvertreter bevollmächtigt werden, vom Aufsichtsrat oder vom zuständigen Ausschuss gefasste Beschlüsse durch Abgabe der erforderlichen Willenserklärungen nach außen zu vollziehen4; vgl. dazu auch oben Rn. 371 und unten Rn. 681 f. Etwas anderes gilt für Geschäfte des täglichen Lebens5. Hier kann der Aufsichtsrat auch einzelne Mitglieder oder Dritte bevollmächtigen, an seiner Stelle zu entscheiden6. Im Normalfall können die für die Gesellschaft mit diesen Geschäften allgemein betrauten Personen auch für entsprechende Geschäfte mit Vorstandsmitgliedern als stillschweigend bevollmächtigt angesehen werden.

1 BGH v. 13.1.1958 – II ZR 212/56, BGHZ 26, 236, 238; Hüffer, Komm. AktG, § 112 Rn. 2; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 112 Rn. 9; Werner, ZGR 1989, 369, 376. 2 Hüffer, Komm. AktG, § 112 Rn. 5; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 112 Rn. 26; Werner, ZGR 1989, 369, 387 ff. 3 OLG Düsseldorf v. 17.11.2003 – I-15 U 225/02, AG 2004, 321, 322 f.; OLG Stuttgart v. 20.3.1992 – 2 U 115/90, AG 1993, 85 = BB 1992, 1669; OLG Hamburg v. 16.5.1986 – 11 U 238/85, AG 1986, 259, 260; Hüffer, Komm. AktG, § 112 Rn. 5; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 170 f.; Leuering, NZG 2004, 120, 122 f.; weitergehend Mertens, Kölner Komm. AktG, § 112 Rn. 28 (für eine Vollmacht zur Willensvertretung im Einzelfall aufgrund konkreter Vorgaben); Werner, ZGR 1989, 369, 384 ff. (für Geschäfte, deren Inhalt vom Aufsichtsrat nicht kontrolliert zu werden brauche). 4 OLG Düsseldorf v. 17.11.2003 – I-15 U 225/02, AG 2004, 321, 322 f.; OLG Stuttgart v. 20.3.1992 – 2 U 115/90, AG 1993, 85 = BB 1992, 1669; OLG Hamburg v. 16.5.1986 – 11 U 238/85, AG 1986, 259, 260; Hüffer, Komm. AktG, § 112 Rn. 5; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 112 Rn. 27 f., 30. 5 Beispiele: Ein Vorstand der Lufthansa kauft ein Ticket für einen Lufthansaflug, ein Vorstand der Deutschen Bank eröffnet ein Konto. 6 OLG Hamburg v. 16.5.1986 – 11 U 238/85, AG 1986, 259, 260; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 112 Rn. 15; Werner, ZGR 1989, 369, 384 ff., 388; im Ergebnis auch Hüffer, Komm. AktG, § 112 Rn. 5; enger Habersack, MünchKomm. AktG, § 112 Rn. 19.

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§7 439

Bestellung und Anstellung des Vorstands

Bei der Passivvertretung, d.h. der Entgegennahme von Erklärungen, genügt der Zugang bei dem Aufsichtsratsvorsitzenden, aber – mit Ausnahme prozessualer Zustellungen (§ 170 Abs. 3 ZPO) – nicht die Zustellung an andere Mitglieder des Aufsichtsrats1.

2. Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder 440

Die Zuständigkeit des Aufsichtsrats zur Vertretung der Gesellschaft gegenüber amtierenden und ausgeschiedenen Mitgliedern des Vorstands umfasst auch die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder. Solange nicht die Hauptversammlung oder das Gericht zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs einen besonderen Vertreter gemäß § 147 Abs. 2 AktG bestellt haben2 oder die Hauptversammlung in rechtswirksamer Weise auf den Anspruch verzichtet hat (§ 93 Abs. 4 Satz 3 AktG), ist der Aufsichtsrat aufgrund seiner Überwachungsaufgabe (§ 111 Abs. 1 AktG) und seiner Vertretungskompetenz (§ 112 AktG) verpflichtet, möglichen Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern nachzugehen3. Das gilt selbst dann, wenn gemäß § 148 AktG ein Klagezulassungsverfahren von Aktionären anhängig ist oder das Gericht Aktionäre zur Anspruchsverfolgung ermächtigt hat (vgl. § 148 Abs. 3 Satz 1 AktG)4.

441

Dazu hat der Aufsichtsrat bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte zunächst den Sachverhalt festzustellen und die Erfolgsaussichten einer Anspruchsverfolgung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (Prozessrisiko und Beitreibbarkeit der Forderung) zu analysieren. Die Beurteilung der Erfolgsaussichten richtet sich nach den Haftungsmaßstäben des § 93 Abs. 1 und 2 AktG5, wobei insbesondere 1 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 112 Rn. 23; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 23 Rn. 7; Habersack, MünchKomm. AktG, § 112 Rn. 24; weitergehend Hüffer, Komm. AktG, § 112 Rn. 4; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 112 Rn. 17, die entspr. § 78 Abs. 2 Satz 2 AktG jedes Mitglied als passiv vertretungsbefugt ansehen; differenzierend Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 112 Rn. 34. 2 Ein besonderer Vertreter verdrängt im Rahmen seines Aufgabenbereichs den Aufsichtsrat; Hüffer, Komm. AktG, § 147 Rn. 6; Bezzenberger, Großkomm. AktG, § 147 Rn. 52. 3 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 251 ff. = AG 1997, 377 (ARAG/Garmenbeck); Semler, MünchKomm. AktG, § 116 Rn. 331 ff.; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 93 Rn. 248; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 26 Rn. 23. 4 Spindler in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 148 Rn. 31; Schröer, ZIP 2005, 2081, 2086; Linnerz, NZG 2004, 307, 311. 5 Vgl. dazu die Kommentierungen zu § 93 AktG sowie Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 26 Rn. 3 ff. und unten Rn. 981 ff.

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Organisation der Vorstandsarbeit

§7

die business judgment rule des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zu beachten ist1. Kommt es später zum Streit über die Richtigkeit der Beurteilung der Erfolgsaussichten durch den Aufsichtsrat – etwa im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gegen einen die Anspruchsverfolgung ablehnenden Aufsichtsratsbeschluss2 oder im Rahmen einer Schadensersatzklage gegen Aufsichtsratsmitglieder wegen unterlassener Anspruchsverfolgung – ist die Richtigkeit der Beurteilung der Erfolgsaussichten der Anspruchsverfolgung grundsätzlich durch die Gerichte voll nachprüfbar; allerdings dürfte dem Aufsichtsrat ein Beurteilungsspielraum bei Fragen zuzubilligen sein, die sich nicht eindeutig beantworten lassen3. Führt die Beurteilung der Erfolgsaussichten zu dem Ergebnis, dass der 442 Gesellschaft voraussichtlich durchsetzbare Schadensersatzansprüche zustehen, ist der Aufsichtsrat in aller Regel verpflichtet, diese Ansprüche zu verfolgen. Ein Absehen von der Anspruchsverfolgung ist jedoch ausnahmsweise zulässig, wenn gewichtige Gründe des Unternehmenswohls entgegenstehen. Dabei können im Einzelfall Gesichtspunkte wie negative Auswirkungen auf Geschäftstätigkeit und Ansehen der Gesellschaft in der Öffentlichkeit, Behinderung der Vorstandsarbeit, Beeinträchtigung des Betriebsklimas u.Ä. eine Rolle spielen, während andere Gesichtspunkte als solche des Unternehmensinteresses, wie etwa die Verdienste des Vorstandsmitglieds oder die mit der Anspruchsverfolgung verbundenen sozialen Konsequenzen, keine Rolle spielen dürfen4.

V. Organisation der Vorstandsarbeit 1. Grundlagen Kaum weniger bedeutsam als die Auswahl qualifizierter Vorstands- 443 mitglieder ist die sachgerechte Organisation der Vorstandsarbeit. Es genügt nicht allein, qualifizierte Persönlichkeiten zu berufen, sondern erforderlich ist auch ein Organisationsgefüge, welches reibungslose Zusammenarbeit, gegenseitige Kräftesteigerung und Fehlerausgleich im Gesamtorgan gewährleistet. Beides, Organisation und Personalauswahl, steht in engem Zusammenhang: Die Personalauswahl muss sich an der Funktion orientieren, die der Gesuchte im Gesamtorgan übernehmen soll; umgekehrt können organisatorische Re1 Dazu bereits BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 253 = AG 1997, 377 (ARAG/Garmenbeck). 2 Zum Klagerecht vgl. unten Rn. 738. 3 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 254 = AG 1997, 377 (ARAG/Garmenbeck). 4 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 254 ff. = AG 1997, 377 (ARAG/Garmenbeck).

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§7

Bestellung und Anstellung des Vorstands

gelungen nicht ganz ohne Berücksichtigung der von ihnen betroffenen Personen erfolgen. 444

Das Gesetz spricht die Vorstandsorganisation in § 77 AktG an. Es statuiert dort zunächst das Prinzip der Gesamtgeschäftsführung, wonach alle Vorstandsmitglieder gemeinsam sämtliche Geschäfte zu führen haben (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AktG), lässt es aber zu, dass Satzung oder Geschäftsordnung von diesem Prinzip abweichen (§ 77 Abs. 1 Satz 2 AktG). Damit ist es insbesondere zugelassen, im Wege der Geschäftsverteilung Vorstandsressorts einzurichten, innerhalb derer die Geschäfte nicht vom Gesamtvorstand, sondern von einem oder mehreren Vorstandsmitgliedern allein geführt werden1.

445

Im Übrigen können im Wege der Geschäftsordnung weitere Regelungen über die Form der Zusammenarbeit im Vorstand getroffen werden, z.B. über die Einberufung und Abhaltung der Vorstandssitzungen u.Ä.2. Die Geschäftsordnung kann jedoch keine materiellen Entscheidungsrichtlinien für den Vorstand enthalten, kann ihm also nicht den Inhalt, sondern nur die Form seiner Tätigkeit vorschreiben.

446

Ziff. 4.2.1 des Kodex enthält die Empfehlung, dass eine Geschäftsordnung die Geschäftsverteilung und die Zusammenarbeit im Vorstand regeln solle. Tatsächlich dürfte es in größeren Gesellschaften nicht nur empfehlenswert, sondern eine aus der Sorgfaltspflicht des Aufsichtsrats folgende Rechtspflicht sein, für eine sachgerechte Geschäftsordnung zu sorgen.

2. Geschäftsordnungskompetenz des Aufsichtsrats a) Grundlagen 447

Zuständig zur Anordnung einer Geschäftsverteilung ist in erster Linie die Satzung (§ 77 Abs. 1 Satz 2 AktG), der daneben auch die Befugnis zusteht, weitere Einzelfragen der Geschäftsordnung bindend zu regeln (§ 77 Abs. 2 Satz 2 AktG). Soweit die Satzung keine Regelungen trifft, kann der Gesamtaufsichtsrat (nicht ein Ausschuss, § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG) eine Geschäftsordnung für den Vorstand erlassen (§ 77 Abs. 2 Satz 1 AktG) und als Teil der Geschäftsordnung (§ 77 1 Vgl. dazu näher Spindler, MünchKomm. AktG, § 77 Rn. 34, 57 ff.; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 77 Rn. 36 ff.; Seibt in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 77 Rn. 7 ff.; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 22 Rn. 12 ff.; Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 355 ff. 2 Näher Spindler, MünchKomm. AktG, § 77 Rn. 36 ff.; Fleischer in Spindler/ Stilz, Komm. AktG, § 77 Rn. 58 ff.; Seibt in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 77 Rn. 24 ff.; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 22 Rn. 19 ff.; Muster bei Hoffmann-Becking, Beck’sches Formularbuch, Formular X. 16; Hölters, Münchener Vertragshandbuch, Band 1, Formular V. 65. und 66.

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Organisation der Vorstandsarbeit

§7

Abs. 1 Satz 2 AktG) auch die Geschäftsverteilung regeln. Verzichtet der Aufsichtsrat auf den Erlass einer Vorstandsgeschäftsordnung, ist der Vorstand selbst dazu befugt, sofern nicht die Satzung dieses Recht ausschließlich dem Aufsichtsrat vorbehalten hat (§ 77 Abs. 2 Satz 1 AktG) oder Satzung bzw. Aufsichtsrat bestimmt haben, dass eine vom Vorstand erlassene Geschäftsordnung der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG). Die Satzung kann hingegen nicht vorschreiben, dass der Aufsichtsrat die Geschäftsordnung dem Vorstand überlassen müsse1. Der Aufsichtsrat ist vielmehr verpflichtet, für eine sachgerechte Organisation der Vorstandsarbeit zu sorgen. Er kann diese Aufgabe zwar dem Vorstand selbst überlassen, hat dann aber zu kontrollieren, ob dieser die Selbstorganisation ordnungsgemäß wahrnimmt und hat erforderlichenfalls einzuschreiten. Erlässt der Aufsichtsrat eine Geschäftsordnung, kann der Vorstand keine eigene Geschäftsordnung mehr erlassen2; es dürfte aber nicht entgegenstehen, dass der Aufsichtsrat den Vorstand ermächtigt, eine vom Aufsichtsrat erlassene Geschäftsordnung oder Geschäftsverteilung durch eine eigene zu ersetzen. Der Aufsichtsrat kann sich auch darauf beschränken, eine Rahmengeschäftsordnung zu erlassen und ergänzende Regelungen dem Vorstand vorzubehalten3. Eine vom Vorstand verabschiedete Geschäftsordnung kann der Aufsichtsrat jederzeit durch eine eigene ersetzen, nach h.M. allerdings nicht bloß in Einzelpunkten abändern4; in der Praxis muss der Aufsichtsrat dann die bisherige Geschäftsordnung mit den von ihm gewünschten Änderungen insgesamt als eigene Geschäftsordnung erlassen. b) Bestellung des Vorstands und Geschäftsverteilung Die vorrangige Befugnis der Satzung zur Geschäftsverteilung ist nach dem Wortlaut des § 77 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht beschränkt, in anderen Geschäftsordnungsangelegenheiten ist nach dem Gesetzestext nur die Regelung von „Einzelfragen“ durch die Satzung zugelassen (§ 77 Abs. 2 Satz 2 AktG). Soll der Aufsichtsrat seine Aufgabe der Vor1 Hüffer, Komm. AktG, § 77 Rn. 19; Spindler, MünchKomm. AktG, § 77 Rn. 48; Seibt in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 77 Rn. 27; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 43; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 22 Rn. 20. 2 Spindler, MünchKomm. AktG, § 77 Rn. 49; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 77 Rn. 63. 3 Spindler, MünchKomm. AktG, § 77 Rn. 49; Kort, Großkomm. AktG, § 77 Rn. 68; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 77 Rn. 64; HoffmannBecking, ZGR 1998, 497, 504. 4 Vgl. Spindler, MünchKomm. AktG, § 77 Rn. 50; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 77 Rn. 63; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 22 Rn. 21; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 45; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 144; a.A. anscheinend Seibt in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 77 Rn. 26.

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standsbesetzung erfüllen können, bedarf er organisatorischer Flexibilität, um nicht in der Freiheit der Auswahl beeinträchtigt zu sein. Umgekehrt kann eine sachgerechte Regelung aller organisatorischen Einzelheiten nicht erfolgen, ohne auf die konkrete Zusammensetzung des Vorstands Rücksicht zu nehmen. Es hat deshalb seinen guten Sinn, wenn das Gesetz der Satzung nur die Regelung von Einzelfragen der Geschäftsordnung erlaubt, die Details sind dem Aufsichtsrat vorzubehalten1. Erst recht muss dies bei der Geschäftsverteilung gelten. Auch hier kann die Satzung nur Schwerpunktfragen regeln2. 449

Soweit die Satzung Regelungen über die Geschäftsverteilung treffen kann, kann sie dies zudem nur in genereller Form. Die Auswahl der individuellen Personen für ein generell eingerichtetes Ressort kann nicht durch die Satzung erfolgen3. Zwar wird die Ressortzuweisung de jure als Teil der Geschäftsordnung angesehen4, sie ist aber jedenfalls de facto so eng mit der Vorstandsbestellung verbunden, dass sie in erster Linie dem Aufsichtsrat vorbehalten sein muss; verzichtet der Aufsichtsrat auf eine Verteilung der Geschäfte, kann der Vorstand selbst die Geschäftsverteilung regeln (§ 77 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 AktG). Der Aufsichtsrat ist nicht gehindert, die Ressortzuweisung auch zum Gegenstand des Anstellungsvertrages zu erheben5; allerdings bedarf dies der Zustimmung des Aufsichtsratsplenums, ein Ausschuss ist hierzu nicht befugt, weil er sonst in die dem Gesamtaufsichtsrat vorbehaltene Geschäftsordnungskompetenz eingreifen

1 Hüffer, Komm. AktG, § 77 Rn. 20; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 77 Rn. 66; Spindler, MünchKomm. AktG, § 77 Rn. 52; HoffmannBecking, ZGR 1998, 497, 505; Krieger, Personalentscheidungen, S. 201 f.; a.A. die ältere Literatur, z.B. Hefermehl in Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff, Komm. AktG, § 77 Rn. 27; Meyer-Landrut, Großkomm. AktG, § 77 Anm. 7; Immenga, ZGR 1977, 249, 268. 2 Krieger, Personalentscheidungen, S. 201 f. 3 Ebenso Kort, Großkomm. AktG, § 77 Rn. 72; Bezzenberger, ZGR 1998, 352, 355. 4 Mertens, ZGR 1983, 189, 196 ff.; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 4; Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 92; a.A. Krieger, Personalentscheidungen, S. 199 f. 5 A.A. anscheinend Kort, Großkomm. AktG, § 77 Rn. 93, der eine im Anstellungsvertrag vorgesehene Bereichs- oder Ressortzuweisung als Verletzung der Geschäftsordnungskompetenz des Vorstands oder Gesamtaufsichtsrats bezeichnet; in diesem Sinne auch Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 22 Rn. 18 unter Verweis auf § 21 Rn. 16, wo jedoch lediglich – insoweit zutreffend – dargelegt wird, dass der Personalausschuss im Anstellungsvertrag keine bestimmte Ressortzuweisung vornehmen dürfe.

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Organisation der Vorstandsarbeit

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würde1. Voraussetzung ist allerdings, dass ein entsprechendes Ressort zuvor durch eine entsprechende Geschäftsordnung eingerichtet ist2.

3. Änderungen der Geschäftsverteilung Die Frage unter welchen Voraussetzungen sich Vorstandsmitglieder 450 Änderungen ihres Ressorts gefallen lassen müssen, ist in der Praxis immer wieder Gegenstand von Konflikten. Dabei ist zwischen der korporationsrechtlichen und der anstellungsvertraglichen Seite zu unterscheiden. Korporationsrechtlich sind Änderungen des Ressorts ohne weiteres zulässig3, ob sie auch schuldrechtlich zulässig sind, entscheidet sich nach dem Inhalt des Anstellungsvertrages. Ein Entzug anstellungsvertraglich zugesagter Funktionen ist danach zwar aktienrechtlich wirksam, gibt dem Vorstandsmitglied jedoch das Recht zur Amtsniederlegung und zur Kündigung seines Anstellungsvertrages aus wichtigem Grund4. Die Zuweisung zusätzlicher Aufgaben kann das Vorstandsmitglied ablehnen. Die Gesellschaft kann Vertragsänderungen nur im Wege einer Änderungskündigung durchsetzen, die jedoch einen wichtigen Grund i.S. von § 626 BGB voraussetzt5. Die Änderung der Geschäftsverteilung als solche stellt weder einen wichtigen Grund zur Kündigung des Anstellungsvertrages noch einen wichtigen Grund zur Abberufung des Vorstandsmitglieds dar6. Teilweise wird vor diesem Hintergrund die Auffassung vertreten, Ressortzusagen im Anstellungsvertrag seien unzulässig, weil sie die Geschäftsverteilungskompetenz des Aufsichtsrats beeinträchtigten7. Das ist schon im Ansatz unrichtig, weil die Geschäftsverteilungskompetenz durch den Anstellungsvertrag gerade nicht berührt wird; es wäre außerdem überzogen und mit den Bedürfnissen der Praxis unvereinbar, könnte die Gesellschaft einem Vorstandsmitglied, das möglicherweise nur im Hinblick auf ein bestimmtes Ressort zur

1 Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 12; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 47; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 16. 2 Enger Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 44; Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 92, die eine anstellungsvertragliche Ressortzuweisung bei einer durch den Vorstand selbst aufgestellten Geschäftsordnung nur dann zulassen, wenn der Vorstand diese Ressortzuweisung einstimmig billigt. 3 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 42; Mertens, ZGR 1983, 189, 197; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 22 Rn. 18; Spindler, MünchKomm. AktG, § 77 Rn. 41; Kort, Großkomm. AktG, § 77 Rn. 93. 4 Kort, Großkomm. AktG, § 77 Rn. 93; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 22 Rn. 18. 5 Spindler, MünchKomm. AktG, § 77 Rn. 41. 6 Spindler, MünchKomm. AktG, § 77 Rn. 41; Kort, Großkomm. AktG, § 77 Rn. 93; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 22 Rn. 16. 7 Vgl. die Nachweise oben auf dieser Seite Rn. 449 Fn. 1.

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Bestellung und Anstellung des Vorstands

Übernahme des Vorstandsamtes bereit war, keine anstellungsvertraglichen Zusagen hierüber machen könnte. 451

Zuständig für Änderungen der Geschäftsverteilung ist in erster Linie der Aufsichtsrat. Der Vorstand selbst kann Änderungen der Geschäftsverteilung nur vornehmen, wenn die Voraussetzungen des § 77 Abs. 2 AktG erfüllt sind Entscheidet der Aufsichtsrat über Änderungen der Geschäftsverteilung, findet in mitbestimmten Gesellschaften nicht § 31 MitbestG Anwendung, sondern § 29 MitbestG; der Aufsichtsrat entscheidet also mit einfacher Mehrheit, vgl. näher unten Rn. 731 ff. Das ist allerdings anders, wenn dem Arbeitsdirektor anstelle seines bisherigen ein anderes Ressort zugeteilt werden soll1.

VI. Besondere Vorstandsmitglieder 1. Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern in den Vorstand 452

Gemäß § 105 Abs. 2 AktG kann der Aufsichtsrat für einen im voraus begrenzten Zeitraum, höchstens für ein Jahr, einzelne seiner Mitglieder zu Stellvertretern von fehlenden oder behinderten Vorstandsmitgliedern bestellen. Das Aufsichtsratsmitglied hat in dieser Zeit die Rechte und Pflichten des von ihm vertretenen Vorstandsmitglieds, es bleibt aber unter Ruhen des Amtes gleichzeitig Aufsichtsratsmitglied2. Die Satzung kann das Entsendungsrecht nach § 105 Abs. 2 AktG weder ausschließen noch beschränken3. Die Entsendung kann nur erfolgen, wenn ein reguläres Vorstandsmitglied an der Amtsausübung gehindert ist oder ganz fehlt. Das erstere ist der Fall, wenn ein bestelltes Vorstandsmitglied sein Amt, etwa wegen Krankheit, nicht ausüben kann, das letztere, wenn weniger Vorstandsmitglieder bestellt sind als die in der Satzung oder der Geschäftsordnung des Vorstands bestimmte Fest- oder Höchstzahl4. Hingegen steht es der Ent-

1 Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 33 MitbestG Rn. 24; Krieger, Personalentscheidungen, S. 210 ff. 2 Hüffer, Komm. AktG, § 105 Rn. 9; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 105 Rn. 30; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 32. 3 Wie hier Krieger, Personalentscheidungen, S. 225 f.; Spindler in Spindler/ Stilz, Komm. AktG, § 105 Rn. 3; Habersack, MünchKomm. AktG, § 105 Rn. 3; a.A. Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 105 Rn. 12; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 105 Rn. 3; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 105 Rn. 2. 4 Hüffer, Komm. AktG, § 105 Rn. 7; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 105 Rn. 18 f.; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 28.

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Besondere Vorstandsmitglieder

§7

sendung nicht entgegen, wenn auch im Vorstand ein Stellvertreter zur Verfügung stünde1. Bei der Entsendung ist von vornherein eine bestimmte Bestellungsdauer festzulegen, die ein Jahr nicht überschreiten darf. Eine auf längere Dauer beschlossene Bestellung ist bis zum Ablauf dieser Frist wirksam (§ 139 BGB), bei zunächst kürzer bemessener Amtszeit ist eine Verlängerung möglich, solange insgesamt die Jahresfrist nicht überschritten wird. Die Jahresfrist bezieht sich auf den jeweiligen Verhinderungsfall; sie kann nicht dadurch überschritten werden, dass nach Ablauf des Jahres ein anderes Aufsichtsratsmitglied mit der Vertretung betraut wird2. Bei mehreren Verhinderungsfällen hingegen kann auch dasselbe Aufsichtsratsmitglied insgesamt – jedoch nicht für den einzelnen Vertretungsfall – über einen längeren Zeitraum als ein Jahr die Vertretung übernehmen3.

453

In mitbestimmten Gesellschaften soll für die Beschlussfassung über 454 die Entsendung nach verbreiteter Meinung in der mitbestimmungsrechtlichen Literatur § 31 MitbestG zur Anwendung kommen4. Sowohl der Wortlaut als auch der Zweck von § 31 MitbestG sprechen gegen diese Meinung5. Hingegen wird man in analoger Anwendung von § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG annehmen müssen, dass die Beschlussfassung dem Aufsichtsratsplenum vorbehalten ist und nicht auf einen Ausschuss übertragen werden kann6.

1 Hüffer, Komm. AktG, § 105 Rn. 7; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 105 Rn. 19; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 28; Krieger, Personalentscheidungen, S. 226; a.A. noch Baumbach/Hueck, Komm. AktG, § 105 Anm. 4; Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm. AktG, § 105 Rn. 26. 2 Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 29; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 105 Rn. 58; Habersack, MünchKomm. AktG, § 105 Rn. 30; Krieger, Personalentscheidungen, S. 227; a.A. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 105 Rn. 22; unklar Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 105 Rn. 16. 3 Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 29; Habersack, MünchKomm. AktG, § 105 Rn. 31; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 105 Rn. 28; Krieger, Personalentscheidungen, S. 227 f.; a.A. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 105 Rn. 22. 4 Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 41 f.; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 41; Rumpff, GK MitbestG, § 31 Rn. 21. 5 Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 30; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 105 Rn. 16; Krieger, Personalentscheidungen, S. 228 ff.; Heidbüchel, WM 2004, 1317, 1319. 6 Habersack, MünchKomm. AktG, § 105 Rn. 28; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 105 Rn. 31; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 105 Rn. 15; Krieger, Personalentscheidungen, S. 230 f.; a.A. Hüffer, Komm. AktG, § 105 Rn. 9; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 105 Rn. 16; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 30.

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§7 455

Bestellung und Anstellung des Vorstands

Wird der Anlass der Entsendung behoben, ist umstritten, ob die Entsendung automatisch endet1, oder eine Amtsniederlegung des entsandten Aufsichtsratsmitglieds oder ein Widerruf der Entsendung erforderlich ist2. Die Entsendung eines Aufsichtsratsmitglieds in den Vorstand kann vom Aufsichtsrat vorzeitig widerrufen werden, nach herrschender Meinung allerdings nur aus wichtigem Grund3, wobei als Widerrufsgrund auch ein Ende der Behinderung angesehen wird4. Für die Beschlussfassung gilt das gleiche wie bei der Vornahme der Entsendung: § 31 Abs. 5 MitbestG findet keine Anwendung, wohl aber ist die Entscheidung entsprechend § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG dem Plenum vorbehalten5.

2. Ernennung eines Vorstandsvorsitzenden 456

Gemäß § 84 Abs. 2 AktG kann der Aufsichtsrat ein Mitglied des Vorstands zum Vorstandsvorsitzenden ernennen. Besondere gesetzliche Befugnisse räumt das Gesetz dem Vorstandsvorsitzenden nicht ein. Nach seiner Rechtsstellung ist er im Grundsatz Vorstandsmitglied wie jedes andere auch und nach herrschender Meinung nur mit den üblichen Organisationsrechten des Vorsitzenden eines Gremiums (Sitzungsleitung, Einberufung der Versammlung u.Ä.) ausgestattet6. In tatsächlicher Hinsicht ist allerdings zu beobachten, dass sich mit der Funktion des Vorstandsvorsitzenden immer mehr eine besondere Führungsfunktion nach dem Vorbild des amerikanischen Chief Executive Officer verbindet7.

457

Die Satzung oder die Vorstands-Geschäftsordnung kann dem Vorsitzenden bei einem mehr als zweiköpfigen Vorstand das Recht zum

1 So Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 105 Rn. 72; Habersack, MünchKomm. AktG, § 105 Rn. 36; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 105 Rn. 17. 2 So Semler, MünchKomm. AktG, 2. Aufl., § 105 Rn. 75; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 105 Rn. 29. 3 Habersack, MünchKomm. AktG, § 105 Rn. 36; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 105 Rn. 36; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 105 Rn. 31; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 31; a.A. Krieger, Personalentscheidungen, S. 232 f. 4 Semler, MünchKomm. AktG, 2. Aufl., § 105 Rn. 75; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 31. 5 Krieger, Personalentscheidungen, S. 233. 6 Vgl. etwa Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 21; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 90; eingehend T. Bezzenberger, ZGR 1996, 661, 662 ff. 7 Vgl. etwa Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 36; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 77 Rn. 41 f., § 84 Rn. 89; Seibt in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 77 Rn. 21; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 3; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 104.

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Besondere Vorstandsmitglieder

§7

Stichentscheid bei Stimmengleichheit einräumen1. In nicht mitbestimmten Gesellschaften ist es auch möglich, dem Vorsitzenden durch Satzung oder Geschäftsordnung ein Vetorecht gegen Vorstandsbeschlüsse einzuräumen2; zur Rechtslage in mitbestimmten Gesellschaften vgl. unten Rn. 467 ff. Es kann jedoch nicht bestimmt werden, dass der Vorstandsvorsitzende Meinungsverschiedenheiten im Vorstand gegen die Mehrheit seiner Mitglieder entscheiden kann (§ 77 Abs. 1 Satz 2 AktG); in einem zweiköpfigen Vorstand ist deshalb auch ein Stichentscheid des Vorsitzenden unzulässig, weil dieser auf ein Alleinentscheidungsrecht hinausliefe3. Auch ohne die Einräumung zusätzlicher Befugnisse durch Satzung oder Geschäftsordnung verbindet sich nach dem gesetzlichen Leitbild mit dem Amt des Vorstandsvorsitzenden im besonderen Maße Verantwortung und Einfluss auf die Geschicke des Unternehmens. Daraus erwachsen dem Vorstandsvorsitzenden besondere Amtspflichten zur organinternen Koordination und Überwachung und als Ausfluss dessen auch einige Sonderrechte gegenüber den anderen Vorstandsmitgliedern4. Für die Ernennung des Vorsitzenden und deren Widerruf ist ausschließlich der Aufsichtsrat zuständig. Ziff. 4.2.1 Satz 1 des Kodex empfiehlt die Ernennung eines Vorsitzenden oder Sprechers (dazu unten Rn. 460). Die Satzung kann die Ernennung eines Vorsitzenden (allerdings nicht einer bestimmten Person) anordnen5, aber nicht unter-

1 Ganz h.M., z.B. BGH v. 14.11.1983 – II ZR 33/83, BGHZ 89, 48, 59 = AG 1984, 48; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 21; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 90; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 88; einschränkend T. Bezzenberger, ZGR 1996, 661, 669 f., der einen Stichentscheid in paritätisch mitbestimmten Gesellschaften als unzulässig ansieht; a.A. Erle, AG 1987, 7 ff. 2 OLG Karlsruhe v. 23.5.2000 – 8 U 233/99, AG 2001, 93, 94; Hüffer, Komm. AktG, § 77 Rn. 12; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 11; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 88; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 22 Rn. 9 f.; a.A. T. Bezzenberger, ZGR 1996, 661, 665 ff.; Erle, AG 1987, 7 ff.; zweifelnd auch Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 519; offengelassen in BGH v. 14.11.1983 – II ZR 33/83, BGHZ 89, 48, 58 = AG 1984, 48. 3 OLG Hamburg v. 20.5.1985 – 2 W 49/84, AG 1985, 251; Hüffer, Komm. AktG, § 77 Rn. 11; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 9; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 22 Rn. 9; a.A. Priester, AG 1984, 253 ff. 4 Vgl. dazu näher Krieger, Personalentscheidungen, S. 244 ff.; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 3; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 102; T. Bezzenberger, ZGR 1996, 661, 662 ff.; ablehnend Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 90. 5 A.A. die h.M., die keinerlei Satzungsbestimmungen zulässt, z.B. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 88; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 2; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 86; Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 142; wie hier Dose, Vorstandsmitglieder, S. 28 ff.; Krieger, Personalentscheidungen, S. 252 f.

201

458

§7

Bestellung und Anstellung des Vorstands

sagen1. Die Entscheidung kann nicht auf einen Ausschuss übertragen werden (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG). Der Widerruf der Ernennung zum Vorsitzenden – der als solcher die Bestellung zum Vorstandsmitglied nicht berührt – bedarf wie der Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied des wichtigen Grundes (§ 84 Abs. 3 Satz 1 AktG). Schließlich ist der Vorstandsvorsitzende auf allen Geschäftsbriefen der Gesellschaft namhaft zu machen (§ 80 AktG). 459

Nicht leicht zu beantworten ist die Frage, ob in mitbestimmten Gesellschaften für die Ernennung eines Vorstandsvorsitzenden und deren Widerruf das Verfahren nach § 31 MitbestG zu beachten ist. Dafür spricht die herausgehobene Stellung des Vorstandsvorsitzenden, dagegen der Wortlaut des § 31 MitbestG, der nur von der Bestellung zum Organmitglied, nicht aber vom Vorsitzenden dieses Kollegiums spricht. Letztlich handelt es sich wohl eher um eine Maßnahme der Geschäftsordnung, für welche die allgemeinen Beschlussregeln und nicht die Spezialregeln des § 31 MitbestG gelten2.

460

Macht der Aufsichtsrat von seiner Befugnis zur Bestellung eines Vorstandsvorsitzenden keinen Gebrauch, so ist es praktisch verbreitet, dass der Vorstand selbst ein oder zwei seiner Mitglieder zu Sprechern des Vorstands ernennt. Gelegentlich ernennt auch der Aufsichtsrat eines der Vorstandsmitglieder zum Sprecher, anstatt einen Vorsitzenden zu bestellen; zulässig ist es auch, dass der Aufsichtsrat die Ernennung eines Sprechers dem Vorstand überlässt, aber an seine Zustimmung oder die Zustimmung eines Ausschusses bindet. Diese unterschiedliche Sprachregelung ist allgemein bekannt und akzeptiert. Es steht deshalb nichts entgegen, die Ernennung eines Sprechers (und deren Widerruf) als Bestandteil der Geschäftsordnungskompetenz von Aufsichtsrat und Vorstand (§ 77 Abs. 2 AktG) als zulässig anzusehen3. Das gilt um so mehr, als der Aufsichtsrat nicht gehindert ist, später doch noch einen Vorsitzenden zu bestellen; dadurch entfällt dann automatisch die Position des oder der Sprecher4; im Übrigen kann die Ernennung zum Sprecher jederzeit ohne wichtigen 1 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 88; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 100; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 2. 2 Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 20; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 4; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 30 MitbestG Rn. 8; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 2; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 87; a.A. Krieger, Personalentscheidungen, S. 254; Säcker, Aufsichtsratsausschüsse, S. 61. 3 Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 22; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 89; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 90; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 4 ff.; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 517. 4 Näher Krieger, Personalentscheidungen, S. 255 ff.; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 6.

202

Besondere Vorstandsmitglieder

§7

Grund widerrufen werden1. Der Sprecher hat allerdings nicht die besonderen Koordinations- und Überwachungsfunktionen des Vorsitzenden (vgl. oben Rn. 456 f.), sondern ist auf sitzungsleitende und repräsentative Sonderfunktionen beschränkt2. Er darf auch nicht faktisch wie ein Vorsitzender agieren; geschieht dies dennoch, muss der Aufsichtsrat einschreiten3.

3. Bestellung eines Arbeitsdirektors a) Allgemeines Den Vorständen montanmitbestimmter und dem MitbestG 1976 unterfallender Aktiengesellschaften muss als gleichberechtigtes Mitglied ein Arbeitsdirektor angehören (§ 33 MitbestG, § 13 MontanMitbestG, § 13 MitbestErgG). Daraus folgt zugleich, dass die Vorstände solcher Gesellschaften aus mindestens zwei Personen zu bestehen haben4.

461

Die genauen Aufgaben des Arbeitsdirektors umschreibt das Gesetz 462 nicht; es geht aber davon aus, dass ihm – bei Fortbestand einer Letztzuständigkeit des Gesamtvorstands (§ 77 Abs. 1 Satz 2 AktG) – der Kernbereich von Ressortzuständigkeiten in Personal- und Sozialfragen zufällt5. Das hindert nicht, dem Arbeitsdirektor weitere Aufgaben zuzuweisen, solange er dadurch nicht in der sachgerechten Wahrnehmung seines eigentlichen Auftrags behindert wird6. Ebensowenig steht umgekehrt etwas entgegen, einzelne Personal- und Sozi1 Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 6; Spindler, MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 103; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 90. 2 Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 4; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 22; Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 61. 3 Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 5; Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 22; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 84 Rn. 90; HoffmannBecking, ZGR 1998, 497, 517. 4 LG Frankfurt/M. v. 26.4.1984 – 3/6 O 210/83, AG 1984, 276, 277; LG Bad Kreuznach v. 3.10.1979 – 2 T 78/79, AG 1979, 346, 347; Hüffer, Komm. AktG, § 76 Rn. 24; Oetker, Großkomm. AktG, § 33 MitbestG Rn. 7; Henssler in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 33 MitbestG Rn. 2; a.A. Kötter, Komm. Montan-MitbestG, § 13 Anm. 1; Overlack, ZHR 141 (1977), 125, 128 ff. 5 Vgl. dazu näher etwa Raiser, Komm. MitbestG, § 33 Rn. 16 ff.; Henssler in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 33 MitbestG Rn. 42 ff.; Oetker, Großkomm. AktG, § 33 MitbestG Rn. 19 ff.; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 16 ff. 6 BVerfG v. 1.3.1979 – 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21/78, BVerfGE 50, 290, 378; Oetker, Großkomm. AktG, § 33 MitbestG Rn. 23; Raiser, Komm. MitbestG, § 33 Rn. 20; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/ Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 33 MitbestG Rn. 35; a.A. Reich/Lewerenz, AuR 1976, 353, 368.

203

§7

Bestellung und Anstellung des Vorstands

alangelegenheiten auf andere Vorstandsmitglieder zu übertragen1. So wird häufig das leitende Personal dem Vorstandsvorsitzenden (Sprecher) unterstellt. 463

Nur in besonderen Ausnahmefällen kann es hingegen zulässig sein, diese Aufgaben auf zwei oder mehr Arbeitsdirektoren zu verteilen2. Solche Gestaltungen widersprechen dem Gesetzesziel einer einheitlichen und konzentrierten Wahrnehmung der Personal- und Sozialangelegenheiten. Sie können nur zugelassen werden, wenn die Fülle arbeitsdirektoraler Aufgaben die Konzentration in einer Hand unmöglich macht oder wenn einzelne Unternehmensbereiche und die dort auftretenden Personalfragen gegenüber anderen Unternehmensbereichen nahezu gänzlich verselbständigt sind. Auch in divisional strukturierten Unternehmen ist es nicht möglich, für jede Sparte einen besonderen Arbeitsdirektor zu bestellen oder gar den jeweiligen Geschäftsbereichsleiter in Personalunion zugleich zum Arbeitsdirektor für seine Sparte zu ernennen3. b) Bestellung und Abberufung

464

Es gelten die gleichen Regeln wie für die Bestellung und Abberufung jedes anderen Vorstandsmitgliedes. Zuständig ist das Aufsichtsratsplenum (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG). Es beschließt – soweit anwendbar – im Verfahren nach § 31 MitbestG. Nur in Gesellschaften, die dem MontanMitbestG unterliegen, können die Bestellung und ihr Widerruf nicht gegen die Stimmen der Mehrheit der Arbeitnehmervertreter erfolgen (§ 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 MontanMitbestG). 1 BVerfG v. 1.3.1979 – 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21/78, BVerfGE 50, 290, 378; Henssler in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 33 MitbestG Rn. 44; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/ Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 33 MitbestG Rn. 36; Oetker, Großkomm. AktG, § 33 MitbestG Rn. 21; zurückhaltend Rumpff, GK-MitbestG, § 33 Rn. 49 und 66. 2 Tendenziell großzügiger wohl die h.M., vgl. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 33 MitbestG Rn. 7; Oetker, Großkomm. AktG, § 33 MitbestG Rn. 14; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 33 MitbestG Rn. 24; Raiser, Komm. MitbestG, § 33 Rn. 12; Henssler in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 33 MitbestG Rn. 40; ganz ablehnend Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 12. 3 LG Frankfurt/M. v. 26.4.1984 – 3/6 O 210/83, DB 1984, 1388, 1389 = AG 1984, 276; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 48 und § 33 MitbestG Rn. 27; Oetker, Großkomm. AktG, § 33 MitbestG Rn. 25; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 19; Wendeling-Schröder, Divisionalisierung, S. 51 f.; a.A. Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 18; Hoffmann, BB 1977, 21; vgl. im Übrigen zur Rechtsstellung des Arbeitsdirektors in der Spartenorganisation näher OLG Frankfurt v. 23.4.1985 – 5 U 149/84, AG 1985, 220, 221; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 33 MitbestG Rn. 27; Oetker, Großkomm. AktG, § 33 MitbestG Rn. 25; Schiessl, ZGR 1992, 64, 72 ff.

204

Besondere Vorstandsmitglieder

§7

c) Auswahl des Arbeitsdirektors Sie hat sich uneingeschränkt an den gleichen Maßstäben zu orientie- 465 ren wie die Auswahl aller anderen Vorstandsmitglieder. Die Wahl wird von der Funktion des Arbeitsdirektors bestimmt, für welche naturgemäß auch das Vertrauen der Belegschaft von Bedeutung ist1. Das bedeutet jedoch nicht, dass es in aller Regel im Unternehmensinteresse geboten wäre, nur solche Persönlichkeiten zum Arbeitsdirektor zu bestellen, die auch von den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat gebilligt werden2. d) Erstmalige Bestellung eines Arbeitsdirektors Gemäß § 37 Abs. 2 MitbestG ist § 33 MitbestG erstmalig anzuwen- 466 den, wenn der Aufsichtsrat nach den Vorschriften des MitbestG besetzt ist. Eine verbreitete Meinung folgert daraus, sobald der Aufsichtsrat entsprechend besetzt sei, bestehe in jedem Fall die Verpflichtung zu sofortiger (Neu-)Bestellung eines Arbeitsdirektors3. Richtigerweise kann das jedoch nur gelten, wenn bislang noch kein Vorstandsmitglied die Aufgaben eines Arbeitsdirektors wahrgenommen hat4. Die Gegenauffassung übersieht, dass § 37 Abs. 3 MitbestG den amtierenden Vorstandsmitgliedern bis zum Ende ihrer laufenden Amtszeit Bestandsschutz in ihrer Eigenschaft als Vorstandsmitglied, aber auch in ihrer konkreten Funktion im Vorstand sichert5.

1 Vgl. etwa Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks. 7/4845, S. 9 und die Nachweise in der folgenden Fn. 2 So aber z.B. Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 33 MitbestG Rn. 19; Spieker, MitbestGespr. 1976, 219, 223; Reich/Lewerenz, AuR 1976, 353, 366 f.; Seidel/Kaßler/Schotenröhr, MitbestGespr. 1977, 88, 92 f.; Wlotzke, Das Arbeitsrecht der Gegenwart 14 (1976), 17, 30 f. Vgl. in diese Richtung auch den Bericht der Mitbestimmungskommission, BT-Drucks. VI/334, S. 110. Im Ergebnis wie hier die h.M., z.B. BVerfG v. 1.3.1979 – 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21/78, BVerfGE 50, 290, 379; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 33 MitbestG Rn. 5; Oetker, Großkomm. AktG, § 33 MitbestG Rn. 3; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 13. 3 So etwa AG Bremen v. 5.12.1978 – 38 HRB 3079, WM 1979, 154; LG Bad Kreuznach v. 3.10.1979 – 2 T 78/79, AG 1979, 346; Koberski in Wlotzke/ Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 37 MitbestG Rn. 18 ff.; Rumpff, GK-MitbestG, § 33 Rn. 18. 4 So z.B. Raiser, Komm. MitbestG, § 37 Rn. 7; Ulmer/Habersack in Ulmer/ Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 37 MitbestG Rn. 21; Oetker, Großkomm. AktG, § 37 MitbestG Rn. 11; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 15; ausführlich Mertens, AG 1979, 334; Säcker, Anpassung von Satzungen, S. 54 ff. 5 So insbes. Mertens, AG 1979, 334, 335 ff.; Säcker, Anpassung von Satzungen S. 56, 58; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 37 MitbestG Rn. 21.

205

§7

Bestellung und Anstellung des Vorstands

e) Gleichberechtigung 467

§ 33 MitbestG, § 13 Abs. 1 Satz 1 MontanMitbestG betonen die Gleichberechtigung des Arbeitsdirektors. Literatur und Rechtsprechung folgern daraus, dass die Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder in mitbestimmten Gesellschaften durch Satzung oder Geschäftsordnung nur in engen Grenzen unterschiedlich ausgestaltet werden könne. So wird es für problematisch gehalten, ob in einem zweiköpfigen Vorstand neben dem Arbeitsdirektor ein Vorstandsvorsitzender ernannt werden könne1 oder ob es zulässig sei, den Arbeitsdirektor nur zum stellvertretenden Vorstandsmitglied zu ernennen2; werde ein Vorstandspräsidium eingerichtet, müsse ihm der Arbeitsdirektor angehören3; unzulässig sei es weiterhin, ihn in seiner Geschäftsführungs- und Vertretungsmacht (Einzel- oder Gesamtbefugnis) hinter andere Vorstandsmitglieder zurückzustellen4; und unzulässig sei es in mitbestimmten Gesellschaften auch, dem Vorstandsvorsitzenden ein Vetorecht gegen Vorstandsbeschlüsse einzuräumen5.

1 Für die Zulässigkeit mit Recht OLG Frankfurt v. 23.4.1985 – 5 U 149/84, BB 1985, 1286, 1288; Kötter, Komm. Montan-MitbestG, § 13 Rn. 8b; Raiser, Komm. MitbestG, § 33 Rn. 29; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 18; Oetker, Komm. AktG, § 33 MitbestG Rn. 16; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 48; zweifelnd Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/ Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 33 MitbestG Rn. 43; Henssler in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 33 MitbestG Rn. 39; Meyer-Landrut, DB 1976, 387, 388; generell ablehnend Kieser, Komm. MitbestG, § 33 Rn. 108; Wlotzke, Das Arbeitsrecht der Gegenwart 14 (1976), 17, 41. 2 Für die generelle Unzulässigkeit Kieser, Komm. MitbestG, § 33 Rn. 107; zurückhaltend Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 33 MitbestG Rn. 23; für die Zulässigkeit aus sachlichem Grund mit Recht aber die h.M., Hüffer, Komm. AktG, § 94 Rn. 4; Habersack, Großkomm. AktG, § 94 Rn. 14; Henssler in Ulmer/Habersack/ Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 33 MitbestG Rn. 38; Oetker, Großkomm. AktG, § 33 MitbestG Rn. 14; Raiser, Komm. MitbestG, § 33 Rn. 10 f. 3 Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 33 MitbestG Rn. 42; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 48; Rumpff, GK-MitbestG, § 33 Rn. 39. 4 Raiser, Komm. MitbestG, § 33 Rn. 31; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 33 MitbestG Rn. 44 f. und 47; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 33 Rn. 25; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 48; Meyer-Landrut, DB 1976, 387, 388; Ballerstedt, ZGR 1977, 133, 150. 5 BGH v. 14.11.1983 – II ZR 33/83, BGHZ 89, 48, 59 f. = AG 1984, 48; Hüffer, Komm. AktG, § 77 Rn. 13; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 10; Henssler in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 33 MitbestG Rn. 39 m.w.N.; a.A. Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 33 Rn. 24.

206

Besondere Vorstandsmitglieder

§7

Will man den Arbeitsdirektor nicht unter dem Postulat der Gleichbe- 468 rechtigung zum bevorrechtigten Vorstandsmitglied erheben, ist gegenüber solchen Aussagen Zurückhaltung am Platze. Gleichbehandlung im Recht hindert sachlich gerechtfertigte Differenzierungen nicht1. Generelle Verbote lassen sich nur bei besonders gravierenden Ungleichbehandlungen begründen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass bereits das AktG den Vorstand als Kollegialorgan versteht und seine Mitglieder davor schützt, zu Vorstandsmitgliedern minderen Rechts ernannt zu werden2. Unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung können deshalb Gestaltungen, die aktienrechtlich zulässig sind, nur ausnahmsweise dann unzulässig werden, wenn gerade der Arbeitsdirektor gegenüber den anderen Vorstandsmitgliedern zurückgestellt wird und diese Zurückstellung in Anbetracht der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls als sachlich nicht begründet erscheint3. Von den oben genannten Gestaltungen wird man allein die Einräu- 469 mung eines Vetorechts für den Vorstandsvorsitzenden als per se unzulässig ansehen müssen, und auch dies nicht, weil sich damit eine unzulässige Ungleichbehandlung des Arbeitsdirektors verbände, sondern weil dadurch seine zwingende Ressortzuständigkeit zu sehr ausgehöhlt würde4. Bedenkenlos zulässig ist demgegenüber die Begründung eines Stichentscheids für den Vorstandsvorsitzenden in einem mehr als zweiköpfigen Vorstand5, während ein Stichentscheid in einem zweiköpfigen Kollegium bereits aktienrechtlich unzulässig ist (vgl. oben Rn. 457). Etwas anders ist die Rechtslage in der GmbH. Hier ist die Kollegial- 470 natur des Geschäftsführungsorgans weniger ausgeprägt als im Aktienrecht; auch können einzelnen Geschäftsführern Befugnisse eingeräumt werden, die sie weiter über ihre Mitgeschäftsführer herausheben, z.B. – im Gegensatz zu § 77 Abs. 2 Satz 2 AktG – das Recht zum Letztentscheid. Solche aktienrechtlich unzulässigen Dif-

1 Dies wird auch zu § 33 MitbestG allgemein anerkannt; vgl. etwa Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 33 Rn. 23; Raiser, Komm. MitbestG, § 33 Rn. 24; Rumpff, GK-MitbestG, § 33 Rn. 36; Oetker, Komm. AktG, § 33 MitbestG Rn. 13. 2 Siehe dazu Mertens, Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 12; Schwark, ZHR 142 (1978), 203, 218 f. 3 Krieger, Personalentscheidungen, S. 265 ff.; ähnlich Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 9; Oetker, Komm. AktG, § 33 MitbestG Rn. 13. 4 BGH v. 14.11.1983 – II ZR 33/83, BGHZ 89, 48, 59 = AG 1984, 48; Raiser, Komm. MitbestG, § 33 Rn. 29; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 18. 5 BGH v. 14.11.1983 – II ZR 33/83, BGHZ 89, 48, 59 = AG 1984, 48; Henssler in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 33 MitbestG Rn. 39; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 77 Rn. 48; Oetker, Großkomm. AktG, § 33 MitbestG Rn. 17.

207

§7

Bestellung und Anstellung des Vorstands

ferenzierungen sind wegen der Gleichberechtigung des Arbeitsdirektors zu seinen Lasten auch in einer GmbH unzulässig1.

4. Bestellung stellvertretender Vorstandsmitglieder 471

Gemäß § 94 AktG gelten für stellvertretende Vorstandsmitglieder die gleichen Vorschriften wie für ordentliche. Die Bezeichnung als Stellvertreter hat keine rechtliche Bedeutung, sondern erschöpft sich in der bloßen Titulierung. Für die Bestellung und Anstellung, den Widerruf der Bestellung und die Kündigung des Anstellungsvertrages gilt das gleiche wie für ordentliche Mitglieder des Vorstands; auch die gesetzliche Vertretungsbefugnis und die zwingenden Geschäftsführungsrechte und -pflichten eines stellvertretenden Vorstandsmitglieds sind die gleichen wie die eines ordentlichen2. Nur in den Grenzen zwingenden Rechts kann die rechtliche Stellung stellvertretender Vorstandsmitglieder von der Gesellschaft besonders ausgestaltet werden. So ist es z.B. möglich, ihnen die Leitung eines bestimmten Ressorts lediglich für Vertretungsfälle zuzuweisen u.Ä. In der Praxis werden vielfach neue Vorstandsmitglieder zunächst als Stellvertreter bestellt, bevor nach entsprechender Bewährung die Bestellung als ordentliches Vorstandsmitglied erfolgt. Ob ein Vorstandsmitglied als ordentliches oder als stellvertretendes bestellt wird, entscheidet der Aufsichtsrat nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Satzung kann die Bestellung von Vorstandsmitgliedern als nur stellvertretenden Mitgliedern weder ausschließen noch anordnen3.

472

Für Änderungen des Titels gelten die gleichen Regeln wie für eine Neubestellung. Die Ernennung eines bisher stellvertretenden zum ordentlichen Vorstandsmitglied steht also allein dem Gesamtaufsichtsrat zu4. Für eine – wohl nur theoretisch vorstellbare – Herabstufung eines ordentlichen Vorstandsmitgliedes zum Stellvertreter gilt das erst recht5. Ob in mitbestimmten Gesellschaften für Änderungen des Titels die besonderen Regeln des § 31 Abs. 2–4 MitbestG gelten, ist umstritten; die besseren Argumente sprechen wohl doch dagegen6. 1 Vgl. Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 33 MitbestG Rn. 42; Raiser, Komm. MitbestG, § 33 Rn. 30, je m.w.N. 2 Hüffer, Komm. AktG, § 94 Rn. 2 f.; Habersack, Großkomm. AktG, § 94 Rn. 5; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 94 Rn. 2 ff. 3 Krieger, Personalentscheidungen, S. 220; Habersack, Großkomm. AktG, § 94 Rn. 12. 4 Spindler, MünchKomm. AktG, § 94 Rn. 9; Habersack, Großkomm. AktG, § 94 Rn. 13; Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 94 Rn. 3. 5 Krieger, Personalentscheidungen, S. 223; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 24 Rn. 26. 6 Habersack, Großkomm. AktG, § 94 Rn. 13; Hüffer, Komm. AktG, § 94 Rn. 4; Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 94 Rn. 4; Flei-

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Besonderheiten im Konzern

§7

VII. Besonderheiten im Konzern Durch ein Abhängigkeits- oder Konzernverhältnis ändert sich die Personalkompetenz des Aufsichtsrats der abhängigen Aktiengesellschaft nicht. Der Aufsichtsrat bleibt für Bestellung und Anstellung und die Abberufung des Vorstands seiner Gesellschaft allein zuständig. Irgendwelche Weisungsrechte des herrschenden Unternehmens bestehen – auch bei Abschluss eines Beherrschungsvertrags und im Falle der Eingliederung – nicht1.

473

Die Personalkompetenz des Aufsichtsrats einer herrschenden Ak- 474 tiengesellschaft erstreckt sich auch im Konzern zunächst nur auf diese Gesellschaft. Für die Personalentscheidungen in abhängigen Unternehmen bleiben deren Organe zuständig. Der Aufsichtsrat des herrschenden Unternehmens muss sich aber im Rahmen seiner Überwachungsaufgabe mit der Besetzung von Führungspositionen in abhängigen Gesellschaften befassen2. Er hat also darauf zu achten, dass der Vorstand eine planmäßige Personalpolitik betreibt, die dazu geeignet ist, Führungskräfte im Konzern heranzubilden, und er hat sich über wichtige Personalentscheidungen in Tochtergesellschaften berichten zu lassen und diese mit dem Vorstand zu erörtern. Der Aufsichtsrat des herrschenden Unternehmens kann auch die 475 Mitwirkung seines Vorstands bei Personalentscheidungen in Tochtergesellschaften gem. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG von seiner Zustimmung abhängig machen3. Ein socher Zustimmungsvorbehalt bindet den Vorstand des herrschenden Unternehmens jedenfalls bei der Ausübung der Stimmrechte des herrschenden Unternehmens in der Gesellschafterversammlung der Tochter. Er wirkt sich daher jedenfalls dann aus, wenn es sich um eine Tochter-GmbH handelt, bei welcher die Gesellschafterversammlung über Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer entscheidet. Auf die Tätigkeit von Vorstandsmitgliedern des herrschenden Unternehmens im Aufsichtsrat einer Tochtergesellschaft wirken sich Zustimmungsvorbehalte nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG in der Weise aus, dass der Vorstand des herrschenden Unternehmens seinen Aufsichtsrat über beabsichtigte Personalentscheidungen in der Tochtergesellschaft vorab zu informieren und um seine Zustimmung zu bitten hat; wird die Zustimmung nicht erteilt, scher in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 94 Rn. 5; a.A. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 94 Rn. 7; Oetker, Großkomm. AktG, § 1 MitbestG Rn. 4; Vorauflage Rn. 454. 1 Krieger, Münchener Hdb. AG, § 69 Rn. 35, § 70 Rn. 170, § 73 Rn. 67. 2 Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 273 und 430; Krieger, Münchener Hdb. AG, § 69 Rn. 30. 3 Weitergehend Martens, ZHR 159 (1995), 567, 577 ff., der für wichtige Vorstandspositionen bei Töchtern eine Pflicht zur Schaffung eines Zustimmungsvorbehaltes annimmt.

209

§7

Bestellung und Anstellung des Vorstands

kann (und muss) sich der Vorstand des herrschenden Unternehmens im Aufsichtsrat der Tochter darüber allerdings nach pflichtgemäßem Ermessen hinwegsetzen1. 476

Für mitbestimmte Gesellschaften besteht nach § 32 MitbestG und nach § 15 MitbestErG ein gesetzlicher Zustimmungsvorbehalt, der unter anderem die Ausübung der Rechte der Gesellschaft bei der Bestellung und dem Widerruf der Bestellung von Verwaltungsträgern bei Tochtergesellschaften betrifft, und diese Rechtsausübung von der Zustimmung der Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat der Obergesellschaft abhängig macht. Für die Bestellung und Abberufung der Vorstände und Geschäftsführer von Tochtergesellschaften hat das jedoch kaum praktische Bedeutung, da der Zustimmungsvorbehalt nur eingreift, wenn die Gesellschafterversammlung der Tochtergesellschaft und nicht deren Aufsichtsrat für diese Personalentscheidungen zuständig ist2.

477

In der Praxis besteht häufig ein Interesse daran, Mitglieder des Vertretungsorgans oder leitende Angestellte des herrschenden Unternehmens in den Vorstand der abhängigen Gesellschaft oder umgekehrt Mitglieder des Vertretungsorgans eines abhängigen Unternehmens in den Vorstand der herrschenden Gesellschaft zu berufen3. Solche Vorstands-Doppelmandate sind aktienrechtlich zulässig4, werfen allerdings eine Reihe von Rechtsfragen auf, die sich aus möglichen Interessenkonflikten zwischen den beiden Gesellschaften ergeben5.

478–480

Einstweilen frei.

1 Ausführlich dazu Lutter in FS Fischer, 1979, S. 419 ff. 2 Oetker, Großkomm. AktG, § 32 MitbestG Rn. 11; Ulmer in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 32 MitbestG Rn. 12; Hoffmann/ Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 32 Rn. 24. 3 Zu den unternehmerischen Aspekten, die für eine derartige Personalverflechtung sprechen, vgl. Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 75; Semler in FS Stiefel, 1987, S. 719, 722 ff.; Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570; Decher, Verflechtungen, S. 71 ff., 80 ff., 86 ff.; vgl. auch die Diskussion zwischen Bernhardt, Handelsblatt vom 22.7.1986, und Keller/Max, Handelsblatt vom 11.9.1986. 4 OLG Köln v. 24.11.1992 – 22 U 72/92, WM 1993, 644, 649 = AG 1993, 86; Hüffer, Komm. AktG, § 76 Rn. 21; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 76 Rn. 112; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 10. 5 Vgl. dazu nur Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570 ff.; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 20 Rn. 10; Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 75.

210

§8 (Mit-)Entscheidungs- und sonstige Befugnisse des Aufsichtsrats I. Allgemeines Schon das Gesamtbild der bisher angesprochenen Kompetenzen lässt den Aufsichtsrat aus der bloßen Rolle eines Prüfers heraustreten und weist deutlich in die Richtung echter unternehmerischer Entscheidungsteilhabe1. Bereits seine Beratungsfunktion (dazu oben Rn. 94 ff.) eröffnet ihm die Möglichkeit eigener unternehmerischer Einflussnahmen auf den Vorstand. Das Recht und die Pflicht, zu bestimmten Geschäftsführungsmaßnahmen die Zustimmung des Aufsichtsrats vorzubehalten (dazu oben Rn. 103 ff.), verstärkt diesen Einfluss und gibt dem Aufsichtsrat die Möglichkeit, das eigene unternehmerische Urteil dem Vorstand zwar nicht aufzuzwingen, immerhin aber Maßnahmen des Vorstands zu verhindern, die diesem nicht entsprechen. Und schließlich ist dem Aufsichtsrat mit seiner Personalaufgabe (dazu oben § 7) ein Feld gänzlich eigenverantwortlicher unternehmerischer Entscheidung eröffnet.

481

In der Kontrolle des Vorstands erschöpft sich die Aufgabe des Auf- 482 sichtsrats mithin bei weitem nicht; er ist zwar auch Kontrolleur, zugleich aber fallen ihm teils kooperative, teils autonome unternehmerische Aufgabenbereiche zu. Seine Verantwortung steht neben der des Vorstands und setzt nicht erst danach ein2. Das Gesetz zieht den Bereich unternehmerischer Entscheidungen 483 und Verantwortung des Aufsichtsrats noch weiter, vor allem bei der Bilanzfeststellung und Rücklagendotierung, bei der Ausnutzung eines genehmigten Kapitals und in mitbestimmten Gesellschaften bei der Ausübung gewisser Entscheidungsbefugnisse in den Organen der Untergesellschaften.

II. Feststellung des Jahresabschlusses und Billigung des Konzernabschlusses Gemäß § 171 AktG hat der Aufsichtsrat den Jahresabschluss und ggfs. den Konzernabschluss zu prüfen und über die Billigung der Abschlüsse zu entscheiden. Die Billigung des Jahresabschlusses zieht zugleich dessen Feststellung nach sich, sofern sich nicht Vorstand 1 Näher Lutter in FS Albach, 2001, S. 225, 226 ff. 2 Lutter, AG 1979, 85, 90.

211

484

§8

(Mit-)Entscheidungs- und sonstige Befugnisse des Aufsichtsrats

und Aufsichtsrat ausnahmsweise darauf einigen, die Feststellung der Hauptversammlung zu überlassen (§ 172 Abs. 1 AktG). Im Zusammenhang mit der Feststellung des Abschlusses fällt dem Aufsichtsrat zugleich die Befugnis zu, gemeinsam mit dem Vorstand über die Einstellung eines Teils des Gewinns in andere Gewinnrücklagen zu befinden (§ 58 Abs. 2 AktG). Daneben hat der Aufsichtsrat die Befugnis zur Mitentscheidung über Abschlagszahlungen auf den erwarteten Bilanzgewinn (§ 59 Abs. 3 AktG). 485

Die Prüfung und Billigung des Jahresabschlusses kann der Aufsichtsrat nicht auf einen Ausschuss delegieren (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG). Es ist jedoch zulässig und vom Deutschen Corporate Governance Kodex (Ziff. 5.3.2) empfohlen, dass ein Prüfungsausschuss (audit committee) mit der Vorbereitung der Prüfung und Entscheidung des Plenums beauftragt wird (vgl. auch Rn. 744).

486

Der Vorstand hat dem Aufsichtsrat unverzüglich nach deren Aufstellung den Jahresabschluss nebst Lagebericht und Gewinnverwendungsvorschlag (§ 170 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AktG) sowie ggf. den Konzernabschluss nebst Konzernlagebericht (§ 170 Abs. 1 Satz 2 AktG) vorzulegen. Zusätzlich erhält der Aufsichtsrat unmittelbar vom Abschlussprüfer und Konzernabschlussprüfer deren Prüfungsberichte (§ 321 Abs. 5 Satz 2 HGB, § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG); vgl. dazu näher oben Rn. 176 ff., 217.

487

Der Aufsichtsrat hat die Vorlagen des Vorstands zu prüfen (§ 171 Abs. 1 Satz 1 AktG). Die Prüfung erstreckt sich auf die Rechtmäßigkeit des Jahresabschlusses, d.h. seine Übereinstimmung mit Gesetz und Satzung, daneben aber auch auf die Zweckmäßigkeit der bilanzpolitischen Entscheidungen, einschließlich der Rücklagendotierung nach § 58 Abs. 2 AktG1. Jedes Aufsichtsratsmitglied ist zu einer eigenen Urteilsbildung verpflichtet2. Wichtigstes Hilfsmittel ist dabei der schriftliche Prüfungsbericht des (Konzern-)Abschlussprüfers, der – selbst wenn der Aufsichtsrat die Aushändigung des Berichts auf die Mitglieder eines Ausschusses beschränkt hat (§ 170 Abs. 3 Satz 2 AktG) – von jedem Mitglied des Aufsichtsrats sorgfältig zu studieren und zu analysieren ist; vgl. näher oben Rn. 181 ff. Daneben tritt der mündliche Bericht des (Konzern-)Abschlussprüfers in der Aufsichtsratssitzung, denn der Prüfer ist verpflichtet, an der Bilanzsitzung des 1 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 171 AktG Rn. 17 und 21; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 44 Rn. 14; Claussen/Korth, Kölner Komm. AktG, § 171 Rn. 7; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 171 Rn. 4; Kropff, MünchKomm. AktG, § 171 Rn. 44; Lutter in FS Albach, 2001, S. 225, 228 f.; Clemm, ZGR 1980, 455, 457; Sünner, AG 2008, 411, 412. 2 Vgl. etwa Hommelhoff, ZGR 1983, 551, 576; Clemm, ZGR 1980, 455, 457 f.; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 171 Rn. 7.

212

Jahresabschluss/Konzernabschluss

§8

Aufsichtsrats teilzunehmen und dort über das wesentliche Ergebnis seiner Prüfung zu berichten (§ 171 Abs. 1 Satz 2 AktG); vgl. näher oben Rn. 183 f. Ergeben sich Zweifel, ist diesen weiter nachzugehen, ohne besonderen Anlass braucht der Aufsichtsrat jedoch die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und des Jahresabschlusses nicht durch eigene weiter gehende Prüfungsmaßnahmen, auch nicht durch Stichproben, zu überprüfen1. Dem Aufsichtsrat stehen für seine Prüfung die allgemeinen Informationsmittel zur Verfügung, insbesondere kann er Berichte des Vorstands anfordern (§ 90 Abs. 3 AktG), die Bücher und Schriften der Gesellschaft einsehen (§ 111 Abs. 2 Satz 1 AktG) und Sachverständige hinzuziehen (§ 111 Abs. 2 Satz 2 AktG). Die einzelnen Mitglieder des Aufsichtsrats sind grundsätzlich nicht 488 berechtigt, zu ihrer Unterstützung persönliche Sachverständige einzuschalten. Auftauchende Fragen sind vielmehr in erster Linie innerhalb des Aufsichtsrats zu klären. Nur wenn dies im Einzelfall einmal nicht möglich sein sollte, kann es ausnahmsweise in Betracht kommen, dass sich ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied für eine ganz konkrete, durch den Einzelfall veranlasste Fragestellung durch einen eigenen Sachverständigen beraten lässt, wenn ihm selbst das nötige Fachwissen fehlt2. Davon zu unterscheiden ist die Einschaltung von Assistenten und sonstigen Hilfskräften, die dem Aufsichtsratsmitglied bei der Prüfung des Abschlusses zuarbeiten und nicht fehlendes Fachwissen des Aufsichtsratsmitglieds ersetzen, sondern es nur zeitlich entlasten; das ist in angemessenem Umfang zulässig3. In jedem Fall der Einschaltung Dritter ist sicherzustellen, dass diese zur Verschwiegenheit verpflichtet sind4. Im Anschluss an seine Prüfung hat der Aufsichtsrat eigenverantwortlich zu entscheiden, ob er den Jahresabschluss und ggfs. den Konzernabschluss billigt (§ 171 Abs. 2 Satz 4 und 5 AktG)5. Diese Verpflich1 Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 171 AktG Rn. 23 ff.; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 44 Rn. 15; Claussen/Korth, Kölner Komm. AktG, § 171 Rn. 8 ff.; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 171 Rn. 6. 2 BGH v. 15.11.1982 – II ZR 27/82, BGHZ 85, 293 ff. = AG 1983, 133 (Hertie); eingehend Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 550 ff.; Forster in FS Kropff, 1997, S. 71, 80 f.; Euler/Müller in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 171 Rn. 32 ff.; großzügiger Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 96 ff.; undeutlich Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 171 Rn. 8. 3 Näher Lutter/Krieger, DB 1995, 257, 259 f.; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 553 ff.; Forster in FS Kropff, 1997, S. 71, 81 ff.; Hüffer, Komm. AktG, § 171 Rn. 9. 4 Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 552, 554; Lutter/Krieger, DB 1995, 257, 259 f.; Hüffer, Komm. AktG, § 171 Rn. 9; Drygala in K. Schmidt/ Lutter, Komm. AktG, § 171 Rn. 8. 5 Zur Frage, ob eine Billigung unter Auflagen möglich ist, vgl. Adler/Düring/ Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 172 AktG

213

489

§8

(Mit-)Entscheidungs- und sonstige Befugnisse des Aufsichtsrats

tung zur Entscheidung über die Billigung der Abschlüsse bestand in der Vergangenheit nur für den Jahresabschluss, wurde aber angesichts der immer größer werdenden praktischen Bedeutung des Konzernabschlusses durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz vom 19.7.20021 auch auf diesen erstreckt. Die Entscheidung, ob er Einwendungen erheben oder die Abschlüsse billigen will, trifft der Aufsichtsrat durch Beschluss. Mit der Billigung übernimmt der Aufsichtsrat die Mitverantwortung für die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Abschlüsse. Versagt der Aufsichtsrat den Abschlüssen die Billigung, entscheidet die Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses bzw. die Billigung des Konzernabschlusses (§ 173 Abs. 1 AktG), wozu ihr von Vorstand und Aufsichtsrat Beschlussvorschläge zu unterbreiten sind (§ 124 Abs. 3 AktG). 490

In jedem Fall hat der Aufsichtsrat über das Ergebnis seiner Prüfung schriftlich an die Hauptversammlung zu berichten und dabei auch zum Prüfungsergebnis des (Konzern-)Abschlussprüfers Stellung zu nehmen. Zugleich hat er der Hauptversammlung über Art und Umfang seiner Prüfung der Geschäftsführung während des Geschäftsjahres Mitteilung zu machen. Die Einzelheiten der Berichterstattung regeln §§ 171 Abs. 2 und 3, 172 Satz 2 AktG, vgl. dazu näher unten Rn. 562 f.

III. Erklärung zum Deutschen Corporate Governance Kodex 491

§ 161 AktG, der durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz eingefügt wurde, verpflichtet Vorstand und Aufsichtsrat der börsennotierten Aktiengesellschaft zu der jährlichen Erklärung, ob den Verhaltensempfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet werden. Dabei ging der Gesetzgeber augenscheinlich von der Vorstellung einer gemeinsamen Erklärung beider Organe aus2, die sich auch aus praktischer Sicht empfehlen dürfte. Rechtlich zwingend ist das aber nicht, sondern Wortlaut und Zweck des Gesetzes lassen auch getrennte Erklärungen zu3; sollten sich die Organe im Rn. 18; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 45 Rn. 3; Claussen/ Korth, Kölner Komm. AktG, § 172 Rn. 12; Kropff, MünchKomm. AktG, § 172 Rn. 25. 1 BGBl. I 2002, 2681 ff. 2 Vgl. Begr. RegE TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 11. 3 Hüffer, Komm. AktG, § 161 Rn. 11; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 29 Rn. 61; Sester in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 161 Rn. 11; Spindler in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 161 Rn. 23; Krieger in FS Ulmer, 2003, S. 365, 369 f.; a.A. Lutter, Kölner Komm. AktG, § 161 Rn. 41; Seibt, AG 2002, 249, 253.

214

Erklärung zum Deutschen Corporate Governance Kodex

§8

Einzelfall nicht auf eine gemeinsame Erklärung einigen können, ist das sogar unvermeidlich. Die Erklärung ist „jährlich“ abzugeben, d.h. dass seit der letzten Erklärung nicht mehr als ein Jahr verstreichen darf1; in diesem Rahmen kann der Zeitpunkt frei bestimmt werden2. Wird diese Frist nicht eingehalten oder ist die Erklärung unzureichend, so sind die Entlastungsbeschlüsse hinsichtlich aller Aufsichtsratsmitglieder anfechtbar3. Änderungen des Kodex machen keine vorzeitige Erklärung nötig4. § 161 AktG verlangt eine Erklärung dazu, ob dem Kodex in der Ver- 492 gangenheit entsprochen wurde, und ob ihm künftig entsprochen wird5. Soweit die Nichtbefolgung des Kodex erklärt wird, kann sich dies auf einzelne Empfehlungen beschränken, aber auch der Kodex en bloc abgelehnt werden6. Eine Begründung für die Ablehnung ist rechtlich nicht erforderlich, allerdings aus praktischen Gründen empfehlenswert und kaum zu vermeiden7. Auch der Kodex selbst empfiehlt, Abweichungen zu begründen (Ziff. 3.10 Satz 2). Soweit sich die Erklärung in die Zukunft richtet, bindet sie nicht; will die Gesellschaft künftig abweichen, ist dies aber unverzüglich zu publizieren8. Bei einer unrichtigen Erklärung oder einer späteren Abweichung ohne vorherige Offenlegung können die Mitglieder des Aufsichtsrats gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig sein9.

1 Lutter, Kölner Komm. AktG, § 161 Rn. 52; Spindler in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 161 Rn. 39; Semler, MünchKomm. AktG, § 161 Rn. 120; a.A. anscheinend Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 29 Rn. 64 („einmal im Kalenderjahr“); Hüffer, Komm. AktG, § 161 Rn. 15 („einmal im Geschäftsjahr“). 2 OLG Frankfurt v. 13.11.2007 – 5 U 26/06 (unveröffentlicht); Hüffer, Komm. AktG, § 161 Rn. 15. 3 OLG München v. 23.1.2008 – 7 U 3668/07, WM 2008, 645. 4 Hüffer, Komm. AktG, § 161 Rn. 15; Lutter, Kölner Komm. AktG, § 161 Rn. 56; Spindler in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 161 Rn. 40. 5 Begr. RegE TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 22; Spindler in K. Schmidt/ Lutter, Komm. AktG, § 161 Rn. 29; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 29 Rn. 65; Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 170 f.; Lutter in FS Druey, 2002, S. 415, 419; Krieger in FS Ulmer, 2003, S. 365 f.; a.A. Seibt, AG 2002, 249, 251 f.; Schüppen, ZIP 2002, 1269, 1273, die Erklärung müsse nur die Zeit bis zum Tag der Abgabe der Erklärung abdecken. 6 Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 172; Seibt, AG 2002, 249, 252. 7 Näher Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 171 f.; Lutter, ZHR 166 (2002), 523, 530 f.; Seibt, AG 2002, 249, 252; Sester in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 161 Rn. 33; Spindler in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 161 Rn. 42. 8 Lutter, Kölner Komm. AktG, § 161 Rn. 53; Lutter in FS Druey, 2002, S. 415, 419; Spindler in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 161 Rn. 43 f.; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 29 Rn. 66. 9 Dazu eingehend Lutter, Kölner Komm. AktG, § 161 Rn. 79 ff. und unten Rn. 991.

215

§8

(Mit-)Entscheidungs- und sonstige Befugnisse des Aufsichtsrats

493

Im Hinblick auf die Abgabe der Erklärung ergeben sich sowohl praktische als auch rechtliche Probleme daraus, dass die Verhaltensempfehlungen des Kodex sich an verschiedene Adressaten wenden. Der Kodex enthält eine Reihe von Empfehlungen, die die Amtsführung des Aufsichtsrats betreffen1. Darüber hinaus enthält der Kodex aber auch Verhaltensempfehlungen, die sich nicht an den Aufsichtsrat, sondern an dessen Vorsitzenden2, den Vorstand3, die Hauptversammlung4 oder die einzelnen Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat5 richten. Die Entsprechenserklärung des Aufsichtsrats hat sich auch auf diese Empfehlungen zu erstrecken, die andere betreffen. Im Hinblick auf die Vergangenheitserklärung führt das nicht zu besonderen Schwierigkeiten. Die Vergangenheitserklärung ist eine reine Wissenserklärung darüber, ob die Empfehlungen des Kodex in der Vergangenheit eingehalten wurden. Der Aufsichtsrat hat sich demgemäß vor Abgabe seiner Erklärung zu vergewissern, ob dies der Fall war; die einzelnen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder sind insoweit auskunftspflichtig6. Haben einzelne Mitglieder die an sie gerichteten Empfehlungen nicht befolgt oder eine Auskunft hierzu abgelehnt, ist dies anzugeben; Namen müssen wohl nicht genannt werden7.

494

Die Zukunftserklärung des Aufsichtsrats bezieht sich naturgemäß zunächst auf die an ihn selbst gerichteten Empfehlungen, d.h. Empfehlungen zu Angelegenheiten, die in die Entscheidungszuständigkeit des Aufsichtsrats fallen. Insoweit hat der Aufsichtsrat vor Abgabe seiner Erklärung zu entscheiden, ob die Empfehlungen künftig beachtet werden sollen. Von der Entscheidungszuständigkeit des Aufsichtsrats wird man auch für diejenigen Empfehlungen des Kodex auszugehen haben, die die Amtsführung des Aufsichtsratsvorsitzenden betreffen8. Hingegen kann der Aufsichtsrat keine verbindlichen Erklärungen für andere Organe oder einzelne Organmitglieder abgeben. Bei der Frage, inwieweit der Vorstand die den Vorstand betreffenden Verhaltensempfehlungen des Kodex akzeptieren will, liegt die letzte Entschei1 Vgl. z.B. Ziff. 3.4 Abs. 3 Satz 1, 3.8, 3.10, 4.2.1 – 4.2.3, 5.1.2, 5.1.3, 5.3.1 – 5.3.3, 5.4.1, 5.4.3 Satz 3, 5.4.4, 5.4.8, 5.5.3, 5.6, 7.2.1, 7.2.3. 2 Vgl. z.B. Ziff. 5.2. 3 Vgl. z.B. Ziff. 2.3.1 – 2.3.4, 3.10, 4.2.1, 6.3 – 6.8, 7.1.1 – 7.1.5. 4 Vgl. z.B. Ziff. 3.3, 5.4.2, 5.4.7 Abs. 2. 5 Vgl. z.B. Ziff. 3.6, 4.3.4, 4.3.5, 5.4.5, 5.5.2, 6.6. 6 Spindler in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 161 Rn. 28; Hüffer, Komm. AktG, § 161 Rn. 14; Krieger in FS Ulmer, 2003, S. 365, 371 f. 7 Spindler in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 161 Rn. 35; Hüffer, Komm. AktG, § 161 Rn. 17; Ringleb in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Komm. Kodex, Rn. 1598 ff.; a.A. Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 69 Rn. 62a; Sester in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 161 Rn. 16 (jeweils zur Zukunftserklärung). 8 Krieger in FS Ulmer, 2003, S. 365, 375; Sester in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 161 Rn. 16.

216

Erklärung zum Deutschen Corporate Governance Kodex

§8

dung beim Vorstand1. Der Aufsichtsrat kann die Entscheidung des Vorstands nicht gemäß § 111 Abs. 4 AktG einem Zustimmungsvorbehalt unterwerfen2. Im Einzelfall mag eine Verhaltensempfehlung für den Vorstand auch durch die Vorstandsgeschäftsordnung transformiert werden können3; das geht allerdings nur insoweit, als es um organisatorische Fragen der Zusammenarbeit im Vorstand geht, da die Geschäftsordnung keine inhaltlichen Regeln für die Vorstandsarbeit aufstellen kann (vgl. dazu oben Rn. 445)4. Soweit es um Verhaltensempfehlungen an die Hauptversammlung geht, können Vorstand und Aufsichtsrat nur durch entsprechende Beschlussempfehlungen an die Hauptversammlung auf deren Einhaltung hinwirken; kann zwischen Vorstand und Aufsichtsrat insoweit keine Einigung erzielt werden, hat keines der Organe Vorrang, sondern kann jedes eigenständig entscheiden5. Soweit sich die Verhaltensempfehlungen schließlich an die einzelnen Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat richten, kann keines der Organe diese durch Mehrheitsbeschluss binden, da es insoweit um Fragen der persönlichen Amtsführung geht, die nicht der Beschlusskompetenz des Organs unterliegen. Der Aufsichtsrat ist in der Lage, die Verhaltensempfehlungen, die sich an einzelne Vorstandsmitglieder richten, dadurch verbindlich in Kraft zu setzen, dass er sie zum Gegenstand der Anstellungsverträge mit den Vorstandsmitgliedern macht6. Im Übrigen wird man verlangen müssen, dass dissentierende Mitglieder durch Protokollerklärung klarstellen, wenn sie den an sie gerichteten Verhaltensempfehlungen nicht folgen wollen7; die Namen sind dann in den Entsprechenserklärungen von Vorstand und Aufsichtsrat wohl nicht zu nennen8

1 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 29 Rn. 61; Lutter, Kölner Komm. AktG, § 161 Rn. 25; Lutter in FS Huber, 2006, S. 871, 875; Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 173 f.; Krieger in FS Ulmer, 2003, S. 365, 373. 2 Semler, MünchKomm. AktG, § 161 Rn. 89; Lutter, Kölner Komm. AktG, § 161 Rn. 45; Hüffer, Komm. AktG, § 161 Rn. 12; Krieger in FS Ulmer, 2003, S. 365, 375; a.A. Spindler in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 161 Rn. 21; Seibt, AG 2002, 249, 253. 3 Näher Lutter, ZHR 166 (2002), 523, 537 f.; Lutter, Kölner Komm. AktG, § 161 Rn. 71. 4 A.A. Spindler in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 161 Rn. 25. 5 Krieger in FS Ulmer, 2003, S. 365, 373 f. 6 Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 173; Lutter, ZHR 166 (2002), 523, 536 f. 7 Krieger in FS Ulmer, 2003, S. 365, 374; Sester in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 161 Rn. 16; Hüffer, Komm. AktG, § 161 Rn. 19; Lutter, Kölner Komm. AktG, § 161 Rn. 27. 8 Ringleb in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Komm. Kodex, Rn. 1598 ff.; auch Spindler in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 161 Rn. 35; Hüffer, Komm. AktG, § 161 Rn. 17, die allerdings nur die Vergangenheiterklärung ansprechen; a.A. Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 29 Rn. 62a; Sester in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 161 Rn. 16.

217

§8

(Mit-)Entscheidungs- und sonstige Befugnisse des Aufsichtsrats

495

Bei der Entscheidung, den Verhaltensempfehlungen des Kodex zu entsprechen oder diese ganz oder zum Teil nicht anzuwenden, hat sich der Aufsichtsrat zunächst eine Meinung darüber zu bilden, ob die einzelnen Empfehlungen im Interesse des Unternehmens sachgerecht sind oder im Einzelfall Gründe bestehen mögen, die gegen eine Übernahme einzelner oder aller Empfehlungen sprechen. Ist Letzteres der Fall, muss der Aufsichtsrat in einem zweiten Schritt erwägen, ob möglicherweise die Tatsache als solche, dass die Gesellschaft den Empfehlungen des Kodex ganz oder teilweise nicht entsprechen will, für die Gesellschaft, insbesondere deren Stellung am Kapitalmarkt von Nachteil sein kann. Im Ergebnis handelt es sich um eine Zweckmäßigkeitsentscheidung, bei welcher den zuständigen Organen ein weites unternehmerisches Ermessen zusteht. Sie müssen dieses Ermessen aber sachgerecht ausüben und unter sorgfältiger Abwägung über die Kodex-Anerkennung entscheiden1.

496

Der Aufsichtsrat entscheidet über den Inhalt seiner Erklärung durch Beschluss. Dabei ist anzunehmen, dass für diesen Beschluss zwingend der Gesamtaufsichtsrat zuständig und die Delegation an einen Ausschuss nicht möglich ist2. Zwar wird die Erklärung nach § 161 AktG in dem Katalog der nicht delegationsfähigen Aufgaben in § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG nicht genannt, aber der Kodex enthält vielfältige Festlegungen des Aufsichtsrats zu Maßnahmen, die ihrerseits nicht auf einen Ausschuss delegiert werden können3. Das schließt es aus, einem Ausschuss die Befugnis zuzuerkennen, zu diesen Bereichen im Namen der Gesellschaft Erklärungen abzugeben, die die Gesellschaft zwar nicht de jure, wohl aber de facto präjudizieren. Ausgeschiedene Aufsichtsratsmitglieder wirken auch an der Vergangenheitserklärung nicht mehr mit4. Später Hinzukommende sind durch den gefassten Beschluss gebunden, soweit es nicht um die sie individuell treffenden Empfehlungen des Kodex geht; wollen sie insoweit abweichen, ist eine Aktualisierung der Entsprechenserklärung nötig.

497

Die Entsprechenserklärung ist den Aktionären dauerhaft zugänglich zu machen. Dazu reicht eine Veröffentlichung auf der Website der Gesellschaft5. Kodex und Gesetzesbegründung empfehlen darüber hinaus eine Veröffentlichung im „Geschäftsbericht“6. Überdies ist im Anhang des Jahresabschlusses und des Konzernabschlusses anzuge1 Seibt, AG 2002, 249, 253 f.; Krieger in FS Ulmer, 2003, S. 365, 378 ff.; Lutter, Kölner Komm. AktG, § 161 Rn. 44. 2 Krieger in FS Ulmer, 2003, S. 365, 376; Sester in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 161 Rn. 17; Hüffer, Komm. AktG, § 171 Rn. 13. 3 Vgl. z.B. Ziff. 4.2.1, 5.1.3, 5.3.1 – 5.3.3, 5.4.1, 5.5.3. 4 OLG Frankfurt v. 13.11.2007 – 5 U 26/06 (unveröffentlicht). 5 Begr. RegE TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 22; Hüffer, Komm. AktG, § 161 Rn. 23; Lutter, Kölner Komm. AktG, § 161 Rn. 62. 6 Begr. RegE TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 22; Ziff. 3.10 des Kodex.

218

Ausübung von Beteiligungsrechten

§8

ben, dass die Entsprechenserklärung abgegeben und den Aktionären zugänglich gemacht worden ist (§§ 285 Nr. 16, 314 Nr. 8 HGB). Die Entsprechenserklärung als solche in den Anhang aufzunehmen, ist nicht erforderlich und auch nicht empfehlenswert, da sich andernfalls die Prüfung des Anhangs durch den Abschlussprüfer auch auf die inhaltliche Richtigkeit der Entsprechenserklärung erstrecken müsste1. Aus der Verpflichtung zur Abgabe der Erklärung nach § 161 AktG er- 498 gibt sich darüber hinaus die Verpflichtung von Vorstand und Aufsichtsrat, organisatorisch sicherzustellen, dass die Verhaltensempfehlungen des Kodex, soweit ihre Befolgung erklärt wurde, eingehalten bzw. Abweichungen rechtzeitig bekanntgemacht werden2.

IV. Ausnutzung eines genehmigten Kapitals Bei der Ausnutzung eines genehmigten Kapitals, d.h. einer Ermächtigung der Satzung an den Vorstand zur Kapitalerhöhung gegen Einlagen (§ 202 AktG), bedarf der Vorstand zur Festsetzung der Ausgabebedingungen der Zustimmung des Aufsichtsrats (§ 204 Abs. 1 AktG). Umfasst die Ermächtigung den Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre (§ 203 Abs. 2 AktG), benötigt der Vorstand auch für diese Entscheidung die Zustimmung des Aufsichtsrats. Der Aufsichtsrat hat vor der Erteilung der Zustimmung wiederum die Rechtmäßigkeit und die Zweckmäßigkeit des Vorhabens des Vorstands zu prüfen.

499

V. Ausübung von Beteiligungsrechten in mitbestimmten Gesellschaften Im mitbestimmten Konzern ist der Aufsichtsrat der Obergesellschaft 500 partiell in die Rolle des Konzerngeschäftsführers gestellt: Unterfällt die Obergesellschaft dem MitbestG oder der Montan-Mitbestimmung, so kann ihr Vorstand nach Maßgabe von § 32 MitbestG und § 15 MitbestErgG Beteiligungsrechte an Tochtergesellschaften bei bestimmten Entscheidungen nur nach Weisung der Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat der Obergesellschaft ausüben3. § 32 MitbestG und § 15 MitbestErgG setzen voraus, dass die Beteiligung an der Tochtergesellschaft sich mindestens auf 25 % beläuft. Nach § 32 MitbestG ist weiter erforderlich, dass auch die Tochtergesellschaft den Vorschriften 1 Lutter, Kölner Komm. AktG, § 161 Rn. 63. 2 Näher Seibt, AG 2002, 249, 254. 3 Zum Zweck der Vorschriften näher Oetker, Großkomm. AktG, § 32 MitbestG Rn. 1, § 15 MitbestErgG Rn. 1 f.; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 29 Rn. 49; Raiser, Komm. MitbestG, § 32 Rn. 1 ff.

219

§8

(Mit-)Entscheidungs- und sonstige Befugnisse des Aufsichtsrats

des MitbestG unterliegt, während es nach § 15 MitbestErgG unerheblich ist, ob die Tochtergesellschaft der Mitbestimmung unterfällt. 501

Der Weisungsvorbehalt beschränkt sich auf die in § 32 MitbestG, § 15 MitbestErgG im einzelnen genannten Entscheidungen. Es handelt sich dabei vor allem um die Bestellung, Abberufung und Entlastung von Verwaltungsträgern (namentlich der Aufsichtsratsmitglieder) der Untergesellschaft sowie um bestimmte Grundlagenentscheidungen, vor allem den Abschluss von Unternehmensverträgen zwischen Obergesellschaft und Tochter. In diesen Fällen kann der Vorstand der Obergesellschaft die Beteiligungsrechte nur nach Weisung seines Aufsichtsrats ausüben. Insoweit ist seine Vertretungsmacht eingeschränkt1. Ohne entsprechendes Votum des Aufsichtsrats ist die Stimmrechtsausübung in der Gesellschafterversammlung der Tochter daher unwirksam. Der Aufsichtsrat kann dem Vorstand nicht durch Erteilung einer Generalermächtigung freie Hand geben2. Zulässig ist es aber, dem Vorstand für einzelne Beschlussgegenstände eine zeitlich begrenzte und inhaltlich an bestimmte Richtlinien gebundene Ermächtigung zu erteilen3.

502

Über die Ausübung der Beteiligungsrechte ist ein Aufsichtsratsbeschluss zu fassen. Dieser bedarf aber nur der Mehrheit der Stimmen der Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat (§ 32 Abs. 1 Satz 2 MitbestG, § 15 Abs. 1 Satz 2 MitbestErgG). Die Arbeitnehmervertreter können an den Beratungen teilnehmen4. Ihnen stehen jedoch nicht nur zur Sache, sondern auch zum Verfahrensablauf keine Antrags- und Entscheidungsbefugnisse zu5. Beschlussfähig ist der 1 Oetker, Großkomm. AktG, § 32 MitbestG Rn. 10, § 15 MitbestErgG Rn. 6; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 29 Rn. 49; Raiser, Komm. MitbestG, § 32 Rn. 24. 2 Oetker, Großkomm. AktG, § 32 MitbestG Rn. 20; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 29 Rn. 55; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 32 MitbestG Rn. 21; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 32 MitbestG Rn. 17; a.A. Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 32 Rn. 58. 3 Vgl. dazu Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 29 Rn. 55; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 32 MitbestG Rn. 17; Weiss, Der Konzern 2004, 590, 599 ff.; enger Raiser, Komm. MitbestG, § 32 Rn. 19; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 32 MitbestG Rn. 21; unklar Oetker, Großkomm. AktG, § 32 MitbestG Rn. 20; Gach, MünchKomm. AktG, § 32 MitbestG Rn. 15. 4 Oetker, Großkomm. AktG, § 32 MitbestG Rn. 18, § 15 MitbestErgG Rn. 7; Raiser, Komm. MitbestG, § 32 Rn. 18; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 32 MitbestG Rn. 25; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 29 Rn. 54. 5 Oetker, Großkomm. AktG, § 32 MitbestG Rn. 18; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 32 MitbestG Rn. 25;

220

Ausübung von Beteiligungsrechten

§8

Aufsichtsrat, wenn die Hälfte der Anteilseignervertreter, die dem Aufsichtsrat angehören müssen (Soll-Stärke), anwesend ist1. Die Mehrheit berechnet sich nicht nach der Zahl der abgegebenen Stimmen, sondern nach der Zahl aller Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner (Ist-Stärke)2. Die Übertragung der Beschlussfassung auf einen Aufsichtsratsaus- 503 schuss ist zulässig3. Auch die Beschlüsse des Ausschusses müssen aber mit der Mehrheit der Stimmen aller Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner gefasst werden; entsprechend muss dem Ausschuss mindestens die Mehrheit der Anteilseignervertreter angehören4. Arbeitnehmervertreter dürfen dem Ausschuss nach verbreiteter Auffassung nicht angehören, sondern sollen lediglich im Rahmen von § 109 Abs. 2 AktG teilnahmeberechtigt sein5. Nach anderer Auffassung ist es zulässig, aber nicht geboten, den Ausschuss ohne Arbeitnehmer-

1

2

3

4

5

Uwe H. Schneider, GK-MitbestG, § 32 Rn. 39; Gach, MünchKomm. AktG, § 32 MitbestG Rn. 24; a.A. z.B. Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/ Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 32 MitbestG Rn. 16; Raiser, Komm. MitbestG, § 32 Rn. 18. Oetker, Großkomm. AktG, § 32 MitbestG Rn. 16; Raiser, Komm. MitbestG, § 32 Rn. 20; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 32 MitbestG Rn. 26; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 29 Rn. 54. Oetker, Großkomm. AktG, § 32 MitbestG Rn. 17; Gach, MünchKomm. AktG, § 32 MitbestG Rn. 25; Raiser, Komm. MitbestG, § 32 Rn. 20; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 32 MitbestG Rn. 17; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 32 MitbestG Rn. 27; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 29 Rn. 54; a.A. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 32 MitbestG Rn. 18; Uwe H. Schneider, GK-MitbestG, § 32 Rn. 42; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 32 Rn. 21; Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 279 ff.; Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 295. Oetker, Großkomm. AktG, § 32 MitbestG Rn. 19, § 15 MitbestErgG Rn. 8; Raiser, Komm. MitbestG, § 32 Rn. 21; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 32 MitbestG Rn. 28; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 29 Rn. 56. Oetker, Großkomm. AktG, § 32 MitbestG Rn. 19; Raiser, Komm. MitbestG, § 32 Rn. 21; Gach, MünchKomm. AktG, § 32 MitbestG Rn. 27; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 32 MitbestG Rn. 28; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 32 MitbestG Rn. 19; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 29 Rn. 56; a.A. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 32 MitbestG Rn. 21 f.; Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 298 ff.; Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 382 f., die eine Besetzung mit 3 Anteilseignervertretern genügen lassen. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 32 MitbestG Rn. 22; Uwe H. Schneider, GK-MitbestG, § 32 Rn. 47; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 29 Rn. 56; Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 384; Weiss, Der Konzern 2004, 590, 598.

221

§8

(Mit-)Entscheidungs- und sonstige Befugnisse des Aufsichtsrats

vertreter zu bilden1, nach einer dritten Ansicht muss ihnen auf Verlangen zumindest ein Sitz im Ausschuss eingeräumt werden2. Die besondere Funktion des Ausschusses lässt es wohl zu, Arbeitnehmervertreter von einer Mitgliedschaft ganz auszuschließen, zwingend erforderlich ist das aber nicht; auch wenn keine Arbeitnehmervertreter im Ausschuss vertreten sind, bleiben das Teilnahmerecht nach § 109 Abs. 2 AktG und die Möglichkeit seines Ausschlusses durch den Aufsichtsratsvorsitzenden unberührt.

VI. Sonstiges 1. Befugnisse in Bezug auf die Hauptversammlung 504

Der Aufsichtsrat hat eine Reihe von Aufgaben und Befugnissen, die im Zusammenhang mit der Hauptversammlung stehen: a) Einberufung und Beschlussvorschläge

505

Gemäß § 111 Abs. 3 AktG hat der Aufsichtsrat eine Hauptversammlung einzuberufen, wenn das Wohl der Gesellschaft es verlangt (dazu oben Rn. 123).

506

Bei Einberufung einer Hauptversammlung hat der Aufsichtsrat – ebenso wie der Vorstand – zu den Gegenständen der Tagesordnung, über die die Hauptversammlung beschließen soll, Beschlussvorschläge zu machen, die mit der Bekanntmachung der Tagesordnung zu veröffentlichen sind (§ 124 Abs. 3 Satz 1 AktG). Ein Beschlussvorschlag ist nicht erforderlich, wenn der Gegenstand der Beschlussfassung auf Verlangen einer Minderheit auf die Tagesordnung gesetzt worden ist (§ 124 Abs. 3 Satz 2 AktG). Der Vorschlag des Aufsichtsrats wird in aller Regel mit dem des Vorstands übereinstimmen, muss es aber nicht. Zulässig – wenngleich gänzlich unüblich – ist es auch, dass der Aufsichtsrat nicht einen einzigen Vorschlag macht, sondern Alternativvorschläge unterbreitet3. 1 So z.B. Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 301 mit der Einschränkung, dass Arbeitnehmervertreter das Recht haben müssten, an den Ausschusssitzungen teilzunehmen; welche Folgen das für das Recht des Vorsitzenden haben soll, gemäß § 109 Abs. 2 AktG die Teilnahme auszuschließen, bleibt unklar. 2 So z.B. Raiser, Komm. MitbestG, § 32 Rn. 21; Ulmer/Habersack in Ulmer/ Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 32 MitbestG Rn. 28; Semler, MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 313; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 32 MitbestG Rn. 20. 3 Hüffer, Komm. AktG, § 124 Rn. 12; Willamowski in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 124 Rn. 14; Werner, Großkomm. AktG, § 124 Rn. 76; Kubis, MünchKomm. AktG, § 124 Rn. 51; a.A. Ziemons in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 124 Rn. 15.

222

Sonstiges

§8

In der Hauptversammlung ist der Aufsichtsrat als Organ antragsberechtigt1. Er ist dabei nicht an seine Beschlussvorschläge nach § 124 Abs. 3 AktG gebunden. Er ist nicht verpflichtet, in der Hauptversammlung eine seinem Vorschlag entsprechende Beschlussfassung zu beantragen, sondern kann auf einen Beschlussantrag verzichten2 oder einen von seinem Vorschlag abweichenden Antrag stellen, wenn dafür sachliche Gründe bestehen3 und der Antrag von der Tagesordnung gedeckt ist. Besonderheiten gelten für Beschlussvorschläge über die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern und Prüfern; vgl. hierzu näher § 124 Abs. 3 Satz 2–4 AktG.

507

b) Berichterstattung an die Hauptversammlung Der Aufsichtsrat hat der Hauptversammlung jährlich schriftlich Bericht zu erstatten. Vgl. hierzu unten § 9.

508

c) Änderung der Satzungsfassung Schließlich kann dem Aufsichtsrat durch Hauptversammlungsbeschluss die Befugnis zur Vornahme von Satzungsänderungen eingeräumt werden, sofern es sich dabei lediglich um Änderungen der Fassung, nicht aber des Inhalts handelt (§ 179 Abs. 1 Satz 2 AktG)4.

509

2. Vertretung der Gesellschaft Gegenüber Vorstandsmitgliedern wird die Gesellschaft vom Auf- 510 sichtsrat vertreten (§ 112 AktG; vgl. oben Rn. 433 ff.). Er erteilt überdies den Prüfungsauftrag an den Abschlussprüfer (§ 111 Abs. 2 Satz 3 AktG); vgl. Rn. 173 ff. Daneben hat der Aufsichtsrat als Annex zu seinen allgemeinen Aufgaben die Befugnis, im Namen der Gesellschaft Geschäfte abzuschließen, die zur Erfüllung der Aufgaben des Aufsichtsrats erforderlich sind (sog. Hilfsgeschäfte)5. Dazu gehört etwa die Hinzuziehung von Sachverständigen zu einer Sitzung (§ 109 Abs. 1 Satz 2 AktG) und die Beauftragung von Sachverständigen nach 1 Kubis, MünchKomm. AktG, § 118 Rn. 76; Zöllner, Kölner Komm. AktG, § 118 Rn. 18. 2 Hüffer, Komm. AktG, § 124 Rn. 12; Werner, Großkomm. AktG, § 124 Rn. 80. 3 Näher Werner, Großkomm. AktG, § 124 Rn. 80 f.; Schlitt in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch Hauptversammlung, § 4 Rn. 189; enger Hüffer, Komm. AktG, § 124 Rn. 12; Kubis, MünchKomm. AktG, § 124 Rn. 59; Willamowski in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 124 Rn. 14; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 124 Rn. 16. 4 Vgl. für Versicherungsgesellschaften weitergehend §§ 156, 39 Abs. 3 VAG. 5 Vgl. dazu Habersack, MünchKomm. AktG, § 112 Rn. 4; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 112 Rn. 14 f.; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 164 ff.; Werner, ZGR 1989, 369, 383 f.

223

§8

(Mit-)Entscheidungs- und sonstige Befugnisse des Aufsichtsrats

§ 111 Abs. 2 Satz 2 AktG, aber zum Beispiel auch – soweit erforderlich – die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens (z.B. Rechtsgutachten), die Beauftragung von Prozessbevollmächtigten in Rechtsstreitigkeiten zwischen der Gesellschaft und dem Vorstand, die Beauftragung eines Personalberaters bei der Besetzung einer vakanten Vorstandsposition, die Zusage von Auslagenersatz an einen Vorstandsbewerber usw. 511

Sofern erforderlich, kann sich der Aufsichtsrat auch durch Rechtsgeschäfte im Namen der Gesellschaft die für seine Tätigkeit erforderlichen sächlichen und persönlichen Hilfsmittel beschaffen (z.B. Anmietung eines Büroraums, Einstellung einer Hilfskraft usw.); das kommt allerdings nur in Frage, wenn die Gesellschaft nicht bereit oder in der Lage ist, diese Hilfsmittel aus ihren eigenen Beständen zur Verfügung zu stellen, oder wenn es für den Aufsichtsrat ausnahmsweise aus besonderen Gründen nicht zumutbar ist, auf die Einrichtungen und das Personal der Gesellschaft zurückzugreifen1. Kein zulässiges Hilfsgeschäft ist der Abschluss einer Haftpflichtversicherung gegen Haftungsrisiken der Aufsichtsratstätigkeit (dazu unten Rn. 1025 ff.). Eine entsprechende Vertretungsmacht für Hilfsgeschäfte haben auch der Aufsichtsratsvorsitzende und Aufsichtsratsausschüsse im Rahmen ihrer jeweiligen Aufgaben (vgl. dazu unten Rn. 681). Die Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats (bzw. des Vorsitzenden oder eines Ausschusses) für solche Hilfsgeschäfte ist aber – anders als bei § 112 AktG – keine ausschließliche; neben dem Aufsichtsrat ist in diesen Fällen auch der Vorstand vertretungsbefugt2.

512

Bei Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse wird die Gesellschaft normalerweise durch Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam vertreten; klagt der Vorstand oder ein Vorstandsmitglied, wird die Gesellschaft allein durch den Aufsichtsrat, klagt ein Aufsichtsratsmitglied, wird sie allein durch den Vorstand vertreten (§§ 246 Abs. 2, 249 Abs. 1 AktG).

3. Kreditgewährung an Führungskräfte; Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern 513

Will die Gesellschaft einem Vorstandsmitglied Kredit gewähren, bedarf es der Zustimmung des Aufsichtsrats nach näherer Maßgabe von § 89 Abs. 1 AktG. Das Gesetz erstreckt diesen Zustimmungsvorbehalt auf Kredite an Prokuristen und Generalhandlungsbevollmächtigte der eigenen Gesellschaft sowie Führungskräfte einer abhängigen 1 Hinsichtlich der Einstellung einer Hilfskraft durch den Aufsichtsrat noch enger Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 184: dies sei nie erforderlich; wie hier Habersack, MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 134. 2 Werner, ZGR 1989, 369, 383 f.

224

Sonstiges

§8

Gesellschaft; der Aufsichtsrat des herrschenden Unternehmens muss außerdem Krediten zustimmen, die Führungskräften des herrschenden Unternehmens durch eine abhängige Gesellschaft gewährt werden sollen (§ 89 Abs. 2 AktG). Weitere Ausdehnungen dieses gesetzlichen Zustimmungsvorbehalts finden sich in § 89 Abs. 3 und 4 AktG1. Die Vertretung der Gesellschaft bei Abschluss des Kreditvertrages obliegt bei Krediten an Vorstandsmitglieder ebenfalls dem Aufsichtsrat (§ 112 AktG), ansonsten jedoch dem Vorstand (§ 78 Abs. 1 AktG). Die Zustimmung des Aufsichtsrats ist ebenfalls erforderlich für Kre- 514 ditgewährungen an Aufsichtsratsmitglieder des eigenen oder einen abhängigen Unternehmens (§ 115 Abs. 1 Satz 1 und 2 AktG). Darüber hinaus bedarf es der Zustimmung des Aufsichtsrats des herrschenden Unternehmens, wenn eine abhängige Gesellschaft Kredite an Aufsichtsratsmitglieder des herrschenden Unternehmens gewähren will (§ 115 Abs. 1 Satz 2 AktG). § 115 Abs. 2 und 3 erstreckt diese Regeln auf nahestehende Personen und unter gewissen Voraussetzungen auf juristische Personen, bei denen ein Aufsichtsratsmitglied zugleich gesetzlicher Vertreter ist. Das Gesetz will durch diese Bestimmung die Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder stützen (vgl. näher unten Rn. 879). Schließlich bedürfen Dienst- oder Werkverträge zwischen Aufsichts- 515 ratsmitgliedern und der Gesellschaft der Zustimmung des Aufsichtsrats (§ 114 AktG); vgl. dazu näher unten Rn. 858 ff.

4. Stellungnahme zu Übernahmeangeboten; Verteidigungsmaßnahmen Gemäß § 27 Abs. 1 und 3 WpÜG haben Vorstand und Aufsichtsrat 516 der Zielgesellschaft bei einem Übernahmeangebot eine begründete Stellungnahme zu dem Angebot abzugeben und zu veröffentlichen. Den Mindestinhalt der Stellungnahme regelt § 27 Abs. 1 Satz 2 WpÜG, insbesondere hat sie auf die Art und Höhe der angebotenen Gegenleistung und die voraussichtlichen Folgen eines erfolgreichen Angebots für die Zielgesellschaft und deren Arbeitnehmer einzugehen2. Dazu hat sich der Aufsichtsrat eine eigene Meinung, insbesondere auch zur Angemessenheit der Gegenleistung, zu bilden, die sich auf aussagekräftige Unterlagen stützen muss. Je nach Komplexität des Falles wird es sich – zumal im Hinblick auf das mit der Stellung-

1 Vgl. auch LG Bochum v. 27.6.1989 – 12 O 133/88, ZIP 1989, 1557. 2 Vgl. dazu eingehend Schwennicke in Geibel/Süßmann, Komm. WpÜG, § 27 Rn. 4 ff.; Hirte, Kölner Komm. WpÜG, § 27 Rn. 31 ff.; Harbarth in Baums/Thoma, Komm. WpÜG, § 27 Rn. 33 ff.

225

§8

(Mit-)Entscheidungs- und sonstige Befugnisse des Aufsichtsrats

nahme verbundene Haftungsrisiko – empfehlen, eine Investmentbank oder einen anderen geeigneten Finanzberater hinzuzuziehen1. 517

§ 33 WpÜG weist dem Aufsichtsrat Mitwirkungskompetenzen bei der Verteidigung gegen „feindliche“ Übernahmeangebote zu. Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 AktG ist der Vorstand von der Neutralitätspflicht frei und darf – unter Einhaltung der allgemeinen aktienrechtlichen Grenzen – Verteidigungsmaßnahmen einleiten, wenn der Aufsichtsrat der Maßnahme zustimmt2. Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 3 WpÜG bedarf der Vorstand der Zustimmung des Aufsichtsrats, um eine ihm durch die Hauptversammlung erteilte Ermächtigung zur Vornahme von Verteidigungsmaßnahmen auszunutzen3. Der Aufsichtsrat setzt durch seine Zustimmung in der konkreten Situation die Neutralitätspflicht des Vorstands außer Kraft. Er hat deshalb bei seiner Entscheidung abzuwägen zwischen dem Interesse der Gesellschaft an der Verteidigung gegen das Übernahmeangebot und dem Interesse der Aktionäre an der Möglichkeit, von dem Angebot Gebrauch zu machen4.

518–560

Einstweilen frei.

1 Näher Schiessl, ZGR 2003, 814, 827 f. 2 Vgl. dazu näher Schwennicke in Geibel/Süßmann, Komm. WpÜG, § 33 Rn. 49 ff.; Hirte, Kölner Komm. WpÜG, § 33 Rn. 78 ff.; Grunewald in Baums/Thoma, Komm. WpÜG, § 33 Rn. 59 ff. 3 Vgl. dazu näher Schwennicke in Geibel/Süßmann, Komm. WpÜG, § 33 Rn. 74 ff.; Hirte, Kölner Komm. WpÜG, § 33 Rn. 136 f.; Grunewald in Baums/Thoma, Komm. WpÜG, § 33 Rn. 88. 4 Röh, Frankfurter Komm. WpÜG, § 33 Rn. 163; ähnlich Hirte, Kölner Komm. WpÜG, § 33 Rn. 84 i.V.m. 83; Grunewald in Baums/Thoma, Komm. WpÜG, § 33 Rn. 66 i.V.m. 50; zur notwendigen Abwägung auch schon Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 266 f.

226

§9 Der Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung Nach § 171 Abs. 2 AktG ist der Aufsichtsrat verpflichtet, jährlich an 561 die ordentliche Jahreshauptversammlung schriftlich zu berichten. Dieser Bericht hat eine dreifache Funktion. Er ist zunächst einmal der jährliche Rechenschaftsbericht des Aufsichtsrats gegenüber seinem Wahlorgan (soweit es sich um die Anteilseignervertreter handelt), das über seine Wiederwahl entscheidet, und gegenüber seinem Kontrollorgan, das über seine Entlastung befindet, § 120 AktG1. Der Bericht dient darüber hinaus aber auch der Information der Hauptversammlung, dass und wie der Aufsichtsrat bestimmte Aufgaben erfüllt hat und welche Überlegungen ihn dabei geleitet haben. Der Bericht ist insoweit also ein Mittel, das dem Aufsichtsrat die Selbstkontrolle ermöglicht, ob er seine Pflicht zur Überwachung des Vorstands angemessen erfüllt. Und schließlich ist der Bericht die Basis für eine Fremdkontrolle des Aufsichtsrats durch die Hauptversammlung. Dieser Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung hat in der Lehre2, aber auch in der Praxis und Rechtsprechung zunehmend an Bedeutung gewonnen3. Ging er früher über ein bis zwei Seiten, so liegt der Durchschnitt heute bei 10 Seiten. Wird der Bericht von der Rechtsprechung als unzureichend eingestuft, so steht die Vernichtung des Beschlusses über die Entlastung des Aufsichtsrats im Anfechtungsverfahren praktisch fest4.

1 E. Vetter, ZIP 2006, 258; Trescher, DB 1989, 1981. 2 Theisen, Information und Berichterstattung des Aufsichtsrats, S. 195 ff.; Lutter, Der Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung, AG 2008, 1 ff.; E. Vetter, Der Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung, ZIP 2006, 257 ff.; Liese/Theusinger, Anforderungen an den Bericht des Aufsichtsrats vor dem Hintergrund steigender Anfechtungsrisiken für Entlastungsbeschlüsse, BB 2007, 2528. 3 Vgl. nur LG München I v. 23.8.2007 – 5 HK O 10734/07, AG 2008, 133. 4 Vgl. noch einmal LG München I v. 23.8.2007 – 5 HK O 10734/07, AG 2008, 133 einerseits, OLG Stuttgart v. 15.3.2006 – 20 U 25/05, AG 2006, 379 andererseits.

227

§9

Der Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung

I. Die vom Gesetz geforderten Berichtsinhalte 1. Der Bericht zu Jahresabschluss und Konzernabschluss 562

Der Aufsichtsrat hat den Jahresabschluss mit Lagebericht, den Konzernabschluss mit Konzernlagebericht1 und die Berichte des Abschlussprüfers und des Konzernabschlussprüfers seinerseits zu prüfen (näher dazu Rn. 484 ff.). In diesem Kontext hat der Aufsichtsrat dann an die Hauptversammlung zu berichten: (1) Über das Ergebnis seiner eigenen Prüfung von Jahresabschluss und Lagebericht sowie ggf. von Konzernabschluss und Konzernlagebericht sowie (2) über seine eigene Stellungnahme zum Ergebnis der Prüfung durch den Abschlussprüfer und den Konzernabschlussprüfer. (3) Und schließlich hat der Aufsichtsrat am Schluss seines Berichtes zu erklären, „ob nach dem abschließenden Ergebnis seiner Prüfung Einwendungen zu erheben sind und ob er den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluss billigt“ (oder eben nicht billigt), § 171 Abs. 2 Satz 4 AktG. Und das Gleiche gilt für den Konzernabschluss.

563

Für diesen ganz wesentlichen Teil des Aufsichtsratsberichts genügt es nicht, wenn nur gesagt wird, er habe diese Unterlagen zur Kenntnis genommen und geprüft. Er muss mindestens kurz über die Art seiner Prüfung berichten. Zweckmäßig ist es, wenn er berichten kann, sein Prüfungsausschuss habe die Prüfung vorbereitet, darüber in Gegenwart des Abschlussprüfers und des Konzernabschlussprüfers an das Plenum berichtet und dieses habe nach Diskussion den soeben zitierten Beschluss gefasst2.

564

Befindet sich die Gesellschaft in wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten, so ist auch darauf einzugehen3 inkl. des Berichts über die vom Aufsichtsrat getroffenen Maßnahmen.

2. Der Bericht des Aufsichtsrats zum Dividendenvorschlag des Vorstands 565

Der Vorstand hat der Hauptversammlung einen Vorschlag zur Verwendung des Bilanzgewinns zu machen, § 175 AktG. Diesen Vor1 Zur Neufassung der Vorschriften zu den Lageberichten in den §§ 289 und 315 HGB und den Aufgaben des Aufsichtsrats in diesem Zusammenhang vgl. Böcking, Audit Committee Quarterly 2006, S. 4 ff. und Böcking/Stein, Der Konzern 2007, 51. 2 Näher Lutter, AG 2008, 1, 2 ff. 3 OLG Stuttgart v. 15.3.2006 – 20 U 25/05, WM 2006, 861 = AG 2006, 379.

228

Die vom Gesetz geforderten Berichtsinhalte

§9

schlag hat er vorweg dem Aufsichtsrat zuzuleiten und dieser muss ihn prüfen und in seinem Bericht an die Hauptversammlung Stellung dazu nehmen, kann diesen Vorschlag also unterstützen oder aber wegen einer etwa zu hoch geplanten Ausschüttung ablehnen1. Das aber genügt allein nicht. Vielmehr muss der Aufsichtsrat wenigstens kurz erläutern, weshalb er den Vorschlag des Vorstands unterstützt oder weshalb er ihn ablehnt.

