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German Pages 256 Year 2012
Gerd Althoff
Die Macht der Rituale Symbolik und Herrschaft im Mittelalter 2. Auflage
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme.
2., mit einem neuen Vorwort versehene Auflage 2013 © 2013 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt 1. Auflage 2003 Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Umschlaggestaltung: schreiberVIS, Bickenbach Umschlagbild: Kniefall Friedrich Barbarossas vor Heinrich dem Löwen. Sächsische Weltchronik, Hamburger Handschrift vor 1290. Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, ms 0033, fol. 88v Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de
ISBN 978-3-534-25081-3 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-72895-4 eBook (epub): 978-3-534-72896-1
Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. I.1 I.2 I.3 I.4 I.5 I.6 I.7 I.8 II. II.1 II.2 II.2.1 II.2.2 II.2.3 II.2.4 II.2.5 III. III.1 III.2 III.2.1 III.2.2 III.2.3 III.3 III.3.1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Thema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffliche Annäherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Machtausübung im Mittelalter im Verständnis moderner Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beratung und Konsens und ihre Folgen für die Königsmacht .. Kommunikation und Ritual . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besondere Domänen und spezifische Leistungen ritueller Kommunikation im Mittelalter – Ausgangspunkte . . . . . . . . . . Wie entstehen Rituale? oder: Die Geschichtlichkeit der Rituale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Ritualisierung der Herrschaftsausübung im Frühmittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bescheidene Anfänge in der Merowingerzeit . . . . . . . . . . . . . . Rituale in der öffentlichen Kommunikation der Karolingerzeit: Aspekte und Probleme eines Lernprozesses . . . . . . . . . . . Die Begegnungen von Päpsten mit Karolingern . . . . . . . . . . . Rituale beim Sturz des Bayernherzogs Tassilo . . . . . . . . . . . . . Rituelle Ausdrucksformen der Entmachtung Ludwigs des Frommen und seiner Restitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rituelle Interaktion zwischen Karolingern und ihren Vasallen Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7 9 9 10 14 16 18 22 26 28
32 32 38 41 53 57 64 66
Die Ausbreitung ritueller Verhaltensmuster im 10. und 11. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Konfliktbeendigung durch rituelle Akte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 Rituelle Ausdrucksformen für Ansprüche und Verpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Verbindliche ‚Aussagen‘ der Herrscher durch symbolische Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Symbolische Dienste der Vasallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Symbolische Artikulation umstrittener Ansprüche . . . . . . . . . 96 Formen königlicher Selbstdemütigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Selbsterniedrigung gegenüber den himmlischen Mächten . . . 106
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Inhalt
III.3.2 Demonstrative Selbsterniedrigung in der politischen Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 III.3.3 Selbstdemütigungen Heinrichs IV. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 III.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 IV. IV.1 IV.2 IV.3 IV.4 V. V.1
Herrschaftsrituale im 12. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neuschöpfungen nach Canossa: Rituelle Handlungen bei Papst-Kaiser-Begegnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwischen Milde und Strenge: Unterwerfungsrituale in der Stauferzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Agonale Aspekte in Ritualen der Stauferzeit . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
136 137 145 160 168
V.2 V.3
Ausblicke ins Spätmittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Einritt des Landesherrn und die Huldigung der Untertanen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Symbolische Ausdrucksformen der Kurfürstenwürde . . . . . . . Unterwerfungsrituale im Spätmittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . .
170 171 177 181
VI. VI.1 VI.2 VI.3
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die ‚Gemachtheit‘ der Rituale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Geschichtlichkeit der Rituale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Macht der Rituale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
187 189 195 199
Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253
Vorwort zur Neuausgabe Das knappe Jahrzehnt, das seit dem Schreiben dieses Buches vergangen ist, kann als Zeitraum intensiver Ritualforschung in den Kulturwissenschaften charakterisiert werden. Dies manifestiert sich aktuell etwa in der vom Heidelberger SFB „Ritualdynamik“ herausgegebenen fünfbändigen Publikation (A. Michaels (Hg.), Ritual Dynamics and the Science of Ritual, Wiesbaden 2010), die Beiträge einer interdisziplinären und internationalen Tagung zu dieser Thematik aus dem Jahre 2009 versammelt. Der Austausch, den die Ritualforschung über die Grenzen von Disziplinen, Epochen und Kulturen hinweg betrieben hat, verstärkte die Einsicht, wie unterschiedlich die Formen, Funktionen und Leistungen sind, die den Erscheinungen, die man Rituale nennt, jeweils zugeschrieben werden. Diese hängen ganz entscheidend von sozialen, religiösen oder politischen Rahmenbedingungen in den Gesellschaften ab, in denen diese rituelle Kommunikation praktiziert wird. Dies gibt allen Anlass, zur zweiten Auflage dieses Buches nachdrücklicher auf Rahmenbedingungen der Gesellschaft hinzuweisen, die die hier untersuchten Rituale praktizierte. Diese Rahmenbedingungen bewirkten spezifische Funktionen und Leistungen der mittelalterlichen Rituale, die bei jedem Epochen- und Kulturvergleich in Rechnung zu stellen sind. Der Geltungsanspruch der in diesem Buch gegebenen Einschätzungen ist daher zunächst einmal auf die mittelalterliche Gesellschaft und auf ihre Führungsschichten beschränkt. Die früh- und hochmittelalterliche Gesellschaft, die im Zentrum des Interesses dieser Forschungen steht, unterscheidet sich von modernen Gesellschaften vor allem durch den vorstaatlichen Charakter ihrer Ordnungsstiftung: Diese ist gekennzeichnet durch das weitgehende Fehlen expliziter Regeln und abstrakt-genereller Normen in schriftlicher Form und durch die Befolgung von ‚Gewohnheiten‘, die erst im Bedarfsfall in mündlich-persönlicher Beratung ‚gefunden‘ werden. Begründet wird diese Ordnung vorrangig durch rituelles Verhalten, mit dem symbolisch verdichtet gezeigt wird, welche Rechte und Pflichten man anerkennt. Ohne Teilnahme gab es keine Verpflichtung. Solche öffentlichen Rituale etablierten oder verlängerten eine bestimmte Ordnung, weil das gezeigte Verhalten für die Zukunft band. Damit praktizierte diese mittelalterliche Gesellschaft Formen der Ordnungsstiftung, die eine große Ambiguität kennzeichnete. Die rituellen ‚Aufführungen‘ konstituierten generelle Verhältnisse und Verpflichtungen, regelten keinerlei detaillierten Rechte und Pflichten. Gegenüber dieser deutlichen
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Vorwort
Schwäche der Ordnungsstiftung durch Rituale war man lange Zeit relativ indifferent, seit dem 12. Jahrhundert bemerkt man jedoch zunehmend, wie diese ordnungsstiftenden Rituale durch zusätzliche schriftliche Vereinbarungen substituiert und damit in ihrer Wirkung effektiver gemacht wurden. Dieser ‚Lernprozess‘ minderte jedoch nicht die Intensität der rituellen Kommunikation. Von anderen, vormodernen Gesellschaften, die Ethnologen als nicht stratifizierte oder ‚primitive‘ bezeichnen, unterschiedet sich die mittelalterliche bezüglich ihrer rituellen Praxis vor allem in zweierlei Hinsicht: Zum einen widmet sich die rituelle Kommunikation in hohem Maße der Fixierung und Anerkennung von Rang und Stand der Akteure. Viele Rituale und viel Semantik der Rituale sind dem Anliegen verpflichtet, die differenzierte Rangordnung verbindlich festzulegen oder aus der Rangordnung resultierende Rechte wie Pflichten zu benennen. Zum anderen gehen in die Aussagen mittelalterlicher Rituale Vorstellungen ein, die aus zwei sehr unterschiedlichen Wertehorizonten stammen: aus dem der Adels- und Kriegergesellschaft und aus dem des Christentums. Die rituelle Kommunikation in den Führungsschichten und mit dem Sakralkönigtum dieser Zeit scheint dabei stark von Ausdrucksformen geprägt zu sein, die christlichen Vorstellungshorizonten entstammen. Beide Rahmenbedingungen beeinflussen jedenfalls die Eigenart und Komplexität mittelalterlicher Ritualsemantik deutlich und müssen bei vergleichenden Betrachtungen in Rechnung gestellt werden. Dieses Buch, das ist dem Autor bei der erneuten Lektüre wieder vor Augen geführt worden, ist zunächst einmal geschrieben, um die engeren Fachkolleginnen und Kollegen von der Tragfähigkeit der die mittelalterliche Gesellschaft betreffenden Vorstellungen und Thesen zu überzeugen: Diese zielten auf den Nachweis einer vorstaatlichen Gesellschaft, die ihre Ordnung auf Rituale gründet. Gleichrangiges Ziel war der Nachweis, aus welchen Bausteinen sich diese Rituale zusammensetzten, und hier lag der Schwerpunkt auf der Verarbeitung christlichen Gedankenguts und christlicher Ausdrucksformen in den Herrschaftsritualen. Diese Konzentration kann und will das Buch nicht verleugnen. Verwendbar ist es aber auch für den Vergleich mit anderen Ritualkulturen, obgleich es selbst diesen Vergleich nicht explizit durchführt. Münster, im November 2011
Gerd Althoff
I. Einleitung I.1 Das Thema Als Johannes Haller in seiner Papstgeschichte auf den Frieden von Venedig (1177) zu sprechen kam und damit auf Vorgänge, die für das Verständnis der Funktionen von mittelalterlichen Ritualen fundamental sind, argumentierte er wie immer sehr entschieden: „Der Friede war geschlossen. Bei den Feierlichkeiten, die ihn umgaben, dem Marschalldienst, den der Kaiser dem Papst leistete, der begeisterten Teilnahme der Volksmenge, den Schwüren der Vertreter, die die Ausführung der Ausbedingungen verbürgten, brauchen wir uns nicht aufzuhalten. Prüfen wir vielmehr, was der Friede enthält. Da ergibt sich die überraschende Tatsache, dass der im Felde Geschlagene aus den Verhandlungen als Gewinner hervorging.“1 Was hier als „Feierlichkeiten“ beiseite geschoben und geradezu als für die politische Bewertung der Vorgänge irrelevant diffamiert wird, soll uns im Folgenden beschäftigen – und nicht nur am Beispiel des Friedens von Venedig. Es geht um das Verständnis ritueller Verhaltensmuster und ihrer Funktionen in der öffentlichen Kommunikation mittelalterlicher Herrschaftsträger. Im Gegensatz zu Haller halte ich es für dringend geboten, sich bei diesen Phänomenen aufzuhalten und sich um ein adäquates Verständnis zu bemühen. Diese Phänomene begegnen im Mittelalter nämlich einfach zu häufig und an zu zentralen Stellen, um an ihnen vorbeigehen zu können. In der zitierten Geringschätzung manifestiert sich eine lange und tief sitzende Abneigung nicht nur der historischen Forschung gegen Ritual und Zeremoniell, gegen deren ‚leeren Schein‘ schon häufig mächtige antiritualistische Bewegungen angetreten sind, die Reformation, die Aufklärung und nicht zuletzt die Französische Revolution.2 Es sind begründete Zweifel erlaubt, ob sie die bösen Geister wirklich vertrieben haben, ob diese nicht immer wieder in neuen Gewändern zurückkehren, weil menschliche Kommunikation trotz aller Medienumbrüche der nonverbalen Zeichen, der demonstrativen Verhaltensweisen, der Aufführungen und Inszenierungen offensichtlich nicht entbehren kann und will. Die Sensibilität für die hiermit aufgeworfene Problematik ist gerade im Zusammenhang mit dem Siegeszug der ‚Neuen Medien‘ in Theorie und Praxis wieder gewachsen.3 In dieser neuen Aktualität mag auch ein Grund liegen, dass sich die Wissenschaften verstärkt um das Verständnis dieser Erscheinungen bemühen – mit dem nachdenklich stimmenden Effekt, dass Begriffe wie ‚Ritual‘ oder ‚Inszenierung‘ im transdisziplinären Diskurs nahezu zu Modewörtern verkommen sind.4
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Einleitung
Um das Verständnis dieser Erscheinungen geht es auch in diesem Buch, wobei an der Zeit des Mittelalters paradigmatisch die Frage behandelt werden soll, wie Epochen der Vormoderne mit rituellem Verhalten umgingen, welche Funktionen sie ihm zuwiesen, welche Leistungen diese Art der Kommunikation für das Zusammenleben erbrachte.5 Vergleiche mit der Gegenwart werden nicht ständig gezogen, es entspräche aber den Intentionen des Autors, wenn der Leser dieses Defizit ausgliche und sich hin und wieder fragte, inwiefern die Beobachtungen auch noch für das Verständnis gegenwärtigen Verhaltens hilfreich sind. Der Titel des Buches enthält eine These, die zu belegen in der Tat ein Hauptziel der folgenden Bemühungen ist: dass mit Ritualen Macht ausgeübt werden kann und wird; dass die Rituale aber auch diejenigen in ihren Bann zwingen, die sie durchführen. Insoweit ist dieses Buch auch ein Versuch, Rahmenbedingungen und Erscheinungsformen mittelalterlicher Machtausübung zu beschreiben und so zugleich das Verständnis für diese Zeit zu verbessern. Diese Rahmenbedingungen änderten sich im Verlauf des Mittelalters erheblich. Auch die Macht hat ihre Geschichte. Wenn sich aber Bedingungen der Macht in den Ritualen spiegeln, müssen Veränderungen dieser Bedingungen sich dort gleichfalls bemerkbar machen. Es gilt daher, die Geschichte der Rituale mit der Geschichte der Machtausübung zu konfrontieren, um zu prüfen, ob es sich gewissermaßen um ein System kommunizierender Röhren handelt.
I.2 Begriffliche Annäherungen Weit mehr als Historiker haben Soziologen Begriff und Inhalt der Macht seziert und herausgearbeitet, in welchen Formen Macht von Menschen über Menschen begegnet, wie sie etabliert, stabilisiert und nicht zuletzt legitimiert wird. So hat etwa Heinrich Popitz vier Formen der Machtausübung unterschieden, die er ‚Aktionsmacht‘, ‚instrumentelle‘, ‚autoritative‘ und schließlich ‚datensetzende Macht‘ nannte.6 Realtypisch tritt Macht häufig als eine Mischform dieser Typen auf, doch ist es zweifelsohne für ein Verständnis des Phänomens förderlich, begrifflich zwischen diesen Typen zu unterscheiden. ‚Aktionsmacht‘ meint hier in erster Linie die Fähigkeit, sich mit Gewalt durchzusetzen. ‚Instrumentelle Macht‘ bezeichnet die Möglichkeit, schon durch die latente Drohung mit der Anwendung von Gewalt, durch die Fähigkeit, notfalls Gewalt zu gebrauchen, das gleiche Ziel zu erreichen. Unter ‚autoritativer Macht‘ ist jenes Prestige zu verstehen, das Gehorsam und Gefolgschaft aus den unterschiedlichsten Gründen erreicht, sei es durch eine übernatürlich-sakrale Legitimierung, sei es durch die Attraktivität der Belohnungen, die dem Gehorsam auf
Begriffliche Annäherungen
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dem Fuße folgen. Die Wesenszüge der ‚datensetzenden Macht‘ können hier vernachlässigt werden, da diese in den Zeiten des Mittelalters noch nicht relevant war. In dieser Zeit haben wir es bei den Interaktionen der Führungsschichten, um die es uns vorrangig geht, in erster Linie mit dem Typus der ‚autoritativen Macht‘ zu tun, die sich sakral legitimiert und als Herrschaft ‚von Gottes Gnaden‘ Befolgung ihrer Anweisungen fordert. Sie ist aber gleichzeitig charakterisiert durch eine angemessene Beteiligung der wichtigen Helfer an der Machtausübung. Als solche Helfer etablierten sich im Mittelalter sowohl der Adel als auch die Kirche, deren höchste Ränge nahezu ausschließlich von Adeligen eingenommen wurden. Die Beteiligung konkretisierte sich sowohl in reichhaltiger Belohnung und Privilegierung dieser Helfer als auch in der Einholung ihres Konsenses bei anstehenden Entscheidungen.7 Von dieser Art der Machtausübung führt jedoch kein einfacher Weg zu den Ritualen, die denn auch bisher noch nie als eine spezifische Form solcher Machtausübung gewürdigt worden sind. Dennoch ist dieser Weg durch Arbeiten der modernen Mediävistik bereits geebnet, die vielfältig akzentuiert hat, dass Macht im Mittelalter zur Anschauung gebracht werden musste.8 Dies geschah in Akten der Herrschaftsrepräsentation, in denen nicht nur Glanz und Reichtum öffentlich gezeigt wurde. Vielmehr wurden mittels zeremonieller und ritueller Handlungen auch Verpflichtungen übernommen, Beziehungen dargestellt, Rechte anerkannt und vieles andere mehr. Machtausübung vollzog sich offensichtlich ganz wesentlich in solchen Handlungen. Ihre Eigenart kam nirgendwo direkter zum Ausdruck als im häufig interaktiven Handeln der Mächtigen in der Öffentlichkeit. In dieser Öffentlichkeit begegneten sich Macht und Ritual, weil mit den Ritualen festgelegt wurde, welche Möglichkeiten der Macht eingeräumt und welche Grenzen ihr gesetzt sein sollten. Dieser Zusammenhang von Ritual und Machtausübung kann hier nur thesenartig angesprochen werden. Er wird uns gleichwohl ständig beschäftigen. Nun ist der Begriff ‚Ritual‘ nicht weniger schwierig einzugrenzen als derjenige der Macht. Dies liegt vor allem an der Vielzahl der Phänomene aus den unterschiedlichsten Bereichen, für die er einen adäquaten Ordnungsbegriff abzugeben scheint. Die Vielzahl der Wissenschaften, die ihn benutzen, hat überdies dazu beigetragen, ein geradezu babylonisches Gewirr von Bestimmungen dieses Begriffs zu befördern.9 Jeder Aufruf zu Purismus und zu restriktiver Verwendung des Begriffs für bestimmte Sachverhalte scheitert bisher jedoch offensichtlich daran, dass er in vielen Bereichen leistungsfähig ist und deshalb in unterschiedlichen Zusammenhängen und von verschiedenen Fächern als adäquater Begriff angesehen wird. Hier soll daher nicht der Versuch unternommen werden, den vielen
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Einleitung
Definitionen von ‚Ritual‘ eine neue hinzuzufügen, die mit dem Anspruch auftritt, für alle bisher unter diesen Begriff subsumierten Erscheinungen gültig zu sein. Vielmehr benutzen wir den Begriff in dem Bewusstsein, dass er große Schnittmengen mit einer Reihe anderer Begriffe und Phänomene aufweist, so etwa mit ‚Zeremoniell‘, mit ‚Ritus‘, ‚Brauch‘, ‚Gewohnheit‘ und noch einigen anderen. Eine Sensibilität für die fließenden Übergänge zwischen den mit solchen Begriffen anvisierten Phänomenen scheint daher sinnvoller als eine rigorose Begriffsbestimmung, die die komplexen Befunde der Empirie künstlich trennt und so Erkenntnismöglichkeiten beschneidet. Ursprünglich fand der Begriff seine Verwendung wohl in erster Linie im Bereich von Religion und Kult, was auch die Einschätzung der Wesenszüge von Ritualen entscheidend geprägt hat. Man ging von einem magischgeheimnisvollen Charakter der Rituale aus, sah sie in einem mimetischen Verhältnis zur kosmischen Schöpfung.10 Durch Rituale wurde die Welt in Gang gehalten, wie schlagend jene altägyptischen Priester verdeutlichen, die es mit geheimnisvollen und sorgsam gehüteten Beschwörungsformeln fertig brachten, dass die am Abend im Westen untergegangene Sonne am nächsten Morgen im Osten wieder erschien. Der tägliche Erfolg ihres Tuns begründete und legitimierte ihre Stellung und Macht.11 Doch ließ sich die ausschließliche Verwendung des Begriffs ‚Ritual‘ für religiös-kultische Handlungen nicht halten, auch wenn sie immer noch gefordert wird. Einen entscheidenden Schritt zur Säkularisierung des Ritualbegriffs stellt bereits das Werk Sigmund Freuds dar, der diesen Begriff zur Bezeichnung zwanghafter Handlungen seiner Patienten benutzte.12 Hierdurch wurde die pejorative Einschätzung des ‚leeren‘ Rituals befördert, mit dem in erster Linie eine Auseinandersetzung mit tieferliegenden Konflikten abgewehrt wird. Von hier aus öffnete sich der Weg zu einem erweiterten Ritualbegriff, der alle Formen konventionellen, stereotypen und repetitiven Verhaltens einschließt. Rituale sind auf diesem Wege aber in steter Gefahr, sozusagen zu Routinen zu verkommen. Sie sind in dieser Perspektive „kommunikative Trampelpfade“, denen man sich blind anvertrauen kann, denen man aber auch eine ungute Starre zuschreibt.13 Als charakteristisch für solche Einschätzungen sei die Wertung Niklas Luhmanns genannt: „Man kann Rituale begreifen unter dem Gesichtspunkt des Coupierens aller Ansätze für reflexive Kommunikation. Die Kommunikation wird als fixierter Ablauf versteift, und ihre Rigidität selbst tritt an die Stelle der Frage, warum dies so ist. (…) Rituale sind vergleichbar den fraglosen Selbstverständlichkeiten des Alltagslebens, die ebenfalls Reflexivität ausschalten.“14 An die Stelle des Geheimnisvoll-Bedeutsamen ist so der Wesenszug des Unreflektierten getreten, der Ritualen eigen sein soll. Unter Hinweis auf diesen Wesenszug lässt sich dann
Begriffliche Annäherungen
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leicht der Kampf gegen die ‚leeren‘ oder auch ‚starren‘ Rituale führen, die der Selbstverwirklichung des modernen Menschen entgegenstehen. Man muss schon hier deutlich darauf hinweisen, dass diese Bewertungen die Eigenarten rituellen Verhaltens im Mittelalter gar nicht treffen. Modernes Ritualverständnis beschränkt sich aber durchaus nicht darauf, die Rituale den unreflektierten Verhaltensweisen zuzuordnen. Der Begriff ‚Ritual‘ wird vielmehr auch dort verwandt, wo man moderne Politik als multimediale Aufführung, als Theater, als Inszenierung versteht und deren Rahmenbedingungen zu erhellen versucht.15 Mit diesen Begriffen ist mehr als angedeutet, dass man die so genannten Rituale der Politik als Akte der Performance versteht, die alles andere als unreflektiert, vielmehr minutiös vorgeplant, von Regisseuren in Szene gesetzt sind, um ein bestimmtes Image oder eine bestimmte Botschaft zu transportieren. Politikverdrossenheit in der Gegenwart speist sich nicht zuletzt aus der Einschätzung, alles, was ‚die dort oben‘ machen, sei doch abgekartet und inszeniert. Die öffentliche Diskussion darüber, ob bestimmte spektakuläre Handlungen von Politikern inszeniert waren oder spontanen Charakter hatten, führt ins Zentrum solchen modernen Ritualverständnisses. Man rechnet damit, dass das, was so eindrucksvoll spontan wirkt, Ergebnis einer sorgfältigen Vorplanung ist, der Politiker somit zum Schauspieler wird, der seine Rolle nicht nur verbal, sondern auch gestisch gut gelernt hat. Heute wertet man derartige Inszenierungen entschieden negativ und spricht in diesen Zusammenhängen abwertend von den Politik-Ritualen. Der berühmte Kniefall Willy Brandts in Warschau musste deshalb einer spontanen Eingebung entspringen und durfte nicht Ergebnis ministerieller Planung sein, worauf Brandt selbst insistierte.16 Anderenfalls hätte er seine Wirkung eingebüßt. Derartige Inszenierung wird in der Politik heute dann unterstellt, wenn man anderen einen schwerwiegenden Vorwurf machen will: So konterte Wolfgang Schäuble nach dem Machtwechsel in Bonn 1998 die Regierungserklärung Gerhard Schröders unter dem Leitgedanken: Jetzt ist Schluss mit der Inszenierung, jetzt muss es wieder um die Substanz gehen.17 Schröder selbst ist auf diesen Vorwurf nicht eingegangen, hätte aber antworten können, dass Substanz und Inszenierung keinesfalls als Gegensätze begriffen werden müssen – und dies nicht nur in der Politik. Mit diesen Hinweisen ist anhand dreier Beispielfelder ein sehr unterschiedliches Verständnis vom Wesen der Rituale angedeutet, das sich kaum in einer alle Ansprüche und Perspektiven zufrieden stellenden Definition aufheben lässt. Man wird vielmehr akzeptieren müssen, dass unter der Bezeichnung ‚Ritual‘ durchaus unterschiedliche Phänomene versammelt werden. Gemeinsam ist ihnen in erster Linie, dass es sich um Ketten von Handlungen, Gesten und auch Worten handelt, die Mustern verpflich-
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tet sind, sie wiederholen und so einen Wiedererkennungseffekt erzielen. Hierbei können magisch-geheimnisvolle Praktiken im Vordergrund stehen, der Vorgang kann unreflektiert ablaufen, er kann aber auch Ergebnis einer bewussten Planung sein, durch die die Teilnehmer vorweg Konsens über den beabsichtigten Ablauf herstellen. Man wird am Einzelfall prüfen müssen, welche dieser Möglichkeiten vorliegt. Dabei ist durchaus damit zu rechnen, dass nur wenige der Teilnehmer oder Zuschauer in die Planungen einbezogen waren, während andere unreflektiert mitmachten oder auch das Ritual als geheimnisvoll erlebten und erleben sollten. Es macht jedoch einen wesentlichen Unterschied aus, welchen der Typen von Ritual wir im Einzelfall vor uns haben, weil die Wirkungen, die mit ihnen jeweils erzielt werden, überaus verschieden sind. Über die spezifischen Leistungen, die Rituale in der Kommunikation der mittelalterlichen Führungsschichten erbrachten, wird an späterer Stelle der Einleitung noch zu diskutieren sein.
I.3 Machtausübung im Mittelalter im Verständnis moderner Forschung In der historischen Mediävistik wurden und werden der Begriff ‚Macht‘ und seine Derivate geradezu inflationär verwendet, ohne dass diesem Gebrauch entsprechende Reflexionen über Wesen und Rahmenbedingungen der Machtausübung in den fraglichen Jahrhunderten zur Seite stünden.18 Wenn wir also im Folgenden über die ‚Macht der Rituale‘ nachdenken wollen, ist es sinnvoll und notwendig, sich darüber klar zu werden, welche Vorgeschichte der Begriff ‚Macht‘ und seine Anwendung auf das Mittelalter hat. Erst in jüngerer Zeit hat man sich in der Forschung nämlich stärker den Konsequenzen zugewandt, die daraus resultieren, dass zum einen im Mittelalter zu intensiverer Machtausübung die Mittel fehlten; dass zum zweiten aber – wichtiger noch – die Mitträger der Königsherrschaft, Adel und Kirche, von ihrem Selbstverständnis her alles andere waren als willfährige Helfer und Instrumente zur Steigerung der Königsmacht; dass drittens auch die normativen Setzungen, die Theorien idealer mittelalterlicher Königsherrschaft vom Herrscher zwar Durchsetzungsfähigkeit durchaus verlangten, aber keineswegs vorrangig die Intensivierung von Macht zu seinen Aufgaben zählten, wenn sie diese überhaupt erwarteten. 19 Die so aus verschiedenen Gründen deutliche Begrenzung der Macht mittelalterlicher Könige hat namentlich die deutsche Forschung jedoch lange Zeit übersehen, weil sie auf das Mittelalter nicht zuletzt die Sehnsucht ihrer eigenen Zeit projizierte: den starken Nationalstaat mit einer mächtigen Zentralgewalt. Es hängt fundamental mit dem Geschichtsbild der Deutschen vom Mit-
Machtausübung im Mittelalter im Verständnis moderner Forschung
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telalter zusammen, dass Macht ein Zentralbegriff zur Beschreibung und mehr noch zur Bewertung mittelalterlicher Verhältnisse wurde, ohne dass man die historischen Wandlungen thematisierte, denen dieser Begriff ausgesetzt war. Das nationale Geschichtsbild des 19. und verstärkt des frühen 20. Jahrhunderts präsentierte den Deutschen ihre mittelalterliche Vergangenheit nämlich als eine Zeit, in der das Reich mächtig, ja geradezu die ‚Vor- und Ordnungsmacht‘ in Europa war.20 Man machte damit den Deutschen gerade in Zeiten nationaler Misere ein Identifikationsangebot, zeigte ihnen Zustände, auf die man aus nationaler Perspektive ungebrochen stolz sein, die man aber auch als ‚Erbe und Auftrag‘ verstehen und aus denen man Forderungen ableiten und Appelle formulieren konnte. Charakteristisch für diese Geschichtssicht ist überdies, dass man die Geschichte des Mittelalters in weiten Teilen als die Geschichte eines Verfalls schrieb: nämlich des Verfalls der Königs- und Kaisermacht. Hierdurch bekam das Geschichtsbild eine tragische Dimension, die seine identifikatorische Wirkung jedoch eher steigerte: Was man am Anfang besessen hatte, Macht und Weltgeltung, durfte, ja musste man wieder erringen. Die ‚Machtfülle‘ aber, die man den Anfängen namentlich in der Ottonenzeit attestierte, hatte sich nach diesem Geschichtsbild im Laufe der Jahrhunderte unter bestimmten Umständen verflüchtigt, bis man im Spätmittelalter die vollständige Machtlosigkeit der Zentralgewalt zu beklagen hatte. Als ‚Totengräber‘ der Kaisermacht diagnostizierten national gesinnte Historiker die Kirche und insbesondere das Papsttum, das in Canossa das Kaisertum in die „Schlucht des Investiturstreits“ gestürzt hatte. Sie machten aber auch Eigennutz und Partikularismus des eigenen Adels als Grund dafür aus, dass die Zentralgewalt im Kampf um den ‚Machterhalt‘ auf die Verliererseite geriet. Fest verankert in diesem Geschichtsbild sind mehrere ‚Wenden‘ des Mittelalters, neben der von Canossa auch die der Doppelwahl von 1198, durch die die Machtgrundlagen des Königtums unterminiert und zerstört worden seien. Es ist heute klar, dass der nationale Einigungsprozess im 19. Jahrhundert und die Sehnsucht nach einer starken Zentralgewalt in dieser Zeit als Ursachen dafür anzusehen sind, dass man der Nation das Mittelalter als die Folie präsentierte, vor der die Gegenwart gesehen werden und an der sie ihre Ansprüche ausrichten müsste. So ließen sich die ‚Anfänge der deutschen Geschichte‘ als die goldene Vergangenheit instrumentalisieren, deren Zustände wiederherzustellen als selbstverständliches Anliegen der Nation gelten durfte. Warum muss man dies am Beginn eines Buches über die ‚Macht der Rituale‘ erwähnen? In erster Linie deshalb, weil es in diesem Buch nicht zuletzt um die Formen und Eigenarten mittelalterlicher Machtausübung geht. Diese stellen sich anders dar, als sie in den skizzierten Geschichtsbildern implizit vorausgesetzt wurden. Die Macht, die die Zentralgewalt
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nach solchen Vorstellungen in den Zeiten des Mittelalters ausgeübt haben soll, würde sich nämlich so gut wie nicht von der Machtausübung des Staates in der Moderne unterscheiden. Diese Gleichsetzung beinhaltet aber ein deutliches Missverständnis und wird wesentlichen Gegebenheiten mittelalterlicher Machtausübung nicht gerecht. Diese realisiert sich nämlich in weitem Maße in Abhängigkeit vom Konsens der Helfer, der durch Beratung erzeugt wurde. Konsensherstellung war somit eine für die Machtausübung, aber auch für die Durchführung von Ritualen wesentliche Voraussetzung.
I.4 Beratung und Konsens und ihre Folgen für die Königsmacht Nimmt man die Verpflichtung des Lehnsmannes ernst, seinem Herrn ‚Rat und Hilfe‘ zu leisten, und berücksichtigt man, dass nicht nur herrschaftlich strukturierte Gruppen und Verbände, sondern auch die verwandtschaftlichen und genossenschaftlichen ihre Willensbildung mittels Beratung und Konsensstiftung praktizierten, dann wird deutlich, dass die Analyse solcher Beratungen einen Schlüssel zum Verständnis mittelalterlicher Machtausübung bietet. Mittelalterliche Staatlichkeit und Herrschaft hat in der Beratung und dem Rat seine zentrale Institution in dem weiten Sinne, in dem Soziologen diesen Begriff gebrauchen. Man muss sich wohl ganz grundsätzlich eines klar machen: Der mittelalterliche König wie der Lehnsherr auf den verschiedenen Stufen der Lehnspyramide befahl nicht einfach oder ordnete an, sondern er stellte seinen Leuten ein Problem vor und erbat sich ihren Rat zu seiner Lösung. Wenn über die Lösung dieses Problems Konsens hergestellt war, setzte er die konsensuale Lösung durch und konnte hierbei natürlich auf die Hilfe all derer rechnen, die am Zustandekommen dieses Konsenses beteiligt gewesen waren. Von solchen Situationen erzählen die Historiographen unzählige Male, sprechen die Urkunden immer wieder, und auch die fiktionale Literatur ist voll von derartigen Szenen. Dieses Verfahren bestimmt die politische Willensbildung, so werden Entscheidungen herbeigeführt. Natürlich stellen solche Beratungen keine herrschaftsfreien Diskurse dar; man beobachtet vielmehr, dass das Verhalten der Teilnehmer festen Regeln verpflichtet ist: Es hängt vom Rang ab, wer wann spricht und sprechen darf; Widerspruch ist nur in ganz engen Grenzen möglich, da er schnell als Beleidigung aufgefasst wird. Überdies unterscheidet man sehr genau, ob die Beratung vertraulich oder öffentlich durchgeführt wird. Öffentliche Beratungen sind dabei in aller Regel durch vertrauliche Vorklärungen vorbereitet worden. Erst wenn klar war, dass sich ein Konsens über die anstehenden Fragen
Beratung und Konsens und ihre Folgen für die Königsmacht
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abzeichnete, beriet man öffentlich. Nur so war man vor Überraschungen sicher, denn eine kontroverse Diskussion in der Öffentlichkeit war mit der Ehre der Beteiligten nicht vereinbar.21 Die hierarchische Spitze des Verbandes, der so verfährt, war damit zwar nicht machtlos, sie war aber an ein bestimmtes Procedere gebunden, das der Willkür deutliche Schranken setzte. Dennoch wäre es natürlich verfehlt zu übersehen, dass dieses Verfahren dem König auch eine Menge Möglichkeiten eröffnete. Schließlich war er es, der das Problem aufwarf und die Frage stellte. Damit wurden nur Probleme Gegenstand der öffentlichen Beratung, die der König beraten wissen wollte und bei denen klar war, dass sich ein Konsens im Sinne des Herrschers ergeben würde. Von Friedrich Barbarossa wird berichtet, dass er über Jahre die ständigen Klagen der sächsischen Fürsten gegen Heinrich den Löwen ignorierte und nicht behandelte. Dies war offensichtlich kein Verstoß gegen seine Pflichten. Was auf die ‚Tagesordnung‘ der Beratung am Königshof kam, war seine Sache und ließ sich nicht erzwingen. Erst als Friedrich Gründe hatte, Heinrich dem Löwen seine Huld zu entziehen, änderte er seine Haltung und lud die Streitparteien an seinen Hof, um den Dissens durch Rat oder Urteil entscheiden zu lassen – mit dem bekannten Ende, dass Heinrich der Löwe seine Sache als aussichtslos ansah und erst gar nicht erschien.22 Überdies gab es keinen festgelegten Personenkreis, der an solchen Beratungen beteiligt war, auch kein Quorum, das erfüllt sein musste, um verbindliche Beschlüsse fassen zu können. Mediävisten kennen alle die ständig und unregelmäßig wechselnden Besetzungen der Hoftage, ohne bisher ein System erkennen zu können, nach dem die Lehnsleute des Königs ihrer prinzipiellen Pflicht zur Teilnahme an solchen Tagen Folge leisteten.23 Es kamen ohnehin nur die, die zum König ein ungebrochenes Verhältnis hatten, aber auch die längst nicht alle. Dennoch hören wir eher selten Protest darüber, dass zur Entscheidung anstehender Fragen nicht genügend oder die falschen Leute herangezogen worden seien. Dieser vielleicht überraschende Befund erklärt sich dann leichter, wenn man berücksichtigt, dass Entscheidungen wohl ohnehin nur für die als bindend angesehen wurden, die an ihrem Zustandekommen beteiligt waren. Die Verpflichtung, alle anstehenden Fragen zu beraten, bevor man aktiv wurde, hatte aber eine weitere unmittelbare Konsequenz, die für unser Thema von besonderem Interesse ist: Diese Pflicht zwang nämlich dazu, sich sehr häufig persönlich zu treffen. Die Herrschaft der mittelalterlichen Könige konkretisierte sich in einer unablässigen Folge von Hoftagen an ständig wechselnden Orten, zu denen eine jeweils unterschiedliche, aber zumeist beträchtliche, wenn nicht unübersehbare Menge von Personen zusammenströmte. Lange hat es gedauert, bis dieses aufwendige und beschwerliche System des Reisekönigtums von einer Herrschaftspraxis abge-
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löst wurde, die auf Residenzen und damit auf lokale Fixierung sowie auf stabilere Beraterkreise mit festliegenden Zuständigkeiten setzte.24 Die feste Übung, sich in kurzen Abständen regelmäßig zu treffen, weil anstehende Probleme beraten werden mussten, blieb nicht ohne Auswirkungen auf die Formen des Umgangs miteinander, die man bei diesen Gelegenheiten praktizierte. Man muss sich zum adäquaten Verständnis dieser Situation klar machen, dass wir von einer Gesellschaft sprechen, die auf der Ungleichheit der sozialen Ränge beruhte. Vom Rang hingen nahezu alle Möglichkeiten ab, in dieser Gesellschaft etwas zu erreichen oder zu bewirken. Rang musste daher betont, zum Ausdruck gebracht und auch verteidigt werden, da man ein allgemeines Streben voraussetzen darf, im Range aufzusteigen. Folgerichtig schuf eine Situation, in der viele Personen ‚von Rang‘ einander persönlich begegneten, vielfältige Notwendigkeiten, die Rangordnung symbolisch zum Ausdruck zu bringen, sie so anzuerkennen und zu stabilisieren. Mit anderen Worten: Es existierte ein entsprechender Bedarf an diesbezüglichen Ausdrucksmitteln. Und diese lagen mehr auf der nonverbalen als auf der verbalen Ebene. Die Praxis der persönlichen Treffen schuf also einen beträchtlichen Bedarf an Ritualen, mit denen die Chancen des Gelingens solcher Zusammenkünfte verbessert wurden. Indem man sich Respekt und Hochachtung zeigte, sich gegenseitig ehrte, durch Freundlichkeit und Höflichkeit Vertrauen bildete oder stärkte, schuf man entscheidende Voraussetzungen dafür, Konsens auch in prekären Fragen herstellen zu können. Analysiert man die Rituale der Hoftage unter diesem Aspekt, bemerkt man leicht, dass sie genau darauf angelegt waren, diese Funktionen zu erfüllen. Der Stellenwert, den Rituale in der mittelalterlichen Kommunikation hatten, erklärt sich mit anderen Worten aus der Leistung, die sie für das Funktionieren der mittelalterlichen Ordnung erbrachten: Mit ihnen wurde der durchaus nicht einfache Kommunikationsfluss innerhalb einer ranggeordneten Gesellschaft gewährleistet. Es scheint lohnend, diesem Gedanken ein wenig weiter nachzugehen.
I.5 Kommunikation und Ritual Gerade in der Gegenwart erleben wir eindrücklich, dass neue Kommunikationsmöglichkeiten Gesellschaften verändern, auch wenn in diesem Zusammenhang manchmal etwas vorschnell von neuen Galaxien die Rede ist und übersehen wird, wie viele der menschlichen Kommunikationsgewohnheiten überdauern oder sogar wiederkehren. Angesichts solcher Erfahrungen ist es jedenfalls sinnvoll, sich die Frage zu stellen, wie die rituelle Kommunikation im Mittelalter im Kontext der gesamten Kommunika-
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tionsgewohnheiten dieser Zeit zu verorten ist. Damit ergänzt man eine in der Mediävistik durchaus etablierte Fragestellung, die sich seit langem für das Verhältnis von mündlicher und schriftlicher Kommunikation interessiert und die Konsequenzen aufgezeigt hat, die der Übergang von oraler zu literaler Kommunikation mit sich brachte.25 Interessanterweise hat man bei diesen Bemühungen jedoch weitgehend übersehen, dass es im Ensemble der mittelalterlichen Kommunikationsarten eine dritte gab, die in dieser Zeit keineswegs die unwichtigste war: eben die rituelle, die mit einem Repertoire an vorrangig nonverbalen Zeichen und einem Regelwerk zu ihrer Verwendung ganz wesentlich für Verständigung sorgte, die überdies in der Lage war, sich mit verbalen Zeichen zu verbinden und durchaus auch Schriftstücke in diese Kommunikation zu integrieren. Bei einer Analyse dieser unterschiedlichen Arten von Kommunikation hat man sinnvollerweise zwei Bereiche zu unterscheiden: den öffentlichen und den nicht-öffentlichen, den vertraulichen. Hiermit frönt man nicht modernem Trennungsdenken, sondern vollzieht eine Differenzierung nach, die schon die mittelalterlichen Zeitgenossen vornahmen.26 Sie wussten sehr genau, dass in der öffentlichen Kommunikation andere Spielregeln galten als dann, wenn man ‚unter sich‘, im Kreise der familiares, der Freunde und Vertrauten war. Nur hier konnte man sozusagen ‚offen‘ agieren und reden. In der Öffentlichkeit galt es in erster Linie, den eigenen Status zu wahren, darauf zu achten, dass der eigene Rang von allen in angemessenen Formen anerkannt wurde, so wie man auch selbst den Rang der anderen zu achten und anzuerkennen hatte. Diese Rahmenbedingungen bewirkten unterschiedliche Kommunikationsarten in beiden Bereichen: Während in der Vertraulichkeit das Gespräch und wohl auch das argumentative Ringen um Entscheidungen seinen Platz hatte, dominierten in der öffentlichen Kommunikation die demonstrativen Verhaltensweisen, die rituellen Interaktionen, in denen Zeichen aller Art Botschaften transportierten. Es macht die Erforschung der mittelalterlichen Geschichte nicht eben einfacher, dass die Sphäre der vertraulichen Kommunikation dem späteren Beobachter in aller Regel verschlossen bleibt. Dies wohl nicht zuletzt deshalb, weil sie schon den zeitgenössischen Beobachtern kaum zugänglich war. Dem Anspruch auf Information und auf Transparenz von Entscheidungsprozessen, den wir heute zu Recht erheben, stand im Mittelalter die Gewissheit entgegen, dass Herrschaft Geheimbereiche haben müsse, in die man nicht zu schauen befugt sei.27 Deshalb schildern die Autoren in aller Regel nicht, mit welchen Mitteln und Argumenten vertraulich um Entscheidungen gerungen wurde, sondern bieten etwa die Nachricht, dass eine Einigung dem Wirken des Heiligen Geistes verdankt wurde, womit wir uns heute nicht zureichend informiert fühlen dürften.
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Man kann verschiedentlich sehen, dass die mittelalterliche Literatur dieses Defizit in bestimmter Hinsicht ausgleicht, weil in den fiktionalen Erzählungen nicht selten Vorgänge aus vertraulicher Kommunikation in besonderer Eindringlichkeit und Ausführlichkeit zur Darstellung gelangen.28 Für das zeitgenössische Publikum waren in der literarischen Fiktion natürlich die Szenen besonders spannend, in denen ein Blick in Bereiche gestattet wurde, die im Leben diesem Einblick entzogen waren. So hängt es mit der Überlieferung zusammen, dass wir uns im Folgenden vor allem mit dem Bereich der öffentlichen Kommunikation beschäftigen werden. Da sich die ‚Macht der Rituale‘ jedoch vor allem in der öffentlichen Kommunikation entwickelte, können wir unsere Überlegungen gezielt auf diesen Bereich richten und sind vom fehlenden Einblick in die vertrauliche Kommunikation nur insofern stark behindert, als wir eventuelle Planungen öffentlicher Kommunikationsakte durch vertrauliche Absprachen zumeist lediglich erschließen können. Wir werden auf dieses Problem häufiger zu sprechen kommen, zumal sich gerade hier zum 12. und 13. Jahrhundert hin ein wirklich gravierender Wandel abzeichnet. Seit dieser Zeit wurden nämlich auch die Planungen ritueller Kommunikationsakte in Einzelfällen schriftlich niedergelegt, wodurch sich die Tatsache solcher Planung belegen und auch für die früheren Zeiten postulieren lässt.29 Diskutiert man nach diesen Vorüberlegungen das Verhältnis der drei angesprochenen Kommunikationsarten zueinander, gerät man schnell in Versuchung, eine Entwicklung zu unterstellen, also eine Ablösung der zunächst vorrangig nonverbalen durch die verbalen und dann durch die schriftlichen Kommunikationsmodi anzunehmen. Gerade die auf den Siegeszug der Schriftlichkeit bis hin zum Buchdruck fixierten Forschungen der Mediävistik könnten leicht den Eindruck erwecken, als sei ein solcher Ablösungsprozess zu konstatieren. Doch haben sich auch andere Stimmen erhoben, die darauf aufmerksam machten, dass eher das Modell einer Intensivierung der Kommunikation in allen Bereichen adäquat ist.30 In der Tat ist es nicht gerechtfertigt anzunehmen, dass im Verlaufe des Mittelalters die Rituale an Bedeutung verloren hätten. Es scheint weit eher, dass rituelle Inszenierungen erst in der Zeit des höfischen Absolutismus ihre größte Intensität und Dichte erreichten, als sie eigentlich längst durch Schrift und Druck hätten verdrängt sein müssen. Andererseits sind die Entwicklungen durchaus nicht linear verlaufen, wie schon der Hinweis auf die elaborierte Schriftlichkeit der Karolingerzeit zu verdeutlichen vermag, deren Niveau erst im 12. oder 13.Jahrhundert wieder erreicht worden ist.31 Bis zum 12. Jahrhundert beherrschten jedenfalls die Rituale und rituellen Verhaltensmuster die öffentliche Kommunikation weitgehend. Wenn
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in der Öffentlichkeit gesprochen wurde, handelte es sich in aller Regel um rituelle Sprechakte, die an den Stellen eingesetzt wurden, an denen die Gewohnheiten sie vorsahen. Schriftstücke traten schon früh aus den unterschiedlichsten Anlässen zu dieser Kommunikation hinzu, sei es, dass sie öffentlich verlesen und überreicht wurden,32 sei es auch, dass sie, wie etwa Verträge, Dinge schriftlich fixierten, die andere oder sogar entgegengesetzte Inhalte hatten als das, was öffentlich gezeigt wurde. Man scheint gerade in Situationen, in denen ein Kompromiss notwendig und schwierig war, zu dem Mittel gegriffen zu haben, der einen Partei in den öffentlichen Akten des Kompromisses Vorteile und Genugtuung zu verschaffen, der anderen Partei dagegen schriftlich Vergünstigungen oder Privilegien einzuräumen, die ein Äquivalent darstellten, ohne öffentlich bekannt gemacht zu werden.33 Das Hinzutreten der Schriftlichkeit zu den öffentlichen rituellen Akten vollzog sich seit dem 12. Jahrhundert also zumindest in Teilen nicht-öffentlich. Die öffentlichen Akte ritueller Kommunikation blieben aber auch in anderer Hinsicht nicht unbehelligt vom ausgreifenden Siegeszug der Schriftlichkeit. Es finden sich nämlich in wachsender Zahl Beispiele, dass solche Akte mittels schriftlicher Anweisungen festgelegt wurden. Allerdings beobachtet man dies nur in ganz bestimmten Bereichen, während andere Akte weitgehend frei blieben von einer schriftlichen Präjudizierung ihrer Durchführung. Cum grano salis kann man sagen, dass überall dort, wo die Kirche bei der Planung oder Durchführung solcher Akte eine entscheidende Rolle spielte, die Tendenz zur schriftlichen Fixierung von Anweisungen obsiegte: Man kann dies an den zahlreichen Ordines für unterschiedlichste rituelle Akte belegen, von der Priester- und Bischofsweihe über die Kaiser- und Königskrönung bis hin zum Adventus des Herrschers in Rom.34 Dagegen fehlen für viele Bereiche weltlicher Herrschaftsausübung ähnliche Versuche: Es sind lange Zeit weder Ordines für die weltlichen Teile der Königserhebung geschrieben noch ist versucht worden, eine Ordnung für den Ablauf eines Hoftages, einer Beratung, einer Lehnsnahme oder einer sonstigen Interaktion ritueller Art schriftlich niederzulegen.35 Der Hauptgrund für solche Resistenz ist vermutlich darin zu sehen, dass die Praxis, in gemeinsamer Beratung herauszufinden, welche Gewohnheit im konkreten Fall zu praktizieren war, der schriftlichen Fixierung einer verbindlichen Ordnung für zukünftige Fälle entgegenstand.
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I.6 Besondere Domänen und spezifische Leistungen ritueller Kommunikation im Mittelalter – Ausgangspunkte Die folgenden Untersuchungen nehmen eine Reihe von Anregungen auf, die Ritualforschungen verschiedener Disziplinen vor allem in den letzten Jahrzehnten gegeben haben.36 Die wesentlichen dieser Ausgangspunkte seien vorweg angesprochen, auch wenn sie durchaus nicht nur sichere Erkenntnisse bieten, sondern auch Einschätzungen und Annahmen darstellen, die in der konkreten Arbeit zu verifizieren oder auch zu falsifizieren sind. Es gibt eine Reihe hilfreicher Vorarbeiten verschiedener Fächer zu der Frage, wann und zu welchen Gelegenheiten menschliche Gesellschaften besonders gern und häufig ihre Zuflucht zu rituellen Verhaltensmustern nahmen: Berühmt sind etwa die rites des passages, die Übergangs- oder Schwellenrituale, die sich in vielen menschlichen Kulturen beobachten lassen.37 Einer neuen Situation und der durch sie gegebenen Unsicherheit oder Gefährdung begegnen Menschen offensichtlich gerne mit rituellen Verhaltensmustern, um den individuellen Übergang in ein überindividuelles Ordnungsmuster einzufügen. Auch im Mittelalter war dies nicht anders. Rituale beobachtet man bei Geburt, Hochzeit und Tod; beim Amtsantritt, bei der Knüpfung neuer Beziehungen oder auch beim Übergang vom Frieden zum Krieg und umgekehrt. Man wird also davon ausgehen können, dass in Situationen besonderer Unsicherheit, wodurch auch immer sie bedingt gewesen sein mag, rituelle Verhaltensmuster besonders häufig auftraten. Außer in Situationen der Unsicherheit und des Übergangs leisteten Rituale aber auch gute Dienste, wenn ein bestehender Zustand lediglich bestätigt werden sollte. Wenn sich etwa der Herrschaftsverband zum wiederholten Mal im Jahr zum Hoftag traf und somit kaum von einer Schwellensituation die Rede sein kann, bildete er mittels zeremonieller Verfahren die bestehende Rangordnung immer wieder symbolisch ab. Man setzte sich an der Tafel so, wie es dem Range entsprach – oder wurde so platziert. Man formierte sich zu den Prozessionen in die Kirche gleichfalls nach den Vorgaben dieser Rangordnung. Und auch Begrüßung wie Abschied, verbunden mit dem Gabentausch, vollzogen sich nach rituellen Vorschriften. So vergewisserte man sich gegenseitig darüber, dass die bestehende Ordnung von allen anerkannt und durch das Tun bestätigt wurde. Auch zyklisch wiederkehrende Feste und Feiern, wie sie die unterschiedlichsten Gruppen des Mittelalters veranstalteten, vergewisserten die Gruppe vor allem, dass der Zusammenhalt noch intakt, die Beziehungen in Ordnung waren, sie beinhalteten zugleich das Versprechen, dass dies auch für die Zukunft gelten sollte. Mit den Begriffen Vergewisserung und Bestätigung
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kann man wesentliche Funktionen umschreiben, die mittelalterliche Rituale bei der Stabilisierung von Ordnungen erfüllten. Hierdurch baute sich das Vertrauen auf, das für eine Gesellschaft ohne staatliches Gewaltmonopol gewiss noch nötiger war als es heute noch immer ist. So erzeugtes Vertrauen aber wirkte auch in die Zukunft und damit ist ein für die Funktionen von Ritualen im Mittelalter ganz wesentlicher Aspekt angesprochen. Es scheint allgemein eine wesentliche Botschaft ritueller Handlungen gewesen zu sein, dass das gezeigte Verhalten auch in der Zukunft Gültigkeit haben sollte. Wer seine Hände gefaltet in die Hände eines Herrn legte und sich so dem rituellen Akt der Lehnsnahme unterzog, versprach mit diesem Akt, dass er in der Zukunft seine Pflichten gegenüber diesem Lehnsherrn erfüllen wollte. Wer mit anderen aß und trank und in fröhlicher Geselligkeit feierte, stärkte mit diesem Tun die Bindung an die anderen Teilnehmer der Feier für die nächste Zeit, was das Versprechen beinhaltete, den Pflichten dieses Verhältnisses gerecht zu werden. Wer den anderen beim Abschied mit ausgesuchten Geschenken ehrte, prägte diesem die Qualität und den Zustand des Verhältnisses, das man miteinander hatte, ebenso ein, wie er sich verpflichtete, auch in der Zukunft dieses Verhältnis beizubehalten. So könnte man fortfahren, da Verhalten demonstrativ-rituellen Charakters in der Tat in aller Regel eine auf die Zukunft weisende Dimension besaß. Sein Wert ergibt sich deshalb nicht zuletzt aus der beschriebenen Eigenart: Rituale schafften nicht nur Verfahrenssicherheiten für die Gegenwart, sondern begründeten auch die Erwartung kalkulierbaren Verhaltens in der Zukunft. Wir können hier thesenartig anfügen, dass hierin nicht zuletzt die Macht liegen dürfte, die sie entfalten. Versprechen für die Zukunft konnten mittels rituellen Verhaltens aber nur dann abgegeben werden, wenn ein grundsätzlicher Konsens über die Verbindlichkeit solcher Aussagen bestand. Es mussten überdies kollektive Vorstellungen existieren, welche Regeln für rituelles Verhalten galten, welches Verhalten zu welcher Gelegenheit angemessen und richtig war. Die Existenz solcher Spielregeln sowie ihr Geltungsanspruch müssen aber erschlossen werden, was kein ganz einfaches Unterfangen darstellt.38 Doch ist darauf hinzuweisen, dass im Mittelalter etablierte Gewohnheiten einen hohen Geltungsanspruch besaßen. Nicht zufällig ist im Mittelalter immer wieder der Satz zitiert worden, Christus habe von sich gesagt, er sei die Wahrheit, und nicht, er sei die Gewohnheit.39 Damit ist indirekt ein Eindruck vom Geltungsanspruch formuliert, der hinter Gewohnheiten und sicher auch solchen rituellen Verhaltens stand. Auch wenn zweifelsohne die Spielregeln rituellen Verhaltens nirgendwo schriftlich fixiert waren, besteht einiger Anlass, den Anspruch auf Verbindlichkeit, den sie erhoben, als hoch einzuschätzen. Ob dieser Anspruch allerdings immer erfüllt wurde, ist damit nicht gesagt
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und auch nicht wahrscheinlich. Der Anspruch, mit rituellem Verhalten für die Zukunft bindende Aussagen zu machen, ist jedenfalls einer der Eckpfeiler des Ritualverständnisses, um das es im Folgenden geht. Aus diesen Einschätzungen folgt aber eine zweite Bedingung, die keineswegs selbstverständlich ist. Wenn Rituale die Leistungen erbringen sollen, von denen die Rede war, müssen ihre ‚Aussagen‘ eindeutig und für alle Beteiligten verständlich sein. Nur dann erfüllen sie ja die Anforderung, Verpflichtungen für die Zukunft fixieren zu können. Nun sind Zeichen, Gesten und Handlungen ritueller Natur prinzipiell genauso deutungsfähig wie Äußerungen sprachlicher Art. Sie sind andererseits aber auch der Deutung bedürftig. Ein ritueller Akt erklärt sich nicht von selbst. Nicht zufällig hat sich denn auch eine Diskussion um die Ein- beziehungsweise Mehrdeutigkeit ritueller Aussagen entwickelt.40 Diese Frage ist gewiss nicht alternativ zu beantworten. Man muss vielmehr in Rechnung stellen, dass Gesten, Gebärden und Handlungen durch den Kontext Sinn bekommen, in dem sie gebraucht werden. Ein Kuss ist als für sich genommenes Zeichen gewiss mehrdeutig. Wird er jedoch im Kontext eines Friedensschlusses auf die Wange gegeben, ist er ein Zeichen der Versöhnung. Küsst man dagegen Hand, Knie oder gar den Fuß, beinhaltet diese Handlung ein deutliches Element der Unterordnung. Es gibt also gute Gründe, dafür zu plädieren, dass die Zeichen in den Ritualen eindeutig sind und sein müssen. Zu ihrer Deutung gehört jedoch Kompetenz, die uns oft nicht gegeben ist, da wir der mittelalterlichen Kommunikationskultur doch als ferne Beobachter gegenüberstehen. Die Einschätzung von der Mehrdeutigkeit, der Ambiguität ritueller Handlungen verdankt sich denn auch mehr einer Verallgemeinerung der Wesenszüge religiös-kultischer Rituale als der Analyse säkularer. Dennoch ist nicht zu übersehen, dass das Verständnis ritueller Äußerungen in bestimmten Fällen auch schon den Zeitgenossen große Schwierigkeiten machen konnte. Wir werden die kontroversen Diskussionen darüber verfolgen, was ein Strator-Dienst eigentlich bedeutete, was mit der Tätigkeit, das Pferd eines anderen ein Stück am Zügel zu führen und ihm beim Aufsitzen oder Absteigen zu helfen, eigentlich symbolisch zum Ausdruck gebracht wurde. Auf eine grundsätzliche weitere Schwierigkeit der Interpretation ritueller Handlungen hat schon Friedrich Barbarossa selbst genau in diesem Zusammenhang hingewiesen. Man kann rituelle Handlungen durchführen, weil man dazu verpflichtet ist, man kann sie aber auch als Geste der Höflichkeit praktizieren. Die Bedeutung solcher Handlungen ist in beiden Fällen diametral unterschiedlich.41 Eine weitere Schwierigkeit bei der Interpretation der Aussagen von Ritualen ist ebenfalls vorweg hervorzuheben: Rituale stellen Ketten von
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Handlungen dar, mit denen durchaus mehrere und auch divergierende Aussagen gemacht werden können. Nicht selten wird am Anfang des Rituals etwas anders zum Ausdruck gebracht als in seinem weiteren Verlauf. Steht etwa am Anfang des Unterwerfungsrituals die Verzweiflung und reuevolle Zerknirschung des ‚Verlierers‘, so kann dieser im weiteren Verlauf zu einem Hochgeehrten aufsteigen. Im Ritual kommen mit anderen Worten Entwicklungen zur Darstellung. Dadurch werden solche Veranstaltungen aber nicht mehrdeutig – oder nur für den, der sich in dieser Technik der Darstellung nicht auskennt. Da in der mittelalterlichen Gesellschaft überdies größter Wert darauf gelegt werden musste, Rang und Ehre des Gegenübers zu wahren, entwikkelte diese Gesellschaft durchaus elaborierte Techniken der bewussten Mehrdeutigkeiten, die das Gesicht der Beteiligten so gut wie möglich wahrten – und dies auch oder gerade in rituellen Handlungen. Ein verbreitetes Beispiel hierfür sind die so genannten ‚Ehrendienste‘, bei deren Bewertung man je nach Perspektive den Akzent auf Ehrung oder auf Dienst legen konnte. Auf diese Weise konnte man in bestimmten Fällen ehrenvoll Unterordnung zum Ausdruck bringen, wenn etwa ein auswärtiger König dem Kaiser am Pfingstfest öffentlich sein Schwert voraustrug.42 Nicht übersehen werden darf schließlich eine weitere Rahmenbedingung für die Interpretation von Ritualen: Im Mittelalter war die geistige Elite geradezu permanent beschäftigt mit der symbolischen, allegorischen und typologischen Ausdeutung allen Geschehens.43 Dies betrifft ganz gewiss auch das weite Feld ritueller Handlungen und ihres ‚Sinns‘. Deshalb ist immer in Rechnung zu stellen, dass neben gängigem Verständnis ritueller Handlungen auch Vorgänge der symbolischen Aufladung, der Anreicherung mit Bedeutung stattfanden, die nur noch einem engeren Zirkel bekannt oder verständlich waren. Angeführt als ein Beispiel für solche Möglichkeiten sei die Reichskrone mit ihrem Schrift- und Bildprogramm, die in vielen Herrschaftsritualen das Symbol für das Königtum par excellence darstellte. Mit ihrem Goldund Edelsteinschmuck stand sie für die einzigartige Dignität des Amtes, im weitesten Sinne gewiss auch für die Macht, die mit ihm verbunden war. In den Bildern und Sentenzen, die auf ihr angebracht waren, versteckte sich jedoch eine ganze ‚Theologie der Reichskrone‘, die der literarisch und exegetisch nicht gebildete Laie nicht verstand.44 Selbst für den Gebildeten konnten die Hinweise auf Salomo oder David aber noch mehrdeutig sein: Kam mit ihnen panegyrisch zum Ausdruck, die Träger dieser Krone seien ein neuer Salomo oder David, oder wurden die Träger der Krone selbst mahnend darauf hingewiesen, sich dem Vorbild dieser alttestamentlichen Könige entsprechend zu verhalten? Es bestand gewiss die Möglichkeit, sowohl die eine wie die andere Deutung vorzutragen. Diese Hinweise
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mögen ausreichen um anzudeuten, dass der Weg zu einem adäquaten Verständnis der Rituale des Mittelalters ein langer ist, verbunden mit vielen dornigen Interpretationsproblemen. Lösungsversuche können wohl nur am empirischen Material demonstriert werden. Aus dem bisher Ausgeführten ergeben sich aber einige Grundannahmen, die die Arbeit am Material leiten werden. Man kann mit der Möglichkeit bewusster und reflektierter Planung, Gestaltung und Durchführung der politischen Rituale im Mittelalter rechnen, weil diese Gesellschaft sich in hohem Maße auf die Verbindlichkeit der Aussagen verließ und Rituale als die zentralen Verfahren zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung von Ordnung praktizierte. In jedem Fall verdient diese Möglichkeit größte Aufmerksamkeit und es wird in den Untersuchungskapiteln immer wieder zu diskutieren sein, inwieweit sich diese Möglichkeit zur Gewissheit verdichten lässt. Nicht sklavische Wiederholung fertiger Muster bestimmte dabei allem Anschein nach den Gebrauch von Ritualen, sondern die bewusste Gestaltung, die Abwandlungen und Veränderungen erlaubte, um neuen Sinn zu erzeugen. Dies bietet die Chance zu fragen, wann solche Veränderungen zu beobachten sind und welche Ursachen und Kräfte sie bewirkten. Die Möglichkeit, anhand beschreibender Texte die Geschichte von Ritualen durch lange Jahrhunderte des Mittelalters zu verfolgen, eröffnet vielfältige Chancen, Ursachen für Entstehung, Veränderung oder Verschwinden von Ritualen zu thematisieren, was insbesondere im Blick auf den Zusammenhang von Machtausübung und Ritual genutzt werden soll.
I.7 Wie entstehen Rituale? oder: Die Geschichtlichkeit der Rituale Nicht selten sind die einfachsten Fragen die schwersten – dennoch ist die hier gestellte kaum zu umgehen: Wie entstehen Rituale? Für viele Kulturen wäre auf diese Frage wahrscheinlich die angemessene Antwort: Es gab sie schon immer. Das ist bei einigen Beispielen wahrscheinlich sogar richtig. Das allen Kulturen bekannte Ritual des Mahles ist wahrscheinlich älter als seine ältesten Belege. Auch bei vielen anderen Ritualen versagt die Überlieferung jeden Blick in die Zeiten ihrer Genese. Andererseits haben Rituale aber auch ihre Geschichte. Sie überdauern die Zeit nicht unverändert, im Gegenteil. Und dieser Wandel wird von Menschen bewirkt, die etwas oder viel an Ritualen verändern, Rituale abwandeln, auf neue Situationen hin verändert konzipieren oder auch einfach die Durchführung eines Rituals einstellen. Dies kann man im Verlauf des Mittelalters an verschiedenen Ritualen beobachten, weil wir es in dieser Zeit mit
Wie entstehen Rituale? oder: Die Geschichtlichkeit der Rituale
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einer semioralen Kultur zu tun haben, in der immer wieder unterschiedliche Autoren aus unterschiedlichen Anlässen Beschreibungen von Ritualen produzierten. Genauso kann man in günstig gelagerten Fällen die Entstehung eines Rituals und seine Ursachen erkennen oder auch seinen Transfer von einem in einen anderen Bereich, was nahezu einer Neuschöpfung gleichkommen kann.45 Diese Beobachtungen führen und berechtigen zu der Frage, wie man sich die Gestaltung von Ritualen vorzustellen hat, eine Frage, von deren Beantwortung das Verständnis rituellen Tuns nicht unwesentlich abhängt, das wir zu entwickeln begonnen haben. Eine unserer Grundannahmen ist dabei, dass die Teilnehmer am Ritual genau wussten, was sie dort taten, was es bedeutete und welche Konsequenzen das Tun hatte. Diese Annahme ist einer der Eckpfeiler unseres Verständnisses, die in den Untersuchungskapiteln daher besonders gründlich zu belegen ist. Um einen Eckpfeiler handelt es sich insofern, als Rituale keine verbindlichen Absprachen besiegeln, keine Verpflichtungen begründen könnten, die für die Zukunft Gültigkeit beanspruchen, wenn Akteuren wie Zuschauern nicht Sinn und Bedeutung des Geschehens klar wäre. Damit reden wir einem reflektierten Umgang der mittelalterlichen Zeitgenossen mit den Ritualen das Wort. Berechtigt ist man zu solchen Annahmen, weil in mittelalterlichen Quellen aus den verschiedensten Ursachen von Verhandlungen die Rede ist, in denen der Ablauf von Ritualen festgelegt wurde. Hierbei wurde um Einzelheiten gerungen, weil man um den Stellenwert bestimmter Aussagen wusste und deshalb auf ihnen bestand oder sie zu vermeiden suchte. Man rechnete ganz offensichtlich auch mit der Fähigkeit eines breiteren Publikums, selbst Nuancen von Veränderungen bemerken und einordnen zu können. Nur so erklären sich Verhandlungen über die Frage, ob man ein Unterwerfungsritual barfuß durchführen müsse oder Schuhe tragen dürfe, ob Vasallen der Gegenseite den Akt mit Triumphgeschrei begleiten oder ihm schweigend beizuwohnen hätten. Aus den früheren Jahrhunderten des Mittelalters besitzen wir lediglich Berichte über solche Verhandlungen – und diese sind äußerst rar; seit dem 13. Jahrhundert sind jedoch zunehmend Urkunden und Verträge erhalten, in denen der Ablauf von Ritualen vorweg festgelegt ist. Man hat nun das, was man zuvor mündlich absprach, auch schriftlich fixiert. Als etwa im 17. Jahrhundert der französische König Ludwig XIV. nach siegreichem Spanienfeldzug seinen Einzug in Paris hielt, war das Zeremoniell dieses Einzugs monatelang beraten worden; ganze Komitees waren damit beschäftigt gewesen, jede Einzelheit der Inszenierung auf ihren Sinn hin zu prüfen und sie untereinander abzustimmen, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Durch- und aufgeführt wurden dann nur Dinge, die autorisiert waren.46
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Nun wird man nicht in jedem Fall jedes Ritual so lange geplant und beraten haben. Die Vorbereitungen und Planungen dürften vielmehr davon abhängig gewesen sein, wie ungewöhnlich die Situation war, in der rituelle Kommunikation durchgeführt wurde. Man wird sozusagen von Routinefällen ausgehen dürfen, in denen kurze Absprachen genügten, mit denen man sich auf das gewohnte Procedere verständigte. Spannender und ertragreicher für das Verständnis sind naturgemäß die Fälle, in denen die Situation neu, prekär oder brisant war und man deshalb auf die Gestaltung der rituellen Akte größte Sorgfalt verwenden mußte, weil durch sie eben Aussagen gemacht wurden, die nicht mehr zurückzunehmen waren. In solchen Fällen konnte schon das Ritual der Begrüßung Gegenstand zäher Verhandlungen werden, weil schon hierin das Verhältnis der sich Begegnenden zeichenhaft zum Ausdruck kam. Wer bei solcher Gelegenheit den Strator-Dienst leistete, hatte damit eigentlich schon alles ‚gesagt‘, so dass es nicht verwundert, wenn man von zähen Vorverhandlungen hört. Diese konnten zu so originellen Kompromissen führen wie dem, dass der byzantinische Kaiser Manuel und König Konrad III. bei der Begrüßung aufeinander zuritten und sich im Sattel sitzend küssten.47 Nur so sahen sie ihr Verhältnis, ihre Gleichrangigkeit adäquat zum Ausdruck gebracht. An diesem Beispiel ist auch eine Eigenschaft rituellen Verhaltens abzulesen, die von grundsätzlicher Bedeutung ist. Das Verhalten der Akteure ist aufeinander abgestimmt, es ist interaktiv. Jeder weiß, was der andere tun wird und was man selbst zu tun hat. Diese interaktive Dimension aber ist wohl eine Voraussetzung, wenn man komplexe Botschaften mittels rituellen Verhaltens übermitteln will. Zur Frage nach der Geschichtlichkeit der Rituale gehört daher auch festzustellen, seit wann diese Fähigkeit zu interaktivem Handeln zu beobachten ist, wie sie zustande kam und in welchen Ausformungen sie begegnet.
I.8 Leitfragen Aus dem Gesagten ergeben sich verschiedene Fragerichtungen, die die folgenden Untersuchungen leiten werden. Dies sind zum einen die Fragen nach der Grammatik und Semantik der Ritualsprache. Es ist erklärtes Ziel, den Sinn ritueller Akte so weit wie möglich aus dem Kontext und dem Vergleich mit Parallelfällen zu erschließen. Aufgabe ist nicht zuletzt, die Kompetenz wiederzugewinnen, mit der die mittelalterlichen Zeitgenossen auf diesem Felde agierten. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass auch zu dieser Zeit schon das Kompetenzniveau durchaus unterschiedlich gewesen sein dürfte. Was uns an Kenntnissen fehlt, die mittelalterliche Zeitgenossen durch Sozialisation und Partizipation am öffentlichen Leben
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erlangt hatten, ist jedoch zumindest in Teilen wiederzugewinnen, indem wir uns einen Überblick über die vielen Beschreibungen von Ritualen verschaffen. So sind wir zumindest ansatzweise in der Lage, mit den Perspektiven und Kommentaren der Autoren ein gewichtiges Defizit auszugleichen: An die Stelle teilnehmender Beobachtung, die uns verwehrt ist, setzen wir den Überblick über lange Zeiträume und viele Fälle, gegründet allerdings nur auf dieser Basis von Beschreibungen, deren Perspektivität ein Problem darstellt.48 Eine zweite Fragestellung schließt sich an. Sie zielt auf die Nutzung der so gewonnenen Kenntnisse für das Verständnis des Funktionierens der mittelalterlichen Herrschaftsordnungen. Welche Leistung erbrachte diese Art der Kommunikation bei der Aufrechterhaltung von Ordnung oder auch bei der Stabilisierung von Herrschaft? Wann umgekehrt versagte sie und scheiterte? Mit dieser Frage treten die Konsequenzen einer Kommunikation ins Blickfeld, die zu permanenten ‚Aussagen‘, modern würde man sagen, zu permanentem ‚Outing‘ zwingt. Alle Teilnehmer an Ritualen gaben öffentlich ja in vielfacher Weise zu erkennen, welches Verhältnis sie zu den anderen Teilnehmern hatten; sie übernahmen mit dem Ritual Pflichten; sie akzeptierten Herrschaft und Unterordnung. Von tief greifendem Dissens blieben daher auch die Rituale nicht unberührt: Man entzog sich ihnen entweder durch Fernbleiben oder ließ sie scheitern, wenn man sich stark genug für eine solche Aktion wähnte. Heute wird das Bild vom ‚gläsernen Bürger‘ als Schreckgespenst an die Wand gemalt – und dies sicher zu Recht. Nie ist aber bedacht worden, dass bereits durch die rituelle Kommunikation der Vormoderne und ihre Spielregeln ein Informationsfluss gewährleistet wurde, der die Mächtigen, aber durchaus nicht nur sie, mit einer Fülle von Nachrichten versorgte, die zur Ausübung von Macht unverzichtbar waren. Rituelles Tun signalisierte ihnen die Zustimmung zu ihrer Herrschaftsführung, machte diese Zustimmung verbindlich. Fehlende Zustimmung offenbarte sich daher denn auch schnell in der Verweigerung ritueller Handlungen. Es war schwierig bis unmöglich, sich in der Sphäre öffentlicher Kommunikation zu bewegen, ohne solche Informationen preiszugeben. So unterschiedlich auf den ersten Blick die Informationen sind, die der moderne Staat mit seiner Bürokratie und die mittelalterlichen Machthaber mittels der Rituale sammeln, beide Techniken vermitteln Kenntnisse, die für je spezifische Formen der Machtausübung fundamental sind. Rituale und der von ihnen ausgehende Zwang zum Mitmachen stellten so ein Instrument der Machtausübung dar, dessen Leistungsfähigkeit es zu erforschen gilt. Es konnte sich nämlich auch gegen die wenden, die es ungeschickt oder unangemessen einsetzten. Die ‚Macht der Rituale‘ äußerte sich nicht zuletzt darin, dass sie alle Teilnehmer zu einem definierten Verhalten zwang, dessen Aussage-
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kraft im Gedächtnis haften blieb und von dessen Verbindlichkeit man sich nicht dispensieren konnte. Eine dritte Frage scheint von grundsätzlichem Interesse. Es wurde schon angesprochen, dass auch Rituale Veränderungen unterworfen sind, dass sie mit anderen Worten eine Geschichte haben. Einige Rituale sind denn auch bereits durch die Jahrhunderte verfolgt und in ihren Wandlungen beschrieben worden, allen voran die Zeremonien der Königs-, Kaiserund Papsterhebungen, des herrscherlichen Adventus, der Herrscherbegegnungen oder der Treffen von Kaiser und Papst.49 Auch die rituellen Handlungen im Umkreis des Herrschertodes und -begräbnisses sind zurzeit Thema intensiver Forschungen.50 Dabei hat man jedoch Veränderungen zumeist eher formal registriert und kaum gefragt, wodurch sie bedingt waren und welche Aussage mit der Veränderung beabsichtigt war. Eine solche Frage nach den Ursachen des Wandels ist zumeist nur schwer zu beantworten, da in der Überlieferung höchst selten die Gründe für Veränderungen genannt werden. Die Beobachtung, dass wir signifikante Veränderungen in der rituellen Kommunikation dann feststellen, wenn sich die Beziehungen der Kommunikationspartner gravierend verändern, berechtigt jedoch zumindest zu der Vermutung, dass beides miteinander zu tun hat. Das Problem liegt jedoch tiefer. Wir wissen bisher zu wenig darüber, wie überhaupt die Fähigkeit der mittelalterlichen Gesellschaft entstanden ist, komplexe Sachverhalte zeichenhaft zum Ausdruck zu bringen und überdies ein homogenes Verständnis für den Sinn dieser Zeichen zu entwickeln und zu tradieren. Aus dieser Perspektive soll daher in den folgenden Kapiteln nach der Geschichte der Rituale gefragt und versucht werden, den ‚Lernprozess‘ nachzuvollziehen, den diese Gesellschaft absolviert haben dürfte, als sie zunehmend mehr zu rituellen Ausdrucksformen griff und zunehmend komplexere Aussagen dieser Form der Kommunikation anvertraute. Deshalb wird ganz bewusst nach den Fällen gesucht, in denen rituelle Formen in der Überlieferung erstmals begegnen. Die Analyse solcher Fälle konzentriert sich einmal auf die Frage, wer und aus welchen Gründen die neuen Formen konzipierte, zum Zweiten wird aber auch nach der Wirkungsgeschichte des Neuen gefragt: Wurde es später nur nachgeahmt oder bei der Wiederverwendung verändert? Lassen sich Analogiebildungen oder Transfervorgänge beobachten? Kurz: Welche Faktoren beeinflussten die Verwendung der Rituale und prägten ihre Geschichte? Mit solchen Analysen scheint es möglich, den Prozess verstehbarer zu machen, der zur weitgehenden Ritualisierung zumindest der öffentlichen Kommunikation des Mittelalters geführt hat.51 Insgesamt soll also untersucht werden, was die rituellen Kommunikationsformen über die Verteilung der Gewichte im politischen Kräftespiel
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aussagen. Zeigen die Rituale bzw. ihre Veränderung an, dass sich Rahmenbedingungen von Machtausübung ändern oder geändert haben? Unter welchen Bedingungen haben schließlich Rituale Konjunktur, wann und warum wachsen oder schrumpfen ihre Anwendungsbereiche? Alle diese Fragen gehen davon aus, dass sich die Geschichte der Macht in der Geschichte der Rituale spiegelt, oder besser, durch sie vermittelt wird. Ganz global ist auf folgende Ausgangssituation hinzuweisen: Gesellschaften, in denen Herrschaft in Face-to-face-Kommunikation ausgeübt wird, haben einen großen Bedarf an Ritualen, weil die persönliche Begegnung nach ritueller Ausgestaltung verlangt. Genau dies aber war im Mittelalter in langen Jahrhunderten der Fall. Es ist daher durchaus nahe liegend und Erfolg versprechend zu fragen, welche Konsequenzen die Tatsache hatte, dass die Könige größten Wert darauf legten und legen mussten, den Herrschaftsverband häufig zusammenzurufen, um mit ihm alle anstehenden Probleme zu beraten. Kann man aber eine Geschichte der Hoftage aus der Perspektive der praktizierten Rituale schreiben? Welche der zweifelsohne zu beobachtenden Veränderungen lassen sich kausal mit anderen Wandlungsprozessen in Beziehung bringen? Versucht hat so etwas noch niemand und gewiss ist bei einem solchen Unternehmen an das klassische Diktum zu erinnern: Nicht alles, was sich zeitgleich verändert, ist auch kausal miteinander verknüpft. Doch wenn die Arbeitshypothese, dass mit Ritualen Macht ausgeübt wurde, nicht gänzlich in die Irre geht, dann müssen sich auch Veränderungen bei der Machtausübung in irgendeiner Weise in den Ritualen niederschlagen. Zumindest ist es sinnvoll, diese Möglichkeit zu prüfen. Diese Leitfragen bestimmen auch die Anlage der folgenden Kapitel. Sie bieten eine chronologische Folge, in der ein breiteres Spektrum an Ritualen anhand ausgewählter Fälle vorgestellt wird. Im Zentrum des Interesses steht einmal die Frage, ob sie eine Funktion als Instrumente der Machtausübung erfüllten oder aber auch zur Begrenzung von Macht beitrugen. Darüber hinaus aber scheint es notwendig, darauf zu achten, ob sich eine Geschichte der Rituale erkennen und beschreiben lässt. Hierzu gehören Phänomene wie Anfang und Ende, Dauer und Wandel, Funktionsausweitung wie -verlust und andere mehr, die in ihrer Summe den Umgang der mittelalterlichen Gesellschaft mit den Ritualen charakterisieren.
II. Die Ritualisierung der Herrschaftsausübung im Frühmittelalter II.1 Bescheidene Anfänge in der Merowingerzeit Keine Herrschaft ist je gänzlich ohne die Nutzung ritueller Kommunikationsformen praktiziert worden. Dennoch liegt es vielleicht nicht allein an der Quellenlage, wenn wir aus dem frühesten Mittelalter, der Merowingerzeit, relativ wenig über die rituelle Ausgestaltung der Kommunikation zwischen den Königen und ihrem Herrschaftsverband hören. Es scheint, als hätten die frühen fränkischen Könige Zeremoniell und Ritual nur eingeschränkt als Mittel und Medien ihrer Machtausübung eingesetzt. Zumindest lässt sich das noch wenig belegen, was in späteren Jahrhunderten als die spezifische Leistung rituellen Verhaltens in Erscheinung tritt: die auf die Zukunft zielenden verbindlichen Aussagen, mit denen der gefundene Konsens öffentlich zum Ausdruck gebracht wird. Dieser Eindruck steht aber auf den ersten Blick in Kontrast zu der Tatsache, dass in einigen Bereichen herrschaftlicher Interaktion in der Merowingerzeit durchaus rituelle Formen der Kommunikation benutzt wurden. So sind etwa die friedensstiftenden Mähler ebenso praktiziert worden wie der Gabentausch;1 die merowingischen Könige praktizierten den symbolischen Gebrauch von Insignien ebenso wie sie mit symbolischen Handlungen ihre Herrschaft zur Geltung oder zur Anschauung brachten.2 Es lohnt sich also, nach Spezifika ritueller Formen der Machtausübung in der Merowingerzeit zu fragen und diese als Folie für die Erforschung der weiteren Entwicklung zu nutzen. Wenn aus dieser Zeit von Ritualen im Zusammenhang mit der Königsmacht berichtet wird – und das ist nicht eben häufig der Fall –, ist interessanterweise hauptsächlich von Handlungen der Könige selbst die Rede. Die Angehörigen des Herrschaftsverbandes spielten in diesen Ritualen hingegen allem Anschein nach eine relativ untergeordnete Rolle. Dies könnte ganz ursächlich mit Bedingungen der Machtausübung zusammenhängen, die sich bereits in der Karolingerzeit, wenn auch langsam, so veränderten, dass die ‚Getreuen‘ einen aktiveren Part in den Ritualen zu übernehmen begannen. Einiges spricht dafür, dass dies durch ihre gewachsene Bedeutung im politischen Kräftefeld bedingt war. In jedem Fall ist die Beobachtung solcher Unterschiede zwischen Merowinger- und Karolingerzeit wichtig genug, um sie zum Ausgangspunkt der Untersuchung zu machen.
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Am berühmten Adventus Chlodwigs in Tours aus dem Jahre 508 lässt sich das Problem gut demonstrieren. Nicht zufällig wurde kontrovers diskutiert, inwieweit mit diesem Ereignis der Beginn des merowingischen Königszeremoniells anzusetzen sei. Doch steht dieses Ereignis sehr isoliert und scheint daher keine Tradition begründet zu haben.3 Gregor von Tours ist wie fast immer in dieser frühen Zeit der Gewährsmann für die Szene: „Damals erhielt er (d. h. Chlodwig) vom Kaiser Anastasius ein Patent als Konsul und legte in der Kirche des heiligen Martinus den Purpurrock und Mantel an und schmückte sein Haupt mit einem Diadem. Dann bestieg er ein Pferd und streute mit eigener Hand unter das anwesende Volk Gold und Silber auf dem ganzen Wege von der Pforte der Vorhalle bis zur Bischofskirche der Stadt mit der größten Freigebigkeit aus. Von diesem Tag an wurde er wie ein Konsul oder der Kaiser gerufen.“4 Im letzten Satz ist das Verb vocitare im Sinne der Akklamation verstanden und übersetzt worden. Beim Adventus – denn diesem antiken Vorbild ist der Vorgang in Tours verpflichtet – wurde nach der Aussage Gregors von diesem Tage an dem König vom ‚Volk‘ akklamiert, wie es in der Antike beim Adventus eines Konsuls oder Imperators üblich gewesen war. Dies ist aber auch schon der einzige aktive Part, den Mitglieder des Herrschaftsverbandes nach dieser Darstellung übernahmen. Alles andere tat Chlodwig allein: Sowohl seine rituelle Einkleidung einschließlich der Selbstkrönung mit dem Diadem als auch sein Ritt mit der rituellen Demonstration seines Reichtums und seiner Freigebigkeit vollzogen sich anscheinend ohne Assistenz und Beteiligung anderer Herrschaftsträger. Ganz zweifelsohne kann man diesen Vorgang, dessen Ziel nicht zuletzt eine Machtdemonstration war, als rituell bezeichnen. Doch fällt gerade im Vergleich mit Adventus, Einritten oder ähnlichen Auftritten der Herrscher in späteren Jahrhunderten auf, wie dominant der Herrscher hier in Erscheinung tritt.5 Anders ausgedrückt: Dieser Akt der Herrschaftsrepräsentation ist noch kaum interaktiv angelegt. Das ‚Volk‘ signalisiert zwar durch Akklamationen seine Zustimmung und seinen Beifall zu diesem Auftritt; doch als Akteur tritt im rituellen Geschehen nur der Herrscher selbst in Erscheinung. Auffälliger noch ist eine andere Beobachtung: Ein solcher Adventus wie der Chlodwigs in Tours im Jahre 508 blieb zunächst ein ganz singuläres Ereignis.6 Wenn man der Überlieferung, die ja wesentlich aus den Geschichtsbüchern Gregors besteht, trauen darf, scheint es, als habe sich kein Adventus-Ritual mit den berichteten Bestandteilen verfestigt. Die wenigen Adventus, die aus der Merowingerzeit überliefert sind, sind hinsichtlich der berichteten Akte sehr heterogen und lassen sich kaum als Belege eines einzigen Rituals auffassen.7 Gelegenheit, ein solches Ritual zu erwähnen, hätte etwa der häufiger bezeugte Umritt geboten, mit dem die Herrschaft von
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den merowingischen Königen angetreten wurde. Bei diesem Umritt nahm der König auch die Leistung von Treueiden durch die Bewohner der civitates entgegen, was in sich natürlich schon eine ritualisierte Handlung ist. Es wäre also vielfach Gelegenheit gewesen, aus solchen Anlässen über die festen Bestandteile eines feierlichen Adventus zu berichten, wenn ein solcher zum Repertoire merowingischer Repräsentation gehört hätte. Dies scheint jedoch nicht der Fall gewesen zu sein. Die rituelle Interaktion mit Angehörigen des Herrschaftsverbandes aus Anlass des herrschaftlichen Einzugs dürfte jedenfalls nicht sehr ausgeprägt gewesen sein. Die Tendenz, dass die Getreuen in den spärlich überlieferten Ritualen keine sehr aktive Rolle spielten, stellt man auch bei anderen Herrschaftsritualen fest. So gibt es eine kontroverse Diskussion über die Bedeutung der Thronsetzung im Rahmen der merowingischen Königserhebung. Als eindeutigster Beleg für dieses Ritual gilt dabei ein von Gregor von Tours für das Jahr 577 folgendermaßen beschriebener Akt: „Hierauf schickte König Gunthram zu seinem Neffen Childebert Gesandte, trug ihm Frieden an und wünschte ihn zu sehen. Da kam dieser mit seinen Großen zu ihm, und bei der Brücke, die man die Steinerne nennt, kamen sie zusammen und grüßten und küssten sich gegenseitig. Es sprach aber König Gunthram: ‚Es ist meiner Sünden Schuld, dass ich jetzt ohne Kinder dastehe, und deshalb wünsche ich, diesen meinen Neffen zu meinem Sohne anzunehmen.‘ Und indem er ihn auf seinen Thron setzte, übergab er ihm das ganze Reich und sprach: ‚Ein Schild schirme, ein Speer verteidige uns. Und wenn ich noch Söhne bekommen sollte, will ich dich doch gleich wie einen von ihnen halten, und dieselbe Liebe soll mich mit dir und mit ihnen verbinden, die ich dir heute hier vor Gottes Angesicht gelobe.‘ Die Großen Childeberts aber gelobten für ihn das Gleiche. Und sie aßen und tranken zusammen und ehrten sich durch wertvolle Geschenke, dann schieden sie in Frieden (…).“8 In diesem Bericht ist gleich von mehreren Ritualen die Rede, die hier in einer sinnvollen Reihung begegnen: vom Ritual der Begrüßung, das im Kuss als verbindlichem Zeichen für Frieden seinen Kern hatte; einer Thronsetzung, die für die Adoption und Übergabe der Herrschaft stand; und nicht zuletzt vom gemeinsamen Mahl und Gelage sowie vom Geschenketausch, durch die das Bündnis besiegelt wurde. Aus dem Text geht letztlich nicht eindeutig hervor, wie aktiv die Rolle der Großen bei diesen Ritualen war. Expressis verbis wird nur gesagt, dass sie für (den minderjährigen) Childebert gelobten, dieser würde die eingegangene Verpflichtung beachten wie sein Oheim. Dass ihnen hingegen beim Mahl und beim Geschenketausch eine spezifische Rolle zugefallen wäre, sagt der Text nicht konkret. In jedem Fall aber vollzog der König die Thronsetzung seines Neffen alleine.
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Diesem Befund scheint auf den ersten Blick die gleichfalls berühmte Schilderhebung zu widersprechen, die konstitutiver Bestandteil einiger merowingischer Königserhebungen war und notwendigerweise eine aktive Beteiligung des populus nötig machte. Dieser brachte seine Zustimmung zur Erhebung des neuen Königs dadurch zum Ausdruck, dass er ihn auf einen Schild setzte und dann ‚erhob‘.9 Dieser Form der Zustimmung begegnet man überraschenderweise noch einmal im 12. Jahrhundert, als Anhänger Lothars von Supplinburg durch eine solche Schilderhebung versuchten, tumultuarisch die Wahl ihres Kandidaten durchzusetzen.10 In der Merowingerzeit ist diese symbolische Zustimmung nur dreimal und nur dann bezeugt, wenn die Herrschaft nicht im Erbgang weitergegeben wurde, sondern ein fremder König sie quasi usurpierte und hierzu die Zustimmung des populus in besonderer Weise benötigte. Dann und nur dann benutzte man diese Form der Willenserklärung. Als Nachweis einer interaktiven Ritualkultur in der Merowingerzeit, die die Getreuen aktiv beteiligte, kann die Schilderhebung daher nur begrenzt fungieren. Nun hat kürzlich Philippe Buc darauf aufmerksam gemacht, wie durchsetzt die Darstellung der Frankengeschichte Gregors von Ritualen und rituellem Verhalten sei,11 und in der Tat ist nicht zu bezweifeln, dass die von ihm behandelten Episoden Zeugnis von einer verbreiteten Nutzung ritueller Verhaltensmuster geben. Es ist jedoch auch nicht zu übersehen, wie häufig in den überlieferten Episoden die rituellen Verhaltensweisen ihren beabsichtigten Zweck nicht erfüllten, wie oft die Personen böse Überraschungen erlebten, die auf die Wirkung rituellen Verhaltens vertrauten. Im Vergleich mit späteren Jahrhunderten – dies sei hier thesenhaft vorweggenommen – erscheint die Bindung an die rituellen Aussagen noch wenig stark ausgeprägt, die Freiheit zu Willkürhandlungen noch dominierend. Keinesfalls kann man davon ausgehen, dass man sich vorweg auf einen Ablauf verständigt und das Vereinbarte dann öffentlich und für die Zukunft bindend aufgeführt hätte, wie dies später zu konstatieren ist. Dies wird etwa in einer Geschichte evident, die von einem Betrug erzählt. König Chilperich habe den Bischof Praetextatus durch seine Ratgeber mit folgendem hinterlistigem Rat locken lassen. Sie sagten ihm: „Du weißt, dass König Chilperich milde und weichherzig und leicht zum Mitleid zu bewegen ist; demütige dich also vor ihm und gestehe, du habest wirklich begangen, was er dir vorgeworfen. Dann werden wir uns alle vor ihm zu Füßen werfen und dir Verzeihung erwirken.“12 Dieser Rat ist der Modellvorstellung verpflichtet, dass Fürsprecher durch ihren Einsatz die Milde des Königs erreichen können, wenn der Betroffene selbst Geständnis und eigene Demütigung mittels Fußfall in die Konfliktlösung einbringt. Dass Bischof Praetextatus auf diese Lösung setzte, beweist, dass er sie für Erfolg versprechend hielt. Im vorliegenden Fall geschah jedoch etwas ganz
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anderes: „Praetextatus warf sich auf die Erde und rief: ,Ich habe gesündigt im Himmel und vor dir, gnädigster König; ein ruchloser Mörder bin ich; ich wollte dich töten und deinen Sohn auf den Thron erheben.‘ Bei diesen Worten warf sich der König den Bischöfen zu Füßen und sagte: ,Höret, wie dieser Verbrecher sein abscheuliches Verbrechen bekennt, ihr frommen Bischöfe!‘ Und als wir unter Tränen den König vom Boden erhoben hatten, hieß er den Praetextatus die Kirche verlassen.“13 Dann wurde er vor aller Augen ergriffen und ins Gefängnis geworfen. Seine Hoffnung auf eine entsprechende Wirkung seiner rituellen Handlung hatte getrogen. Es war offensichtlich nur eine Hoffnung gewesen, die nicht genügend abgesichert war. Ist hier ein Ritual nur einmal in betrügerischer Absicht zweckentfremdet worden? Kann man aus dieser Erzählung schließen, dass mit rituellen Akten wie Fußfall und Geständnis verbunden mit dem Fußfall von Fürsprechern Konflikte in der Regel auf eine sichere und allseits akzeptierte Weise beendet werden konnten? Eine Antwort lässt sich auf der Basis eines Einzelfalls gewiss nicht geben. Doch ist mehr als auffällig, dass sich auch in anderen Fällen die Erwartung, die an die Wirkung rituellen Verhaltens geknüpft wurde, nicht erfüllte. Ganz ähnlich stellt sich nämlich der Fall des Grafen Leudast dar, der die Huld der Königin Fredegunde verloren hatte. Er vertraute nach der Erzählung Gregors auf die Wirkkraft ritueller Verhaltensmuster, und dies trotz ausdrücklicher Warnungen, die ihm Gregor von Tours selbst zukommen ließ: „(Leudast) bat das Volk, bei dem König Fürbitte für ihn einzulegen, dass er ihm einen Empfang gewähre. Da nun das ganze Volk für ihn bat, gewährte ihm der König, dass er vor ihm erscheinen durfte. Da warf sich Leudast dem König zu Füßen und bat um Gnade. Der König aber sprach zu ihm: ,Sei noch kurze Zeit auf der Hut, bis ich die Königin gesehen und mit ihr vereinbart habe, wie du dir ihre Gunst wieder gewinnen kannst; denn du hast viel gegen sie verschuldet.‘ Unvorsichtig und leichtfertig wie er war, verließ er sich darauf, dass der König ihm einen Empfang gewährt hatte. (…) Er warf sich eines Sonntags in der heiligen Kirche der Königin zu Füßen und bat sie um Gnade. Sie aber stieß ihn wutknirschend und seinen Anblick verwünschend von sich. Dann warf sie sich dem König zu Füßen und sagte: ,Weh mir, die ich meinen Feind vor mir sehe und vermag nichts gegen ihn.‘“14 Daraufhin wurde Leudast aus der Kirche geworfen, nach der Messfeier in Ketten gelegt, nach einem Fluchtversuch schwer verwundet in den Kerker geworfen und grausam umgebracht, als abzusehen war, dass er an den erlittenen Wunden sterben würde. Man kann aus diesen Geschichten folgern, dass hier ein etabliertes Unterwerfungsritual an der Dummheit des Leudast scheiterte. Man kann aus dem Berichteten aber auch schließen, dass rituelle Verfahren der Unter-
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werfung noch nicht die allseits akzeptierte Verbindlichkeit besaßen, die sie später auszeichneten. Zwar gab es bereits die Hoffnung, durch rituelle Unterwerfung Gnade erlangen zu können. Vor Willkürreaktionen der Könige oder auch Königinnen war man jedoch nicht ausreichend geschützt. Die Macht der Könige war durch die Macht der rituellen Verfahren noch kaum beschnitten. Dies wahrscheinlich deshalb nicht, weil die Technik noch nicht eingeführt war, die uns später immer wieder entgegentritt: rituelle Interaktionen zunächst verbindlich abzusprechen und erst dann durchzuführen. Aus solchen Beobachtungen, die sich nur unerheblich durch andere vermehren ließen, wird man eines schließen dürfen: Königsmacht wurde in der Merowingerzeit offensichtlich nicht gezielt in interaktiven Ritualen öffentlich sichtbar und erfahrbar gemacht. Genauso wenig lässt sich erkennen, dass die Könige in rituellen Verhaltensweisen zum Ausdruck brachten, wie sie bestimmten Normen und Anforderungen genügen wollten, indem sie etwa bestimmte Königstugenden wie Milde oder Barmherzigkeit demonstrativ und öffentlich unter Beweis stellten. Der höheren Geltung ritueller Verhaltensweisen, wie sie dann die Karolinger entwickelten, dürfte auch jenes böse Diktum Einhards verpflichtet sein, der für die Praktiken der Merowinger gerade auf dem Gebiet der Repräsentation und der Rituale nur Verachtung übrig hatte: „Dem König blieb nichts übrig (angesichts der faktischen Macht der Hausmeier), als zufrieden mit dem bloßen Königsnamen, mit langem Haupthaar und ungeschorenem Bart auf dem Throne zu sitzen und den Herrscher zu spielen, die von überall her kommenden Gesandten anzuhören und ihnen bei ihrem Abgang die ihm angelernten oder anbefohlenen Antworten wie aus eigener Machtvollkommenheit zu erteilen (…) Überall, wohin er sich begeben musste, fuhr er auf einem Wagen, den ein Joch Ochsen zog und ein Rinderhirte nach Bauernweise lenkte. So fuhr er nach dem Palast, so zu der öffentlichen Volksgemeinde, die jährlich zum Nutzen des Reiches tagte, und so kehrte er dann wieder nach Hause zurück.“15 Mag dieses Verdikt auch übertrieben sein und Vorgänge der Spätphase merowingischer Herrschaft verabsolutieren, da von merowingischen Königen durchaus die Wertschätzung kostbarer Kleider und Geschenke sowie das Führen von königlichen Insignien wie Speer, Schild und ähnlichem überliefert ist.16 Dass sie jedoch keine höher entwickelte Ritualkultur nutzten, um ihre Machtausübung zu befördern, lässt außer Einhards Bemerkung auch die erhaltene Überlieferung der Zeit zumindest begründet vermuten. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass in der Merowingerzeit Rituale bereits die dominante Rolle in der Kommunikation der Führungsschichten spielten, wie wir es in den nächsten Kapiteln beobachten werden. Anhaltspunkte dafür, dass Rituale durchgeführt wurden, um die Ak-
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teure durch bestimmte Aussagen für die Zukunft zu verpflichten, gibt es aus der Merowingerzeit eher spärlich. Man kann wohl nicht davon ausgehen, dass diese Funktion von Ritualen in den frühen Jahrhunderten des Mittelalters bereits genutzt wurde, um zur Klärung wichtiger politischer Fragen beizutragen.
II.2 Rituale in der öffentlichen Kommunikation der Karolingerzeit: Aspekte und Probleme eines Lernprozesses Angesichts der angesprochenen Befunde dürfte es gerechtfertigt sein, die eigentliche Untersuchung in der Karolingerzeit zu beginnen. Für diese Epoche macht die erhaltene Überlieferung nämlich unmittelbar evident, dass man nun rituelle Kommunikationsformen bewusst zur Gestaltung politischer Verhältnisse einsetzte, dass ein differenziertes Verständnis für den Sinn der Zeichen zumindest bei den Führungsschichten entwickelt war und dass die Zeichen schließlich bereits die Funktionen erfüllten, die ihnen auch in späteren Jahrhunderten des Mittelalters eigen waren. Allerdings lässt sich auch deutlich erkennen, dass rituelle Kommunikation in dieser Zeit zunächst nur auf bestimmten Feldern aufwendig praktiziert wurde und so das Interesse der Autoren fand, während sie in anderen Bereichen erst im Verlaufe der Karolingerzeit oder sogar erst nach ihrem Ende stärker in Erscheinung trat. Wir dürfen deshalb trotz aller Unzulänglichkeit der Überlieferung von Prozessen ausgehen, in denen sich rituelle Kommunikationsformen in immer mehr Bereichen herrschaftlicher Tätigkeitsfelder etablierten und durch die der Herrschaftsverband daran gewöhnt wurde, differenzierte Botschaften in diesen Kommunikationsmodi aufzunehmen und zu verstehen. Es ist aber auch in Betracht zu ziehen, dass der Verband der Getreuen selbst dafür sorgte, dass er aktiver in den Ritualen in Erscheinung trat oder dass bestimmte Verpflichtungen oder Zugeständnisse der Herrscher in rituellen Formen zum Ausdruck gebracht wurden, wodurch sie für diese einen höheren Grad an Verbindlichkeit bekamen. Die Frage nach den Antriebskräften und Ursachen dieses Prozesses wird damit wohl evident. Die karolingische Epoche stellt überdies nicht zuletzt deshalb ein wichtiges Untersuchungsfeld dar, weil sie auch in der Frage der Königsmacht beträchtliche Entwicklungen aufzuweisen hat. In dieser Epoche vollzog sich sowohl die Phase der Machtausweitung unter Karl dem Großen mit ihren beträchtlichen Modernisierungsschüben als auch die Entwicklung der Vorstellung vom ‚Gottesgnadentum‘? der Könige. Die Epoche wurde aber auch durch die lang dauernde Krise der Königsmacht nach dem Tod Karls
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geprägt und durch eine stärkere Partizipation von Adel und Kirche an der königlichen Machtausübung.17 Gerade das Ringen um eine Neuverteilung der Gewichte könnte öffentlichen Ritualen, die diese Neuverteilung zum Ausdruck brachten, eine besondere Konjunktur beschert haben. Elaborierte rituelle Verkehrsformen benutzten die Karolinger seit ihren Anfängen zunächst im Umgang mit auswärtigen Mächten, dies vor allem auf dem Gebiete des Gesandtschaftswesens, und im Kontakt mit dem Papsttum. Mit einer etwas ungewöhnlichen Geschichte sei eingangs belegt, dass man mit den auf diesem Felde üblichen Spielregeln bereits in der Karolingerzeit sehr ironisch umgehen konnte. Gerade in der ironischen Verfremdung erweist sich aber das Reflexionsniveau, das auf diesem Gebiet bereits erreicht war. Notker von St. Gallen erzählt eine Anekdote, wie man angeblich den Byzantinern die unehrenhafte Behandlung fränkischer Gesandter in Byzanz heimzahlte. Das Feld der Revanche war das der rituellen Kommunikation. Ausgelöst wurde diese Revanche durch folgende Unfreundlichkeit der Byzantiner: „Etliche Jahre später schickte der unermüdliche Karl einen Bischof dorthin (nach Byzanz), einen an Geist und Körper vortrefflichen Mann, und mit ihm als Begleiter den edlen Herzog Hugo. Diese wurden sehr lange hingehalten, endlich dem König vorgestellt, aber unwürdig behandelt und auf sehr abgelegene Orte verteilt.“18 Diese Behandlung stellte eine gezielte Beleidigung dessen dar, der diese hochrangigen Gesandten ausgeschickt hatte. Was hier geschildert wird, darf als typisch gelten: Die Gesandten hatten es auszubaden, wenn die Beziehungen zwischen Mächten getrübt waren. Mittels ritueller Angriffe auf ihre Ehre – etwa durch unangemessene Behandlung – machte man die angespannte Situation und den eigenen Standpunkt auch in anderen Jahrhunderten deutlich. Sich in einer solchen Situation zu behaupten, erforderte von den Gesandten größtes Geschick. Im hier geschilderten Fall ergab sich jedoch die Gelegenheit zu einer Retourkutsche: „Bald darauf schickte derselbe König seine Beauftragten an den ruhmreichen Karl. Zufällig traf es sich aber, dass sich damals dieser Bischof mit dem erwähnten Herzog beim Kaiser befand. Als nun das bevorstehende Eintreffen der Gesandten gemeldet wurde, gaben diese dem klugen Karl den Rat, sie in den Alpen und in weglosem Gelände herumzuführen, bis sie alles verbraucht und verzehrt hätten und in solch ungeheurer Not vor ihn zu treten gezwungen wären. Als sie nun kamen, ließen der Bischof und sein Gefährte (d. i. der Herzog) den Marschall inmitten seiner Untergebenen auf dem Hochsitz Platz nehmen, so dass man nur ihn als den Kaiser ansehen konnte. Als ihn die Gesandten erblickten, fielen sie zu Boden und wollten ihn begrüßen. Aber die Diener stießen sie zurück und nötigten sie, weiterzugehen. Danach erblickten sie den Pfalzgrafen, inmitten der Gro-
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ßen zu Gericht sitzend, vermuteten in ihm den Kaiser und warfen sich zu Boden. Aber auch hier wurden sie mit Schlägen weitergetrieben (…) So gingen sie weiter und fanden den Truchsess mit seinen schön gekleideten Dienern. Da hielten sie ihn für den Kaiser und stürzten auf die Knie. Auch hier zurückgewiesen fanden sie im Sitzungssaal die Kammerdiener des Kaisers um ihren Meister und es erschien ihnen nicht zweifelhaft, dass er der Erste unter den Sterblichen sei. Aber dieser erklärte, er sei es nicht, versprach jedoch, sich mit den Palastobersten darum zu bemühen, dass sie wenn möglich vor die Augen des erhabenen Kaisers gelangen könnten. Nun wurden von Seiten des Kaisers Leute abgeschickt, um sie ehrenvoll einzuführen. Da stand nun der ruhmreiche Karl an einem hellen Fenster, strahlend wie die Sonne beim Aufgang, geschmückt mit Gold und Edelsteinen, gestützt auf Heito, so hieß jener Bischof, den er einst nach Konstantinopel geschickt hatte. Rings um ihn standen wie eine Heerschar des Himmels seine drei jungen Söhne, die schon Mitherrscher geworden waren, die Töchter mit ihrer Mutter, ebenso durch Klugheit und Schönheit geziert wie durch Geschmeide, die Bischöfe, unvergleichlich an Gestalt und Tugend, und die Äbte, ausgezeichnet durch Adel und Ehrwürdigkeit. Dazu die Herzöge, so wie einst Josua im Lager von Gilgal erschien, und die Kriegsleute gleich denen, welche die Syrer und Assyrer aus Samaria verjagten (…) Da wurden die Gesandten der Griechen bestürzt und mit stockendem Atem und benommenem Verstand fielen sie zu Boden. Der gütige Kaiser aber hob sie auf und versuchte, ihnen durch tröstenden Zuspruch Mut zu machen. Endlich fanden sie wieder Atem, aber als sie den einst verachteten und verstoßenen Heito in solcher Ehre sahen, entsetzten sie sich von neuem und blieben so lange am Boden liegen, bis ihnen der Kaiser beim Himmelskönig schwor, er werde ihnen in keiner Weise ein Leid antun.“19 Diese Geschichte zeugt deutlich von fränkischem Wunschdenken, es den arroganten Byzantinern einmal so richtig zu zeigen. Wichtiger aber ist für unseren Zusammenhang, dass ihre Pointen auf ein Publikum zählen, das die Spielregeln rituellen Verhaltens genau kennt und um die Zwänge weiß, die öffentliche Kommunikation mit sich brachte. Als Gesandter – so lehrt die Geschichte – musste man schon an Kleidung und Haltung erkennen, wen man vor sich hatte und dementsprechend reagieren. Die Ehrerbietung gegenüber dem Höchstrangigen ließ sich offensichtlich am besten durch einen wortlosen Fußfall zum Ausdruck bringen. Auch reichte es zu sehen, dass Karl von dem Bischof Heito gestützt wurde, um zu ermessen, welche Rolle dieser Bischof am Hofe Karls spielte. Die Verteilung der Personen im Raum symbolisierte ihre Nähe zum Herrscher und dies wiederum wies auf den Einfluss, den sie ausüben konnten. Der Fußfall, mit dem die Gesandten in dieser Geschichte geradezu ste-
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reotyp reagierten, begegnet in den verschiedensten rituellen Situationen späterer Jahrhunderte immer wieder. Er war offensichtlich das adäquate rituelle Ausdrucksmittel, den hohen Rang eines Gegenübers anzuerkennen. Folglich löste es bei den Gesandten einen geradezu Pawlow‘schen Reflex aus, wenn sie vermuteten, auf den Kaiser gestoßen zu sein. Der Fußfall diente aber auch dazu, vermuteten Unmut oder Unwillen des Gegenübers zu besänftigen, ihn nonverbal um Verzeihung zu bitten. Gleiches war uns auch schon in Erzählungen Gregors von Tours begegnet. Der Rang aller Personen kommt in der Szene überdies nicht zuletzt durch entsprechende Kleidung und Aufmachung zum Ausdruck. Deshalb war es von desaströser Wirkung, wenn man durch die Umstände genötigt wurde, abgerissen und in Not auftreten zu müssen. Auch von dieser Komik lebt die Geschichte, indem sie die Pracht der Franken mit der Not der Byzantiner konfrontiert. Es dürfte angesichts der detailliert geschilderten Anordnung des fränkischen Hofes im Raum nicht einmal Zufall sein, dass Notker die Platzierung Karls „vor einem hellen Fenster“ erwähnt. Die beabsichtigte Wirkung dieses Arrangements war wohl, dass er so zunächst nur schemenhaft erkennbar war und sich sein ganzer Glanz erst im Zuge des Näherkommens entfaltete. Diese aufwendige und phantasiereiche Verformung des Auftritts einer Gesandtschaft am karolingischen Hof zu einer Groteske darf daher wohl als Beweis dafür genommen werden, wie empfänglich das Publikum im späten 9. Jahrhundert für die Darstellung ritueller Verhaltensmuster bereits war. Gerade die komische Verfremdung erweist den hohen Stellenwert, den rituelles Verhalten in der karolingischen Zeit bekommen hatte. Die Komik einer Situation können ja vor allem diejenigen ermessen, die im realen Leben mit dem Ernst dieser Situation besonders konfrontiert waren. Es scheint daher lohnend zu fragen, wie es zu dieser Empfänglichkeit für rituelle Fiktionen anekdotischer Art gekommen sein kann, die kaum ohne einen hohen Stellenwert vergleichbarer ritueller Verhaltensmuster in der Realität zu denken ist.
II.2.1 Die Begegnungen von Päpsten mit Karolingern Dennoch sind wir über die konkrete Ausgestaltung von Ritualen gerade für die Zeit König Pippins und Karls des Großen nur sehr ungenügend informiert. Dies allerdings mit einer Ausnahme, denn über die rituellen Akte bei den Begegnungen der Karolinger mit den Päpsten sprechen die Quellen beider Seiten sehr ausführlich, wenn auch nicht sehr homogen. Die Analyse dieser Berichte zeigt, dass man in vielen Fällen kaum sicherstellen kann, welche Akte bei den Treffen tatsächlich durchgeführt wurden.