3. Der Rechenschaftsbericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung a) Nach § 171 Abs. 2 Satz 2 AktG muss der Aufsichtsrat in seinem 566 Bericht an die Hauptversammlung „mitteilen, in welcher Art und in welchem Umfang er die Geschäftsführung der Gesellschaft während des Geschäftsjahrs geprüft hat; bei börsennotierten Gesellschaften hat er insbesondere anzugeben, welche Ausschüsse gebildet worden sind, sowie die Zahl seiner Sitzungen und die der Ausschüsse mitzuteilen.“ Insoweit hat der Aufsichtsrat also Rechenschaft über das „Wie“ der Erfüllung seiner Aufgabe nach § 111 Abs. 1 AktG abzulegen. Dieser Bericht ist von großem rechtlichen und praktischen Gewicht, kann doch das Wahlorgan Hauptversammlung (für die Anteilseigner) auf diesem Wege seinerseits die Art und Weise der Pflichterfüllung des Aufsichtsrats beurteilen. b) Vor diesem Hintergrund sollte es klar sein, dass Formulierungen wie „Der Aufsichtsrat hat aufgrund der Berichte des Vorstands mit diesem die Entwicklung der Gesellschaft regelmäßig erörtert und sich ein eigenes Bild von der Lage der Gesellschaft verschafft“ kaum genügen können.

567

Für börsennotierte Gesellschaften verlangt schon das Gesetz ausdrücklich die Beantwortung der Frage, ob und welche Ausschüsse gebildet worden sind und wie häufig der Aufsichtsrat und diese Ausschüsse getagt haben. Aber das alles gibt der Hauptversammlung noch keine ausreichende Grundlage für ihre Entscheidung über die Entlastung. Zwar ist der Aufsichtsrat in der Gestaltung seiner Berichte frei, aber in ihrem Inhalt sollte er auf fünf Fragen als Elemente der Überwachung (vgl. oben Rn. 71 ff.) ausdrücklich eingehen:

568

(1) Ob der Vorstand seinen Informationspflichten aus Gesetz (§ 90 AktG) und Geschäftsordnung2 vollständig und zeitgerecht nachgekommen ist. Hat der Aufsichtsrat oder eines seiner Mitglieder Zu1 Zu den Erwägungen, die der Aufsichtsrat in diesem Kontext anzustellen hat, vgl. Lutter, AG 2008, 1, 4. 2 Insbesondere wenn der Aufsichtsrat die von Lutter (Information und Vertraulichkeit, Rn. 100, 104 ff.) und dem Kodex (Ziff. 3.4 Abs. 3) empfohlene Berichtsordnung erlassen hat.

229

§9

Der Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung

satz- oder Ergänzungsberichte1 verlangt, ist darauf ausdrücklich einzugehen2. (2) Ob und wie sich der Aufsichtsrat von der Rechtmäßigkeit der Unternehmensführung überzeugt hat und ob diese Frage im Gespräch mit dem Abschlussprüfer erörtert worden ist. Sind Unregelmäßigkeiten vorgekommen, muss der Aufsichtsrat berichten, was er zur Aufklärung unternommen hat, wie er reagiert hat und ob er sich von geeigneten Maßnahmen des Vorstands für die Zukunft überzeugt hat. Die Fälle des Jahres 2006 zeigen deutlich, wie wichtig gerade die Überwachung der Rechtmäßigkeit der Unternehmensleitung ist. Der Aufsichtsrat hat sich also zu vergewissern, dass der Vorstand selbst korrekt handelt und dass er je nach Größe des Unternehmens geeignete Maßnahmen zur Überwachung des Personals in dieser Hinsicht getroffen hat3, ob also etwa eine Compliance-Abteilung eingerichtet ist und wie diese arbeitet. Darüber hat der Aufsichtsrat zu berichten. (3) Auch die Ordnungsmäßigkeit der Unternehmensführung durch den Vorstand sollte angesprochen werden. Insbesondere sollte darauf hingewiesen werden, dass der Aufsichtsrat die Organisation der Gesellschaft und des Konzerns mit dem Vorstand erörtert und sich von der Leistungsfähigkeit dieser Organisation überzeugt hat. (4) Fragen der Überwachung der Zweckmäßigkeit sind – außerhalb der bereits angesprochenen Fragen zur Bilanz- und Dividendenpolitik (dazu oben Rn. 487) – weniger berichtsrelevant, dafür sollte auf die Pflicht des Vorstands zum Risikomanagement nach § 91 Abs. 2 AktG und auf dem Hintergrund des Berichts des Abschlussprüfers ausdrücklich eingegangen werden und zwar unter den Aspekten, ob der Aufsichtsrat sich von der Leistungsfähigkeit des Systems überzeugt hat und sich regelmäßig vom Vorstand darüber hat informieren lassen. (5) Überwachungsgegenstand des Aufsichtsrats ist auch die Wirtschaftlichkeit der Unternehmensführung, also die Stärkung der Ertragskraft und die Beseitigung von etwaigen Verlustquellen. Auch das sollte ausdrücklich angesprochen werden. 569

c) Der Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung ist ein Rechenschaftsbericht über seine Tätigkeit und seine Maßnahmen. Der Bericht darf also nicht dahin missverstanden werden, dass in ihm über Umsatz und Erträge zu berichten sei; das ist Sache des Vorstands. Hingegen sind zustimmungspflichtige Geschäfte nach § 111 Abs. 4 AktG ein bedeutendes Mittel der Überwachung (dazu oben unter Rn. 103 ff.). Der Bericht sollte daher ausdrücklich darauf eingehen, 1 Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 73 ff. 2 Steiner in Heidel, Komm. AktG, § 171 Rn. 33. 3 Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 186 ff.

230

Die vom Gesetz geforderten Berichtsinhalte

§9

ob der Vorstand zustimmungspflichtige Geschäfte korrekt vorgelegt und ob der Aufsichtsrat im Berichtsjahr neue zustimmungspflichtige Geschäfte festgelegt hat. d) Kommt es zu Sonderentwicklungen, sei es zu einer wirtschaftli- 570 chen Schieflage (dazu bereits oben Rn. 87 ff.), sei es zu Unregelmäßigkeiten im Unternehmen oder hat der Aufsichtsrat in diesem oder einem anderen Zusammenhang von seinem Einsichtsrecht nach § 111 Abs. 2 AktG Gebrauch gemacht, so ist auch darüber zu berichten. e) Der Aufsichtsrat ist aber auch zur Überwachung des Vorstands bei 571 dessen Leitung des Konzerns verpflichtet; das ist heute unstreitig1. Daher muss der Aufsichtsrat in seinem Bericht an die Hauptversammlung auch darauf ausdrücklich eingehen, insbesondere ob und wie er über die Entwicklung im Konzern informiert wurde und ob sich dabei Besonderheiten, insbesondere wirtschaftliche Schieflagen, ergeben haben. Das Gleiche gilt für das „Ob“ und „Wie“ eines konzernweiten Risiko-Managements und einer konzernweiten Compliance-Ordnung: über all das ist zu berichten. f) Zur Überwachung gehört aber auch die Beratung des Vorstands2. Der Bericht muss also auch darauf eingehen und schon der Vollständigkeit halber erwähnen, dass sich der Aufsichtsrat oder einer seiner Ausschüsse mit dem Vorstand laufend über die Zielsetzung des Unternehmens, über die Strategie und ihre möglichst erfolgreiche Umsetzung beraten hat.

572

4. Die Prüfung des Abhängigkeitsberichts a) Ist die vom Aufsichtsrat zu überwachende Gesellschaft eine Aktiengesellschaft und ist sie nach § 17 AktG von einem anderen Unternehmen abhängig, so hat ihr Vorstand nach § 312 AktG jährlich einen Abhängigkeitsbericht zu erstatten, der seinerseits vom Abschlussprüfer dieser abhängigen Gesellschaft zu prüfen ist, § 313 AktG. Auch darüber hat der Abschlussprüfer zu berichten, § 313 Abs. 2 AktG. Beide Berichte – Abhängigkeitsbericht des Vorstands und Prüfungsbericht des Abschlussprüfers – sind dem Aufsichtsrat vorzulegen, der diese seinerseits zu prüfen und darüber an die Hauptversammlung zu berichten hat, § 314 Abs. 2 AktG.

1 Dazu oben Rn. 131 ff.; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 148 ff.; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 381 ff.; Lutter, AG 2006, 518. 2 BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127 = AG 1991, 312 („Die Aufgabe des Aufsichtsrats, die Geschäftsführung zu überwachen, enthält die Pflicht, den Vorstand in übergeordneten Fragen der Unternehmensführung zu beraten.“); bestätigt von BGH v. 4.7.1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340 = AG 1994, 508; vgl. dazu Boujong, AG 1995, 203, 205; oben Rn. 94 ff.

231

573

§9

Der Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung

574

b) System und Aufgabenstellung an den Aufsichtsrat in diesem Zusammenhang sind seiner Pflicht zur Prüfung des Jahresabschlusses nachgebildet. Aber eine spezielle Funktion dieses Berichtes kommt hinzu. Durch seine Prüfungs- und Berichtspflicht wird der Aufsichtsrat zum Treuhänder der Gläubiger und einer etwaigen Minderheit, die keine Einsicht in den Abhängigkeitsbericht erhalten1. Der Aufsichtsrat hat diese Prüfungsaufgabe daher mit großer Sorgfalt und Verantwortung vorzunehmen.

575

c) Im Übrigen gilt: der Aufsichtsrat hat zunächst den Bericht des Vorstands zusammen mit dem des Abschlussprüfers zu studieren und hat etwaige Ungereimtheiten mit dem Abschlussprüfer zu erörtern und dabei das Schwergewicht auf drei Fragen zu legen: (1) Sind alle Rechtsgeschäfte zwischen herrschendem Unternehmen und der abhängigen Gesellschaft sowie alle „Maßnahmen“ des herrschenden Unternehmens (§ 312 Abs. 1 Satz 2 AktG) vollständig erfasst; (2) sind die Rechtsgeschäfte at arm’s lenghts erfolgt oder (3) sind Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen auf Veranlassung des herrschenden Unternehmens für das abhängige Unternehmen nachteilig gewesen und ist der Nachteil vollständig und vor Ende des Geschäftsjahres ausgeglichen worden.

576

Auch hier hat der Aufsichtsrat nicht eine zweite Prüfung des Abhängigkeitsberichts vergleichbar der des Abschlussprüfers durchzuführen, sondern kann sich auf eine Plausibilitätsprüfung von Vorstandsbericht und Prüferbericht konzentrieren, es sei denn – der Prüferbericht gibt Anlass zu vertiefter Prüfung oder – der Aufsichtsrat selbst hat Zweifel an Aussagen in den ihm vorgelegten Berichten.

577

d) Auch hier ist es zweckmäßig, wenn ein Prüfungsausschuss die Entscheidung des Aufsichtsrats vorbereitet und dabei den Abschlussprüfer hinzuzieht. Die Entscheidung über den Bericht aber ist unabdingbar dem Plenum vorbehalten (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG), an dessen abschließender Beratung erneut der Abschlussprüfer teilnehmen muss.

578

e) Ähnlich wie beim Jahresabschluss und Konzernabschluss gibt das Gesetz dem Aufsichtsrat Formulierungen für den Abschluss seines Berichtes hierüber an die Hauptversammlung vor. So ist „ein von dem Abschlussprüfer erteilter Bestätigungsvermerk in den Bericht aufzunehmen, eine Versagung des Bestätigungsvermerks ausdrück1 Kropff, MünchKomm. AktG, § 314 Rn. 4 spricht vom „Interesse der abhängigen Gesellschaft“, das der Aufsichtsrat zu wahren habe.

232

Sonstige Berichtsinhalte

§9

lich mitzuteilen“ (§ 314 Abs. 2 Satz 3 AktG). Und weiterhin hat der Aufsichtsrat „am Schluss des Berichts … zu erklären, ob nach dem abschließenden Ergebnis seiner Prüfung Einwendungen gegen die Erklärung des Vorstands am Schluss des Berichts über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen zu erheben sind“ (§ 314 Abs. 3 AktG). Dieses Zitat aus dem Bericht des Abschlussprüfers und diese Formulierung des Aufsichtsrats am Ende seines Berichts sind unabdingbar. Fehlt auch nur einer von ihnen, so ist der Bericht unvollständig und der Aufsichtsrat kann nicht entlastet werden; anderenfalls ist der Entlastungsbeschluss anfechtbar1.

II. Sonstige Berichtsinhalte 1. Bericht über Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern a) Neben der Überwachung des Vorstands und der Beratung mit ihm 579 ist die wichtigste Aufgabe des Aufsichtsrats die Bestellung und Abberufung der Mitglieder des Vorstands sowie der Abschluss und die Kündigung des Anstellungsvertrages mit ihnen. Diesen Aspekt spricht das Gesetz beim Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung in § 171 Abs. 2 AktG nicht ausdrücklich an. Fraglich ist daher, wie der Aufsichtsrat damit in seinem Bericht umzugehen hat. b) Ganz gewiss ist der Aufsichtsrat nicht gehindert, darüber zu be- 580 richten. Fraglich ist also nur, ob er das sollte oder ob er es gar muss. (1) Die Information der Hauptversammlung über die Veränderungen im Vorstand während der Berichtsperiode ist gewiss sinnvoll und wird daher in der Praxis nahezu regelmäßig gemacht. Das „sollte“ ist daher klar zu bejahen. Dabei sind jedenfalls bei börsennotierten Gesellschaften keine Hinweise zu Abfindungen o.Ä. erforderlich, da sich diese schon aus dem Vorstandsvergütungsbericht nach §§ 285 Satz 1 Nr. 9a und 314 Abs. 1 Nr. 6a HGB ergeben2.

581

(2) Damit aber ist die Frage nach dem gesetzlichen „muss“ dieser An- 582 gaben noch nicht geklärt. Die Frage ist zu bejahen. Denn die Bestellung neuer und die Abberufung amtierender Vorstandsmitglieder ist jedenfalls mit Aspekten der Überwachung verknüpft. Und da das Gesetz in § 171 Abs. 2 Satz 2 AktG ganz allgemein vom Bericht des Aufsichtsrats über seine Prüfung der Geschäftsführung spricht, ist dieser

1 BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 52 = AG 2003, 273 (Macrotron); LG Berlin v. 13.12.2004 – 101 O 124/04, DB 2005, 1320. 2 Vgl. auch Kodex Ziff. 4.2.5.

233

§9

Der Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung

Aspekt auch davon erfasst1. Bei neu berufenen Vorstandsmitgliedern müssen die Gründe für die Bestellung nicht erläutert, wohl aber ihre besonderen Aufgaben und ihre Ressortzuständigkeit angegeben werden. 583

(3) Ist mithin über Veränderungen im Vorstand zu berichten, so stellt sich weiter die Frage, ob dabei etwaige besondere Gründe für das Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds zu nennen sind. Auch das ist der Fall; denn wenn der Aufsichtsrat Gründe für die Trennung von einem Vorstandsmitglied sieht, so ist das Teil und Folge seiner Überwachung. Und gerade darüber hat er ja zu berichten.

584

(4) Und schließlich kann die Überwachung des Aufsichtsrats auch zur Feststellung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ein Vorstandsmitglied führen. Auch darüber ist dann – ggf. in neutralisierter Form – zu berichten2.

2. Entsprechenserklärung nach § 161 AktG 585

Bei börsennotierten Gesellschaften haben Vorstand und Aufsichtsrat jährlich zu erklären, ob „den Empfehlungen der „Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex“ entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden. Die Erklärung ist den Aktionären dauerhaft zugänglich zu machen“. Letzteres geschieht heute allgemein und zutreffend auf der Webseite der Gesellschaft3. Außerdem wird die Erklärung von einzelnen Gesellschaften in ihren Corporate Governance-Bericht aufgenommen. Damit ist das gesetzliche Erfordernis erfüllt. Eine zusätzliche Aufnahme in den Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung erübrigt sich damit.

3. Beauftragung des Abschlussprüfers und Konzernabschlussprüfers 586

Nach § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG erteilt der Aufsichtsrat „dem Abschlussprüfer den Prüfungsauftrag für den Jahres- und den Konzernabschluss gemäß § 290 des Handelsgesetzbuchs.“ Darüber und über den Inhalt des Auftrages, der gesetzliche in § 317 HGB festgelegt ist, muss nicht gesondert berichtet werden. Es empfiehlt sich aber durchaus, dass mit dem Prüfer zusätzliche Prüfungsschwerpunkte oder Be1 Ebenso E.Vetter, ZIP 2006, 260 sowie Kropff in Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff, Komm. AktG, § 171 Rn. 32 (so nicht in die 2. Aufl. übernommen). 2 Ebenso E. Vetter, ZIP 2006, 260. 3 Lutter, Kölner Komm. AktG, 3. Aufl., § 161 Rn. 62; vgl. oben Rn. 497; Semler, MünchKomm. AktG, § 161 Rn. 162; Hüffer, Komm. AktG, § 161 Rn. 23.

234

Sonstige Berichtsinhalte

§9

richtspflichten1 vereinbart werden. Das ist dann in den Bericht an die Hauptversammlung aufzunehmen, weil es unmittelbar die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats und dessen Erfüllung betrifft.

4. Interessenkonflikte? Das geltende Aktienrecht beschäftigt sich an keiner Stelle mit der 587 großen Anfälligkeit des Aufsichtsrats für Interessenkonflikte2. Anders der Kodex. Er empfiehlt zunächst einmal die interne Offenlegung des Konfliktes mit folgender Formulierung: „Jedes Aufsichtsratsmitglied soll Interessenkonflikte, insbesondere solche, die aufgrund einer Beratung oder Organfunktion bei Kunden, Lieferanten, Kreditgebern oder sonstigen Geschäftspartnern entstehen können, dem Aufsichtsrat gegenüber offenlegen“3. Der Kodex empfiehlt aber darüber hinaus in seiner Ziff. 5.5.3 Satz 1 588 dem Aufsichtsrat, der Hauptversammlung über solche aufgetretene Interessenkonflikte und deren Behandlung an sie zu berichten. a) Gelangt der Aufsichtsrat zu dem Ergebnis, dass ein ihm angezeigter 589 Interessenkonflikt tatsächlich nicht vorliegt, so erübrigt sich jeder Bericht. b) Liegt hingegen auch aus der Sicht des Aufsichtsrats ein Interessen- 590 konflikt vor, so ist darüber an die Hauptversammlung zu berichten – es sei denn, in der Erklärung nach § 161 AktG wurde die Befolgung von Ziff. 5.5.3 des Kodex abgelehnt. Dieser Bericht muss weder den Grund des Konfliktes noch die betroffenen Personen benennen4. Es genügt der neutralisierte Hinweis, dass es einen solchen Konflikt gegeben hat und wie man mit ihm im Aufsichtsrat umgegangen ist. Dafür kommt – außer der Amtsniederlegung – schon von Rechts wegen nur ein Ausschluss des Betroffenen von Beratung und Beschlussfassung im Aufsichtsrat in Betracht5. Das ist dann im Bericht so auch ausdrücklich zu sagen.

1 Vgl. dazu Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rn. 324. 2 Dazu Lutter/Quack in FS Raiser, 2005, S. 259; Lutter in FS Priester, 2007, S. 417 ff.; Lutter in FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 245 ff. 3 Ziff. 5.5.2 DCGK; vgl. dazu Kremer in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Komm. Kodex, Rn. 1122 ff. 4 Vgl. E. Vetter, ZIP 2006, 261. 5 Lutter in FS Priester, 2007, S. 417, 418 ff.

235

§9

Der Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung

5. Rechtliche Konflikte 591

a) Im ARAG-Fall1 hatte der Bundesgerichtshof über die Klage einer Aufsichtsrats-Minderheit gegen die Mehrheit des Aufsichtsrats zu entscheiden. Ein solcher Konflikt „mitten im Aufsichtsrat“ befördert die Gefahr, dass der Aufsichtsrat seine Pflichten aus § 111 AktG nicht mehr korrekt erfüllen kann. Der Konflikt ist daher auch hier in neutralisierter Form der Hauptversammlung zu berichten.

592

b) Denkbar ist, dass die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern durch die Hauptversammlung angefochten ist. Es kann also sein, dass sich nach ein oder mehreren Jahren herausstellt, dass die Wahl unwirksam war. Das beeinträchtigt zwar nicht die Entscheidungen des Aufsichtsrats bis dahin; denn bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Unwirksamkeit des Wahlbeschlusses gilt dieser als wirksam2. Aber die Stellung einzelner oder aller Aufsichtsratsmitglieder ist geschwächt. Auch das muss die Hauptversammlung – erneut in neutralisierter Form – durch den Bericht des Aufsichtsrats erfahren.

593

c) Und schließlich ist sogar denkbar, dass entweder ein noch amtierendes Mitglied des Aufsichtsrats gegen die Gesellschaft3 oder die Gesellschaft gegen ein Mitglied etwa auf Schadensersatz nach §§ 116, 93 AktG klagt. Möglich ist aber auch, dass dies eine Aktionärs-Minderheit nach § 148 AktG unternimmt. Über all das muss der Aufsichtsrat von Rechts wegen an die Hauptversammlung berichten. Denn all das berührt die Fähigkeit des Aufsichtsrats zur Wahrnehmung seiner Aufgaben und insbesondere zur Überwachung des Vorstands.

594

All dies gilt nicht, wenn der Konflikt ausgeschiedene Mitglieder betrifft. Denn davon ist der amtierende Aufsichtsrat nicht berührt.

6. Ungewöhnliche Ereignisse 595

Zwei große DAX-Gesellschaften sind in 2006/2007 von schwerwiegenden Fehlentwicklungen überrascht worden. Offensichtlich haben die traditionellen Sicherungen versagt4. Es gab also in diesen und im Grunde allen anderen Unternehmen genügend Gründe, über Verbesserungen in den Kontrollsystemen der Gesellschaft und des Konzern nachzudenken. Das ist gewiss Aufgabe der Geschäftsführung des Vor1 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 = AG 1997, 377. 2 Semler, MünchKomm. AktG, 2. Aufl., § 101 Rn. 226; Habersack, MünchKomm. AktG, 3. Aufl., § 101 Rn. 70; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 101 Rn. 227. 3 So war es im berühmten Hertie-Fall, BGH v. 15.11.1982 – II ZR 27/82, BGHZ 85, 293 = AG 1983, 133. 4 Katrin Terpitz, Wer vertraut, muss kontrollieren, Handelsblatt vom 9.3.2007 (Kapitalmarkt S. 1).

236

Die Gestaltung der Berichte

§9

stands. Aber der Aufsichtsrat hat das zu überwachen. Er hat daher genau darüber zu berichten, wie der Vorstand in ständigem Kontakt und Beratung mit ihm eine Wiederholung solcher Vorgänge verhindern will.

III. Die Gestaltung der Berichte 1. Vollständigkeit Der Bericht muss vollständig und richtig sein und getreuer Rechenschaft entsprechen, das versteht sich von selbst1. Er sollte aber auch so aufgebaut sein, dass die einzelnen Berichtsteile erkennbar und unterscheidbar sind. Je mehr das der Fall ist, desto mehr vermeidet der Aufsichtsrat auch die Gefahr, dass einzelne Berichtserfordernisse von ihm übersehen werden.

596

2. Schriftlichkeit, Auslage und Einreichung zum Handelsregister Der Bericht muss schriftlich abgefasst, vom Plenum des Aufsichts- 597 rats beschlossen (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG), vom Aufsichtsratsvorsitzenden unterzeichnet und so der Hauptversammlung vorgelegt werden, §§ 120 Abs. 3 Satz 2, 176 AktG. Er ist von der Einberufung der Jahres-Hauptversammlung an in den Geschäftsräumen der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre auszulegen, § 175 Abs. 2 AktG, und muss jedem Aktionären nach dessen Anforderung auch zugesandt werden. In der Hauptversammlung hat ihn der Aufsichtsratsvorsitzende zu erläutern, § 176 Abs. 1 Satz 2 AktG. Einstweilen frei.

598

599–610

1 Vgl. Kropff, MünchKomm. AktG, § 171 Rn. 166.

237

§ 10 Überblick über die kapitalmarktrechtlichen Pflichten des Aufsichtsrats I. Überblick Eine Aktiengesellschaft, die nach § 3 Abs. 2 AktG als börsennotiert 611 zu qualifizieren ist, unterliegt als sog. Emittentin einer großen Zahl von Anzeige- und Informationspflichten gegenüber der Öffentlichkeit und der BaFin. Diese vielfältigen Pflichten sind vom Vorstand zu erfüllen. Der Aufsichtsrat ist Innen-, nicht Außenorgan der Gesellschaft und wird daher vom Gesetz in diesem Zusammenhang auch nur ausnahmsweise direkt angesprochen. Um so mehr sind seine allgemeinen internen Pflichten auch hier von großer Bedeutung.

II. Allgemeine Pflichten 1. Überwachungspflichten Die allgemeine Überwachungspflicht des Aufsichtsrats erstreckt sich selbstverständlich auch auf die Überwachung der kapitalmarktrechtlichen Pflichten des Vorstands. Das gilt hier insbesondere für die Einhaltung der Legalität, also die Beachtung des Insiderhandelsverbots und die Einhaltung der Vorschriften zur Ad-hoc-Publizität gemäß § 15 WpHG. Zu der in diesem Zusammenhang relevanten Frage des Zeitpunkts der Berichtspflicht des Vorstands1 u.a. bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen siehe die Ausführungen in Rn. 290 f.

612

2. Abgabe der Entsprechenserklärung nach § 161 AktG Nach § 161 AktG werden Vorstand und Aufsichtsrat börsennotierter 613 Aktiengesellschaften zur jährlichen Erklärung verpflichtet, ob den Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex gefolgt wurde und wird und welchen Empfehlungen gegebenenfalls nicht entsprochen wurde und wird. Siehe dazu die Ausführungen in Rn. 491 ff.

1 Vgl. dazu den Beschluss des OLG Stuttgart v. 15.2.2007 – 901 Kap 1/06, AG 2007, 250 und dazu die Revisionsentscheidung des BGH v. 25.2.2008 – II ZB 9/07, AG 2008, 380 = WM 2008, 641 = DStR 2008, 641.

239

§ 10

Kapitalmarktrechtliche Pflichten des Aufsichtsrats

III. Besondere Verhaltenspflichten bei Übernahmen 1. Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflichten 614

Im Gegensatz zu den Vorüberlegungen zum WpÜG sieht das Gesetz in seiner endgültigen Fassung keine Vorschrift vor, die für Vorstand oder Aufsichtsrat der Bieter- oder Zielgesellschaft besondere Geheimhaltungspflichten normiert. Sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat der Bieter- und Zielgesellschaft unterliegen daher den allgemeinen Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitsanforderungen der §§ 116, 93 AktG1. Außerdem sind natürlich die Regelungen der §§ 12 ff. WpHG zu beachten, handelt es sich doch bei Unternehmensübernahmen um das klassische Beispiel einer Insiderinformation.

2. Verhaltenspflichten des Aufsichtsrats der Bietergesellschaft 615

Den Aufsichtsrat der Bietergesellschaft treffen keine besonderen kapitalmarktrechtlichen Pflichten. Er muss seiner allgemeinen Überwachungspflicht nachkommen und die Vorstandsentscheidungen zum Übernahmeangebot prüfen und begleiten. Insbesondere hat er darauf zu achten, dass der Vorstand die nach §§ 10 ff. WpÜG erforderlichen Schritte für die Abgabe des Übernahmeangebots einleitet.

616

Regelmäßig wird für den Erwerb von Unternehmen oder Unternehmensanteilen auch ein Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG bestehen. Da das Übernahmeangebot jedoch unverzüglich nach der Entscheidung veröffentlicht werden muss, stellt sich die Frage, ob ein Abwarten auf die Zustimmung des Aufsichtsrats gegen das Unverzüglichkeitsgebot des § 10 Abs. 1 Satz 1 WpÜG verstößt. Das ist nicht der Fall. Immer dann, wenn die Zustimmung gesellschaftsrechtlich erforderlich ist, verstößt ein Abwarten nicht gegen das Unverzüglichkeitsgebot2. Teilweise wird von diesem Grundsatz jedoch eine Ausnahme gemacht, wenn die Zustimmung des Aufsichtsrats als sicher gilt3. Diese Ansicht ist jedoch problematisch4. Zunächst gibt es schon tatsächliche Unsicherheiten, z.B. bei der Feststellung, wann eine Zustimmung als sicher gelten und wer darüber entscheiden kann und ob sich alle, nur eine bestimmte Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder oder nur der Vorsitzende zu der Frage geäußert haben müssen. Außerdem ist nicht geklärt, unter wel1 Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 633 ff. 2 Assmann in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, Komm. WpÜG, § 10 Rn. 16; Walz in Frankfurter Komm. WpÜG, § 10 Rn. 24. 3 Sattelmann/Steinhardt in Steinmeyer/Häger, Komm. WpÜG, § 10 Rn. 16. 4 Ablehnend auch Assmann in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, Komm. WpÜG, § 10 Rn. 18 ff.; ablehnend auch schon Lutter in FS Zöllner, 1998, S. 370 f.

240

Besondere Verhaltenspflichten bei Übernahmen

§ 10

chen Voraussetzungen ein Aufsichtsrat überhaupt im Vorhinein einem Angebot zustimmen kann. Aufgrund dieser Probleme ist – parallel zu der Frage des Zeitpunkts der Ad-hoc-Publizität des § 15 WpHG – die Zustimmung des Aufsichtsrats immer abzuwarten und kein Verstoß gegen das Unverzüglichkeitsgebot anzunehmen. Sicherlich muss der Aufsichtsrat aber zügig über die Zustimmung beraten. Das sollte jedoch bei den modernen Kommunikationsformen und der Möglichkeit von Videokonferenzen kein Problem sein1.

3. Verhaltenspflichten des Aufsichtsrats der Zielgesellschaft Der Aufsichtsrat ist gemäß § 3 Abs. 3 WpÜG bei allen seinen Hand- 617 lungen im Übernahmeverfahren auf das Unternehmensinteresse seiner Gesellschaft verpflichtet. Sind Aufsichtsratsmitglieder zugleich für Bieter- und Zielgesellschaft tätig, liegt ein evidenter Interessenkonflikt vor. Siehe dazu die Ausführungen in § 12 Rn. 894 ff. a) Stellungnahmepflicht Der Vorstand hat den Aufsichtsrat über ein der Gesellschaft und ihren Aktionären unterbreitetes Übernahmeangebot zu unterrichten. Beide müssen dann gemäß § 27 WpÜG eine Stellungnahme zum Angebot der Bietergesellschaft abgeben. Ob diese getrennt abzugeben ist oder auch gemeinsam abgegeben werden kann, lässt der Wortlaut des § 27 WpÜG offen. Die Ausschussbegründung deutet daraufhin, dass vom Gesetz grundsätzlich zwei getrennte Stellungnahmen verlangt werden2; es spricht aber auch nichts gegen eine (ausnahmsweise) gemeinsame Stellungnahme.

618

In allen Fällen trifft den Aufsichtsrat jedoch die Pflicht zur Bildung einer eigenen Meinung darüber, wie das Angebot zu beurteilen ist. Dazu ist die Beschaffung von Informationen, z.B. über die wirtschaftliche Lage des Bieters und die wirtschaftlichen Eckdaten des Übernahmeangebots, sowie die sorgfältige Prüfung der Angebotsunterlagen unabdingbar. Eine Empfehlung für oder gegen die Übernahme ist zwar wünschenswert, muss in der Stellungnahme des Aufsichtsrats aber nicht zwangsläufig ausgesprochen werden. Wird keine Empfehlung ausgesprochen, müssen jedoch die Gründe dafür offen gelegt werden.

619

Ist in der Satzung nichts anderes bestimmt, reicht für die Beschlussfassung im Aufsichtsrat die einfache Mehrheit aus. Fraglich ist, ob

620

1 § 108 Abs. 4 AktG, siehe dazu auch oben Rn. 114 ff. 2 BT-Drucks. 14/7477, S. 53; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 672.

241

§ 10

Kapitalmarktrechtliche Pflichten des Aufsichtsrats

abweichende Stimmen in der Stellungnahme aufgeführt werden müssen. Das ist zu bejahen1, würde den Aktionären doch sonst ein falsches Bild gegeben. Das kapitalmarktrechtliche Transparenzgebot des § 3 Abs. 2 WpÜG überlagert in diesen Fällen das aktienrechtliche Verschwiegenheitsgebot2. Eine Veröffentlichung von Sondervoten ist erlaubt, dagegen nicht als Pflicht anzunehmen, die Benennung einzelner Aufsichtsratsmitglieder mit ihrer gegenteiligen Meinung ist nur mit deren Zustimmung erlaubt3. 621

Die Aufsichtsratsmitglieder, die Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft sind, müssen nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 WpÜG in der Stellungnahme auch angeben, ob sie das Angebot annehmen wollen. Diese Verpflichtung ist unabhängig von der Größe der Beteiligung4. Entscheiden sich die betroffenen Organmitglieder nicht einheitlich, müssen die Entscheidungen der Organmitglieder unter namentlicher Nennung in der Stellungnahme mitgeteilt werden5. Daraus lassen sich auch Rückschlüsse auf das Stimmverhalten im allgemeinen Teil der Stellungnahme ziehen.

622

Aus kapitalmarktrechtlicher Sicht dürfte es auch unzulässig sein, die Stellungnahme des Vorstands an die Zustimmung des Aufsichtsrats zu binden. Anstelle eines Zustimmungserfordernisses tritt die eigene Stellungnahme des Aufsichtsrats und deren Veröffentlichung. Dabei spielt die Stellungnahme des Aufsichtsrats beim „management buy out“ eine besondere Rolle, da der Vorstand in diesem Fall nicht mehr als neutral angesehen werden kann. b) Pflichten bei feindlichen Übernahmen

623

Bei einer feindlichen Übernahme trifft den Aufsichtsrat die besondere Pflicht, die Neutralität des Vorstands zu überwachen. Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 WpÜG darf der Vorstand keine Handlungen vornehmen, durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte. Es dürfen nur Handlungen vorgenommen werden, die auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Gesellschaft, die nicht von einem Übernahmeangebot betroffen ist, vorgenommen hätte oder Handlungen, die der Suche nach einem Konkurrenzangebot dienen. Die Einhaltung dieser Regelungen sind vom Aufsichtsrat zu prüfen. Ihn selbst 1 Siehe dazu ausführlich Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 673 ff. 2 So auch Krause/Pötzsch in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, Komm. WpÜG, § 27 Rn. 38. 3 Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 675 f.; bzgl. der Namen a.A. Fleischer/Schmolke, DB 2007, 99 f. 4 Röh in Haarmann/Schüppen, Frankfurter Komm. WpÜG, § 27 Rn. 42; Harbarth in Baums/Thoma, Komm. WpÜG, § 27 Rn. 59. 5 Krause/Pötzsch in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, Komm. WpÜG, § 27 Rn. 85; Harbarth in Baums/Thoma, Komm. WpÜG, § 27 Rn. 60.

242

Persönliche kapitalmarktrechtliche Verhaltenspflichten

§ 10

trifft dieses Verhinderungsverbot als Kontrollorgan jedoch anders, als noch im Regierungsentwurf zum WpÜG vorgesehen war, nicht1. Das erklärt sich mit einer weiteren Ausnahme: sollen Abwehrmaßnahmen getroffen werden, unterliegen diese gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 WpÜG ex lege der Zustimmung des Aufsichtsrats. Sinn dieses besonderen Zustimmungserfordernisses ist es, eine Ausnahme vom Neutralitätsgebot zu erlauben. Daraus ergibt sich, dass eine Zustimmung immer vor Durchführung der Maßnahme zu erteilen ist2. Davon kann auch keine Ausnahme in Fällen von Eilbedürftigkeit gemacht werden3. Würde man die Möglichkeit einer nachträglichen Zustimmung des Aufsichtsrats bejahen, würde man dadurch faktisch das Neutralitätsgebot aushebeln, denn es ist kaum vorstellbar, dass der Aufsichtsrat den schon durchgeführten Maßnahmen des Vorstands im Nachhinein nicht zustimmen würde.

624

Eine Zustimmung des Aufsichtsrats ist gemäß § 33 Abs. 2 Satz 4 625 WpÜG auch für die Ausübung der von der Hauptversammlung gegebenen sog. Vorratsermächtigungen nötig. Dagegen ist bei der Durchführung von Abwehrmaßnahmen aufgrund einer Ad-hoc-Zustimmung der Hauptversammlung eine Zustimmung des Aufsichtsrats nicht erforderlich4.

IV. Persönliche kapitalmarktrechtliche Verhaltenspflichten der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder Nicht nur der Aufsichtsrat als Gesamtorgan, sondern auch das einzel- 626 ne Aufsichtsratsmitglied unterliegt kapitalmarktrechtlichen Verhaltenspflichten.

1. Directors Dealing Gemäß § 15a WpHG besteht für Personen mit „Führungsaufgaben“, 627 zu denen gemäß § 15a Abs. 2 WpHG auch Mitglieder von Aufsichts1 Krause/Pötzsch in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, Komm. WpÜG, § 33 Rn. 76 ff.; Röh in Haarmann/Schüppen, Frankfurter Komm. WpÜG, § 33 Rn. 78; Steinmeyer in Steinmeyer/Häger, Komm. WpÜG, § 33 Rn. 13. 2 Röh in Haarmann/Schüppen, Frankfurter Komm. WpÜG, § 33 Rn. 165, 185; Krause/Pötzsch in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, Komm. WpÜG, § 33 Rn. 179. 3 So aber für die Zustimmung des Aufsichtsrats zu Abwehrmaßnahmen nach Ermächtigung der Hauptversammlung Krause/Pötzsch in Assmann/ Pötzsch/Uwe H. Schneider, Komm. WpÜG, § 33 Rn. 239. 4 Krause/Pötzsch in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, Komm. WpÜG, § 33 Rn. 199.

243

§ 10

Kapitalmarktrechtliche Pflichten des Aufsichtsrats

organen gehören, die Pflicht, eigene Geschäfte mit Aktien des Emittenten, also der Gesellschaft, oder sich darauf beziehenden Finanzinstrumenten innerhalb von 5 Werktagen dem Emittenten und der BaFin mitzuteilen. Diese Pflicht bezieht sich nicht nur auf die Aufsichtsratsmitglieder selbst, sondern auch auf Personen, die mit ihnen in einer engen Beziehung stehen; dazu gehören Ehepartner, eingetragene Lebenspartner, unterhaltsberechtigte Kinder und Verwandte, die seit mindestens einem Jahr im selben Haushalt wie das Aufsichtsratsmitglied leben. Diesen gleichgestellt sind auch juristische Personen, bei denen das Aufsichtsratsmitglied eine Leitungsaufgabe wahrnimmt, sowie juristische Personen anderer Gesellschaften oder Einrichtungen, die direkt oder indirekt von einem Aufsichtsratsmitglied kontrolliert werden, zu seinen Gunsten gegründet wurden oder deren wirtschaftliche Interessen weitgehend denen des Aufsichtsratsmitglieds entsprechen. Eine Verpflichtung zur Mitteilung besteht jedoch nicht, wenn die Gesamtsumme der Geschäfte des Aufsichtsratsmitglieds und der mit ihr in einer engen Beziehung stehenden Personen den Betrag von 5000 Euro bis zum Ende des Kalenderjahres nicht übersteigt. Der Inhalt der Mitteilung ist in § 10 WpAIV festgelegt. Neben Angaben zur Person muss sie insbesondere Angaben zur genauen Beschreibung des Geschäfts enthalten.

2. Angabe des Aktienbesitzes 628

Ebenso wie alle Anteilseigner müssen auch Aufsichtsratsmitglieder, wenn sie durch Erwerb, Veräußerung oder auf sonstige Weise einen der Schwellenwerte (3, 5, 10, 15, 20, 25, 30, 50 oder 75 Prozent der Stimmrechte) des § 21 WpHG erreichen, über- oder unterschreiten dieses dem Emittenten und der BaFin innerhalb von vier Handelstagen mitteilen. Unter dem genannten Schwellenwert von 3 Prozent besteht keine gesetzlich vorgeschriebene Pflicht der Aufsichtsratsmitglieder ihren Aktienbesitz anzuzeigen. Allerdings fordert der Kodex in seiner Ziff. 6.6, dass auch der Aktienbesitz (einschließlich Optionen oder sonstiger Derivate) von Aufsichtsratsmitgliedern offengelegt werden soll, wenn er direkt oder indirekt größer als 1 Prozent der von der Gesellschaft ausgegebenen Aktien ist. Übersteigt der Gesamtbesitz aller Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder mehr als 1 Prozent, so soll dieser Gesamtbetrag getrennt nach Vorstand und Aufsichtsrat angegeben werden.

244

Persönliche kapitalmarktrechtliche Verhaltenspflichten

§ 10

3. Verbot von Insidergeschäften Gemäß § 14 WpHG ist es verboten,

629

a) unter Verwendung von Insiderinformationen Insiderpapiere für eigene oder fremde Rechnung oder für einen andern zu erwerben oder zu veräußern, b) einem anderen eine Insiderinformation unbefugt mitzuteilen oder zugänglich zu machen, c) sowie einem anderen auf der Grundlage einer Insiderinformation den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren zu empfehlen oder einen anderen auf sonstige Weise dazu zu verleiten. Ein Problem für Aufsichtsratsmitglieder stellt insbesondere das Weitergabeverbot dar, wenn sie zur Aufgabenerfüllung Mitarbeiter hinzuziehen wollen. Wann eine Weitergabe hier als befugt oder unbefugt anzusehen ist, ist ausführlich unter § 6 Rn. 254 ff., 290 ff. besprochen. Einstweilen frei.

630–650

245

§ 11 Die Organisation des Aufsichtsrats I. Allgemeines 1. Überblick Die dem Aufsichtsrat zugewiesenen Aufgaben obliegen ihm als Kol- 651 legialorgan. Er erfüllt sie durch das Handeln seiner Mitglieder als Gesamtheit. Wie die Aufgaben des Aufsichtsrats im einzelnen organintern erledigt werden, regelt das Gesetz nur in wenigen Vorschriften. Es geht dabei um zweierlei: zum einen um die innere Ordnung des Gesamtorgans durch Schaffung besonderer Funktionsträger (Vorsitzender, Ausschüsse), zum anderen um die Ordnung des Verfahrensablaufs, in welchem der Aufsichtsrat seine Aufgaben erfüllt1. Die innere Ordnung des Aufsichtsrats spricht das Gesetz in § 107 Abs. 1 Satz 1 u. 3, Abs. 3 Satz 1 u. 2 AktG an, den Ablauf des Verfahrens regelt es in § 107 Abs. 2, Abs. 3 Satz 3 AktG und §§ 108 bis 110, 171 Abs. 1 Satz 2 AktG. Das MitbestG baut auf diese Regelungen auf; es ergänzt sie oder weicht von ihnen ab in den §§ 27 bis 29, 31 und 32 MitbestG. Schließlich befasst sich der Kodex in einer Reihe von Regelungen mit Fragen der Organisation des Aufsichtsrats, insbesondere in Ziff. 3.6, 5.1.3–5.3.5 und 5.6.

2. Geschäftsordnung Die gesetzlichen Bestimmungen lassen erheblichen Raum für ergän- 652 zende, teils auch für abweichende Regelungen über die Organisation der Aufsichtsratstätigkeit. Dazu ist zunächst die Satzung befugt. Satzungsregelungen in Geschäftsordnungsfragen binden den Aufsichtsrat2. Das gilt auch für Gesellschaften, die dem MitbestG unterliegen. Das MitbestG schränkt die Kompetenz der Satzung zur Regelung von Geschäftsordnungsfragen nicht ein3. Es können aber nicht alle Fragen durch die Satzung geregelt werden, über einige Punkte, z.B. die Aufgabendelegation auf Ausschüsse, kann nur der Aufsichtsrat selbst entscheiden; vgl. dazu jeweils die Ausführungen zu den betreffenden Fragenkreisen. Soweit nicht schon die Satzung Regelungen getroffen hat, kann der Aufsichtsrat sich selbst eine Geschäftsordnung geben und darin – so1 Hommelhoff, BFuP 1977, 507, 508. 2 BGH v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 328. 3 Vgl. namentlich BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81, BGHZ 83, 106, 119 = AG 1982, 218.

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653

§ 11

Die Organisation des Aufsichtsrats

weit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften entgegenstehen – seine Organisation regeln1. Für Aufsichtsratsbeschlüsse über den Erlass, die Änderung und die Aufhebung einer Geschäftsordnung gelten die allgemeinen Regeln der Beschlussfassung (vgl. unten Rn. 712 ff.). Es genügt daher im Regelfall die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Die Satzung kann, soweit die Gesellschaft nicht dem MitbestG unterliegt, eine qualifizierte Mehrheit vorschreiben (siehe auch unten Rn. 730)2; der Aufsichtsrat selbst kann ein höheres Mehrheitserfordernis hingegen nicht einführen3. In mitbestimmten Gesellschaften ist der Einsatz der Zweitstimme des Vorsitzenden (§ 29 Abs. 2 MitbestG) zulässig4. Die Geschäftsordnung gilt so lange fort, bis sie vom Aufsichtsrat geändert oder aufgehoben wird. Mitgliederwechsel im Aufsichtsrat berühren die Geschäftsordnung nicht5. Der Aufsichtsrat kann sich über die von ihm selbst erlassene Geschäftsordnung im Einzelfall hinwegsetzen, ohne die Geschäftsordnung als solche zu ändern6. Verstöße gegen Geschäftsordnungsbestimmungen der Satzung können hingegen zur Nichtigkeit des Aufsichtsratsbeschlusses führen7.

1 Vgl. dazu die Muster bei Hoffmann-Becking, Beck’sches Formularbuch, 3. Aufl., Formulare X.17 u. 18; Hölters, Münchener Vertragshandbuch, 6. Aufl., Band 1, Formular V.72; Happ, Aktienrecht, 2. Aufl., Formulare 9.01 und 9.02. 2 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 4. 3 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 166; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 4. 4 Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 14; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 4; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 13; a.A. Reich/Lewerenz, AuR 1976, 261, 271. 5 OLG Hamburg v. 23.7.1982 – 11 U 179/80, WM 1982, 1090, 1092 = AG 1983, 21; Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 24; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 14; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 165; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 14; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 5; abweichend Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 15; Säcker, DB 1977, 2031, 2036, die die Fortgeltung der alten Geschäftsordnung bei einem neu gewählten Aufsichtsrat nur akzeptieren wollen, wenn der neue Aufsichtsrat auf der Grundlage der alten Geschäftsordnung seine Tätigkeit aufnimmt, ohne dass der Antrag gestellt wird, die Geschäftsordnung zu ändern oder aufzuheben. 6 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 171; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 15; Habersack, MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 166. 7 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 170; Habersack, MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 166; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 15; einschränkend Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 15. Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Nichtigkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen vgl. unten Rn. 734 ff.

248

Allgemeines

§ 11

3. Selbstorganisationspflicht; Effizienzprüfung Im Rahmen der gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorgaben ist der 654 Aufsichtsrat nicht nur zur näheren Regelung seiner Organisation berechtigt. Ziff. 5.1.3 des Kodex empfiehlt dem Aufsichtsrat, sich eine Geschäftsordnung zu geben. Er ist dazu auch verpflichtet, soweit organisatorische Maßnahmen zur sachgerechten Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind1. Das Gesetz geht davon aus, dass die Aufgaben des Aufsichtsrats von allen Mitgliedern gemeinsam erledigt werden, es räumt aber die Möglichkeit ein, innerhalb des Aufsichtsrats spezielle Aufgabenträger zu errichten. In aller Regel lässt sich die Fülle der Aufsichtsratsaufgaben nur arbeitsteilig bewältigen, indem einzelne Aufsichtsratsmitglieder je nach ihren Kenntnissen und Fähigkeiten Teilaufgaben für das Gesamtorgan übernehmen. Dies hat der Gesamtaufsichtsrat zu organisieren: Kein Aufsichtsratsmitglied ist zur Erledigung sämtlicher Angelegenheiten des Aufsichtsrats verpflichtet, jedes Mitglied ist aber verpflichtet, für die sachgerechte Erledigung sämtlicher Angelegenheiten Sorge zu tragen. Dazu gehört die Verteilung der Aufgaben auf Ausschüsse und einzelne Aufsichtsratsmitglieder, die Koordination dieser Ressorttätigkeiten und vor allem ihre Überwachung und die Einrichtung eines funktionsfähigen Informations- und Kontrollsystems innerhalb des Gesamtaufsichtsrats und zwischen ihm und seinen Untereinheiten2. Ziff. 5.6 des Kodex empfiehlt dem Aufsichtsrat, regelmäßig die Effi- 655 zienz seiner Tätigkeit zu überprüfen. Es handelt sich dabei um eine echte Empfehlung, auch wenn der Kodex die Durchführung der Effizienzprüfung inhaltlich nicht weiter vorgibt3. Bei der Effizienzprüfung geht es in erster Linie um die Organisation und die Verfahrensabläufe im Aufsichtsrat4, daneben wird man aber auch die inhaltliche Seite der Aufsichtsratsarbeit einzubeziehen haben5. Gegenstand der Kodex-Empfehlung ist die Evaluation der Tätigkeit des Gesamtorgans, nichts steht aber entgegen, und im Einzelfall kann es auch zweckmäßig sein, sie auf die Tätigkeit von Ausschüssen oder einzel-

1 Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 9; Hommelhoff/Mattheus, AG 1998, 249, 254. 2 Zum Ganzen ausführlich Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 298 ff. m.w.N.; Semler in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 1 Rn. 28 f. 3 v. Werder in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Komm. Kodex, Rn. 1153; a.A. Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 7. 4 Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 2a; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 832. 5 Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 107; v. Werder in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Komm. Kodex, Rn. 1155 („Performance“).

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§ 11

Die Organisation des Aufsichtsrats

nen Aufsichtsratsmitgliedern zu erstrecken1. Die Effizienzprüfung ist Sache des Plenums und dort einmal jährlich zu erörtern, wobei die Vorbereitung in den Händen eines Ausschusses oder des Aufsichtsratsvorsitzenden liegen kann2. In der Praxis geht der Erörterung zumeist eine Befragung der Aufsichtsratsmitglieder in Form von Fragebögen voraus3. Genauere Vorgaben zur Selbstevaluation finden sich in den Empfehlungen der EU-Kommission zu den Aufgaben für nichtgeschäftsführende Direktoren/Aufsichtsratsmitglieder börsennotierter Gesellschaften4

II. Der Vorsitz im Aufsichtsrat 1. Bestellung des Vorsitzenden und des Stellvertreters a) Rechtslage nach dem Aktiengesetz 656

Der Aufsichtsrat ist verpflichtet, aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und mindestens einen Stellvertreter zu wählen. Wahlberechtigt ist allein der Aufsichtsrat in seiner Gesamtheit. Abweichende Satzungsregelungen (z.B. Wahl durch die Hauptversammlung) sind nicht möglich5. Auch eine Übertragung der Wahl auf einen Aufsichtsratsausschuss schließt das Gesetz aus (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG). Selbst wenn der Aufsichtsrat die Wahl pflichtwidrig unterlässt, kann nicht an seiner Stelle die Hauptversammlung einen Vorsitzenden oder einen Stellvertreter wählen6; in einem solchen Fall kann jedoch analog § 104 Abs. 2 AktG eine gerichtliche Ersatzbestellung erfolgen7. 1 Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 2a; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG § 107 Rn. 7; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 107 Rn. 3; v. Werder in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Komm. Kodex, Rn. 1156. 2 Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 832; Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 2a; v. Werder in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Komm. Kodex, Rn. 1155; Seibt, DB 2003, 2107, 2110. 3 Näher zum Evaluationsverfahren insbesondere v. Werder in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Komm. Kodex, Rn. 1154 ff.; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 832 ff.; Seibt, DB 2003, 2107, 2111. 4 ABl. Nr. L 52 vom 15.2.2005, S. 51 ff.; dazu eingehend Spindler, ZIP 2005, 2033 ff.; Maul, BB-Special 9/2005, S. 2 ff. 5 Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 3; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 8. 6 Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 3b; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 8. 7 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 8; Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 3b; Habersack, MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 25; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 21; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 26; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 107 Rn. 12. Zur Wahrnehmung der Aufgaben und Funktionen bei Fehlen von Vorsitzendem und Stellvertreter, vgl. LG Mainz v. 19.12.1989 – 10 HO 65/89, GmbHR 1990, 513, 515 f.

250

Der Vorsitz im Aufsichtsrat

§ 11

Das Gesetz schreibt die Wahl mindestens eines Stellvertreters vor. 657 Der Aufsichtsrat kann nach eigenem Ermessen mehrere Stellvertreter wählen. Die Satzung ist jedoch berechtigt, die Zahl der Stellvertreter bis auf einen zu begrenzen1; umgekehrt kann die Satzung auch die Wahl mehrerer Stellvertreter vorschreiben. Wählbar sind nur Aufsichtsratsmitglieder. Weitergehende Beschrän- 658 kungen des passiven Wahlrechts bestehen jedoch nicht und können auch von der Satzung nicht vorgeschrieben werden2. Die Satzung kann also z.B. die Wählbarkeit zum Vorsitzenden und zum Stellvertreter nicht von der Zugehörigkeit zur Gruppe der Anteilseigner- oder Arbeitnehmervertreter, von der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Familienstamm, von einem Mindestalter, einem bestimmten Aktienbesitz u.ä. abhängig machen. Ebensowenig kann die Satzung die Auswahlfreiheit des Aufsichtsrats dadurch beschränken, dass sie die Wahl an die Zustimmung anderer Stellen (z.B. Hauptversammlung, Vorstand, einzelne Aktionäre usw.) bindet3; auch der Aufsichtsrat selbst ist nicht in der Lage, seine Wahl von der Zustimmung anderer Stellen abhängig zu machen. Ziff. 5.4.3 Satz 3 des Kodex empfiehlt, Kandidatenvorschläge für den 659 Aufsichtsratsvorsitzenden den Aktionären bekannt zu geben. Diese Empfehlung gefährdet die Wahlfreiheit der Aufsichtsratsmitglieder und das Beratungsgeheimnis und muss als verfehlt angesehen werden4. Darüber hinaus enthält Ziff. 5.4.4 des Kodex die Empfehlung, dass der Wechsel des bisherigen Vorstandsvorsitzenden oder eines Vorstandsmitglieds in den Aufsichtsratsvorsitz oder in einen Ausschussvorsitz nicht die Regel sein soll. Auch das ist als generelle Empfehlung eher problematisch, erst recht in Verbindung mit der weitergehenden Empfehlung, eine entsprechende Absicht der Hauptversammlung besonders zu begründen. Einer solchen Begründung stehen die gleichen Vorbehalte entgegen wie der Bekanntgabe von Kandidatenvorschlägen für den Aufsichtsratsvorsitz, und ob der Wechsel aus dem Vorstand in den Aufsichtsratsvorsitz zweckmäßig ist, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig und einer sinnvollen generellen Empfehlung kaum zugänglich5. Für das Wahlverfahren gelten, sofern die Satzung keine anderen Vorschriften enthält, die allgemeinen Regelungen über Beschlussfassun1 Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 7; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 51; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 17. 2 Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 3; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 17; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 9. 3 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 9. 4 Kritisch auch Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 10. 5 Auch insoweit mit Recht zurückhaltend Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 11.

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§ 11

Die Organisation des Aufsichtsrats

gen des Aufsichtsrats (vgl. näher unten Rn. 712 ff.). Normalerweise ist die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich. Die Satzung kann eine relative Mehrheit für die Wahl genügen lassen1; umgekehrt kann sie wohl auch eine höhere als die einfache Stimmenmehrheit verlangen2. Die Mitglieder des Aufsichtsrats können ihre Stimme auch für ihre eigene Wahl abgeben; auch daran kann die Satzung nichts ändern3. Geheime Wahl ist zulässig4, kann aber nicht durch die Satzung vorgeschrieben werden5. Zur Einberufung und Leitung der Sitzung, in der der Vorsitzende gewählt wird, vgl. unten Rn. 690 u. 704. 661

Der Vorsitzende und seine Stellvertreter sind vom Vorstand zum Handelsregister anzumelden (§ 107 Abs. 1 Satz 2 AktG). Die Anmeldung braucht nicht in notariell beglaubigter Form zu erfolgen. Sie hat nur den Charakter einer Mitteilung an das Registergericht. Eine Eintragung oder Veröffentlichung erfolgt nicht. Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 AktG ist der Vorsitzende, nicht jedoch sein Stellvertreter, überdies auf allen Geschäftsbriefen mit dem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen anzugeben.

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Sofern nicht etwas anderes bestimmt ist, endet die Amtszeit als Vorsitzender oder Stellvertreter mit der Amtszeit, für die der Betreffende zum Aufsichtsratsmitglied gewählt wurde6. Erfolgt eine Wiederwahl zum Aufsichtsratsmitglied, wird man nicht annehmen können, dass sich damit auch die Amtszeit als Vorsitzender bzw. Stellvertreter au-

1 Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 3; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 8; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 9; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 107 Rn. 9. 2 Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 3; Habersack, MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 22; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 9; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 107 Rn. 9; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 32; einschränkend Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 19; ganz ablehnend Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 9. 3 Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 3; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 18; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 9. 4 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 12; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 107 Rn. 9; Habersack, MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 22; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 38; zweifelnd Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 18. 5 Tendenziell ebenso Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 12; wohl auch Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 38; a.A. Habersack, MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 22. 6 Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 4; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 26; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 15; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 28.

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Der Vorsitz im Aufsichtsrat

§ 11

tomatisch verlängert1. Satzung, Geschäftsordnung oder der Wahlbeschluss können abweichende Bestimmungen treffen. Dort kann vorgesehen werden, dass die Amtszeit als Vorsitzender bzw. als Stellvertreter im Falle einer Wiederwahl zum Aufsichtsratsmitglied auch über die laufende Amtsperiode hinaus andauert2; umgekehrt kann auch eine kürzere Amtszeit bestimmt werden (z.B. einjährige Amtsdauer)3. Das Amt als Vorsitzender bzw. als Stellvertreter endet in jedem Fall mit dem Ausscheiden des Betreffenden aus dem Aufsichtsrat; abweichende Regelungen sind weder durch die Satzung noch durch den Aufsichtsrat selbst möglich4. Die Amtszeiten des Vorsitzenden und des Stellvertreters müssen sich nicht decken, sondern können auch, sofern nicht die Satzung etwas anderes vorschreibt, unterschiedlich festgelegt werden5.

663

Der Aufsichtsrat kann die Wahl zum Vorsitzenden bzw. Stellvertreter 664 durch Beschluss jederzeit widerrufen. Die Satzung oder die Geschäftsordnung können aber bestimmen, dass eine Abberufung nur aus wichtigem Grund möglich ist6. Für die Abberufung ist – sofern nicht die Satzung oder die Geschäftsordnung etwas anderes regeln – dieselbe Mehrheit erforderlich wie für die Wahl7, normalerweise also die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Ein Widerruf aus wichtigem Grund kann nicht durch Satzungs- oder Geschäftsordnungsregelungen erschwert werden und ist daher stets mit einfacher Stimmenmehrheit möglich8. Der Vorsitzende bzw. der Stellvertreter ist bei der Abstimmung über seine Abberufung stimmberechtigt, 1 Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 4; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 26; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 28. 2 Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 4; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 15; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 49; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 28; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 24. 3 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 24; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 28; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 48. 4 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 15; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 49; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 24; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 29. 5 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 18; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 48; Habersack, MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 29. 6 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 16; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 55; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 32. 7 Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 4; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 28; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 16; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 32. 8 Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 4; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 28; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 16; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 55; Drygala in K. Schmidt/Lutter, § 107 Rn. 16.

253

§ 11

Die Organisation des Aufsichtsrats

wenn die Abberufung nicht aus wichtigem Grund erfolgen soll; bei einer Abberufung aus wichtigem Grund ist er vom Stimmrecht ausgeschlossen1. 665

Die Niederlegung des Amtes als Vorsitzender bzw. Stellvertreter ist grundsätzlich jederzeit möglich, genauso wie die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat jederzeit niedergelegt werden kann (vgl. oben Rn. 31); allerdings darf die Amtsniederlegung nicht zur Unzeit erfolgen. Ist die Niederlegung des Amtes als Aufsichtsratsmitglied durch die Satzung an bestimmte Formen und Fristen oder das Vorliegen eines wichtigen Grundes geknüpft, wird dies entsprechend auch für die Niederlegung des Vorsitzenden- bzw. Stellvertreteramtes gelten müssen2. Andernfalls erfolgt die Amtsniederlegung durch formlose Erklärung gegenüber dem Aufsichtsrat3, wobei jedenfalls Zugang beim Stellvertreter genügt4, aber auch eine Erklärung gegenüber einem der anderen Aufsichtsratsmitglieder ausreichen dürfte. Eine Niederlegungserklärung gegenüber dem Vorstand reicht nicht5; man wird aber annehmen können, dass eine solche Erklärung vom Vorstand an den Aufsichtsrat weiterzuleiten ist und dann mit Zugang beim Aufsichtsrat wirksam wird6. b) Besonderheiten nach dem MitbestG

666

In mitbestimmten Gesellschaften gelten gemäß § 27 MitbestG teilweise Sonderregelungen. Diese Sonderregelungen sind zwingend; weder Satzung noch Aufsichtsrat können davon also abweichen:

667

Gemäß § 27 Abs. 1 MitbestG bedarf die Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters im ersten Wahlgang der Mehrheit von 2/3 der Stimmen der nach dem Gesetz erforderlichen Aufsichtsratsmitglieder (Sollstärke). Die Abstimmung über die Wahl des Vor-

1 Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 4; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 29; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 107 Rn. 16. 2 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 32; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 16; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 51. 3 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 32; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 16. 4 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 32; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 16; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 51. 5 Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 51; Habersack, MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 34; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 37; zweifelnd Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 16. 6 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 32; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 37; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 51; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 107 Rn. 17.

254

Der Vorsitz im Aufsichtsrat

§ 11

sitzenden und des Stellvertreters kann gleichzeitig vorgenommen werden. Es ist aber auch eine getrennte Abstimmung möglich1. Kommt die Wahl auch nur einer der beiden Positionen mit der im ers- 668 ten Wahlgang erforderlichen 2/3-Mehrheit nicht zustande, so ist sowohl über den Vorsitzenden als auch den Stellvertreter in einem zweiten Wahlgang erneut abzustimmen. Dabei wählen die Anteilseignervertreter den Vorsitzenden, die Arbeitnehmervertreter den Stellvertreter; es genügt jeweils die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen in den Wählergruppen (§ 27 Abs. 2 MitbestG). Der zweite Wahlgang soll alsbald nach dem ersten erfolgen; der Aufsichtsrat kann aber mit Zustimmung aller Teilnehmer des ersten Wahlgangs beschließen, den ersten Wahlgang noch einmal zu wiederholen2. Die Abstimmungen der beiden Gruppen im zweiten Wahlgang können in einer Plenarsitzung des Aufsichtsrats, ebensogut aber in getrennten Sitzungen vorgenommen werden3. Beschlussfähig sind die beiden Gruppen entsprechend § 28 MitbestG, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder, aus denen sie zu bestehen haben (Sollstärke), an der Beschlussfassung teilnehmen4. In beiden Wahlgängen ist jedes Aufsichtsratsmitglied an sich unabhängig von seiner Gruppenzugehörigkeit wählbar5, jedoch geht das Gesetz von einem Anteilseigner-Vertreter als Vorsitzendem und einem Arbeitnehmer-Vertreter als seinem Stellvertreter aus; hiervon abzuweichen (etwa bei Gesellschaften unter Einfluss der öffentlichen Hand), kann treuwidrig gegenüber den Interessen der anderen Beteiligten sein.

1 Raiser, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 12; Oetker, Großkomm. AktG, § 27 MitbestG Rn. 5; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 27; Ulmer/ Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 6. 2 Raiser, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 12; Oetker, Großkomm. AktG, § 27 MitbestG Rn. 5; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 27 MitbestG Rn. 6; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 27; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 6. 3 Raiser, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 13; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 28; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 8. 4 Raiser, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 13; Oetker, Großkomm. AktG, § 27 MitbestG Rn. 7; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 28; Ulmer/ Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 8. 5 Raiser, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 13; Oetker, Großkomm. AktG, § 27 MitbestG Rn. 6; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 28 MitbestG Rn. 7.

255

669

§ 11

Die Organisation des Aufsichtsrats

670

Auch in Gesellschaften unter dem MitbestG ist die Wahl weiterer Stellvertreter zulässig1. Die Satzung kann auch hier die Wahl weiterer Stellvertreter anordnen, sie kann aber nicht die Auswahlfreiheit des Aufsichtsrats beschränken. Namentlich kann nicht durch die Satzung vorgeschrieben werden, dass die beiden Stellvertreter der einen oder anderen Gruppe von Aufsichtsratsmitgliedern zugehören müssten2. Für die Wahl weiterer Stellvertreter gilt nicht das Wahlverfahren nach § 27 MitbestG. Vielmehr finden die allgemeinen Regeln über die Beschlussfassung im Aufsichtsrat nach § 29 MitbestG Anwendung3; der Aufsichtsrat beschließt also mit einfacher Stimmenmehrheit, notfalls mit Einsatz der Zweitstimme des Vorsitzenden (vgl. näher unten Rn. 731).

671

Wie unter dem AktG (vgl. oben Rn. 656) ist auch für Gesellschaften unter dem MitbestG eine gerichtliche Notbestellung des Aufsichtsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters analog § 104 AktG zulässig, wenn der Aufsichtsrat seiner Bestellungspflicht nicht nachkommt4.

672

Für die Amtszeit gilt das gleiche wie unter dem AktG (vgl. oben Rn. 662). Satzung oder Aufsichtsrat können Bestimmungen über die Amtszeit treffen; allerdings müssen sich – anders als unter dem AktG – die Amtszeiten des Vorsitzenden und seines Stellvertreters decken5. Haben die Satzung oder der Aufsichtsrat keine besonderen Regelungen über die Amtszeit getroffen, sind der Vorsitzende und sein Stell-

1 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81, BGHZ 83, 106 = AG 1982, 218 (Siemens); in der Literatur war die Frage vor dieser Entscheidung heftig umstritten, vgl. dazu etwa die ausführlichen Nachweise zum Meinungsstand bei Raiser, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 6; Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 286 ff. 2 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81, BGHZ 83, 106, 116 = AG 1982, 218 (Siemens). 3 OLG Hamburg v. 23.7.1982 – 11 U 179/80, AG 1983, 21, 22; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 19; Oetker, Großkomm. AktG, § 27 MitbestG Rn. 20; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 30; a.A. Raiser, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 15. 4 Raiser, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 8; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 4; Oetker, Großkomm. AktG, § 27 MitbestG Rn. 9; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 27 MitbestG Rn. 5; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 29; a.A. Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 7; Naendrup, GK-MitbestG, § 27 Rn. 22. 5 Raiser, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 16; Oetker, Großkomm. AktG, § 27 MitbestG Rn. 16; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 31; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 10.

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Der Vorsitz im Aufsichtsrat

§ 11

vertreter für die Dauer ihrer laufenden Amtsperiode als Aufsichtsratsmitglied gewählt1. Die Wahl zum Vorsitzenden und zum Stellvertreter ist auch in mit- 673 bestimmten Gesellschaften jederzeit widerruflich. Wurde der Betreffende im ersten Wahlgang nach § 27 Abs. 1 MitbestG gewählt, bedarf es zur Abberufung ebenfalls der Mehrheit von zwei Dritteln der Sollstärke des Aufsichtsrats2. Wurde der Betreffende im zweiten Wahlgang nach § 27 Abs. 2 MitbestG gewählt, ist seine Abberufung mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen derjenigen Gruppe möglich, von der er gewählt wurde; hingegen genügt nicht eine 2/3-Mehrheit des gesamten Aufsichtsrats3. Satzungsregelungen, die die Abberufung gegenüber diesen Grundsätzen erleichtern (z.B. Abberufung schon mit einfacher Mehrheit des Gesamtaufsichtsrats), sind unzulässig4. Bestimmungen, die die Abberufung erschweren, wird man für zulässig halten können5, allerdings nur für Abberufung ohne wichtigen Grund (vgl. oben Rn. 664).

1 Raiser, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 16; Oetker, Großkomm. AktG, § 27 MitbestG Rn. 16; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 31; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 10. 2 H.M., Raiser, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 17; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 18; Oetker, Großkomm. AktG, § 27 MitbestG Rn. 13 f. m.w.N.; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 33; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 13; a.A., einfache Mehrheit: Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 23 f.; Meyer-Landrut, DB 1978, 443; Hönig, DB 1979, 745; 1/3-Minderheit: Reuter, AcP 179 (1979), 509, 531 f. 3 Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 13a; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 18; Oetker, Großkomm. AktG, § 27 MitbestG Rn. 15; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 61; a.A. Raiser, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 18; Gach, MünchKomm. AktG, § 27 MitbestG Rn. 16; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 24; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 27 MitbestG Rn. 9; Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 279 f., die auch eine Abberufung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Sollstärke des gesamten Aufsichtsrats zulassen wollen. 4 Ebenso Raiser, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 20; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 18; Oetker, Großkomm. AktG, § 27 MitbestG Rn. 13; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 13; a.A. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 27 MitbestG Rn. 9. 5 Raiser, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 20; Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 286; Reuter, AcP 179 (1979), 509, 532; a.A. Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 18; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 25.

257

§ 11 674

Die Organisation des Aufsichtsrats

Werden der Vorsitzende oder sein Stellvertreter abberufen oder legen sie ihr Amt nieder, hat dies auf das Amt des jeweils anderen keine Auswirkungen1. Abweichende Satzungsregelungen dürften unzulässig sein2. Für die vakant gewordene Position ist unverzüglich eine Nachwahl durchzuführen, für welche ebenfalls die Wahlvorschriften des § 27 Abs. 1 und 2 MitbestG Anwendung finden3. Ersatzvorsitzende bzw. -stellvertreter, die automatisch nachrücken, können nicht bestellt werden4.

2. Aufgaben des Vorsitzenden und des Stellvertreters 675

Der Aufsichtsratsvorsitzende ist kein besonderes Organ der AG, sondern nur Mitglied des Aufsichtsrats, dem allerdings in einer Reihe gesetzlicher Einzelvorschriften besondere Aufgaben zugewiesen sind und dem kraft Gewohnheitsrecht all diejenigen Aufgaben obliegen, die dem Vorsitzenden eines Gremiums üblicherweise zustehen5. Die Aufgaben des Vorsitzenden gliedern sich in drei Funktionsbereiche6: die Koordination und Leitung des Aufsichtsratsverfahrens, die Repräsentation des Aufsichtsrats, insbesondere gegenüber Vorstand und Hauptversammlung, und die Vertretung der Gesellschaft bei Abgabe bestimmter Handelsregistererklärungen (vgl. z.B. §§ 184 Abs. 1, 188 Abs. 1, 195 Abs. 1, 207 Abs. 2, 223, 229 Abs. 3 und 237 Abs. 2 AktG). 1 Raiser, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 19; Oetker, Großkomm. AktG, § 27 MitbestG Rn. 17; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 31; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 12; jetzt auch Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/ Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 16. 2 Ebenso Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 271; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 27 MitbestG Rn. 8; a.A. Raiser, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 25; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 26; Philipp, ZGR 1978, 60, 68 f. 3 Näher Raiser, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 21 ff.; Oetker, Großkomm. AktG, § 27 MitbestG Rn. 17; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 32; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 11; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/ Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 16 f. 4 Raiser, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 21; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 11; Oetker, Großkomm. AktG, § 27 MitbestG Rn. 17; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 32; a.A. Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 26; Philipp, ZGR 1978, 60, 74 f. 5 Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 5; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 35; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 22; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 107 Rn. 18; ablehnend Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 27 ff. 6 So die Unterscheidung von Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 16 ff.; ähnlich Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 19; Semler in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 4 Rn. 38.

258

Der Vorsitz im Aufsichtsrat

§ 11

Zumeist wird ihm daneben durch die Satzung auch die Leitung der Hauptversammlung übertragen. Seine wesentlichen Aufgaben betreffen die Verfahrensleitung und 676 -koordination im Aufsichtsrat1. Er beruft die Sitzungen des Aufsichtsrats ein (§ 110 Abs. 1 AktG), bereitet sie vor und leitet sie, er hat die Ausschusstätigkeit zu koordinieren und anderes mehr (vgl. z.B. noch §§ 107 Abs. 2 Satz 1, 109 Abs. 2 AktG). Satzung oder Geschäftsordnung können in diesem Bereich der Verfahrensleitung die Rechtsstellung des Vorsitzenden ergänzend regeln, soweit damit nicht das zwingende Organisationsrecht der AG berührt wird2; vgl. dazu näher unten Rn. 688 ff. In mitbestimmten Gesellschaften ist der Vorsitzende der Inhaber des 677 Zweitstimmrechts (§§ 29 Abs. 2, 31 Abs. 4 MitbestG) und kraft Amtes Mitglied des Vermittlungsausschusses nach § 27 Abs. 3 MitbestG. Zur Repräsentation des Aufsichtsrats gehört namentlich die Informa- 678 tionsvermittlung zwischen dem Aufsichtsrat und anderen Organen der AG3. Der Aufsichtsratsvorsitzende ist vor allen Dingen der allgemeine Ansprechpartner des Vorstands, der mit diesem in ständiger Fühlungnahme zu stehen hat4. Das betont auch Ziff. 5.2 Abs. 3 des Kodex, der in diesem Zusammenhang insbesondere die Beratung der Strategie, der Geschäftsentwicklung und des Risikomanagements zwischen dem Aufsichtsratsvorsitzenden und dem Vorstand hervorhebt. Der Aufsichtsratsvorsitzende empfängt darüber hinaus die Vorstandsberichte (§ 90 Abs. 1 Satz 3 AktG) und leitet sie weiter (§ 90 Abs. 5 Satz 3 AktG); vgl. dazu näher oben Rn. 222. In der Hauptversammlung hat der Aufsichtsratsvorsitzende den Bericht des Aufsichtsrats über die Prüfung des Jahresabschlusses und des Konzernabschlusses und seine Überwachungstätigkeit (vgl. oben Rn. 561 ff.) zu erläutern (§ 176 Abs. 1 Satz 2 AktG). Schließlich obliegt dem Vorsitzenden die Ausübung des Besitzes an Unterlagen des Aufsichtsrats; das ist z.B. für Fragen einer Vorlagepflicht hinsichtlich solcher Unterlagen oder einer Beschlagnahme von Bedeutung5.

1 Vgl. dazu umfassend Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 24 bis 135. 2 Umfassend dazu Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 321 bis 411. 3 Dazu oben Rn. 222, sowie umfassend Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 138 bis 163; Semler in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 4 Rn. 41 ff.; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 83 ff.; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 20. 4 Näher dazu Krieger, ZGR 1985, 338, 340 ff.; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 68 f.; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 38. 5 Vgl. dazu Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 179 ff.; Peus, ZGR 1987, 545 ff.; a.A. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 49.

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679

§ 11

Die Organisation des Aufsichtsrats

680

Dem Aufsichtsratsvorsitzenden steht als Annexkompetenz das Recht zu, im Namen der Gesellschaft diejenigen Rechtsgeschäfte abzuschließen, die für eine ordnungsgemäße Durchführung der Aufgaben des Aufsichtsrats erforderlich sind. Er kann also z.B., soweit das erforderlich ist, Räume für die Sitzung anmieten und wohl auch mit einem gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 AktG zuzuziehenden Sachverständigen eine Honorarvereinbarung treffen1. In Ausnahmefällen können auch andere Hilfsgeschäfte in Betracht kommen. So wird man es z.B. zulassen müssen, dass der Aufsichtsratsvorsitzende im Namen der Gesellschaft Rechtsrat einholt, wenn er diesen im Rahmen seiner Aufgaben benötigt.

681

Soweit darüber hinaus für die rechtsgeschäftliche (Aktiv-)Vertretung der Gesellschaft der Aufsichtsrat zuständig ist (Vertretung gegenüber dem Vorstand nach § 112 AktG; Zuziehung von Sachverständigen nach § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG; sonstige Hilfsgeschäfte zur Durchführung der Aufsichtsratsaufgaben; vgl. oben Rn. 432 ff., 510 ff.), hat der Vorsitzende nach h.M. von Gesetzes wegen keine besonderen Befugnisse. Das steht außer Frage, soweit es um die Entscheidung über die Vornahme des Geschäfts geht. Hierfür ist der Gesamtaufsichtsrat zuständig; die Willensbildung kann (in den Grenzen von § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG) einem Ausschuss übertragen werden, nicht jedoch dem Vorsitzenden allein2. Ob der Vorsitzende kraft seines Amtes berechtigt ist, die vom Plenum oder dem zuständigen Ausschuss getroffene Entscheidung durch Unterzeichnung der entsprechenden Verträge usw. zu vollziehen, ist umstritten. Nach h.M. ist er hierzu nicht kraft Amtes befugt, sondern muss besonders ermächtigt werden3; die Ermächtigung kann durch einen Aufsichtsratsbeschluss oder die Geschäftsordnung erteilt werden, sie kann aber auch in der Satzung enthalten sein4. Es wird allerdings verbreitet angenommen, dass bei Aufsichtsratsbeschlüssen, die durch Rechtsgeschäfte umgesetzt wer1 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 48; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 116; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 107 Rn. 21; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 42; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 182 ff., der für die Zuziehung von Sachverständigen allerdings zu Unrecht verlangen will, dass der Vorsitzende zunächst einen schriftlichen oder telefonischen Beschluss herbeiführt. 2 Vgl. dazu schon oben Rn. 438 und Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 47; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 96; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 169 ff.; Luther/Rosga in FS Meilicke, 1985, S. 80, 85 f. Eine Ausnahme gilt für Geschäfte des täglichen Lebens, vgl. oben Rn. 438. 3 BGH v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, BGHZ 41, 282, 285; OLG Düsseldorf v. 17.11.2003 – I 15 U 225/02, NZG 2004, 141, 142 f.; Habersack, MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 59; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 47. 4 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 112 Rn. 31; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 112; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 95a; Habersack, MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 59.

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Der Vorsitz im Aufsichtsrat

§ 11

den müssen, die Ermächtigung in dem Beschluss konkludent enthalten sei1. Überzeugender ist es, den Aufsichtsratsvorsitzenden kraft Amtes als befugt anzusehen, die Beschlüsse des Aufsichtsrats oder seiner Ausschüsse zu vollziehen2. Davon zu unterscheiden ist die Passivvertretung der Gesellschaft. Soweit die Gesellschaft durch den Aufsichtsrat vertreten wird, ist jedenfalls der Aufsichtsratsvorsitzende als empfangsberechtigter Vertreter der Gesellschaft anzusehen3.

682

Ebenso ist der Vorsitzende zuständig für sonstige Erklärungen des 683 Aufsichtsrats an die Öffentlichkeit, namentlich Presseerklärungen u.Ä. Grundsätzlich ist der Aufsichtsrat zu solchen Erklärungen allerdings überhaupt nicht befugt. Denn er ist reines Innenorgan, die Vertretung der Gesellschaft nach außen obliegt dem Vorstand. Gelegentlich kann es aber im Interesse der Gesellschaft erforderlich sein, die Meinung des Aufsichtsrats zu bestimmten Fragen der Öffentlichkeit zu erläutern; in Ausnahmefällen und zur Abwendung von erheblichen Nachteilen für die Gesellschaft kann der Aufsichtsrat auch befugt sein, andere Informationen an die Öffentlichkeit zu geben (vgl. dazu oben Rn. 284). Die Abgabe solcher Erklärungen ist dann Sache des Aufsichtsratsvorsitzenden, einer besonderen Ermächtigung bedarf es dazu nicht4. Der Stellvertreter des Vorsitzenden übt dessen Aufgaben nur im Verhinderungsfall aus (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG). Das ist der Fall, wenn der Vorsitzende – aus welchen Gründen auch immer – zur rechtzeitigen Ausübung des Dienstgeschäfts nicht in der Lage ist. Ist es hingegen möglich und zumutbar, dass der Vorsitzende die Aufgabe innerhalb eines Zeitraums, der ohne Nachteil für die Gesellschaft abgewartet werden kann, selbst erledigt, liegt keine Verhinderung vor. Es kommt also stets darauf an, wie eilig die jeweilige Maßnahme ist. Ist der Vorsitzende in der Lage, die Aufgabe selbst rechtzeitig zu

1 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 47; Habersack, MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 59; Semler in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 4 Rn. 147; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 41; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 112 Rn. 14. 2 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 95b; Bednarz, NZG 2005, 418, 419 ff. 3 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 112 Rn. 23; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 97; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 112 Rn. 77; Semler in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 4 Rn. 154; ebenso naturgemäß diejenigen Autoren, die jedes Mitglied des Aufsichtsrats für passiv vertretungsbefugt halten, vgl. dazu oben Rn. 439; a.A. Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 41, der auch hierfür eine besondere Bevollmächtigung fordert. 4 Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 176.

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§ 11

Die Organisation des Aufsichtsrats

erledigen, kann er sie seinem Stellvertreter nicht überlassen1. Es ist also z.B. nicht möglich, dass sich der Vorsitzende und sein Stellvertreter aus „Paritätsgründen“ in der Sitzungsleitung abwechseln o.Ä. Sind mehrere Stellvertreter gewählt, ist in aller Regel eine Rangfolge dieser Stellvertreter festgelegt. Fehlt es daran, wird man annehmen müssen, dass der an Lebensjahren ältere Stellvertreter vor dem jüngeren berufen ist, solange nicht der Aufsichtsrat etwas anderes beschließt2. In mitbestimmten Gesellschaften ist bei der Wahl mehrerer Stellvertreter allerdings zunächst der durch die Arbeitnehmer gewählte Stellvertreter zur Vertretung berufen3. Ist die Gesellschaft mitbestimmt, ist auch der Stellvertreter kraft Amtes Mitglied des Vermittlungsausschusses nach § 27 Abs. 3 MitbestG; ein Zweitstimmrecht steht ihm jedoch nicht zu (§§ 29 Abs. 2 Satz 3; 31 Abs. 4 Satz 3 MitbestG).

3. Ehrenvorsitzender 685

Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft kann Personen, die nicht dem Aufsichtsrat angehören, den Titel eines Ehrenmitglieds oder Ehrenvorsitzenden des Aufsichtsrats oder eines Ehrenvorsitzenden der Gesellschaft verleihen. In erster Linie kann die Satzung über die Verleihung solcher Ehrentitel Regelungen treffen, indem sie z.B. die Entscheidung darüber dem Aufsichtsrat oder dem Vorstand oder beiden Organen gemeinsam zuweist. Ohne besondere Satzungsregelung ist jedenfalls der Vorstand nicht berechtigt, Ehrentitel dieser Art zu verleihen. Umstritten ist, ob der Aufsichtsrat es kann; die herrschende Meinung lässt dies zu4. 1 Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 7; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 66; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 23; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 107 Rn. 23; a.A. Spindler in Spindler/ Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 55. 2 Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 7; a.A. Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 56, der auf Dienstjahre statt Lebensjahre abstellen will; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 65, die Stellvertreter könnten sich untereinander abstimmen, es könne aber auch jeder von ihnen eine Sitzung einberufen, damit der Aufsichtsrat entscheiden könne, wer von ihnen die Vertretung übernehmen solle. 3 Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 20; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 25; Raiser, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 33; Habersack, MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 69; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 56. 4 Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 9; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 70; Habersack, MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 73; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 25; Siebel in FS Peltzer, 2001, S. 519, 528; a.A. Lutter, ZIP 1984, 645, 647 ff.; Hennerkes/Schiffer, DB 1992, 875, die ohne besondere Satzungsregelung ausschließlich die Hauptversammlung zur Verleihung von Ehrentiteln als befugt ansehen.

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Der Verfahrensablauf im Aufsichtsrat

§ 11

Irgendwelche Rechte in bezug auf den Aufsichtsrat verbinden sich 686 mit der Verleihung solcher Titel nicht. Zur Teilnahme an Aufsichtsratssitzungen ist ein Ehrenvorsitzender oder -mitglied nur in denselben engen Grenzen befugt wie sonstige Dritte1; vgl. dazu Rn. 699 ff. Informationsrechte stehen einem Ehrenvorsitzenden oder -mitglied auch nicht zu; gegenüber solchen Personen gilt vielmehr uneingeschränkt die allgemeine aktienrechtliche Verschwiegenheitspflicht nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG2.

III. Der Verfahrensablauf im Aufsichtsrat 1. Aufsichtsratssitzung a) Zahl der Sitzungen Der Aufsichtsrat muss zwei Sitzungen im Kalenderhalbjahr abhalten (§ 110 Abs. 3 Satz 1 AktG). Wie die beiden Pflichtsitzungen auf das Kalenderhalbjahr verteilt werden, liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Aufsichtsrats oder seines Vorsitzenden. Die frühere Regelung, wonach der Aufsichtsrat einmal im Kalendervierteljahr zusammentreten sollte, ist im Zuge der Neufassung des § 110 Abs. 3 AktG durch das TransPuG entfallen.

687

In nichtbörsennotierten Gesellschaften (§ 3 Abs. 2 AktG) kann der 688 Aufsichtsrat beschließen, dass nur eine Sitzung im Kalenderhalbjahr abzuhalten ist (§ 110 Abs. 3 Satz 2 AktG). Die Regelung geht auf einen entsprechenden Vorschlag der Regierungskommission Corporate Governance zurück, die jedoch für einen solchen Beschluss die Zustimmung aller Mitglieder des Aufsichtsrats vorsehen wollte3. Das Gesetz hat dieses Zustimmungserfordernis nicht aufgegriffen, sondern lässt einen normalen Aufsichtsratsbeschluss mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen (vgl. unten Rn. 730 f.) genügen. Auch bei einem Aufsichtsratsbeschluss, dass nur eine Sitzung im Kalenderhalbjahr abzuhalten ist, bleibt das Recht jedes Aufsichtsratsmitglieds unberührt, gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 AktG die Einberufung weiterer Sitzungen zu verlangen4. Der Aufsichtsrat kann sich mit den vorgeschriebenen Mindestsitzungen begnügen, solange wei-

1 Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 9; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 25; Lutter, ZIP 1984, 645, 651 f.; Hennerkes/Schiffer, DB 1992, 875 f.; a.A. Siebel in FS Peltzer, 2001, S. 519, 533 f. 2 Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 9; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 21 Rn. 25; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 170; Lutter, ZIP 1984, 645, 652 f.; a.A. Jüngst, BB 1984, 1583, 1585. 3 Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rn. 57. 4 Begr. RegE TransPuG, BR-Drucks. 109/02, S. 37 f.

263

§ 11

Die Organisation des Aufsichtsrats

tere Sitzungen nicht erforderlich sind1. Die Satzung kann häufigere Sitzungen vorschreiben2. 689

Vor der Neufassung von § 110 Abs. 3 AktG durch das TransPuG wurde verbreitet angenommen, dass die vorgeschriebene Zahl der Mindestsitzungen ein körperliches Zusammentreten der Aufsichtsratsmitglieder verlangte und Telefon- oder Videokonferenzen nicht ausreichten3. Mit der Neufassung von § 110 Abs. 3 AktG haben die Verfasser des Regierungsentwurfs die Absicht verbunden, „jedenfalls in begründeten Ausnahmefällen“ auch eine Sitzung in Form einer Telefon- oder Videokonferenz als auf die Zahl der Mindestsitzungen anrechenbare Sitzung ausreichenzu lassen; dies komme im Wortlaut der Regelung dadurch zum Ausdruck, dass dem Aufsichtsrat in Abkehr vom bisherigen Wortlaut („zusammentreten“) nur noch vorgeschrieben wird, eine Sitzung „abzuhalten“4. In der Literatur wird vor diesem Hintergrund zum Teil angenommen, die Mindestsitzungen könnten ohne Einschränkung per Video-, Internet- oder Telefonkonferenz abgehalten werden5, andere Auffassungen sind zurückhaltender, indem sie etwa Video-, nicht jedoch Telefonkonferenzen genügen lassen wollen6 oder mindestens eine Präsenzsitzung verlangen7. Mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Mindestanzahl von Sitzungen lässt sich die Anrechnung von Telefon- und Videokonferenzen nur schwer vereinbaren, weil eine Beratung per Telefonoder Videokonferenz bei einer umfangreichen Tagesordnung, komplizierten Gegenständen oder einem großen Personenkreis in ihrer Qualität deutlich hinter einem persönlichen Treffen zurückbleibt. Telefon- oder Videokonferenzen sollten sich deshalb in der Regel auf eilige Erörterungen und Beschlussfassungen außerhalb der regulären Sitzungsfrequenz beschränken. Die Abhaltung der vorgeschriebenen 1 Hüffer, Komm. AktG, § 110 Rn. 10; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 35; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 110 Rn. 50. 2 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 35; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 110 Rn. 17; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 110 Rn. 46; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 110 Rn. 66. 3 Begr. RegE TransPuG, BR-Drucks. 109/02, S. 38; Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, Rn. 57; Kindler, NJW 2001, 1678, 1689; vgl. auch den Diskussionsbericht zum ZHR-Symposion 2001 von Casper, ZHR 165 (2001), 219, 221; a.A. früher – allerdings jeweils nur bezogen auf Videokonferenzen – Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 116; Wagner, NZG 2002, 57, 59 ff.; Kindl, ZHR 166 (2002), 335, 344 ff. 4 Begr. RegE TransPuG, BR-Drucks. 109/02, S. 38. 5 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 35; Spindler in Spindler/ Stilz, Komm. AktG, § 110 Rn. 48; Götz, NZG 2002, 599, 602. 6 Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 110 Rn. 70 f.; Kindl, ZHR 166 (2002), 335, 346; Wagner, NZG 2002, 57, 62. 7 Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 110 Rn. 71 (für die Bilanzsitzung); Hüffer, Komm. AktG, § 110 Rn. 11; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 110 Rn. 35.

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Der Verfahrensablauf im Aufsichtsrat

§ 11

Mindestsitzungen in Form einer Telefon- oder Videokonferenz kann nur bei kleinen Aufsichtsräten und einer einfachen Tagesordnung und auch dann nur ausnahmsweise reichen; ein Aufsichtsrat, der diese Form der Sitzung zur Regel werden lässt, verletzt seine Sorgfaltspflichten1. Die Satzung kann im Übrigen vorschreiben, dass der Aufsichtsrat zur Durchführung der Mindestsitzungen körperlich zusammentreten muss. Beschlüsse können in einer Telefon- oder Videokonferenz nur gefasst werden, wenn kein Mitglied widerspricht (§ 108 Abs. 4 AktG)2; vgl. dazu näher unten Rn. 726. b) Einberufung Die Einberufung der Sitzungen3 erfolgt durch den Vorsitzenden, der jedes Aufsichtsratsmitglied einzuladen hat. Sind der Vorsitzende und sein Stellvertreter (noch) nicht gewählt, kann jedes Aufsichtsratsmitglied oder der Vorstand den Aufsichtsrat einberufen (§ 110 Abs. 2 AktG analog)4. Satzung oder Geschäftsordnung können die Einberufung von der Einhaltung bestimmter Formen (insbesondere Schriftform) und Fristen abhängig machen. Für den Fall, dass ein Aufsichtsratsmitglied oder der Vorstand die Einberufung verlangen, kann die zweiwöchige Einberufungsfrist des § 110 Abs. 1 Satz 2 AktG jedoch durch die Satzung nicht verlängert werden5. Sind keine besonderen Regelungen getroffen, kann die Einladung formlos (auch mündlich) erfolgen, und zwar so rechtzeitig, dass den Aufsichtsratsmitgliedern eine nach den Umständen des Einzelfalls angemessene Zeit bis zum Termin bleibt. Es genügt die Aufgabe eines Einladungsschreibens an die bei der Gesellschaft bekannte Anschrift; auf den Zugang des Schreibens kommt es nicht an, die Aufgabe muss allerdings so frühzeitig erfolgen, dass mit einem rechtzeitigen Zugang gerechnet werden kann6.

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Mit der Einberufung ist die Tagesordnung bekanntzugeben7. Soll die 691 Tagesordnung nachgereicht oder ergänzt werden, muss wiederum die 1 Ebenso Habersack, MünchKomm. AktG, § 110 Rn. 45. 2 Vgl. z.B. Begr. RegE NaStraG, BT-Drucks. 14/4051, S. 12; Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 16. 3 Muster bei Hölters, Münchener Vertragshandbuch, 6. Aufl., Band 1, Formular V.73. 4 Hüffer, Komm. AktG, § 110 Rn. 2; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 13. 5 Hüffer, Komm. AktG, § 110 Rn. 3; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 38; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 110 Rn. 27. 6 Hüffer, Komm. AktG, § 110 Rn. 3; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 110 Rn. 24; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 110 Rn. 8. 7 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 110 Rn. 4; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 39 f., 42; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 110 Rn. 4; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 110 Rn. 21; Habersack, MünchKomm. AktG, § 110 Rn. 18; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 110

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§ 11

Die Organisation des Aufsichtsrats

für die Einberufung geltende Frist beachtet werden1. Die Tagesordnung wird vom Aufsichtsratsvorsitzenden festgesetzt. Jedes Aufsichtsratsmitglied oder der Vorstand kann unter Angabe der Gründe vom Vorsitzenden eine Ergänzung der Tagesordnung verlangen, vorausgesetzt allerdings, dass die Ergänzung noch unter Wahrung der für die Einberufung maßgeblichen Frist möglich ist. Entspricht der Vorsitzende einem solchen Verlangen nicht unverzüglich, wird man annehmen können, dass § 110 Abs. 2 AktG entsprechend anzuwenden ist2. Das bedeutet, dass bei einem Ergänzungsverlangen des Vorstands oder eines Aufsichtsratsmitglieds diese selbst durch entsprechende Mitteilung an die übrigen Mitglieder des Aufsichtsrats die Tagesordnung ergänzen können; vgl. dazu auch unten Rn. 695 f. 692

Die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung ist nicht davon abhängig, dass zugleich oder überhaupt zu den Tagesordnungspunkten auch konkrete Beschlussanträge mitgeteilt werden3. Man wird es aber als Amtspflicht des Vorsitzenden ansehen müssen, möglichst frühzeitig vor der Sitzung die Beschlussanträge mitzuteilen4; ein Verstoß gegen diese Pflicht ist jedoch für die Beschlussfassung des Aufsichtsrats ohne Bedeutung.

693

Außer zu den Mindestsitzungen nach § 110 Abs. 3 AktG hat der Vorsitzende den Aufsichtsrat stets dann einzuberufen, wenn nach seinem pflichtgemäßen Urteil ein Zusammentreten des Aufsichtsrats im Interesse des Unternehmens erforderlich ist.

694

Daneben kann (und muss) jedes Aufsichtsratsmitglied sowie der Vorstand unter Darlegung des Zwecks und der Gründe eine Einberufung des Aufsichtsrats verlangen, wenn er sie für erforderlich hält (§ 110 Abs. 1 Satz 1 AktG). Das Verlangen ist an den Aufsichtsratsvorsitzenden zu richten. Dieser muss dem Verlangen unverzüglich nachkommen. Er ist – abgesehen von Fällen offensichtlichen Rechtsmissbrauchs – nicht berechtigt, die Einberufung zu verweigern, weil er selbst sie nicht für notwendig hält. Der Vorsitzende ist von der Verpflichtung zur Einberufung einer Sitzung nicht dadurch frei, dass er

1 2 3 4

Rn. 10; a.A. Hüffer, Komm. AktG, § 110 Rn. 4; einschränkend Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 110 Rn. 25. Vgl. die Nachweise in der vorigen Fn.; insoweit a.A. Spindler in Spindler/ Stilz, Komm. AktG, § 110 Rn. 25. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 110 Rn. 4; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 42; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 110 Rn. 20. Hüffer, Komm. AktG, § 110 Rn. 4; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 110 Rn. 4; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 41; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 110 Rn. 11; Baums, ZGR 1983, 300, 316. Hüffer, Komm. AktG, § 110 Rn. 4; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 110 Rn. 4; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 41; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 110 Rn. 11.

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Der Verfahrensablauf im Aufsichtsrat

§ 11

eine Beschlussfassung ohne Sitzung einleitet1, es sei denn, dies geschehe im Einverständnis mit dem Antragsteller. Da Beschlüsse in einer Telefon- oder Videokonferenz nur gefasst werden können, wenn kein Mitglied diesem Verfahren widerspricht (§ 108 Abs. 4 AktG; vgl. unten Rn. 726), wird man überdies annehmen müssen, dass entsprechend § 110 Abs. 1 Satz 1 AktG jedes Aufsichtsratsmitglied und der Vorstand verlangen können, dass eine Sitzung als Präsenzsitzung durchzuführen ist2. Entspricht der Vorsitzende einem Einberufungsverlangen eines Auf- 695 sichtsratsmitglieds oder des Vorstands nicht binnen 2 Wochen, können diese den Aufsichtsrat selbst einberufen (§ 110 Abs. 2 AktG). Die frühere Rechtslage, wonach nur mindestens zwei Aufsichtsratsmitglieder das Recht zur Selbsteinberufung hatten, ist durch das TransPuG geändert worden. Das Recht zur Selbsteinberufung steht allerdings nur solchen Aufsichtsratsmitgliedern zu, die auch schon selbst (zu demselben Zweck) das Einberufungsverlangen an den Vorsitzenden gerichtet hatten. Es genügt also nicht, dass sich ein Mitglied erst nach der Weigerung des Vorsitzenden dem Einberufungsverlangen eines anderen Mitglieds anschließt, um auch diesem weiteren Mitglied das Recht zur Selbsteinberufung zu verleihen3. In diesem Fall muss das betreffende Mitglied vielmehr zunächst selbst ein Einberufungsverlangen an den Vorsitzenden richten. Die Selbsteinberufung muss unverzüglich erfolgen. Dabei muss das vergebliche Einberufungsverlangen dargelegt werden. Außerdem sind etwaige in Satzung oder Geschäftsordnung für die Einberufung von Aufsichtsratssitzungen vorgeschriebene Formen und Fristen einzuhalten4. Die Satzung kann das Selbsteinberufungsrecht nicht einschränken, wohl aber erweitern5. So kann z.B. nicht bestimmt werden, dass für eine Selbsteinberufung mehr als ein Mitglied erforderlich sei; umgekehrt kann aber das Recht zur Selbsteinberufung auch ohne vorherige Einschaltung des Vorsitzenden vorgesehen werden.

1 Hüffer, Komm. AktG, § 110 Rn. 7; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 110 Rn. 14. 2 A.A. Wagner, NZG 2002, 57, 62 f. 3 Hüffer, Komm. AktG, § 110 Rn. 8; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 110 Rn. 18; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 44. 4 § 110 Abs. 1 Satz 2 AktG, wonach bei einer vom Vorsitzenden auf Verlangen vorgenommenen Einberufung zwischen Einladung und Sitzung höchstens 2 Wochen liegen dürfen, gilt im Falle der Selbsteinberufung nicht, Hüffer, Komm. AktG, § 110 Rn. 9; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 110 Rn. 19; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 110 Rn. 15; a.A. Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 110 Rn. 41. 5 Vgl. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 110 Rn. 27 m.w.N.

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§ 11 697

Die Organisation des Aufsichtsrats

Bis zum Beginn der Aufsichtsratssitzung kann der Vorsitzende den Termin einer von ihm einberufenen Sitzung verlegen oder ersatzlos aufheben. Das gilt auch für eine Sitzung, die der Vorsitzende auf Verlangen eines Aufsichtsratsmitglieds oder des Vorstands nach § 110 Abs. 1 AktG einberufen hat. Die Aufhebung oder Verlegung einer solchen Sitzung durch den Vorsitzenden ist wirksam; sie ist allerdings pflichtwidrig und löst das Selbsteinberufungsrecht gemäß § 110 Abs. 2 AktG aus, sofern dadurch die Sitzung nicht innerhalb der vorgeschriebenen 2 Wochen seit dem Einberufungsverlangen (§ 110 Abs. 1 Satz 2 AktG) stattfindet1. Eine nach § 110 Abs. 2 AktG durch den Vorstand oder ein Aufsichtsratsmitglied einberufene Sitzung kann der Vorsitzende nicht verlegen oder aufheben. Hat die Sitzung bereits begonnen, kommt nur noch eine Vertagung der ganzen Sitzung oder einzelner Tagesordnungspunkte in Frage2; hierfür ist der Gesamtaufsichtsrat zuständig, der durch Beschluss entscheidet (vgl. dazu unten Rn. 722). c) Vorbesprechungen bei mitbestimmten Aufsichtsräten

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Für mitbestimmte Aufsichtsräte regt Ziff. 3.6 Abs. 1 des Kodex die Durchführung gruppeninterner Vorbesprechungen der Anteilseignerund der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat an. In der Praxis fanden sich solche Vorbesprechungen in der Vergangenheit vor allem auf seiten der Arbeitnehmervertreter, inzwischen macht auch die Anteilseignereite häufiger davon Gebrauch. Sie sind rechtlich zulässig3. Ihr Vorteil besteht darin, dass innerhalb der „Fraktionen“ vielfach ein offenerer Meinungsaustausch möglich sein wird als im Plenum. Bindende Beschlüsse können in solchen Vorbesprechungen jedoch nicht gefasst werden4, und auch die faktische Bindung solcher informellen Vorabstimmungen darf nicht soweit gehen, dass nicht das einzelne Aufsichtsratsmitglied weiterhin bereit wäre, aufgrund etwa neuer Gesichtspunkte, die sich in der nachfolgenden Plenardiskussion ergeben, seine aufgrund der Vorbesprechung gebildete vorläufige Meinung zu ändern. Die Mitglieder des Vorstands dürfen an den Vorbesprechungen teilnehmen und den Aufsichtsratsmitgliedern alle von diesen gewünschten Informationen erteilen5; sie müssen aber sicherstellen, dass auch die Vertreter der anderen Seite – sei es in deren Vorbesprechung, sei es in der Plenarsitzung – alle Informationen er-

1 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 45. 2 Zu der begrifflichen Unterscheidung zwischen Aufhebung, Verlegung und Vertagung vgl. Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 45. 3 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 36; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 18. 4 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 36. 5 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 36.

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Der Verfahrensablauf im Aufsichtsrat

§ 11

halten, die der einen Seite in der Vorbesprechung gegeben wurden1. Eine Verpflichtung der Vorstandsmitglieder, an Vorbesprechungen der Fraktionen teilzunehmen, dürfte hingegen nicht bestehen und auch durch Satzung oder Geschäftsordnung nicht begründet werden können2. d) Teilnahme an Aufsichtsratssitzungen Zur Teilnahme an den Sitzungen des Aufsichtsrats ist jedes Mitglied 699 befugt und verpflichtet. Ein Ausschluss vom Teilnahmerecht ist ausnahmsweise bei gravierender Gefährdung der Interessen der Gesellschaft möglich; das kann z.B. in Frage kommen, wenn über Betriebsgeheimnisse verhandelt wird und aufgrund konkreter Tatsachen ein Geheimnisverrat durch das betreffende Mitglied dringend zu befürchten ist3. Über den Ausschluss entscheidet in diesen Fällen der Aufsichtsrat durch Beschluss4. Daneben ist ein Ausschluss von der Sitzung als letztes Mittel zur Verhinderung von Störungen des Sitzungsverlaufs zulässig5; hierüber entscheidet der Vorsitzende im Rahmen der Sitzungsleitung6, der Betroffene kann hiergegen jedoch das Plenum anrufen7. Die Satzung kann zulassen, dass an den Sitzungen Personen, die dem 700 Aufsichtsrat nicht angehören, anstelle von verhinderten Aufsichts1 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 36; Hoffmann-Becking in FS Havermann, 1995, S. 229, 241 f.; unklar Ulmer/Habersack in Ulmer/ Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 18, die eine Information der anderen Seite erst in der Plenumssitzung nicht genügen lassen wollen, ohne zu sagen, was daraus für die Pflicht des Vorstands folgen soll, wenn etwa die andere Seite keine Vorbesprechung durchführt oder den Vorstand dazu nicht einlädt. 2 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 109 Rn. 11. 3 Hüffer, Komm. AktG, § 109 Rn. 2; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 109 Rn. 8; Habersack, MünchKomm. AktG, § 109 Rn. 10; Spindler in Spindler/ Stilz, Komm. AktG, § 109 Rn. 6 ff.; Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision, S. 351; Kindl, Teilnahme, S. 111 ff.; Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 4 f. 4 Hüffer, Komm. AktG, § 109 Rn. 2; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 110 Rn. 9; Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 4; weitergehend Mertens, Kölner Komm. AktG, § 109 Rn. 8; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 109 Rn. 23, die auch eine entsprechende Anordnung des Vorsitzenden zulassen wollen, gegen welche der Aufsichtsrat angerufen werden könne. 5 Hüffer, Komm. AktG, § 109 Rn. 2; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 109 Rn. 10; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 109 Rn. 8; Kindl, Teilnahme, S. 88 f.; Säcker, NJW 1979, 1521, 1522. 6 Hüffer, Komm. AktG, § 109 Rn. 2; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 109 Rn. 10; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 109 Rn. 8; Kindl, Teilnahme, S. 88 f. 7 Habersack, MünchKomm. AktG, § 109 Rn. 9; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 109 Rn. 10; Kindl, Teilnahme, S. 104 f.

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Die Organisation des Aufsichtsrats

ratsmitgliedern teilnehmen können, wenn diese sie hierzu in Textform (§ 126b BGB), d.h. insbesondere schriftlich, per Fax oder per E-Mail, ermächtigt haben (§ 109 Abs. 3 AktG). Für die Praxis ist das von geringer Bedeutung. Die Ermächtigung kann nicht pauschal erteilt werden, sondern muss sich auf die konkrete Sitzung beziehen1. Der Beauftragte hat nicht die Stellung eines Vertreters, sondern wird nur als Bote des verhinderten Aufsichtsratsmitglieds tätig. Er hat kein Recht, eigene Erklärungen abzugeben und Anträge zu stellen, sondern darf lediglich von seinem Auftraggeber formulierte Erklärungen und Anträge überbringen2. Er darf auch nicht selbst abstimmen, sondern nur eine schriftliche Stimmabgabe des verhinderten Aufsichtsratsmitglieds überreichen (§ 108 Abs. 3 Satz 3 AktG); vgl. dazu auch unten Rn. 723 ff. 701

Vorstandsmitgliedern steht kein eigenes Recht zur Teilnahme an Aufsichtsratssitzungen zu; es kann ihnen durch die Satzung nur mit dem Vorbehalt eingeräumt werden, dass der Aufsichtsrat die Teilnahme im Einzelfall ausschließen kann3. Dem Aufsichtsrat steht es aber frei, Mitglieder des Vorstands zu seinen Sitzungen zuzulassen. Auf Verlangen des Aufsichtsrats ist jedes Vorstandsmitglied zur Teilnahme verpflichtet4. Die Teilnahme der Vorstandsmitglieder an den Aufsichtsratssitzungen ist in der Praxis die Regel und im allgemeinen für eine sachgerechte Zusammenarbeit von Vorstand und Aufsichtsrat unverzichtbar5. Das schließt es nicht aus, dass der Aufsichtsrat „bei Bedarf ohne den Vorstand tagt“ (Ziff. 3.6 des Kodex). Aber das sind Ausnahmefälle, während die Teilnahme des Vorstands die Regel sein muss6.Die Entscheidung über die Teilnahme trifft der Aufsichtsratsvorsitzende im Rahmen der Sitzungsleitung7; die Entscheidung steht aber – wie alle sitzungsleitenden Maßnahmen des Vorsitzenden – unter dem Vorbehalt, dass der Aufsichtsrat etwas anderes beschließen kann (vgl. unten Rn. 705). Zur Teilnahme des Abschlussprüfers und des Konzernabschlussprüfers an der Bilanzsitzung des Aufsichtsrats vgl. oben Rn. 181 ff. 1 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 109 Rn. 26; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 109 Rn. 45. 2 Hüffer, Komm. AktG, § 109 Rn. 7; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 109 Rn. 29; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 109 Rn. 42. 3 Hüffer, Komm. AktG, § 109 Rn. 3; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 109 Rn. 10. 4 Hüffer, Komm. AktG, § 109 Rn. 3; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 109 Rn. 11; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 49. 5 Uwe H. Schneider, ZIP 2002, 873, 875 f. 6 Unverständlich die hieran für Versicherungsgesellschaften geäußerte Kritik des damaligen Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen Veröffentlichungen des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen (VerBAV) 3/2002, S. 67. 7 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 49; Spindler in Spindler/ Stilz, Komm. AktG, § 109 Rn. 15.

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Der Verfahrensablauf im Aufsichtsrat

§ 11

Die Beratung in Anwesenheit anderer Personen ist nur als Ausnahme 702 zulässig (§ 109 Abs. 1 AktG). Grundsätzlich sollen Personen, die weder dem Aufsichtsrat noch dem Vorstand angehören, an den Sitzungen des Aufsichtsrats nicht teilnehmen (§ 109 Abs. 1 Satz 1 AktG). Insbesondere ist es dem Aufsichtsrat damit untersagt, an seinen Sitzungen ständige Berater oder Gäste (einschließlich von Ehrenmitgliedern des Aufsichtsrats) teilnehmen zu lassen1; auch eine routinemäßige Hinzuziehung künftiger Aufsichtsratsmitglieder wäre nicht zulässig2. Nur als Ausnahme dürfen Sachverständige und Auskunftspersonen von Fall zu Fall zur Beratung über einzelne Tagesordnungspunkte hinzugezogen werden (§ 109 Abs. 1 Satz 2 AktG); dabei sind die Begriffe Sachverständiger und Auskunftsperson aber weit auszulegen, und sie erfassen jeden, von dem der Aufsichtsrat zu dem konkreten Tagesordnungspunkt einen fachkundigen Rat oder eine Information erhalten kann3. Daneben ist die Hinzuziehung von Hilfskräften (Protokollführer, Dolmetscher, Sekretärin) zulässig4. Über die Zulassung entscheidet ebenfalls der Vorsitzende im Rahmen der Sitzungsleitung5; wie immer kann der Aufsichtsrat aber durch Beschluss anders entscheiden (vgl. unten Rn. 705). Aufsichtsratssitzungen finden in der Praxis in aller Regel in deut- 703 scher Sprache statt. Aufsichtsratsmitglieder, die die deutsche Sprache nicht (ausreichend) beherrschen, haben Anspruch darauf, dass ihnen ein Simultan-Dolmetscher gestellt wird und sie die wesentlichen Unterlagen in Übersetzung erhalten6. Rechtlich zulässig ist es auch, die Sitzung in einer Fremdsprache durchzuführen, wenn dies zweckmäßig erscheint7. Ein Minderheitenrecht auf Abhaltung der Aufsichtsratssitzung in deutscher Sprache ist nicht anzunehmen8; jedoch 1 Hüffer, Komm. AktG, § 109 Rn. 4; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 109 Rn. 15; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 47a; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 109 Rn. 27; Kindl, Teilnahme, S. 46 f.; Lutter, ZIP 1984, 645, 651 f.; a.A. Jüngst, BB 1984, 1583, 1585. 2 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 109 Rn. 15; Kindl, Teilnahme, S. 48; a.A. Janberg/Oesterlink, AG 1960, 240, 243. 3 Hüffer, Komm. AktG, § 109 Rn. 5; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 109 Rn. 14; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 109 Rn. 19 ff.; Kindl, Teilnahme, S. 16 ff.; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 47a. 4 Hüffer, Komm. AktG, § 109 Rn. 5; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 109 Rn. 14; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 50 f. 5 Hüffer, Komm. AktG, § 109 Rn. 5; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 109 Rn. 17; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 42; Kindl, Teilnahme, S. 22 f. 6 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 50; Dreher in FS Lutter, 2000, S. 357, 367. 7 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 50; Siebel in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 5 Rn. 41; Hopt/ Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 99. 8 LG Frankfurt, Der Aufsichtsrat 2005, 11.

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§ 11

Die Organisation des Aufsichtsrats

hat auch in diesem Fall jedes Aufsichtsratsmitglied, welches die Sitzungsprache nicht ausreichend beherrscht, Anspruch auf Stellung eines Simultan-Dolmetschers und auf Vorlage der Unterlagen in deutscher Sprache1. Über die Sitzungssprache entscheidet der Vorsitzende im Rahmen der Sitzungsleitung2. Die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats kann Regelungen hierzu treffen3, hingegen wird man Satzungsregelungen als unzulässigen Eingriff in die Geschäftsordnungsautonomie des Aufsichtsrats nicht zulassen können4 f) Sitzungsleitung 704

Die Leitung der Aufsichtsratssitzung obliegt dem Vorsitzenden; ist ein solcher noch nicht gewählt, kann der Aufsichtsrat den Sitzungsleiter bestimmen, oder es übernimmt das an Lebensjahren älteste Mitglied die Leitung5. Der Sitzungsleiter entscheidet über die Teilnahme der Vorstandsmitglieder und Dritter (vgl. oben Rn. 701 f.), bestimmt die Reihenfolge der Tagesordnungspunkte (kann dabei auch von der ursprünglich vorgesehenen Reihenfolge abweichen)6, erteilt das Wort und bestimmt die Reihenfolge der Redner, kann das Wort entziehen und Redezeitbeschränkungen anordnen7. Der Vorsitzende kann die Sitzung für eine kurze Zeit unterbrechen8, eine Vertagung der ganzen Sitzung oder der Behandlung einzelner Tagesordnungspunkte kann hingegen nur das Plenum beschließen; vgl. unten Rn. 722. Bei der Fassung von Aufsichtsratsbeschlüssen ist es Sache des Vorsitzenden, die Reihenfolge der Abstimmungen über mehrere Anträge zu bestimmen9, er entscheidet über die Art der Abstim1 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 50; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 93; Siebel in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 5 Rn. 41; Dreher in FS Lutter, 2000, S. 357, 367. 2 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 50; Siebel in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 5 Rn. 41; Hopt/ Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 99. 3 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 50. 4 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 50; Potthoff/Trescher/ Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1992; a.A. Dreher in FS Lutter, 2000, S. 357, 360. 5 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 13. 6 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 43; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 52; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 102 f. 7 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 45; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 53; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 110 Rn. 33 f.; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 103 ff. 8 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 53; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 98. 9 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 54; Spindler in Spindler/ Stilz, Komm. AktG, § 110 Rn. 33; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 116 f.

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Der Verfahrensablauf im Aufsichtsrat

§ 11

mung1 und stellt das Beschlussergebnis fest2. Auch die Frage, ob Aufsichtsratsmitglieder im Einzelfall einem Stimmverbot unterliegen (vgl. unten Rn. 728), ist vom Vorsitzenden zu entscheiden3; anders als bei Fragen der technischen Sitzungsleitung hat das Plenum bei der Rechtsfrage des Stimmverbots nicht die Möglichkeit, die Entscheidung des Vorsitzenden abzuändern4. Die Entscheidungen des Aufsichtsratsvorsitzenden im Rahmen der Sitzungsleitung können durch einen Beschluss des Aufsichtsratsplenums mit einfacher Stimmenmehrheit (unten Rn. 730 ff.) jederzeit aufgehoben oder geändert werden5. Jedes Aufsichtsratsmitglied hat das Recht, eine Aufhebung oder Änderung zu beantragen und eine Abstimmung hierüber zu verlangen.

705

g) Sitzungsniederschrift Über die Sitzung des Aufsichtsrats ist eine Niederschrift anzufer- 706 tigen, die der Aufsichtsratsvorsitzende zu unterzeichnen hat (§ 107 Abs. 2 Satz 1 AktG). Das Gleiche gilt, wenn ohne Sitzung Aufsichtsratsbeschlüsse im Wege des Umlaufverfahrens fernmündlich oder in anderen vergleichbaren Formen gefasst werden (vgl. dazu unten Rn. 726)6. Die Niederschrift hat die in § 107 Abs. 2 Satz 2 AktG genannten An- 707 gaben zu enthalten. Neben Ort und Tag der Sitzung, den Teilnehmern und den Gegenständen der Tagesordnung sind danach der wesentliche Inhalt der Verhandlungen und die Beschlüsse des Aufsichtsrats anzugeben. Die Wiedergabe des wesentlichen Inhalts der Verhandlungen erfordert kein Wortprotokoll, sondern eine zusammenfassende

1 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 55; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 118 ff. 2 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 43; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 54a; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 110 Rn. 33. 3 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 44; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 54a. 4 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 54a; Habersack, MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 55; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 37, 44; a.A. Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 94. 5 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 36; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 93; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 47; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 79 ff. 6 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 84; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 105; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 67.

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§ 11

Die Organisation des Aufsichtsrats

Darstellung der tragenden Gesichtspunkte1. Zur Protokollierung der Beschlüsse des Aufsichtsrats gehört neben der Wiedergabe des Inhalts auch die Art der Beschlussfassung und das genaue Abstimmungsverhältnis2. Wenn der Beschluss auf bestimmte Unterlagen Bezug nimmt (z.B. Zustimmung zu einem im Entwurf vorliegenden Vorstandsvertrag), sind diese Unterlagen als Anlagen beizufügen, weil andernfalls der genaue Beschlussinhalt dem Protokoll nicht zu entnehmen wäre3. 708

Einzelne Mitglieder haben im allgemeinen nicht das Recht, die wörtliche oder sinngemäße Aufnahme von ihnen abgegebener Erklärungen in das Protokoll zu verlangen4. Ob man dies anders beurteilen muss, wenn eine persönliche Haftung des Aufsichtsratsmitglieds im Zusammenhang mit dem fraglichen Vorgang in Betracht kommen kann5, ist zweifelhaft. Denn jedes Aufsichtsratsmitglied hat das Recht, die Protokollierung eines Widerspruchs zu einem bestimmten Beschluss zu verlangen6 und kann sich damit ausreichend vor Haftungsrisiken schützen.

709

Der Sitzungsleiter hat das Protokoll zu unterzeichnen, auch wenn als Protokollführer ein anderer tätig war. Mit der Unterzeichnung ist die Niederschrift komplett. Eine besondere Genehmigung, etwa in der nächsten Sitzung des Aufsichtsrats, ist nicht nötig.

1 Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 12; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 72; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 100; Brinkschmidt, Protokolle, S. 58 f. 2 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 72; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 99. 3 Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 66; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 182; a.A. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 72; E. Vetter in Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, § 27 Rn. 63. 4 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 100; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 23; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 107 Rn. 29; a.A. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 73; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 66; Brinkschmidt, Protokolle, S. 62 ff. 5 So Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 100; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 185, die einen Protokollierungsanspruch nur dann verneinen, wenn eine Haftung eindeutig ausgeschlossen werden könne. 6 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 73; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 100; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 185; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG. § 107 Rn. 29; Siebel in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 5 Rn. 138; enger Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 23 (nur bei haftungsrelevanten Sachverhalten).

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Der Verfahrensablauf im Aufsichtsrat

§ 11

Die Sitzungsniederschrift soll lediglich Beweiszwecken dienen. Ist 710 die Niederschrift unvollständig oder fehlt sie ganz, hat das auf die Wirksamkeit der gefassten Beschlüsse keinen Einfluss (§ 107 Abs. 2 Satz 3 AktG). Etwaige Unrichtigkeiten der Niederschrift kann der Vorsitzende von sich aus oder auf den Widerspruch von Aufsichtsratsmitgliedern hin korrigieren. Die Entscheidung über eine solche Berichtigung trifft der Vorsitzende allein1. Jedem Mitglied des Aufsichtsrats ist auf Verlangen eine Abschrift der 711 Sitzungsniederschrift auszuhändigen (§ 107 Abs. 2 Satz 4 AktG). Dieses Recht kann nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden2. Es ist jedoch beschränkt auf Sitzungsprotokolle aus der Zeit der Mitgliedschaft des Aufsichtsratsmitglieds; hinsichtlich früherer Aufsichtsratsprotokolle besteht kein Anspruch auf Aushändigung, wohl aber das allgemeine Recht auf Einsicht in die Unterlagen des Aufsichtsrats (vgl. unten Rn. 828)3.

2. Beschlussfassung im Aufsichtsrat a) Allgemeines Der Aufsichtsrat kann als Organ seinen Willen nur durch Beschlussfassung bilden (§ 108 Abs. 1 AktG). Beschlüsse können nicht stillschweigend gefasst werden, sondern erfordern stets eine Abstimmung; ist ein Beschluss durch Abstimmung gefasst worden, so ist er allerdings auslegungsfähig4.

712

Das Beschlussverfahren ist im AktG und MitbestG nicht abschlie- 713 ßend geregelt. Hilfsweise kommen die vereinsrechtlichen Vorschriften des BGB zur Anwendung5; im Übrigen können Satzung und Ge-

1 Näher Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 77; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 103; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 68. 2 Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 14; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 80; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 102; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 72. 3 Näher Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 81; Brinkschmidt, Protokolle, S. 125 f. 4 BGH v. 19.12.1988 – II ZR 74/88, ZIP 1989, 294, 295 = AG 1989, 129; Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 4; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 12; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 61; Baums, ZGR 1983, 300, 334 ff. 5 LG Hannover v. 27.6.1989 – 7 O 214/89, AG 1989, 448, 449; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 15; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 24; Habersack, MünchKomm. AktG, § 108 Rn. 15; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 24; a.A. Baums, ZGR 1983, 300, 305.

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§ 11

Die Organisation des Aufsichtsrats

schäftsordnung in den Schranken zwingender gesetzlicher Regelungen nähere Bestimmungen treffen. b) Beschlussfähigkeit 714

Ein Beschluss kann nur gefasst werden, wenn eine hinreichend große Zahl von Mitgliedern an der Beschlussfassung teilnimmt, sei es durch Zustimmung, Ablehnung oder Stimmenthaltung. Wer sich nicht einmal durch Stimmenthaltung an der Beschlussfassung beteiligt, sondern an der Abstimmung gar nicht teilnimmt, zählt für die Feststellung der Beschlussfähigkeit auch dann nicht mit, wenn er in der Sitzung anwesend ist1.

715

Das AktG überlässt die Bestimmung der Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats grundsätzlich der Satzung (§ 108 Abs. 2 Satz 1 AktG). Besteht eine Regelung der Satzung nicht, ist der Aufsichtsrat (nur) bei Teilnahme der Hälfte der Mitglieder, aus denen er zu bestehen hat (Sollstärke), beschlussfähig, auch wenn er tatsächlich aus weniger Mitgliedern besteht (§ 108 Abs. 2 Satz 2 und 4 AktG). Die Satzung kann eine geringere Teilnehmerzahl genügen lassen oder eine höhere Teilnehmerzahl fordern. Mindestens müssen aber drei Aufsichtsratsmitglieder an der Abstimmung teilnehmen; unter diese Mindestzahl kann auch die Satzung nicht zurückgehen (§ 108 Abs. 2 Satz 3 AktG).

716

Zwingend regelt das Gesetz die Beschlussfähigkeit für mitbestimmte Gesellschaften in § 10 MontanMitbestG, § 11 MitbestErgG und § 28 MitbestG; hier ist stets die Teilnahme von mindestens der Hälfte der Mitglieder, aus denen der Aufsichtsrat zu bestehen hat (Sollstärke), erforderlich2. Von diesen Regelungen kann für montan-mitbestimmte Gesellschaften wegen des insoweit klares Gesetzeswortlauts im Hinblick auf die Beschlussfähigkeit des Plenums (anders für die Beschlussfähigkeit von Ausschüssen) nicht abgewichen werden3. Demgegenüber ist es für Gesellschaften unter dem MitbestG als zulässig anzusehen, dass die Satzung die Beschlussfähigkeit zwar nicht an geringere, wohl aber an strengere Voraussetzungen knüpft, solange dadurch nicht der Grundsatz der Gleichberechtigung der Aufsichtsratsmitglieder verletzt wird (dazu unten Rn. 718)4. 1 Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 10; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 57; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 57; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 108 Rn. 9. 2 Zum Sonderproblem der Beschlussfähigkeit bei der Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden nach § 27 Abs. 2 MitbestG und bei einer Entscheidung nach § 32 MitbestG vgl. oben Rn. 668 u. 502. 3 Habersack, MünchKomm. AktG, § 108 Rn. 40; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 71; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 108 Rn. 45. 4 Sehr umstritten, wie hier z.B. OLG Hamburg v. 4.4.1984 – 2 W 25/08, BB 1984, 1763; LG Frankfurt v. 3.10.1978 – 3/11 T 32/78, NJW 1978, 2398; LG

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Der Verfahrensablauf im Aufsichtsrat

§ 11

Allein dadurch, dass dem Aufsichtsrat weniger Mitglieder angehören, 717 als nach Gesetz oder Satzung an sich erforderlich wären, wird die Beschlussfähigkeit nicht beeinträchtigt; auch wenn die Anteilseigneroder Arbeitnehmerseite nicht vollständig besetzt ist, kann der Aufsichtsrat also beschlussfähig sein (§ 108 Abs. 2 Satz 4 AktG). Von diesem Grundsatz kann auch die Satzung nicht abweichen1. Schließlich kann die Beschlussfähigkeit auch nicht davon abhängig 718 gemacht werden, dass bei der Beschlussfassung bestimmte Aufsichtsratsmitglieder (etwa der Vorsitzende) teilnehmen oder ein bestimmtes Verhältnis zwischen Anteilseigner- und Arbeitnehmer-Vertretern gewahrt ist. Nach Inkrafttreten des Mitbestimmungsgesetzes wurden gelegentlich Satzungs- oder Geschäftsordnungsbestimmungen geschaffen, wonach der Aufsichtsrat nur beschlussfähig sein sollte, wenn z.B. mindestens die Hälfte der Teilnehmer Anteilseignervertreter waren und sich unter ihnen der Vorsitzende befand. Solche Regelungen sind nichtig, denn sie verletzen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aufsichtsratsmitglieder2. c) Abstimmung Aufsichtsratsbeschlüsse werden grundsätzlich in Aufsichtsratssit- 719 zungen gefasst. Jedes Mitglied hat die Befugnis, dem Plenum zu den Punkten der Tagesordnung Beschlussanträge zu unterbreiten und da-

Hamburg v. 29.6.1979 – 64 T 3/79, NJW 1980, 235; LG Mannheim v. 23.7.1979 – 12 O 16/79, NJW 1980, 236; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 28 MitbestG Rn. 3; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 59 f.; Semler, MünchKomm. AktG, 2. Aufl., § 108 Rn. 63; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 108 Rn. 11; Feldmann, DB 1986, 29 ff.; Heinsius, AG 1977, 281, 282 f.; Preusche, AG 1980, 125, 126 f.; a.A. OLG Karlsruhe v. 20.6.1980 – 15 U 171/79, NJW 1980, 2137, 2139; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 72; Habersack, MünchKomm. AktG, § 108 Rn. 40; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 108 Rn. 43; Raiser, Komm. MitbestG, § 28 Rn. 3; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/ Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 28 MitbestG Rn. 4; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 28 MitbestG Rn. 6; Oetker, Großkomm. AktG, § 28 MitbestG Rn. 8; offengelassen von BGH v. 25.2.1982 – II ZR 145/80, BGHZ 83, 151, 153 f. = AG 1982, 223. 1 Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 11; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 58; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 56. 2 Heute wohl allg. Meinung, vgl. insbesondere BGH v. 25.2.1982 – II ZR 145/80, BGHZ 83, 151, 154 ff. = AG 1982, 223; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 60; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 108 Rn. 43; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 28 MitbestG Rn. 4; Raiser, Komm. MitbestG, § 28 Rn. 3.

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§ 11

Die Organisation des Aufsichtsrats

rüber eine Abstimmung zu verlangen1. Dieses Recht kann weder entzogen noch eingeschränkt werden2. 720

Die Zulässigkeit geheimer Abstimmungen im Aufsichtsrat ist umstritten. Während sie früher überwiegend für unzulässig angesehen wurden, lässt die heute wohl herrschende Meinung sie mit Recht zu3. Ob geheim abgestimmt wird, entscheidet in erster Linie der Vorsitzende4. Der Aufsichtsrat kann aber, wie stets, durch Beschluss von der verfahrensleitenden Anordnung des Vorsitzenden abweichen und beschließen, dass geheim oder offen abzustimmen sei5; für die teilweise vertretene Ansicht, auch einzelne Aufsichtsratsmitglieder könnten eine geheime Abstimmung verlangen6, ist eine tragfähige Grundlage nicht ersichtlich7.

721

Über in der Tagesordnung nicht angekündigte Gegenstände kann beschlossen werden, sofern keines der anwesenden Aufsichtsratsmitglieder widerspricht und allen in der Sitzung abwesenden Mitgliedern die Möglichkeit zu einer nachträglichen schriftlichen Stimmabgabe (und zu einem nachträglichen Widerspruch gegen die Abstimmung über diesen nicht angekündigten Tagesordnungspunkt) gegeben wird8. Erforderlich ist dazu, dass der Vorsitzende jedem der abwesen1 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 17; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 108 Rn. 15. 2 A.A. Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 7, die es zulassen, das Antragsrecht auf je zwei Mitglieder zu beschränken; wie hier Krieger, Personalentscheidungen, S. 89 f. m.w.N. 3 Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 5; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 40 ff.; Siebel in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 5 Rn. 118 f.; Habersack, MünchKomm. AktG, § 108 Rn. 18; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 55; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 26; Uwe H. Schneider in FS Fischer, 1979, S. 727, 742 f.; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 120 ff.; a.A. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 38; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 108 Rn. 18; Raiser, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 21; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 23. 4 Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 5a; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 55; Siebel in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 5 Rn. 118; Habersack, MünchKomm. AktG, § 108 Rn. 19; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 43. 5 Vgl. die Nachweise in der vorangegangenen Fn. 6 Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 5a; Peus, DStR 1996, 1656 f. (jedes Mitglied); Habersack, MünchKomm. AktG, § 108 Rn. 19; Ulmer, AG 1982, 300, 305; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 26 (2–3 Mitglieder). 7 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 38; Semler, MünchKomm. AktG, 2. Aufl., § 108 Rn. 106; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 43; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 108 Rn. 27. 8 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 110 Rn. 5; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 40; Säcker, NJW 1979, 1521, 1522; Habersack, Münch-

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Der Verfahrensablauf im Aufsichtsrat

§ 11

den Mitglieder den Beschlussantrag mitteilt und einen angemessenen Zeitraum für die Stimmabgabe oder die Erhebung eines Widerspruchs gegen diese Form der Beschlussfassung einräumt. Der Aufsichtsrat kann die Entscheidung über bestimmte Beschluss- 722 anträge durch Beschluss vertagen. Der Vorsitzende hat dieses Recht nicht. Für Vertagungsklauseln in der Satzung gilt ähnliches wie für Beschlussfähigkeitsregelungen (vgl. oben Rn. 716 ff.): Die Satzung kann nicht anordnen, dass eine Beschlussfassung vertagt werden müsse, wenn bestimmte Aufsichtsratsmitglieder (namentlich der Vorsitzende) nicht anwesend seien oder wenn nicht ein bestimmtes Verhältnis zwischen Anteilseigner- und Arbeitnehmer-Vertretern gewahrt sei; solche Klauseln verstoßen ebenso wie entsprechende Beschlussfähigkeitsregelungen gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aufsichtsratsmitglieder. Hingegen sind Vertagungsklauseln zulässig, wenn das Gebot der Gleichbehandlung aller Aufsichtsratsmitglieder beachtet wird1. Von den Autoren, die in mitbestimmten Gesellschaften eine Verschärfung der Beschlussfähigkeitsregelungen des § 28 MitbestG für unzulässig halten (vgl. oben Rn. 716), wird die Zulässigkeit von Vertagungsklauseln zum Teil dahingehend eingeschränkt, dass solche Klauseln nur eine einmalige Vertagung zulassen dürften, weil anderenfalls das angebliche Verbot einer Verschärfung der Beschlussfähigkeitsvoraussetzungen umgangen werde2. Zulässig ist aber auch danach z.B. eine Satzungsbestimmung, wonach bei nicht vollständiger Anwesenheit der Aufsichtsratsmitglieder auf Antrag eines oder mehrerer Mitglieder die Beschlussfassung einmal zu vertagen ist, oder wonach der Vorsitzende nach eigenem Ermessen die Beschlussfassung einmal vertagen kann3.

Komm. AktG, § 110 Rn. 21; großzügiger Baums, ZGR 1983, 300, 316, der bei dringenden Eilentscheidungen kein Recht abwesender Mitglieder zum nachträglichen Widerspruch und zur nachträglichen Stimmabgabe für nötig ansieht. 1 Vgl. dazu näher Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 66 f.; HoffmannBecking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 82; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 78; Oetker, Großkomm. AktG, § 28 MitbestG Rn. 10; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 28 MitbestG Rn. 7; Raiser, Komm. MitbestG, § 28 Rn. 4; ausführlich Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 190 ff. 2 So z.B. Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 28 MitbestG Rn. 7; Raiser, Komm. MitbestG, § 28 Rn. 4. 3 LG Hamburg v. 29.6.1979 – 64 T 3/79, NJW 1980, 235; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 66 und § 28 MitbestG Rn. 3; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 82; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/ Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 28 MitbestG Rn. 7; Raiser, Komm. MitbestG, § 28 Rn. 3; Oetker, Großkomm. AktG, § 28 MitbestG Rn. 10; a.A. Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 28 MitbestG Rn. 7.

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§ 11 723

Die Organisation des Aufsichtsrats

Verhinderten Aufsichtsratsmitgliedern gibt das Gesetz die Möglichkeit, ihre Stimme in der Sitzung durch einen Stimmboten schriftlich abgeben zu lassen (§ 108 Abs. 3 Satz 1 AktG)1. Das gilt nicht nur bei Präsenzsitzungen, sondern es ist kein Grund erkennbar, warum nicht auch in einer Aufsichtsratssitzung in Form einer Video- oder Telefonkonferenz ein Stimmbote die ihm ausgehändigte schriftliche Stimmabgabe des verhinderten Mitglieds sollte abgeben können2. Die schriftliche Stimmabgabe kann stets durch ein anderes Aufsichtsratsmitglied überbracht werden (§ 108 Abs. 3 Satz 2 AktG). Personen, die nicht dem Aufsichtsrat angehören, können die schriftliche Stimme hingegen nur übergeben, wenn die Satzung es nach § 109 Abs. 3 AktG zulässt, dass aufsichtsratsfremde Personen anstelle von verhinderten Aufsichtsratsmitgliedern an der Sitzung teilnehmen (§ 108 Abs. 3 Satz 3 AktG). Die vom Gesetz geforderte schriftliche Stimmabgabe setzt eine eigenhändige Namensunterschrift voraus (§ 126 BGB); daneben dürfte die elektronische Form des § 126a BGB genügen3. Nach h.M. sollen Stimmabgaben durch Telegramm, Telex oder Telefax gleichgesetzt werden können4. Die Neufassung von § 109 Abs. 3 AktG, die für die Ermächtigung eines dem Aufsichtsrat nicht angehörenden Stimmboten zur Teilnahme an der Sitzung Textform genügen lässt, während § 108 Abs. 3 AktG es für die von dem Stimmboten zu übergebende Stimmabgabe bei der Schriftform belässt, spricht gegen eine zu weitgehende Auflockerung des Schriftformerfordernisses. Auch dem Zweck des Gesetzes wäre durch Stimmabgabe per Telegramm, Telex oder per einfacher E-Mail nicht genügt, weil die Authentizität der Stimmabgabe nicht hinreichend überprüft werden kann. Hingegen wird man eine Stimmabgabe durch unterschriebenes Telefax gleichsetzen können5. 1 Muster bei Hölters, Münchener Vertragshandbuch, 6. Aufl., Band 1, Formular V.77. 2 Näher dazu Wagner, NZG 2002, 57, 60; Kindl, ZHR 166 (2002), 335, 346 ff.; a.A. Habersack, MünchKomm. AktG, § 108 Rn. 51; Spindler in Spindler/ Stilz, Komm. AktG, § 108 Rn. 52, die sich auf eine bloß formale Argumentation stützen. 3 Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 108 Rn. 55; Semler, MünchKomm. AktG, 2. Aufl., § 108 Rn. 167; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 86; a.A. Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 31a; Habersack, MünchKomm. AktG, § 108 Rn. 53. 4 KG, JW 1938, 1824; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 20; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 108 Rn. 56; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 109; Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 15; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 86; Kindl, Teilnahme, S. 30 ff.; Kindl, ZHR 166 (2002), 335, 347; Lutter in FS Duden, 1977, S. 269, 280; Riegger, BB 1980, 130, 131; a.A. Habersack, MünchKomm. AktG, § 108 Rn. 53; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 31a. 5 A.A. Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 31a.

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Der Verfahrensablauf im Aufsichtsrat

§ 11

Der Stimmbote darf nur die Entscheidung des verhinderten Mitglieds überreichen. Er ist nicht zu einer eigenen Entscheidung befugt. Deshalb ist es nicht möglich, dem Stimmboten eine Blankoerklärung oder verschiedene Stimmabgabeschreiben auszuhändigen mit der Ermächtigung, nach eigenem Ermessen über die Verwendung zu entscheiden. Es reicht auch nicht, dem Stimmboten über die Verwendung Richtlinien zu geben, solange dabei Raum für eigene Ermessensausübungen bleibt1. Hingegen wird man anders entscheiden müssen, wenn dem Stimmboten so exakte Weisungen vorliegen oder (etwa telefonisch) während der Sitzung gegeben werden, dass er kein eigenes Ermessen auszuüben hat2.

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Eine schriftliche Stimmabgabe muss sich auf einen konkreten Beschlussantrag beziehen. Wird der Antrag inhaltlich geändert, kann die Stimme nicht mehr abgegeben werden. Bloße Formulierungsänderungen, die den Beschlussinhalt als solchen nicht berühren, schaden jedoch nicht3.

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Ohne Abhaltung einer Sitzung kann der Aufsichtsrat schriftlich, fern- 726 mündlich (Telefon- oder Videokonferenz) oder in anderer vergleichbarer Form (z.B. Telefax, E-Mail) Beschluss fassen, wenn keines seiner Mitglieder diesem Verfahren widerspricht; die Satzung oder die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats kann dieses Widerspruchsrecht beseitigen oder modifizieren (§ 108 Abs. 4 AktG). Bei einer Telefonoder Videokonferenz handelt es sich um eine Aufsichtsratssitzung (vgl. auch oben Rn. 689). Zu ihr ist einzuladen wie zu einer Präsenzsitzung. Außerdem ist – sofern nicht durch Satzung oder Geschäftsordnung ausgeschlossen – jedem Mitglied ein angemessener Zeitraum für einen Widerspruch gegen diese Form der Beschlussfassung einzuräumen. Bei einer Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren ist es erforderlich, dass jedem Aufsichtsratsmitglied vom Vorsitzenden der Beschlussantrag mitgeteilt und ein angemessener Zeitraum für die Stimmabgabe oder die Erhebung eines Widerspruchs gegen diese Form der Beschlussfassung eingeräumt wird. Der Zeitraum für Stimmabgabe und/oder Widerspruch gegen das Verfahren wird im allgemeinen kürzer sein dürfen als die bei Einladung zu einer Sitzung 1 Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 14; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 24 ff.; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 85. 2 Streitig, wie hier Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 27; HoffmannBecking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 85; Lutter in FS Duden, 1979, S. 269, 276 ff.; Riegger, BB 1980, 130, 131; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 48; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/ Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 27; Säcker, DB 1977, 1791, 1795 Fn. 33; a.A. Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 14; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 32; Raiser, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 27. 3 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 84.

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§ 11

Die Organisation des Aufsichtsrats

einzuhaltende Frist (oben Rn. 690)1. Stimmabgaben, die nach Ablauf des festgesetzten Zeitraums eingehen, sind unbeachtlich2. Ebensowenig besteht Anlass zu der Annahme, dass ein verspäteter Widerspruch gegen das Verfahren bis zur Feststellung des Beschlussergebnisses durch den Vorsitzenden noch beachtlich sei3. Dass sämtliche Aufsichtsratsmitglieder durch eine Stimmabgabe an der Abstimmung teilnehmen, verlangt das Gesetz nicht. Aufsichtsratsmitglieder, die sich gar nicht äußern, nehmen an der Abstimmung lediglich nicht teil; das kann allerdings bei einer entsprechend großen Zahl die Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats herbeiführen. Satzung oder Geschäftsordnung können diese Art der Beschlussfassung ausschließen, erschweren oder durch Beseitigung bzw. Modifizierung des Widerspruchsrechts erleichtern4. Das ist rechtspolitisch und gesetzessystematisch zweifelhaft, nachdem Telefon- oder Videokonferenzen in der Neufassung von § 110 Abs. 3 AktG als „echte“ Aufsichtsratssitzungen anerkannt sind, ist aber angesichts des Wortlauts von § 108 Abs. 4 AktG, der ausdrücklich auch „fernmündliche“ Beschlussfassungen nennt, de lege lata wohl unabweislich5. 727

Angesichts der Möglichkeit der Beschlussfassung ohne Sitzung ist schließlich auch eine gemischte Beschlussfassung zulässig. Das kann zum einen in der Form geschehen, dass den bei einer Beschlussfassung in einer Sitzung abwesenden Aufsichtsratsmitgliedern das Recht zu nachträglicher Stimmabgabe innerhalb angemessener Zeit in schriftlicher, fernmündlicher oder anderer vergleichbarer Form vorbehalten wird6. Zum anderen ist es zulässig, abwesende Aufsichtsratsmitglieder telefonisch oder per Videoübertragung zuzu1 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 91; Hoffmann-Becking in Liber amicorum Happ, 2006, S. 81, 82; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 33. 2 A.A. Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 122; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 33; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 91; E. Vetter in Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, § 27 Rn. 55, die – anders als hier vertreten (vgl. unten Rn. 729) – den Beschluss erst mit schriftlicher Niederlegung oder Verkündung durch den Vorsitzenden als wirksam ansehen und bis dahin auch verspätete Stimmabgaben berücksichtigen wollen. 3 So aber Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 33; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 22; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 91. 4 Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 16; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 24. 5 A.A. Kindl, ZHR 166 (2002), 335, 345, der auf Beschlussfassungen in Videokonferenzen § 108 Abs. 4 AktG nicht anwenden will; so wohl auch Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 16. 6 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 19; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 88; Habersack, MünchKomm. AktG, § 108 Rn. 70 ff.; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 33; zweifelnd Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 16.

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Der Verfahrensablauf im Aufsichtsrat

§ 11

schalten und sie auf diese Weise an der Beschlussfassung in der Sitzung durch fernmündliche Stimmabgabe teilnehmen zu lassen1; auch andere vergleichbare Formen (z.B. per E-Mail) einer Beteiligung abwesender Mitglieder an der Beschlussfassung in der Sitzung sind denkbar. Auch diesen Formen der Beschlussfassung kann jedes (an- oder abwesende) Aufsichtsratsmitglied widersprechen, es sei denn, die Satzung oder Geschäftsordnung habe das geändert oder modifiziert2. Eine Regelung aller dieser Fragen in der Satzung oder Geschäftsordnung ist dringend zu empfehlen. Zur Abstimmung berechtigt ist grundsätzlich jedes Aufsichtsratsmit- 728 glied. In entsprechender Anwendung von § 34 BGB gilt dies jedoch dann nicht, wenn über den Abschluss eines Rechtsgeschäfts mit ihm oder über die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen der Gesellschaft und ihm abgestimmt wird3; dazu gehört auch die Beschlussfassung über einen Antrag auf gerichtliche Abberufung des betreffenden Aufsichtsratsmitglieds nach § 103 Abs. 3 AktG4. Rechtsgeschäfte oder Rechtsstreitigkeiten mit Gesellschaften, zu deren gesetzlichen Vertretern das Aufsichtsratsmitglied gehört, sind hingegen vom Stimmrecht im allgemeinen nicht betroffen5; etwas anderes gilt allerdings, wenn zwischen dem Aufsichtsratmitglied und der anderen Gesellschaft nahezu vollständige Interessenidentität besteht6. Einen allgemeinen Stimmrechtsausschluss bei anderen Interessenkollisionen kennt das Gesetz hingegen nicht. Namentlich ist das Aufsichtsratsmitglied auch stimmberechtigt, wenn es um seine Wahl zum Vorstandsmitglied (vgl. oben Rn. 343) oder in eine beson1 Wagner, NZG 2002, 57, 58 f.; Kindl, ZHR 166 (2002), 335, 342 f. 2 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 88; Habersack, MünchKomm. AktG, § 108 Rn. 71; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 33. 3 BayObLG v. 28.3.2003 – 3 Z BR 199/02, ZIP 2003, 1194, 1195 f. = AG 2003, 427; LG Düsseldorf v. 22.7.2004 – XIV 5/03, ZIP 2004, 2044, 2053; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 49 ff.; Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 9; Habersack, MünchKomm. AktG, § 108 Rn. 29; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 66. Umfassend zur Problematik des Stimmrechts bei Interessenkollisionen Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision. 4 BayObLG v. 28.3.2003 – 3 Z BR 199/02, ZIP 2003, 1194 = AG 2003, 427; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 103 Rn. 49; Hüffer, Komm. AktG, § 103 Rn. 12; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 58; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 6 MitbestG Rn. 70; Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision, S. 267 ff.; a.A. Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 6 Rn. 45. 5 Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 27; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 108 Rn. 28; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 51; a.A. Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision, S. 267 ff.; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 60. 6 Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 108 Rn. 28; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 51.

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dere Funktion innerhalb des Aufsichtsrats1 geht. Bei der Stellungnahme des Aufsichtsrats zum Antrag auf gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern (§ 142 Abs. 5 Satz 1 AktG) sind wohl auch solche Aufsichtsratsmitglieder stimmberechtigt, die von der Sonderprüfung betroffen wären: § 142 Abs. 5 AktG enthält gerade keine dem § 142 Abs. 1 Satz 2 AktG entsprechende Regelung; eine Analogie scheidet aus, weil die Stellungnahme des Aufsichtsrats nur den Charakter einer rechtlich unerheblichen Meinungsäußerung hat. Nach Ziff. 5.5.2 des Kodex soll das Aufsichtsratsmitglied Interessenkonflikte jedoch gegenüber dem Aufsichtsrat offenlegen, und dieser soll darüber gemäß Ziff. 5.5.3 des Kodex in seinem Bericht an die Hauptversammlung informieren, vgl. dazu auch Rn. 587 ff. 729

Der in einer Sitzung gefasste Beschluss wird mit der Abstimmung entsprechend deren Ergebnis wirksam. Eine Feststellung des Beschlusses durch den Versammlungsleiter oder die Niederlegung im Protokoll sind für das Wirksamwerden nicht erforderlich2; eine unrichtige Feststellung oder Protokollierung ändern am Zustandekommen des Beschlusses mit seinem tatsächlichen Inhalt nichts. Das gilt auch in den Fällen der Telefon- oder Videokonferenz. Bei schriftlicher Beschlussfassung soll der Beschluss nach verbreiteter Ansicht hingegen erst mit Verkündung des Beschlussergebnisses durch den Vorsitzenden wirksam werden3. Dieser Meinung ist nicht zuzustimmen. Allenfalls wird man erwägen können, für das Wirksamwerden des schriftlich gefassten Beschlusses eine entsprechende Dokumentation des Beschlussergebnisses durch den Vorsitzenden zu verlangen4. Im Ergebnis ist aber auch das abzulehnen. Das Beschlussergebnis ist durch die schriftlichen Stimmabgaben hinreichend dokumentiert, um es als wirksam ansehen zu können. Der schriftliche Beschluss ist zwar ebenso wie der in einer Sitzung gefassteBeschluss, in einem Protokoll niederzulegen (analog § 107 Abs. 2 AktG), hingegen gibt es keinen Grund, von der Protokollierung oder gar der Versendung des Protokolls die Wirksamkeit des Beschlusses abhängig zu machen.

1 Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 9; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 50; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 66; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 108 Rn. 30. 2 Für die Beschlussfeststellung: Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 18; Hopt/ Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 25, 45; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 54a. Für die Protokollierung: § 107 Abs. 2 Satz 3 AktG. 3 Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 45, 122; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 33; Siebel in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 5 Rn. 154; früher auch Hoffmann-Becking in Liber amicorum Happ, 2006, S. 81, 83, jedoch aufgegeben in Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 105. 4 So Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 105.

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Der Verfahrensablauf im Aufsichtsrat

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d) Mehrheitserfordernisse aa) Nach dem AktG fasst der Aufsichtsrat – außer im Sonderfall des 730 § 124 Abs. 3 Satz 4 AktG – seine Beschlüsse mit der Mehrheit aller abgegebenen Stimmen (sog. einfache Stimmenmehrheit). Bei Stimmengleichheit ist der Antrag abgelehnt; Stimmenthaltungen zählen (anders als bei der Beschlussfähigkeit; oben Rn. 714) nicht mit1. Die Satzung – aber nicht die Geschäftsordnung – kann einem Aufsichtsratsmitglied (insbesondere dem Vorsitzenden) das Recht zum Stichentscheid bei Stimmengleichheit einräumen2. Im Übrigen haben die Stimmen aller Aufsichtsratsmitglieder gleiches Gewicht. Keinem der Mitglieder kann durch Satzung oder Geschäftsordnung ein höheres Stimmrecht eingeräumt werden. Ebensowenig wäre es zulässig, bestimmten Aufsichtsratsmitgliedern ein Vetorecht gegen Aufsichtsratsbeschlüsse zu verleihen3. Eine qualifizierte (zum Beispiel 2/3- oder ¾-)Mehrheit kann durch die Satzung für solche Aufgaben angeordnet werden, die dem Aufsichtsrat nicht kraft Gesetzes zwingend obliegen4. Zulässig ist hingegen die Bestimmung, dass Stimmenthaltungen als abgegebene Stimmen mitzählen, also wie Nein-Stimmen wirken5. bb) Das Prinzip der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen 731 gilt auch nach dem MitbestG (§ 29 Abs. 1 MitbestG), dem MontanMitbestG und dem MitbestErgG, ist dort aber gänzlich zwingend, sofern nicht gesetzlich eine andere Mehrheit gefordert wird (vgl. insbesondere §§ 27, 31, 32, 37 MitbestG, 13 MontanMitbestG, 15 MitbestErgG)6. Bestimmt werden kann auch hier, dass Stimmenthal-

1 Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 6; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 43 ff.; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 62. 2 Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 8; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 59; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 64. 3 Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 8; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 47; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 64. 4 Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 8; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 46; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 65; Habersack, MünchKomm. AktG, § 108 Rn. 20, 24; Jürgenmeyer, ZGR 2007, 112, 122 ff. 5 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 44; Oetker, Großkomm. AktG, § 29 MitbestG Rn. 2; Raiser, Komm. MitbestG, § 29 Rn. 6; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 29 MitbestG Rn. 6; zweifelnd Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 8. 6 Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 29 MitbestG Rn. 8; Raiser, Komm. MitbestG, § 29 Rn. 7; Oetker, Großkomm. AktG, § 29 MitbestG Rn. 3; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 29 MitbestG Rn. 3. Für Beschlussgegenstände, die dem Aufsichtsrat nicht kraft Gesetzes zugewiesen sind, abweichend Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 29 Rn. 18 m.w.N.; Uwe H. Schneider, GK-MitbestG, § 29 Rn. 106.

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Die Organisation des Aufsichtsrats

tungen als abgegebene Stimmen mitzählen und somit wie Nein-Stimmen wirken1. 732

§ 29 Abs. 2 MitbestG durchbricht den Grundsatz, dass ein Antrag bei Stimmengleichheit abgelehnt ist: Hat eine Abstimmung Stimmengleichheit ergeben, steht dem Aufsichtsratsvorsitzenden – und nur ihm (§ 29 Abs. 2 Satz 3 MitbestG) – bei einer erneuten Abstimmung über denselben Antrag eine zweite Stimme zu, sofern auch diese zweite Abstimmung im Patt endet. Das Zweitstimmrecht besteht bei Verfahrensentscheidungen (z.B. Abstimmung über einen Vertagungsantrag) ebenso wie bei Sachentscheidungen2. Die Entscheidung über die Durchführung einer zweiten Abstimmung und deren Zeitpunkt steht in erster Linie dem Aufsichtsratsvorsitzenden zu. Solange nicht der Aufsichtsrat selbst hierüber beschließt, kann der Vorsitzende entscheiden, ob überhaupt eine zweite Abstimmung durchgeführt werden oder es dabei bleiben soll, dass der Antrag in der ersten Abstimmung gescheitert ist3. Er kann auch entscheiden, ob die zweite Abstimmung noch in derselben Sitzung oder zu einem späteren Termin stattfindet. Der Aufsichtsrat kann allerdings durch Beschluss die Entscheidung des Vorsitzenden aufheben oder ändern. Der Vorsitzende ist nicht gezwungen, bei der zweiten Abstimmung seine Zweitstimme abzugeben, ebensowenig besteht ein Zwang, die Zweitstimme – wenn sie abgegeben wird – übereinstimmend mit der Erststimme abzugeben4.

733

Satzung oder Geschäftsordnung können von diesen Prinzipien nur zum Teil abweichen. Sie können das Entscheidungsermessen des Aufsichtsrats über allgemein zulässige Vertagungs- und Beschlussfähigkeitsregelungen (vgl. oben Rn. 716 ff. u. 722) hinaus nicht unangemessen beschneiden. Unzulässig sind deshalb Klauseln, die dem Aufsichtsrat eine zweite Abstimmung vorschreiben5, und es ist wohl 1 Oetker, Großkomm. AktG, § 29 MitbestG Rn. 2; Raiser, Komm. MitbestG, § 29 Rn. 6; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 29 MitbestG Rn. 6. 2 Oetker, Großkomm. AktG, § 29 MitbestG Rn. 7; Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 29 MitbestG Rn. 10; Raiser, Komm. MitbestG, § 29 Rn. 9; einschränkend Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 29 MitbestG Rn. 10 (nicht bei unterparitätischer Ausschussbesetzung). 3 Oetker, Großkomm. AktG, § 29 MitbestG Rn. 9; Raiser, Komm. MitbestG, § 29 Rn. 10; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 29 MitbestG Rn. 13. 4 Oetker, Großkomm. AktG, § 29 MitbestG Rn. 16; Raiser, Komm. MitbestG, § 29 Rn. 12; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 29 MitbestG Rn. 18. 5 Oetker, Großkomm. AktG, § 29 MitbestG Rn. 8; Raiser, Komm. MitbestG, § 29 Rn. 14; Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 29 MitbestG Rn. 20.

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Der Verfahrensablauf im Aufsichtsrat

§ 11

auch nicht zulässig, die Entscheidung über eine zweite Abstimmung in das alleinige Ermessen des Aufsichtsratsvorsitzenden zu legen und das Letztentscheidungsrecht des Gesamtaufsichtsrats auszuschließen1. Zweifelhaft sind deshalb auch Klauseln, wonach eine zweite Abstimmung stets einer neuen Aufsichtsratssitzung vorbehalten sein oder umgekehrt stets sofort nach der ersten stattfinden soll2. Erleichterungen sind zulässig, etwa die Regelung, dass jedes Aufsichtsratsmitglied die Durchführung einer zweiten Abstimmung verlangen kann3. Der Vorsitzende kann jedoch keinen Bindungen im Hinblick auf seine Zweitstimme unterworfen werden4. e) Fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse Beschlüsse des Aufsichtsrats, die in ihrem Inhalt oder der Form ihres 734 Zustandekommens gegen Gesetz oder Satzung verstoßen, wurden früher stets mit der Folge als nichtig angesehen, dass sich jeder Betroffene auf diesen Mangel ohne zeitliche Begrenzung berufen konnte. Demgegenüber besteht heute Einigkeit, dass eine Differenzierung nach der Schwere des Fehlers nötig ist. Die überwiegende Literatur – der zunächst auch die Rechtsprechung gefolgt ist – wollte hierzu zwischen der Nichtigkeit und der bloßen Anfechtbarkeit des Beschlusses unterscheiden5; damit verband sich teilweise die Vorstellung, die Regeln über die Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen (§§ 241 ff. AktG) analog anzuwenden6, während andere die Anfecht1 Raiser, Komm. AktG, § 29 Rn. 14; Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 29 MitbestG Rn. 19; Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 241 f. 2 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 78; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 29 MitbestG Rn. 15 u. 22; a.A. Oetker, Großkomm. AktG, § 29 MitbestG Rn. 9; Raiser, Komm. MitbestG, § 29 Rn. 15; Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 29 MitbestG Rn. 19. 3 Oetker, Großkomm. AktG, § 29 MitbestG Rn. 10; Raiser, Komm. MitbestG, § 29 Rn. 14; Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 29 MitbestG Rn. 19. 4 Oetker, Großkomm. AktG, § 29 MitbestG Rn. 16; Raiser, Komm. MitbestG, § 29 Rn. 16; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 29 MitbestG Rn. 18 und 22. 5 So z.B. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 82 ff.; Baums, ZGR 1983, 300, 308 ff.; Lemke, Aufsichtsratsbeschluss, S. 94 ff., 122 ff.; Kindl, Teilnahme, S. 169 ff.; Axhausen, Anfechtbarkeit, S. 183 ff.; aus der Rechtsprechung insbesondere BGH v. 28.11.1988 – II ZR 57/88, BGHZ 106, 54, 66 f.= AG 1989, 89; OLG Hamburg v. 23.7.1982 – 11 U 179/80, WM 1982, 1090, 1095 = AG 1983, 21; OLG Hamburg v. 25.5.1984 – 11 U 183/83, WM 1984, 965, 967 = AG 1984, 248; OLG Hamburg v. 6.3.1992 – 11 U 134/91, DB 1992, 774 f. = AG 1992, 197. 6 So z.B. OLG Hamburg v. 6.3.1992 – 11 U 134/91, DB 1992, 774 f. = AG 1992, 197; Baums, ZGR 1983, 300, 308 ff.; Lemke, Aufsichtsratsbeschluss, S. 94 ff., 122 f.

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Die Organisation des Aufsichtsrats

barkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen eigenständigen Regeln unterstellen wollten1. Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lehnt eine Differenzierung zwischen nichtigen und anfechtbaren Aufsichtsratsbeschlüssen jedoch ab. Sie geht von der grundsätzlichen Nichtigkeit fehlerhafter Aufsichtsratsbeschlüsse aus und will statt dessen das Bedürfnis, die Nichtigkeitsfolge bei minderschweren Mängeln zurückzudrängen, über eine sachgerechte Bestimmung des erforderlichen Rechtsschutzinteresses und über das Rechtsinstitut der Verwirkung befriedigen2. Diese Rechtsprechung führt also bei mangelbehafteten Beschlüssen zu einer Differenzierung zwischen uneingeschränkter und eingeschränkter Nichtigkeit. Ihr ist jedenfalls insoweit zu folgen, als sie eine Übertragung der für die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen geltenden Regelungen der §§ 241 ff. AktG auf Aufsichtsratsbeschlüsse ablehnt. Ob es im Übrigen richtiger ist, die gebotene Einschränkung der Nichtigkeitsfolge über die Erfordernisse des Rechtsschutzinteresses und das Institut der Verwirkung oder über die Unterscheidung zwischen nichtigen und lediglich vernichtbaren („anfechtbaren“) Beschlüssen zu treffen, ist für die Praxis von untergeordneter Bedeutung. Im Ergebnis werden beide Ansätze zu denselben Ergebnissen gelangen3. 735

Aufsichtsratsbeschlüsse, deren Inhalt gegen zwingende Vorschriften des Gesetzes oder der Satzung verstößt (sog. Inhaltsmängel), sind grundsätzlich uneingeschränkt nichtig. Das gilt jedenfalls dann, wenn es sich um Verstöße gegen im öffentlichen Interesse gegebene Vorschriften handelt4, etwa wenn der Aufsichtsrat Geschäftsordnungsbestimmungen beschließt, die gegen die Vorschriften des MitbestG verstoßen; in Betracht kommen daneben z.B. die Bestellung eines Vorstandsmitglieds, dem gesetzliche Eignungsvoraussetzungen fehlen (vgl. oben Rn. 339), Ermessensentscheidungen, die die Gren-

1 So z.B. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 82 ff.; Semler, MünchKomm. AktG, 2. Aufl., § 108 Rn. 255; Kindl, Teilnahme, S. 183 ff. 2 BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92, BGHZ 122, 342, 346 ff. = AG 1993, 464 (Hamburg-Mannheimer); BGH v. 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 115 = AG 1994, 124 (Vereinte Krankenversicherung); BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 247 = AG 1997, 377 (ARAG); zustimmend Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 18 ff.; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 136 ff.; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 108 Rn. 73 ff.; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 108 Rn. 30 ff.; Götz in FS Lüke, 1997, S. 167, 178 ff. 3 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 108; ebenso Semler, MünchKomm. AktG, 2. Aufl., § 108 Rn. 251; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 136; E. Vetter in Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, § 27 Rn. 77. 4 Vgl. etwa Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 84; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 153; Baums, ZGR 1983, 300, 326 f.; Axhausen, Anfechtbarkeit, S. 159 ff.

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Der Verfahrensablauf im Aufsichtsrat

§ 11

zen des Vertretbaren überschreiten1 u.Ä. Für besondere Ausnahmefälle wird auch bei Inhaltsmängeln erwogen, keine Nichtigkeit, sondern nur eine Anfechtbarkeit/eingeschränkte Nichtigkeit des Beschlusses eintreten zu lassen. Gedacht wird hier etwa an den Fall, dass der Aufsichtsrat bei einer Kapitalerhöhung aus einem genehmigten Kapital nach § 204 Abs. 1 Satz 2 AktG einem Bezugsrechtsausschluss zustimmt, obwohl dafür kein sachlicher Grund vorliegt2; als weitere Fälle werden genannt eine Ungleichbehandlung von Aufsichtsratsmitgliedern bei der Verteilung gewinnabhängiger Vergütungsanteile oder bei einer Kreditgewährung3, die Überschreitung der ihm übertragenen Zuständigkeit durch einen Ausschuss4 oder die Besetzung eines Ausschusses unter ungenügender Beachtung des Diskriminierungsschutzes der Arbeitnehmerseite5. Tatsächlich wird man im Einzelfall auch bei Inhaltsmängeln zu einer Einschränkung der Nichtigkeitsfolge kommen können, wenn es im Interesse der Rechtssicherheit sachlich vertretbar ist, bei Einverständnis aller Aufsichtsratsmitglieder von der Nichtigkeit des Beschlusses abzusehen6. Beschlüsse, die nicht in ihrem Inhalt, sondern in der Form des Zu- 736 standekommens gegen Gesetz oder Satzung verstoßen (sog. Verfahrensmängel) sind uneingeschränkt nichtig, wenn gegen Vorschriften verstoßen wurde, auf deren Einhaltung die Aufsichtsratsmitglieder nicht verzichten können (z.B. mangelnde Beschlussfähigkeit, schriftliche Beschlussfassung gegen den Widerspruch von Aufsichtsratsmitgliedern, Beschlussfassung außerhalb der Tagesordnung gegen den Widerspruch von Aufsichtsratsmitgliedern u.Ä.)7. Die Nichtladung oder der unzulässige Ausschluss einzelner Aufsichtsratsmitglieder 1 Vgl. etwa BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 247 ff. = AG 1997, 377 (ARAG); Raiser, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 41. 2 So Baums, ZGR 1983, 300, 327 ff.; a.A. Axhausen, Anfechtbarkeit, S. 171 ff.; Semler, MünchKomm. AktG, 2. Aufl., § 108 Rn. 252. 3 So Axhausen, Anfechtbarkeit, S. 176 ff.; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 156; Habersack, MünchKomm. AktG, § 108 Rn. 83. 4 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 84. 5 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 84; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 156; Habersack, MünchKomm. AktG, § 108 Rn. 83. 6 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 84; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 156 ff.; a.A. Habersack, MünchKomm. AktG, § 108 Rn. 83; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 108 Rn. 70; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 38; zurückhaltend auch Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 108 Rn. 32. 7 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 109; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 147 f.; Habersack, MünchKomm. AktG, § 108 Rn. 83; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 108 Rn. 33; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 108 Rn. 68 f.; Baums, ZGR 1983, 300, 308 ff.; ausführlich Axhausen, Anfechtbarkeit, S. 183 ff.; a.A. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 83, der den Beschluss bei Verfahrensmängeln stets nur als vernichtbar ansieht.

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Die Organisation des Aufsichtsrats

führen nach herrschender Meinung ebenfalls zur uneingeschränkten Nichtigkeit der gleichwohl gefassten Aufsichtsratsbeschlüsse; überzeugender scheint es hingegen, nur eingeschränkte Nichtigkeit/Anfechtbarkeit anzunehmen1. Die Unwirksamkeit von Einzelstimmen führt zur uneingeschränkten Nichtigkeit des Beschlusses, wenn die unwirksamen Stimmen für das Beschlussergebnis ausschlaggebend waren. Andernfalls ist der Beschluss weder nichtig noch anfechtbar, sondern fehlerfrei wirksam2. Verstöße gegen Verfahrensvorschriften, auf deren Einhaltung die Aufsichtsratsmitglieder verzichten können, führen nur zur eingeschränkten Nichtigkeit/Anfechtbarkeit des Beschlusses. Hierzu zählen z.B. Verstöße gegen Vorschriften über Ort und Zeit der Sitzung, eine verspätete Einberufung, die unzulässige Teilnahme Dritter u.Ä.3 737

Verstöße gegen bloße Ordnungsvorschriften schließlich (z.B. mangelhafte Protokollierung, Sitzungsteilnahme aufsichtsratsfremder Personen entgegen § 109 Abs. 1 Satz 1 AktG) sind für die Wirksamkeit des Beschlusses ohne Belang4.

738

Auf die uneingeschränkte Nichtigkeit eines Aufsichtsratsbeschlusses kann sich jeder Betroffene unbefristet und ohne besondere Form berufen. Daneben ist die Erhebung einer Nichtigkeits-Feststellungsklage gegen die Gesellschaft möglich, vorausgesetzt, der Kläger hat ein entsprechendes Feststellungsinteresse5. Den Mitgliedern des Aufsichtsrats kommt dieses Interesse aufgrund ihrer Organstellung und ihrer sich daraus ergebenden Verantwortung für die Rechtmäßigkeit ihrer Beschlüsse zu6. Gleiches wird man im Ergebnis auch für Vorstands-

1 So auch Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 83; Baums, ZGR 1983, 300, 309 ff.; Axhausen, Anfechtbarkeit, S. 190 ff.; a.A. Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 108 Rn. 33; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 108 Rn. 69; Raiser, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 40. 2 Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 143; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 108 Rn. 66; Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 17. 3 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 109; Habersack, MünchKomm. AktG, § 108 Rn. 82; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 108 Rn. 69; Baums, ZGR 1983, 300, 308 ff.; ausführlich Axhausen, Anfechtbarkeit, S. 183 ff. 4 Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 18 (weniger gravierende Verfahrensverstöße); Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 109; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 148; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 108 Rn. 31; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 40; näher Axhausen, Anfechtbarkeit, S. 203 ff. 5 Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 18; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 88; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 108 Rn. 73 ff.; Baums, ZGR 1983, 300, 343 f. 6 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 248 = AG 1997, 377 (ARAG).

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Der Verfahrensablauf im Aufsichtsrat

§ 11

mitglieder anzunehmen haben1. Aktionären hingegen kann das Feststellungsinteresse allenfalls zustehen, wenn der Beschluss ihr Mitgliedschaftsrecht berührt (z.B. Ausnutzung eines genehmigten Kapitals mit Bezugsrechtsausschluss, Zustimmung zu Abwehrmaßnahmen gegen ein Übernahmeangebot); es gelten insoweit die allgemeinen Grundsätze für die Zulässigkeit von Aktionärsklagen gegen Maßnahmen von Vorstand und Aufsichtsrat2. Dass der Beschluss das Vermögen der Gesellschaft beeinträchtigt, kann hingegen nicht genügen, um ein Feststellungsinteresse von Aktionären zu begründen3, vielmehr sind die Aktionäre insoweit auf die Rechtsschutzmöglichkeit des § 148 AktG verwiesen. Bei fehlerhaften Beschlüssen mit bloß eingeschränkter Nichtigkeitsfolge ist es hingegen erforderlich, die Nichtigkeit innerhalb einer angemessenen Frist geltend zu machen4. Dazu genügt eine Erklärung gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden, die Erhebung einer auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses gerichteten Klage ist nicht erforderlich5. Zur Geltendmachung des Mangels berechtigt sind nur die Mitglieder des Aufsichtsrats6. Die rechtzeitige Geltendmachung des Mangels führt nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der ihr folgenden Literatur dazu, dass es bei der Nichtigkeit bleibt, während nach Ansicht derjenigen Autoren, die zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit unterscheiden, die Geltendmachung des Mangels zur rückwirkenden Vernichtung des Beschlusses führt.

1 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 89; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 108 Rn. 75; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 174. 2 Vgl. dazu etwa BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 133 = AG 1982, 158 (Holzmüller); BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, 141 = AG 1997, 465 (Siemens/Nold); BGH v. 10.10.2005 – II ZR 148/03, BGHZ 164, 241, 254 ff. = AG 2006, 36 (Commerzbank/Mangusta II); Zöllner, ZGR 1988, 392, 420 ff.; Krieger, ZHR 163 (1999), 343, 353 ff. Weitergehend Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 89, der es genügen lassen will, wenn der Beschluss das Vermögen der Gesellschaft beeinträchtigt haben soll. 3 A.A. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 89; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 174; wohl auch Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 108 Rn. 75. 4 BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92, BGHZ 122, 342, 352 = AG 1993, 464 (Hamburg-Mannheimer); Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 20; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 94. 5 BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92, BGHZ 122, 342, 352 = AG 1993, 464 (Hamburg-Mannheimer); Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 20; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 93; Habersack, MünchKomm. AktG, § 108 Rn. 82; a.A. Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 180. 6 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 93; Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 20; Habersack, MünchKomm. AktG, § 108 Rn. 82; Axhausen, Anfechtbarkeit, S. 218 ff.; weitergehend Baums, ZGR 1983, 300, 339 ff., der auch betroffenen Aktionären dieses Recht geben will; wohl auch Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 177 f.

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§ 11

Die Organisation des Aufsichtsrats

IV. Bildung von Aufsichtsratsausschüssen, Aufsichtsratspräsidium 1. Vermittlungsausschuss nach § 27 Abs. 3 MitbestG 739

In mitbestimmten Gesellschaften hat der Aufsichtsrat unmittelbar nach der Wahl des Vorsitzenden und des Stellvertreters einen ständigen Ausschuss zu bilden, dem bei der Bestellung von Vorstandsmitgliedern die Vermittlungsaufgabe nach § 31 Abs. 3 Satz 1 MitbestG zufällt (§ 27 Abs. 3 MitbestG). Weitere Aufgaben hat dieser Ausschuss von sich aus nicht. Er kann durch Beschluss des Aufsichtsrats mit zusätzlichen Aufgaben betraut werden, untersteht dann aber insoweit den Rechtsregeln eines normalen Aufsichtsratsausschusses i.S.v. § 103 AktG (vgl. unten Rn. 743 ff.).

740

Der Vermittlungsausschuss besteht aus dem Aufsichtsratsvorsitzenden und seinem Stellvertreter sowie zwei weiteren Mitgliedern, von denen eines von den Arbeitnehmer- und eines von den Anteilseignervertretern im Aufsichtsrat in getrennter Wahl mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gewählt wird (§ 27 Abs. 3 MitbestG). Etwaige weitere Stellvertreter des Aufsichtsratsvorsitzenden (vgl. dazu oben Rn. 536) sind nicht Mitglieder des Vermittlungsausschusses. Sie werden es auch nicht im Vertretungsfall1. Die Amtszeit der beiden gewählten Mitglieder ist von etwaigen Wechseln in der Person des Vorsitzenden oder seines Stellvertreters unabhängig und dauert für die ganze Amtsperiode des Aufsichtsrats an2. Fällt eines der beiden gewählten Mitglieder aus, ist von der Gruppe, die es gewählt hat, unverzüglich eine Nachwahl durchzuführen.

741

Die Regelungen in § 27 Abs. 3 MitbestG sind zwingend. Weder der Aufsichtsrat selbst noch die Satzung können davon in irgendeiner Form abweichen. Namentlich ist weder eine andere Zusammensetzung des Vermittlungsausschusses zulässig, noch ein anderes Wahlverfahren3.

742

Zur Beschlussfassung im Vermittlungsausschuss vgl. oben Rn. 349.

1 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81, BGHZ 83, 106, 116 = AG 1982, 218. 2 Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 22; Raiser, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 34. 3 Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 21; Raiser, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 35; teilweise abweichend nur Martens, DB 1980, 1381, 1388, der eine Wahl nach § 27 Abs. 1 MitbestG für zulässig hält.

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Bildung von Aufsichtsratsausschüssen, Aufsichtsratspräsidium

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2. Ausschüsse nach § 107 Abs. 3 AktG a) Allgemeines Abgesehen von dem Vermittlungsausschuss des § 27 Abs. 3 MitbestG 743 schreibt das Gesetz die Errichtung von Ausschüssen nicht vor, lässt sie aber zu (§ 107 Abs. 3 AktG). Der Deutsche Corporate Governance Kodex empfiehlt – abhängig von den spezifischen Gegebenheiten des Unternehmens und der Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder – die Bildung von Ausschüssen (Ziff. 5.3). Die Pflicht des Aufsichtsrats zu sachgerechter Organisation seiner Tätigkeit wird ihn bei größeren Gesellschaften in aller Regel dazu zwingen, von der Möglichkeit der Ausschussbildung Gebrauch zu machen1. In der Praxis ist die Bildung von Aufsichtsratsausschüssen weit 744 verbreitet. Im Vordergrund stehen Personalausschüsse und Aufsichtsratspräsidien. Daneben finden sich Ausschüsse für besondere Sachgebiete, namentlich für Finanzen und Investitionen2. In börsennotierten Gesellschaften werden zumeist3 auch Prüfungsausschüsse, sog. Audit Committees, gebildet, die Ziff. 5.3.2 des Kodex zur Befassung mit Fragen der Rechnungslegung, des Risikomanagements und der Compliance, der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers sowie zur Erteilung des Prüfungsauftrags, der Festlegung von Prüfungsschwerpunkten und des Abschlusses der Honorarvereinbarung empfiehlt4. Der Regierungsentwurf des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes sieht in Umsetzung der rev. 8. EU-Richtlinie vor (Art. 5 Nr. 4a BilMoG-E), den Prüfungsausschuss künftig in § 107 Abs. 3 AktG besonders zu nennen und zugleich das mögliche Aufgabenspektrum des Ausschusses zu konkretisieren. Eine Verpflichtung des Aufsichtsrats, überhaupt einen Prüfungsausschuss zu bilden oder ihm im Falle sei1 Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 262; Habersack, MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 92; Krieger, ZGR 1985, 338, 361 f.; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 14 f.; ausführlich zur Selbstorganisationspflicht des Aufsichtsrats Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 298 ff. 2 Vgl. zur praktischen Bedeutung von Aufsichtsratsausschüssen namentlich Vogel, Aktienrecht und Aktienwirklichkeit, S. 183 ff.; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 1 ff.; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 1. Zum Sonderfall der Kreditausschüsse von Banken siehe ausführlich Hommelhoff in FS Werner, 1984, S. 315 ff. 3 Vgl. Kremer in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Komm. Kodex, Rn. 990, wonach alle DAX-Gesellschaften und rd. 62,8 % aller börsennotierten Gesellschaften einen Prüfungsausschuss gebildet haben. 4 Zum Audit Committee Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 309 ff.; Kremer in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Komm. Kodex, Rn. 986 ff.; Siebel in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 6 Rn. 161; Quick/Höller/Koprivica, ZCG 2008, 25; Ranzinger/Blies, AG 2001, 455; Lück, DB 1999, 441; Coenenberg/Reinhart/Schmitz, DB 1997, 989; Langenbucher/Blaum, DB 1994, 2197; Haasen, ZfbF 40 (1988), 370; Goerdeler, ZGR 1987, 219.

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§ 11

Die Organisation des Aufsichtsrats

ner Bildung alle genannten Aufgaben zu übertragen, soll sich damit aber nicht verbinden. Überdies soll für kapitalmarktorientierte Gesellschaften (Art. 1 Nr. 16 BilMoG-E) vorgeschrieben werden, dass dem Prüfungsausschuss im Falle seiner Bildung mindestens ein unabhängiges Mitglied mit Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung angehören muss (Art. 5 Nr. 4b BilMoG-E); außerdem soll der Aufsichtsrat in diesem Fall verpflichtet sein, seinen Vorschlag zur Wahl des Abschlussprüfers auf die Empfehlung des Prüfungsausschusses zu „stützen“ (Art. 5 Nr. 6 BilMoG-E)1. Eine neue Erscheinung ist schließlich der in Ziff. 5.3.3 des Kodex empfohlene Nominierungsausschuss, der dem Aufsichtsrat für dessen Wahlvorschläge an die Hauptversammlung (§ 124 Abs. 3 Satz 1 AktG) geeignete Kandidaten vorschlagen soll. b) Grenzen der Aufgabendelegation 745

Das Gesetz erlaubt die Einsetzung vorbereitender Ausschüsse (§ 107 Abs. 3 Satz 1 AktG). Daneben ist es in weitem Umfang auch gestattet, Aufsichtsratsaufgaben zur endgültigen Erledigung auf einen Ausschuss zu delegieren (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG). Nur die Erledigung der besonders wichtigen Angelegenheiten des Aufsichtsrats ist zwingend dem Plenum vorbehalten.

746

Die dem Plenum vorbehaltenen Entscheidungen ergeben sich vor allem aus dem in § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG enthaltenen Katalog von Aufgaben, die nicht auf einen beschließenden Ausschuss delegiert werden können. Hierzu gehören z.B. die Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden und des Stellvertreters, die Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern und der Erlass einer Geschäftsordnung für den Vorstand. Darüber hinaus besteht ein ungeschriebenes Delegationsverbot für alle Entscheidungen des Aufsichtsrats über Fragen seiner Selbstorganisation: der Erlass einer Aufsichtsratsgeschäftsordnung, die Bildung von Ausschüssen, der Widerruf der Bestellung zum Aufsichtsratsvorsitzenden oder zum Stellvertreter und die Beschlussfassung über den Antrag auf gerichtliche Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds aus wichtigem Grund (§ 103 Abs. 3 Satz 2 AktG) sind zwingend dem Gesamtaufsichtsrat vorbehalten2. Ein allgemeines Delegationsverbot für „alle wichtigen Entscheidungen“ gibt es nicht3.

1 Vgl. dazu näher Habersack, Aufsichtsrat und Prüfungsausschuss nach dem BilMoG, AG 2008, 98 ff. 2 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 151 ff.; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 3a; Habersack, MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 134; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 396 ff.; Semler, AG 1988, 60, 61; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 17 f. 3 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 152; Habersack, MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 132; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 83;

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Bildung von Aufsichtsratsausschüssen, Aufsichtsratspräsidium

§ 11

Die Entscheidungen nach § 32 MitbestG, § 15 MitbestErgG über die Ausübung von Beteiligungsrechten in mitbestimmten Gesellschaften können einem Ausschuss übertragen werden, dem allerdings die Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner angehören muss; vgl. oben Rn. 503.

747

Auch seine allgemeine Überwachungsaufgabe kann der Aufsichtsrat 748 nicht auf einen Ausschuss delegieren1. Dieses Verbot hindert es aber nicht, mit der Erledigung einzelner Überwachungsaufgaben (z.B. Überwachung der Durchführung von Plenarbeschlüssen, Überwachung einzelner konkreter Geschäftsführungsmaßnahmen usw.) einen Ausschuss zu betrauen2. Für die Übertragung von Vorbereitungsaufgaben an Ausschüsse sieht 749 das Gesetz keine Schranken vor. Gleichwohl ist in dem Aufgabenbereich, der dem Gesamtaufsichtsrat zur Entscheidung vorbehalten ist, auch eine vorbereitende Tätigkeit durch Ausschüsse nicht ganz unproblematisch. Für den Spezialfall des Personalausschusses wurde dies bereits oben Rn. 337 erörtert, bei anderen Ausschüssen im Aufgabenbereich des § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG stellt sich die Problematik ähnlich: Umfasst die Vorbereitungstätigkeit die selbständige Wertung und Aussonderung gesammelter Informationen, wird der Entscheidungseinfluss des Plenums reduziert und der Zweck des § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG berührt. Dies nötigt zwar nicht zu der Konsequenz, dass vorbereitende Ausschüsse sich auf reine Informationssammlung zu beschränken hätten3. Erforderlich ist aber ein ausreichender Informationsfluss zwischen Ausschuss und Plenum, der es dem Gesamtaufsichtsrat erlaubt, sich eine eigene Meinung zu bilden und eigenverantwortlich zu entscheiden4. Auch wenn zur Entlastung des Aufsichtsrats Ausschüsse eingesetzt werden, bleibt der Gesamtaufsichtsrat Herr des Verfahrens. Der Ausschuss ist verpflichtet, bei seiner Tätigkeit auf den Willen des Gesamtaufsichtsrats Rücksicht zu nehmen und diesem die Möglichkeit

1

2 3 4

Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 399 f.; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 23 ff. OLG Hamburg v. 29.9.1995 – 11 U 20/95, ZIP 1995, 1673, 1675 = AG 1996, 84; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 130; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 83; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 3; Semler, AG 1988, 60, 61 f. Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 3; Spindler in Spindler/ Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 83; ausführlich Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 32 ff. Näher Krieger, Personalentscheidungen, S. 69 f.; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 46 ff., je m.w.N. auch zur Gegenmeinung. Vgl. dazu Rn. 337 und 779 mit den dortigen Nachweisen; siehe auch Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 48 f., 54 f.; Habersack, MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 156.

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750

§ 11

Die Organisation des Aufsichtsrats

zur Entscheidung zu geben, wenn zwischen der Mehrheitsmeinung des Ausschusses und der des Plenums Widersprüche bestehen1. Der Gesamtaufsichtsrat ist jederzeit befugt, Entscheidungen, die er einem Ausschuss übertragen hat, wieder an sich zu ziehen, sei es generell, sei es für den Einzelfall2. Ebenso kann der Ausschuss jederzeit aufgelöst oder anders besetzt werden. 751

Der Gesamtaufsichtsrat hat die Tätigkeit der Ausschüsse zu überwachen und sich zu diesem Zweck regelmäßig über die Ausschusstätigkeit berichten zu lassen. Das war auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung anerkannt3, ist inzwischen aber auch in § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG klargestellt. Die Berichterstattung hat grundsätzlich in jeder ordentlichen Aufsichtsratssitzung zu erfolgen4. Sie kann sich auf eine Zusammenfassung des Wesentlichen beschränken5. Detailinformationen braucht der Ausschuss nur zu geben, wenn dies durch Mehrheitsbeschluss des Plenums verlangt wird oder bei vorbereitenden Ausschüssen für eine ordnungsgemäße Entscheidung des Plenums nötig ist; vgl. unten Rn. 778 ff. Zur Verantwortlichkeit der nicht dem Ausschuss angehörenden Aufsichtsratsmitglieder in bezug auf die Ausschusstätigkeit vgl. unten Rn. 998 ff. c) Einsetzung von Ausschüssen

752

Über die Einsetzung von Ausschüssen entscheidet der Aufsichtsrat selbst. Die Satzung kann die Bildung von Ausschüssen mit bestimmten Aufgaben im allgemeinen weder verbieten noch vorschreiben6. Anders ist dies nur, wenn es sich um eine Aufgabe handelt, die dem

1 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 127; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 375; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 43 f.; vgl. auch Semler, MünchKomm. AktG, 2. Aufl., § 107 Rn. 319. 2 BGH v. 14.11.1983 – II ZR 33/83, BGHZ 89, 48, 55 f. = AG 1984, 48; Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 18; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 125; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 352; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 86; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 140 f. 3 OLG Hamburg v. 29.9.1995 – 11 U 20/95, ZIP 1995, 1673, 1676 = AG 1996, 84; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 57 ff.; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 128; Siebel in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 1. Aufl., Rn. G 111 f. 4 Begr. RegE TransPuG, BR-Drucks. 109/02, S. 36; LG München I v. 26.7.2007 – 12 O 8466/07, WM 2007, 1975, 1977; Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 22a; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 23a. 5 Begr. RegE TransPuG, BR-Drucks. 109/02, S. 36; Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 26; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 23a f. 6 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81, BGHZ 83, 106, 115 = AG 1982, 218; BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92, BGHZ 122, 342, 355 = AG 1993, 464; Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 16; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 90.

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Bildung von Aufsichtsratsausschüssen, Aufsichtsratspräsidium

§ 11

Aufsichtsrat nicht schon kraft Gesetzes, sondern erst durch die Satzung zugewiesen ist1. Der Aufsichtsrat kann Ausschüsse durch die Geschäftsordnung oder 753 durch Aufsichtsratsbeschluss einsetzen2. Der Einsetzungsbeschluss bedarf der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Eine Verschärfung dieses Mehrheitserfordernisses durch die Satzung wird man nicht für zulässig halten können. In mitbestimmten Gesellschaften folgt das schon aus der zwingenden Natur von § 29 MitbestG3. Im Übrigen folgt aus der allgemein akzeptierten Annahme, dass die Satzung die Errichtung von Ausschüssen nicht verbieten kann, dass auch Erschwerungen durch höhere Mehrheitserfordernisse unzulässig sind4. Personelle Veränderungen im Gesamtaufsichtsrat ändern an der Ein- 754 setzung des Ausschusses nichts; die Ausschusseinsetzung als solche bleibt wirksam. Der Ausschuss wird allerdings handlungsunfähig, wenn durch das Ausscheiden von Mitgliedern seine Mitgliederzahl unter die Mindestzahl von zwei Mitgliedern bei vorbereitenden und überwachenden bzw. drei Mitgliedern bei abschließend entscheidenden tätigen Ausschüssen (unten Rn. 755) sinkt5. d) Besetzung von Ausschüssen Die zahlenmäßige Zusammensetzung von Aufsichtsratsausschüssen 755 regelt das Gesetz nicht. Zwar sind, damit von einem Ausschuss geredet werden kann, mindestens zwei Personen erforderlich. Dies hindert es aber nicht, vorbereitende Aufgaben auch einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern zu übertragen6. Zur Entscheidung können hingegen – was in der Praxis vor allem bei Vorstandsangelegenheiten immer wieder übersehen wird – nur Ausschüsse mit mindestens drei Mitglie1 Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 81; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 132; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 29 MitbestG Rn. 29; a.A. Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 247. 2 Muster bei Hölters, Münchener Vertragshandbuch, 6. Aufl. Band 1, Formular V.76. 3 Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 29 MitbestG Rn. 8; Raiser, Komm. MitbestG, § 29 Rn. 7. 4 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 91; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 16; Habersack, MünchKomm. AktG § 107 Rn. 117; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 249; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 75 f. 5 Näher Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 142 ff. 6 Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 17; Habersack, MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 99, 123; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 18; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 88 ff.

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§ 11

Die Organisation des Aufsichtsrats

dern eingesetzt werden1. Ebenso wird man für überwachende Ausschüsse, die einzelne Überwachungsaufgaben abschließend erledigen sollen, eine Mindestzahl von drei Mitgliedern verlangen müssen, auch wenn sich mit der Übertragung der Überwachungsaufgabe keine Beschlusskompetenzen verbinden2. Für vorbereitende und überwachende Ausschüsse, die das Plenum nur unterstützen sollen, kann ein Ausschuss auch mit zwei Personen besetzt sein3.In diesem Rahmen entscheidet über die Zahl der Ausschussmitglieder allein der Aufsichtsrat4. 756

Der Entscheidung des Aufsichtsrats obliegt auch die personelle Besetzung der Ausschüsse. Für die Beschlussfassung des Aufsichtsrats über die Wahl der Ausschussmitglieder gelten die allgemeinen Regeln. Der Aufsichtsrat entscheidet mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Das gilt auch in mitbestimmten Gesellschaften (§ 29 Abs. 1 MitbestG)5; dem Vorsitzenden steht auch hier das Zweitstimmrecht nach § 29 Abs. 2 MitbestG zu6.

757

Mitglied des Ausschusses kann nur sein, wer Mitglied des Aufsichtsrats ist. Für die Auswahl der Ausschussmitglieder gilt in erster Linie

1 BGH v. 23.10.1975 – II ZR 90/73, BGHZ 65, 190; BGH v. 19.12.1988 – II ZR 74/88, ZIP 1989, 294, 295 = AG 1989, 129; BGH v. 27.5.1991 – II ZR 87/90, ZIP 1991, 869 = AG 1991, 398; Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 17; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 103; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 18. 2 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 18; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 269; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/ Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 125; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 92 ff. 3 Ganz h.M., z.B. Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 17; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 17; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 269. 4 Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 268; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 90; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 17; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 95 f.; Semler, AG 1988, 60, 63. 5 Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 127; Raiser, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 56; Oetker, Großkomm. AktG, § 25 MitbestG Rn. 39; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 20. Anders noch Säcker, Aufsichtsratsausschüsse, S. 52 ff., der Beschlüsse des Aufsichtsrats über die Besetzung von Ausschüssen dem Verfahren nach § 27 Abs. 1 und 2 MitbestG unterwerfen wollte; dagegen BGH v. 25.2.1982 – II ZR 102/81, BGHZ 83, 144, 148 = AG 1982, 221. 6 Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 127; Raiser, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 56; Oetker, Großkomm. AktG, § 25 MitbestG Rn. 39; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 20; a.A. Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 29 MitbestG Rn. 41 (kein Zweitstimmrecht für unterparitätische Besetzung); Lieb, JA 1978, 318, 321.

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Bildung von Aufsichtsratsausschüssen, Aufsichtsratspräsidium

§ 11

das Eignungsprinzip1. Unzulässig ist es allerdings, eine der Gruppen im Aufsichtsrat in diskriminierender Weise von der Mitwirkung an der Ausschussarbeit fernzuhalten. Unter dem MitbestG ist in diesem Zusammenhang vor allem um- 758 stritten, ob Ausschüsse gesetzlich zwingend paritätisch zu besetzen seien. Sowohl die Auffassung, die dies bejaht2, als auch die Gegenmeinung, welche die personelle Besetzung weiterhin der freien Entscheidung des Aufsichtsrats überlässt3, haben sich in dieser absoluten Form zu Recht nicht durchgesetzt. Einerseits greift das MitbestG hier in die Gestaltungsautonomie des Aufsichtsrats gerade nicht ein, andererseits geht es aber erkennbar von dem Gedanken zweier gleichgewichtiger Gruppen im Aufsichtsrat aus: Der völlige Ausschluss einer Gruppe von der Teilnahme an einem Ausschuss gegen ihren Willen ist nicht per se rechtswidrig, darf aber nur erfolgen, sofern dafür im Einzelfall ein sachlicher Grund besteht4. In Gesellschaften, die nach dem DrittelbG mitbestimmt sind, ist auch die Bildung von Ausschüssen ohne Arbeitnehmervertreter im allgemeinen zulässig. Sie dürfen jedoch nicht ohne sachlichen Grund von der Beteiligung an sämtlichen Ausschüssen ausgeschlossen werden5. Überdies wird ein Ausschuss für sozialpolitische Angelegenhei1 Näher Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 332 f. mit vielen Nachweisen. 2 So etwa Geitner, AG 1976, 210, 211 f.; Reich/Lewerenz, AuR 1976, 261, 271; Unterhinninghofen, GewS-Komm. MitbestG, § 25 Rn. 79; differenzierend Martens, AG 1976, 113, Fn. 1. 3 Vgl. etwa Luther, ZGR 1977, 306, 314; Schaub, ZGR 1977, 293, 302. 4 In diesem Sinn BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92, BGHZ 122, 342, 355 ff. = AG 1993, 464; BGH v. 25.2.1982 – II ZR 102/81, BGHZ 83, 144, 146 f. = AG 1982, 221; OLG München v. 27.1.1995 – 23 U 4282/94, AG 1995, 466, 467; OLG Hamburg v. 6.3.1992 – 11 U 134/91, DB 1992, 774, 776 = AG 1992, 197; Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 21; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 112; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 22; etwas großzügiger Oetker, Großkomm. AktG, § 25 MitbestG Rn. 34 ff.; enger z.B. Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 38 ff., der den völligen Ausschluss einer Seite gegen ihren Willen für unzulässig ansieht und für eine unterparitätische Besetzung das Zweitstimmrecht versagen will; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 127a, die von einer Vermutung der Diskriminierung ausgehen, wenn einem Ausschuss keine AN-Vertreter angehören; Raiser, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 56, der nicht nur für den völligen Ausschluss einer Gruppe, sondern bereits für eine Abweichung vom Paritätsprinzip eine sachliche Rechtfertigung verlangt; noch enger z.B. Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 352, der ebenfalls schon für eine Abweichung vom Paritätsprinzip eine sachliche Rechtfertigung fordert und den völligen Ausschluss einer Gruppe nur mit deren Zustimmung für möglich hält. 5 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 108 ff.; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 21; Zöllner in FS Zeuner, 1995, S. 161, 182 ff.; enger LG Frankfurt v. 19.12.1995 – 2/14 O 183/95, ZIP 1996, 1661, 1663, das

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§ 11

Die Organisation des Aufsichtsrats

ten im Allgemeinen nicht ohne Beteiligung der Arbeitnehmer gebildet werden dürfen1. 760

Die Satzung kann weder anordnen, dass bestimmte Aufsichtsratsmitglieder bestimmten Ausschüssen anzugehören oder nicht anzugehören hätten, noch kann sie vorschreiben, dass die Mitgliedergruppen im Aufsichtsrat sich in bestimmter Weise in einem Ausschuss widerspiegeln müssten2. Hingegen sind entsprechende Bestimmungen der Geschäftsordnung zulässig und wirksam, sofern hierüber der Aufsichtsrat selbst entscheidet (vgl. auch oben Rn. 652)3.

761

Die Amtszeit der Ausschussmitglieder kann mit der Wahl bestimmt werden. Geschieht das nicht, ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Wahl für die Dauer der laufenden Amtsperiode als Aufsichtsratsmitglied gelten soll. Bei einer Wiederwahl zum Aufsichtsratsmitglied verlängert sich die Ausschussmitgliedschaft jedoch nicht automatisch, vielmehr ist eine Neuwahl auch zum Ausschussmitglied erforderlich. Das Ausscheiden anderer Aufsichtsratsmitglieder aus dem Aufsichtsrat oder dem Ausschuss berührt die Ausschussmitgliedschaft nicht4. e) Innere Ordnung der Ausschüsse

762

Die Arbeitsweise von Aufsichtsratsausschüssen regelt das Gesetz in § 108 Abs. 3 und 4 und § 109 AktG. Nähere Regelungen kann die Satzung treffen, solange sie nicht in die dem Aufsichtsrat vorbehaltene Entscheidungsfreiheit über die Einrichtung und Besetzung von Ausschüssen eingreift5. Soweit die Satzung keine vorrangigen Regelungen getroffen hat, kann der Gesamtaufsichtsrat die Geschäftsordnung

1 2

3

4 5

einen Personalausschuss ohne Arbeitnehmervertreter für unzulässig hält; Oetker, Großkomm. AktG, § 76 BetrVG 1952 Rn. 20, das Diskriminierungsverbot lasse es nicht zu, Arbeitnehmer aus wichtigen Ausschüssen fernzuhalten. Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 278; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 21; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 107; BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81, BGHZ 83, 106, 115 = AG 1982, 218; Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 21; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 90; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 19; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 130 ff. Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 257 f.; Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 21; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 19; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 136 f.; a.A. OLG Hamburg v. 23.7.1982 – 11 U 179/80, WM 1982, 1090, 1092 ff. = AG 1983, 21; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 92; Näher zum Ganzen Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 142. BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81, BGHZ 83, 106, 118 = AG 1982, 218; Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 19; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 122; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 105; HoffmannBecking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 25.

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Bildung von Aufsichtsratsausschüssen, Aufsichtsratspräsidium

§ 11

der Ausschüsse bestimmen, soweit er keine Regelung trifft, kann der Ausschuss selbst eine Geschäftsordnung für sich beschließen1. Im Übrigen finden die Bestimmungen über die innere Ordnung des Gesamtaufsichtsrats entsprechende Anwendung2. Die Bestellung eines Ausschussvorsitzenden ist möglich, aber nicht 763 notwendig3. Die Entscheidung, ob ein Vorsitzender bestellt werden soll und die Auswahl des Vorsitzenden steht in erster Linie dem Gesamtaufsichtsrat zu, der mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen entscheidet. Hat der Gesamtaufsichtsrat keine Entscheidung getroffen, kann der Ausschuss selbst über die Wahl eines Vorsitzenden befinden4. Die Satzung kann hierzu keine Bestimmungen treffen. Sie kann die Wahl eines Vorsitzenden weder anordnen noch untersagen5. Ebensowenig kann die Satzung bestimmen, dass eine bestimmte Person – z.B. der Aufsichtsratsvorsitzende, das älteste Ausschussmitglied usw. – Vorsitzender des Ausschusses sei6. Der Kodex empfiehlt in Ziff. 5.2 Abs. 2, dass der Aufsichtsratsvorsitzende zugleich den Vorsitz in den Ausschüssen übernimmt, die die Vorstandsverträge behandeln und die Aufsichtsratssitzungen vorbereiten, also im Personalausschuss und im Präsidium. Hinsichtlich des Vorsitzes im Prüfungsausschuss regt der Kodex an, dass weder der Aufsichtsratsvorsitzende noch ein ehemaliges Vorstandsmitglied der Gesellschaft diese Funktion übernehmen sollten (Ziff. 5.2. Abs. 2 Satz 2, 5.3.2 Satz 3), und er empfiehlt, hierfür ein Aufsichtsratsmitglied auszuwählen, welches über besondere Erkenntnisse und Erfahrungen in der Anwendung von Rechnungslegungsgrundsätzen und internen Kontrollverfahren verfügt (Ziff. 5.3.2 Satz 2). Darüber hinaus empfiehlt Ziff. 5.4.4 des Kodex, dass der Wechsel des bisherigen Vorstandsvorsitzenden oder eines Vorstandsmitglieds auch in den Vorsitz eines Aufsichtsratsausschusses nicht die Regel sein und eine entsprechende Absicht der Hauptversammlung besonders begründet werden soll (Ziff. 5.4.4 des Kodex); siehe dazu schon oben Rn. 659. 1 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 164; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 411; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 106 f.; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 25; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 161. 2 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 164; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 25; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 161. 3 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 106; Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 19; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 101; HoffmannBecking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 26; a.A., es müsse ein Vorsitzender bestellt werden, Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 359 f. m.w.N. 4 Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 19; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 106; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 26. 5 Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 19; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 90; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 26; a.A. Lehmann, DB 1979, 2117, 2121. 6 Siehe die Nachweise in Rn. 292.

301

§ 11

Die Organisation des Aufsichtsrats

764

Hat der Ausschuss einen Vorsitzenden, so obliegt diesem die Einberufung von Ausschusssitzungen; andernfalls ist jedes Ausschussmitglied zur Einberufung berechtigt1. Entsprechend § 110 Abs. 1 AktG kann jedes Ausschuss- (nicht: Aufsichtsrats-)Mitglied oder der Vorstand eine Einberufung des Ausschusses verlangen und notfalls entsprechend § 110 Abs. 2 AktG den Ausschuss selbst einberufen2; vgl. dazu oben Rn. 694 f. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats ist nicht zur Einberufung befugt3. Für die Aufstellung und Bekanntgabe der Tagesordnung gilt das gleiche wie beim Gesamtaufsichtsrat4; vgl. oben Rn. 691.

765

Zur Teilnahme an Ausschusssitzungen ist jedes Aufsichtsratsmitglied befugt (§ 109 Abs. 2 AktG). Die nicht dem Ausschuss angehörenden Aufsichtsratsmitglieder sind daher – allerdings nur auf Wunsch5 – zu den Sitzungen des Ausschusses einzuladen und über die Tagesordnung zu informieren. Mit dem Teilnahmerecht verbindet sich die Befugnis zur Einsichtnahme in alle Unterlagen des Ausschusses6, allerdings nur insoweit, als diese Unterlagen Grundlage der jeweiligen Sitzung sind7. In der Sitzung haben auch die nicht dem Ausschuss angehörenden Aufsichtsratsmitglieder das Recht, sich an der Diskussion zu beteiligen8. Nach der Sitzung kann jedes Aufsichtsratsmitglied, auch wenn es an der Sitzung nicht teilgenommen hat, Einsicht in das Protokoll verlangen (näher unten Rn. 785)9. 1 Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 19; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 103; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 164. 2 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 115; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 27; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 164 f. 3 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 27; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 107 Rn. 46; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 165; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 135 ff.; a.A. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 110 Rn. 115; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 420; für Eilfälle auch Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 103. 4 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 115; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 27. Zum Gestaltungsspielraum der Satzung hinsichtlich der Sitzungseinberufung vgl. näher Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 166. 5 Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 109 Rn. 28; Habersack, MünchKomm. AktG, § 109 Rn. 22; Lehmann, DB 1979, 2117, 2123; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 228 f. 6 Hüffer, Komm. AktG, § 109 Rn. 6; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 109 Rn. 24; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 109 Rn. 36; vgl. auch unten Rn. 785. 7 Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 229; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 109 Rn. 36 f. 8 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 109 Rn. 19; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 109 Rn. 35; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 230. 9 Hüffer, Komm. AktG, § 109 Rn. 6; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 109 Rn. 36 f.; Habersack, MünchKomm. AktG, § 109 Rn. 23; weiterge-

302

Bildung von Aufsichtsratsausschüssen, Aufsichtsratspräsidium

§ 11

Der Aufsichtsratsvorsitzende kann den nicht dem Ausschuss angehö- 766 renden Mitgliedern die Teilnahme untersagen (§ 109 Abs. 2 AktG). Mit dem Teilnahmeverbot entfällt das korrespondierende Recht auf Einsicht in die Sitzungsunterlagen und das Sitzungsprotokoll1. Nur der Vorsitzende des Aufsichtsrats, nicht der Vorsitzende des Ausschusses, ist befugt, das Teilnahmerecht zu entziehen; auch dem Aufsichtsratsplenum steht dieses Recht nicht zu2. Nach h.M. kann das Plenum nicht einmal das vom Aufsichtsratsvorsitzenden ausgeschlossene Teilnahmerecht wieder herstellen, so dass es insoweit also keinen gesellschaftsinternen Rechtsbehelf gegen das Teilnahmeverbot gibt3. Ebensowenig kann der Aufsichtsratsvorsitzende die Entscheidung an den Ausschuss oder dessen Vorsitzenden delegieren4 Das Teilnahmeverbot kann für einzelne oder alle Aufsichtsratsmitglieder ausgesprochen werden, die dem Ausschuss nicht angehören; es kann sich auf einzelne Ausschusssitzungen beschränken, aber bei entsprechendem Geheimhaltungsbedürfnis auch generell für alle Sitzungen eines bestimmten Ausschusses verhängt werden5. Bestehen mehrere Ausschüsse, ist es aber grundsätzlich nicht zulässig, ein generelles Teilnahmeverbot für sämtliche Ausschüsse anzuordnen6. Der Aufsichtsratsvorsitzende entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, wobei insbesondere die Wahrung der Vertraulichkeit der Be-

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hend Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 33, der von einem Recht auf Aushändigung einer Protokollabschrift ausgeht. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 109 Rn. 24; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 33; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 371 m.w.N.; siehe auch unten Rn. 785. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 109 Rn. 20; Habersack, MünchKomm. AktG, § 109 Rn. 25; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 109 Rn. 29; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 230 ff.; a.A. Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 60. Habersack, MünchKomm. AktG, § 109 Rn. 25; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 109 Rn. 62; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 109 Rn. 20; a.A. Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 58 ff.; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 230 ff.; auch noch Krieger, ZGR 1985, 338, 358. Habersack, MünchKomm. AktG, § 109 Rn. 25; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 109 Rn. 29; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 109 Rn. 61. Hüffer, Komm. AktG, § 109 Rn. 6; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 109 Rn. 22; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 109 Rn. 33; Habersack, MünchKomm. AktG, § 109 Rn. 28; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 109 Rn. 15; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 28; Krieger, ZGR 1985, 338, 358 Fn. 57; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 237 ff.; LG München I v. 26.7.2007 – 12 O 8466/07, WM 2007, 1975; a.A. Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 109 Rn. 63; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 29 MitbestG Rn. 44; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 55 ff.; Säcker, NJW 1979, 1521, 1523, die einen Ausschluss nur für einzelne Sitzungen zulassen wollen. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 109 Rn. 22; Habersack, MünchKomm. AktG, § 109 Rn. 28; Hüffer, Komm. AktG, § 109 Rn. 6; a.A. Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 237 ff.

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§ 11

Die Organisation des Aufsichtsrats

ratungen des Ausschusses, aber auch Gesichtspunkte wie die Effizienz der Ausschusstätigkeit oder die Fernhaltung von Mitgliedern mit Interessenkonflikten u.a. sachgerechte Entscheidungsgesichtspunkte sind1. Der Aufsichtsratsvorsitzende ist bei seiner Entscheidung zur Gleichbehandlung der Aufsichtsratsmitglieder verpflichtet; eine diskriminierende Ausschließung einzelner Aufsichtsratsmitglieder oder Mitgliedergruppen ist unzulässig2. Aufsichtsratsmitgliedern, die den Ausschluss ihres Teilnahmerechts für missbräuchlich erachten, steht die Möglichkeit einer entsprechenden Feststellungsklage offen3. Für die Teilnahme Dritter gelten gemäß § 109 Abs. 1 und 3 AktG die gleichen Regeln wie für Sitzungen des Gesamtaufsichtsrats; vgl. dazu oben Rn. 700 ff. 767

Entscheidungsbefugte Aufsichtsratsausschüsse müssen, damit der Zweck der Beschlussfähigkeitsvorschrift des § 108 Abs. 2 Satz 3 AktG nicht unterlaufen wird, aus mindestens 3 Mitgliedern bestehen (vgl. oben Rn. 755) und sind in der Konsequenz dessen auch nur bei Teilnahme von mindestens 3 Mitgliedern beschlussfähig4. Im Übrigen gelten § 108 Abs. 2 Satz 2 AktG, § 28 Satz 1 MitbestG entsprechend. Das heißt, dass mindestens die Hälfte der Mitglieder, aus denen der Ausschuss zu bestehen hat (Sollstärke), an der Abstimmung teilnehmen muss5. Satzung oder Geschäftsordnung können eine höhere oder niedrigere Quote festlegen, allerdings nicht die Mindestzahl von 3 Mitgliedern unterschreiten6.

768

Die Beschlussfassung in Ausschüssen muss ebenso wie im Plenum (vgl. oben Rn. 712) ausdrücklich erfolgen7. Sie bedarf der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Der Aufsichtsrat kann ein höheres Mehrheitserfordernis anordnen8; hingegen wird man Verschärfungen des 1 Vgl. etwa LG München I v. 26.7.1007 – 12 O 8466/07, WM 2007, 1975, 1977 f.; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 109 Rn. 66; Hüffer, Komm. AktG, § 109 Rn. 6; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 109 Rn. 32. 2 OLG Hamburg v. 25.5.1984 – 11 U 183/83, AG 1984, 248, 250 f.; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG § 109 Rn. 31; Habersack, MünchKomm. AktG, § 109 Rn. 26; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 109 Rn. 15. 3 Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 109 Rn. 70; Habersack, MünchKomm. AktG, § 109 Rn. 31. 4 BGH v. 23.10.1975 – II ZR 90/73, BGHZ 65, 190, 192 f.; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 118. 5 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 118; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 30; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 167. 6 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 122; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 30; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 167 f. 7 BGH v. 19.12.1988 – II ZR 74/88, ZIP 1989, 294, 295 = AG 1989, 129; Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 19; Rellermeyer, ZGR 1993, 77, 100. 8 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 122; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 31; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 136.

304

Bildung von Aufsichtsratsausschüssen, Aufsichtsratspräsidium

§ 11

Mehrheitserfordernisses durch die Satzung nicht zulassen können1. Ein Zweitstimmrecht analog § 29 Abs. 2 MitbestG steht dem Ausschussvorsitzenden auch in Gesellschaften unter dem MitbestG nicht zu2. Es ist jedoch zulässig, einem Ausschussmitglied (insbesondere dem Vorsitzenden) in der Satzung, in der Geschäftsordnung oder im Beschluss über die Bildung des Ausschusses das Recht zum Stichentscheid oder ein Zweitstimmrecht nach dem Vorbild des § 29 Abs. 2 MitbestG bei Stimmengleichheit einzuräumen3. Für schriftliche Stimmabgaben und schriftliche oder andere ver- 769 gleichbare Formen der Beschlussfassung gelten gemäß § 108 Abs. 3 und 4 AktG die gleichen Vorschriften wie für den Gesamtaufsichtsrat; vgl. dazu oben Rn. 601 ff. Für fehlerhafte Beschlüsse eines Ausschusses gelten die gleichen Regeln wie für fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse (vgl. oben Rn. 734 ff.). Ein uneingeschränkter Nichtigkeitsgrund ist es hier auch, wenn ein entscheidungsbefugter Ausschuss nicht mit der erforderlichen Zahl von mindestens drei Mitgliedern (oben Rn. 755) besetzt war4. Über die Sitzungen des Ausschusses ist entsprechend § 107 Abs. 2 770 AktG eine Niederschrift anzufertigen5, von der jedes Mitglied des Ausschusses eine Abschrift verlangen kann (zum Recht der übrigen Aufsichtsratsmitglieder auf Einsicht oder Erteilung von Abschriften vgl. unten Rn. 785).

1 E. Vetter in Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, § 28 Rn. 22; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 169 f.; a.A. die h.M., z.B. Hopt/ Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 425; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 122; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 136; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 41; Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 369. 2 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 102/81, BGHZ 83, 144, 148 = AG 1982, 221; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 120; Raiser, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 65; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 31. 3 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81, BGHZ 83, 106, 117 ff. = AG 1982, 218; BGH v. 25.2.1982 – II ZR 102/81, BGHZ 83, 144, 146 ff. = AG 1982, 221; Hüffer, Komm. AktG, § 107 Rn. 22; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 122. 4 BGH v. 19.12.1988 – II ZR 74/88, ZIP 1989, 294, 295 = AG 1989, 129; BGH v. 27.5.1991 – II ZR 87/90, ZIP 1991, 869 = AG 1991, 398. 5 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 121; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 107 Rn. 100; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 33.

305

§ 11

Die Organisation des Aufsichtsrats

f) Informationssystem und Ausschüsse aa) Informationsansprüche des Ausschusses 771

Zur Erledigung seiner Aufgaben ist ein Ausschuss ebenso wie das Plenum auf die Erteilung entsprechender Informationen durch den Vorstand angewiesen. Das rechtfertigt die Annahme, dass den Ausschüssen und ihren Mitgliedern entsprechend § 90 Abs. 3 AktG das Recht zusteht, vom Vorstand über Angelegenheiten aus dem Zuständigkeitsbereich des Ausschusses eine Berichterstattung an den Ausschuss zu verlangen1.

772

Will der Vorstand aus eigener Initiative über Angelegenheiten aus dem Zuständigkeitsbereich eines Ausschusses berichten, ist dieser Bericht dem zuständigen Ausschuss zu erstatten2. Mündliche Berichte sind also in einer Ausschusssitzung vorzutragen. Für schriftliche Berichte wird teilweise angenommen, diese seien den Mitgliedern oder dem Vorsitzenden des Ausschusses direkt zuzuleiten, wobei der Aufsichtsratsvorsitzende durch eine Abschrift zu unterrichten sei3.;

773

Ein unmittelbares Einsichts- und Prüfungsrecht entsprechend § 111 Abs. 2 AktG steht den Ausschüssen des Aufsichtsrats grundsätzlich nicht zu4. Das Plenum kann jedoch einen Ausschuss generell oder für den Einzelfall zur Ausübung der Rechte nach § 111 Abs. 2 AktG ermächtigen5.

774

Schließlich ist der Ausschuss ebenso wie der Gesamtaufsichtsrat berechtigt, den fachkundigen Rat Dritter einzuholen, soweit dies für die

1 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 123; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 433; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 179 ff., 193; Semler, AG 1988, 60, 64 f.; Lehmann, DB 1979, 2117, 2123. 2 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 124; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 433; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 188 ff.; 193 ff.; Semler, AG 1988, 60, 64 f. 3 So Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 434; Siebel in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 6 Rn. 109; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 188 ff.; 193 f.; Semler, AG 1988, 60, 64 f.; anders Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 124; Mertens, AG 1980, 67, 73; die Berichte seien zunächst dem Aufsichtsratsvorsitzenden zuzusenden, dem dann die Weitergabe an den Ausschuss obliege. 4 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 123; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 434; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 199 ff.; Lehmann, DB 1979, 2117, 2123, Fn. 57; a.A. Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 130. 5 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 123; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 434; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 200; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 286.

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Bildung von Aufsichtsratsausschüssen, Aufsichtsratspräsidium

§ 11

ordnungsgemäße Erledigung seiner Aufgaben erforderlich ist1; vgl. dazu auch oben Rn. 510 u. 702. bb) Informationsansprüche des Plenums Informationsansprüche des Aufsichtsratsplenums gegen den Vorstand über Angelegenheiten aus dem Aufgabenbereich beschließender Ausschüsse bestehen – solange die Übertragung der Aufgabe an den Ausschuss nicht rückgängig gemacht ist – grundsätzlich nicht. Vielmehr erfüllt der Vorstand seine Berichtspflicht mit der Unterrichtung des Ausschusses2.

775

Gleiches gilt für vorbereitende Ausschüsse: Solange deren Tätigkeit andauert und das Plenum die Angelegenheit nicht wieder an sich zieht, besteht ein Informationsanspruch des Plenums gegenüber dem Vorstand nicht3. Ist die Vorbereitungsphase abgeschlossen, braucht der Vorstand die dem Ausschuss erstatteten schriftlichen Berichte nicht noch einmal gegenüber dem Plenum zu wiederholen; insoweit hat er seine Pflichten erfüllt4. Anders kann es sich aber bei nur mündlichen Berichten an den Ausschuss verhalten5.

776

Zu beachten ist in jedem Fall, dass dem Plenum stets die allgemeine 777 Überwachung der Geschäftsführung obliegt. Deshalb kann das Plenum weiterhin vom Vorstand solche Informationen verlangen, die zur Verwirklichung der allgemeinen Überwachungspflicht erforderlich sind, auch wenn diese Informationen Tätigkeitsbereiche eines Ausschusses betreffen6. Die Ausschüsse haben das Plenum regelmäßig in zusammengefasster Form über ihre Arbeit zu unterrichten (§ 107 Abs. 3 Satz 3 AktG); vgl. dazu oben Rn. 751. Das Plenum des Aufsichtsrats kann überdies durch entsprechenden Beschluss von seinen Ausschüssen umfassende Informationen verlangen7. 1 Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 201 ff.; Semler, AG 1988, 60, 64. 2 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 124; Habersack, MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 157; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 443; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 184 ff.; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 372. 3 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 124; Mertens, AG 1980, 67, 73 f.; Semler, MünchKomm. AktG, 2. Aufl., § 107 Rn. 369; vgl. auch Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 377. 4 Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 193 f.; Semler, AG 1988, 60, 64. 5 Näher Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 194 ff.; Semler, AG 1988, 60, 65. 6 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 124; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 373. 7 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 128; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 23b; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 204 f.;

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§ 11

Die Organisation des Aufsichtsrats

779

Ein vorbereitender Ausschuss ist darüber hinaus naturgemäß verpflichtet, dem Plenum von sich aus zu berichten, sobald er seine Arbeit getan hat. Schriftliche Vorstandsberichte, die dem Ausschuss erstattet wurden, sind an das Plenum weiterzuleiten1. Über mündliche Vorstandsberichte ist das Plenum zu informieren2. Außerdem hat der Ausschuss durch einen eigenen Bericht dafür zu sorgen, dass das Plenum die für seine Entscheidung erforderlichen Kenntnisse rechtzeitig erhält3.

780

Anders verhält es sich bei Ausschüssen, denen Angelegenheiten zur abschließenden Erledigung an Stelle des Aufsichtsrats übertragen sind. Vorstandsberichte, die solchen Ausschüssen über Angelegenheiten aus ihrem Bereich erstattet wurden, braucht der Ausschuss nicht von sich aus an das Plenum weiterzuleiten4. Ebensowenig ist der Ausschuss gehalten, von sich aus sonstige Detailinformationen über die Verhandlungen im Ausschuss dem Plenum zuzuleiten.

781

Die Einsichts- und Prüfungsrechte des Plenums nach § 111 Abs. 2 AktG werden durch die Einsetzung von Ausschüssen nicht berührt. Auch wenn das Plenum einen Ausschuss ermächtigt hat, im Rahmen seines Aufgabenbereichs die Rechte nach § 111 Abs. 2 AktG auszuüben, ist es nicht gehindert, davon auch selbst Gebrauch zu machen. cc) Informationsansprüche einzelner Aufsichtsratsmitglieder

782

Das Recht einzelner Aufsichtsratsmitglieder, vom Vorstand nach § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG Berichterstattung an den Aufsichtsrat zu verlangen, wird durch die Einsetzung von Ausschüssen ebenfalls beschränkt. Über Angelegenheiten, die einem Ausschuss zur abschließenden Erledigung übertragen sind, können einzelne Aufsichtsratsmitglieder ebensowenig Berichterstattung an den Aufsichtsrat

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Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 359 f. Zu möglichen Ausnahmen von diesem Grundsatz vgl. Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 205 f. Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 208. Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 207 f. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 128; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 24; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 208 ff.; Semler, AG 1980, 60, 65; vgl. auch Hommelhoff, BB 1981, 944, 947 f. für den Bilanzausschuss. Das betrifft Vorlageberichte des Vorstands zu Maßnahmen, die der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen (vgl. oben Rn. 220), nicht hingegen die regelmäßigen Berichte des Vorstands nach § 90 Abs. 1 Satz 1 AktG und Berichte aus wichtigen Anlässen nach § 90 Abs. 2 AktG; denn diese Berichte beschränken sich nicht auf den Aufgabenbereich eines abschließend tätigen Ausschusses, sondern betreffen die Überwachungsaufgabe in ihrer Allgemeinheit.

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Bildung von Aufsichtsratsausschüssen, Aufsichtsratspräsidium

§ 11

verlangen wie das Plenum selbst1; dieses Recht steht nur noch den Ausschussmitgliedern zu (vgl. oben Rn. 775 ff.). Gleiches wird man für Angelegenheiten vorbereitender Ausschüsse annehmen müssen, solange der Ausschuss tätig ist2. Eine andere Frage ist, inwieweit einzelne Aufsichtsratsmitglieder Be- 783 richtsansprüche gegenüber Ausschüssen erheben können. Das wird zum Teil entsprechend § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG grundsätzlich zugelassen mit der Folge, dass einzelne Aufsichtsratsmitglieder vom Ausschuss einen Bericht an das Plenum verlangen können. Gegenüber abschließend tätigen Ausschüssen soll sich dieser Anspruch aber auf Informationen beschränken, die für die Überwachung des Ausschusses erforderlich sind3; weitergehende Informationen durch den Ausschuss kann nur das Plenum durch Mehrheitsbeschluss anfordern4. Gegenüber vorbereitenden Ausschüssen soll der Berichtsanspruch hingegen umfassend sein5; Uneinigkeit besteht allerdings über die Frage, ob der Berichtsanspruch erst nach Abschluss der Ausschusstätigkeit besteht6 oder schon vorher7. Richtigerweise kann wegen § 109 Abs. 2 AktG von vorbereitenden Ausschüssen vor Abschluss ihrer Tätigkeit Berichterstattung nur mit Zustimmung des Aufsichtsratsvorsitzenden verlangt werden8; das sollte im Interesse des Vertraulichkeitsschutzes auch gelten, wenn das Teilnahmerecht zuvor nicht ausgeschlossen war. Die wichtigste Möglichkeit einzelner Aufsichtsratsmitglieder, sich über die Arbeit des Ausschusses zu informieren, ergibt sich aus dem 1 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 124; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 443; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 217 ff.; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 372; Semler, AG 1988, 60, 65. 2 Semler, AG 1988, 60, 65; Paefgen, Aufsichtsratsverfassung, S. 348 f.; wohl auch Mertens, AG 1980, 67, 73 f.; a.A. Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 219 ff., der es lediglich für möglich hält, den Anspruch aller Aufsichtsratsmitglieder auf eine Berichterstattung an den Ausschuss zu beschränken, sofern der Ausschuss die Funktion eines „Informationsforums“ habe. 3 Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 224 f.; Semler, AG 1988, 60, 65. 4 LG München I v. 26.7.2007 – 12 O 8466/07, WM 2007, 1975, 1977; a.A. Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 381, der nach Abschluss der Ausschusstätigkeit jedem Aufsichtsratsmitglied ein umfassendes Informationsrecht über die Tätigkeit des Ausschusses zuspricht. 5 Semler, AG 1988, 60, 65; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 225 f., der jedoch eine Ausnahme für den Fall macht, dass dem Ausschuss die Funktion eines „Informationsforums“ für alle Aufsichtsratsmitglieder übertragen wurde. 6 So Semler, AG 1988, 60, 65; Leyens, Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 280 f. 7 So Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 225 f.; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 443. 8 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 23b; E. Vetter in Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, § 28 Rn. 28.

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§ 11

Die Organisation des Aufsichtsrats

gesetzlichen Recht auf Teilnahme an den Ausschusssitzungen; vgl. dazu oben Rn. 765 f. 785

Mit dem Recht zur Teilnahme an den Ausschusssitzungen verbindet sich die Befugnis auf Einsichtnahme in alle Unterlagen des Ausschusses und in die Ausschussprotokolle1. Mit einem Teilnahmeverbot nach § 109 Abs. 2 AktG entfällt dieses Einsichtsrecht2; überdies kann der Aufsichtsratsvorsitzende das Einsichtsrecht entsprechend § 109 Abs. 2 AktG auch isoliert ausschließen, ohne zugleich das Teilnahmerecht zu beschränken3. Eine andere Meinung will demgegenüber jedem Aufsichtsratsmitglied ein vom Teilnahmerecht unabhängiges, umfassendes Recht auf Einsicht und Aushändigung sämtlicher Unterlagen der Ausschüsse zubilligen, wobei auch die Vertreter dieser Auffassung dem Aufsichtsratsvorsitzenden entsprechend § 109 Abs. 2 AktG das Recht zusprechen, Einsicht und Aushändigung auszuschließen, wenn ein Interesse an besonderer Geheimhaltung bestehe4.

3. Aufsichtsratspräsidium 786

In vielen Gesellschaften sind Aufsichtsratspräsidien gebildet. Ihr Aufgabenbild ist vielfältig. Oft sind Präsidien als Personalausschuss des Aufsichtsrats tätig; daneben werden ihnen auch andere Aufgaben, z.B. die Behandlung von Finanzierungsfragen und Fragen der Investitionspolitik, zugewiesen5; häufig wird dem Präsidium auch die Befugnis übertragen, in Eilfällen über zustimmungspflichtige Geschäfte des Vorstands zu entscheiden6. Der eigentliche Kern der Funktionen des Präsidiums ist jedoch der Auftrag, mit dem Vorstand ständig Fühlung zu halten; daneben soll das Präsidium üblicherweise die Arbeit 1 Hüffer, Komm. AktG, § 109 Rn. 6; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 109 Rn. 24; Habersack, MünchKomm. AktG, § 109 Rn. 23; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 109 Rn. 36 f.; weitergehend Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 33, wonach ein Anspruch auf Aushändigung der Protokolle bestehe. 2 Hüffer, Komm. AktG, § 109 Rn. 6; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 109 Rn. 24; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 109 Rn. 68; Spindler in Spindler/ Stilz, Komm. AktG, § 109 Rn. 39; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 33; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 371 m.w.N. 3 Überzeugend Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 109 Rn. 73; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1153; a.A. Habersack, MünchKomm. AktG, § 109 Rn. 29. 4 Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 242 ff.; im Hinblick auf die Protokolle des Ausschusses auch Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 33; Deckert, ZIP 1996, 985, 992 5 Vgl. näher Krieger, ZGR 1985, 338 f.; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 8. 6 Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 9.

310

Bildung von Aufsichtsratsausschüssen, Aufsichtsratspräsidium

§ 11

im Aufsichtsrat koordinieren und bei der Sitzungsvorbereitung mitwirken1. Auch soweit das Präsidium diese eigentlichen Präsidialaufgaben 787 wahrnimmt, ist es nach herrschender Auffassung ein Ausschuss des Aufsichtsrats, nach anderer Meinung ein Gremium eigener Art2, weil ihm nicht Aufgaben übertragen werden, die eigentlich dem Plenum obliegen, sondern Aufgaben, die ohne Einsetzung eines Präsidiums nicht vom Plenum, sondern vom Aufsichtsratsvorsitzenden zu erledigen sind3. Praktische Unterschiede verbinden sich mit diesen verschiedenen Sichtweisen nicht. Die Errichtung eines Präsidiums setzt, auch wenn man das Präsidium 788 als Gremium eigener Art betrachtet, einen entsprechenden Aufsichtsratsbeschluss voraus. Ohne einen solchen Beschluss wäre die Bildung eines dauernden Beraterkreises des Vorsitzenden (nicht die gelegentliche Beratung einer Einzelfrage mit sachverständigen Aufsichtsratskollegen) pflichtwidrig4. Für die Einsetzung eines Präsidiums gelten im wesentlichen die glei- 789 chen Regeln wie für die Errichtung eines (sonstigen) Ausschusses. Die Entscheidung, ob ein Präsidium gebildet werden soll, obliegt ausschließlich dem Aufsichtsrat selbst; die Satzung kann insoweit keine wirksamen Anordnungen treffen5. Über die Größe des Präsidiums kann der Aufsichtsrat frei entscheiden. Der Grundsatz, dass entscheidende Ausschüsse mit mindestens 3 Mitgliedern besetzt werden müssen (vgl. oben Rn. 755), gilt für das Aufsichtsratspräsidium – soweit es um die Wahrnehmung der eigentlichen Präsidialfunktionen geht (vgl. oben Rn. 786) – nicht6. Der Aufsichtsratsvorsitzende, sein Stellvertreter und etwaige weitere Stellvertreter des Vorsitzenden sind ge-

1 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81, BGHZ 83, 106, 114 = AG 1982, 218; Krieger, ZGR 1985, 338, 339; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 8; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 96; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 233. 2 Für die h.M. insbesondere BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81, BGHZ 83, 106, 114 = AG 1982, 218; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 96; Hopt/ Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 233; a.A. Krieger, ZGR 1985, 338 f., 346 f.; offen Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 8. 3 Ausführlich Krieger, ZGR 1985, 338, 340 ff., 359 ff. 4 Krieger, ZGR 1985, 338, 363 f. 5 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81, BGHZ 83, 106, 115 = AG 1982, 218; Krieger, ZGR 1985, 338, 361; Semler, AG 1988, 60, 63; a.A. Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 74, 132. 6 Krieger, ZGR 1985, 338, 362; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32, Rn. 8; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 97; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 107 Rn. 233.

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§ 11

Die Organisation des Aufsichtsrats

borene Mitglieder des Präsidiums; ohne sie kann ein Präsidium nicht gebildet werden1. 790–820

Einstweilen frei.

1 Krieger, ZGR 1985, 338, 363; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 32 Rn. 8; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 113; Habersack, MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 105.

312

§ 12 Rechte und Pflichten der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder I. Gleichheit und Unabhängigkeit Alle Aufsichtsratsmitglieder, gleich von wem sie bestellt oder gewählt wurden, sind in ihren Rechten und Pflichten gleich. Das ist in der Literatur unbestritten1 und mehrfach vom Bundesgerichtshof2 bestätigt worden. Ihnen stehen gleiche Informationen und gleiche Mitwirkungsrechte, gleiches Rederecht und – mit Ausnahme der Stichentscheidbefugnis des Vorsitzenden – auch gleiche Stimmrechte zu. Sie sind andererseits ohne Unterschied ihrer Gruppenzugehörigkeit gleichmäßig auf die Wahrung des Unternehmensinteresses verpflichtet3, haben gleiche Pflichten zur Teilnahme an den Aufgaben des Aufsichtsrats und stehen in gleicher Haftung und Verantwortung. Satzungs- oder Geschäftsordnungsbestimmungen, die dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen, sind nichtig4. Das gilt auch für Beschlüsse des Aufsichtsrats selbst. Zur Frage der Besetzung von Ausschüssen in diesem Zusammenhang vgl. oben Rn. 739 ff.

821

In ihrer Tätigkeit sind die Mitglieder des Aufsichtsrats auch keinerlei Weisungen unterworfen, sondern verpflichtet, eigenständig5 und eigenverantwortlich zu handeln, § 111 Abs. 5 AktG6. Niemand kann

822

1 Vgl. etwa Habersack, MünchKomm. AktG, Vor § 95 Rn. 14; Mertens, Kölner Komm. AktG, Anh. § 117 B § 25 MitbestG Rn. 10; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 76; Raiser, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 104; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 566 m.w.N. 2 BGH v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 330 (Bayer); BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81, BGHZ 83, 106, 120 = AG 1982, 218 (Siemens); BGH v. 25.2.1982 – II ZR 145/80, BGHZ 83, 151, 154 = AG 1982, 223 (Bilfinger & Berger); BGH v. 15.12.1986 – II ZR 18/86, BGHZ 99, 211, 216 = AG 1987, 152. 3 Vgl. nur BVerfG v. 1.3.1979, BVerfGE 50, 290, 374; ausführlich unten Rn. 893. 4 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 145/80, BGHZ 83, 151 = AG 1982, 223; BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92, BGHZ 122, 342 = AG 1993, 464. 5 BGH v. 15.11.1982 – II ZR 27/82, BGHZ 85, 293, 295 f. = AG 1983, 133 (Hertie); zur Einschaltung von Hilfspersonen näher Lutter/Krieger, DB 1995, 257 ff. 6 Allg. Meinung, vgl. BGH v. 29.1.1962 – II ZR 1/61, BGHZ 36, 296, 306; Raiser, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 121; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 77; Siebel in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 5 Rn. 117. Zur Weisungsfreiheit auch des Aufsichtsratsmitglieds eines öffent-

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§ 12

Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

von einem Aufsichtsratsmitglied – z.B. durch einstweilige Verfügung – eine bestimmte Entscheidung erzwingen1. Jedes Mitglied hat vielmehr die volle Freiheit, selbst zu entscheiden – vor dem Hintergrund des ebenso vollen Risikos, bei Verletzung seiner Pflichten haften zu müssen. Verträge, mit denen sich Aufsichtsratsmitglieder verpflichten, ihre Stimme nach Weisung irgendeiner Person (Vorstand, Großaktionär o.Ä.) abzugeben, sind in vollem Umfang unwirksam2, gleichgültig wer immer der Partner einer solchen Vereinbarung auch sei: der Großaktionär, ein Kreditgeber, eine Gewerkschaft oder der Betriebsrat. Das Gleiche gilt für eine vertragliche Vereinbarung, in der sich Aufsichtsratsmitglieder zur Amtsniederlegung verpflichten für den Fall, dass sie einer – wie soeben festgestellt: rechtlich unverbindlichen – Weisung nicht folgen wollen3. Allenfalls zulässig sind unverbindliche Richtlinien und Empfehlungen eines Wahl- oder Entsendungsberechtigten. Solche Empfehlungen entbinden ein Aufsichtsratsmitglied nicht von seiner Pflicht, jeweils im Einzelfall seine Entscheidung eigenverantwortlich zu treffen und am Gesamtinteresse des Unternehmens auszurichten4.

II. Die Rechte der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder5 823

Die dem Aufsichtsrat übertragenen Kompetenzen sind diesem als Organ zugewiesen, nicht seinen einzelnen Mitgliedern (dazu bereits oben Rn. 39). Diesen steht nur die Befugnis zu, innerhalb des Aufsichtsrats an dessen Tätigkeit mitzuwirken6. Daneben verfügen die einzelnen Mitglieder des Aufsichtsrats aber über einige selbständige Rechte gegenüber anderen Gesellschaftsorganen und in einigen Fällen über die Möglichkeit, eine gerichtliche Entscheidung oder eine sonstige gerichtliche Maßnahme herbeizuführen. Neben diesen organschaftlichen Befugnissen stehen schließlich die persönlichen Ansprüche des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds aus seinem Verhältnis zur Gesellschaft. Im Einzelnen gilt:

1 2 3

4 5 6

lichen Unternehmens (in privater Rechtsform) eingehend Schwintowski, NJW 1995, 1316, 1318. Vgl. OLG Köln v. 4.5.1987 – 2 W 27/87, AG 1988, 50. Raiser, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 122. Wie hier die h.M. vgl. Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 78; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 33 Rn. 7; ausführlich Raiser, ZGR 1978, 391 ff.; Säcker, DB 1977, 1791, 1793; ausführlich auch Krieger, Personalentscheidungen, S. 41 ff.; a.A. Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 31. Dazu ausführlich Raiser, ZGR 1978, 391 ff. m.w.N. und Krieger, Personalentscheidungen, S. 41 ff. Vgl. dazu auch die Darstellung von Säcker, NJW 1979, 1521 ff. Dazu OLG Stuttgart v. 30.5.2007 – 20 U 14/06, AG 2007, 873.