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Zu stark sind die jeweiligen Darstellungsperspektiven dem Anliegen verpflichtet, den Rang und die Stellung der Protagonisten ins rechte Licht zu rücken. Dies geschieht, indem man ihnen bestimmte rituelle Handlungen zuschreibt. Und je nach Parteizugehörigkeit sind dies sehr unterschiedliche Handlungen. Den Ritualen kommt aber ganz entschieden die Funktion zu, öffentlich und verbindlich die Beziehung zwischen Päpsten und Frankenherrschern einschließlich der übernommenen Verpflichtungen zum Ausdruck zu bringen. Wenn wir daher nach Entwicklungsstufen eines Prozesses Ausschau halten, in dem Rituale mehr und mehr die Funktion übernahmen, die Qualität und den Zustand von Beziehungen zeichenhaft zum Ausdruck zu bringen, dann verweist uns die Überlieferung nachdrücklich auf die Begegnungen der Karolinger mit den Päpsten. Die erhaltenen Beschreibungen ihrer rituellen Interaktionen seien daher eingehender analysiert, um eine Basis für die Frage zu gewinnen, ob diese Vorgänge einen Schlüssel zum Verständnis der weiteren Entwicklung liefern, die durch zunehmende Interaktivität der Handlungssequenzen, durch eine zunehmende Verbreiterung der Anwendungsfelder und durch eine Verfeinerung der Aussagen charakterisiert zu sein scheint. Schon bei den nun zu behandelnden Begegnungen der Päpste mit den Karolingern sind deshalb vorherige Absprachen über Einzelheiten der Durchführung zwingend anzunehmen. Es mag Überlieferungszufall sein, aber das erste Treffen zwischen einem Papst und dem gerade mit päpstlicher Hilfe zum König erhobenen Pippin, das im Jahre 754 in Ponthion stattfand, bietet zum ersten Mal die Chance zu erkennen, welche differenzierten Ausdrucksmöglichkeiten die Sprache der Rituale bot und welches Vertrauen man in die Verbindlichkeit ritueller Handlungen setzte. Man geht daher wohl kaum fehl in der Einschätzung, dass die Begegnung von Ponthion einen Meilenstein in der Entwicklung der fränkischen Ritualkultur bedeutet. Diese Bewertung bedarf einer ausführlichen Begründung. Eine persönliche Begegnung zwischen Papst und Karolinger hatte es zuvor nicht gegeben. Man musste sich daher wohl vorweg darauf verständigen, welche rituellen Ausdrucksmittel von beiden Seiten als angemessen akzeptiert werden konnten. Die Handlungen mussten dem Rang der Beteiligten gemäß sein, sie sollten aber auch die politische Situation reflektieren, in der diese Begegnung stattfand. Angesichts dieser Ausgangslage ist es nicht überraschend zu hören, dass die Begegnungen durch Gesandtschaften vorbereitet wurden. Diese dürften auch oder gerade über die rituellen Akte der Begegnung gesprochen und sich auf bestimmte Handlungen verständigt haben, selbst wenn dies in den Berichten beider Seiten nicht konkret gesagt wird. Da man keine Tradition der Begegnungen fort-
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führen konnte, dürfte es unausweichlich gewesen sein, das Treffen mittels Analogien zu gestalten, über die namentlich die Päpste durch ihre Treffen etwa mit den byzantinischen Herrschern verfügten.20 Einigermaßen überraschend ist jedoch, dass Quellen beider Seiten über ganz unterschiedliche Vorgänge berichten. Die Begegnung zwischen König Pippin und Papst Stephan II. in Ponthion ist für Verhältnisse des 8. Jahrhunderts herausragend detailliert überliefert. Zwei fränkischen Berichterstattern, die eine genaue Beschreibung liefern, steht eine ausführliche Darstellung aus päpstlicher Perspektive gegenüber. Die Franken akzentuieren die Tatsache, dass der Papst als Hilfesuchender ins Frankenreich kam und dementsprechend auftrat. Eine der Darstellungen geht auf ein Mitglied der karolingischen Verwandtschaft selbst zurück, das für die Fortsetzung der Chronik des so genannten Pseudo-Fredegar verantwortlich war: „Der König (…) hielt sich in dem Königshof Diedenhofen an der Mosel auf, als ein Bote zu ihm kam mit der Nachricht, dass der Papst Stephan aus Rom mit großem Gefolge und vielen Geschenken den Großen St. Bernhard schon überschritten habe und sich beeile, ihn zu treffen. Als der König das hörte, befahl er, ihn mit Jubel, Freude und großer Sorgfalt aufzunehmen, und trug seinem Sohn Karl auf, ihm entgegenzugehen und ihn bis zum Königshof Ponthion vor ihn zu geleiten. Dort trat der römische Papst Stephan vor den König und beschenkte sowohl den König selbst als auch die Franken mit vielen Gaben und bat ihn um Hilfe gegen das Volk der Langobarden und ihren König Aistulf (…).“21 Noch detaillierter, aber mit gleicher Tendenz schildern die Metzer Annalen diese Vorgänge. Deren Entstehung setzt man um das Jahr 805 im Kloster Chelles an, als dort Karls Schwester Gisela Äbtissin war: „In diesem Jahr (753) ertrug Papst Stephan, der Zacharias nachgefolgt war, die Schädigung durch die Langobarden und den Hochmut des Königs Aistulf nicht mehr und kam zu König Pippin, um seinen Schutz zu erbitten. Als das Pippin gemeldet wurde, erfüllte ihn große Freude und er befahl seinem erstgeborenen Sohn Karl, dem Papst entgegenzugehen und ihn mit Ehren zu ihm zum Königsgut Ponthion zu geleiten. Als der genannte Papst dorthin kam, wurde er von König Pippin ehrenvoll empfangen. Und er machte dem König wie dessen Großen viele Geschenke. Am folgenden Tag aber flehte er zusammen mit seinem Klerus, mit Asche auf dem Haupt und einem Büßergewand bekleidet, auf den Boden hingestreckt den König an, bei der Barmherzigkeit des allmächtigen Gottes und den Verdiensten der heiligen Apostel Petrus und Paulus, ihn und das römische Volk aus der Hand der Langobarden und des hochmütigen Königs Aistulf durch seine Hilfe zu befreien. Und er wollte sich nicht eher von der Erde erheben, als bis ihm der genannte König Pippin mit seinen Söhnen und den Großen der Franken die Hand reichte und ihn als Zeichen zukünfti-
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ger Hilfe und Befreiung von der Erde aufhebe. Da erfüllte Pippin den Willen des Papstes vollständig (…).“22 Die beiden fränkischen Berichte, die gewiss die Sicht der Dinge fixieren, die die Karolinger selbst von den Vorgängen geben wollten, schildern den Papst als Bittsteller, der zwar ehrenvoll aufgenommen und dessen Bitte positiv beschieden wurde, dem der neue Frankenkönig jedoch durch keine rituelle Handlung einen höheren Rang zuwies. Für unseren Zusammenhang ist aber insbesondere jene Formulierung der Metzer Annalen hochinteressant, dass Pippin dem auf dem Boden liegenden Papst die Hand als Zeichen (pro indicio) seiner zukünftigen Hilfe reichen sollte. An dieser Formulierung wird der für die Zukunft verpflichtende Charakter ritueller Handlungen unmittelbar evident. Und es kann nicht genügend betont werden, dass nach der Schilderung der Metzer Annalen sich der ganze Vorgang in größter Öffentlichkeit abspielte, ja dass nicht nur König Pippin dem auf dem Boden liegenden Papst die Hand gereicht habe, sondern mit ihm seine Söhne und die fränkischen Großen. Auch sie versprachen damit auf diese Weise ihre Hilfe. Die Forschung hat sehr intensiv über die bei dieser Gelegenheit abgegebene promissio Pippins und ihren Inhalt debattiert.23 Sie hat jedoch übersehen, dass nach dieser Darstellung die Promissio schon nonverbal durch die Handreichung gegeben wurde. Die Darstellung der fränkischen Quellen, insbesondere der Metzer Annalen, wirft eine Fülle von Fragen auf. Ein barfüßiger Papst, der sich mit Asche auf dem Haupt einem weltlichen Herrscher bittend zu Füßen wirft, ist bis dahin und bleibt ein Unikum in der an demonstrativen Handlungen gewiss reichen Papstgeschichte. Schon diese Beobachtung allein weist darauf, wie Aufsehen erregend der Vorgang gewesen sein muss. Die erste Frage, die sich daher stellt, ist gewiss die, was den Papst zu dieser Verhaltensweise veranlasst hat. Und hierauf ist eine eindeutige Antwort möglich. In der Vita von Stephan II. wird nämlich detailliert beschrieben, was dieser Papst tat, als im Jahr zuvor der Langobardenkönig Aistulf mit seinen Kriegern Rom bedrängte und päpstliche Hilferufe nach Byzanz ungehört geblieben waren: Er initiierte Prozessionen der Bevölkerung zu verschiedenen Kirchen Roms, um Gott um Hilfe gegen die Langobarden zu bitten, da man deren Bedrängungen als Folge der eigenen Sünden auffasste. Barfuß und mit Asche auf dem Haupt trug der Papst auf den eigenen Schultern eine Christusfigur und andere sacra mysteria, wobei der von Aistulf gebrochene Vertrag, an ein Kreuz geheftet, mitgeführt wurde. Außerdem aber hatte Stephan in dieser Zeit einen Pilger zum neuen fränkischen König Pippin geschickt und auch diesen um Hilfe gebeten. Der aber erwiderte die Bitte mit einer hochrangigen Gesandtschaft, die den Papst ins Frankenreich einlud. Diese Gesandten müssen ihm und den Römern als
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die von Gott gesandte Hilfe erschienen sein, denn sie erreichten es tatsächlich, dass Aistulf den Papst ziehen ließ.24 Damit dürfte aber evident sein, welches Vorbild Stephan bei seinem Auftritt in Ponthion im Auge hatte. Er wandte die Ausdrucksformen seiner inständigen Bitten gegenüber Gott nun bei einem weltlichen Herrscher an. Man kann auch sagen, er transferierte Zeichen und Handlungen aus dem Ritual der Bittprozession in den Bereich innerweltlicher Bittrituale. Die nächste, für die Analyse von Ritualen fundamentale Frage schließt sich direkt an: Konnte der Papst mit diesem Verhalten Pippin und die Franken überraschen oder dürfen wir hier von einer Inszenierung sprechen, deren Einzelakte abgesprochen waren? Auch wenn es in den Berichten nicht konkret gesagt wird: Es spricht wohl alles dafür, dass man die Gegenseite über einen derart ungewöhnlichen Schritt informieren und zudem sicherstellen musste, dass sie der Bitte auch entsprechen würde. Die anschließenden Auseinandersetzungen im fränkischen Herrschaftsverband beweisen, dass die Hilfeleistung gegen die Langobarden sehr umstritten war.25 Grund genug also, die Bitte wie die Gewährung öffentlich und in demonstrativen Ausdrucksformen zu gestalten, das Ganze zu einem eindrucksvollen Schauspiel zu stilisieren. Natürlich lässt sich der Inszenierungscharakter solchen Geschehens nicht an einem Einzelfall schlüssig beweisen. Es sei hier daher nur der Anfang einer langen Folge komplexer ritueller Handlungen markiert, die ohne die angesprochenen Planungen und Vorabinformationen eigentlich nur misslingen konnten. Ein Misslingen einer solchen Szene wie der in Ponthion aber hätte wohl gravierende Folgen gehabt. Man dürfte daher alles getan haben, um es zu vermeiden, und deshalb sind Absprachen zwingend zu unterstellen. Schauen wir uns nach der Analyse der fränkischen Quellen auch die päpstliche Version an. Das Fehlen jeder Geste, die dem Papst einen superioren Rang zuerkennt, fällt in den fränkischen Berichten vor allem dann auf, wenn man vergleichend die päpstliche Darstellung dieses Treffens heranzieht. Sie wurde kurz nach den Ereignissen in der Vita Stephans festgehalten. Hier werden deutlich andere und widersprechende Akzente gesetzt: „Als der König von der Ankunft des heiligen Papstes hörte, beeilte er sich zusammen mit seiner Gemahlin, seinen Söhnen und Großen sehr, ihm entgegenzugehen. Deshalb schickte er seinen Sohn namens Karl mit anderen seiner Magnaten dem engelsgleichen Papst fast hundert Meilen entgegen. Er selbst empfing den heiligsten Papst fast drei Meilen vor seiner Pfalz Ponthion zusammen mit seiner Frau, seinen Söhnen und Großen, indem er von seinem Pferd stieg, sich mit großer Demut auf den Boden warf und im Dienste des Strators bis zu einem bestimmten Ort neben dessen Sattel eilte. Dann brachte der genannte Segen spendende Mann mit
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allen Seinen und mit erhobener Stimme dem allmächtigen Gott Ehre und unaufhörliches Lob dar, und mit Hymnen und geistlichen Gesängen brachen sie zusammen mit dem schon genannten König in heiligster Feierlichkeit zur Pfalz auf am 6. Tag des Monats Januar, am Feste der Erscheinung des Herrn und Erlösers Jesu Christi. Als sie dort im Betsaal zusammensaßen, hat der heiligste Papst bald den allerchristlichen König auf klagende Art und Weise (lacrimabiliter) gebeten, dass er auf Grund der Friedensbündnisse sich den Fall des heiligen Petrus und der römischen res publica zu Eigen mache.“26 Trotz langer intensiver Beschäftigung mit diesen Ausführungen ist erst in jüngster Zeit aufgefallen, dass in der päpstlichen Darstellung die Tatsache des Strator-Dienstes, den Pippin geleistet haben soll, sachlich und sprachlich wie ein Fremdkörper wirkt.27 Nach der Schilderung wirft sich Pippin ja zuerst auf den Boden und leistet dann den Strator-Dienst. Nimmt man diese Reihenfolge ernst, hätte der Papst zunächst absitzen müssen, um die Prostration entgegenzunehmen und dann sein Pferd wieder besteigen müssen, um Pippin die Gelegenheit zu geben, es am Zügel zu führen. Dies will nicht recht einleuchten. Man hat daher vermutet, der Dienst sei erst als späterer Zusatz der Schilderung angefügt worden. Richtig überzeugen könnte eine solche Vermutung allerdings wohl nur dann, wenn es gelänge, plausible Gründe dafür zu finden, warum gerade dieser Dienst schon bald nach den Ereignissen der Darstellung eingefügt wurde, um ein bestimmtes Verhältnis von Frankenkönig und Papst zu markieren. Gründe für eine solche Konjektur zeichnen sich jedoch nicht ab; und auch ihre potentiellen Urheber bleiben völlig im Dunkeln. Aber ob mit oder ohne diesen Dienst: Der Unterschied zwischen der fränkischen und römischen Version der Begegnung ist gravierend. Schon mit der Prostration hatte der Frankenkönig ja eine rituelle Form benutzt, die höchste Verehrung und auch Unterordnung unter den so Geehrten zum Ausdruck brachte. Lassen sich diese unterschiedlichen Versionen von der Begegnung daher überhaupt vereinbaren? An diesen Berichten wird eine Schwierigkeit greifbar, die nicht nur bei der Analyse von Ritualen immer wieder begegnet und die daher hier exemplarisch diskutiert sei. Sie konkretisiert sich in der Frage: Wie erkennt man durch die sich widersprechenden Darstellungen hindurch das, was in Ponthion wirklich geschehen und durchgeführt worden ist? Oder sind solche Versuche müßig und man ist besser beraten, sie von vornherein zu unterlassen? Unser Fall lässt verschiedene Möglichkeiten des Verfahrens zu: Man kann beide Schilderungen in additiver Weise benutzen, muss dann allerdings davon ausgehen, dass sie jeweils die für ihre Seite weniger ehrenvollen Akte verschwiegen hätten: Die Franken ließen das Entgegenziehen
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Pippins und die Prostration unerwähnt; der römische Autor andererseits die Prostration des Papstes, seinen extremen Bittgestus, den er mit der Formulierung, der Papst habe Pippin lacrimabiliter gebeten, doch mehr als verschleiert. So könnte es gewesen sein. Sicherheit über das, was geschehen ist, gewinnt man so allerdings wohl nicht. Für eine zweite Möglichkeit, nämlich einem Text zu folgen und die Darstellung des anderen mit nachvollziehbaren Gründen zu verwerfen, findet man andererseits wenig Anhaltspunkte. Damit sind jedoch die Möglichkeiten der Analyse noch nicht erschöpft. Wir haben in diesem Fall auch die Möglichkeit zu fragen, ob die berichteten rituellen Akte in einer Tradition stehen oder ob sie eine Tradition begründet haben. Auch die Beantwortung dieser Frage hilft bei der Entscheidung, welche Wirklichkeit hinter den Texten steht. Denn wenn die fraglichen Handlungen zuvor oder später in vergleichbaren Situationen bezeugt sind, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch in Ponthion Bestandteil des Rituals der Begegnung waren. Beides ist hier der Fall und lässt weitere Einsichten zu. Verehrung durch Prostration wurde den Päpsten bereits zuvor von anderen Herrschern erwiesen: von den byzantinischen Kaisern. Der Zügeldienst ist dagegen aus Rom bezeugt, wo ihn vornehme Laien für die Päpste, später auch für die Kaiser leisteten.28 Dieser Befund ermöglicht die begründete Vermutung, dass die rituellen Akte der Begegnung von Pippin und Stephan nach Vorbildern gestaltet wurden, die von den päpstlichen Unterhändlern in die Verhandlungen eingebracht wurden, wodurch das Zeremoniell für die Franken akzeptabel wurde. Wenn dem byzantinischen Kaiser die Prostration recht war, konnte sie dem Frankenkönig gleichfalls zugemutet werden. Größere Sicherheit, dass die in der Papstvita geschilderte Prostration Pippins tatsächlich historisch ist, gibt aber eine andere Beobachtung: Sie begegnet nämlich bei späteren Treffen zwischen Karolingern und Päpsten gleichfalls. In Ponthion wurde also allem Anschein nach eine rituelle Form gefunden, die auch im Frankenreich eine Tradition begründete. Die Parallelität der benutzten rituellen Formen ist besonders augenfällig bei einem Treffen zwischen Ludwig dem Frommen und Papst Stephan IV., das im Jahre 816 in Reims stattfand: „Sobald dieser (Stephan IV.) das Pontifikat angetreten hatte, befahl er dem ganzen römischen Volk, Ludwig eidlich die Treue zu geloben, und schickte an diesen Kaiser Gesandte, indem er ihm sagen ließ, er wolle ihn an irgendeinem Orte, wo es ihm recht wäre, sehen. Als er dies hörte, begann er von großer Fröhlichkeit erfüllt sich zu freuen und befahl sogleich seinen Sendboten, mit vielen Begrüßungen dem heiligen Papst entgegenzueilen und alles zu seinem Dienste vorzubereiten. Nach den Boten ging
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Ludwig selbst dem Papst entgegen: Und als sie sich in der großen Ebene bei Reims trafen, stiegen sie beide vom Pferd; der princeps warf sich dreimal mit dem ganzen Körper zu Füßen des höchsten Bischofs nieder und begrüßte, nachdem er das dritte Mal sich erhoben, den Papst mit diesen Worten: ‚Gelobt sei der da kommt im Namen des Herrn, Gott ist der Herr, der uns erleuchtet.‘ Und der Papst antwortete: ‚Gelobt sei Gott unser Herr, der meinen Augen zu sehen gab einen zweiten König David.‘ Sie umarmten sich dann und küssten sich in Frieden; dann gingen sie zur Kirche; und als sie lange gebetet hatten, erhob sich der Papst und spendete samt seiner Geistlichkeit mit lauter Stimme die ihm (Ludwig) als König zukommenden Lobsprüche.“29 Die Schilderung weist wohl nachdrücklich aus, dass das Zeremoniell der Reimser Begegnung in großen Teilen nach dem Vorbild von Ponthion gestaltet worden sein dürfte, auch wenn die Prostration Ludwigs durch ihre dreimalige Wiederholung vom Vorbild seines Großvaters abweicht. Ein Zwischenglied zwischen beiden Ereignissen stellt gewissermaßen der Empfang dar, den Karl der Große im Jahre 799 Papst Leo III. in Paderborn bereitete. Allerdings sind uns die Einzelheiten dieses Empfangs ‚nur‘ durch ein Preisgedicht überliefert, das die Szene eingehend beschreibt, von Historikern aber nur mit Vorbehalt zur Rekonstruktion des Geschehenen herangezogen wird. Auch in Paderborn schickte König Karl nach diesem Gedicht dem heranziehenden Papst eine Empfangsdelegation mit seinem Sohn Pippin an der Spitze entgegen. Dieser vollzog bei der Begegnung mit seinem gesamten Gefolge eine dreimalige Proskynese. Papst Leo hob ihn gütig vom Boden auf, umarmte ihn und gab ihm den Friedenskuss.30 Nichts anderes praktizierte man bei der Begegnung mit Karl, der zum Empfang des Papstes seinen Klerus in Chören, das ‚Volk‘ in einem Ring und das Heer in einem offenen Kreis aufgestellt hatte. Als Leo zum König in diesen Kreis gekommen war, ehrte ihn Karl durch einen Fußfall; dann umarmte ihn der Papst, tauschte mit ihm den Friedenskuss, beide gaben sich die rechte Hand und unterhielten sich freundschaftlich. Sogar das ganze Heer warf sich dem Papst dreimal zu Füßen, worauf Leo jeweils ein Gebet sprach.31 Auch die anderen Details dieses Berichts entsprechen denen, die von Ponthion und Reims berichtet werden. Es kann somit kaum ein Zweifel bestehen, dass man bei den späteren Treffen im Wesentlichen dem Zeremoniell des gelungenen Auftakts der Begegnungen in Ponthion folgte. Diese Beobachtungen aber stellen starke Argumente bereit, die Prostration Pippins in Ponthion als wirklich geschehen anzusehen. Zu geläufig ist zumindest aus späteren Zeiten die Tatsache, dass man sich bei der Gestaltung ritueller Akte an Vorbilder und Präzedenzfälle anlehnte. Von einem Strator-Dienst Ludwigs des Frommen oder Karls des Großen ist da-
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gegen in den behandelten Parallelfällen nicht die Rede. Für ihn bietet die erhaltene Überlieferung erst aus dem Jahr 858 ein zweites Zeugnis. Als Papst Nikolaus I. Kaiser Ludwig II. im kaiserlichen Feldlager vor den Toren Roms aufsuchte, leistete ihm Ludwig bei Ankunft und Abschied den Strator-Dienst, der genau beschrieben wird: Der Kaiser führte das Pferd des Papstes einen Pfeilschuss weit am Zügel.32 Ob hier jedoch mehr als ein Jahrhundert später das Vorbild von Ponthion oder die Schilderung des Strator-Dienstes im so genannten Constitutum Constantini Pate stand, muss gewiss offen bleiben.33 Die ausführliche Vorstellung der Quellen zu den Vorgängen in Ponthion unter Einbeziehung der Berichte späterer Treffen rechtfertigt sich wohl aus mehreren Gründen. Zum einen bieten die detailliert, wenn auch unterschiedlich berichteten rituellen Akte der Treffen wohl die früheste Möglichkeit im Bereich der mittelalterlichen Geschichte, Sinn und Leistung ritueller Handlungsweisen eingehender zu diskutieren und dabei ihren Beitrag zur Etablierung oder Stabilisierung politischer Ordnung auszuloten. Die Bewertung der Berichte hängt dabei nicht allein von der Frage ab, ob das Berichtete tatsächlich geschehen ist. Auch oder gerade wenn die Parteien ihre Berichte mit Akten angereichert haben sollten, die bei dem Treffen gar nicht durchgeführt worden waren, machen sie damit deutlich, was sie für besonders wünschenswerte und aussagekräftige rituelle Handlungen hielten. Sie geben uns damit Einblick, wie man Beziehungen und Absichten rituell abbilden zu können meinte. Prostration und Strator-Dienst Pippins wie der späteren Karolinger signalisierten Verehrung, Unterordnung wie auch Dienstbereitschaft und stellten das Verhältnis zu den Päpsten auf diese Basis. Die Prostration des Papstes in Ponthion, die als päpstliches Verhalten wohl als Unikum gelten darf, hatte dagegen einen anderen Sinn: Sie stellte die intensivste Form der Bitte dar, die denn auch mit der Handreichung der Franken das nonverbale Versprechen nach sich zog, dieser Bitte zu entsprechen. Schon bei diesem frühen Beispiel dürfte es erlaubt sein, von der Macht der Rituale in dem Sinne zu sprechen, dass sie die Akteure auf die gemachten Aussagen festlegten. Mit dem konzertierten rituellen Tun schufen sich die Akteure eine Basis ihres Verhältnisses, auf der man später aufbauen konnte. Und da dies öffentlich geschah, gab es für die gemachten Aussagen auch Zeugen. Aus dieser Funktion der Rituale dürften sich nicht zuletzt die Unterschiede erklären, die sich in den Berichten beider Seiten abzeichnen. Vor allem die Franken unterließen gern Hinweise auf Akte, aus denen man eine Unterordnung des Königs unter den Papst ablesen konnte. Es ist nur symptomatisch, dass sie stattdessen die Szene dramatisch ausbreiteten, in der der Papst auf dem Boden liegend und im Bußgewand um die Hilfe der
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Geschichte des Konzils von Konstanz (Ulrich von Richental, 2. Hälfte 15. Jh.). König Sigismund leistet Papst Martin V. den Strator-Dienst. Konstanz. Rosgartenmuseum, Ms. 1, fol. 105v.
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Franken gebeten hatte, was wiederum die Darstellungen der päpstlichen Seite ausließen. Die fußfällig geäußerte päpstliche Bitte in Ponthion, die mit der kollektiven Handreichung der Franken und ihres Königs Pippin beantwortet wurde, beweist aber zugleich auch, dass bei den Begegnungen nicht einfach ein stereotypes Empfangszeremoniell ablief, selbst wenn einzelne Elemente mehrfach oder sogar immer begegnen. Vielmehr bestand die Möglichkeit, speziellen Anforderungen einer Situation dadurch gerecht zu werden, dass man rituelle Akte in den Ablauf der Begegnung aufnahm, die hier und nur hier nötig und sinnvoll waren. Dieser Eindruck von der ‚Gemachtheit‘ der Rituale stellt sich beim Empfang von Ponthion erstmals ein. Er wird uns von jetzt ab aber immer wieder begegnen. Natürlich haben wir nicht immer die Möglichkeit, den Sinn und den Hintergrund einzelner Änderungen oder Neuerungen zu erkennen. So fällt etwa auf, dass Karl der Große bei seinem Empfang in Rom im Jahre 774 keine Prostration vor Papst Hadrian leistete. Vielmehr erwartete ihn der Papst, nachdem Karl durch Empfangsdelegationen wie ein Patricius eingeholt worden war, oberhalb der Treppe von St. Peter. Bei der Begrüßung umarmten sie sich, der Papst geleitete Karl unter dem Gesang des Klerus zur confessio beati Petri und dort warfen sich beide zum Gebet nieder.34 Ob mit dieser Änderung des Begrüßungsrituals eine bestimmte Aussage gemacht werden sollte, lässt sich nicht entscheiden, geschweige denn, was damit ausgesagt werden sollte. Noch eine andere Beobachtung ist von grundsätzlichem Interesse, auch wenn es in den Quellen nicht konkret gesagt wird: Dass eine auf so dramatische Art vorgetragene Bitte wie die Stephans II. den Adressaten nicht überraschen durfte, sondern mit ihm abgesprochen werden musste, dürfte plausibel sein. In der gegebenen Situation scheint es kaum denkbar, dass der Papst sich zu solchen Handlungen entschied, ohne sich vergewissert zu haben, dass sie den gewünschten Erfolg zeitigten. Damit tritt aber schon im 8. Jahrhundert die Technik vor Augen, politische Absichten und Verpflichtungen durch inszenierte Handlungen öffentlich bekannt und so verbindlich zu machen. Man war gleich bei der ersten Begegnung zwischen dem Papst und dem Frankenkönig in der Lage und willens, die entscheidende Frage dieser Begegnung mittels ritueller Handlungen zu beantworten, die Frage nämlich, ob Pippin bereit sei, dem Papst gegen die Langobarden zu helfen. Auch ein zweites zentrales Problem ging man bei dieser Begegnung mit rituellen Neuerungen an: Der Papst salbte Pippin und seine Söhne und verschaffte ihnen so eine transzendentale Legitimation ihres Königtums.35 Solche Handlungen könnten ihre Wirkung natürlich nicht entfalten, wenn die Gesellschaft nicht daran gewöhnt wäre, rituellen Vorgängen
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einen bestimmten Sinn zuzuschreiben und von der Verbindlichkeit des gezeigten Verhaltens auszugehen. Was nach der erhaltenen Überlieferung in der Interaktion zwischen Päpsten und Karolingern daher als neuartige Praktik erscheint – politische Entscheidungen durch öffentliche rituelle Handlungen bindend zu machen –, muss eigentlich durch entsprechende Gewohnheiten auf anderen Gebieten vorbereitet worden sein. Und in der Tat lässt sich an verschiedenen Beispielen beobachten, dass in den Bereichen von Familie, Verwandtschaft und Genossenschaft rituelles Verhalten bereits früh verbindlichen Charakter aufwies, dass man mit rituellen Handlungen Versprechungen für die Zukunft abgab. Eine solche Funktion erfüllt etwa – durchaus nicht nur in der Zeit des frühen Mittelalters – das gemeinsame Mahl und Gelage, das Einzelpersonen wie Gruppen dazu nutzten, ihre friedlich-freundschaftliche Gesinnung unter Beweis zu stellen. Das auf diese Weise demonstrierte Verhalten band für die Zukunft. Es wurde praktiziert, wenn man Feindschaft in Freundschaft verwandelte; wenn man sich zu genossenschaftlicher Gruppenbindung fand; oder auch, wenn man den Gruppenzusammenhalt demonstrativ stärken wollte. Praktiziert haben es Verwandte und Freunde, aber auch Mitglieder geistlicher Kommunitäten und in Einzelfällen ist schon früh bezeugt, dass auch herrschaftliche Bindungen mit solchen Mitteln gefestigt wurden.36 Dennoch dürfte es kein Zufall sein, dass wir die Ritualisierung öffentlicher Kommunikation in der frühen Karolingerzeit nicht auf vielen Gebieten beobachten können. Weder im Falle Pippins noch für Karl den Großen lassen sich den ausführlich geschilderten Ritualen der Begegnungen mit den Päpsten vergleichbare zur Seite stellen, die die Karolinger in ähnlich intensivem rituellem Umgang mit anderen Personen oder Gruppen zeigten. Natürlich ist die Überlieferungschance solcher Ereignisse zu bedenken, und es wäre zweifelsohne zu optimistisch zu erwarten, dass etwaige rituelle Formen des Umgangs Karls mit seinen Großen auf den zahllosen Hoftagen detailliert beschrieben worden wären. Doch ist es angesichts der überlieferten Vielzahl schriftlicher Anweisungen an den Herrschaftsverband, wie sie sich in Kapitularien und Briefen erhalten haben, doch bemerkenswert, dass sich kaum Aussagen über die Gestaltung ritueller Kommunikation mit den weltlichen oder geistlichen Großen finden. Hier zeigt sich jedenfalls ein deutlicher Unterschied zu späteren Jahrhunderten, aus denen eine ganze Reihe von rituellen Akten überliefert sind, mit denen der König und die Großen ihr Verhältnis symbolisch zum Ausdruck brachten. Es spricht daher einiges dafür, dass vergleichbar komplexe Handlungen noch nicht Bestandteil des öffentlichen Kommunikationsstiles in der frühesten Karolingerzeit waren. Wie aber hat sich im Bereich der Machtausübung eine Kultur der rituellen Zeichensprache entwickelt? Zumindest thesenhaft wird man davon
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ausgehen dürfen, dass so spektakuläre rituelle Umgangsformen, wie man sie bei den Begegnungen der Päpste mit den Karolingern praktizierte, Vorbildcharakter bekamen; dass sie zur Nachahmung beziehungsweise situationsbedingten Abwandlung geradezu einluden, weil sie eine wirkungsvolle Möglichkeit bereitstellten, Vorrechte wie Verpflichtungen verbindlich zum Ausdruck zu bringen. Es dürfte daher legitim sein, die im Verlauf der Karolingerzeit berichteten rituellen Interaktionen des Herrschaftsverbandes unter der Fragestellung zu untersuchen, ob sie als Ergebnisse eines ‚Lernprozesses‘ verstanden werden können. Ob sie, anders gesagt, Zeugnis davon geben, dass die Fähigkeit wuchs, politische Aussagen mittels interaktiver Handlungssequenzen zum Ausdruck zu bringen, und ob die Bereiche sich vermehrten, in denen diese Fähigkeit zur Anwendung kam. Ob zu erkennen ist, dass die einmal ausgebildete Grammatik und Semantik der ‚Ritualsprache‘ weiter entwickelt wurde. Eines muss bei einem solchen Versuch allerdings vorweg ins Bewusstsein gerückt werden: Die vermuteten Vorgänge der Adaptation und Weiterentwicklung wurden von den zeitgenössischen Berichterstattern nicht explizit thematisiert. Sie sind vielmehr nur aus Ähnlichkeiten der benutzten Handlungen und aus analogen Verwendungen abzuleiten, was natürlich nicht ohne Auswirkungen auf die Stringenz der Beweisführung im Einzelfall bleibt.
III.2.2 Rituale beim Sturz des Bayernherzogs Tassilo Die frühste Möglichkeit, rituelle Handlungen zwischen den karolingischen Herrschern und Mitgliedern ihres Herrschaftsverbandes genauer zu beobachten, bieten Nachrichten, die sich vom Konflikt Karls des Großen mit dem Bayernherzog Tassilo erhalten haben. In der Beschreibung dieses Konflikts, bei der gerade die Reichsannalen größten Wert darauf legen, die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen Karls des Großen wie umgekehrt die Perfidie der Handlungen Tassilos herauszuarbeiten, ist nämlich mehrfach von rituellen Handlungen vor der Öffentlichkeit einer Heeresversammlung oder einer Synode die Rede, durch die die Lösung des Konflikts vorangetrieben wurde.37 Im Jahre 787 zwang Karl den Bayernherzog durch seine militärische Übermacht – er war mit drei Heeren von mehreren Seiten in Bayern eingedrungen –, sich persönlich bei dem fränkischen König einzufinden, der mit seinem Heer auf dem Lechfeld bei Augsburg lagerte. Die Reichsannalen beschreiben den Vorgang folgendermaßen: „Als nun Tassilo erkannte, dass er von allen Seiten eingeschlossen war und mit ansah, wie die Bayern alle dem König Karl mehr treu waren als ihm und das Recht des erwähnten Königs anerkannten und lieber ihm sein Recht zubilligen wollten als
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sich widersetzen, da kam er, von allen Seiten gezwungen, persönlich und gab sich dem König Karl als Vasall in die Hände (tradens se manibus in manibus) und gab das ihm von Pippin übertragene Herzogtum heraus und gestand, in allem gefehlt und übel getan zu haben. Dann erneuerte er wieder seinen Eid und stellte zwölf auserlesene Geiseln und seinen Sohn Theodo als dreizehnte. Nach Empfang der Geiseln und des Eides kehrte der genannte ruhmreiche König nach Franken zurück.“38 Die Murbacher Annalen bringen in ihrer weitgehend deckungsgleichen Schilderung noch ein rituelles Detail, das sehr aufschlussreich ist: Tassilo habe das Herzogtum an Karl zurückgegeben, indem er ihm einen Stab überreichte, dessen Spitze eine menschliche Figur bildete.39 Das Lechfeld sah somit einen rituellen Akt, der gut mit dem späteren Ritual der Unterwerfung, der deditio, vergleichbar ist, auch wenn die Gestaltung der einzelnen Akte durchaus große Unterschiede aufweist. Wir hören vom Handgang, mit dem ein Vasallitätsverhältnis begründet wird, ebenso von der Aufgabe des Herzogtums, symbolisch angezeigt durch die Übergabe des Stabes, und wir hören nicht zuletzt von der Selbstbezichtigung, durch die alle Schuld am Konflikt von demjenigen auf sich genommen wird, der aufgibt. Letzteres ist auch fester Bestandteil späterer deditiones, zu denen aber ganz zentral ein Fußfall vor dem Gegner gehört, von dem hier nichts erzählt wird.40 Angesichts der ungewöhnlichen Situation kann wohl auch in diesem Fall davon ausgegangen werden, dass man nicht einfach gängige Gewohnheiten anwenden konnte, sondern spezielle rituelle Akte konzipieren musste. Hierzu waren gewiss Verhandlungen nötig, in denen man sich auf die geschilderten Akte verständigte. Ein beträchtlicher Unterschied etwa zu der Situation in Ponthion wird durch die Tatsache markiert, dass hier zwei Gegner im rituellen Handeln einen erzwungenen Konsens zum Ausdruck brachten. Es markiert doch wohl eine beträchtliche Ausweitung der Anwendungsgebiete ritueller Handlungen, wenn nicht nur Bündnispartner sich ihres Einverständnisses auf diese Weise vergewissern, sondern auch Einlenken im Konflikt durch rituelle Handlungen zum Ausdruck kommt. Im Ensemble der berichteten rituellen Handlungen fällt zudem das verbale Eingeständnis des Fehlverhaltens auf, das Tassilo abgibt. Man hört gleiches vereinzelt in früheren Fällen wie dem des Bischofs Praetextatus, später aber wird es zum festen Bestandteil des rituellen Repertoires. Man geht wohl kaum fehl in der Einschätzung, dass die verbalen Äußerungen wie die rituellen Handlungen ebenso die Ernsthaftigkeit des Sinneswandels wie seine Freiwilligkeit unterstreichen sollten. Falls Tassilo gehofft hatte, mit diesen Zugeständnissen und der Anerkennung Karls mittels ritueller Verhaltensweisen seine Freiheit oder sogar
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seine Stellung gerettet zu haben, wurde er sehr enttäuscht, denn gleich im nächsten Jahr unterzog ihn Karl einem Gerichtsverfahren, das angeblich durch die Anschuldigungen treuer Bayern ausgelöst wurde und mit der Todesstrafe für Tassilo endete.41 Diese wurde jedoch nach Eingreifen des milden Karl nicht vollstreckt, weil Tassilo auf dessen Frage, was mit ihm geschehen solle, bat, in ein Kloster eintreten zu dürfen. Zudem bat er darum, nicht in der Öffentlichkeit zum Mönch geschoren zu werden. Auch dies gewährte Karl und ließ ihn in St. Goar zum Kleriker machen und dann in das Kloster Jumièges einweisen.42 Wir sehen an diesem Beispiel zum ersten Mal deutlicher, welche Funktionen rituelle Akte im Konfliktfall übernehmen konnten. Die überlegene militärische Macht des einen zwang den Gegner zum Einlenken. Das Einlenken aber hatte einen hohen Preis. Mit öffentlichen Handlungen wie dem Handgang und der Übergabe des Stabes, die gewiss nicht in sein Belieben gestellt waren, machte Tassilo Aussagen zu seinem zukünftigen Verhältnis zu Karl und gab sein Herzogtum auf. Diese Aussagen dürften ihm vom Sieger in der Auseinandersetzung abgenötigt worden sein, auch wenn die rituellen Handlungen und die Selbstbezichtigungen kaum etwas vom Zwang erkennen lassen, unter dem Tassilo handelte. Nach den Ritualen aber blieb die Angelegenheit ganz eigenartig in der Schwebe; man zog nach Hause, ohne endgültige Entscheidungen getroffen oder gar Frieden geschlossen zu haben. Militärische Überlegenheit bescherte also offensichtlich die Macht, den Gegner zu rituellen ‚Aussagen‘ zu nötigen, die seine Niederlage besiegelten. Und diese Macht wurde von Karl und den Franken so eingesetzt, dass wir das Geschehen der Jahre 787 und 788 für ein abgekartetes Spiel zur Entmachtung Tassilos halten, weil uns diese Technik der Kombination von militärischen Drohgebärden, öffentlichen Ritualen und Gerichtsverfahren fremd ist. Wie wenig wir in der Tat von diesen Formen der Machtausübung verstehen, zeigt das Nachspiel, das die Auseinandersetzung zwischen Karl und Tassilo im Jahre 794 noch einmal hatte. Nach sechsjährigem Klosteraufenthalt erschien der ehemalige Bayernherzog nämlich in Frankfurt auf einer Synode.43 Und es kann eigentlich kein Zweifel darüber bestehen, dass sein Auftritt von Karl für nötig und sinnvoll gehalten wurde. Inwieweit er dagegen im Interesse Tassilos lag, ist schwierig zu erkennen. Der Mönch und ehemalige Bayernherzog trat in die Mitte der versammelten Synodalen, bat um Vergebung für seine Schuld, und zwar sowohl für die, die er gegenüber König Pippin als auch gegenüber Karl auf sich geladen habe. In einer humilis petitio erflehte er Verzeihung von Karl, legte ‚reinen Herzens‘ seinen Zorn ab und begrub jedes Ärgernis zwischen ihnen.44 Auch wenn das Synodalprotokoll die performativen Akte nicht spezifiziert, mit denen die demütige Bitte, das ‚reine Herz‘ und das Ende des Zorns zum Ausdruck
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kamen, können wir sicher sein, dass die Rede Tassilos von nonverbaler ‚Rhetorik‘ unterstützt wurde, die seine Sinnesänderung unterstrich. Emotionaler Überschwang begegnet uns später in vielen vergleichbaren Situationen. Wir können daher begründet davon ausgehen, dass die demonstrativ gezeigte Emotionalität auch hier die Funktion hatte, die Glaubwürdigkeit des Sinneswandels zu unterstreichen. Nach seinen demonstrativen Gesten des Einlenkens gestand Tassilo etwas zu, was man für den sachlichen Kern der ganzen Veranstaltung zu halten geneigt ist: Er verzichtete nämlich für sich und seine Kinder auf alle Rechte und Besitzungen in Bayern. Bis heute ist unklar, warum dies von einem Treubrüchigen verlangt wurde, der mit seiner ganzen Familie vermöncht worden war. Das Verhalten seines Gegners bewog Karl den Großen nach dem Protokoll jedenfalls dazu, nun seinerseits Barmherzigkeit und Uneigennützigkeit an den Tag zu legen: Er verzieh Tassilo seine Schuld, schenkte ihm seine Huld wieder uneingeschränkt und nahm ihn in Liebe in sein Erbarmen auf, damit er in Zukunft der Barmherzigkeit Gottes sicher sein könne.45 Man wird annehmen dürfen, dass auch Karl seine gewandelte Haltung in Handlungen wie in Worten zum Ausdruck brachte. Hier wird damit eine Versöhnung inszeniert, die wir am Ende späterer Konflikte in das Ritual der Unterwerfung integriert finden. Im Falle Tassilos lagen sieben Jahre zwischen seinen rituellen Unterwerfungsgesten und den Gesten der Verzeihung und Barmherzigkeit der Gegenseite. Wir wissen nicht, warum nach dem langen Zeitraum diese Demonstration für nötig gehalten wurde. Denkbar sind sowohl politische als auch religiöse Motive, die sich ohnehin nur schwer trennen lassen. Das frühe Beispiel von herrscherlichem Verzeihen und Wiedergewährung der Huld ist aber nicht zuletzt deshalb interessant, weil es in späteren Jahrhunderten zur Voraussetzung und zum festen Bestandteil gütlicher Konfliktbeilegung wurde. Im Falle Tassilos scheint die Tatsache der königlichen Huld das Schicksal des Mönchs nicht erkennbar verändert zu haben; in späteren Fällen bedeutete die Gewährung der Huld jedoch nicht selten zugleich die Reintegration in die frühere Stellung. Sie war so auch politisch höchst folgenreich. Man sieht an solchen Veränderungen Stufen einer Entwicklung, die mit der Tatsache zusammenhängen dürften, dass sich die Position des Adels als Partner des Königtums und als Teilhaber an der Herrschaft seit der Karolingerzeit verfestigte. Dies aber hatte Auswirkungen auf die Möglichkeiten der Entmachtung und Bestrafung von Gegnern aus dem Adel. Dennoch dürfte die Tatsache, dass im Falle Tassilos mehrfach öffentliche Inszenierungen für nötig und sinnvoll erachtet wurden, wie sie in anderen Fällen nicht bezeugt sind, dafür sprechen, dass nur Mittel und Wege, die eine freiwillige Mitwirkung des Bayernherzogs sug-
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gerierten, eine reibungslose Lösung des Konflikts zu ermöglichen versprachen. Gibt es aber Anhaltspunkte, die die im Falle Tassilos berichteten Verfahren in eine Reihe mit den Ritualen stellen lassen, wie sie bei den Begegnungen der Karolinger mit den Päpsten entwickelt wurden? Trotz aller Unterschiede, die nicht zu übersehen sind, wird man darauf hinweisen dürfen, dass die rituellen Sequenzen in beiden Bereichen interaktiv angelegt sind. Es werden jeweils nonverbale und auch verbale Aussagen gemacht, auf die die andere Seite mit entsprechenden Aussagen antwortet. In dieser Art aufeinander bezogener kommunikativer Akte werden Versprechungen gemacht, Verpflichtungen übernommen, die zukünftiges Verhalten betreffen. Der Unterschied, wenn man so will auch der Fortschritt, besteht nicht zuletzt darin, dass zunächst Bündnispartner auf diese Art kommunizierten, dann auch Gegner. Natürlich wäre es überspitzt zu behaupten, Karl habe im Umgang mit Tassilo direkt von den Erfahrungen profitiert, die sein Vater und er selbst im Umgang mit den Päpsten gemacht hatten. Doch scheint es mir erlaubt, die behandelten Fälle als Zeugnisse eines vielschichtigen Lernprozesses anzusehen, der die Franken befähigte, komplexe Aussagen in rituellen Formen zu tätigen. Vielleicht ist es daher doch kein Überlieferungszufall, wenn wir zunächst hören, dass sich Partner so verständigten und dann erst Gegner.
II.2.3 Rituelle Ausdrucksformen der Entmachtung Ludwigs des Frommen und seiner Restitution Rituelle Inszenierungen, die denjenigen bei der Entmachtung und dem Sturz Tassilos von Bayern vergleichbar sind, werden gehäuft aus der Zeit Ludwigs des Frommen berichtet. Und hier betrafen sie den Herrscher selbst, der öffentlich seine Fehler und Sünden einzugestehen hatte und dies mit einiger ritueller Dramatik tat. Die Rede ist von der mehrfachen Kirchenbuße Ludwigs, der er sich zunächst freiwillig im Jahre 822, dann aber gezwungenermaßen im Jahre 833 unterzog. Der auf Ludwig ausgeübte Zwang tritt gegenüber der Betonung seiner freiwilligen Mitwirkung jedoch vollständig zurück. Es dokumentiert wohl die gewachsene Bedeutung der Großen, dass der fränkische Herrschaftsverband nun in der Lage war, den Herrscher selbst den rituellen Verhaltensmustern zu unterwerfen.46 Ziel der Aktionen war nur beim ersten Mal die Versöhnung mit denjenigen, denen der Kaiser glaubte Unrecht getan zu haben. Im zweiten Fall sollte der Kaiser herrschaftsunfähig gemacht und zum Eintritt in ein Kloster veranlasst werden. Nicht nur bei der Entmachtung eines Treuebrüchi-
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gen wie bei Tassilo, sondern beim Sturz des Herrschers selbst spielte nun das öffentliche Ritual eine entscheidende Rolle, in dem er selbst einen aktiven Part übernahm und in gleicher Weise wie der Bayernherzog die Freiwilligkeit seiner Entscheidung unterstrich. Zum Jahre 822 werden wir nur unzureichend darüber informiert, in welchen öffentlichen Akten sich die Bußleistungen Ludwigs konkretisierten. Dass es jedoch demonstrative Akte waren, vermittelt der knappe Bericht der Reichsannalen in genügender Deutlichkeit: „Der Kaiser versöhnte sich, nachdem er zuvor mit den Bischöfen und Grafen Rat gehalten hatte, mit seinen Brüdern, die er gegen ihren Willen (zu Mönchen) hatte scheren lassen, und legte sowohl hierüber als über das, was er gegen Bernhard, den Sohn seines Bruders Pippin, und hinsichtlich des Abtes Adalhard und dessen Bruder Wala getan hatte, ein öffentliches Bekenntnis ab und tat deswegen Buße. Dies geschah auf dem Hoftag, den er im August dieses Jahres in Attigny hielt, im Beisein des ganzen Volkes, wo er auch, was er sonst noch dieser Art von ihm oder von seinem Vater begangen finden konnte, mit der größten Demut gutzumachen besorgt war.“47 In allen Einzelheiten werden die Handlungen Ludwigs dagegen im Falle der erzwungenen Kirchenbuße von Soissons geschildert, weil die anwesenden Bischöfe ein Protokoll der Vorgänge unterschrieben. Hierdurch sollte wohl allen Beteiligten die Möglichkeit genommen werden, sich von den Vorgängen später zu distanzieren. Wenn man so will, verließ man sich angesichts der exzeptionellen Situation nicht allein auf das Ritual, sondern bekräftigte die Erinnerung an das Geschehen durch schriftliche Aufzeichnungen und Beglaubigungen. Die detaillierte Darstellung gibt sowohl den verbalen Selbstbezichtigungen Ludwigs wie seinen symbolischen Handlungen breiten Raum: „Herr Ludwig erschien also in der Basilika der heiligen Gottesmutter Maria (d. h. in Soissons), wo die Leiber der heiligen Bekenner Christi Medardus und des sehr verdienstvollen Märtyrers Sebastian ruhen. Vor zahlreichen Priestern, Diakonen und anderen Klerikern sowie seinem Sohn, dem Herrn Lothar, dessen Großen und dem vielen Volk, das in der Kirche Platz fand, warf sich Ludwig auf ein ausgebreitetes Bußgewand vor dem Holzaltar auf den Boden und bekannte vor allen Anwesenden: Das ihm anvertraute Amt habe er sehr unwürdig verwaltet, dabei habe er Gott häufig gekränkt, Christi Kirche habe er Ärgernis erregt und durch seine Gleichgültigkeit das Volk in alle möglichen Gefahren gebracht. Um diese schweren Vergehen zu sühnen, wolle er öffentlich Kirchenbuße leisten, damit Gott sich seiner erbarme und er durch die Amtsgewalt und die Hilfe jener Männer freigesprochen werde, denen Gott die Gewalt zu binden und zu lösen gegeben habe.“48 Vorausgegangen waren Verhandlungen mit den Bischöfen, in denen Ludwig auf seine Vergehen hingewiesen und er eindringlich ermahnt wor-
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den war, er solle alle seine Kräfte darauf richten, sein Seelenheil zu retten. Nach Zögern hatte er sich bereit erklärt, alles nach den Ratschlägen der Bischöfe durchführen zu wollen. Es bleibt unklar, wie viel zu diesem Entschluss der freie Wille des Kaisers und sein Sündenbewusstsein beitrug und wie viel Bereitschaft zur Beteiligung durch Androhung von schlimmen Konsequenzen im Falle seiner Weigerung erreicht wurde. In jedem Fall aber hielt man ein Ritual für die angemessene Art und Weise, Ludwigs Bereitschaft zur Befolgung der Ratschläge öffentlich bekannt zu machen. Bei der Durchführung des Bußrituals zeigte Ludwig verbal und nonverbal, wie sehr das Ganze seinen Wünschen entsprach. Die Bischöfe gaben ihm ein Verzeichnis seiner wichtigsten Verfehlungen in die Hand und „er bekannte sich in diesen und für diese Dinge vor Gott, den Priestern und dem ganzen Volk unter Tränen für schuldig, erklärte, in allem gefehlt zu haben, und bat um die Möglichkeit einer öffentlichen Buße, um der Kirche, die er durch seine Sünden beleidigt habe, durch Buße Genugtuung zu geben. Und er bekannte, so wie er ein Ärgernis gewesen sei durch seine große Nachlässigkeit, so wolle er jetzt dadurch ein Beispiel sein, dass er sich einer verdienten Buße unterzöge. Nach diesem Bekenntnis übergab er die Schrift, die eine Aufzeichnung seiner Verfehlungen und seines Geständnisses enthielt, den Priestern zur zukünftigen Erinnerung, und diese legten sie auf dem Altar nieder. Dann löste er seinen Waffengurt und legte auch ihn auf den Altar, entledigte sich auch seines weltlichen Gewandes, wonach er aus der Hand der Bischöfe das Büßergewand empfing. Nach einer so großen und schweren Buße darf niemand mehr zu weltlichem Dienst zurückkehren.“49 Die berichteten kaiserlichen Handlungen sind geprägt durch die gleiche Freiwilligkeit und Intensität einschließlich emotionaler Zeichen wie bei Herzog Tassilo. Das Vertrauen in die Wirkmächtigkeit des Rituals, so kann man folgern, war so groß, dass eine Inszenierung dieses diffizilen Geschehens in der Öffentlichkeit gewagt werden konnte. Man muss sich sicher gewesen sein, dass alle und vor allem Ludwig der Fromme die ihnen zugedachten Rollen spielten. Für die Gestaltung der einzelnen Akte konnte man gewiss auch hier keine direkten Vorbilder nutzen. Daher machte man Anleihen bei der alten Kirchenbuße wie bei den Ritualen der Mönchsprofess, in denen das Verlassen der Welt gleichfalls durch das Ablegen des Waffengürtels symbolisiert wurde. Man kann aber natürlich auch hier die Frage stellen, ob nicht auch die Vorgänge von Ponthion zur Vorgeschichte dieser rituellen Handlungen gehören, ob nicht deren Fernwirkung noch spürbar ist. Wenn der Papst selbst sich öffentlich barfüßig und mit Asche auf dem Haupt als Sünder und Büßer zeigte, sich auf den Boden warf und um Hilfe flehte, dann war ein gleiches Verhalten auch für den Kaiser denkbar geworden.
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Der nächste Schritt, Ludwig zum Mönch zu scheren, wie man es im Falle Tassilos praktiziert hatte, schloss sich aus unbekannten Gründen nicht an. Dies ist vielleicht die Ursache dafür, dass wir von einer ganzen Reihe weiterer Rituale hören, die zur Lösung des fortdauernden Konfliktes beitragen sollten. Die Dauer wie die schiere Unlösbarkeit der Krise erzeugte allem Anschein nach eine erhöhte Notwendigkeit, immer wieder in Ritualen den Stand der Dinge zu fixieren, der sich aber immer wieder nur als ein Zwischenstand erwies, denn die Hoffnung auf dauerhafte Lösungen trog. Dies erschütterte aber keineswegs grundsätzlich das Vertrauen in die Verbindlichkeit ritueller Aussagen und deshalb finden wir Rituale in jeder Phase des Konflikts. Der Fall lässt unschwer erkennen, dass auch der Leistungskraft der Rituale in verfahrenen Situationen deutliche Grenzen gesetzt waren. Als es nämlich nach der Kirchenbuße Lothar und den ihn unterstützenden Bischöfen nicht gelang, Ludwig zum Eintritt in den Mönchsstand zu bewegen, als die jüngeren Söhne Ludwigs offensichtlich merkten, dass sie unter der Herrschaft ihres Bruders nicht besser dastünden als unter der des Vaters, als überdies „ein Vatermord drohte“, kippte die Stimmung wieder um.50 Der Anhang Ludwigs sammelte und artikulierte sich wieder, bis Lothar den Vater aus seiner Gewalt entließ, mit seinen Anhängern fluchtartig das Feld räumte und sich nach Vienne zurückzog. In der Klosterkirche von St.-Denis wurde der Kaiser daraufhin mit rituellen Akten in seine frühere Würde wieder eingesetzt. Man gab ihm genau das in einem liturgischen Akt zurück, was man ihm in Soissons genommen hatte: die königlichen Gewänder und das cingulum militiae, seine Waffen. Aber nicht nur dies: Mit einer Krönung symbolisierte man zudem den Wiedereintritt in die Herrschaft, den Ludwig auch in seinen Urkunden erinnern ließ, denen er eine neue Devotionsformel einfügte: divina repropitiante clementia. Nithard, selbst Karolinger und Geschichtsschreiber der folgenden Konflikte, schildert die Rituale der Wiedereinsetzung, als ob sie auf spontane Eingebungen des Volkes zurückgingen: „Das zahlreiche Volk aber, welches zugegen war und für den Vater schon gegen Lothar hatte mit Gewalt vorgehen wollen, eilte, als es seinen König wieder hatte, mit den Bischöfen und der ganzen Geistlichkeit in die Kirche von St.-Denis, brachte Gott demütig Lobgesänge dar, setzte seinem König die Krone auf und legte ihm seine Waffen an. Dann traten sie zur Beratung zusammen über das, was sonst noch zu tun nötig schien.“51 Statt von spontanem Volksempfinden wird man wohl besser davon ausgehen, dass hier von denen, die nun wieder die Macht übernommen hatten, Zeichen gesetzt wurden. Diese sollten die Entscheidung für Ludwig verbindlich machen. Wieder hielt man die rituelle Darbietung für die beste Gewähr, diese Verbindlichkeit zu erzeugen. Wer an den Akten teilnahm,
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hatte sich so wieder unter Ludwigs Herrschaft gestellt. Der unbeschreibliche Jubel des Volkes, den andere Quellen ausdrücklich notieren, zeigte die Zustimmung unmissverständlich an. Damit aber war die rituelle Bewältigung der Vorgänge von Soissons noch keineswegs beendet. Auch mit Lothar, dem Haupt der Kaisergegner, und seinen Anhängern wurde bald ein Ausgleich erzielt, der durch ein Ritual veröffentlicht wurde, das deutlich an die Geschehnisse in Soissons erinnerte. Diesen Vorgang beschreibt Ludwigs Biograph Thegan wie folgt: „Lothar kam dahin, wo sein Vater war. Der Kaiser saß in seinem Zelt, das hoch aufgerichtet war in einem weiten Felde, wo ihn das ganze Heer sehen konnte, und seine getreuen Söhne standen neben ihm. Dahin kam Lothar und warf sich zu Füßen seines Vaters nieder, nach ihm sein Schwiegervater, der furchtsame Hugo. Darauf bekannten auch Matfried und die übrigen alle, welche Anstifter jener Tat gewesen waren, nachdem sie sich von der Erde erhoben hatten, dass sie schwer gefehlt hätten. Dann schwor Lothar seinem Vater Treue, dass er allen seinen Befehlen gehorchen wolle, nach Italien gehen und dort bleiben und nicht von da fortgehen werde ohne Befehl des Vaters. Und der fromme Kaiser gewährte ihnen Verzeihung, wenn sie diesen Eid halten würden. Er ließ ihnen ihr väterliches Erbe und alles, was sie sonst besaßen, außer dem, was er ihnen eigenhändig gegeben hatte.“52 Eine strukturelle Ähnlichkeit dieser Handlungen mit dem, was Ludwig in der Kirche von Soissons bei seiner Kirchenbuße durchgeführt hatte, ist unübersehbar: die Prostration sowie die Selbstbezichtigungen der ‚Sünder‘ bilden in beiden Fällen den Kern des Geschehens. Beides signalisiert ihre Reue und ihren Willen zur Umkehr. Deutlich sind aber auch die Unterschiede zu den Vorgängen in Soissons: Die Leistungen Lothars und seiner Helfer zielen nicht auf das Erbarmen Gottes, sondern auf die Verzeihung des Herrschers. Und im Unterschied zur Kirchenbuße erfolgt hier die Rekonziliation sofort. Besonders hervorzuheben ist aber nicht zuletzt die Nachricht, dass nicht Lothar allein, sondern auch seine hochrangigen Helfer, die teils namentlich genannt werden, aktiv an der gütlichen Beilegung des Konflikts beteiligt waren. Sie fielen zusammen mit dem Kaisersohn zu Füßen Ludwigs und erhielten wie er die Verzeihung des Herrschers. Deutlicher als in Soissons wird in diesem Fall aber auch, wie die gütliche Beilegung des Konflikts zustande gekommen war. Drei Vermittler, einen Bischof, einen Herzog und einen Verwandten, hatte Ludwig zu seinem Sohn Lothar geschickt. Nach anfänglichem Zögern hatte Lothar sie gebeten, „ihm doch für alle Handlungen ihren Rat zu geben“. Diese hatten ihm Frieden versprochen, wenn er sich der Barmherzigkeit des Vaters anvertraue.53 Der Ausgang des Konflikts wurde also von den Vermittlern festgelegt und garantiert. Die Barmherzigkeit, d. h. das Verzeihen, wurde so zur
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Verpflichtung des Kaisers. Und die Barmherzigkeit schloss in diesem Falle ein, dass Lothar mit Italien ein angemessenes regnum zugestanden wurde und auch seine Helfer die Erlaubnis erhielten, ihn dorthin zu begleiten. Im Unterschied zum Fall Tassilos hat hier kein Gericht über Lothar und seine Helfer ein Urteil gesprochen; der Konflikt wurde gütlich beigelegt, indem sich die Parteien einem Ritual unterzogen, das Unterwerfung und Schuldbekenntnis mit Verzeihen beantwortete und diesen Kompromiss gewiss dadurch akzeptabler machte, dass keine der Parteien gravierende Einbußen an ihrer Stellung hinnehmen musste. Auf genau diese Lösung aber hatte man sich vorher verständigt, wie man in diesem Fall einigermaßen sicher weiß.54 Wir werden dieses Ritual der deditio in den verschiedensten Varianten durch die Jahrhunderte zu verfolgen haben, weil es seit der Mitte des 9. Jahrhunderts als Musterlösung bei gütlicher Konfliktbeendigung immer wieder Anwendung fand. Mit der Unterwerfung Lothars waren die Inversionsrituale, die die Entmachtung Ludwigs des Frommen annulieren sollten, aber noch immer nicht beendet. Im nächsten Jahr traf man sich vielmehr zu einer großen Reichsversammlung in Metz, die auf einer Versammlung der Bischöfe und Äbte in Diedenhofen sorgfältig vorbereitet worden war. Hier hatte man, gewiss wieder durch das Beispiel von Soissons inspiriert, eine schriftliche Erklärung von allen Teilnehmern verlangt und bekommen, „dass, nachdem durch Gottes Hilfe die Umtriebe jener zuschanden geworden und der Kaiser in die väterlichen Ehren wieder eingesetzt und zu Recht mit der königlichen Würde wieder bekleidet sei, er fortan von allen in treuestem und unbedingtem Gehorsam und Unterordnung als ihr Herr und Kaiser zu achten sei“55. Wie in Soissons hatte zunächst jeder der geistlichen Würdenträger diese Erklärung schriftlich niedergelegt und unterschrieben; dann jedoch war zusätzlich eine gemeinsame ausführliche Erklärung gleichen Inhalts verfasst und von allen unterschrieben worden. Unter den Unterzeichnern waren gewiss auch solche, die an den Absetzungsaktivitäten in gleicher Weise beteiligt gewesen waren. Erst nach diesen Vorbereitungen aber zog man nach Metz und machte die Entscheidung mittels ritueller Verfahren öffentlich. Sieben Erzbischöfe sangen während der Messe im Stephansdom die Rekonziliationsgebete, dann „nahmen die heiligen und verehrungswürdigen Priester eine Krone, das Sinnbild der Herrschaft, von dem geweihten Altar und setzten sie ihm unter dem größten Jubel aller Anwesenden eigenhändig auf. Und Ebo, der frühere Erzbischof von Reims, der gleichsam der Bannerträger jener Partei gewesen war (d. h. der Absetzungspartei), bekannte jetzt, indem er auf einen erhöhten Platz in dieser Kirche trat, vor allem Volk freimütig (libera voce), dass dieser Kaiser widerrechtlich abgesetzt und alles, was gegen ihn unternommen worden sei, dem Gesetz und allen Geboten der Gerechtig-
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keit zuwider geschehen sei, und dass nun der Kaiser nach Verdienst und in gerechter und würdiger Weise wieder auf seinen Thron gesetzt sei.“56 Bemerkenswert ist auch hier wieder die willige und aktive Teilnahme eines gegnerischen Protagonisten an dem rituellen Geschehen. Und er erfüllte mit seinem Auftritt eine wichtige Funktion, indem er den Sinneswandel selbst der hartnäckigsten Gegner unter Beweis stellte. Es ist unbekannt, wie man ihn zu diesem aktiven Mitwirken gebracht hat, zu dem er eigens aus seinem Klostergefängnis in Fulda herbeigeholt worden war. Politisch genützt hat es ihm offensichtlich nicht entscheidend, denn eine direkt anschließende Synode brachte ihn dazu, freiwillig auf sein Bistum zu verzichten und sich des Amtes für unwürdig zu erklären. Anschließend wurde er wieder in Fulda inhaftiert. Die Möglichkeiten und der Erfolg solcher Konsensfassaden, deren zwanghafter Charakter verschleiert wurde, resultierten wohl aus dem allgemeinem Bewusstsein, dass man sich Gottes Willen, der letztlich die Geschichte lenkte, nicht verweigern konnte. Daraus entstand wohl die Bereitschaft zu akzeptieren, dass Gott die Entmachtung Ludwigs nicht gebilligt hatte und daher das eigene Tun sündhaft gewesen war. Ein letztes Mal benutzte man im Jahre 839 das Mittel des Rituals, um die Versöhnung zwischen Ludwig und Lothar öffentlich zu demonstrieren. Ludwig hatte Lothar längere Zeit vergeblich aus Italien herbeigerufen, um eine Teilung des Reiches vorzunehmen, die Karl dem Kahlen endlich einen angemessenen Anteil an der Herrschaft bescheren sollte. Lothar hatte sich längere Zeit mit Krankheit entschuldigt und dies war wohl kein Vorwand gewesen. Jedenfalls bemühte man bei der erneuten Begegnung von Vater und ältestem Sohn das biblische Gleichnis vom verlorenen Sohn und inszenierte die Begegnung nach diesem Vorbild: „Demgemäß kamen sie alle, als eine Versammlung nach Worms berufen wurde. Hier warf sich Lothar demütig vor allem Volk zu Füßen des Vaters nieder und sprach: ‚Ich weiß, dass ich vor Gott und dir, Herr Vater, gesündigt habe; nicht um ein Reich, sondern um deine Vergebung und Gnade bitte ich.‘ Ludwig aber als ein frommer und gütiger Vater verzieh dem Flehenden die begangenen Übeltaten und schenkte ihm die erbetene Huld, unter der Bedingung, dass er künftig wider seinen, des Vaters, Willen nichts in irgendwelcher Weise, weder gegen Karl noch das Reich, irgendwo unternehme. Dann hob er ihn gütig vom Boden auf, küsste ihn und dankte Gott für den verlorenen Sohn, welchen seine Hand ihm wieder zugeführt hatte. Darauf gingen sie gemeinschaftlich zum Mahl, indem sie die Beratung dessen, was die Ihren sonst beschworen hatten, auf den nächsten Tag verschoben.“57 Wir hören nichts davon, dass neuerliche Vergehen Lothars Fußfall nötig gemacht hätten. Der letzte Satz des Zitats bringt aber deutlich zum Ausdruck, dass die Begegnung detailliert vorbereitet worden war. Mit einiger
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Wahrscheinlichkeit hat man sich dabei auf dieses Ritual der Begegnung geeinigt, das den Willen zur Zusammenarbeit und das gegenseitige Vertrauen gleich mehrfach zum Ausdruck brachte, nicht zuletzt durch die Geste, zunächst gemeinsam zu speisen und alle Beratungen hintanzustellen. Gerade in der Herrschaftskrise der Zeit Ludwigs des Frommen haben Rituale ihre Funktion als Medium bindender Aussagen wohl voll erfüllt. Da es in fast allen Fällen gänzlich neuartige Situationen waren, die durch rituelles Tun gemeistert wurden, sehen wir auch, wie kreativ man rituelle Handlungen verschiedenster Herkunft zu neuen Sequenzen zusammenführte. Es kann kaum verwundern, dass hierzu Anleihen nicht zuletzt aus dem liturgischen Bereich genommen wurden, da dieser eine Fülle von Gesten und rituellen Handlungen bereitstellte – genannt seien nur die Prostration, der Friedenskuss oder auch die reuevolle Selbstanklage –, deren Bedeutung allgemein bekannt war. Schließlich stellten Frieden und Versöhnung Themen dar, denen auch im liturgischen Zusammenhang große Bedeutung zukam. Auffällig ist gerade bei den behandelten Beispielen aber, welch großer Wert neben den rituellen Darbietungen darauf gelegt wurde, Verpflichtungen und Bekenntnisse auch in schriftlicher Form zu fixieren und sie durch die Unterschriften der Beteiligten beglaubigen zu lassen. Allein auf die Macht der Rituale zu setzen, hat man sich in dieser Krisenzeit offensichtlich nicht getraut.