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Rechte der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder

§ 12

1. Aufsichtsratsinterne Mitwirkungsbefugnisse Die Mitwirkungsbefugnisse der Aufsichtsratsmitglieder im Organ 824 Aufsichtsrat selbst sind im Wesentlichen bereits behandelt und bedürfen hier nur der Zusammenfassung: Alle Aufsichtsratsmitglieder haben das Recht auf Teilnahme an den 825 Sitzungen des Aufsichtsrats1, zu denen sie unter Mitteilung der Tagesordnung rechtzeitig zu laden sind. Ihnen steht ein Anspruch auf Aushändigung oder mindestens Einsicht2 in die schriftlichen Berichte des Vorstands und die sonstigen Beschlussvorlagen des Aufsichtsrats zu, sie können sich vorweg schriftlich und in der Sitzung mündlich zu allen Punkten der Tagesordnung äußern, Beschlussanträge stellen und an der Abstimmung teilnehmen. Jedes Mitglied des Aufsichtsrats ist auch berechtigt, die Einberufung einer Aufsichtsrats-Sitzung zu verlangen und notfalls selbst eine solche Sitzung einzuberufen (§ 110 Abs. 1 und 2 AktG). Den einzelnen Organmitgliedern kann in der Geschäftsordnung – sofern das gleichmäßig für alle geschieht – das Recht eingeräumt werden, eine einmalige Vertagung der Abstimmung zu verlangen. Und schließlich kann die Geschäftsordnung für die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder auch gleichmäßig einen Anspruch auf Anordnung einer erneuten Abstimmung in Pattsituationen vorsehen. Jedes Aufsichtsratsmitglied kann die Ergänzung der Tagesordnung verlangen und das auch (allein!) erzwingen (§ 110 Abs. 2 AktG analog)3. Darüber hinaus steht jedem Mitglied ein Vetorecht gegen eine Beschlussfassung ohne förmliche Sitzung zu, es sei denn die Satzung oder die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats regelt es anders (§ 108 Abs. 4 AktG)4.

826

An den Sitzungen von Ausschüssen können – mangels gegenteiliger 827 Anordnung des Vorsitzenden – auch diejenigen Aufsichtsratsmitglieder teilnehmen, die dem Ausschuss selbst nicht angehören (§ 109 AktG). Im Rahmen dieses Teilnahmerechts kann dann auch die Übersendung der Einladung zu bzw. die Benachrichtigung von den Aus-

1 Zum Problem, ob das Teilnahmerecht an Aufsichtsrats-Sitzungen in Konfliktfällen ausgeschlossen ist, vgl. unten Rn. 897 ff. sowie Behr, AG 1984, 281 ff. 2 Vgl. § 90 Abs. 5 AktG (dazu bereits oben Rn. 222) sowie speziell § 170 Abs. 3 AktG zur Einsicht in die Unterlagen für die Bilanzaufsichtsratssitzung und dazu OLG Karlsruhe, Die Mitbestimmung 1987, 72: Mindestens 4 Stunden ungestörte Einsicht in den Geschäftsräumen der Gesellschaft ist dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied zu gewähren! 3 Ebenso Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 42; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1983. 4 Dazu schon oben Rn. 652.

315

§ 12

Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

schusssitzungen und der Mitteilung der Tagesordnung verlangt werden. 828

Schließlich hat jedes Organmitglied einen Anspruch auf Aushändigung der Sitzungsprotokolle (§ 107 Abs. 2 Satz 4 AktG) und das Recht, Erklärungen zu Protokoll abzugeben. Es kann auch die sonstigen Unterlagen des Aufsichtsrats einsehen und die Aushändigung der vom Vorstand an den Aufsichtsrat erstatteten Berichte einschließlich der Unterlagen zum Jahresabschluss und des Abhängigkeitsberichts verlangen, soweit die Übermittlung nicht nach § 90 Abs. 5 AktG wirksam ausgeschlossen und auf das Einsichtsrecht in den Räumen der Gesellschaft beschränkt worden ist: Dieses Einsichtsrecht ist unabdingbar und kann weder durch die Satzung noch durch die Geschäftsordnung noch durch einen Beschluss des Aufsichtsrats selbst weiter beschränkt oder gar ausgeschlossen werden1.

2. Rechte gegenüber anderen Gesellschaftsorganen 829

Jedes Aufsichtsratsmitglied kann vom Vorstand jederzeit die Erstattung eines Berichts an den Aufsichtsrat über – im weitesten Sinne – alle Angelegenheiten der Gesellschaft und des Konzerns verlangen. Ein solches Verlangen kann vom Vorstand nicht zurückgewiesen werden, § 90 Abs. 3 AktG2.

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Jedes Mitglied des Aufsichtsrats ist zur Teilnahme an den Hauptversammlungen berechtigt und grundsätzlich auch verpflichtet (§ 118 Abs. 2 AktG); die Satzung kann dafür aber auch Bild- oder Tonübertragungen vorsehen. Das Aufsichtsratsmitglied hat dort das Recht zur Äußerung, hingegen weder Antrags- noch Stimmrecht. Ausfluss dieses Teilnahmerechts ist der Anspruch gegen den Vorstand, auf Verlangen die Einberufung der Hauptversammlung nebst den dazugehörigen Unterlagen mitgeteilt zu bekommen (§ 125 Abs. 3 Satz 1 AktG). Dagegen besteht kein Anspruch auf Mitteilung eines etwaigen weiteren Schriftwechsels zwischen dem Vorstand und Gesellschaftern (Aktionären)3. Über weitere und andere Angaben als die in § 125 Abs. 1 AktG genannten Mitteilungen kann aber Unterrichtung gemäß § 90 Abs. 3 AktG verlangt werden, d.h. als Bericht an den Gesamtaufsichtsrat. Und schließlich kann jedes Aufsichtsratsmitglied vom Vorstand die schriftliche Mitteilung der Beschlüsse der Hauptversammlung beanspruchen (§ 125 Abs. 4 AktG).

1 Unstreitig, vgl. Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 194 ff. 2 Das TransPuG hat § 90 Abs. 3 AktG geändert und das Erfordernis der Unterstützung dieses Begehrens durch mindestens ein weiteres Aufsichtsratsmitglied beseitigt. 3 So offenbar aber Säcker, NJW 1979, 1521, 1524.

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Rechte der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder

§ 12

3. Rechte auf Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung Bei der Inanspruchnahme der Gerichte durch einzelne Aufsichtsrats- 831 mitglieder im Zusammenhang mit ihrer Organfunktion gilt es drei Komplexe sorgfältig voneinander zu unterscheiden: Zum einen hat das Gesetz dem Aufsichtsratsmitglied persönlich eine Reihe gerichtlicher Klage- und Antragsbefugnisse eingeräumt, mit denen es auf eine ordnungsgemäße Besetzung des Aufsichtsrats und des Vorstands hinwirken und sich gegen fehlerhafte Beschlüsse des Aufsichtsrats selbst, aber auch der Hauptversammlung wenden kann. Daneben kommt eine Einschaltung der Gerichte in Betracht mit dem Ziel, die dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied als Organwalter (Organmitglied) zustehenden Rechte (oben Rn. 824 ff.) durchzusetzen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob und inwieweit einzelne Aufsichtsratsmitglieder anstelle des Gesamtaufsichtsrats in bestimmten Konflikten die Gerichte anrufen können. Und über allem ist nicht zu vergessen, dass das Aufsichtsratsmitglied 832 auch persönliche Ansprüche haben kann, die es notfalls gegen die Gesellschaft durchzusetzen berechtigt sein muss. a) Ergänzung des unvollständig besetzten Aufsichtsrats Jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied hat kraft Gesetzes (§ 104 AktG, 833 § 6 Abs. 2 MitbestG) zunächst einmal die Befugnis, für die zahlenmäßige Vollständigkeit des Aufsichtsrats und des Vorstands zu sorgen1. Ist also etwa ein Aufsichtsratsmitglied gleich aus welchem Grunde weggefallen (Tod, Rücktritt), ist kein Ersatzmitglied bestellt worden (dazu unten § 14) oder sind alle Ersatzmitglieder schon „verbraucht“ und ist mit einer alsbaldigen Neuwahl nicht zu rechnen2, so kann3 jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied Antrag bei dem für die Gesellschaft örtlich zuständigen Amtsgericht/Registergericht auf Er1 Von der Ersatzbestellung eines Aufsichtsratsmitglieds oder Vorstandsmitglieds ist die Ersatzbestellung des ganzen Organs zu unterscheiden. Sie kam im Grunde nur bei sog. Spaltgesellschaften aus der Teilung Deutschlands vor. Vgl. dazu BayObLG v. 3.2.1987 – BReg. 3 Z 162/86, AG 1987, 210, 211: Ein solches Organ darf nur im Rahmen der gerichtlich festgelegten Befugnisse tätig werden. 2 Da Aufsichtsratsmitglieder von der Hauptversammlung oder der Belegschaft gewählt werden, ist der Aufwand für eine Neuwahl sehr hoch, und es kommt nicht selten vor, dass man sich im Aufsichtsrat selbst oder jedenfalls in seinen Gruppen auf einen solchen Antrag auf Ersatzbestellung einigt. 3 Weitergehend Semler in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 2 Rn. 41, der bei mangelnder Beschlussfähigkeit von der (ungeschriebenen) Verpflichtung des Aufsichtsratsmitglieds zu unverzüglicher Antragstellung ausgeht. Zurückhaltender Mertens, Kölner Komm. AktG, § 104 Rn. 9, der von einer Pflicht ausgeht, den Vorstand zu einem

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§ 12

Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

satzbestellung eines Aufsichtsratsmitglieds stellen1. Dieser Befugnis kommt gerade in paritätisch besetzten Gremien große Bedeutung zu. Das/die antragstellende(n) Aufsichtsratsmitglied(er) kann/können dazu auch persönliche Vorschläge machen2; das Gericht aber ist daran in der Regel nicht gebunden, muss jedoch auf die Einhaltung der gesetzlichen Parität oder bestimmter Voraussetzungen der Satzung achten (§ 104 Abs. 4 AktG)3. Das Gleiche gilt auch in Fällen, in denen ein dreiköpfiger Aufsichtsrat infolge eines Stimmverbots eines seiner Mitglieder beschlussunfähig geworden ist4. Für die Beschlussfassung über die Frage, bei der das Stimmverbot besteht, kann die gerichtliche Ersatzbestellung beantragt werden5. Diese durchaus richtige Lösung des Problems wird vom BGH dadurch einfach überflüssig gemacht, dass er schon die Beschlussunfähigkeit leugnet6: Der vom Stimmrecht Ausgeschlossene sei dennoch teilnahme- und redeberechtigt7. Das ist außerordentlich problematisch, wird dem Ausgeschlossenen doch trotz des Interessenkonflikts Einfluss auf die Entscheidung durch seine Teilnahme und sein Rederecht während der Sitzung zu Unrecht ermöglicht8. 834

Nach § 85 AktG, § 31 Abs. 1 MitbestG kann das Aufsichtsratsmitglied auch in den Fällen, in denen der Vorstand nach Gesetz (z.B. trotz § 33 MitbestG nur ein Vorstandsmitglied9) oder Satzung personell unzureichend besetzt ist, einen Antrag auf Bestellung eines Vorstandsmitglieds durch das Gericht stellen. Neben dem Vorliegen eines dringenden Falls ist Voraussetzung für die gerichtliche Bestellung, dass

1

2

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entsprechenden Antrag zu veranlassen; nur wenn das nicht zum Erfolg führe, müsse das einzelne Aufsichtsratsmitglied den Antrag selbst stellen. Nach OLG Düsseldorf v. 1.2.1994 – 10 W 1/94, WM 1994, 498 trägt der Antragsteller die Kosten. Dieser aber hat dafür einen Aufwendungsersatzanspruch gegen die Gesellschaft (dazu unten Rn. 845), da er ja in deren Interesse tätig wird. Zum Anspruch des Vorstands und der übrigen Aufsichtsratsmitglieder auf rechtliches Gehör bei der gerichtlichen Bestellung eines (vorgeschlagenen) Aufsichtsratsmitglieds vgl. OLG Dresden v. 30.9.1997 – 15 W 1236/97, NJW-RR 1998, 830 = AG 1998, 427. Vgl. dazu etwa BayObLG v. 20.8.1997 – 3 Z BR 193/97, NJW-RR 1998, 330. BayObLG v. 28.3.2003 – 3 Z BR 199/02, AG 2003, 427, 429; ebenso OLG Frankfurt v. 21.9.2005 – 1 U 14/05, ZIP 2005, 2322, 2324. BayObLG v. 28.3.2003 – 3 Z BR 199/02, AG 2003, 427, 429; ablehnend Priester, AG 2007, 190 ff. BGH v. 2.4.2007 – II ZR 325/05, WM 2007, 1025. So auch Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 424. Dazu Lutter in FS Priester, 2006, S. 417 ff. Allg. Meinung, vgl. Spindler, MünchKomm. AktG, § 85 Rn. 9; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 85 Rn. 6.

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Rechte der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder

§ 12

der gesamte Aufsichtsrat nicht oder nicht schnell genug tätig werden kann1. b) Richtige Zusammensetzung des Aufsichtsrats Ist in der Gesellschaft oder in ihren Organen streitig, nach welchen 835 Regeln der Aufsichtsrat zu bilden ist – nach MontanMitbestG, MitbestG oder DrittelbG –, so kann jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied durch Antrag an das für die Gesellschaft örtlich zuständige Landgericht für gerichtliche Klärung sorgen (§ 98 Abs. 2 Nr. 2 AktG, § 6 Abs. 2 MitbestG). Die auf einen solchen Antrag hin ergehende Entscheidung des Gerichts ist für die Gesellschaft und für alle Beteiligten verbindlich, hat also Wirkung für und gegen alle Beteiligten und Betroffenen. c) Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Beschlüssen der Hauptversammlung Darüber hinaus kann jedes Aufsichtsratsmitglied nach § 249 AktG Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses erheben2; das war und ist vor allem von Bedeutung, wenn es um die Klärung der Frage geht, ob Regeln der Satzung dem MitbestG widersprechen3. Unter gewissen zusätzlichen Voraussetzungen (§ 245 Nr. 5 AktG) gilt das Gleiche, wenn ein Beschluss nach Auffassung eines Aufsichtsratsmitglieds gemäß §§ 243 ff. AktG zwar gesetz-/statutenwidrig, aber nicht nichtig ist; die Frage kann dann durch Anfechtungsklage des Aufsichtsratsmitglieds gerichtlich geklärt werden4.

1 BGH v. 12.11.2001 – II ZR 225/99, NZG 2002, 130, 131; ein dringender Fall im Sinne des § 85 AktG liegt z.B. immer dann vor, wenn der Vorstand aufgrund der Unterbesetzung die Hauptversammlung bei Vorlage eines von § 121 Abs. 1 AktG genannten Einberufungsgrunds nicht einberufen kann (Kubis, MünchKomm. AktG, § 121 Rn. 14). 2 Die Vorschrift des § 249 AktG wird man entsprechend anzuwenden haben, wenn die Feststellung begehrt wird, dass nach Eintritt der vollen Mitbestimmung entgegenstehende Satzungsvorschriften gemäß §§ 37 Abs. 1 Satz 1, 38 Abs. 1 Satz 1 MitbestG außer Kraft treten. 3 Die Vorschrift findet nach zutreffender Ansicht auch im GmbH-Recht analoge Anwendung; vgl. näher K. Schmidt in Scholz, Komm. GmbHG, § 45 Rn. 127 und 134; Raiser in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, Anh. § 47 Rn. 215. 4 Problematisch aber ist, ob im GmbH-Recht auch § 245 Nr. 5 AktG analog anzuwenden ist; siehe dazu auch näher K. Schmidt in Scholz, Komm. GmbHG, § 45 Rn. 127 und 134 und Raiser in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, Anh. § 47 Rn. 215 und 177.

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§ 12

Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

d) Unwirksamkeit von Beschlüssen des Aufsichtsrats 837

Wiederum durch Klage beim örtlich für die Gesellschaft zuständigen Landgericht kann1 jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied die Frage klären lassen, ob ein bestimmter Aufsichtsratsbeschluss wirksam ist oder nicht2. Die Klage zur Geltendmachung der Unwirksamkeit erfolgt durch Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO3, die gegen die Gesellschaft zu richten ist4. Abweichend von der Regel des § 78 AktG sollte die AG im Fall aufsichtsratsinterner Streitigkeiten jedoch nicht vom Vorstand vertreten werden. Näher liegt hier eine Vertretung durch den Aufsichtsrat in analoger Anwendung des § 112 AktG5. Das Feststellungsinteresse des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds ergibt sich aus der Mitverantwortung für die Rechtmäßigkeit der Beschlüsse des Organs6. Nichtigkeitsklage (entsprechend §§ 241, 249 AktG) oder Anfechtungsklage (entsprechend §§ 243 ff. AktG) sind nicht möglich7. 1 Eine Klagepflicht des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds besteht allenfalls in ganz eklatanten Fällen, näher dazu Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 57. 2 Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 603 f. wollen der Feststellungsklage ein „Anfechtung“ ggü. dem Aufsichtsrats-Vorsitzenden vorschalten. Dieser Versuch einer internen Klärung ist sehr vernünftig und sollte stets versucht werden. Ein rechtlicher Zwang dazu besteht aber nicht. 3 BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92, BGHZ 122, 342, 347 ff. = AG 1993, 464; BGH v. 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 115 = AG 1994, 124; BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 247 = AG 1997, 377 (ARAG/Garmenbeck); zustimmend: Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 18; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 88; Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 53; Siebel in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 5 Rn. 141; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 604. 4 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 102/81, BGHZ 83, 144, 146 = AG 1982, 221; BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92, BGHZ 122, 342, 344 = AG 1993, 464; Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 20; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 173; Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 53; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 33 Rn. 72; a.A.: Bork, EWiR § 243 AktG 1/92, 421; Bork, ZIP 1991, 137, 143 ff.; Noack, DZWiR 1994, 341, 342; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 213. 5 Gegen BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92, BGHZ 122, 342, 345 = AG 1993, 464; zur Argumentation vgl. sogleich Rn. 838. 6 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 248 = AG 1997, 377 (ARAG/Garmenbeck); Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 89; K. Schmidt in FS Semler, 1993, S. 329, 345. 7 BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92, BGHZ 122, 342, 347 ff. = AG 1993, 464; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 95; Hüffer, Komm. AktG, § 108 Rn. 19; Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 437 f.; Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 53; Götz in FS Lüke, 1997, S. 167, 178; Kindl, AG 1993, 153, 162; a.A. OLG Hamburg v. 6.3.1992 – 11 U 134/91, AG 1992, 197, 198; LG Hannover v. 27.6.1989 – 7 O 214/89, AG 1989, 448, 449; Baums, ZGR 1983, 300, 305 ff.; Lemke, Der fehlerhafte

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Rechte der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder

§ 12

e) Durchsetzung von subjektiven Organrechten Schließlich kann jedes Mitglied des Aufsichtsrats notfalls die ihm in 838 seiner Organfunktion zustehenden Rechte durch Klage durchsetzen (also insbesondere Teilnahme-, Rede-, Informations- und Stimmrechte); das ist unbestritten1. Besondere Bedeutung kommt diesem Klagerecht für die Individualansprüche2 des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds auf Erstattung des Anforderungsberichts (an den Aufsichtsrat, § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG) und auf Kenntnisnahme und Übermittlung dieser Berichte (innerhalb des Aufsichtsrats, § 90 Abs. 5 AktG) zu. Gerichtlich überprüft werden kann schließlich auch die Art und Weise, in der der Anforderungsbericht erstellt wurde. Denn es muss geklärt werden können, ob die vom Vorstand vorgelegten oder erstatteten Berichte den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechen oder zu allgemein bzw. inhaltsleer bzw. zu wenig nachvollziehbar sind. Kontrovers beurteilt wird die Frage nach dem richtigen Klagegegner 839 bei der Durchsetzung subjektiver Organrechte. Ein Teil der Literatur tendiert dazu, eine solche Klage gegen das betreffende Organ (also den Vorstand) bzw. das betreffende Organmitglied (also den Aufsichtsratsvorsitzenden, der etwa die Vorstandsberichte nicht weiterleitet, oder den Hauptversammlungsleiter, der dem betreffenden Aufsichtsratsmitglied das Wort verboten hat) zuzulassen3. Demgegenüber weisen der BGH und die wohl überwiegende Ansicht im Schrifttum4 der Gesellschaft die Beklagtenrolle zu. Das hat den Nachteil, dass der Vor-

1

2 3 4

Aufsichtsratsbeschluss, S. 94 ff., 194; Axhausen, Anfechtbarkeit aktienrechtlicher Aufsichtsratsbeschlüsse, S. 224 f. Vgl. nur aus der Rechtsprechung BGH v. 15.11.1982 – II ZR 27/82, BGHZ 85, 293, 295 = AG 1983, 133; BGH v. 28.11.1988 – II ZR 57/88, BGHZ 106, 54, 62 = AG 1989, 89 (Opel); aus der Literatur Spindler, MünchKomm. AktG, § 90 Rn. 59 f.; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 90 Rn. 53; Ulmer/ Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 144; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265 ff.; Flume, Juristische Person, S. 406 f.; Westermann in FS Bötticher, 1969, S. 369, 378 ff.; v. Schenck in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 7 Rn. 238 ff.; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 33 Rn. 69 ff. Gegenüber dem Vorstand, der gewünschte Informationen verweigert, kann auch das registergerichtliche Verfahren nach § 407 Abs. 1 AktG eingeleitet werden (Zwangsgeld). Gleiche Terminologie bei Hüffer, Komm. AktG, § 90 Rn. 21; demgegenüber spricht v. Schenck in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 7 Rn. 239 von „Eigenrechten“. Vgl. etwa Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 313 ff.; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 224 ff.; Säcker, NJW 1979, 1521, 1526; Teichmann in FS Mühl, 1981, S. 662, 672 ff.; Bork, ZIP 1991, 137, 140 ff. BGH v. 15.11.1982 – II ZR 27/82, BGHZ 85, 293, 295 = AG 1983, 133 (Hertie); BGH v. 17.5.1983 – II ZR 89/92, BGHZ 122, 342, 344 f. = AG 1993, 464; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 90 Rn. 53; v. Schenck in Semler/ v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 7 Rn. 239 f.; Hüffer, Komm. AktG, § 90 Rn. 21 f.; Flume, Juristische Person, S. 407.

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Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

stand als Vertreter der dann beklagten Gesellschaft eine Position zu verteidigen hat (z.B. die des „eigentlich“ verklagten Aufsichtsratsvorsitzenden), die nicht die eigene ist und die er vielleicht selbst gar nicht verteidigen will. Deshalb sollte bei aufsichtsratsinternen Streitigkeiten zur Durchsetzung subjektiver Organrechte (z.B. Übermittlung eines Vorstandsberichts gemäß § 90 Abs. 5 AktG), in gleicher Weise aber auch bei (ebenfalls aufsichtsratsinternen) Streitigkeiten um die Rechtmäßigkeit eines Aufsichtsratsbeschlusses (vgl. Rn. 837) eine Vertretung der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat entsprechend § 112 AktG in Betracht gezogen werden1. f) Klagebefugnis anstelle des Aufsichtsrats? 840

Ob das einzelne Aufsichtsratsmitglied darüber hinaus anstelle des Aufsichtsrats gegen ein (angeblich) rechtswidriges Handeln anderer Gesellschaftsorgane klagen kann, ist sehr problematisch und umstritten. Voraussetzung dafür ist zunächst, dass das gerügte Verhalten überhaupt einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist. Ist das der Fall, schreitet der Aufsichtsrat selbst aber nicht ein, wird teilweise befürwortet, an seiner Stelle das einzelne Organmitglied als klagebefugt anzusehen (vergleichbar der actio pro societate); richtigerweise wird man das jedoch nur in Ausnahmefällen annehmen können2. g) Klagebefugnis aus persönlichen Ansprüchen, insbesondere auf Vergütung

841

Und letztlich ist fraglos, dass das Aufsichtsratsmitglied die ihm persönlich zustehenden Ansprüche gegen die Gesellschaft (unten Rn. 842 ff.) notfalls auch klageweise gegen die Gesellschaft durchzusetzen berechtigt ist. Insoweit bestehen keinerlei Besonderheiten gegenüber der normalen Situation eines Gläubigers gegenüber seinem angeblich säumigen Schuldner.

4. Persönliche Ansprüche a) Rechtsverhältnis zur Gesellschaft 842

Neben ihrer Rechtsstellung als Mitglied des Organs Aufsichtsrat (dem sog. „Organwalterverhältnis“3), stehen die Mitglieder des Aufsichtsrats auch in einem persönlichen Rechtsverhältnis zur Gesellschaft, das insbesondere für die Frage ihrer Vergütung von Bedeutung 1 Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 15 f. (§ 112 AktG analog); Rellermeyer, WuB II A. § 107 AktG 1.93 (§ 112 AktG analog); Noack, DZWiR 1994, 341, 342; Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 439. 2 Dazu OLG Stuttgart v. 30.5.2007 – 20 U 14/06, AG 2007, 873. 3 Säcker, NJW 1979, 1521, 1525.

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§ 12

ist. Der rechtliche Charakter und Gehalt dieses Rechtsverhältnisses ist umstritten. Richtiger Ansicht nach handelt es sich nicht um ein Dienstverhältnis1 und erst recht nicht um einen Teil des (Arbeitnehmer-)Arbeitsverhältnisses2, sondern um ein rein korporatives Rechtsverhältnis3. Es kommt mit Annahme der Wahl zustande und kann individuell-schuldrechtlich hinsichtlich der allgemeinen Aufsichtsrats-Stellung nicht ergänzt werden4, da sie im Gesetz bindend festgelegt ist und es im Übrigen nur einheitliche Vergütungsregeln für alle Aufsichtsratsmitglieder geben darf und kann5, also individuelle Regelungen von Gesetzes wegen gerade ausgeschlossen sind. Daher gilt allein das Korporationsrecht. Gemäß § 113 Abs. 1 AktG und § 25 Abs. 1 MitbestG kann den Mitgliedern des Aufsichtsrats durch die Satzung oder durch Hauptversammlungsbeschluss eine angemessene Vergütung ihrer Tätigkeit gewährt werden6; kraft Gesetzes besteht ein solcher Vergütungsanspruch nicht7. b) Allgemeine Vergütungsgrundsätze Wird die Tätigkeit der Aufsichtsratsmitglieder vergütet, ist der 843 Grundsatz der Gleichbehandlung aller Mitglieder strikt zu wahren: Unterschiedliche Vergütungshöhen für einzelne Aufsichtsratsmitglieder sind nur zulässig, soweit sie sachlich gerechtfertigt sind, sei es durch besondere Funktionen im Aufsichtsrat (z.B. Vorsitz, stellvertretender Vorsitz, Vorsitz und Mitgliedschaft in besonderen Aus1 So aber Säcker, NJW 1979, 1521, 1525; Säcker in FS Rebmann, 1989, S. 781, 783. 2 Zutreffend Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 180. 3 So zutreffend Habersack, MünchKomm. AktG, § 101 Rn. 67; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 101 Rn. 92; Hüffer, Komm. AktG, § 101 Rn. 2. 4 So aber Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 59 und 180 sowie Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 354 f. je für die GmbH. 5 Zur gleichen Rechtsstellung aller Aufsichtsratsmitglieder vgl. bereits oben Rn. 821. 6 Zur Frage, ob eine Vergütungsregelung durch Hauptversammlungsbeschluss im Zweifel nur für ein Jahr oder für alle künftigen Geschäftsjahre gilt, vgl. E. Vetter, BB 1989, 442 f. m.w.N. Zum rechtspolitischen Vorschlag einer gesetzlichen Gebührenordnung für Aufsichtsräte vgl. Geßler, DB 1978, 63; dagegen Lutter, AG 1979, 85. 7 Vgl. Semler in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 10 Rn. 1. Es entspricht aber allgemeiner Übung, dass eine solche Vergütung geleistet wird, deren Höhe allerdings von Gesellschaft zu Gesellschaft stark abweicht; vgl. Theisen, Überwachung, S. 263, 444 f. Die Vergütung steht dann dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied persönlich zu; dieses kann also darüber frei verfügen, die Vergütung z.B. auch ganz oder teilweise an eine Arbeitnehmer-Organisation weiterleiten (und sich dazu auch dieser Organisation gegenüber wirksam verpflichten). Dazu kritisch Theisen, Überwachung, S. 262 f.

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§ 12

Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

schüssen1), sei es durch besondere Qualifikation (unterschiedliches Dienstalter o.Ä.)2. Eine Ungleichbehandlung kommt schließlich auch insoweit in Betracht, als einem untätigen Aufsichtsratsmitglied (Krankheit, sonstige regelmäßige Abwesenheit) die Vergütung gekürzt oder gestrichen werden kann3. 844

Die Höhe der Vergütung kann nur durch die Satzung oder einen Beschluss der Hauptversammlung festgelegt werden4. Sie darf nicht unangemessen sein (§ 113 Abs. 1 Satz 3 AktG) und sollte nach einer Empfehlung des Kodex5 neben einem festen Betrag auch variable, erfolgsorientierte Bestandteile (dazu Rn. 848 ff.) enthalten. Daneben kann auch ein Sitzungsgeld als Entgelt für den eingesetzten Zeitaufwand bezahlt werden. Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat müssen sich aber – finden die Sitzungen während ihrer Arbeitszeit statt – das Sitzungsgeld auf ihre Bezüge anrechnen lassen6. Die Höhe der Gesamtvergütung des Aufsichtsrats ist in den letzten Jahren weiter angestiegen7. c) Aufwendungsersatz

845

Daneben hat jedes Aufsichtsratsmitglied entsprechend §§ 675, 670 BGB Anspruch auf Ersatz derjenigen Aufwendungen, die es zur Ausübung seines Amtes für erforderlich halten durfte. Hierher gehören insbesondere Porto-, Telefon-, Fahrt- und Übernachtungskosten. Welchen Lebensstandard das Aufsichtsratsmitglied bei gesellschaftsbezogenen Aufwendungen zugrunde legen darf (Linienflug oder Charterflug, gehobene Hotels oder ausschließlich Luxushotels etc.) kann 1 Insoweit allg. Meinung, vgl. Semler in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 10 Rn. 54; Hüffer, Komm. AktG, § 113 Rn. 4; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 76 und 86; Habersack, MünchKomm. AktG, § 113 Rn. 39; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 113 Rn. 67; Säcker, NJW 1979, 1521, 1525, je m.w.N. 2 Insoweit streitig; wie hier: Mertens, Kölner Komm. AktG, § 113 Rn. 9; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 84; Lutter, AG 1979, 85, 89; Vollmer/Maurer, BB 1993, 591, 592; Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn 365; a.A. Säcker, NJW 1979, 1521, 1525; wohl auch Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 76 und 86. 3 Semler in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 10 Rn. 55; einschränkend: Mertens, Kölner Komm. AktG, § 113 Rn. 14 (nur bei unentschuldigtem Fehlen). 4 Zur Vergütungsstruktur und -höhe siehe die Tabelle im Anhang, S. 496 ff. sowie die unten Fn. 7 zit. Kienbaum-Studie. 5 Ziff. 5.4.7. 6 Ebenso Oetker, Erfurter Komm. Arbeitsrecht, § 26 MitbestG Rn. 4; differenzierend Gach, MünchKomm. AktG, § 26 MitbestG Rn. 7. 7 Siehe Börsen-Zeitung v. 21.11.2006, S. 12 und die Kienbaum-Aufsichtsratsstudie 2006/2007, Gummersbach 2008, S. 91 ff.

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§ 12

nicht allgemein gültig, sondern muss einzelfallbezogen beantwortet werden1. In die Beurteilung der Angemessenheit sind (auslagenerhöhend) die Gewohnheiten des Vorstands ebenso einzubeziehen wie (auslagenbegrenzend) die finanzielle Situation der Gesellschaft. Hinsichtlich einzelner Aufwendungen gelten folgende Grundsätze2: Benötigt das Aufsichtsratsmitglied ausnahmsweise zur Erfüllung seiner Aufgaben die Hinzuziehung eines sachverständigen Beraters, so sind diese Kosten zu erstatten3. Bei Rechtsstreitigkeiten, die Aufsichtsratsmitglieder kraft ihres Amtes führen (z.B. Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Aufsichtsratsbeschlusses), spricht einiges für die Annahme, dass die Kosten (solange es sich nicht um eine mutwillige Prozessführung handelt) von vornherein im Rahmen der prozessualen Kostenentscheidung unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits der Gesellschaft aufzuerlegen sind; zumindest besteht ein entsprechender materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch4. Nicht erstattungsfähig sind in diesem allgemeinen Rahmen der Aufsichtsratspflichten jedoch die Kosten für die Unterhaltung eines Sekretariats etc.5. Die Einrichtung eines externen Büros kann allenfalls ausnahmsweise gerechtfertigt sein, wenn dessen Anmietung für die Gesellschaft wegen des Wegfalls von Reisekosten billiger oder wegen der ständigen Verfügbarkeit des Aufsichtsratsvorsitzenden günstiger ist. Vor allem aber kommt in solchen Fällen die Beteiligung der Gesellschaft an den Kosten eines solchen externen Büros in Betracht. Ebenfalls nicht im Rahmen des allgemeinen Aufwendungsersatzanspruchs liegen die Kosten für eine Versicherung gegen Haftungsrisiken aus der Aufsichtsratstätigkeit. Denn das dabei versicherte 1 Semler in FS Claussen, 1997, S. 381, 386 f.; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 33 Rn. 13. 2 Ausführlich hierzu Semler in FS Claussen, 1997, S. 381, 383 ff. 3 Z.B. zur Klärung der Frage, ob ausnahmsweise die Vertraulichkeit gebrochen werden darf; ob ein Beschluss des Aufsichtsrats unwirksam ist etc. Näher dazu Säcker, NJW 1979, 1521, 1526; Säcker in FS Fischer, 1979, S. 635, 641 ff.; vgl. auch Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 552 und dort Fn. 45. 4 Für eine unmittelbare Kostentragungspflicht der Gesellschaft bei Organklagen z.B. Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 224; Bauer, Organklagen, S. 82; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 232 ff. Sieht man dies anders, besteht ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch; ein solcher kann der prozessualen Regelung entgegengerichtet sein, wenn Umstände vorliegen, die bei der prozessualen Kostenentscheidung nach §§ 91 ff. ZPO nicht berücksichtigt werden können; vgl. dazu BGH v. 18.5.1966 – Ib ZR 73/64, BGHZ 45, 251, 257 f.; Belz, MünchKomm. ZPO, vor § 91 Rn. 10. 5 Ebenso Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 982. Anders liegt es freilich bei einem von der Gesellschaft eingerichteten und vergüteten Sekretariat des Aufsichtsrats, das dann unter der Leitung des Aufsichtsratsvorsitzenden steht und über das das einzelne Aufsichtsratsmitglied nach Rücksprache mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden ggf. zeitweise verfügen kann.

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Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

Risiko trifft nicht die Gesellschaft, sondern das einzelne Aufsichtsratsmitglied. Üblich ist heute aber der Abschluss einer sog. D&O-Versicherung seitens der Gesellschaft zugunsten ihrer Aufsichtsratsmitglieder. Ein solcher Abschluss bedarf auch nicht der Zustimmung der Hauptversammlung nach § 113 AktG, da das Interesse der Gesellschaft an einem solventen Schuldner im Vordergrund steht. Näher dazu unten Rn. 1025 ff. 846

Umstritten ist, ob auch jene Auslagen erstattungsfähig sind, die ein Aufsichtsratsmitglied zur Teilnahme an Schulungs- und Fortbildungsveranstaltungen tätigt. Dies ist jedenfalls abzulehnen, soweit es um den Erwerb von Mindestkenntnissen geht1. Jedes Aufsichtsratsmitglied hat selbst dafür zu sorgen, dass es die erforderliche Qualifikation zu einer sorgfältigen Amtsführung besitzt. Anders liegt es unter Umständen beim Erwerb tiefergehender Spezialkenntnisse2. Vor dem Hintergrund einer wünschenswerten Professionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit kann der Besuch bestimmter Fortbildungsveranstaltungen durch ein Aufsichtsratsmitglied durchaus im Interesse der Gesellschaft liegen. Insoweit darf das Aufsichtsratsmitglied die entstandenen Aufwendungen dann auch „für erforderlich halten“ und sie entsprechend § 670 BGB ersetzt verlangen.

847

Die erstattungsfähigen Aufwendungen können über Pauschalen ersetzt werden3. Da jedes Aufsichtsratsamt ein Teilzeitamt ist, sollten für den Aufsichtsratsvorsitzenden bei der Berechnung der Pauschale aber im Regelfall nicht mehr als drei Arbeitstage pro Monat angesetzt werden. Jede darüber hinausgehende Inanspruchnahme müsste gesondert nachgewiesen werden, damit der gezahlte Aufwendungsersatz auch vor Rückfragen in der Hauptversammlung bestehen kann und nicht der Eindruck einer unzulässigen Zusatzvergütung entsteht.

5. Erfolgsorientierte Vergütung von Aufsichtsratsmitgliedern 848

Die Tätigkeit des Aufsichtsrats ist heute nicht mehr allein auf die Überwachung der Geschäftsführung des Vorstands beschränkt. Sie hat sich vielmehr zu der eines mitunternehmerischen Organs ausgeweitet (dazu Rn. 58). Aufgrund dieses verantwortungsvollen Aufgabenfeldes sollten die Mitglieder des Aufsichtsrats zusätzlich zu ei1 Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 449; Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 45; Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 368 m.w.N.; a.A. Köstler/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rn. 732. 2 So auch Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 983; a.A. wohl Semler in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 10 Rn. 66. 3 Henn, Handbuch des Aktienrechts, Rn. 672 ff.

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Rechte der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder

§ 12

ner festen auch eine erfolgsorientierte variable Vergütung erhalten1. Neben der Ausrichtung am kurzfristigen Unternehmenserfolg sollte diese möglichst auch den langfristigen Erfolg des Unternehmens berücksichtigen. a) Aktienkursorientierte Vergütung Bis vor einigen Jahren bestand die Möglichkeit, Aufsichtsratsmitglie- 849 der mit Aktienoptionen zu vergüten und sie so am Unternehmenserfolg teilhaben zu lassen. Nach neuer Rechtslage ist eine Gewährung von Aktienoptionen an Aufsichtsratsmitglieder jedoch nicht mehr möglich und auch eine Vergütung in Form von Wertsteigerungsrechten oder der Ausgabe eigener Aktien erscheint zweifelhaft. Zunächst wurde die Zulässigkeit der Ausgabe von reinen Options- 850 rechten (sog. naked warrants) an Aufsichtsratsmitglieder vom Gesetzgeber im Rahmen der Beratungen zum KonTraG und der damit verbundenen Änderungen der §§ 192, 193 AktG abgelehnt. Der Kreis der Bezugsberechtigen wurde in beiden Vorschriften auf Arbeitnehmer und Mitglieder der Geschäftsführung beschränkt und Aufsichtsratsmitglieder folglich ausgenommen. Der BGH erklärte daraufhin in Anlehnung an die Wertung des Gesetzgebers auch die Gewährung von Aktienoptionen, die mit nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG zurückgekauften eigenen Aktien unterlegt werden sollten, für unzulässig und zog in einem obiter dictum die Zulässigkeit der Vergütung mit Aktienoptionen in Form von Wandel- oder Optionsanleihen in Zweifel2. Diese Zweifel wurden vom Gesetzgeber aufgenommen. Im Rahmen des UMAG wurde § 221 Abs. 4 AktG geändert und ein Verweis auf § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG eingefügt. In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich bestätigt, dass damit auch auf die Beschränkung der Bezugsberechtigten verwiesen werden soll3. Eine Ausgestaltung der variablen Vergütung in Form von Aktienoptionsprogrammen ist daher nicht mehr möglich. Aufgrund dieser Entwicklung ist zweifelhaft, ob die Ausgestaltung ei- 851 ner aktienkursorientierten Vergütung in Form von Wertsteigerungsrechten (stock appreciation rights) oder phantom stocks noch rechtlich zulässig ist4. Mit dieser schuldrechtlichen Nachbildung von 1 Diese Empfehlung des Kodex, Ziff. 5.4.7, wurde in der Praxis umgesetzt. Nahezu alle Dax-Unternehmen haben variable Vergütungsbestandteile festgelegt. Siehe dazu auch die Tabelle im Anhang, S. 496 ff. 2 BGH v. 16.2.2004 – II ZR 316/02, BGHZ 158, 122 = AG 2004, 265, dazu u.a. Peltzer, NZG 2004, 509, 510; Paefgen, WM 2004, 1169, 1172. 3 BT-Drucks. 15/5092, S. 25. 4 Die DaimlerChrysler AG verzichtete mit Hinweis auf die unsichere Rechtslage nach dem Urteil des BGH darauf, ihren Aufsichtsratsmitgliedern phantom stocks als variable Komponente der Vergütung einzuräumen.

327

§ 12

Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

Aktienoptionsprogrammen könnte die Wertung des Gesetzgebers, Optionsprogramme für Aufsichtsräte nicht zuzulassen, umgangen werden1. 852

Aus ähnlichen Gründen erscheint auch die Vergütung von Aufsichtsratsmitgliedern mit eigenen Aktien der Gesellschaft jedenfalls in den Fällen problematisch, in denen die Ausgabe der Aktien an bestimmte Bedingungen geknüpft wird und diese Ausgestaltung der eines Aktienoptionsprogramms nahe kommt2.

853

Hierbei stellt sich außerdem das Problem der Beschaffung eigener Aktien durch die Gesellschaft. Ein Erwerb eigener Aktien auf Grundlage einer Ermächtigung nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG würde vermutlich von der Rechtsprechung mit dem Verweis auf § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG und den dort beschränkten Kreis der Bezugsberechtigten auf Arbeitnehmer und Mitglieder der Geschäftsführung für unzulässig erklärt werden. Die Wahl der letztgenannten Vergütungsmodelle ist aufgrund der mit ihnen verbundenen Rechtsunsicherheit daher nicht zu empfehlen.

854

Möglich wäre es dagegen, die Aufsichtsratsmitglieder zu verpflichten, für einen bestimmten Anteil ihrer Barvergütung Aktien der Gesellschaft zu erwerben und diese über einen vorher festgelegten Zeitraum zu halten3. Dadurch würde für die Mitglieder des Aufsichtsrats ein direkter Anreiz zur Steigerung des Unternehmenserfolgs geschaffen werden. b) Dividendenorientierte Vergütung

855

Rechtlich zulässig ist es, einen Teil der Vergütung dividendenorientiert zu gewähren. Die Höhe der zusätzlichen Tantieme wird dabei an die ausgezahlte Dividende angeknüpft.

Ihre Aufsichtsratsmitglieder erhalten nur noch eine feste Vergütung. Die Meinung der Literatur ist uneinheitlich: für die Unzulässigkeit von phantom stocks und stock appreciation rights Sven H. Schneider/Uwe H. Schneider, WuB II A. § 71 AktG 1.04, 501, 503; Paefgen, WM 2004, 1169, 1173; Habersack, ZGR 2004, 721, 731; kritisch dazu Bösl, BKR 2004, 474; von Rosen, BB 37/2004, 1; Fuchs, WM 2004, 2233, 2239 spricht sich auch nach der BGH-Entscheidung für die Zulässigkeit der virtuellen Wertsteigerungsmodelle aus. 1 Ebenso Habersack, ZGR 2004, 721, 731 f. 2 Marsch-Barner in FS Röhricht, 2005, S. 401, 417. 3 Marsch-Barner in FS Röhricht, 2005, S. 401, 417.

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Rechte der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder

§ 12

In der Praxis könnte eine entsprechende Formulierung so aussehen:

856

Für jeden Cent, den die Dividende pro Aktie einen Euro (20 Cent, 50 Cent) übersteigt, erhält jedes Aufsichtsratsmitglied 500 Euro (800 Euro, 1000 Euro). Eine solche Ausgestaltung haben zurzeit zwei Drittel der Dax-30-Unternehmen1. Problematisch an dieser Vergütungsregelung ist aber, dass der Aufsichtsrat an der Feststellung des Jahresabschlusses mitwirkt und gemäß § 124 Abs. 3 AktG der Hauptversammlung die Höhe der Dividendenzahlung vorschlägt. Damit kann er indirekt die Höhe seiner eigenen Vergütung bestimmen. Daher sollte eine dividendenorientierte Vergütung nur ein Zusatz sein und keinesfalls den Großteil der Gesamtvergütung des Aufsichtsratsmitglieds ausmachen. c) Von Unternehmenskennziffern abhängige Vergütung In vielen Fällen werden als Bemessungsgrundlage einer erfolgsorientierten Vergütung interne Unternehmenskennziffern herangezogen. Dies ist ebenfalls zulässig. Dabei kann auf Ergebnisgrößen wie z.B. EBIT (Earnings Before Interest and Taxes)2 oder EBITDA (Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization) zurückgegriffen werden, oder es werden renditeorientierte Kennzahlen, wie z.B. ROI (Return on Investment) oder ROCE (Return on Capital Employed) als Bemessungsgrundlage verwendet. Zweckmäßig ist dabei eine Kombination von ergebnis- und renditeorientierten Größen, da beide Größen für sich genommen den Unternehmenserfolg nicht zwangsläufig richtig abbilden3.

857

6. Beraterverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern a) Allgemeines Unabhängig und jenseits seiner regulären Aufsichtsratstätigkeit kann 858 es für die Gesellschaft wichtig und interessant sein, das einzelne Aufsichtsratsmitglied auch noch für andere und zusätzliche Aufgaben zu gewinnen, etwa als Personal- oder Organisationsfachmann, als Anwalt oder Steuerberater etc. Das ist, wie § 114 Abs. 1 AktG zeigt, nicht verboten. Der entsprechende Dienstvertrag nach §§ 611, 675 BGB wird zwischen der AG, vertreten durch den Vorstand, und dem betreffenden Aufsichtsratsmitglied geschlossen, bedarf aber zu seiner 1 Gehling, ZIP 2005, 549. 2 Diese Bemessungsgrundlage nutzt z.B. die Metro AG und die ThyssenKrupp AG. 3 So auch die „Empfehlung zur Aufsichtsratsvergütung“ des Deutschen Aktieninstituts, Juni 2003, 32.

329

§ 12

Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

Wirksamkeit der Zustimmung des Gesamtaufsichtsrats1. Doch ist wegen § 113 AktG größte Sorgfalt, Vorsicht und Zurückhaltung geboten. Alle Unklarheiten im Verhältnis von § 113 AktG zu § 114 AktG im konkreten Einzelfall gehen zu Lasten des betreffenden Aufsichtsratsmitglieds2. b) Anwendungsbereich der §§ 113, 114 AktG 859

Verboten ist aber gemäß § 113 AktG, den Aufsichtsratsmitgliedern an der Hauptversammlung oder Satzung vorbei durch den Abschluss von Beraterverträgen, die nichts anderes umfassen als die ohnehin geschuldete Organpflicht zur Beratung (vgl. dazu oben Rn. 94), zusätzliche Vergütungen zukommen zu lassen. Fehlt die Zustimmung gemäß § 114 AktG oder ist der Vertrag – bei Identität von Beratungsgegenstand und Organpflicht – gemäß § 113 AktG, § 134 BGB nichtig, so sind empfangene Vergütungen nach § 114 Abs. 2 AktG zurückzuzahlen (unten Rn. 877). Die entscheidende Frage für die Abgrenzung zwischen den nach § 114 AktG erlaubten, aber zustimmungsbedürftigen und den nach § 113 AktG verbotenen Verträgen lautet daher: Wann liegt eine von der Aufsichtsratstätigkeit unabhängige Leistungspflicht (Beratungspflicht) vor oder, anders gewendet, wann decken sich Organpflicht und Beratungstätigkeit3? Anzuknüpfen ist an den Beratungsgegenstand: Ein Beratervertrag ist mit Zustimmung des Aufsichtsrats nur wirksam, wenn die vereinbarte Tätigkeit Fragen eines speziellen Fachgebiets jenseits der Organpflichten betrifft4. 1 Zur Frage, ob das betreffende Aufsichtsratsmitglied dabei mitberatungsund stimmberechtigt ist, vgl. unten Rn. 894 ff. Die Frage ist in paritätisch besetzten Aufsichtsräten von großer praktischer Bedeutung, da es zum Einsatz der Zweitstimme des Aufsichtsratsvorsitzenden nur kommen kann, wenn zunächst eine Pattsituation besteht (§§ 29 Abs. 2, 31 MitbestG). 2 BGH v. 3.7.2006 – II ZR 151/04, ZIP 2006, 1529, 1533 = AG 2006, 667; BGH v. 4.7.1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 346 = AG 1994, 508. 3 Dazu BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127 = ZIP 1991, 653 = NJW 1991, 183 = DB 1991, 1212 mit Anm. Theisen = AG 1991, 312 mit Anm. Wolf = EWiR § 114 AktG 1/91, 525 (Semler) sowie Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87; Mertens in FS Steindorff, 1990, S. 173 ff.; Hoffmann/Kirchhoff, WPg 1991, 592 ff. 4 BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 132 = AG 1991, 312; BGH v. 4.7.1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 346 = AG 1994, 508; BGH v. 3.7.2006 – II ZR 151/04, ZIP 2006, 1529, 1533 = AG 2006, 667; BGH v. 20.11.2006 – II ZR 279/05, ZIP 2007, 22, 23 = AG 2007, 80; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 114 Rn. 17; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 114 Rn. 6; Mertens in FS Steindorff, 1990, S. 173, 181; Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87, 95 ff.; Beater, ZHR 157 (1993), 420, 421 ff.; Deckert, AG 1997, 109, 111 ff.; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 33 Rn. 35 ff.; Raiser/ Heermann in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 127 stellen alternativ auf den Umfang der Inanspruchnahme ab; das halten Hoffmann/Kirchhoff, WPg 1991, 592, 594 und Hoffmann-Becking, Münchener

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Rechte der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder

§ 12

Aus § 111 i.V.m. § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG sowie § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 AktG lässt sich entnehmen, dass die Beratung des Vorstands als Bestandteil der Überwachungsaufgabe nur wesentliche Geschäftsvorgänge von grundsätzlicher Bedeutung erfasst. Wesentliche Fragen der Geschäftsführung können daher nicht Gegenstand eines Beratervertrages sein1, ebenso wenig wie die Beratung der Gesellschaft in „wesentlichen Konzernangelegenheiten“, die „Mitwirkung bei der Betreuung von Tochtergesellschaften“ im In- und Ausland2 und von Beteiligungen aller Art oder die Beratung in allen im Zusammenhang mit der Geschäftsführung auftretenden Rechtsfragen3. Die Abgrenzung ist mithin so vorzunehmen, dass Fragen von grund- 860 sätzlicher Bedeutung zur Beratungsaufgabe des Aufsichtsrats gehören, dagegen nicht Fragen spezieller Art und insbesondere solche des Tagesgeschäfts, seiner Vorbereitung und Umsetzung4. Beispiele für letzteren Bereich sind die Auswahl eines neuen Abteilungsleiters in einem zentralen Unternehmensbereich oder die Vorbereitung einer speziellen Emission, allgemeine oder spezielle Steuerberatung oder Prozessführung, technische Vorbereitung und Abwicklung eines Unternehmenskaufes. Diese – und vergleichbare – Tätigkeiten können nach § 114 AktG Gegenstand eines Beratervertrages sein5. In Zweifelsfällen ist ergänzend auf den Zweck der Beratung abzustellen. Während die organschaftliche überwachende Beratung der Vermeidung von Fehlern bei der Unternehmensleitung sowie der Vorbereitung und Mitwirkung am strategischen und Planungsentscheidungen dient, hat eine Beratung im Sinne von § 114 AktG die Lösung konkreter Geschäftsführungsprobleme zum Ziel6. Verbleibende Zweifel und

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6

Hdb. AG § 33 Rn. 35 ff. zutr. für zu unbestimmt. Eingehend dazu Lutter in FS Westermann, 2008, S. 1171, 1174 ff. BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 132 = AG 1991, 312. Lässt eine Formulierung – wie hier – eine klare Zuordnung nicht zu, so liegt im Zweifel ein Verstoß gegen § 113 AktG vor, näher Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87, 95 ff. Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87, 95 ff. So im Grundsatz auch Hoffmann/Kirchhoff, WPg 1991, 592, 594; Hopt/ Roth, Großkomm. AktG, § 114 Rn. 21; von Bünau, Beratungsverträge, S. 28; Leuering/Simon, NJW-Spezial 2006, 171; E. Vetter, AG 2006, 173. Umfasst die Beratungstätigkeit Bereiche, die an sich zur Organpflicht gehören, aber von einem Ausschuss wahrgenommen werden, dem das betreffende Aufsichtsratsmitglied nicht angehört, kann der Vertrag trotzdem nicht über § 114 AktG wirksam sein, näher Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87, 97 f. Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1876; zustimmend Deckert, AG 1997, 109, 113 f.; der BGH nennt in seiner Entscheidung vom 20.11.2006 (II ZR 279/05, ZIP 2007, 22, 23 f. = AG 2007, 80) folgende Fälle: Beratung der Gesellschaft bei dem Abschluss von Unternehmensund Beteiligungskaufverträgen und bei der Eingehung strategischer Allianzen; Beratung zu Finanzierungsmodellen zur Ausstattung mit liquiden Mit-

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§ 12

Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

Unklarheiten der Abrede gehen zu Lasten der Gültigkeit des Vertrages1. 861

Rechtsfolge einer möglichen, aber fehlenden und nach § 114 AktG erforderlichen Zustimmung ist die schwebende Unwirksamkeit des Vertrages, nach Verweigerung der Genehmigung dessen endgültige Unwirksamkeit. Das gilt auch dann, wenn dem Aufsichtsrat der Vertrag überhaupt nicht zwecks Zustimmung vorgelegt wird2. Ein Verstoß gegen § 113 AktG führt zur Nichtigkeit des Vertrages gemäß § 134 BGB. Auch Verträge, die mit Dritten abgeschlossen wurden („Altverträge“), unterfallen den §§ 113, 114 AktG, wenn der Dritte später zum Aufsichtsratsmitglied bestellt wird3. Dies allerdings mit der Maßgabe, dass der Verstoß gegen § 113 AktG nicht zur Nichtigkeit des Vertrages führt, sondern zu dessen Suspendierung4.

862

Im Zustimmungsverfahren nach § 114 AktG gilt ein „umfassendes Transparenzgebot“5, das bedeutet, dass zumindest der wesentliche Inhalt des Beratungsvertrages dem Aufsichtsrat vor der Beschlussfassung offen zu legen ist. Der Aufsichtsrat muss aus den im Vertrag enthaltenen Angaben zur Beratungsleistung ersehen können, ob diese in den Bereich der organschaftlichen Pflichten gehört oder aber genehmigungsfähig ist. Aus dem Vertrag muss sich einwandfrei ergeben, worauf die Beratertätigkeit gerichtet sein soll6. Es genügt nicht, dass allgemein auf „Beratung“ oder „Beratung in allen Angelegenheiten, die nicht in den Aufgabenbereich eines Aufsichtsratsmitglieds fallen“ Bezug genommen wird7. Weiterhin muss sich aus dem Vertrag auch die genaue Höhe der versprochenen Vergütung ergeben, um deren Angemessenheit beurteilen zu können; allerdings genügt inso-

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7

teln (Kapitalerhöhungen, Inhaber- und Wandelschuldverschreibungen, Kreditverträge); Beratung bei sonstigen Kapitalmaßnahmen sowie die Beratung bei internen Strukturierungen. Zu streng daher OLG München v. 30.6.2008 – 7 U 4388/07, BeckRS 2008, 15555. So ausdrücklich BGH v. 4.7.1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 348 = AG 1994, 508. BGH v. 4.7.1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 348 = AG 1994, 508; dem folgend Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1880. Mertens in FS Steindorff, 1990, S. 173, 182 f.; BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 133 = AG 1991, 312 für § 113 AktG; BGH v. 4.7.1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 346 für § 114 AktG = ZIP 1994, 1216 = EWiR § 114 AktG 1/94, 943 (Bork, zustimmend); anders die bisher h.M. für § 114 AktG, vgl. Semler, MünchKomm. AktG, 2. Aufl., § 114 Rn. 35 f. BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 134 = AG 1991, 312; a.A. Wolf, AG 1991, 315, 316. Deckert, AG 1997, 109, 114. BGH v. 3.7.2006 – II ZR 151/04, ZIP 2006, 1529, 1533 = AG 2006, 667; OLG Frankfurt v. 21.9.2005 – 1 U 14/05, AG 2005, 925, 926, Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 114 Rn. 22; E. Vetter, AG 2006, 173, 177; Peltzer, ZIP 2007, 305, 307. BGH v. 3.7.2006 – II ZR 151/04, ZIP 2006, 1529, 1533 = AG 2006, 667.

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Rechte der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder

§ 12

weit der Verweis auf eine Gebührenordnung1. Erfüllt der Beratungsvertrag diese Konkretisierungsanforderungen nicht, ist er von vornherein nach § 113 AktG zu beurteilen und damit schwebend unwirksam (weil durch nachträgliche Konkretisierung genehmigungsfähig, Rn. 863) oder (wenn nicht nachträglich geheilt) nichtig2. Ausnahmsweise ist, trotz dahin gehender Mängel von seiner Wirksamkeit auszugehen, wenn die Aufsichtsratsmitglieder zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die notwendigen konkreten Angaben verfügt haben, und diese zusätzlich in den ausdrücklich gefassten Zustimmungsbeschluss aufgenommen wurden. Der Schutzzweck des § 114 AktG ist in diesem Fall hinreichend gewahrt3. Vor Erteilung seiner Zustimmung hat der Aufsichtsrat zu prüfen, ob diese dem Interesse der Gesellschaft entspricht. Insoweit gilt folgender Grundsatz: Kann die Beratungsleistung mit gleicher Qualität und unter gleich hohem Kostenaufwand auch von einem Dritten erbracht werden, so ist die Zustimmung im Zweifel zu verweigern, es sei denn, besondere Gründe sprechen gerade für die Beratung durch das Aufsichtsratsmitglied, z.B. wegen kürzerer Einarbeitungszeit oder dessen besonderer Vertrauenswürdigkeit aufgrund bereits bewiesener Kompetenz4. c) Zustimmung Die hier schon mehrfach erwähnte Zustimmung ist (vorherige) Ein- 863 willigung oder (nachträgliche) Genehmigung, § 184 BGB. Davon kann zur Sicherung der Rechtslage vor allem dadurch Gebrauch gemacht werden, dass zunächst dem Vertrag mit dem betreffenden Aufsichtsratsmitglied in allgemein umschriebener Form (z.B. Rechtsberatung, Steuerberatung, Beratung in Fragen der Organisation), verbunden mit den Grundlagen der Vergütung, zugestimmt wird, die einzelnen konkreten Leistungen und deren spezielle Vergütung aber später noch einmal dem Aufsichtsrat zur Genehmigung vorgelegt werden5.

1 BGH v. 4.7.1994 – II ZR 157/93, BGHZ 126, 340, 344 f. = AG 1994, 508; Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 125; Jaeger, ZIP 1994, 1759, 1760. 2 BGH v. 4.7.1994 – II ZR 157/93, BGHZ 126, 340, 345 = AG 1994, 508 in Anlehnung an Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87, 96; Mertens in FS Steindorff, 1990, S. 173, 175, 179. 3 OLG Köln v. 27.5.1994 – 19 U 289/93, AG 1995, 90, 91 stellt vorrangig auf Kenntnis und Beschlussinhalt ab. 4 Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 126. 5 Dazu Lutter/Drygala in FS Ulmer, 2003, S. 381, 395 ff.; a.A. OLG Frankfurt v. 21.9.2005 – 1 U 14/05, NZG 2006, 29, 30 = AG 2005, 925; der BGH lässt diese Frage ausdrücklich offen, BGH v. 20.11.2006 – II ZR 279/05, ZIP 2007, 22, 24 = AG 2007, 80.

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§ 12 864

Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

Bei der Beschlussfassung im Aufsichtsrat hat das betreffende Mitglied kein Stimmrecht1 und sollte auch nur auf Wunsch des Aufsichtsrats und zwecks näherer Erläuterung an der Verhandlung über die Zustimmung teilnehmen. d) Auftrag durch den Aufsichtsrat selbst

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Das einzelne Aufsichtsratsmitglied kann in schwierigen Situationen für sich sachverständigen Rat durch einen Dritten in Anspruch nehmen2. In die gleiche Situation kann aber auch der Aufsichtsrat insgesamt kommen. Das gilt insbesondere bei schwierigen Vertragsproblemen mit dem Vorstand, bei der Aufstellung einer Geschäftsordnung oder der Vorbereitung einer schwierigen Hauptversammlung, die der Aufsichtsratsvorsitzende zu leiten hat. In allen diesen Fällen kann der Aufsichtsrat hierfür in erster Linie Hilfe von Mitarbeitern der Gesellschaft (z.B. Vorbereitung der Hauptversammlung), wo das nicht möglich (fehlendes Personal der Gesellschaft) oder untunlich ist (Behandlung von Vorstandsverträgen), aber auch sachverständige Hilfe von dritter Seite in Anspruch nehmen. Der Aufsichtsrat ist zur Beauftragung externer sachverständiger Berater trotz Fehlens gesellschaftsinterner Lösungen nur befugt, wenn es sich bei dem Beratungsgegenstand um eine konkrete, durch den Einzelfall veranlasste Frage innerhalb des gesetzlichen Aufgabenbereichs des Aufsichtsrats handelt. Weiterhin muss die Vertraulichkeit der in diesem Zusammenhang dem außenstehenden Berater offengelegten Informationen gewahrt sein, z.B. aufgrund dessen Berufsverschwiegenheit oder einer ausdrücklichen vertraglichen Verpflichtung3.

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Unter diesen Voraussetzungen kann der Aufsichtsrat auch eines seiner Mitglieder mit entsprechendem Sachverstand beauftragen4, allerdings sind dabei zusätzlich die Anforderungen der §§ 113, 114 AktG zu beachten5. Die Vertretungsmacht des Aufsichtsrats zur Verpflichtung der Gesellschaft aus dem Beratungsvertrag – sei es mit einem Dritten, sei es mit einem Aufsichtsratsmitglied – ergibt sich aus sei-

1 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 114 Rn. 12; OLG Frankfurt v. 21.9.2005 – 1 U 14/05, NZG 2006, 29, 31 = AG 2005, 925. 2 BGH v. 15.11.1982 – II ZR 27/82, BGHZ 85, 293, 296 f., 300 = AG 1983, 133. 3 BGH v. 15.11.1982 – II ZR 27/82, BGHZ 85, 296, 296 f., 300 = AG 1983, 133; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 550 ff.; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 95 f. 4 Zum Ganzen Lutter/Drygala in FS Ulmer, 2003, S. 381, 385 ff. Auch der Kodex akzeptiert das, verlangt aber Offenlegung gegenüber der Hauptversammlung, Ziff. 5.4.7 Abs. 3. 5 In diesem Sinne Mertens in FS Steindorff, 1990, S. 173, 183 f.; Fischer, BB 1967, 859, 861 f.

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Rechte der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder

§ 12

ner sog. Annexkompetenz1. Hat der Aufsichtsrat über die Beauftragung des eigenen Mitglieds in Form eines Beschlusses im Sinne von § 108 AktG entschieden, ist darin zugleich der Zustimmungsbeschluss nach § 114 Abs. 1 AktG zu sehen; es bedarf insoweit keines gesonderten Aufsichtsratsbeschlusses2. Eine entgeltliche Beauftragung des einzelnen Organmitglieds durch 867 den Aufsichtsrat, und nicht wie gesetzestypisch durch den Vorstand, wird teilweise generell für unzulässig gehalten, denn dadurch werde die Gefahr einer „Selbstbedienung“ begründet3. Diese Gefahr ist jedoch gering, da die Erteilung eines Beratungsauftrags durch den Aufsichtsrat nur unter den oben dargestellten engen Voraussetzungen zulässig ist und des Weiteren eine Sondervergütung innerhalb der Organpflichten des einzelnen Mitglieds ausgeschlossen ist. Darüber hinaus stellt der ansonsten mitwirkende Vorstand keine geeignete Kontrollinstanz dar, denn vor dessen unsachlicher Beeinflussung soll das gesetzliche Zustimmungserfordernis des Aufsichtsrats gerade schützen4. Die Beratung durch ein Aufsichtsratsmitglied anstelle eines externen Sachverständigen kann vor dem Hintergrund der Vertraulichkeit von gesellschaftsbezogenen Informationen sogar vorzugswürdig sein5. e) Beraterverträge in der GmbH In der GmbH6 ist zu unterscheiden zwischen Pflicht-Aufsichtsrat 868 und fakultativem – also durch die Satzung vorgeschriebenem – Aufsichtsrat (näher dazu unten Rn. 1181 ff.). Handelt es sich um letzteren, so sind drei Gestaltungen denkbar: Die Satzung sagt nichts über die Kompetenzen des Aufsichtsrats. Dann gelten über § 52 Abs. 1 GmbHG die §§ 113, 114 AktG, allerdings mit der Einschränkung, dass die Gesellschafterversammlung die Zustimmung des Aufsichts-

1 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 99, § 112 Rn. 16; Habersack, MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 135; Semler in FS Rowedder, 1994, S. 441, 454 f.; Werner, ZGR 1989, 369, 383. 2 Ein konkludenter Beschluss genügt im Rahmen von § 114 Abs. 1 AktG, im Übrigen jedoch nicht: OLG Köln v. 27.5.1994 – 19 U 289/93, ZIP 1994, 1773, 1774 = AG 1995, 90; LG Stuttgart v. 27.5.1998 – 27 O 7/98, ZIP 1998, 1275, 1280; Habersack, MünchKomm. AktG, § 114 Rn. 30. 3 Fischer, BB 1967, 859, 861 f.; Mertens in FS Steindorff, 1990, S. 173, 184, Bernhardt, BB 1967, 863, 865. 4 Zum Zweck des § 114 AktG vgl. Hüffer, Komm. AktG, § 114 Rn. 1; Begr. RegE zu § 114 AktG bei Kropff, Aktiengesetz, S. 158. 5 Vgl. Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 550 ff. 6 Zum Folgenden näher Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87, 100 f.; Lutter in FS Westermann, 2008, S. 1171 ff.

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§ 12

Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

rats nach § 114 AktG durch einen eigenen Beschluss ersetzen1 bzw. nach § 113 AktG verbotene Verträge genehmigen kann. 869

Hat die Satzung hingegen die Vergütungskompetenz für Aufsichtsratsmitglieder dem Aufsichtsrat übertragen, so ist jeder Beratervertrag – auch wenn er Organpflichten enthält – zustimmungsbedürftig. Bei der Zustimmung ist aber der Grundsatz der Gleichbehandlung der Aufsichtsratsmitglieder zu beachten, was reine Scheinverträge zwecks Vergütungserhöhung verbietet. Schließlich kann die Satzung vorsehen, dass die Gesellschafter selbst über den Abschluss von Beraterverträgen mit ihnen entscheiden. Damit ist dem Aufsichtsrat die Zustimmungsbefugnis entzogen.

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In der mitbestimmten GmbH ist die Bildung eines Aufsichtsrats zwingend vorgeschrieben; es gelten hier uneingeschränkt die §§ 113, 114 AktG2. f) Beraterverträge im Konzern

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Betrachtet man die Zulässigkeit von Beraterverträgen im Konzern3, so ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich Überwachung und Beratung des Vorstands der Konzernobergesellschaft durch deren Aufsichtsrat auch auf die Leitung des Konzerns erstrecken, nicht aber auf die Geschäftsführungsorgane der Tochtergesellschaften (siehe oben Rn. 131 ff.). Dabei sind nur diejenigen Konzernleitungsmaßnahmen des Vorstands Gegenstand der Überwachung und Beratung durch seinen Aufsichtsrat, die für die Obergesellschaft sowie den Unternehmensverband insgesamt von Gewicht und Bedeutung sind. In diesem Maße sind Beraterverträge nach § 113 AktG unzulässig. Im Übrigen verbleibt es bei § 114 AktG, also etwa bei Rechts- und Steuerberatung der Obergesellschaft in Konzernfragen.

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Schließt ein Aufsichtsratsmitglied der Obergesellschaft mit einer Tochtergesellschaft einen Beratervertrag ab, in dem es sich verpflichtet, die Tochter in allen wesentlichen Fragen der Geschäftsführung zu beraten, so gilt auch hier der Rechtsgedanke des § 113 AktG. Dies obwohl an sich keine Aufsichtsratstätigkeit betroffen ist; denn die 1 Ebenso Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 128. 2 Bestellt die Gesellschafterversammlung zusätzlich einen Beirat und werden in den Beirat Aufsichtsratsmitglieder gewählt, so ist § 114 AktG analog anzuwenden, wenn die Beiratstätigkeit reguläre Beratungspflichten betrifft und entgeltlich erfolgt: Die Unvoreingenommenheit der Aufsichtsratsmitglieder soll nicht durch deren Bestellung zum Beirat als geldgleiche Zuwendung beeinträchtigt werden, näher Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87, 101 ff.; a.A. Mertens in FS Steindorff, 1990, S. 173, 185 f. 3 Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87, 103 ff.; Lutter in FS Westermann, 2008, S. 1171, 1181 ff.; a.A. Mertens in FS Steindorff, 1990, S. 173, 186.

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Rechte der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder

§ 12

allgemeine Geschäftsführung in der Tochtergesellschaft gehört nicht zur Überwachungspflicht des Aufsichtsrats in der Obergesellschaft. Aber der Vorstand der Obergesellschaft hat die Möglichkeit, auf den Abschluss des Beratungsvertrages Einfluss zu nehmen und so dem Aufsichtsratsmitglied doch eine Sondervergütung zukommen zu lassen. Daher sind Beraterverträge zwischen Aufsichtsratsmitgliedern und Tochtergesellschaften nicht nur unzulässig, wenn ihr Inhalt (ausnahmsweise) sogar die Pflichten im Aufsichtsrat der Obergesellschaft betrifft, sondern auch, wenn ihr Inhalt, wäre das betreffende Aufsichtsratsmitglied (zugleich) im Aufsichtsrat der Tochter, gegen die dortigen Organpflichten verstößt. Ist beides nicht der Fall, sind Beraterverträge also nicht per se unzulässig, so unterfallen sie aber auch noch der Kontrolle nach § 114 AktG so, wie wenn es um eine Tätigkeit für die Obergesellschaft ginge1. Das bedeutet, dass sowohl der Aufsichtsrat der Tochter- als auch der Aufsichtsrat der Muttergesellschaft ihnen zustimmen muss2. Dass anders als in § 115 Abs. 1 Satz 2 AktG eine konzernweite Anwendung in § 114 AktG nicht geregelt ist3, hat seinen Grund in der recht kurzfristigen Einfügung der Vorschrift im Gesetzgebungsverfahren4.

873

Dasselbe muss auch für Beraterverträge mit Enkelgesellschaften gel- 874 ten. Auch hier ist eine Einflussnahme des Vorstands der Obergesellschaft nicht auszuschließen und es sind daher die §§ 113, 114 AktG auf diese Verträge analog anwendbar5. Schwieriger zu beurteilen ist ein Vertrag eines Aufsichtsratsmitglieds 875 der Tochter- mit der Muttergesellschaft. Eine rechtliche oder praktische Möglichkeit des Vorstands der Tochtergesellschaft, auf den Vertragsschluss über den Beratervertrag mit der Obergesellschaft Einfluss zu nehmen, besteht dabei nicht. Damit ist der Schutzzweck der §§ 113, 114 AktG nicht betroffen und Beratungsverträge sind in diesen Konstellationen ohne Beschränkungen und ohne Zustimmungserfordernisse möglich.

1 Näher Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87, 105 f.; Lutter in FS Westermann, 2008, S. 1171, 1184; zustimmend Kummel/Küttner, DB 1996, 193, 195; Rellermeyer, ZGR 1993, 77, 88; a.A. Mertens in FS Steindorff, 1990, S. 173, 186; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 114 Rn. 8; ähnlich Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 33 Rn. 41; Hüffer, Komm. AktG, § 114 Rn. 2; Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 119: „jedenfalls“ bei ersichtlicher Umgehungsabsicht. 2 Lutter in FS Westermann, 2008, S. 1171, 1184. 3 Darauf stellen ab: Schlaus, AG 1968, 376, 377; Jaeger in Nirk/Ziemons/Binnewies, Handbuch der Aktiengesellschaft, Rn. I 9.292. 4 Deckert, WiB 1997, 561, 564; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 114 Rn. 40. 5 Lutter in FS Westermann, 2008, S. 1171, 1184.

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§ 12

Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

g) Beraterverträge mit einer dem Aufsichtsratsmitglied verbundenen Gesellschaft 876

Die Frage nach der Anwendbarkeit der §§ 113, 114 AktG stellt sich auch, wenn der Beratungsvertrag nicht mit dem Aufsichtsratsmitglied, sondern mit einer Gesellschaft abgeschlossen wird, der dieser als Gesellschafter, gesetzlicher Vertreter oder Aufsichtsratsmitglied angehört1. Sie ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn das Aufsichtsratsmitglied kraft seiner verbandsrechtlichen Stellung in der Gesellschaft die Auszahlung des Beratungshonorars an sich bewirken kann, z.B. weil es die Gesellschaft beherrscht, oder wenn der Vertrag ausdrücklich seine maßgebliche Beteiligung an der vertraglichen Gegenleistung vorsieht2. Im Hinblick auf den Zweck des § 114 AktG, eine unsachliche Beeinflussung von Aufsichtsratsmitgliedern durch Sonderleistungen des Vorstands zu verhindern3, muss die Zustimmung des Aufsichtsrats aber auch dann eingeholt werden, wenn das Mitglied an dem Beratungshonorar nur mittelbar beteiligt wird, z.B. über die Gewinnverteilung in der vertragschließenden Rechtsanwaltssozietät, ohne dabei selbst Partei des Beratungsvertrags zu sein4, es sei denn, diese sind geringfügig oder haben im Vergleich zur offiziellen Aufsichtsratsvergütung nur einen vernachlässigenswerten Umfang5. h) Rückgewähr ungerechtfertigter Vergütungen

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Wann immer ein Beratervertrag nach den soeben erläuterten Regeln mangels Genehmigung oder mangels Genehmigungsfähigkeit nichtig ist, muss der Begünstigte das Erhaltene an die Gesellschaft nach § 114 Abs. 2 AktG zurückgewähren6. Da der Anspruch korporativer Natur und kein Bereicherungsanspruch ist, findet § 818 BGB und insbesondere dessen Abs. 3 keine Anwendung7. Zu den strengen Anforderungen eines etwaigen Gegenanspruchs des Aufsichtsratsmitglieds aus § 812 BGB gegen die Gesellschaft vgl. OLG Düsseldorf vom 20.5.20088. 1 Dazu Lutter in FS Westermann, 2008, S.1171, 1184. 2 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 114 Rn. 7; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 33 Rn. 41; Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 120: bei Umgehungsabsicht. 3 Hüffer, Komm. AktG, § 114 Rn. 1; Begr. RegE zu § 114 AktG bei Kropff, Aktiengesetz, S. 158. 4 BGH v. 20.11.2006 – II ZR 279/05, ZIP 2007, 22 = AG 2007, 80; Werner, DB 2006, 935, 936; Bosse, NZG 2007, 172, 173; LG Stuttgart v. 27.5.1998 – 27 O 7/98, BB 1998, 1549, 1552; Oppenhoff in FS Barz, 1974, S. 283, 288; Rellermeyer, ZGR 1993, 77, 88 f.; a.A. Wissmann/Ost, BB 1998, 1957, 1960, die es für entscheidend halten, ob die Beratungsleistung durch das Aufsichtsratsmitglied erbracht wird. 5 BGH v. 20.11.2006 – II ZR 279/05, ZIP 2007, 22 = AG 2007, 80. 6 BGH v. 20.11.2006 – II ZR 279/05, ZIP 2007, 22 = AG 2007, 80; BGH v. 3.7.2006 – II ZR 151/04, ZIP 2006, 1529, 1533 = AG 2006, 667. 7 Lutter in FS Westermann, 2008, S. 1171 ff. 8 OLG Düsseldorf v. 20.5.2008 – 23 U 128/07, BeckRS 2008/13221.

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Rechte der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder

§ 12

i) Offenlegung der Beraterverträge und ihres Inhalts Die Kommission Corporate Governance hat dem Gesetzgeber in ihrem Bericht1 vorgeschlagen, eine Pflicht zur Angabe im Anhang zum Jahresabschluss für „persönlich erbrachte Leistungen, insbesondere Beratungs- und Vermittlungsleistungen, bezogenen Vergütungen oder Vorteile“ vorzusehen. Das ist bislang nicht verwirklicht worden. Dafür aber sieht genau das Ziff. 5.4.7 (Abs. 3) des Kodex als Empfehlung vor:

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„Die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder soll im Corporate Governance Bericht individualisiert, aufgegliedert nach Bestandteilen ausgewiesen werden. Auch die vom Unternehmen an die Mitglieder des Aufsichtsrats gezahlten Vergütungen oder gewährten Vorteile für persönlich erbrachte Leistungen, insbesondere Beratungs- und Vermittlungsleistungen, sollen individualisiert im Corporate Governance Bericht gesondert angegeben werden.“

7. Drittgeschäfte mit Aufsichtsratsmitgliedern a) Kreditierung Aufsichtsratsmitglied und Gesellschaft stehen sich außerhalb des Organverhältnisses wie Dritte gegenüber. Daher können zwischen beiden auch im Übrigen beliebige Rechtsverhältnisse abgewickelt werden. Nur: Das Aufsichtsratsmitglied soll nicht „gekauft“ werden können, soll unabhängig bleiben. Daher missbilligt das Gesetz zu Recht die Kreditierung des Aufsichtsratsmitglieds und der mit diesem verbundenen Personen durch die Gesellschaft und bindet den ausnahmsweise dennoch gewährten Kredit an strenge Regeln und wiederum an die Zustimmung der (anderen) Aufsichtsratsmitglieder (§ 115 AktG)2. Die Zustimmung darf nur erteilt werden, wenn der Kreditgewährung das Interesse der Gesellschaft nicht entgegensteht, z.B. weil der Kreditnehmer an die Gesellschaft gebunden werden soll3. Der Begriff des Kredits in § 115 AktG ist in einem weiten Sinne zu verstehen: Neben Darlehen sind auch Stundungen, die über das verkehrsübliche Maß hinausgehen, die Gewährung von Sicherheitsleistungen für Drittkredite sowie die Zahlung von Gehaltsvorschüssen an arbeitnehmerseitige Aufsichtsratsmitglieder erfasst4. Die gewährten Kredite sind gemäß § 285 Nr. 9c HGB im Anhang des Jahresabschlusses anzugeben. 1 Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rn. 265. 2 Dazu Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 325 ff.; Kropff in Semler/ v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 98 ff. 3 Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 107. 4 Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 326; Kropff in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 104.

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§ 12

Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

b) Sonstige Drittgeschäfte 880

Im Übrigen gilt auch hier und ähnlich wie im Verhältnis Gesellschaft zu Aktionär das at-arms-lengths-Prinzip: Das Aufsichtsratsmitglied darf außerhalb seiner Organfunktion durchaus seine eigenen Interessen verfolgen, auch wenn sie den Interessen der Gesellschaft widersprechen. Insbesondere besteht kein Wettbewerbsverbot. Grenze ist ein Verhalten, das die Gesellschaft in einem Maße belastet, das für die Erzielung des angestrebten Erfolges in keinem angemessenen Verhältnis mehr steht (Willkürverbot)1. Ebenso darf das Aufsichtsratsmitglied Geschäftschancen, die es außerhalb seines Amts erfahren hat, für eigene Zwecke nutzen2, auch wenn sie gleichzeitig für die Gesellschaft interessant sind.

881

Anders ist die Rechtslage hingegen, wenn ein Aufsichtsratsmitglied sein Amt für geschäftliche Eigeninteressen ausnutzen will: Zwar sind Geschäfte mit der Gesellschaft nicht verboten; tritt aber das Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft als Geschäftspartner gegenüber, so darf es nicht zum Nachteil der Gesellschaft auf deren Geschäftsführung einwirken. Häufig aber werden Aufsichtsräte gerade im Hinblick auf bestehende oder zu erwartende Geschäftsbeziehungen ausgesucht; es ist daher dem Aufsichtsratsmitglied nicht verwehrt, mit der Gesellschaft für ihn günstige – aber nicht objektiv unvertretbare – Vertragsbedingungen auszuhandeln und mit diesem Ziel mit der Geschäftsführung zu verhandeln3.

882

Die Grenze ist aber erreicht, wenn das Aufsichtsratsmitglied den Vorstand zu Geschäften bewegt, die absehbar einen nicht mehr vom Unternehmensinteresse gedeckten Nachteil für die Gesellschaft mit sich bringen. Stehen Leistung und Gegenleistung in einem objektiven Missverhältnis zugunsten des Aufsichtsratsmitglieds, so liegt eine Pflichtverletzung nicht nur des Vorstands, sondern eben auch des betreffenden Mitglieds vor. Es gilt insofern nichts anderes als für die verdeckte Gewinnausschüttung bei Aktionären4. Man kann das am besten auf folgende Formel bringen: Das Aufsichtsratsmitglied darf den Vorstand nicht zu einem Handeln veranlassen, das es aufgrund seines Amtes sogleich rügen müsste5. Die Ausnutzung von internen, nicht – oder noch nicht – allgemein bekannten Informationen für eigene Zwecke stellt insbesondere dann einen Verstoß gegen die Treupflichten dar, wenn das Aufsichtsratsmitglied mit diesem „Insiderwissen“ eigene Geschäftsverbindungen zu Dritten auf- oder ausbaut 1 2 3 4 5

Ulmer, NJW 1980, 1603, 1606 f. Fleck in FS Heinsius, 1991, S. 89, 92. Fleck in FS Heinsius, 1991, S. 89, 93. Dazu Lutter, Kölner Komm. AktG, § 57 Rn. 15 ff. Ulmer, NJW 1980, 1603; Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 240 f. und BGH v. 21.12.1979 – II ZR 244/78, NJW 1980, 1629.

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Rechte der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder

§ 12

und dabei der Gesellschaft Nachteile entstehen1. Denkbar ist z.B., dass ein Aufsichtsratsmitglied mit seinen im Amt erworbenen Kenntnissen über Absatzorganisation und Kundenkreis der Gesellschaft sich dieser gegenüber Wettbewerbsvorteile verschafft und durch Eigengeschäfte Erwerbschancen der Gesellschaft vereitelt2. Probleme können sich auch ergeben, wenn ein Aufsichtsratsmitglied 883 vom Vorstand mit der Ausführung eines Geschäfts einschließlich der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen beauftragt wird. Überschreitet die vereinbarte Vergütung den üblichen Maklerlohn, so liegt eine Pflichtverletzung vor3. Provisionen, die ein von seiner Gesellschaft beauftragtes Aufsichtsratsmitglied von der Gegenseite erhält, muss es – abweichende Vereinbarungen sind möglich – gemäß §§ 675, 667 BGB herausgeben4. Handelt das Aufsichtsratsmitglied dagegen nicht im Auftrag des Vor- 884 stands, liegt eine Pflichtverletzung darin, dass es sich von einem Dritten eine Provision für die Bemühungen versprechen lässt, ihm einen Auftrag der Gesellschaft zu verschaffen. Solche „Schmiergelder“ kann und muss die Gesellschaft nach §§ 687 Abs. 2, 681 Satz 2, 667 BGB stets herausverlangen5. Das Aufsichtsratsmitglied sollte also über seine besonderen Pflichten bei der Ausgestaltung von Drittbeziehungen zur Gesellschaft nicht sorglos hinwegsehen, insbesondere offen informieren und strikt das at-arms-lengths-Prinzip beachten. Andernfalls drohen Schadensersatzforderungen der Gesellschaft nach §§ 93 Abs. 2, 116 Satz 1 AktG, die je nach Umfang der Geschäfte beträchtliche Summen erreichen können.

1 Fleck in FS Heinsius, 1991, S. 89, 100. Für den Nachteil ist ein Schaden im Sinne der §§ 249, 252 BGB nicht erforderlich; es genügen alle immateriellen Schäden, so die Störung der Planungen der Gesellschaft oder Ansehensminderung und Vertrauensverlust durch Weitergabe von Insiderinformationen, Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 417. 2 Zur missbräuchlichen Ausnutzung von durch die Aufsichtsratsstellung erlangten Informationen für Geschäfte mit Wertpapieren („Insiderhandel“) vgl. Fleck in FS Heinsius, 1991, S. 89, 101 ff. 3 Ein derartiger Vertrag fällt außerdem unter § 114 AktG, wenn er dienstvertragsähnlich ist, also der Auftraggeber entgegen § 652 BGB Honorar auch dann schulden soll, wenn die Bemühungen des Aufsichtsratsmitglieds erfolglos waren, Fleck in FS Heinsius, 1991, S. 89, 104. 4 Fleck in FS Heinsius, 1991, S. 89, 107 ff. 5 Ein Schaden im Sinne von §§ 93 Abs. 2, 116 Satz 1 AktG wird nicht immer nachweisbar sein, dazu ausführlich Fleck in FS Heinsius, 1991, S. 89, 107 ff.

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§ 12

Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

III. Pflichten und Pflichtenkollisionen der Aufsichtsratsmitglieder 1. Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder 885

Jedes Aufsichtsratsmitglied ist verpflichtet, an der Erfüllung der dem Aufsichtsrat obliegenden Aufgaben mitzuwirken, und hat dazu seine gesetzlichen Rechte zu nutzen. Diese Mitwirkungspflichten lassen sich wie folgt bündeln1: a) Pflicht zur Mitarbeit

886

Jedes Aufsichtsratsmitglied ist verpflichtet, im Aufsichtsrat mitzuwirken. Hierbei handelt es sich gewissermaßen um die Grundpflicht eines jeden Aufsichtsratsmitgliedes. Dieses hat im Rahmen dieser Pflicht regelmäßig an den Aufsichtsratssitzungen teilzunehmen und sich auf diese vorzubereiten, da ohne Vorbereitung eine effektive Aufsichtsratsarbeit nicht möglich ist. Wird dem Aufsichtsratsmitglied seitens des Gesamtaufsichtsrats ein Auftrag übertragen, muss es diesen gewissenhaft wahrnehmen2. b) Pflicht zur Urteilsbildung

887

Aus der Pflicht zur Mitarbeit erwächst sodann die Pflicht, sich ein Urteil über Verhandlungsgegenstände des Gesamtaufsichtsrats oder des Aufsichtsratsausschusses zu machen3. Für Aufsichtsratsmitglieder, die nicht Mitglied eines Ausschusses sind, ist die Pflicht zur Mitarbeit und zur Urteilsbildung eingeschränkt. Es existiert gewissermaßen eine gestaffelte Verantwortlichkeit: Im Rahmen der Aufgaben des Ausschusses sind in erster Linie dessen Mitglieder für die sorgfältige Erfüllung verantwortlich. Die Pflicht der übrigen Aufsichtsratsmitglieder beschränkt sich auf die Überwachung der Ausschusstätigkeit durch das Plenum und insofern auf Mitarbeit und Urteilsbildung4. 1 Vgl. zu den Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder auch Mertens, Kölner Komm. AktG, § 116 Rn. 9 ff.; Semler in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 1 Rn. 255; Deckert, DZWir 1996, 406, 407 ff. 2 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 116 Rn. 10; Habersack, MünchKomm. AktG, § 116 Rn. 31. 3 Betreffend das Mitglied eines freiwilligen Aufsichtsrats bei der PublikumsKG OLG Düsseldorf v. 8.3.1984 – 6 U 75/83, WM 1984, 1080, 1084 ff. = AG 1984, 273. 4 A.A. diesbezüglich Mertens, Kölner Komm. AktG, § 116 Rn. 10: Ein Aufsichtsratsmitglied, das nicht dem Ausschuss angehört, brauche an dessen Arbeit keinen Anteil zu nehmen und trage auch nicht die Verpflichtung zur

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Pflichten und Pflichtenkollisionen

§ 12

c) Insbesondere: Pflicht zur persönlichen Urteilsbildung über die Eignung des Vorstands Eng mit dem Überwachungsauftrag des Aufsichtsrats verbunden ist 888 die Pflicht eines jeden Aufsichtsratsmitgliedes, sich ein Urteil über die Eignung der Vorstandsmitglieder für die Leitung des Unternehmens und seiner Ressorts zu bilden. Das gilt nicht nur allgemein, sondern speziell im Hinblick auf eine Wiederbestellung. Im Übrigen hat sich jedes Aufsichtsratsmitglied an der Suche und an der Willensbildung zu beteiligen oder aber – sofern es in den entsprechenden Aufsichtsratsausschuss delegiert ist – bereits bei der Vorauswahl potentieller Vorstandsmitglieder mitzuwirken1. d) Organisationspflicht Die Organisationspflicht beschreibt die Pflicht eines Aufsichtsrats- 889 mitgliedes, auf eine dem Gesetz entsprechende und funktionsgerechte Organisation und Arbeitsweise des Aufsichtsrats hinzuwirken2. Sie dient der Sicherung der effizienten Arbeitsweise des Aufsichtsrats. Daher ist ein Aufsichtsratsmitglied auch verpflichtet, notfalls Verbesserungsvorschläge für die Arbeitsweise des Aufsichtsrats zu machen. Zur Organisationspflicht gehört es auch, in dringenden Fällen die Einberufung des Aufsichtsrats zu verlangen oder diese zu erzwingen3. Ebenso ist die Pflicht zu nennen, gegebenenfalls auf den Ausschluss eines anderen Aufsichtsratsmitgliedes hinzuwirken4. e) Informationspflicht Ein Aufsichtsratsmitglied muss sich ferner über alle für die Tätigkeit 890 des Aufsichtsrats erforderlichen Angelegenheiten informieren. Ziel der Informationspflicht ist es, dass das Aufsichtsratsmitglied mit allen nötigen Informationen versorgt ist, die für eine Urteilsbildung über Beschlussgegenstände des Aufsichtsrats oder des Aufsichtsratsausschusses erforderlich sind. Zu diesem Zweck muss es sich über alle Berichte des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat gemäß § 90

1 2 3 4

Kontrolle der Ausschussarbeit. Diese Ansicht wird dem Überwachungsauftrag des Gesamtaufsichtsrats nicht gerecht. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 116 Rn. 15; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 116 Rn. 152. Mertens, Kölner Komm. AktG, § 116 Rn. 11; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 116 Rn. 120 ff.; vgl. auch Potthoff/Trescher/Theisen, Der Aufsichtsrat, Rn. 796 ff. § 110 AktG. § 103 AktG; siehe dazu sogleich unter Rn. 930 ff.

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§ 12

Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

AktG in Kenntnis setzen1. Reicht dies nicht aus, um sich ein Bild von der Lage der Gesellschaft zu machen, muss das Aufsichtsratsmitglied unter Umständen von seinem individuellen Recht auf zusätzliche Berichterstattung aus § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG Gebrauch machen2. f) Prüfungspflicht 891

§ 171 Abs. 1 AktG weist dem Aufsichtsrat die spezielle Pflicht zu, den Jahresabschluss, den Lagebericht und den Vorschlag für die Verwendung des Bilanzgewinnes zu prüfen und nach § 171 Abs. 2 Satz 3 AktG zum Prüfungsbericht Stellung zu nehmen. Darüber hinaus hat der Aufsichtsrat die Pflicht, den Vertrag mit dem von der Hauptversammlung gewählten Abschlussprüfer abzuschließen (§ 111 Abs. 2 Satz 3 AktG). Hierbei handelt es sich freilich um eine Pflicht des Aufsichtsrats als Kollegialorgan. Gleichwohl hat hieran jedes Mitglied des Aufsichtsrats durch seine Urteilsbildung mitzuwirken. g) Pflicht zum Einschreiten bei Anhaltspunkten für eine Pflichtverletzung des Vorstands

892

Der Überwachungspflicht des gesamten Aufsichtsrats entspringt die Pflicht eines jeden Aufsichtsratsmitgliedes, ein ihm bekannt gewordenes Fehlverhalten des Vorstands oder eine Verletzung seiner Geschäftsführungspflichten den anderen Aufsichtsrats- oder Ausschussmitgliedern oder wenigstens dem Aufsichtsratsvorsitzenden bekanntzumachen. Letzteres wird in der Praxis die sinnvollste Methode sein, um das Vertrauensverhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat nicht zu zerstören.

2. Die Verpflichtung auf das Wohl der Gesellschaft 893

Die Mitglieder des Aufsichtsrats sind in ihrer Funktion nicht Vertreter von Partikularinteressen ihrer Wähler, sondern sind alle gleichermaßen allein auf das Wohl der Gesellschaft verpflichtet. Dies ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung des § 116 i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG. Obwohl im Gesetz der Begriff des Wohles der Gesellschaft gewählt wurde3, entspricht diese Verpflichtung der schon vor der Geset-

1 Dem korrespondiert die Pflicht des Aufsichtsratsvorsitzenden, die Berichte den einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern auszuhändigen; vgl. Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 184. 2 Siehe dazu oben unter Rn. 212 ff. 3 Die Formulierung ist erst mit der sog. Business Jugdment Rule (dazu Lutter, ZIP 2007, 841) durch das UMAG ins AktG gekommen.

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Pflichten und Pflichtenkollisionen

§ 12

zesänderung anerkannten Verpflichtung der Aufsichtsratsmitglieder auf das Unternehmensinteresse1. Dieses ist weder mit den Interessen der Aktionäre noch denen der Arbeitnehmer, weder mit dem der Vertragspartner noch mit dem der Region oder der Allgemeinheit identisch, sondern ist das Ergebnis einer Abwägung der verschiedenen betroffenen Individualinteressen im Einzelfall. Folgt die Gesellschaft dem shareholder-value-Ansatz, so bedeutet das zwar eine (zulässige) Verschiebung zugunsten der Interessen der Aktionäre. Dies bedeutet aber nicht, dass andere Individualinteressen vollständig ausgeblendet werden dürften. Gleiches gilt umgekehrt bei Befolgung des stakeholder-Ansatzes2. Was im Unternehmensinteresse also zu tun ist, lässt sich nicht in abstrakter Form objektiv vorweg bestimmen, sondern bedarf der Entscheidung aus der Sicht des Unternehmens und seiner Bedürfnisse im Einzelfall3. Das heißt aber nicht, dass dieser Interessenausgleich sich im „Zusammenraufen“ faktisch voneinander abhängiger Interessenvertreter vollzieht4; vielmehr ist jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied verpflichtet, bei seiner persönlichen Meinungsbildung selbst alle betroffenen Interessen zu berücksichtigen und gegeneinander sub specie des Unternehmens abzuwägen5. Das Ergebnis dieser Abwägung ist objektiver Beurteilung nur begrenzt zugänglich; durchaus möglich ist es aber, die Überschreitung bestimmter, allerdings weit gesteckter, vom vertretbaren Ermessen nicht mehr gedeckter Grenzen festzustellen6, die jedenfalls dort überschritten sind, wo der langfristige Bestand des Un1 Ganz h.M. in Rechtsprechung und Lehre, vgl. etwa BVerfG v. 1.3.1979 – 1 BvR 532/77, BVerfGE 50, 290, 374 sowie BGH v. 29.1.1962 – II ZR 1/61, BGHZ 36, 296, 306, 310 und BGH v. 9.7.1979 – II ZR 118/77, NJW 1979, 1823, 1826; zur Gleichwertigkeit beider Begriffe vgl. Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 116 Rn. 34; BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 253 und 255; in der Lit. vgl. etwa Mertens, Kölner Komm. AktG, Vorbem. § 95 Rn. 9 ff.; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 108 f.; Potthoff/ Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 923 ff. 2 Hüffer, ZHR 161 (1997), 214, 217 f.; Mülbert, ZGR 1997, 129, 140 ff.; aus der Sicht des Vorstands v. Werder, ZGR 1998, 69, 77 ff. 3 Ebenso Koch, Unternehmensinteresse, S. 66. 4 So aber die Vertreter des sog. Konfliktmodells, vgl. Laske, ZGR 1979, 173; Naendrup, GK-MitbestG, § 25 Rn. 190; Köstler/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rn. 586 ff. 5 So das von der h.M. vertretene sog. Integrationsmodell; vgl. hierzu Mertens, Kölner Komm. AktG, Vorbem. § 95 Rn. 9 m.w.N.; Semler, MünchKomm. AktG, 2. Aufl., § 116 Rn. 177 f. sowie Habersack, MünchKomm. AktG, 3. Aufl., § 116 Rn. 44 und 46; Möllers in Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 413 ff.; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 108. 6 Ebenso Ulmer, Der Einfluss des Mitbestimmungsgesetzes, S. 31; Schilling, ZHR 144 (1980), 136, 144; Brinkmann, Unternehmensinteresse und Unternehmensstruktur, S. 199 ff.; Teubner, ZHR 149 (1985), 470, 485 ff.; so wohl auch Mertens, Kölner Komm. AktG, Vorbem. § 95 Rn. 10 f.

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§ 12

Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

ternehmens gefährdet wird1: In jedem Unternehmen wie in jeder lebendigen Einheit muss gelegentlich unter nur nachteiligen Optionen entschieden werden (Verluste oder Entlassung von wichtigem Fachpersonal; höhere Kosten oder Verlängerung des Streiks etc.). Aber die langfristige Perspektive des Unternehmens, das nur mit ausreichenden Erträgen überleben und konkurrenzfähig bleiben kann, muss stets beachtet werden. Beschlüsse, die hiergegen verstoßen, sind unwirksam (dazu bereits oben Rn. 734 ff.); Mitglieder, die solche Beschlüsse anregen und mittragen, machen sich der Gesellschaft gegenüber schadensersatzpflichtig – gleichgültig, zu welcher Gruppe von Mitgliedern sie gehören (Rn. 984 ff.).

3. Interessenkonflikte 894

Die Aufsichtsratsmitglieder sind dem Wohl der Gesellschaft (Unternehmensinteresse) verpflichtet; in der Regel stehen sie aber – begünstigt durch die Ausgestaltung des Aufsichtsratsmandates als Nebenamt2 – auch noch in anderen Rollen und Pflichten, die sie unter Umständen in divergierende Interessen einbinden3. a) Gesetzliche Rahmenbedingungen

895

Die aus solchen Situationen entstehenden Konflikte haben erst in jüngerer Zeit verstärkt Beachtung gefunden4. Das Gesetz nimmt manche Konflikte grundsätzlich hin, beispielsweise bei der unternehmerischen Mitbestimmung. Zur präventiven Bekämpfung von Konfliktsituationen verlangt § 125 Abs. 1 Satz 3 AktG nunmehr, dass in börsennotierten Gesellschaften bei der Aufsichtsratswahl neben Be1 Ebenso etwa Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 94; Mertens, Kölner Komm. AktG, Vorbem. § 95 Rn. 10; Raisch in FS Hefermehl, 1976, S. 347, 361; Raiser in FS R. Schmidt, 1976, S. 101, 105, 107, 109; mit wesentlich strengeren Anforderungen Wiedemann, BB 1978, 5, 10 f.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I, S. 625 ff.; Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 12 Rn. 93; skeptisch gegenüber diesem Ansatz Jürgenmeyer, Das Unternehmensinteresse, 1984, S. 104 ff.; ebenso Kübler/ Assmann, Gesellschaftsrecht, § 14 III.2a). 2 So schon Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 235; vgl. auch Potthoff/Trescher/ Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 790; Lutter in FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 245, 252. 3 Lutter in FS Coing, 1982, S. 565 ff.; Lutter, ZHR 145 (1981), 224 ff.; Lutter in FS Priester, 2007, S. 471 ff.; Lutter in FS Canaris, 2007 Bd. II, S. 245, 252. 4 Vgl. etwa Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 12 Rn. 79 ff.; Roth/Wörle, ZGR 2004, 565 ff.; Säcker, AG 2004, 180, 182 ff.; Hopt, ZGR 2004, 1 ff.; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 500 ff.; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 65 ff.; Potthoff/ Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 929 ff.; Krebs, Interessenkonflikte, passim.

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Pflichten und Pflichtenkollisionen

§ 12

ruf und Wohnort (§ 124 Abs. 3 Satz 2 AktG) weitere Aufsichtsratsmandate der Kandidaten angegeben werden. Dies gilt auch für Mitgliedschaften in vergleichbaren in- und ausländischen Kontrollgremien. In börsennotierten Gesellschaften und Kreditinstituten müssen zudem anderweitige Vorstands- und Aufsichtsratsmandate im Anhang zum Jahresabschluss angegeben werden (§§ 285 Nr. 10, 340a Abs. 4 Nr. 1 HGB). Die Aktionäre sollen so sich abzeichnende Risiken für Interessenkonflikte frühzeitig erkennen können1. Gleichwohl kann ein Aufsichtsratsmitglied, dessen Einsatzfähigkeit im Aufsichtsrat z.B. durch Tätigkeit in einem Konkurrenzunternehmen faktisch nicht mehr gegeben ist, im Abberufungsverfahren nicht einwenden, die Aktionäre hätten doch von seiner Sondersituation gewusst und sie billigend in Kauf genommen. Ein solcher Einwand würde voraussetzen, dass die Aktionäre über die Amtsfähigkeit einer Person entscheiden könnten. Das aber trifft nicht zu, wie das Gesetz an vielen Stellen deutlich macht2. b) Unterschiedliche Konflikte Zu unterscheiden sind einfache Interessenkonflikte und Pflichtenkol- 896 lisionen3. Bei Interessenkonflikten widerstreiten die Unternehmensinteressen den eigenen Interessen des Aufsichtsratsmitgliedes4. Bei Pflichtenkollisionen kollidiert die Pflicht zur Wahrnehmung des Unternehmensinteresses mit der Pflicht zu einem abweichenden Verhalten aus einem anderen Rechtsverhältnis. c) Konfliktlösung Zuvörderst gilt der Grundsatz der Rollentrennung: Das einzelne Mit- 897 glied hat zwischen seinen verschiedenen Rollen zu unterscheiden, das jeweilige Unternehmensinteresse zu beachten und seine Mitarbeit im Aufsichtsrat daran auszurichten5. So darf sich die Zustimmung zu einer Übernahme der Gesellschaft nicht aus dem Wunsch herleiten, nach der Übernahme Vorstandsvorsitzender der nunmehr konzernierten Tochter zu werden.

1 Vgl. Begr. RegE zu § 124 AktG, BT-Drucks. 13/9712, S. 17; vgl. auch Mülbert, Gutachten E zum 61. DJT, 1996, E 108; Hopt, AG 1997, 42, 43; Kübler, AG 1997, 48, 50; Mertens, AG 1997, 70. 2 Vgl. §§ 85 Abs. 1, 88, 103, 105 AktG. 3 Siehe schon Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 231; Werner, ZHR 145 (1981), 252, 257; Dreher, JZ 1990, 896, 900; Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 12 Rn. 96; ebenso Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 56 ff. 4 Vgl. Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 56. 5 Dreher, JZ 1990, 896, 990; Deckert, DZWir 1996, 406, 409; Möllers in Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 413.

347

§ 12

Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

898

In vielen Fällen indes hilft der Grundsatz der Rollentrennung nicht weiter: Das Aufsichtsratsmitglied kann die eigenen oder fremden Interessen nicht ausblenden oder – unabhängig davon – sein Mitwirken würde zu einer erheblichen Störung der vertrauensvollen Zusammenarbeit führen.

899

Das Gesetz sieht hier folgende Lösungsmöglichkeiten vor: Liegt ein Fall des „Richtens in eigener Sache“ vor, steht dem Betreffenden bereits von Gesetzes wegen kein Stimmrecht zu1. Dies folgt aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz der §§ 34 BGB und 47 Abs. 4 GmbHG2.

900

In anderen Fällen kann die Treupflicht dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied gebieten, seine Mitwirkung im Aufsichtsrat – in Abhängigkeit von Dauer und Intensität des Konfliktes – zu beschränken. Als „Ultima Ratio“3 kommt die Niederlegung in Betracht, wenn auch nach Beendigung des Konfliktes eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Aufsichtsrat nicht mehr möglich ist. Kommt der Betreffende seiner Pflicht zur Niederlegung nicht nach, kann er nach § 103 AktG abberufen werden.

901

Ist hingegen nach Beendigung des Konfliktes eine vertrauensvolle Mitarbeit noch möglich, ist ein Ruhenlassen des Mandates für die Dauer des Konfliktes ausreichend. Während dieser Zeit entfällt nicht nur das Stimmrecht; das Aufsichtsratsmitglied muss auch den Sitzungen des Aufsichtsrats fernbleiben4.

902

In vielen Fällen indes reicht es aus, sich in der konkreten Konfliktsache von jeder Mitwirkung und erst recht von jeder Stimmabgabe fernzuhalten5. Darüber hinaus sind die anderen Aufsichtsratsmitglieder (ggf. über den Aufsichtsratsvorsitzenden) über den Konflikt zu informieren6. Und schließlich soll der Aufsichtsrat über den Konflikt sogar in seinem Jahresbericht an die Hauptversammlung berichten7.

903

Gleiches gilt im Übrigen auch für Tätigkeiten in einem Ausschuss. Soll etwa der Prüfungsausschuss ein Geschehen im Unternehmen 1 Das Stimmrechtsverbot aus § 34 BGB hat dingliche Wirkung; vgl. Jauernig, Komm. BGB, § 34 Rn. 3. 2 Näher zum Verbot des „Richtens in eigener Sache“ siehe unten unter Rn. 904 ff. 3 Siehe Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 73; Häuser, Interessenkollisionen, S. 158. 4 A.A. der BGH in seiner Entscheidung vom 2.4.2007 – II ZR 325/05, WM 2007, 1025, der dem betroffenen Aufsichtsratsmitglied die Teilnahme an der Sitzung erlaubt. 5 Stimmenthaltung allein genügt nicht; vgl. Lutter in FS Priester, 2007, S. 417 ff. sowie Lutter in FS Canaris, 2007, Bd. II, S. 245 ff.; ähnlich Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 62 m.w.N. in Fn. 99. 6 Kodex Ziff. 5.5.2. 7 Kodex Ziff. 5.5.3.

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Pflichten und Pflichtenkollisionen

§ 12

untersuchen, so ist ein auch nur möglicherweise involviertes Ausschussmitglied für die Zeit der Überprüfung ex lege ausgeschlossen. d) Fallgruppenbildung1 aa) Einfache Interessenkonflikte Interessenkonflikte entwickeln sich in der Praxis zumeist in drei Be- 904 reichen: Der erste Bereich betrifft Verträge mit der Gesellschaft, die der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen. Gesetzlich zustimmungspflichtig sind Beratungsverträge (§ 114 AktG) und Kreditverträge (§ 115 AktG). Darüber hinaus kann die Satzung (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG) den Abschluss weiterer Verträge an die Zustimmung des Aufsichtsrats binden. Der zweite Bereich betrifft korporationsrechtliche Geschäfte (Wahl zum Vorstand, zum Aufsichtsratsvorsitzenden, zum Ausschussvorsitzenden etc.). Zum dritten Bereich gehören für das einzelne Aufsichtsratsmitglied nachteilige Maßnahmen (Einleitung oder Beendigung eines Rechtsstreites, die Verweigerung der Teilnahme an einem bestimmten Ausschuss usw.). In diesen Fallgruppen geht es zum einen um die Frage des Stimm- 905 rechts, zum anderen um die Frage, ob das Mitglied auch bei der Beratung anwesend sein darf2. Bei der Vertragszustimmung oder bei nachteiligen Rechtsgeschäften hat der Betreffende kein Stimmrecht3. Es gilt der Rechtsgrundsatz der § 34 BGB bzw. § 47 Abs. 4 GmbHG (Verbot der Entscheidung in eigener Sache)4. Hiergegen lässt sich nicht einwenden, die Mitwirkung des Aufsichtsrats sei lediglich „nachgeschaltet“5, würde dadurch doch der Überwachungsauftrag des Aufsichtsrats zur Gänze in Frage gestellt. Demgegenüber besteht das Stimmrecht, wenn es um die Wahl zum Vorstandsmitglied, Aufsichtsratsvorsitzenden etc. geht. Hier ist – ähnlich wie bei Adenauers 1 Vgl. dazu schon Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 231 ff.; Werner, ZHR 145 (1981), 252, 259; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1604 ff. 2 Vgl. Deckert, DZWir 1996, 406, 409. 3 Nahezu einhellige Ansicht; vgl. Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 58; Deckert, DZWir 1996, 406, 409, jeweils m.w.N. gegen einen Stimmrechtsausschluss bei der Frage der Abberufung eines Mitgliedes als Organ Weick in Staudinger, Komm. BGB, § 34 Rn. 15. 4 Manche Autoren wollen die genannten Vorschriften direkt anwenden; vgl. Meilicke in FS W. Schmidt, 1959, S. 71, 85 f.; zum Teil wird eine analoge Anwendung befürwortet: Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 44; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 108 Rn. 54; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 66; Reuter, MünchKomm. BGB, § 34 Rn. 4; Werner, ZHR 145 (1981), 252, 266; tatsächlich ist ein allgemeiner Rechtsgedanke anzunehmen: Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 247; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 610. 5 So aber Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 12 Rn. 119.

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§ 12

Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

Wahl zum Bundeskanzler – die Selbstwahl erlaubt1. Indes wird es ein Akt der Höflichkeit sein, sich der Diskussion zu enthalten. Anders beim Stimmrechtsausschluss2: Hier ist das Mitglied auch von jeder anderen Art der Mitwirkung ausgeschlossen3. Es darf an keiner Beratung mitwirken, denn sein gesamtes Handeln ist von der Tatsache geprägt, dass es nicht im alleinigen Interesse der Gesellschaft handeln kann4. 906

Gleiches gilt im Übrigen auch für Tätigkeiten in einem Ausschuss. Soll etwa der Prüfungsausschuss ein Geschehen im Unternehmen überprüfen, so ist ein auch nur möglicherweise involviertes Ausschussmitglied für die Zeit dieser Überprüfung ex lege von der Mitwirkung im Ausschuss ausgeschlossen. bb) Pflichtenkollisionen (1) Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat

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Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat stehen regelmäßig in einem Konflikt: Einerseits erwartet ihre Wählerschaft die Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen. Andererseits müssen sie den Vorstand unter den Aspekten des Wohls des Unternehmens überwachen. Das Gesetz akzeptiert diesen Konflikt, sind doch die Arbeitnehmervertreter wie alle Aufsichtsratsmitglieder dem Unternehmensinteresse verpflichtet5. Gleichwohl gibt es bestimmte Situationen, in denen sich der Konflikt nicht lösen lässt und eine objektive Teilnahme an Beratung und Stimmausübung gefährdet ist: – Arbeitskämpfe

908

Rechtswidrige Streiks widersprechen dem Unternehmensinteresse; Arbeitnehmervertretern ist daher die Teilnahme verwehrt. Anders bei rechtmäßigen Arbeitskämpfen: Hier ist die Teilnahme, z.B. durch Arbeitsniederlegung, mit dem Aufsichtsratsmandat vereinbar6, einer 1 Weick in Staudinger, Komm. BGB, § 34 Rn. 14; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 198 Rn. 49 m.w.N.; vgl. auch RGZ 60, 172 betreffend den Stimmrechtsausschluss eines Aktionärs bei seiner Wahl in den Aufsichtsrat. 2 Behr, AG 1984, 281, 282 f.; ablehnend Dreher, JZ 1990, 896, 901; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 502. 3 Dazu Lutter in FS Priester, 2007, 417 ff. A.A. BGH v. 2.4.2007 – II ZR 325/05, WM 2007, 1025, der die Teilnahme an der Beratung erlaubt. 4 Ähnlich auch Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 100 Rn. 169. 5 Deckert, DZWir 1996, 406, 409, 410. 6 H.M. vgl. Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 117; Raiser, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 140 f.; Uwe H. Schneider, GK-MitbestG, § 29 Rn. 21; jeweils m.w.N. Zum Teil wird jedoch eine Teilnahme von Arbeitnehmervertretern bei Beratungen und Abstimmungen insofern verneint, als sie das Verhalten des Unternehmens im Arbeitskampf betreffen; vgl. Hoffmann/Preu, Der Auf-

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Pflichten und Pflichtenkollisionen

§ 12

aktiven Teilnahme sind indes Grenzen gesetzt: Postenstehen, Verteilen von Flugblättern oder gar gegen das Unternehmen gerichtete polemische Reden widersprechen dem Unternehmensinteresse. Insofern ist für Arbeitnehmervertreter in einem Arbeitskampf Zurückhaltung angezeigt1. Daran hat es der Vorsitzende der Gewerkschaft Ver.di im Konflikt mit der Lufthansa AG, deren stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender er ist, fehlen lassen; ihm ist daher zu Recht die Entlastung verweigert worden2. Ein am Streik beteiligter Arbeitnehmervertreter darf nicht an Aufsichtsratssitzungen teilnehmen, sofern es um Informationen über die von der Arbeitgeberseite (Vorstand) geplanten Gegenmaßnahmen, wie z.B. Aussperrung, geht, besteht doch nicht nur ein evidenter Interessenkonflikt, sondern auch eine erhebliche Gefahr der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht. Das gilt auch für ein Aufsichtsratsmitglied, das gleichzeitig Verhandlungsführer der Gewerkschaft in einem Tarifkonflikt mit der Gesellschaft ist3. – Betriebsvereinbarungen und Haustarifverträge Bei der Abstimmung über eine Betriebsvereinbarung oder einen Haus- 909 tarifvertrag im Aufsichtsrat geht der Arbeitnehmervertreter nicht „automatisch“ seines Stimmrechts verlustig. Etwas anderes gilt, wenn der Arbeitnehmervertreter zuvor als Mitglied des Betriebsrates oder als Gewerkschaftsvertreter maßgeblich für das Zustandekommen der Betriebsvereinbarung oder des Haustarifvertrages gesorgt hat. Nicht einwenden lässt sich hier, die Betriebsvereinbarung diene in aller Regel dem Unternehmensinteresse. Dies zu prüfen ist ja gerade Aufgabe des Aufsichtsrats4! Vielmehr gilt der Grundsatz des § 34

1

2 3 4

sichtsrat, Rn. 502 f.; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 26 MitbestG Rn. 29; zur Streikteilnahme ausführlich Mertens, AG 1977, 306, 312 ff. unter Betonung des Unternehmensinteresses; Seiter in FS Müller, 1981, S. 589, 599 ff. Dazu ausführlich Lutter/Quack in FS Raiser, 2003, S. 259, 266; Mertens, Kölner Komm. AktG, Anh. § 96 Rn. 97; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 116 Rn. 206 ff.; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 940; a.A. Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 118 ff.; Raiser, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 141 ff.; Gach, MünchKomm. AktG, § 25 MitbestG Rn. 20 f.; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1604 in Fn. 14. Eingehend dazu Lutter/Quack in FS Raiser, 2003, S. 259, 266. Lutter, FAZ v. 15.6.2007. Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 12 Rn. 129, vertritt ferner die These, dass eine Konfliktlösung bereits vorher auf organisatorischem Wege durch Ausschussbildung gefunden werden muss. Alles andere sei mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Aufsichtsratsmitglieder nicht vereinbar.

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§ 12

Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

BGB: Der Arbeitnehmervertreter hat bei der Abstimmung kein Stimmrecht1. 910

Eine Teilnahme an der Beratung ist hingegen möglich, wenn der Interessenkonflikt für alle anderen Aufsichtsratsmitglieder offenkundig ist. Der betreffende Arbeitnehmervertreter fungiert gewissermaßen als Sachverständiger für die Arbeitnehmerinteressen, die ins Unternehmensinteresse mit einfließen. (2) Konflikte im Konzern – Vertragskonzerne

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Personelle Verflechtungen im Konzern führen unter Umständen zu Interessenkonflikten. Bei Vertragskonzernen unterstellt sich die abhängige Gesellschaft durch den Beherrschungsvertrag (§ 291 AktG) dem herrschenden Unternehmen und hat dessen Weisungen Folge zu leisten (§ 308 Abs. 2 AktG). Auch nachteilige Weisungen sind zulässig, sofern sie im Konzerninteresse2 liegen3 und nicht unverhältnismäßig sind4. Dies haben die Aufsichtsratsmitglieder der Untergesellschaft – also auch Doppelmandatsträger – zu berücksichtigen: Sie haben ihre Überwachungstätigkeit am Interesse des herrschenden Unternehmens auszurichten, dürfen aber auch das isolierte Interesse der Untergesellschaft nicht aus dem Blick verlieren. Nachteilige Auswirkungen für die Untergesellschaft sind im Auge zu behalten und daraufhin zu prüfen, ob sie vom Interesse des herrschenden Unternehmens erfasst und nicht unverhältnismäßig sind. Gegebenenfalls – z.B. durch Verweigerung seiner Zustimmung (§ 111 Abs. 4 AktG) – ist darauf hinzuwirken, dass die nachteilige Maßnahme unterbleibt. Das herrschende Unternehmen kann in diesem Fall die Weisung wiederholen. In diesem Fall ist die Zustimmung des Aufsichtsrats der Untergesellschaft nicht mehr erforderlich (§ 308 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 AktG), wohl aber die Zustimmung des Aufsichtsrats der Obergesellschaft (§ 308 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 AktG)5. 1 Ebenso Ulmer in Hanau/Ulmer, Komm. MitbestG, 1. Aufl., § 25 Rn. 28; anders jetzt Ulmer/Habersack in der 2. Aufl. in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 27, 28. 2 Zum Begriff des Konzerninteresses siehe Altmeppen, MünchKomm. AktG, § 308 Rn. 106 ff.; Emmerich//Habersack, Konzernrecht, § 23 V.2.; Geßler, ZHR 140 (1976), 433, 436 ff.; Sina, AG 1991, 1, 4 f. 3 Hüffer, Komm. AktG, § 308 Rn. 15. 4 Zur Unzulässigkeit existenzbedrohender Weisungen OLG Düsseldorf v. 7.6.1990 – 19 W 13/86, AG 1990, 490, 492; Krieger, Münchener Hdb. AG, § 70 Rn. 98; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 150; a.A. Koppensteiner, Kölner Komm. AktG, § 308 Rn. 32. 5 Zu den Informationsrechten des Aufsichtsrats in der Konzernobergesellschaft siehe Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 148 ff.; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 403 ff.

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Pflichten und Pflichtenkollisionen

§ 12

– Faktische Konzerne In faktischen Konzernen kommt es häufig vor, dass ein Vorstand der Obergesellschaft Mitglied im Aufsichtsrat der Tochtergesellschaft ist. Als Vorstand der Obergesellschaft hat das Aufsichtsratsmitglied die Konzerninteressen wahrzunehmen; zugleich ist er aber auch als Mandatsträger der Tochtergesellschaft deren Unternehmensinteresse verpflichtet.

912

Geht man von der Billigung faktischer Konzerne durch das Gesetz aus, gilt dies auch für den Vorrang des Konzerninteresses: Das Gesetz lässt für die Untergesellschaft nachteilige Maßnahmen zu, wenn sie von der Obergesellschaft ausgeglichen werden (§ 311 AktG). Dies haben die Aufsichtsratsmitglieder der Untergesellschaft – also auch die Doppelmandatsträger – zu berücksichtigen: Zu prüfen ist daher, ob nachteilige Handlungen im Konzerninteresse liegen und ob nachteilige Maßnahmen überhaupt ausgleichsfähig sind.

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(3) Konflikte von Repräsentanten öffentlicher Einrichtungen Häufig anzutreffen ist die Situation, dass ein Mitglied des Aufsichts- 914 rats zugleich Repräsentant einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung (Gebietskörperschaft) ist1. In solchen Fällen können Unternehmensinteresse und öffentliches Interesse auseinanderlaufen: So kann ein Vertreter der Landesregierung, der im Aufsichtsrat eines Autoherstellers sitzt, aus politischen Gründen gegen Entlassungen sein. Ein Vorrang öffentlicher Interessen vor dem Unternehmensinteresse besteht nicht2. Insbesondere können Weisungen aufgrund Landesrechts (z.B. §§ 107 ff. GO NW) gesellschaftsrechtliche Pflichten nicht aufwiegen (Art. 31 GG)3. Infolgedessen kann bei langfristigen Konflikten durchaus eine Abberufung aus wichtigem Grund in Betracht kommen4.

1 Zu der Situation im schweizerischen Recht siehe Forstmoser/Jaag, Der Staat als Aktionär, 2000, S. 37 ff.; zum deutschen Recht siehe Säcker in FS Rebmann, 1989, S. 781 ff. 2 Schwintoski, NJW 1995, 1316, 1318 f.; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 116 Rn. 33 m.w.N.; Säcker in FS Rebmann, 1989, S. 781, 788, 790. 3 Deklaratorisch daher etwa § 108 Abs. 5 Satz 5 GO NW, wonach Bindungen aufgrund der GO NW nicht gelten, sofern zwingende Vorschriften des Gesellschaftsrechts entgegenstehen; siehe auch Säcker in FS Rebmann, 1989, S. 781, 792. 4 Dazu OLG Hamburg v. 23.1.1990 – 11 W 92/89; WM 1990, 311 = AG 1990, 218; Decher, ZIP 1990, 311, 313 f.; Hirte, EWiR § 103 AktG 2/90, 219, 220; Säcker in FS Rebmann, 1989, S. 781, 788.

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§ 12

Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

(4) Konflikte durch Beteiligung von Bankenvertretern 915

Hier sind drei Problembereiche zu unterscheiden1: Ein erster Konfliktbereich besteht im Verhältnis der Gesellschaft zur Bank des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds in ihren verschiedenen Tätigkeitsbereichen2. Hier gilt der Grundsatz der Rollentrennung. Das Aufsichtsratsmitglied hat ausschließlich im Interesse dieser Gesellschaft tätig zu werden3.

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Ein zweiter Konfliktbereich liegt zwischen der Gesellschaft und der Bank als Vertragspartner eines Dritten. So war im Herstatt-Fall ein Vorstandsmitglied der Bank zugleich Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft und als solches in schwierige Sanierungsgespräche eingeschaltet4. Hier stellt sich die Frage, ob die Bank gegenüber ihren Kunden zur Aufklärung verpflichtet ist, wenn diese Geschäfte mit der Insolvenz-gefährdeten Gesellschaft abschließen wollen. Wäre der Bank das Sonderwissen „ihres“ Aufsichtsratsmitgliedes zuzurechnen, müsste sie ihre Kunden aufklären. Indes: Eine Zurechnung ist mit der Verschwiegenheitspflicht des Aufsichtsratsmitglieds nicht zu vereinbaren.

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Ein dritter Konfliktbereich entsteht dadurch, dass Bankenvertreter mehrere Aufsichtsratsmandate gleichzeitig innehaben. Handelt es sich bei den jeweiligen Mandatsgesellschaften um Konkurrenzunternehmen, liegt ein Fall wettbewerbsbedingter Inkompatibilität vor5. cc) Insbesondere: Interessenkonflikte bei Übernahmen6

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Bei Übernahmen kann es zu starken Interessenkonflikten kommen, wenn ein Vertreter des Bieters Mitglied im Aufsichtsrat der Zielge-

1 Interessenkonflikte durch Bankenvertreter waren bereits vor dem Ersten Weltkrieg bekannt und wurden in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts im Rahmen einer Enquetekommission breit erörtert; siehe Ausschuss zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft (Enquetekommission), I. Unterausschuss, 3. Arbeitsgruppe, 1928, S. 273, 329 ff.; vgl. auch Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 235; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1604. Indes: Der Gesetzgeber hat seitdem auf eine spezielle Regelung zur Lösung der Interessenkonflikte verzichtet. 2 Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 233 mit Beispielen auf S. 231 f. 3 BGH v. 21.12.1979 – II ZR 244/78, NJW 1980, 1629; zustimmend Ulmer, NJW 1980, 1603. 4 BGH v. 29.5.1978 – II ZR 89/76, WM 1978, 588; OLG Frankfurt v. 29.4.1976 – 1 U 184/75, WM 1976, 723; LG Frankfurt v. 11.9.1975 – 2/4 O 554/74 I R (gleicher Fall), WM 1975, 1118. Ausführliche Besprechung bei Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 238. 5 Vgl. bereits Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 238. 6 Dazu eingehend Hopt, Übernahmen, Geheimhaltung und Interessenkonflikte, ZGR 2002, 333 ff.; Heermann, WM 1997, 1689 ff.

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Pflichten und Pflichtenkollisionen

§ 12

sellschaft ist1. Gleiches gilt im umgekehrten Fall, wenn also ein Vertreter der Zielgesellschaft im Aufsichtsrat der Bietergesellschaft ist. (1) Freundliche Übernahme Bei einer freundlichen Übernahme sind Interessenkonflikte selten; 919 man ist sich über die Vorteilhaftigkeit der Übernahme für beide Gesellschaften einig. Gleichwohl entbindet dies den Aufsichtsrat nicht von seiner Überwachungsaufgabe. Unter Umständen ist der Vorstand der Zielgesellschaft nur wegen eines großzügigen Abfindungsangebotes oder wegen eines in Aussicht gestellten Managementpostens zur Übernahme bereit. Damit bleibt die Frage der Stimmberechtigung von Aufsichtsratsmitgliedern, die zugleich Vertreter der jeweils anderen Gesellschaft sind, bestehen. Bei auch nur leisen Anzeichen, dass die Übernahme nicht im Interesse der Gesellschaft liegen könnte, muss das Aufsichtsratsmitglied sein Mandat vorerst ruhen lassen oder, fraglos besser, ausscheiden. (2) Feindliche Übernahme Bei feindlichen Übernahmen bestehen regelmäßig erhebliche Interes- 920 senunterschiede zwischen Bieter- und Zielgesellschaft: Ist ein Aufsichtsratsmitglied der Zielgesellschaft zugleich Funktionsträger der Bietergesellschaft, kollidiert die Treupflicht gegenüber der Bietergesellschaft mit der gegenüber der Zielgesellschaft. Zumeist handelt es sich um einen Fall der wettbewerbsbedingten In- 921 kompatibilität2. Die Konkurrenzsituation ist in vielen Fällen gerade Auslöser des Übernahmeversuches: Der Konkurrent soll durch die Übernahme an die Kette genommen oder er soll zerschlagen werden, um sich wichtige Betriebseinheiten einzuverleiben. Besteht die Konkurrenzsituation schon bei Mandatsantritt, ist bereits die Bestellung unwirksam; entsteht sie erst später, liegt ein wichtiger Grund für die Abberufung des betroffenen Mandatsträgers im Sinne von § 103 Abs. 2 AktG vor3. Eine Konkurrenzsituation liegt bereits dann vor, wenn der Bieter zwar noch nicht auf dem gleichen Markt wie die Zielgesellschaft tätig ist, sich aber gerade durch die Übernahme eine Marktposition erschließen will. Dies ist der Fall, wenn Ziel der Übernahme die Erschließung eines neuen Geschäftsbereichs oder der Aufbau eines Standbeins im Ausland ist4. Ein Verbleib des betroffenen Aufsichtsratsmitgliedes ist hier selbst bei erfolgreicher Abwehr der Übernahme 1 2 3 4

Vgl. den Fall „Mc Graw-Hill“ bei Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 232. Vgl. Lutter in FS Beusch, 1993, S. 509, 515. Siehe dazu sogleich unter Rn. 930 ff. So beispielsweise die Übernahme von Voicestream in den USA durch die Deutsche Telekom AG.

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§ 12

Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

angesichts der nachhaltig gestörten Vertrauensbasis im Aufsichtsrat nicht hinzunehmen. Daher liegt ein wichtiger Grund im Sinne des § 103 Abs. 2 AktG vor. 923

Die soeben erörterte Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds der Zielgesellschaft verstößt nicht gegen das sog. Verhinderungsverbot des § 33 WpÜG (früher: Neutralitätsgebot). Denn der hier allein antragsberechtigte Aufsichtsrat und ggf. die Hauptversammlung unterliegen diesem gesetzlichen Verbot nicht1. (3) Bankenvertreter bei feindlichen Übernahmen

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Die Situation bei feindlichen Übernahmen ist bei Beteiligung von Bankenvertretern noch komplizierter; drei Fälle sind denkbar: Erstens kann ein Bankenvertreter Aufsichtsratsmitglied einer Zielgesellschaft sein, dessen Bank die Übernahme finanziell oder organisatorisch unterstützt2. Der Fall kann nicht anders entschieden werden, als säße ein Funktionsträger der Bietergesellschaft im Aufsichtsrat der Zielgesellschaft; denn der Bankenvertreter stammt gewissermaßen aus dem „Heerlager“ der Bietergesellschaft. Legt das Aufsichtsratsmitglied sein Mandat nicht freiwillig nieder3, besteht ein wichtiger Grund für die Abberufung (§ 103 Abs. 2 AktG).

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Zweitens kann ein Bankenvertreter im Aufsichtsrat der Bietergesellschaft sitzen und die Bank Hausbank der Zielgesellschaft sein. Der Fall liegt hier spiegelbildlich, so dass auch hier eine Abberufung angezeigt ist. Bei der dritten Konstellation sitzt ein Bankenvertreter im Aufsichtsrat sowohl der Ziel- als auch der Bietergesellschaft. Hier liegt erkennbar ein Sonderfall der Inkompatibilität vor, so dass – wenn nicht

1 Vgl. Krause/Pötzsch in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, Komm. WpÜG, 2005, § 33 Rn. 76–79; Röh in Haarmann/Schüppen, Frankfurter Komm. WpÜG, 2. Aufl. 2005, § 33 Rn. 79. 2 So war es tatsächlich beim Übernahmeversuch der Krupp-Hoesch AG bezüglich der Thyssen AG; vgl. im Übrigen den Fall „Übernahmekredit“ bei Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 232; eingehend dazu auch Hopt, Übernahme, Geheimhaltung und Interessenkonflikte, ZGR 2002, 333 ff. 3 Ein bloßes Ruhenlassen des Mandats kommt als milderes Mittel nicht in Betracht. Denn auch nach der Abwehr des Übernahmeversuchs wäre die Vertrauensbasis im Aufsichtsrat gestört. Das betroffene Mitglied wäre regelmäßig mit der Frage konfrontiert, warum es nicht früher von dem Übernahmevorhaben berichtet hat; a.A. Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 12 Rn. 171 mit dem Hinweis, dass eine Niederlegung des Mandats als Hinweis auf die bevorstehende Übernahme gewertet werden könnte. Hier stellt sich indes die Frage, ob nicht auch das Ruhenlassen des Mandates misstrauisch macht.

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Pflichten und Pflichtenkollisionen

§ 12

schon die Berufung unwirksam ist – eine Abberufung aus wichtigem Grund möglich ist1. e) Zusammenfassung Pflichtenkollisionen sind teilweise vom Gesetz veranlasst (Mit- 926 bestimmung), lassen sich mithin nicht vermeiden und müssen vom Betroffenen mit Sorgfalt und Fingerspitzengefühl gelöst werden. Teilweise sind sie die Folge einer nicht vorhersehbaren Entwicklung (feindliches Übernahmeangebot oder Aufnahme von Wettbewerbsaktivitäten in einem anderen Unternehmen des betreffenden Aufsichtsratsmitglieds), Kollisionen, die in der Regel durch Amtsniederlegung gelöst werden müssen, teilweise beruhen sie auf einem „Übernahmeverschulden“ des betreffenden Aufsichtsratsmitglieds, das vermieden werden muss. Auch Interessenkonflikte sind häufig schon in der Person des betref- 927 fenden Aufsichtsratsmitglieds angelegt (z.B. Vorstand eines Zulieferers im Aufsichtsrat des Autoherstellers, Vorstand der Hausbank im Aufsichtsrat), können sich aber auch sporadisch entwickeln. Hier kommt es auf die Intensität und Häufigkeit der Konflikte an: In der Regel können sie von Fall zu Fall durch Abstinenz von Beratung und Beschlussfassung, aber auch z.B. durch einen punktuellen Ausschuss, dem das betreffende Aufsichtsratsmitglied nicht angehört, gelöst werden; nur ausnahmsweise und insbesondere bei sich ständig wiederholenden Konflikten führen sie zur Pflicht der Amtsniederlegung. Jedenfalls hat das betroffene Aufsichtsratsmitglied die Pflicht, den anderen Mitgliedern seinen Interessenkonflikt offen zu legen2. Bestehen diese Konflikte breitflächig (z.B. durch Organtätigkeit in Konkurrenzunternehmen) ist das betreffende Mitglied amtsunfähig3. Die heute vorgeschriebene Mitteilung jedes Aufsichtsratsmitglieds und jeder zur Wahl anstehenden Person, über alle Mitgliedschaften in den Organen anderer in- und ausländischer Gesellschaften Auskunft zu geben (§§ 124, 125 AktG), legt die Gefahr solcher Pflichten- und Interessenkollisionen offen und sollte als Aufforderung des Gesetzes zur Vermeidung solcher Kollisionen verstanden werden.

1 Siehe dazu oben Rn. 915; anders Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 12 Rn. 157, der dem betroffenen Aufsichtsratsmitglied ein Wahlrecht einräumen will, in welcher der beiden Gesellschaften er das Mandat niederlegen will. 2 Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 100 Rn. 164; Lutter in FS Priester, 2007, S. 417 ff.; Kodex Ziff. 5.5.2. 3 Dazu bereits oben eingehend Rn. 21 ff.

357

928

§ 12

Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

f) Der Kodex 929

Der Kodex behandelt Interessenkonflikte von Aufsichtsratsmitgliedern in seiner Ziff. 5.5 eingehend und verlangt insbesondere deren Offenlegung intern gegenüber dem Aufsichtsrat und extern im Bericht des Aufsichtsrats gegenüber der Hauptversammlung.

4. Gerichtliche Abberufung aus wichtigem Grund 930

Im Falle pflichtwidrigen Verhaltens droht dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied zum einen die persönliche Haftung für den gesamten der Gesellschaft daraus entstandenen Schaden, §§ 116 Satz 1, 93 AktG (siehe dazu unten § 13 Rn. 981 ff.). In gravierenden Fällen pflichtwidrigen Verhaltens kann zudem eine Abberufung erfolgen. Gemäß § 103 Abs. 3 AktG kann ein Aufsichtsratsmitglied durch das zuständige Amtsgericht auf Antrag abberufen werden, wenn in seiner Person ein wichtiger Grund vorliegt; vgl. dazu auch schon oben Rn. 288. Ob es sich um gewählte, entsandte oder gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglieder handelt, spielt keine Rolle. Für Arbeitnehmervertreter besteht die Abberufungsmöglichkeit – wie § 103 Abs. 4 AktG zeigt („gelten außer Absatz 3“) – ebenso wie für Anteilseignervertreter. Auch der „elfte Mann“ der Montanmitbestimmung kann aus wichtigem Grund gerichtlich abberufen werden (§ 11 Abs. 3 MontanMitbestG, § 5 Abs. 3 MitbestErgG). In der Praxis sind solche Abberufungsanträge selten.

931

Antragsbefugt ist stets der Aufsichtsrat (§ 103 Abs. 3 Satz 1 AktG). Er beschließt über die Antragstellung mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 103 Abs. 3 Satz 2 AktG). Das betroffene Mitglied ist nach richtiger, aber sehr umstrittener Meinung nicht stimmberechtigt1. Eine Delegation der Entscheidung an einen Ausschuss ist unzulässig (vgl. Rn. 745 ff.). Bei Aufsichtsratsmitgliedern, die aufgrund eines satzungsmäßigen Entsendungsrechts nach § 101 Abs. 2 AktG in den Aufsichtsrat entsandt sind, kann auch eine Aktionärsminderheit die gerichtliche Abberufung beantragen. Die antragstellenden Aktionäre müssen Aktien besitzen, die zusammen mindestens 10 % des Grundkapitals oder den Nennbetrag von 1 Mio. Euro erreichen (§ 103 Abs. 3 Satz 3 AktG). Bei nennwertlosen Aktien folgt der anteilige Betrag aus der Division des Grundkapitals durch die Aktienanzahl2.

1 So auch Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 103 Rn. 49; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 6 MitbestG Rn. 70; a.A. Hoffmann/Kirchhoff in FS Beusch, 1993, S. 377, 380 f. 2 Vgl. Hüffer, Komm. AktG, § 103 Rn. 12.

358

Pflichten und Pflichtenkollisionen

§ 12

In montanmitbestimmten Gesellschaften schließlich kann eine ge- 932 richtliche Abberufung des „elften Mannes“ auch von mindestens drei Aufsichtsratsmitgliedern beantragt werden. Eine gerichtliche Abberufung kann nur aus wichtigem Grund erfol- 933 gen. Ein wichtiger Abberufungsgrund liegt vor, wenn eine weitere Aufsichtsratsmitgliedschaft des Betreffenden bis zum Ablauf der Amtszeit für die Gesellschaft unzumutbar ist1. Ein „krass gesellschaftswidriges Verhalten“ oder ein Sachverhalt, der das Aufsichtsratsmitglied als „schlechthin untragbar“ erscheinen lässt, ist stets ausreichend, aber heute nach h.M.2 nicht mehr erforderlich3. Als wichtiger Grund kommen vor allen Dingen schwere Pflichtverletzungen des Aufsichtsratsmitglieds in Frage, etwa Verletzungen der Verschwiegenheitspflicht (vgl. oben Rn. 254 ff.), Beteiligungen an „wilden Streiks“, über die Arbeitsniederlegung hinausgehende aktive Mitwirkung an rechtmäßigen Arbeitskämpfen (vgl. Rn. 907 ff.), heimliches anonymes Schreiben ans Bundeskartellamt mit negativer Stellungnahme in angemeldeten Fusionsvorhaben, ehrenrührige Vorwürfe gegen Geschäftsführung usw. Bei leichteren und fahrlässigen Pflichtverletzungen, wie etwa der einmaligen Bekanntgabe geplanter Dividendenerhöhungen und des Abstimmungsverhaltens anderer Aufsichtsratsmitglieder, ist eine Abberufung in der Regel erst im Wiederholungsfall möglich4. Unverträglichkeit und Unfähigkeit zur Zusammenarbeit im Aufsichtsrat sind als Abberufungsgründe denkbar5, allerdings nur in sehr schweren Fällen. Eine Abberufung wegen zu weit gehender Ausübung von Auskunfts- und Prüfungsrechten6 ist kaum vorstellbar. In besonderen Einzelfällen können schließlich 1 LG Frankfurt v. 14.10.1986 – 3/11 T 29/85, NJW 1987, 505, 506 = AG 1987, 160; OLG Hamburg v. 23.1.1990 – 11 W 92/89, WM 1990, 311, 314 = AG 1990, 218 (Hamburger Electricitäts-Werke AG) – obiter = EWiR § 103 AktG 2/90, 219 (Hirte); LG Mühlhausen v. 15.8.1996 – 1 HKO 3127/96, ZIP 1996, 1660 = AG 1996, 527; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 178; Habersack, MünchKomm. AktG, § 103 Rn. 39 ff.; Raiser, Komm. MitbestG, § 6 Rn. 38; Hüffer, Komm. AktG, § 103 Rn. 10; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 30 Rn. 54 ff. m.w.N.; vgl. auch Kirchhoff/Hoffmann in FS Beusch, 1993, S. 377, 381 ff. 2 Vgl. Hüffer, Komm. AktG, § 103 Rn. 10; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 6 MitbestG Rn. 71; HoffmannBecking, Münchener Hdb. AG, § 30 Rn. 59. 3 So aber noch AG München v. 2.5.1985 – HRB 2212, ZIP 1985, 1139 = AG 1986, 170; Köstler/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rn. 792 m.w.N. So auch noch die Rspr. zum AktG 1937, in dem jedoch eine dem § 103 Abs. 3 AktG entsprechende gesetzliche Regelung fehlte, vgl. z.B. BGH v. 21.2.1963 – II ZR 76/62, BGHZ 39, 116, 123. 4 Insoweit zutreffend AG München v. 2.5.1985 – HRB 2212, ZIP 1985, 1139, 1141 = AG 1986, 170; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 30 Rn. 59. 5 Habersack, MünchKomm. AktG, § 103 Rn. 42. 6 Raiser, Komm. MitbestG, § 6 Rn. 39.

359

§ 12

Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

auch Interessenkollisionen eine Abberufung des Aufsichtsratsmitglieds rechtfertigen1, so etwa wenn ein Unternehmen, dessen Vorstand es angehört, mit dem Unternehmen, dessen Aufsichtsrat es angehört, in einen gravierenden Interessenkonflikt gerät2. Die Verweigerung der Entlastung durch die Hauptversammlung ist für sich allein kein wichtiger Grund3. 934

Zuständig für die Abberufung ist das Amtsgericht des Sitzes der Gesellschaft (§ 14 AktG). Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften des FGG (§ 145 Abs. 1 FGG) bzw. künftig des FamFG (§ 375 Nr. 3 FamFG). Das Amtsgericht entscheidet durch Beschluss, gegen den die sofortige Beschwerde zum Landgericht und die sofortige weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht zulässig ist. Ein die Abberufung aussprechender Beschluss wird mit seiner Bekanntmachung an das betroffene Aufsichtsratsmitglied wirksam (§ 16 FGG). Eine dagegen eingelegte Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung (§ 24 Abs. 1 FGG)4. Ist das Aufsichtsratsamt schon wieder neu besetzt worden, kann die Abberufung im Beschwerdeverfahren nicht mehr aufgehoben werden. Der Gefahr, dass in der Zwischenzeit durch eine Neubesetzung vollendete Tatsachen geschaffen werden, kann durch eine einstweilige Anordnung nach § 24 Abs. 3 FGG begegnet werden5.

935

Die Aufhebung des FGG und seine Ersetzung durch das FamFG bringt keine Änderung dieser Rechtslage, §§ 374 ff. FamFG, § 23a Abs. 2 Nr. 4 GVG. Das aber gilt nicht für das System der Rechtsmittel. Gegen den Beschluss des AG ist nach § 58 FamFG die Beschwerde zulässig, über die das OLG(!) entscheidet. Gegen dessen Entscheidung gibt es nur mehr die zulassungsabhängige Rechtsbeschwerde zum BGH, § 99 FamFG.

936–980

Einstweilen frei.

1 So OLG Hamburg v. 23.1.1990 – 11 W 92/89, WM 1990, 311 = AG 1990, 218. 2 Vgl. dazu zunächst oben Rn. 926 f. sowie OLG Hamburg v. 23.1.1990 – 11 W 92/89, WM 1990, 311, 314 = AG 1990, 218; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 103 Rn. 32; Habersack, MünchKomm. AktG, § 103 Rn. 42; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 178 („Eintritt in ein Konkurrenzunternehmen“); auch Hüffer, Komm. AktG, § 103 Rn. 11. 3 Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 6 MitbestG Rn. 71; Wißmann in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 6 MitbestG Rn. 72. 4 Näher zum Verfahren Mertens, Kölner Komm. AktG, § 103 Rn. 35 ff.; Hüffer, Komm. AktG, § 103 Rn. 12 ff. 5 OLG Köln v. 12.10.1988 – 2 Wx 27/88, WM 1989, 104, 106 f. = AG 1989, 205; a.A. Kirchhoff/Hoffmann in FS Beusch, 1993, S. 377, 391. Das FamFG hat daran nichts geändert.

360

§ 13 Haftung der Aufsichtsratsmitglieder I. Haftung der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft (Innenhaftung) 1. Grundlagen Aufsichtsratsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, unterliegen ver- 981 schiedenen Sanktionen. Ihnen kann die Entlastung verweigert werden (§ 120 AktG), sie können aus ihrem Amt abberufen werden, sei es durch das jeweilige Wahlorgan1, sei es durch das Gericht2, und sie können sich gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig machen. Die Schadensersatzhaftung von Aufsichtsratsmitgliedern ist im We- 982 sentlichen durch §§ 116 Satz 1, 93 AktG geregelt. Danach haben Aufsichtsratsmitglieder ihr Amt mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsratsmitglieds zu erledigen. Verletzen sie diese Pflicht schuldhaft, sind sie zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet (§§ 116 Satz 1, 93 Abs. 2 AktG). Das Verschulden wird vom Gesetz vermutet. Das betreffende Aufsichtsratsmitglied muss das fehlende Verschulden seinerseits dartun und beweisen. Und das ist, liegt objektiv ein Pflichtverstoß vor, sehr schwer. Daneben enthält das Gesetz einige spezielle Haftungsvorschriften, 983 die jedoch nicht von praktischer Bedeutung sind. Dazu gehört die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder nach § 117 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AktG im Zusammenhang mit vorsätzlich schädigenden Einflussnahmen auf die Gesellschaft und die konzernrechtliche Haftung nach §§ 310 Abs. 1, 318 Abs. 2 AktG. Einige Pflichtverletzungen sind darüber hinaus unter Straf- oder Bußgeldandrohung gestellt (§§ 399, 400, 404, 405 AktG; §§ 331, 334 HGB).

2. Pflichtverletzung a) Sorgfaltsverpflichtung Bei der Frage nach der Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern geht es in erster Linie um die Pflicht zur sorgfältigen und gewissenhaften Er-

1 § 103 Abs. 1 u. 2 AktG, § 12 DrittelbG, § 23 MitbestG, § 11 MontanMitbestG, § 10m MitbestErgG. 2 § 103 Abs. 3 AktG, vgl. im Einzelnen oben Rn. 9 ff.

361

984

§ 13

Haftung der Aufsichtsratsmitglieder

ledigung der Aufgaben des Aufsichtsrats, d.h. vor allem der Überwachung und Besetzung des Vorstands. aa) Amtspflichten des Aufsichtsrats 985

Die Überwachungspflichten des Aufsichtsrats sind oben eingehend behandelt. Überwachungsgegenstand sind die Führungsentscheidungen des Vorstands der Gesellschaft (vgl. oben Rn. 63 ff.). Der Aufsichtsrat haftet also nicht für Versäumnisse im Tagesgeschäft, weil dieses nicht seiner Überwachung unterliegt. Er haftet auch nicht für Fehler, die auf nachgeordneten Führungsebenen oder in untergeordneten Konzerngesellschaften vorkommen. Denn diese sind nicht vom Aufsichtsrat, sondern vom Vorstand zu überwachen. Zur Kontrollaufgabe des Aufsichtsrats gehört insoweit allerdings die Frage, ob der Vorstand seiner Führungs- und Überwachungsaufgabe im Hinblick auf nachgeordnete Führungsebenen und Konzerntöchter – insbesondere durch Schaffung geeigneter Organisationsrichtlinien, ein ordnungsgemäßes konzernweites Controlling und ein funktionsfähiges konzernweites Compliance-System – nachkommt (vgl. oben Rn. 131 ff.).

986

Überwachungsmaßstab des Aufsichtsrats sind Rechtmäßigkeit, Ordnungsmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Geschäftsführung durch den Vorstand (vgl. oben Rn. 71 ff., 137 ff.). Deshalb handelt der Aufsichtsrat z.B. pflichtwidrig, wenn er rechtswidriges Vorstandshandeln duldet, z.B. – in Kenntnis der Überschuldung der AG und jenseits der vom Gesetz erlaubten Sanierungsfrist sich nicht nachdrücklich für die Insolvenzantragstellung durch den Vorstand einsetzt1, – drohende Rechtsverletzungen wie Kartellabsprachen oder Patentverletzungen, die ihm bekannt werden, nicht verhindert2. Im Rahmen der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung muss der Aufsichtsrat darauf achten, dass die sachgerechten kaufmännischen Instrumente für die Unternehmensführung, insbesondere eine funktionierende Planung, ein funktionierendes Berichtswesen und ein funktionierendes Risikomanagement3 vorhanden sind; lässt er dies außer Betracht, verhält er sich pflichtwidrig und kann haften. Bei Zweckmäßigkeitsentscheidungen hat der Vorstand im Rahmen der 1 BGH v. 9.7.1979 – II ZR 211/76, BGHZ 75, 96, 107 ff. = AG 1979, 263 (Herstatt). 2 Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 247. 3 Zu den Überwachungspflichten und Haftungsrisiken des Aufsichtsrats im Zusammenhang mit dem Risikomanagement vgl. eingehend Pahlke, NJW 2002, 1680 ff.; Röhrich, ZCG 2006, 41 ff.; Ehlers, ZInsO 2008, 524, 529. Vgl. dazu überdies Begr. RegE BilMoG, S. 227 sowie Preußner, NZG 2008, 574.

362

Innenhaftung

§ 13

Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ein weites unternehmerisches Ermessen. Das gilt auch im Verhältnis zum Aufsichtsrat. Bei unternehmerischen Zweckmäßigkeitsentscheidungen des Vorstands hat der Aufsichtsrat die Sorgfalt der Entscheidungsfindung des Vorstands zu prüfen und etwaige eigene Bedenken gegen die Zweckmäßigkeit der Vorstandsabsichten darzulegen und zu diskutieren, er kann aber im Ergebnis grundsätzlich den Vorstand gewähren lassen und braucht nicht sein eigenes Zweckmäßigkeitsurteil an die Stelle des Vorstands setzen, solange dessen Handeln kaufmännisch ebenfalls vertretbar erscheint (vgl. oben Rn. 86). Der Aufsichtsrat hat jedoch sorgfältig zu prüfen und verletzt daher seine Pflichten, – wenn er die Zustimmung zu einem nachteiligen Geschäft erteilt, ohne zuvor Informationen eingeholt und die mit dem Geschäft zusammenhängenden Chancen und Risiken ermittelt und abgewogen zu haben1. Zu unterbinden hat der Aufsichtsrat überdies unvertretbare Geschäftsführungshandlungen. Er handelt deshalb z.B. pflichtwidrig, – wenn er der Veräußerung eines Grundstücks mit einem Verkehrswert von 34 Mio. DM für nur 14 Mio. DM zustimmt2. Für Zweckmäßigkeitsentscheidungen des Aufsichtsrats, etwa bei der Erteilung oder Verweigerung der Zustimmung zu einem zustimmungsbedürftigen Geschäft, steht dem Aufsichtsrat der gleiche weite Ermessensspielraum zu wie dem Vorstand. Auch die Mitglieder des Aufsichtsrats haften nicht, wenn sie bei einer solchen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durften, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln3; insoweit gilt also auch für den Aufsichtsrat die Business Judgment Rule. Hingegen verletzen die Aufsichtsratsmitglieder ihre Pflichten, wenn sie einer Maßnahme die Zustimmung erteilen, ohne sich selbst die zur Entscheidung erforderlichen Informationen zu verschaffen und darauf aufbauend die Chancen und Risiken abzuwägen4. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Aufsichtsrat sich die Informationen in jedem Fall selbst beschaffen müsste. Vielmehr kann er in der Regel von den ihm durch den Vorstand vermittelten Informationen ausgehen, solan-

1 BGH v. 11.12.2006 – II ZR 243/05, ZIP 2007, 224, 225 f. = AG 2007, 167. 2 LG Stuttgart v. 29.10.1999 – 4 KfH O 80/98, DB 1999, 2462 = AG 2000, 237 (Ass). 3 Habersack, MünchKomm. AktG, § 116 Rn. 39 ff.; Peltzer in Wellhöfer/Peltzer/Müller, Die Haftung von Vorstand, Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer, § 16 Rn. 7 ff.; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 251. 4 BGH v. 11.12.2006 – II ZR 243/05, ZIP 2007, 224 = AG 2007, 167.

363

§ 13

Haftung der Aufsichtsratsmitglieder

ge er nicht den Eindruck haben muss, dass diese unrichtig oder unvollständig sind1. 987

Hinsichtlich des Überwachungsumfangs reicht im Normalfall die sorgfältige Prüfung der regelmäßig erstatteten Vorstandsberichte, auf deren Richtigkeit und Vollständigkeit der Aufsichtsrat grundsätzlich vertrauen darf. Ergeben sich hierbei Bedenken, ist diesen nachzugehen. Eine vertiefte Prüfung kann nötig sein, wenn besondere Umstände, wie eine wirtschaftlich schwierige Lage der Gesellschaft vorliegen, die Gesellschaft erst vor relativ kurzer Zeit angelaufen ist2, besonders riskante Geschäfte zu beurteilen sind oder der Vorstand in der Vergangenheit seinen Berichtspflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist3. Das Gebot, in solchen Fällen vertieft zu prüfen, bedeutet konkret, dass bei schwieriger Lage der Gesellschaft insbesondere die Sitzungs- und Berichtsfrequenz erhöht werden muss, dass bei Risikogeschäften der Aufsichtsrat von seinen Informationsrechten aktiv Gebrauch machen und gegebenenfalls Sachverständige einschalten muss, dass er sich bei der Verletzung von Berichtspflichten in der Vergangenheit nicht auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der erstatteten Berichte verlassen darf, sondern von Fall zu Fall sein Frage- und Einsichtsrecht ausüben muss. Gleiches kann bei einer verhältnismäßig neuen Gesellschaft gelten. Pflichtwidrig handelt der Aufsichtsrat deshalb z.B., wenn er – trotz Unregelmäßigkeiten in der Geschäftsführung keine Untersuchungen und weitere Maßnahmen veranlasst4, – Hinweisen auf eine massive Gefährdung der Gesellschaft nicht unverzüglich nachgeht und geeignete Gegenmaßnahmen einleitet5, – in schwieriger Lage den Vorstand, der keine einwandfreien Zeugnisse hat, keiner strengen Überwachung unterstellt6, oder – sich bei einer erst kürzlich angelaufenen und vornehmlich im Ausland tätigen Gesellschaft nicht vor Ort selbst einen Eindruck von

1 Habersack, MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 127; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 111 Rn. 668 f.; Fonk, ZGR 2006, 841, 861 ff.; in diese Richtung auch BGH v. 11.12.2006 – II ZR 243/05, ZIP 2007, 224, 225 f. = AG 2007, 167, wo weitergehende Informationspflichten mit vorangegangenen Eigenmächtigkeiten des Vorstands begründet werden 2 OLG Düsseldorf v. 8.3.1984 – 6 U 75/83, WM 1984, 1080, 1084 = AG 1984, 273. 3 Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 158; Kiethe, WM 2005, 2122, 2124. 4 BGH v. 11.12.2006 – II ZR 243/05, ZIP 2007, 224, 225 = AG 2007, 167; vgl. auch die Entscheidung des schweizerischen Bundesgerichts, BGE 97 II 403 ff., 411 ff. 5 LG München I v. 31.5.2007 – 5 HKO 11977/06, NZI 2007, 609, 610. 6 Vgl. die Nachweise in SAG 9 (1936/37), 118 ff.

364

Innenhaftung

§ 13

dem Geschäft verschafft oder sich wenigstens durch unabhängige Sachverständige diesen Eindruck verschaffen lässt1. Zu den Sorgfaltspflichten des Aufsichtsrats gehört es, die ihm zur 988 Verfügung stehenden Überwachungsmittel zweckgerecht einzusetzen, d.h. für die pünktliche Berichterstattung durch den Vorstand zu sorgen, das Frage- und Einsichtsrecht auszuüben, soweit dazu Anlass besteht und für wichtige Geschäftsführungsmaßnahmen einen Zustimmungsvorbehalt einzurichten (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG). Unvertretbare Geschäftsführungsmaßnahmen muss der Vorstand verhindern. Pflichtwidrig handelt der Aufsichtsrat daher, wenn er – nicht mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen ungewöhnlich leichtfertige Maßnahmen des Vorstands einschreitet2, – nicht notfalls zur Verhinderung unvertretbarer Geschäftsführungsmaßnahmen ad hoc einen Zustimmungsvorbehalt für das Einzelgeschäft einrichtet, um sodann die Zustimmung zu verweigern3. Eine Pflichtwidrigkeit des Aufsichtsrats kann ferner darin liegen, 989 dass er die zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben nötige Selbstorganisation vernachlässigt. Dazu gehört die Abhaltung der nötigen Anzahl von Sitzungen, die Einrichtung von Ausschüssen, die Schaffung eines Berichtssystems zwischen Ausschuss und Plenum, das dem Plenum die Überwachung der Ausschusstätigkeit ermöglicht, und die Zuziehung von Beratern, wo dies nötig ist. Es ist daher z.B. als Pflichtwidrigkeit des Aufsichtsrats anzusehen, wenn dieser – sich trotz Unerfahrenheit nicht von Spezialisten beraten lässt4. Im Bereich der Personalmaßnahmen kann der Aufsichtsrat durch die 990 Bestellung ungeeigneter Personen zu Vorstandsmitgliedern pflichtwidrig handeln. Da ihm hierbei ein weiter Beurteilungsspielraum zusteht, kommt das aber nur bei völlig unvertretbaren Auswahlentscheidungen in Betracht. Eher sind Pflichtwidrigkeiten bei der Gestaltung der Vorstandsanstellungsverträge denkbar, insbesondere durch Zusage unvertretbar hoher Zahlungen; vgl. dazu eingehend oben Rn. 395 ff., 423 ff. Überdies können Haftungsgefahren für den Aufsichtsrat im Zusammenhang mit seiner Verpflichtung entstehen, bei gegebenem Anlass das Bestehen von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern zu prüfen. Nach der ARAG-Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist der Aufsichtsrat grundsätzlich verpflichtet, 1 OLG Düsseldorf v. 8.3.1984 – 6 U 75/83, WM 1984, 1080, 1084 = AG 1984, 273. 2 BGH v. 4.7.1977 – II ZR 150/75, BGHZ 69, 207, 214. 3 BGH v. 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 127 = AG 1994, 124; LG Bielefeld v. 16.11.1999 – 15 O 91/98, WM 1999, 2457, 2465 (Balsam). 4 Schweizerisches Bundesgericht, SJZ 38 (1941/42), 79 und BGE 93 II, 22 ff., 26; österreichischer OGH v. 31.5.1977 – 5 Ob 306/76, AG 1983, 81, 82.

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§ 13

Haftung der Aufsichtsratsmitglieder

etwaige Ersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder zu verfolgen, und ein Verzicht auf die Anspruchsverfolgung ist nur zulässig, wenn im Einzelfall Zweifel an der Durchsetzbarkeit des Anspruchs bestehen oder ausnahmsweise gewichtige Interessen und Belange der Gesellschaft dafür sprechen, den ihr entstandenen Schaden ersatzlos hinzunehmen1. Der Aufsichtsrat handelt pflichtwidrig und kann selbst in die Haftung geraten, wenn er Schadensersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder trotz überwiegender Erfolgsaussichten nicht verfolgt. Im Siemens-Fall etwa hatte der Aufsichtsrat daher gar keine andere Wahl, als Schadensersatzansprüche geltend zu machen. 991

Des weiteren verdient die Verpflichtung des Aufsichtsrats zur jährlichen Abgabe der Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG auch in haftungsrechtlicher Hinsicht Aufmerksamkeit. Wird gegen die Erklärungspflicht aus § 161 AktG verstoßen, weil etwa die Erklärung gar nicht oder nicht formgerecht, oder nicht wahrheitsgemäß erfolgt, so liegt hierin zugleich eine Pflichtverletzung im Sinne des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG, die Schadensersatzansprüche der Gesellschaft auslösen kann, sofern der Gesellschaft daraus ein Schaden entsteht2. Nach Abgabe einer positiven Entsprechenserklärung sind geeignete Vorkehrungen dahingehend zu treffen, dass die Empfehlungen, deren künftige Befolgung öffentlich erklärt wurde, von den Adressaten auch tatsächlich befolgt werden. Überdies folgt aus dem Zweck des § 161 AktG, dass bei unterjährigen Abweichungen von dem zukunftsgerichteten Teil der Entsprechenserklärung eine unverzügliche Veröffentlichung nötig ist3; bei entsprechender Kursrelevanz der Abweichung ergibt sich diese Verpflichtung auch aus § 15 WpHG4. Auch die Verletzung dieser Verpflichtungen kann bei einem dadurch verursachten Schaden der Gesellschaft Ersatzansprüche begründen (zum Schadensersatzanspruch der Anleger vgl. unten Rn. 1021)5. Eine ganz andere Frage ist es demgegenüber, ob die Entscheidung, einzelne oder 1 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 255 f. = AG 1997, 377 (ARAG/Garmenbeck). 2 Sester in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 161 Rn. 57 ff.; Spindler in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 161 Rn. 64; Semler, MünchKomm. AktG, § 161 Rn. 196 ff.; eingehend Bertrams, Die Haftung des Aufsichtsrats im Zusammenhang mit dem Deutschen Corporate Governance Kodex und § 161 AktG, 2004, S. 115 ff. 3 Sester in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 161 Rn. 37; Semler, MünchKomm. AktG, § 161 Rn. 117; Spindler in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 161 Rn. 43 f.; Lutter, Kölner Komm. AktG, § 161 Rn. 53; Lutter, ZHR 166 (2002), 523, 534; Ihrig/Wagner, BB 2002, 789, 791; a.A. Seibt, AG 2002, 249, 254; Schüppen, ZIP 2002, 1269, 1272. 4 Semler, MünchKomm. AktG, § 161 Rn. 118; Lutter, ZHR 166 (2002), 523, 535; Ihrig/Wagner, BB 2002, 789, 791; Seibt, AG 2002, 249, 254. 5 Sester in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 161 Rn. 57 ff.; Spindler in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 161 Rn. 64; Semler, MünchKomm. AktG, § 161 Rn. 196 ff.; eingehend Bertrams, Die Haftung des Aufsichtsrats im

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Innenhaftung

§ 13

alle Empfehlungen des Kodex zu befolgen oder nicht zu befolgen für sich genommen ein Indiz für sorgfaltsgemäßes oder sorgfaltswidriges Verhalten des Aufsichtsrats darstellen kann. Zum Teil wird in der Tat angenommen, dass Abweichungen vom Kodex als Indiz für eine Sorgfaltswidrigkeit im Sinne des § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG angesehen werden könnten1. Dem ist jedoch nicht zu folgen, denn die Empfehlungen des Kodex sollen gerade unverbindlich sein2. Näherliegend ist es demgegenüber, die Einhaltung des Kodex als Indiz für pflichtgemäßes Verhalten zu werten3. Schließlich kann eine Haftung des Aufsichtsrats bei Übernahmeange- 992 boten in Betracht kommen. Zum einen verpflichtet § 27 WpÜG den Aufsichtsrat der Zielgesellschaft, eine begründete Stellungnahme zu dem Angebot abzugeben. Kommt der Aufsichtsrat dieser Verpflichtung nicht ordnungsgemäß nach (vgl. dazu oben Rn. 516), verletzt er seine Sorgfaltspflichten gegenüber der Gesellschaft, so dass – vorausgesetzt der Gesellschaft entsteht hierdurch ein Schaden – eine Haftung in Frage kommen kann4. Darüber hinaus kann der Aufsichtsrat im Zusammenhang mit der Zustimmung zu Verteidigungsmaßnahmen nach § 33 Abs. 1 Satz 2 oder § 33 Abs. 2 Satz 3 WpÜG seine Pflichten verletzen, wenn die Maßnahme nicht im besten Interesse der Gesellschaft liegt5, für den Aufsichtsrat besteht dabei aber, ebenso wie für den Vorstand, ein weites unternehmerisches Ermessen (vgl. oben Rn. 986)6.

1

2 3

4 5 6

Zusammenhang mit dem Deutschen Corporate Governance Kodex und § 161 AktG, 2004, S. 115 ff. Lutter, ZHR 166 (2002), 523, 542; ähnlich Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 166 f.; Bertrams, Die Haftung des Aufsichtsrats im Zusammenhang mit dem Deutschen Corporate Governance Kodex und § 161 AktG, 2004, S. 178 ff., 211 f. Zutreffend Spindler in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 161 Rn. 66; Hüffer, Komm. AktG, § 161 Rn. 27; Bachmann, WM 2002, 2137, 2138; Ettinger/Grützedick, AG 2003, 353, 354 f. So etwa Schüppen, ZIP 2002, 1269, 1271; Lutter, ZHR 166 (2002), 523, 542; Bertrams, Die Haftung des Aufsichtsrats im Zusammenhang mit dem Deutschen Corporate Governance Kodex und § 161 AktG, 2004, S. 178 ff., 210 ff.; Seibt, AG 2002, 249, 251, der sogar von einer Umkehr der Beweislastregelung des § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG zugunsten der Organmitglieder, die die Kodex-Empfehlungen beachten, ausgehen will; a.A. Hüffer, Komm. AktG, § 161 Rn. 27; Spindler in K. Schmidt/Lutter, Komm AktG, § 161 Rn. 66; Ettinger/Grützedick, AG 2003, 353, 355; Bachmann, WM 2002, 2137, 2138 f. Röh, Frankfurter Komm. WpÜG, § 27 Rn. 83; Schwennicke in Geibel/Süßmann, Komm. WpÜG, § 27 Rn. 48; Harbarth in Baums/Thoma, Komm. WpÜG, § 27 Rn. 154. Röh, Frankfurter Komm. WpÜG, § 33 Rn. 213; Grunewald in Baums/Thoma, Komm. WpÜG, § 33 Rn. 96; vgl. auch Schwennicke in Geibel/Süßmann, Komm. WpÜG, § 33 Rn. 87. Näher Röh, Frankfurter Komm. WpÜG, § 33 Rn. 163; Grunewald in Baums/Thoma, Komm. WpÜG, § 33 Rn. 66.

367

§ 13

Haftung der Aufsichtsratsmitglieder

bb) Mitwirkungspflichten der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder 993

Die einzelnen Mitglieder des Aufsichtsrats haften allerdings nicht automatisch deshalb, weil der Aufsichtsrat seine Pflichten verletzt, sondern ihre Haftung setzt eine individuelle Pflichtverletzung voraus. Um diesen Pflichten zu genügen, reicht es jedoch nicht, in kritischen Situationen nichts zu tun oder bei einer rechtswidrigen Beschlussfassung lediglich mit Nein zu stimmen. Vielmehr hat jedes Aufsichtsratsmitglied nach besten Kräften an der Aufgabenerledigung durch den Aufsichtsrat mitzuwirken. Dazu gehört die Herbeiführung einer Aufsichtsratssitzung, wenn dazu Anlass besteht, eine sorgfältige Vorbereitung auf die Sitzungen des Aufsichtsrats, die Teilnahme an den Sitzungen und die Beteiligung an den Erörterungen und der Urteilsbildung im Aufsichtsrat1. Dazu gehört es auch, bei einer als problematisch erkannten Entscheidung den eigenen Standpunkt darzulegen und beurteilungsrelevante Informationen an den Aufsichtsrat weiterzugeben. Deshalb handelt ein Aufsichtsratsmitglied pflichtwidrig, das – es unterlässt, für die rechtzeitige Durchführung eine Aufsichtsratssitzung zu sorgen, um dort die zur Vermeidung der Insolvenz nötigen Beschlüsse zu fassen2, – es unterlässt, vor der Beschlussfassung über die Vergabe eines ungesicherten Kredits die übrigen Aufsichtsratsmitglieder über die wirtschaftlich prekäre Situation des Darlehensempfängers aufzuklären3, – Hinweise auf existenzbedrohende Geschäfte des Vorstands nicht weitergibt und ihnen nicht unverzüglich nachgeht4, – Kenntnisse über unrechtmäßiges Handeln des Vorstands (ungesicherte Darlehensgewährung an Muttergesellschaft) nicht an den gesamten Aufsichtsrat weitergibt5.

994

Erscheint eine Beschlussfassung des Aufsichtsrats unvertretbar, genügt es nicht, sich der Stimme zu enthalten, sondern das Aufsichtsratsmitglied muss mit Nein stimmen6. Allerdings ist es – etwa in einem dreiköpfigen Aufsichtsrat – nicht verpflichtet, zur Verhinderung

1 Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 116 Rn. 41; Habersack, MünchKomm. AktG, § 116 Rn. 31. 2 LG München I v. 31.5.2007 – 5 HKO 11977, NZI 2007/06, 609 ff. 3 LG Hamburg v. 16.12.1980 – 8 O 229/79, ZIP 1981, 194 = AG 1982, 51. 4 LG Bielefeld v. 16.11.1999 – 15 O 91/98, WM 1999, 2457, 2464 f. = AG 2000, 136 (Balsam). 5 LG Dortmund v. 1.8.2001 – 20 O 143/93, DB 2001, 2591 = AG 2002, 97. 6 Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 116 Rn. 34; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 116 Rn. 13; Habersack, MünchKomm. AktG, § 116 Rn. 31.

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Innenhaftung

§ 13

einer Entscheidung die Beschlussunfähigkeit des Gremiums herbeizuführen. Wird ein Aufsichtratsmitglied bei einer Entscheidung überstimmt, 995 die es für fehlerhaft ansieht, tut es gut daran, um später dem Vorwurf der Pflichtverletzung und der Gefahr der Haftung zu entgehen, seine Ablehnung des Beschlusses ausdrücklich zu Protokoll zu geben1. Im Einzelfall kann sich auch die Frage stellen, ob ein Aufsichtsrats- 996 mitglied gehalten sein kann, die Durchführung eines für rechtswidrig angesehenen Aufsichtsratsbeschlusses durch Klageerhebung zu unterbinden. Diese Frage lässt sich nicht generell beantworten, sondern es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an. Eine Klage belastet die weitere Zusammenarbeit im Aufsichtsrat erheblich und kann der Gesellschaft durch negative Öffentlichkeitswirkung schaden. Deshalb wird man eine Pflicht zur Klageerhebung nur ausnahmsweise dann annehmen können, wenn der Vollzug eines rechtswidrigen Aufsichtsratsbeschlusses für die Gesellschaft mit ganz erheblichen Schäden verbunden sein kann2. Eine Pflicht zur Amtsniederlegung kann es wohl in keinem Fall geben3. Aufsichtsratsmitglieder haben ihre internen Möglichkeiten zu nutzen, um auf eine sachgerechte Aufsichtsratsarbeit hinzuwirken. Sie können jedoch nicht verpflichtet – wohl aber naturgemäß berechtigt – sein, ihre Mitwirkung einzustellen, wenn sie sich mit ihrer Auffassung innerhalb des Aufsichtsrats nicht durchsetzen können.

997

cc) Überwachungsverpflichtung und Ausschusstätigkeit Aufsichtsräte können und sollen Aufgaben zur Vorbereitung oder zur abschließenden Erledigung an Ausschüsse übertragen (vgl. oben 1 LG Berlin v. 8.10.2003 – 101 O 80/02, ZIP 2004, 73, 76; Hüffer, Komm. AktG, § 116 Rn. 9. Zum Recht jedes Aufsichtsratsmitglieds, Widerspruch zu Protokoll zu geben, um sich gegen die Haftung für rechtswidrige Aufsichtsratsbeschlüsse zu sichern, vgl. Rn. 708; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 73; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 31 Rn. 100. 2 Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 116 Rn. 41; Habersack, MünchKomm. AktG, § 116 Rn. 38; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 116 Rn. 39; E. Vetter, DB 2004, 2623, 2626; Kiethe, WM 2005, 2122, 2127; enger Hopt/ Roth, Großkomm. AktG, § 116 Rn. 19 (Beschränkung auf strafbares Verhalten als Leitlinie). 3 Ebenso E. Vetter, DB 2004, 2623, 2627; Doralt in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 13 Rn. 40; Kiethe, WM 2005, 2122, 2127; weitergehend Habersack, MünchKomm. AktG, § 116 Rn. 38; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 116 Rn. 20, die in (nicht näher beschriebenen) Ausnahmefällen eine Amtsniederlegung zur Vermeidung der Haftungssanktion für nötig halten.

369

998

§ 13

Haftung der Aufsichtsratsmitglieder

Rn. 743 ff.). Kommt es im Tätigkeitsbereich eines Ausschlusses zu Pflichtverletzungen, sind davon in erster Linie die Mitglieder des Ausschusses betroffen. Im Hinblick auf sie gelten für ihre Tätigkeit im Ausschuss die vorstehend Rn. 993 ff. dargelegten allgemeinen Grundsätze. Die Frage, wie sich die Einsetzung eines Ausschusses auf die Pflichten- und Haftungslage der übrigen Aufsichtsratsmitglieder auswirkt, hängt davon ab, inwieweit das Gesamtorgan mit der Angelegenheit befasst war oder nicht: 999

War der Ausschuss nur vorbereitend tätig, wurde die Entscheidung – z.B. über die Zustimmung zu einer Investitionsmaßnahme – letztlich aber vom Gesamtorgan getroffen, haben alle Mitglieder des Aufsichtsrats trotz der Ausschussvorbereitung ihre Meinungsbildung mit derselben Sorgfalt zu treffen, die sie auch sonst bei der Erledigung der Aufsichtsratsaufgaben anzuwenden haben. Das schließt es nicht aus, sich bei der Entscheidung auf die Vorbereitungstätigkeit des Ausschusses zu stützen, denn sonst wäre diese sinnlos. Erforderlich ist es aber, dies mit der nötigen Sorgfalt zu tun und sich auf den Ausschuss nicht blind zu verlassen, sondern dessen Meinung sorgfältig auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen.

1000

Schwieriger sind Vorgänge zu beurteilen, an denen das Gesamtorgan nicht beteiligt war. Hier gilt der Grundsatz, dass jedes Mitglied des Aufsichtsrats allgemein auch die Tätigkeit der Ausschüsse im Auge behalten muss. Das bedeutet nicht, dass das Plenum oder die Aufsichtsratsmitglieder, die dem Ausschuss nicht angehören, sich ohne Anlass in die Tätigkeit des Ausschusses einschalten müssten. Wer aber Informationen erhält, die Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Ausschusstätigkeit wecken, muss diesen nachgehen und entweder den Aufsichtsratsvorsitzenden oder das Gesamtorgan einschalten, die dann ihrerseits einzugreifen haben, und notfalls die Angelegenheit wieder in das Plenum zurückholen müssen. Darüber hinaus ist der Gesamtaufsichtsrat verpflichtet, die Tätigkeit der Ausschüsse zu überwachen und sich zu diesem Zweck regelmäßig über die Ausschusstätigkeit berichten zu lassen (vgl. näher oben Rn. 751). Eine Verletzung dieser Überwachungspflicht führt bei Pflichtversäumnissen im Ausschuss auch dann zur Haftung der übrigen Aufsichtsratsmitglieder, wenn diese nicht informiert waren, bei ordnungsgemäßer Überwachung des Ausschusses aber hätten informiert sein müssen. b) Treuepflicht und Verschwiegenheitspflicht

1001

Die Mitglieder des Aufsichtsrats trifft neben der Verpflichtung zur Mitwirkung an den Aufgaben des Aufsichtsrats eine Treuepflicht und eine Verschwiegenheitspflicht gegenüber der Gesellschaft.

370

Innenhaftung

§ 13

Inhalt der Treuepflicht ist die Verpflichtung, das Unternehmensinte- 1002 resse zu wahren und das Verbot, das Aufsichtsratsamt zu benutzen, um im eigenen Interesse oder im Interesse eines anderen Unternehmens nachteilig auf die Gesellschaft einzuwirken1. Pflichtwidrig handelt deshalb z.B., – wer im Widerstreit von Interessen den Vorstand zu einer für die Gesellschaft schädlichen, einem anderen Unternehmen aber günstigen Maßnahme veranlasst2, – wer Informationen, die er in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsmitglied erhalten hat, benutzt, um Geschäftschancen der Gesellschaft für sich selbst zu nutzen3. Das Verbot, Geschäftschancen der Gesellschaft zu nutzen, gilt allerdings nur insoweit, wie das Aufsichtsratsmitglied gerade aufgrund seines Amtes Zugriff auf diese Geschäftschancen gewonnen hat. Außerhalb seines Mandats ist das Aufsichtsratsmitglied frei. Interessenkollisionen entlasten das Aufsichtsratsmitglied nicht, sondern es bleibt bei Ausübung seines Aufsichtsratsmandates verpflichtet, allein die Interessen der Gesellschaft zu wahren4. Es ist ihm aber gestattet – und in aller Regel zweckmäßig – sich bei der Abstimmung der Stimme zu enthalten5 und auch von sonstigen Einflussnahmen auf die Entscheidung abzusehen; denkbar ist auch ein Verzicht auf die Einbindung in den Informationsfluss zu dem betreffenden Gegenstand und der Verzicht auf die Sitzungsteilnahme bei der Erörterung und Entscheidung der betreffenden Angelegenheit, vgl. dazu näher oben Rn. 894 ff.

1003

Die Verschwiegenheitspflicht gebietet den Aufsichtsratsmitgliedern, 1004 über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, die ihnen durch ihre Tätigkeit im Aufsichtsrat bekanntgeworden sind, insbesondere auch über erhaltene vertrauliche Berichte und vertrauliche Beratungen, Stillschweigen zu bewahren (§ 116 Satz 2 AktG); vgl. dazu näher oben Rn. 254 ff. Auch eine Verletzung dieser Pflicht kann Schadensersatzansprüche nach sich ziehen, wenn sie zu einem bezifferbaren Schaden der Gesellschaft führt.

1 Eingehend dazu Mertens, Kölner Komm. AktG, § 116 Rn. 22 ff. 2 BGH v. 21.12.1978 – II ZR 244/78, NJW 1980, 1629 (Schaffgotsch); dazu Ulmer, NJW 1980, 1603; Lutter, ZHR 145 (1981), 224 ff., 239 ff. 3 BGH v. 23.9.1985 – II ZR 246/84, WM 1985, 1443 (für GmbH-Geschäftsführer); vgl. auch Ziff. 5.5.1 Satz 2 DCGK. 4 BGH v. 21.12.1978 – II ZR 244/78, NJW 1980, 1629, 1630 (Schaffgotsch); Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 33 Rn. 63. 5 Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 116 Rn. 34; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 116 Rn. 12; a.A. Habersack, MünchKomm. AktG, § 100 Rn. 71.

371

§ 13

Haftung der Aufsichtsratsmitglieder

3. Verschulden 1005

Die Haftung der Aufsichtsräte ist eine Verschuldenshaftung. Verschuldensmaßstab ist ebenfalls die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsratsmitglieds1. Wer nicht mit dieser Sorgfalt handelt, handelt nicht nur pflichtwidrig, sondern zugleich schuldhaft. Es gilt also ein objektivierter Verschuldensmaßstab für alle Aufsichtsratsmitglieder ohne Unterschied ihrer persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten2. Jedes Aufsichtsratsmitglied, gleichgültig ob Anteilseigner- oder Arbeitnehmervertreter, muss die Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen, die ihn in die Lage versetzen, diesem Maßstab gerecht zu werden. Eine Entschuldigung: „Das habe ich nicht verstanden“, oder: „Das ging über meine Fähigkeiten hinaus“, gibt es nicht, wenn es an diesen Mindestkenntnissen und -fähigkeiten fehlt. Vielmehr haben alle Aufsichtsratsmitglieder für diejenige Sorgfalt einzustehen, die von einem durchschnittlichen Aufsichtsratsmitglied erwartet werden kann3.

1006

Vor diesem Hintergrund lassen sich die folgenden Aussagen österreichischer und schweizerischer Gerichte auf die deutsche Aufsichtsratshaftung übertragen: – Zeitmangel ist niemals ein Entschuldigungsgrund4 – auch der Ratschlag anerkannter Fachleute entschuldigt nicht immer, denn Aufsichtsräte müssen in der Regel selbst in der Lage sein, die Risiken für die Gesellschaft einzuschätzen5; das gilt etwa bei den normalen Kreditgeschäften und Kreditsicherheiten im Rahmen eines Bankbetriebes: das Aufsichtsratsmitglied einer Bank kann sich für diese normalen Geschäfte nicht auf mangelnde Rechtskenntnis berufen6.

1 Hüffer, Komm. AktG, § 116 Rn. 2 i.V.m. § 93 Rn. 3; Drygala in K. Schmidt/ Lutter, Komm. AktG, § 116 Rn. 31. 2 Habersack, MünchKomm. AktG, § 116 Rn. 70; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 116 Rn. 109; Doralt in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 13 Rn. 55; Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 237 ff.; Schwark in FS Werner, 1984, S. 841 ff. 3 BGH v. 15.11.1982 – II ZR 27/82, BGHZ 85, 293, 295 = AG 1983, 133 (Hertie); österreichischer OGH v. 26.2.2002 – 1Obl44/01k, GesRZ 2002, 86, 89; Hüffer, Komm. AktG, § 116 Rn. 2; Peltzer in Wellhöfer/Peltzer/Müller, Die Haftung von Vorstand, Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer, § 16 Rn. 5; Doralt in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder,§ 13 Rn. 56; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 33 Rn. 61. 4 Schweizerisches Bundesgericht BGE 97 II, 403 ff., 411. 5 Schweizerisches Bundesgericht BGE 99 II, 166 ff.; Semler, Führungsvorsorge im Unternehmen, in Unternehmensführung heute, S. 8 f. 6 Österreichischer OGH v. 31.5.1977 – 5 Ob 306/76, AG 1983, 81.

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Innenhaftung

§ 13

Den unterschiedlichen Kenntnissen und Fähigkeiten trägt das Gesetz 1007 dadurch Rechnung, dass es die Arbeitsverteilung im Aufsichtsrat zulässt mit der Folge, dass sich die Verantwortung vor allem auf diejenigen Aufsichtsratsmitglieder verlagert, die mit der konkreten Aufgabe betraut worden sind; vgl. oben Rn. 998 ff. Darüber hinaus ist selbst bei Maßnahmen, die an sich einem Ausschuss überwiesen werden dürfen, aber gleichwohl im Plenum erledigt werden, nichts dagegen einzuwenden, wenn einzelne Aufsichtsratsmitglieder sich auf die Beurteilung der fachlich kompetenteren Kollegen verlassen, nachdem sie deren Beurteilung auf ihre Plausibilität hin überprüft haben1. Nur bei den Tätigkeiten, die zwingend dem Plenum vorbehalten sind, kann sich niemand auf mangelnde Kenntnisse und Fähigkeiten berufen; hier hat jedes Aufsichtsratsmitglied für seine ausreichende Qualifikation einzustehen, denn niemand ist verpflichtet, Aufsichtsratsmitglied zu werden2. Aufsichtsratsmitglieder, die innerhalb des Aufsichtsrats besondere 1008 Funktionen übernehmen, das heißt insbesondere der Aufsichtsratsvorsitzende und die Mitglieder von Ausschüssen, unterliegen einem strengeren Maßstab. Sie haben für die Kenntnisse und Fähigkeiten einzustehen, die ihre Funktion erfordert, und wenn sie diese nicht besitzen, dürfen sie die Funktion nicht übernehmen3. Darüber hinaus ist nach umstrittener, aber richtiger Auffassung anzunehmen, dass besondere Kenntnisse individueller Aufsichtsratsmitglieder für diese den Verschuldensmaßstab erhöhen4. Wer Sonderkenntnisse besitzt und nicht anwendet, kann sich nicht damit entschuldigen, dass ein durchschnittliches Aufsichtsratsmitglied diese Sonderkenntnisse gar nicht besitzen müsse. Zwar gilt der Grundsatz der Gleichheit aller Aufsichtsratsmitglieder (vgl. oben Rn. 821), aber einzelne Mitglieder werden vielfach gerade wegen ihrer besonderen Kenntnisse als Ingenieur, als Vertriebsfachmann, als Bankier, als Wirtschaftsprüfer, als Rechtsanwalt usw. in den Aufsichtsrat gewählt, und sie haben dann 1 Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 300; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 33 Rn. 61. 2 Reiches Fallmaterial aus der Schweiz bei Hütte, ZGR 1986, 1 ff.; Bär/Forstmoser/v. Greyerz/Pedrazzini/Vischer, Die Verantwortung des Verwaltungsrats in der AG, 1978; Forstmoser/Sprecher/Töndury, Persönliche Haftung nach Schweizer Aktienrecht, 2005. 3 Hüffer, Komm. AktG, § 116 Rn. 3; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 33 Rn. 61; Mutter/Gayk, ZIP 2003, 1773, 1774 f.; Dreher in FS Boujong, 1996, S. 71, 83 ff.; Schwark in FS Werner, 1984, S. 841, 848. 4 Wie hier LG Hamburg v. 16.12.1980 – 8 O 229/79, ZIP 1981, 194, 197 = AG 1982, 51; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 116 Rn. 57; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 116 Rn. 32; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 33 Rn. 61.; Doralt in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 13 Rn. 58; Mutter/Gayk, ZIP 2003, 1773, 1775; Dreher in FS Boujong, 1996, S. 71; a.A. Hüffer, Komm. AktG, § 116 Rn. 3; Schwark in FS Werner, 1984, S. 841, 850 f., 853 f.

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§ 13

Haftung der Aufsichtsratsmitglieder

auch dafür einzustehen, dass sie diese speziellen Kenntnisse bei ihrer Amtsführung einsetzen.

4. Beweislastumkehr 1009

Während normalerweise der Anspruchsteller, der einen Schadensersatzanspruch geltend machen will, die Voraussetzungen dafür zu beweisen hat, trifft gemäß §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 2 Satz 2 AktG die Aufsichtsratsmitglieder die Beweislast dafür, dass sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsratsmitglieds angewandt haben. Der Umfang dieser Beweislastumkehr beschränkt sich nicht allein auf die Frage des Verschuldens1, sondern erfasst auch die objektive Pflichtwidrigkeit des Aufsichtsratshandelns2. Das bedeutet allerdings nicht, dass schon der bloße Eintritt eines Schadens der Gesellschaft die Beweislastumkehr auslöse und die Aufsichtsratsmitglieder nun darzulegen hätten, dass dieser Schaden nicht auf einer pflichtwidrigen Handlung oder Unterlassung des Aufsichtsrats beruhe. Vielmehr ist es Sache der Gesellschaft darzulegen, dass ein Schaden eingetreten ist und auf einem zumindest möglicherweise pflichtwidrigen Verhaltens des Aufsichtsrats beruht; erst dann ist es Sache der Aufsichtsratsmitglieder, sich zu entlasten3.

5. Haftungsausschlüsse und -einschränkungen a) Mitwirkung der Hauptversammlung 1010

Gemäß § 93 Abs. 1 AktG tritt die Ersatzpflicht der Gesellschaft gegenüber nicht ein, wenn die schadensstiftende Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluss der Hauptversammlung beruht. Der Vorstand ist verpflichtet, von der Hauptversammlung im Rahmen ihrer Zuständigkeit beschlossene Maßnahmen auszuführen (§ 83 Abs. 2 AktG), und demgemäß kann die pflichtgemäße Durchführung des Beschlusses keine Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat nach sich ziehen. Diese Haftungsentlastung betrifft nicht nur Entscheidungen, für die eine originäre Zuständigkeit der Hauptversammlung besteht, sondern sie greift auch in den Fällen ein, in denen der Vorstand von sich aus gemäß § 119 Abs. 2 AktG Geschäftsführungsmaßnahmen 1 So noch Fleck, GmbHR 1997, 237, 239. 2 BGH v. 4.11.2002 – II ZR 224/00, BGHZ 152, 280, 284 = AG 2003, 381; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 116 Rn. 34; Kurzwelly in Krieger/Uwe H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 14 Rn. 4 ff.; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 26 Rn. 9. 3 BGH v. 4.11.2002 – II ZR 224/00, BGHZ 152, 280, 284 = AG 2003, 381; eingehend Goette, ZGR 1995, 645 ff.; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 116 Rn. 34; Kurzwelly in Krieger/Uwe H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 14 Rn. 6 f.

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Innenhaftung

§ 13

der Hauptversammlung zur Entscheidung vorlegt. Erforderlich ist aber ein gesetzmäßiger Beschluss der Hauptversammlung, d.h. ein Beschluss der weder nichtig noch anfechtbar ist1. Auf diesem Beschluss der Hauptversammlung muss die schädigende Handlung beruhen; deshalb reicht eine bloß nachträgliche Billigung durch Beschluss der Hauptversammlung nicht2. Darüber hinaus darf sich der Aufsichtsrat bei Zustandekommen des Beschlusses nicht pflichtwidrig verhalten haben. Deshalb entlastet ein Hauptversammlungsbeschluss nicht, wenn die Hauptversammlung nicht richtig oder vollständig informiert wurde3. Die Entlastungswirkung entfällt auch dann, wenn sich im Zeitpunkt der Ausführung des Beschlusses die zugrundelegenden Umstände seit dem Zeitpunkt der Beschlussfassung wesentlich verändert haben4. b) Verzicht, Vergleich, Verjährung Sind Schadensersatzansprüche einmal entstanden, ist es schwierig, 1011 sie wieder aus der Welt zu schaffen. Die Gesellschaft kann auf Ersatzansprüche gegen Aufsichtsratsmitglieder nur verzichten und sich über sie auch nur vergleichen, wenn seit der Entstehung des Anspruchs drei Jahre vergangen sind (Ausnahme § 93 Abs. 4 Satz 4 AktG), außerdem die Hauptversammlung zustimmt und nicht eine Aktionärsminderheit von mindestens 10 % des Grundkapitals gegen den Zustimmungsbeschluss Widerspruch zu Protokoll erhebt (§ 93 Abs. 4 Satz 3 AktG). Den Gläubigern gegenüber ist ein Vergleich oder Verzicht selbst bei Einhaltung dieser Voraussetzungen unwirksam (§ 93 Abs. 5 Satz 3 AktG). Bedeutung hat die Möglichkeit eines Vergleichs über Schadensersatzansprüche vornehmlich bei geschlossenen Gesellschaften, während bei Publikumsgesellschaften wegen der Notwendigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses davon relativ selten Gebrauch gemacht wird5. c) Haftungsbeschränkungen Aus dem gesetzlichen Verbot, vor Ablauf von drei Jahren auf Scha- 1012 densersatzansprüche zu verzichten (§ 93 Abs. 4 Satz 3 AktG), folgt zugleich, dass auch eine Haftungsbeschränkung zu Gunsten der Aufsichtsratsmitglieder weder durch Satzungsregelung noch durch indi1 Hüffer, Komm. AktG, § 93 Rn. 25; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 93 Rn. 225 ff.; eingehend Hopt, Großkomm. AktG, § 93 Rn. 316 ff. 2 Hüffer, Komm. AktG, § 93 Rn. 25; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 26 Rn. 14; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 93 Rn. 224. 3 Hüffer, Komm. AktG, § 93 Rn. 26; Hopt, Großkomm. AktG, § 93 Rn. 325. 4 Hopt, Großkomm. AktG, § 93 Rn. 327 ff.; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 93 Rn. 121. 5 Am bekanntesten vielleicht der Vergleich der früheren Metallgesellschaft AG mit ihrem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Schimmelbusch.

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§ 13

Haftung der Aufsichtsratsmitglieder

viduelle Vereinbarung vorgesehen werden kann1. Denn darin läge ein vorweggenommener teilweiser Forderungsverzicht, der § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG zuwider liefe. Auch die Grundsätze der Rechtsprechung zur Begrenzung der Arbeitnehmerhaftung bei betrieblichen Tätigkeiten, lassen sich auf Aufsichtsratsmitglieder nicht übertragen2.

6. Durchsetzung des Ersatzanspruchs a) Zuständigkeit und Handlungspflicht des Vorstands 1013

Gemäß § 78 AktG ist es Sache des Vorstands, die Gesellschaft gegenüber Aufsichtsratsmitgliedern gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. Darunter fällt auch die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Aufsichtsratsmitglieder. Für die umgekehrte Konstellation, die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Vorstand, hat der BGH im ARAG-Fall entschieden, dass der Aufsichtsrat grundsätzlich verpflichtet ist, erfolgversprechende Schadensersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder zu verfolgen (vgl. näher oben Rn. 440 ff.). Das gilt spiegelbildlich auch für die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen durch den Vorstand gegen Mitglieder des Aufsichtsrats. Ermessen hat der Vorstand hierbei grundsätzlich nicht, sondern er ist im Regelfall verpflichtet, erfolgversprechende Ersatzansprüche gegen den Aufsichtsrats durchzusetzen, will er sich nicht selbst ersatzpflichtig machen3. Das hat in der Praxis namentlich dann Bedeutung, wenn ein neuer Vorstand ins Amt gekommen ist und die Aufsichtsratsmitglieder inzwischen ausgeschieden sind. Hingegen wäre es lebensfremd anzunehmen, dass der alte Vorstand, der an den Vorgängen selbst beteiligt war, den amtierenden Aufsichtsrat wegen mangelnder Überwachung auf Schadensersatz in Anspruch nehmen werde. b) Anspruchsverfolgung durch die Hauptversammlung oder eine Aktionärsminderheit

1014

Da eine ordnungsgemäße Anspruchsverfolgung durch den Vorstand nicht in jedem Fall gewährleistet ist, enthält das Gesetz zunächst in § 147 AktG Regelungen, die es der Hauptversammlung erlauben, die 1 Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 116 Rn. 35; Hüffer, Komm. AktG, § 93 Rn. 1; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 93 Rn. 4; Hopt, Großkomm. AktG, § 93 Rn. 23 ff. 2 BGH v. 27.2.1975 – II ZR 112/72, WM 1975, 467, 469; OLG Düsseldorf v. 22.6.1995 – 6 U 104/94, ZIP 1995, 1183, 1192 = AG 1995, 416; Hüffer, Komm. AktG, § 93 Rn. 14; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 93 Rn. 4; Hopt, Großkomm. AktG, § 93 Rn. 339 ff.; Ehlers, ZInsO 2008, 524, 525. 3 Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 116 Rn. 36; Habersack, MünchKomm. AktG, § 116 Rn. 8; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 116 Rn. 118.

376

Innenhaftung

§ 13

Anspruchsverfolgung zu erzwingen. Dazu kann die Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit beschließen, dass die Ersatzansprüche geltend zu machen sind (§ 147 Abs. 1 Satz 1 AktG). Es ist dann in erster Linie Sache des Vorstands, den Anspruch zu verfolgen. Die Hauptversammlung kann jedoch besondere Vertreter bestellen, die an Stelle des Vorstands für die Anspruchsverfolgung zuständig sind (§ 147 Abs. 2 Satz 1 AktG)1. Außerdem kann eine Minderheit, deren Anteile zusammen 10 % des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von 1 Mio. Euro erreichen, bei Gericht den Antrag stellen, an Stelle des Vorstands oder an Stelle des von der Hauptversammlung bestellten besonderen Vertreters andere Vertreter der Gesellschaft zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs zu bestellen. In der Praxis sind Fälle, in denen die Hauptversammlung die Anspruchsverfolgung beschließt, selten2. Solange die Gesellschaft ihren Ersatzanspruch nicht selbst gerichtlich 1015 geltend macht, gibt § 148 AktG einer qualifizierten Aktionärsminderheit die Möglichkeit, ein gerichtliches Klagezulassungsverfahren zu betreiben. Das Verfahren richtet sich darauf, dass das Gericht die antragstellenden Aktionäre ermächtigt, die Schadensersatzansprüche der Gesellschaft im eigenen Namen, aber auf Zahlung an die Gesellschaft geltend zu machen. Antragsberechtigt sind Aktionäre, deren Anteile im Zeitpunkt der Antragstellung zusammen 1 % des Grundkapitals oder einen anteiligen Betrag von 100 000 Euro erreichen. Die Aktionäre müssen ihre Aktien vor Kenntniserlangung von den Pflichtverstößen erworben haben (§ 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AktG), und sie müssen zudem zunächst die Gesellschaft unter Setzung einer angemessenen Frist auffordern, selbst Klage zu erheben (§ 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AktG). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, lässt das Gericht die Klage durch die Aktionäre zu, wenn Tatsachen vorliegen, die den dringenden Verdacht rechtfertigen, dass der Gesellschaft durch Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung Schaden zugefügt wurde und der Geltendmachung des Ersatzanspruchs keine überwiegenden Gründe des Gesellschaftswohls entgegenstehen (§ 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 AktG). Die Gesellschaft bleibt berechtigt, ihren Ersatzanspruch trotz eines laufenden Klagezulassungsverfahrens selbst geltend zu machen (§ 148 Abs. 3 Satz 1 AktG). Ein von der Aktionärsminderheit aufgrund entsprechender Zulassung anhängig gemachtes Klageverfahren kann die Ge1 Zur Rechtsstellung des besonderen Vertreters instruktiv OLG München v. 28.11.2007 – 7 U 4498/07, ZIP 2008, 73 = AG 2008, 172; LG München I v. 6.9.2007 – 5 HK O 12 570/07, ZIP 2007, 1809 = AG 2007, 756 und LG München I v. 4.10.2007 – 5 HK O 12 615/07, ZIP 2007, 2420. 2 Am bekanntesten wohl der Fall der HypoVereinsbank; vgl. dazu OLG München v. 22.6.1995 – 6 U 104/94, ZIP 2008, 73 = AG 2008, 172; LG München I v. 6.9.2007 – 5 HK O 12 570/07, ZIP 2007, 1809 = AG 2007, 756 und LG München I v. 4.10.2007 – 5 HK O 12 615/07, ZIP 2007, 2420.

377

§ 13

Haftung der Aufsichtsratsmitglieder

sellschaft übernehmen (§ 148 Abs. 3 Satz 2 AktG), wozu der Vorstand in aller Regel verpflichtet sein wird1. c) Anspruchsverfolgung durch einzelne Aktionäre und Gläubiger 1016

Wenn der Vorstand nicht handelt und §§ 147, 148 AktG versagen, bleibt die Frage, ob unter besonderen Voraussetzungen auch einzelne Aktionäre die Anspruchsverfolgung in die Hand nehmen können. Die herrschende Meinung in der juristischen Literatur lehnt dies mit Recht ab2. Das Gesetz hat das Problem in §§ 147, 148 AktG geregelt; daneben gibt es konzernrechtliche Sondervorschriften, die ausnahmsweise einzelne Aktionäre zur Anspruchsverfolgung ermächtigen (§§ 309 Abs. 4, 318 Abs. 2 und 4 AktG). Das steht der richterlichen Schaffung weitergehender Minderheitsbefugnisse entgegen.

1017

Gläubiger haben normalerweise nicht das Recht, Schadensersatzansprüche der Gesellschaft geltend zu machen. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn die Gläubiger von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen können und zusätzlich entweder eine der in § 93 Abs. 3 AktG aufgeführten besonderen Pflichtverletzungen vorliegt oder die Aufsichtsratsmitglieder die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsratsmitglieds gröblich verletzt haben (§ 93 Abs. 5 AktG). Der Anspruch des Gläubigers ist im eigenen Namen geltend zu machen und richtet sich auf Zahlung an den Gläubiger, nicht an die Gesellschaft3. Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, wird das Verfolgungsrecht der Gläubiger durch den Insolvenzverwalter, im Falle der Eigenverwaltung durch den Sachwalter, ausgeübt (§ 93 Abs. 5 Satz 4 AktG).

II. Haftung der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber Dritten (Außenhaftung) 1018

Von der Frage der Haftung der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Gesellschaft zu unterscheiden ist eine mögliche Schadensersatzhaftung gegenüber Dritten.

1 Mock in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 148 Rn. 84. 2 Hüffer, Komm. AktG, § 147 Rn. 5; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 26 Rn. 22; Krieger, ZHR 163 (1999), 343, 344; Habersack, DStR 1998, 533; Zöllner, ZGR 1988, 392, 408; a.A. Wellkamp, DZWiR 1994, 221, 223 f. 3 Hüffer, Komm. AktG, § 93 Rn. 34; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 26 Rn. 27.

378

Außenhaftung

§ 13

1. Haftung gegenüber Aktionären Gegenüber Aktionären kommt eine Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern vor allem als deliktische Haftung wegen eines Eingriffs in die Mitgliedschaft in Betracht, die als absolutes Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB geschützt ist1. Dazu reicht allerdings nicht schon eine nur mittelbare Beeinträchtigung des Mitgliedschaftsrechts durch Schädigung der Gesellschaft aus, sondern erforderlich ist eine unmittelbare Verletzung des Mitgliedschaftsrechts2. Als derartige unmittelbare Verletzung des Mitgliedschaftsrechts kommt namentlich die Durchführung von Umstrukturierungsmaßnahmen unter Missachtung von Mitentscheidungsbefugnissen der Hauptversammlung in Frage3. Eine Pflichtverletzung durch den Aufsichtsrats kann sich in diesen Fällen daraus ergeben, dass er der Maßnahme des Vorstands zugestimmt oder sie trotz Erkennbarkeit der bevorstehenden Rechtsverletzung nicht verhindert hat4.

1019

Neben Deliktsansprüchen dieser Art können sich im Einzelfall An- 1020 sprüche von Aktionären aufgrund von Spezialvorschriften ergeben. Eine unmittelbare Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern gegenüber Aktionären kommt danach gemäß § 117 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 AktG in den Fällen der vorsätzlich schädigenden Einflussnahme auf die Gesellschaft in Betracht, und daneben im Falle der konzernrechtlichen Schadensersatzverpflichtung nach § 317 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 AktG, jeweils vorausgesetzt, dass den Aktionären ein über die Schädigung der Gesellschaft hinausgehender Schaden entstanden ist.

1 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 133 = AG 1982, 158 (Holzmüller); Hopt, Großkomm. AktG, § 93 Rn. 470; Habersack, MünchKomm. AktG, § 116 Rn. 78; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 93 Rn. 173; Doralt in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 13 Rn. 128; kritisch Spindler, MünchKomm. AktG, § 93 Rn. 270 f. 2 Vgl. etwa BGH v. 12.3.1990 – II ZR 179/89, BGHZ 110, 323, 327 u. 334 f. (für Vereinsvorstand); Mertens, Kölner Komm. AktG, § 93 Rn. 172; Habersack, MünchKomm. AktG, § 116 Rn. 78; Habersack, Mitgliedschaft, S. 258 ff.; enger Hopt, Großkomm. AktG, § 93 Rn. 471 ff., der § 823 Abs. 1 BGB nur bei Maßnahmen anwenden will, die sich gegen den rechtlichen Bestand der Mitgliedschaft richten. 3 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 33 Rn. 172; Habersack, MünchKomm. AktG, § 116 Rn. 78. Zur Missachtung von Entscheidungszuständigkeiten der Hauptversammlung als Verletzung des Mitgliedschaftsrechts vgl. BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 133 u. 135 = AG 1982, 158 (Holzmüller). 4 Thümmel, DB 1999, 885, 887.

379

§ 13

Haftung der Aufsichtsratsmitglieder

2. Haftung gegenüber Anlegern 1021

Gegenüber Anlegern wird eine mögliche Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Abgabe der jährlichen Entsprechenserklärung nach § 161 AktG erörtert1. Außerhalb des Bereichs der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB)2 zieht eine inhaltlich unrichtige Entsprechenserklärung jedoch keine Haftungsfolgen nach sich. Insbesondere ist § 161 AktG kein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB3. Ebenso wenig wird man im Ergebnis aus dem Gesichtspunkt einer prospekt- und kapitalmarktrechtlichen Vertrauenshaftung Schadensersatzansprüche von Anlegern begründen können, die im Vertrauen auf die Richtigkeit der Entsprechenserklärung ihre Anlageentscheidung getroffen haben4.

1022

Eine Haftung gegenüber Aktionären ist hingegen im Zusammenhang mit den Verpflichtungen des Aufsichtsrats bei Übernahmeangeboten denkbar. Eine nicht ordnungsgemäße Stellungnahme des Aufsichtsrats der Zielgesellschaft zum Angebot (vgl. oben Rn. 516) kann eine Haftung unter zwei Gesichtspunkten auslösen. Zum einen spricht viel für die Annahme, dass § 27 WpÜG als Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB zu Gunsten der Aktionäre der Zielgesellschaft anzusehen ist5. Darüber hinaus liegt es nahe, eine Haftung nach den Grundsät-

1 Zu Fragen einer Außenhaftung von Aufsichtsratsmitgliedern für fehlerhafte Kapitalmarktinformationen de lege ferenda vgl. Grotheer, WM 2005, 2070, 2075 ff. 2 Dazu Sester in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 161 Rn. 53; Spindler in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 161 Rn. 73; Hüffer, Komm. AktG, § 161 Rn. 29. 3 Hüffer, Komm. AktG, § 161 Rn. 28; Spindler in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 161 Rn. 71; Sester in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 161 Rn. 51 f.; Semler, MünchKomm. AktG, § 161 Rn. 210; Bertrams, Die Haftung des Aufsichtsrats im Zusammenhang mit dem Deutschen Corporate Governance Kodex und § 161 AktG, 2004, S. 255 f.; Seibt, AG 2002, 249, 256. 4 Hüffer, Komm. AktG, § 161 Rn. 30; Semler, MünchKomm. AktG, § 161 Rn. 225; Sester in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 161 Rn. 55; Spindler in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 161 Rn. 75; Bertrams, Die Haftung des Aufsichtsrats im Zusammenhang mit dem Deutschen Corporate Governance Kodex und § 161 AktG, 2004, S. 233 ff.; Kort in FS Raiser, 2005, S. 203, 216 ff.; a.A. Lutter in FS Druey, 2002, S. 463, 469 ff.; Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 168 f. 5 So Röh, Frankfurter Komm. WpÜG, § 27 Rn. 92; Ekkenga in Ehricke/Ekkenga/Oechsler, Komm. WpÜG, § 27 Rn. 44; Noack in Schwark, Kapitalmarktrechtskomm., § 27 WpÜG Rn. 35; a.A. Harbarth in Baums/Thoma, Komm. WpÜG, § 27 Rn. 142 ff.; Steinmeyer in Steinmeyer/Häger, Komm. WpÜG, § 27 Rn. 81; Krause/Pötzsch in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, Komm. WpÜG, § 27 Rn. 150 f.; Schwennicke in Geibel/Süßmann, Komm. WpÜG, § 27 Rn. 47.

380

Außenhaftung

§ 13

zen der bürgerlich rechtlichen Prospekthaftung anzuerkennen1. Demgegenüber scheidet eine Außenhaftung der Aufsichtsratsmitglieder wegen pflichtwidriger Zustimmung zu Abwehrmaßnahmen nach § 33 Abs. 1 Satz 2 oder § 33 Abs. 2 Satz 3 WpÜG in aller Regel aus. Insbesondere stellen unzulässige Abwehrmaßnahmen, solange keine Hauptversammlungskompetenzen verletzt werden, keinen Eingriff in das Mitgliedschaftsrecht des Aktionärs (vgl. oben Rn. 1020) dar2, und ebensowenig verletzen sie ein Schutzgesetz zu Gunsten der Anleger i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB3.

3. Haftung gegenüber Gesellschaftsgläubigern und sonstigen Dritten Eine Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern gegenübern Gläubigern 1023 der Gesellschaft und sonstigen Dritten wird in den seltensten Fällen praktisch werden. Denkbar ist eine deliktische Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB wegen der Verletzung von Schutzgesetzen. Als praktisches Beispiel mag insbesondere eine Verletzung der Insolvenzantragspflicht nach § 92 Abs. 2 AktG in Betracht kommen, die ein Schutzgesetz zu Gunsten der Gläubiger darstellt4 und die Schadensersatzansprüche auch gegen Aufsichtsratsmitglieder nach sich ziehen kann. Da die Insolvenzantragspflicht dem Vorstand obliegt, kann eine Aufsichtsratshaftung jedoch nur unter dem Gesichtspunkt der Anstiftung oder Beihilfe (§ 830 Abs. 2 BGB) entstehen, was wiederum 1 Ausführlich Röh, Frankfurter Komm. WpÜG, § 27 Rn. 86 ff.; Ekkenga in Ehricke/Ekkenga/Oechsler, Komm. WpÜG, § 27 Rn. 44; Noack in Schwark, Kapitalmarktrechtskomm., § 27 WpÜG Rn. 35; Hirte, Kölner Komm. WpÜG, § 27 Rn. 27; Wackerbarth, MünchKomm. AktG, § 27 WpÜG Rn. 16; a.A. Harbarth in Baums/Thoma, Komm. WpÜG, § 27 Rn. 139; Steinmeyer in Steinmeyer/Häger, Komm. WpÜG, § 27 Rn. 78; Krause/ Pötzsch in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, Komm. WpÜG, § 27 Rn. 145; Schwennicke in Geibel/Süßmann, Komm. WpÜG, § 27 Rn. 51. 2 Röh, Frankfurter Komm. WpÜG, § 33 Rn. 209; Steinmeyer in Steinmeyer/ Häger, Komm. WpÜG, § 33 Rn. 58; Schwennicke in Geibel/Süßmann, Komm. WpÜG, § 33 Rn. 89. 3 Schwennicke in Geibel/Süßmann, Komm. WpÜG, § 33 Rn. 88; Steinmeyer in Steinmeyer/Häger, Komm. WpÜG, § 33 Rn. 59; Grunewald in Baums/ Thoma, Komm. WpÜG, § 33 Rn. 74; Noack in Schwark, Kapitalmarktrechtskomm., § 33 WpÜG Rn. 40; Krause/Pötzsch in Assmann/Pötzsch/ Uwe H. Schneider, Komm. WpÜG, § 33 Rn. 312, 316; a.A. Ekkenga in Ehricke/Ekkenga/Oechsler, Komm. WpÜG, § 33 Rn. 37; Hirte, Kölner Komm. WpÜG, § 33 Rn. 159 f.; Röh, Frankfurter Komm. WpÜG, § 33 Rn. 210. 4 BGH v. 9.7.1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96, 106 (Herstatt); BGH v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 190; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 116 Rn. 62; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 116 Rn. 201; Spindler, MünchKomm. AktG, § 92 Rn. 52; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 116 Rn. 313; Hüffer, Komm. AktG, § 92 Rn. 16 m.w.N.

381

§ 13

Haftung der Aufsichtsratsmitglieder

Vorsatz voraussetzt1. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die den Mitgliedern des Geschäftsführungsorgans gegenüber Dritten eine Garantenstellung für eine ordnungsgemäße Organisation der Gesellschaft auferlegt2, lässt sich auf den Aufsichtsrat als reines Innenorgan nicht übertragen; auch insoweit kommt eine Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern daher allenfalls unter dem Gesichtspunkt der (vorsätzlichen) Anstiftung oder Beihilfe zu einer entsprechenden Pflichtverletzung des Vorstands in Betracht. Gleiches gilt für die Haftung gegenüber Gläubigern oder Dritten wegen der Verletzung sonstiger Schutzgesetze, insbesondere aus dem Bereich der Produkt- und Umwelthaftung, des Wettbewerbsrechts und der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten des Vorstands3.

III. D&O-Versicherung 1024

Zur Versicherung des Haftungsrisikos werden von den Gesellschaften üblicherweise Vermögensschadenhaftpflichtversicherungen für das Managementabgeschlossen, für die sich – abgeleitet von der amerikanischen Directors’ and Officers’ Liability Insurance – die Kurzbezeichnung D&O-Versicherung durchgesetzt hat. Versichert sind Haftpflichtansprüche Dritter und der Gesellschaft, d.h. also sowohl die Innen- als auch die Außenhaftung. Versicherungsnehmer und Prämienschuldner ist die Gesellschaft. Zu den versicherten Personen gehören neben den Mitgliedern des Vorstands in aller Regel auch die Mitglieder des Aufsichtsrats und vielfach ein größerer Kreis leitender Angestellter4.

1025

Die Zulässigkeit solcher Versicherungen steht außer Zweifel. Insbesondere stehen sie nicht in Widerspruch zu dem Verbot vertraglicher Haftungsbeschränkungen (vgl. oben Rn. 1012) und der Regelung des § 93 Abs. 4 AktG, die einen Verzicht auf Schadensersatzansprüche erst nach Ablauf von drei Jahren und nur mit Zustimmung der

1 BGH v. 9.7.1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96, 107 (Herstatt); Doralt in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 13 Rn. 144 mit Fn. 296. 2 BGH v. 5.12.1989 – VI ZR 335/88, BGHZ 109, 297, 302 ff. (Baustoff); Groß, ZGR 1998, 551, 563 ff.; Hopt, Großkomm. AktG, § 93 Rn. 502 ff. m.w.N. 3 Vgl. zur Vorstandshaftung insoweit eingehend Hopt, Großkomm. AktG, § 93 Rn. 499 ff., 506 f., 508 ff., 511 ff. 4 Vgl. zum Inhalt der D&O-Versicherungen näher Sieg in Krieger/Uwe H. Schneider, Handbuch Managerhaftung, § 16 Rn. 2 ff.; Henssler in Henze/ Hoffmann-Becking (Hrsg.), Gesellschaftsrecht 2001, RWS-Forum 20, 2001, S. 131, 139 ff.; Kästner, AG 2000, 113/114 f.; Mertens, AG 2000, 447/448; Ulmer in FS Canaris, 2007, S. 451; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 451 ff.

382

D&O-Versicherung

§ 13

Hauptversammlung zulässt1. Allerdings wird verschiedentlich befürchtet, dass die mit der Haftungsdrohung verbundene Präventivwirkung, die Mitglieder des Aufsichtsorgans zur ordnungsgemäßen Amtsführung anzuhalten, durch den Abschluss einer D&O-Versicherung beeinträchtigt werde2. Aus diesem Grund empfiehlt Ziff. 3.8 Abs. 2 des Kodex, bei Abschluss einer D&O-Versicherung einen angemessenen Selbstbehalt zu vereinbaren, und es wird vereinzelt sogar angenommen, es bestehe eine aktienrechtliche Pflicht zur Vereinbarung eines Selbstbehalts3. Was als Selbstbehalt angemessen ist, ist unklar. In der Praxis findet man bei Aufsichtsratsmitgliedern häufig Selbstbehalte in Höhe einer Jahresfixvergütung4. Schwierig zu beantworten und entsprechend umstritten ist die Frage, 1026 ob der Abschluss einer D&O-Versicherung als (Sach-)Vergütung anzusehen ist und dementsprechend gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 AktG entweder in der Satzung festgesetzt oder von der Hauptversammlung bewilligt werden muss. Eine früher überwiegende und noch heute verbreitete Meinung geht vom Vergütungscharakter einer D&O-Versicherung aus mit der Folge, dass der Abschluss einer solchen Versicherung zu Gunsten von Aufsichtsratsmitgliedern eine entsprechende Satzungsregelung oder einen Hauptversammlungbeschluss erfordert5. Mittlerweile hat sich jedoch wohl die Auffassung durchgesetzt, dass die D&O-Versicherung im Allgemeinen keinen Ver-

1 Hüffer, Komm. AktG, § 84 Rn. 16; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 92 Rn. 285; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 84 Rn. 83; Hopt, Großkomm. AktG, § 93 Rn. 519; Henssler in Henze/Hoffmann-Becking (Hrsg.), Gesellschaftsrecht 2001, RWS-Forum 20, 2001, S. 131, 142 ff. m.w.N. 2 Vgl. insbesondere Hopt, Großkomm. AktG, § 93 Rn. 519; Kästner, AG 2000, 113, 122; Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rn. 75; a.A. Henssler in Henze/Hoffmann-Becking (Hrsg.), Gesellschaftsrecht 2001, RWS-Forum 20, 2001, S. 131, 141 f. 3 So Kort, Großkomm. AktG, § 84 Rn. 450; mit Recht ablehnend Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 93 Rdn. 286; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 26 Rn. 45; Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321, 2324; zögernd auch Spindler, MünchKomm. AktG, § 93 Rn. 179 ff. 4 Ringleb in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Komm. Kodex, Rn. 523; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 33 Rn. 17. 5 Hüffer, Komm. AktG, § 113 Rn. 2a; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 113 Rn. 12; Spindler, MünchKomm. AktG, § 93 Rn. 191; Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, 1997, S. 59 Fn. 178; Semler in FS Claussen, 1997, S. 381, 400 f.; Henssler in Henze/Hoffmann-Becking (Hrsg.), Gesellschaftsrecht 2001, RWS-Forum 20, 2001, S. 131, 144 ff.; Feddersen, AG 2000, 385, 394; Kästner, AG 2000, 113, 118; Kästner, DStR 2001, 195.

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§ 13

Haftung der Aufsichtsratsmitglieder

gütungscharakter hat, sondern in erster Linie den Vermögensinteressen der Gesellschaft dient1. 1027

Die Finanzverwaltung folgt der Auffassung, dass bei Abschluss einer D&O-Versicherung das Unternehmensinteresse im Vordergrund stehen könne und dann die Beiträge zu dieser Versicherung keine lohnund einkommensteuerpflichtigen Einkünfte der versicherten Person darstellen2. Voraussetzung dafür ist, dass – die D&O-Versicherung in erster Linie der Absicherung des Unternehmens gegen Schadensersatzforderungen Dritter dient, – aufgrund entsprechender Vertragsklauseln der Anspruch auf die Versicherungsleistung im Ergebnis dem Unternehmen als Versicherungsnehmer zusteht, – regelmäßig das Management als Ganzes versichert ist und nicht nur Versicherungsschutz für einzelne Personen besteht, – Basis der Prämienkalkulation nicht individuelle Merkmale der versicherten Organmitglieder sind, sondern Betriebsdaten des Unternehmens und dabei die Versicherungssummen deutlich höher sind als typischerweise das Privatvermögen.

1028

Wenn diese Kriterien erfüllt sind, wird man auch aus gesellschaftsrechtlicher Sicht annehmen können, dass die Versicherung keinen Vergütungscharakter hat. und demgemäß nicht Satzung oder Hauptversammlung über ihren Abschluss entscheiden, sondern der Vorstand (§ 78 AktG). Ob man dieses Ergebnis davon abhängig machen kann, dass der Vorstand einen angemessenen Selbstbehalt vereinbart3, ist zweifelhaft und im Ergebnis wohl doch eher zu verneinen. Für das Verlangen nach einem Selbstbehalt spricht der Gedanke, dass bei fehlendem Vergütungscharakter der Versicherung der Vorstand über ihren Abschluss entscheidet, was wiederum problematisch ist, wenn ein deutliches Eigeninteresse der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder an der Versicherung besteht. Denn in diesem Fall sind sowohl der Schutzzweck der §§ 84 Abs. 1 Satz 5, 112 AktG tangiert (der Vorstand soll nicht über seine eigenen wirtschaftlichen Interessen entscheiden können), als auch der Schutzzweck des § 113 AktG (der 1 So namentlich Habersack, MünchKomm. AktG, § 113 Rn. 13; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 113 Rn. 53; Fleischer in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 93 Rn. 289; Wiesner, Münchener Hdb. AG, § 26 Rn. 46; Ringleb in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Komm. Kodex, Rn. 517; Mertens, AG 2000, 447, 451 f.; E. Vetter, AG 2000, 453, 456 f.; Lange, ZIP 2001, 1524, 1526 ff.; Dreher, ZHR 165 (2001), 293, 302 ff. 2 Vgl. etwa Erlass des Finanzministeriums Niedersachsen vom 25. 1. 2002, DStR 2002, 678; Küppers/Dettmeier/Koch, DStR 2002, 199. 3 So Voraufl. Rn. 870; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 113 Rn. 53; ablehnend Hüffer, Komm. AktG, § 113 Rn. 2a; Habersack, MünchKomm. AktG, § 113 Rn. 13.

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D&O-Versicherung

§ 13

Vorstand soll nicht die wirtschaftlichen Interessen der Aufsichtsratsmitglieder in der Hand haben1). Die Organzuständigkeit von einem angemessenen Selbstbehalt abhängig zu machen, ist aber ebenfalls problematisch, weil die Zuständigkeitsabgrenzung damit nicht hinreichend bestimmt festläge2. Hinzu kommt, dass der Abschluss einer D&O-Versicherung heute durchweg üblich ist, so dass sich der potentielle Interesenkonflikt von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern relativiert. Schließlich ist zu bedenken, dass der Vorstand durch eine unangemessen günstige Ausgestaltung der Versicherung seine Pflichten verletzen würde, wobei ihm nach herrschender Meinung wegen des bestehenden Interessenkonflikts die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht zugute kommt3.

1 Mertens in FS Steindorff, 1990, S. 173, 174. 2 So der Einwand von Hüffer, Komm. AktG, § 113 Rn. 2a. 3 Vgl. nur Begr. RegE UMAG, BR-Drucks. 3/05, S. 20; Fleischer in Spindler/ Stilz, Komm. AktG, § 93 Rn. 68; Spindler, MünchKomm. AktG, § 93 Rn. 55; Lutter, ZIP 2007, 841, 844; kritisch Krieger/Sailer in K. Schmidt/ Lutter, Komm. AktG, § 93 Rn. 15.

385

§ 14 Ersatzmitglieder des Aufsichtsrats I. Überblick Nach § 101 Abs. 3 Sätze 2–4 AktG kann für jedes Aufsichtsratsmit- 1029 glied (Ausnahme: der Neutrale nach § 4 Abs. 1 Satz 2 lit. c MontanMitbestG und § 5 Abs. 1 Satz 2 lit. c MontanMitbestErgG) ein Ersatzmitglied bestellt werden. Davon wird in großen und größeren Aktiengesellschaften häufig Gebrauch gemacht, und zwar sowohl von den Arbeitnehmern als auch von den Anteilseignern, da – wie oben schon geschildert1 – Zeitaufwand und Kosten für die Nachwahl eines weggefallenen Aufsichtsratsmitglieds sehr hoch sind.

II. Bestellung des Ersatzmitglieds und Nachrücken in den Aufsichtsrat Ersatzmitglieder können jeweils nur für eine bestimmte „Kategorie“ 1030 von Aufsichtsratsmitgliedern gewählt werden2 (also für Anteilseigner-Vertreter oder Arbeitnehmer-Vertreter und diese dann wiederum unterschieden in Arbeiter und Angestellte) und nur von demjenigen Organ (Belegschaft, Betriebsrat, Haupt- oder Gesellschafterversammlung etc.), das für die Wahl der „Hauptmitglieder“ zuständig ist, also derjenigen, die es ggf. zu ersetzen gilt (§ 101 Abs. 3 Satz 2 AktG, § 7 DrittelbG, § 17 MitbestG). Die Wahl von Ersatzmitgliedern ist vom Gesetz nicht zwingend vorgesehen, sie liegt vielmehr im Ermessen des jeweils zuständigen Wahlorgans. Ihre Anordnung in der Gesellschaftssatzung ist ebenso unzulässig wie eine Regelung, welche die Bestellung von Ersatzmitgliedern ausschließt3. Diese Wahl muss gleichzeitig mit der Wahl des ggf. zu ersetzenden Aufsichtsratsmitglieds erfolgen, also in der gleichen Haupt- oder Gesellschafterversammlung, der gleichen Wahlmänner-Versammlung oder der gleichen Direktwahl im Unternehmen4. Ein einheitlicher Abstim-

1 Siehe oben Rn. 18. 2 Vgl. § 17 MitbestG sowie Habersack, MünchKomm. AktG, § 101 Rn. 76; Hüffer, Komm. AktG, § 101 Rn. 16. 3 Begr. RegE zu § 101 AktG bei Kropff, Aktiengesetz, S. 140; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 30 Rn. 27; Hüffer, Komm. AktG, § 101 Rn. 11; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 101 Rn. 71; Drygala in K. Schmidt/ Lutter, Komm. AktG, § 101 Rn. 28. 4 Hüffer, Komm. AktG, § 101 Rn. 12; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 101 Rn. 29; Habersack, MünchKomm. AktG, § 101 Rn. 78.

387

§ 14

Ersatzmitglieder des Aufsichtsrats

mungsvorgang ist normalerweise nicht erforderlich1, lediglich § 7 DrittelbG verknüpft die Wahl des Aufsichtsratsmitglieds und des Ersatzmitglieds zu einer Einheit. 1031

Ersatzmitglieder können ausdrücklich „Person zu Person“ (so meist bei den Arbeitnehmervertretern nach MitbestG), aber auch in einer geringeren Zahl gewählt werden (so die Regel bei den Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner), also z.B. ein Ersatzmitglied für mehrere Aufsichtsratsmitglieder oder mehrere Ersatzmitglieder in bestimmter Reihenfolge für alle Aufsichtsratsmitglieder der betreffenden Kategorie (sog. Listen)2 derart, dass bei der ersten Vakanz A, bei der nächsten B etc. in den Aufsichtsrat einrücken. Eine solche Liste mit mehreren Ersatzmitgliedern kann auch für ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied aufgestellt werden3.

1032

Fällt das betreffende Aufsichtsratmitglied weg (zu den Gründen siehe oben Rn. 27 ff.), so soll nach der herrschenden Meinung das Ersatzmitglied automatisch an seine Stelle treten, da eine besondere Annahme des Amtes nicht mehr erforderlich sei, weil der Betreffende mit Annahme seiner Wahl zum Ersatzmitglied mindestens konkludent auch schon das Aufsichtsratsamt akzeptiert habe4. Eine solche Vorweg-Annahme des Aufsichtsratsamtes ist gewiss möglich; sie führt zum abgeschlossenen Bestellungsakt im Augenblick des Eintritts des Ersatzfalles. Erfüllt das Ersatzmitglied in diesem Augenblick dann die persönlichen Voraussetzungen nicht, so ist die Bestellung unheilbar nichtig. Vor diesem Hintergrund ist die These von der stets mindestens konkludent erklärten antizipierten Annahme des Aufsichtsratsamtes verfehlt. Sie ist eine reine Fiktion, vom Gesetz 1 Habersack, MünchKomm. AktG, § 101 Rn. 79; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 101 Rn. 186; OLG Frankfurt v. 5.12.1989 – 22 U 148/88. 2 BGH v. 15.12.1986 – II ZR 18/86, BGHZ 99, 211, 214 = AG 1987, 152; BGH v. 29.6.1987 – II ZR 242/86, WM 1987, 1070, 1071 = AG 1987, 348; Habersack, MünchKomm AktG, § 101 Rn. 81; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 101 Rn. 29; Hüffer, Komm. AktG, § 101 Rn. 14 f.; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 30 Rn. 28; Neu, WM 1988, 481, 482; Rellermeyer, ZGR 1987, 563, 566 m.w.N.; a.A. Roussos, AG 1987, 239, 240 f.; Damm, AG 1987, 44, 47. 3 BGH v. 15.12.1986 – II ZR 18/86, BGHZ 99, 211 = AG 1987, 152, Leitsatz c. Für die Arbeitnehmervertreter kann allerdings gemäß § 17 Abs. 1 MitbestG, § 7 DrittelbG nur je ein einziges Ersatzmitglied bestellt werden, wie sich aus den Wahlordnungen zum MitbestG und DrittelbG ergibt, vgl. dazu Wißmann in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 17 MitbestG Rn. 6; Henssler in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 17 MitbestG Rn. 9, § 7 DrittelbG Rn. 3. 4 BayObLG v. 29.3.2000 – 3 ZBR 11/2000, AG 2001, 50, 51; Spindler in Spindler/Stilz, Komm. AktG, § 101 Rn. 90; Habersack, MünchKomm. AktG, § 101 Rn. 80; Hüffer, Komm. AktG, § 101 Rn. 13; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 101 Rn. 85; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 30 Rn. 30; Bommert, AG 1986, 315, 319.

388

Ausscheiden und Vermeidung des Nachrückfalles

§ 14

weder vorgeschrieben noch vorgezeichnet und zudem ausgesprochen unzweckmäßig, da sie die denkbaren Veränderungen in der Gesellschaft und in der Person des Ersatzmitglieds gänzlich außer Betracht lässt1. Insbesondere hätte das Ersatzmitglied vor dem Hintergrund dieser These keine Möglichkeit, nach Eintritt des Ersatzfalles etwa noch notwendige Voraussetzungen in seiner Person – Voraussetzungen, die erst bei Amtsübernahme vorhanden sein müssen2 – zu schaffen. Das Ersatzmitglied könnte z.B. nicht rechtzeitig vom Vorstandsamt der Gesellschaft (§ 105 Abs. 1 AktG) oder von einem Aufsichtsratsposten zurücktreten, um die Voraussetzung der „nicht mehr als zehn Sitze“ zu erfüllen (§ 100 Abs. 2 Nr. 1 AktG): Seine Bestellung wäre unheilbar unwirksam. Weshalb aber soll eine Person schon bei der Wahl zum Ersatzmitglied auf andere Aufsichtsratsposten verzichten, wo die Ersatzbestellung möglicherweise nie zum Zuge kommt? Richtigerweise muss man daher annehmen, dass das Ersatzmitglied 1033 dann, wenn es bei der Annahme des Ersatzamtes nicht rechtzeitig und ausdrücklich die etwaige Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied annimmt, erst bei Eintritt des Ersatzfalles die Annahme des Aufsichtsratsamtes erklären will und muss – das dann allerdings unverzüglich nach Mitteilung des Ersatzfalles3. Die hierdurch bewirkte kurzfristige Vakanz des betreffenden Aufsichtsratssitzes schadet demgegenüber nicht, da die Vakanz ohne das Ersatzmitglied erst recht und für eine gewiss längere Zeit gegeben wäre.

III. Ausscheiden des Ersatzmitglieds und Vermeidung des Nachrückfalles Der Notwendigkeit von Ersatzmitgliedern zur Aufrechterhaltung der 1034 Parität im – mitbestimmten – Aufsichtsrat steht das Interesse insbesondere der Anteilseigner4 gegenüber, möglichst entsprechend qualifizierte Aufsichtsratsmitglieder zu haben. Bei einer Ersatzliste kann ja der erste Kandidat sowohl für den Bankenvertreter als auch für den Vertreter des Großaktionärs oder aber der Kleinaktionäre nachrücken. 1 Dazu Rellermeyer, ZGR 1987, 563, 576. 2 BGH v. 15.12.1986 – II ZR 18/86, BGHZ 99, 211, 219 f. = AG 1987, 152; Habersack, MünchKomm. AktG, § 100 Rn. 42; Drygala in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 100 Rn. 22; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 100 Rn. 29, § 105 Rn. 7. 3 Wie hier Semler, MünchKomm. AktG, 2. Aufl., § 101 Rn. 178; Lehmann, DB 1983, 485, 487; Rellermeyer, ZGR 1987, 563, 576; a.A. die oben auf S. 388 in Fn. 4 Genannten. 4 Für die Arbeitnehmervertreter wird nach § 17 Abs. 1 MitbestG bereits nach Arbeitern, Angestellten, leitenden Angestellten und Gewerkschaftsvertretern unterschieden.

389

§ 14

Ersatzmitglieder des Aufsichtsrats

Deshalb wird in der Praxis versucht, die Mitgliedschaft des Ersatzmannes im Aufsichtsrat möglichst kurz zu halten oder ganz zu vermeiden1.

1. Entziehende Nachwahl 1035

So kann die Amtszeit des Ersatzmitglieds in der Satzung derart festgelegt werden, dass sie mit der Neuwahl einer anderen Person durch das zuständige Wahlorgan für das weggefallene Aufsichtsratsmitglied endet, spätestens aber mit Ablauf der Amtsperiode des „Weggefallenen“ (§ 102 Abs. 2 AktG)2. Eine solche Nachwahl eines Aufsichtsratsmitglieds setzt aber wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes3 eine ¾-Mehrheit voraus, da ja das nachgerückte, „ehemalige“ Ersatzmitglied gleichzeitig de facto von seinem Amt abberufen wird (§ 103 Abs. 1 Satz 2 AktG)4. Möglich ist die Nachwahl mit einfacher Mehrheit, wenn auch für die Abberufung in der Satzung generell die einfache Mehrheit vorgesehen ist5.

1036

Verliert ein Ersatzmitglied durch eine Nachwahl die zunächst erlangte Position im Aufsichtsrat, so kann festgelegt sein, dass es wieder in die Liste der Ersatzmitglieder einrückt, sei es an vorderer, sei es an letzter Position6. Ersatzmitglieder, die für alle oder mehrere Aufsichtsratsmitglieder bestellt sind, rücken auch ohne besondere Festlegung wieder in die Position des Ersatzmitglieds ein, wenn die zu-

1 Dazu Rellermeyer, ZGR 1987, 563, 573 ff.; unzutreffend demgegenüber Roussos, AG 1987, 239, 242 ff., dessen Unterscheidung zwischen Ersatzmitgliedern mit Nachfolgefunktion und solchen mit Überbrückungsfunktion dem Gesetz nicht zu entnehmen ist. 2 BGH v. 15.12.1986 – II ZR 18/86, BGHZ 99, 211, 214 f. = AG 1987, 152; OLG Frankfurt v. 17.7.2007 – 5 U 229/05, ZIP 2007, 1463, 1464 f. = AG 2007, 672; Habersack, MünchKomm. AktG, § 101 Rn. 89. 3 Dazu schon oben Rn. 821. 4 Entgegen BGH v. 25.1.1988 – II ZR 148/87, WM 1988, 377, 378 = AG 1988, 139 wird man eine solche Kopplung zweier Rechtsfolgen auch für zulässig halten dürfen, wenn für die Bestellung eines Aufsichtsratsmitgliedes an sich nur die einfache Mehrheit erforderlich ist. Die darin liegende „Übererfüllung“ bei der Bestellung des neuen Aufsichtsratsmitgliedes widerspricht nicht dem Gleichbehandlungsgrundsatz, da dieser erst für die im Amt befindlichen Aufsichtsratsmitglieder relevant wird. Wie hier Hüffer, Komm. AktG, § 101 Rn. 13; Habersack, MünchKomm. AktG, § 101 Rn. 89; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 101 Rn. 90; Neu, WM 1988, 481, 484. 5 BGH v. 15.12.1986 – II ZR 18/86, BGHZ 99, 211, 215 = AG 1987, 152; BGH v. 29.6.1987 – II ZR 242/86, WM 1987, 1070 = AG 1987, 348; BGH v. 25.1.1988 – II ZR 148/87, WM 1988, 377, 378 = AG 1988, 139; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 101 Rn. 90; kritisch Rellermeyer, ZGR 1987, 563, 578. 6 BGH v. 15.12.1986 – II ZR 18/86, BGHZ 99, 211 = AG 1987, 152, Leitsatz b; Heinsius, ZGR 1982, 232, 238 ff.

390

Ausscheiden und Vermeidung des Nachrückfalles

§ 14

nächst erlangte Position im Aufsichtsrat durch Nachwahl wieder beendet wird1.