II.2.4 Rituelle Interaktion zwischen Karolingern und ihren Vasallen Von Karl dem Großen sind kaum rituelle Interaktionen mit seinen wichtigsten Helfern überliefert. Dies kann Zufall sein, was aber nicht eben wahrscheinlich ist, denn warum sollte die Überlieferung wesentliche Vorgänge einfach ausblenden. Mehr spricht dafür, dass solche Interaktionen noch nicht den Stellenwert hatten, den sie in späteren Jahrhunderten bekamen, als sich Herrscher und Herrschaftsverband in vielfältigen symbolischen Handlungen geradezu ständig über ihr wechselseitiges Verhältnis informierten und vergewisserten. Dies hatte, so kann man zugespitzt formulieren, Karl wohl deshalb noch nicht nötig, weil Adel und Kirche in seiner Zeit noch nicht die partnerschaftliche Stellung zu den Königen erreicht hatten, die nach adäquaten Ausdrucksformen verlangte. Es dauerte mit anderen Worten seine Zeit, bis sich die gewachsene politische Bedeutung der Großen auch in rituellen Akten niederschlug, die diese Bedeutung reflektierten und zum Ausdruck brachten. Wenn unsere Grundannahme von einem Prozess richtig ist, durch den die Fähigkeit zu ritueller Kommunikation verbessert und ihre Anwendungsfelder verbreitert wurden, dann ist es
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nur folgerichtig, dass die Großen ihre angemessene Berücksichtigung und Beteiligung an solcher Kommunikation erst erkämpfen mussten. Sucht man nach einer Begebenheit, die eine aktive Beteiligung fränkischer Großer an rituellem Tun ausweist und somit anders strukturiert ist als die bisher geschilderten Beispiele ritueller Interaktion, die ja die Großen eher als Zuschauer zeigten, so wird man auf relativ späte Ereignisse verwiesen. Ein sehr frühes Zeugnis ist wahrscheinlich der Bündnisschluss zwischen Karl dem Kahlen und Ludwig dem Deutschen, der sich in den so genannten Straßburger Eiden konkretisierte. Diese Eidesleistung war ein Ritual, das auch die jeweiligen Gefolgsleute einbezog, denn diese schworen gleichfalls einen Eid, der die interessante Passage enthielt, dass alle ihre Herren zur Einhaltung ihrer eidlichen Versprechungen anhalten und sie verlassen würden, falls diese ihr Versprechen brächen.58 Zumindest theoretisch wurden damit die Könige der Aufsicht ihrer Lehns- und Gefolgsleute unterstellt. Ein für das Verhältnis von Königtum und Adel gewiss fundamentaler Vorgang. Und der Gewährsmann Nithard bezeugt sogar, dass die ganze Veranstaltung letztlich auf Initiativen der Vasallen zurückging: „und da wir glauben, dass ihr an unserer beständigen Treue und unveränderlichen brüderlichen Liebe zweifelt, haben wir beschlossen, diesen Eid zwischen uns vor euren Augen zu schwören“.59 Es ist daher wenig überraschend, dass wir auch im Umfeld der Straßburger Eide von rituellen Vorgängen hören, die die Funktion hatten, die beabsichtigten politischen Aussagen symbolisch zu verdichten. Nithard erzählt nämlich weiter von demonstrativ-rituellen Handlungen der Könige, mit denen sie vor den Augen ihrer Gefolgsleute nonverbal versicherten, dass sie ihren Schwur einhalten und ihren Verpflichtungen entsprechen würden: „alle die genannten Eigenschaften übertraf der Brüder heilige und verehrungswürdige Einigkeit (concordia). Denn fast immer hielten sie gemeinsam ihre Mahlzeiten und was jeder besaß, das schenkten sie einander in brüderlicher Liebe. In einem Haus aßen und schliefen sie; öffentliche Angelegenheiten betrieben sie mit derselben Übereinstimmung wie ihre privaten, und keiner forderte etwas von dem anderen, von dem er nicht glaubte, dass es auch diesem nützlich und dienlich wäre.“60 Zwar ist auch hier zunächst nur von Verhaltensweisen der Könige selbst die Rede, deren Aussagen zwar an die Großen adressiert sind, diese jedoch nicht einbeziehen. Doch ist die Stelle wichtig, da sie verdeutlicht, wie die Eidesleistung von Straßburg in symbolische Handlungen umgesetzt wurde, die den Fortbestand des durch den Eid geschaffenen Zustandes signalisierten. Die Großen waren aber auch aktiv in die symbolischen Handlungen einbezogen, die sozusagen die Straßburger Eide mit Leben erfüllten. Die beiden Herrschaftsverbände veranstalteten nämlich auch Kampfspiele, in denen sie ihren Willen und ihre Fähigkeit zur concordia
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unter Beweis stellten. Nithard kommentiert: „Und es war sehenswert wegen des hohen Sinnes und der Zucht, die dabei herrschte, denn auch nicht einer von dieser so großen Menge und von diesen verschiedenen Völkern wagte, wie es selbst unter Wenigen und unter Bekannten zu geschehen pflegt, einem anderen eine Wunde zu schlagen oder ein Schmähwort zu sagen.“61 Genau darum ging es bei dieser Übung. Obgleich diese wie andere Treffen der fränkischen Könige in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts gut dokumentiert und gut erforscht sind, könnte man der hier ausführlicher vorgestellten Szene nicht viele weitere an die Seite stellen, die demonstrativ-rituelles Handeln unter Einschluss der Vasallen akzentuieren.62 Karolingische Königsherrschaft hat, so wird man aus diesem Befund folgern dürfen, noch keine ausgeprägte Kultur der rituellen Interaktionen zwischen Herrschern und Vasallen entwickelt und praktiziert, zumindest keine solche, wie wir sie in den nächsten Jahrhunderten beobachten können. Es markiert gewiss schon einen beträchtlichen Fortschritt aus der Sicht der Vasallen, dass sie seit der Mitte des Jahrhunderts mit ihren Eiden die Eide ihrer Herren garantierten und so an einem zentralen Herrschaftsritual aktiv beteiligt waren, doch dauerte es einige Zeit länger, bis sich die erreichte politische Bedeutung der Vasallen auch in einer veränderten rituellen Behandlung durch die Könige niederschlug.
III.2.5 Zusammenfassung Welches Fazit kann man aus den bisherigen Beobachtungen zur Funktion von Ritualen im Rahmen der karolingischen Machtausübung ziehen? Wir haben gesehen, dass an zentralen Punkten der karolingischen Herrschaft rituelle Kommunikationsformen im Vordergrund der Berichte standen: bei den Treffen der Karolinger mit den Päpsten, beim Sturz des Bayernherzogs Tassilo, bei den Versuchen der Entmachtung Ludwigs des Frommen und auch bei der Herstellung von concordia unter Einschluss der Vasallen. In allen Fällen handelt es sich um prekäre, teilweise höchst prekäre Situationen, in denen den geschilderten rituellen Aktivitäten größte Bedeutung zukam. Dass man in der jeweiligen Situation rituelle Akte durchführte, beweist, wie sehr man auf diese Art der Kommunikation, auf ihre Leistungskraft, ihre Verständlichkeit und ihre Verbindlichkeit vertraute, auch wenn man sie hin und wieder mit schriftlichen Festlegungen absicherte. Auf Grund fehlender Überlieferung können wir nicht sagen, inwieweit das Verständnis dieser Rituale der ‚großen Politik‘ durch die Praxis ritueller Kommunikation im alltäglichen Umgang vorbereitet worden war und begleitet wurde. Es ist aber gewiss mehr als eine Vermu-
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tung anzunehmen, dass die erfolgreiche Anwendung der rituellen Akte bei den geschilderten Schlüsselereignissen den Weg zu ihrer Verbreitung und vielfältigen Nutzung in der folgenden Zeit geebnet hat. Auch wenn nicht zu beweisen ist, dass es erstmals ein Papst war, der den Franken zeigte, wie man rituelle Kommunikation zur Veröffentlichung wichtigster politischer Entscheidungen nutzte und wie interaktiv solche Vorgänge angelegt werden konnten, so spricht doch einiges dafür, dass der Auftritt in Ponthion so etwas wie eine Initialzündung war, die den Siegeszug ritueller Kommunikation einleitete oder zumindest beschleunigte. Mit ihr ließ sich Macht in neuer Weise ausüben, indem man etwa Personen wie den Herzog Tassilo, den Erzbischof Ebo von Reims und selbst einen Kaiser wie Ludwig den Frommen dazu brachte, in den Ritualen einen aktiven Part zu übernehmen, sich an ihrer eigenen Entmachtung aktiv zu beteiligen. Sie brachten freiwillig das zum Ausdruck, was die Wirkung des Rituals steigerte oder sogar seine Wirkung ausmachte: ihre Einsicht, Fehler, Versäumnisse, Sünden und Verbrechen begangen zu haben, die ihre Entmachtung rechtfertigten. Durch ihr Mittun gaben sie den Handlungen einen Legitimationsschub, der auf andere Weise wohl kaum zu erreichen war. In keinem der bisher untersuchten Fälle wird etwas darüber gesagt, wie man die Bereitschaft zum Mitwirken derjenigen zustande brachte, die den schwierigen Part des Unterlegenen, Bereuenden, Aufgebenden zu übernehmen hatten. Der Macht der Rituale unterstellten sich aber auch alle anderen Teilnehmer, weil auch sie mit ihren Handlungen etwas zum Ausdruck brachten, was sie für die Zukunft band: Dies konnte ein Versprechen der Hilfeleistung ebenso sein wie die Zusicherung der Verzeihung oder auch einfach nur die Versicherung, weiterhin zu seinen Zusagen zu stehen. Es markiert wohl eine deutliche Stufe der Entwicklung, dass man seit Ponthion Rituale zu interaktiven Kommunikationsakten ausgestalten konnte: In Sequenzen aus Handlungen und verbalen Äußerungen tauschten die Akteure Botschaften aus, deren Sinn die Zuschauer und natürlich auch sie selbst verstanden. Ab einer bestimmten Komplexität konnte so etwas aber nur gelingen, wenn man sich zuvor über den Ablauf der Handlungen verständigt hatte, wie wir es schon für Ponthion unterstellt haben, an Hand späterer Beispiele aber auch konkret belegen können. In den verbindlichen Abmachungen durch Handlungen liegt nicht zuletzt die Macht, die Rituale bei der Etablierung und Stabilisierung von Ordnung entfalteten.
III. Die Ausbreitung ritueller Verhaltensmuster im 10. und 11.Jahrhundert Während man für Merowinger- und frühe Karolingerzeit die Nachrichten über rituelle Verhaltensmuster wohl noch einigermaßen vollständig auf angemessenem Raum darstellen könnte, wird dies für das endende 9. und erst recht für das 10. Jahrhundert zunehmend schwieriger, wenn nicht unmöglich. Der Grund hierfür ist nicht etwa darin zu suchen, dass die Überlieferung in quantitativer Hinsicht sprunghaft zunähme. Vielmehr schenken die späteren Autoren rituellem Verhalten ungleich mehr Aufmerksamkeit und unterstreichen dadurch seine Bedeutung. Es ist nahe liegend, daraus auf die gewachsene Bedeutung zu schließen, die rituellem Verhalten in der öffentlichen Kommunikation dieser Zeiten zukam. Damit ist noch nicht gesagt, wodurch dieser höhere Bedarf an Ritualen entstand, ein Problem, das jedoch erst zu diskutieren ist, nachdem wir die differenzierte Empirie an Hand einschlägiger Beispiele aus unterschiedlichen Bereichen behandelt haben.
III.1 Konfliktbeendigung durch rituelle Akte Am Beispiel der Technik, Konflikte durch Unterwerfungsrituale beizulegen, lässt sich wahrscheinlich am besten die zunehmende Verbreitung eines rituellen Verhaltensmusters nachweisen wie auch das ständige Bestreben, das Ritual dem jeweiligen Einzelfall entsprechend zu gestalten. An diesem Exempel lässt sich auch gut demonstrieren, dass im Mittelalter ein Ritual nicht sklavisch wiederholt, sondern auf spezifische Situationen zugeschnitten wurde – und sei es nur durch Änderung von Nuancen.1 Die bewusste Komposition unterschiedlicher Bausteine zu einer Sequenz, die nachweislich in Verhandlungen erarbeitet wurde, verrät, wie viel Bedeutung man Einzelakten zumaß und wie wichtig es häufig für die Akteure war, dass die Durchführung des Rituals sich von anderen Versionen unterschied. Natürlich gab es Standardversionen; aber charakteristischer sind die vielen Einzelfälle, in denen signifikante Details hinzugefügt oder andere weggelassen wurden. Daraus resultiert eine durchaus bewegte Geschichte des Unterwerfungsrituals, dessen Veränderungen sich immer wieder in Beziehung zu Verschiebungen in den politischen Kräfte- und Machtverhältnissen setzen lassen. Seine Feuertaufe hat dieses Ritual bestanden, als das zerrüttete Verhält-
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nis zwischen Ludwig dem Frommen und seinem Sohn Lothar durch die Kombination von Unterwerfung und Verzeihung stabilisiert wurde.2 Dadurch, dass der Vater dem Sohn und dessen mächtigem Anhang die Milde und die Verzeihung sicher in Aussicht stellte, wofür sich drei hochrangige Unterhändler verbürgten, machte er diesen den Weg zum Einlenken und zur Unterwerfung frei. Diese wurde vor großer Öffentlichkeit mit einem kollektiven Fußfall vor Ludwig dem Frommen inszeniert, den Ludwig als Genugtuung akzeptierte. Dass dieses Ritual Elemente nutzte, die bei der Kirchenbuße Ludwigs ein Jahr zuvor auch Verwendung gefunden hatten, kann kaum zweifelhaft sein. Rituelle Handlungen der Kirchenbuße dienten also als Bausteine bei der Kreation eines Rituals, das es erlaubte, weltliche Konflikte gütlich beizulegen, indem keine Partei die andere überwältigte, sondern Genugtuung und Verzeihung einander bedingten. Es ist gewiss kein Zufall, dass dieses Ritual später noch mehrfach in der karolingischen Herrscherfamilie selbst bezeugt ist. So beendete etwa auch Ludwig der Deutsche auf diese Weise seine Konflikte mit seinen ‚aufständischen‘ Söhnen.3 Wie viel Vertrauen die Akteure auf der politischen Bühne in die Wirksamkeit solcher Unterwerfungsakte setzten – oder zumindest die Berichterstatter, die solche Akte zum Kern ihrer Darstellung machten –, zeigt ein Bericht der Xantener Annalen: „(873) Ludwig, der östliche König (d. h. der Deutsche), hielt einen Hoftag der Bischöfe und Laien in Frankfurt. Dorthin zogen gegen ihn zwei seiner Söhne voll unbilliger Gedanken, der gleichnamige (Ludwig) und Karl, um eine Gewaltherrschaft aufzurichten, ihre Eide hintanzusetzen, den Vater des Reiches zu berauben und ins Gefängnis zu schicken. Aber Gott, der gerechte und geduldige Richter, zeigte ebenda öffentlich vor aller Augen ein großes Wunder: Der böse Geist fuhr vor aller Augen in Karl und quälte ihn schrecklich unter misstönenden Lauten. Aber an demselben Tag wurde er durch die Gebete und Beschwörungen verschiedener Priester ausgetrieben. Bei dem Anblick dieses Schreckens warf sich der ältere Bruder zu Füßen des Vaters, gesteht das schändliche Unternehmen und fordert Verzeihung. Und der Vater legte dies alles klugerweise mit Mäßigung bei.“4 In der Logik dieser Geschichte greift der eine Sohn spontan zu dem Verhaltensmuster des Fußfalls, verbunden mit Geständnis und Selbstbezichtigung, aber auch mit der Forderung nach Verzeihung – er macht also eine improvisierte deditio –, weil dies ihm in dieser Situation den einzigen Ausweg zu bieten schien, Gottes Zorn zu entgehen. Und mit seiner Hoffnung auf die Milde des Vaters hat er sich nicht verspekuliert. Der Autor bietet den aufsehenerregenden Vorgang, über den auch eine Reihe anderer Quellen in anderer Weise erzählen, ganz nach den Verhaltensmustern, die auch sonst im Mittelpunkt solcher Unterwerfungen stehen.5
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Auch wenn keinesfalls behauptet werden soll, dass sich der Vorgang so abgespielt haben muss, allein dass er so erzählt wird, lässt Rückschlüsse zu: Das rituelle Verhaltensmuster der deditio muss hier schon allgemeiner bekannt gewesen sein und ebenso seine Wirkung, drohende Strafen abwenden zu können. Ob man so etwas erfolgreich ohne Vorabsprachen spontan machen konnte, sei dahingestellt. Der Autor dieser Geschichte vermittelt jedenfalls diesen Eindruck wie andere Autoren vor und nach ihm, die das Ausgehandelte und Inszenierte rituellen Tuns in aller Regel unerwähnt lassen und den Eindruck spontan situationsbezogener Handlungen und Worte erzeugen. Was hier jedoch als Reaktion auf ein Eingreifen Gottes in irdisches Geschehen dargestellt wird, war in vielen anderen Fällen das Ergebnis von Verhandlungen, die Verzeihung gegen Genugtuung sicher in Aussicht stellten. Das Ritual diente jedoch schon bald nicht mehr ausschließlich dazu, Familienzwist in der Herrscherfamilie beizulegen. Von den Vater-Sohn-Konflikten ausgehend, fand es seine Anwendungsfelder schnell auch bei anderen Konflikten in den adligen Herrschaftsverbänden. Bei der Sammlung einschlägiger Fälle zeichnet sich jedoch ein Befund ab, der sich wohl nicht allein Zufällen der Überlieferung verdankt. Die Belege stammen nämlich vorrangig aus dem ostfränkischen und ottonischen Reich. Im Westen scheint es nicht in gleicher Weise dazu gedient zu haben, Konflikte gütlich zu beenden, auch wenn dort keineswegs Mangel an solchen Konflikten herrschte.6 Es sei auf diese charakteristischen Unterschiede der Entwicklung nur hingewiesen, da bisher nicht erkennbar ist, wie es zu diesen Entwicklungsdifferenzen kam. Dabei ist es einigermaßen verlockend, die Tatsache, dass es im Osten trotz aller Krisen gelang, eine stabile Herrschaftsordnung aufzubauen, während sich die ‚Staatlichkeit‘ des Westens in den Dauerkonflikten des 10. Jahrhunderts nahezu vollständig auflöste, mit der Beobachtung in Verbindung zu bringen, dass im Osten neue Wege der Konfliktbeendigung gefunden und allgemein akzeptiert wurden, während dies im Westen anscheinend nicht gelang. Es ist überdies interessant und aufschlussreich, dass gerade die frühesten Belege für eine breitere Anwendung des Unterwerfungsrituals zeigen, wie erkennbar es die Phantasie der Zeitgenossen beschäftigt hat. Dies deshalb, weil das Ritual mehrfach nicht das beabsichtigte Ergebnis erbrachte – das Ende des Konflikts –, sondern Folgekonflikte auslöste, die mit der Hinrichtung der Beteiligten endeten. In zwei spektakulären Fällen zu Ende des 9. und am Anfang des 10. Jahrhunderts scheinen gerade die Verpflichtungen, die man mit dem Akt ritueller Unterwerfung einging, unterschiedlich aufgefasst worden zu sein, wodurch sie Ursache verschärfter Konflikte wurden. In der Erinnerung des St. Galler Konvents hat sich die Geschichte von
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der Beilegung des Konflikts zwischen Bischof Salomo von Konstanz und den schwäbischen Grafen Erchanger und Berthold am Ende des 9. Jahrhunderts erhalten, und in dieser Erinnerung spielt die rituelle Unterwerfung eine herausragende Rolle. König Arnulf hatte zunächst eine gerichtliche Entscheidung des Streits herbeiführen wollen, sich dann aber von Salomo selbst zu einer gütlichen Beendigung der Auseinandersetzung bewegen lassen. Voraussetzung war allerdings, dass die Grafen sich öffentlich vor Salomo demütigten, ehe sie wieder in Amt und Würden eingesetzt wurden. Sie hatten also einen Unterwerfungsakt zu vollziehen, dessen Einzelheiten nicht überliefert sind. Die Selbstdemütigung fungierte hier wie später immer wieder als Genugtuung für zuvor getanes Unrecht.7 Mit dieser Genugtuungsleistung sollte im eigentlichen Sinne des Wortes genug getan sein. Drastisch sind die Geschichten, die man sich in St. Gallen darüber erzählte, wie Bischof Salomo danach die Grafen bis aufs Blut reizte, indem er mit seiner Macht und seinem Reichtum prahlte und die Grafen provozierte.8 Diese Haltung ist eigentlich nur verständlich, wenn er der Meinung war, sie auf Grund der gütlichen Lösung des Konflikts in der Hand zu haben. Er schien davon überzeugt zu sein, dass sie es nie wieder wagen würden, noch einmal einen Konflikt gegen ihn zu eröffnen. Und das ließ er sie spüren. In der Tat ist auch in anderen Fällen bezeugt, dass ein gütliches Ende des Konfliktes durch Unterwerfung nicht mehrfach, sondern nur einmal zu erreichen war.9 Mit seinem Verhalten überspannte Bischof Salomo jedoch den Bogen. Und die mündliche Tradition schmückte wohl aus, dass letztendlich die Grafen die Nerven verloren und aufs Ärgste gereizt Salomo angeblich zu einer Variante des Rituals zwangen, das sie selbst hatten durchführen müssen. Ausgerechnet Schweinehirten benutzten sie dazu, nachdem sie den Bischof gefangen genommen hatten. Diesen hatte Salomo auf Anweisung der Grafen zu Füßen zu fallen und ihnen sogar die Füße zu lecken, damit die Schweinehirten für ihn um Gnade bei den Grafen baten, so wie die Grafen zuvor den Bischof fußfällig hatten bitten müssen, für sie um Gnade beim König zu flehen.10 Genau daran hatte sie Salomo überheblich erinnert, worauf die Grafen ihn auf die geschilderte Weise demütigten. Die Macht der Rituale wird in der Logik dieser Geschichte besonders evident: Wer sich mittels eines Unterwerfungsrituals gütlich mit seinem Gegner geeinigt hatte – und ohne Schaden aus dem Konflikt herausgekommen war, weil man ihm verzieh –, dem war es nicht erlaubt, den Konflikt fortzuführen oder neu zu eröffnen. So sahen es zumindest die ungeschriebenen Gesetze, die Spielregeln, vor, unter deren Schutz Salomo nach der Geschichte seine Unverschämtheiten gegen die Grafen betrieb. Tat jemand es dennoch wie in diesem Fall, gab es keine Aussicht auf erneuten
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Ausgleich und Erbarmen. Beide Grafen wurden denn auch vom König hingerichtet.11 Dass in der Tat die Konfliktbeendigung mittels Unterwerfungsritual am Beginn des 10. Jahrhunderts bereits breitere Verwendung fand, zeigen außer dem St. Galler Beispiel Berichte verschiedener Autoren über ein Unterwerfungsritual, das tödliche Konsequenzen hatte. Regino von Prüm schildert wie andere Autoren ausführlich den Fall des Babenbergers Adalbert und begründet seine Aufsehen erregende Hinrichtung (906) damit, dass man ihn dabei erwischt habe, wie er die Regeln dieses Rituals zu eigenem Vorteil missbrauchen wollte. Ganz ähnlich wie die schwäbischen Grafen Erchanger und Berthold habe er in Bedrängnis in eine Unterwerfung eingewilligt, aber nur, um später den Konflikt unter besseren Bedingungen weiterführen zu können.12 Solch ein Verhalten war unakzeptabel und reichte als Grund für eine Hinrichtung nach der Darstellung Reginos völlig aus. Andere Stimmen waren allerdings gar nicht dieser Meinung und formten ganz andere Geschichten, die der Heimtücke des Erzbischofs Hatto von Mainz die Schuld an dieser Hinrichtung gaben.13 Vielleicht ist es gar kein Zufall, dass wir in diesen ältesten Fällen, die die Existenz des Rituals außerhalb des Bereichs der karolingischen Familie erwähnen, davon hören, dass Regeln seiner Durchführung verletzt worden seien. Es war eben gerade erst dabei, seinen Platz als zentrale Handlung einer gütlichen Konfliktbeilegung zu erobern. Widukind von Corvey dagegen erzählt von diesem Ritual mehrfach und deklariert seine Durchführung sogar als Voraussetzung dafür, dass man nach dem Ende eines Konflikts die Freundschaft des Königs erlangen konnte. Ein Akt der Unterwerfung ebnete nach seiner Darstellung nun den Weg nicht nur zur Milde, sondern zur Freundschaft des Königs, was zweifelsohne eine Steigerung bedeutet. Ein solches Angebot machte nach dem sächsischen Geschichtsschreiber bereits König Konrad I. dem sächsischen Herzog Heinrich, seinem späteren Nachfolger: „Er sandte eine Botschaft an ihn wegen freiwilliger Unterwerfung (pro spontanea deditione). Er werde ihm dann, gelobte er, als Freund zur Seite stehen und ihn nicht als Feind kennenlernen (müssen).“14 Anstatt zu erzählen, ob Heinrich dieses Angebot angenommen oder abgelehnt hat, bietet uns Widukind in einer Anekdote eine List des Grafen Thietmar, die Heinrich davon befreite, sich zu dem Angebot äußern zu müssen.15 Vielleicht half er sich so aus der Verlegenheit berichten zu müssen, dass sein Protagonist die Freundschaft seines Vorgängers und damit auch die Designation als Nachfolger dadurch erworben hatte, dass er sich ihm fußfällig unterwarf. Genau diese Handlung aber machte Heinrich selbst nach seiner Königserhebung zur Voraussetzung für seine Bereitschaft, den Herzögen seines
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Reiches seine Freundschaft zu gewähren. Herzog Eberhard von Franken führte eine solche spontanea deditio so durch, dass er sich mit all seinen Schätzen Heinrich in die Hand gab; Herzog Arnulf von Bayern öffnete alle Tore des belagerten Regensburg und zog freiwillig zu König Heinrich hinaus, der ihn ehrenvoll empfing und gleich öffentlich Freund des Königs nannte.16 Es handelt sich jeweils um eine rituelle Handlung, als deren Kern eine Geste der eindeutigen Unterordnung unverzichtbar war. Wie sie im Einzelfall konkret ausgestaltet wurde, blieb offenbar den Bedingungen des Falles oder der rituellen Phantasie der Akteure oder des Erzählers überlassen. Obgleich die Bereitschaft zu dieser Unterwerfung durch politischen Druck erzeugt wurde – ging der Gegner auf das Angebot ein, winkte die Freundschaft des Königs, lehnte er ab, drohte der bewaffnete Konflikt –, legte man größten Wert auf die scheinbare Freiwilligkeit der getroffenen Entscheidung und brachte dies auch in entsprechenden Handlungen und Worten zum Ausdruck. Diese Betonung von Freiwilligkeit hat einen wichtigen Effekt: Sie band noch stärker an das, was im Ritual versprochen wurde, weil es ja der eigenen Entscheidung und dem eigenen Willen entsprang. Mit der freiwilligen Geste der Unterwerfung, so kann man den durchaus neuen Sinn dieser rituellen Varianten charakterisieren, hatten die höchsten Ränge nach dem König genug getan, um von ihm durch seine Freundschaft geehrt zu werden. Diese Gegenleistung wurde natürlich in dem Moment sinnvoll und nötig, als nicht mehr Verwandte ihre Konflikte auf diese Weise lösten, sondern Personen, die eine herrschaftliche Beziehung zueinander hatten. Die Herzöge werden damit in einem Verhältnis zum König gezeigt, das die herrschaftlichen Unterschiede und Abhängigkeiten weitestgehend ausblendet und durch Vertrauen und Nähe ersetzt. Die Erweiterung der Anwendungsbereiche bewirkte also wohl diese Modifikation der Gestaltung, die die Unterordnung durch die Freundschaft überblendete. Noch am Anfang des 11. Jahrhunderts ist genau diese Variante des Rituals der Konfliktbeendigung benutzt worden, um das Verhältnis des Herzogs Hermann von Schwaben zum neuen König Heinrich II. zum Ausdruck zu bringen, dessen Konkurrent um den Thron der Herzog gewesen war: „Mit nackten Füßen und mit vertrauenswürdigen Vermittlern erschien er vor dem König, bat um Vergebung für seine bösen Taten, bat um Gnade, um durch königliche Gabe seine Güter weiter zu besitzen, und beugte, um dies zu erreichen, die Knie bis auf den Boden.“ Dann aber wurde er Vasall und Freund des Königs. Die Unterwerfung war die Vorleistung und Voraussetzung für diese Form der ehrenden Integration in den Herrschaftsverband.17 Zwischen dem Beginn und dem Ende des 10. Jahrhunderts hatte es eine ganze Reihe von Unterwerfungsritualen gegeben, die das gleiche Muster
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aufwiesen. Mehrere Gegner Ottos des Großen aus seiner eigenen Verwandtschaft und aus dem Herzogsadel haben auf diese Weise Konflikte mit ihm beendet, seine Verzeihung gefunden und sind wieder in Amt und Würden gelangt. Konkret bezeugt ist dies für seinen Bruder Heinrich, seinen Sohn Liudolf und für den Herzog Eberhard von Franken.18 Heinrich der Zänker scheint sich ebenfalls Otto II. unterworfen zu haben. Und als er sich nach langer Haft mit Otto III. aussöhnte, dem er die Königsherrschaft hatte nehmen wollen, kombinierte man das Unterwerfungsritual mit dem der Lehnsnahme.19 So ersparte man dem Zänker wohl den Fußfall, ließ ihn aber ausdrücklich um Leben und Gnade bitten. Heinrich II. hingegen ließ einmal sogar einen Gesandten seines Gegners Boleslaw Chrobry bewusst zuschauen, als sich seine luxemburgischen Schwäger ihm barfuß zu Füßen warfen.20 Er wollte dem Gesandten so wohl klar machen, was er von seinem Herrn erwartete. In anderen Fällen zog eine Unterwerfung unter seine Herrschaft aber nicht mehr eine unmittelbare Versöhnung nach sich, sondern führte zur Inhaftierung der sich Unterwerfenden. So wurde der „Schrecken der königlichen Strafgewalt“ sinnfällig gemacht wie beim Markgrafen Heinrich von Schweinfurt, der sich nach der Intervention von Vermittlern Heinrich II. ergab. Über die Dauer solcher Haft ließ sich aber offensichtlich auch vorweg reden, denn mehrfach war sie von symbolischer Kürze und wurde durch baldige Akte der Versöhnung beendet. Alle diese Beobachtungen der Arbeit an angemessenen Formen der Konfliktbeendigung zeigen, wie bewusst man die Abmachungen und die Ausgestaltung der Rituale einer speziellen Situation anzupassen verstand. Dies zeigte sich auch 964 in Rom, als der neue Kaiser Otto der Große mit der Situation konfrontiert wurde, dass die Römer trotz ihrer heiligen Eide einen Gegenpapst gegen den unter Mitwirkung Ottos eingesetzten Leo VIII. erhoben hatten.21 Otto belagerte die Stadt und zwang die Einwohner, ihm den Gegenpapst auszuliefern. Unter aktiver Beteiligung Ottos führte man dann in synodalem Rahmen ein Devestiturritual durch, das seine Nähe zu den Unterwerfungsritualen kaum verleugnete, auch wenn einzelne Bestandteile genuin zur kirchlichen Praxis der Amtsentsetzung gehörten. Offensichtlich hat der seltene Fall ganz besondere Anleihen bei verschiedenen rituellen Verhaltensmustern sinnvoll erscheinen lassen, so dass bei der konkreten Durchführung einige Elemente an Unterwerfungsrituale, andere an Devestituren im kirchlichen Bereich erinnern. Vom Zwang, der nötig war, um auf allen Seiten die Bereitschaft zu dieser speziellen Durchführung zu erzeugen, spürt man im Bericht Liutprands von Cremona nichts mehr. Er akzentuiert die Freiwilligkeit und Spontaneität aller Handlungen, unter denen insbesondere diejenigen auf-
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fallen, die vom Gegenpapst ausgeführt wurden, der so aktiv an seiner Amtsentsetzung mitwirkte. Vergleichbares Verhalten hatten wir schon in Ritualen der Karolingerzeit beobachten können. „In dieser Versammlung erschien Benedictus, der Eindringling auf dem römischen Stuhl, geführt von den Händen derer, die ihn erwählt hatten, angetan mit dem päpstlichen Gewande. Ihn redete Benedictus, der Kardinal-Archidiakon mit folgenden Worten an: ‚Mit welcher Vollmacht, nach welchem Gesetz hast du, Eindringling, dieses päpstliche Gewand dir angemaßt, da dieser, unser hier gegenwärtiger ehrwürdiger Papst Leo noch lebt, den du gemeinschaftlich mit uns, nachdem Johannes angeklagt und abgesetzt war, zur höchsten apostolischen Würde erwählt hast? Kannst du bestreiten, dem hier gegenwärtigen Kaiser eidlich versprochen zu haben, dass du samt den anderen Römern niemals einen Papst erwählen noch weihen würdest ohne seines und seines Sohnes, des Königs Otto, Zustimmung?‘ Benedictus erwiderte: ‚Habe ich gefehlt, so erbarmt Euch meiner.‘ Da bat der Kaiser unter Tränen – und damit zeigte er seine große Barmherzigkeit – die Synode, den Benedictus nicht ungehört zu verdammen. Wenn dieser es wolle und könne, so möge er auf die Fragen antworten und seine Sache verteidigen; wenn er es aber nicht könne noch wolle und sich schuldig bekenne, so möge man ihn dennoch um Gottes willen einige Barmherzigkeit finden lassen. Als Benedictus dies vernahm, warf er sich eiligst Papst Leo und dem Kaiser zu Füßen und rief, er habe gesündigt, er sei ein Eindringling auf den römischen Stuhl. Hierauf nahm er sich selbst das Pallium ab und übergab es nebst dem Bischofsstab, den er in der Hand trug, dem Papst Leo. Dieser zerbrach den Stab und zeigte die Stücke dem Volk. Dann befahl er dem Benedictus, sich auf die Erde zu setzen, und nahm ihm das Messgewand, die so genannte Planeta, samt der Stola ab. Darauf sprach er zu allen Bischöfen wie folgt: ‚Den Benedictus, den Eindringling auf den heiligen römischen und apostolischen Stuhl, entsetzen wir aller bischöflichen und priesterlichen Würde; aber aus Erbarmen des Kaisers Otto, durch den wir auf den uns gebührenden Stuhl wieder eingesetzt worden sind, lassen wir ihn die Weihe des Diakonats behalten, doch nicht mehr zu Rom, sondern an dem Ort, wohin er verbannt (wird).‘“22 Die strukturellen Nähen zu den eben behandelten Unterwerfungsritualen im weltlichen Bereich sind unübersehbar. Dies hängt gewiss damit zusammen, dass man, wie im vorigen Kapitel ausgeführt, das Unterwerfungsritual unter Anleihen bei den kirchlichen Bußritualen konzipierte. Auch bei dieser Papstabsetzung stand die freiwillige Mitwirkung des Abzusetzenden ganz im Vordergrund des Geschehens, der es durch verbal und gestisch gezeigte Einsicht und Reue erreichte, dass man Milde walten ließ. Auffällig ist in der Schilderung aber insbesondere die Rolle des Kaisers,
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der die Aufgabe des Fürsprechers übernahm, von dessen Tätigkeit wir auch bei anderen Konflikten hören.23 Otto hat die Rolle des Fürsprechers nach Liutprands Schilderung sehr ernst genommen, indem er seine Bitte für den Eindringling unter Tränen vorbrachte und so seine Fähigkeit zur Barmherzigkeit unterstrich. Genau dies Verhalten entsprach aber den Anforderungen an seine Rolle, deren Einhaltung denn auch zum gewünschten Ergebnis, der milden Behandlung, führte. In anderen römischen Konflikten der Ottonenzeit waren es übrigens die Päpste, die durch ihre Fürsprache die Kaiser zur Milde bewogen. So rettete etwa der römische Stadtpräfekt Crescentius unter Otto III. zunächst Amt und Würden, weil sich Papst Gregor V. in ähnlicher Weise für ihn verwandt hatte wie dies Otto I. für den Gegenpapst tat. 24 Die Bereitschaft zur aktiven Mitwirkung der unterlegenen Partei dürfte in diesen wie in anderen Ritualen aber dadurch erzeugt worden sein, dass man so und nur so auf Milde sicher hoffen konnte. Man kann insgesamt sagen, dass das Unterwerfungsritual im 10. Jahrhundert fester Bestandteil der Konfliktregelungen im Herrschaftsverband der Ottonen und darüber hinaus geworden war. Wir hören von ihm naturgemäß vor allem dann, wenn der König in die Konflikte involviert war. Aber durchaus nicht nur dann. So löste man am Ende des Jahrhunderts auch den Streit um den Raub einer Nonne aus Quedlinburg auf diese Weise. Die Nonne, eine Tochter des Markgrafen Ekkehard von Meißen, hatte ihr Verlobter Markgraf Werner geraubt, weil sein potentieller Schwiegervater das Verlöbnis hatte lösen wollen. Barfüßig und im Büßergewand brachten aber nach dem Einsatz von Vermittlern der Markgraf und seine Helfer die Geraubte der Äbtissin Mathilde von Quedlinburg zurück. Man benutzte hierzu die Öffentlichkeit eines Stammestages, bei dem der Konflikt dadurch beigelegt wurde, dass man den Räubern ihre Tat verzieh und sie straflos ausgehen ließ.25 Am Beginn des 11. Jahrhunderts hören wir dann von dem ersten Fall, in dem die Einwohner einer ganzen Stadt das Ritual der deditio durchführten und hierbei alle Register zogen, um die Freiwilligkeit ihres Tuns zu unterstreichen. Vermittelt hatten diesen Ausgleich zwischen Kaiser Otto III. und der italienischen Stadt Tivoli keine Geringeren als Papst Silvester II. und Bischof Bernward von Hildesheim, wie in der Vita des Letzteren ausführlich erzählt wird. Die Szene gibt einen genauen Eindruck davon, worauf es bei derartiger ritueller Performanz vor allem ankam: auf die Eindeutigkeit der Aussagen, die deshalb in expressiver Form durchgeführt wurden: „Am anderen Tag kehrten die Bischöfe zum Kaiser zurück, gefolgt von einem denkwürdigen Triumphzug. Denn alle angesehenen Bürger der Stadt folgten ihnen, nur mit einem Lendenschurz bekleidet, in der Rech-
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ten ein Schwert, in der Linken eine Rute tragend, und bewegten sich so zum Palast. Dem Kaiser seien sie mit Hab und Gut verfallen, nichts ausbedungen, nicht einmal das nackte Leben; wen er für schuldig halte, möge er mit dem Schwert hinrichten, oder wenn er Mitleid üben wolle, am Pranger mit Ruten auspeitschen lassen; wünsche er, dass die Mauern der Stadt dem Erdboden gleichgemacht würden, so wollten sie dies bereitwillig und gern ausführen; nie in ihrem Leben würden sie sich ferner dem Befehl seiner Majestät widersetzen.“26 Natürlich, so möchte man fast kommentieren, erlangten sie nach dieser Genugtuungsleistung das Verzeihen des Herrschers, der sie straflos ausgehen ließ. So inszenierte man Sinneswandel und die Freiwilligkeit der getroffenen Entscheidung und verdiente sich damit eine milde Behandlung. In dieser Grundausrichtung begegnet das Unterwerfungsritual durch die Jahrhunderte, wenn auch in unterschiedlicher Dichte. Zunehmend häufiger bemerkt man nämlich, dass versucht wird, die Bedingungen der Unterwerfung zu verschärfen, die rituellen Akte entehrender zu gestalten, anstelle der Milde das Prinzip der Gerechtigkeit in den Vordergrund zu stellen. An diesen Veränderungen wird deutlich, wie eng der Anspruch auf gütliche Beilegung von Konflikten mit den Kräfteverhältnissen im Herrschaftsverband verzahnt war. Die Reintegration eines sich Unterwerfenden in den Herrschaftsverband und in seine frühere Stellung nach symbolischen Leistungen der Genugtuung, wie sie im 10. Jahrhundert fast als Regelfall begegnet, weist auf eine Position der Könige, die elementare Interessen der Großen zu berücksichtigen hatte. Deshalb gingen sie mit Angehörigen dieser Gruppe auch dann äußerst behutsam und nachsichtig um, wenn diese die Waffen gegen die Könige erhoben und Schaden verursacht hatten. Im Interesse der Machtausübung von Königen lag es hingegen durchaus, das Spektrum der Sanktionsmöglichkeiten zu verbreitern – und nicht vorrangig auf die clementia festgelegt zu sein. So ist es nur folgerichtig, dass man seit dem Beginn des 11. Jahrhunderts – mit der Übernahme der Königsherrschaft durch Heinrich II. – zunehmend häufiger beobachten kann, dass Konflikte nicht mehr mit dem Ritual der deditio beendet wurden oder dass Streit über seine Durchführung entstand. Es seien daher die spektakulärsten Fälle versammelt, um deutlich zu machen, dass sich hier eine bewusste Veränderung fassen lässt,27 die als Ausdruck von Bemühungen um eine Intensivierung königlicher Machtausübung eingeschätzt werden kann. Angeknüpft haben die Könige bei diesen Bemühungen an die karolingische Praxis, von den übrigen Großen ein consilium oder iudicium gegen unbotmäßige Große zu erfragen und auf der Basis dieser Entscheidung gegen Gegner vorzugehen. In der Regierungspraxis Heinrichs II. begegnen sowohl solche Fälle wie auch die einer gütlichen Beilegung eines Kon-
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flikts mittels des Rituals der deditio. Es dürfte kaum übertrieben sein, davon zu sprechen, dass in seiner Regierungszeit alte und neue Formen der Konfliktbeendigung miteinander in Widerstreit standen und es von den Kräfteverhältnissen abhängig war, ob die königliche Milde oder die Härte königlicher Strafgewalt angewandt wurde. Am Anfang seiner Regierung wurde ein Konflikt mit dem Markgrafen Heinrich von Schweinfurt noch ganz nach den alten Normen beigelegt: „Vertrauenswürdige Vermittler“ signalisierten dem König die Bereitschaft des Markgrafen einzulenken. Es kam zu einer Vereinbarung des Inhalts, der König würde dem Markgrafen seine Huld wieder gewähren, wenn er ihn so lange in Haft nehmen dürfe „wie er wolle“. Schon hier ist die sofortige Reintegration in Amt und Stellung zugunsten einer königlichen Machtdemonstration aufgegeben. Die Haft, in die der Markgraf nach seiner deditio genommen wurde, hatte jedoch nur eine symbolische Funktion und Dauer. Nach wenigen Monaten entließ Heinrich II. seinen Namensvetter nämlich aus dieser Haft, öffentlich dazu von einem Bischof gemahnt, der ihn auf das Beispiel Christi verwies.28 Schon wenig später hören wir jedoch von einem anderen Vorgehen des Königs gegen den Markgrafen Gunzelin, der in eine Fehde mit den Söhnen seines Bruders, des verstorbenen Markgrafen Ekkehard von Meißen, verwickelt war. Der König schaltete sich in den Fall ein und erbat ein consilium seiner Großen, was zu tun sei. Dieses consilium der Großen scheint noch ganz den alten Regeln der Konfliktbeilegung verpflichtet: „Offensichtlich steht er nicht ganz ungerechtfertigt vor Euch. Wir sind daher der Meinung, er solle sich ohne jeden Vorbehalt Eurer Huld anvertrauen. Euch aber lasse der barmherzige Gott nicht nach seiner Handlungsweise, sondern nach Eurer unermesslichen Milde gegen ihn verfahren, zum Vorbild für jeden, der zu Euch zurückkehrt.“29 Mit diesem consilium war sehr deutlich der alte Weg der Konfliktbeendigung gewiesen. Der Markgraf hatte zunächst einzulenken, der König dann Milde zu üben. Dies hätte man mit dem Ritual der deditio praktizieren können. Nichts dergleichen geschah jedoch. Der König soll diesem consultus der Fürsten zugestimmt haben, nahm dann jedoch den Markgrafen in Haft und ließ ihn erst acht Jahre später wieder frei. Mit diesem Vorgehen klingt ein neues Leitmotiv im Verhalten der Könige an, das in der Salierzeit immer wiederkehrt: Die Milde und Barmherzigkeit tritt zurück gegenüber Gerechtigkeit und Strenge. Der König verzeiht nicht nur, er straft auch. Und diese Akzentverschiebung blieb in der Folgezeit nicht ohne Auswirkung auf die Durchführung und Gestaltung von Ritualen.30 Ähnliche Beobachtungen lassen sich auch am Beispiel des ersten großen Konflikts machen, der die Herrschaft Konrads II. betraf. Er ist in einigem den Konflikten in der Frühphase Ottos des Großen zu vergleichen, da
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er sich gleichfalls in der innersten Königsfamilie selbst abspielte. Das Procedere des salischen Königs unterschied sich allerdings prägnant von dem seines ottonischen Vorgängers. Dem rebellischen Herzog Ernst, seinem Stiefsohn, gab Konrad II. nach dessen Genugtuungsleistungen zwar seine Huld – wenn auch widerstrebend – zurück; doch verband er sie mit Auflagen. Diese waren für die Ehrvorstellungen eines Adeligen des 11. Jahrhunderts mit einiger Sicherheit unvereinbar, denn Herzog Ernst sollte im Auftrag des Königs gegen seine Helfer und Freunde als Landfriedensbrecher vorgehen.31 Er hätte seine eigene Stellung dadurch gerettet, dass er seine früheren Bindungen verriet. Dass genau diese Demonstration in der Absicht des Herrschers lag, zeigt die Tatsache, dass er die Bedingung wiederholte, als sich Herzog Ernst ihm bedingungslos (sine omni pactione) unterworfen hatte und in Haft genommen worden war. Noch einmal wurde Ernst die frühere Stellung, das schwäbische Herzogtum, unter der Bedingung versprochen, dass er sich eidlich verpflichte, gegen seinen Vasallen Werner als Landsfriedensbrecher vorzugehen.32 Es hat den Ruhm des Herzogs Ernst bei Zeitgenossen und der Nachwelt begründet, dass er sich diesem Ansinnen verweigerte. „Zierde der Alemannen“ nannte man ihn, der lieber mit seinem Vasallen in den Tod ging als auf dessen Kosten seine Stellung zu retten. Der von Wipo ausführlich dokumentierte Fall zeigt deutlich, dass sich Inhalte und Formen des Umgangs miteinander im Konflikt verändert hatten. Von einem Unterwerfungsritual alten Stils ist folgerichtig bei Wipo auch gar nicht die Rede. Als Demütigung hatte Ernst in der Anfangsphase den Heereszug seines Stiefvaters zu begleiten, ehe er in Augsburg wieder zu Gnaden angenommen wurde. Schon diese Nachricht markiert eine bemerkenswerte Neuerung auf dem Gebiete der Genugtuungsleistungen. Aber – und das ist wichtiger – die Verzeihung und die Huld wurde an erhebliche, eigentlich unerfüllbare Bedingungen geknüpft. Und es waren wohl diese Bedingungen, die ein gütliches Ende des Konflikts verhinderten. Da es zu keinem Kompromiss kam, fehlt folgerichtig auch jede Nachricht von rituellen Handlungen, mit denen Einlenken, Milde und Versöhnung zum Ausdruck gebracht worden wären. Dies ist nicht anders in einem berühmten Konflikt unter Kaiser Heinrich III., der ansonsten mit spektakulären rituellen Akten der Buße und des Verzeihens nicht geizte.33 In seinen Auseinandersetzungen mit Herzog Gottfried von Niederlothringen gelang dagegen trotz der langen Dauer des Konflikts nie eine gütliche Einigung, die für beide Seiten akzeptabel war. Zunächst hören wir davon, dass Heinrich III. ein Urteil des Königsgerichts in dieser Sache fällen ließ, das Herzog Gottfrieds Ansprüche auf Oberlothringen abwies und ihm zugleich sein Herzogtum Niederlothringen absprach.34 Es ist interessant, dass Gottfried, der zu dieser Verhand-
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lung erschienen war, vorgeworfen wurde, er sei nur causa dissimulationis gekommen, er habe also seine wahren Absichten hinter dem Berg gehalten und sich verstellt. Nach diesem Urteil kam es zum bewaffneten Konflikt und schließlich zu einer deditio Gottfrieds, über deren Durchführung nichts bekannt ist. Auf sie folgte jedoch keine Wiedereinsetzung in seine Stellung, sondern vielmehr die Haft auf der Burg Giebichenstein. Das Folgende beschreibt Lampert von Hersfeld lapidar so: „Herzog Gottfried war aus der Haft entlassen worden, musste aber erkennen, dass ihm wieder die Fürsprache der Fürsten noch seine freiwillige Unterwerfung irgend etwas genützt hatte; darüber empört (…) begann er von neuem den Kampf.“35 In diesen knappen Sätzen wird das ganze Ausmaß deutlich, in dem sich Heinrich III. von der Praxis gütlicher Konfliktbeilegung entfernt hatte. Die freiwillige Unterwerfung wurde als Genugtuungsleistung nicht mehr honoriert, die Fürsprache der Fürsten blieb wirkungslos, die Aberkennung der Herzogsstellung durch das iudicium der Fürsten bestehen. Damit war das Ritual der deditio funktions- und wertlos geworden. Es diente allenfalls noch dazu, die Macht des Königs zu unterstreichen. Diese Strategie Heinrichs III. liegt genau auf der Linie, die Heinrich II. und Konrad II. in den oben behandelten Fällen vorgezeichnet hatten. Der Zusammenhang von Genugtuung und Reintegration wird durch die neuen Verfahren aufgelöst. Die königliche Strafgewalt, ruhend auf einem consilium oder iudicium der Fürsten als Urteiler im Gericht, ist weder durch Fürsprache noch durch Unterwerfung zu beeinträchtigen. Es dürfte klar sein, dass dies mehr als eine Akzentverschiebung in Richtung auf eine stärkere Geltung königlicher Autorität bedeutet. Im Prinzip wurden nun Konflikte mit dem König gerade für Angehörige des hohen Adels existenzbedrohend. Es ist interessant, dass sie deswegen keineswegs abnahmen.36 Herzog Gottfried setzte, wie gehört, seinen Kampf gegen den König unverzüglich fort. Neben militärischen Aktivitäten griffen nun beide Seiten zu demonstrativ-rituellen Ausdrucksformen, die auf diese ungewöhnliche Situation reagierten. Den Anfang scheint Heinrich III. gemacht zu haben, der Herzog Gottfried in geradezu ungeheuerlicher Weise ausgrenzte. Als der Kaiser nämlich am Grabe des Apostelfürsten Petrus demonstrativ allen seinen Schuldnern verzieh, also wie auch bei anderen Gelegenheiten eine allgemeine Indulgenz verkündete, soll er den Herzog Gottfried ausgenommen haben.37 Bedenkt man, dass die herrscherliche Verpflichtung zu clementia und misericordia immer aus dem Beispiel Christi abgeleitet wurde, der seinen Peinigern und allen Schuldnern verzieh, bekommt die Verhaltensweise Heinrichs III. ihre programmatische Dimension, die nicht gut zu der ansonsten bezeugten skrupulösen Religiosität dieses Kaisers zu passen scheint.38 Im Machtkampf mit diesem in der Tat gefährlichen Geg-
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ner traten eherne Prinzipien eines christomimetischen Königtums offensichtlich deutlich zurück.39 Herzog Gottfried scheint diese Herausforderung durch die königliche Handlungsweise angenommen und auf dem gleichen Felde bekämpft zu haben. Lampert von Hersfeld berichtet nämlich, direkt an die eben zitierte Stelle anschließend: „Unter anderen Schädigungen, die er dem Reich zufügte, verbrannte er die Pfalz von Nymwegen, ein Bauwerk von wunderbarer, unvergleichlicher Schönheit, ferner eroberte er Verdun und äscherte dort die Hauptkirche ein. Doch nach kurzer Zeit bereute er seine Tat so tief, dass er sich öffentlich auspeitschen ließ und, um nicht geschoren zu werden, seine Haare mit vielem Geld auslöste. Ferner zahlte er für die Kosten des Wiederaufbaus der Kirche und leistete bei der Maurerarbeit öfters die Dienste eines einfachen Handlangers.“40 In der Überlieferung Verduns hat sich gleichfalls eine ausführliche Schilderung des öffentlichen Bußakts Gottfrieds erhalten: Barfuß und dürftig bekleidet sei der Herzog vom höchsten Punkt der Stadt bis zum Altar der Kathedrale gezogen, sei teils auf dem Boden gekrochen und schließlich am Ziel gegeißelt worden.41 Es fällt schwer, diese demonstrative Bereitschaft zur Buße und Wiedergutmachung, die der Herzog an den Tag legte, nicht mit der Verhaltensweise Kaiser Heinrichs III. zu kontrastieren, der sich selbst am Grabe des Apostelfürsten unversöhnlich zeigte. Wenn Herzog Gottfried sein Verhalten in Kenntnis der kaiserlichen Unversöhnlichkeit plante und gestaltete, wofür vieles spricht, hat er sehr geschickt symbolisch argumentiert: Der Kaiser schloss jemanden von der Versöhnung aus, der zu jeder öffentlichen Selbstdemütigung bereit war, um den von ihm verursachten Schaden zu sühnen und wieder gutzumachen. Diese kaiserliche Haltung war wohl schwer als christlich und angemessen zu rechtfertigen. Die besondere Unnachgiebigkeit Heinrichs III. gerade im Vergleich mit der Bereitschaft des Herzogs einzulenken zeigte sich auch in der nächsten Phase des Konflikts. Im Jahre 1049 war es kein Geringerer als Papst Leo IX., der durch persönliches Eingreifen ein Ende des Konflikts erreichte, nachdem er zunächst Herzog Gottfried exkommuniziert hatte. Herzog Gottfried gewann mit Hilfe des Papstes die Huld des Kaisers zurück, nachdem er sich in Aachen erneut einer Unterwerfung unterzogen hatte.42 Sehr viel zurückhaltender urteilen die gut informierten Altaicher Annalen, dass der Papst durch sein Bemühen zwar erreicht habe, dass Heinrich III. seinem Gegner Leben und körperliche Unversehrtheit garantierte, dass Gottfried aber nicht die misericordia des Kaisers erhielt. Vielmehr gab man ihn zum Erzbischof von Trier in Haft.43 Aus dieser Haft wurde er erst zwei Jahre später entlassen und das mit ganz ähnlichen Auflagen, wie wir sie im Falle Herzog Ernsts gehört haben: Er sollte nämlich seine ehe-
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maligen Bundesgenossen, die Grafen von Flandern, bekämpfen, die sich weiter gegen den Kaiser stellten.44 Der ehemalige Herzog scheint diese Aufgabe einige Zeit in der Tat erfüllt zu haben, doch nutzte er quasi die nächste Gelegenheit, dem Kaiser Schwierigkeiten zu machen, und die bot sich, als er die aus lothringischem Hochadel stammende Beatrix, die Witwe des Markgrafen Bonifaz aus dem Hause Canossa, heiratete – natürlich ohne Wissen und Zustimmung des Kaisers.45 Nach diesem erneuten Affront ist es bis zum Tode Heinrichs III. zu keinem Ausgleich mehr gekommen. Es überrascht daher auf den ersten Blick, geraume Zeit später im Zusammenhang mit der Schwertleite Heinrichs IV. (1065) davon zu hören, dass Gottfried bei dieser Gelegenheit als Schildträger des jungen Königs gedient habe.46 Genau dieser symbolische Dienst Gottfrieds aber beinhaltete und veröffentlichte das Versprechen, dem neuen König loyal zu dienen, und war die Voraussetzung der Reintegration des Rebellen in den Herrschaftsverband. In vielen Phasen dieses langen Konflikts lässt sich beobachten, dass die Technik gütlicher Konfliktbeilegung in einer Krise steckte. Die ältere Verbindung von Genugtuungsleistung und Reintegration in die frühere Stellung und in das frühere Verhältnis zum Herrscher wurde offensichtlich nicht mehr akzeptiert. Folgerichtig hören wir von keinem Ritual der deditio, das mit einer wirklichen Versöhnung endete. Damit aber liegt das Verhalten, das Heinrich III. in solchen Konflikten an den Tag legte, ganz auf der Linie seiner Vorgänger. Wir hören von der Einschaltung des Fürstengerichts; wir hören von Auflagen und Strafen, die denjenigen zur Fortsetzung des Konflikts veranlassten, dem sie galten; und wir hören von einem Herrscher, dem Milde und Barmherzigkeit ebenso abzugehen scheint wie die Fähigkeit zu vergeben. Nahtlos setzte Heinrich IV. auf dem Gebiete der Konfliktbeendigung die geschilderte Praxis seiner Vorgänger fort. Auch er war nicht mehr bereit, seinen Gegnern gegen einen öffentlichen Akt der Unterwerfung Verzeihung und Reintegration in die frühere Stellung zu gewähren. Vielmehr arbeitete auch er mit dem Mittel des iudicium der Fürsten, das zu vollstrecken er als seine Aufgabe ansah. Dies führte zu langwierigen Auseinandersetzungen, als Heinrich IV. den Bayernherzog Otto von Northeim mit dem Vorwurf konfrontierte, er habe die Ermordung des Königs geplant. Ein übel beleumundeter Adliger namens Egino diente als Denunziant und wies ein Schwert vor, das ihm Herzog Otto angeblich zur Tötung des Königs gegeben habe.47 Vergeblich intervenierten Fürsten bei Heinrich IV., um dem Herzog einen gerichtlichen Zweikampf mit diesem Ankläger zu ersparen, zu dem ihm Heinrich IV. angeblich nicht einmal freies Geleit gewähren wollte. Herzog Otto stellte sich daraufhin dem Zwei-
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kampf nicht, verlor sein Herzogtum und führte in Sachsen und Thüringen Fehde gegen den König. Erst nach diesem erfolgreichen Widerstand gab Heinrich IV. einem Vermittler, dem Grafen Eberhard von Nellenburg, Gehör, und man vereinbarte einen Termin für eine öffentliche Unterwerfung Ottos. Diese wurde Pfingsten 1072 in Halberstadt vollzogen, hatte aber nur zur Konsequenz, dass Herzog Otto in Haft genommen wurde. Und dies, obgleich sich sogar Erzbischof Adalbert von Hamburg-Bremen inter missarum solemnia, also während der Messfeier hartnäckig dafür verwandt hatte, dass dem Herzog seine Güter belassen würden. Dieser kam jedoch erst nach einem Jahr aus der Haft frei, nachdem er dem König sowie denen, die sich beim König für ihn verwandt hatten, einen beträchtlichen Teil seiner Güter gegeben hatte.48 Beendet hat dieses Verhalten des Königs den Konflikt keineswegs, denn Otto von Northeim gehörte wenig später zu den Rädelsführern der Sachsen in den Kriegen gegen Heinrich IV. Auch am Verlauf und Ende des Sachsenkrieges wird evident, wie sehr das Vertrauen in die Verfahren gütlicher Konfliktbeendigung gelitten hatte. Zu häufig war es im 11. Jahrhundert benutzt worden, um die Verzeihung an Auflagen zu knüpfen, die Strafen gleichkamen und das Gleichgewicht von Genugtuung und Vergebung zerstörten. Wie viel Wert man aber noch im letzten Viertel des 11. Jahrhunderts darauf legte, die fehlende Bereitschaft der Herrscher zu vergeben als Argument gegen sie zu verwenden, beweist die Mühe und Detailfreude, mit der Lampert von Hersfeld das Verhalten Heinrichs IV. gegenüber den friedenswilligen Sachsen schildert.49 Keiner der Fürsten, so einer der Hauptvorwürfe gegen den Herrscher, wagte es, sich noch als Vermittler anzubieten, weil alle um die fehlende Bereitschaft des Königs, den Konflikt gütlich zu beenden, wussten. Alles haben die Vermittler nach dieser Schilderung versucht, den König auf ein mildes Verhalten festzulegen – doch trotz eidlicher Zusicherungen brach er alle Verträge, nahm alle sächsischen Fürsten, die sich ihm bei Spier unterworfen hatten, in Haft und verteilte ihre Güter unter seinen Vasallen. Das Ziel der Beweisführung Lamperts ist eindeutig: So handelt nur ein rex iniquus – oder in Lamperts Diktion: „Jetzt aber gebe man (sc. Heinrich IV.) mit einer neuartigen Grausamkeit Unschuldigen nicht die Möglichkeit, eine Beschuldigung zu widerlegen, Versöhnung lehne man ab, Genugtuung lasse man nicht zu.“50 Es mag Überlieferungszufall sein, passt aber auch gut zu den hier diskutierten Befunden: Zeugnisse, die davon erzählen, dass Konflikte unter Heinrich IV. durch Unterwerfung und Genugtuung gütlich beigelegt worden seien, gibt es aus den langen Jahrzehnten seiner Regierungszeit nach 1075 nicht mehr, obwohl es genügend Gelegenheiten gegeben hätte, diesen Weg der Konfliktbeendigung zu beschreiten.