2. Überholende Nachwahl Lässt sich absehen, wann ein Aufsichtsratsmitglied sein Amt nieder- 1037 legt oder aus sonstigen Gründen verliert, kann durch rechtzeitiges Abhalten einer Hauptversammlung und Neuwahl eines Aufsichtsratsmitglieds der Eintritt eines Ersatzfalles vermieden werden. Wie der Bundesgerichtshof2 zutreffend festgestellt hat, rückt ein Ersatzmitglied nur dann in den Aufsichtsrat nach, wenn dort ein Mitglied nicht nur vor Ablauf der Amtszeit ausscheidet, sondern auch eine Lücke hinterlässt. Wird zeitlich vor dessen Ausscheiden ein Nachfolger gewählt, besteht kein „Ersetzungsbedürfnis“3 für das bereitstehende Ersatzmitglied. Der Gegenmeinung4, die in einer solchen Nachwahl gleichzeitig eine Abberufung des Ersatzmitglieds aus seinem Amt als Ersatzmitglied sieht – für die nach § 103 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AktG ebenfalls eine ¾-Mehrheit erforderlich ist –, ist nicht zuzustimmen. Die Ersatzmitgliedschaft soll der Gesellschaft nur die Chance geben, die Nachwahl zum Aufsichtsrat – und damit vor allem die Kosten einer außerordentlichen Hauptversammlung – zu vermeiden5. Das Vorhandensein von Ersatzmitgliedern beinhaltet aber keine Sperrwirkung gegenüber der Hauptversammlung, durch zeitlich vorausgehende Wahl einen Nachfolger für ein ausscheidendes Aufsichtsratsmitglied zu bestimmen6. Wichtig ist hier nur, jede Vakanz auch nur für eine „logische Sekunde“ zu vermeiden, da sonst nach h.M. der Ersatzberechtigte einrückt (vgl. oben Rn. 1030) und dann die Grundsätze für die entziehende Nachwahl (oben Rn. 1035) eingreifen.

1 Habersack, MünchKomm. AktG, § 101 Rn. 92; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 30 Rn. 32; Mertens, Kölner Komm. AktG, § 101 Rn. 80; Bommert, AG 1986, 315, 320; Rellermeyer, ZGR 1987, 563, 572; offen gelassen von BGH v. 15.12.1986 – II ZR 18/86, BGHZ 99, 211, 220 = AG 1987, 152. 2 BGH v. 29.6.1987 – II ZR 242/86, WM 1987, 1070, 1071 = AG 1987, 348; ebenso schon vorher LG Mannheim v. 18.11.1985 – 24 O 114/85, WM 1986, 104, 105. 3 So prägnant, wenn auch in der Sache ablehnend, Rellermeyer, ZGR 1987, 563, 574. 4 Bommert, AG 1986, 315, 317; Rellermeyer, ZGR 1987, 563, 574. 5 Vgl. Begr. RegE zu § 101 AktG bei Kropff, Aktiengesetz, S. 139. 6 Wie hier Habersack, MünchKomm. AktG, § 101 Rn. 84; Hüffer, Komm. AktG, § 101 Rn. 13a; Hopt/Roth, Großkomm. AktG, § 101 Rn. 192; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 30 Rn. 30; Neu, WM 1988, 481, 485.

391

§ 14

Ersatzmitglieder des Aufsichtsrats

IV. Rechte und Pflichten des Ersatzmitglieds 1038

Ersatzmitglieder sind bis zu ihrem Einrücken in den Aufsichtsrat nicht Aufsichtsratsmitglieder; sie sind, wie jeder andere auch, außenstehende Dritte und haben daher als solche weder Rechte noch Pflichten aus ihrer Stellung als Ersatzmitglied. Diese wachsen ihnen erst zu, und dann ohne jede Einschränkung mit dem Augenblick ihres Einrückens in den Aufsichtsrat1. Dieser Augenblick ist hier identisch mit dem Augenblick der Annahme des Aufsichtsratsamtes. Ausnahmsweise sind die Ersatzmitglieder bereits vor diesem Zeitpunkt zur Verschwiegenheit analog § 116 AktG verpflichtet, wenn der Vorstand ihnen im Hinblick auf ihren absehbaren Eintritt in den Aufsichtsrat vertrauliche Informationen zukommen lässt2.

1039–1090

Einstweilen frei.

1 Allg. Meinung, vgl. nur Habersack, MünchKomm. AktG, § 101 Rn. 86; Rellermeyer, ZGR 1987, 563, 571. 2 Mertens, Kölner Komm. AktG, § 101 Rn. 78; Habersack, MünchKomm. AktG, § 101 Rn. 86.

392

§ 15 Der Pflichtaufsichtsrat einer GmbH I. Überblick Gesellschaften mbH haben nach dem GmbHG nur zwei Organe, die Gesellschafterversammlung und den bzw. die Geschäftsführer; sie müssen also normalerweise keinen Aufsichtsrat haben, können ihn aber einführen (dazu unten § 16, Rz. 1181 ff.). Von dieser „Kann“Lösung abgesehen, schreiben das InvG sowie vor allem die verschiedenen Mitbestimmungsgesetze, namentlich das DrittelbG1, das MitbestG sowie das MontanMitbestG und MontanMitbestErgG (MitbestErgG) der GmbH unter bestimmten Voraussetzungen die Bildung eines Aufsichtsrats als drittes Organ der Gesellschaft vor. In der GmbH gilt also eine dreifache Stufung:

1091

(1) Nach dem GmbH-Gesetz besteht kein Aufsichtsrat; (2) die Gesellschafter können in der Satzung der GmbH einen Aufsichtsrat einführen (§ 52 GmbHG) und (3) sie müssen das, wenn die Voraussetzungen bestimmter Spezialgesetze vorliegen. Die Rechte und Pflichten eines Pflichtaufsichtsrats gemäß (3) sind 1092 weitgehend denen des aktienrechtlichen Aufsichtsrats angepasst2. Die Montan-Mitbestimmungsgesetze verweisen global auf die Bestimmungen des Aktienrechts (§ 3 Abs. 2 MontanMitbestG; § 3 Abs. 1 Satz 2 MitbestErgG i.V.m. § 3 Abs. 2 MontanMitbestG). Im InvG sowie im DrittelbG und im MitbestG wird ein umfangreicher Katalog aktienrechtlicher Bestimmungen für anwendbar erklärt (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 InvG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 DrittelbG, § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG) und durch das DrittelbG bzw. die §§ 27–29, 31 und 32 MitbestG ergänzt. Im Übrigen gilt das GmbHG. Der Montan-Mitbestimmung unterliegen derzeit offenbar keine Gesellschaften mbH mehr, während die Zahl der GmbHs nach dem MitbestG zum Ende des Jahres 2007 357 betrug3.

1 Eingeführt durch Zweites Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat (Art. 1 Drittelbeteiligungsgesetz – DrittelbG) vom 18.5.2004, BGBl. I 2004, 974; damit ist das BetrVG 52 außer Kraft getreten (Art. 6). 2 Es gelten insbesondere auch die §§ 113, 114 AktG, vgl. dazu näher oben Rn. 868 ff. 3 Auskunft der Hans-Böckler-Stiftung vom 23.4.2008. Für 2006 vgl. Mitbestimmung 9/2007, S. 70.

393

1093

§ 15 1094

Der Pflichtaufsichtsrat einer GmbH

Die genaue Zahl der Gesellschaften mbH, die der Mitbestimmung nach dem DrittelbG unterliegen, ist nicht bekannt; es werden aber mehrere Tausend sein1.

II. Voraussetzungen für die Pflicht zur Bildung eines Aufsichtsrats – Größenmerkmale 1095

Alle soeben genannten Spezialgesetze sind nur anwendbar und führen nur dann zu der Pflicht, einen Aufsichtsrat zu bilden, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind; so ist für die Anwendbarkeit der Mitbestimmungsgesetze insbesondere das Überschreiten einer bestimmten Anzahl von Mitarbeitern erforderlich:

1. Nach dem Drittelbeteiligungsgesetz 1096

Eine GmbH mit mehr als 500, aber nicht mehr als 2000 Arbeitnehmern (dann ist das MitbestG einschlägig, vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 DrittelbG i.V.m. § 1 Abs. 1 MitbestG!) ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 DrittelbG verpflichtet, einen Aufsichtsrat zu bilden. Dies führt dann zur sog. Drittel-Mitbestimmung: die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder muss durch drei teilbar sein; den Arbeitnehmern gebührt jeder dritte Sitz.

1097

Keine Anwendung findet das DrittelbG hingegen auf GmbHs mit in der Regel mehr als 2000 Arbeitnehmern; ferner ist das DrittelbG nicht anwendbar auf GmbHs mit mehr als 1000 Arbeitnehmern und überwiegender Tätigkeit im Montanbereich sowie herrschende GmbHs von solchen Unternehmen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 DrittelbG): Für diese Gesellschaften gelten die insoweit spezielleren Vorschriften des MitbestG, MontanMitbestG und MitbestErgG. Ausgenommen vom Anwendungsbereich des DrittelbG sind überdies sog. Tendenzunternehmen (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 DrittelbG) und kirchliche Einrichtungen; für sie besteht nach § 1 Abs. 2 Satz 2 DrittelbG keine Verpflichtung zur Bildung eines Aufsichtsrats.

2. Nach dem Mitbestimmungsgesetz 1976 1098

Eine GmbH mit in der Regel mehr als 2000 Arbeitnehmern wird vom Anwendungsbereich des MitbestG erfasst (§ 1 Abs. 1 MitbestG) und muss einen Aufsichtsrat bilden, der sich je zur Hälfte aus Mitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer zusammensetzt, sog. paritätische Mitbestimmung (§§ 6, 7 Abs. 1 MitbestG). Das MitbestG ist 1 Die Hans-Böckler-Stiftung gibt hier geschätzte 2000 an; uns erscheint diese Zahl zu klein. Vgl. auch die Zahlen bei Rieble, BB 2006, 2018 ff.

394

Pflicht zur Bildung eines Aufsichtsrats

§ 15

wiederum nicht anzuwenden auf sog. Tendenzbetriebe und kirchliche Einrichtungen (§ 1 Abs. 4 MitbestG) und auf solche GmbHs, die der Montan-Mitbestimmung unterliegen (§ 1 Abs. 2 MitbestG).

3. Nach dem Montan-Mitbestimmungsgesetz und Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetz Nach dem MontanMitbestG ist die Bildung eines Aufsichtsrats für die GmbH obligatorisch, wenn sie in der Regel mehr als 1000 Arbeitnehmer beschäftigt (§ 1 Abs. 2 MontanMitbestG) und die Tätigkeit der betreffenden GmbH überwiegend im sog. Montanbereich, also im Bereich von Kohle und Stahl liegt (§ 1 Abs. 1 MontanMitbestG). Sind diese Voraussetzungen bei der GmbH gegeben, führt dies ebenfalls zur paritätischen Mitbestimmung (§§ 3 Abs. 1, 4 MontanMitbestG), den Arbeitnehmervertretern stehen im obligatorischen Aufsichtsrat also ebenso viele Sitze zu wie den Vertretern der Gesellschafter. Das Gleiche gilt nach dem MitbestErgG für eine herrschende GmbH, die zwar nicht selbst, wohl aber deren abhängiges Unternehmen diese Voraussetzungen erfüllt (§§ 1, 2, 3 Abs. 1 Satz 2 MitbestErgG).

1099

4. Nach dem Investmentgesetz und für Unternehmen von öffentlichem Interesse Für Kapitalanlagegesellschaften in der Rechtsform der GmbH kommt 1100 es hingegen allein auf diese Tätigkeit und nicht auf die Zahl der Arbeitnehmer an (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 1 InvG). In Zukunft könnte sich zudem für „Unternehmen von öffentlichem Interesse“, die nicht bereits über einen Aufsichtsrat verfügen, durch die Umsetzung der EURichtlinie 2006/43/EG über Abschlussprüfungen vom 17.5.20061 die Pflicht zur Einrichtung eines Aufsichtsrats ergeben. Der Regierungsentwurf eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes2 (BilMoG) sieht in § 342f HGB-E für kapitalmarktorientierte Gesellschaften3 vor, dass diese einen Prüfungsausschuss einzurichten haben4. Bereits jetzt wird diskutiert, ob dies zwangsläufig zur Einrichtung eines Auf-

1 Richtlinie 2006/43/EG über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates vom 17.5.2006, ABl. EG Nr. L 157 vom 6.9.2006, S. 87. 2 BR-Drucks. 344/08. 3 Zu diesen gehören beispielsweise auch Gesellschaften mbH, die Schuldverschreibungen emittieren. 4 Kritisch Habersack, AG 2008, 98 ff., der sich für eine Regelung des Problems in § 52 GmbHG statt in § 342f HGB ausspricht.

395

§ 15

Der Pflichtaufsichtsrat einer GmbH

sichtsrats führen muss1 oder ob dieser Ausschuss beispielsweise auch in einem Beirat eingerichtet werden kann2.

5. Maßgebende Arbeitnehmerzahl 1101

Die für die Anwendbarkeit der Mitbestimmungsgesetze maßgebende Arbeitnehmerzahl muss nicht zu einem bestimmten Stichtag vorliegen. Entscheidend ist vielmehr, wie viele Arbeitnehmer die Gesellschaft „in der Regel“ (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG, § 1 Abs. 2 MontanMitbestG) hat, ein vorübergehendes Über- oder Unterschreiten der erforderlichen Anzahl von Arbeitnehmern führt also nicht bereits zu der Pflicht, einen Aufsichtsrat zu bilden bzw. befreit hiervon nicht3; mit der Einführung des DrittelbG hat der Gesetzgeber dies auch für die drittelmitbestimmte GmbH klargestellt, § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 DrittelbG. Diese „Regel“ ist ein Erfahrungswert aus der Vergangenheit, ggf. verbunden mit konkreten Anhaltspunkten für die Entwicklung in der Zukunft.

6. Arbeitnehmerbegriff 1102

Hinsichtlich des für die Bestimmung der Arbeitnehmerzahl maßgeblichen Arbeitnehmerbegriffs ist zunächst davon auszugehen, dass hierunter alle Personen fallen, die in einem Anstellungsverhältnis zu der GmbH stehen, also Angestellte, Arbeiter und Auszubildende4. Dieser allgemeine Begriff des Arbeitnehmers wird in den einzelnen Mitbestimmungsgesetzen teilweise modifiziert, indem einzelne Personengruppen ausdrücklich ausgenommen bzw. hinzugerechnet werden; der für die Bestimmung der Arbeitnehmerzahl maßgebliche Arbeitnehmerbegriff ist in den einzelnen Mitbestimmungsgesetzen deshalb zum Teil unterschiedlich weit gefasst:

1103

a) Das DrittelbG verweist in § 3 Abs. 1 für die Bestimmung des Arbeitnehmerbegriffs auf § 5 Abs. 1 BetrVG 72, nimmt aber die in § 5 Abs. 3 BetrVG 72 bezeichneten leitenden Angestellten von dieser De1 Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 42; Hommelhoff/ Mattheus, BB 2007, 2787, 2790. 2 Maul/Lanfermann, DB 2006, 1505, 1507 f. 3 Allg. Meinung: BAG AP Nr. 7 zu § 113 BetrVG 72; LG Stuttgart v. 11.9.1984 – 2 AktE 1/84, BB 1984, 2082; OLG Düsseldorf v. 9.12.1994 – 19 W 2/94, AG 1995, 328; Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 31; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 135; Müller, Beck’sches Hdb. GmbH, § 6 Rn. 73; Raiser/Heermann in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 165; Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 23. 4 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 133; Raiser/ Heermann in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 163.

396

Pflicht zur Bildung eines Aufsichtsrats

§ 15

finition aus1. Ein klarstellender Verweis insbesondere auf § 5 Abs. 2 BetrVG 72 existiert nicht, die Geschäftsführer sind jedoch schon im Sinne der allgemeinen Definition nicht persönlich abhängig und damit keine Arbeitnehmer. Folglich zählen sie jedenfalls nicht mit. Mangels klarstellenden Verweises gestaltet sich die Einordnung von Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern durch Beweggründe karitativer oder religiöser Art bestimmt ist (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 und 4 BetrVG 72) schwierig2. Bei ihnen ist jeweils im Einzelfall festzustellen, ob sie Arbeitnehmer im Sinne der hergebrachten Definition sind oder nicht. Teilzeitkräfte und Auszubildende rechnen mit, ebenso wie die in Heimarbeit Beschäftigten, soweit sie in der Hauptsache für die Gesellschaft tätig sind (§ 5 Abs. 1 BetrVG 72). Mitzuzählen sind ferner von der GmbH verliehene Arbeitnehmer; von der Gesellschaft geliehene Arbeitnehmer sind indes abzuziehen3. Nach § 2 Abs. 2 DrittelbG sind den eigenen Arbeitnehmern der GmbH nur die Arbeitnehmer von solchen Unternehmen hinzuzurechnen, mit denen ein Beherrschungsvertrag i.S.d. § 291 AktG besteht4, bei anderen Unternehmensverträgen, wie z.B. einem Gewinnabführungsvertrag5, sowie bei Bestehen eines bloß faktischen Konzernverhältnisses sind die Arbeitnehmer des abhängigen Unternehmens (anders als bei § 5 MitbestG) indes nicht mitzuzählen. Insofern hat sich durch das DrittelbG nichts geändert6. 1 Henssler in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 3 DrittelbG Rn. 4. 2 Lt. Regierungsbegründung (BT-Drucks. 15/2542, S. 12) ist mit der Regelung in § 3 Abs. 1 DrittelbG keine materielle Änderung verbunden. Zustimmend Henssler in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 3 DrittelbG Rn. 3 mit dem Hinweis, § 5 Abs. 2 BetrVG 72 sei ohnehin nur deklaratorischer Natur. 3 Vgl. § 14 Abs. 1 u. 2 AÜG; ebenso Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 31; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 134; Raiser/Heermann in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 164; Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 23; OLG Düsseldorf v. 12.5.2004 – I-19 W 2/04 AktE, GmbHR 2004, 1081. 4 BayObLG v. 10.12.1992 – 3 Z BR 130/92, NJW 1993, 1804 = AG 1993, 177. Der in § 2 Abs. 2 DrittelbG überdies geregelte Fall der Hinzurechnung bei Eingliederung des abhängigen in das herrschende Unternehmen betrifft die GmbH nicht, da eine Eingliederung nur zwischen Aktiengesellschaften möglich ist. 5 Siehe hierzu OLG Düsseldorf v. 27.12.1996 – 19 W 4/96 AktE, AG 1997, 129. 6 Vgl. KG v. 6.7.2007 – 2 W 8/07, ZIP 2007, 1566 im Anschluss an OLG Zweibrücken v. 18.10.2005 – 3 W 136/05, WM 2005, 2271. Lediglich bei Bestimmung der aktiven und passiven Wahlberechtigung der Arbeitnehmer im Konzern hat sich eine Änderung ergeben: über § 2 Abs. 1 DrittelbG gilt nun dafür die Konzernvermutung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG; dazu anschaulich

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§ 15

Der Pflichtaufsichtsrat einer GmbH

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b) Der Arbeitnehmerbegriff des MitbestG weicht teilweise von dem des DrittelbG ab: Arbeitnehmer i.S.d. MitbestG sind neben Teilzeitkräften, Auszubildenden und Heimarbeitern (§ 3 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1 MitbestG) auch leitende Angestellte (§ 3 Abs. 3 Nr. 2 MitbestG). Ausgenommen sind insbesondere der oder die Geschäftsführer (§ 3 Abs. 1 Satz 2 MitbestG i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG 72).

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Ist die GmbH Komplementärin einer KG, so sind nach § 4 Abs. 1 MitbestG den eigenen Arbeitnehmern der GmbH die Arbeitnehmer der KG zuzurechnen, sofern die Mehrheit (berechnet nach Kapital- oder Stimmanteilen) der Kommanditisten der KG die Mehrheit der Anteile oder Stimmen an der GmbH halten; dies gilt nicht, wenn die GmbH einen eigenen Geschäftsbetrieb mit i.d.R. mehr als 500 Arbeitnehmern hat. Ist eine so strukturierte GmbH & Co. KG wiederum Komplementärin einer anderen KG, so zählen auch deren Arbeitnehmer mit (§ 4 Abs. 1 Satz 2 MitbestG); Entsprechendes gilt, wenn sich eine solche Hintereinanderschaltung von GmbH & Co. KGs weiter fortsetzt (§ 4 Abs. 1 Satz 3 MitbestG).

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Zugerechnet werden der GmbH nach MitbestG aber vor allem auch die Arbeitnehmer aller (inländischen) von ihr abhängigen Gesellschaften im Sinne der §§ 17, 18 Abs. 1 AktG1; zugerechnet werden insoweit auch die Arbeitnehmer der Gesellschaft, die Komplementärin einer beherrschten KG ist (§ 5 Abs. 1 Satz 2 MitbestG). Ist das herrschende Unternehmen eine GmbH & Co. KG, so werden der Komplementär-GmbH die Arbeitnehmer der Konzernunternehmen gemäß § 5 Abs. 2 MitbestG zugerechnet, sofern bei der KG die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 MitbestG gegeben sind.

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Unterliegt die Spitze eines Gesamtkonzerns selbst nicht der Mitbestimmung (z.B. Personengesellschaft oder ausländische Gesellschaft), sind dieser aber eine GmbH (oder GmbH & Co. KG) nachgeschaltet, so werden diesen Gesellschaften als herrschenden Unternehmen des Teilkonzerns die Arbeitnehmer entsprechend zugerechnet (§ 5 Abs. 3 MitbestG).

Seibt, NZA 2004, 767, 770 sowie Gimmy in FS Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im DAV, 2006, S. 857 ff. 1 Eine arbeitnehmerlose Holding-GmbH, die die 100 %ige Stimmrechtsmacht an (nur) einer anderen mitbestimmungspflichtigen GmbH innehat, muss gemäß § 5 MitbestG als Konzernspitze im mitbestimmungsrechtlichen Sinne jedenfalls dann einen mitbestimmten Aufsichtsrat bilden, wenn sie auf die unternehmerische Führung der anderen GmbH einen maßgeblichen Einfluss ausübt, LG Stuttgart v. 29.11.1988 – 2 AktE 1/88, DB 1989, 98 = AG 1989, 445; bestätigt durch OLG Stuttgart v. 3.5.1989 – 8 W 38/89, WM 1989, 1650 = AG 1990, 168. Anders nach dem DrittelbG, vgl. OLG Zweibrücken v. 18.10.2005 – 3 W 136/05, WM 2005, 2271.

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Pflicht zur Bildung eines Aufsichtsrats

§ 15

c) Im MontanMitbestG selbst ist nicht bestimmt, wer als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes anzusehen ist. Mit Blick auf die Regelung des § 5 Abs. 5 MitbestErgG, die insoweit auf die entsprechenden Regelungen der §§ 5 Abs. 2, 6 BetrVG 72 verweist, deckt sich der Arbeitnehmerbegriff des MontanMitbestG wohl im Wesentlichen mit dem des BetrVG 721: Demnach sind also insbesondere Geschäftsführer sowie leitende Angestellte ausgenommen und sind Auszubildende und Heimarbeiter bei der Bestimmung der Arbeitnehmerzahl mitzurechnen. Eine Hinzurechnung der Arbeitnehmer abhängiger Unternehmen erfolgt nicht.

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7. Feststellung des einschlägigen Aufsichtsratssystems Die Feststellung, ob und ggf. welches Mitbestimmungsgesetz auf die 1110 betreffende GmbH Anwendung findet und welche Vorschriften danach bei der Bildung des obligatorischen Aufsichtsrats sowie im Hinblick auf seine Rechte und Pflichten zu beachten sind, kann aufgrund der teilweise recht komplizierten Regelungen der Mitbestimmungsgesetze zuweilen schwierig sein. Besteht Streit über die Voraussetzungen zur Bildung eines Pflichtaufsichtsrats, so entscheidet das für die betreffende GmbH örtlich zuständige Landgericht in einem Verfahren nach den §§ 98 und 99 AktG, die auf die GmbH sinngemäß Anwendung finden2: Antragsberechtigt sind unter anderem jedes Aufsichtsratsmitglied, jeder Gesellschafter und vor allem auch der (Gesamt-)Betriebsrat des Unternehmens. Das sog. Statusverfahren nach den §§ 97 bis 99 AktG ist stets zu be- 1111 achten, wenn die GmbH bereits einen (fakultativen) Aufsichtsrat hat, nunmehr aber in den Anwendungsbereich eines Mitbestimmungsgesetzes fällt und deshalb die Bildung eines Aufsichtsrats mit entsprechender Zusammensetzung obligatorisch geworden ist3. Sofern eine bestehende GmbH noch keinen (fakultativen) Aufsichtsrat hat und nun durch das MitbestG zur Bildung eines Aufsichtsrats verpflichtet ist, ist das Statusverfahren ebenfalls einzuhalten (vgl. § 6

1 Im Ergebnis ebenso Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, 17. Aufl., § 52 Rn. 193. 2 Vgl. § 27 EGAktG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Halbsatz 2 DrittelbG, § 6 Abs. 2 MitbestG, § 3 Abs. 2 MontanMitbestG, § 3 Abs. 1 Satz 2 MitbestErgG i.V.m. § 3 Abs. 2 MontanMitbestG. 3 Raiser/Heermann in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 15; Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 44; Zöllner/ Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 14; Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 22; Müller, Beck’sches Hdb. GmbH, § 6 Rn. 17, 75; Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 22.

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§ 15

Der Pflichtaufsichtsrat einer GmbH

Abs. 2 MitbestG i.V.m. §§ 97 ff. AktG)1. Wird die Pflicht zur Bildung eines obligatorischen Aufsichtsrats hingegen durch § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 DrittelbG begründet, so wurde bisher überwiegend angenommen, dass dies mangels eines gesetzlichen Verweises hier nicht gilt2. Das BAG hat nun mit Beschluss vom 16.4.20083 anders entschieden und auch hier das Statusverfahren nach §§ 96–98 AktG für anwendbar erklärt. Bilden die Gesellschafter also nicht freiwillig den jetzt vorgeschriebenen Aufsichtsrat, so kann der Betriebsrat/Gesamtbetriebsrat das Verfahren nach §§ 96 ff. AktG einleiten (s. oben Rn. 1110). 1113

Befindet sich die GmbH hingegen erst im Gründungsstadium, also vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister, ist der Aufsichtsrat nicht obligatorisch: Einerseits werden die Voraussetzungen für eine Anwendbarkeit der Mitbestimmungsgesetze (mindestens 500 Arbeitnehmer!) im Gründungsstadium regelmäßig nicht vorliegen; andererseits besteht aber auch in dem denkbaren Fall der Einbringung eines Unternehmens mit mehr als 500 bzw. 2000 Arbeitnehmern im Rahmen der Sachgründung keine Aufsichtsrats-Pflicht4.

1 Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 22; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 15; Müller, Beck’sches Hdb. GmbH, § 6 Rn. 16; Ulmer/Habersack in Ulmer/ Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 6 MitbestG Rn. 11. 2 Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 22; Meyer-Landrut, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 50; im Ergebnis ebenso auch Raiser/Heermann in Ulmer/ Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 170, die allerdings auf eine Rechtfertigung der Anwendung des Statusverfahrens aus Zweckmäßigkeitsgründen hinweisen, vgl. insoweit auch Müller, Beck’sches Hdb. GmbH, § 6 Rn. 16, 75; a.A. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 15; Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 46; Göz, ZIP 1998, 1523: sinngemäße Anwendung der §§ 97–99 AktG auch in diesem Fall; ähnlich Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 22: § 98 AktG entsprechend anwendbar. 3 BAG v. 16.4.2008 – 7 ABR 6/07, DB 2008, 1850. 4 BayObLG v. 9.6.2000 – 3 Z BR 92/00, ZIP 2000, 1445 = AG 2001, 89 mit zust. Anm. Kort, EWiR 2001, 21 sowie eingehend auch zum Streitstand Halm, BB 2000, 1849; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 17, vgl. allerdings auch Rn. 143; Wißmann in Wlotzke/ Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 7 MitbestG Rn. 19, § 6 Rn. 6 f.; Roth in Roth/Altmeppen, Komm. GmbHG, § 11 Rn. 64; Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 1; K. Schmidt in Scholz, Komm. GmbHG, § 11 Rn. 52 m.w.N.; a.A. Koppensteiner in Rowedder/ Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 23; Raiser/Heermann in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 169: für unmittelbare Anwendung der Mitbestimmungsvorschriften; Schmidt-Leithoff in Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 11 Rn. 53 ff.: vorsichtige Analogie zu §§ 30, 31 AktG; für analoge Anwendung des § 31 AktG auch Joost in Lutter, Komm. UmwG, § 218 Rn. 16; Joost in FS Claussen, 1997, S. 194 ff.

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Die Leitungsstruktur

§ 15

III. Die Leitungsstruktur in der GmbH mit Pflichtaufsichtsrat Im Gegensatz zur Aktiengesellschaft ist die GmbH hierarchisch orga- 1114 nisiert: Oberstes Organ ist die Gesellschafterversammlung, deren Weisungen der/die Geschäftsführer unterworfen ist/sind1. Die Bildung eines Aufsichtsrats infolge der Mitbestimmung verändert diese gesellschaftsrechtliche Struktur der GmbH nicht. Vor allem bleibt auch in den mitbestimmten Gesellschaften mbH die Gesellschafterversammlung das oberste Organ. Die GmbH wird also – im Gegensatz zur Aktiengesellschaft, § 76 AktG – von ihren Geschäftsführern nicht autonom geleitet. Über die Grundsätze der Unternehmenspolitik und über außergewöhnliche Maßnahmen der Geschäftsführung entscheiden stets die Gesellschafter2. Diese sind darüber hinaus befugt, auch im Bereich der laufenden Geschäftsführung Einzelweisungen zu erteilen. Sie haben diese Befugnis aber zurückhaltend zu nutzen3 und dürfen nicht die gesamte Geschäftsführung an sich ziehen, weil andernfalls die Mitbestimmung im Aufsichtsrat ihres Sinnes enthoben würde4. Im Übrigen darf die Geschäftsführung in der mitbestimmten GmbH weiterhin allein an den Gesellschafterinteressen ausgerichtet sein, muss sich aber nicht an einem Unternehmensinteresse orientieren5.

1 2 3 4

5

zu §§ 30, 31 AktG; für analoge Anwendung des § 31 AktG auch Joost in Lutter, Komm. UmwG, § 218 Rn. 16; Joost in FS Claussen, 1997, S. 194 ff. Vgl. Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 37 Rn. 1 ff. und § 52 Rn. 2 sowie Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 37 Rn. 18 ff.; Altmeppen in Roth/Altmeppen, Komm. GmbHG, § 37 Rn. 3, je m.w.N. Vgl. BGH v. 14.11.1983 – II ZR 33/83, BGHZ 89, 48, 57 = AG 1984, 48; Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 29 und 10 f. m.w.N. Nach einer Untersuchung von Rinninsland, Die Mitbestimmung 1991, 380, 381 werden durchschnittlich zwei Weisungen monatlich erteilt. Vgl. dazu ausführlich Hommelhoff, ZGR 1978, 119, insbesondere 136 ff.; vgl. weiter Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 30 MitbestG Rn. 19; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 62 ff.; Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 37 Rn. 42; Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 37 Rn. 29; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 754; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 51. Demgegenüber verlangen den „uneingeschränkten Gehorsam“ der Geschäftsführer insbesondere Paefgen in Ulmer/Habersack/ Winter, Komm. GmbHG, § 37 Rn. 20; Altmeppen in Roth/Altmeppen, Komm. GmbHG, § 37 Rn. 30 ff.; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 37 Rn. 18. Ganz anders u.a. Naendrup, GK-MitbestG, § 25 Rn. 141 ff. und Reich/Lewerenz, AuR 1976, 261, 272 f., die Weisungsbefugnisse der Gesellschafter prinzipiell ausschließen und den Geschäftsführern der mitbestimmten GmbH aktienrechtliche Autonomie zuweisen wollen: Das ist sicher unrichtig. Zutr. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 37 Rn. 18; Altmeppen in Roth/Altmeppen, Komm. GmbHG, § 37 Rn. 30; Paefgen in

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§ 15 1115

Der Pflichtaufsichtsrat einer GmbH

Insgesamt bedeutet das: Auch in der mitbestimmten GmbH kann die Leitung der Gesellschaft weitgehend in der Hand der Gesellschafter liegen. Für die Stellung des Aufsichtsrats in der GmbH ist das von großer Bedeutung und beträchtlicher Auswirkung.

IV. Aufgaben und Kompetenzen des Pflichtaufsichtsrats in der GmbH 1. Überblick 1116

Auch dem Pflichtaufsichtsrat einer GmbH obliegt – wie dem Aufsichtsrat in der AG – vor allem die Aufgabe, die Geschäftsführung zu überwachen. Mit Ausnahme der Aufsichtsräte nach dem DrittelbG haben sie – wie in der AG – die Geschäftsführer zu bestellen und abzuberufen. Ebenso wie in der AG ist der Aufsichtsrat schließlich laut Satzung der GmbH oder kraft eigenen Beschlusses (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG) zur Mitentscheidung (Zustimmung) bei einzelnen und wichtigen Maßnahmen der Geschäftsführung befugt.

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Gegenüber dem Aufsichtsrat der AG sind ausgenommen von seiner Zuständigkeit im Grunde nur die Befugnisse nach den §§ 124 Abs. 3 und 172 AktG, also die Befugnisse, Beschlussvorschläge der Gesellschafterversammlung zu unterbreiten und an der Feststellung des Jahresabschlusses mitzuwirken (diese Feststellung obliegt allein der Gesellschafterversammlung). Ausgenommen, wie schon erwähnt, ist aber beim häufigsten Fall eines mitbestimmten Aufsichtsrats, dem Aufsichtsrat nach dem DrittelbG, die Befugnis zur Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern1; diese bleibt den Gesellschaftern vorbehalten.

2. Die Überwachung der Geschäftsführung a) Der Überwachungsauftrag 1118

Dem Aufsichtsrat der mitbestimmten GmbH obliegt grundsätzlich der gleiche Überwachungsauftrag wie dem Aufsichtsrat der AG; er hat die Geschäftsführung durch die Geschäftsführer (nach Auflösung der Gesellschaft auch die der Abwickler) nach den gleichen Maßstäben der Legalität, Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit zu Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 37 Rn. 20; a.A. Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 37 Rn. 42; Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 37 Rn. 29; Deilmann, BB 2004, 2253, 2254. Die vermittelnde Ansicht der Voraufl. (Rn. 914) „auch am Unternehmensinteresse“ wird aufgegeben. 1 Vgl. Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 29 mit Rn. 10 und Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 229.

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Aufgaben und Kompetenzen

§ 15

überwachen1. Wie in der AG gehört zu seinem Kontrollbereich auch der Jahresabschluss2, dessen Feststellung allerdings der Gesellschafterversammlung obliegt. Der Aufsichtsrat hat insbesondere auch die Einrichtung eines Über- 1119 wachungssystems zur frühzeitigen Erkennung der den Fortbestand der Gesellschaft gefährdenden Entwicklungen durch die Geschäftsführung sowie dessen Tauglichkeit zu überwachen3. Zu der Einrichtung eines solchen Überwachungssystems ist der Vorstand einer AG nach § 91 Abs. 2 AktG verpflichtet4. Zwar verweist § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 DrittelbG oder § 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG nicht auf diese Vorschrift, doch wird darin lediglich eine allgemeine Pflicht aus dem Bereich ordnungsgemäßer Geschäftsführung (deklaratorisch) hervorgehoben. Dieser insoweit nur klarstellende Hinweis des AktG gilt deshalb auch für den oder die Geschäftsführer einer GmbH dann, wenn ein solches Früherkennungssystem nach Größe der Gesellschaft erforderlich ist; dies ist bei einer mitbestimmten GmbH (mehr als 500 Arbeitnehmer!) im Zweifel anzunehmen. Für die Überwachung der Einrichtung eines solchen Instruments sowie seiner Tauglichkeit zur Früherkennung durch den Aufsichtsrat spricht insbesondere auch, dass der Abschlussprüfer einer GmbH insoweit nicht prüfungspflichtig ist (vgl. § 317 Abs. 4 HGB). Anders als in der AG ist dem Aufsichtsrat die Überwachung der Geschäftsführung aber nicht allein übertragen: Neben ihm ist auch die Gesellschafterversammlung der GmbH zur Überwachung der Geschäftsführung befugt, wobei die Überwachungskompetenzen beider Organe selbständig nebeneinander stehen. Keines der beiden Organe ersetzt insoweit das andere oder kann dessen Kontrollaufgabe und Kontrollbefugnis beschränken. Allerdings: Wird die Überwachung vom Aufsichtsrat im konkreten Einzelfall durch einen Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG verstärkt und wird diese Zustimmung von ihm verweigert, so kann diese Verweigerung von der Gesellschafterversammlung – mit oder ohne entsprechenden Wunsch der Geschäftsführung – durch Beschluss mit einfacher Mehrheit beseitigt und die Geschäftsführung sogar ausdrücklich zur

1 Siehe dazu schon oben Rn. 72 ff.; vgl. dazu auch Mertens, Kölner Komm. AktG, § 111 Rn. 11 ff. sowie Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 11; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 85 ff.; v. Schenck in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 7 Rn. 1 ff.; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 481. 2 Siehe hierzu auch unten Rn. 1131 ff. sowie Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 15. 3 Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 30; ähnlich Altmeppen, ZGR 1999, 300 ff. 4 Siehe hierzu Vogler/Engelhard/Gundert, DB 2000, 1425.

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§ 15

Der Pflichtaufsichtsrat einer GmbH

Durchführung der vom Aufsichtsrat missbilligten Maßnahme angewiesen werden1. 1121

Zu Besonderheiten führt im Übrigen auch das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung in allen Geschäftsführungsangelegenheiten: Der Aufsichtsrat hat die Entscheidung der Gesellschafterversammlung zu respektieren; angewiesene Maßnahmen der Geschäftsführer unterliegen seiner Überwachung nicht. Beratend und kontrollierend einzuschalten hat sich der Aufsichtsrat gegenüber den Geschäftsführern also nur dort, wo diese selbst entscheiden und wo ihnen bei Ausführung von Gesellschafterentscheidungen ein eigener Ermessensspielraum verbleibt2. Etwas anderes gilt allerdings dort, wo Fragen der Rechtmäßigkeit, also der Legalität der Geschäftsführung zur Debatte stehen. Problematische Maßnahmen dieser Art zu rügen, ist der Aufsichtsrat stets berechtigt und verpflichtet; er hat uneingeschränkt die Rechtmäßigkeit des Geschäftsführerhandelns zu kontrollieren, auch dann, wenn diese insoweit nur eine Gesellschafterentscheidung ausführen (sollen); denn die Weisung zu rechtswidrigem Tun bindet die Geschäftsführung naturgemäß nicht. b) Informationsrechte

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Überwachung ohne Kenntnis ist ausgeschlossen; Kenntnis des Aufsichtsrats aber beruht auf Information3. Dennoch findet das gesetzliche Informationssystem des Aktienrechts uneingeschränkt nur in den montanmitbestimmten Gesellschaften mbH Anwendung4. In den mitbestimmten Gesellschaften mbH nach dem DrittelbG und dem MitbestG sowie in den GmbHs mit einem Aufsichtsrat nach dem InvG ist hingegen die Geschäftsführung von sich aus mangels gesetzlicher Verweisung auf § 90 Abs. 1 und 2 AktG zu keiner kontinuierlichen Berichterstattung an den Aufsichtsrat verpflichtet5. 1 Ausführlich Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 140 ff.; wie hier auch Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 65; a.A. offenbar Theisen, Die Aufgabenverteilung, S. 189 ff., 200 ff., insbesondere S. 205 ff., der von einer Kumulation der Überwachung durch beide Organe spricht (zutreffend!), ohne allerdings auf die wichtige Letztentscheidungsbefugnis der Gesellschafterversammlung hinzuweisen. 2 Vgl. Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 140 ff., 150 m.w.N.; Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 754; Ulmer, BB 1979, 398, 401. Siehe hierzu auch unten Rn. 1124 ff. 3 Zur Unterrichtung des Aufsichtsrats in der mitbestimmten GmbH siehe ausführlich v. Hoyningen-Huene/Powietzka, BB 2001, 529. 4 § 3 Abs. 2 MontanMitbestG bzw. § 3 Abs. 1 Satz 2 MitbestErgG i.V.m. § 3 Abs. 2 MontanMitbestG verweisen insoweit global auf die Vorschriften des AktG. 5 Str.; wie hier: Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 121, 238, 278; Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 16, 31; Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 105; Koberski in

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Aufgaben und Kompetenzen

§ 15

Zwar sind auch hier von der Geschäftsführung die Vorlageberichte im Zusammenhang mit zustimmungspflichtigen Geschäften und mit der Übersendung des Jahresabschlusses an den Aufsichtsrat zu erstatten. Auch stehen dem Aufsichtsrat und einzelnen seiner Mitglieder die in § 90 Abs. 3 AktG geregelten Rechte zu, d.h. der Aufsichtsrat und einzelne seiner Mitglieder können jederzeit einen Bericht zu konkreten Angelegenheiten der Gesellschaft von der Geschäftsführung verlangen. Es besteht in diesem System also keine Pflicht der Geschäftsführung zu Regularberichten, wohl aber die Pflicht zur Beantwortung aller Fragen des Aufsichtsrats und seiner Mitglieder sowie zur Erstattung aller angeforderten Berichte. Man würde den Verweis der einschlägigen Gesetze auf § 90 Abs. 3 1123 AktG allerdings missverstehen, wollte man daraus ableiten, der Aufsichtsrat könne die Frage seiner Unterrichtung nachlässig behandeln. Sachgerechte Überwachung setzt regelmäßige und umfassende Information voraus; zu sachgerechter Überwachung aber ist der Aufsichtsrat auch hier verpflichtet (§§ 116 Satz 1, 93 AktG). Auch in der GmbH ist der Aufsichtsrat deshalb verpflichtet, sich von der Geschäftsführung regelmäßig Bericht erstatten zu lassen1. Er kann dieser seiner Pflicht zwar durch die regelmäßige Anforderung von Ad hoc-Berichten genügen, setzt sich dabei aber leicht der Gefahr von Pflichtverletzungen aus, indem er zeitliche und sachliche Berichtserfordernisse übersieht. Es ist deshalb jedem Pflichtaufsichtsrat dringend zu empfehlen, gestützt auf § 90 Abs. 3 AktG ein generelles Berichtsverlangen zu formulieren und darauf basierend eine allgemeine Informationsordnung zu erlassen. Diese Ordnung sollte sich in der Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 71; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 55; v. Hoyningen-Huene/Powietzka, BB 2001, 529; Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 154; a.A. Raiser/Heermann in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 115, 235; Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 11; näher hierzu Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 753 ff., 758. 1 Vgl. die parallelen Erwägungen des BGH für das freiwillig gebildete Aufsichtsorgan einer Publikums-Personengesellschaft: BGH v. 22.10.1979 – II ZR 151/77, WM 1979, 1425, 1427; dazu auch Hüffer, ZGR 1980, 320, 335. Wie hier auch Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 121 f.; Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 16, 31; teilweise abweichend Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 107, der eine Pflicht des Geschäftsführers zur Berichterstattung aus eigener Initiative „nur punktuell in besonderen Fällen“ annimmt. Raiser/Heermann in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 235 (mit unzutr. Verweis in Fn. 528 auf Lutter) leiten hingegen die Pflicht zur Berichterstattung aus eigener Initiative des Geschäftsführers aus § 43 Abs. 1 GmbHG ab; so wohl auch Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 11; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 710 ff.

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§ 15

Der Pflichtaufsichtsrat einer GmbH

Regel und auf jeden Fall in den großen Gesellschaften mbH nach dem MitbestG an dem überlegten und bewährten System der Abs. 1 und 2 von § 90 AktG orientieren1. Insoweit kann dann auf die Ausführungen oben § 6 (Rn. 191 und 317) Bezug genommen werden. c) Einwirkungsmöglichkeiten auf die Geschäftsführer 1124

Die Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats einer GmbH auf die Geschäftsführer außerhalb von Bestellung und Abberufung, Anstellung und Kündigung (dazu unten Rn. 1132 ff.) sind deutlich geringer als im Aktienrecht; teils fehlen bestimmte Befugnisse überhaupt, teils können sie von der Satzung beschränkt werden.

1125

In allen mitbestimmten GmbHs hat der Aufsichtsrat gemäß § 111 Abs. 3 AktG das Recht, die Gesellschafterversammlung einzuberufen, wann immer er es für erforderlich hält2. Dieses Recht kann ihm durch die Satzung weder entzogen noch eingeschränkt werden. Diesem Recht kommt stärkeres Gewicht zu als in der AG, da eine solche Gesellschafterversammlung einfacher und mit geringeren Kosten durchgeführt werden kann und größere Kompetenzen hat als die Hauptversammlung in der AG. Auf diese Weise kann der Aufsichtsrat dem gegenüber den Geschäftsführern weisungsberechtigten Organ Gesellschafterversammlung seine – andere – Sicht zu Fragen der Geschäftsführung vortragen. Entscheidet allerdings die Gesellschafterversammlung im Sinne der Geschäftsführung und folgt sie also nicht der Sichtweise und Meinung des Aufsichtsrats, so kann dieser nichts weiter unternehmen als allenfalls zurückzutreten. Die unternehmerische Entscheidungskompetenz liegt bei der Gesellschafterversammlung, und solche unternehmerischen Entscheidungen können auch von den Gerichten nicht überprüft werden.

1126

Für alle mitbestimmten Gesellschaften mbH ist § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG für anwendbar erklärt, wonach durch den Gesellschaftsvertrag und den Aufsichtsrat selbst bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen an die Zustimmung des Aufsichtsrats gebunden werden müssen. Anders als im Aktienrecht ist hier allerdings umstritten3, ob die fortbestehende Kompetenz der Gesellschafter in Geschäftsführungsfra1 Ebenso Semler in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 1 Rn. 100; Köstler/Zachert/Müller, Aufsichtsratspraxis, Rn. 491 ff.; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 712 f.; v. Hoyningen-Huene/Powietzka, BB 2001, 529; vgl. zum Ganzen ausführlich Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 753 ff. 2 Vgl. nur Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 52; Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 126. 3 Nach Rechenberg, Hauptversammlung als oberstes Organ, S. 87 ff., 94 f. hat auch die Satzung einer AG die Möglichkeit, den Aufsichtsrat von zusätzli-

406

Aufgaben und Kompetenzen

§ 15

gen auch die Befugnis umfasst, das Recht des Aufsichtsrats zur Einrichtung von Zustimmungsvorbehalten in der Satzung zu beschränken oder auszuschließen. Die herrschende Meinung lehnt das ab1. Diese Meinung ist zu undifferenziert; vielmehr kann die Satzung selbst solche Zustimmungsvorbehalte formulieren und dann dem Aufsichtsrat die Kompetenz zur Festlegung weiterer Zustimmungsvorbehalte nehmen; nicht aber kann die Satzung einfach nur jegliche Zustimmungsvorbehalte aus § 111 Abs. 4 AktG ausschließen2. Soweit dem Aufsichtsrat die Zustimmung vorbehalten ist, erfasst dieser Vorbehalt solche Maßnahmen nicht, zu denen die Geschäftsführer von den Gesellschaftern angewiesen wurden. Zustimmungsvorbehalte wirken sich hier nur dann aus, wenn der Geschäftsführung bei Durchführung der Anweisung ein eigener Ermessensspielraum verbleibt3.

1127

Verweigert der Aufsichtsrat seine Zustimmung, so können die Ge- 1128 schäftsführer die Gesellschafterversammlung anrufen, deren Zustimmung die Verweigerung durch den Aufsichtsrat ersetzt. Wegen des ohnehin bestehenden Weisungsrechts der Gesellschafter bedarf es dazu – abweichend vom Gesetzeswortlaut (vgl. § 111 Abs. 4 Satz 4 AktG) – nur eines mit einfacher Mehrheit gefassten Beschlusses4.

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chen Zustimmungsvorbehalten auszuschließen; das ist problematisch; vgl. oben Rn. 103 f. So Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 131; Raiser/ Heermann in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 242; Raiser, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 92; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 64; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 68; Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 151 f. Das Mitbestimmungsurteil des BVerfG scheint vage in die Richtung der h.M. zu deuten, wenn es nur zum Verhältnis einer Zustimmungsverweigerung zum Weisungsrecht Stellung nimmt und damit möglicherweise das Recht zur Schaffung eines Zustimmungsvorbehalts voraussetzt (BVerfG v. 1.3.1979, BVerfGE 50, 290, 346). Wie hier Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 231; ähnlich Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 93; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 305 a.E.; Hölters, BB 1978, 640, 643; vgl. auch Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 754. Ausführlich dazu Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 140 ff., 150 f. m.w.N.; ebenso Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 133; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 232; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 65. I. Erg. wie hier und differenzierend hinsichtlich „doppelter Zustimmungsregelungen“ Deilmann, BB 2004, 2253, 2255. Ausdrücklich gegen die hier vertretene Meinung Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 37 Rn. 34 sowie Raiser, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 87 ff. und Martens, ZHR 138 (1974), 179, 219 ff. Ebenso Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 232, 272; Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 133, 146

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§ 15

Der Pflichtaufsichtsrat einer GmbH

1129

Demgegenüber soll der Aufsichtsrat in der mitbestimmten GmbH nach der herrschenden Meinung nicht einmal subsidiär die Befugnis haben, eine Geschäftsordnung für die Geschäftsführer zu erlassen1; dieser wichtige Einfluss auf die Geschäftsführung und ihre Steuerung soll in der GmbH nur den Gesellschaftern zustehen und dem Aufsichtsrat auch dann nicht, wenn die Gesellschafter von ihrer Befugnis keinen Gebrauch machen. Das ist zu eng gesehen (näher unten Rn. 1142).

1130

Und schließlich hat der Aufsichtsrat keine Befugnis, an der Feststellung des Jahresabschlusses der GmbH mitzuwirken. Diese Feststellung erfolgt in der GmbH stets durch die Gesellschafterversammlung2, nicht also wie in der Aktiengesellschaft durch ein Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat (§ 172 AktG). Damit ist der Aufsichtsrat in der GmbH ausgeschlossen von allen Entscheidungen über die Verwendung des finanziellen Ergebnisses (Jahresüberschuss), insbesondere also ausgeschlossen von der Entscheidung, ob und welche Teile des Jahresüberschusses den Rücklagen zugeführt und welche an die Gesellschafter ausgeschüttet werden.

m.w.N.; Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 37 Rn. 34; Altmeppen in Roth/Altmeppen, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 42; Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 29; Kropff in Semler/ v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 8 Rn. 54; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 305; a.A., d.h. für qualifizierte ¾-Mehrheit: Raiser, Komm. MitbestG, § 25 Rn. 89; Raiser/Heermann in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 243, 298; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 69; Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 153; Eisenhardt in FS Pfeiffer, 1988, S. 839, 848. 1 Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 234; Zöllner/Noack in Baumbach/ Hueck, Komm. GmbHG, § 37 Rn. 24; Paefgen in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 35 Rn. 139; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 30 Rn. 27; Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 37 Rn. 60; Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 353; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 30 MitbestG Rn. 21; Raiser, Komm. MitbestG, § 33 Rn. 23 je m.w.N. Für eine zumindest subsidiäre Zuständigkeit des Aufsichtsrats für den Erlass einer Geschäftsordnung: Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 30 MitbestG Rn. 40; dagegen wiederum ausdrücklich Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 37 Rn. 43 und Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 37 Rn. 61. 2 Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 49; Raiser/Heermann in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 233, 297; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 58; Koberski in Wlotzke/Wißmann/ Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 70.

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Aufgaben und Kompetenzen

§ 15

3. Prüfung des Jahresabschlusses und Erteilung des Prüfungsauftrags an den Abschlussprüfer Obwohl der Aufsichtsrat von der Feststellung des Jahresabschlusses 1131 ausgeschlossen ist, hat er in der mitbestimmten GmbH doch die Pflicht zur selbständigen Prüfung des von den Geschäftsführern aufgestellten Jahresabschlusses sowie des Lageberichts und des Vorschlags für die Verwendung des Bilanzgewinns1; sofern die GmbH Mutterunternehmen i.S.d. § 290 HGB ist, gilt dies auch für den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht (vgl. §§ 170, 171 AktG und die entsprechenden Verweise in § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 DrittelbG und § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG). Diese Prüfungspflicht ist für den obligatorischen Aufsichtsrat zwingend und kann durch die Satzung nicht reduziert oder abbedungen werden2. Über das Ergebnis seiner Prüfung hat er an die Gesellschafterversammlung zu berichten, § 171 Abs. 1 Satz 2 AktG3. Ferner hat der Aufsichtsrat bei prüfungspflichtigen GmbHs (§ 316 HGB) das Recht und die Pflicht, dem Abschlussprüfer den Prüfungsauftrag für den Jahresabschluss zu erteilen (§ 111 Abs. 2 Satz 3 AktG)4, und er muss zu dem Ergebnis der Prüfung des Jahresabschlusses durch den Abschlussprüfer der Gesellschafterversammlung gegenüber Stellung nehmen (§ 171 Abs. 2 Satz 3 AktG)5, eine Aufgabe, die der Aufsichtsrat – wie die soeben erwähnte Berichtspflicht – sehr ernst nehmen muss6.

4. Besetzung der Geschäftsführung a) Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer aa) Paritätisch mitbestimmte GmbH In den mitbestimmten Gesellschaften mbH nach dem MontanMitbestG und dem MitbestG ist die Bestellung der Geschäftsführer und

1 Siehe hierzu auch Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 10, 29. 2 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 223; Müller, Beck’ sches Hdb. GmbH, § 6 Rn. 87; Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 29. 3 Dazu eingehend Lutter, AG 2008, 1 ff. 4 Die Kompetenz zur Bestellung und Abberufung des Abschlussprüfers verbleibt jedoch bei der Gesellschafterversammlung (siehe § 318 Abs. 1 Satz 1 und 2 HGB). Siehe hierzu sowie allgemein zur Reform des Aufsichtsrats der mitbestimmten GmbH durch das KonTraG von 1998 Altmeppen, ZGR 1999, 291, 306 ff.; Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 155. 5 Vgl. dazu oben Rn. 176 ff. sowie OLG Stuttgart v. 15.3.2006 – 20 U 25/05, ZIP 2006, 756 ff. = AG 2006, 379 (RTV). 6 Vgl. erneut OLG Stuttgart v. 15.3.2006 – 20 U 25/05, ZIP 2006, 756 ff. = AG 2006, 379.

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Der Pflichtaufsichtsrat einer GmbH

der Widerruf ihrer Bestellung dem Aufsichtsrat zugewiesen1. Es gelten mithin die gleichen Regeln wie für die AG. Ob der Aufsichtsrat auch einen Vorsitzenden der Geschäftsführung ernennen kann, ist umstritten (vgl. dazu unten Rn. 1143). Die Zahl der Geschäftsführer ist im Gesetz nicht festgelegt. Da ebenso wie in der mitbestimmten AG nach MitbestG und MontanMitbestG auch hier ein Arbeitsdirektor zu bestellen ist, müssen auch hier mindestens zwei Geschäftsführer bestellt werden (siehe oben Rn. 338). Ob und ggf. wie viele weitere Geschäftsführer darüber hinaus bestellt werden müssen oder können, ist in erster Linie Sache der Satzung, in zweiter Linie von der Gesellschafterversammlung zu entscheiden. Schweigen beide, so entscheidet der Aufsichtsrat selbst nach pflichtgemäßem Ermessen. Das Gleiche gilt für die Dauer der Bestellung, die gemäß der hier anwendbaren Norm des § 84 Abs. 1 AktG fünf Jahre nicht überschreiten, wohl aber unterschreiten kann. 1133

Auch für eine Abberufung der Geschäftsführer vor Ablauf ihrer Bestellungszeit ist allein der Aufsichtsrat zuständig. Doch gilt auch insoweit das aktienrechtliche System, d.h. die Abberufung kann während der Laufzeit, für die der betreffende Geschäftsführer vom Aufsichtsrat bestellt worden ist, nur aus wichtigem Grund erfolgen (anders stets dort, wo die Gesellschafterversammlung den bzw. die Geschäftsführer bestellt, § 38 Abs. 1 GmbHG). bb) Drittelmitbestimmte GmbH nach DrittelbG

1134

In den drittelmitbestimmten GmbHs nach DrittelbG steht dem Aufsichtsrat die Befugnis zur Bestellung und Abberufung des oder der Geschäftsführer nicht zu. Das gehört dort – wie auch sonst im GmbHRecht – zur Kompetenz der Gesellschafterversammlung. Die Satzung kann mit dieser Aufgabe ein anderes Organ betrauen, also auch den Aufsichtsrat, aber auch einen nicht mitbestimmten Beirat oder Gesellschafterausschuss. Auch ist in diesen GmbHs kein Arbeitsdirektor vorgeschrieben, so dass die Bestellung auch nur eines Geschäftsführers von Gesetzes wegen ausreicht; alles andere ist Sache der Satzung bzw. der Gesellschafterversammlung. Da hier die Regeln des GmbH-Rechts unberührt weitergelten, ist die Gesellschafterversammlung auch für die Abberufung zuständig (soweit die Satzung diese Kompetenz nicht einem anderen Organ übertragen hat). Es gilt darüber hinaus § 38 GmbHG und nicht § 84 AktG; das hat zur Folge, dass die Geschäftsführer einerseits für eine beliebig lange oder kurze Zeit bestellt werden können2, dass sie andererseits aber auch in der 1 BGH v. 14.11.1983 – II ZR 33/83, BGHZ 89, 48, 51 = AG 1984, 48 (Reemtsma). 2 Die Bestellung von Geschäftsführern auf Lebenszeit hat mancher GmbH schon sehr geschadet!

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Aufgaben und Kompetenzen

§ 15

Regel jederzeit und ohne dass ein wichtiger Grund vorliegen müsste, abberufen werden können. Die Satzung und der Gesellschafterbeschluss, mit dem der betreffende Geschäftsführer bestellt wurde, können davon abweichen und die Abberufung an bestimmte Gründe oder allgemein auch an einen „wichtigen“ oder „sachlichen“ Grund binden1. Das gilt insbesondere für Geschäftsführer, die zugleich auch Gesellschafter dieser GmbH sind. b) Anstellungsvertrag aa) Paritätisch mitbestimmte GmbH Aus der Bestellungskompetenz des Aufsichtsrats – soweit sie gegeben 1135 ist (soeben oben Rn. 1132 f.) – folgt weiter, dass der Aufsichtsrat insoweit – also bei GmbHs nach MontanMitbestG und MitbestG, nicht aber nach DrittelbG – zum Abschluss des Anstellungsvertrages der Geschäftsführer berechtigt und verpflichtet ist2. Es gilt insoweit das Gleiche wie für die AG (siehe oben Rn. 384 ff.). Die Gegenmeinung, wonach die Anstellungskompetenz den Gesellschaftern obliege, vermag nicht zu überzeugen. Die Kompetenz des Aufsichtsrats folgt notwendig aus der untrennbaren inneren Zusammengehörigkeit von Anstellung und Bestellung3. Auch kann eine verantwortliche und sachgerechte Auswahl vom Aufsichtsrat nur getroffen werden, wenn er dabei die vom Bewerber verlangten Anstellungsbedingungen mit in die Überlegungen einbeziehen und darüber mitentscheiden kann4. Die Gesellschafter können allerdings verbindlich Vergütungsrichtlinien erlassen, solange damit die personelle Auswahlfreiheit des Aufsichtsrats nicht entscheidend beeinträchtigt wird5. 1 Näher Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 38 Rn. 7 ff. und Lutter, ZIP 1986, 1195 m.w.N. 2 Ebenso BGH v. 14.11.1983 – II ZR 33/83, BGHZ 89, 48, 58 = AG 1984, 48 (Reemtsma). Ebenso Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 275; Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 35 Rn. 16; Paefgen in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 35 Rn. 172; Müller, Beck’sches Hdb. GmbH, § 6 Rn. 98; Fonk in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 87; Raiser, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 24; Ulmer/Habersack in Ulmer/ Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 38 f., je m.w.N. A.A. wohl noch Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 35 Rn. 203 ff., 206. 3 Ebenso BGH v. 14.11.1983 – II ZR 33/83, BGHZ 89, 48, 52 ff. = AG 1984, 48. 4 Ebenso BGH v. 14.11.1983 – II ZR 33/83, BGHZ 89, 48, 52 ff. = AG 1984, 48. 5 Ebenso Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 224; Paefgen in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 35 Rn. 173; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 30 Rn. 27; Raiser, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 26; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 31 MitbestG Rn. 40; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1688; Krieger, Personalentscheidungen, S. 288 f. m.w.N.

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§ 15

Der Pflichtaufsichtsrat einer GmbH

bb) Drittelmitbestimmte GmbH nach DrittelbG 1137

In der drittelmitbestimmten GmbH nach DrittelbG steht der Abschluss des Anstellungsvertrages allein den Gesellschaftern zu oder dem von ihnen in der Satzung oder dem Bestellungsbeschluss ermächtigten Organ. c) Kündigung

1138

Alle diese Grundsätze gelten spiegelbildlich auch für die Kündigung: In paritätisch mitbestimmten Gesellschaften obliegt sie dem Aufsichtsrat, in drittelmitbestimmten Gesellschaften den Gesellschaftern. d) Organisationskompetenz aa) Paritätisch mitbestimmte GmbH

1139

Das MitbestG verweist nicht auf § 77 AktG und behalte damit Geschäftsordnung und Geschäftsverteilung nach herrschender Meinung der Gesellschafterversammlung vor1. Der Aufsichtsrat könne deshalb auch weder bei der Bestellung noch im Anstellungsvertrag2 eine Verteilung der Geschäftsführungsbereiche unter die Geschäftsführer vornehmen. In der Konsequenz dieser Betrachtung liegt es, dem Aufsichtsrat auch die Ernennung eines Vorsitzenden der Geschäftsführung zu versagen, sofern dies nicht in der Satzung vorgesehen ist3.

1140

Die dargestellte Auffassung ist nicht unbedenklich: Ebenso wie die Bestellung und die Anstellung bilden Bestellung und Geschäftsvertei1 Paefgen in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 35 Rn. 139; Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 37 Rn. 60 f.; Fonk in Semler/ v. Schenck, Handbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rn. 353; Raiser, Komm. MitbestG, § 30 Rn. 13 f.; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 30 Rn. 27; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 234; so jetzt auch Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 30 MitbestG Rn. 21. 2 Paefgen in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 35 Rn. 139; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 30 MitbestG Rn. 21; insoweit anders Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 30 MitbestG Rn. 43. 3 So Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 37 Rn. 44; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, Komm. MitbestG, § 31 Rn. 47; Werner in FS Fischer, 1979, S. 821, 826; Rittner, DB 1979, 973, 976; wie hier jetzt auch Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 30 MitbestG Rn. 9; a.A. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 37 Rn. 25; Raiser/Heermann in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 301; Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 30 MitbestG Rn. 6; differenzierend Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 219.

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Aufgaben und Kompetenzen

§ 15

lung eine im Grunde untrennbare Einheit. Sachgerechte Personalauswahl kann nur funktionsbezogen erfolgen; ohne zugleich über den Aufgabenbereich befinden zu können, kann der Aufsichtsrat seiner Aufgabe zu sachgerechter Bestellung von Geschäftsführern kaum nachkommen. In Gesellschaften mit mehr als 2000 Mitarbeitern – und davon ist hier die Rede – sucht man eben für die Geschäftsführung einen Ingenieur, einen Chemiker, einen Verkaufschef oder einen Marketingmann, einen Finanzchef oder Steuerfachmann, aber nicht jemanden, der irgendetwas kann. Es dürfte deshalb eher zutreffen, die Kompetenz der Gesellschafter auf die abstrakt-generelle Einrichtung der Geschäftsbereiche zu beschränken und die Zuweisung dieser Bereiche an bestimmte Personen dem Aufsichtsrat als Teil seiner Bestellungshoheit vorzubehalten1. Diese Überlegungen werden durch die Pflicht zur Bestellung eines Arbeitsdirektors nach § 13 MontanMitbestG, § 33 MitbestG bestätigt. Denn hier hat das Gesetz ein bestimmtes Ressort zwingend vorgeschrieben und den Aufsichtsrat angewiesen, es mit einer bestimmten, von ihm auszuwählenden Person zu besetzen. In diesen Vorgang kann die Gesellschafterversammlung nicht eingreifen2.

1141

Darüber hinaus wird man die Kompetenz der Gesellschafter zum Er- 1142 lass einer Geschäftsordnung nur als vorrangige, nicht als ausschließliche Befugnis gegenüber dem Aufsichtsrat verstehen müssen. Die Gesellschafter können eine Geschäftsordnung für die Geschäftsführer erlassen und sind dabei – anders als nach § 77 Abs. 2 Satz 2 AktG – nicht auf die Regelung von Einzelfragen beschränkt. Machen sie von diesem Recht aber keinen Gebrauch, steht dem Aufsichtsrat als Annex zu seiner Bestellungskompetenz die Befugnis zu, von sich aus die Geschäftsordnung zu regeln. Denn sachgerechte Personenauswahl kann nur auf der Grundlage einer sachgerechten Organisation betrieben werden3. Auch bei dieser Betrachtung bleibt die Entscheidung, ob ein Vorsit- 1143 zender der Geschäftsführung zu bestellen sei, vorrangig der Gesellschafterversammlung vorbehalten: Sie kann die Bestellung eines Vorsitzenden anordnen oder untersagen. Verzichten die Gesellschafter auf eine Regelung, kann der Aufsichtsrat selbst entscheiden; ordnen 1 Näher dazu Krieger, Personalentscheidungen, S. 294. 2 Diese Grenze der Geschäftsverteilungskompetenz seitens der Gesellschafterversammlung wird auch von der h.M. anerkannt; vgl. etwa Raiser, Komm. MitbestG, § 30 Rn. 13 und Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/ Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 30 MitbestG Rn. 21. 3 Im Ergebnis ebenso Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 30 MitbestG Rn. 40 und näher Krieger, Personalentscheidungen, S. 294 ff.; wie hier jetzt auch Ulmer/Habersack in Ulmer/ Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 30 MitbestG Rn. 21.

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§ 15

Der Pflichtaufsichtsrat einer GmbH

sie die Bestellung eines Vorsitzenden an, obliegt seine Auswahl allein dem Aufsichtsrat1. bb) Drittelmitbestimmte GmbH nach DrittelbG 1144

Alle diese Fragen entstehen in drittelmitbestimmten GmbHs nach dem DrittelbG nicht: Hier stehen alle diese Aufgaben und Kompetenzen allein der Gesellschafterversammlung zu. e) Bestellung von Prokuristen aa) Paritätisch mitbestimmte GmbH

1145

Die Bestellung von Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten zum gesamten Geschäftsbetrieb ist nach § 46 Nr. 7 GmbHG Aufgabe der Gesellschafter: Diese fällen die interne Entscheidung, für den Bestellungsakt nach außen sind die Geschäftsführer zuständig2. Die Mitbestimmungsgesetze weichen davon zwar nicht ausdrücklich ab, nach verbreiteter Auffassung soll es aber wertungswidersprüchlich sein, der Gesellschafterversammlung das Recht zur Bestellung der Geschäftsführer zu nehmen, ihr aber die personalpolitische Entscheidungshoheit unterhalb der Geschäftsführung zu belassen. Deshalb müsse auch diese Kompetenz dem Aufsichtsrat, nach Meinung anderer den Geschäftsführern zugemessen werden3. Dem ist nicht zuzustimmen. Zumindest so lange, wie Prokuristen und Generalhandlungsbevollmächtigte der Weisung und Aufsicht durch die Geschäftsführer unterstehen, führt die Gesellschafterkompetenz zur Entscheidung über ihre Bestellung allenfalls zu leichten Friktionen gegenüber der Aufsichtsratskompentenz zur Bestellung der Geschäftsführer, nicht aber zu dem für eine teleologische Gesetzeskorrektur erforderlichen schwerwiegenden Wertungswiderspruch4.

1146

Das ließe sich allenfalls dann anders beurteilen, wenn nachgeordnete Führungskräfte von der Aufsicht durch die Geschäftsführer und ihrer Weisungsbefugnis freigestellt werden könnten. Das jedoch widersprä1 Näher Krieger, Personalentscheidungen, S. 297 ff. m.w.N. 2 BGH v. 13.6.1984 – VIII ZR 125/83, BGHZ 91, 334, 336; Hüffer in Ulmer/ Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 46 Rn. 84 m.w.N.; Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 170; im Ergebnis ebenfalls für die Gesellschafterkompetenz Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 46 Rn. 52; Zöllner, ZGR 1977, 319, 326; Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 137 Fn. 44. 3 So u.a. für Aufsichtsratskompetenz: Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 67; Naendrup, GK-MitbestG, § 25 Rn. 133; für Geschäftsführerkompetenz: Säcker, Anpassung von Satzungen, S. 38. 4 Ausführlich zum Ganzen Krieger, Personalentscheidungen, S. 299 ff. sowie Voraufl. Rn. 945.

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Aufgaben und Kompetenzen

§ 15

che schon geltendem GmbH-Recht und widerspräche erst recht dem Grundgedanken des Mitbestimmungsrechts: Die Gesellschafter können zwar auf die Geschäftsführer einwirken, nicht aber auf das Personal1. bb) Drittelmitbestimmte GmbH nach DrittelbG Das zuvor unter Rn. 1145 f. Gesagte gilt in gleicher Weise und erst recht für die drittelmitbestimmte GmbH nach DrittelbG.

1147

5. Mitwirkung auf Gesellschafterebene a) Paritätisch mitbestimmte GmbH Sind in der nach MontanMitbestG oder MitbestG mitbestimmten 1148 GmbH wesentliche Geschäftsführungsentscheidungen von vornherein den Gesellschaftern vorbehalten und haben diese darüber hinaus das Recht zu verbindlicher Anweisung an die Geschäftsführer, so gewinnt die Frage Bedeutung, ob und inwieweit der Aufsichtsrat hier zur Teilnahme bei oder gar Überwachung der Gesellschafterversammlung berufen ist. Echte Mitentscheidungsbefugnisse stehen dem Aufsichtsrat insoweit 1149 nicht zu. Weder sind Gesellschafterentscheidungen unmittelbar von seiner Mitwirkung abhängig, noch kann er sie mittelbar dadurch seiner Mitwirkung unterwerfen, dass er die Ausführungsmaßnahmen der Geschäftsführer an seine Zustimmung bindet. Auch hat der Aufsichtsrat keine Kompetenz und keine Mittel zur rechtlichen Durchsetzung einer Überwachung der Gesellschafterversammlung: Beide Organe stehen in der paritätisch mitbestimmten GmbH nebeneinander mit je autonomen Befugnissen; keines der beiden Organe ist dem anderen vorgesetzt. Die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats bezieht sich also allein auf den oder die Geschäftsführer2 (soweit die Führung der Geschäfte nicht von der Gesellschafterversammlung durch Anweisung veranlasst ist), nicht aber auf die Gesellschafterversammlung, mag diese durch entsprechende Weisungsbeschlüsse auch selbst geschäftsführend tätig geworden sein. Die Mitbestimmungsgesetze räumen dem Aufsichtsrat aber beratenden Einfluss ein, wenn sie seinen Mitgliedern – durch Verweisung 1 Vgl. Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 35 Rn. 17 m.w.N. aus Literatur und Rechtsprechung; näher Krieger, Personalentscheidungen, S. 303 ff. 2 Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 88; Uwe H. Schneider, BB 1981, 249, 252; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 489; vgl. auch Martens, AG 1982, 113, 117 und Kallmeyer, ZGR 1983, 57, 70 Fn. 55.

415

1150

§ 15

Der Pflichtaufsichtsrat einer GmbH

auf §§ 118 Abs. 2, 125 Abs. 3 und 4 AktG – das Recht auf Teilnahme an den Gesellschafterversammlungen (und auf vorherige Mitteilung der Tagesordnung mitsamt Beschlussvorschlägen) und das damit verbundene Recht zur Kundgabe ihrer Meinung zubilligen1. Dieses Recht ist zugleich Pflicht der Aufsichtsratsmitglieder: Sie haben an den Gesellschafterversammlungen teilzunehmen und sind verpflichtet, den Gesellschaftern mit ihrem Rat und ihrer Meinung zur Verfügung zu stehen2. Die Pflicht zur Beratung erstreckt sich in der GmbH auch auf die Geschäftsführung durch die Gesellschafter3. 1151

Ob es in der Hand der Gesellschafter liegt, diese Teilnahme der Aufsichtsratsmitglieder durch Beschlussfassung außerhalb von Gesellschafterversammlungen auszuschließen und damit jeglichen Aufsichtsratseinfluss in bestimmten Fragen der Geschäftsführung zu hindern, wird kontrovers beurteilt. Zwar lässt sich dem MitbestG kein Verbot versammlungsloser Gesellschafterbeschlüsse entnehmen4, andererseits legt die durch § 118 Abs. 2 AktG bewusst eröffnete Teilnahmemöglichkeit durchaus die Erwägung nahe, dass die Gesellschafter vor versammlungsloser Beschlussfassung den Aufsichtsrat zumindest in Kenntnis setzen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen5. Mag dabei auch eine Information sämtlicher Aufsichtsratsmitglieder nicht in Betracht kommen können, so spricht jedenfalls viel für eine Verpflichtung, zumindest durch Unterrichtung des Aufsichtsratsvorsitzenden oder seines Präsidiums dem Gesamtorgan Gelegenheit zur Meinungsäußerung zu geben6.

1 Vgl. dazu und zur Frage eines Auskunfts- und eines Beschlussantragsrechts der Aufsichtsratsmitglieder in den Gesellschafterversammlungen einer GmbH Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 147; Zöllner in FS Fischer, 1979, S. 905, 908 sowie Duden in FS Fischer, 1979, S. 95, 98. 2 Zurückhaltender Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 89, nach dessen Ansicht die Gesellschafter den Rat des Aufsichtsrats anfordern können, aber weder der Aufsichtsrat eine Beratungspflicht noch die Gesellschafterversammlung eine Pflicht zur Entgegennahme des Rates habe. 3 Kritisch dazu Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 220. 4 Vgl. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 48 Rn. 29 m.w.N.; Zöllner in FS Fischer, 1979, S. 905, 915 ff. 5 So Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 148 f. m.w.N.; nachdrücklich a.A. Zöllner in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 48 Rn. 29; Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 89; Zöllner in FS Fischer, 1979, S. 905, 917 ff.; Säcker, NJW 1979, 1521, 1524, je mit zahlreichen weiteren Nachw. 6 Für ein eigenes Berichtsrecht des Aufsichtsrats gegenüber der Gesellschafterversammlung Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 89, 120 f.

416

Aufgaben und Kompetenzen

§ 15

b) Drittelmitbestimmte GmbH nach DrittelbG In ihnen entstehen alle diese Fragen nicht, der Aufsichtsrat hat kei- 1152 nen (personellen) Einfluss auf die Geschäftsführung und kann sich daher auch in solche Fragen auf der Ebene der Gesellschafterversammlung nicht einmischen. Allerdings steht auch diesem Aufsichtsrat gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 DrittelbG, §§ 118 Abs. 2, 125 Abs. 3 und 4 AktG ein Teilnahmerecht an den Gesellschafterversammlungen zu. Er hat also Anspruch auf rechtzeitige Unterrichtung von solchen Versammlungen und ihrer Tagesordnung, kann auf der Versammlung selbst sein Rederecht ausüben. Darüber hinaus können die Gesellschafter jederzeit seinen Rat in Anspruch nehmen.

6. Innere Organisation des Aufsichtsrats a) Paritätisch mitbestimmte GmbH Das MitbestG verweist in seinem § 25 Abs. 1 Nr. 1 insoweit voll auf 1153 das AktG, also insbes. seine §§ 107 ff. Daher kann zunächst auf die obigen Rn. 651 ff. verwiesen werden. Es gelten jedoch einige Besonderheiten: (1) Über den Vorsitz im Aufsichtsrat entscheidet der Aufsichtsrat in dem besonderen Verfahren des § 27 MitbestG1. (2) Die Beschlussfähigkeit richtet sich nicht nach § 108 Abs. 2 AktG, sondern ist in § 28 MitbestG abschließend geregelt. (3) Bei Abstimmungen gilt zunächst das Mehrheitsprinzip. Scheitert dieses aber durch ein Patt-Ergebnis, so ist eine zweite Abstimmung über den gleichen Gegenstand anzusetzen. Ergibt auch diese ein Patt, so hat der Aufsichtsratsvorsitzende in einer dritten Abstimmung zwei Stimmen (Doppelstimmrecht)2. b) Drittelmitbestimmte GmbH nach DrittelbG In der drittelmitbestimmten GmbH gelten schlechthin die Regeln des Aktienrechts, § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG.

1 Näher dazu Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 3 ff.; Raiser, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 5 ff. 2 Zum Ganzen vgl. Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 29 MitbestG Rn. 9 ff.; Raiser, Komm. MitbestG, § 27 Rn. 8 ff. jeweils m.w.N.

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§ 15

Der Pflichtaufsichtsrat einer GmbH

7. Rechte und Pflichten des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds 1155

Diese Rechte und Pflichten unterscheiden sich bei allen mitbestimmten GmbHs in nichts von denjenigen in einer AG. Insbesondere gilt auch hier der strikte Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Satzung allgemein oder die Gesellschafterversammlung durch speziellen Beschluss legen die Vergütung des Aufsichtsrats fest; § 113 AktG ist anwendbar. Und schließlich dürfen Aufsichtsräte auch hier nur in eingeschränktem Maße1 und nur mit Zustimmung des Gesamtaufsichtsrats zusätzliche Aufgaben gegen Vergütung in der Gesellschaft übernehmen; § 114 AktG ist also ebenfalls anwendbar.

8. Das besondere Weisungsrecht der Anteilseigner-Vertreter im Aufsichtsrat aus § 32 MitbestG 1156

Ist eine paritätisch mitbestimmte GmbH Inhaberin von mehr als 25 % der Aktien oder Geschäftsanteile einer anderen paritätisch mitbestimmten AG oder GmbH, so steht allein den Anteilseignervertretern im Aufsichtsrat der beteiligten GmbH für bestimmte wesentliche Entscheidungen „unten“ ein verbindliches Weisungsrecht gegenüber den eigenen Geschäftsführern zu, § 32 MitbestG. Wie sich dieses spezielle Weisungsrecht zum allgemeinen Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung verhält, ist unklar. Nach einer Ansicht besteht zwischen beiden kein Rangverhältnis, es bedürfe vielmehr einer Koordinierung beider Rechte, nach der die Vertreter der Anteilseigner im Aufsichtsrat ausnahmsweise den Weisungen der Gesellschafter unterstünden und verpflichtet seien, deren Weisungen in der Beschlussfassung nach § 32 MitbestG umzusetzen2. Dem wird entgegengehalten, § 32 MitbestG hindere die Gesellschafter nicht, die Entscheidung an sich zu ziehen und dem Vertretungsorgan Weisungen zu erteilen, soweit sie allgemein dazu berechtigt seien. Starr an § 32 MitbestG festzuhalten sei übertriebener Formalismus3. Zu

1 Vgl. BGH v. 3.7.2006 – II ZR 151/04, ZIP 2006, 1529 = AG 2006, 667 und BGH v. 20.11.2006 – II ZR 279/05, ZIP 2007, 22 = AG 2007, 80 sowie BGH v. 2.4.2007 – II ZR 325/05, ZIP 2007, 1185 = AG 2007, 484. 2 Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 32 MitbestG Rn. 21. 3 Raiser, Komm. MitbestG, § 32 Rn. 27.

418

Aufgaben und Kompetenzen

§ 15

beachten ist allerdings, dass § 32 MitbestG tief in die gesellschaftsinterne Zuständigkeitsordnung eingreift1. Sein Zweck, der Kummulation der Mitbestimmung entgegenzuwirken2, kann auch durch eine direkte Entscheidung der Gesellschafter erreicht werden, und zwar dergestalt, dass auch die gesetzliche Zuständigkeitsordnung gewahrt bleibt. Folglich geht das allgemeine Weisungsrecht dem spezielleren des § 32 MitbestG vor3. Einstweilen frei.

1157–1180

1 Koberski in Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, Mitbestimmungsrecht, § 32 MitbestG Rn. 14. 2 Raiser, Komm. MitbestG, § 32 Rn. 1. 3 Schneider, GK-MitbestG, § 32 Rn. 35.

419

§ 16 Der freiwillige (fakultative) Aufsichtsrat in der GmbH I. Überblick Jede Aktiengesellschaft muss einen Aufsichtsrat haben, nur die Zahl seiner Mitglieder und deren Zusammensetzung hängen von der Größe der Gesellschaft, der Zahl ihrer Arbeitnehmer und dem Tätigkeitsbereich des Unternehmens ab. In der GmbH gibt es den Aufsichtsrat als Pflichtorgan im Grundsatz nicht. Nur ausnahmsweise – und gemessen an der Zahl von heute mehr als 900 0001 GmbHs ist es tatsächlich nach wie vor die Ausnahme – ist ein Aufsichtsrat nach DrittelbG, MitbestG, MontanMitbestG oder MitbestErgG erforderlich; dazu aber sind in jedem Falle mehr als 500 Arbeitnehmer nötig2.

1181

Vor diesem Hintergrund erlaubt das Gesetz in § 52 GmbHG der mitbestimmungsfreien GmbH die Einführung eines Aufsichtsrats. Aber das Gesetz erlaubt nicht nur die Einführung, sondern erlaubt auch seine individuelle Ausgestaltung: Während die Rechte und Pflichten jedes Pflichtaufsichtsrats nach AktG, DrittelbG, MitbestG, MontanMitbestG und MitbestErgG im Gesetz festgelegt sind, können die Rechte und Pflichten des fakultativen Aufsichtsrats nach § 52 GmbHG nahezu beliebig gestaltet werden. Nur dann und nur insoweit, wie die Satzung der betreffenden GmbH von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht, verweist das Gesetz mit § 52 GmbHG auf bestimmte Regeln des AktG: Es gilt dann – hinsichtlich der Rechte und Pflichten, nicht hinsichtlich der Zusammensetzung – weitgehend das Gleiche wie für den Pflicht-Aufsichtsrat nach DrittelbG.

1182

II. Die Einrichtung und Ordnung des fakultativen Aufsichtsrats 1. Einrichtung durch Satzung Zuständig für die Einrichtung eines solchen fakultativen Aufsichts- 1183 rats ist allein die Satzung der betreffenden GmbH und zwar sowohl die ursprüngliche wie auch eine geänderte Satzung, d.h. der Auf-

1 Zu den aktuellen Zahlen und den Schwierigkeiten ihrer genauen Ermittlung Kornblum, GmbHR 2008, 19. 2 Siehe dazu im Einzelnen schon oben unter § 15.

421

§ 16

Der freiwillige Aufsichtsrat

sichtsrat kann in einer solchen GmbH auch noch nachträglich durch Satzungsänderung eingeführt werden1.

2. Ausgestaltung 1184

Die Satzung kann sich darauf beschränken, die Einrichtung des Aufsichtsrats in der GmbH anzuordnen. Geschieht nicht mehr, so gelten für die Rechte und Pflichten dieses Aufsichtsrats im Wesentlichen die obigen Ausführungen (§ 15 Rn. 1091 ff.) zum Aufsichtsrat nach DrittelbG; denn die dann maßgebende Verweisung des § 52 GmbHG auf bestimmte Vorschriften des AktG entspricht weitgehend der Verweisung in § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 DrittelbG.

1185

Im Übrigen kann die Satzung vielfache Einzelregelungen treffen; soweit das geschieht, verdrängen diese statutarischen Regelungen diejenigen des AktG bis auf ganz wenige Grundsätze, die unabdingbar sind und nachstehend ausdrücklich erwähnt werden.

3. Zusammensetzung des fakultativen Aufsichtsrats 1186

Die Satzung kann zunächst einmal die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder beliebig festlegen. Üblich sind mindestens drei und höchstens fünf Mitglieder. Nach der h.M. soll aber auch ein Aufsichtsrat mit nur einem Mitglied hier zulässig sein2. Das ist problematisch, da sich die Vorstellung vom Aufsichtsrat allgemein und so, wie § 52 GmbHG das meint, am Kollegium orientiert3. Man sollte daher auf jeden Fall bei solcher Gestaltung nicht von Aufsichtsrat sprechen, sondern von einem Delegierten (der Gesellschafterversammlung) oder allenfalls einem Beirat: Denn die Gesellschafterversammlung kann die ihr zustehenden Befugnisse – z.B. die Überwachung der Geschäftsführung – jedenfalls teilweise auch an eine Einzelperson delegieren4.

1187

Regelt die Satzung die Frage nach der Zahl der Aufsichtsratsmitglieder nicht, so wird das ad hoc von der Gesellschafterversammlung entschieden. Diese kann sich dann also auf drei Mitglieder beschränken, 1 Vgl. Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 4; Potthoff/Trescher/ Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 52. 2 RGZ 82, 386; Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 208; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 32; Raiser/ Heermann in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 28; Siebel in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 3 Rn. 77; Simon, GmbHR 1999, 258. 3 Ähnlich schon RGZ 146, 145, 151: der Aufsichtsrat als Kollegium; zweifelnd auch Geßler, GmbHR 1974, 202, 205. 4 Vgl. z.B. OLG Frankfurt v. 28.4.1981 – 20 W 795/80, DB 1981, 2487 = AG 1981, 230; zu den Grenzen der Delegation vgl. K. Schmidt in Scholz, Komm. GmbHG, § 45 Rn. 13.

422

Einrichtung und Ordnung

§ 16

aber auch jede höhere Zahl unmittelbar bestimmen oder mittelbar durch die Wahl einer entsprechenden Anzahl von Mitgliedern festlegen. Trifft die Satzung keine Regelung, so werden die Mitglieder des Aufsichtsrats von der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit gewählt. Legt die Satzung keine feste Zahl und auch keinen Rahmen für die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder fest, so wird durch die Wahl zugleich die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder ad hoc festgelegt; sie kann sich dann aber auch jederzeit ändern.

1188

Im Übrigen finden sich in diesem Zusammenhang nicht selten Rege- 1189 lungen in der Satzung, die einem oder mehreren Gesellschaftern ein statutarisches Recht auf Mitgliedschaft im Aufsichtsrat einräumen oder ihnen die Befugnis geben, sich oder einen Dritten direkt als Aufsichtsratsmitglied zu bestellen (sog. Entsendungsrecht). Es mag aber auch sein, dass die betreffenden Gesellschafter (nur) berechtigt sein sollen, sich oder andere zur Wahl in den Aufsichtsrat zu benennen mit der Folge, dass die Gesellschafterversammlung dann zur Wahl dieser Person in den Aufsichtsrat verpflichtet ist, soweit nicht in der betreffenden Person ein wichtiger Grund entgegensteht1. Die gleichen Rechte können auch einer bestimmten Gesellschaftergruppe (z.B. den Mitgliedern eines bestimmten Familienstammes) eingeräumt werden.

1190

4. Persönliche Voraussetzungen Aufsichtsratsmitglieder müssen natürliche Personen und voll geschäftsfähig sein: Das ist richtiger Ansicht nach unabdingbar2. Ebenso unabdingbar ist die Unvereinbarkeit von Geschäftsführung und Mitgliedschaft im Aufsichtsrat: Niemand kann sich in unserem System des Aufsichtsrats selbst überwachen3. Außerdem gilt kraft aus1 Vgl. OLG Hamm v. 8.7.1985 – 8 U 295/83, ZIP 1986, 1188 mit Anm. Lutter, ZIP 1986, 1195 ff. zum Recht auf Geschäftsführung. 2 § 100 Abs. 1 AktG ist anwendbar, vgl. Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 8; Raiser/Heermann in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 30; Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 8; Kallmeyer, GmbH-Handbuch, Rn. I 1824; Müller, Beck’ sches Hdb. GmbH, § 6 Rn. 30; a.A. aber Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 254; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 34. 3 OLG Frankfurt v. 21.11.1986 – 20 W 247/86, DB 1987, 85; Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 8; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 28 und 36; Kallmeyer, GmbH-Handbuch, Rn. I 1826; Müller, Beck’sches Hdb. GmbH, § 6 Rn. 30; a.A. aber Großfeld/Brondics, AG 1987, 293, 299 f.; Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 256; Altmeppen in Roth/Altmeppen, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 8;

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§ 16

Der freiwillige Aufsichtsrat

drücklicher Verweisung hier auch § 100 Abs. 2 Nr. 2 AktG, wonach Mitglied im Aufsichtsrat nicht sein kann, wer Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied eines von dieser GmbH abhängigen Unternehmens ist1. 1192

Allen diesen Regelungen aber steht nicht entgegen, dass die Satzung ein Beratungsgremium schafft, dem auch der oder die Geschäftsführer der GmbH bzw. eines abhängigen Unternehmens angehören. Nur: Es handelt sich dann nicht um einen Aufsichtsrat mit den – in dieser Form gar nicht erfüllbaren – Pflichten der Überwachung.

1193

Soweit die Satzung keine andere Regelung trifft, gelten hier nicht die Beschränkungen aus § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3, Satz 3 AktG, also weder die Beschränkung auf zehn Mandate mit der vom KonTraG geschaffenen Doppelzählung des Aufsichtsratsvorsitzes noch das Verbot der sog. Über-Kreuz-Verflechtung2.

1194

Im Übrigen kann die Satzung beliebige zusätzliche Erfordernisse wie insbesondere Mindestvoraussetzungen bezüglich der beruflichen Erfahrung, der Familien- oder Stammeszugehörigkeit etc. festlegen.

1195

Die Satzung kann in diesem Zusammenhang aber auch festlegen, dass eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern der Gesellschaft in den Aufsichtsrat gewählt werden muss3 oder dass z.B. der Vorsitzende des Betriebsrats kraft Amtes Mitglied im Aufsichtsrat ist.

5. Altersregelungen 1196

a) Hinsichtlich des Alters ist seit Inkrafttreten des AGG vom 14.8.20064 zu differenzieren5: Mindestaltersregelungen sind bei der

1

2 3

4 5

Raiser/Heermann in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 36. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 36 m.w.N.; a.A. Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 260, wonach diese Regel im Konzern und bei bestehender Abhängigkeitslage für den fakultativen Aufsichtsrat abdingbar ist, so auch Raiser/Heermann in Ulmer/ Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 32. Ebenso Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 262; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 35 und 38; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 700.3. Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 8; kritisch Schmidt-Leithoff in Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, Einl. Rn. 198. Wer die Auswahl unter den Arbeitnehmern letztlich trifft, ist wiederum Sache der Satzung; diese kann die Gesellschafterversammlung verpflichten, drei Arbeitnehmer z.B. aus einer Liste des Betriebsrats zu wählen etc. BGBl. I 2006, 1897. Für eine Anwendbarkeit des AGG nur auf das Dienst- und nicht auf das Organverhältnis Bauer/Göpfert/Krieger, Komm. AGG, § 6 Rn. 27.

424

Einrichtung und Ordnung

§ 16

Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern1 grundsätzlich zulässig, sofern die Grenze nicht zu hoch gesetzt ist. Ein Alter von 30/35 Jahren dürfte als verhältnismäßig anzusehen sein. Schwieriger gestaltet sich die Beurteilung von Altershöchstgrenzen für eine Bestellung. Ist die Altershöchstgrenze mit dem gesetzlichen Renteneintrittsalter identisch, so ist sie ebenfalls zulässig, vgl. § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG2. Für die Abberufung, ebenso wie ein automatisches Ende der Amtszeit, ist der persönliche Anwendungsbereich des AGG hingegen gar nicht erst eröffnet, § 6 Abs. 3 AGG3. b) Alle diese Überlegungen betreffen nicht die Fälle, in denen das Gesetz zwingend eine Höchstdauer der Amtszeit vorschreibt, so für Geschäftsführer und Aufsichtsräte einer paritätisch mitbestimmten GmbH oder für die Aufsichtsräte eine drittelmitbestimmten GmbH: Diese Regeln sind keine Altersdiskriminierungen.

1197

6. Bestellung und Abberufung Soweit die Satzung keine Regelung trifft (Entsendungsrecht, Wahlver- 1198 pflichtung) und die übrigen persönlichen Beschränkungen (oben Rn. 1191 ff.) beachtet werden, ist die Gesellschafterversammlung in der Auswahl der Aufsichtsratsmitglieder frei. Es gilt das schlichte Mehrheitsprinzip bis zur Grenze des offenen Missbrauchs; insbesondere gibt es hier keinen Minderheitenschutz. Soll dieser verwirklicht sein, so muss er in der Satzung ausdrücklich niedergelegt werden4. Die Bestellung jedes Aufsichtsratsmitglieds erfolgt mit einfacher 1199 Mehrheit der abgegebenen Stimmen, für die Abberufung während der laufenden Amtsperiode ist infolge der Verweisung von § 52 Abs. 1 GmbHG auf § 103 Abs. 1 Satz 2 AktG eine ¾-Mehrheit erforderlich5. Das gilt nicht, wenn die Abberufung aus einem wichtigen Grund in der Person des betreffenden Aufsichtsratsmitglieds erfolgt6 und es gilt 1 Lutter, BB 2007, 725, 730; Bauer/Göpfert/Krieger, Komm. AGG, 2. Aufl. 2008, § 6 Rn. 28 wollen Aufsichtsratsmitglieder nur unter zusätzlichen Voraussetzungen in den Anwendungsbereich des AGG einbeziehen. 2 Lutter, BB 2007, 725, 737. 3 Bauer/Göpfert/Krieger, Komm. AGG, § 6 Rn. 31. 4 Vgl. Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 218; Raiser/ Heermann in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 40. 5 H.M., vgl. Raiser/Heermann in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 50; Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 9; a.A. für Bestellung auf unbestimmte Zeit Simon, GmbHR 1999, 260; einfache Mehrheit genügt. 6 Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 7; Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 9; Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 289; für Bestellung auf unbestimmte Zeit auch Simon, GmbHR 1999, 260; für zeitlich begrenzte Bestellung vgl. aber S. 262: ¾-Mehrheit erforderlich; a.A. Raiser/Heermann in Ulmer/Haber-

425

§ 16

Der freiwillige Aufsichtsrat

auch nicht, wenn die Satzung das Mehrheitserfordernis für die Abberufung auf eine geringere, insbesondere die einfache Mehrheit reduziert1. 1200

Die Fragen der Amtsdauer von Aufsichtsratsmitgliedern sind beim fakultativen Aufsichtsrat ganz ungeregelt, insbesondere gilt hier nicht die Beschränkung auf eine Höchstdauer der Bestellung von fünf Jahren; Aufsichtsratsmitglieder können also auch auf unbestimmte Zeit oder für eine längere Zeit als fünf Jahre in den fakultativen Aufsichtsrat gewählt werden. Im Übrigen kann eine Regelung durch die Satzung, sonst im Bestellungsbeschluss frei getroffen werden. Dabei ist nicht erforderlich, dass die verschiedenen Aufsichtsratsmitglieder gleich behandelt werden: Ein Mitglied kann auf Lebenszeit, das andere für eine Amtsdauer von nur einem Jahr wirksam bestellt werden.

1201

Erfolgt keine Regelung in der Satzung und auch keine im Bestellungsbeschluss, so ist das betreffende Aufsichtsratmitglied auf unbestimmte Zeit bestellt; sein Amt endet dann nur – von Tod und Rücktritt abgesehen – durch Abberufung nach den obigen (Rn. 1199) Regeln. Eine solche Regelung bzw. Nicht-Regelung ist ganz unzweckmäßig und sollte tunlichst durch entsprechende Ordnung in der Satzung vermieden werden.

7. Ersatzmitglieder und Vertreter 1202

Ersatzmitglieder können nach den gleichen Regeln gewählt werden, wie sie oben § 14 dargestellt wurden. Auch hierfür ist in erster Linie die Satzung, sonst ein Beschluss der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit zuständig.

1203

Im freiwilligen GmbH-Aufsichtsrat können aber auch richtige Stellvertreter von Aufsichtsratsmitgliedern bestellt werden2: Das Stellvertretungsverbot des § 101 Abs. 3 Satz 1 AktG gilt hier nicht. Je nach dem Inhalt der Satzung bzw. des Bestellungsbeschlusses der Gesellschafterversammlung können dann solche Vertreter entweder stets für das betreffende Mitglied tätig werden – wenn dieses, gleich aus welchem Grund, nicht teilnimmt – oder nur bei dessen tatsächlicher Verhinderung.

sack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 50; Zöllner/Noack in Baumbach/ Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 47. 1 Vgl. Scholz in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 11 Rn. 54. 2 So zutreffend Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 326 und Raiser/Heermann in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 45. Daneben besteht auch hier die Möglichkeit, einen Stimmboten einzuschalten, vgl. § 108 Abs. 3 AktG.

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Einrichtung und Ordnung

§ 16

8. Befugnisse: Rechte und Pflichten Trifft die Satzung hinsichtlich der Befugnisse des fakultativen Auf- 1204 sichtsrats keine Regelung, so ist dieser wie der Aufsichtsrat nach dem entspr. anwendbaren DrittelbG nur zur Überwachung der Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet, nicht hingegen zur Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung und nicht zur Feststellung der Bilanz1. Zur Überwachung gehört auch die Überprüfung des Jahresabschlusses und des Konzernjahresabschlusses nach § 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. §§ 170, 171 AktG sowie seit dem KonTraG bei prüfungspflichtigen Gesellschaften (§ 316 HGB) auch die Erteilung des Prüfungsauftrags an den Abschlussprüfer (§ 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG)2. Im Gegensatz zum obligatorischen Aufsichtsrat ist die Kompetenz hinsichtlich der Erteilung des Prüfungsauftrags an den Abschlussprüfer hier jedoch durch die Satzung abdingbar; denn auch insoweit gilt § 52 Abs. 1 a.E. GmbHG „…, soweit nicht im Gesellschaftsvertrag anderes bestimmt ist“. Hiervon ausgehend wird gelegentlich versucht, die Zuständigkeit des 1205 fakultativen Aufsichtsrats noch einmal einzuschränken. Das ist im Hinblick auf den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Überwachung und Abschlussprüfung problematisch; denn ein Aufsichtsrat ohne die Befugnis zur Überwachung der Geschäftsführung ist kein Aufsichtsrat3. Andererseits kann man sich jedoch auch nicht über den Wortlaut des § 52 Abs. 1 GmbHG hinwegsetzen, wonach die entsprechende Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften und damit auch der §§ 170, 171 AktG ausdrücklich nur insoweit gilt, als im Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt ist. Dadurch unterscheidet sich § 52 Abs. 1 GmbHG deutlich von der entsprechenden Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG, die die satzungsmäßige Abdingbarkeit der aktienrechtlichen Bestimmungen, auf die verwiesen wird, nicht enthält. Angesichts des insoweit klaren Wortlauts ist die Prüfung des Jahresabschlusses nach § 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. §§ 170, 171 AktG hier also lediglich eine „Im Zweifel“-Kompetenz, die durch den Gesellschaftsvertrag abbedungen werden kann4. Dem steht auch § 42a Abs. 1 Satz 3 GmbHG nicht entgegen, wonach bei GmbHs mit einem Aufsichtsrat der Prüfungsbericht des Aufsichtsrats den Gesellschaftern ebenfalls unverzüglich vorzulegen ist. Diese 1 § 52 GmbHG verweist auf § 111 AktG, nicht aber auf § 84 AktG und auch nicht auf § 172 AktG. 2 Siehe hierzu sowie allgemein zu den Auswirkungen des KonTraG auf den Aufsichtsrat bei der GmbH Altmeppen, ZGR 1999, 291, 306 ff. m.w.N.; Bremer, GmbHR 1999, 116. 3 H.M., vgl. Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 10; Raiser/Heermann in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 17; Zöllner/ Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 28. 4 Siehe auch Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 15.

427

§ 16

Der freiwillige Aufsichtsrat

Vorschrift ist vor dem Hintergrund des § 52 Abs. 1 GmbHG zu sehen. Das Gesetz geht danach in § 42a Abs. 1 Satz 3 GmbHG für den Fall, dass die Gesellschaft einen (fakultativen)1 Aufsichtsrat hat, von den gleichen „Im Zweifel“-Kompetenzen des Aufsichtsrats aus (und muss dies konsequenterweise auch!), wie sie § 52 Abs. 1 GmbHG aufstellt, sofern nur die Satzung keine anders lautenden Bestimmungen enthält: Die Vorschrift statuiert insoweit also nur die Pflicht, den Bericht über das Ergebnis der Prüfung unverzüglich vorzulegen, wenn der Aufsichtsrat einen solchen (im Rahmen seiner Kompetenz nach § 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 171 AktG) erstattet hat2. Anders gewendet: Mitnichten lässt § 42a Abs. 1 Satz 3 GmbHG also den Schluss zu, dass das Gesetz von einer zwingenden Prüfungspflicht des Aufsichtsrats ausgeht3. Demnach ist beim fakultativen Aufsichtsrat – im Gegensatz zum obligatorischen Aufsichtsrat nach DrittelbG – die Kompetenz zur Prüfung des Jahresabschlusses durch die Satzung ganz oder teilweise abdingbar; dies gilt allerdings nur für die Prüfungskompetenz in entsprechender Anwendung der §§ 170, 171 AktG, auf die § 52 Abs. 1 GmbHG insoweit verweist. Umgekehrt heißt das also nicht, dass dem Aufsichtsrat außerhalb der Prüfungspflicht nach § 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 171 AktG keinerlei Kompetenz zur Abschlussprüfung verbleibt. Hat die GmbH einen fakultativen Aufsichtsrat, der in der Satzung auch als solcher bezeichnet wird, so obliegt dem Aufsichtsrat als Minimalbefugnis die Überwachung der Geschäftsführung4; diese funktionstypische und insoweit unabdingbare Kernkompetenz ergibt sich bereits aus der Bezeichnung „Aufsichtsrat“ selbst. Diese Überwachungsaufgabe hat der Aufsichtsrat entsprechend der in §§ 93, 116 Satz 1 AktG normierten Sorgfaltsanforderungen zu erfüllen, also ordentlich und gewissenhaft. Hierzu gehört aber vor allem auch die Prüfung des Jahresabschlusses; denn hieran lässt sich die Gesamtlage der Gesellschaft sowie anhand eines Vergleichs mit dem Vorjahresabschluss auch deren Entwicklung ablesen und damit das Handeln der Geschäftsführung insgesamt am besten kontrollieren. Die Kompetenz und gleichzeitig auch die Pflicht des Aufsichtsrats zur Prüfung des Jahresabschlusses als wichtigstes Mittel zur Überwachung der Geschäftsführung ergibt sich also bereits aus §§ 93, 116 Satz 1 AktG. Im Ergebnis ist also festzuhalten, dass die 1 Hat die Gesellschaft einen obligatorischen Aufsichtsrat, so gilt § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Halbsatz 2 DrittelbG, § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG, § 3 Abs. 1 MontanMitbestG bzw. § 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 3 Abs. 1 MitbestErgG: Danach ist die Kompetenz des Aufsichtsrats zur Prüfung des Jahresabschlusses in entsprechender Anwendung des § 171 AktG rundum zwingend, also durch die Satzung nicht abdingbar. 2 So auch Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 104 a.E. 3 So aber Großfeld/Brondics, AG 1987, 295. 4 Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 10; insoweit auch Großfeld/ Brondics, AG 1987, 295.

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Einrichtung und Ordnung

§ 16

Kompetenz zur Abschlussprüfung beim fakultativen Aufsichtsrat nur insoweit abdingbar ist, als es um die in § 52 Abs. 1 GmbHG für entsprechend anwendbar erklärten §§ 170, 171 AktG und die darin normierten Regeln geht; ansonsten ist das Recht und die Pflicht zur Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts (vgl. § 42a Abs. 1 GmbHG)1 durch §§ 93, 116 Satz 1 AktG untrennbar mit der Überwachungsaufgabe verbunden und ist damit unabdingbare Minimalkompetenz des Aufsichtsrats2. Auch hier aber gilt, dass die Einrichtung eines Gremiums mit weni- 1206 ger als den soeben dargelegten Minimalkompetenzen, also – etwa – nur reinen Beratungsaufgaben, nicht verboten ist: Es handelt sich dann eben nur nicht um einen Aufsichtsrat, sondern wiederum um einen Beirat3 o.Ä. Dessen Einsetzung unter der Bezeichnung „Aufsichtsrat“ ist nicht etwa unwirksam, sondern eben nur eine Falschbezeichnung. Während also eine weitere Reduzierung der Befugnisse des fakultati- 1207 ven Aufsichtsrats unter die Grenzen dessen, was nach dem soeben Gesagten zu den Minimal- oder Kernkompetenzen des Aufsichtsrats gehört, nicht möglich ist, ohne dass er die Eigenschaft eines Aufsichtsrats verliert4, gilt das nicht für eine Ausweitung seiner Befugnisse5. Dem freiwilligen Aufsichtsrat nach § 52 GmbHG können daher durch die Satzung Mitentscheidungsrechte, wie etwa die Feststellung der Bilanz oder die Festlegung eines für die Geschäftsführung maßgebenden Budgets, Finanzplans oder Investitionsrahmens übertragen werden. Vor allem aber kann dem Aufsichtsrat das Bestellungs- und Abberufungsrecht bezüglich der Geschäftsführung6 sowie die Befugnis zum Abschluss und zur Kündigung des Anstel-

1 Anders als § 170 AktG schreibt § 42a Abs. 1 GmbHG zwar die Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts, nicht aber des Gewinnverwendungsvorschlags vor; vgl. v. Schenck in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 7 Rn. 88. 2 Vgl. auch Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 104 m.w.N. 3 Dazu Härer, Erscheinungsformen und Kompetenzen des Beirats in der GmbH, 1991; Voormann, Der Beirat im Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1990. 4 Ein solcher „Aufsichtsrat“ ist dann falsch bezeichnet; weitere Rechtsfolgen ergeben sich daraus nicht. 5 Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 10; Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 161; Zöllner/Noack in Baumbach/ Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 113; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 100; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 53. 6 BGH v. 17.2.1997 – II ZR 278/95, WM 1997, 1015 = AG 1997, 328; Lutter/ Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 10; Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 167; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 112; Großfeld/Brondics, AG 1987, 293, 297.

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Der freiwillige Aufsichtsrat

lungsvertrages mit den Geschäftsführern übertragen werden1. Trifft die Satzung darüber hinaus keine Regelung, so vertritt der Aufsichtsrat gemäß § 52 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 112 AktG die GmbH auch gegenüber ausgeschiedenen Geschäftsführern in Streitigkeiten über Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis2. Art und Ausmaß dieser Delegation von Befugnissen der Gesellschafterversammlung auf den Aufsichtsrat ist also allein Angelegenheit der Satzung. Und das kann durch Satzungsänderung zugunsten und zu Lasten des Aufsichtsrats stets und jederzeit auch geändert werden: Es gibt kein Recht der amtierenden Aufsichtsratsmitglieder auf gleichbleibende Befugnisse, wohl aber die Möglichkeit jedes Mitglieds, deswegen jederzeit zurückzutreten. 1208

Solche Satzungsänderungen können nur die Gesellschafter beschließen; insoweit kommt eine Delegation an den Aufsichtsrat nicht in Betracht.

1209

Im Übrigen verweist § 52 Abs. 1 GmbHG ohne Einschränkung auf § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG. Die Satzung kann3 also Zustimmungsvorbehalte für bestimmte Geschäfte zugunsten des Aufsichtsrats anordnen (näher dazu oben Rn. 103 ff.). Diese Kompetenz steht auch dem Aufsichtsrat selbst zu, soweit sie nicht von der Satzung ausgeschlossen wird oder deren eigener Zustimmungskatalog als abschließend zu interpretieren ist.

1210

Lehnt der Aufsichtsrat die Erteilung seiner Zustimmung (durch Beschluss) ab, kann der Geschäftsführer die Gesellschafterversammlung zur endgültigen Entscheidung anrufen.

1211

Die Pflichten des Aufsichtsrats folgen seinen Rechten und Befugnissen. Ist er nur zur Überwachung berufen, so hat er allein die oben Rn. 61 ff. erörterten Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Aufsichtsrats wahrzunehmen. Sind ihm weitere Befugnisse zugewiesen, so wachsen die rechtlichen Aufgaben und das Maß an Verantwortung für die Gesellschaft. Das gilt insbesondere dann, wenn der Aufsichtsrat die Personalhoheit über die Geschäftsführung durch die Satzung zugewiesen erhalten hat (vgl. dazu oben Rn. 331 ff., 1135).

1 H.M., vgl. die Nachweise in der vorherigen Fn. sowie Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 14. 2 BGH v. 5.3.1990 – II ZR 86/89, WM 1990, 630 = AG 1990, 359; BGH v. 24.11.2003 – II ZR 127/01, WM 2004, 227. 3 Das „Muss“ („hat“) des Satzes 2 von § 111 Abs. 4 AktG gilt hier nicht, weil die Verweisung ausdrücklich für abdingbar erklärt worden ist.

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Einrichtung und Ordnung

§ 16

9. Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder Ob und in welcher Höhe die Aufsichtsratsmitglieder eine Vergütung erhalten, ist ausschließlich Sache der Satzung oder eines Gesellschafterbeschlusses. Ohne eine solche Maßnahme besteht auch hier kein Vergütungsanspruch des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds1.

1212

Auch die Höhe der Vergütung festzulegen, ist Sache der Gesellschaf- 1213 terversammlung; sie ist hier zur Gleichbehandlung der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder nicht verpflichtet. Beraterverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern unterliegen grundsätzlich den Erfordernissen der §§ 113, 114 AktG, sind insbesondere zustimmungsbedürftig. Allerdings können Satzung oder Gesellschafterbeschluss die Erfordernisse beseitigen oder ersetzen. Ausführlich dazu schon oben Rn. 1183 ff. Ist aber ein Aufsichtsratsmitglied zugleich Gesellschafter oder naher Angehöriger eines Gesellschafters, so sollte die Höhe seiner Vergütung sorgfältig bedacht werden, denn bei einer zu großzügigen Handhabung besteht die Gefahr, dass die Vergütung dann wegen ihrer Höhe steuerlich, aber ggf. auch gesellschaftsrechtlich als verdeckte Gewinnausschüttung gewertet wird2.

1214

10. Information des Aufsichtsrats und Pflicht zur Vertraulichkeit Das Informationssystem im freiwilligen Aufsichtsrat der GmbH und die Pflichten seiner Mitglieder zur Vertraulichkeit entsprechen nach dem Gesetz (§ 52 Abs. 1 GmbHG verweist auf § 90 Abs. 3–5 sowie auf § 93 Abs. 1 und 2 AktG) völlig dem des Aufsichtsrats nach DrittelbG; auf die Ausführungen sub Rn. 1122 f. kann daher verwiesen werden.

1215

Die Satzung kann und sollte dieses unzureichende Informationssystem ordnen und in eine regelmäßige Informationspflicht von der Ge-

1216

1 Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 45. Demgegenüber halten Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 15 und Raiser/Heermann in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 123, § 612 BGB (stillschweigend vereinbarte „übliche“ Vergütung) für anwendbar, Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 60 und Müller, Beck’sches Hdb. GmbH, § 6 Rn. 56 jedenfalls für gesellschaftsfremde dritte Aufsichtsratsmitglieder. Dem ist nicht zu folgen: denn die Zuständigkeit der Gesellschafter ist klar gegeben und es gibt keine „stillschweigenden“ Beschlüsse. Etwas anderes kann daher allenfalls in der Einpersonen-GmbH gelten. 2 Vgl. nur Lutter, Kölner Komm. AktG, § 57 Rn. 28; Lutter in FS Stiefel, 1987, S. 505, 523 ff. sowie Neumann, VGA und verdeckte Einlagen, 2. Aufl. 2006.

431

§ 16

Der freiwillige Aufsichtsrat

schäftsführung an den Aufsichtsrat nach dem Vorbild des § 90 Abs. 1 AktG überführen; siehe dazu mit zahlreichen Nachweisen oben Rn. 317, 11221. Die Satzung oder eine Geschäftsordnung der Gesellschafterversammlung für den Aufsichtsrat kann hier aber auch die Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder beliebig ordnen und insbesondere verschärfen2. Auch hier empfiehlt sich nachdrücklich jedenfalls eine Ordnung dieses Komplexes3.

11. Interne Ordnung des Aufsichtsrats 1217

Der Aufsichtsrat entscheidet durch Beschluss mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen, sei es in einer ordnungsgemäß mit Tagesordnung geladenen Versammlung (dazu oben Rn. 690 ff.), sei es im schriftlichen bzw. fernmündlichen Umlaufverfahren, wenn kein Aufsichtsratsmitglied widerspricht oder die Satzung entsprechende Anordnungen getroffen hat4. Gegen eine fernmündliche Beschlussfassung ohne Grundlage in der Satzung wird eingewandt, sie sei zu unsicher und schwierig nachprüfbar. Deshalb soll sie nur bei Konferenzschaltungen zulässig sein5.

1218

Richtig ist, dass § 52 GmbHG nicht auf § 108 Abs. 4 AktG verweist. Es ist aber kein Grund ersichtlich, die GmbH insoweit strenger zu behandeln als die Aktiengesellschaft. Deshalb kann zunächst einmal die Satzung diese Fragen regeln. Ist dies nicht geschehen und schweigt auch eine Geschäftsordnung des Aufsichtsrats, so ist entsprechend § 108 Abs. 4 AktG zu verfahren; es genügt also, wenn kein Aufsichtsratsmitglied dem Verfahren im konkreten Einzelfall widerspricht.

1 Vgl. auch die von Lutter in ZGR 1982, 1, 5 ff. (zustimmend Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 11) und in Information und Vertraulichkeit, Rn. 759 ff. vorgeschlagene Informationsordnung in der GmbH, an die der freiwillige Aufsichtsrat „angehängt“ werden könnte. 2 Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 777 m.w.N. sowie Lutter/ Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 17a; a.A., aber ohne Begründung Gaul, GmbHR 1986, 296, 298 mit Fehlzitat. 3 Zum Vorschlag einer Vertraulichkeitsordnung vgl. Lutter, Information und Vertraulichkeit, S. 307 ff. mit Textbeispielen. 4 Vgl. Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 428; Zöllner/ Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 80; Müller, Beck’sches Hdb. GmbH, § 6 Rn. 38; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 422. 5 Raiser/Heermann in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 75; wohl ganz ablehnend Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 18 und § 48 Rn. 20.

432

Einrichtung und Ordnung

§ 16

Der Aufsichtsratsvorsitzende muss den Aufsichtsratsmitgliedern die 1219 Aufforderung zur fernmündlichen Stimmabgabe unter Darlegung des Beschlussantrages mitteilen. Außerdem muss er einen Termin zur Stimmabgabe festlegen sowie Verlauf und Ergebnis der Abstimmung protokollieren1 und das Ergebnis spätestens auf der nächsten Aufsichtsratssitzung bekannt geben. Ist ein Aufsichtsratsmitglied der Meinung, dass sich der Aufsichtsratsvorsitzende unkorrekt verhalten hat, so kann es den Aufsichtsratsbeschluss anfechten2. Umstritten ist weiterhin, ob bei Schweigen der Satzung bestimmte Regeln der Beschlussfähigkeit zu beachten sind3. Das Gesetz (§ 52 GmbHG) verweist nämlich nicht auf § 108 Abs. 2 AktG; deshalb wird die Auffassung vertreten, es genüge die Anwesenheit auch nur eines ordnungsgemäß geladenen Aufsichtsratsmitglieds zur wirksamen Beschlussfassung4. Das trifft nicht zu: § 108 Abs. 2 AktG formuliert einen allgemeinen Grundsatz des modernen Korporationsrechts und gilt daher auch ohne förmliche Verweisung.

1220

Die gleichen Überlegungen gelten auch für die Bestellung eines Vor- 1221 sitzenden. Hier ist beim Schweigen der Satzung das „Muss“ des § 107 AktG als „Kann“ zu interpretieren mit der Folge, dass der Aufsichtsrat aus seiner Mitte einen Vorsitzenden bestellen kann, es aber nicht muss5. Zweckmäßig ist eine solche Bestellung in jedem Falle6; sie sollte daher auch in der Satzung angeordnet und ggf. mit Einzelheiten geregelt sein. Sieht die Satzung dagegen die Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden durch die Mitglieder des Aufsichtsrats vor, so ist es der Gesellschafterversammlung auch dann versagt, ihrerseits mit einfacher Mehrheit einen Vorsitzenden zu wählen, wenn im Aufsichts-

1 2 3 4

Mertens, Kölner Komm. AktG, § 108 Rn. 27 f. Näher dazu Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 48 ff. So Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 18. Wie hier (mindestens drei) jetzt auch Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 407; a.A. (ein Mitglied ausreichend) Raiser/Heermann in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 77; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 85 sowie wohl auch Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 18; Müller, Beck’sches Hdb. GmbH, § 6 Rn. 38; unklar Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 1980. 5 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 82; Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 306; Kallmeyer, GmbHHandbuch, Rn. I 1899; Müller, Beck’sches Hdb. GmbH, § 6 Rn. 37. 6 Vgl. auch Kallmeyer, GmbH-Handbuch, Rn. I 1899; Siebel in Semler/ v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 3 Rn. 77.

433

§ 16

Der freiwillige Aufsichtsrat

rat aufgrund der Stimmrechtsverhältnisse eine Patt-Situation entstünde und der Vorsitz vorübergehend vakant bliebe1. 1222

Und schließlich gelten die gleichen Überlegungen für die Bildung von Ausschüssen des Aufsichtsrats und ihre Zuständigkeit: Die Satzung ist in der Anordnung, Einrichtung oder Erlaubnis zur Bildung solcher Ausschüsse und ihrer Zuständigkeit ebenso frei wie in ihrem Verbot2. Schweigt die Satzung, so kann der Aufsichtsrat vorbereitende und beratende Ausschüsse bilden, nicht aber Beschlusskompetenzen von sich auf einen solchen Ausschuss verlagern3, denn § 52 GmbHG verweist insoweit nicht auf § 107 Abs. 3 AktG.

1223

Hinsichtlich etwaiger Mängel solcher Beschlüsse des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse sowie ihrer Rechtsfolgen gilt das oben Rn. 734 ff. Gesagte auch hier4; darauf kann verwiesen werden.

12. Aufhebung des Aufsichtsrats 1224

Wie der freiwillige Aufsichtsrat der nicht mitbestimmten GmbH durch die ursprüngliche Satzung und durch die Satzungsänderung geschaffen werden kann, so kann er durch entsprechende Satzungsänderung auch jederzeit wieder beseitigt werden5. Dafür genügt die gesetzliche oder statutarisch vorgesehene Mehrheit, soweit nicht Sonderrechte einzelner Gesellschafter auf Teilhabe in diesem Aufsichtsrat statutarisch festgelegt sind; nur dann bedarf der Beschluss ihrer Zustimmung.

1225

Auch das einzelne Aufsichtsratsmitglied hat keinen Anspruch auf Verbleib und Bestand des Aufsichtsrats; sein Amt erlischt mit Eintragung der Satzungsänderung ins Handelsregister. Auch hier gilt anderes wiederum nur dann, wenn das Mitglied zugleich Gesellschafter ist und ein Sonderrecht auf Teilhabe im Aufsichtsrat hat.

1 Vgl. den Fall der SAT 1 GmbH, LG Mainz v. 29. 11. 1989 – 10 HO 65/89 und OLG Koblenz v. 25.10.1990 – 6 U 238/90, WM 1991, 1121. Ebenso Kallmeyer, GmbH-Handbuch, Rn. I 1899. 2 So auch Siebel in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 6 Rn. 40 m.w.N. 3 Vgl. Raiser/Heermann in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 74; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 96; a.A. Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 442 sowie insoweit auch Siebel in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 6 Rn. 41. 4 Siehe auch Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 49 ff. 5 Dazu Großfeld/Brondics, AG 1987, 293, 294 f.

434

Einrichtung und Ordnung

§ 16

13. Haftung Es gilt der Verweis auf die strengen Haftungsregeln der §§ 93, 116 1226 AktG. Doch kann die Satzung diese Haftung mildern (etwa auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit reduzieren). Außerdem kann die Gesellschafterversammlung auf den entstandenen Anspruch verzichten, soweit dadurch nicht § 30 GmbHG tangiert wird. Die fünfjährige Verjährungsfrist des § 52 Abs. 3 GmbHG kann durch die Satzung verkürzt, aber auch verlängert werden1. Einstweilen frei.

1227–1250

1 Str.; wie hier Uwe H. Schneider in Scholz, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 527; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 75; a.A. BGHZ 64, 245; zum Ganzen Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 19.

435

§ 17 Besonderheiten des Aufsichtsrats in der Genossenschaft I. Überblick 1. Der Aufsichtsrat der Genossenschaft nach dem Reformgesetz von 2006 In Zusammenhang mit der Einführung einer Europäischen Genossen- 1251 schaft (Societas Cooperativa Europaea, SCE)1 wurde auch das Genossenschaftsgesetz geändert2, um, so die Regierungsbegründung3, die Gründung von Genossenschaften zu erleichtern, die Attraktivität der genossenschaftlichen Rechtsform zu stärken und um Wettbewerbsnachteile der Genossenschaft nach deutschem Recht gegenüber der SCE zu vermeiden. Diese Änderungen haben auch spürbare Auswirkungen auf den Aufsichtsrat der Genossenschaft. Eine der wichtigsten Änderungen betrifft die Organisationsverfassung: nicht mehr jede Genossenschaft muss einen Aufsichtsrat haben. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 GenG kann bei Genossenschaften mit nicht mehr als 20 Mitgliedern durch eine entsprechende Regelung in der Satzung auf einen Aufsichtsrat verzichtet werden. An seine Stelle tritt dann die Generalversammlung, § 9 Abs. 1 Satz 3 GenG4.

2. Einrichtung Gleichwohl kann es Fälle geben, in denen die Genossenschaft ver- 1252 pflichtet ist, einen Aufsichtsrat einzurichten. Werden in einer solchen Kleingenossenschaft in der Regel mehr als 2000 Arbeitnehmer beschäftigt, ist gemäß § 6 Abs. 1 MitbestG ein Aufsichtsrat zu bilden. Bei Berechnung der Arbeitnehmerzahl sind den eigenen Arbeitnehmern der Genossenschaft die Arbeitnehmer inländischer abhängiger Konzernunternehmen hinzuzurechnen, § 5 MitbestG. Beschäftigt ei1 Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft, Artikel 1 des Gesetzes zur Einführung der Europäischen Genossenschaft und zur Änderung des Genossenschaftsrechts vom 14. August 2006, BGBl. I 2006, 1911. 2 Artikel 3 des Gesetzes zur Einführung der Europäischen Genossenschaft und zur Änderung des Genossenschaftsrechts vom 14. August 2006, BGBl. I 2006, 1911. 3 BT-Drucks. 16/1025. 4 Zu den Rechten und Pflichten der Generalversammlung als Überwachungsorgan siehe unten Rn. 1276 ff.

437

§ 17

Besonderheiten in der Genossenschaft

ne Kleingenossenschaft ohne Aufsichtsrat in der Regel mehr als 500, aber weniger als 2000 Arbeitnehmer selbst oder in abhängigen Unternehmen im Vertragskonzern (§ 2 Abs. 2 DrittelbG), ist die Rechtslage weniger eindeutig; eine § 6 Abs. 1 MitbestG entsprechende Regelung gibt es nicht. Man wird in analoger Anwendung von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Halbsatz 1 DrittelbG jedoch ebenfalls von einer Pflicht zur Bildung eines Aufsichtsrats ausgehen müssen, zumal mit der Reform des Genossenschaftsrechts keine Änderungen bei der Arbeitnehmermitbestimmung beabsichtigt waren1.

3. Zusammensetzung 1253

Die Zusammensetzung des Aufsichtsrats in der Genossenschaft ist abhängig von der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer. Bei weniger als 500 Arbeitnehmern richtet sich die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nach § 36 GenG oder den Sonderregeln der Satzung. So kann die Satzung z.B. vorsehen, dass die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder durch drei teilbar sein soll. Das Wahlorgan ist dann frei, drei oder mehr Aufsichtsratsmitglieder zu wählen, solange nur die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder durch drei teilbar ist. Von dieser Teilbarkeitsregelung darf es aber nur für kurze Zeit aus wichtigem Grund abweichen2.

1254

Hat die Gesellschaft mehr als 500, aber weniger als 2000 eigene Arbeitnehmer oder Arbeitnehmer im Vertragskonzern, so richtet sich die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nach dem DrittelbG. In diesen Genossenschaften (wie im Aktien- und GmbH-Recht) muss die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder durch drei teilbar und der Aufsichtsrat dann zu zwei Dritteln aus Vertretern der Mitglieder der Genossenschaft und zu einem Drittel aus Arbeitnehmervertretern zusammengesetzt sein. Beschäftigt die Genossenschaft selbst oder in inländischen abhängigen Konzernunternehmen mehr als 2000 Arbeitnehmer, so ist der Aufsichtsrat nach dem MitbestG paritätisch mitbestimmt. Er setzt sich also zur Hälfte aus Vertretern der Mitglieder der Genossenschaft und zur Hälfte aus Vertretern ihrer Arbeitnehmer oder ihrer Gewerkschaften zusammen.

1 Die Regierungsbegründung (BT-Drucks. 16/1025, S. 83) geht davon aus, dass ein „Verzicht auf einen Aufsichtsrat unzulässig [ist], wenn die Voraussetzungen des Drittelbeteiligungsgesetzes vom 18. Mai 2004 (BGBl. I S. 974) oder des Mitbestimmungsgesetzes vorliegen.“ 2 Ein wichtiger Grund liegt jedenfalls nicht darin, dass bei einer in Aussicht genommenen Fusion weitere Aufsichtratsmitglieder der übertragenden Gesellschaft hinzukommen würden, solange der Abschluss des Verschmelzungsvertrages noch nicht sicher ist, näher OLG Köln v. 2.5.1990 – 11 U 285/89, NJW-RR 1990, 1182.

438

Rechte und Pflichten

§ 17

Für die Vertreter der Mitglieder der Genossenschaft im Aufsichtsrat 1255 gilt, unabhängig von der Zahl der Beschäftigten, das Prinzip der Selbstorganschaft, § 9 Abs. 2 Satz 1 GenG, sie müssen also selbst Mitglieder der Genossenschaft sein oder zumindest den Anforderungen von § 9 Abs. 2 GenG genügen1. Für die Arbeitnehmerseite gilt dieses Gebot nicht (§ 1 Abs. 3 DrittelbG; § 6 Abs. 3 MitbestG). Zu beachten ist schließlich, dass die Zahl sog. investierender Mitglieder (§ 8 Abs. 2 GenG) im Aufsichtsrat ein Viertel nicht übersteigen darf. Bestehen Unklarheiten über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats in der konkreten Genossenschaft, so entscheidet das Landgericht am Sitz der Genossenschaft im so genannten Statusverfahren nach §§ 97–99 AktG.

1256

4. Die Rechte und Pflichten nach den Regeln des GenG Für die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats sind vor allem die §§ 38–41 sowie §§ 57 und 58 GenG maßgebend. Sie sind nach der Reform des GenG sehr weitgehend an die Regeln des AktG angepasst.

1257

II. Die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats im Einzelnen 1. Überwachung Jeder Aufsichtsrat, ob nun nach GenG, DrittelbG oder MitbestG gebildet, ist zur Überwachung der Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet. Die Formulierung der einschlägigen Vorschrift des § 38 Abs. 1 GenG ist mit der Reform (vgl. oben Rn. 1251) an § 111 Abs. 1 und 2 AktG angeglichen worden. Daher kann für die Überwachung auf die Ausführungen zum Aufsichtsrat in der AG verwiesen werden. Dies gilt auch für die Frage nach dem Zugriff des Aufsichtsrats auf das Personal der Genossenschaft unterhalb der Vorstandsebene2.

1258

Im Übrigen ist mit Überwachung exakt das Gleiche gemeint, wie oben zur Aktiengesellschaft bereits eingehend ausgeführt (§ 3). Diese Überwachung betrifft hier also ebenfalls die Rechtmäßigkeit, Ordnungsmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung3. Darüber hinaus ist der Aufsichtsrat hier gerade und

1259

1 Kritisch dazu Beuthien, NZG 2008, 210, 215. 2 Das war allerdings auch nach früherer Fassung umstritten, vgl. K. Müller, Komm. GenG, § 38 Rn. 16. 3 Eingehend dazu mit sorgfältigen Hinweisen zur Kontrolle durch Periodenvergleich Wartenberg, Stellung und Aufgaben des genossenschaftlichen Aufsichtsrats, insbesondere S. 177 ff.

439

§ 17

Besonderheiten in der Genossenschaft

im Besonderen gehalten, über die Vorhaben und die geplante Geschäftsführung mit dem Vorstand zu beraten. Das Gesetz geht davon aus, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats als gleichzeitige Mitglieder der Genossenschaft deren Geschäfte kennen (z.B. landwirtschaftliche Genossenschaft, Kreditgenossenschaft, Baugenossenschaft) und daher im besonderen Maße in der Lage sind, die Chancen und Risiken der vom Vorstand geplanten Geschäftspolitik beratend zu begleiten. Damit geht insbesondere auch die Überwachung der Einhaltung des Förderzwecks einher.

2. Information des Aufsichtsrats a) Die regelmäßige Information 1260

Obwohl die Pflichten des Aufsichtsrats in der Genossenschaft denen des Aufsichtsrats in der AG angeglichen wurden, obwohl auch in der Genossenschaft der Aufsichtsrat von der aktiven Geschäftsführung ausgeschlossen ist und obwohl keines seiner Mitglieder zugleich im Vorstand tätig sein kann, hat der Gesetzgeber auch in der Reform des Genossenschafts-Gesetzes von 2006 erneut davon abgesehen, eine § 90 AktG vergleichbare Vorschrift zu schaffen. Der Vorstand einer Genossenschaft ist also nach dem Gesetz nicht zu regelmäßigen Berichten an seinen Aufsichtsrat verpflichtet. Das gilt für jede Genossenschaft, auch für die mitbestimmte Genossenschaft nach dem MitbestG und dem DrittelbG: In den § 38 GenG, § 1 Abs. 1 Nr. 5 DrittelbG, § 25 MitbestG wird an keiner Stelle auf § 90 Abs. 1 AktG verwiesen1. Immerhin haben jetzt – wie im GmbH- und Aktienrecht – einzelne Aufsichtsratsmitglieder einen eigenen Anspruch gegen den Vorstand auf Bericht an den Aufsichtsrat, § 38 Abs. 1 Satz 4 GenG. Mit der Einholung der Information kann der Gesamtaufsichtsrat allerdings einzelne Mitglieder beauftragen, § 38 Abs. 1 Satz 3 GenG2.

1261

Dieses gesetzliche System hat Vorzüge der Flexibilität, aber auch erhebliche Nachteile, die vor allem in der Gefahr einer nachlässigen Behandlung des Informationssystems bestehen. Da der Aufsichtsrat keine eigene Kenntnis aus der Geschäftsführung der Genossenschaft hat, hängt auch hier die Qualität seiner Überwachung unmittelbar von der Qualität und Tiefe der ihm zukommenden Informationen ab. Daher ist jeder Aufsichtsrat einer Genossenschaft gut beraten, wenn er – soweit nicht schon die Satzung Regeln enthält – eine Informati1 Für eine analoge Anwendung von § 90 AktG: Beuthien, Komm. GenG, § 38 Rn. 5 (bezogen auf die Berichtsinhalte); K. Müller, Komm. GenG, § 38 Rn. 14 (bezogen auf § 90 Abs. 3 AktG). Eine solche Analogie ist mangels einer Regelungslücke abzulehnen, zumal der Reformgesetzgeber von 2006 eine solche Verpflichtung erneut nicht aufgenommen hat. 2 K. Müller, Komm. GenG, § 38 Rn. 14a.

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Rechte und Pflichten

§ 17

onsordnung für den Aufsichtsrat beschließt. Er kann dabei auf die Systematik des § 90 AktG zurückgreifen1, aber auch die Besonderheiten der jeweiligen Genossenschaft, ihrer Größe, ihrer saisonalen Schwerpunkte etc. berücksichtigen. Da der Aufsichtsrat zu ordnungsgemäßer Überwachung verpflichtet ist (§ 41 GenG) und diese ohne Kenntnis vom Geschehen in der Genossenschaft nicht möglich ist, muss man den Aufsichtsrat zum Erlass einer entsprechenden Informationsordnung durch Beschluss dann für verpflichtet ansehen, wenn nicht schon die Satzung eine ausreichende Ordnung geschaffen hat oder der Vorstand ohne besondere Festlegung diesen Erfordernissen entspricht. Entscheidend dabei ist, dass die Berichte, in regelmäßigen Abständen und in gleicher Ordnung so erfolgen, dass der Aufsichtsrat unschwer zum Periodenvergleich in der Lage ist. Für die Überwachung des allgemeinen Geschäftsbetriebs, für den erforderlichen Überblick über Ertrag und Liquidität der Genossenschaft sind diese regelmäßigen und gleichförmigen Berichte das entscheidende Instrument. Auf die Haftung jedes Aufsichtsratsmitglieds bei schuldhaft unsorg- 1262 fältiger Ausübung der Überwachungspflicht sei hier besonders hingewiesen. b) Zustimmungsvorbehalte und Vorlageberichte Der Vorstand bedarf in verschiedenen Situationen der Zustimmung oder jedenfalls der Stellungnahme seines Aufsichtsrats. Das gilt etwa in den Fällen einer Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder; es gilt aber auch dann, wenn die Satzung nach § 38 Abs. 3 GenG eine Zustimmungspflicht für bestimmte Geschäfte in ähnlicher Weise wie bei § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG (siehe oben Rn. 103 ff.) eingeführt hat2. Zustimmungsvorbehalte müssen sich dabei nicht auf Angelegenheiten von besonderer Bedeutung beschränken3, dürfen freilich aber auch nicht zu einer Aushöhlung der Eigenverantwortlichkeit des Vorstands führen. Im Unterschied zur AG kann die Satzung aber nicht nur Zustimmungsvorbehalte, sondern auch die konkrete Mitwirkung des Aufsichtsrats in Form von gemeinsamer Beratung aber getrennter Abstimmung vorsehen4.

1 So auch Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 801; K. Müller, Komm. GenG, § 38 Rn. 10. 2 In der Genossenschaft kann das nur die Satzung selbst, nicht auch der Aufsichtsrat durch Beschluss; vgl. K. Müller, Komm. GenG, § 38 Rn. 49 m.w.N.; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 802. 3 Schaffland in Lang/Weidmüller, Komm. GenG, § 38 Rn. 33; a.A. Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, Komm. GenG, § 38 Rn. 16; differenzierend K. Müller, Komm. GenG, § 38 Rn. 49. 4 Schaffland in Lang/Weidmüller, Komm. GenG, § 38 Rn. 32.

441

1263

§ 17 1264

Besonderheiten in der Genossenschaft

Darüber hinaus hat der Vorstand seinen Entwurf des Jahresabschlusses und des Lageberichts unverzüglich dem Aufsichtsrat vorzulegen (§ 33 Abs. 1 Satz 2 GenG), der diesen seinerseits zu prüfen und über seine Prüfung an die Generalversammlung (Vertreterversammlung) zu berichten hat (§§ 33 Abs. 1 Satz 2, 38 Abs. 1 Satz 5 GenG). Erst aufgrund dieser Unterlagen kann dann die Generalversammlung (Vertreterversammlung) den Jahresabschluss feststellen (§ 48 Abs. 1 GenG). c) Einsichts- und Untersuchungsrechte

1265

Der Aufsichtsrat der Genossenschaft hat gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 GenG in gleicher Weise und in gleichem Umfang wie der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft nach § 111 Abs. 2 AktG ein eigenes Einsichts- und Untersuchungsrecht; auf die obigen Ausführungen (Rn. 240 ff.) kann daher verwiesen werden. Wie in der Aktiengesellschaft ist ein Beschluss des Aufsichtsrats zur Einleitung der Einsicht oder Prüfung erforderlich. Auch hier kann der Aufsichtsrat die von ihm beschlossene Einsicht oder Prüfung durch eines oder mehrere seiner Mitglieder ausüben lassen; er kann aber hier nicht einen Sachverständigen mit dieser Prüfung beauftragen1, es sei denn, die Satzung enthält eine entsprechende Ermächtigung. d) Prüfungsbericht des Verbandsprüfers

1266

Im Genossenschaftsrecht ist die Prüfung der Genossenschaft und ihrer Geschäftsführung durch einen Prüfungsverband von besonderer Bedeutung. Über diese mindestens zweijährige, wenn nicht gar jährliche Prüfung (§ 53 Abs. 1 GenG) hat der Prüfungsverband zu berichten (§ 58 GenG)2. Dieser Prüfungsbericht kann von jedem einzelnen Aufsichtsratsmitglied aufgrund eines eigenen subjektiven Rechtes eingesehen werden, ohne dass es also hierzu eines Beschlusses des Gesamtaufsichtsrats bedürfte und ohne dass dieses Recht ausgeschlossen werden könnte (§ 58 Abs. 2 Satz 2 GenG).

1267

Und schließlich hat der Aufsichtsrat für die nächste Generalversammlung zum Ergebnis dieses Prüfungsberichts Stellung zu nehmen (§ 59 Abs. 2 GenG), muss also den Inhalt dieses Berichts und seine Ergebnisse zuvor beraten und eine eigene Stellungnahme dazu beschlossen haben3. 1 Das ist anders als im Aktien- und GmbH-Recht, vgl. oben Rn. 240 ff., sowie K. Müller, Komm. GenG, § 38 Rn. 23; a.A. Beuthien, Komm. GenG, § 38 Rn. 5; Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, Komm. GenG, § 38 Rn. 18. 2 Die Vorschrift verweist auf § 321 Abs. 1 HGB und stellt damit die Vergleichbarkeit mit der Prüfung des Jahresabschlusses einer AG oder GmbH durch einen Wirtschaftsprüfer her. 3 Wartenberg, Stellung und Aufgaben des genossenschaftlichen Aufsichtsrats, S. 219 f.

442

Rechte und Pflichten

§ 17

Über die §§ 53 Abs. 2, 58 Abs. 1 GenG gelten im Rahmen der Ab- 1268 schlussprüfung auch einige Vorschriften über die Prüfung von Kapitalgesellschaften, insbesondere in Bezug auf die Ausgestaltung des Prüfungsberichts (§ 321 Abs. 1 bis 3 HGB) und den Umfang der Prüfung von größeren Genossenschaften, die bei der Stellungnahme zu berücksichtigen sind. e) Sonderberichte und angeforderte Berichte In entsprechender Anwendung von § 90 Abs. 1 Satz 3 AktG hat der 1269 Vorstand den Aufsichtrat oder mindestens den Aufsichtsratsvorsitzenden bei wichtigen Anlässen und besonderen geschäftlichen Vorgängen zu informieren1. Und vor allem kann er jederzeit vom Vorstand einen Bericht über alle Angelegenheiten der Genossenschaft zu seinen Händen verlangen (§ 38 Abs. 1 Satz 2 GenG). Insofern gilt also für den Gesamtaufsichtsrat hier das Gleiche, wie nach § 90 Abs. 3 AktG für den Gesamtaufsichtsrat, aber eben auch für jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied einer Aktiengesellschaft; insofern also kann auf die obigen Ausführungen (Rn. 212 ff.) verwiesen werden.

3. Information, Geheimhaltung und Vertraulichkeit Auch in der Genossenschaft gilt der Satz: Es gibt keinen Bereich der 1270 Verschwiegenheit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat2. Auf der anderen Seite sind die Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder zu Geheimhaltung und Vertraulichkeit in den §§ 41, 34 Abs. 1 Satz 2 GenG wortgleich mit § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG geregelt. Das Gleiche gilt für die Strafvorschrift des § 151 GenG in ihrem Verhältnis zu § 404 AktG. Es kann daher uneingeschränkt auf die obigen Ausführungen (Rn. 254 ff.) zu diesen Fragen verwiesen werden. Diese Übereinstimmung gilt auch für die Feststellung, dass Änderungen in diesem System durch Satzung oder Geschäftsordnung nicht möglich sind. Und noch in einem weiteren Aspekt gilt Gleiches wie im Aktienrecht: Die anderen Genossen sind „Dritte“, ihnen gegenüber sind die Aufsichtsratsmitglieder also in gleichem Maße wie Außenstehenden gegenüber zur Geheimhaltung und Wahrung der Vertraulichkeit verpflichtet.

1 Zutreffend Beuthien, Komm. GenG, § 38 Rn. 5; K. Müller, Komm. GenG, § 38 Rn. 10; Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 710; a.A. Lippert, ZfgG 1978, 181, 183 mit Fn. 7. 2 Vgl. K. Müller, Komm. GenG, § 38 Rn. 11 und Lippert, ZfgG 1978, 181, 183 mit Fn. 7.

443

§ 17

Besonderheiten in der Genossenschaft

4. Ausschüsse 1271

Das Genossenschafts-Gesetz regelt Ausschüsse nicht, ja erwähnt sie nicht einmal. Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Organisation ist aber auch der Aufsichtsrat einer Genossenschaft berechtigt, solche Ausschüsse zu bilden1. Da das Gesetz aber beschließende Ausschüsse nicht vorsieht, können solchen Ausschüssen nur vorbereitende oder ausführende, keine selbständig entscheidenden Befugnisse übertragen werden2. Und daher wird man weiter annehmen müssen, dass einem solchen Ausschuss auch nicht die Befugnis übertragen werden kann, vom Vorstand Berichterstattung an sich zu verlangen3.

5. Bestellung und Abberufung des Vorstands a) Grundsatz 1272

Der Vorstand wird in der Genossenschaft von der Generalversammlung (§ 24 Abs. 2 GenG) oder der Vertreterversammlung (§ 43a GenG) gewählt und abberufen (§ 24 Abs. 3 GenG), es sei denn, diese Befugnis ist in der Satzung dem Aufsichtsrat übertragen worden, § 24 Abs. 2 Satz 2 GenG. Ist dies nicht der Fall und ist der Aufsichtsrat mit der Leistung oder dem Verhalten eines Vorstandsmitglieds (das von der General- bzw. Vertreterversammlung abzuberufen ist, arg. § 40 GenG) nicht einverstanden, so kann er selbst nicht abberufen. Er kann nach § 40 GenG das betreffende Vorstandsmitglied vorläufig seiner Rechte und Pflichten entheben, muss dann aber sofort eine Generalversammlung (Vertreterversammlung) einberufen und deren endgültige Entscheidung (endgültige Abberufung oder Aufhebung der vorläufigen Amtsenthebung) herbeiführen. Mit dem Widerrufsrecht steht der General- bzw. Vertreterversammlung auch die ausschließliche Entscheidung über eine außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages zu4. Daraus folgt weiter, dass der Aufsichtsrat ohne einen entsprechenden Beschluss der General- bzw. Vertreterversammlung auch keine Vereinbarung über die vorzeitige Auflösung des Dienstvertrages treffen kann, obgleich dies in der Praxis immer wieder geschieht. Ein solches Vorgehen verletzt die alleinige – und nicht 1 Ebenso K. Müller, Komm. GenG, § 36 Rn. 108; Beuthien, Komm. GenG, § 36 Rn. 20. 2 K. Müller, Komm. GenG, § 36 Rn. 108; anders die h.M.: Befugnis zur selbständigen Entscheidung in den Grenzen des § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG; Fandrich in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, Komm. GenG, § 36 Rn. 44; Schaffland in Lang/Weidmüller, Komm. GenG, § 38 Rn. 44 m.w.N.; Beuthien, Komm. GenG, § 36 Rn. 20, hält dieses nur bei einer entsprechenden Satzungsregelung für zulässig, ein Beschluss des Aufsichtsrats genüge dagegen nicht. 3 Das ist umstritten; wie hier Lippert, ZfgG 1978, 181, 185 mit Fn. 23; a.A. K. Müller, Komm. GenG, § 38 Rn. 14a. 4 BGH v. 18.6.1984 – II ZR 221/83, NJW 1984, 2689 m.w.N.

444

Rechte und Pflichten

§ 17

zur Disposition von Vorstand und Aufsichtsrat stehende – Kompetenz der General- bzw. Vertreterversammlung zur vorzeitigen Beendigung des Vorstandsamtes und ist deshalb unwirksam1. Es empfiehlt sich jedoch, in der Satzung von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, die Befugnis zur Bestellung und zur Abberufung des Vorstands dem Aufsichtsrat zu übertragen. In einem solchen Falle ergibt sich aus der Annexkompetenz zur Abberufung auch die Befugnis zur Kündigung des Anstellungsvertrags2, wenn diese nicht ohnehin in der Satzung dem Aufsichtsrat zugewiesen wurde. Dies erleichtert insbesondere die fristlose Kündigung mangels Pflicht zur Einberufung der Generalversammlung. Es bleibt aber rechtlich möglich, nur die Bestellungsbefugnis auf den Aufsichtsrat zu übertragen3. Das alles gilt auch in der zu einem Drittel mitbestimmten Genossenschaft nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 DrittelbG. b) MitbestG In der großen Genossenschaft mit mehr als 2000 eigenen oder kon- 1273 zernangehörigen Arbeitnehmern wird der Vorstand nur vom Aufsichtsrat bestellt und abberufen. Es gelten insoweit keine Besonderheiten gegenüber den obigen Ausführungen (Rn. 332 ff.) zur Bestellung und Abberufung des Vorstands durch den Aufsichtsrat in der Aktiengesellschaft nach MitbestG.

6. Vertretung der Genossenschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern In allen Genossenschaften und also unabhängig von seiner Kom- 1274 petenz zur Bestellung und Abberufung vertritt der Aufsichtsrat die Genossenschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern gerichtlich und außergerichtlich, d.h. also beim Abschluss und (mit den oben Rn. 1272 geschilderten Einschränkungen) bei der Kündigung des Anstellungsvertrages ebenso wie bei etwaigen Klagen der Genossenschaft gegen sie auf Schadensersatz etc. Insoweit geht die Kompetenz des Aufsichtsrats hier also deutlich über die eines Aufsichtsrats in der GmbH hinaus.

1 Zutreffend OLG Hamm v. 4.12.1991 – 8 U 262/89; a.A. (solange nicht zugleich ein Verzicht auf Schadensersatzansprüche vereinbart wird) OLG Oldenburg v. 18.4.1991 – 1 U 174/90, DB 1992, 1179, 1180 und Carspecken, DB 1992, 1180 f. mit der unzutreffenden Annahme, die Kündigungskompetenz der Generalversammlung diene nicht zuletzt dem Schutz des Vorstandsmitglieds, welches auf diesen Schutz verzichten könne. 2 Geschwandtner/Helios, NZG 2006, 691, 694. 3 § 40 GenG; dazu Keßler, BB 2006, 561, 563.

445

§ 17

Besonderheiten in der Genossenschaft

7. Pflichtverletzung und Haftung 1275

Es gelten nach §§ 41, 34 GenG nahezu wortgleich die gleichen Regeln wie nach §§ 116, 93 AktG; auf die obigen Ausführungen zu § 13 (Rn. 981 ff.) kann also verwiesen werden. Die Konkretisierung der Sorgfalt auf die des Geschäftsleiters einer Genossenschaft betont den Förderauftrag der Genossenschaft und die Pflicht zur Berücksichtigung der Interessen der Mitglieder. Auch hier gilt, dass niemand verpflichtet ist, ein Aufsichtsratsamt zu übernehmen; tut er es aber, so hat er es ordentlich, ordnungsgemäß und sorgfältig auszuüben; er kann sich weder auf Zeitmangel noch auf Unerfahrenheit berufen.

III. Die Generalversammlung als Überwachungsorgan 1276

Mit der Reform des Genossenschaftsrechts von 2006 (siehe oben Rn. 1251) hat der Gesetzgeber für Kleingenossenschaften (also Genossenschaften mit nicht mehr als 20 Mitgliedern) die Möglichkeit geschaffen, auf den Aufsichtsrat zu verzichten. Diese Möglichkeit bietet nicht nur Erleichterungen, sondern führt auch zu neuen Problemen. So ist ein Verzicht auf den Aufsichtsrat zwingend, wenn eine Genossenschaft von nur drei Personen gegründet werden soll, um den Anforderungen an Selbstorganschaft und Inkompatibiliät von gleichzeitiger Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedschaft zu genügen1. Macht eine Genossenschaft mit 20 Mitgliedern von der Verzichtsmöglichkeit Gebrauch, so entsteht in Form der Generalversammlung ein Überwachungsgremium, dessen Größe als ineffizient und hinderlich angesehen wird2.

1. Aufgaben 1277

Die Generalversammlung nimmt in diesem Fall die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats wahr. Sie hat also in erster Linie den Vorstand bei dessen Geschäftsführung zu überwachen. Diese Überwachung bedeutet, auch wenn sie von der Generalversammlung durchgeführt wird und auch wenn der Vorstand nur aus einer Person besteht, im Grundsatz nichts anderes als bei allen übrigen Gesellschaften mit Aufsichtsrat auch: Die Kontrolle erfolgt hinsichtlich Rechtmäßigkeit, Ordnungsmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung. Aber auch die Beratung der Geschäftsführung ist Pflicht des Aufsichtsrats und damit der Generalversammlung: Die Vorteile der mit der Selbstorganschaft verbundenen Sachkunde (siehe oben Rn. 1259) kommen auch hier zum Tragen. Es gibt aber auch Situationen, in denen die Generalversammlung 1 Geschwandtner/Helios, Genossenschaftsrecht, S. 92. 2 Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 297 f.

446

Die Generalversammlung als Überwachungsorgan

§ 17

kein idealer Ersatz für den Aufsichtsrat ist, und in denen das GenG besondere Regelungen getroffen hat. Für die Vertretung der Genossenschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern (und im Anfechtungsfall, § 51 Abs. 3 GenG) ist von der Generalversammlung ein Bevollmächtigter (der nicht Mitglied der Genossenschaft sein muss1) zu wählen, § 39 Abs. 1 Satz 2 GenG; die Aufgabe des Aufsichtsratsvorsitzenden im Prüfungsverfahren hat ein von der Generalversammlung aus ihrer Mitte gewählter Bevollmächtigter wahrzunehmen, § 57 Abs. 5 und § 58 Abs. 3 GenG. Wenn die Einberufung einer Generalversammlung im Interesse der Genossenschaft erforderlich ist, so ist der Vorstand verpflichtet, dies zu tun, § 38 Abs. 2 Satz 2 GenG.

2. Organisation a) Die Generalversammlung als Willensbildungsorgan Die Konstruktion, die der Gesetzgeber für die Überwachung des Vor- 1278 stands in der Genossenschaft ohne Aufsichtsrat gewählt hat, ist jedenfalls ungewöhnlich. Ein Organ eines Verbandes nimmt die Rechte und Pflichten eines anderen Organs desselben Verbandes wahr. Damit stellt sich zwangsläufig die Frage, wie die Arbeit beider Organe zu organisieren ist. Die Generalversammlung muss grundsätzlich nur einmal im Jahr zusammentreten, zur Feststellung des Jahresabschlusses und zur Abstimmung über die Entlastung des Vorstands. Ein solcher Turnus ist für eine ordnungsgemäße Überwachung der laufenden Verwaltung viel zu gering. Es empfiehlt sich daher, eine Aufspaltung der Aufgaben der Generalversammlung vorzunehmen. Diese kann dann einmal als „oberstes Willensbildungsorgan“ und einmal „als Überwachungsorgan“ zusammenkommen. Dieses Verfahren erweist sich in mehrerlei Hinsicht als vorteilhaft: Nur wenn die Generalversammlung als „oberstes Willensbildungsorgan“ zusammenkommt, müssen die für die Einberufung notwendigen Verfahren (§ 46 GenG) eingehalten werden. Dies bedeutet freilich im Umkehrschluss, dass in dem Fall, in dem die Generalversammlung nicht nach diesen Vorschriften einberufen wurde, auch keine Abstimmung über Punkte, die dem „Willensbildungsorgan“ zugewiesen sind, stattfinden kann, also beispielsweise Änderungen der Satzung, die Feststellung des Jahresabschlusses etc. Zudem muss eine solche Aufspaltung in der Satzung vorgesehen sein, um eine Rechtswidrigkeit von Beschlüssen der Generalversammlung als Überwachungsorgan zu vermeiden. Bis auf weiteres ist im Zweifel jedoch immer zu einer Einberufung und Durchführung nach den Regeln der §§ 44 ff. GenG zu raten.

1 Geschwandtner/Helios, NZG 2006, 691, 692.

447

§ 17

Besonderheiten in der Genossenschaft

b) Die Generalversammlung „als Überwachungsorgan“ 1279

Die Generalversammlung „als Überwachungsorgan“ sollte hingegen einmal im Quartal zusammenkommen, um eine pflichtgemäße Überwachung der Geschäftsführung zu gewährleisten. Sie nimmt insbesondere die Rechte aus § 38 GenG wie ein Aufsichtsrat wahr, kann also beispielsweise Auskünfte verlangen und Unterlagen der Genossenschaften einsehen. Um den Informationsfluss zwischen Vorstand und Aufsichtsrat zu optimieren, ist auch in einer verhältnismäßig kleinen Genossenschaft der Erlass einer an § 90 AktG angelehnten Berichtsordnung zweckmäßig. Außerdem empfiehlt es sich, einmal im Jahr die Sitzung der Generalversammlung als Willensbildungsorgan und als Überwachungsorgan in einer Zusammenkunft zu erledigen, um Maßnahmen, wie Prüfung und Feststellung des Jahresabschlusses (§ 38 Abs. 1 Satz 5 GenG) in einer Sitzung erledigen zu können. Dabei ist dafür Sorge zu tragen, dass vertrauliche Beratungsgegenstände nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Um bei Kleingenossenschaften mit annähernd 20 Mitgliedern die Effektivität der Überwachung zu erhöhen, bietet sich die Einrichtung von Ausschüssen an, die Entscheidungen für das Plenum vorbereiten können.

3. Rechte und Pflichten des einzelnen Mitglieds 1280

Die Rechte und Pflichten der Mitglieder der Generalversammlung sind in Bezug auf die Überwachungsangelegenheiten die eines Aufsichtsratsmitglieds. So kann ein einzelnes Mitglied beauftragt werden, die Einsichtnahme und Prüfung vorzunehmen, sowie Auskünfte verlangen, jedoch nur an die Generalversammlung. Damit korrespondiert die Pflicht, über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Genossenschaft Stillschweigen zu bewahren. Wendet man die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 GenG konsequent an, so müsste auch eine Vergütung der Mitglieder des Organs, das die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats übernimmt, möglich sein.

4. Haftung 1281

Der Verzicht auf einen Aufsichtsrat entbindet nicht von einer sorgfältigen Überwachung. Ein Mittel der Durchsetzung der Sorgfaltspflicht ist die Haftung, die ausweislich der Regierungsbegründung gemäß §§ 41, 34 GenG auch für die Mitglieder der Generalversammlung gilt1. Dies kann allerdings zu einem Dilemma führen. Das Mitglied, das in der Generalversammlung, in der der Verzicht auf den Aufsichtsrat in die Satzung aufgenommen wurde, gegen diese Maßnahme gestimmt hat, wird bzw. ist zwangsläufig Mitglied des Über1 BT-Drucks. 16/1025, S. 82.

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Die Generalversammlung als Überwachungsorgan

§ 17

wachungsorgans, unabhängig von Eignung und Befähigung zum Kontrolleur. Da dieses Mitglied aber auch als Gesamtschuldner für die Pflichtverletzungen seiner (potentiell ebenso ungeeigneten und unfähigen) Kollegen gegenüber der Genossenschaft einzustehen hat, bleibt ihm dabei nur der Austritt aus der eG1, um dieser Haftung zu entgehen. Eine Ablehnung des „Aufsichtsratsmandats“ ist nicht möglich. Im Übrigen kann für die Haftung auf Rn. 1275 und damit auf die Ausführungen zur AG verwiesen werden2.

5. Meinung Beuthien Beuthien3 interpretiert den neuen § 9 Abs. 1 Satz 3 GenG, wonach bei Klein-Genossenschaften ohne Aufsichtsrat „die Generalversammlung die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats wahrnimmt“, anders und sieht darin nur die deklaratorische Feststellung, wonach in allen Körperschaften ohne Aufsichtsrat das Grundorgan4 zur Überwachung der Geschäftsführung verpflichtet ist. Diese Aussage trifft im Grundsatz zu. Nur konkretisiert das Gesetz hier diese Pflichten derart, dass sich die Generalversammlung bei ihrer Überwachung an den Pflichten eines Aufsichtsrats zu orientieren hat; dafür genügt dann die sonst nur jährlich einmal stattfindende Generalversammlung nicht. Und deswegen gelten für ihre Mitglieder auch die Sonderregeln zur Haftung nach §§ 41, 34 GenG und nicht die allgemeinen Regeln der Schlechterfüllung5.

1282

Es bleibt mithin bei den oben Rn. 1276 ff. getroffenen Feststellungen. Einstweilen frei.

1283–1300

1 Dazu ausführlich Geschwandtner/Helios, Genossenschaftsrecht, S. 100. 2 Anders wohl Schulte in Lang/Weidmüller, Komm. GenG, § 9 Rn. 8, wonach die Haftung nicht für die Überwachung des Vorstands eingreifen und das Mitglied nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haften soll. 3 Beuthien, Komm. GenG, Aktualisierungsband zur 14. Aufl., § 9 Rn. 2a und 2b. 4 Mitgliederversammlung beim Verein, Gesellschafterversammlung bei der GmbH. 5 A.A. Beuthien, Komm. GenG, § 41 GenG Rn. 24.

449

§ 18 Der Aufsichtsrat in der KGaA I. Überblick Ebenso wie die Aktiengesellschaft hat auch die Kommanditgesell- 1301 schaft auf Aktien (KGaA) einen Pflichtaufsichtsrat, §§ 278, 287 AktG. Allerdings unterscheiden sich die innere Struktur der KGaA und das Verhältnis der Organe zueinander grundlegend von der AG, wenngleich auch die KGaA Kapitalgesellschaft und nicht Personengesellschaft ist1. Die wohl wichtigsten Rechte des Aufsichtsrats in der KGaA sind im Vergleich zu denen des Aufsichtsrats in der AG diejenigen Rechte, die er nicht hat2. Der Aufsichtsrat in der KGaA hat in der gesetzestypischen Ausgestaltung kein Recht zur Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung, kein originäres Recht zur Festlegung von Zustimmungsvorbehalten und kein Recht zur Feststellung des Jahresabschlusses. Die Ursachen dafür liegen in der Organisationsstruktur der KGaA: Vereinfacht lässt sich sagen, dass sich das Innenverhältnis und damit die Führungsstruktur nach dem Recht der Kommanditgesellschaft bestimmt, die Kapitalstruktur sich hingegen nach Aktienrecht beurteilt3, § 278 AktG. Diese Struktur hat Auswirkungen auf den Aufsichtsrat in der KGaA und seine Rechte und Pflichten. Zum einen erfüllt er eine Doppelfunktion: Er überwacht einerseits die Geschäftsführung und repräsentiert andererseits bei Rechtsstreitigkeiten mit den persönlich haftenden Gesellschaftern die Gesamtheit der Kommanditaktionäre4. Zum anderen unterliegt die KGaA nicht ganz der Satzungsstrenge der AG, sondern hinsichtlich ihrer Führungsstruktur der inneren Gestaltungsfreiheit der Personengesellschaften5, so dass die Stellung des Aufsichtsrats auch stark von der Satzung der jeweiligen Gesellschaft abhängig ist. Wichtigster Unterschied zur AG und zentral für die (geringe) Macht des Aufsichtsrats ist die Tatsache, dass er kein Recht zur Bestellung und Anstellung der Geschäftsführung hat6. „Geborene“ Leitungsorgane

1 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 32 I, 1; K. Schmidt in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 278 Rn. 1; zur Geschichte der KGaA K. Schmidt in Bayer/ Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. II, 26. Kap., S. 1188. 2 Vgl. Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 744 ff. 3 Binz/Sorg, BB 1988, 2041, 2043; BGH v. 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 396 = AG 1997, 370; zu den anwendbaren Normen vgl. den umfangreichen Katalog bei Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 278 Rn. 6. 4 Potthoff/Trescher/Theisen, Das Aufsichtsratsmitglied, Rn. 46. 5 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 23 Rn. 2. 6 Zu den Problemen in der kapitalistischen KGaA siehe unten Rn. 1307.

451

§ 18

Der Aufsichtsrat in der KGaA

in der KGaA sind die persönlich haftenden Gesellschafter1. Insoweit ist die Position des Aufsichtsrats in der KGaA durchaus mit der eines freiwilligen Aufsichtsrats in der GmbH vergleichbar2.

II. Zusammensetzung des Aufsichtsrats 1302

1. Die Zusammensetzung des Aufsichtsrats in der KGaA richtet sich gemäß § 278 Abs. 3 i.V.m. §§ 95 ff. AktG nach Aktienrecht und erfolgt durch Wahl oder Entsendung3. Daher gelten auch die Inkompatibilitätsvorschriften des § 100 AktG. Zu beachten ist weiterhin, dass die persönlich haftenden Gesellschafter in der Hauptversammlung zwar grundsätzlich ein Stimmrecht für ihre Aktien haben, aber gemäß § 285 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AktG bei der Beschlussfassung über die Wahl und Abberufung des Aufsichtsrats das Stimmrecht weder für sich noch für einen anderen ausüben können4. Das führt, in Zusammenhang mit dem Verbot für Komplementäre, selbst Aufsichtsratsmitglied zu sein (§ 287 Abs. 3 AktG), auch zur Unzulässigkeit der Begründung von Entsendungsrechten zugunsten der persönlich haftenden Gesellschafter5. Die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder bedarf auch nicht der Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter (§ 285 Abs. 2 AktG), da sonst das Stimmverbot leerliefe6.

1303

2. Auch die Repräsentation der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat entspricht der in der Aktiengesellschaft: Beschäftigt die Gesellschaft in der Regel weniger als 500 Arbeitnehmer, so sind grundsätzlich keine Arbeitnehmer im Aufsichtsrat vertreten7. Hat die Gesellschaft mehr als 500 aber weniger als 2000 Arbeitnehmer, so muss der Aufsichtsrat gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 DrittelbG zu einem Drittel 1 Herfs, Münchener Hdb. AG, § 78 Rn. 2; Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, Vor § 278 Rn. 65. 2 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 23 Rn. 33. 3 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 23 Rn. 33; K. Schmidt in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 287 Rn. 3. 4 Zur Übertragung der Aktien vom Komplementär auf nahestehende Dritte vgl. BGH v. 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192 = AG 2006, 117 mit Anm. Fett, BGHReport 2006, 375 f.; mit Anm. Ek/Schiemzik, BB 2006, 456 f.; mit Anm. Kersting, WuB II B § 287 AktG 1.06; mit Anm. Dürr, EWiR 2006, 193; K. Schmidt in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 285 Rn. 12. 5 BGH v. 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 202 = AG 2006, 117; Semler/Perlitt in MünchKomm. AktG, § 285 Rn. 26. 6 Semler/Perlitt in MünchKomm. AktG, § 285 Rn. 50. Zu weiteren Ausnahmen vom Zustimmungsrecht der Komplementäre vgl. Semler/Perlitt in MünchKomm. AktG, § 285 Rn. 46 ff. 7 Anderes gilt für Gesellschaften, die vor dem 10. August 1994 eingetragen worden sind und keine Familiengesellschaften sind, § 1 Abs. 1 Nr. 2 DrittelbG; vgl. dazu Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 1 DrittelbG Rn. 13.

452

Keine Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung

§ 18

aus Arbeitnehmervertretern bestehen. Beschäftigt die KGaA schließlich mehr als 2000 Arbeitnehmer, setzt sich der Aufsichtsrat gemäß § 1 Abs. 1 i.V.m. § 7 MitbestG zur Hälfte aus Arbeitnehmervertretern zusammen. Mit der Anzahl der Sitze im Aufsichtsrat ist allerdings noch keine Aussage über die sachliche Bedeutung der Mitbestimmung der Arbeitnehmer verbunden (dazu sogleich).

1304

III. Keine Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung 1. Wie bereits erwähnt hat der Aufsichtsrat in der KGaA kein Recht 1305 zur Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung. Da gemäß § 278 Abs. 2 AktG i.V.m. §§ 161 Abs. 2, 114, 125 HGB die persönlich haftenden Gesellschafter das „geborene“ Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan der Kommanditgesellschaft auf Aktien sind, findet § 84 AktG keine Anwendung. Damit gilt auch das für Personengesellschaften typische Prinzip der Selbstorganschaft für die KGaA. Für Gesellschaften, die dem Mitbestimmungsgesetz unterfallen, und in denen der Aufsichtsrat gewöhnlich das Recht zur Bestellung und Abberufung der Mitglieder des zur gesetzlichen Vertretung befugten Organs hat, sieht § 31 Abs. 1 Satz 2 MitbestG für die KGaA ausdrücklich eine Ausnahme vor. Diese Ausnahme wird damit gerechtfertigt, dass sich persönliche Haftung der Komplementäre und unternehmerische Mitbestimmung der Arbeitnehmer ausschließen1. Gesellschafter, die die Risiken der persönlichen Haftung übernehmen, sollten auch in der Lage bleiben, die Geschicke der Gesellschaft weitgehend selbst zu bestimmen2. Auch muss in der mitbestimmten KGaA kein Arbeitsdirektor bestellt werden, § 33 Abs. 1 Satz 2 MitbestG.

1306

2. Umstritten ist aber, wie die Mitbestimmung in der sog. „kapitalis- 1307 tischen“ oder „atypischen“ KGaA auszusehen hat, also in der KGaA, in der die persönlich haftende Gesellschafterin eine juristische Person ist. Diese Ausgestaltung einer KGaA hat der Bundesgerichtshof 1997 zugelassen3 und wurde in § 279 Abs. 2 AktG vom Gesetzgeber gebilligt. Argumentiert wird, dass mit dem Fehlen einer natürlichen Person als persönlich haftendem Gesellschafter auch die Rechtfertigung für die mitbestimmungsrechtliche Privilegierung der KGaA entfalle. Wenn eine Kapitalgesellschaft persönlich haftende Gesellschafterin sei, dann gelte in dieser KGaA auch der Grundsatz nicht mehr, dass 1 Herfs, Münchener Hdb. AG, § 78 Rn. 63; Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, Vor § 287 Rn. 9. 2 Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, Vor § 287 Rn. 9. 3 BGH v. 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 ff. = AG 1997, 370.

453

§ 18

Der Aufsichtsrat in der KGaA

sich persönliche Haftung und Mitbestimmung ausschlössen. Durch die atypisch ausgestaltete KGaA entstehe eine Lücke in der Mitbestimmung, die geschlossen werden müsse. Streit besteht außerdem darüber, wie sich eine „vollwertige“ Mitbestimmung in der atypischen KGaA verwirklichen lässt. So wird sowohl die (entsprechende) Anwendung von § 4 Abs. 1 MitbestG als auch eine Konstruktion über § 5 MitbestG vorgeschlagen1. 1308

Der Bundesgerichtshof steht diesbezüglich auf dem Standpunkt, es könne nicht Aufgabe der Gerichte sein, den auf politischem Wege gefundenen Mitbestimmungskompromiss durch eine Rechtsfortbildung zu korrigieren. Es sei allein Sache des Gesetzgebers, das MitbestG zu ändern, wenn er der Ansicht sein sollte, dass die KGaA ohne natürliche Person als persönlich haftendem Gesellschafter der Mitbestimmung unterworfen werden solle2. Dem ist zuzustimmen.

IV. Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats in der KGaA 1. Überwachung 1309

Die Überwachung der Geschäftsführung ist in der KGaA die wichtigste Aufgabe des Aufsichtsrats. § 287 Abs. 3 AktG verweist auf das Erste Buch des AktG und damit auf § 111 Abs. 1 und 2 AktG, weshalb die Überwachung durch den Aufsichtsrat im Wesentlichen wie in der AG erfolgt. Setzt sich die Überwachungsaufgabe in der AG jedoch aus Kontrolle, Beratung und Mitentscheidung zusammen (vgl. oben Rn. 62), so liegt der Schwerpunkt bei der KGaA fast ausschließlich auf der (nachträglichen) Kontrolle, gefolgt von der Beratung mit den Komplementären. Mitentscheidungsrechte stehen dem Aufsichtsrat, wie bereits dargelegt, in der gesetzestypischen KGaA nicht zu3. a) Umfang der Überwachung und Veränderbarkeit

1310

Objekt der Überwachung ist die Geschäftsführung der Gesellschaft durch die persönlich haftenden Gesellschafter. Der Umfang der Überwachung, insbesondere das Ausmaß der Berichte an den Aufsichtsrat gemäß § 90 AktG, kann auch in der Satzung nicht eingeschränkt werden4. Wird die Befugnis der Komplementäre zur Führung der Geschäfte eingeschränkt oder auf andere Organe oder Gremien übertragen, so verringert sich auch der Überwachungsumfang des Aufsichtsrats, 1 Vgl. zu dieser Diskussion statt vieler Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, Vor § 287 Rn. 9 ff. mit umfangreichen Nachweisen. 2 BGH v. 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 400 = AG 1997, 370. 3 Vgl. dazu auch Kallmeyer, ZGR 1983, 57, 71 ff. 4 Mertens/Cahn, Kölner Komm. AktG, § 287 Rn. 12.

454

Rechte und Pflichten

§ 18

Kontrollrechte stehen dem Aufsichtsrat ausschließlich gegenüber den Komplementären zu1. Im Übrigen hat der Aufsichtsrat der KGaA, wie in der AG, die Geschäftsführung auf ihre Rechtmäßigkeit, Ordnungsmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit hin zu überwachen. Insoweit sei auf die Rn. 71 ff. verwiesen. b) Information des Aufsichtsrats Da auch in der KGaA die umfassende Information des Aufsichtsrats 1311 unabdingbare Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Überwachung ist, gelten, wie § 283 Nr. 4 AktG hervorhebt, insbesondere die §§ 90 und 111 Abs. 2 AktG auch hier. Dem Aufsichtsrat in der KGaA stehen folglich dieselben Informationsrechte im gleichen Umfang zu wie dem Aufsichtsrat in der AG; die Struktur der KGaA bedingt keine Abweichung von der Berichterstattung in der AG2. So ist der Aufsichtsrat auch über die beabsichtigte Geschäftspolitik zu unterrichten, selbst wenn ihm diesbezüglich keine Einwirkungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen3. Der aus Sicht einer guten Corporate Governance empfehlenswerte Er- 1312 lass einer Informationsordnung für die persönlich haftenden Gesellschafter gestaltet sich in der KGaA jedoch schwierig, handelt es sich der Sache nach doch um eine Geschäftsordnung (vgl. Rn. 317), zu deren Erlass der Aufsichtsrat in der KGaA nicht berechtigt ist. Es empfiehlt sich daher für den Aufsichtsrat, eine solche Berichtsordnung mit den persönlich haftenden Gesellschaftern einvernehmlich auszuhandeln. Schlägt dies fehl, ließe sich gleichwohl über eine Berichtsordnung nachdenken, die als antizipiertes Berichtsverlangen nach § 90 Abs. 3 AktG ausgestaltet werden könnte. Schließlich besteht die Möglichkeit, dem Aufsichtsrat das Recht zum Erlass einer Berichtsordnung in der Satzung einzuräumen. c) Einwirkungsmöglichkeiten Die Möglichkeiten des Aufsichtsrats, unmittelbar auf die Geschäfts- 1313 führung einzuwirken, sind gering. Stimmt der Aufsichtsrat mit der langfristigen Unternehmensentwicklung nicht überein oder gelangt er zu der Ansicht, dass die persönlich haftenden Gesellschafter die Geschäfte nicht ordnungsgemäß führen bzw. sich pflichtwidrig verhalten, hat er zunächst nur die Möglichkeit, seinen Bedenken in ei-

1 Mertens/Cahn, Kölner Komm. AktG, § 287 Rn. 14; Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 35. 2 Semler/Perlitt, MünchKomm. AktG, § 287 Rn. 40; Kallmeyer, ZGR 1983, 57, 73. 3 Kallmeyer, ZGR 1983, 57, 73.

455

§ 18

Der Aufsichtsrat in der KGaA

nem Gespräch mit den persönlich haftenden Gesellschaftern Ausdruck zu verleihen1. 1314

Machen sich die persönlich haftenden Gesellschafter diese Bedenken nicht zu eigen oder weisen sie die Bedenken des Aufsichtsrats zurück, so bleibt dem Aufsichtsrat lediglich die Einberufung einer Hauptversammlung gemäß §§ 278 Abs. 3, 111 Abs. 3 AktG, um die Kommanditaktionäre über seine Bedenken zu informieren2. Auch hat er dort die Kommanditaktionäre über rechtlich mögliche Maßnahmen zu unterrichten3, wie z.B. der Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis oder der Möglichkeit der Verweigerung der Zustimmung zu außergewöhnlichen Geschäften. Dem Aufsichtsrat kommt insoweit die Funktion eines Gegengewichts gegenüber der Information der Hauptversammlung durch die Komplementäre zu4. Ultima ratio ist der Rücktritt des Aufsichtsrats bzw. einzelner seiner Mitglieder, der allerdings keine Flucht aus der Verantwortung sein darf5. Zu konstatieren bleibt in diesem Zusammenhang, dass den Aufsichtsrat keine Haftung trifft, wenn eine beanstandete Maßnahme einen Schaden für die Gesellschaft zur Folge hatte, er seiner Überwachung aber wie beschrieben ordnungsgemäß nachgekommen ist. d) Unterrichtung durch den Aufsichtsrat

1315

In engem Zusammenhang mit den Überwachungsaufgaben des Aufsichtsrats stehen seine Pflichten aus § 171 Abs. 1 AktG zur Prüfung von Jahres- und gegebenenfalls Konzernabschluss sowie des Lageberichts und des Gewinnverwendungsvorschlags. Diese Pflichten hat der Aufsichtsrat, auch wenn er nicht an der Feststellung des Jahresabschlusses mitwirkt6. Über das Ergebnis dieser Prüfung hat er der Hauptversammlung gemäß § 171 Abs. 2 AktG zu berichten und stellt damit in der KGaA eine wichtige Informationsquelle für die Kommanditaktionäre dar7.

1 Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 43; Mertens/Cahn, Kölner Komm. AktG, § 287 Rn. 13. 2 Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 747; Mertens/Cahn, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 13; Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 42; Semler/Perlitt, MünchKomm. AktG, § 287 Rn. 46; a.A. Kallmeyer, ZGR 1983, 57, 71 f. 3 Semler/Perlitt, MünchKomm. AktG, § 287 Rn. 46. 4 Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 42. 5 Semler/Perlitt, MünchKomm. AktG, § 287 Rn. 46. 6 Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 34. 7 Zum Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung vgl. oben Rn. 561 ff. sowie Lutter, AG 2008, 1 ff.

456

Rechte und Pflichten

§ 18

2. Zustimmungsvorbehalte Der Stellung des Aufsichtsrats in der gesetzestypischen KGaA als 1316 Überwachungsorgan entspricht es auch, dass er – im Gegensatz zum unternehmerisch mitentscheidenden Aufsichtsrat in der AG – kein originäres Recht zur Einrichtung von Zustimmungsvorbehalten hat. § 111 Abs. 4 AktG findet in der KGaA keine Anwendung1. Grund dafür sind sowohl die personengesellschaftsrechtliche Struktur2 wie auch die umfangreichen Rechte der Hauptversammlung der KGaA in Bezug auf die Geschäftsführung3, die so in der AG nicht bestehen. Selbst wenn diese Rechte in der Satzung abbedungen sind, lebt eine Befugnis des Aufsichtsrats nicht wieder auf4. Es besteht aber die Möglichkeit, dem Aufsichtsrat in der Satzung das Recht einzuräumen, bestimmte Arten von Geschäften an seine Zustimmung zu binden. In der Satzung kann auch ein Katalog von Geschäften festgelegt werden, die der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen5. Die Grenze für den Umfang der Übertragung von Befugnissen auf den Aufsichtsrat ergibt sich aus dessen Überwachungsaufgabe und dem Prinzip der Trennung von Leitung und Kontrolle6. Der Aufsichtsrat darf in seiner Überwachungsaufgabe nicht beeinträchtigt werden7 und die Übertragung von Zustimmungsbefugnissen darf in ihrem Ausmaß das in der AG nicht überschreiten8.

1317

Es besteht auch die Möglichkeit, die notwendige Zustimmung der Hauptversammlung zu Grundlagengeschäften9 in der Satzung abzubedingen und auf den Aufsichtsrat zu übertragen. Gleichzeitig empfiehlt es sich dann für kapitalmarktorientierte Gesellschaften, im Sinne einer guten Corporate Governance dem Aufsichtsrat nach dem

1318

1 H.M.; Kallmeyer, ZGR 1982, 57, 68 f.; K. Schmidt in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 287 Rn. 15; Semler/Perlitt, MünchKomm. AktG, § 278 Rn. 193 und 211; Mertens/Cahn, KölnerKomm. AktG, § 287 Rn. 15; Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 39. 2 Semler/Perlitt, MünchKomm. AktG, § 287 Rn. 44. 3 Namentlich ist bei außergewöhnlichen Geschäften die Zustimmung der Hauptversammlung nötig, vgl. Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, Vor § 278 Rn. 66 f. 4 Semler/Perlitt, MünchKomm. AktG, § 278 Rn. 193. 5 H.M., vgl. nur Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 44; Semler/ Perlitt, MünchKomm. AktG, § 287 Rn. 54; Herfs, Münchener Hdb. AG, § 78 Rn. 57; Mertens/Cahn, Kölner Komm. AktG, § 278 Rn. 68. 6 Herfs, Münchener Hdb. AG, § 78 Rn. 57. 7 Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 44 (Fn. 64); Semler/Perlitt, MünchKomm. AktG, § 287 Rn. 56. 8 Mertens/Cahn, Kölner Komm. AktG, § 278 Rn. 88; zur Weisungsbefugnis des Aufsichtsrats vgl. Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 77. 9 Außergewöhnliche Geschäfte bedürfen der Zustimmung der Kommanditaktionäre, § 278 Abs. 2 AktG i.V.m. §§ 161 Abs. 2, 116 Abs. 2 HGB, vgl. dazu Semler/Perlitt, MünchKomm. AktG, § 278 Rn. 177.

457

§ 18

Der Aufsichtsrat in der KGaA

Vorbild der AG in gewissem Umfang Zustimmungsvorbehalte einzuräumen.

3. Erlass einer Geschäftsordnung 1319

Gleiches gilt auch für eine Geschäftsordnung für die persönlich haftenden Gesellschafter. Ein originäres Recht zum Erlass einer solchen steht dem Aufsichtsrat in der KGaA ebenfalls nicht zu1. Es kann2 und sollte aber für ihn in der Satzung geschaffen werden.

4. Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Komplementären 1320

Gemäß § 287 Abs. 3 i.V.m. § 112 AktG vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern gerichtlich und außergerichtlich bei Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten mit diesen3. Gleiches gilt für Streitigkeiten mit nicht geschäftsführungsbefugten und ausgeschiedenen Komplementären4 und deren Witwen5. Auch bei sog. Tätigkeitsvereinbarungen6, die regelmäßig Vergütungsklauseln enthalten und daher in der Satzung vorgesehen sein müssen, vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft gegenüber den Komplementären7. Die persönlich haftenden Gesellschafter sind in diesen Fällen von der Vertretung ausgeschlossen. Ihre Vertretungsmacht ergibt sich auch nicht aus § 287 Abs. 2 AktG i.V.m. §§ 161 Abs. 2, 126 f. HGB8, selbst dann, wenn, wie in einer KG, ein Rechtsgeschäft mit einem der Komplementäre oder einem Prokuristen als Vertreter der Gesellschaft und einem anderen Komplementär als Drittem denkbar wäre. Die Rechtfertigung dafür ist in der Tatsache zu sehen, dass die Interessenlage in der KGaA hinsichtlich mögli1 Kallmeyer, ZGR 1983, 57, 67; Mertens/Cahn, Kölner Komm. AktG, § 278 Rn. 66; Semler/Perlitt, MünchKomm. AktG, § 278 Rn. 78. 2 Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 40; Semler/Perlitt, MünchKomm. AktG, § 278 Rn. 213. 3 H.M.; BGH v. 29.11.2004 – II ZR 364/02, ZIP 2005, 348, 349 = AG 2005, 239; Semler/Perlitt, MünchKomm. AktG, § 287 Rn. 68; Mertens/Cahn, Kölner Komm. AktG, § 287 Rn. 18; Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 67 f.; Hüffer, Komm. AktG, § 278 Rn. 16; a.A. Bürgers in Schütz/Bürgers/Riotte, Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, § 5 Rn. 495. 4 BGH v. 29.11.2004 – II ZR 364/02, ZIP 2005, 348 ff. = AG 2005, 239; Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 72. 5 BGH v. 16.10.2006 – II ZR 7/05, ZIP 2006, 2213 = AG 2007, 86. 6 Vgl. zu diesen Vereinbarungen Hecht in Schütz/Bürgers/Riotte, Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, § 5 Rn. 259 ff.; Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 288 Rn. 74 ff. 7 Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 288 Rn. 76. 8 So aber Bürgers in Schütz/Bürgers/Riotte, Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, § 5 Rn. 498.

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Rechte und Pflichten

§ 18

chen Missbrauchs dieselbe ist wie in der AG. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass die persönlich haftenden Gesellschafter die Vertretungsberechtigung zu Lasten der KGaA missbrauchen könnten1. Diese Kompetenz des Aufsichtsrats ist zwingend und auch in der Sat- 1321 zung nicht abdingbar; eine entgegenstehende Satzungsbestimmung ist nichtig2. Dies ergibt sich schon aus dem Zweck des § 112 AktG, der auf die Vermeidung einer abstrakten Gefährdung der Gesellschaftsinteressen abzielt3.

5. Vertretung der Kommanditaktionäre Neben seiner Funktion als Vertreter der Gesellschaft gegenüber den 1322 Komplementären kommt dem Aufsichtsrat die Aufgabe zu, die Gesamtheit der Kommanditaktionäre bei Rechtsstreitigkeiten mit den persönlich haftenden Gesellschaftern zu vertreten, § 287 Abs. 2 AktG. Diese Funktion des Aufsichtsrats hat kein Äquivalent in der AG4, da sie auf die Verschiedenheit der Gesellschaftergruppen in der KGaA zurückgeht5. Die Gesamtheit der Kommanditaktionäre entspricht insoweit dem Kommanditisten einer KG6. Streitigkeiten nach § 287 Abs. 2 AktG sind Rechtsstreitigkeiten aus der Gesellschafterstellung, die nicht die organschaftlichen Rechte der Beteiligten betreffen. Es handelt sich beispielsweise um Klagen der Kommanditaktionäre auf Zustimmung der Komplementäre zum Jahresabschluss7. Sehr umstritten ist dabei, ob der Aufsichtsrat als Organ der Gesellschaft8 oder als Organ der Kommanditaktionäre9 handelt. Für die praktische Relevanz dieses Streits, der sich in der Bezeichnung der Prozessparteien auswirkt, wird empfohlen, eine Formulierung zu wählen, die allen Ansichten gerecht wird: die Gesamtheit der

1 BGH v. 29.11.2004 – II ZR 364/02, ZIP 2005, 348 f. = AG 2005, 239; Semler/ Perlitt, MünchKomm. AktG, § 287 Rn. 68. 2 Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 68; Semler/Perlitt, MünchKomm. AktG, § 287 Rn. 66; a.A. OLG München v. 26.7.1995 – 7 U 5169/94, AG 1996, 86; Herfs, Münchener Hdb. AG, § 78 Rn. 56. 3 Ihrig/Schlitt, ZHR Beiheft 67 (1998), S. 55 f. 4 Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 57. 5 Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 57; Semler/Perlitt, MünchKomm. AktG, § 287 Rn. 70; K. Schmidt in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 278 Rn. 10. 6 Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 57. 7 Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 57. 8 So Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 65; Mertens/Cahn, Kölner Komm. AktG, § 287 Rn. 20; Hüffer, Komm. AktG, § 287 Rn. 2. 9 Semler/Perlitt, MünchKomm. AktG, § 287 Rn. 75; Herfs, Münchener Hdb. AG, § 78 Rn. 53 i.V.m. § 77 Rn. 57.

459

§ 18

Der Aufsichtsrat in der KGaA

Kommanditaktionäre der XY-KGaA, vertreten durch den Aufsichtsrat1. Folgt man der erstgenannten Ansicht, ergibt sich ein weiteres Problem: Als Organ der Gesellschaft ist der Aufsichtsrat verpflichtet, die Interessen der Gesellschaft zu wahren. Nun ist es denkbar, dass die Gesamtheit der Kommanditaktionäre Ansprüche gegenüber den Komplementären durchzusetzen plant, die überwiegend ihren eigenen Interessen dienen und weniger denen der Gesellschaft. Der Aufsichtsrat ist dann in einem Interessenkonflikt, da er nicht zwei Herren gleichzeitig dienen kann2. Der Bundesgerichtshof hat sich in seinem Urteil vom 5.12.2005 der ersten Ansicht angeschlossen: Der Aufsichtsrat handelt als Organ der Gesellschaft3. Im Konfliktfall ist der Aufsichtsrat verpflichtet, die Interessen der Gesellschaft gegenüber den Kommanditaktionären wahrzunehmen4. Hier empfiehlt es sich, den bereits vom Gesetz vorgezeigten Weg zu gehen: die Wahl eines besonderen Vertreters durch die Hauptversammlung. Dieses Vorgehen ist auch noch in einem laufenden Verfahren möglich, insbesondere, wenn man den Aufsichtsrat als verpflichtet ansieht, den Kommanditaktionären einen Interessenkonflikt anzuzeigen5.

6. Ausführungsfunktion 1323

Neben seiner Funktion als Vertreter der Kommanditaktionäre kommt dem Aufsichtsrat die Aufgabe zu, die Beschlüsse der Kommanditaktionäre auszuführen, § 287 Abs. 1 AktG. Dabei handelt es sich aber nur um die Beschlüsse, die ausführungsbedürftig sind und Rechte betreffen, die auch den Kommanditisten einer KG gegenüber Gesellschaft oder Komplementären zustehen würden6. Im Übrigen führt der Vorstand die Beschlüsse der Hauptversammlung aus, die die Geltendmachung von aktienrechtlichen Angelegenheiten betreffen7. Auch in den Fällen, in denen der Aufsichtsrat seiner Ausführungsfunktion nachkommt, besteht die Möglichkeit einer Interessenkollision. Daher darf der Aufsichtsrat auf Grund seiner Treupflicht keine die Ge-

1 Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 62; ähnlich Hüffer, Komm. AktG, § 287 Rn. 2. 2 Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 66. 3 BGH v. 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 199 = AG 2006, 117; K. Schmidt in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 287 Rn. 20. 4 BGH v. 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 199 = AG 2006, 117. 5 Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 66. 6 Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 49; Mertens/Cahn, Kölner Komm. AktG, § 287 Rn. 16. 7 Semler/Perlitt, MünchKomm. AktG, § 287 Rn. 11.

460

Besonderheiten der gesetzesuntypischen KGaA

§ 18

sellschaft schädigenden und auch keine für nichtig erachteten Beschlüsse ausführen1. Für die Lösung möglicher Konflikte empfiehlt es sich, die Ausfüh- 1324 rungsfunktion in der Satzung auf einen Beirat oder ein vergleichbares, fakultatives Gremium zu übertragen, das, anders als der Aufsichtsrat, auch keiner Mitbestimmung unterliegt. Existiert ein solches Gremium nicht, kann es zweckmäßig sein, die Ausführung auf eine einzelne Person (Vorsitzender des Aufsichtsrats, Aktionärsvertreter) zu übertragen; in jedem Falle unzulässig ist eine Übertragung auf die Komplementäre2. Auch kann die Satzung eine fallweise Entscheidung der Hauptversammlung über die Ausführungszuständigkeit vorsehen3.

7. Börsennotierte KGaA Auch eine KGaA kann börsennotierte Gesellschaft im Sinne von § 3 1325 Abs. 2 AktG sein4. In diesem Fall unterliegt sie den besonderen Vorschriften für börsennotierte Gesellschaften, mit der Folge, dass sich der Aufsichtsrat einer KGaA beispielsweise gemäß § 161 AktG zu erklären hat5. Zu den weiteren, kapitalmarktspezifischen Aufgaben des Aufsichtsrats vgl. § 10 Rn. 611 ff.

V. Besonderheiten der gesetzesuntypischen KGaA 1. Ausgestaltungsmöglichkeiten durch die Satzung Die Möglichkeiten, eine KGaA sowohl den Wünschen und Bedürfnissen der Gründer als auch den ökonomischen und rechtlichen Entwicklungen anzupassen, sind mannigfaltig. Denkbar sind hauptversammlungs-, beirats-, und komplementärdominierte KGaA sowie Gesellschaften mit einem einflussreichen Aufsichtsrat6.

1 Ausführlich Mertens/Cahn, Kölner Komm. AktG, § 287 Rn. 16 und Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 52; Semler/Perlitt, MünchKomm. AktG, § 287 Rn. 11. 2 Semler/Perlitt, MünchKomm. AktG, § 287 Rn. 10; Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 55. 3 Semler/Perlitt, MünchKomm. AktG, § 287 Rn. 11. 4 K. Schmidt in K. Schmidt/Lutter, Komm. AktG, § 278 Rn. 3. 5 Lutter, Kölner Komm. AktG, 3. Aufl., § 161 Rn. 16. 6 Assmann/Sethe in FS Lutter, S. 251, 264; Herfs, Münchener Hdb. AG, § 75 Rn. 13.

461

1326

§ 18

Der Aufsichtsrat in der KGaA

1327

Die Position des Aufsichtsrats kann durch entsprechende Satzungsgestaltungen gestärkt werden1. Es ist möglich, ihm das Recht zu Festlegung von Zustimmungsvorbehalten (§ 111 Abs. 4 AktG) zu übertragen oder ihn zum Erlass einer Geschäftsordnung für die Komplementäre zu ermächtigen. Das Recht zur Entscheidung über Grundlagengeschäfte kann den Kommanditaktionären entzogen und dem Aufsichtsrat übertragen werden. Auch die Aufnahme von persönlich haftenden Gesellschaftern kann von seiner Zustimmung abhängig gemacht bzw. ihm vollständig übertragen werden. Schließlich ist es möglich, ihm im Bereich der Geschäftsführung gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern Weisungs- und Letztentscheidungsrechte einzuräumen2. Die Grenze liegt allerdings dort, wo der Aufsichtsrat zum allzuständigen Geschäftsherrn gemacht wird3.

1328

Die Rolle des Aufsichtsrats lässt sich aber auch schwächen, indem in der Satzung ein Großteil seiner Rechte auf ein fakultatives Gremium übertragen wird (dazu siehe unten Rn. 1330). Unabdingbar beim Aufsichtsrat verbleiben muss seine Aufgabe der Überwachung, sowie, darin eingeschlossen4, die Beratung mit den persönlich haftenden Gesellschaftern und die Vertretung der Gesellschaft in den Fällen des § 112 AktG. Das Gleiche gilt aber auch für seine Informationsansprüche sowie sein Einsichts- und Prüfungsrecht nach § 111 Abs. 2 AktG.

2. Insbesondere: Die Kapitalgesellschaft und Co. KGaA 1329

Beim Aufsichtsrat der Kapitalgesellschaft und Co. KGaA ergeben sich diverse Unterschiede zur Rolle des Aufsichtsrats in der gesetzestypischen KGaA. Zunächst wirkt sich das Fehlen einer natürlichen Person als persönlich haftendem Gesellschafter auf die mögliche Zusammensetzung des Aufsichtsrats aus. Die geschäftsführungs- und vertretungsberechtigten Personen der Komplementärgesellschaft werden in den Anwendungsbereich von § 287 Abs. 3 AktG einbezogen und wie persönlich haftende Gesellschafter behandelt5. Gleiches gilt für Gesellschafter der Komplementärgesellschaft mit maßgeblicher 1 Herfs, Münchener Hdb. AG, § 78 Rn. 57; Bürgers in Schütz/Bürgers/Riotte, Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, § 5 Rn. 507. 2 H.M., vgl. Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 52; Semler/Perlitt, MünchKomm. AktG, § 278 Rn. 234 ff.; a.A. Herfs, Münchener Hdb. AG, § 78 Rn. 57. 3 Semler/Perlitt, MünchKomm. AktG, § 278 Rn. 237. 4 BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 130 = AG 1991, 312 und BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 255 = AG 1997, 377 (ARAG). 5 BGH v. 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 198 = AG 2006, 117; Semler/Perlitt, MünchKomm. AktG, § 287 Rn. 28; Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 10; Mertens/Cahn, Kölner Komm. AktG, § 287 Rn. 8.

462

Fakultative Gremien in der KGaA

§ 18

Beteiligung an dieser und daraus resultierendem Einfluss auf die Geschäftsleitung1. Diese Personen können nicht Aufsichtsratsmitglieder sein. Ebenfalls gelten die Stimmrechtsbeschränkungen des § 285 Abs. 1 AktG für diese Personen analog2. Darüber hinaus hat die Struktur der Kapitalgesellschaft und Co. KGaA auch Auswirkungen auf den Umfang der Überwachungsaufgabe. Der Aufsichtsrat überwacht die Führung der Geschäfte durch die Komplementärgesellschaft, und dort durch das vertretungs- und geschäftsführungsbefugte Organ, also den Vorstand der persönlich haftenden AG und den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Fraglich ist aber, in welchem Umfang der Aufsichtsrat Auskünfte über die Vorgänge in der Komplementärgesellschaft verlangen kann. Bei Komplementärgesellschaften, deren Unternehmensgegenstand über die Funktion als persönlich haftendem Gesellschafter in der KGaA hinausgeht, erstreckt sich die Überwachungsaufgabe jedenfalls nicht auf Sachverhalte in Zusammenhang mit dem erweiterten Teil, da diese nichts mit der Geschäftsführung der KGaA zu tun haben. Im Übrigen beschränkt sich die Überwachung auf elementare Vorkommnisse bei der Komplementärgesellschaft, die Auswirkungen auf ihre Funktion als persönlich haftende Gesellschafterin haben können, wie z.B. drohende Insolvenz, Änderungen des Gesellschafterbestandes etc.3. Ähnliche Überlegungen sind bei der Vertretung der KGaA gegenüber ihrer Komplementärgesellschaft anzustellen. Der Aufsichtsrat vertritt grundsätzlich die KGaA gegenüber ihren persönlich haftenden Gesellschaftern gemäß §§ 278 Abs. 3, 112 AktG (siehe oben Rn. 1320) und damit jedenfalls auch gegenüber dem vertretungs- und geschäftsführungsbefugten Organ der Komplementärgesellschaft. Im Sinne des Zwecks des § 112 AktG lassen sich des weiteren die Überlegungen des Bundesgerichtshofs4 zur Inkompatibilität fruchtbar machen: auch gegenüber Gesellschaftern der Komplementärgesellschaft mit maßgeblichem Einfluss vertritt der Aufsichtsrat die KGaA5.

VI. Fakultative Gremien in der KGaA Die KGaA bietet auf Grund ihrer weitgehenden Satzungsautonomie vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten für die Schaffung fakultativer Gremien in Form von Beiräten, Verwaltungsräten, Gesellschafterausschüssen etc. Hinsichtlich deren Zulässigkeit ist zu unterscheiden: Rein schuldrechtliche Gremien, die aber nur beratend tätig werden 1 BGH v. 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 198 = AG 2006, 117; Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 10; Mertens/Cahn, Kölner Komm. AktG, § 287 Rn. 8. 2 Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 285 Rn. 25. 3 Arnold, Die GmbH und Co. KGaA, S. 128. 4 BGH v. 5.12.2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192 = AG 2006, 117. 5 Im Ergebnis so auch schon Arnold, Die GmbH und Co. KGaA, S. 130.

463

1330

§ 18

Der Aufsichtsrat in der KGaA

können, sind unbedenklich1. Anders bei sog. organschaftlichen Gremien, die zwar auch grundsätzlich zulässig sind, bei denen aber danach zu differenzieren ist, welche Kompetenzen ihnen übertragen werden. Dabei ist insbesondere zu unterscheiden, ob dem Gremium organschaftliche oder mitgliedschaftliche Kompetenzen übertragen werden und ob das Gremium (überwiegend) mit Gesellschaftern oder mit gesellschaftsfremden Mitgliedern besetzt ist2. Auf Grund der dabei bestehenden großen Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten sind hier nur die Grenzen zu skizzieren. So dürfen durch ein fakultatives Gremium gesetzlich zwingende Kompetenzzuweisungen nicht umgangen werden; die Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats gegenüber den Komplementären, der Hauptversammlung zustehende Kompetenzen, Erfordernisse bei Satzungsänderungen müssen erhalten bleiben; die Funktionsfähigkeit der übrigen Organen darf nicht beeinträchtigt werden3, und, soweit § 278 Abs. 3 AktG auf das Erste Buch verweist, gilt die aktienrechtliche Satzungsstrenge4. Auch die personengesellschaftsrechtlichen Grundsätze der Selbstorganschaft und der Verbandsautonomie sind zu berücksichtigen. So dürfen Geschäftsführungs- und Vertretungskompetenzen oder Weisungsrechte gegenüber der Geschäftsführung nur auf (überwiegend) mit Gesellschaftern besetzte Gremien übertragen werden5. Bei der Verlagerung mitgliedschaftlicher Rechte auf ein solches Gremium darf der Kernbereich der Mitgliedschaft nicht angetastet werden. Keine Beschränkung für die Ausgestaltung fakultativer Organe ergibt sich aus den Vorschriften des Mitbestimmungsrechts, da dieses an die ihm vorgegebenen gesellschaftsrechtlich zulässigen Gestaltungen anknüpft6. Auch bezieht sich die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats nur auf die Geschäftsführung durch die persönlich haftenden Gesellschafter; einen Beirat, dem Geschäftsführungskompetenzen eingeräumt sind, hat der Aufsichtsrat grundsätzlich nicht zu kontrollieren7. Herauszuheben ist, dass in allen genannten Punkten eine sorgfältige und umfassende Regelung in der Satzung unabdingbare Voraussetzung für ein funktionierendes Zusammenwirken aller Organe und Gremien ist. Dort sollte beispielsweise festgelegt sein, ob das Gremium Organ der Gesellschaft oder der Gesellschaftergruppen ist, ob das Gremium eigene Geschäftsordnungskompetenz haben soll, ob Wett-

1 Assmann/Sethe in FS Lutter, S. 251, 256 m.w.N. 2 Assmann/Sethe in FS Lutter, S. 251, 261; Mertens/Cahn, Kölner Komm. AktG, § 287 Rn. 28 ff. 3 Assmann/Sethe in FS Lutter, S. 251, 260 f. 4 Mertens/Cahn, Kölner Komm. AktG, § 287 Rn. 28. 5 Assmann/Sethe in FS Lutter, S. 251, 259. 6 Assmann/Sethe in FS Lutter, S. 251, 264. 7 Bürgers in Schütz/Bürgers/Riotte, Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, § 5 Rn. 595 f.; Assmann/Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 35.

464

Haftung

§ 18

bewerbsverbote für die Mitglieder des Gremiums bestehen und so fort1. Möglich ist es also, ein aufsichtsratsähnliches Gremium zu schaffen, das mit dem Recht zur Entscheidung über die Aufnahme neuer persönlich haftender Gesellschafter und damit geschäftsführungs- und vertretungsbefugter Mitglieder ausgestattet ist, ohne dass dieses Gremium mit Arbeitnehmervertretern besetzt wäre. Einem solchen Gremium ließe sich auch das Recht zu Festlegung von Zustimmungsvorbehalten einräumen. Dies gilt jedoch nur, solange damit keine dem Aufsichtsrat zwingend zustehenden Kompetenzen entzogen werden.

1331

Solche Gestaltungsmöglichkeiten erweitern sich noch um ein Vielfaches bei der Kapitalgesellschaft und Co. KGaA2. Allerdings besteht auch für die Mitglieder dieser Gremien ein Haftungsrisiko3.

1332

VII. Haftung Aufsichtsräte in der KGaA haften über § 278 Abs. 3 AktG wie ihre 1333 Kollegen in der AG gemäß §§ 116, 93 AktG4. Sie sind also der Gesellschaft zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der aus der Verletzung ihrer Pflichten entsteht. Für den Aufsichtsrat in der KGaA bedeutet dies daher auch, dass er Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern grundsätzlich durchzusetzen hat. Unterlässt er dies pflichtwidrig, kommt seine eigene Haftung in Betracht5. Da aber, wie oben dargelegt, der Umfang der Pflichten geringer ist als in der AG, ist auch das Haftungsrisiko für Aufsichtsräte in der KGaA geringer. Gleichwohl unterliegen auch sie bei den ihnen verbliebenen Pflichten dem Sorgfaltsmaßstab des § 93 AktG. Einstweilen frei.

1334–1350

1 Assmann/Sethe in FS Lutter, S. 251, 264. 2 Vgl. dazu Assmann/Sethe in FS Lutter, S. 251, 265 f. 3 Dazu ausführlich Assmann/Sethe in FS Lutter, S. 251, 268 ff.; Assmann/ Sethe, Großkomm. AktG, § 287 Rn. 119 ff. 4 Siehe oben Rn. 981 ff. 5 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 ff. = AG 1997, 377 (ARAG).

465

§ 19 Das Aufsichtsorgan in der SE mit Sitz in Deutschland I. Überblick Am 8. Oktober 2004 trat die SE-Verordnung1 (SE-VO) in Kraft und 1351 führte die Societas Europaea (SE) als supranationale Rechtsform europaweit ein, flankiert von nationalen Ausführungsgesetzen2 und der Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober 2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer3. Da die Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft lediglich einen Regelungsrahmen vorgibt4, im Übrigen die Anwendung des nationalen (Aktien-)Rechts des Sitzstaates vorsieht, gibt es die SE in 27 + 3 nationalen Ausprägungen. Höchstens 40 % des Rechts einer SE sind europäisch, die übrigen 60 % des anwendbaren Rechts entfallen auf nationales Recht. Eine Darstellung aller Varianten würde den Rahmen dieses Buches sprengen. Daher beschränkt sich das folgende Kapitel auf die Rechte und Pflichten des Aufsichtsorgans und seiner Mitglieder in der dualistisch organisierten SE mit Sitz in Deutschland5.

1 Art. 70 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. EG Nr. L 294 vom 10.11.2001, S. 1 ff., abgedr. u.a. in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, S. 1 ff. 2 Für Deutschland: Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (SEAG) vom 22.12.2004 als Art. 1 Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft vom 22.12.2004, BGBl. I 2004, 3675, abgedr. u.a. in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, S. 29 ff. 3 Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober 2001, ABl. EG Nr. L 294 vom 10.11.2001, S. 22, umgesetzt durch Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SEBG) vom 22.12.2004 als Art. 2 Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft vom 22.12.2004, BGBl. I 2004, 3675, 3686, abgedr. u.a. in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, S. 1189 ff. 4 Vgl. zum Verhältnis von nationalem zu Gemeinschaftsrecht insbes. Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, Europäische Gesellschaft, S. 5 ff. 5 Die SE mit Sitz in Deutschland kann auch mit monistischer Verfassung gegründet werden, Art. 43 ff. SE-VO. Dann besteht in dieser Gesellschaft kein Aufsichtsorgan; näher dazu Teichmann in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 43 Rn. 63 ff.

467

§ 19

Das Aufsichtsorgan in der SE mit Sitz in Deutschland

II. Die Grundstrukturen des Aufsichtsorgans in der dualistischen SE 1352

Nicht nur dem hohen Anteil nationalen Rechts sondern auch der Ausgestaltung des „two tier systems“ in der SE-VO ist die enge Verwandtschaft des Aufsichtsorgans einer SE mit dem Aufsichtsrat einer deutschen Aktiengesellschaft geschuldet. Bis auf zwei wichtige Ausnahmen funktioniert das Aufsichtsorgan im Prinzip wie ein Aufsichtsrat in einer AG. Aufgabe des Aufsichtsorgans in der SE ist damit gleichfalls die Bestellung und Abberufung der Mitglieder des Leitungsorgans, deren Kontrolle sowie ihre Beratung, in einigen Angelegenheiten auch die echte Mitentscheidung1.

1353

1. Eine Ausnahme betrifft die unternehmerische Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der SE. Das deutsche Mitbestimmungsgesetz findet auf die SE keine Anwendung2, vielmehr sieht die SE-VO im Zusammenspiel mit der Richtlinie 2001/86/EG, die als SEBG ihre nationale Umsetzung erfahren hat, eine Verhandlungslösung mit einer Auffangregelung über die Fragen der Arbeitnehmerbeteiligung vor. Anders als bei einer dem MitbestG unterliegenden AG richtet sich die Zahl der Mitglieder des Aufsichtsorgans nicht nach der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer (§ 7 MitbestG), sondern (innerhalb der Grenzen von § 17 Abs. 1 SEAG) nach der Satzung der SE und steht damit zur Disposition der Gründer bzw. der Hauptversammlung3.

1354

2. Als zweite Ausnahme sieht das Recht der SE keine dynamische Anpassung der Intensität der Mitbestimmung in Abhängigkeit zur Zahl der Arbeitnehmer vor (Drittelbeteiligung, paritätische Mitbestimmung), sondern schreibt das Ausmaß der Mitbestimmung zum Zeitpunkt der Gründung der SE für immer fest, gleichgültig wie sich die Zahl der Arbeitnehmer in der Zukunft entwickelt. Nach der Auffanglösung entspricht dies, sehr vereinfacht, dem höchsten Anteil an Arbeitnehmervertretern in den Organen der an der Gründung beteiligten Gesellschaft(en). Lediglich eine strukturelle Änderung der SE kann unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 SEBG eine Nachverhandlung über die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer auslösen4. 1 Vgl. für die AG Rn. 62. 2 Oetker in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, § 47 SEBG Rn. 6; Hennings in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 13 SE-RL Rn. 3 f.; Jacobs, MünchKomm. AktG, § 47 SEBG Rn. 7. 3 Umstritten ist, ob die Größe des Aufsichtsorgans auch Gegenstand der Vereinbarung mit dem Besonderen Verhandlungsgremium der Arbeitnehmer nach SEBG sein kann; dazu Oetker in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, § 21 SEBG Rn. 36; Habersack, AG 2006, 345 ff. und Oetker, ZIP 2006, 1113 ff., jeweils m.w.N. 4 Vgl. dazu Oetker in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, § 18 SEBG Rn. 15 ff.; Ringe, NZG 2006, 931 ff.; Rieble, BB 2006, 2018 ff.

468

Zusammensetzung und Organisation

§ 19

III. Anwendbares Recht Die Frage, welches Recht, welche nationalen Gesetze und europäischen Regelungsakte auf die SE anzuwenden ist, lässt sich nicht ganz einfach beantworten1. Unabhängig von der Diskussion um die Zahl der Regelungsebenen und der Hierarchie in der Normenpyramide2, steht die SE-VO als unmittelbar anwendbare Verordnung und mit ihr Art. 9 SE-VO im Zentrum.

1355

Nach Art. 9 SE-VO gilt zunächst die Verordnung selbst und, soweit 1356 sie es zulässt, die Satzung der SE. Komplizierter ist die Anwendung von nationalem Recht gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. c SE-VO. Dieses gilt für die nicht in der SE-VO geregelten Bereiche. Sobald dieser Bereich eröffnet ist, gilt zunächst das SEAG (i), dann das deutsche Aktienrecht (ii) und schließlich (iii) die Satzung, soweit sie der Satzungsstrenge des § 23 Abs 5 AktG genügt. Damit ergeben sich vier Ebenen: SE-VO, SEAG, AktG und Satzung3. Vereinfacht gesagt: Es gilt für die SE das allgemeine nationale Aktienrecht des Sitzstaates, soweit es nicht durch die speziellen Regelungen der Satzung bzw. die vorrangigen Bestimmungen des Ausführungsgesetzes und der SE-VO verdrängt wird4.

IV. Zusammensetzung und Organisation 1. Zusammensetzung des Aufsichtsorgans Die Mitglieder des Aufsichtsorgans werden in der SE grundsätzlich von der Hauptversammlung bestellt, Art. 40 Abs. 2 Satz 1 SE-VO. Es ist jedoch zwischen den Vertretern der Anteilseigner und denen der Arbeitnehmer zu unterscheiden, bei letzteren nochmals, ob eine Verhandlungslösung oder die Auffangregelung zur Anwendung kommt5. 1 Ausführlich zur Normenhierarchie Oetker in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, § 18 SEBG Rn. 15 ff.; Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, Europäische Gesellschaft, S. 5 ff. 2 Vgl. dazu Hommelhoff/Teichmann in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 9 SE-VO (§ 1 SEAG) Rn. 34 ff.; Theisen/Wenz in Theisen/Wenz, Die Europäische Aktiengesellschaft, S. 51; Kübler, MünchKomm. AktG, Einf. Europ. Gesellschaft, Rn. 20 ff.; C. Schäfer, MünchKomm. AktG, Art. 9 SE-VO Rn. 21 ff. 3 Hommelhoff/Teichmann in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 9 SE-VO (§ 1 SEAG) Rn. 34 ff.; a.A. C. Schäfer, MünchKomm. AktG, Art. 9 SE-VO Rn. 21 (nur 3 Ebenen). 4 Hommelhoff/Teichmann in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 9 SE-VO (§ 1 SEAG) Rn. 42; C. Schäfer, MünchKomm. AktG, Art. 9 SE-VO Rn. 2. 5 Für das erste Aufsichtsorgan ist überaus umstritten, ob dieses bereits mitbestimmt ist und ob nationales Recht (§§ 30, 31 AktG) zur Anwendung kommt, vgl. Drygala in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 40 SE-VO

469

1357

§ 19

Das Aufsichtsorgan in der SE mit Sitz in Deutschland

1358

Im Regelfall, und damit jedenfalls für die Anteilseignervertreter, erfolgt die Bestellung entweder durch Wahl in der Hauptversammlung oder durch Entsendung. Art. 53 SE-VO verweist für Organisation und Ablauf der Hauptversammlung auf die Vorschriften für die Aktiengesellschaften des Sitzstaats, womit die aktienrechtlichen Regelungen für die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder einer AG zur Anwendung kommen1. Die Zulässigkeit der Bestellung von Entsenderechten ergibt sich aus Art. 47 Abs. 4 SE-VO, mangels ausdrücklicher Regelung in der SE-VO richtet sich die Entsendung gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO nach § 101 Abs. 2 AktG2.

1359

Für die Bestellung der Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsorgan gilt gemäß Art. 40 Abs. 2 Satz 3 SE-VO zunächst die Vereinbarung, die im Verfahren über die Beteiligung der Arbeitnehmer nach dem SEBG erzielt worden ist3. Gegenstand dieser Vereinbarung können das Recht der Arbeitnehmer sein, einen Teil der Mitglieder des Aufsichtsorgans selbst und direkt zu wählen oder zu bestellen, oder aber, die Bestellung eines Teils oder aller Mitglieder des Aufsichtsorgans zu empfehlen oder abzulehnen, § 21 Abs. 3 SEBG4. Findet die Auffangregelung Anwendung, so wählt die Hauptversammlung gemäß § 36 Abs. 4 SE-VO alle Mitglieder des Aufsichtsorgans, sie ist aber für die Vertreter der Arbeitnehmer an deren Vorschläge gebunden5.

1360

Im Übrigen sind die Vorschriften über die gerichtliche Entscheidung der Zusammensetzung des Aufsichtsrats gemäß §§ 98 f. und § 104 AktG anwendbar.

2. Abberufung 1361

Die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern ist in der SE-VO nicht geregelt. Gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO kommt folglich nationa-

1 2 3 4 5

Rn. 16; Schwarz, Komm. SE-VO, Art. 40 Rn. 51 ff.; Reichert/Brandes, MünchKomm. AktG, Art. 40 SE-VO Rn. 43 ff.; Manz in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 40 SE-VO Rn. 25. Drygala in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 40 SE-VO Rn. 6; Manz in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 40 SE-VO Rn. 23; Reichert/Brandes, MünchKomm. AktG, Art. 40 SE-VO Rn. 29. Drygala in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 40 SE-VO Rn. 6; Reichert/ Brandes, MünchKomm. AktG, Art. 40 SE-VO Rn. 35. Drygala in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 40 SE-VO Rn. 7; Schwarz, Komm. SE-VO, Art. 40 Rn. 32. Drygala in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 40 SE-VO Rn. 7; Reichert/ Brandes, MünchKomm. AktG, Art. 40 SE-VO Rn. 26. Drygala in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 40 SE-VO Rn. 7; Kritisch Schwarz, Komm. SE-VO, Art. 40 Rn. 44, der § 36 Abs. 4 SEBG für nicht verordnungskonform hält und der Bestellung durch die Hauptversammlung nur deklaratorischen Charakter attestiert.

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Zusammensetzung und Organisation

§ 19

les Recht und damit § 103 AktG zur Anwendung1. Auch die Amtsniederlegung richtet sich nach nationalem Recht2. Arbeitnehmervertreter, die auf Grundlage der Auffanglösung Mitglieder des Aufsichtsorgans geworden sind, können nach Maßgabe von § 37 Abs. 1 SEBG vorzeitig abberufen werden.

3. Amtszeit Die Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder richtet sich nach der Sat- 1362 zung der SE. Diese hat, anders als die Satzung einer AG, zwingend einen Bestellungszeitraum festzulegen3, dieser Zeitraum darf sechs Jahre nicht überschreiten, Art. 46 Abs. 1 SE-VO. Man wird es aber als ausreichend ansehen können, in der Satzung eine Höchstdauer vorzusehen, und es im Detail dem Bestellungsorgan zu überlassen, diese Regelung auszufüllen4. Eine Wiederbestellung kann, wie sich aus Art. 46 Abs. 2 SE-VO ergibt, zwar nicht automatisch erfolgen, ist aber vorbehaltlich satzungsmäßiger Einschränkungen möglich5. Bei vorzeitiger Wiederbestellung ist der Rest der laufenden Amtszeit in die Berechnung der zulässigen Höchstdauer einzubeziehen, um eine Umgehung der Begrenzung auf sechs Jahre zu verhindern6. Damit sind die für die Satzungsgestaltung relevanten Punkte der 1363 Amtszeit und der Wiederbestellung abschließend in der SE-VO geregelt, so dass die Anwendbarkeit nationalen Rechts insoweit nicht in Betracht kommt.

1 Drygala in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 40 SE-VO Rn. 10; Manz in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 40 SE-VO Rn. 27; i.E. auch Reichert/Brandes, MünchKomm. AktG, Art. 40 SE-VO Rn. 60 (die Art. 52 Satz 2 und Art. 57 Satz 2 SE-VO als Verweisungsnorm sehen); gegen eine jederzeitige freie Abberufung Hommelhoff, AG 2001, 279, 283. 2 Drygala in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 40 SE-VO Rn. 11; Reichert/ Brandes, MünchKomm. AktG, Art. 40 SE-VO Rn. 66. 3 Teichmann in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 46 SE-VO Rn. 3; Reichert/Brandes, MünchKomm. AktG, Art. 46 SE-VO Rn. 3. 4 Teichmann in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 46 SE-VO Rn. 4; Reichert/Brandes, MünchKomm. AktG, Art. 46 SE-VO Rn. 3. 5 Teichmann in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 46 SE-VO Rn. 9 f.; Manz in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 46 SE-VO Rn. 4; Reichert/Brandes, MünchKomm. AktG, Art. 46 SE-VO Rn. 12. 6 Teichmann in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 46 SE-VO Rn. 10; Reichert/Brandes, MünchKomm. AktG, Art. 46 SE-VO Rn. 12.

471

§ 19

Das Aufsichtsorgan in der SE mit Sitz in Deutschland

4. Vorsitz 1364

Nach Art. 50 Abs. 2 SE-VO gibt in Abstimmungen die Stimme des Vorsitzenden des Aufsichtsorgans bei Stimmengleichheit den Ausschlag1. Dies sichert, in Verbindung mit der Tatsache, dass in paritätisch mitbestimmten Gesellschaften nur ein Vertreter der Kapitalseite zum Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt werden darf (Art. 42 Satz 2 SE-VO), das Letztentscheidungsrecht der Anteilseigner2. Außer in paritätisch mitbestimmten Gesellschaften ist eine abweichende Satzungsgestaltung möglich.

5. Geschäftsordnung für das Aufsichtsorgan, Beschlussfassung und Stellvertretung 1365

a) Das Aufsichtsorgan in der SE entscheidet durch Beschluss. Die Regelungen über die Beschlussfähigkeit und Beschlussfassung sind dabei einer Ausgestaltung durch die Satzung zugänglich, wenn auch mit Ausnahmen für Gesellschaften mit paritätischer Arbeitnehmermitbestimmung.

1366

So sieht die SE-VO in Art. 50 Abs. 1 lit. a die Beschlussfähigkeit der Organe vor, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend oder vertreten ist. Eine abweichende Regelung in der Satzung, nach der ein größeres Quorum vonnöten ist, würde es den Arbeitnehmervertreter ermöglichen, eine Beschlussfassung im Aufsichtsorgan zu verhindern, und ist daher für paritätisch mitbestimmte Gesellschaften unzulässig3. Die Beschlussfassung selbst erfolgt gemäß Art. 50 Abs. 1 lit. b SE-VO mit der Mehrheit der anwesenden oder vertretenen Mitglieder. Da überaus umstritten ist, ob Enthaltungen und ungültige Stimmen nicht mitgezählt4 oder, wie der Wortlaut im Gegensatz zu Art. 58 SE-VO nahelegt, als „Nein“-Stimmen gewertet werden5, ist eine Regelung in der Satzung sehr empfehlenswert. Die1 Anders als in der AG hat der Aufsichtsratsvorsitzende keine zweite Stimme (§ 29 Abs. 2 MitbestG), die Stimme des Vorsitzenden des Aufsichtsorgans ist für das Abstimmungsergebnis verbindlich, vgl. Teichmann in Lutter/ Hommelhoff, Komm. SE, Art. 50 SE-VO Rn. 24; Reichert/Brandes, MünchKomm. AktG, Art. 50 SE-VO Rn. 17. 2 Teichmann in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 50 SE-VO Rn. 26; Manz in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 50 SEVO Rn. 18. 3 Teichmann in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 50 SE-VO Rn. 26; Reichert/Brandes, MünchKomm. AktG, Art. 50 SE-VO Rn. 5. 4 Teichmann in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 50 SE-VO Rn. 17; Manz in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 50 SEVO Rn. 4. 5 Schwarz, Komm. SE-VO, Art. 50 Rn. 12, ausführlich Reichert/Brandes, MünchKomm. AktG, Art. 50 SE-VO Rn. 12 ff.

472

Zusammensetzung und Organisation

§ 19

se könnte beispielsweise eine Beschlussfassung mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen vorsehen1. Beschlussverfahren ohne Sitzung richten sich mangels ausdrücklicher Bestimmung in der Verordnung nach § 108 Abs. 4 AktG, können also schriftlich, fernmündlich oder in vergleichbarer Form vorgenommen werden (dazu Rn. 726). b) Anders als im Aufsichtsrat einer AG können sich die Mitglieder des Aufsichtsorgans der SE auch vertreten lassen, wie die Formulierungen in Art. 50 Abs. 1 SE-VO zeigen; europäisches Recht geht insoweit nationalem Recht vor2. Die Stimmbotenschaft ist aber, als Minus zur Vertretung, gleichwohl zulässig3.

1367

c) Das Aufsichtsorgan kann sich schließlich eine Geschäftsordnung 1368 geben; mangels Regelung in der SE-VO richtet sich diese nach nationalem Aktienrecht (Rn. 652 f.). Damit kann sie, sofern ihr Bestimmungen in der Satzung und in nationalen Gesetzen sowie der SE-VO nicht entgegenstehen, alle Fragen der inneren Organisation des Aufsichtsorgans regeln4.

6. Wahrnehmung der Geschäftsleitung durch Mitglieder des Aufsichtsorgans Als Ausnahme zur Inkompatibilität von Mitgliedschaft im Leitungs- 1369 und im Aufsichtsorgan ermöglicht Art. 39 Abs. 3 SE-VO i.V.m. § 15 SE-AG5, einen nicht besetzten Posten im Leitungsorgan durch ein Mitglied des Aufsichtsorgans zu besetzen. Über diese Abstellung eines seiner Mitglieder entscheidet der Aufsichtsrat durch Beschluss, die Abstellung ist nur für einen im Voraus bestimmten Zeitraum zulässig, der auch bei wiederholter Bestellung oder Verlängerung ein Jahr nicht überschreiten darf. Voraussetzung für eine Abordnung ist, dass ein Posten im Leitungsorgan nicht besetzt ist. Darunter fällt sowohl eine anfängliche Unterbesetzung sowie eine dauerhafte Verhinderung eines bestellten Mitgliedes des Leitungsorgans. Anders als bei

1 Siehe zum Aktienrecht oben Rn. 730 ff. 2 Teichmann in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 50 SE-VO Rn. 15; Manz in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 50 SEVO Rn. 5. 3 Teichmann in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 50 SE-VO Rn. 15; Schwarz, Komm. SE-VO, Art. 50 Rn. 7. 4 Schwarz, Komm. SE-VO, Art. 40 Rn. 87. 5 Vgl. auch Seibt in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 39 SE-VO (§§ 15, 16 SEAG) Rn. 34 ff.; Manz in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 39 SE-VO Rn. 45.

473

§ 19

Das Aufsichtsorgan in der SE mit Sitz in Deutschland

der vergleichbaren Vorschrift in § 105 Abs. 2 AktG kommt eine Abstellung bei nur vorübergehender Verhinderung nicht in Betracht1. 1370

Für die Zeit der Abstellung ruht das Amt des abgestellten Mitglieds im Aufsichtsorgan, die Mitgliedschaft selbst bleibt aber erhalten.

7. Zahl der Sitzungen, Einberufung 1371

Über die Zahl der Sitzungen schweigt sich die SE-VO aus. § 110 Abs. 3 AktG findet damit über Art. 9 Abs. 1 lit c ii SE-VO Anwendung, so dass das Aufsichtsorgan halbjährlich mindestens zweimal zusammentreten muss, bei börsenfernen Gesellschaften genügt aber auch nur eine Sitzung im Halbjahr. Darüber hinaus kann jedes Mitglied des Aufsichtsorgans sowie das Leitungsorgan jederzeit vom Vorsitzenden des Aufsichtsorgans verlangen, dass dieser das Aufsichtsorgan unverzüglich einberuft, § 110 Abs. 1 und 2 AktG sind ebenfalls anwendbar.

8. Ausschüsse 1372

Die Bildung von Ausschüssen innerhalb des Aufsichtsorgans folgt, da die SE-VO keine Ausschüsse vorsieht2, grundsätzlich nationalem Recht, § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG. Die Einrichtung von und die Beratung in den Ausschüssen ist daher ohne Weiteres möglich. Anders sieht es bei Beschlüssen aus. Diese können nicht auf einen Ausschuss delegiert werden, da die SE-VO in Art. 40 Abs. 1 die Überwachung dem gesamten Aufsichtsorgan zuweist und für die Beschlussfassung in Art. 50 SE-VO auch keinerlei Ausnahmen vorsieht3.

V. Überwachung 1373

Die zentrale Aufgabe des Aufsichtsorgans besteht auch in der SE in der Überwachung der Führung der Geschäfte durch das Leitungsorgan. Das Aufsichtsorgan darf, wie der Aufsichtsrat in der AG auch, die Geschäfte der SE nicht selbst führen, Art. 40 Abs. 1 Satz 2 SE-VO. 1 Seibt in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 39 SE-VO (§§ 15, 16 SEAG) Rn. 36; Schwarz, Komm. SE-VO, Art. 39 Rn. 67; Reichert/Brandes, MünchKomm. AktG, Art. 39 SE-VO Rn. 50. 2 Drygala in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 40 SE-VO Rn. 5; Manz in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 40 SE-VO Rn. 5. 3 So auch Teichmann in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 50 SE-VO Rn. 22 f.; Manz in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 40 SE-VO Rn. 4; a.A. Schwarz, Komm. SE-VO, Art. 40 Rn. 23.

474

Überwachung

§ 19

1. Überblick Das wichtigste Mittel der Überwachung ist die Information. Ohne genaue Information können sich die Mitglieder des Aufsichtsorgans kein Bild über die Rechtmäßigkeit, Ordnungsmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung durch das Leitungsorgan machen. Das Wissen um die Vorgänge innerhalb der Gesellschaft ist mithin unerlässliche Voraussetzung für eine funktionierende Kontrolle.

1374

2. Information Die Be- und Verschaffung dieser Informationen ist in Art. 41 SE-VO 1375 geregelt. Davon umfasst ist sowohl eine selbständige Pflicht des Leitungsorgans zu regelmäßigen und zu außerordentlichen Berichten als auch das Recht des Aufsichtsorgans, alle erforderlichen Informationen zu verlangen sowie Überprüfungen vorzunehmen bzw. vornehmen zu lassen. Umstritten ist, ob und in welchem Umfang nationales Recht und damit §§ 90, 111 Abs. 2 AktG neben Art. 41 SE-VO Anwendung finden1; Einigkeit besteht jedoch insoweit, dass sich inhaltlich kaum ein Unterschied zur Information des Aufsichtsrats in der AG ergibt2. a) Information des Aufsichtsorgans gemäß Art. 41 SE-VO Die Information des Aufsichtsorgans erfolgt, wie bereits angedeutet, 1376 zum einen unaufgefordert durch selbständige Unterrichtung durch das Leitungsorgan, sei es regelmäßig (Art. 41 Abs. 1 SE-VO), sei es aus besonderem Anlass (Art. 41 Abs. 2 SE-VO). Auch jedesmal dann, wenn das Leitungsorgan eine Entscheidung des Aufsichtsorgans, beispielsweise einen Beschluss über ein zustimmungsbedürftiges Geschäft, herbeiführen will oder muss, hat es das Aufsichtsorgan im Vorfeld ausführlich zu unterrichten3. Zum anderen kann die Initiative vom Aufsichtsorgan ausgehen: Art. 41 Abs. 3 SE-VO berechtigt das Aufsichtsorgan, vom Leitungsorgan jegliche Informationen zu verlangen, die zur Ausübung der Kontrolle erforderlich sind (Art. 41 Abs. 3 SE-VO), und kann entsprechende Überprüfungen vornehmen bzw. 1 Ablehnend Schwarz, Komm. SE-VO, Art. 41 Rn. 33; Manz in Manz/Mayer/ Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 41 SE-VO Rn. 31; a.A. Reichert/Brandes, MünchKomm. AktG, Art. 41 SE-VO Rn. 3; differenzierend Krieger/Sailer in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 41 SE-VO Rn. 2. 2 Krieger/Sailer in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 41 SE-VO Rn. 2; Manz in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 41 SE-VO Rn. 31; Reichert/Brandes, MünchKomm. AktG, Art. 41 SE-VO Rn. 2. 3 Krieger/Sailer in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 41 SE-VO Rn. 3.

475

§ 19

Das Aufsichtsorgan in der SE mit Sitz in Deutschland

vornehmen lassen (Art 41 Abs. 4 SE-VO). Diese Systematik entspricht der in der AG. 1377

aa) Die Berichte des Leitungsorgans gemäß Art. 41 Abs. 1 SE-VO haben mindestens alle drei Monate zu erfolgen (Quartalsberichte) und entsprechen im Wesentlichen § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AktG1. Insoweit kann auf die Ausführungen oben (Rn. 193 ff.) verwiesen werden. Der Bericht nach Art. 41 Abs. 1 SE-VO umfasst dabei auch Ausführungen über die Unternehmensplanung und die Rentabilität, so dass insoweit kein Rückgriff auf nationales Recht in Betracht kommt2. Aus der Formulierung des Art. 41 Abs. 1 SE-VO folgt außerdem die Pflicht zu zukunftsgerichteter Berichterstattung, verbunden mit sog. „follow up“-Berichterstattung, in der auf die Vergleichszahlen zum vorangegangenen Zeitraum und zu den Planzahlen einzugehen ist3. Selbstverständlich ist die Berichtsintensität immer auch von der einzelnen SE und ihrer Größe, ihren Geschäftsfeldern etc. sowie ihrer wirtschaftlichen Lage abhängig. Auch sind ggf. abhängige Gesellschaften in den Bericht einzubeziehen4, soweit sich deren Lage auf die der SE auswirkt.

1378

bb) Über Ereignisse, die sich spürbar auf die Lage der SE auswirken können, hat das Leitungsorgan dem Aufsichtsorgan rechtzeitig zu berichten und alle Informationen mitzuteilen. Art. 41 Abs. 2 SE-VO vereint dabei in wesentlichen Zügen die Sonderberichte nach § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und § 90 Abs. 1 Satz 3 AktG5, wenngleich die Schwelle berichtspflichtiger Umstände in der SE niedriger ist („spürbare Auswirkungen“) als in der AG („erhebliche Bedeutung“)6. Die berichtsauslösenden Ereignisse können Vorkommnisse innerhalb der Gesellschaft sein oder von außen kommen, sie können positive oder negative Auswirkungen haben7. Rechtzeitig ist ein Bericht dann, wenn er vor dem Ereignis erstattet wird, und zwar dergestalt, dass das Aufsichtsorgan ggf. noch eigene Entscheidungen im Hinblick auf das Ereignis treffen kann, bei erhöhter Eilbedürftigkeit ist eine Information des Vorsitzenden statt des Gesamtorgans ausreichend8. War eine 1 Krieger/Sailer in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 41 SE-VO Rn. 2; Reichert/Brandes, MünchKomm. AktG, Art. 41 SE-VO Rn. 2, 5. 2 Krieger/Sailer in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 41 SE-VO Rn. 3; a.A. Reichert/Brandes, MünchKomm. AktG, Art. 41 SE-VO Rn. 3 3 Krieger/Sailer in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 41 SE-VO Rn. 6. 4 Schwarz, Komm. SE-VO, Art. 41 Rn. 8. 5 Vgl. zu den Sonderberichten in der AG oben Rn. 208 ff.; Beispiele bei Krieger/Sailer in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 41 SE-VO Rn. 13. 6 Krieger/Sailer in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 41 SE-VO Rn. 12; Schwarz, Komm. SE-VO, Art. 41 Rn. 20. 7 Reichert/Brandes, MünchKomm. AktG, Art. 41 SE-VO Rn. 7. 8 Krieger/Sailer in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 41 SE-VO Rn. 16 m.w.N.

476

Überwachung

§ 19

vorangehende Berichterstattung nicht mehr möglich, hat der Bericht unverzüglich danach zu erfolgen. cc) Wenngleich das Informationsrecht des Aufsichtsorgans aus 1379 Art. 41 Abs. 3 Satz 1 SE-VO seine nationale Entsprechung in § 90 Abs. 3 AktG findet1, geht es in seinem Ausmaß jedoch merklich darüber hinaus. Das Aufsichtsorgan kann und muss demnach jegliche Informationen, die zur Erfüllung seiner Kontrollaufgabe erforderlich sind, verlangen2. Darunter fallen auch Vorgänge in verbundenen Unternehmen, ohne dass diese von erheblichem Einfluss auf die Lage der SE sein müssten3. Art. 41 Abs. 3 SE-VO enthält eine Einschränkung, wie sie auch nationalem Recht entspricht: Adressat des Informationsverlangens ist grundsätzlich nur das Leitungsorgan. Angestellte unterhalb dieser Ebene beispielsweise können damit bis auf krasse Ausnahmefälle (z.B. Verdacht einer Straftat) nicht ohne die Zustimmung des Leitungsorgans als Informationsquelle in Anspruch genommen werden4. dd) Das Informationsrecht steht jedem einzelnen Mitglied des Auf- 1380 sichtsorgans zu, allerdings mit der Maßgabe, die Information nur an das Aufsichtsorgan als Ganzes verlangen zu können, Art. 41 Abs. 3 Satz 2 SE-VO i.V.m. § 18 SEAG. ee) Schließlich hat das Aufsichtsorgan das Recht, alle Überprüfungen 1381 vorzunehmen oder vornehmen zu lassen, die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind. Art. 41 Abs. 4 SE-VO kommt damit in der SE die Funktion zu, die § 111 Abs. 2 AktG in der AG erfüllt (vgl. oben Rn. 240). Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie sämtliche Vermögensgegenstände unterliegen seinem Prüfungrecht. Dabei ist es gleichgültig, ob diese Überprüfungen durch ein Mitglied des Aufsichtsorgans selbst durchgeführt, oder, wie es der Wortlaut gestattet, delegiert werden5. Zu beachten bleibt, dass sich das Überprüfungsrecht des Aufsichtsorgans ausschließlich auf „seine“ Gesellschaft bezieht, und sich nicht auf andere, wenn auch abhängige Gesellschaften erstreckt (siehe oben Rn. 244). ff) Von allen Informationen, die dem Aufsichtsorgan übermittelt wer- 1382 den, kann jedes einzelne Mitglied Kenntnis nehmen. Art. 41 Abs. 5 SE-VO umfasst damit, anders als bei der nationalen Komplementär1 Zur AG vgl. oben Rn. 212 ff. 2 Dies gilt freilich nur bis zur Grenze des offensichtlichen Missbrauchs, wobei dem Aufsichtsorgan ein weiter Ermessensspielraum zuzubilligen ist. 3 Krieger/Sailer in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 41 SE-VO Rn. 20. 4 Krieger/Sailer in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 41 SE-VO Rn. 22. 5 Bei Beauftragung eines Sachverständigen ist durch eine Vertraulichkeitsvereinbarung der Schutz der Gesellschaftsgeheimnisse sicherzustellen, vgl. Reichert/Brandes, MünchKomm. AktG, Art. 41 SE-VO Rn. 24.