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Zusammenfassend ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass im Falle des Unterwerfungsrituals vom 9. zum 11.Jahrhundert ein zunehmend breiterer Anwendungshorizont nachweisbar ist, der mit einer ganzen Reihe weiterer Veränderungen einhergeht. Der Akt der Unterwerfung blieb dabei im Wesentlichen gleich und sein zentrales Ausdrucksmittel war und blieb der Fußfall. Zu diesem Akt gehörte, aber offensichtlich auch die Barfüßigkeit und eine entsprechende Kleidung. Das Äquivalent, das man für diese Genugtuungsleistung bekam, variierte dagegen stärker: Es konnte in Milde und Verzeihen bestehen, aber auch in der Freundschaft des Gegners. Manchmal blieb jedoch auch eine Strafe nicht erspart, war der Verlust von Lehen oder Gütern die Folge, oder auch eine Haft. Als Mittel der Machtausübung hatte dieses Ritual eine durchaus ambivalente Wirkung. Gewiss stabilisierte es die Stellung des gnädig verzeihenden Herrschers und legitimierte ihn, weil er demonstrativ die Kardinaltugend der Milde nachwies. Auf der anderen Seite aber schützte es auch alle höherrangigen Gegner der Herrscher vor härteren Folgen ihres Widerstands. Und dies nicht zuletzt deshalb, weil sie Personen fanden, die bereit waren, sich für sie zu verwenden und eine gütliche Lösung des Streits in die Wege zu leiten, der sich die Herrscher nicht verweigern konnten. Das Ritual der Unterwerfung stand als Genugtuungsleistung zur Verfügung, nach der man zum Status quo ante zurückkehren konnte. Es band also auch die Machthaber an Regeln, die nicht nur der Durchsetzung ihrer Interessen verpflichtet waren. Der Kompromiss, der sich im Verzicht auf Strenge einerseits und der demonstrativen Aufgabe des Widerstands andererseits konkretisiert, reflektiert sehr genau das Kräfteverhältnis in den Herrschaftsverbänden, in denen sich der Adel ja mehr und mehr als Partner der Könige etabliert hatte. Eine Sicherung gegen Missbrauch aber scheint in die Gepflogenheiten der gütlichen Konfliktbeilegung eingebaut gewesen zu sein: Man durfte sich diesem Ritual nur mit der ernsten Absicht unterziehen, den Konflikt auch wirklich zu beenden. Als Mittel, sich taktische Vorteile zu verschaffen, taugte es nicht. Das merkten alle die, die versuchten, nach dem Unterwerfungsritual den Konflikt fortzuführen: Für sie gab es keine zweite gütliche Lösung.51 Genauso strikt galt wohl eine andere Regel. Dieses Ritual durfte man nicht nötigend durchführen, indem man sich unabgesprochen einem Gegner zu Füßen warf und ihn so zur Milde und zur Vergebung zu zwingen versuchte. Tat man dies, war damit zu rechnen, dass sich der erhoffte Effekt nicht einstellte: Man lief Gefahr, auf dem Boden liegen gelassen zu werden.52
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III.2 Rituelle Ausdrucksformen für Ansprüche und Verpflichtungen Augenfällig wird der Lernprozess, den die Herrschaftsverbände im Frühmittelalter hinsichtlich der Nutzung ritueller Kommunikationsformen durchmachten, vor allem dann, wenn man sich einen Überblick darüber verschafft, welche ‚Aussagen‘ über Stellung und Rang, Ansprüche, Rechte und Verpflichtungen in ritueller Form gemacht wurden. So wird man nämlich darauf aufmerksam, dass das Spektrum ritueller Ausdrucksformen sich ständig verbreiterte und immer neue Formen eingeführt wurden, handelnd unter Beweis zu stellen, dass man bestimmte Anforderungsprofile zu erfüllen bereit war oder auch bestimmte Vorrechte reklamierte. Diese Erweiterung der Ausdrucksmöglichkeiten gilt für die Herrscher wie für ihre großen Vasallen. Sie hatte einen doppelten Effekt: Beide Seiten wurden durch die symbolischen Handlungen auf die Anerkennung der jeweiligen Rechte und Pflichten festgelegt. Der für die Zukunft geltende Verpflichtungscharakter, der diesem Tun innewohnte, schuf Sicherheiten, machte Verhalten kalkulierbarer und prognostizierbarer. Alle Beteiligten unterstellten sich der Verbindlichkeit ritueller Kommunikation – der Macht der Rituale –, weil diese, in aller Öffentlichkeit praktiziert, die sicherste Gewähr dafür bot, dass sich jedermann an die auf diese Weise eingegangenen Verpflichtungen erinnern konnte. Die so öffentlich vorgenommene Selbstverpflichtung bot daher mehr Sicherheiten als mündliche oder schriftliche Festlegungen. Wenn die erhaltene Überlieferung nicht sehr trügt, waren Formen verbindlicher symbolischer Interaktion zwischen den Herrschern und ihren Vasallen in der Karolingerzeit noch nicht sehr gebräuchlich, auch wenn wir etwa an den Beispielen des Rituals der gemeinsamen Eidesleistung sehen konnten, dass Anfänge gemacht waren. Es scheint jedoch geboten, die folgenden Befunde vor dem Hintergrund zur Kenntnis zu nehmen, dass Vergleichbares aus der Karolingerzeit eher noch nicht bezeugt ist.
III.2.1 Verbindliche ‚Aussagen‘ der Herrscher durch symbolische Handlungen Symbolisch handelnd und hierbei Verpflichtungen akzeptierend tritt der Herrscher im 10. Jahrhundert schon und vor allem bei den Ritualen seiner Einsetzung hervor. Die Königswahl und -weihe ist die Gelegenheit, den Herrscher auf seine Aufgaben hinzuweisen und ihm Beweise abzuverlangen, dass er diese Aufgaben zu erfüllen bereit ist. Die Art und Weise, wie
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man dies in Szene setzte, beweist den schon hoch entwickelten Sinn für rituelle Darbietungen. Keinesfalls hat man ein und denselben Vorgang einfach wiederholt. Vielmehr ist die Vielfalt der rituellen Ausdrucksformen, die man in diesem Zusammenhang praktizierte, bemerkenswert. Da, wo wir über karolingisches Zeremoniell bei solcher Königserhebung ausführlich unterrichtet werden, wie bei der Krönung Karls des Kahlen in Metz 869, dominiert das gesprochene Wort, die symbolische Handlung scheint eher im Hintergrund zu stehen.53 Das änderte sich im 10.Jahrhundert doch in ganz charakteristischer Weise. Gleich das erste Beispiel aus dem 10.Jahrhundert, das von rituellen Formen der Herrschereinsetzung handelt, beschert aber auch alle die Probleme der Quellenkritik, die uns das Verständnis für Vorgänge im frühen 10. Jahrhundert so erschweren. Die Rede ist vom so genannten Salbungsverzicht Heinrichs I., wie ihn Widukind von Corvey erzählt, der nach diesem Bericht ein Salbungs- und Krönungsverzicht war: „Und als ihm die Salbung nebst dem Diadem von dem Erzbischof, welcher zu jener Zeit Heriger war, angeboten wurde, verschmähte er sie zwar nicht, nahm sie aber auch nicht an. ‚Es genügt mir‘, sagte er, ‚vor meinen maiores das voraus zu haben, dass ich König heiße und dazu ernannt worden bin, da es Gottes Gnade und Eure Huld so will; Salbung und Krone aber möge Würdigerem als mir zuteil werden; solcher Ehren halten wir uns für unwert.‘ Und es fand solche Rede bei der ganzen Menge Wohlgefallen, sie hoben die Rechte zum Himmel empor und riefen oftmals freudig und laut den Namen des neuen Königs.“54 Natürlich lässt sich nicht sichern, dass all dies so passiert ist, wie Widukind es berichtet. Andererseits ist es auch nicht eben wahrscheinlich, dass sich der Corveyer Mönch an dieser für die ottonische Geschichte zentralen Stelle die Freiheit nehmen konnte, seiner Phantasie freien Lauf zu lassen und dem ersten ottonischen König gerade das abzusprechen, was den König seiner Zeit, Otto den Großen, auszeichnete: Salbung und Krönung. Wenn aber 919 in der Tat auf Salbung und Krönung Heinrichs verzichtet wurde, warum stellt es der Berichterstatter so dar, als habe der neue König erst im Moment der Durchführung auf diese konstitutiven Elemente der Königserhebung verzichtet und so den Mainzer Erzbischof quasi düpiert, der nicht durchführen durfte, was er vorhatte? Auf diese Frage findet man wohl nur dann eine plausible Antwort, wenn man von einem bestimmten rituellen Sinn der Szene ausgeht. Man kann das Ganze nämlich auch als eine rituelle Demonstration auffassen, die vorweg geplant und zwischen den Akteuren abgesprochen war. Auf diese ‚Aufführung‘ verfiel man, um Heinrich in wirkungsvoller Weise zum Ausdruck bringen zu lassen, dass er sein Königtum anders verstand als seine Vorgänger. Ihm genügte, vor seinen maiores – hier als seine Großen
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und nicht als seine Ahnen aufzufassen – voraus zu haben, König genannt und als solcher bezeichnet zu werden. Auf weitere Heraushebungen verzichtete er, um so ein Königtum zu beginnen, das eigene Ansprüche zurückschraubte, um auf dem Wege von Einung und Bündnis zu einem Frieden im Innern zu kommen, was seinen Vorgängern nicht mehr gelungen war. Man ließ die bekannten rituellen Akte aber nicht einfach weg, sondern gab dem neuen König Gelegenheit zu begründen, warum er – freiwillig und bewusst – auf ihm eigentlich zustehende Akte zu verzichten bereit war. Dieses Verständnis der Szene setzt gewiss eine große Bereitschaft der Akteure voraus, Rollen zu spielen, und eine Fähigkeit beim Publikum, den Sinn dieses ‚Spiels‘ zu durchschauen und die Ernsthaftigkeit der Aussagen zu verstehen. Glücklicherweise besitzen wir einen Text, der nur zwei Jahre nach den hier berichteten Vorgängen entstand und in urkundlicher Form und Knappheit davon berichtet, dass man sich in der Tat in dieser Zeit auf ein ganz ähnliches ‚Spiel‘ mit abgestimmten Rollen und mit ernstem Hintergrund verständigen konnte. In der Narratio des so genannten Bonner Vertrages von 921 wird nämlich von den Vorverhandlungen erzählt, die Große des westfränkischen Königs Karl des Einfältigen und des ostfränkischen Herrscher Heinrichs I. führten, um ein Freundschaftsbündnis ihrer Herren zu ermöglichen. Die Abmachungen sahen ein Treffen in Bonn vor. Mit ihrem Eid aber hatten die Gesandten folgendes Procedere garantiert: Beide Könige würden den ersten Tag des Zusammentreffens so verbringen, dass sie am jeweiligen Ufer des Rheins stehend „sich gegenseitig ansehen“ würden. Erst am nächsten Tag würden sie dann auf ein in der Mitte des Rheins verankertes Schiff kommen, um den Freundschaftsschwur zu leisten.55 In dieser Szene haben wir also einen zeitgenössischen Beleg für die Planung einer rituellen ‚Aufführung‘, die die nachvollziehbare Funktion hatte, die friedliche Gesinnung unter Beweis zu stellen und so Vertrauen zu bilden. Bedenkt man zudem die ‚Aufführungen‘, mit denen in den gleichen Jahren Konflikte beendet wurden – von den unterschiedlichen Formen eindeutiger Gesten der Unterordnung und anschließender Freundschaftsrituale war bereits die Rede –, so dürfte es nicht mehr sehr überraschen, dass auch bei der Königserhebung 919 komplexe Botschaften in einer Mischung aus rituellem Verhalten und verbalen Äußerungen veröffentlicht wurden. Vergleicht man diese Gestaltung der Königserhebung mit den Akten, die Widukind von Corvey zum Jahre 936 von der Aachener Feier der Erhebung Ottos des Großen berichtet, dann wird deutlich, wie selbstverständlich dem Berichterstatter war, dass schon die nächste Erhebung gänzlich andere Akzente setzte: Der neue Herrscher wurde nach seinem Bericht jetzt nicht nur gesalbt und gekrönt, eine Thronsetzung und Huldi-
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gung der Großen eröffnete den weltlichen Teil des Aktes, die Übergabe der königlichen Insignien mit verbalen Mahnungen des Mainzer Erzbischofs charakterisierte den geistlichen Teil, und ein Krönungsmahl mit dem symbolischen Dienst der Herzöge als Truchsess, Marschall, Mundschenk und Kämmerer beschloss die Feier.56 Hiermit waren vor allem die Herzöge dienstverpflichtet, die zuvor weitgehend unabhängig und Freunde des vorherigen Königs gewesen waren. Natürlich ist nicht gesichert, ob man wirklich darauf gesetzt hat, eine derart wichtige Veränderung allein durch symbolisches Handeln öffentlich kund zu tun. Doch hielt es zumindest der Gewährsmann Widukind für angezeigt, diese Beschreibung der Königserhebung Ottos des Großen der Tochter dieses Herrschers zu dedizieren. Für allzu abwegig kann er sie deshalb nicht gehalten haben. Vielmehr rechnete er bei seinen Lesern auf großes Verständnis für die Gestaltung ritueller Akte. Auf dieses Verständnis zählten auch andere Autoren, die die folgenden Königserhebungen des 10. und beginnenden 11. Jahrhunderts beschrieben. Noch mehrfach hören wir von Akten, die auf bestimmte Situationen mit neuartigen rituellen Verhaltensmustern reagieren. So installierte man im Jahre 1002 eine Befragung und Examination des neuen Königs durch den sächsischen Herzog Bernhard als Voraussetzung der sächsischen Anerkennung Heinrichs II. – im Rahmen der bekannten ‚Nachwahl‘ in Merseburg.57 Erst nach diesem Examen überreichte der Herzog dem neuen König die hl. Lanze, investierte ihn gleichsam in das Königsamt, was zuvor und danach nie von einem weltlichen Großen durchgeführt wurde. Und 1024 ließ man den ersten Salier, Konrad II., schon auf dem Zug zur Krönung im Mainzer Dom Proben seiner Befähigung zum Königsamt bestehen, indem sich ihm ein Armer, eine Witwe und ein unschuldig ins Elend Gekommener in den Weg stellten und Gerechtigkeit forderten. Der neue König ließ sich aufhalten und widmete sich den Bittenden, womit er wohl vor allem unter Beweis stellen wollte, dass er den Anforderungen des neuen Amtes gewachsen sei.58 Diesem Nachweis dienten die Prüfungen, die man dem neuen König abverlangte. Es wäre ein grober Anachronismus, sie als Spontanhandlungen verzweifelter Menschen zu interpretieren. Ergänzt wurden die demonstrativen Handlungen Konrads während der geistlichen Akte im Mainzer Dom denn auch durch die öffentliche Forderung des Mainzer Erzbischofs, Konrad möge einem Gegner, der ihn früher beleidigt habe, jetzt verzeihen. Unter Tränen entsprach Konrad dieser Bitte, was wiederum alle Anwesenden zu Tränen rührte.59 Wieder ist natürlich die Faktizität dieser Geschehnisse nicht zu beweisen. Doch es genügt für unser Interesse an rituellen Verhaltensmustern, dass sie an so zentralen Stellen berichtet werden: Sie waren somit denkbar und geeignet,
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Kaiser Heinrichs Romfahrt (um 1340). a) Zug Heinrichs VII. von Rom nach Sutri, Viterbo, Todi und Castiglione. b) Einzug und Empfang Heinrichs VII. in Arezzo. Staatsarchiv Koblenz, 1 C 1, fol. 26r.
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komplexe Botschaften symbolisch zu übermitteln, sonst hätte man sie gewiss nicht erzählt. Aber nicht nur im Rahmen ihrer Einsetzungsrituale können wir seit dem 10. Jahrhundert differenziertes symbolisches Handeln der Herrscher beobachten, das sie in die Pflicht nahm, weil es eine bestimmte Bedeutung hatte. Schon Karl der Einfältige schickte seinem ‚Freund‘ Heinrich I. aus der Gefangenschaft Reliquien des heiligen Dionysius als pignus foederis.60 So wollte er ihn an seine Hilfsverpflichtung erinnern, die er durch das Freundschaftsbündnis eingegangen und die er zu verletzen im Begriffe war, indem er nichts tat, um seinem Freund in der Not zu helfen. Man geht wohl kaum fehl in der Vermutung, dass es sich bei den Reliquien um diejenigen handelte, auf die Heinrich seine Freundschaft beschworen hatte. Von solchen Pfändern hören wir auch bei anderen Gelegenheiten. Kaiser Heinrich II. nahm den Magdeburger Kleriker Walthard mit in seine Kemenate, um dort mit ihm unter vier Augen um die Nachfolge auf dem Magdeburger Erzstuhl zu verhandeln. Andere Bischöfe warteten draußen. Als Walthard endlich herauskam, wies er mit den Worten einen Ring vor: „Hier seht ihr das Unterpfand (pignus) künftiger Huld.“61 Dieser Ring war noch kein Symbol für eine vollzogene Amtseinsetzung, denn diese schloss sich erst direkt danach an. Er fungierte hier wohl als Zeichen für die Bereitschaft des Königs, Walthard in den Kreis seiner Vertrauten aufzunehmen, zu dem er vorher nicht gehört hatte.62 Ring und Stab fungierten bei Bischofseinsetzungen ansonsten aber als die entscheidenden Investitursymbole, deren feierliche Benutzung wohl nicht zufällig erst seit dem 10. Jahrhundert immer wieder erwähnt wird, auch wenn ihre Verwendung älter ist. Von der Übergabe eines Stabes hören wir aber nicht nur im Zusammenhang von Amtseinsetzungen. Die Symbolhandlung diente zudem dazu, das Ende eines Konflikts zu ‚besiegeln‘. Bischofsstäbe wurden etwa bei Streitigkeiten von Bischöfen immer wieder dem ehemaligen Kontrahenten übergeben. Besonders häufig ist dies bei den langwierigen Auseinandersetzungen um die Aufhebung und Wiedereinrichtung des Bistums Merseburg bezeugt. Der Chronist Thietmar notierte jede dieser Übergaben genau, weil er um den verpflichtenden Charakter der symbolischen Handlung wusste.63 Und als der Kinderkönig Otto III. 992, wohl auf Weisung seiner Großmutter Adelheid, bei der Halberstädter Kirchweihe sein goldenes Zepter auf dem Altar niederlegte, da war dieser Handlung ein noch einmal leicht veränderter Sinn eigen: Er garantierte mit diesem Pfand wohl, dass er den Halberstädter Besitz nicht mehr antasten wolle.64 In neuartiger Weise begegnen im 10. Jahrhundert aber auch Belege dafür, dass Herrscher elaborierte Formen benutzten, um Nähe (familiari-
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tas) zeichenhaft zum Ausdruck zu bringen. Die auf diesem Felde benutzten rituellen Ausdrucksformen machten unmissverständlich klar, wer Einfluss beim Herrscher besaß, wer der familiarissimus im Kreise der Vertrauten war. Wieder wird man kaum behaupten können, dass so etwas in der Karolingerzeit noch gar nicht praktiziert wurde, nur weil es nicht oder sehr selten erwähnt wird. Das Interesse, mit dem Autoren der Ottonenzeit solche Vorgänge notierten und kommentierten, dürfte jedoch dafür sprechen, dass die Sensibilität gegenüber derartigen rituellen Hulderweisen gewachsen war. Und dies wahrscheinlich deshalb, weil sie erst im Laufe der Zeit fester Bestandteil der politischen Kultur geworden waren. Ganz gewiss hängt diese Veränderung des rituellen Umgangs miteinander damit zusammen, dass Adel und Kirche ihre Position als Partner des Königtums gefunden hatten und behaupteten: Partnerschaftliche Beteiligung an der Herrschaft bedurfte anderer symbolischer Formen als Verhältnisse eindeutiger Unterordnung. Nähe zum Herrscher symbolisierte sich dabei nicht zuletzt als räumliche Nähe. Dies hat in späteren Zeiten zu ausgeklügelten Sitzordnungen aber auch zu den sogenannten Sesselstreitigkeiten geführt, von denen wir aus dem früheren Mittelalter noch nichts hören.65 Ausweis größter Nähe, der von Herrschern augenscheinlich auch sehr gezielt und demonstrativ gewährt wurde, war aber schon im 10. Jahrhundert der Einlass in die Privatgemächer, die höchste Form der Vertraulichkeit, die denn auch als die optimale Möglichkeit der Einflussnahme verstanden wurde. In der Tat vollzog sich Einflussnahme auf den Herrscher so gut wie immer in einer vertraulichen Situation, für die das Privatgemach quasi zum Symbol wurde. Es dürfte daher kaum Zufall sein, dass schon in mehreren Bischofsviten des 10. Jahrhunderts größter Wert darauf gelegt wird, dass die Protagonisten uneingeschränkten Zugang zu diesen Privatgemächern hatten, ja dass der Herrscher geradezu erpicht darauf war, mit ihnen und nur mit ihnen in seinen privaten Räumen alle wichtigen Angelegenheiten zu besprechen. Dies erzählt die Lebensbeschreibung Ulrichs von Augsburg in ganz charakteristischer Übertreibung: „Als er (sc. Ulrich) in die Nähe von Ravenna kam, erfuhr er, dass der ruhmreiche Kaiser Otto und seine Gemahlin Adelheid dort weilten. Er sandte daher Boten voraus und meldete dem Kaiser seine Ankunft. Er selber folgte den Boten auf dem Fuß und gelangte an die Schwelle des kaiserlichen Gemachs. Als der Kaiser bemerkte, dass er schon so nahe war, kam er ihm, gedrängt von Demut und heiliger Liebe, an dem einen Fuße beschuht, an dem anderen aber noch ohne Schuh, in aller Eile entgegen, um ihn voll Liebe zu empfangen. Dann saßen sie im Gemach in freundlichem Gespräch beieinander – die Kaise-
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rin wurde dazu gerufen – und besprachen gemeinsam den Fortgang verschiedener Angelegenheiten.“66 Für den Kundigen war mit dieser Schilderung alles gesagt. Der Herrscher hatte dem Bischof einen Empfang bereitet, der diesen als familiarissimus auswies. Die Schilderung akzentuiert die Spontaneität der Handlungen des Kaisers, der jedwedes Protokoll vergisst und sich halb beschuht auf den Weg macht. Dies heißt im Klartext, dass alle zeremoniellen Vorschriften und Gewohnheiten für Ulrich nicht galten. Kein Wunder, dass dieser im Privatgemach des Kaisers dann auch sein Vertrauensverhältnis nutzte: Er bat dort, unterstützt von der Kaiserin, inständig und erfolgreich darum, die ganze Verwaltung seines Bistums schon zu seinen Lebzeiten seinem Neffen zu übertragen und ihn auch nach Ulrichs Tod zu seinem Nachfolger zu machen.67 Die rituellen Akte der Vertrautheit korrespondieren also vollständig mit der Bereitschaft beider Seiten, sich dieser Nähe gemäß zu verhalten. Nicht viel anders als Ulrich in Ravenna erging es Bischof Bernward von Hildesheim in Rom, als er Kaiser Otto III. aufsuchte, dessen Lehrer er einst gewesen war: „Als der fromme und demütige Kaiser das (d. h. die Ankunft des Bischofs) vernahm, konnte er es vor Sehnsucht nicht mehr erwarten, bis er seinen geliebten Lehrer zu Gesicht bekäme. Weil er ihn aber nicht zu sich bemühen wollte, zog er ihm eilends fast zwei Meilen weit bis zur Kirche des heiligen Petrus entgegen, empfing ihn mit größter Liebe, umarmte und küsste ihn wie seinen besten Freund und begleitete ihn in seine Herberge. Dort sprach er noch lange mit ihm und bat ihn am nächsten Tag in den Palast zu kommen. (…) Am anderen Morgen lud der Kaiser den Herrn Papst ein, um den geliebten Gast zu empfangen. Als dieser sich nahte, traten ihm die beiden in der Vorhalle entgegen und hießen ihn herzlich willkommen. Auch ließ man ihn nicht in seine Herberge zurückkehren, sondern der Kaiser stellte ihm unmittelbar neben seinen eigenen Gemächern eine großartige Wohnung zur Verfügung. Dann saßen sie beieinander, bald im Gemach des Kaisers, bald in dem des Bischofs, und sprachen über gerichtliche Streitfälle und die Angelegenheiten des Staates.“68 In beiden geschilderten Fällen ist es, wie so oft in dieser Untersuchung, weniger wichtig, ob sich das Berichtete tatsächlich so abgespielt hat. Es reicht die Gewissheit, dass man diese Darstellung für geeignet hielt, das besondere Vertrauensverhältnis zum Ausdruck zu bringen. Und dieses erwies sich an symbolischen Akten wie dem Entgegengehen oder der Aufnahme in die Privatgemächer. Dies waren von allen verstandene Zeichen für Nähe, mit denen die Protagonisten ihr Verhältnis auch öffentlich unterstrichen. Jeder, der solchen Empfang und Umgang miteinander sah, konnte und musste wichtige politische Folgerungen daraus ziehen. Es versteht
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sich fast von selbst, dass, wie im Falle Bernwards konkret berichtet, auch der Abschied derartig Vertrauter von der gleichen rituellen Zeichenkultur geprägt war.69
III.2.2 Symbolische Dienste der Vasallen Die symbolischen Verhaltensweisen der Herrscher korrespondieren mit denen ihrer Vasallen, die nicht nur häufig symbolisch geehrt und ausgezeichnet wurden, sondern bei verschiedenen Gelegenheiten auch symbolische Dienste übernahmen. Diese Dienste, zu denen die so genannten ‚Hofämter‘, aber auch die des Schild-, Schwert- oder Bannerträgers gehörten, haben in der verfassungsgeschichtlichen Forschung seit dem 19. Jahrhundert deshalb immer wieder große Aufmerksamkeit gefunden, weil die so genannten ‚Erzämter‘ bei der Entstehung der Kurfürstenwürde eine große Rolle spielten.70 Einhellig ist man bisher davon ausgegangen, dass diese Dienste eine Ehrung derjenigen beabsichtigten und bewirkten, die sie ausführten. Dabei wurde aber die Möglichkeit der bewusst herbeigeführten Mehrdeutigkeit ritueller Handlungen nicht in Rechnung gestellt, die gerade bei diesen Diensten eklatant ist. Sie ergibt sich jedoch erst dann, wenn man die Gesamtheit der überlieferten Fälle und ihren jeweiligen Kontext bei der Interpretation berücksichtigt.71 Einige der einschlägigen Beispiele sind geradezu berühmt: Zweimal ist im 10. Jahrhundert bezeugt, dass die Herzöge des Reiches bei einer feierlichen Versammlung des ganzen Herrschaftsverbandes symbolisch die Hofämter übernahmen und die Versammlung als Mundschenk, Truchsess, Kämmerer und Marschall ‚bedienten‘ bzw. für den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung sorgten. Im Jahre 986, dem zweiten Fall, ist der Anlass und der tiefere Sinn der ganzen Feier, die in Quedlinburg stattfand, relativ deutlich. Sie sei daher zum Ausgangspunkt der Interpretation genommen. Die Feier gehörte zu den öffentlichen Auftritten, mit denen die Reintegration Heinrichs des Zänkers nach seinen Kämpfen gegen Otto II. und seinen Versuchen, anstelle Ottos III. selbst die Königswürde zu übernehmen, vollzogen wurde.72 Zunächst hatte er in Frankfurt in demütigem Aufzug um Leben und Gnade zu bitten und erhielt die Huld der gesamten Herrscherfamilie zurück. Damit hatte er aber offensichtlich noch nicht ‚genug getan‘. Denn die sich anschließende Feier in Quedlinburg fand am Osterfest 986 statt. Mit Ort und Termin erinnerte man gewiss bewusst an die Vorgänge drei Jahre zuvor, als sich Heinrich der Zänker zu Ostern am gleichen Ort hatte öffentlich als König feiern lassen. Man kann den Dienst Heinrichs als Truchsess durchaus als Teil eines Inversionsrituals verstehen, mit dem die Erinnerung an ein früheres Ritual, nämlich die öffentlichen
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Lobpreisungen Heinrichs als König, ausgelöscht werden sollte. Dass Heinrich handelnd die Unterordnung vollzog, hielt man offensichtlich für die wirkungsvollste Art und Weise, ihn auf die Anerkennung der Ordnung festzulegen. Das ältere Beispiel eines symbolischen Dienstes der Herzöge an der Tafel des Königs macht der Forschung mehr Mühe. Berichtet wird es durch Widukind von Corvey, der so die Königserhebung Ottos des Großen 936 in Aachen enden lässt: „Nachdem man das ‚Te deum laudamus‘ gesungen und das Messopfer feierlich begangen hatte, stieg der König herab und ging in die Pfalz. Hier trat er an die marmorne, mit königlicher Pracht geschmückte Tafel und setzte sich mit den Bischöfen und allem Volk; die Herzöge aber dienten (ministrabant). Der Herzog der Lothringer, Giselbert, zu dessen Machtbereich dieser Ort gehörte, ordnete die ganze Feier. Eberhard besorgte den Tisch, Hermann, der Franke, führte die Mundschenken. Arnulf sorgte für die ganze Ritterschaft und für die Wahl und Absteckung des Lagers.“73 Wäre das Berichtete tatsächlich 936 so durchgeführt worden, käme es einer symbolischen Kehrtwende gleich. Hatte Heinrich I. nach den oben geschilderten Akten einer freiwilligen Unterwerfung die Herzöge als Freunde geehrt und so ihre Partizipation an der Königsherrschaft betont, so drückte nach dieser Schilderung sein Sohn gleich bei der Krönungsfeier diese Freunde des Vaters symbolisch auf den Status von Dienern herab. Und diese haben sich ohne Widerspruch an der rituellen Darstellung dieser neuen Ordnung beteiligt, wenn man der Darstellung Widukinds Vertrauen schenkt.74 Die Zweifel, ob eine solche Demonstration einer veränderten Herrschaftsauffassung wirklich bereits 936 denkbar war, treffen sich mit anderen Zweifeln an der Authentizität der Darstellung Widukinds. Schon länger ist man daher auf den Gedanken gekommen, dass Widukind hier Kenntnisse nutzte, die er von der Aachener Erhebung Ottos II. im Jahre 961 besaß. Mit einigem Recht durfte er diese für seine Schilderung der Königserhebung Ottos I. nutzen, wenn er wusste, dass beide Ereignisse in ähnlichen rituellen Formen abgelaufen waren. Ein ‚Dienst‘ der Herzöge gegenüber dem minderjährigen Otto II. hatte 961 jedoch gewiss nicht die gleiche Brisanz wie er sie 936 gehabt hätte, wenn sich die ‚Freunde‘ Heinrichs I. gegenüber seinem Sohn selbst symbolisch zu ‚Dienern‘ herabgestuft hätten. Dass sie nämlich gegen eine Herabstufung energischen Widerstand einlegten, beweisen ihre ‚Aufstände‘ gegen Otto ziemlich unmissverständlich, als dieser wenig später in der Tat Unterordnung forderte. Unabhängig von diesen Schwierigkeiten, den Bericht einem bestimmten Ereignis zuzuordnen, ist aber die Einschätzung, dass die Übernahme solcher Dienste durch die Herzöge im Denken des 10.Jahrhunderts als geeig-
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nete rituelle Handlungssequenz galt, um Unterordnung zu symbolisieren. Gegenüber dieser Funktion tritt in beiden Fällen die Funktion einer Ehrung der Handelnden deutlich zurück. Genau in diesem Sinne der demonstrativen Unterordnung wurde der rituelle Dienst auch von Heinrich II. mehrfach genutzt. Nachdem er im Jahre 1002 zunächst sein Verhältnis zu Herzog Hermann von Schwaben in Bruchsal durch die bekannte Kombination von Unterwerfung und Freundschaftsbündnis geordnet und rituell zum Ausdruck gebracht hatte, feierte er das Weihnachtsfest in Frankfurt, und dort „diente ihm der Herzog demütig“.75 Herrscher und Herzog präsentierten ihr neues Verhältnis also in der Öffentlichkeit des kirchlichen Hochfestes in Frankfurt, indem der Herzog demütig Dienste ausführte. Welche es konkret waren, sagt der Gewährsmann Thietmar nicht einmal. Er nennt jedoch Heinrichs Gegenleistung für diesen Dienst: Er habe den Herzog caritative behandelt. Man kann anfügen, dass er damit seine Verpflichtungen als Freund symbolisch erfüllte. Einen weiteren Fall eines solchen Dienstes erwähnt Thietmar auch beim Abschluss des Friedens in Merseburg im Jahre 1013, als Heinrich II. seine Auseinandersetzungen mit Boleslaw Chrobry zum zweiten Mal und zum ersten Mal in einem persönlichen Treffen beilegte: „Er (sc. Heinrich II.) feierte in schuldiger Verehrung das Osterfest bei seinem lieben Meinwerk in Paderborn; das Pfingstfest aber bei uns. An dessen Vortag erschien, gesichert durch daheim zurückgehaltene Geiseln, auch Boleslaw; er wurde aufs Beste empfangen. Am heiligen Festtag selbst wurde er durch Handfaltung Vasall, und nach der Eidesleistung diente er dem König, während dieser unter der Krone zur Kirche schritt, als Schwertträger. Am Montag versöhnte er den König durch Überreichung großer Geschenke von sich und seiner Gemahlin; dann erhielt er aus königlicher Milde noch viel bessere und größere Gegengaben sowie das lang ersehnte Lehen und entließ seine Geiseln ehrenvoll und freundlich.“76 Die Forschung war bisher geneigt, solche Ehrendienste in der Öffentlichkeit eines Hoftages als Auszeichnung desjenigen aufzufassen, der ihn leisten durfte. Eine Einschätzung ist aber nicht unabhängig vom Kontext des Geschehens und vom Verhältnis derjenigen möglich, die so dienten oder bedient wurden. Stand die Leistung am Ende eines Konfliktes, der um die wechselseitigen Rechte und Pflichten geführt worden war, wie in diesem Fall, markierte die Leistung eines solchen Dienstes ein deutliches Zeichen der Unterordnung. Dieses Zeichen hat 1013 Boleslaw Chrobry damit als seine Leistung in den Friedensschluss eingebracht. Es wurde durch Gegenleistungen Heinrichs wie die Übergabe des lang ersehnten Lehens honoriert. Von einer Ehrung Boleslaws kann in diesem Fall also eigentlich nicht die Rede sein. Die Geste der Unterordnung durch den Dienst des Schwertträgers ersparte ihm am Ende des Konflikts allerdings
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ein deutlicheres Zeichen der Unterordnung, wie es eigentlich üblich war: nämlich den Fußfall im Rahmen einer deditio.77 Die hier exemplarisch vorgestellten Fälle, in denen ‚Ehrendienste‘ als demonstrative Zeichen für Unterordnung dienten, sind symptomatisch. Eine Musterung aller einschlägigen Fälle vom 9. bis zum 12. Jahrhundert ergab nämlich immer wieder den gleichen Befund: Diejenigen, die durch eine solche Dienstleistung vermeintlich geehrt wurden, hatten zuvor massiven Anlass gegeben, an ihrer Loyalität zu zweifeln. Sie verpflichteten sich mit ihrem Dienst erneut und unmissverständlich für die Zukunft auf diese Loyalität. Schon beim ältesten einschlägigen Fall wird expressis verbis formuliert, dass der Dienst als „Beweis für die Glaubwürdigkeit der Unterordnung“ geleistet wurde.78 Derartige Aufführungen aber dürfen als Indiz für die Subtilität mittelalterlicher Machtausübung verstanden werden. Die Rahmenbedingungen von Herrschaft, die auf Konsens und die Ehre aller Beteiligten größten Wert legten, förderten die Errichtung von Konsensfassaden, die das Gesicht aller an Kompromissen Beteiligten wahrten. Die Mehrdeutigkeit symbolischer Handlungen wurde hier bewusst eingesetzt: Man gab dem Zeichen der Unterordnung den Anstrich eines ‚Ehrendienstes‘ und machte es so für diejenigen erträglicher, denen demonstrative Unterordnung schwer fiel. Eine Anekdote, die wir Richer von Reims verdanken, sei abschließend als Beleg dafür herangezogen, dass man mit solch subtilen Botschaften, die ein Schwertträgerdienst transportieren konnte, bereits sehr ironisch umzugehen in der Lage war. Als Otto II. mit dem westfränkischen Herzog Hugo Capet in Rom verhandelt hatte, ließ der Kaiser beim Verlassen des Raumes bewusst sein Schwert liegen, so erzählt zumindest Richer. Schon wollte es Hugo ergreifen, um es dem Kaiser nachzutragen, als ihn ein kluger Bischof warnte, so etwas zu tun: Er hätte sich so als Schwertträger des Kaisers gezeigt und damit alle Verpflichtungen übernommen, die solch eine Handlung mit sich brachte.79 Natürlich ist diese Anekdote ohne faktischen Hintergrund. Sie nutzt aber sehr gezielt das Wissen um die Aussagen, die mit einem solchen Dienst gemacht wurden. Und sie kündet gewiss von westfränkischen Empfindlichkeiten: Keinesfalls wollte man dem ostfränkischen Kaiser in irgendeiner Hinsicht verpflichtet sein. Als Beweis für ein elaboriertes Verständnis der mittels derartiger Akte möglichen Aussagen wird man sie aber in jedem Fall heranziehen dürfen. Die Durchsicht der Überlieferung weist auf verschiedene Beispiele, die die Fähigkeit bezeugen, durch die symbolische Übernahme von Diensten etwas Allgemeineres zum Ausdruck zu bringen. Der spezielle Dienst steht für die Dienstbereitschaft im Allgemeinen und wird vom Publikum als eine verbindliche Absichtserklärung aufgenommen. Deshalb
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finden wir solche Dienste gerade in Situationen erwähnt, in denen derartige ‚Äußerungen‘ nötig waren. Und wir finden sie als Thema von Anekdoten, deren Pointe darin besteht, dass sie Situationen fingieren, in denen Handlungen als Ausdruck solcher Dienstbereitschaft missverstanden werden können.
III.2.3 Symbolische Artikulation umstrittener Ansprüche Es darf wohl auch als Indiz für die im 10.Jahrhundert gestiegene Bedeutung symbolischer Kommunikation gewertet werden, dass es in dieser Zeit bereits möglich oder besser nötig war, umstrittene Ansprüche in rituellen Akten öffentlich zu vertreten, und dass man hierbei durchaus zu provokativen Mitteln griff. Mehrere der Fälle stammen aus der ottonischen Kernlandschaft Sachsen und wurden von Personen aus der unmittelbaren Umgebung der Herrscher initiiert. Aber dennoch richteten sie sich mehrfach durchaus gegen die Interessen dieser Herrscher. Man mag dies als Beleg dafür nehmen, dass nun auch die politischen Führungsschichten durchaus selbstständig und unter Umständen auch eigenmächtig mit dem Instrument der rituellen Kommunikation umgingen, um die Botschaften, die sie für wichtig hielten, auf diesem Wege zu veröffentlichen. Zum Mittel des rituellen Gelages (convivium) griffen mehrfach Gegner Ottos des Großen, um Genossen für ihren Kampf gegen den König an sich zu binden. Sie suchten dabei zweimal die Burg Saalfeld auf, was wohl kein Zufall war, sondern auf traditionelle Versammlungsorte für solche convivia weist. Den Zeitgenossen schwante denn auch gleich Böses, als man von der Zusammenkunft hörte.80 Die Gruppenbildung der coniuratio vollzog sich hier in einer Reihe symbolischer Akte, zu denen das gemeinschaftsstiftende Gelage ebenso gehörte wie die Beratung über gemeinsames Vorgehen, das im Falle des Konsenses zu einer eidlichen Bindung der Teilnehmer aneinander führte. Die Initiatoren solcher Zusammenkünfte, die zur königlichen Familie gehörten wie Heinrich, der Bruder, und Liudolf, der Sohn Ottos des Großen, scheinen die Bindung auch dadurch befestigt zu haben, dass sie reiche Gaben an ihre Genossen verteilten.81 Nach den rituellen Akten war man jedenfalls handlungsfähig und in der Lage, offensiv gegen den König vorzugehen. Dies konkretisierte sich im Jahre 952 nicht zuletzt in rituellen Akten, mit denen man eine politische Stellungnahme der Gruppe gegen den König öffentlich bekannt machte. Die Rede ist von dem Empfangszeremoniell, das ungenannte Herzöge, Grafen und die ersten der Hofleute dem italienischen Thronprätendenten Berengar in Sachsen zuteil werden ließen: „Als er sich der königlichen Stadt (wohl Magdeburg) näherte,
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kamen ihm eine Meile vor der Stadt die Herzöge und Grafen und die ersten der Hofleute entgegen, und er wurde ehrenvoll in die Stadt geleitet, wo man ihn in einer für ihn bereiteten Herberge bleiben hieß.“82 Dieser königliche Empfang war ein Politikum, denn es sollte in Magdeburg gerade erst entschieden werden, welche Stellung Berengar in der Zukunft in Italien einnehmen würde. Und die Stimmung beim Herrscherpaar war gewiss alles andere als freundlich, hatte eben dieser Berengar doch die Königin Adelheid – nun die neue Gemahlin Ottos des Großen – in der Zeit vor dieser Ehe in Haft genommen, aus der sie nur unter entwürdigenden Umständen hatte entkommen können.83 Wer diesen Empfang also zu verantworten hatte, versuchte vollendete Tatsachen zu schaffen und gleich von vornherein klarzustellen, dass für Berengar nur die Königswürde in Frage kam. Man wird Zweifel anmelden dürfen, ob König Otto selbst den Befehl zu einem solchen Empfang gegeben hatte. Ottos Reaktion auf den königlichen Empfang war nämlich ganz eigenartig: „das Angesicht des König zu schauen wurde ihm (Berengar) drei Tage lang nicht gestattet.“84 Das wiederum rief entsprechende Reaktionen einiger Herzöge hervor, die man deshalb auch wohl als die Initiatoren des Empfangs ansehen darf: „Hierdurch fand sich Konrad (der Herzog von Lothringen), welcher ihn hingeleitet hatte, beleidigt, und Liudolf, des Königs Sohn (der Herzog von Schwaben), teilte seinen Unmut. Beide suchten den Grund dafür bei Heinrich, dem Bruder des Königs, als ob ihn alter Hass dazu antreibe, und gingen ihm aus dem Wege.“85 Der Fortsetzer Reginos von Prüm ergänzt noch, dass Erzbischof Friedrich von Mainz und Herzog Konrad in diesem Zusammenhang ein Freundschaftsbündnis geschlossen hätten, weil sie zuvor verfeindet gewesen waren.86 Diese Reaktionen deuten stark darauf hin, dass die entscheidenden Gruppen in der Frage der Behandlung Berengars gespalten waren. Eine Partei aber setzte ihre Ansicht gleich in ein königliches Empfangszeremoniell um, was Fakten bzw. Vorentscheidungen schaffen sollte. Hiergegen scheint sich Otto ebenfalls mit symbolischen Mitteln gewehrt zu haben. Er ließ Berengar einfach drei Tage warten, was einen Affront bedeutete, gewiss aber auch die Verlegenheit andeutet, in die er durch den königlichen Empfang gekommen war. Schließlich aber gelang noch in Magdeburg ein Kompromiss in der verfahrenen Lage, der das Gesicht beider Seiten wahrte. Man vereinbarte, sich in Augsburg wieder zu treffen. Berengar versprach, dort eine deditio zu machen, die offensichtlich Voraussetzung für ein foedus spontaneum war, das man gleichfalls in Augsburg schließen wollte.87 Auf der Basis dieser Absprache wurde Berengar aber schon in Magdeburg wieder in die Huld von König und Königin aufgenommen. Doch trotz dieses Kompromisses entspannte sich die Lage nach dem pro-
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vokativen Empfangszeremoniell nicht mehr. Die angesprochenen Gruppen standen sich bald danach im so genannten Liudolf-Aufstand gegenüber. Genau zwanzig Jahre später benutzte man in Magdeburg erneut das königliche Empfangszeremoniell, um zu provozieren. Auch dieses Mal ist für den fernen Beobachter nicht klar zu erkennen, auf wen die Provokation eigentlich zielte. Thietmar von Merseburg verdanken wir folgende Geschichte: „Währenddessen (d. h. der Abwesenheit Ottos des Großen in Italien) führte Herzog Hermann die Regentschaft in Sachsen. Auf einem Tag in Magdeburg empfing und geleitete ihn der Erzbischof an der Hand zur Kirche, während Lichter flammten und alle Glocken läuteten. Meinen Großvater Heinrich, der sich solcher Anmaßung widersetzte, suchte der Herzog vergeblich durch List in seine Gewalt zu bringen, denn ihn schützte eine große Ritterschar. Da befahl er ihm, nach Rom zum Kaiser zu gehen. Das tat er sehr gerne, zog über die Alpen, und als er zum Kaiser kam und ihn von ferne erblickte, warf er sich zu Boden. Auf die Frage, weshalb er das tue, entgegnete er unter Tränen: Er sei vor ihm beklagt und fürchte, seine Gnade und gewohnte Huld verloren zu haben. Sogleich hob ihn der Kaiser auf, küsste ihn und untersuchte mit Bedacht die einzelnen Punkte. So erfuhr er vom Vergehen des Herzogs, wie er inmitten der Bischöfe bei Tisch den Platz des Kaisers eingenommen und in dessen Bett geschlafen habe. Da befahl der erhabene Caesar in mannhafter Empörung Erzbischof Adalbert durch ein Schreiben, ihm so viele Pferde zu senden, wie er dem Herzog habe Glocken läuten und Kronleuchter anzünden lassen.“88 Schon die Szene zwischen Markgraf Heinrich und Otto dem Großen ist ein schönes Beispiel für rituelle Interaktion zwischen einem Kaiser und seinem Vasallen. Der Vasall wirft sich wortlos auf den Boden, so präventiv um Vergebung für Fehler bittend, von denen der Herrscher noch nichts weiß und die sich dann auch als alles andere denn als Fehler entpuppen. Sofort aber hebt ihn der Herrscher auf und küsst ihn, ihm damit quasi a priori seine Huld versprechend. Nach der Logik der Geschichte tat er dies, bevor er den Inhalt der Klagepunkte gegen den Markgrafen überhaupt zur Kenntnis genommen hatte. Interessanter noch ist der Sinn der Magdeburger ‚Aufführung‘, die von den Protagonisten nicht heimlich, sondern in aller Öffentlichkeit durchgeführt wurde. Herzog Hermann soll ja sogar den protestierenden Grafen zum Kaiser nach Italien geschickt haben, damit auch dieser von dem Geschehen in Kenntnis gesetzt wurde. Unstrittig ist nach der Beschreibung, dass der Herzog das königliche Empfangszeremoniell usurpierte, wozu ihm der Erzbischof im wörtlichen und übertragenen Sinne die Hand reichte. Auch andere scheinen mitgemacht zu haben, denn an der Tafel saß der
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Herzog inmitten der Bischöfe auf des Königs Platz. Warum aber inszenierte man dies ausgerechnet in Magdeburg und zog sich so den Zorn des Kaisers zu? Hermann war für die Zeit der Abwesenheit Ottos mit der Stellvertretung des Kaisers beauftragt worden. Aus dieser Funktion ließ sich vielleicht ein Anspruch ableiten, auch mit dem Zeremoniell dessen geehrt zu werden, den man vertrat. Der Markgraf Heinrich und Otto selbst aber waren augenscheinlich nicht dieser Meinung. Es könnte sich aber auch um eine mehr oder weniger subtile Mahnung gehandelt haben, die auf die Tatsache anspielte, dass der Kaiser zum Zeitpunkt des Geschehens bereits rund sieben Jahre in Italien weilte und seine eigene Neugründung noch nicht ein Mal besucht hatte. Wie dem aber auch sei: Bis heute hat die Forschung keine überzeugende Lösung für den Sinn dieser Usurpation des königlichen Empfangszeremoniells gefunden.89 Dass Otto den Vorgang jedenfalls sehr ernst genommen hat, beweist die Tatsache, dass er nicht nur bald danach ins Reich zurückkehrte und „geradewegs“ (recto itinere) nach Magdeburg zog, wie Thietmar von Merseburg ein wenig dramatisierend sagt, „wo er das Fest der Palmenweihe feierlich beging. Wie gewöhnlich an allen Festtagen ließ er sich in prunkvollen Prozessionen von Bischöfen und anderen Priestern ihrem Range nach mit Kreuzen, Heiligenreliquien und Rauchfässern zur Vesper, Matutin und Messe in die Kirche geleiten. Bei der Rückkehr in seine Wohnräume ließ er sich und seinem großen Gefolge von Priestern, Herzögen und Grafen viele Kerzen vorantragen.“90 Die Darstellung gibt eine seltene Einblicksmöglichkeit in die aufwendige Herrschaftsrepräsentation, die der Kaiser an hohen Kirchenfesten entfaltete. Die Prozessionen sind in diesem Falle aber wohl auch konzipiert als Gegengewicht gegen die Aktion Herzog Hermanns und Erzbischof Adalberts ein Jahr zuvor, denn man darf mit einiger Sicherheit annehmen, dass unter den Herzögen des großen Gefolges auch Hermann Billung den Kaiser begleitete. Er ging nun wieder an dem ihm zustehenden Platz, nachdem er bereits in Bayern den zurückkehrenden Kaiser mit großen Geschenken empfangen und – so wird man diese Aktion verstehen dürfen – damit Genugtuung für seine Anmaßung geleistet hatte.91 Noch an einem dritten Fall im ottonischen Sachsen lässt sich belegen, dass man das Empfangszeremoniell auch benutzen konnte, um Ansprüche zu veröffentlichen. Im Jahre 1002 ritt nämlich Bischof Bernward von Hildesheim mit dem Bewerber um den vakanten Königsthron, Markgraf Ekkehard von Meißen, nach Hildesheim, „wo dieser als König empfangen und geehrt wurde“.92 So machten Bernward und die Seinen klar, dass sie bereit waren, Ekkehard als neuen König anzuerkennen. Auf der Weiterreise blieben im nächsten Bischofssitz, Paderborn, die Tore verschlossen;
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dies war die symbolische Botschaft, dass der dortige Bischof Rethar die Bewerbung Ekkehards nicht unterstützte. Bereits auf der Stammesversammlung in Werla, von der Bischof Bernward und Markgraf Ekkehard aufgebrochen waren, hatte es provokative symbolische Handlungen gegeben, mit denen Ansprüche deutlich gemacht wurden. Als sich herausgestellt hatte, dass die Mehrzahl der Anwesenden nicht bereit war, Ekkehard zum König zu wählen, sondern Herzog Heinrich von Bayern zuneigte, hatte sich die unterlegene Partei zu folgender Provokation entschlossen: „als man den Herrinnen (den königlichen Äbtissinnen Sophia und Adelheid) am Abend im Palast die Sessel mit Teppichen geschmückt und die Tafel reich mit Speisen gerüstet hatte, da nahm dort plötzlich Ekkehard Platz und speiste mit Bischof Arnulf (von Halberstadt) und (dem sächsischen) Herzog Bernhard (…). Die trauernden Schwestern und ihre zahlreich versammelten Gäste waren entrüstet darüber.“93 Es fehlte ihnen aber offensichtlich die Möglichkeit, diese Provokation zu verhindern oder zu beenden, da es sich um drei bedeutende Herren handelte, die so ungehobelt ihre Macht demonstrierten. Immerhin leitete Herzog Bernhard wenig später die Stammesversammlung bei der so genannten Nachwahl Heinrichs II. in Merseburg, während in Werla noch die Schwestern des verstorbenen Königs als die ranghöchsten Personen benannt werden. Ekkehard zeigte den Großen der Stammesversammlung, die sich gegen ihn entschieden hatte, dass niemand ihn daran hindern konnte das zu tun, was ihm beliebte. Die wahre Botschaft war natürlich, dass Ekkehard die Bewerbung um das Königsamt nicht aufgeben würde, wozu er dann auch seine schon zitierte Reise antrat, die ihn zunächst nach Hildesheim führte, ehe er auf ihrem weiteren Verlauf erschlagen wurde. Dass jedoch nicht nur in hochpolitischen Angelegenheiten die Situation des Empfangs eine äußerst sensible war, sei mit einem Beispiel aus dem Kloster St. Gallen belegt, bei dem weder Bischof Ulrich von Augsburg noch ein St. Galler Mönch vor äußerst rabiatem Tun zurückschreckten, weil sie wussten, dass den symbolischen Handlungen beim Empfang größtes Gewicht zukam. Bischof Ulrich war im Auftrag Ottos des Großen als Vermittler nach St. Gallen gekommen, um den Konvent mit seinem Abt Craloh zu versöhnen, der aus St. Gallen vertrieben worden war. An der Klosterpforte wurde Ulrich, der mit Craloh gekommen war, von einem Mönch ein Evangelienbuch zum Friedenskuss gereicht, der Mönch wollte sich danach jedoch umdrehen und entfernen, ohne das Buch auch an Abt Craloh gegeben zu haben. Ob dieser Anmaßung empört, riss Ulrich den entschwindenden Mönch an den Haaren herum, worauf dieser wütend das Buch gegen den Bischof schleuderte und endgültig verschwand.94 Er hatte den St. Galler Standpunkt in den symbolischen Handlungen des Empfangs
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konsequent vertreten. Man reichte niemandem das heilige Buch zum Friedenskuss, mit dem man in Unfrieden lebte. Trotz dieser total missglückten Begrüßung aber begannen bald darauf die Verhandlungen um eine Aussöhnung zwischen Abt und Konvent, die auch erfolgreich verliefen. Dies ist kein Widerspruch, der Mönch hatte sich konsequent verhalten, indem er vor den Verhandlungen Zeichen des Friedens verweigerte. In den Verhandlungen, in denen man erfolgreich die Versöhnung des Abtes mit seinem Konvent ins Werk setzte, hat man aber auch vereinbart, wie beide Seiten nach der Kränkung bei der Begrüßung einander Genugtuung geben sollten. Schließlich hatte ja auch Bischof Ulrich den St. Galler Mönch dadurch beleidigt, dass er ihn an den Haaren herumgerissen hatte. Da somit alle mit einem gewissen Anteil an Schuld am Konflikt beladen waren, gab man sich folgerichtig wechselseitig Genugtuung, indem man voreinander zu Boden sank – der Abt vor dem Konvent, der Konvent vor dem Abt, und Bischof Ulrich wiederum vor allen. Wir werden dieses Verhalten im nächsten Kapitel wieder zu behandeln haben, da es selbst von Königen bezeugt ist. Zuvor aber hatte man Abt Craloh seinen Abtstuhl wieder einnehmen lassen und die St. Galler Mönche hatten durch ihre Teilnahme an dieser Stuhlsetzung symbolisch zum Ausdruck gebracht, dass sie die Herrschaft ihres Abtes wieder anerkannten. Diese Funktion des Rituals ergibt sich auch aus der Nachricht, dass einer der dem Abt besonders verfeindeten Mönche diesen Anblick nicht ertrug, sondern den Raum verließ. Er wollte sich offensichtlich den Verpflichtungen dieses Rituals der Anerkennung entziehen.95 Es sei überdies mit einigen signifikanten Beispielen – viele andere wären möglich – belegt, dass auch und gerade im kirchlichen Bereich die Durchsetzung von Ansprüchen in zum Teil extremer Weise mit symbolischen Handlungen praktiziert wurde, wobei man selbst vor einem Eklat in der Kirche oder während der Messe nicht zurückschreckte. Diese Entschlossenheit, sich auf symbolischem Felde nichts zu vergeben, wirft ein bezeichnendes Schlaglicht auf die Verbindlichkeit, die solchem Handeln innewohnte. Wer bei symbolischen Handlungen nachgab und sich unterordnete, hatte dies auch in der Sache getan, die symbolisch verhandelt oder zum Ausdruck gebracht wurde. Aus dieser Tatsache erklärt sich die Unnachgiebigkeit bis zum vermeintlichen Starrsinn, mit dem kirchliche Würdenträger auf diesem Felde aufzuwarten wussten. So konnte im Streit zwischen den Bistümern von Mainz und Hildesheim, welchem von beiden die geistliche Jurisdiktionsgewalt über das ottonische Kanonissenstift Gandersheim gebührte, keiner der Bischöfe in der Frage, wer die Kaisertochter Sophia als Nonne einkleiden dürfe, nachgeben.96 Mit diesem Nachgeben wäre ja ein Präzedenzfall geschaffen worden, auf den man sich in der Zukunft hätte berufen können. Also ließ Bi-
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schof Osdag von Hildesheim demonstrativ seinen Stuhl neben den Altar aufstellen. So artikulierte er symbolisch seinen Anspruch, der erst nach langem Streit durch eine ungewöhnliche Kompromisslösung vertagt wurde: Erzbischof Willigis von Mainz durfte die Messe am Hauptaltar feiern; die Einkleidung der Sophia nahmen beide Bischöfe vor; die übrigen Nonnen weihte Osdag von Hildesheim allein: „So geschah das Ungewöhnliche und von uns noch nie Gesehene, dass zwei Bischöfe, festlich gekleidet in ihrem bischöflichen Ornat, gleichzeitig an der Seite des Altares thronten.“97 Da sich die Bischöfe die symbolischen Handlungen teilten, war eine Entscheidung vertagt, die die Rechte über das Stift festlegte. Ein Nachgeben und Zurücktreten des einen hätte den Streit zugunsten des anderen entschieden und war daher nicht in Frage gekommen. Dies ist nun eine der so genannten Sesselstreitigkeiten, in denen vorrangig geistliche Würdenträger ihre strittigen Ansprüche zur Geltung zu bringen versuchten. Ein besonderer Unruhestifter auf diesem Felde war der Abt von Fulda, der mehrfach für Streit sorgte, weil er einen bestimmten Sitz neben dem König oder dem Mainzer Erzbischof verlangte. Eskaliert ist der daraus jeweils resultierende Streit im Jahre 1063 – signifikanterweise in der Zeit der Minderjährigkeit des Königs – als in Goslar die Stühle der Bischöfe und Äbte zur Vesper aufgestellt wurden. 98 Dort machte der Bischof von Hildesheim dem Fuldaer Abt das Recht streitig, neben dem Erzbischof von Mainz zu sitzen, was zunächst nur zu einer Prügelei zwischen den Kämmerern beider Prälaten führte. Otto von Northeim setzte sich dann mit einem Machtwort für den Abt von Fulda ein und entschied so den Streit. Dies ließ nun den ehrgeizigen Hildesheimer Bischof nicht ruhen, der den Streit, besser vorbereitet, erneuerte. Man vertrieb die Fuldaer beim Aufstellen der Stühle durch Krieger aus der Kirche. Hieraus entwikkelte sich in der Kirche eine richtige Schlacht mit Toten und Verwundeten. So wichtig nahm man das Privileg des rechten Sitzes, der symbolisch eine Vorrangstellung zum Ausdruck brachte. Den Eklat scheute im 11. Jahrhundert auch ein Erzbischof von Ravenna nicht, der sich bei der Kaiserkrönung Konrads II. die fehlende Vertrautheit des Herrschers mit den zeremoniellen Feinheiten des Ablaufes dieser Krönung zunutze machte. Er nahm sich nämlich das Recht, den König an der Hand in die Mitte der Kirche zu führen, wo er vom Papst und allem Volk erwartet wurde. Dies Geleit aber war das Vorrecht des Mailänder Erzbischofs, der dem Rang nach dem Papste als Zweiter folgte. Zumindest reklamierte man in Mailand dieses Recht für sich. Konrad scheint den usurpativen Akt des Ravennater Erzbischofs zunächst nicht bemerkt zu haben und ließ sich ein Stück weit geleiten, ehe er des sich verstärkenden Protestes gegen diese Anmaßung gewahr wurde. Der Mai-
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länder Erzbischof hatte sich denn auch sofort entfernt, um nicht durch seine Anwesenheit Zustimmung zu diesem Geschehen zu signalisieren. Konrad kehrte daraufhin zur Pforte der Kirche zurück und ließ sich dann von einem Mailänder Suffraganbischof in die Kirche geleiten, da der Mailänder nicht zurückzuholen war und man die Zeremonie nicht noch weiter verzögern wollte. Die Anmaßung des Ravennaters war so jedenfalls abgewehrt. In Mailand nahm man den Vorgang aber immerhin so wichtig, dass man eine Denkschrift über die Anmaßung und ihr Scheitern verfasste.99 Nicht weniger wichtig nahm in der gleichen Zeit Bischof Warmann von Konstanz die Tatsache, dass Abt Bern von der Reichenau sich vom Papst ein Privileg hatte bestätigen lassen, das ihm und seinen Nachfolgern erlaubte, die Messe mit Sandalen und bischöflichen Gewändern zu feiern. Er bearbeitete Konrad II. angeblich so lange, bis dieser mit ihm zusammen durchsetzte, dass Bern dieses Privileg herausgab, damit es öffentlich am Gründonnerstag verbrannt würde.100 In diesen Handlungen wird der symbolische Rigorismus der Zeit gleich in mehrfacher Hinsicht deutlich: Es war für den Ortsbischof absolut inakzeptabel, wenn in seiner Diözese jemand – und sei er ein noch so ehrwürdiger Abt – die Messe in Gewändern zelebrierte, die den Bischof kennzeichneten. Überdies genügte es nicht, diese Anmaßung zu unterlassen oder das Privileg zu vernichten, es musste öffentlich vernichtet werden. Diese Beispiele mögen genügen, um zu untermauern, dass Ansprüche in symbolischen Handlungen verbindlich angemeldet oder auch abgewehrt wurden. Wenn es sich um strittige Ansprüche handelte, scheute man keinen Konflikt, um vermeintliche oder wirkliche Anmaßungen zurückzuweisen. Hierbei machte es keinen Unterschied, ob es sich um Ansprüche in weltlichen oder kirchlichen Zusammenhängen handelte. Die Angst vor dem Präzedenzfall scheint in allen Bereichen gleich groß gewesen zu sein – nicht weniger aber auch die Neigung, sich mittels anmaßender Usurpation symbolischer Handlungen Vorteile zu verschaffen.
III.3 Formen königlicher Selbstdemütigung Versucht man, die Entwicklung ritueller Umgangsformen in der öffentlichen Kommunikation der Karolinger- und Ottonenzeit unter systematischen Aspekten zusammenzufassen, so sind zwei Tendenzen unübersehbar: Zum einen vervielfältigten sich die Ausdrucksformen, mit denen die Großen Vorrang und Macht des Königs öffentlich anerkannten. Augenfällig ist dies etwa in den vielen Gesten der Unterordnung, wie sie in Unterwerfungsritualen, Situationen der Bitte oder auch den symbolischen
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Diensten fassbar werden. Zum anderen, und diese Beobachtung ist vielleicht die wichtigere, vermehrten sich auch die Formen, mit denen die Könige Verpflichtungen ihres Amtes und die Stellung der Großen demonstrativ anerkannten. Zu denken ist hier an die rituellen Ermahnungen im Rahmen der Königserhebung, an die demonstrative Milde und Barmherzigkeit und ihren rituellen Nachweis bei den deditiones, an die demonstrativen Ehrungen der Getreuen durch Geschenke, Gespräche und andere besondere Hulderweise. Man kann also durchaus konstatieren, dass die Entwicklung der rituellen Ausdrucksformen in den Interaktionen der Herrschaftsverbände konform ging mit den Auffassungen, die die Führungsschichten von den Rahmenbedingungen und Grundprinzipien ihres Zusammenwirkens hatten. Eine Königsherrschaft, deren Rechte und Pflichten durch eine christliche Herrscherethik definiert waren und die überdies in ihren Entscheidungen vom Konsens der Getreuen getragen wurde, brachte diese Rahmenbedingungen ihrer Machtausübung in symbolischen Formen zum Ausdruck und erkannte sie so an. Diese Standortbestimmung scheint notwendig, bevor weitere rituelle Handlungsweisen der Könige vorgestellt werden, die über das bisher Gesagte hinausgehen. Sie finden sich erst seit dem endenden 10. und in signifikanterer Dichte dann im 11. Jahrhundert. Sie sind als eine neue Entwicklungsstufe anzusprechen, obgleich sie sich zum größten Teil organisch aus den schon länger existierenden Vorstellungen von den Rechten und Pflichten der Könige entwickeln lassen. Zusammenfassen möchte ich damit rituelle Verhaltensweisen, denen eine sich selbst erniedrigende Bedeutung eigen ist. Hierzu zählen die Barfüßigkeit, das Büßergewand, der Fußfall und der Fußkuss als rituelle Ausdrucksformen der Selbsterniedrigung. Es dürfte nicht ganz ohne Interesse sein, wann und unter welchen Bedingungen sie zuerst als performative Handlungen der Herrscher begegneten, welche Botschaften mit diesen Handlungen beabsichtigt waren und gegenüber welchen Personen sie ausgeführt wurden. Es markiert ja einen entscheidenden Unterschied, ob sich ein Herrscher auf diese Weise an Gott oder die Heiligen wandte, ob er kirchliche Würdenträger wie den Papst oder Bischöfe so ehrte, oder ob er diese Formen der Selbsterniedrigung sogar gegenüber seinen Vasallen benutzte. All dies aber ist nach- und nebeneinander zu beobachten. Kaum überraschend ist, dass Herrscher die rituellen Formen der Selbsterniedrigung zunächst gegenüber Gott und den Heiligen praktizierten. Jede Erniedrigung gegenüber Gott bewies schließlich die Herrschertugend der humilitas, das Bewusstsein, nichts aus eigenem Vermögen leisten zu können, sondern alles der Hilfe Gottes zu verdanken. Diese Grundüberzeugung ist denn auch sicher keine Neuerung des endenden
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10. Jahrhunderts, sondern Allgemeingut schon der karolingischen Fürstenspiegel.101 Umso interessanter ist, dass die rituellen Formen, mit denen dies zum Ausdruck gebracht wurde, sich in bestimmten Zeiten wandelten. Und es fragt sich natürlich, ob Ursachen solcher Veränderungen erkennbar sind. Eine zweite Beobachtung erhöht das Interesse an diesem Fragenkomplex. Der Wandel der rituellen Ausdrucksformen beschränkte sich nämlich nicht auf neue Handlungen der Selbsterniedrigung gegenüber Gott und den Heiligen. Fast gleichzeitig begannen die Herrscher auch, ihre Ausdrucksmöglichkeiten gegenüber ihren irdischen Getreuen um Gesten der Erniedrigung zu erweitern, die jedoch ganz andere Funktionen erfüllten als die der Erniedrigung. In der Mitte des 11. Jahrhunderts wird im Ruodlieb bereits formuliert, „bittend zu befehlen“ sei Ausweis wahrer Herrscherkunst.102 Damit wird etwas auf den Punkt gebracht, was sich in zahlreichen performativen Handlungen der Herrscher dokumentiert: der herrscherliche Fußfall in der Absicht, auf diese Weise Widerstand zu brechen und den eigenen politischen Willen durchzusetzen. Da die Herrscher diese neuen Formen der Selbsterniedrigung gegenüber den himmlischen wie den irdischen Mächten ungefähr gleichzeitig zu praktizieren begannen, macht es guten Sinn, sie vergleichend in den Blick zu nehmen.
III.3.1 Selbsterniedrigung gegenüber den himmlischen Mächten Seit der Mitte des 10. Jahrhunderts beobachtet man zunehmend, dass Könige öffentlich das Formenrepertoire des christlichen Bittstellers oder Büßers übernahmen, der um seine Sündhaftigkeit weiß und der Tatsache eingedenk ist, dass er nichts aus eigener Kraft vermag.103 Sie taten dies nun erkennbar aus eigenem, freiem Entschluss. Kleidung, Gesten und Handlungen, die der sündenbewusste Christ schon seit alters gegenüber Gott und den Heiligen benutzte, um deren Hilfe, Gnade und Vergebung zu erlangen, wurden mit anderen Worten zu Attributen, die auch einen König ehrten, ja seine Befähigung zur Königsherrschaft geradezu unter Beweis stellten. Im Falle der zweiten Kirchenbuße Ludwigs des Frommen hatte das Ablegen der Waffen, des cingulum militiae, und das Anlegen des Büßergewandes noch den Entzug der weltlichen Herrschaft bedeutet. Und auch bei seiner ersten Kirchenbuße, deren Freiwilligkeit in den Quellen betont wird, war die Buße durch ein Synodalurteil verhängt worden.104 Auch andere Herrscherbußen der Spätantike und des frühen Mittelalters waren verordnet worden, weil die Sünden des Herrschers seine Herrschaftsbefähigung in Frage stellten.105 Davon kann im Falle der gleich zu behandelnden Initiativen nicht die Rede sein, auch wenn in eini-
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Gumpold von Mantua, Vita des hl. Wenzel (10./11.Jh.). Märtyrerkrönung des hl. Wenzel, dessen Fuß die Auftraggeberin des Codex in Prostration umfasst und küsst. Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek, Cod. Guelf. 11.2 Aug. 4, fol. 18v.
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gen Beispielen der historische Kontext durchaus auf Taten des Herrschers weist, die von ihm selbst oder anderen als sündhaft aufgefasst werden konnten. Es liegt nahe, diese Neuerungen in den rituellen Ausdrucksformen als eine Konsequenz der ideengeschichtlichen Sakralisierung des Königtums zu begreifen, wie sie für das 10. und 11. Jahrhundert vielfältig beobachtet worden ist.106 Der Befund bietet aus dieser Perspektive ein gutes Beispiel für den Vorgang, dass Wertevorstellungen, hier das besondere Gottesgnadentum der Könige, rituelle Ausdrucksformen hervorbrachten, mit denen diese Werte beschworen, akzeptiert, zur Legitimation genutzt sowie als Verpflichtung demonstrativ übernommen wurden. Aus der Karolinger- und auch aus der frühen Ottonenzeit ist nichts Vergleichbares überliefert, sodass es lohnend scheint, die Formen genauer anzuschauen, um die beabsichtigten Aussagen zu verstehen, die im Kern die eigene Abhängigkeit von der göttlichen Hilfe als Stärke inszenierten, weil dem sich erniedrigenden Herrscher durch die göttliche Hilfe der Erfolg und die Erhöhung sicher gewährt wurden. Reizvoll ist es auch, nach der historischen Situation zu fragen, in der solche Neuerungen eingeführt werden konnten, und eventuell auch nach den Trägergruppen derartiger Innovation. Überdies sei schon jetzt darauf verwiesen, dass diese Art königlicher Selbstdarstellung ein ziemlich abruptes Ende fand. Durch den Bußgang Heinrichs IV. in Canossa wurde sie offensichtlich so stigmatisiert, dass spätere Könige kaum noch zu diesen Formen griffen, wenn sie ihre Sakralität betonen wollten. Man kann also befugt formulieren, dass die Hochphase des so genannten ottonisch-salischen Reichskirchensystems auch durch besondere rituelle Ausdrucksformen charakterisiert ist, die als adäquater Ausdruck der Herrschaftstheologie gelten können. Unstrittig war es Kaiser Otto III., der die neuen Formen zuerst in größerer Dichte anwandte, so dass sie geradezu als integraler Bestandteil seines Herrschaftskonzepts angesehen werden konnten.107 Dennoch gibt es bereits von seinem Großvater, Otto I., diesbezügliche Nachrichten, auch wenn diese in einer Überlieferung begegnen, die bei Historikern bisher nicht viel Vertrauen genießt, was ihre Qualität als Spiegel der Realität angeht. Die Viten der Königin Mathilde wie die Bischofsgesten von Halberstadt berichten nämlich von Fußfällen Ottos des Großen vor seiner Mutter bzw. dem Halberstädter Bischof Bernhard, mit denen er öffentlich Reue für sein Fehlverhalten zeigte, die Genannten um Verzeihung bat und sich mit ihnen versöhnte.108 Auf den Boden hingestreckt habe der Herrscher seine Mutter um Verzeihung gebeten, sagt die ältere Vita, während die jüngere nur davon spricht, dass er das Knie gebeugt habe. Dafür lässt sie den Herrscher in
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Flores in honorem beati Virginis Mariae (anonym, 1. Viertel 13. Jh.). Der Verfasser der ‚Blütenlese‘ überreicht der Gottesmutter anstelle des Werkes einen Strauß Blumen. Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, HB VII 56, fol. 90r. Foto: Foto Marburg.
dieser Situation bekennen, dass seine Vergehen gegen die Mutter ihm alle Kriegserfolge und alle Kraft genommen und dazu geführt hätten, dass seine Feinde über ihn triumphierten. Nach diesen und weiteren ‚Leistungen‘ Ottos verzieh ihm die Mutter unter Tränen und dokumentierte dies durch ein osculum pacis. Wir lesen hier also Beschreibungen von herrscherlichen Handlungen gegenüber der Mutter, die exakt nach den Handlungen gestaltet sind, die wir bei den deditiones der Großen vor dem Herrscher beobachten konnten. Vor der Mutter, so dürfen wir folgern, war eine solche herrscherliche Selbstdemütigung also bereits denkbar, denn die Faktizität des Berichteten lässt sich nicht beweisen. Seine Interpretation als positive Würdigung des Herrschers und seines Verhaltens ist jedoch gut begründet, auch wenn durch die Erzählungen in erster Linie die Mutter gerühmt werden soll. Von expressiven Ausdrucksformen im Umgang zwischen Mutter und Sohn berichtet die jüngere Vita noch ein zweites Mal: Nachdem sich beide beim Abschied weinend umarmt und geküsst hatten, was bei allen Zu-
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schauern Tränen auslöste, sei der Kaiser fortgeritten, die Mutter aber in die Kirche zurückgeeilt und sei dort niedergekniet, wo ihr Sohn bei der Messfeier zuletzt gestanden habe. Dort habe sie die Stelle des Bodens geküsst. Dies wiederum sei dem Kaiser gemeldet worden, der sofort zurückritt und die Mutter noch betend an der Stelle fand. Sofort sei auch er zu Boden gesunken und habe gefragt, womit er die Tränen der Mutter vergelten könne. Diese habe es als ihren letzten Willen erklärt, dass er diesem Ort, dem Kloster Nordhausen, seinen Eifer zuwende.109 Mehrfach betont der Autor, dass alle diese Handlungen öffentlich stattfanden und von vielen gesehen wurden. Die Szene ist gewiss deswegen so dramatisch gestaltet, weil die Sicherung der Stellung Nordhausens ein oder sogar das vorrangige Ziel der Darlegungen des unbekannten Autors war. Doch wiederum unbenommen von der Faktizität des Berichteten ist es ein klares Indiz für die Denkbarkeit solcher Handlungen. Immerhin wurden sie benutzt, um einer Schlüsselszene Intensität und Überzeugungskraft zu verleihen. Gleiches wird aber auch von dem nächsten Ottonen, Kaiser Otto II., berichtet, der sich auf eindrucksvolle Weise mit seiner Mutter, der Kaiserin Adelheid, aussöhnte, nachdem er unter dem Einfluss nichtswürdiger Ratgeber sich mit ihr zerstritten hatte und Adelheid daraufhin den ottonischen Hof und das Reich verlassen hatte.110 Im Dezember 980 kam es auf Initiative Ottos II. und durch Vermittlung des Abtes Maiolus von Cluny zu einer Begegnung zwischen Mutter und Sohn in Pavia, bei der sich beide voreinander unter Tränen auf den Boden warfen und sich demütig zu begrüßen begannen. Als Motive für diese Verhaltensweise nennt Odilo im Falle Ottos die demütige Bereitschaft zur Buße, bei Adelheid konstatiert er eine großzügige Bereitschaft zur Vergebung.111 In Steigerung gegenüber dem Verhalten der Mathilde ist hier die humilitas der Adelheid so groß, dass sie zu selbsterniedrigenden Handlungen bereit ist, obgleich sie nicht zu büßen, sondern nur zu vergeben hat. Vielleicht überspielt die Wertung Odilos aber auch nur die Tatsache, dass auch Adelheid sich eine Teilschuld am Streit mit ihrem Sohn zurechnen musste. Jedenfalls beobachten wir diese rituelle Handlung des wechselseitigen Fußfalls ansonsten gerade in Fällen, in denen beide Seiten Grund für diese Handlung hatten.112 Eine andere, aber doch vergleichbare Struktur hat eine Geschichte in der Halberstädter Bischofschronik, die Otto den Großen barfüßig, im Büßergewand und zu Füßen des Halberstädter Bischofs Bernhard liegend darstellt. Diese dramatische Geschichte dient zum Nachweis, dass der Bischof sich erfolgreich gegen eine Beeinträchtigung Halberstädter Rechte und Besitzungen zur Wehr gesetzt hatte, wie sie Ottos Gründung des Erzbistums Magdeburg mit sich brachte. Der Konflikt zwischen Kaiser und Bischof sei zunächst so eskaliert, dass Otto den Bischof gefangen nahm
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und dieser ihn daraufhin exkommunizierte. Göttlicher Eingebung sei es dann zu verdanken gewesen, dass der Herrscher sich entschloss, durch einen barfüßigen Bußgang und durch einen Fußfall vor dem Bischof seine Wiederaufnahme in die Kirche zu erreichen. Ausdrücklich wird gesagt, dass der Kaiser sich damit more poenitentium verhielt, indem er humiliter um das beneficium absolutionis bat. Das Ritual der Kirchenbuße wurde also sehr bewusst zum Vorbild genommen. Auch diese Erzählung beweist – unabhängig von ihrer Faktizität –, dass der sich in expressiven Formen demütigende Herrscher in dieser Zeit denkbar war und als vorbildlich darstellbar galt.113 Doch nicht nur die Geschichten von dem Verhalten Ottos des Großen deuten nachhaltig darauf hin, dass die Zeit reif war für expressive Selbstdemütigungen der Herrscher, die sie im Verständnis der Zeit erhöhten.114 Eine solche Demutsgeste enthält auch der so genannte Mainzer Ordo der Königskrönung, der aus der Zeit um 960 stammt, an ganz zentraler Stelle. Der Ordo lässt nämlich die Weihehandlungen damit beginnen, dass sich der zu Weihende zusammen mit Bischöfen und Priestern demütig kreuzförmig auf den Boden streckte, während über ihn eine Litanei gesungen wurde.115 In der Forschung wurde zu Recht hervorgehoben, dass die Prostration als Ersthandlung ungewöhnlich ist und keine Vorbilder in Ordines der Bischofs-, Papst- oder Kaisererhebungen hat.116 In ihr wird also ein rituelles Ausdrucksmittel fassbar, mit dem in neuer Weise die Demut des Herrschers und sein Bewusstsein der Sündhaftigkeit in performativen Akten zum Ausdruck gebracht wurde. Auch von Bischöfen ist aus genau dieser Zeit bezeugt, dass sie zu sehr demonstrativen Ausdrucksmitteln griffen, um ein Amts- und Selbstverständnis zu dokumentieren, das im Bewusstsein der eigenen Unwürdigkeit sein Zentrum hatte. Zwei enge Vertraute Ottos III., die Bischöfe Adalbert von Prag und Heribert von Köln, haben bei ihrem Amtsantritt ihre bischöflichen Insignien vorausgeschickt und sind barfüßig und im Büßergewand in ihre Bischofsstadt eingezogen.117 In der Mitte des 11.Jahrhunderts ist von Papst Leo IX., dem erfolgreichen Förderer der Kirchenreform, bezeugt, dass er seinen Einzug zum Amtsantritt in Rom auf die gleiche Weise gestaltete.118 Diese demonstrative Selbsterniedrigung wurde nicht durch ein vorheriges Fehlverhalten ausgelöst, sie zeigte vielmehr, dass das Bischofsamt im Geiste der Demut und im Wissen um die eigene Schwäche übernommen wurde. Aus diesem Grunde verzichteten die genannten Bischöfe nicht nur auf jede Prachtentfaltung bei ihrem Amtsantritt und Adventus, sondern verkehrten sie in das Gegenteil. Neben der demonstrativen Selbsterniedrigung aus Anlass konkreten Fehlverhaltens beobachten wir seit dem endenden 10. Jahrhundert dann immer häufiger die Benutzung der einschlägigen Zeichen unabhängig von
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einer bestimmten Situation. Herrscher erinnern nun auch ohne konkrete Ursache daran, dass sie ihr Amt in Demut und im Bewusstsein der Bedürftigkeit göttlicher Hilfe führen, die sie durch Akte der Selbsterniedrigung zu erlangen hoffen. Im Falle Ottos III. sind Beispiele für beide Arten von Selbsterniedrigung überliefert. Nach seinem ‚Rachefeldzug‘ gegen den römischen Stadtpräfekten Crescentius und den von diesem inthronisierten Gegenpapst Johannes Philagatos, der zur Tötung bzw. Verstümmelung der beiden Genannten geführt und in Italien zum Teil heftige Kritik ausgelöst hatte, ließ sich Otto dazu bewegen, causa poenitentiae eine barfüßige Fußwallfahrt von Rom zum Monte Gargano zu machen, bei der er auch den hl. Nilus in seiner Mönchszelle besuchte, der sich als besonderer Kritiker des kaiserlichen Vorgehens in Rom profiliert hatte. Angeblich hatte ihm ein anderer Heiliger, Romuald, diese Wallfahrt als Buße auferlegt.119 Dagegen lässt sich Ottos Verhalten bei seiner Reise nach Gnesen zum Grabe des Märtyrers Adalbert nicht direkt als Sühne für vorheriges Fehlverhalten deuten: „Als er die lang ersehnte Burg (Gnesen) sah, näherte er sich ihr demütig und barfuß, wurde vom Bischof Unger ehrfurchtsvoll empfangen und in die Kirche geleitet; hier bat er unter Tränen den Märtyrer Christi um seine Fürbitte zur Erlangung der Gnade Christi.“120 Hier scheint es eher so, dass der Kaiser sich der Barfüßigkeit als Zeichen für seine grundsätzliche Demut gegenüber dem Heiligen bediente und mit ihr wie mit seinen Tränen betonte, wie sehr er der Hilfe Adalberts bedürfe. Die vor Gnesen gesetzten Zeichen scheinen in scharfem Kontrast mit der herrscherlichen Prachtentfaltung zu stehen, durch die Ottos Zug nach Gnesen ansonsten gekennzeichnet war, und die auch durch den Empfang, den ihm der Polenherzog Boleslaw bereitet hatte, aufs Deutlichste unterstrichen wurde.121 Aber vielleicht war der Kontrast im mittelalterlichen Verständnis gar nicht so scharf, wie wir ihn empfinden, weil Demut gegenüber Gott und den Heiligen durchaus vereinbar war mit herrscherlicher Prachtentfaltung gegenüber den Getreuen und mit aufwendigen Ehrungen durch diese. Die geschilderten Zeichen für seine demütige Gesinnung benutzte Otto III. jedoch nicht nur öffentlich. Es wird in zwei Fällen von ihm auch berichtet, dass er sich mit Vertrauten zu heimlichen Bußübungen zurückzog und sich barfuß und im härenen Gewand Gebet, Fasten und Wachen hingab. Dies tat er einmal mit seinem Vertrauten Franco, dem Bischof von Worms, mit dem er sich vierzehn Tage lang in Rom in eine Höhle zurückzog.122 Zum anderen suchte er Einsiedler um den hl. Romuald auf und unterzog sich zusammen mit ihnen gleichfalls religiösen Übungen; hierbei soll er das Büßerhemd teilweise unter den kaiserlichen Gewändern getragen haben.123 In beiden Fällen wird nicht berichtet, ob es konkrete Anlässe für diese Aktivitäten gab oder ob der Herrscher es sich zur Gewohnheit
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gemacht hatte, in bestimmtem Rhythmus auf diese Weise um Gottes Hilfe zu bitten. Es ist auch nicht zu entscheiden, ob dieser Rückzug aus der Welt nicht auch einen demonstrativen Charakter hatte, ob die bezeugte Heimlichkeit der Bußübungen wirklich bedeutete, dass niemand von der Tatsache wusste, dass der Herrscher sich zu solchem Tun zurückgezogen hatte. Wie dem auch sei, wir können jedenfalls davon ausgehen, dass Otto III. seine Herrschaftsbefähigung neben anderem gerade dadurch demonstrativ unterstrich, dass er sich als reue- und bußfähig darstellte und hierzu das Repertoire der christlichen Selbsterniedrigung nutzte. Keineswegs soll mit diesen Hinweisen angedeutet werden, dass es sich um äußere Gesten ohne tiefere innere Überzeugung gehandelt habe. Aber die Diskussion um das Verhältnis von innerer Einstellung und äußeren Gesten in der Geschichte der mittelalterlichen Frömmigkeit ist hier nicht zu führen.124 Ritualgeschichtlich scheint wichtiger, dass sich im ausgehenden 10. Jahrhundert die Hinweise verdichten, die einen öffentlichen Gebrauch der Gesten und Attribute des büßenden Sünders durch die ottonischen Herrscher belegen.125 Damit ist es nahe liegend, diesen Befund mit jener intensiven Diskussion zu verknüpfen, die Autoren der Ottonen- und Salierzeit auf dem Felde der ‚Herrschaftstheologie‘ führten und die wir heute vor allem in der Historiographie und in Krönungsordines fassen.126 Sie entwickelten die Vorstellungen vom Zusammenhang der humiliatio mit der exaltatio; vor der Erhöhung hatte gemäß dem Beispiel Christi die Erniedrigung zu stehen. Die Autoren diskutierten außerdem die Frage, inwieweit königliche potestas und dignitas mit humilitas zu vereinbaren sei. Auch hier war das Ergebnis, dass Würde und Macht ohne wahre Demut nicht erreicht werden könnten.127 Die Konsequenzen dieser neu akzentuierten Wertevorstellungen sehen wir in den rituellen Handlungen der Könige. Diese brachten mit ihrer Bußgewandung und ihren Gesten genau das zum Ausdruck, was als ethische Fundierung ihres Amtes formuliert worden war. Was wir als Neuerungen beobachten, ist wohl nichts anderes als die performative Umsetzung der neuen herrschaftstheologischen Akzente. Auch von Heinrich II. ist kurz nach seinem Amtsantritt ein einigermaßen spektakulärer Auftritt überliefert, der in der neueren Forschung viel Aufmerksamkeit und sehr unterschiedliche Interpretationen erfahren hat.128 Trotz grimmiger Kälte trug Heinrich Ende Februar 1004 in Magdeburg barfuß die Reliquien des hl. Mauritius vom Kloster Berge in die Domkirche und übergab sie dort dem Hauptaltar. Überdies bestimmte er, dass dieser Tag der Translation zukünftig als Festtag begangen werden sollte.129 Neben der Magdeburger Überlieferung berichtet Thietmar von Merseburg knapp über dieses Ereignis und nennt auch einen Grund für
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die königliche Handlung: König Heinrich „begab sich nach Magdeburg, wo er zum hl. Mauritius betete um Fürsprache bei Gott und Glück für seinen Zug“130. Damit könnte der Grund für die außergewöhnliche Handlung des Königs genannt sein, deren spektakulären Charakter Thietmar gar nicht erwähnt: Der angesichts eines Gegenkönigs gefahrvolle Heereszug nach Italien, der sich an die Magdeburger Handlungen anschloss, hätte den Herrscher veranlasst, um Gottes Hilfe in besonders ausdrucksstarker Weise zu flehen, indem er die Gebeine des heiligen Mauritius demütig verehrte und durch eine Stiftung für die memoria dieser Handlung sorgte. Aber auch eine gänzlich andere Interpretation ist jüngst erwogen worden: Da die Translation 30 Tage nach dem Tode des Magdeburger Erzbischofs Giselher geschah, nahm man einen Zusammenhang mit diesem Ereignis an und vermutete, König Heinrich habe ein Bußritual durchgeführt, um den Erzbischof um Verzeihung zu bitten. Diesen hatte er nämlich kurz vor dessen Tod massiv unter Druck gesetzt, als er ihn zu veranlassen suchte, seinen Magdeburger Sitz aufzugeben und auf seinen ursprünglichen Merseburger Bischofsstuhl zurückzukehren.131 Die erste Deutung ist gewiss dieser zweiten vorzuziehen, da es für den Herrscher keinerlei Grund gab, sich bei Giselher zu entschuldigen. Hatte er doch lediglich das kirchenrechtliche Gravamen der Aufhebung des Bistums Merseburg zu korrigieren versucht, wie es auch sein Vorgänger und die mit dem Problem beschäftigten Synoden und Päpste getan hatten. Aber auch Thietmars Deutung lässt Fragen offen, denn angesichts einer Unzahl von Italienzügen fällt ins Auge, dass Herrscher sonst nie in derart eindringlicher Weise einen Heiligen um Hilfe anriefen. Überdies könnte die Tatsache, dass Heinrich sich in der bitteren Kälte zur Barfüßigkeit erniedrigte, darauf hindeuten, dass er für etwas Konkretes Buße tun wollte und nicht nur allgemein seine Sündhaftigkeit unterstrich. In aller Vorsicht könnte man daher noch eine dritte Möglichkeit erwägen, die eine Veranlassung für die königliche Handlungsweise darstellen könnte. Neun Monate zuvor hatte Heinrich II. nämlich das Osterfest in Quedlinburg gefeiert und hier etwas geradezu Ungeheuerliches getan: „Er empfing in Gnaden Gesandte der Redarier und Liutizen, befriedigte die bisher Aufsässigen durch äußerst freundliche Geschenke und gefällige Zusicherungen und gewann dadurch alte Feinde zu engen Bundesgenossen.“132 Heinrich hatte ein Bündnis mit den heidnischen Todfeinden der Sachsen gegen die christlichen Polen geschlossen. Dies rief bei den Sachsen heftigste Empörung hervor, von der nicht nur Thietmar von Merseburg beredt Zeugnis gibt, der das Bündnis als sündhaft charakterisiert.133 Auch dieses Bündnis und die Aufregung, die es in Sachsen nachweislich hervorrief, könnte dem König wohl Anlass gegeben haben, den sächsischen Hauptheiligen wenig später demonstrativ zu ehren und ihn durch Bußleistungen zu versöhnen.
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An diesem Beispiel lassen sich methodische Probleme bei der Interpretation von symbolischen Akten sehr gut verdeutlichen: Eine symbolische Handlung wie das barfüßige Tragen von Reliquien eines Heiligen durch den Herrscher war zunächst mehr- oder vieldeutig. Erst durch den Kontext, in dem diese symbolische Handlung geschah, ergeben sich Kriterien, die den tieferen Sinn dieser Handlung erkennen lassen. Je mehr also vom Kontext bekannt ist, desto besser die Verständnismöglichkeiten. Da im Falle der Magdeburger Aktivitäten Heinrichs II. von der Überlieferung kein Einblick in den Kontext gewährt wird, bleiben verschiedene Möglichkeiten der Interpretation, die mehr oder weniger plausibel sind. Eine methodisch oder sachlich begründete Entscheidung für die eine oder die andere Lösung kann jedoch kaum mit der nötigen Sicherheit gefällt werden. Vielleicht haben sogar schon diejenigen, die diese herrscherliche Handlung konzipierten, die Deutungsmöglichkeiten bewusst offen gehalten. So konnten sich die Sachsen durch diese Demonstration davon überzeugen, dass sich der neue Herrscher von niemandem in der Verehrung des heiligen Mauritius übertreffen ließ. Dies konnte man als eine implizite Distanzierung von dem Heidenbündnis verstehen, das Heinrich allerdings aufrechterhielt. Und eine explizite Selbstkritik an seinen politischen Entscheidungen hatte er damit nicht geübt, da der Zusammenhang mit dem Bündnis allenfalls für die Wissenden gegeben war und leicht geleugnet werden konnte. Genau in dieser Möglichkeit zu unterschiedlicher Deutung liegt aber nicht zuletzt die besondere Leistungskraft rituellen Verhaltens, weil so in strittigen Fällen Konsensfassaden errichtet werden konnten, die es allen Beteiligten ermöglichten, sich mit dem Gezeigten zufrieden zu geben, weil sie es jeweils in ihrem Sinne deuten konnten.134 Vom ersten salischen Herrscher, Konrad II., sind keine demonstrativen Selbsterniedrigungen vor den himmlischen Mächten überliefert, was aber nicht dazu verleiten sollte, das Klischee vom „vollsaftigen Laien“ aufzufrischen, denn Konrad machte durchaus auf demonstrative Weise klar, dass auch er dem theokratischen Amtsverständnis seiner Vorgänger verpflichtet war.135 Expressive symbolische Handlungen, die in unseren Zusammenhang gehören, sind dann aber von Heinrich III. mehrfach bezeugt, dessen besondere Sensibilität in religiösen Fragen neuerdings thematisiert worden ist.136 Anlässlich des Begräbnisses seiner Mutter Gisela intensivierte er ein Verhalten, das schon Otto der Große bei der Beendigung des Konflikts mit seiner Mutter Mathilde gezeigt hatte.137 Auch bei Heinrich III. war ein Konflikt mit der Mutter vorausgegangen, von dem nicht bekannt ist, ob er zu ihren Lebzeiten beigelegt worden war. Der König tat jedenfalls beim Begräbnis der Mutter öffentlich Buße, indem er sein Purpurgewand ab-
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und ein Büßergewand anlegte. Er ging überdies barfuß und warf sich mit kreuzförmig ausgestreckten Armen vor dem ganzen Volk auf den Boden und vergoss Tränen, was wiederum alle Anwesenden zu Tränen rührte.138 Durch diese Bußleistungen habe er, schreibt Abt Bern von der Reichenau in einem Brief an den König selbst, den Priestern Gottes Genugtuung geleistet und die Barmherzigkeit Gottes erlangt.139 Heinrich hatte die Trauerfeier mit einem Bußritual intensiviert. Diese freiwillige öffentliche Leistung mit allen Attributen des büßenden Sünders tat dem Prestige des Herrschers ganz offensichtlich keinerlei Abbruch, im Gegenteil. Sie war Ausweis seiner humilitas und seiner Fähigkeit zu Reue und Buße, die er unaufgefordert nachwies, weil ihm die Rechtfertigung vor Gott entscheidender Antrieb seiner Handlungen war oder er sie als entscheidend darstellen wollte. Nicht anders verhielt sich Heinrich III., als ihm 1044 ein großer Sieg über die Ungarn gelang, in deren Thronkämpfe er mehrfach eingegriffen hatte. Die Siegesfeier des Heeres wurde nicht nur, wie es durchaus üblich war, zu einer Dankesfeier für die göttliche Hilfe ausgestaltet.140 Vielmehr warf sich der König barfuß und im härenen Gewand vor einer Reliquie des hl. Kreuzes auf den Boden und das ganze Heer tat es ihm nach. Man stimmte das ‚Kyrie eleison‘ an und verzieh sich gegenseitig alle Vergehen und gab sich Frieden.141 Doch damit nicht genug: Als man dann den rechtmäßigen ungarischen König Peter wieder in sein Amt einsetzte, suchte auch dieser mit einem Büßergewand bekleidet und barfuß die Kirchen Stuhlweißenburgs auf und stiftete kostbare Tücher für alle Altäre.142 Wenige Wochen später wiederholte dies Heinrich III., nach Regensburg zurückgekehrt, als er barfuß und im härenen Gewand durch alle Kirchen Regensburgs zog und die dortigen Altäre mit kostbaren Decken versah. Die Öffentlichkeit dieses Vorgangs betont der Chronist, indem er anfügt, dass noch nie in dieser Stadt das Frohlocken des Volkes wie der Fürsten größer gewesen sei.143 Die demonstrative Betonung der eigenen Sündhaftigkeit und die aus diesem Bewusstsein resultierende Bereitschaft zu Verzeihung und Vergebung überraschen als rituelle Handlungen nach einem Schlachtensieg. Dank an Gott für die gewährte Hilfe, so hat man noch kürzlich zu bedenken gegeben, sei zu erwarten, aber warum die betonte Haltung des Büßers?144 Auch hier ist die Mehrdeutigkeit der Vorgänge zur Zeit kaum stringent aufzulösen, selbst wenn man den langen Brief Berns von der Reichenau nutzt, in dem genau diese königlichen Handlungsweisen kommentiert und reflektiert werden. War David, der als einziger König im Alten Testament Buße tat, das Vorbild, oder wurde die Tötung von Feinden als bußwürdige Tat gewertet, oder aber kann der von Gott gewährte Sieg angesichts der eigenen Sünden nur in solcher Demut entgegenge-
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nommen werden? Wir können auf diese Fragen bisher keine schlüssigen Antworten geben. Angesichts des Gewichts der demonstrativen Bezeugungen von Reue und der Bereitschaft zu vergeben, wie sie in Heinrichs III. Verhalten fassbar werden, wirkt es aber wie ein Kontrapunkt, dass dieser Herrscher, vielleicht bei seiner Kaiserkrönung, jedenfalls aber am Grabe des hl. Petrus, den Herzog Gottfried von Niederlothringen ausdrücklich von der Verzeihung ausnahm, die er dort demonstrativ allen anderen Schuldnern gewährte.145 Damit war gewiss keine religiöse, sondern eine politische Botschaft beabsichtigt: Dieser Herzog habe so viel Schuld auf sich geladen, dass ihm nicht vergeben werden könne. Theologisch war solch eine Verhärtung kaum zu begründen. In dieser eigenartigen Handlung, von der wir nur in einem Satz hören und deren genaue rituelle Ausgestaltung wir daher nicht kennen, siegte augenscheinlich das irdische Rechts- und Machtbewusstsein über die christliche clementia und misericordia und über die Vorstellung von der eigenen Sündhaftigkeit, die Heinrich III. ansonsten so eindringlich in performative Akte umzusetzen verstand. Das Beispiel illustriert besonders eindringlich, wie bewusst rituelle Handlungen konzipiert wurden. Der Kaiser nutzte sicher gezielt die italienische Bühne für diesen demonstrativen Akt, weil ihm Gottfried durch seine Heirat mit der Markgräfin Beatrix von Tuszien in Italien besondere Probleme bereitet hatte.146 Zugleich warnt dieser Fall vor einer Deutung der rituellen Handlungen Heinrichs III., die allein die religiöse Motivierung seiner Handlungen thematisiert: Als imitatio Christi lässt sich Heinrichs Verhalten gegenüber Herzog Gottfried nicht verstehen.147 Die expressiven rituellen Ausdrucksformen königlichen Sünden- und Demutsbewusstseins fanden nach dem Tode Heinrichs III. keine kontinuierliche Fortsetzung. Von seinem gleichnamigen Sohn ist nur eine BarfußSzene überliefert, bei der es sich um eine der berühmtesten, wenn nicht die berühmteste Szene aus dem Mittelalter handelt: das dreitägige barfüßige Stehen im Innenhof der Burg Canossa.148 Bis heute ist nicht geklärt, ob diese ‚Leistung‘ des Königs verordnet war oder ausschließlich seiner eigenen Initiative entsprang. Zentrale Quellen widersprechen in dieser Frage einander diametral: Lampert von Hersfeld erscheint die Genugtuung verordnet; Gregor VII. stellt sie in einem Brief als eigenmächtigen Vorstoß des Königs dar. Dass sie die Genugtuungsleistung darstellen sollte, mit der er seine Bereitschaft zu Buße und Umkehr unter Beweis stellte, um wieder in die Gemeinschaft der Gläubigen aufgenommen zu werden, ist dagegen kaum zweifelhaft. Als rituelle Handlung stand sie ganz gewiss in der Tradition der vielen verordneten oder freiwilligen Selbsterniedrigungen der Könige, die gerade behandelt worden sind. Zugleich aber bekam sie nun eine neue symbolische Dimension, als
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durch die Geschehnisse von Canossa die Barfüßigkeit des Königs mit der Anerkennung einer päpstlichen Urteilsgewalt verknüpft worden war. Aus dieser Anerkennung folgte der höhere Rang der geistlichen Gewalt einigermaßen zwingend. Es wäre also kaum verwunderlich, wenn durch das Ringen um die ‚rechte Ordnung von Kirche und Welt‘ die Barfüßigkeit als Zeichen königlicher Demut und Sündhaftigkeit nicht mehr unbefangen hätte benützt werden können, weil sie nun mit Bedeutungen belegt werden konnte, die eine Unterordnung unter den Papst signalisierten.149 Nicht zufällig erwähnen verschiedene Quellen, dass Unterhändler des gebannten Heinrichs V. bei den Verhandlungen mit der päpstlichen Seite 1119 es als unerträglich ansahen, dass der Kaiser bei seiner Wiederaufnahme in die Gemeinschaft der Gläubigen barfüßig auftreten sollte. Die Verhandlungen scheiterten zunächst, vielleicht genau an diesem Problem. Als dann 1122 die Wiederaufnahme mit dem Wormser Konkordat vollzogen wurde, fehlt jeder Hinweis auf einen öffentlichen Akt, der irgendeine Form der Selbsterniedrigung des Herrschers gezeigt hätte.150 Es gibt in der Tat nach Canossa nur noch ganz vereinzelte Beispiele, in denen Herrscher des Reiches die rituelle Ausdrucksform der Barfüßigkeit benutzten. Eines stammt interessanterweise von dem eben genannten Heinrich V. selbst und es gehört in einen sehr signifikanten Kontext. Als dieser sich 1105 gegen seinen Vater erhob und diesen aus der Herrschaft verdrängte, zog er barfuß von Gernrode nach Quedlinburg, um dort am Osterfest mit den Sachsen über deren Beteiligung an seinem Vorhaben zu verhandeln.151 Es fällt nicht leicht, die Botschaft zu formulieren, die er mit diesem Tun an die Sachsen und an die Welt richtete. Tat er vorweg Buße für die Sündhaftigkeit seiner Erhebung gegen den Vater, dem er immerhin einen Eid geleistet hatte, ihm niemals die Herrschaft streitig zu machen? Signalisierte er den Sachsen und der Kirche, dass er, anders als sein Vater, die alten Zeichen des christomimetischen Königtums wieder ernst nehmen und die damit signalisierten Verpflichtungshorizonte erfüllen wolle: vor der exaltatio die humiliatio? Wir können die Mehrdeutigkeit des Signals heute kaum auflösen, da keine zeitgenössischen Anhaltspunkte überliefert sind. Die Sachsen haben Heinrich V. jedenfalls gegen seinen Vater unterstützt, das Zeichen hat also seine Funktion nicht verfehlt. Ein zweites Beispiel stammt von dem Sachsen, der Heinrich V. lange bekämpft und schließlich als ‚treuer Sohn der Kirche‘ selbst die Königs- und Kaiserwürde erlangt hatte: von Lothar von Supplinburg. Er ging 1137 anlässlich seines Besuches im Kloster Monte Cassino mit entblößten Füßen durch alle Kapellen des Klosters, so behauptet es zumindest die Klostergeschichtsschreibung.152 Ob dies als Akt ‚privater Frömmigkeit‘ oder als eine öffentliche Demonstration gedacht war, lässt sich angesichts der knappen
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Bemerkung des Chronisten nicht entscheiden. Über die bewusste Handhabung anderer Zeichen durch Lothar von Supplinburg wird später zu handeln sein.153 Man muss dann aber schon bis fast ans Ende der Stauferzeit gehen, um einen weiteren Fall kaiserlicher Barfüßigkeit zu entdecken, denn dass Friedrich Barbarossa sich bei seiner Versöhnung mit Papst Alexander III. in Venedig 1177 unbeschuht gezeigt habe, wie es eine lothringische Quelle behauptet, scheint angesichts detaillierter Nachrichten mehrerer Augenzeugen doch eine Reminiszenz an ältere Praktiken, die kaum der Realität entsprach.154 Friedrich II. hat dagegen dieses Zeichen benutzt, als er sich 1236 an der elevatio der Gebeine der hl. Elisabeth in Marburg beteiligte.155 Barfuß und in der Kutte der Zisterzienser half er den Sarg aus dem Grabe zu heben, um dann allerdings der Heiligen eine königliche Aura zu geben. Er setzte ihr nämlich eine goldene Krone aufs Haupt und legte einen goldenen Becher in den Sarg. Solche Belege, die durch einige andere aus verschiedenen Ländern ergänzt werden könnten, deuten jedoch nicht darauf hin, dass die Traditionen des 10. und 11. Jahrhunderts ungebrochen fortgelebt hätten. Wir können vielmehr begründet davon ausgehen, dass die Zeichen der Selbsterniedrigung, mit denen das ottonische und salische Königtum seine Befähigung zur Herrschaft rituell unter Beweis gestellt hatte, keine Dauer in der Zeit gewannen. Viel spricht dafür, dass die eindringliche Symbolik von Canossa dafür verantwortlich war, später gerade von dem Zeichen der Barfüßigkeit Abstand zu nehmen. Zu nachhaltig signalisierte es die Unterordnung unter die päpstliche Binde- und Lösegewalt, um es noch wie zuvor unbefangen als Zeichen für eine humiliatio gegenüber Gott zu benutzen. Doch ist das Verschwinden von königlicher Barfüßigkeit und königlichen Fußfällen nicht das einzige Indiz dafür, dass Canossa für die rituellen Ausdrucksmöglichkeiten der Könige nicht ohne Folgen blieb. Wir werden später noch zeigen, wie schwierig es war, nach Canossa neue und beiderseits akzeptierte Zeichen für das Verhältnis der Könige zur Kirche und namentlich zu den Päpsten zu etablieren.156
III.3.2 Demonstrative Selbsterniedrigung in der politischen Auseinandersetzung Es markiert gewiss einen gewaltigen Unterschied, ob sich ein König vor Gott und den Heiligen oder vor seinen eigenen Vasallen erniedrigte. Da wir aber im 11. und 12. Jahrhundert von königlichen Fußfällen vor Bischöfen und weltlichen Großen hören, scheint es lohnend, der Genese dieser
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rituellen Handlung gesondert nachzugehen, deren Funktion unzweifelhaft ist: Mit der Selbsterniedrigung, wie sie diese wohl inständigste Form der Bitte zum Ausdruck brachte, übte der Fußfällige einen starken Druck auf sein Gegenüber aus, die Bitte zu gewähren. Als Geste von Niederrangigen gegenüber Höheren, aber auch von einem König gegenüber Bischöfen, konnten wir sie bereits in der Merowinger- und Karolingerzeit beobachten. Gerade aus den Erzählungen Gregors von Tours ließ sich jedoch ableiten, dass die Geste des Fußfalls eher als Verzweiflungsakt in Situationen höchster Not bezeugt ist denn als probates Mittel in der Kommunikation unter Vertrauten mit sicherer Aussicht auf Erfolg.157 Auch die Belege aus der Karolingerzeit für erfolgreiche Fußfälle sind noch durchaus spärlich, selbst wenn wir mit dem päpstlichen Fußfall vor Pippin und den Franken in Ponthion bereits ein Beispiel für den bewussten Einsatz dieses Mittels beobachten konnten, das gewissermaßen die Urszene darstellen könnte, die sozusagen Schule machte. 158 Es lassen sich jedoch aus dieser Zeit kaum Belege anfügen, in denen Vasallen auf diese Weise erfolgreich ihre Bitten oder Anliegen ‚vortrugen‘, nimmt man einmal den Fußfall im Rahmen einer deditio aus, mit dem natürlich gleichfalls eine Bitte – die um Vergebung – zum Ausdruck kam.159 Wie aber kam es gewissermaßen zum Siegeszug des Fußfalls als ritualisierte Handlung, um Bitten besonderen Nachdruck zu verleihen? Wenn die Überlieferung nicht trügt, erweiterten sich die Anwendungsbereiche des Fußfalls in der Kommunikation der Führungsschichten, ausgehend vom Unterwerfungsritual, in dem er als zentraler Akt begegnet. Die Häufigkeit der Belege für einschlägiges Verhalten steigt aber erst seit der späteren Ottonenzeit erkennbar an. Es ist damit eine Parallele zu konstatieren: So wie die symbolischen Formen im Umgang mit Gott und den Heiligen im endenden 10. Jahrhundert expressiver wurden, so auch die in der innerweltlichen Kommunikation. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien einige signifikante Fälle vorgestellt. Der Vertraute Ottos II., der Merseburger Bischof Giselher, ergriff eine Gelegenheit beim Schopf, als er von einer Delegation Magdeburger Domkleriker gebeten wurde, sich für ihre Sache beim Herrscher zu verwenden: „Er versprach ihnen, sich getreulich für sie verwenden zu wollen, doch nur sich selbst erwies er sein äußerstes Wohlwollen in dieser Angelegenheit. Als er nämlich den Auftrag dem Kaiser zu Gehör brachte, warf er sich ihm flehend zu Füßen, erbat den versprochenen und lange fälligen Lohn für seine langjährigen Bemühungen und erlangte ihn mit Gottes Willen sofort.“160 Die Sache, um die es ging, war die Nachfolge auf den Magdeburger Erzstuhl, die sich Giselher angeblich auf die geschilderte Weise verschaffte. Der Fußfall eines Vertrauten, verbunden mit der Bitte um längst verdienten Lohn, wird hier also als offensive und erfolgreiche Interessen-
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vertretung eingeschätzt, und dies gilt unabhängig davon, ob die Sache so abgelaufen ist oder nicht. Gleichgerichtet war das Verhalten St. Galler Mönche, die von ihrem Konvent mit einem Anliegen an den ottonischen Königshof geschickt worden waren. Sie wandten sich zunächst an einen Mitbruder, der an diesem Hof Einfluss hatte. Zusammen mit diesem trafen sie zufällig auf Herzog Otto von Schwaben und König Otto II., der fragte: „‚Meister, wer sind jene Väter?‘ ‚St. Galler‘, erwiderte dieser Mönch, ‚sind es, die auch heute deine Hilfe benötigen.‘ Und sie fielen den beiden zu Füßen, indes Ekkehard (der Mönch am Hof) kurz ihr Anliegen erläuterte.“161 Die Bitte um Hilfe, die der Fürsprecher vorbrachte, wurde also durch den Fußfall der Mönche performativ unterstützt. Die Geste der Selbsterniedrigung unterstrich die Eindringlichkeit der Bitte und machte es dem so Gebetenen schwer, sich zu verweigern. Otto II. versprach denn auch, sich der komplizierten Sache anzunehmen. In gleicher Bedeutung wandten Abt und Konvent von St. Emmeram im Jahre 994 diesen Bittgestus an, als sie Otto III. bei seinem Besuch des Klosters auf dem Boden liegend empfingen: Der König war gekommen, um Streit zwischen dem Bischof von Regensburg und dem Konvent zu entscheiden. Auch hier war der eindringliche Gestus erfolgreich, denn der König gewährte dem Abt ein Gespräch unter vier Augen, wodurch die Sache eine positive Wendung nahm.162 Zweimal begegnet die Technik, Bitten durch demonstrativ selbsterniedrigende Akte so zu unterstützen, dass sie nicht abgelehnt werden konnten, in den Darstellungen des Streites der Bischöfe von Hildesheim und Mainz um das Damenstift Gandersheim. In einem Fall erreichte der Erzbischof Willigis von Mainz sein Ziel einfach dadurch, „dass er in schier unglaublicher Weise darum bat“163. Wie er das tat, wird nicht genauer beschrieben, doch spricht wohl alles dafür, dass er seine Interessen mit einem Fußfall oder ähnlich eindringlichen Handlungen durchsetzte. Dies wird vor allem dadurch sehr wahrscheinlich, dass ein Nachfolger auf dem Mainzer Erzstuhl, Aribo, später in der Tat mit einem Fußfall vor seinem Hildesheimer Amtsbruder versuchte, diesen zum Einlenken zu bewegen. Dies geschah angeblich in dem Moment, als der Hildesheimer seinerseits überlegte, ob er nicht das Gleiche versuchen solle. Dem Zwang, der Bitte zu entsprechen, entkam der Hildesheimer dann nach Hildesheimer Schilderung dadurch, dass er sich seinerseits vor dem auf dem Boden liegenden Mainzer niederwarf, „sich sowohl im Herzen als auch mit dem Körper demütigend“, und in dieser Position dann auf seinen Rechten beharrte.164 Solche Beispiele könnten gerade den modernen Betrachter zu der Annahme bringen, man habe sich solcher Ausdrucksformen bereits ironisch bedient, sie in jedem Fall aber instrumentell und funktional genutzt, um
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eine erwünschte Wirkung zu erzielen. Dies wird man zumindest in Einzelfällen kaum ausschließen können. Doch ist auf eines nachdrücklich hinzuweisen: Auch eine Instrumentalisierung oder ironische Nutzung symbolischer Verhaltensmuster tat ihrer Verbindlichkeit keinen Abbruch. Dass man mit unaufrichtiger Durchführung einschlägiger Handlungen rechnete, zeigt etwa das Beispiel des Erzbischofs Hunfried von Ravenna, der sich Papst Leo IX. 1051 öffentlich zu Füßen warf, um von der Exkommunikation gelöst zu werden. Nachdem dies geschehen war, habe er sich grinsend erhoben, erzählt die Vita Leos IX., und überdies: Der Papst habe sofort prophezeit, dass der Erzbischof diesen Missbrauch des RekonziliationsRituals nicht lange überleben werde – und so sei es auch eingetroffen.165 Daraus folgt: Natürlich rechnete man mit der trügerischen Verwendung der Zeichen. Das aber war ein Missbrauch, den Gott bestrafte und gewiss nicht nur er. Dass der Fußfall als performatives Symbol der Eindringlichkeit von Bitten in der politischen Kommunikation mehr als eingeführt war, zeigen dann die Verhandlungen, die in der Zeit Heinrichs IV. um die Beilegung der so genannten Sachsenkriege geführt wurden. Bei den Friedensverhandlungen in Gerstungen, die im Oktober 1073 zwischen den Anführern der Sachsen und Bischöfen und Fürsten aus dem Heere Heinrichs IV. stattfanden, passierte nach Lampert von Hersfeld Folgendes: „Die sächsischen Magnaten baten die Fürsten, die der König gesandt hatte, fußfällig um Gottes Willen, bei der Behandlung ihrer Sache genau zu prüfen und gerecht zu richten und dabei nicht in Betracht zu ziehen, was für ein folgenschweres und im Reich ungewöhnliches Unternehmen sie in Angriff genommen hätten, sondern durch welche Notlage sie zu diesem Äußersten gezwungen worden seien.“166 Auch als 1075 erneut eine Gruppe von fürstlichen Vermittlern zu Verhandlungen mit den Sachsen kam, griffen die Sachsen zum gleichen Mittel: „Als diese (die Vermittler) nun in das sächsische Lager kamen, beschworen die sächsischen Fürsten sie kniefällig bei Gott, sich ihrer in ihrem Unglück zu erbarmen; des Königs Härte habe sie zunächst gezwungen, diese schreckliche Untat (sc. die bewaffnete Erhebung) zu wagen, und nun, da sie besiegt und fast bis zur Ausrottung vernichtet seien, wolle er sie in unersättlichem Hass tödlichen Martern aussetzen.“167 Die Belege mögen ausreichen, um nachzuweisen, dass in der Kommunikation der Führungsschichten mit dem König und untereinander der Fußfall als symbolische Handlung gebräuchlich, ja üblich war. Er sollte die Eindringlichkeit einer Bitte und die Notwendigkeit ihrer Gewährung sinnfällig machen. Man wird einen Unterschied zum Fußfall im Ritual der deditio wohl betonen dürfen: In den eben geschilderten Fällen war nichts zuvor vereinbart, man hatte sich über den Erfolg des Fußfalls nicht zuvor
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verständigt. Die Wirkungsmacht dieser rituellen Handlung resultierte vielmehr daraus, dass die Selbsterniedrigung den Adressaten in Zugzwang brachte. Ihm blieb eigentlich nur die Wahl, der so ausgedrückten Bitte zu entsprechen oder sich vom Bittenden auf fundamentale Weise zu distanzieren. Dies war naturgemäß besonders dann schwierig, wenn ansonsten ein Vertrauensverhältnis bestand. Derartig vorgetragene Bitten erfüllten damit den Tatbestand einer doch massiven Nötigung. Umso interessanter ist es, dass sich seit dem 11. Jahrhundert auch Könige dieses Mittels gegenüber ihren Getreuen bedienten – und sich so in prekären Situationen durchsetzten. Nicht in diese Tradition stellen würde ich die schon behandelten Beispiele, in denen sich Könige auf den Boden warfen, um eigene Sünden oder eigenes Fehlverhalten zu bekennen und um Verzeihung zu bitten. Natürlich war dann eine gewisse Nähe zu den gleich vorzustellenden Fällen gegeben, wenn sich der König, wie im Falle Ottos des Großen oder Ottos II., vor seiner Mutter zu Boden warf und sie um Verzeihung bat, denn mit seiner Handlung nötigte er die Mutter natürlich in stärkster Weise, ihm die erbetene Verzeihung zu gewähren, wenn man sich nicht bereits zuvor auf diese Art der Versöhnung verständigt hatte.168 Doch seit dem 11. Jahrhundert begegnet der Fußfall, um bestimmte inhaltliche Entscheidungen zu erreichen, den politischen Willen durchzusetzen – und dies markiert eine andere Qualität des Einsatzes dieser zeichenhaften Handlung, man kann auch sagen eine andere Qualität der Instrumentalisierung dieser symbolischen Handlung. Zum ersten Mal ist dies, wenn ich richtig sehe, in synodalem Kontext passiert. Als nämlich König Heinrich II. 1007, wie er selbst formulierte, „Christus zu seinem Erben einsetzen“ wollte, da ihm leiblicher Nachwuchs versagt bleibe, und er deshalb in Bamberg ein Bistum zu gründen versuchte, eröffnete er die Kirchensynode, die eine Entscheidung über das Vorhaben fällen sollte, damit, dass er der Versammlung zu Füßen fiel. Erzbischof Willigis hob ihn auf und erst dann eröffnete der König den versammelten Bischöfen und Klerikern seinen Plan, der natürlich bereits bekannt war und gegen den sich schon Widerstand formiert hatte, den man überaus ernst nehmen musste. Der Würzburger Bischof war als Hauptbetroffener und Zustimmungsberechtigter nämlich der Synode ferngeblieben und hatte nur einen Vertreter geschickt, womit nach Kirchenrecht eine positive Entscheidung der Angelegenheit eigentlich bereits unmöglich gemacht wurde. Der königliche Fußfall, über dessen Faktizität angesichts der Überlieferungslage kaum Zweifel möglich sind, hatte also die Funktion, durch die Selbsterniedrigung bereits im Vorhinein eine Ablehnung zu erschweren bzw. unmöglich zu machen. Doch damit nicht genug: Als im Verlauf der
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Versammlung der Vertreter Würzburgs Einwände vorbrachte, warf sich der König immer dann, wenn er eine Wirkung der Argumente auf die Versammelten befürchtete, der Versammlung erneut zu Füßen. „Du selber würdest, wie ich dich kenne, wärest du zugegen gewesen, Mitleid mit ihm gehabt haben“, schrieb Bischof Arnulf von Halberstadt an den fraglichen Würzburger Bischof Heinrich.169 Und Thietmar von Merseburg bestätigt die Intention und Wirkung des königlichen Fußfalls: „Jedes Mal, wenn der König während der Verhandlungen einen ausweichenden Rechtsspruch kommen sah, warf er sich demütig zu Boden.“170 Er hatte Erfolg, denn unwidersprochen lenkten schließlich seine Vertrauten Willigis von Mainz und Tagino von Magdeburg die Versammlung zu einer positiven Entscheidung. Die königliche Selbsterniedrigung, so ist unzweifelhaft, hatte einem frommen Zweck gedient: der Einrichtung einer Stätte, die der Ausbreitung des Glaubens und der Verehrung Gottes dienen sollte. Insofern ist dem Verhalten Heinrichs II. eine große Nähe zu den Akten zu attestieren, mit denen sich Könige vor Gott demütigten. Dennoch ging es auch um eine kirchenpolitische Entscheidung und man hat kürzlich nicht zu Unrecht formuliert: „Frankfurt (d. h. die Synode) war der Prüfstein für Heinrichs II. Königtum schlechthin.“171 Es macht also durchaus Sinn, wenn in einer solchen Entscheidungssituation ein rituelles Verhaltensmuster in neuer Weise benutzt worden wäre. Jedenfalls scheint es so, als seien diese Fußfälle Heinrichs II. die ersten eines Königs, die eine Sachentscheidung erzwingen wollten, wenn man von dem frühen Beispiel des Merowingerkönigs Chilperich, von dem schon die Rede war, einmal absieht. Vorbereitet worden waren sie gewiss durch gleichartige Praxis der Großen untereinander und gegenüber dem König. Nicht lange danach ist ein zweiter Fall bezeugt, in dem der Nachfolger Heinrichs, Konrad II., sich dieses Mittels in sehr vergleichbarer Situation bediente. Im Jahre 1035 machte der Herrscher seinem langjährigen Widersacher, dem Herzog Adalbero von Kärnten den Prozess. „Alter Hass“ habe ihn dazu angetrieben, sagt ein Kleriker in einem vertraulichen Schreiben über die Vorgänge an den Bischof Azecho von Worms, in dem auch die folgenden Einzelheiten überliefert sind.172 Nach Meinung der Forschung war es ein ‚politischer Prozess‘, mit dem Konrad den Sturz des missliebigen Herzogs betrieb. Die Großen verlangten jedoch, dass zur Urteilsfindung auch der Sohn Konrads, der spätere König Heinrich III., hinzugezogen werden müsse. Als dies geschehen war, erlebte der Vater eine böse Überraschung, denn der Sohn weigerte sich, gegen den Herzog zu urteilen, weil er mit diesem durch ein pactum, wohl einen Freundschaftsvertrag, verbunden sei. Diese ihm unbekannte Verbindung erregte den König zunächst so, dass er in Ohnmacht fiel. Wieder erwacht, bestellte er den Sohn und die Großen erneut zu sich, und nun fiel er seinem Sohn in dieser
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Versammlung zu Füßen und bat ihn dabei inständig und unter Tränen, den Feinden des Vaters nicht Anlass zur Freude zu geben, dem Herrscher aber Schmach zu bereiten, indem er bei seiner Weigerung bliebe.173 Wie im Falle Heinrichs II. wird die demonstrative Selbsterniedrigung des Herrschers also bewusst und in der Öffentlichkeit der Großen eingesetzt, um Widerstand zu brechen. Erst dadurch erfuhr Konrad von seinem jungen Sohn, dass es der Bischof Egilbert von Freising, sein Erzieher, gewesen war, der ihn zum eidlich bekräftigten Bündnis mit Herzog Adalbero veranlasst habe. Daraufhin richtete sich der ganze Zorn des Kaisers natürlich gegen diesen Bischof. Durch seinen Fußfall aber hatte der Herrscher den Widerstand des Sohnes besiegt, der sich nun am Absetzungsverfahren gegen Herzog Adalbero beteiligte, das denn auch erfolgreich zu Ende gebracht wurde. Durch den vertraulichen Brief des Wormser Klerikers an seinen Bischof ist wohl gesichert, dass sich das Geschehen in dieser Form abgespielt hat. Wir haben wie im Falle Heinrichs II. also auch hier eine weitgehende Gewissheit, dass der königliche Fußfall ein tatsächlich eingesetztes und sehr wirkungsvolles Mittel in der politischen Auseinandersetzung war, das dem Gegenüber kaum Möglichkeiten ließ, sich dieser Wirkung zu entziehen.