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§ 19

Das Aufsichtsorgan in der SE mit Sitz in Deutschland

norm in § 90 Abs. 5 AktG, nicht nur Berichte, sondern sämtliche Informationen, die dem Aufsichtsorgan vorliegen, insbesondere dann, wenn die Informationen dem Vorsitzenden des Aufsichtsorgans als Empfangsvertreter übermittelt wurden1. Neben dem Recht auf Kenntnisnahme hat jedes einzelne Mitglied das Recht, Berichte in Textform übermittelt zu bekommen, soweit das Aufsichtsorgan für die Übermittlung nichts anderes beschlossen hat. § 90 Abs. 5 Satz 2 AktG findet mangels Regelung in der SE-VO über Art. 9 Abs. 1 lit. a ii SE-VO Anwendung2. 1383

gg) Auch hinsichtlich der Form der Berichte und der Art und Weise ihrer Erstattung schweigt sich die SE-VO aus, so dass diesbezüglich auf nationales Aktienrecht und damit auf § 90 Abs. 4 AktG zurückgegriffen werden kann3.

1384

Im Ergebnis zeigt sich also, dass die SE-VO für den Bereich der Information des Aufsichtsorgans in den überwiegenden Fällen Vorrang vor nationalem Recht hat, inhaltlich jedoch mindestens den Informations- und Berichtsstandards in der Aktiengesellschaft gerecht wird. Das Netz der Überwachung ist in der SE genauso engmaschig wie in der AG. b) Information des Aufsichtsorgans im Konzern

1385

Durch die Bildung eines Konzerns mit der SE an seiner Spitze nehmen der Umfang und die Komplexität der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsorgans zu, ohne dass damit eine Erweiterung seiner Rechte einhergeht. Das Aufsichtsorgan überwacht nach wie vor nur die Geschäftsführung durch das Leitungsorgan seiner SE. Dies umfasst jedoch auch die Führung des Konzerns durch das Leitungsorgan. Die Situation entspricht der in der AG, weshalb ein Verweis auf Rn. 131 ff. hier ausreicht. Dabei ist das Verhältnis der Rechte und Pflichten aus Art. 41 SE-VO zu nationalem Recht zu beachten, was dazu führt, das z.B. abhängige Gesellschaften in den Bericht nach Art. 41 Abs. 1 SEVO einzubeziehen sind, soweit sich deren Lage auf die SE auswirkt oder Ereignisse im Sinne von Art. 41 Abs. 2 SE-VO auch solche in verbundenen Unternehmen sein können. Aber auch nach Art. 41 SE-VO hat das Aufsichtsorgan der SE kein Zugriffsrecht auf Unterlagen oder Personal in abhängigen Gesellschaften, sondern kann nur auf Unterlagen zugreifen, die in der „eigenen“ SE vorhanden sind. Andererseits ergeben sich aber Möglichkeiten zur Einrichtung konzernweiter Zu1 Krieger/Sailer in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 41 SE-VO Rn. 30 f. 2 Krieger/Sailer in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 41 SE-VO Rn. 31. 3 Lediglich hinsichtlich der Rechtzeitigkeit der Berichte ist Art. 41 Abs. 2 SEVO abschließend, vgl. Krieger/Sailer in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 41 SE-VO Rn. 33; im Übrigen siehe Rn. 223 ff.

478

Überwachung

§ 19

stimmungsvorbehalte und einer auf Konzernbelange ausgerichteten Berichtsordnung1. c) Berichtsordnung Um aber das Netz der Information auf die Besonderheiten der einzel- 1386 nen SE anpassen zu können, und um so ihrer Größe, ihrer wirtschaftlichen Lage, ihrem Unternehmen und dem Konzern Rechnung zu tragen, empfiehlt sich der Erlass einer Berichtsordnung für das Leitungsorgan durch das Aufsichtsorgan. Bei einer Berichtsordnung handelt es sich der Sache nach um eine Geschäftsordnung (siehe oben Rn. 317), und da Geschäftsordnungen in der SE-VO keine Regelung erfahren haben, ist gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO § 77 Abs. 2 Satz 1 AktG für eine entsprechende Regelung einschlägig2. Für die Einzelheiten einer Berichtsordnung kann unter Berücksichtigung der Ausführungen zu Art. 41 SE-VO auf Rn. 317 ff. verwiesen werden3.

3. Verschwiegenheitspflicht Ebenso wie ihre Kollegen in den Aufsichtsräten unterliegen die Mitglieder des Aufsichtsorgans gemäß Art. 49 Halbsatz 1 SE-VO der Pflicht zur Verschwiegenheit4. Dies gilt insbesondere auch für die Arbeitnehmervertreter, § 38 Abs. 1 SEBG. Anders als in der AG umfasst die Pflicht zur Vertraulichkeit in der SE nicht nur vertrauliche Angaben und Geschäftsgeheimnisse, sondern alle Informationen, deren Verbreitung den Interessen der Gesellschaft schaden könnte5, unabhängig davon, ob die Informationen bereits bekannt sind6. Damit reicht eine mögliche Rufschädigung der Gesellschaft schon aus, um die Mitglieder des Organs zum Stillschweigen zu verpflichten. Ausnahmen von diesem Vertraulichkeitsgebot, das auch über das Ende der Amtszeit hinausreicht, ergeben sich gemäß § 48 Halbsatz 2 SEVO aus nationalem Recht oder dem öffentlichen Interesse. Für Gesellschaften mit Sitz in Deutschland bedeutet das beispielsweise den Vorrang der Ad-hoc-Publizität, ebenso wie für Auskunftsrechte von 1 Zur AG vgl. Lutter, AG 2006, 517. 2 Reichert/Brandes, MünchKomm. AktG, Art. 40 SE-VO Rn. 21. 3 Zur Berichtsordnung in der AG vgl. auch Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 100; zur Geschäftsordnung für den Verwaltungsrat einer monistischen SE vgl. Lutter/Kollmorgen/Feldhaus, BB 2007, 509 ff. 4 Teichmann in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 49 SE-VO Rn. 2; Reichert/Brandes, MünchKomm. AktG, Art. 49 SE-VO Rn. 5. 5 Teichmann in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 49 SE-VO Rn. 4; Manz in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 49 SEVO Rn. 5. 6 Teichmann in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 49 SE-VO Rn. 4; Manz in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 49 SEVO Rn. 8.

479

1387

§ 19

Das Aufsichtsorgan in der SE mit Sitz in Deutschland

Behörden oder gegenüber dem Abschlussprüfer1. Die Pflicht zur Vertraulichkeit ist das funktionale Pendant zum umfassenden Informationsrecht des Art. 41 SE-VO. Daher verbietet es sich z.B. für das Leitungsorgan, ein Berichtsverlangen des Aufsichtsorgans oder eines seiner Mitglieder mit der Begründung zurückzuweisen, bei den verlangten Informationen handele es sich um Geschäftsgeheimnisse.

4. Einwirkungsmöglichkeiten 1388

Das Aufsichtsorgan hat, entsprechend der Kompetenzverteilung in der SE, nur eingeschränkte Möglichkeiten, auf das Leitungsorgan einzuwirken. Neben (der Drohung mit) der Abberufung sind Zustimmungsvorbehalte und eine Geschäftsordnung für das Leitungsorgan als Regelungselemente zu nennen. a) Zustimmungsvorbehalte

1389

Zustimmungsvorbehalte sind eines der effektivsten Mittel des Aufsichtsorgans, auf die Geschäftsführung der Gesellschaft im Sinne einer vorbeugenden Überwachung Einfluss zu nehmen. Die Einrichtung von Zustimmungsvorbehalten richtet sich in der SE mit Sitz in Deutschland nach Art. 48 SE-VO i.V.m. § 19 SEAG. Danach hat, anders als in der AG, zunächst die Satzung zwingend Zustimmungsvorbehalte vorzusehen2. Eine Satzung ohne Zustimmungsvorbehalte ist fehlerhaft3. Im Anschluss an die Satzung hat das Aufsichtsorgan das Recht, diese Zustimmungsvorbehalte auszufüllen und zu ergänzen (Art. 48 Abs. 1 Satz 2 SE-VO i.V.m. § 19 SEAG). Die Möglichkeit des Aufsichtsorgans, eigene Zustimmungsvorbehalte festzulegen, kann auch ad-hoc ausgeübt werden4. Einen gesetzlichen Mindestkatalog gibt es für Deutschland nicht. Die Hauptversammlung der SE kann, wie in der AG, eine durch das Aufsichtsorgan verweigerte Zustimmung gemäß § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG ersetzen5. 1 Teichmann in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 49 SE-VO Rn. 8 ff.; Reichert/Brandes, MünchKomm. AktG, Art. 49 SE-VO Rn. 10 f. 2 Teichmann in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 48 SE-VO Rn. 5; Schwarz, Komm. SE-VO, Art. 48 Rn. 9. 3 Teichmann in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 48 SE-VO Rn. 6; Manz in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 48 SEVO Rn. 3. 4 Teichmann in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Anh. Art. 48 SE-VO (§ 19 SEAG) Rn. 3; Rn. 5; Manz in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 48 SE-VO Rn. 15. 5 Str., überzeugend Teichmann in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Anh. Art. 48 SE-VO (§ 19 SEAG) Rn. 5; Schwarz, Komm. SE-VO, Art. 48 Rn. 29; Reichert/Brandes, MünchKomm. AktG, Art. 49 SE-VO Rn. 16; a.A. Manz in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 48 SEVO Rn. 30.

480

Bestellung/Anstellung/Abberufung des Leitungsorgans

§ 19

Im Übrigen und insbesondere im Hinblick auf das zulässige Ausmaß von Zustimmungsvorbehalten mag hier der Verweis auf Rn. 103 ff. genügen.

1390

b) Geschäftsordnung für Leitungsorgan Eine Möglichkeit, die Arbeit des Leitungsorgans zu organisieren, be- 1391 steht für das Aufsichtsorgan im Erlass einer Geschäftsordnung mit Regelungen über die Geschäftsverteilung1. Die SE-VO ist insoweit regelungsoffen, so dass § 77 AktG über Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO Anwendung findet, sofern die Satzung der SE keine anderweitigen Regelungen trifft2.

VI. Bestellung/Anstellung/Abberufung des Leitungsorgans 1. Die für die Gesellschaft wohl wichtigsten Entscheidungen fällt das 1392 Aufsichtsorgan mit der Bestellung der Mitglieder des Leitungsorgans und deren Abberufung nach Art. 39 Abs. 2 Satz 1 SE-VO. Da der deutsche Gesetzgeber von der Ermächtigung in Satz 2 keinen Gebrauch gemacht hat, steht dem Aufsichtsorgan die alleinige Personalkompetenz zu. Die Anzahl der Mitglieder ergibt sich aus der Satzung, Art. 39 Abs. 4 Satz 1 SE-VO, konkretisiert durch § 16 Satz 1 SEAG. Eine Pflicht zur Bestellung eines Arbeitsdirektors kann sich aus § 38 Abs. 2 ergeben3. Die Bestellung erfolgt auf den in der Satzung bestimmten Zeitraum, der im Unterschied zu nationalem Recht maximal sechs Jahre (Art. 46 Abs. 1 SE-VO) beträgt; eine Wiederbestellung ist je nach Ausgestaltung der Satzung möglich, sie kann aber nicht automatisch erfolgen4. Hinsichtlich des Zeitpunkts der Wiederbestellung kommt über Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO nationales Recht und somit § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG zur Anwendung. 2. Die Abberufung von Mitgliedern des Leitungsorgans geht gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO nach nationalem Recht vonstatten, § 84

1 Seibt in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 39 SE-VO (§§ 15, 16 SEAG) Rn. 7; Schwarz, Komm. SE-VO, Art. 39 SE-VO Rn. 21, 95. 2 Seibt in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 39 SE-VO (§§ 15, 16 SEAG) Rn. 7; Manz in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 39 SE-VO Rn. 58, 92. 3 Seibt in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 39 SE-VO (§§ 15, 16 SEAG) Rn. 39; Dazu Manz in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 39 SE-VO Rn. 90. 4 Teichmann in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 47 SE-VO Rn. 9 f.; Manz in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 46 SE-VO Rn. 2.

481

1393

§ 19

Das Aufsichtsorgan in der SE mit Sitz in Deutschland

Abs. 3 AktG findet Anwendung. Entsprechendes gilt für die Amtsniederlegung1. 1394

3. Auch der Abschluss (und die Kündigung) des Anstellungsvertrags mit den Mitgliedern des Leitungsorgans obliegt, wie in der AG, dem Aufsichtsorgan. Dieses vertritt gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO i.V.m. § 112 AktG die Gesellschaft gegenüber jenen. Lediglich aus Art. 46 Abs. 1 SE-VO ergibt sich eine Abweichung zum Aktienrecht: Die Höchstdauer des Anstellungsvertrags richtet sich nach der maximalen Bestellungsdauer und darf damit sechs Jahre nicht überschreiten.

VII. Vertretung der Gesellschaft gegenüber Leitungsorgan 1395

Die Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Mitgliedern des Leitungsorgans ist in der SE-VO nicht geregelt, weshalb mit § 112 AktG nationales Recht zur Anwendung kommt. Der Verweis auf Rn. 432 ff. soll daher genügen.

VIII. Bilanz 1396

Im Hinblick auf Fragen der Rechnungslegung zeigt sich die SE-VO kurz und aussagekräftig: Art. 61 ordnet (vorbehaltlich des Art. 62 SEVO) die Anwendung des Rechts des Sitzstaates an. Dies bedeutet die Anwendung des nationalen Rechts für den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und den Jahresbericht, für die Prüfung ebenso wie für die Bestellung des Abschlussprüfers und die Erteilung des Prüfungsauftrags. Gleiches gilt für die umfassende Prüfungspflicht des Aufsichtsorgans und für die Offenlegung der Abschlüsse, ebenso wie für den Bericht des Aufsichtsorgans an die Hauptversammlung. Auch auf die Feststellung des Jahresabschlusses und die Gewinnverwendung ist nationales Recht anzuwenden (§§ 170 bis 176 AktG), die Verweisung erfolgt jedoch über Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO2.

1 Seibt in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 39 SE-VO (§§ 15, 16 SEAG) Rn. 25; Manz in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 39 SE-VO Rn. 33. 2 Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 61 SE-VO Rn. 19; Schwarz, Komm. SE-VO, Art. 61 Rn. 27.

482

Rechte und Pflichten des einzelnen Mitglieds

§ 19

IX. Erklärung zum Deutschen Corporate Governance Kodex Ein wenig schwieriger gestaltet sich die Erklärung zum Kodex. Da die 1397 SE-VO keine Vorschriften zu einer Entsprechenserklärung enthält, findet § 161 AktG über Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO Anwendung. Zu bedenken ist, dass der Kodex von seiner Struktur her auf eine Aktiengesellschaft deutschen Rechts zugeschnitten ist. Diese insgesamt nur geringen Unterschiede sind im Einzelnen bei der Entsprechenserklärung zu berücksichtigen1. Der Kodex selbst geht in seiner Präambel davon aus, dass er jedenfalls auf die SE mit Sitz in Deutschland und dualer Verfassung anwendbar ist.

X. Rechte und Pflichten des einzelnen Mitglieds Neben den Rechten und Pflichten des Organs sind auch die Rechte und Pflichten des einzelnen Mitglieds des Aufsichtsorgans denen von Aufsichtsratsmitgliedern sehr ähnlich.

1398

1. Persönliche Voraussetzungen Eine aus aktienrechtlicher Sicht wenig überraschende Erkenntnis ist 1399 zunächst die, dass Mitglieder des Aufsichtsorgans natürliche Personen sein müssen. Das ergibt sich aus Art. 47 Abs. 1 Satz 1 SE-VO für eine SE mit Sitz in Deutschland erst in Verbindung mit nationalem Recht, das eine andere Ausgestaltung nicht zulässt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 AktG). Die Verordnung selbst sieht eine abweichende Möglichkeit, also die Mitgliedschaft juristischer Personen in Organen der SE jedoch vor, wenn dies auch für nationale Aktiengesellschaften gilt. Das trifft für Deutschland nicht zu. Art. 47 Abs. 2 lit. a SE-VO verhindert es, dass Personen, die nach dem entsprechenden nationalen Recht nicht Mitglied eines Organs einer Aktiengesellschaft sein können, Mitglied eines der Organe der SE werden2. Im Ergebnis bedeutet dies die Anwendbarkeit von § 100 Abs. 1, 2 und § 105 Abs. 1 AktG und damit auch, dass Mitglieder des Aufsichtsorgans die für ihr Amt

1 Bei einer monistisch organisierten SE empfiehlt sich die vollständige Ablehnung des Kodex, solange dort keine diesbezüglichen Änderungen vorgenommen werden; vgl. Lutter, Kölner Komm. AktG, 3. Aufl, § 161 Rn. 17. 2 Zur Anwendbarkeit nicht auf alle Organe der SE sondern nur auf die der AG entsprechenden vgl. Teichmann in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 47 SE-VO Rn. 7 ff.; Schwarz, Komm. SE-VO, Art. 47 Rn. 22 f.

483

§ 19

Das Aufsichtsorgan in der SE mit Sitz in Deutschland

nötige Qualifikation mitbringen müssen1. Auch führt ein Verlust der Berechtigung zur Mitgliedschaft in einem Organ einer Aktiengesellschaft auf Grund einer Gerichts- und Verwaltungsentscheidung eines Mitgliedstaats, der nicht Sitzstaat sein muss2, zum Verlust der Fähigkeit, ein Amt in einem (Aufsichts-)Organ zu bekleiden, Art. 47 Abs. 2 lit. b SE-VO. Gleiches gilt gemäß Art. 47 Abs. 2 SE-VO a.E. auch für Vertreter von Organmitgliedern. Weitere persönliche Voraussetzungen kann gemäß Art. 47 Abs. 3 SE-VO die Satzung der jeweiligen SE festlegen, jedoch nur in einem Umfang, in dem dies auch nach nationalem Recht zulässig wäre und auch nur für Vertreter der Kapitalseite. Für eine SE mit Sitz in Deutschland bedeutet das beispielsweise, dass die freie Auswahl der Organmitglieder durch die Hauptversammlung gewährleistet sein muss3. Auch sind für Altersregelungen die Vorschriften des deutschen AGG zu berücksichtigen4. Weitere Voraussetzungen für Vertreter der Arbeitnehmerseite können sich aus einer Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer im Sinne von § 21 SEBG ergeben5. Schließlich können Entsendungsrechte eingeräumt werden, die sich nach nationalem Recht und damit nach § 101 Abs. 2 AktG richten.

2. Vergütung 1400

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshof zur Aufsichtsratsvergütung6 wirkt sich auch auf die Vergütung der Mitglieder des Aufsichtsorgans aus, da mangels Regelung in der SE-VO nationales Recht, also §§ 113, 114 AktG (i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO7) zur Anwendung kommt. Für die Details kann daher auf die entsprechenden Ausführungen oben (Rn. 842 ff.) verwiesen werden.

1 BGH v. 15.11.1982 – II ZR 27/82, BGHZ 85, 293, 295 = AG 1983, 133; Manz in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 47 SEVO Rn. 13 f. 2 Teichmann in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 47 SE-VO Rn. 5; Manz in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 47 SEVO Rn. 7. 3 Manz in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 47 SE-VO Rn. 19. 4 Dazu oben Rn. 1196 ff. sowie Lutter, BB 2007, 725. 5 Jacobs, MünchKomm. AktG, § 21 SEBG Rn. 19. 6 BGH v. 16.2.2004 – II ZR 316/02, BGHZ 158, 122 ff. = AG 2004, 265; BGH v. 3.7.2006 – II ZR 151/04, ZIP 2006, 1529; BGH v. 20.11.2006 – II ZR 279/05, ZIP 2007, 22; BGH v. 2.4.2007 – II ZR 325/05, ZIP 2007, 1056 und dafür Lutter in FS Westermann, 2008, S. 1171 ff. 7 Spindler in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 52 SE-VO Rn. 38 f.; Manz in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 40 SEVO Rn. 36.

484

Haftung

§ 19

3. Interessenkonflikte Ebenso sieht es bei Interessenkonflikten aus. Die Auflösung von Inte- 1401 ressenkollisionen hat die SE-VO ebenfalls nationalem Recht vorbehalten. §§ 114, 115 AktG i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SE-VO1 sowie die einschlägige nationale Rechtsprechung regeln diesen Bereich, weshalb auch hier der Verweis auf die AG genüge (Rn. 894 ff.)2.

XI. Haftung Schließlich unterstellt Art. 51 SE-VO die Haftung dem nationalstaatlichen Regime, und zwar in vollem Umfang. Sowohl die Binnenhaftung nach §§ 116, 93 AktG (siehe oben Rn. 981 ff.) sowie sonstiges Haftungsrecht, so z.B. auch § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Schutzgesetz und § 117 AktG, sind anzuwenden3. Einstweilen frei.

1402

1403–1420

1 Manz in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 40 SE-VO Rn. 39. 2 Zu Interessenkonflikten auch Lutter in FS Canaris, Bd. II S. 245 ff., und Lutter in FS Priester, S. 417 ff. Im Übrigen ist Ziff. 5.5 des Kodex zu beachten. 3 Teichmann in Lutter/Hommelhoff, Komm. SE, Art. 51 SE-VO Rn. 13, 15; Manz in Manz/Mayer/Schröder, Europäische Aktiengesellschaft SE, Art. 51 SE-VO Rn. 11.

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§ 20 Besonderheiten des Aufsichtsrats in Unternehmen der öffentlichen Hand I. Einführung Die öffentliche Hand bedient sich seit langem neben den Rechtsfor- 1421 men des öffentlichen Rechts auch privatrechtlicher Rechtsformen – namentlich der Aktiengesellschaft und der GmbH –, um öffentliche Einrichtungen zu betreiben. Insbesondere auf kommunaler Ebene ist es gang und gäbe, Stadtwerke, Verkehrsbetriebe, Häfen und Flughäfen, Messen, Sportstätten, Kultureinrichtungen usw. als GmbH oder AG zu organisieren. In vielen Fällen ist die öffentliche Hand dabei der einzige Gesellschafter, zunehmend sind neben ihr aber auch private Investoren beteiligt, namentlich bei den populären Public Private Partnerships, in denen Bund, Länder und Gemeinden große Investitionsprojekte gemeinsam mit privaten Investoren umsetzen1. Und schließlich sind die Fälle zu nennen, in denen die öffentliche Hand mit nennenswerten Anteilen an großen börsennotierten, ehemals staatlichen Unternehmen beteiligt ist2. Werden in Unternehmen mit Beteiligung der öffentlichen Hand Auf- 1422 sichtsräte gebildet, gelten für deren Aufgaben und Kompetenzen, ihre innere Ordnung und die Rechte und Pflichten ihrer Mitglieder zunächst die allgemeinen Regeln der jeweiligen Rechtsform, wie sie oben dargestellt wurden3. Die besondere Aufgabenstellung der öffentlichen Hand kann aber zu Besonderheiten auch im Hinblick auf die Stellung des Aufsichtsrats und seiner Mitglieder in Unternehmen der öffentlichen Hand führen und Konflikte zwischen dem öffentlichen und dem privaten Recht begründen4. Ständige Konfliktbereiche sind insbesondere die gesellschaftsrechtliche Weisungsfreiheit und die Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder.

1 Vgl. dazu etwa Schuppert, Grundzüge eines zu entwickelnden Verwaltungskooperationsrechts, Rechts- und verwaltungswissenschaftliches Gutachten erstellt im Auftrag des Bundesministerium des Inneren, 2001; Eifert, VerwArch 93 (2002), 561; Mehde, VerwArch 91 (2000), 540; Häfner, LKV 2005, 340; Kiethe, NZG 2006, 45. 2 Beispiele sind etwa die Beteiligungen der Ruhrgebietskommunen an der RWE AG, des Landes Niedersachsen an der Volkswagen AG oder des Bundes an der Deutsche Post AG und der Deutsche Telekom AG. 3 Vgl. dazu auch Nowak/Wanitschek-Klein, Der Konzern 2007, 665. 4 Oebbecke, Handbuch Kommunale Unternehmen, § 9 Rn. 1; Cronauge/ Westermann, Kommunale Unternehmen, Rn. 209.

487

§ 20

Besonderheiten in Unternehmen der öffentlichen Hand

II. Zusammensetzung des Aufsichtsrats 1423

Die Vorschriften des öffentlichen Haushaltsrechts machen Beteiligungen der öffentlichen Hand an Unternehmen privater Rechtsformen in der Regel davon abhängig, dass die öffentliche Hand einen angemessenen Einfluss, insbesondere im Aufsichtsrat, erhält1. Viele Gemeindeordnungen verpflichten die Gemeinden überdies, bei der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages einer Kapitalgesellschaft darauf hinzuwirken, dass ihnen das Recht eingeräumt wird, Mitglieder in den Aufsichtsrat zu „entsenden“2, wobei sich der Anteil der Vertreter der öffentlichen Hand im Allgemeinen an der Beteiligungsquote zu orientieren hat3. Über die Auswahl der kommunalen Vertreter entscheidet sodann der Rat4, was in der Praxis kommunaler Unternehmen häufig dazu führt, dass die Ratsfraktionen die zu besetzenden Plätze unter sich aufteilen. In manchen Gemeindeordnungen ist sogar vorgeschrieben, dass die Aufsichtsratssitze, die für Vertreter der Gemeinde zur Verfügung stehen, nach dem Verhältnis der Ratsfraktionen zu besetzen sind5. Solche Proporzregeln beschränken sich allerdings auf die kommunale Auswahlentscheidung und lassen den gesellschaftsrechtlichen Bestellungsakt unberührt. Auch eine Aufsichtsratswahl, die gegen Proporzregeln des Gemeinderechts verstößt, ist gesellschaftsrechtlich wirksam und nicht anfechtbar6.

1424

Zu betonen ist, dass öffentlich-rechtliche Proporzbestimmungen die Anforderungen an die persönliche Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder in keiner Weise berühren. Auch das auf Vorschlag der öffentlichen Hand gewählte Aufsichtsratsmitglied muss diejenigen Mindestkenntnisse und -erfahrungen mitbringen, die für die Erfüllung des Aufsichtsratsmandats erforderlich sind (vgl. oben Rn. 1005). Es kann sich nicht mit dem Einwand entlasten, ihm hätten diese Kenntnisse gefehlt, aber es sei schließlich als Vertreter der Gemeinde in den Aufsichtsrat entsandt worden und habe dieser Entscheidung des Rates Folge leisten müssen.

1 Vgl. etwa § 65 Abs. 1 Nr. 3 BHO; § 65 Abs. 1 Nr. 3 LHO NW; § 108 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 GO NW; § 109 Abs. 1 Nr. 6 GO Nds.; Art. 92 Abs. 1 Nr. 2 GO Bay. 2 Vgl. z.B. § 113 Abs. 3 Satz 1 GO NW; § 111 Abs. 3 GO Nds.; Art. 93 Abs. 2 GO Bay. 3 Zieglmeier, LKV 2005, 338, 339. 4 Vgl. z.B. § 113 Abs. 3 Satz 2 GO NW; § 98 Abs. 2 Satz 1 GO Sachs. 5 Vgl. z.B. § 104 Abs. 2 GO BW; § 88 Abs. 3, 1 Satz 5 GO RP; § 98 Abs. 2 Satz 2 GO Sachs; § 119 Abs. 1 Satz 2 GO Sachs-Anh.; § 104 Abs. 1 Satz 3 GO Bbg. 6 Zieglmeier, LKV 2005, 338, 339; Keßler, GmbHR 2000, 71, 76.

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Weisungsfreiheit und Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse

§ 20

III. Weisungsfreiheit und Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse Im Zusammenhang mit den Vertretern der öffentlichen Hand – na- 1425 mentlich mit Vertretern der Kommunen – in öffentlichen Unternehmen spielt in der Praxis immer wieder die Frage eine Rolle, ob die Aufsichtsratsmitglieder den Weisungen der Gebietskörperschaft unterliegen, auf deren Vorschlag sie gewählt oder von der sie entsandt wurden. In einem Fall beschließt der Rat, die auf Veranlassung der Gemeinde gewählten Aufsichtsratsmitglieder in den städtischen Versorgungsbetrieben anzuweisen, einer von der Geschäftsführung befürworteten Erhöhung der Erdgas- und Wärmeabgabepreise nicht zuzustimmen1. In einem anderen Fall weist der Stadtrat die von ihm in den Aufsichtsrat entsandten Mitglieder des kommunalen Nahverkehrsunternehmens an, sich für die Fortführung einer Buslinie in den Abendstunden einzusetzen, obwohl die Einstellung des Nahverkehrs ab 21 Uhr mangels Rentabilität geboten war2. Und in einem dritten Fall beschließt der Rat eine Anweisung an die kommunalen Vertreter im Aufsichtsrat einer stadteigenen GmbH, einen Geschäftsführer abzuberufen3. Sind solche Versuche, auf das Abstimmungsverhalten der Aufsichtsratsmitglieder Einfluss zu nehmen, für die betroffenen Aufsichtsratsmitglieder verbindlich? Auch die Vertreter der öffentlichen Hand im Aufsichtsrat einer AG haben ihr Amt eigenverantwortlich und frei von Weisungen zu führen. Das war nicht immer unumstritten, ist inzwischen jedoch anerkannt4. Die in der älteren öffentlich-rechtlichen Literatur vertretene Ansicht, in den Aufsichtsrat gewählte oder entsandte Beamte, seien kraft Beamtenrechts zur Befolgung von Weisungen verpflichtet5, 1 VG Arnsberg v. 13.7.2007 – 12 K 3965/06, ZIP 2007, 1988 mit Anm. Lutter. 2 Beispiel bei Möller, Die rechtliche Stellung und Funktion des Aufsichtsrats in öffentlichen Unternehmen der Kommunen, 1999, S. 76. 3 Beispiel bei Harder/Ruter, GmbHR 1995, 813. 4 Vgl. nur Hüffer, Komm. AktG, § 394 Rn. 28; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 291; Oebbecke, Handbuch Kommunale Unternehmen, § 9 Rn. 40; Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen, Rn. 209; Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 764; Maier, Beamte als Aufsichtsratsmitglieder, S. 89 ff.; Möller, Die rechtliche Stellung und Funktion des Aufsichtsrats in öffentlichen Unternehmen der Kommunen, S. 91 ff.; Banspach/Nowak, Der Konzern 2008, 195, 198 f.; Lutter, ZIP 2007, 1991 f.; Strobel, DVBl 2005, 77, 79; Meier, NZG 2003, 54, 56; Säcker in FS Rebmann, 1989, S. 781, 793; Lutter/Grunewald, WM 1984, 385, 396; R. Fischer, AG 1982, 85, 90 f. 5 So noch Plog/Wiedow/Bayer, BBG/BeamtVG, § 67 BBG Rn. 5; Stober, NJW 1984, 449, 455; Ipsen, JZ 1955, 593, 597 weitere Nachweise bei Maier, Beamte als Aufsichtsratsmitglieder, Fn. 274; im Ansatz auch noch Mertens, Kölner Komm. AktG, § 101 Rn. 55; Geßler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff, Komm. AktG, § 101 Rn. 99; Schwintowski, NJW 1990, 1009, 1013,

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§ 20

Besonderheiten in Unternehmen der öffentlichen Hand

kann heute als überholt angesehen werden; sie übersah schon im Ansatz, dass der Beamte als Aufsichtsratsmitglied nicht im Rahmen seines öffentlichen Dienstverhältnisses tätig wird1. Auch die in den Gemeindeordnungen durchweg vorgesehene Bindung der auf Veranlassung der Gemeinde gewählten oder entsandten Aufsichtsratsmitglieder an Ratsbeschlüsse2 ändert daran nichts. Diese Regelungen stehen teilweise unter dem ausdrücklichen gesetzlichen Vorbehalt, dass sie nur gelten, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist3; eine solche abweichende gesetzliche Bestimmung ist aber der aktienrechtliche Grundsatz der Weisungsfreiheit der Aufsichtsratsmitglieder4. Unabhängig davon könnten sich kommunalrechtliche Weisungsbindungen als nachrangiges Landesrecht gegen das AktG als Bundesrecht ohnehin nicht durchsetzen (Art. 31 GG)5. Demgegenüber findet sich auch heute noch gelegentlich die Meinung, die in den Gemeindeordnungen vorgesehene Weisungsbindung sei so lange verbindlich, wie die konkret in Rede stehende Weisung der gesellschaftsrechtlichen Verpflichtung der Aufsichtsratsmitglieder auf das Wohl der Gesellschaft nicht zuwider laufe6. Das ist jedoch eine völlige Fehlvorstellung, denn welche Maßnahme dem Wohl der Gesellschaft entspricht, können weder der Rat der Gemeinde noch die Verwaltungsgerichte entscheiden, sondern allein das dafür zuständige Gesellschaftsorgan. 1427

Auch Aufsichtsratsmitglieder einer AG, die auf Vorschlag der öffentlichen Hand gewählt oder von dieser entsandt wurden, sind in ihrer Funktion als Aufsichtsratsmitglied allein dem Unternehmensinteresse verpflichtet, nicht den Interessen der Gebietskörperschaft, der sie ihre Wahl verdanken, und schon gar nicht den Interessen der Ratsfraktion dieser oder jener Partei, auf deren Vorschlag sie gewählt wurden. Zwar sehen viele Gemeindeordnungen für die Vertreter der Gemeinde im Aufsichtsrat die Pflicht vor, bei ihrer Amtstätigkeit die

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6

1015, die von einer Weisungsgebundenheit ausgehen, die aber zurücktreten soll, wenn die angewiesene Maßnahme nach Beurteilung des Aufsichtsratsmitglieds für die Gesellschaft nachteilig ist. Hüffer, Komm. AktG, § 394 Rn. 29; Maier, Beamte als Aufsichtsratsmitglieder, S. 111. Z.B. § 113 Abs. 1 Satz 2 GO NW; § 88 Abs. 5 Satz 2 GO RP; § 111 Abs. 1 Satz 2 GO Nds.; § 98 Abs. 1 Satz 5 GO Sachs. Z.B. § 113 Abs. 1 Satz 4 GO NW; § 88 Abs. 5 Satz 2 GO RP; § 71 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 KVerf M-V. Hüffer, Komm. AktG, § 394 Rn. 30. Vgl. nur Hüffer, Komm. AktG, § 394 Rn. 30; Kiethe, NZG 2004, 993, 997; Schwintowski, NJW 1995, 1316, 1317; Wurzel/Schraml/Becker, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, 2005, Rn. 398; übersehen von VG Arnsberg v. 13.7.2007 – 12 K 3965/06, ZIP 2007, 1988, 1990 f. So insbesondere OVG NRW v. 11.12.2006 – 15 B 2625/06; VG Arnsberg v. 13.7.2007 – 12 K 3965/06, ZIP 2007, 1988, 1990; treffend demgegenüber Lutter, ZIP 2007, 1991: „Schuster, bleib bei deinem Leisten“.

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Weisungsfreiheit und Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse

§ 20

Interessen der Gemeinde zu verfolgen1. Aber auch diese Regelungen stehen zum Teil unter dem ausdrücklichen gesetzlichen Vorbehalt, dass sie nur insoweit gelten, wie nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist2; eine solche anderweitige gesetzliche Bestimmung stellen auch die Grundsätze des Aktienrechts über die ausschließliche Bindung der Aufsichtsratsmitglieder an das Unternehmensinteresse dar3. Im Übrigen gilt auch in diesem Zusammenhang, dass kommunalrechtliche Regelungen, die im Widerspruch zu den Regeln des Aktienrechts stünden, als nachrangiges Landesrecht gegenüber dem höherrangigen Bundesrecht AktG zurücktreten müssten (Art. 31 GG). Auch aus der öffentlich-rechtlichen Pflichtenbindung der entsandten Aufsichtsratsmitglieder lässt sich insoweit keine Beschränkung oder Überlagerung ihrer Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse entnehmen4. Das Unternehmensinteresse muss allerdings keinen Gegensatz zum öffentlichen Interesse darstellen: Das Schutzziel „Unternehmensinteresse“ enthält auch die Interessen der Anteilseigner und damit auch die der öffentlichen Hand. Die besonderen Gemeinwohlinteressen der öffentlichen Hand werden daher über die Interessen der Anteilseigner von den Aufsichtsratsmitgliedern mitberücksichtigt5. Ganz die gleichen Grundsätze gelten auch für den Pflichtaufsichtsrat 1428 einer GmbH. Auch seine Mitglieder haben ihr Amt weisungsfrei und allein im Interesse des Unternehmens zu führen6. Zu Besonderheiten führt hier allerdings das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung gegenüber der Geschäftsführung; vgl. dazu oben Rn. 1121. Etwas anderes ist demgegenüber die Situation im fakultativen Aufsichtsrat einer GmbH. Zwar haben auch in einem freiwillig gebildeten GmbHAufsichtsrat die Aufsichtsratsmitglieder ihr Amt grundsätzlich eigenverantwortlich im Interesse der Gesellschaft zu führen. Auch in einer kommunalen GmbH mit freiwillig gebildetem Aufsichtsrat sind die Aufsichtsratsmitglieder daher normalerweise nicht an Weisungen 1 Z.B. § 113 Abs. 1 Satz 1 GO NW; § 88 Abs. 4 GO RP; § 104 Abs. 3 GO BW; § 111 Abs. 1 Satz 2 GO Nds. 2 Z.B. § 113 Abs. 1 Satz 4 GO NW. 3 Hüffer, Komm. AktG, § 394 Rn. 31; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 288; Oebbecke, Handbuch Kommunale Unternehmen, § 9 Rn. 47; Cronauge/Westermann, Kommunale Unternehmen, Rn. 209; Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 764; Banspach/Nowak, Der Konzern 2008, 195, 198; Schön, ZGR 1996, 429, 448 ff. 4 Hüffer, Komm. AktG, § 394 Rn. 31; Lutter/Grunewald, WM 1984, 385, 394 ff.; Schwintowski, NJW 1990, 1009, 1013; 5 Hüffer, Komm. AktG, § 394 Rn. 31; Lutter/Grunewald, WM 1984, 385, 395; Schwintowski, NJW 1995, 1316, 1318; Thümmel, DB 1999, 1891, 1892; Banspach/Nowak, Der Konzern 2008, 195, 198. 6 Altmeppen in Roth/Altmeppen, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 17; Strobel, DVBl 2005, 77, 80.

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§ 20

Besonderheiten in Unternehmen der öffentlichen Hand

des Rates gebunden1. Eine andere Frage ist es jedoch, ob die Satzung der GmbH die Mitglieder eines fakultativen Aufsichtsrats an Weisungen binden kann. Die Frage ist umstritten. Nach verbreiteter Auffassung sind Weisungsrechte in Bezug auf die Überwachungsaufgabe auch beim fakultativen Aufsichtsrat nicht zulässig2, andere Stimmen wollen Weisungsrechte zu lassen3, wenn auch teilweise mit dem Hinweis, dass es sich dann nicht mehr um einen echten „Aufsichtsrat“ handele4. Letzterem ist zuzustimmen. Die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats verträgt sich zwar nicht mit einer Weisungsbindung5, d.h. aber nicht, dass eine statutarische Weisungsbindung unzulässig wäre, sondern nur, dass in einem solchen Fall das Organ den Namen Aufsichtsrat nicht verdient, sondern es sich insoweit um eine rechtlich folgendenlose Fehlbezeichnung handelt (vgl. oben Rn. 1208).

IV. Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder 1429

Auch Aufsichtsratsmitglieder der öffentlichen Hand unterliegen grundsätzlich der gleichen strengen Verschwiegenheitspflicht wie die anderen Aufsichtsratsmitglieder auch (vgl. oben Rn. 254 ff.). Von diesem Grundsatz weichen §§ 394, 395 AktG für solche Aufsichtsratsmitglieder ab, die auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft gewählt oder entsandt worden sind. Sie dürfen ihrem Vorgesetzten berichten – allerdings nur, sofern eine Berichtspflicht besteht (§ 394 AktG). Erforderlich ist hierfür eine Rechtspflicht aufgrund Gesetzes6. Dann geht aber auf dessen Vorgesetzten die Vertraulichkeitspflicht über (§ 395 AktG). Gleichgültig ist hierbei, um welche Art der Gebietskörperschaft es sich handelt (Bund, Land, Gemeinde, Gemeindeverband)7. Umstritten ist demgegenüber, ob die Lockerung der Ver1 Raiser/Heermann in Ulmer/Habersack/Winter, Großkomm. GmbHG, § 52 Rn. 145 f. 2 Raiser/Heermann in Ulmer/Habersack/Winter, Großkomm. GmbHG, § 52 Rn. 147; Möller, Die rechtliche Stellung und Funktion des Aufsichtsrats in öffentlichen Unternehmen der Kommunen, S. 224 ff.; Keßler, GmbHR 2000, 71, 76 f.; Banspach/Nowak, Der Konzern 2008, 195, 198; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 97: Satzungsbestimmungen, die Weisungsrechte für ein als Aufsichtsrat bezeichnetes Organ vorsehen, seien wegen „Irreführung“ nichtig. 3 So z.B. Oebbecke, Handbuch Kommunale Unternehmen, § 9 Rn. 40; R. Schmidt, ZGR 1996, 345, 354. 4 So Altmeppen in Roth/Altmeppen, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 17; Strobel, DVBl. 2005, 77, 80 f. 5 Raiser/Heermann in Ulmer/Habersack/Winter, Großkomm. GmbHG, § 52 Rn. 147; Strobel, DVBl 2005, 77, 80. 6 H.M. vgl. Lutter/Grunewald, WM 1984, 385, 397; Hoffmann-Becking, Münchener Hdb. AG, § 33 Rn. 47; Hüffer, Komm. AktG, § 394 Rn. 37 ff. m.w.N. 7 Hüffner, Komm. AktG, § 394 Rn. 33.

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Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder

§ 20

schwiegenheitspflicht voraussetzt, dass die Gebietskörperschaft eine Mehrheitsbeteiligung an der Gesellschaft hält1, oder ob auch eine Minderheitsbeteiligung ausreichend ist2. Eine Berichtspflicht i.S.v. § 394 AktG besteht zunächst für beamtete 1430 Aufsichtsratsmitglieder aufgrund der beamtenrechtlichen Weisungsbindung (z.B. § 37 BRRG, § 55 BBG)3. Fraglich ist aber, ob darüber hinaus Aufsichtsratsmitglieder z.B. dem Rat der sie entsendenden Gemeinde über die aus ihrer Aufsichtsratstätigkeit erlangten, geheimhaltungsbedürftigen Informationen Bericht erstatten dürfen – oder gar müssen. Darf z.B. – oder muss – der Vertreter eines Bundeslandes im Aufsichtsrat eines Automobilherstellers über geplante Massenentlassungen dem Landtag berichten – insbesondere wenn das Bundesland die Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung kritisiert4? § 394 AktG taugt als allgemeine Rechtsgrundlage für die Durchbre- 1431 chung der Schweigepflicht nicht, da eine entsprechende allgemeine öffentlich-rechtliche Pflicht der Aufsichtsratsmitglieder zur Berichterstattung an die Gebietskörperschaft nicht besteht5. Viele Gemeindeordnungen verpflichten die kommunalen Vertreter im Aufsichtsrat, den Rat über alle Angelegenheiten von besonderer Bedeutung zu unterrichten, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist6. Vereinzelt sind sogar Auskunftsrechte des Rates gegenüber den kommunalen Vertretern im Aufsichtsrat vorgesehen, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt7. Auch diese Regelungen sind jedoch nicht geeignet, eine Berichtspflicht gegenüber den Gemeinderäten zu begründen, die gemäß § 394 AktG von der Verschwiegenheitspflicht befreien könnte. Denn aus § 395 AktG wird deutlich, dass die Verschwiegenheitspflicht nicht durchbrochen, sondern „nach oben“ 1 Martens, AG 1984, 29, 36; Möller, Die rechtliche Stellung und Funktion des Aufsichtsrats in öffentlichen Unternehmen der Kommunen, S. 153. 2 Hüffner, Komm. AktG, § 394 Rn. 33; Maier, Beamte als Aufsichtsratsmitglieder, S. 75 ff.; Schmidt-Aßmann/Ulmer, BB 1988, Sonderbeilage 13; S. 7 fordern eine „ins Gewicht fallende“ Beteiligung. 3 Lutter/Grunewald, WM 1984, 385, 397; Martens, AG 1984, 29, 33; Möller, Die rechtliche Stellung und Funktion des Aufsichtsrats in öffentlichen Unternehmen der Kommunen, S. 156; a.A. Hüffer, Komm. AktG, § 394 Rn. 41; Schmidt-Aßmann/Ulmer, BB 1988 Sonderbeilage 13, S. 19 ff. 4 Vgl. auch den Fall des OLG Hamburg v. 23.1.1990 – 11 W 92/89, WM 1990, 311 = EWiR § 103 AktG 2/90, 219 (Hirte) = AG 1990, 218. 5 Eingehend dazu Schmidt-Aßmann/Ulmer, BB 1988, Sonderbeilage 13, S. 10 ff., 24; Hüffer, Komm. AktG, § 394 Rn. 37 ff., 40 f.; Möller, Die rechtliche Stellung des Aufsichtsrats in öffentlichen Unternehmen der Kommunen, S. 154 ff.; Thode, AG 1997, 547, 549; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 279. 6 Z.B. § 113 Abs. 5 Satz 1 GO NW; § 111 Abs. 4 GO Nds.; § 104 Abs. 4 GO Bbg.; § 98 Abs. 2 Satz 4 GO Sachs.; Art. 93 Abs. 2 Satz 2 GO Bay. 7 Z.B. § 104 Abs. 4 Satz 1 GO Bbg.; § 71 Abs. 4 Satz 2 KVerf M-V; § 115 Abs. 1 Satz 2 KSVG Saarl.

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§ 20

Besonderheiten in Unternehmen der öffentlichen Hand

verlagert wird. Aus diesem Grunde darf nicht an eine Institution berichtet werden, bei der – wie in Gemeinde- und Landesparlamenten – die Geheimhaltung nicht gewährleistet ist1. Das hiergegen vorgebrachte Argument, verfassungsrechtliche Gesichtspunkte, wie die ununterbrochene Legitimationskette vom Volk zu den mit den staatlichen Aufgaben betrauten Organen der Verwaltung (Art. 20 Abs. 1 GG) sowie die Pflicht der Kommune zur Überprüfung der Erfüllung des öffentlichen Zwecks erforderten Informations- und Kontrollrechte gegenüber den Aufsichtsratsmitgliedern2, ist schon deshalb verfehlt, weil niemand die öffentliche Hand zwingt, sich privatrechtlicher Rechtsformen zu bedienen. Vor allem aber verkennt dieses Argument, dass die öffentliche Hand als Aktionärin oder GmbH-Gesellschafterin ausreichende Informations- und Kontrollrechte aufgrund ihrer Gesellschafterstellung besitzt. 1432

Auch aus der öffentlich-rechtlichen Pflichtenbindung der entsandten Aufsichtsratsmitglieder lässt sich keine Beschränkung oder Überlagerung der gesellschaftsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht entnehmen. Die gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflicht besteht auch vor der Freiheit der politischen Machtausübung von Parlamentsabgeordneten. Denn sie beschränkt diese Freiheit in verhältnismäßiger – und damit in verfassungsmäßiger – Weise, indem sie dem Aufsichtsratsmitglied den Gang in die Öffentlichkeit im Unternehmensinteresse als ultima ratio offenlässt3. Anzunehmen ist auch nicht ein Informationsweitergaberecht gegenüber parlamentarischen Untersuchungsausschüssen des Bundes (Art. 44 GG)4, selbst wenn dieser nicht öffentlich tagt.

1433

Für die Aufsichtsratsmitglieder einer GmbH besteht im Grundsatz die gleiche Verschwiegenheitspflicht wie im Aktienrecht, da § 52 Abs. 1 GmbHG auf § 116 AktG verweist. Das gilt jedoch nicht gegenüber Gesellschaftern, da das GmbH-Recht viel weitergehende Infor1 Hüffer, Komm. AktG, § 394 Rn. 43; Möller, Die rechtliche Stellung und Funktion des Aufsichtsrats in öffentlichen Unternehmen der Kommunen, 1999, S. 158 ff.; Schwintowski, NJW 1990, 1009, 1014; Schmidt-Aßmann/ Ulmer, BB 1988, Beilage 13, S. 9; Banspach/Nowak, Der Konzern 2008, 195, 200 f.; zweifelnd auch Oebbecke, Handbuch Kommunale Unternehmen, § 9 Rn. 37; VG Regensburg v. 2.2.2005 – RN 3 K 04.1408, LKV 2005, 365; Zieglmeier, LKV 2005, 338, 340; a.A. v. Danwitz, AöR 120 (1995), 595, 623 f.; abwegig Meier/Wieseler, Der Gemeindehaushalt 1993, 174, 176, die die Verschwiegenheitspflicht sogar gegenüber den Fraktionen im Gemeinderat aufheben wollen. 2 VG Regensburg v. 2.2.2005 – RN 3 K 04.1408, LKV 2005, 365; Zieglmeier, LKV 2005, 338, 340. 3 Dazu BGH v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 331; Schwintowski, NJW 1990, 1009, 1014 f.; wie hier R. Schmidt, ZGR 1996, 345, 32 f.; Hüffer, Komm. AktG, § 394 Rn. 43. 4 So aber Thode, AG 1997, 547, 552 f.

494

Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder

§ 20

mationsrechte des Gesellschafters kennt als das Aktienrecht (§ 51a GmbHG)1. Daraus wird zum Teil gefolgert, Aufsichtsratsmitglieder der GmbH seien nicht zur Verschwiegenheit gegenüber dem Gemeinderat verpflichtet2, was allerdings jedenfalls dann Bedenken begegnet, wenn es sich nicht um eine 100 %-Tochter der Gemeinde handelt3. Denn Gesellschafter ist nicht der Rat, sondern die Gemeinde, die durch den Bürgermeister4 oder einen vom Rat bestellten Vertreter5 in der Gesellschafterversammlung vertreten wird.

1 BGH v. 6.3.1997 – II ZB 4/96, BGHZ 135, 48, 56 f.; Lutter/Hommelhoff, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 17; Altmeppen in Roth/Altmeppen, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 25; Raiser/Heermann in Ulmer/Habersack/Winter, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 143; a.A. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 65. 2 Altmeppen in Roth/Altmeppen, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 25; Altmeppen, NJW 2003, 2561, 2566; Oebbecke, Handbuch Kommunale Unternehmen, § 9 Rn. 35. 3 Insoweit zutreffend Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, Komm. GmbHG, § 52 Rn. 65. 4 Z.B. § 88 Abs. 1 Satz 1 GO RP; Art. 93 Abs. 1 Satz 1 GO Bay.; § 104 Abs. 1 Satz 1 GO BW. 5 Z.B. § 113 Abs. 2 Satz 1 GO NW; § 111 Abs. 1 Satz 1 GO Nds.; §§ 28 Nr. 20, 104 Abs. 1, 105 GO S-H.

495

496

Keine Höchstgrenze

48000 t7

35000 t

120000 t11

30000 t12

21000 t

50000 t

35000 t

60000 t

60000 t

Adidas5

Allianz SE6

Altana9

BASF10

Bayer

Nach Brutto-CashFlow

nach EBIT

nach EBIT

24000 t



Kurzfristig orientiert3

Variable Vergütung HöchstGrenze

Feste Vergütung







24000 t



Langfristig orientiert4

Formen der variablen Vergütung

Vergütung eines einfachen Mitglieds im Geschäftsjahr 2006 (soweit nicht anders angegeben in Euro)

3-fach der Festvergütung

+



+





500 t je



500 t je



Begrenzung Sitzungsder Vergeld gütungshöhe2

3-fach

2,5-fach

2,25-fach

2-fach

2-fach

für den Aufsichtsratsvorsitzenden

1,5-fach

1,5-fach

1,5-fach

1,5-fach

1,5-fach

für den stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden

Erhöhte Vergütung (soweit nicht anders angegeben X-fach der Gesamtvergütung eines einfachen Mitglieds)

50 % für Vorsitzenden; 25 % je Mitglied

Festvergütung: 12500 t; Prüfungsausschuss 25000 t; Vorsitzender: 2-fache dieser Festvergütung; Stv. Vorsitzender: 1,5-fache Festvergütung.

75 % für Vorsitzenden; 25 % je Mitglied

50 % für Vorsitzenden; 25 % je Mitglied8



Erhöhte Vergütung für die Mitgliedschaft in einem Ausschuss/bzw. für den Ausschussvorsitz

Anhang Die Vergütungen der Aufsichtsrats- bzw. Aufsichtsorganmitglieder der DAX 30 Unternehmen1

Anhang Vergütungen der Aufsichtsräte der DAX 30 Unternehmen

1 Quelle: Geschäftsberichte der Unternehmen für das Berichtsjahr 2007 sowie Unternehmenssatzungen (Stand vom 31.12.2007). Zur Kritik vgl. die Untersuchung von Heidrick + Struggles von 2007 über 320 der größten Unternehmen aus 11 europäischen Ländern. Danach sind deutsche Aufsichtsräte trotz einer gewissen Besserung in ihrer Leistung nach wie vor auf dem letzten Rang, in der Vergütung jedoch auf dem 4. Rang (nach der Schweiz, Spanien und Großbritannien). Vgl. auch TowersPerrin, Empfehlungen zur Aufsichtsratsvergütung, Heft 23 der Studien des DAI 2003. 2 Eine Begrenzung der Vergütung ist unterschiedlich ausgestaltet. So wird bei manchen Unternehmen nur die variable Vergütungshöhe beschränkt, bei anderen die Gesamtvergütung. Wieder andere legen fest, dass bei Innehabung mehrerer Ämter eine Vergütung nur für das am höchsten vergütete Amt gezahlt wird. Hier nur wiedergegeben, sofern eindeutige Aussage im jeweiligen Geschäftsbericht. 3 Fast 50 % der Unternehmen machen die kurzfristige Erfolgs-Vergütung von der Dividende abhängig, häufig wird auch das Konzernergebnis je Aktie als Bemessungsgrundlage herangezogen. 4 In diese Kategorie sind alle Vergütungsformen eingeordnet, die sich auf den langfristigen Unternehmenserfolg beziehen. Dabei gibt es die verschiedensten Ausgestaltungen. 5 Mit Hauptversammlungsbeschluss vom 10.5.2007 wurde die Satzung geändert: die Festvergütung wurde auf 40 000 t erhöht, die Vergütung des Aufsichtsratsvorsitzenden wurde auf den dreifachen, die des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden auf den zweifachen Satz eines einfachen Mitglieds erhöht. Außerdem wurde eine Vergütung für die Ausschussmitgliedschaft und den Ausschussvorsitz eingeführt (mit Ausnahme des Vermittlungs- und des Prüfungsausschusses sowie des Präsidiums). Nach § 18 der Satzung entfaltet dieser Beschluss seine Wirkung erstmals im Geschäftsjahr 2008. 6 Die Allianz AG wurde im Geschäfsjahr 2006 in eine SE umgewandelt. Die Vergütungsregelung der Satzung der AG wurde auch für die SE übernommen. Die Zahlen beziehen sich auf die fiktive Vergütung eines einfachen Mitglieds für das gesamte Geschäftsjahr. 7 Der Höchstbetrag ergibt sich, wenn das Vorjahresergebnis je Aktie um 16 % angestiegen ist und diese Kennziffer sich in den letzten drei Jahren um insgesamt 40 % oder mehr verbessert hat. 8 Zusätzlich erhalten die Mitglieder des Prüfungsausschusses eine jährliche Festvergütung i.H. von 30 000 t, der Vorsitzende eine solche i.H. von 45 000 t. 9 Geändert für das Geschäftsjahr 2007 durch Hauptversammlungsbeschluss vom 3.5.2007. 10 Mit Wirkung zum 14.1.2008 erfolgte eine Umwandlung zur SE. Paritätische Mitbestimmung wurde beibehalten, jedoch die AR–Größe auf 12 reduziert. 11 Die Höchstzahl ergibt sich abhängig vom Konzernergebnis je Aktie; 400 t für jeden vollen 0,01 t bis zu einem Aktienwert von 4,10 t; 300 t bis zu einem Aktienwert von 5,10 t; 200 t für jeden darüber hinaus gehenden 0,01 t. 12 Errechnet sich nach dem Brutto–Cash–Flow des Geschäftsjahres: Ab einem Wert vom 1.3 Mrd. Euro beträgt die variable Vergütung 2000 t je angefangene 50 t.

Vergütungen der Aufsichtsräte der DAX 30 Unternehmen

Anhang

497

498

Keine Höchstgrenze

40000 t

Commerzbank ab 1.7.2007

Daimler Chrysler

75000 t

Keine Höchstgrenze

Keine Höchstgrenze

Keine Höchstgrenze

20000 t15

Commerzbank bis 30.6.2007

Continental 4000017 t

Keine Höchstgrenze

6000 t

BMW13



+18

ggü. Fn. 16 erhöht auf 3000 t

+16

+14

Kurzfristig orientiert

Variable Vergütung HöchstGrenze

Feste Vergütung











Langfristig orientiert

Formen der variablen Vergütung

Vergütung eines einfachen Mitglieds im Geschäftsjahr 2006 (soweit nicht anders angegeben in Euro)

Zahlung nur für höchst vergütete Funktion

Zahlung nur für höchst vergütete Funktion







1100 t je

350 t je

3-fach

2-fach

3-fach

3-fach

1500 t je

1500 t je

3-fach

für den Aufsichtsratsvorsitzenden

2-fach

1,5-fach

2-fach

2-fach

2-fach

für den stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden

Erhöhte Vergütung (soweit nicht anders angegeben X-fach der Gesamtvergütung eines einfachen Mitglieds)



Begrenzung Sitzungsder Vergeld gütungshöhe

1,5-fach Vorsitzender; 1,3-fach je Mitglied; 2-fach für Vorsitz Prüfungsausschuss;

2-fach für Vorsitzenden; 1,5-fach je Mitglied

100 % für Vorsitzenden 50 % je Mitglied

100 % für Vorsitzenden 50 % je Mitglied



Erhöhte Vergütung für die Mitgliedschaft in einem Ausschuss/bzw. für den Ausschussvorsitz

Anhang Vergütungen der Aufsichtsräte der DAX 30 Unternehmen

32000 t

48000 t

Deutsche Börse

+22

+20



+21

+

4-fach der Festvergütung



1000 t je

2-fach

4-fach

1,5-fach

1,5-fach2

30000 t für Vorsitz; 20000 t je Mitglied; 40000 t für Vorsitz des PrüfungsA.

2-fach für Vorsitzenden; 1,5-fach je Mitglied 22 Ausschuss nach § 27 Abs. 3 MitbestG ausgeschlossen

13 Mit Hauptversammlungsbeschluss vom 8.5.2008 wurde die Satzung hinsichtlich der Aufsichtsratsvergütung mit Wirkung zum 1.1.2008 grundlegend geändert. Die feste Vergütung wird auf 55 000 t angehoben; der Vorsitzende erhält das 3-fache, der stv. Aufsichtsratsvorsitzende das 2-fache; die variable Vergütung beträgt maximal 110000 t (abhängig vom Ergebnis je Aktie im Geschäftsjahr: Bei Übersteigen eines Aktienwertes von 2,30 t werden 220 t je weitere volle 0,01 t vergütet. Zahlbar nach Ende der HV); für den Vorsitz in einem Aufsichtsratsausschuss entfallen auf den Vorsitzenden die 2-fache, für den Stellvertreter die 1,5-fache Festvergütung; Die Vergütung bleibt insofern nach oben begrenzt, als dass nur die höchste vergütete Funktion tatsächlich vergütet wird; es wird ein Sitzungsgeld von 2000 t gezahlt. 14 Variabel: 1500 t für jedes von der HV über 4 % des Grundkapitals hinausgehende Prozent Dividende auf die Stammaktien. 15 Mit Hauptversammlungsbeschluss vom 16.5.2007 wurde die Satzung geändert und mit Wirkung vom 1.7.2007 die feste Vergütung sowie die variable Vergütung angehoben. 16 2000 t je 0,05 t Dividende, die über eine Dividende von 0,10 t je Stückaktie hinausging. 17 Mit Hauptversammlungsbeschluss vom 24.4.2007 wurde die Satzung mit Wirkung für das Geschäftsjahr 2007 geändert. 18 Variabel: 125 t je 0,01 t, um den das Konzernergebnis je Aktie im Geschäftsjahr den Betrag von 2 t übersteigt. 19 Die Vergütung des Aufsichtsrats wurde mit Hauptversammlungsbeschluss vom 24.5.2007 mit Wirkung für das Geschäftsjahr 2007 angehoben. 20 Variabel: 100 t pro vollen 0,01 t, um die die ausgeschüttete Dividende im Geschäftsjahr die Dividende von 1 t je Aktie übersteigt. 21 Long Term Incentive: jährliche Vergütung von 100 t je 0,01 t, um die der Durchschnitt der im Finanzbericht für den Konzern ausgewiesenen Ergebnisse je Aktie für die letzten drei abgelaufenen Geschäftsjahre den Betrag von 4 t je Aktie übersteigt. 22 Die fixe Auszahlung erfolgt nur bei Erreichen von 2 Zielen: 1. Konzern–Eigenkapitalrendite muss im Vergütungsjahr den Durchschnitt der von der Bundesbank monatlich ermittelten Durchschnittsumlaufrendite inländischer Inhaberschuldverschreibungen und Anleihen der öff. Hand mit einer Restlaufzeit vom 9–10 Jahren um mind. 5 % übersteigen. 2. Das Konzernergebnis je Aktie muss in den vergangenen beiden Geschäftsjahren mind. 8 % über dem des je entsprechenden Vorjahres liegen.

Keine Höchstgrenze

60000 t

Deutsche Bank19

Vergütungen der Aufsichtsräte der DAX 30 Unternehmen

Anhang

499

500

20000 t

20000 t

Keine Höchstgrenze

Keine Höchstgrenze

50000 t

Keine Höchstgrenze

20000 t

20000 t

55000 t

80000 $

20000 t

70000 t

Deutsche Post World Net

Deutsche Telekom

EON

Fresenius Medical Care

Henkel

Hypo Real Estate



+30



+27

+25

+23

Kurzfristig orientiert

Variable Vergütung HöchstGrenze

Feste Vergütung



+31



+28

+26

+24

Langfristig orientiert

Formen der variablen Vergütung

Vergütung eines einfachen Mitglieds im Geschäftsjahr 2006 (soweit nicht anders angegeben in Euro)







500 t je



–29

2,5-fach

2-fach

2-fach

3-fach

2-fach

200 t je

1000 t je

2-fach

für den Aufsichtsratsvorsitzenden

1,5-fach

1,5-fach

1,5-fach

2-fach

1,5-fach

1,5-fach

für den stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden

Erhöhte Vergütung (soweit nicht anders angegeben X-fach der Gesamtvergütung eines einfachen Mitglieds)

500 t je



2-fach der jährlichen Vergütung

+

Begrenzung Sitzungsder Vergeld gütungshöhe

10000 t je Ausschuss; 20000 t PrüfungsA; 2-fach je Vorsitz

2-fach für Vorsitzenden; 1-fach je Mitglied

50000 $ je Vorsitz; 30000 $ je Mitglied

2-fach für Vorsitzenden; 1,5-fach je Mitglied

100 % für Vorsitzenden; 50 % je Mitglied Ausnahme VermittlungsA

100 % für Vorsitzenden; 50 % je Mitglied

Erhöhte Vergütung für die Mitgliedschaft in einem Ausschuss/bzw. für den Ausschussvorsitz

Anhang Vergütungen der Aufsichtsräte der DAX 30 Unternehmen

Keine Höchstgrenze

50000 t

Linde33

+34

+32





Zahlung nur für höchst vergütete Funktion



500 t je



3-fach

2-fach

1,5-fach

1,5-fach

50 % je Mitglied; Zusatz bei PrüfungsA: 40000 t für Vorsitz; 20000 t je Mitglied

50 % je Mitglied mit Ausnahme der gesetzl. zu bildenden Ausschüsse

23 Variabel: 300 t je vollen 0,03 t, um die die ausgeschüttete Dividende im Geschäftsjahr die Dividende von 0,50 t je Aktie übersteigt. 24 Long Term Incentive: 300 t je volle 3 %, um die der Konzerngewinn je Aktie des Geschäftsjahres 2009 den Konzerngewinn des Geschäftsjahres 2006 übersteigt. 25 Variabel: 300 t je vollen 0,01 t, um die die ausgeschüttete Dividende im Geschäftsjahr die Dividende von 0,50 t je Aktie übersteigt. 26 Long Term Incentive: 300 t je volle 4 %, um die der Konzerngewinn je Aktie des Geschäftsjahres 2009 den Konzerngewinn des Geschäftsjahres 2006 übersteigt. 27 Variabel: 115 t je vollen 0,01 t, um die die ausgeschüttete Dividende im Geschäftsjahr die Dividende von 0,10 t je Aktie übersteigt. 28 Long Term Incentive: 70 t je 0,01 t, um die der Dreijahresdurchschnitt des Konzernüberschusses je Aktie den Betrag von 2,30 t übersteigt. 29 Bei gleichzeitiger AR–Mitgliedschaft in der Fresenius Management AG erfolgt Halbierung der Bezüge; ist Stv. AR–Vorsitzender gleichzeitig AR– Vorsitzender der Management AG, wird seine Tätigkeit als Stv. AR–Vorsitzender der Fresenius Medical Care nicht vergütet. 30 Variabel: 2400 t je vollen 0,02 t, um die die ausgeschüttete Dividende im Geschäftsjahr die Dividende von 0,25 t je Vorzugsaktie übersteigt. 31 Long Term Incentive: Verglichen wird das Ergebnis der Vorzugsaktie, das in dem dem Geschäftsjahr vorgehenden Geschäftsjahr erreicht wurde, mit dem Ergebnis je Vorzugsaktie des dem Vergütungsjahr nachfolgenden zweiten Geschäftsjahres: Beträgt die Steigerung mind. 15 %, so erfolgt eine Zahlung i.H.v. 600 t je vollen Prozentpunkt; beträgt die Steigerung mind. 21 %, so erfolgt eine Zahlung i.H.v. 700 t je vollen Prozentpunkt; beträgt die Steigerung mind. 30 %, so erfolgt eine Zahlung i.H.v. 800 t je vollen Prozentpunkt. 32 Variabel: jährlich erhält jedes Mitglied 1500 Wertsteigerungsrechte, die zu denselben Bedingungen ausgegeben und ausgeübt werden dürfen, wie sie in der im Geschäftsjahr der Ausgabe für die Gesellschaft geltende, von der Hauptversammlung geltende Optionsplan vorsieht. Diese Wertsteigerungsrechte berechtigen nicht zum Bezug von Aktien, sondern zum Barausgleich. Sie haben eine Laufzeit von sechs Jahren mit frühest– möglicher Ausübung nach 3 Jahren. Deren Preis beträgt 120 % des Durchschnitts der Eröffnungkurse an den letzten 5 Tagen vor Zuteilung. 33 Die Vergütung des Vorstands ist mit Hauptversammlungsbeschluss vom 5. 6. 2007 mit Wirkung für das Geschäftsjahr 2007 geändert worden. 34 Variabel werden zwei Vergütungen gezahlt: 1. 300 t je vollen 0,01 t, um die die ausgeschüttete Dividende im Geschäftsjahr die Dividende von 0,50 t je Aktie übersteigt. 2. 450 t je 0,1 %, um die die im jew. Geschäftsjahr erreichte Rendite auf das eingesetzte Kapital des Konzerns die Quote von 7 % übersteigt.

Keine Höchstgrenze

25000 t

Infineon

Vergütungen der Aufsichtsräte der DAX 30 Unternehmen

Anhang

501

502

Keine Höchstgrenze

70000 t

Keine Höchstgrenze

36000 t

30000 t

20000 t

35000 t

35000 t

45000 t

15000 t

Lufthansa

MAN36

Metro

Münchener Rückversicherung39

Postbank

+42

+40



+37

+35

Kurzfristig orientiert

Variable Vergütung HöchstGrenze

Feste Vergütung

+43



+38





Langfristig orientiert

Formen der variablen Vergütung

Vergütung eines einfachen Mitglieds im Geschäftsjahr 2006 (soweit nicht anders angegeben in Euro)



2,5-fach der jährlichen Vergütung

Zahlung nur für höchst vergütete Funktion





250 t je

+41





500 t je

Begrenzung Sitzungsder Vergeld gütungshöhe

2-fach

2-fach

3-fach

2-fach

3-fach

für den Aufsichtsratsvorsitzenden

1,5-fach

1,5-fach

2-fach

1,5-fach

1,5-fach

für den stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden

Erhöhte Vergütung (soweit nicht anders angegeben X-fach der Gesamtvergütung eines einfachen Mitglieds)

100 % für Vorsitzenden; 50 % je Mitglied; Max. 2-fach der einfachen Vergütung

50 % für Vorsitzenden; 25 % je Mitglied

100 % für Vorsitzenden; 75 % je Mitglied

100 % für Vorsitzenden; 50 % je Mitglied

50 % für Vorsitzenden; 25 % je Mitglied

Erhöhte Vergütung für die Mitgliedschaft in einem Ausschuss/bzw. für den Ausschussvorsitz

Anhang Vergütungen der Aufsichtsräte der DAX 30 Unternehmen

44 45

39 40 41 42 43

+45

+44





500 t je

200000 t – Vorsitzender; 150000 t stv. Vorsitzender; 100000 t jedes Mitglied

Zahlung nur für höchst vergütete Funktion 2-fach

3-fach

50.000 t

2-fach

5000 t für Vorsitzenden; 2500 t je Mitglied;

2-fach für Vorsitzenden; 1,5-fach je Mitglied;

Variabel: 1000 t je vollen 0,01 t, um die die ausgeschüttete Dividende im Geschäftsjahr die Dividende von 0,25 t je Aktie übersteigt. Die Vergütung des Vorstands ist mit Hauptversammlungsbeschluss vom 10. 5. 2007 mit Wirkung für das Geschäftsjahr 2007 geändert worden. Variabel: 175 t je vollen 0,01 t, um die die ausgeschüttete Dividende im Geschäftsjahr die Dividende von 0,50 t je Aktie übersteigt. Variabel: Anknüpfung an das EBT; vergütet werden 600 t je 25 Mio. t das im Durchschnitt des Geschäftsjahres 2007 und der zwei diesem vorangegangenen Geschäftsjahre ein EBT von 100 Mio. t übersteigt. Die Vergütung des Vorstands ist mit Hauptversammlungsbeschluss vom 17. 4. 2008 mit Wirkung für das Geschäftsjahr 2009 angehoben worden. Variabel: 4500 t je vollen 1 t, um den das Ergebnis je Aktie im Geschäftsjahr den Betrag von 4 t je Aktie übersteigt. Nur für Mitglieder des Prüfungsausschusses. Variabel: 300 t je volle 0,03 t, um die das Ergebnis je Aktie im Geschäftsjahr den Betrag von 2 t je Aktie übersteigt. Long Term Incentive: 300 t für jeweils 1 %, um die der Konzerngewinn pro Aktie des Geschäftsjahres 2009 den Konzerngewinn pro Aktie des Geschäftsjahres 2006 übersteigt. Variabel: 225 t je vollen 0,01 t, um die die ausgeschüttete Dividende im Geschäftsjahr die Dividende von 0,10 t je Aktie übersteigt. Variable Vergütung ist nach Funktion abgeschichtet: 8000 t (Vorsitzender), 6000 t (stv. Vorsitzender), 4000 t (and. Mitglieder) je vollen 0,01 t, um die die ausgeschüttete Dividende im Geschäftsjahr die Dividende von 0,25 t je Aktie übersteigt.

Keine Höchstgrenze

37500 t

SAP

35 36 37 38

Keine Höchstgrenze

40000 t

RWE

Vergütungen der Aufsichtsräte der DAX 30 Unternehmen

Anhang

503

504

Keine Höchstgrenze

40000 t

TUI

Keine Höchstgrenze

Keine Höchstgrenze

50000 t

Thyssen Krupp49

Volkswagen 6000 t

Keine Höchstgrenze

50000 t

Siemens

+55

+53

+50

+46

Kurzfristig orientiert

Variable Vergütung HöchstGrenze

Feste Vergütung



+54

+51

50000 t47

Langfristig orientiert

Formen der variablen Vergütung

Vergütung eines einfachen Mitglieds im Geschäftsjahr 2006 (soweit nicht anders angegeben in Euro)

Zahlung nur für höchst vergütete Funktion







3-fach

3-fach

1000 t je

3-fach

2-fach

für den Aufsichtsratsvorsitzenden

2-fach

1,5-fach

2-fach

1,5-fach

für den stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden

Erhöhte Vergütung (soweit nicht anders angegeben X-fach der Gesamtvergütung eines einfachen Mitglieds)



500 t je



Begrenzung Sitzungsder Vergeld gütungshöhe

2-fach für Vorsitzenden; 1,5-fach je Mitglied;

Nur für PrüfungsA: 60000 t für Vorsitz; 20000 t je Mitglied;

50 % für Vorsitzenden; 25 % je Mitglied;52

50 % je Mitglied und Vorsitz48

Erhöhte Vergütung für die Mitgliedschaft in einem Ausschuss/bzw. für den Ausschussvorsitz

Anhang Vergütungen der Aufsichtsräte der DAX 30 Unternehmen

46 Variabel: 150 t je 0,01 t, um den das Ergebnis je Aktie im Geschäftsjahr den Betrag von 1 t je Aktie übersteigt. 47 Long Term Incentive: Diese Vergütung kommt nur zur Auszahlung, wenn das Ergebnis je Aktie am Ende der Wahlperiode des AR (5 Jahre) im Vergleich zu deren Beginn um mehr als 50 % gestiegen ist. 48 Ausgenommen sind Mitglieder des Präsidial-, Vermittlungs- und Beteiligungsausschusses. 49 Mit Hauptversammlungsbeschluss vom 19.1.2007 wurde die Satzung mit Wirkung für das Geschäftsjahr 2007 geändert. 50 Variabel: 300 t je vollen 0,01 t, um die die ausgeschüttete Dividende im Geschäftsjahr die Dividende von 0,10 t je Aktie übersteigt. 51 Long Term Incentive: jährliche Vergütung i.H.v. 2000 t je 100 Mio. t Ergebnis (EBT), das im Durchschnitt der letzten drei Geschäftsjahre ein EBT von x Mrd. t übersteigt. 52 Der Höhe nach begrenzt auf den Betrag, der der einfachen Vergütung entspricht. 53 Variabel: 100 t je vollen 0,01 t Gewinn je Aktie. 54 Long Term Incentive: Basisbetrag i.H.v. 20 000 t p.a. kommt nach Ablauf des dritten der Gewährung folgenden Geschäftsjahres zur Auszahlung und erhöht oder verringert sich nach dem Gewinn pro Aktie des dritten der Gewährung folgenden Geschäftsjahres gegenüber dem Geschäftsjahr der Gewährung. Eine Veränderung des Gewinns pro Aktie je 0,01 t zieht eine Erhöhung/Verringerung um 100 t nach sich. Maximal jedoch 50 000 t. 55 Variabel: 2500 t je vollen 0,03 t, um die die ausgeschüttete Dividende im Geschäftsjahr die Dividende von 0,15 t je Aktie übersteigt.

Vergütungen der Aufsichtsräte der DAX 30 Unternehmen

Anhang

505

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Stichwortverzeichnis Die Zahlen verweisen auf die Randnummern des Textes.

Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern – Anteilseignervertreter in der AG 14 f. – Anteilseignervertreter in der Genossenschaft 15 – Anteilseignervertreter in der GmbH 16 – Arbeitnehmervertreter 10 ff. – gerichtliche A. aus wichtigem Grund 930 ff. – in der SE 1361 – Überblick 9 ff., 30 Abschlussprüfer – und Audit Committee 174 – und Aufsichtsrat 172 – Auftragserteilung 173 f. – Bestellung 173 – Bilanzsitzung des Aufsichtsrats, s. Bilanzsitzung des Aufsichtsrats – GmbH mit Pflichtaufsichtsrat 1131 – Früherkennungs- und Überwachungssystem 81 – kleine AG 189 f. – KonTraG 1998 52, 80 – Konzernabschlussprüfung 187 f. – Pflichtprüfungen 172 ff. – Prüfungsbericht, s. Prüfungsbericht des Abschlussprüfers – Prüfungsschwerpunkte 173 – in der SE 1396 – zusätzliche Prüfungen 185 f. Ad hoc-Publizität – Überblick 304 ff., 612 – und Verschwiegenheitspflicht 292 Amtsniederlegung – Form 33 – Regelfall 31

– vertragliche Bindungen 32 – Wirkung 34 Anteilseignervertreter – Abberufung in der AG 14 f. – Abberufung in der Genossenschaft 15 – Abberufung in der GmbH 16 – Wahl in der AG 14 f. – Wahl in der Genossenschaft 15 – Wahl in der GmbH 16 – Wahlvereinbarungen 17 Arbeitnehmervertreter – Abberufung 10 ff. – Drittelbeteiligungsgesetz 12 – MitbestG 13 – Montan-Mitbestimmung 11 – Wahl 10 ff. Arbeitsdirektor – Auswahl 465 – Bestellung und Abberufung 464 – erstmalige Bestellung 466 – Gleichberechtigung des A. 467 ff. – in der GmbH 470 – Mitbestimmung 461, 466, 467 – Überblick 461 ff. Audit Committee – BilMoG 744 – Corporate Governance Kodex 485 – Prüfungsbericht 179 – Überblick 174 – Vorbereitung der Prüfung und Billigung des Jahresabschlusses 485 Aufsichtsrat – Beratervertrag mit Dritten 865 – Dauer der Mitgliedschaft, s. Dauer der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat 545

Stichwortverzeichnis

– als Pflichtorgan, s. Pflicht-Aufsichtsrat – unternehmerische Aufgaben 57 ff. – Zusammensetzung, s. Zusammensetzung des Aufsichtsrats Aufsichtsratsausschüsse, s. Ausschüsse des Aufsichtsrats Aufsichtsratsmitglieder – Abberufung, s. Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern – Anteilseignervertreter, s. Anteilseignervertreter – Arbeitnehmervertreter, s. Arbeitnehmervertreter – Beraterverträge, s. Beraterverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern – Dauer der Mitgliedschaft, s. Dauer der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat – Drittgeschäfte 880 ff. – Ersatzmitglieder, s. Ersatzmitglieder des Aufsichtsrats – Gleichheit der A. 821 – Haftung, s. Aufsichtsratsmitglieder, Haftung – Höchstzahl der Aufsichtsratssitze 52 – Interessenkonflikte, s. Aufsichtsratsmitglieder, Interessenkonflikte – Kreditgewährung 879 – persönliche Voraussetzungen, s. persönliche Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder – Pflichten der A., s. Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder – Rechte der A., s. Rechte der Aufsichtsratsmitglieder – Rechtsverhältnis zur Gesellschaft 842 – Unabhängigkeit der A. 822 – Vergütung der A., s. Aufsichtsratsmitglieder, Vergütung 546

– Wahl, s. Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern Aufsichtsratsmitglieder, Haftung – D&O-Versicherung, s. D&O-Versicherung – gegenüber Aktionären 1019 f. – gegenüber Anlegern 1021 f. – fakultativer Aufsichtsrat der GmbH 1226 – gegenüber der Gesellschaft, s. Aufsichtsratsmitglieder, Haftung gegenüber der Gesellschaft – gegenüber Gesellschaftsgläubigern und sonstigen Dritten 1023 – in der Genossenschaft 1275 – in der KGaA 1333 – in der SE 1402 Aufsichtsratsmitglieder, Haftung gegenüber der Gesellschaft – Beweislastumkehr 1009 – Durchsetzung des Ersatzanspruchs durch die Hauptversammlung 1014 – Durchsetzung des Ersatzanspruchs durch eine Aktionärsminderheit 1015 – Durchsetzung des Ersatzanspruchs durch einzelne Aktionäre 1016 – Durchsetzung des Ersatzanspruchs durch einzelne Gläubiger 1017 – Durchsetzung des Ersatzanspruchs durch den Vorstand 1013 – Haftungsausschlüsse und -einschränkungen 1010 – Haftungsbeschränkungen 1012 – Haftungsvoraussetzungen 982, 984 ff. – individuelle Pflichtverletzung 993 f. – Pflichten bei Ausschusstätigkeit 998 ff.

Stichwortverzeichnis

– Pflichten bei Beschlussfassung 994 ff. – Überblick 981 ff. – Vergleich 1011 – Verjährung 1011 – Verzicht 1011 Aufsichtsratsmitglieder, Interessenkonflikte – Corporate Governance Kodex 929 – einfache Interessenkonflikte 904 ff. – gesetzliche Rahmenbedingungen 895 – Interessenkonflikte bei Übernahmen 918 ff. – Konfliktlösung 897 ff. – Pflichtenkollisionen bei Arbeitnehmervertretern 907 ff. – Pflichtenkollisionen bei Bankenvertretern 915 ff. – Pflichtenkollisionen im Konzern 911 ff. – Pflichtenkollisionen bei Repräsentanten öffentlicher Einrichtungen 914 – in der SE 1401 – Überblick 926 ff. Aufsichtsratsmitglieder, Vergütung – aktienkursorientierte Vergütung 849 ff. – allgemeine Vergütungsgrundsätze 843 – Aufwendungsersatz 845 – dividendenorientierte Vergütung 855 f. – D&O-Versicherung 1026 ff. – erfolgsorientierte Vergütung 848 ff. – fakultativer Aufsichtsrat bei der GmbH 1212 ff. – Gleichbehandlungsgrundsatz 843 – in der SE 1400

– von Unternehmenskennziffern abhängige Vergütung 857 Aufsichtsratspräsidium – Errichtung 788 f. – Wesen und Aufgaben 786 f. Aufsichtsratssitzungen, s. Sitzungen des Aufsichtsrats Ausschüsse des Aufsichtsrats – Audit Committee, s. Audit Committee 174 – Aufsichtsratspräsidium, s. Aufsichtsratspräsidium – Ausübung von Beteiligungsrechten in mitbestimmten Gesellschaften 503 – Berichterstattung an den Gesamtaufsichtsrat 751 – Beschlussfassung in den A. 768 – Besetzung der A. 755 – Einberufung der Sitzungen der A. 764 – Einsetzung von A. 752 ff. – in der Genossenschaft 1271 – und Gesamtaufsichtsrat 750 – Grenzen der Aufgabendelegation 745 ff. – Informationsansprüche einzelner Aufsichtsratsmitglieder 782 ff. – Informationsansprüche der A. 771 ff. – Informationsansprüche des Gesamtaufsichtsrats 775 ff. – innere Ordnung der A. 762 ff. – Mindestgröße entscheidungsbefugter A. 767 – Personalausschuss, s. Personalausschuss – Pflichtausschüsse 743 ff. – in der SE 1372 – Teilnahme an Sitzungen der A. 765 – Teilnahmeverbot 766 – Vermittlungsausschuss 739 ff. 547

Stichwortverzeichnis

– vorbereitende A. 745, 749 – Vorsitzender des A. 763 f. Beraterverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern – Beratung des Aufsichtsrats 866 f. – in der GmbH 868 ff. – im Konzern 871 ff. – mit einer dem Aufsichtsratsmitglied verbundenen Gesellschaft 876 – Organpflichten der Aufsichtsratsmitglieder 859 ff. – Publizität 862, 878 – Rückgewähr ungerechtfertigter Vergütungen 877 – Überblick 858 – Zustimmung des Aufsichtsrats 863 f. Beratung der Geschäftsführung – Gestaltung der Zukunft des Unternehmens 94 – Grenzen des Beratungsauftrags 98 f. – im Konzern 148 – Kritik an Beratungspflicht und -recht 96 f. – Pflicht des Vorstands, sich beraten zu lassen 95 – Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats 94 ff. – Wesen 94 ff. Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung – und Beauftragung des Abschlussprüfers 586 – über Bestellung und Abbestellung von Vorstandsmitgliedern 579 ff. – zum Dividendenvorschlag des Vorstands 565 – und Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG 585 – Form und Inhalt 596 ff. – Interessenkonflikte 587 ff. 548

– zu Jahres- und Konzernabschluss 562 ff. – zur Prüfung des Abhängigkeitsberichts 573 ff. – Rechenschaftsbericht 566 ff. – rechtliche Konflikte 591 ff. – Überblick 561 – ungewöhnliche Ereignisse 595 Bericht des Vorstands an den Aufsichtsrat – Berichts- und Informationsordnung für den Vorstand 191, 317 ff. – Berichtssystem 191 – Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern 245 – Einsichts- und Prüfungsrecht des Aufsichtsrats, s. Einsichtsund Prüfungsrecht des Aufsichtsrats – Empfänger 222 – inhaltliche Anforderungen 223 ff. – im Konzern, s. Berichte des Vorstands im Konzern – regelmäßige Berichte des Vorstands, s. Berichte des Vorstands, regelmäßige – Sonderberichte, s. Berichte des Vorstands, Sonderberichte – TransPuG 53 – und Überwachung der Leitung 64 – Überblick 191 – und Überwachungspflicht des Aufsichtsrats 192 – Unternehmensplanung 53 – Vorlageberichte, s. Berichte des Vorstands, Vorlageberichte Berichte des Vorstands im Konzern – regelmäßige Berichte 231 ff. – Sonderberichte 238 – Überblick 228 ff. – Vorlageberichte 239

Stichwortverzeichnis

Berichte des Vorstands, regelmäßige – Erweiterung der Berichtspflichten 207 – Jahresberichte 198 ff. – im Konzern 231 ff. – Rentabilitätsbericht 204 – Überblick 205 f. – Vierteljahresberichte 193 ff. Berichte des Vorstands, Sonderberichte – auf Anforderung 212 ff. – im Konzern 238 – im Krisenfall 210 f. – Rechtsgeschäfte von erheblicher Bedeutung 208 – bei wichtigen Anlässen 209 Berichte des Vorstands, Vorlageberichte – Abhängigkeitsbericht 218 ff. – und Jahresabschluss 217 – im Konzern 239 – und zustimmungsbedürftige Geschäfte 220 f. Beschlussfassung im Aufsichtsrat – Abstimmung 719 – Beschlussfähigkeit 714 ff. – fehlerhafte Beschlüsse 734 ff. – formlose Abstimmung 726 – geheime Abstimmung 720 – gemischte Beschlussfassung 727 – Mehrheitserfordernisse 730 ff. – nicht angekündigte Abstimmungsgegenstände 721 – schriftliche Stimmabgabe 723 ff. – Stimmverbote 728 – Überblick 712 f. – Vertagung von Beschlussanträgen 722 – Wirksamwerden des Beschlusses 729 Betriebsrat – Bericht des Aufsichtsrats 38

Bilanzsitzung des Aufsichtsrats – Anwesenheit des Abschlussprüfers 182 ff. – und Feststellung des Jahresabschlusses 181 – Prüfung des Jahresabschlusses 181 Business Judgment Rule – Aufsichtsrat 54 – Haftung 986 Compliance – im Konzern 140 – Überwachung der Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung 72 – Verschwiegenheitspflicht 303 Corporate Governance – Deutscher Corporate Governance Kodex, s. Deutscher Corporate Governance Kodex – Neuerungen durch das KonTraG 1998 52 – Neuerungen durch das TransPuG 2002 53 – Neuerungen durch das UMAG 2005 54 – Regierungskommission Corporate Governance 5 – Überblick 51 Dauer der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat – Abberufung, s. Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern – Amtsniederlegung, s. Amtsniederlegung – Regelfall 27 ff. Deutscher Corporate Governance Kodex – Audit Committee 485 – Erklärung gemäß § 161 AktG, s. Deutscher Corporate Governance Kodex, Erklärung gemäß § 161 AktG – Geschäftsverteilung des Vorstands 446 549

Stichwortverzeichnis

– Interessenkonflikte von Aufsichtsratsmitgliedern 929 – Organisation der Aufsichtsratsarbeit 654 f. – persönliche Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder 25 – Überblick 6, 55 – variable Vergütung 398 – Vorbesprechungen bei mitbestimmten Aufsichtsräten 698 – Vorsitzender des Aufsichtsrats 659 – Vorstandsvergütung 395 f. Deutscher Corporate Governance Kodex, Erklärung gemäß § 161 AktG – und Berichterstattung an die Hauptversammlung 585 – in der SE 1397 – Überblick 55 f., 491 ff., 613 – und Unternehmensinteresse 495 – Vergangenheitsbezogenheit 493 – Zugänglichmachung 497 f. – Zukunftsbezogenheit 494 – Zuständigkeit 496 D&O-Versicherung – Vergütungscharakter 1026 ff. – Wesen 1024 – Zulässigkeit 1025 Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrats 685 f. Einsichts- und Prüfungsrecht des Aufsichtsrats – Gegenstand 242 – in der Genossenschaft 1265 – Informationsrecht 243 – Konzerngesellschaften 244 – Wesen 240 – Zuständigkeit 241 Ersatzmitglieder des Aufsichtsrats – Bestellung 1030 f. 550

– entziehende Nachwahl 1035 f. – fakultativer Aufsichtsrat bei der GmbH 1202 – Nachrücken der E. 1032 f. – Rechte und Pflichten der E. 1038 – Überblick 1029 – überholende Nachwahl 1037 – Wahl 18 Genossenschaft, Aufsichtsrat – Aufsichtsratsausschüsse 1271 – Bestellung und Abberufung des Vorstands 1272 f. – Einsichts- und Untersuchungsrechte 1265 – Generalversammlung, s. Genossenschaft, Generalversammlung – Information des Aufsichtsrats 1260 ff. – Pflichtverletzung und Haftung 1275 – Prüfungsbericht des Verbandsprüfers 1266 f. – Sonderberichte 1269 – Überblick 1251 ff. – Überwachung der Geschäftsführung 1258 f. – Verschwiegenheitspflicht 1270 – Vertretung der Genossenschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern 1274 – Vorlageberichte 1264 – Zusammensetzung 1253 ff. – Zustimmungsvorbehalte 1263 Genossenschaft, Generalversammlung – Aufgaben 1277 – Pflichtverletzung und Haftung 1281 f. – Rechte und Pflichten der Mitglieder der Generalversammlung 1280 – Überwachung durch die Generalversammlung 1279

Stichwortverzeichnis

– Wesen 1276 – Willensbildung in der Generalversammlung 1278 Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat – Einsetzung von Aufsichtsratsausschüssen 753 – Überblick 652 f. – Zustimmungsvorbehalte 107 Geschäftsordnung für den Vorstand – Geschäftsverteilung 445 f., 447 – in der SE 1391 – Zustimmungsvorbehalte 107 GmbH – und Arbeitsdirektor 470 – Beraterverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern 868 ff – fakultativer Aufsichtsrat, s. GmbH, fakultativer Aufsichtsrat – Pflichtaufsichtsrat, s. GmbH, Pflichtaufsichtsrat GmbH, fakultativer Aufsichtsrat – Altersregelungen 1196 ff. – Amtsdauer 1200 f. – Aufhebung des Aufsichtsrats 1224 f. – Ausgestaltung 1184 f. – Bestellung und Abberufung 1198 ff. – Einrichtung durch Satzung 1183 – Ersatzmitglieder 1202 – Haftung der Aufsichtsratsmitglieder 1226 – Information der Aufsichtsratsmitgliedern 1215 f. – interne Ordnung des Aufsichtsrats 1217 ff. – öffentliche Unternehmen 1428 – persönliche Voraussetzungen der Aufsichtsratsmitglieder 1191 ff. – Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder 1204 ff.

– stellvertretende Mitglieder 1203 – Überblick 1181 f. – Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder 1212 ff. – Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder 1215 f., 1433 – Zusammensetzung 1186 ff. GmbH, Pflichtaufsichtsrat – Arbeitnehmerbegriff 1102 ff. – Aufgaben und Kompetenzen, s. GmbH, Pflichtaufsichtsrat, Aufgaben und Kompetenzen – Bestimmung der maßgebenden Arbeitnehmerzahl 1101 – Leitungsstruktur der GmbH bei Pflichtaufsichtsrat 1114 f. – öffentliche Unternehmen 1428 – Statusverfahren zur Feststellung des einschlägigen Aufsichtsratssystems 1110 ff. – Überblick 1091 ff. – Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder 1433 – Voraussetzungen bei Unternehmen von öffentlichem Interesse 1100 – Voraussetzungen nach dem Drittelbeteiligungsgesetz 1096 f., 1103 f. – Voraussetzungen nach dem InvestmentG 1100 – Voraussetzungen nach dem MitbestG 1098, 1105 ff. – Voraussetzungen nach dem MontanMitbestG 1099, 1109 GmbH, Pflichtaufsichtsrat, Aufgaben und Kompetenzen – Anstellung der Geschäftsführer in der drittelmitbestimmten GmbH 1137 – Anstellung der Geschäftsführer in der paritätisch mitbestimmten GmbH 1135 f. 551

Stichwortverzeichnis

– besonderes Weisungsrecht der Anteilseigner-Vertreter in der paritätisch mitbestimmten GmbH 1156 – Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer in der drittelmitbestimmten GmbH 1134 – Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer in der paritätisch mitbestimmten GmbH 1132 f. – Bestellung von Prokuristen in der drittelmitbestimmten GmbH 1147 – Bestellung von Prokuristen in der paritätisch mitbestimmten GmbH 1145 f. – Einberufung der Gesellschafterversammlung 1125 – Einwirkungsmöglichkeiten auf die Geschäftsführer 1124 ff. – Erteilung des Prüfungsauftrags an den Abschlussprüfer 1131 – Feststellung des Jahresabschlusses 1130 – und Geschäftsordnung für die Geschäftsführung 1129 – Informationsrechte 1122 f. – Innere Organisation des Aufsichtsrats in der drittelmitbestimmten GmbH 1154 – Innere Organisation des Aufsichtsrats in der paritätisch mitbestimmten GmbH 1153 – Mitwirkung auf Gesellschafterebene in der drittelmitbestimmten GmbH 1152 – Mitwirkung auf Gesellschafterebene in der paritätisch mitbestimmten GmbH 1148 ff. – Organisationskompetenz in der drittelmitbestimmten GmbH 1144 – Organisationskompetenz in der paritätisch mitbestimmten GmbH 1139 ff. 552

– Überblick 1116 f. – Überwachung der Geschäftsführung 1118 ff. – und Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung 1121 – zustimmungsbedürftige Geschäfte 1126 ff. Haftung der Aufsichtsratsmitglieder, s. Aufsichtsratsmitglieder, Haftung Handelsregister – Abberufung von Vorstandsmitgliedern 383 – Bestellung von Vorstandsmitgliedern 383 – und Vorsitzender des Aufsichtsrats 661 Hauptversammlung – Berichterstattung an die Hauptversammlung, s. Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung – Beschlussvorschläge durch den Aufsichtsrat 507 – Einberufung durch den Aufsichtsrat 123, 505 f. – Klage auf Anfechtung/Feststellung der Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses durch einzelne Aufsichtsratsmitglieder 836 Information des Aufsichtsrats – Bericht des Vorstands an den Aufsichtsrat, s. Bericht des Vorstands an den Aufsichtsrat – Einsichts- und Prüfungsrecht des Aufsichtsrats, s. Einsichtsund Prüfungsrecht des Aufsichtsrats – durch das Personal 246 ff. Insiderrecht – Insiderinformationen 294 – Überwachungspflicht 612

Stichwortverzeichnis

– unbefugte Weitergabe 296 ff. – Verschwiegenheitspflicht 291 Insolvenz – Überwachung der Insolvenzantragstellung 88 Interessenkonflikte von Aufsichtsratsmitgliedern, s. Aufsichtsratsmitglieder, Interessenkonflikte Jahresabschluss – Bericht des Aufsichtsrats 562 ff. – Bilanzsitzung des Aufsichtsrats, s. Bilanzsitzung des Aufsichtsrats – Feststellung durch den Aufsichtsrat 181, 484 ff. – in der SE 1396 Kapitalmarktrechtliche Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder – Ad hoc-Publizität, s. Ad hocPublizität – Angaben zum Aktienbesitz 628 – Directors Dealing 627 – Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG, s. Deutscher Corporate Governance Kodex, Erklärung gemäß § 161 AktG – Insiderhandelsverbot, s. Insiderrecht – Übernahmerecht, s. Übernahmerecht KGaA, Aufsichtsrat – Ausführung der Beschlüsse der Kommanditaktionäre 1323 f. – börsennotierte KGaA 1325 – Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats auf die Geschäftsführung 1313 f. – fakultative Gremien in der KGaA 1330 ff. – Geschäftsordnung für die Geschäftsführung 1319

– Gestaltungen durch die Satzung 1326 ff. – Information des Aufsichtsrats 1311 – Kapitalgesellschaft & Co. KGaA 1329 – keine Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung 1305 ff. – Pflichtverletzung und Haftung 1333 – Überblick 1301 – Überwachung der Geschäftsführung 1309 ff. – Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Komplementären 1320 f. – Vertretung der Kommanditaktionäre 1322 – Zusammensetzung 1302 f. – zustimmungsbedürftige Geschäfte 1316 ff. Konzern – Abhängigkeitsbericht 218 ff. – Abschlussprüfung im K. 187 f., 190 – Anstellungsvertrag zwischen Vorstand der abhängigen Gesellschaft und Konzernobergesellschaft 431 – Beraterverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern 871 ff. – Beratung von Vorstand und Aufsichtsrat 148 – Einsichtnahme durch den Aufsichtsrat der herrschenden Gesellschaft 244 – Personalkompetenz 473 ff. – Überwachung der Geschäftsführung im Konzern, s. Überwachung der Geschäftsführung im Konzern – Verschwiegenheitspflicht 281 f. – Wesen 131 553

Stichwortverzeichnis

– zustimmungspflichtige Geschäfte 149 ff. – Mitbestimmung – Abberufung von Vorstandsmitgliedern 367, 370 – Abstimmungsverfahren 344 ff. – Anstellung von Vorstandsmitgliedern 387 – Ausübung von Beteiligungsrechten in mitbestimmten Gesellschaften 500 ff. – Arbeitsdirektor 461, 466, 467 – Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats 714 ff. – Besetzung von Aufsichtsratsausschüssen 758 f. – Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern in den Vorstand 454 – Ersatzmitglieder des Aufsichtsrats 1030 f. – Mehrheitserfordernisse bei Beschlussfassung des Aufsichtsrats 731 f. – Pflichtaufsichtsrat in der GmbH, s. GmbH, Pflichtaufsichtsrat – in der SE 1353 f. – Vermittlungsausschuss 739 ff. – Verschwiegenheitspflicht 255 f. – Vorsitzender des Aufsichtsrats 666 ff. – Vorstandsvorsitzender 459 Mitentscheidung durch den Aufsichtsrat – und Ausnutzung eines genehmigten Kapitals 499 – und Ausübung von Beteiligungsrechten in mitbestimmten Gesellschaften 500 ff. – Berichterstattung an die Hauptversammlung, s. Bericht

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– –

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des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung Beschlussvorschläge für die Hauptversammlung 507 Einberufung der Hauptversammlung 505 f. Erklärung zum Deutsche Corporate Governance Kodex, s. Deutscher Corporate Governance Kodex, Erklärung gemäß § 161 AktG Feststellung des Jahresabschlusses 484 ff. Kontrolldichte des Aufsichtsrats 92 f. Kreditgewährung an Führungskräfte 513 f. Satzungsänderung 509 Stellungnahme zu Übernahmeangeboten 516 f. Verträge mit Führungskräften 515 Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern, s. Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern Zustimmungspflichtige Geschäfte, s. Zustimmungspflichtige Geschäfte

Öffentliche Unternehmen, Aufsichtsrat – und GmbH, fakultativer Aufsichtsrat 1428 – und GmbH, Pflichtaufsichtsrat 1428 – persönliche Voraussetzungen der Aufsichtsratsmitglieder 1424 – Pflichtenkollisionen im Aufsichtsrat 914 – Überblick 1421 f. – Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse 1427

Stichwortverzeichnis

– Verschwiegenheitspflicht 276, 1429 ff. – Weisungsfreiheit der Aufsichtsratsmitglieder 1425 f. – Zusammensetzung des Aufsichtsrats 1423 f. Organisation der Aufsichtsratsarbeit – Effizienzprüfung 655 – Geschäftsordnung, s. Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat – Selbstorganisationspflicht 654 – Vorsitzender des Aufsichtsrats, s. Vorsitzender des Aufsichtsrats Personalausschuss – Anstellung von Vorstandsmitgliedern 388 f. – Entscheidungsvorbereitung für die Bestellung von Vorstandsmitgliedern 337 Persönliche Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder – allgemeine Voraussetzungen 19 f. – Besetzungsplan 25 – Corporate Governance Kodex 25 – fakultativer Aufsichtsrat der GmbH 1191 ff. – Mindestqualifikationen 26 – öffentliche Unternehmen 1424 – Rechtsfolgen des Fehlens von persönlichen Voraussetzungen 23 – Satzungsbestimmungen 24 – in der SE 1399 – Überblick 19 ff. – Unvereinbarkeiten 21 ff. Pflicht-Aufsichtsrat – Überblick 7 Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

– Einschreiten bei Pflichtverletzungen des Vorstands 892 – beim fakultativen Aufsichtsrat der GmbH 1204 ff. – gerichtliche Abberufung aus wichtigem Grund 930 ff. – Informationspflicht 890 – Interessenkonflikte, s. Aufsichtsratsmitglieder, Interessenkonflikte – KonTraG 1998 52 – Mitarbeitspflicht 886 – Organisationspflicht 889 – Prüfungspflicht 891 – shareholder value-Ansatz 893 – stakeholder value-Ansatz 893 – Überblick 39 – Urteilsbildungspflicht 887 – Urteilsbildungspflicht über die Eignung des Vorstands 888 – Verpflichtung auf das Wohl der Gesellschaft 893 – Verschwiegenheit, s. Verschwiegenheitspflicht Planung, s. Unternehmensplanung Prüfungsausschuss, s. Audit Committee Prüfungsbericht des Abschlussprüfers – börsennotierte Gesellschaften 176 – Empfänger 178 f. – Inhalt 176 – Kommentar zum Lagebericht des Vorstands 177 – Prüfungsumfang durch den Aufsichtsrat 180 Publizitätspflichten – Veröffentlichung von Beginn und Ende des Aufsichtsratsmandats 35 Rechte der Aufsichtsratsmitglieder

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Stichwortverzeichnis

– aufsichtsratsinterne Mitwirkungsbefugnisse 824 ff. – Berichterstattung durch den Vorstand 829 – beim fakultativen Aufsichtsrat der GmbH 1204 ff. – und Klage anstelle des Aufsichtsrats 840 – Klage auf Anfechtung/Feststellung der Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses 836 – Klage auf Durchsetzung von subjektiven Organrechten 838 f. – Klage auf Feststellung der Nichtigkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen 837 – Klage auf persönliche Ansprüche 841 – Ergänzung des unvollständig besetzten Aufsichtsrats 833 – richtige Zusammensetzung des Aufsichtrats 835 – Teilnahme an der Hauptversammlung 830 – Vergütung, s. Aufsichtsratsmitglieder, Vergütung Risiko-Überwachungssystem – und Abschlussprüfer 81 – BilMoG 82 – KonTraG 80 – Umfang 82 Sitzungen des Aufsichtsrats – Anzahl der Sitzungen 687 f. – Anwesenheit Dritter 702 – Bekanntgabe der Tagesordnung 691 ff. – Einberufung 690 f. – Selbsteinberufung durch Aufsichtsratsmitglieder 695 ff. – Sitzungsleitung 704 f. – Sitzungsniederschrift 706 ff. – Sitzungssprache 703 556

– Teilnahmerecht 699 ff. – Teilnahmerecht von Vorstandsmitgliedern 701 – Telefon-/Videokonferenzen 689 – Vorbesprechungen bei mitbestimmten Aufsichtsräten 698 – zusätzliche Sitzungen 693 f. Societas Europaea (SE), Aufsichtsorgan – Abberufung der Mitglieder des Aufsichtsorgans 1361 – Abberufung der Mitglieder des Leitungsorgans 1393 – und Abschlussprüfer 1396 – Amtszeit 1362 f. – Anstellung der Mitglieder des Leitungsorgans 1394 – anwendbares Recht 1355 f. – Aufsichtsorgan in der dualistischen SE 1352 ff. – Ausschüsse des Aufsichtsorgans 1372 – Berichtsordnung 1386 – Bestellung der Mitglieder des Leitungsorgans 1392 – Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG 1397 – Geschäftsleitung durch Mitglieder des Aufsichtsorgans 1369 f. – Geschäftsordnung für Leitungsorgane 1391 – Information des Aufsichtsorgans 1376 ff. – Information des Aufsichtsorgans im Konzern 1385 ff. – innere Ordnung des Aufsichtsorgans 1365 ff., 1371 – Interessenkonflikte 1401 – Jahresabschluss 1396 – Mitbestimmung 1353 f. – persönliche Voraussetzungen der Mitglieder des Aufsichtsorgans 1399

Stichwortverzeichnis

– Pflichtverletzungen und Haftung 1402 – Überwachung des Leitungsorgans 1373 ff. – Vergütung der Mitglieder des Aufsichtsorgans 1400 – Verschwiegenheitspflicht 1387 – Vertretung der Gesellschaft gegenüber dem Leitungsorgan 1395 – Vorsitz des Aufsichtsorgans 1364 – Zusammensetzung 1357 ff. – Zustimmungsvorbehalte 1389 Strategie 76 Übernahmerecht – Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflichten 614 – Interessenkollisionen 918 ff. – Stellungnahme zu Übernahmeangeboten 516 f., 618 ff. – Verhaltenspflichten des Aufsichtsrats der Bietergesellschaft 615 f. – Verhaltenspflichten des Aufsichtsrats der Zielgesellschaft 618 ff., 623 ff. Überwachung der Geschäftsführung – Abberufung von Vorstandsmitgliedern 121 – Beratung, s. Beratung der Geschäftsführung – Bericht des Vorstands an den Aufsichtsrat, s. Bericht des Vorstands an den Aufsichtsrat – Einberufung der Hauptversammlung durch den Aufsichtsrat 123 – Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats 100 ff. – Gegenstand, sie Überwachung der Geschäftsführung, Gegenstand

– Geschäftsordnung für den Vorstand, s. Geschäftsordnung für den Vorstand – Kontrolldichte, s. Überwachung der Geschäftsführung, Kontrolldichte – im Konzern, s. Überwachung der Geschäftsführung im Konzern – und Mitentscheidung, s. Mitentscheidung durch den Aufsichtsrat – Prüfungsmaßstab, s. Überwachung der Geschäftsführung, Prüfungsmaßstab – Prüfungsmittel 85 – in der SE 1373 ff. – Stellungsnahmen und Beanstandungen 101 – Überblick 61 f. – Umfang 70 Überwachung der Geschäftsführung, Gegenstand 63 ff. – Angestellte des Unternehmens 68 – Berichtspflichten des Vorstands 64 – Delegation von Geschäftsführungsmaßnahmen an leitende Angestellte 68 f. – Leitungsmaßnahmen der Geschäftsführung 63 – Risikomanagement 63, 80 ff. – Tagesgeschäft 66 Überwachung der Geschäftsführung, Kontrolldichte – Insolvenzantragstellung 88 – in der Krise 87 – im Normalfall 86 – Personalentscheidungen 89 – Sanierungskonzept 91 – bei Zustimmungsvorbehalten 92 f. – zwingende Geschäftsführungsmaßnahmen 89 f.

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Stichwortverzeichnis

Überwachung der Geschäftsführung im Konzern – abhängige Gesellschaften 154 ff. – Compliance 140 – Eingliederungskonzern 158 – erweiterte Überwachungsaufgaben 132 f – faktischer Konzern 136 – Informationsordnung 134 f. – Interessenkollisionen 156 – Konzernleitung 132 – Ordnungsmäßigkeitskontrolle 141 f. – Rechtmäßigkeitskontrolle 138 f. – Rentabilitätskontrolle 143 – Schwierigkeiten 134 – in der SE 1385 – Überblick 146 – Umfang 147 – Vertragskonzern 136, 157 – Zweckmäßigkeitskontrolle 144 f. Überwachung der Geschäftsführung, Prüfungsmaßstab – Compliance 72 – Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung 72 f. – Unternehmensplanung 74 ff. – Wirtschaftlichkeit 83 – Zweckmäßigkeit 84 Unternehmensplanung – Informationswesen 79 – kurzfristige U. 76 – langfristige U. 76 – mittelfristige U. 76 – Neuplanung 77 – Personalplanung 79 – Pflicht des Vorstands zur U. 75 f. – Rechnungs- und Berichtswesen 79 – Risiko-Überwachungssystem 80 ff. – Unternehmensorganisation 74 558

Unternehmensverfassung – duales System 3, 57 ff. – in Europa 4 – und Mitbestimmung 1, 4 – monistisches (one tier-)System 3 – Verbindung von dualem und monistischem System 57 ff. Vergütung von Aufsichtsratsmitgliedern, s. Aufsichtsratsmitglieder, Vergütung Verschwiegenheitspflicht – und Ad hoc-Publizität, s. Ad hoc-Publizität – Beratungs- und Abstimmungsgeheimnis 266 f. – Compliance 303 – Dauer 285 – finanzielle Geheimnisse 273 – Geheimnis, Wesen 259 ff. – in der Genossenschaft 1270 – Insiderrecht, s. Insiderrecht – fakultativer Aufsichtsrat der GmbH 1215 f. – kaufmännische Geheimnisse 272 – Kenndaten 269 f. – Meinungsfreiheit 257 f. – und Mitbestimmung 255 f. – öffentliche Unternehmen 1429 ff. – planerische Geheimnisse 274 – Rückkoppelung von Wählern und Gewählten 268 – Sanktionen 288 f. – in der SE 1387 – technische Daten 271 – TransPuG 53 – Überblick 254 ff. – Umfang, s. Verschwiegenheitspflicht, Umfang – vertrauliche Angaben 264 – Vertraulichkeitsordnung 320 – Zuständigkeit für die Weitergabe von Informationen 284

Stichwortverzeichnis

Verschwiegenheitspflicht, Umfang – Grenzen 283 – im Konzern 281 f. – öffentliche Unternehmen 276 – persönlicher Umfang 275 Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern – ausgeschiedene Vorstandsmitglieder 436 – Befreiung vom Wettbewerbsverbot 432 – Grundsatz der Vertretung der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat 432 – Hinterbliebene früherer Vorstandsmitglieder 432 – Mängel 433 – und Kreditgewährung 432 – Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder 440 ff. – Zuständigkeit 438 Vorsitzender des Aufsichtsrats – Abberufung 664, 673 – Amtsniederlegung 665 – Amtszeit 662, 672 – Aufgaben 675 f. – Bestellung 656 ff. – bisheriger Vorstandsvorsitzender 659 – Corporate Governance Kodex 659 – Handelsregisteranmeldung 661 – Leitung der Aufsichtsratssitzungen 704 f. – und Mitbestimmung 666 ff. – Stellvertreter 657, 670 Vorstand – Bericht an den Aufsichtsrat, s. Bericht des Vorstands an den Aufsichtsrat – Geschäftsverteilung, s. Vorstand, Geschäftsverteilung Vorstand, Geschäftsverteilung – Änderung der G. 450 f.

– Bestellung der Vorstandsmitglieder 448 f. – Corporate Governance Kodex 446 – Geschäftsordnung 447 – Satzung 447 – Zuständigkeit des Aufsichtsrats 447, 451 Vorstandsmitglieder – Abberufung, s. Vorstandsmitglieder, Abberufung – Amtszeit 355 ff. – Anstellung, s. Vorstandsmitglieder, Anstellung – Arbeitsdirektor, s. Arbeitsdirektor – Eignungsvoraussetzungen 339 f. – Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern in den Vorstand 452 ff. – Anzahl 338 – Bestellung, s. Vorstandsmitglieder, Bestellung – Schadensersatzansprüche, Verfolgung durch den Aufsichtsrat 440 ff. – stellvertretende V. 471 f. – Vertretung der Gesellschaft gegenüber V., Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern – Vorstandssprecher 460 – Vorstandsvorsitzender, s. Vorstandsvorsitzender Vorstandsmitglieder, Abberufung – Arbeitsdirektor 464 – Ausübung des Widerrufsrechts 368 ff. – Bericht an die Hauptversammlung 579 ff. – einvernehmliche Aufhebung 377 – gerichtliche Überprüfung der A. 374 ff. 559

Stichwortverzeichnis

– Handelsregister 383 – Information des Aufsichtsrats 245 – im Konzern 473 ff. – Mängel der A. 372 ff. – und Mitbestimmung 367, 370 – Suspendierung 378 ff. – Überblick 361 ff. – Überwachung 120 – Voraussetzungen der A. 364 ff. – Wirksamwerden der A. 371 Vorstandsmitglieder, Anstellung – Änderungskündigung 428 f. – und Bestellung 391, 407 ff. – Dauer der Anstellung 392 – einvernehmliche Aufhebung 420 – im Konzern 473 ff. – mit Konzernobergesellschaft 431 – Kündigung aus wichtigem Grund 414 ff. – Kündigung durch das Vorstandsmitglied 421 f. – Mängel 393 – und Mitbestimmung 387 – ordentliche Kündigung 420 – Personalausschuss des Aufsichtsrats 388 ff. – Rechtsnatur des Anstellungsvertrages 384 f. – Rechtsschutz 430 – Umwandlung in Arbeitsverhältnis 409 – Vergütung, s. Vorstandsmitglieder, Vergütung – Zuständigkeit des Aufsichtsrats 386 f., 410 ff. Vorstandsmitglieder, Bestellung – Arbeitsdirektor 464, 466 – Bericht an die Hauptversammlung 579 ff. – Beschlussfassung 342 f. – Dauer der Bestellung 355 f. – Entscheidungsermessen des Aufsichtsrats 338 ff. 560

– Entscheidungsvorbereitung durch Personalausschüsse 337 – Geschäftsverteilung 448 f. – Handelsregister 383 – im Konzern 473 ff. – Mängel der Bestellung 359 f. – Verlängerung der Amtszeit 357 – Wahlverfahren nach dem MitbestG 344 ff. – Zeitpunkt der (Wieder-)Bestellung 358 – Zuständigkeit des Aufsichtsrats 332 ff. Vorstandsmitglieder, Vergütung – Abfindung bei Ausscheiden 424 – Angemessenheit der Bezüge 395 ff. – Change of Control-Klauseln 425 – Corporate Governance Kodex 395 f. – einmalige erfolgsabhängige Vergütung 399 – Festvergütung 398 – jährliche erfolgsabhängige Vergütung 400 f. – langfristige erfolgsabhängige Vergütung 402 ff. – Leistungen an ausscheidende Vorstandsmitglieder 423 ff. – Offenlegung der Vergütung 427 – Ruhegehalt 426 – Überblick 394 – Übergangsgeld bei Ausscheiden 426 – variable Vergütung 398 ff. – Vergütungsbestandteile 398 ff. – Vergütungsleistungen durch Dritte 405 Vorstandsvorsitzender – und Mitbestimmung 459 – Rechte 457 – Überblick 456 – Zuständigkeit für die Ernennung 458

Stichwortverzeichnis

Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern – Anteilseignervertreter in der AG 14 f. – Anteilseignervertreter in der Genossenschaft 15 – Anteilseignervertreter in der GmbH 16 – Arbeitnehmervertreter 10 ff. – Ersatzmitglieder 18 – Überblick 9 ff. – Wahlvereinbarungen 17 Zusammensetzung des Aufsichtsrats – Überblick 8 Zustimmungspflichtige Geschäfte – Ad hoc-Zustimmungsvorbehalt 108

– Berichterstattung durch den Vorstand 220 f. – Einflussnahme auf den Vorstand 103 ff. – Einrichtung 105 f. – generalklauselartige Zustimmungsvorbehalte 109 – in der Genossenschaft 1263 – in der GmbH mit Pflichtaufsichtsrat 1126 ff. – Katalog 109 f. – in der KGaA 1316 ff. – im Konzern 149 ff. – Geschäftsordnung 107 – MitbestG 153 – in der SE 1389 – TransPuG 53 – Umfang 109 ff., 118 ff. – Wirkungen der Zustimmung/ versagten Zustimmung 114 ff.

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