III.3.3 Selbstdemütigungen Heinrichs IV. Eine solche Gewissheit lässt sich im Falle Heinrichs IV. letztlich nicht gewinnen, von dem eine ganze Reihe von Fußfällen vor einzelnen wie vor Gruppen von Magnaten überliefert ist. Man kann direkt sagen, dass er das Mittel der demonstrativen Selbsterniedrigung inflationär eingesetzt zu haben scheint. Allerdings stammen die meisten Belege aus der Feder seiner Gegner und es ist sicher nicht ganz auszuschließen, dass diese die eine oder andere Geschichte aufgebauscht oder gar erfunden haben, um falsches, weil unwürdiges Verhalten Heinrichs IV. anzuprangern. Insgesamt fügen sich die Berichte jedoch in die hier vorgestellte Belegkette nahtlos ein, und überdies gibt es auch Zeugnisse aus der Feder seiner Anhänger und sogar ‚Ego-Dokumente‘. Fußfälle Heinrichs IV. vor den Großen begegnen zuerst in den so genannten Sachsenkriegen, als der König auf diese Weise versuchte, die zögernden Magnaten des Reiches zur Unterstützung der königlichen Sache zu bewegen. Zum Mittel des Fußfalls scheint Heinrich vor allem dann gegriffen zu haben, wenn das sächsische Verhalten aus seiner Sicht besonders verwerflich war und er guten Grund hatte, Unterstützung seiner Sache zu fordern. Dies war zum ersten Mal der Fall, als die Sachsen Heinrich nach gescheiterten Verhandlungen auf der Harzburg einschlos-
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sen und er sich nur durch heimliche Flucht mit wenigen Begleitern retten konnte.174 Darauf reagierte Heinrich wie folgt: „Der König ordnete nun durch Boten an, dass Herzog Rudolf von Schwaben und die übrigen Fürsten, die bei ihm waren, ihm so schnell wie möglich entgegenziehen sollten. Als sie ankamen, fiel er ihnen zu Füßen und bat sie um Gottes Willen, den sie zum Zeugen angerufen hätten, als sie ihm Treue schworen, mit seinem unglücklichen Schicksal Mitleid zu haben und sich gleichzeitig darüber zu empören. Die gemeinsam von ihnen gewährten Vergünstigungen seien ihm geraubt worden durch die Bosheit einiger weniger, die ungeachtet ihres Eides, ungeachtet (seiner) Gunstbeweise (…) ihm außer dem Thron auch noch das Leben geraubt hätten, wenn er sich nicht der Gefahr durch die Flucht entzogen hätte. Das Verbrechen der Majestätsbeleidigung betreffe nicht ihn allein, sondern es sei eine öffentliche Beschimpfung all derer, die ihn zum König gewählt hätten und durch deren Hilfe er eigentlich vor ruchlosen Gesellen hätte sicher sein müssen (…). Als er so sprach, entlockte er durch seine schmachvollen Erlebnisse wie durch die Ergüsse seiner mitleiderregenden Klage allen Anwesenden Tränen.“175 Dieser Fußfall des Königs vor den Reichsfürsten, der seine verbalen Klagen wirkungsvoll unterstützte und die gewünschte Wirkung nicht verfehlte, wie man an der Erwähnung der Tränen ablesen kann, war der Auftakt einer ganzen Serie von Fußfällen, mit denen sowohl die Sachsen als auch Heinrich selbst in den dramatischen Bemühungen um eine Lösung der verwickelten Probleme immer wieder arbeiteten.176 Gesteigert erscheint die Geste der Selbsterniedrigung in der Darstellung Brunos, als Heinrich 1075 auf Grund sächsischer Grab- und Reliquienfrevel bei der Zerstörung der Harzburg nun erneut gute Argumente gegen die Sachsen hatte. Wieder korrespondiert die Eindringlichkeit der verbalen Argumentation des Königs mit seinen performativen Handlungen der Selbsterniedrigung: „Er versammelte also die Fürsten jener Lande, warf sich bald vor den Einzelnen, bald vor der ganzen Versammlung demütig zu Boden und erhob Klage, dass das Unrecht, das ihm früher mit seiner Vertreibung zugefügt worden sei, ihm nun unbedeutend erscheine, dieses neue aber groß und unsühnbar. Mit dem früheren habe man nur ihn und die Fürsten missachtet, mit diesem aber sei dieser Verachtung auch noch die der himmlischen Heerscharen, und, was schwerer als dieses wiege, die der göttlichen Majestät hinzugefügt worden. Mit Tränen erzählte er ihnen, dass er gegen seinen eigenen Willen ihrem Rat nachgebend den Sachsen seine mit königlichem Aufwand errichtete Burg zur Zerstörung übergeben habe. Jene aber hätten nicht allein diese (…) auf mancherlei Weise zerstört, sondern darüber hinaus das Gott und seinen Heiligen geweihte Stift mit ärgerem Wüten als die Heiden bis auf den
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Grund niedergerissen (…). Seinen Bruder und seinen Sohn, beide Söhne von Königen, hätten sie in Mitleid erregender Weise aus ihren Gräbern gerissen und ihre Glieder in alle Winde zerstreut. Das Entsetzlichste aber sei, dass sie die Reliquien der Heiligen mit entweihender Hand von den geweihten Altären gerissen und wie Unrat auf unheiligen Stätten zerstreut hätten. Das alles brachte er unter Tränen vor, dann küsste er jedem die Füße und bat, sie möchten wenigstens die Gott und seinen Heiligen angetane Schmach nicht ungestraft lassen, wenn sie schon das ihm selbst zugefügte Unrecht nicht rächen wollten.“177 Es spricht eigentlich nichts dafür, dass Bruno hier Heinrich diffamieren wollte, indem er ihm ein für einen König unwürdiges Verhalten unterschob. Das geschilderte Verhalten war in den Denkkategorien der Zeit nicht unwürdig, wie wir an den anderen bisher behandelten Fällen ablesen können. Die Eindringlichkeit der Argumente wurde vielmehr von gleichermaßen eindringlichen Handlungen begleitet, von denen die ungewöhnlichste gewiss der Fußkuss darstellt, den im Westen bekanntlich nur der Papst forderte und später in reverentia Christi selbst vom Kaiser erhielt.178 Ob sich Heinrich IV. in der für ihn dramatischen Situation zu dieser den Fußfall noch steigernden Handlung entschloss, oder ob dieses Detail Zutat der Fama oder des Autors ist, lässt sich sicher nicht entscheiden. Die Diffamierung des Königs besteht in dieser Darstellung hingegen darin, dass es ihm trotz der Argumente und trotz der Handlungen, die er auf allen Fürstenversammlungen wiederholt habe, angeblich nur mit Mühe und Verzögerung gelang, die erbetene Unterstützung wirklich zu erhalten. Auch die Erwähnung eines weiteren Fußfalls Heinrichs IV., nun allein vor Herzog Rudolf von Schwaben, geschieht beiläufig und ist eher ein Argument für die Selbstverständlichkeit, die derartiges königliches Verhalten für die Autoren in dieser Zeit hatte. Heinrich dankte dem Herzog Rudolf nämlich mit einem Fußfall für eine Information über die nahen sächsischen Truppen und ihre Ahnungslosigkeit, die man zu einem Angriff ausnutzen solle, zu dem der Herzog selbst mit aller Kraft drängte, „um durch Eifer für den König den Verdacht zu beseitigen, selbst nach der Krone gestrebt zu haben“179. Dass der Fußfall in der Tat als eindringlichste Form der Bitte auch als königliches Verhalten akzeptiert war, beweist aber wohl die Darstellung der Vita Heinrici IV., die ja in höchst eigenwilliger und dramatisierender Weise Leben und Politik des Kaisers nach seinem Tode rechtfertigt.180 Sie schildert ausführlich, wie Heinrich IV. von seinem gleichnamigen Sohn der Herrschaft beraubt wurde und in dieser Situation auf einem Hoftag zu allen argumentativen und performativen Mitteln griff, die ihm zur Verfügung standen: „Allein stand er vor denen, die noch vor kurzem vor ihm gestanden hatten. Und ohne das Recht freier Rede zu haben, sprach er so,
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wie es die Lage eines Gefangenen erfordert. Auf die Frage, ob er freiwillig auf das Reich verzichte, antwortete er nicht so, wie er eigentlich wollte, sondern sagte das, wozu die Notlage ihn zwang: Er verzichte auf das Reich nicht gewaltsam gezwungen, sondern aus eigenem Willen; seine Kräfte seien schon zu schwach, um die Zügel der Herrschaft zu führen, er habe kein Verlangen mehr, sie festzuhalten, denn durch lange Erfahrung habe er gelernt, dass sie mehr Last als Ruhm bringe. Es sei an der Zeit, Würde und Bürde abzulegen und für das Heil seiner Seele zu sorgen. Nur möge sein Sohn sich davor hüten, etwas gegen ihn zu unternehmen, was unwürdig sei, sowohl für den Handelnden wie für den, der es erdulden müsse. Viele rührte die Rede des Kaisers zu Seufzern und Tränen, nur den Sohn konnte noch nicht einmal die Natur selbst zum Erbarmen bewegen. Und als der Vater dem Sohn zu Füßen fiel und ihn anflehte, doch wenigstens das Naturrecht ihm gegenüber zu beachten, da wandte er weder sein Gesicht noch sein Herz dem Vater zu. Dabei wäre es doch an ihm gewesen, sich dem Vater zu Füßen zu werfen, denn er hatte ihm ja das Reich, zu dessen Erbe er von ihm selbst bestimmt war, ungeduldig über die Verzögerung entrissen. Er (sc. Heinrich IV.) bat dann auch alle um Verzeihung, denen er je Unrecht getan habe. Ebenso warf er sich auch dem päpstlichen Legaten zu Füßen und bat und beschwor ihn, ihn vom Bann zu lösen. (…) Die Laien verziehen ihm, von Mitleid gerührt, der päpstliche Legat aber verweigerte ihm die Lossprechung mit der Begründung, dies liege nicht in seiner Macht, vom Papst selbst müsse er die Gnade der Lossprechung erwarten.“181 Von Fußfällen vor dem eigenen Sohn und dem päpstlichen Legaten hatte auch Heinrich IV. selbst in Briefen an den französischen König und an seinen Taufpaten, den Abt Hugo von Cluny, berichtet, in denen er seine Behandlung und deren Ungerechtigkeit ausführlich darstellte. Die Tatsächlichkeit der königlichen Handlungen steht in diesem Falle also außer Zweifel und auch ihre Bewertung als probates Mittel, um in möglichst eindringlicher Form auf einen Kontrahenten Einfluss auszuüben. Heinrich IV. erwähnt sogar, dass sein Sohn sich seinerseits in gleicher Weise dem Vater zu Füßen warf, um denselben Effekt zu erzielen: „Nachdem wir uns dort getroffen hatten, warfen wir uns ihm sogleich zu Füßen und baten einzig um Gottes und seiner Seele willen aufs Innigste, er möge doch von der unmenschlichen Verfolgung seines Vaters ablassen. Er aber warf sich seinerseits unter dem Anschein und Deckmantel des Friedens und Einverständnisses uns zu Füßen und bat unter Tränen und beschwor uns, wir möchten uns ihm bei seiner Seele und seiner Treue anvertrauen und, da er von unserem Bein und Fleisch sei, nicht zögern, mit ihm zu dem genannten Tag nach Mainz zu gehen.“182 Wie selbstverständlich sich auch Heinrich V. der performativen Aus-
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drucksformen der Selbsterniedrigung bediente, hatte sich bereits kurz zuvor gezeigt, als er bei den Sachsen um Unterstützung für seine Erhebung gegen den Vater warb. Er hatte sich nämlich mit den sächsischen Großen in Quedlinburg am Osterfest zu diesbezüglichen Verhandlungen verabredet, verbrachte den ersten Teil der Karwoche in Gernrode, dessen Kirche durch ein heiliges Grab besonders für die Feiern der Kar- und Osterliturgie geeignet war, und zog dann barfüßig von Gernrode nach Quedlinburg zu diesen Verhandlungen.183 Welche Botschaft er mit diesem Auftritt beabsichtigte, ist nicht ganz leicht zu formulieren. Am wahrscheinlichsten ist wohl, dass er so sein Sünden- und Bußbewusstsein zum Ausdruck brachte, weil er so lange mit dem gebannten Vater Gemeinschaft gepflegt hatte. Diese Botschaft scheint ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben, denn Heinrich V. erreichte die Unterstützung der Sachsen für sein Vorhaben. Gerade für das 11. Jahrhundert ist also eine ganze Reihe von Akten königlicher Selbsterniedrigung zu notieren, die sich in den dramatischen Auseinandersetzungen der Zeit Heinrichs IV. signifikant häufen. Die Anwendungsfelder der demonstrativen Selbstdemütigung des Königs verbreiterten sich vom Sündenbekenntnis gegenüber den himmlischen Mächten zur eindringlichen Bitte gegenüber Getreuen oder auch Gegnern, die man kaum abschlagen konnte. Aber durchaus nicht immer waren solche Bitten erfolgreich, wie gerade die letzten Beispiele zeigten. Für das Verständnis ist aber wichtig zu notieren, dass mit dem 12. Jahrhundert die Phase der dichten Bezeugung dieses königlichen Verhaltens beendet ist. Barfüßigkeit und Fußfall treten im Repertoire königlichen Verhaltens stark zurück. Die Fälle, in denen diese Zeichen noch benutzt werden, sind signifikant und werden im nächsten Kapitel eingehender diskutiert.184 Man dürfte insgesamt aber nicht fehlgehen in der Einschätzung, dass die Krise der Königsherrschaft Heinrichs IV., die einen exzessiven Gebrauch der einschlägigen Zeichen mit sich brachte, der zumindest in Teilen auch bewusster Missbrauch und Instrumentalisierung war, auch eine Krise dieser Zeichen verursachte. Nach Canossa war die Botschaft, die ein barfüßiger König aussandte, wohl nicht mehr in gleicher Weise und unbefangen aufzunehmen als direkter Ausdruck seines Verhältnisses zu Gott, sondern symbolisierte zugleich die Unterordnung unter die päpstliche Gewalt. Die humiliatio, die den König von Gottes Gnaden im 10. und 11. Jahrhundert erst legitimiert hatte, stand seinen Nachfolgern daher nicht mehr in gleicher Weise zu Gebote. Folgerichtig traten die Zeichen, mit denen diese humiliatio zum Ausdruck gebracht wurde, zurück: Fußfall und Barfüßigkeit riefen Assoziationen hervor, die man eher vermeiden wollte. Dies nötigte zu einem Umbau der rituellen Verhaltensmuster der Könige, von dessen Problemen und Ergebnissen wir im 12.Jahrhundert viel hören.
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III.4 Zusammenfassung Öffentliche Kommunikation in den Herrschaftsverbänden des 10. und 11. Jahrhunderts ist nach den Beobachtungen dieses Kapitels in einem Ausmaß ritualisiert gewesen, das die Verhältnisse des 9. Jahrhunderts deutlich in den Schatten stellt, obgleich die Überlieferung dieser Zeiten unter quantitativen Gesichtspunkten eigentlich kaum differiert. Wir sind nach diesen Beobachtungen daher wohl berechtigt, von einer Entwicklung zu sprechen, die den Einsatz ritueller Verhaltensmuster in immer mehr Bereichen und in immer differenzierteren Formen mit sich brachte. Denn dass es all die Formen rituellen Verhaltens, die hier vorgestellt wurden, auch im 9. Jahrhundert bereits gegeben haben könnte, sie nur in der Überlieferung nicht erwähnt wurden, ist wohl kaum plausibel zu machen. Was diese Entwicklung aber auslöste, begünstigte und vorantrieb, ist im Einzelnen schwer zu sagen. Ganz gewiss wird man monokausalen Erklärungen misstrauen und auch eine Eigendynamik der Entwicklung in Rechnung stellen: Hatte sich die Leistungsfähigkeit rituell-symbolischer Kommunikation einmal auf einem Feld erwiesen, lag es nahe, diese auch auf anderen Gebieten zu erproben. Solche Transfers können wir ebenso konkret nachweisen wie Analogiebildungen unterschiedlichster Art. Wie schon in der Karolingerzeit standen liturgische und paraliturgische Vorbilder sozusagen als Vorbildformen zur Verfügung, die sich in säkulare Bereiche transferieren ließen. Das gilt für einzelne Gesten wie die des Fußfalls, mit dem der Sünder seine Bereitschaft zur Buße, der Gegner im säkularen Konflikt seine Unterwerfung, aber auch der Bittsteller die Dringlichkeit seiner Bitte anzeigte. Überhaupt ist ja stets gegenwärtig zu halten, dass die Ritualsprache mit einem relativ kleinen Set an Gesten, Gebärden und Handlungen auskam, mit denen jeweils grundsätzliche Aussagen bezüglich Über- und Unterordnung oder auch Gleichrangigkeit, Huld oder Ungnade, Frieden oder Dissens zum Ausdruck gebracht werden konnten. Über solche allgemeinen Einschätzungen hinaus lässt sich an dem vorgestellten Material des 10. und 11. Jahrhunderts aber auch eine Reihe signifikanter Befunde belegen, die hier zusammenfassend noch einmal angesprochen seien. 1. Die gestiegene Bedeutung der geistlichen wie der weltlichen Großen wird sehr deutlich in ihren Handlungen und Rollen auf den Feldern ritueller Kommunikation gespiegelt. Dies lässt sich einmal an vielen Hulderweisen und ehrenden Aktivitäten ablesen, mit denen Herrscher dem Gewicht der Großen oder einzelner Großer Rechnung trugen. Hierzu gehören ganz gewiss die Funktionen, die geistliche Große als mahnende Kontrollinstanz über die Könige ausübten, sei es durch rituelle Mahnungen bei der
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Königserhebung, sei es durch Predigten, in denen Herrscher auf ihre Verpflichtungen in einem Einzelfall hingewiesen wurden. Das politische Gewicht, das so in verschiedensten rituellen Zusammenhängen zum Ausdruck kommt, dürften die Bischöfe auch im konkreten Prozess der Machtausübung zur Geltung gebracht haben, wie wir an Einzelbeispielen sicher bestätigt finden. Genauso wird dies aber deutlich, wenn man die rituellen Formen analysiert, in denen nun die Unterordnung der Großen dargestellt wurde. Solche Unterordnung wurde insbesondere dann nötig, wenn Große ihr Recht wahrgenommen hatten, auch gegen den König einen bewaffneten Konflikt zu führen – aus welchen Gründen auch immer. Als extremste Form der rituellen Unterordnung am Ende solcher Konflikte ist hier gewiss der barfüßige Fußfall unter Tränen und mit verbalen Formeln der Selbstaufgabe zu nennen, der zunächst einmal die Stellung des Königs, dem er galt, in ihrer Machtvollkommenheit akzentuierte. Der rituelle Akt wäre aber missverstanden, wenn man seine Botschaft hierauf reduzieren würde. Zum adäquaten Verständnis der ganzen Handlungssequenz gehört ja auch, dass die Wiedererlangung der Huld und die Reintegration in die frühere Stellung vorweg nicht nur in Aussicht gestellt, sondern garantiert worden war. Der hohe Adel hat sich im 10. Jahrhundert sozusagen das Privileg erkämpft, auf diese Weise seine Konflikte mit dem König beenden zu können. Der König honorierte die Bereitschaft, sich seiner Gnade zu unterwerfen, mit der Garantie der Unantastbarkeit der Stellung des Gegners. Die vielen kleinen und großen Modifikationen dieses Grundmodells schon im 10., verstärkt dann im 11. Jahrhundert, die wir noch in späteren Zeiten verfolgen werden, beweisen aber geradezu, wie subtil hier Machtverhältnisse symbolisch abgebildet wurden. Ganz folgerichtig ist gerade bei den Unterwerfungen selten ein Vorgang mit einem anderen identisch, auch wenn das Grundmuster Fußfall–Vergebung in immer gleichen oder ähnlichen Handlungen begegnet. Die Analyse des Kontextes weist aber jeweils auf sichtbare oder verdeckte Zusätze, die Interessen der einen oder anderen Seite verpflichtet waren. Sie brachten in aller Regel Machtverhältnisse zum Ausdruck, wenn etwa jemand nach der Unterwerfung doch noch in Haft genommen, seiner Lehen beraubt oder ins Exil verbannt wurde. Seit dem 10. Jahrhundert beobachten wir aber neben dem Unterwerfungsritual andere rituelle Formen der Unterordnung der Großen, die noch deutlich mehr auf ihre Ehre und ihre gewachsene politische Stellung Rücksicht nahmen. Diese Formen brachten die Unterordnung so subtil und schonend zum Ausdruck, dass sie in der Forschung bis heute als ‚Ehrendienste‘ bezeichnet werden, wodurch die Unterordnung fast hinter der Ehrung verschwindet. Man wird diese Einschätzung als Erfolg derjenigen
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werten dürfen, die solche Ehrendienste als Herrschaftsrituale einführten. Denn genau darum ging es: dem Dienenden seine Unterordnung so erträglich zu machen, dass sie nicht nur akzeptabel war, sondern als Ehrung verstanden werden konnte. Aus solchen Absichten und Anforderungen erklärt es sich, dass hochrangige Personen nicht nur symbolisch zu bestimmten festlichen Gelegenheiten die sogenannten Hofämter des Truchsesses, Mundschenks, Marschalls und Kämmerers übernahmen, sondern auch als Schwert-, Schild- oder Bannerträger fungierten. Erst die Analyse der Einzelfälle zeigte, dass es sich in den überlieferten Fällen um Personen handelte, bei denen Anlass bestand, ihre Bereitschaft zu Dienst und Unterordnung deshalb öffentlich und demonstrativ zum Ausdruck zu bringen, weil Gründe vorlagen, an dieser Bereitschaft zu zweifeln. In einigen Fällen sind sogar Unterwerfungsritual und solche Dienste nacheinander bezeugt. Die Subtilität jedenfalls, mit der Unterordnung in solchen ‚weichen‘ Formen vollzogen wurde, lässt sich als deutliches Indiz dafür verwerten, dass die Könige – wie übrigens sicher andere Herren auch – die Ehre ihrer ‚Getreuen‘ in einer Weise zu achten hatten, die die Möglichkeiten ihrer Machtausübung sehr deutlich beschnitt. 2. Seit dem 10. Jahrhundert lässt sich verstärkt die Umsetzung herrschaftstheologischer Vorstellungen vom Wesen des Königtums in rituelle Handlungen der Könige erkennen. Mit solchen Handlungen brachten die Könige ganz offensichtlich zum Ausdruck, dass sie derartigen Anforderungen und Ansprüchen an ihre Amtsauffassung und Amtsführung gerecht werden wollten. Das Modell wird in der Forschung seit langem als das eines ‚christomimetischen‘ Königtums bezeichnet, wie es aus den herrschaftstheologischen Äußerungen ottonischer und salischer Historiographen, aber auch aus Krönungsordines und anderen Quellen rekonstruierbar ist. Dieses Modell nimmt das Vorbild Christi für die Könige in Anspruch, indem es auch für sie die humiliatio als wesentliche Voraussetzung der späteren exaltatio postuliert und in konkreten Geschichten zu erweisen sucht, dass und wie die Könige dies in ihrer konkreten Amtstätigkeit erfuhren – etwa durch Prüfungen und Misserfolge, denen sie mit Demut und Gottvertrauen begegneten. Diese geradezu permanente Aufforderung zu Demut und Selbsterniedrigung, die alle Erfolge der Hilfe Gottes zuschreibt, korrespondiert nun aber mit einer Reihe immer spektakulärer werdender öffentlicher Handlungen der Könige, mit denen sie diese ihre Demut und ihr Bewusstsein eigener Sündhaftigkeit und Unvollkommenheit performativ umsetzten. Die zahlreichen Fälle königlicher Barfüßigkeit und sonstiger Gesten der Selbsterniedrigung vor Gott, den Heiligen, aber auch vor besonderen Vertrauenspersonen wie vor den Getreuen insgesamt müssen hier nicht wie-
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derholt werden. Wichtig ist die These, dass die Kreation und Propagierung eines Herrschaftsideals neue rituelle Formen der königlichen Selbstdarstellung nach sich zog, die auf die Anerkennung dieses Ideals als Richtschnur des eigenen Handelns hinausliefen. Das wird in der Überlieferung zwar nicht unbedingt ausdrücklich so formuliert, ist aber doch mit einiger Plausibilität zu erschließen, da sich beide Vorgänge wie zwei Seiten einer Medaille ergänzen und gegenseitig erklären. Dies währte aber nur eine relativ begrenzte Zeit und scheint mit der Herrschaft Heinrichs IV. in eine Krise gekommen zu sein, die eine Neubestimmung der rituellen Ausdrucksweisen des Königtums in verschiedener Hinsicht nötig machte. 3. Daher ist nach den hier vorgelegten Untersuchungen die Bedeutung der Zeit und der Person Heinrichs IV. für eine Geschichte der Herrschaftsrituale zu akzentuieren.185 Und dies in mehrfacher Hinsicht. Zum einen hatte naturgemäß die Genugtuungs- oder Bußleistung Heinrichs IV. in Canossa, wie immer sie auch zustande gekommen sein mag, eine beträchtliche Wirkung auf die Bereitschaft späterer Könige, ihre Demut in Akten der Selbsterniedrigung zum Ausdruck zu bringen. Wir werden sehen, wie im 12. Jahrhundert gerade die rituellen Handlungen, mit denen das Verhältnis von Papst und Kaiser zum Ausdruck gebracht wurde, Gegenstand intensiver Verhandlungen und massiver Kontroversen waren. Die Selbstverständlichkeit, mit der sich Könige in performativen Akten erniedrigten, um ihr Amtsverständnis zum Ausdruck zu bringen, war jedenfalls vorbei. Die Übertragung dieser Mittel der Selbsterniedrigung in die politischen Verhältnisse, wie sie Heinrich IV. mit der geradezu inflationär eingesetzten fußfälligen Bitte gegenüber seinen Getreuen praktiziert hatte, scheint weitgehend zu verschwinden. Zwar beruhte die Formel ‚Canossa als Wende‘, mit der die ältere Forschung den Niedergang eines vorgeblich mächtigen Königtums seit und durch Canossa beschleunigt sah, auf einer Reihe fundamentaler Missverständisse. Doch dass die Wirkung der Vorgänge in Canossa nachhaltig war und sich nicht zuletzt in einer Neuordnung ritueller Verhaltensmuster manifestierte, ist kaum zu bezweifeln. Dies hatte zur Folge, dass einige rituelle Verhaltensmuster der Könige – allen voran die Barfüßigkeit – nahezu verschwanden und andere an ihre Stelle traten, wovon die Rede sein wird. An diesen Veränderungen lässt sich die Geschichtlichkeit rituellen Verhaltens unmittelbar ablesen: Da es politische Verhältnisse abbildet, Selbstund Fremdverständnis zum Ausdruck bringt, existiert es natürlich nicht unabhängig von den Wandlungsprozessen in diesen Verhältnissen, sondern muss geradezu auf Veränderungen reagieren und Neues in neuen Formen öffentlich machen. An den neuen Formen, wie sie im 10. und 11. Jahrhundert vielfältig zu beobachten waren, lassen sich aber seismographisch genau auch Veränderungen bei der Machtausübung ablesen.
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Die Ausbreitung ritueller Verhaltensmuster im 10. und 11. Jahrhundert
In der in diesem Kapitel behandelten Zeit waren es vor allem Änderungen in zweierlei Hinsicht: Zum einen wurden die Könige von Gottes Gnaden, offensichtlich noch nachhaltiger als die Karolinger durch Fürstenspiegel und andere Mahnungen des hohen Klerus, auf Ideale eines christomimetischen Königtums verpflichtet und brachten ihre Zustimmung zu dieser Verpflichtung in charakteristischen rituellen Handlungen zum Ausdruck. Zum anderen schlug sich das politische Gewicht, das Adel und Kirche als Teilhaber an der Königsherrschaft in dieser Zeit erlangten, gleichfalls in rituellen Interaktionen nieder, die so zuvor nicht bezeugt sind. Die provokative Interessenvertretung mittels ritueller Handlungen ist hierfür nur ein Beispiel, allerdings ein charakteristisches Beispiel. Auch die Einführung der Ehrendienste zeugt nicht zuletzt davon, wie stark Könige das Gesicht ihrer Getreuen zu wahren hatten, wenn sie von ihnen, oder zumindest von den Mächtigsten unter ihnen, überhaupt noch Unterordnung verlangten. Es wurde schon für die Karolingerzeit darauf abgehoben, dass die interaktiv angelegten Herrschaftsrituale vorherige Absprachen und Planungen zwingend zur Voraussetzung haben. Dies gilt für die Zeiten des 10. und 11. Jahrhunderts in eher noch verstärktem Maße, da sich komplexe rituelle Handlungsketten finden, die nur als geplante und inszenierte denkbar sind. Dies gilt für die ausführlich behandelten Vorgänge der Königserhebungen von 919, 936 oder 1024 genauso wie für viele Unterwerfungsrituale und Ehrendienste. Daneben intensivieren sich aber auch die rituellen Handlungen, die gerade keine Vorabsprachen zur Voraussetzung haben, wie etwa die königlichen Fußfälle vor Gott oder auch vor den Getreuen. An diesen Handlungen wird der Spielraum deutlich, der jedem in den Interaktionen der Mächtigen zur Verfügung stand und der für unterschiedliche Zwecke eingesetzt werden konnte: für die öffentliche Demonstration, den Aufgaben seines Amtes gerecht zu werden, wie für die Nötigung bestimmter Personen durch eine fußfällige Bitte. Bewirkte nun die festgestellte Ritualisierung der öffentlichen Kommunikation eher eine Intensivierung königlicher Machtausübung oder das Gegenteil? Wahrscheinlich ist die Frage in dieser alternativen Zuspitzung falsch gestellt. In jedem Fall stellten die Rituale und rituellen Verhaltensmuster Möglichkeiten bereit, die Verfahrenssicherheiten boten. Ob Rituale eher königliche Machtausübung unterstützten oder ihr Grenzen und Schranken setzten, hängt von dem ab, was dort durchgeführt wurde. Im 10. und 11. Jahrhundert band rituelles Tun Könige sehr häufig in ganz bestimmter Hinsicht. Es brachte ihre Verpflichtung zur Einhaltung zentraler Königstugenden zum Ausdruck, unter denen in dieser Zeit clementia, misericordia, humilitas hervorragten. Diese Tugenden standen einer intensiven Machtausübung eher entgegen. So nimmt es nicht wunder, dass Versu-
Zusammenfassung
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che der Herrschaftsintensivierung im 12. Jahrhundert nicht selten unter den Leitbegriff der iustitia gestellt wurden – und dies nicht ohne Einfluss auf die rituellen Interaktionen blieb. Davon jedoch wird im nächsten Kapitel die Rede sein.
IV. Herrschaftsrituale im 12.Jahrhundert In der Zusammenfassung des letzten Kapitels wurde die Herrschaft Heinrichs IV. als eine Zeit herausgearbeitet, in der zentrale Bestandteile der Herrschaftsrituale aus unterschiedlichen Gründen zum Problem wurden. Dies lässt sich nicht zuletzt daran ablesen, dass sie im 12. Jahrhundert nicht mehr oder nur noch sehr selten benutzt und durch andere ersetzt worden sind. Die Krise des 11. Jahrhunderts erweist sich also auch in ritualgeschichtlicher Hinsicht als eine Krise mit Folgewirkungen, deren Hauptursachen man thesenhaft so bezeichnen kann: Durch den Bußgang von Canossa gerieten freiwillige Selbstdemütigungen des Königtums wohl in den Verdacht, eine Unterordnung unter die Päpste symbolisch zum Ausdruck zu bringen. Das könnte den Rückgang einschlägiger Handlungen verursacht haben und erklären.1 Durch vielfältige Vorwürfe gegen Heinrich IV., Vereinbarungen nicht eingehalten zu haben, verringerte sich überdies auch das Vertrauen in die Verbindlichkeit ritueller Aussagen, wie sie vor allem im Bereich der Unterwerfungsrituale praktiziert worden waren.2 Bei diesen Ritualen beobachtet man besonders deutlich das Bemühen, sie zur Intensivierung der Machtausübung zu instrumentalisieren, indem nun nicht mehr in erster Linie die herrscherliche Verpflichtung zur clementia, sondern zur iustitia akzentuiert wurde.3 Der geradezu inflationäre Gebrauch expressiver Bittgesten durch den König in der politischen Auseinandersetzung, wie sie sich etwa in den vielen Fußfällen Heinrichs IV. vor Getreuen manifestieren, trug gleichfalls dazu bei, Vertrauen in die Ernsthaftigkeit und Seriosität solcher Handlungen zu erschüttern.4 Diese und gewiss eine Reihe weiterer Ursachen führten wohl zu einer doch tiefgreifenden Neuorientierung bei der Gestaltung rituellen Verhaltens im Bereich der Herrschaft im 12. Jahrhundert. Sie manifestierte sich einerseits in einer Modifikation vieler ritueller Verhaltensweisen, andererseits in einer Intensivierung der Diskurse, was denn rituelles Verhalten genau zu bedeuten habe. Letzteres führte auch zu mehr Streit über den Sinn ritueller Aussagen, den wir bisher nicht thematisieren mussten, weil er in den früheren Jahrhunderten so gar nicht bezeugt ist. Natürlich waren von diesen Prozessen nicht alle Bereiche der Herrschaftsrituale in gleicher Weise betroffen, doch drängt das Ausmaß und die Intensität des Wandels sich geradezu als Auswahlkriterium in diesem Kapitel auf. Es werden daher vorrangig Befunde vorgestellt, die Veränderungen im Bereich rituellen Verhaltens anzeigen. Diese lassen sich besonders deutlich erkennen in neuen rituellen Handlungen bei der Begegnung zwischen Kaisern und Päpsten, die Ausdruck
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der Versuche sind, das Verhältnis der beiden Gewalten neu darzustellen. Diesen Vorgängen und den Interpretationsbemühungen, die sie begleiteten, gilt die Aufmerksamkeit im ersten Unterkapitel. Im zweiten werden das Ritual der Unterwerfung und seine Abwandlungen einer erneuten Betrachtung unterzogen, denn es ist in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich für die Möglichkeiten und das Selbstverständnis der Mächtigen, ob sie Unterwerfung akzeptierten, honorierten oder zu Strafritualen umfunktionierten. In einem dritten Kapitel sei zusammenhängend darauf aufmerksam gemacht, wie viel Sensibilität für ein genaues Verständnis ritueller Handlungen bei den Menschen des 12. Jahrhunderts zu beobachten ist. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass es nun vermehrt Streit um die Bedeutung einzelner Akte gab.
IV.1 Neuschöpfungen nach Canossa: Rituelle Handlungen bei Papst-Kaiser-Begegnungen Man erhält einen guten Eindruck von der Wirkung, die gerade die rituellen Handlungen in Canossa auf die Zeitgenossen hatten, wenn man sich vor Augen führt, welche Informationen und Interpretationen darüber in Umlauf waren, was sich in Canossa angeblich zugetragen hatte.5 Strittig war vor allem, ob Heinrich IV. seine Bußleistungen im Schnee vor Canossa, wie immer sie auch im Einzelnen aussahen und wie lange sie gedauert haben mögen, eigenmächtig begonnen habe und damit Gregor VII. unter Druck setzte und ihn zur Wiederaufnahme in die Gemeinschaft der Gläubigen zwang, was der Papst eigentlich hatte vermeiden wollen. Oder ob Heinrich Genugtuungsleistungen erbrachte, wie sie in Verhandlungen zwischen Gregor und Vermittlern vereinbart worden waren. Für das Verständnis des rituellen Geschehens waren dies gewiss wichtige Fragen.6 Gleichermaßen unterschiedlich aber waren die Informationen, die über Heinrichs Verhalten nach der Rekonziliation verbreitet wurden: Hatte er sich geweigert, wie Gregor den Leib des Herrn zu sich zu nehmen und so Gott zum Richter über seine Unschuld zu machen? Hatte er beim Versöhnungsmahl nicht geredet, nichts gegessen und getrunken, sondern stattdessen die Tischplatte mit dem Fingernagel zerkratzt?7 Stimmten diese Informationen, dann war unverkennbar, dass der Herrscher den Frieden mit der Kirche nicht ernsthaft hatte schließen wollen. Man hat mit anderen Worten die Bewertung von Canossa nicht zuletzt anhand ritueller Details und ihres Verständnisses vorzunehmen versucht, was noch einmal die Aufmerksamkeit markiert, die Zeitgenossen solchen Handlungen entgegenbrachten. Ihnen war klar, dass man an den einschlägigen Handlungen das Verhältnis der Personen zueinander genau ablesen konnte.
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Da es jedoch in den folgenden Jahren und Jahrzehnten zu persönlichen Begegnungen zwischen Heinrich IV. und den Päpsten nicht mehr kam und auch die Gegenkönige keine persönlichen Kontakte zu diesen aufnahmen, dauerte es eine Weile, ehe sich sozusagen die Folgen von Canossa auch in rituellen Handlungen abzeichneten. Das erste, aber gleich sehr signifikante Indiz hierfür bietet die Begegnung Papst Urbans II. mit dem jungen Sohn Heinrichs IV., Konrad, der bereits formell zum Nachfolger seines Vaters im Reich erhoben worden war.8 Er war in Italien verblieben und hatte aus ungeklärten Gründen, wohl unter dem Einfluss der Markgräfin Mathilde, die Seite gewechselt. Papst Urban II. nutzte diese Chance und band den jungen Konrad durch die Vermittlung einer Ehe mit einer normannischen Prinzessin fester an die päpstliche Seite. Zuvor aber war es zu einer persönlichen Begegnung zwischen dem Papst und dem jungen König in Cremona gekommen, mit der rituell abgebildet wurde, wie der Papst sein Verhältnis zu einem König gesehen wissen wollte. Bei der Begegnung ging Konrad dem Papst nämlich entgegen und leistete ihm den Strator-Dienst, d.h., er führte das Pferd des Papstes am Zügel. Dann schwor er einen Eid, in dem er dem Papst ohne Falsch Leben und körperliche Unversehrtheit garantierte und Sicherheiten gab hinsichtlich des römischen Papsttums und der Regalien des heiligen Petrus.9 Man muss schon weit in die Geschichte des Reiches zurückblicken, um ein Vorbild für diese rituelle Handlung des StratorDienstes zu finden: bis zu König Pippin, der ihn in Ponthion Papst Zacharias leistete.10 Das Vorbild für den Strator-Dienst von 1095 dürfte aber wohl eher die Konstantinische Schenkung abgeben, jene Fälschung, mit der Vorrechte des Papsttums belegt wurden. Hier findet sich die Behauptung, dass Kaiser Konstantin diesen Dienst Papst Silvester I. leistete.11 Es fragt sich jedoch, wann und wo dieses exemplum zuerst genutzt wurde, um die Lehnsbindung weltlicher Fürsten an die Päpste zu symbolisieren. Die Vorbilder für den Sicherheitseid, den der junge Konrad leistete, boten Eide, die normannische Fürsten den Päpsten in den Jahrzehnten zuvor immer wieder geleistet hatten. Bei den Eiden der Normannen war klar, dass das Verhältnis eine Lehnsbindung darstellte.12 Sie wurden in diesem Zusammenhang denn auch durch eine Fahnenübergabe mit ihrem Herrschaftsbereich belehnt. Signifikanterweise ist nun aber auch vom Herzog Wilhelm von Apulien zum Jahre 1120 bezeugt, dass er dieses Lehnsverhältnis bei einem Besuch Papst Calixts II. in Troia dadurch zum Ausdruck brachte, „dass er dem Papst bei der Ankunft mit seinen Großen entgegeneilte und ihn mit großer Ehrerweisung bis zur Kathedralkirche der Stadt geleitete, indem er in Art des Strators zu Fuß neben dessen Sattel herging“13. Daraus folgt mit einiger Sicherheit, dass auch Papst Urban II. mit den rituellen Akten in Cremona das Verhältnis des jungen salischen Königs zum Papst als Lehnsverhältnis abbilden wollte. Dieser Schluss ist deshalb von einiger Bedeutung, weil im Jahre 1131 in
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Lüttich bei der ersten Begegnung zwischen König Lothar von Supplinburg und Papst Innozenz II. die gleiche Form der Begrüßung praktiziert wurde: Beim Einritt des Papstes in Lüttich erwartete ihn Lothar mit einem großen Gefolge und eilte ihm bei dessen Ankunft ein Stück entgegen, ergriff die Zügel des päpstlichen Pferdes und führte ihn die letzte Wegstrecke „wie einen Herrn“. Hierbei benutzte er mit der anderen freien Hand einen Stab, um dem Papst den Weg zu bahnen. Am Ziel hielt der König dem Papst den Steigbügel und half ihm so beim Absteigen vom Pferd.14 Angesichts der eben geschilderten Präzedenzfälle in Italien kann es wohl kaum zweifelhaft sein, dass mit diesem Dienst „den Wissenden wie den Unwissenden“ nicht nur „die Höhe des päpstlichen Ranges“ verdeutlicht wurde, wie der Gewährsmann der Szene, Abt Suger von St.-Denis, notiert, sondern dass sie hierin die Anerkennung einer Unterordnung vollzogen sahen, wie sie im Lehnsverhältnis gegeben war. Angesichts der Brisanz dieser Aussage dürfte es wohl selbstverständlich sein, dass sie sich nicht einer spontanen Eingebung Lothars verdankt, sondern Ergebnis von Vorverhandlungen war, die dem neuen Herrscher eines klar gemacht hatten: dass er sein Verhältnis zum Papsttum als „treuer Sohn der Kirche“ zu gestalten habe.15 Hierzu gehörte die Anerkennung des höheren päpstlichen Ranges, wie sie im Dictatus papae Gregors VII. programmatisch formuliert und in Canossa praktiziert worden war. Insofern ist es nur folgerichtig und liegt ganz auf der Linie der päpstlichen Politik nach Canossa, dass Papst Innozenz II. später im Lateran ein Bildnis anbringen ließ, das die Kaiserkrönung Lothars als Lehnsnahme darstellte. Eine Umschrift erklärte den Vorgang so: „Vor dem Tore beschwört der König die Rechte der Römer, wird dann des Papstes Vasall, von ihm empfängt er die Krone.“16 Dieser Interpretation wurde von staufischer Seite später heftig und mehrfach widersprochen, was aber nichts an der Tatsache ändert, dass Lothar in Lüttich mit dem Strator-Dienst eine rituelle Handlung vollzogen hatte, die eine solche Interpretation zwingend nahe legte. Er selbst scheint in späteren rituellen Handlungen zurückhaltender geworden zu sein, wenn es galt, sein Verhältnis zum Papst zum Ausdruck zu bringen. So ließ er sich nicht in den üblichen Formen belehnen, als er in Rom die mathildischen Güter übernahm. Den fälligen Lehnseid leistete vielmehr sein Schwiegersohn Heinrich der Stolze; Lothar selbst wurde vom Papst ein Ring als Symbol der Übergabe angesteckt.17 Hiermit wählte man rituelle Handlungsweisen, die die Darstellung einer Lehnsbindung des Kaisers an den Papst konsequent vermieden. Auch als in Süditalien die Belehnung eines Herzogs von Apulien anstand, verweigerte Lothar dem Papst die Rolle eines Oberlehnsherrn. Dies führte zu der neuartigen Szene, dass Papst und Kaiser die Belehnung gemeinsam vornahmen, indem sie beide die Lehnsfahne überreichten.18
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Dass Lothar dennoch mit seiner Lütticher Handlung einen Präzedenzfall geschaffen hatte, zeigte sich 1155 bei der ersten persönlichen Begegnung Friedrich Barbarossas mit Papst Hadrian in Sutri, die trotz intensiver Vorbereitung zu einem Eklat führte, weil man die unterschiedlichen Auffassungen, wie das wechselseitige Verhältnis rituell abzubilden sei, offensichtlich nicht überbrücken konnte. Entsprechend divergierend sind die zeitgenössischen Stimmen über das, was sich in Sutri abspielte, die es schwer machen, den realen Verlauf des Treffens überhaupt zu schildern.19 Besonders signifikant scheint dabei das gänzliche Schweigen, mit dem Otto von Freising, der Vertraute und Biograph Friedrichs, alle Probleme dieses Treffens überging. Dies aber war wohl dadurch bedingt, dass der Kaiser selbst in seinem Brief an Otto, in dem er seine Taten der ersten Jahre Revue passieren ließ und dem Freisinger Bischof damit die Richtschnur seiner Darstellung an die Hand gab, mit keinem Wort auf diese Schwierigkeiten eingegangen war.20 Dennoch hat es sie ganz zweifelsohne gegeben. Glaubt man den Autoren der päpstlichen Seite, hat Friedrich in Sutri zunächst hartnäckig verweigert, den Strator-Dienst zu leisten. Dies führte zum Eklat, da daraufhin der Papst dem König den Friedenskuss mit der Begründung verwehrte: „Ich werde dich nicht zum Friedenskuss zulassen, bis du mir Genugtuung dafür geleistet hast, dass du mir jene gewohnte und schuldige Ehre vorenthalten hast, die deine Vorgänger, die alten Kaiser, aus Ehrerbietung vor den Aposteln Petrus und Paulus meinen Vorgängern, den römischen Bischöfen bis zu dieser Zeit zu leisten pflegten.“21 Bei den nachfolgenden Beratungen – bei denen man sich fragt, warum man sie nicht bereits zuvor abgehalten hatte – brachte das Zeugnis älterer Fürsten das Beispiel Lothars in Lüttich und damit den Präzedenzfall zu Tage, dessen normativer Wirkung sich Barbarossa nicht entziehen konnte. Man wiederholte den Empfang deshalb einige Tage später an anderem Ort, und nun vollführte Friedrich den Dienst angeblich „mit Freude“. Damit war die Leistung des Strator-Dienstes als kaiserliche Verpflichtung und als ritueller Ausdruck der Verpflichtungen gegenüber dem Papst akzeptiert und Friedrich hat diesen Dienst denn auch später noch mehrfach Päpsten geleistet, unter anderem Papst Alexander III. beim Frieden von Venedig, als er gleich mehrfach das Pferd des Papstes am Zügel führte und ihm beim Absteigen half. Nicht allein durch diese Geste, durch sie aber besonders eindringlich, machte er klar, dass er sich dem Papste in Zukunft unterordnen wollte. Es gehört wohl zu den rituellen Subtilitäten, zu denen man gerade im 12.Jahrhundert fähig war, dass Alexander beim dritten Angebot des Kaisers, diesen Dienst zu leisten, großzügig darauf verzichtete und sich bereit zeigte, schon „den Willen für die Tat zu nehmen“22. Im Reich aber hat sich das Echo eines anderen Verständnisses der
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Szene in Sutri erhalten. Einmal weiß Helmold von Bosau, wahrscheinlich von Teilnehmern an diesem Italienzug, von einer ganz anderen Version des Geschehens. Friedrich habe dem Papst in Sutri den Strator-Dienst geleistet, doch habe die Art und Weise, wie er dies tat, den Unwillen Papst Hadrians IV. erregt. Er habe bemängelt, dass der König statt des rechten den linken Bügel ergriffen habe. Dieser eröffnete in dem sich anschließenden Wortgefecht dann sein Verständnis vom Sinn und der Bedeutung dieses Dienstes: „Ich möchte doch näher erfahren, ob sich dieser Brauch auf Wohlwollen oder auf eine Verpflichtung zurückführt.“23 Friedrich Barbarossa brachte hier die Möglichkeit ins Spiel, dass jemand rituell-symbolische Handlungen aus Höflichkeit durchführte, und unterschied gewiss zu Recht diesen Fall von denjenigen, in denen so Verpflichtungen zum Ausdruck gebracht wurden. In die gleiche Richtung argumentierte in dieser Zeit Gerhoh von Reichersberg, der betonte, dass Papst Silvester den ihn ehrenden Konstantin nicht entehrt und niemals zum Ausdruck gebracht habe, dass der Kaiser sein Marschall sei.24 Vielmehr habe er die Geste der Demut demütig entgegengenommen und so gehöre es sich. Es ist insgesamt interessant, dass sich die relativ dichte Bezeugung von Strator-Diensten, die deutsche Könige und Kaiser den Päpsten leisteten, auf dieses 12. Jahrhundert beschränkt.25 Nach Canossa, als man offensichtlich einen rituellen Ausdruck für Unterordnung suchte, verfiel man auf päpstlicher Seite auf diesen Dienst. Hierzu boten schriftliche exempla, wie sie die Überlieferung der Konstantinischen Schenkung oder das Beispiel Pippins darstellten, die Präzedenzfälle. So ließen sich zunächst wohl die Normannenfürsten in Süditalien, dann Lothar von Supplinburg und schließlich auch Friedrich Barbarossa überzeugen, dass dieser Dienst mit ihrer Ehre vereinbar sei. Schon bald aber begann auch ein Nachdenken und ein Diskurs über den Sinn dieses Dienstes, wodurch seine Konnotation als Ausdruck der Unterordnung bestritten und damit seine Nutzung zur Darstellung höheren päpstlichen Ranges problematisiert wurde. Dies mag erklären, warum er nach dem 12. Jahrhundert die Gemüter nicht mehr so zu erregen vermochte wie in der Zeit nach Canossa. Der Strator-Dienst ist aber nicht die einzige neue rituelle Handlung, die nach Canossa in die Begegnungen eingeführt wurde, um das Verhältnis der deutschen Könige und Kaiser zu den Päpsten symbolisch abzubilden. Sie leisteten vielmehr dem Papst bei einer Begegnung nun auch einen Fußkuss, bevor sie von ihm zum Friedenskuss erhoben wurden.26 Diese Neuerung darf nicht zuletzt deshalb als gravierend eingeschätzt werden, weil die Herrscher des Westens von ihren Gefolgsleuten und Vasallen eine solche Geste der Verehrung und Unterordnung nicht verlangten. Vorbilder für den Fußkuss nahmen die Päpste wohl aus dem byzantinischen Hofzeremoniell und es dürfte kein Zufall sein, dass der Kardinal Deusde-
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dit in seiner 1086/87 verfassten Kanonessammlung hintereinander die historischen Fußfälle notierte, die byzantinische Kaiser in Spätantike und Frühmittelalter den Päpsten geleistet hatten.27 Wir fassen hier vielmehr mit einiger Wahrscheinlichkeit die zielgerichtete Sammlung von exempla, die als Argumente für die Einführung dieses symbolischen Aktes im Westen fungierten. Vorbereitet war diese Einführung durch die Tatsache, dass der niedere Klerus wie auch Kardinäle und weltliche Amtsträger in Rom den Päpsten zu bestimmten Gelegenheiten den Fußkuss zu leisten pflegten und der Dictatus papae Gregors VII. ihn sogar als alleiniges Vorrecht des Papstes von weltlichen Fürsten forderte.28 Von einem Fürsten wurde er denn auch Papst Gregor VII. im Jahre 1080 geleistet, als der Normanne Robert Guiskard vom Bann gelöst wurde, nachdem er Gregor als Genugtuungsleistung die Füße geküsst hatte.29 Wie beim Strator-Dienst lässt sich also auch beim Fußkuss beobachten, dass diese Neuerung zunächst im Verhältnis der Päpste zu ihren normannischen Lehnsleuten praktiziert wurde. Dennoch war es von der Forderung und ihrer Realisierung in den Beziehungen zu den Normannen gewiss noch ein weiter Weg bis zur tatsächlichen Leistung eines solchen Fußkusses durch den römischen Kaiser, sei es vor seiner Krönung oder danach. Denn mehr noch als der StratorDienst deutete eine solche Geste ja auf ein Verhältnis der Personen, das alles andere als gleichrangig war. Auch im Falle dieser symbolischen Handlung fassen wir denn auch Relikte einer Diskussion, die davon künden, dass man der Handlung die Bedeutung einer Unterordnung unter die Person des Papstes zu nehmen bemüht war: Der Fußkuss geschehe nämlich, so wird formuliert, in reverentia Christi oder des hl. Petrus; der Kaiser beuge seinen Nacken quasi zum Grabe der Apostel.30 So nahm man der Handlung den Anschein einer Unterordnung der höchsten weltlichen unter die höchste geistliche Gewalt oder versuchte es zumindest. Angesichts der Aussagekraft einer symbolischen Handlung wie des Fußkusses ist es ein wenig auffällig, wie beiläufig die Ersterwähnung dieser Handlung geschieht. Im Jahre 1111, als Heinrich V. nach umfangreichen Vorverhandlungen zur Kaiserkrönung in Rom erschien und dort auch eine Lösung der angestauten Investiturprobleme angegangen werden sollte, Liber ad honorem Augusti (Petrus de Ebulo, um 1195). 왘 Kaiserkrönung Heinrichs VI. 1. Zeile: Heinrich der VI., schon als Imperator bezeichnet, zieht, den Reichsapfel haltend, in Rom ein; 2. Zeile: barhäuptig, aber mit Zepter, reitet Heinrich zur Peterskirche und wird vom Papst empfangen; 3. Zeile: Heinrich werden die Hände und Arme gesalbt, sodann das Schwert überreicht; 4. Zeile: der Papst überreicht Zepter, Ring und Mitra. Bern, Burgerbibliothek, Codex 120 II, fol. 105r.
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küsste der deutsche König bei der ersten Begegnung mit Papst Paschalis II. diesem die Füße.31 Die Formulierung der einzigen Quelle, die von dem Vorgang berichtet, gibt in keiner Weise zu erkennen, dass hier eine gravierende Neuerung notiert wird: Als Heinrich V. die Stufen zu St. Peter emporgestiegen sei, habe ihn der Papst mit dem versammelten Klerus Roms erwartet. „Als der König zu Füßen des Papstes gestürzt war, wurde er nach dem Fußkuss zum Kuss des Mundes erhoben. Dreimal haben sie sich gegenseitig umarmt, dreimal sich gegenseitig geküsst.“32 Die in der unmittelbaren Nähe des Papstes entstandene zeitgenössische Aufzeichnung schildert das Geschehen, als ob es das Selbstverständlichste von der Welt wäre. Das aber war es zweifelsohne nicht, auch wenn die Deutung dieses Fußkusses als Ehrerbietung gegenüber den Apostelfürsten oder Christus geeignet ist, der Handlung den Charakter der Unterordnung unter den Papst zu nehmen. Diese Deutung könnte aber auch dem Bemühen verpflichtet sein, genau dies zu leisten. Man muss nur die ausgesprochen rüde Behandlung bedenken, die Heinrich V. Papst Paschalis bald nach dieser Begrüßung angedeihen ließ – er nahm den Papst und dessen Kardinäle gefangen, als ein anvisierter Kompromiss in der Investiturfrage scheiterte –, um zu ermessen, wie angespannt das Verhältnis auch dieses salischen Herrschers zum Papsttum in dieser Zeit gewesen sein muss. Keine guten Voraussetzungen eigentlich für so grundlegende Neuerungen im Zeremoniell der Begegnung, wie sie ein Fußkuss darstellt. Wir müssen uns aber mit dieser geradezu sensationellen Nachricht zu 1111 abfinden, da es andererseits keinerlei konkreten Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie falsch sein könnte und einen Präzedenzfall behauptete, den es so gar nicht gegeben hatte. Unstrittig ist nämlich, dass später Friedrich Barbarossa mehrfach verschiedenen Päpsten diesen Fußkuss leistete: bei der schon geschilderten Begegnung in Sutri, als er den Strator-Dienst zunächst verweigerte, nicht aber den Fußkuss; dann 1160 in Pavia, als er so seinen Papst Viktor IV. ehrte; und schließlich 1177 in Venedig, als er unter anderem mit mehrfachen Fußküssen seine Anerkennung Alexanders III. symbolisch zum Ausdruck brachte.33 Zu Zeiten Friedrich Barbarossas war der Fußkuss also als Leistung akzeptiert, die der Kaiser den Päpsten zu erbringen hatte, natürlich nur in reverentia Christi. Auch spätere Herrscher haben ihn noch geleistet.34 Gerne wüsste man natürlich, mit welchen Argumenten päpstliche Unterhändler diese Neuerung im Begrüßungszeremoniell verankert haben. Doch wie fast immer lässt die erhaltene Überlieferung keinen Blick hinter die Kulissen zu. Die informelle Vorklärung und Planung, welche symbolischen Akte durchgeführt werden und was sie zum Ausdruck bringen sollten, blieb vertraulich. Dabei ist nicht einmal auszuschließen, dass von einer oder auch von beiden Seiten mit Präzedenzfällen operiert worden sein könnte, die es so gar nicht gegeben hatte. Beweise hierfür
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aber gibt es keinen einzigen, sodass der Fußkuss Heinrichs V. als Erster einer Reihe gesehen werden muss, auch wenn die historische Situation, in der er geschehen sein soll, so gar nicht zu Devotion, Verehrung und Unterordnung passt, die eine solche Handlung zum Ausdruck bringt. Wer jedoch auch immer von den deutschen Herrschern als Erster einem Papst einen Fußkuss leistete – dass diese Geste erst nach den Geschehnissen von Canossa in den Bereich des realistisch Denkbaren trat, dürfte einsichtig sein. Das neue Verständnis von der Würde und den Befugnissen des eigenen Amtes, das die Päpste im 11. Jahrhundert ausbildeten, führte zu einer Veränderung der rituellen Aussagen, die Kaiser wie Päpste bei ihren Begegnungen über ihr Verhältnis machten. Man kann bei Fußkuss wie Strator-Dienst wohl eine Mehrdeutigkeit konstatieren, die diesen neuen Handlungen innewohnte, denn sie ließen sich natürlich auch als Äußerungen zur Rangordnung verstehen. Aber nicht nur, wie die Diskurse über weitere Sinnformationen deutlich machen, die von der Einschätzung des Fußkusses als indirekter Verehrung Christi bis zur Verharmlosung des Strator-Dienstes als Geste reiner Höflichkeit reichen. Das Ringen um die rechte Deutung aber zeigt an, was Sieg und Niederlage auf dem Felde der symbolischen Interaktionen in dieser Zeit bedeuteten. Bei Veränderungen hatte man deshalb in Rechnung zu stellen, dass das Gesicht aller Beteiligten gewahrt blieb. Das aber war bei Veränderungen im geschilderten Ausmaß nicht eben leicht, denn für Fußkuss und StratorDienst lassen sich keine Äquivalente von päpstlicher Seite namhaft machen. Dies rechtfertigt wohl, mit Canossa eine Zäsur in den Ritualen der Papst-Kaiser-Begegnungen anzusetzen.
IV.2 Zwischen Milde und Strenge: Unterwerfungsrituale in der Stauferzeit Unter Veränderungsdruck stand auch das Ritual, das in diesem Unterkapitel erneut behandelt werden soll. Nur entstand dieser Druck nicht durch die Vorgänge in Canossa. Vielmehr wurde das Unterwerfungsritual seit der Karolingerzeit kontinuierlich zur Beendigung der unterschiedlichsten Konflikte genutzt und war dabei immer wieder Bemühungen ausgesetzt, es in die eine oder andere Richtung zu verändern. Wir haben die Geschichte dieses Rituals bereits im zweiten Kapitel für Karolinger-, Ottonen- und Salierzeit skizziert und darauf abgehoben, dass zunehmend häufiger das Ausmaß umstritten war, in dem die sich unterwerfende Partei auf die Milde der anderen rechnen durfte. Natürlich hatte es die uneingeschränkte Milde und die vollständige Verzeihung auch im 10. Jahrhundert nicht voraussetzungslos gegeben. Doch sind die Fälle, in denen die Herr-
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schaftsstellung der sich Unterwerfenden in keiner Weise angetastet wurde, so häufig, dass eine Folgerung erlaubt ist: In den Führungsschichten wurde in dieser Zeit eine Unterwerfung als eine ausreichende Genugtuungsleistung angesehen, die es vor allem dann erlaubte, zum Status quo ante zurückzukehren, wenn es sich um Konflikte innerhalb dieser Führungsschichten handelte. Das Postulat, dass die Milde die kennzeichnende Eigenschaft der Throninhaber zu sein habe, gehört in diesen Zusammenhang und kam im Ritual der Unterwerfung sehr konkret zur Anwendung.35 Die hieraus resultierende Bindung ihrer Machtausübung an Normen, deren Geltungsanspruch je nach Konfliktfall durchaus unterschiedlich sein konnte, scheinen die Könige jedoch schon bald gelockert zu haben; zumindest sind solche Versuche unübersehbar. Zunehmend häufiger wurde die Konfliktbeendigung nämlich schon seit dem endenden 10. und beginnenden 11. Jahrhundert mit Einbußen oder Strafen verbunden, die der Milde deutliche Schranken setzten.36 Diese Tendenz verschärfte sich mit dem Verlaufe des 12.Jahrhunderts noch. Allerdings verdrängte sie das Bewusstsein nie gänzlich, dass sich Unterwerfende Anspruch auf Milde hätten. Dies hat zur Folge, dass sich im Verlauf des 12. Jahrhunderts ganz unterschiedliche Ausformungen dieses Rituals beobachten lassen, die den Akzent in den rituellen Handlungen manchmal noch sehr deutlich auf die Milde setzten, manchmal aber auch die Härte und Strenge des ‚Siegers‘ in den Vordergrund rückten. Es scheint nicht geraten, von einer eindeutigen Tendenz zu sprechen, die etwa von der Milde zur Strenge verliefe, auch wenn es Indizien für eine solche Tendenz gibt. Was für die Stauferzeit vielmehr auffällt, sind neuartige Handlungen in dem Unterwerfungsritual, die verdeutlichen, welch großen Wert man auf Einzelheiten legte, die eine bestimmte Richtung zum Ausdruck brachten. Der Variantenreichtum der überlieferten Fälle stellt jedenfalls die früheren Zeiten so deutlich in den Schatten, dass er sich kaum dem Zufall verdanken dürfte. Überdies lässt sich eine neue Tendenz zu bewusst inszenierter Härte zunächst in Einzelfällen, verstärkt aber dann beobachten, als die Staufer durch ihre Herrschaft über Sizilien mit normannischen Traditionen konfrontiert worden waren und sich diese zu Nutze machten. Die aber gaben der Härte und Strenge ganz eindeutig den Vorzug vor der Milde – und dies schlug sich auch in rituellen Handlungen nieder.37 Aber auch schon ganz zu Anfang des 12. Jahrhunderts können wir vereinzelt Vorgänge beobachten, die gar nicht mehr in das Schema der gütlichen Konfliktbeendigung mittels ritueller Unterwerfung passen. Der Veränderungsdruck, dem das Modell der gütlichen Konfliktbeendigung ausgesetzt war, zeigt sich in diesen Fällen darin, dass es gar nicht bemüht wurde. So hat schon Kaiser Heinrich V. in einer Fehde gegen den lothringi-
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schen Grafen Reinald von Bar ganz neuartige Register der Konfliktführung gezogen, die mit den Methoden gütlicher Konfliktbeendigung kaum noch etwas gemeinsam haben.38 Der Fall ist deshalb so interessant, weil es sich bei dem Grafen um einen Verwandten des Herrschers handelte und Heinrich überdies zunächst gar nicht selbst betroffen war, sondern zugunsten des Bischofs von Verdun in den Streit eingriff. Man hätte daher erwarten können, dass sich der Konflikt leicht hätte gütlich beilegen lassen. Heinrich aber erstürmte mit seinen Kriegern die Burg Bar, in der sich Graf Reinald verschanzt hatte, und nahm den Grafen gefangen. Damit war der Konflikt jedoch immer noch nicht beendet, denn das kaiserliche Heer musste eine weitere Burg des Grafen belagern, dessen Besatzung ungeachtet der Tatsache Widerstand leistete, dass sich ihr Herr in der Gefangenschaft der Belagerer befand. In der Geschichtsschreibung der Bischöfe von Verdun, die keinen Anlass hatte, ihren kaiserlichen Helfer zu diffamieren, findet sich eine detaillierte Erzählung, was Heinrich V. daraufhin veranlasste. Auch Otto von Freising bringt diese Geschichte in seinen Taten Friedrich Barbarossas rühmend als Beweis für Leistung und Macht Heinrichs V.39 Der Kaiser ließ nämlich vor den Mauern der Burg einen Galgen errichten und der Burgbesatzung mitteilen, er würde den Grafen hinrichten, wenn die Besatzung nicht sofort ihren Widerstand aufgebe. Die Besatzung erbat einen Tag Bedenkzeit und überraschte den Kaiser am nächsten Tag mit der Mitteilung, die Gemahlin Reinalds habe in der Nacht einen Sohn geboren, dem sie inzwischen Treue gelobt hätten. Sie würden daher die Burg nicht übergeben, auch wenn Graf Reinald sein Leben verlieren sollte. In loderndem Zorn habe der Kaiser daraufhin den Grafen hinrichten lassen wollen, und er sei nur durch dringliche Einlassungen und Mahnungen der Fürsten mühsam von seinem Vorhaben abzubringen gewesen. Vergleicht man diese Demonstration von Härte und Unnachgiebigkeit, auch wenn ihr letztlich Einhalt geboten wurde, mit den demonstrativen Formen, mit denen Könige zuvor ihren sich unterwerfenden Gegnern verziehen hatten, dürfte einsichtig sein, dass hier ein sehr verändertes Herrschaftsverständnis seinen demonstrativen Ausdruck fand. Dass dieses kaiserliche Vorgehen sozusagen System hatte, zeigt das Verhalten Heinrichs gegenüber dem sächsischen Grafen Wiprecht von Groitzsch. Dieser war 1113 verwundet in die Gefangenschaft des Kaisers geraten, als Graf Hoyer von Mansfeld sächsische Gegner Heinrichs V. überrascht und besiegt hatte.40 Auch diesen Erfolg nutzte Heinrich zu einer Demonstration von Härte und Strenge. Er ließ nämlich den gefangenen Grafen von einem Fürstengericht zum Tode verurteilen und übergab ihn schon einem Ministerialen zur Enthauptung. Erst als die Fürsten den Sohn des Grafen bewogen, alle Besitzungen des Vaters an den Kaiser zu
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Kaiser Heinrichs Romfahrt (um 1340). a) Gefangennahme des Theobald von Bruscati. b) Hinrichtung des Theobald von Bruscati. Der auf einem Wagen zur Richtstätte gefahrene Theobald wird dort mit glühenden Zangen gepeinigt, enthauptet und gevierteilt. Seine Glieder werden auf Räder geflochten, die mit seinem Wappen versehen sind. Staatsarchiv Koblenz, 1 C 1, fol. 13r.
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übergeben, wandelte er das Urteil in eine dreijährige Haftstrafe um. Dies bewirkte natürlich alles andere als ein gütliches Ende des Konflikts, denn die Söhne Wiprechts schlossen sich daraufhin den sächsischen Gegnern des Kaisers an. Man interpretiert das Verhalten Heinrichs V. wohl angemessen, wenn man es als bewusste Demonstration herrscherlichen Strafrechts versteht, als Aufkündigung einer Bindung an die Gewohnheiten der Konfliktbeilegung, die den Gegnern des Königs sichere Aussicht auf Milde und Respektierung ihrer Stellung geboten hatten. Diese Aussicht aber wurde, wie bereits betont, immer wieder von den Königen zu unterminieren versucht, ohne dass sie es geschafft hätten, diesbezügliche Verpflichtungen gänzlich abzustreifen. Die Geschichte des Rituals der deditio hat also auch die Fälle einzuschließen, in denen es gar nicht mehr angewandt, sondern durch andere, unter Umständen gar nicht rituelle Handlungen ersetzt wurde. Erst dann zeigt sich das ganze Ausmaß der Veränderungen, denen es ausgesetzt war. Eine Frage aber drängt sich nach den zuletzt diskutierten Fällen geradezu auf: War auch die geschilderte Härte Heinrichs V. inszeniert, so wie zuvor das Verzeihen und die Milde zunächst vereinbart und dann rituell ‚aufgeführt‘ wurden? So ungewohnt dies sein mag, man sollte mit dieser Möglichkeit zumindest rechnen, denn immerhin blieb es ja jeweils bei den drohenden Gesten Heinrichs V. Durch die Interventionen der Fürsten gelang es immer, das Äußerste zu verhindern. Das könnte auch intendiert oder sogar vereinbart gewesen sein. So wie man herrscherliche Milde als spontane Anwandlung inszeniert hatte, obgleich die Anwendung dieser Milde Teil vorheriger Vereinbarungen gewesen war, so ist es durchaus auch denkbar, dass man nun die Strenge des Herrschers dadurch versinnbildlichte, dass Gegner mit dem Tode bedroht wurden, obgleich abzusehen oder gar vereinbart war, dass Interventionen von Fürsten die Ausführung der angedrohten Strafen verhindern würden. Über die Kultur der Drohgebärden im Mittelalter und die Frage ihres rituellen Charakters lohnt es sich jedenfalls nachzudenken. Neben diesen Demonstrationen neuartiger Härte sind aus der gleichen Zeit aber auch Fälle überliefert, in denen Konflikte mit dem Ritual der Unterwerfung in traditioneller Weise beendet wurden. Die Überlieferung lässt keine sichere Entscheidung zu, aus welchen Gründen der gleiche Herrscher in dem einen und dem anderen Fall zu gänzlich unterschiedlichen Mitteln griff. Das diesbezügliche Verhalten Heinrichs V. ist besonders überraschend im Falle Herzog Lothars von Sachsen, dem er 1114 Verzeihung gewährte und auch seine Herzogswürde beließ, nachdem sich dieser ihm in traditioneller Weise barfuß und im Büßergewand zu Füßen geworfen hatte. Zur Durchführung dieser Unterwerfung wählte man interessan-
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terweise die Hochzeit Heinrichs V. mit Mathilde, der englischen Königstochter, in Mainz, die mit größter Prachtentfaltung zelebriert wurde.41 Es mag sein, dass man zu dieser Gelegenheit eine Demonstration herrscherlicher Milde für besonders angemessen hielt. Andererseits wurde während der gleichen Hochzeitsfeierlichkeiten der Graf Ludwig von Thüringen in Haft genommen und eingekerkert, der gleichfalls auf die Huld des Herrschers gehofft hatte.42 Es überrascht vor allem deshalb, dass Lothar zum Objekt kaiserlicher Demonstration von Vergebung wurde, weil dieser bereits zuvor in Konflikte mit dem Herrscher geraten und milde behandelt worden war, diese Milde jedoch dadurch schlecht vergolten hatte, dass er sich erneut gegen Heinrich V. stellte. Bei ihm als notorischem Gegner hätte man daher eher eine härtere Behandlung erwartet. Übrigens hat Lothar auch die Milde, die ihm in Mainz zuteil wurde, nicht an der Seite des Kaisers gehalten. Schon ein Jahr später schlug er ein Heer Heinrichs V. am Welfesholz und beendete damit praktisch die Herrschaft des Saliers in Sachsen. Die Überlieferung lässt Einblicke in die Motive des Kaisers nicht zu, doch dürfte man wohl nicht ganz falsch mit der Annahme liegen, dass es Gründe politischer Opportunität waren, die ihn gerade im Falle Lothars zu seinem Verhalten veranlassten. Ein starker Gegner konnte für seine Unterwerfung wahrscheinlich andere Konditionen erhandeln als dies Adligen möglich war, die nicht über diese Stellung verfügten. Dieses Erklärungsmodell bietet sich auch im Falle einer spektakulären Unterwerfung an, die zwei Jahrzehnte später Lothar selbst als Herrscher entgegennahm. Bei den sich Unterwerfenden handelte es sich um die staufischen Brüder Friedrich und Konrad, von denen Letzterer mehrere Jahre durchaus nicht ohne Erfolg als Gegenkönig fungiert hatte.43 Lange Jahre hatten beide Staufer sich gegen den Herrscher auch militärisch behauptet und ihn dabei in manche durchaus prekäre Situation gebracht. Letztendlich aber hatten sie sich dem Druck, den Lothar mit Hilfe vor allem des Reichsepiskopats ausüben konnte, nicht widersetzen können. Ihre Unterwerfung aber vollzog sich durchaus in traditionellen Formen und ihre Herrschaftsstellung wurde weitgehend gewahrt.44 Zunächst suchte Herzog Friedrich die Fürsprache und Vermittlung seiner Verwandten, der Kaiserin Richenza, wobei er sich schon dieser barfüßig zu Füßen warf. Auf ihre Vermittlung gelang es ihm immerhin, durch den päpstlichen Legaten vom Bann gelöst zu werden. Das Antlitz des Kaisers zu schauen, wurde ihm jedoch noch nicht gestattet.45 Er wurde vielmehr auf einen späteren Hoftag verwiesen, wo er seine Unterwerfung vor Lothar durchführen sollte. Dies geschah dann in Bamberg; gleichfalls barfüßig und mittels Fußfall erlangte Friedrich die Huld Lothars und musste lediglich versprechen, den Kaiser bei seinem nächsten Italienzug zu be-
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gleiten. Seine Stellung wurde nicht tangiert.46 Ebenso wenig die von Konrad, der erst auf einem Hoftag im sächsischen Mühlhausen nach Durchführung des gleichen Rituals die Gnade Lothars fand.47 Er hatte Lothar auf dem Italienzug als Bannerträger zu begleiten, was insofern einen besonderen Sinn macht, als Konrad jahrelang als Gegenkönig in Italien zumindest begrenzte Anerkennung gefunden hatte. Durch sein Auftreten als Bannerträger Lothars machte er also den Italienern die neuen Machtverhältnisse sehr eindrücklich klar.48 Das Verhalten, das Lothar gegenüber den Staufern an den Tag legte – Reintegration in den Herrschaftsverband ohne größere Einbußen –, ähnelte sehr demjenigen, das Heinrich V. ihm selbst gegenüber gezeigt hatte. In beiden Fällen dürfte der Hauptgrund für die geübte Zurückhaltung aber gewesen sein, dass die Gegner eine zu starke Position innehatten, um sie zum Objekt königlicher Härte machen zu können. Man kann dann die ganze Zeit der Staufer durchmustern und immer wieder Beispiele dafür finden, dass das Ritual der Unterwerfung zur gütlichen Beendigung von Konflikten benutzt wurde und die sich Unterwerfenden keinen oder kaum Schaden an ihrer Stellung erlitten. Immer wieder lassen sich aber auch Fälle namhaft machen, die bezeugen, dass dieses Ritual dazu diente, Härte und Strenge zum Ausdruck zu bringen. Diese Funktion machte es aber auch erforderlich, dass es jeweils in wesentlichen Teilen verändert wurde. Und auf diesem Gebiet war man durchaus erfinderisch. Dies sei zunächst am Beispiel der so genannten Tübinger Fehde verdeutlicht, die auf Betreiben Friedrich Barbarossas durch ein Unterwerfungsritual beendet wurde.49 Zur Unterwerfung veranlasste der Herrscher aber den Pfalzgrafen Hugo von Tübingen, der sich in den bewaffneten Auseinandersetzungen als durchaus erfolgreich erwiesen hatte. Er hatte nämlich seinen Fehdegegner Welf VII. über die Maßen blamiert, indem er ihn schimpflich zur Flucht zwang und dabei nicht weniger als 900 von dessen Kriegern gefangen nahm. Nicht nur in diesem Fall hat sich am Ende eines Konflikts jedoch der militärische Sieger dem Unterlegenen unterworfen.50 Die Unterwerfung Hugos bedeutete in diesem Falle wohl eine Genugtuungsleistung für die ungeheure Schmach, die Welf VII. durch die Niederlage erlitten hatte. Weil der Schimpf in diesem Falle aber besonders groß war, verfiel man auch auf eine besonders entehrende Art der Unterwerfung: „Am Fastnachtsdienstag unterwarf er (sc. Hugo) sich auf einem Hoftag in Ulm in Gegenwart Herzog Heinrichs (des Löwen), unseres Herrn (sc. Welf VI.) unter den Augen des Kaisers selbst und Herzog Friedrichs, dem jungen Welf (VII.). Er fiel ihm zu Füßen und musste es hinnehmen, verhaftet und gefesselt abgeführt zu werden. So ward er bis zum Tode dieses Welf, nämlich anderthalb Jahre, in Gefangenschaft gehalten.“51 Otto
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von St. Blasien, ein anderer Gewährsmann für das Geschehen, ergänzt noch das bezeichnende Detail, dass der Pfalzgraf den Fußfall dreimal wiederholen musste.52 Man muss sich vergegenwärtigen, was die dreimalige Wiederholung eines Fußfalls und vor allem eine öffentliche Fesselung für einen ehrbewussten Adligen bedeutete, um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie gravierend das Ritual in diesem Fall abgewandelt worden ist. Mir ist kein zweiter Fall bekannt, in dem die Fesselung eines Adligen praktiziert worden wäre. Die Wirkung dieser Veränderung der rituellen Abläufe dürfte daher groß gewesen sein: statt Verzeihen und Friedenskuss Fesselung und Haft. Otto von St. Blasien betont denn auch, dass Friedrich Barbarossa den Pfalzgrafen gezwungen habe, sich ohne jede Bedingung, d. h. ohne die üblichen Absprachen und Garantien, zu unterwerfen.53 Man legte also offensichtlich Wert darauf, die besonders beschädigte Ehre des Welfen durch eine besondere Demonstration wiederherzustellen – und diese bestand zunächst in der dreimaligen Wiederholung des Fußfalls und dann in der Fesselung des Gegners, der zudem für unbegrenzte Zeit in Haft genommen wurde. Als Friedrich Barbarossa 1166 in Ulm für diesen Ablauf des Rituals sorgte, hatte er gerade in Italien reiche Erfahrungen auf dem gleichen Felde gemacht, denn im Jahre 1162 hatte sich Mailand nach einer Belagerung zum zweiten Mal dem Herrscher unterworfen. Während 1158 anlässlich der ersten Unterwerfung die Quellen noch von einer Standardversion des Rituals berichten, die die Milde Friedrichs und seine Bereitschaft zur Vergebung akzentuiert, ist die zweite Unterwerfung von vielen Details gekennzeichnet, die nun die kaiserliche Härte und Strenge ebenso betonen wie die verzweifelte Lage der Mailänder.54 Ein kaiserlicher Notar namens Burchard, der Augenzeuge der Verhandlungen und Geschehnisse war, hat in einem Brief an den Siegburger Abt Einzelheiten der vorausgehenden Verhandlungen und der dann folgenden Durchführung des Rituals beschrieben. In diesen Ausführungen wird unmittelbar deutlich, wie sehr sich das Denken aller zwischen den Polen Barmherzigkeit und Härte bewegte. So soll etwa der Kölner Erzbischof geraten haben, sich auf keinen Vertrag über die Bedingungen der Konfliktbeendigung einzulassen, „weil dann der Sieg vollständig sei, und der Kaiser Rache und Milde nach Gutdünken üben könne“55. Der Graf von Biandrate gab dagegen einen ganz anderen Rat: Man solle den Vertrag durchaus schließen, da ihn die Mailänder ohnehin nicht einhalten könnten, „dann würde sich der Kaiser weniger in Bezug auf die Barmherzigkeit versündigen, wenn er sie schwerer bestrafen würde“56. Beide Argumentationen leben von der Gewissheit, dass es Spielregeln für solche Unterwerfungen gab, deren Nichtbeachtung Sünde sei. Allerdings war es durch geschicktes Taktieren möglich, sich Verpflichtun-
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gen zur Barmherzigkeit zu entziehen. Und genau darüber reden die Ratgeber. Schließlich, so der Gewährsmann, hätten die Mailänder sich nur noch auf den Schutz der Barmherzigkeit verlassen und die Unterwerfung ohne vertragliche Grundlage vollzogen. Dies kann nur bedeuten, dass sie keine festen Zusagen hinsichtlich der kaiserlichen Barmherzigkeit bekommen hatten. Andere Absprachen dagegen muss es gegeben haben, denn das Unterwerfungsritual zog sich über eine Woche lang hin und bestand aus sich steigernden Genugtuungsleistungen der Mailänder vor Friedrich, die lange ohne Reaktion des Kaisers blieben: „alle (…) wurden heftig bis zu Tränen gerührt, aber das Antlitz des Kaisers veränderte sich nicht. (…) der Graf von Biandrate (…) zwang alle zu Tränen, indem er selbst das Kreuz emporhielt und die ganze Menge sich mit ihm demütig bittend niederwarf; aber der Kaiser allein ließ sein Antlitz unbeweglich wie einen Stein.“57 Die so inszenierte Unnachgiebigkeit Barbarossas steht sicher bewusst in stärkstem Kontrast zur Milde und ihren tränenreichen Ausdrucksformen, mit denen er selbst vier Jahre zuvor und viele frühere Herrscher auf solche Unterwerfungen reagiert hatten. Ein Höhepunkt dieser Genugtuungsleistungen war die Übergabe des Mailänder Fahnenwagens, um den sich die Mailänder im Kampf zu scharen pflegten. In seiner Mitte ragte ein hoher Mastbaum mit einem Bildnis des heiligen Ambrosius auf. Ihn nutzte man zur symbolischen Unterwerfung der Stadt: „Nach Übergabe aller Ehrenzeichen der Mailänder kam zuletzt dieser Wagen heran, um auch selbst sein Haupt zu neigen. Sein Lenker senkte kunstvoll jenes ganze Gerüst und jenen Mastbaum bis zur Erde, sodass wir, die wir neben dem Throne des Herrn Kaisers standen, den Zusammensturz des Gerüstes befürchtend, erbebten. Doch der herabgesenkte Mastbaum fiel weder, noch erhob er sich, bis der Kaiser die Fransen der Fahne ordnete und den Wagen wieder aufrichten und als einen unterjochten dastehen ließ.“58 Eindringlicher konnte man die Spannung zwischen Gnade und Gerechtigkeit kaum inszenieren. Diese Spannung verbalisierte schließlich Friedrich selbst, als er endlich auf die verzweifelten Bitten der Mailänder einging: „er wolle zugleich mit der Gnade und dem Gericht beginnen. Wenn nach der Gerechtigkeit verfahren werden sollte, so müssten sie alle das Leben verlieren. Doch jetzt sei es angemessen, der Gnade Raum zu geben.“59 Diese Gnade bestand aber im Wesentlichen darin, dass Friedrich den Mailändern das Leben schenkte; ihre Stadt wurde vollständig zerstört.60 Gewiss war im Falle Mailands die Strenge Barbarossas nicht zuletzt dadurch bedingt, dass sich die Stadt binnen kurzem zweimal gegen ihn erhoben hatte. So hatte sie die Milde der ersten Unterwerfung schlecht gelohnt und sie nicht ein zweites Mal verdient. Doch gibt es auch andere Belege
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dafür, dass gerade im Umfeld Friedrichs intensiv über eine neue Hierarchie der königlichen Verpflichtungen zu clementia und zu iustitia nachgedacht wurde. Diese Neubewertung hat Otto von Freising an einer sehr zentralen Stelle seiner Taten Friedrichs programmatisch formuliert. Den Anlass hierzu aber gab ihm ein gescheitertes Unterwerfungsritual. Im Moment der Krönung in Aachen hatte sich nach Ottos Darstellung Friedrich nämlich ein Dienstmann (minister), der in Ungnade gefallen war, mitten in der Kirche zu Füßen geworfen in der Hoffnung, den König so zur Milde bewegen zu können. Diese Hoffnung aber wurde enttäuscht und gab Otto von Freising Anlass, das Verhalten des Königs als vorbildlich zu feiern: „Er aber verharrte bei seiner früheren Strenge; er blieb fest und gab uns allen damit ein Beispiel seiner nicht geringen Beständigkeit, wobei er erklärte, er habe jenen nicht aus Hass, sondern aus Gerechtigkeitssinn von seiner Gunst ausgeschlossen. Dies erregte bei vielen Bewunderung, dass dieser junge Mann sich gewissermaßen die Gesinnung des reifen Alters angeeignet hatte, sodass ihn seine glorreiche Erhöhung nicht erweichen und zum Fehler des Vergebens veranlassen konnte.“61 Deutlicher kann man kaum formulieren, welcher der Königstugenden nun der Vorzug gebührt. Dies aber bedeutet mehr als eine Akzentverschiebung im Vergleich mit der Einstellung etwa des 10. Jahrhunderts. Bezeichnend ist jedoch, wie deutlich sich dies in den Ritualen niederschlägt. Hatte die Milde ihre demonstrativen Ausdrucksformen etwa in Tränen und Friedenskuss, so fand jetzt der rigor iustitiae seine performative Umsetzung in versteinerter Unnachgiebigkeit oder in gesteigerter Entehrung der sich Unterwerfenden. Die Rituale erweisen sich also als genaue Indikatoren der Veränderungen in den Auffassungen von den Aufgaben und Rechten der Herrscher, und damit von entscheidenden Rahmenbedingungen ihrer Machtausübung. Gerade im 12. Jahrhundert spiegeln die Rituale die Auseinandersetzung um die Befugnisse der Herrscher in sehr direkter Weise, wie man nicht nur am Unterwerfungsritual zeigen kann. Dass aber die Hochschätzung des rigor iustitiae gegenüber der clementia nicht unumstritten war, zeigen Stimmen, die das Verhalten Friedrich Barbarossas gegenüber Heinrich dem Löwen bewerten. Die Entmachtung des Löwen hatte der Kaiser nämlich nicht nur mit den Mitteln des Rechts vorangetrieben, sondern durchaus auch auf herkömmliche Weise mit außergerichtlichen Mitteln nach gütlichen Lösungen gesucht.62 Den Sturz des Löwen besiegelte denn auch seine Unterwerfung 1181 in Erfurt, bei der er in durchaus traditioneller Weise dem Kaiser zu Füßen fiel und sich dann selbst verbannte, indem er eidlich versicherte, den Reichsboden zu meiden. Symptomatisch ist aber, wie man diese Unterwerfung Heinrichs und vor allem Barbarossas Reaktionen auf sie im Umkreis der Welfen kommentierte. Arnold von Lübeck bringt die diesbezügliche Wertung auf den
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Punkt: „Der Herzog erschien an dem ihm anberaumten Hoftage und warf sich dem Kaiser zu Füßen, indem er sich völlig seiner Gnade überlieferte. Dieser hob ihn vom Boden auf, küsste ihn und beklagte mit Tränen in den Augen, dass ihre Uneinigkeit so lange gewährt und er selbst sich seinen Sturz zugezogen habe. Ob aber diese Tränen aufrichtig gemeint waren, steht zu bezweifeln. Er scheint kein aufrichtiges Mitleid mit dem Herzog empfunden zu haben, da er ihn nicht wieder in seine frühere ehrenvolle Stellung zu bringen versuchte.“63 Diese Darstellung ist noch ganz der Vorstellung verpflichtet, dass man nach der Genugtuungsleistung des Rituals genug getan habe und zum Status quo ante zurückkehren könne, ja müsse. Wer das Zeichen des Versöhnungskusses gibt und den anderen dann nicht in seine frühere Stellung zurückkehren lässt, handelt unaufrichtig. Natürlich ist dies eine Parteimeinung, aber sie zeugt deutlich von dem Fortleben der alten Vorstellungen. Arnold hat sogar eine Erklärung dafür parat, warum Barbarossa so handeln musste. Er habe den Fürsten einen Eid geschworen, ohne ihre Zustimmung Heinrich den Löwen nie wieder in seine alte Stellung zu bringen – deshalb habe er sich nicht richtig und wirklich erbarmen können. Aber auch aus Italien hören wir während der erbitterten Auseinandersetzungen Barbarossas mit den Städten nicht nur von Härte, sondern durchaus von Fällen, in denen Friedrich seine Milde in demonstrativer Weise hervorkehrte. So berichtet Otto Morena zum Jahre 1160 im Zusammenhang mit der Unterwerfung von Crema von folgender Verhaltensweise des Herrschers: „Ich meine es auch nicht übergehen zu sollen, dass der allerchristlichste Kaiser, nachdem er zornigen Sinn und feindseligen Hass abgelegt hatte, den Cremasken durch eine Engstelle, durch die sie auszogen, hinausgehen half und mit eigenen Händen zusammen mit anderen Kriegern einen ihrer Siechen hinausgeleitete. Ein derartiger Akt der Güte und kaiserlichen Milde muss allen Menschen ein außerordentliches Beispiel sein.“64 In diesem Fall hatten allerdings auch die Gegner frühzeitig eingelenkt und sich damit die Milde verdient, die in der kaiserlichen Hilfestellung beim Auszug ihren öffentlichen und angemessenen Ausdruck fand. So stehen im ganzen 12. Jahrhundert in Konflikten durchaus rituelle Ausdrucksweisen von Milde wie von Härte nebeneinander. Nicht in jedem Fall ist die Überlieferung so günstig, dass sie Anhaltspunkte böte, warum die eine oder die andere herrscherliche Verhaltensweise in den Vordergrund rückte. Begründet war dies aber mit einiger Sicherheit nicht allein oder auch nur vorrangig in der Willkür des Herrschers, sondern hatte seine Ursachen in den jeweiligen Besonderheiten des Konflikts, die sehr unterschiedlicher Natur sein konnten. Anspruch auf Milde hatten Gegner nach
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wie vor bei frühem Einlenken oder bei mächtigen Fürsprechern; Härte stand im Vordergrund, wenn im Konflikt viel Schaden angerichtet worden war, wenn man die Unterwerfung lange verweigert hatte oder als notorischer Rebell gelten konnte. Sosehr jedoch Autoren wie Otto von Freising das Hohe Lied des rigor iustitiae sangen und die Gerechtigkeit als herrscherliche Tugend der Milde voranstellten, hierbei wahrscheinlich die Meinung der Herrscher spiegelnd – es gab immer wieder Situationen, in denen man Grund fand, auf die alten Gewohnheiten zurückzugreifen und dieser Milde Raum zu geben. Die größte Zäsur auf dem Gebiet der Unterwerfungsrituale in der Stauferzeit lässt sich ausmachen, als die Staufer mit Heinrich VI. die sizilische Königswürde übernahmen und hier unter anderem auf normannische Traditionen der Konfliktführung stießen, die deutlich anders aussahen als die im Reich durch die Jahrhunderte praktizierten.65 Es kann ja nicht genügend betont werden, dass solche Traditionen und ihre rituellen Umsetzungen Ergebnisse eines komplexen Kräftespiels von Akteuren mit durchaus unterschiedlichen Gewichten waren. Und daraus ergaben sich in den europäischen Reichen durchaus unterschiedliche Gewohnheiten. Im normannischen Süden Italiens hatte es wohl nie einen Zweifel gegeben, ob Härte oder Milde als Herrschertugend angemessener sei. So ließ etwa, um nur ein Beispiel zu geben, Roger II. Befehlshaber von Burgen blenden, die ihre Burg gegen freien Abzug Kaiser Lothar von Supplinburg übergeben hatten. Im Norden war es dagegen allgemeine und ungerügte Praxis, Burgen bald dem Gegner auszuliefern, um sich den Vorteil des unbehelligten Abzugs nicht zu verscherzen.66 Das Bild Heinrichs VI. in der modernen Historiographie ist nicht zuletzt deshalb verdunkelt, weil er sich diese normannischen Traditionen mit all ihrer Härte rücksichtslos zu Nutze machte, als es darum ging, sich in Sizilien durchzusetzen.67 Formen und Rituale gütlicher Konfliktbeilegung kamen hier nicht zur Anwendung. Aber auch das ist ein Befund. Berüchtigt ist vor allem Heinrichs Umgang mit den sizilianischen Magnaten, die 1197 nicht nur die Vorbereitungen zu einem Kreuzzug durch einen geplanten Aufstand empfindlich zu stören drohten. Sie machten dem Herrscher vielmehr erneut klar, mit wie viel Widerstand seine Herrschaft im Süden zu kämpfen hatte. Die Pläne der Gegner wurden verraten und Heinrich belagerte die Rädelsführer in der Burg Castrogiovanni. Als diese nach mehrwöchigen Kämpfen fiel, tobte sich der rigor iustitiae in einer Weise aus, die die Nachwelt bis heute erschreckt. Auf unterschiedlichste Weise wurden die Rebellen zu Tode gebracht, am grausamsten aber ihr Anführer, dem man eine eiserne Krone aufs Haupt nagelte. Seine Gemahlin Konstanze, der eine Mitwisserschaft an der Verschwörung angelastet wurde, zwang der Kaiser, dem Geschehen beizuwohnen.68
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Bereits zuvor aber hatte Heinrich VI., als 1194 nach seinem feierlichen Einritt in Palermo ein angeblich geplanter Aufstand verraten wurde, mit unbekannter Härte gegen die verbliebenen Mitglieder der normannischen Königsfamilie durchgegriffen. Sie und wichtige ihrer Anhänger wurden nicht nur ins Reich deportiert, sondern der noch minderjährige Wilhelm wurde ebenso geblendet wie einige seiner Gefolgsleute.69 Auch den Grafen Richard von Acerra, einen Bruder der normannischen Königin Sibylle, traf die kaiserliche Strafe in fürchterlicher Weise: Zunächst von einem Pferd durch Capua geschleift, wurde er nach dieser Tortur an den Füßen aufgehängt. Angeblich um den Kaiser zu belustigen, band ein Hofnarr Heinrichs dem Sterbenden einen schweren Stein an die Zunge und so ließ Heinrich den ehemaligen Gegner am Galgen hängen.70 Dass solcher Druck Gegendruck erzeugte, verwundert wohl kaum. Im Reich lässt sich hingegen eine vergleichbare herrscherliche Grausamkeit Heinrichs in Konfliktfällen nicht beobachten. Hier wurden vielmehr Unterwerfungen als Genugtuungsleistungen von Heinrich akzeptiert, ohne dass sie von Leib- oder Lebensstrafen begleitet gewesen wären. Dies zeigte sich etwa in der Auseinandersetzung um den Lütticher Bischofsstuhl, bei der es zur Tötung eines Kandidaten gekommen war, an der man Heinrich VI. die Schuld zu geben versuchte. Dies hatte zu einer Fehde der Herzöge von Limburg und Brabant gegen die Partei des Kaisers geführt. Als der aber drohte, den gefangenen englischen König Richard Löwenherz an den französischen König, seinen Feind, auszuliefern, beeilten sich die lothringischen Fürsten und Verbündeten Richards mit einer gütlichen Beilegung des Konflikts. Diese realisierte man nach Verhandlungen in Koblenz, die das Gesicht beider Seiten wahrten: Die Herzöge unterwarfen sich, erhielten aber als Zeichen der kaiserlichen Huld reiche Geschenke und verblieben in ihrer Stellung, ja mehr noch, man schloss eine amicitia.71 So hatte man auch im 10. Jahrhundert Konflikte in den Führungsschichten beendet. Auch im Falle Richard Löwenherz’ selbst war es im gleichen Jahr zu einer öffentlichen Szene gekommen, für die alte Modelle der Konfliktlösung Pate gestanden haben dürften. Auf einem Hoftag zu Speyer hatte Heinrich VI. in der Karwoche Richard Löwenherz öffentlich verschiedener Verbrechen bezichtigt. Zu den Vorwürfen gehörten auch solche, die den gefangenen König beschuldigten, die Ermordung Heinrichs betrieben und begünstigt zu haben. Damit war gewiss ein Tatbestand gegeben, der härteste Strafen rechtfertigte. Richard erhielt aber Gelegenheit, sich gegen die erhobenen Vorwürfe zu verteidigen. Er sei bereit, jeden Beweis seiner Unschuld zu erbringen, den die Fürsten anordnen würden, argumentierte er zunächst. Dann aber beugte er das Knie vor dem Kaiser, was Heinrich sofort mit einer Geste der Versöhnung beantwortete. Er stieg von seinem
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Thron und gab Richard den Friedenskuss. Alle Anwesenden waren zu Tränen gerührt und noch am Gründonnerstag schloss man den Vertrag, der die Bedingungen der Freilassung Richards regelte.72 Nach allen Erfahrungen mit der Fähigkeit der mittelalterlichen Führungsschichten, solche Auftritte abzusprechen und zu inszenieren, dürfte man kaum geneigt sein, hier spontane Gemütsbewegungen des Königs und des Kaisers zu diagnostizieren. Vielmehr bedeutete die Kniebeugung Richards eine grundsätzliche Genugtuungsleistung, die Heinrich Anlass zur Milde und Vergebung bot. Und genau darauf dürfte man sich verständigt haben. Nachdem das Zeichen der Unterwerfung öffentlich gegeben worden war, konnte der Kaiser von einer gerichtlichen Klärung absehen und der Versöhnung Raum geben. Die Tränen der Anwesenden signalisieren hier wie in vielen früheren Fällen die Freude über die Milde des Herrschers.73 Auch die Herrschaft Friedrichs II. bietet ausreichendes Material, um die Geschichte der Unterwerfungsrituale zwischen den Polen Milde und Strenge weiter zu verfolgen. Das Verhalten Friedrichs auf diesem Gebiet ist wie das seines Vaters davon abhängig, wo und mit wem die Konflikte geführt wurden. Allerdings gab er nirgendwo der Milde breiteren Raum, auch wenn diese Tatsache in der Rhetorik der herrscherlichen Äußerungen manchmal verbrämt wird.74 Immerhin aber gab es auch unter ihm Akte der Unterwerfung, in denen die Spannung von Milde und Härte aufscheint, auch wenn sie zugunsten der Härte entschieden wurden. Ein Beispiel hierfür ist Friedrichs Konflikt mit Heinrich (VII.), seinem Sohn, der sich als Regent nördlich der Alpen mehrfach den Unwillen des Vaters zuzog.75 Als Friedrich II. 1235 die offene Rebellion seines Sohnes mit militärischen Maßnahmen bekämpfte und die Burg Trifels belagerte, „kam dieser aus Furcht vor der Strenge des Vaters heraus, warf sich vor ihm zu Boden und bat um Barmherzigkeit. Jener aber ließ ihn ohne Erbarmen in Fesseln legen und führte ihn mit sich nach Worms, wo er ihn unter strenge Bewachung stellte.“76 Es fehlen sichere Anhaltspunkte zu entscheiden, ob hier von einem spontanen Verzweiflungsakt die Rede ist, auf den der Kaiser mit Strenge antwortete, oder ob Friedrich hier Strenge inszenierte, indem er das Unterwerfungsritual benutzte – um zu zeigen, dass in diesem Falle Milde unangemessen sei. Andere Autoren fühlten sich jedenfalls aufgerufen, die kaiserliche Strenge damit zu begründen, dass der Sohn noch in dieser Lage die Ermordung des Vaters geplant habe. Wie dem auch sei, aus dieser Haft ist Heinrich (VII.) nicht mehr entlassen worden, bis er sich Jahre später wahrscheinlich selbst das Leben nahm. Im gleichen Jahr aber beendete Friedrich auch den langen Konflikt mit den Welfen auf eine demonstrative Weise, die in der Forschung als die Erhebung des Welfen Ottos des Kindes in den Reichsfürstenstand bekannt
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ist.77 Vor dieser Erhebung und der Investitur in das Herzogtum Braunschweig-Lüneburg mit einer Fahne aber hatte sich Otto vor dem Kaiser zu demütigen. Mit gebeugtem Knie gab er sich in die Hand Friedrichs, indem er ihm sein Eigengut übereignete „und sich auf jede erdenkbare Weise vor ihm demütigte“. Diese Selbsterniedrigung war der Auslöser für die kaiserliche Großmütigkeit, die den Welfen dann zum Reichsfürsten erhob. Die Nähe dieses Aktes zu den Unterwerfungsritualen ist unverkennbar: Vor der Erhöhung stand die Erniedrigung. Nur folgte in diesem Falle wirklich die kaiserliche Gnade der Demütigung auf dem Fuß, was in der Stauferzeit – und speziell in der späten – jede Selbstverständlichkeit verloren hatte. Zu einer reinen Demonstration von Härte und herrscherlicher Willkür soll Friedrich hingegen die Unterwerfung eines Sarazenen genutzt haben, weiß eine arabische Quelle zu erzählen, deren Details nicht auf ihren Realitätsgehalt zu überprüfen sind. Nach einer langen Belagerung habe sich der sarazenische Befehlshaber der Festung Jato zur Unterwerfung entschlossen und sei vor dem Kaiser erschienen. Dabei aber habe ihn dieser niedergestoßen und durch einen Tritt mit seinen Sporen verletzt. Nach kurzer Gefangenschaft habe ihn der Kaiser dann getötet, indem er ihm den Bauch aufschlitzte. Dessen Söhne aber ließ man durch Pferde zu Tode schleifen.78 Angesichts vergleichbarer Grausamkeiten Heinrichs VI. in Sizilien ist diese arabische Stimme nicht von vornherein völlig unglaubwürdig. Zu erschreckenden Demonstrationen von Härte ließ sich Friedrich in Süditalien später überdies in den Fällen hinreißen, in denen es um die Vernichtung der Verräter aus den eigenen Reihen ging. Allerdings ist im Falle des Sarazenen die Nachricht von dem eigenhändigen Wüten des Kaisers singulär und verdient daher auch Skepsis. Zusammengefasst bietet die Geschichte der Unterwerfungsrituale in der Zeit der Staufer viel Anschauungsmaterial dafür, wie direkt sich Herrschaftsauffassungen und Kräfteverhältnisse in der Gestaltung dieser Rituale niederschlugen. Die Herrschertugenden Milde und Gerechtigkeitsliebe markierten gerade in dieser Zeit zwei unterschiedliche Formen von Machtausübung, und diese kamen in unterschiedlichen Ausformungen des gleichen Rituals zum Ausdruck. Unter dem Leitbegriff des rigor iustitiae fanden entehrende Verhaltensweisen in die Rituale Eingang: Man fesselte die Unterworfenen, ließ sie auf dem Boden liegen oder ihre Bitten um Vergebung mehrfach wiederholen. Extremer noch aber sind die Fälle, in denen es am Ende des Konflikts gar nicht mehr zu einem Ritual der Unterwerfung, sondern zur Folterung, Hinrichtung und Entehrung der Gegner kam. Dies aber wurde als Ausdruck einer strengen Liebe zur Gerechtigkeit geradezu als neue Tugend der staufischen Herrscher gepriesen, wie es Gottfried von Viterbo in metrischer Form tat.79
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Neben diesen Zeichen eines neuen Verständnisses von Macht und Herrschaft beobachteten wir aber durchaus weiterhin Manifestationen herrscherlicher Milde, die eine Fortexistenz der traditionellen Weisen gütlicher Konfliktbeilegung und ihrer rituellen Formen anzeigen. Es hing mit einiger Wahrscheinlichkeit von den im Einzelfall vorliegenden politischen Kräfteverhältnissen ab, welche Variante zur Anwendung kam. Man kann jedenfalls nicht davon sprechen, dass die Herrscher ihrem rigor iustitiae ohne Ansehen der Personen hätten Lauf lassen können, die von ihm betroffen wurden.80
IV.3 Agonale Aspekte in Ritualen der Stauferzeit Fragt man nach der Eigenart des 12. Jahrhunderts hinsichtlich der Geschichte der Herrschaftsrituale, so wird man auch darauf verwiesen, dass die Quellen nun häufiger von rituellen Vorgängen erzählen, die Zeugnis von Kontroversen geben oder von Teilnehmern und Zeitgenossen kontrovers beurteilt wurden. Natürlich kann man dies auch schon in früheren Zeiten beobachten, doch wird erst im 12. Jahrhundert richtig deutlich, wie konfliktträchtig rituelles Verhalten sein konnte, wie erzwungen es in manchen Fällen war, wie genau man auf die Einhaltung bestimmter Standards achtete und wie subtil man Ansprüche mittels ritueller Verhaltensmuster stellen und so Macht ausüben konnte.81 Ein Feld, auf dem sich diese Eigenart abzeichnet, sind die höfischen Feste und Hoftage, die seit dem 12. Jahrhundert in besonderer Weise zum Schauplatz für rituelle Handlungen wurden, in denen und mit denen sich Herrschaftsverbände inszenierten. Zwar hatten ganz sicher Festfeiern, namentlich die hohen Kirchenfeste, auch in den Jahrhunderten zuvor bereits einen hohen Stellenwert für die Repräsentation von Herrschaft. Die Oster- oder Pfingsthoftage des 10. und 11. Jahrhunderts sahen ottonische oder salische Herrschaftsrepräsentation vielfältiger Art, mit der die Könige ihr Gottesgnadentum in liturgischen und paraliturgischen Handlungen zur Darstellung brachten, hierbei von ihrem Herrschaftsverband unterstützt.82 Es wurden nicht nur die Gesandtschaften auswärtiger Reiche zu diesen Gelegenheiten empfangen, die Geschenke brachten und mit Geschenken geehrt wurden; man nutzte gerade die Prozessionen in die Kirche, die an solchen Festtagen mehrmals täglich stattfanden, zur Abbildung der Rangordnung wie zur Darstellung besonderer Verhältnisse. So wurde bereits behandelt, dass der polnische Fürst Boleslaw Chrobry am Pfingsthoftag 1013 in Merseburg Kaiser Heinrich II. beim Kirchgang als Schwertträger diente. Die gleiche Art und Weise, Verpflichtungen und Abhängigkeiten zum Ausdruck zu bringen, nutzten auch im 12. Jahrhundert noch
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Lothar von Supplinburg und Friedrich Barbarossa, wenn sie sich auf sächsischen Pfingsthoftagen von dänischen oder polnischen Herrschern das Schwert vorantragen ließen.83 Doch hört man erst seit dem 12. Jahrhundert so viel über die Einzelheiten der festlichen Abläufe, dass man die Frage behandeln kann, welchen Stellenwert rituelle Vorgänge im Verlaufe solcher Feste hatten. Namentlich die germanistische Mediävistik hat sich bisher um die Erforschung der höfischen Feste verdient gemacht und dabei den hohen Anteil ritueller Verhaltensmuster herausgearbeitet.84 Das ist kein Zufall, denn insbesondere die literarischen Texte werden nicht müde, neben der Prachtentfaltung und der Verschwendung rituelles Verhalten zu beschreiben, das den Ablauf der höfischen Feste charakterisierte. So wurde schon beim Empfang der Gäste ihrem Rang in ausgesuchter Weise Rechnung getragen; wurde bei der Platzierung der Gäste an der Tafel gleichfalls ihr Rang berücksichtigt; war die Beschenkung beim Abschied ein ritueller Akt, mit dem wiederum Rang, aber auch Nähe zeichenhaft zum Ausdruck kamen. Gerade neuere Untersuchungen haben auf breiter Basis nachgewiesen, dass die fiktionalen Texte ihre Beschreibungen, was rituelles Verhalten angeht, recht realitätsnah anlegten. Die höfische Literatur, verstanden als ein Beobachtungs- und Reflexionssystem mittelalterlicher Wirklichkeiten, bietet daher eine erwünschte Erweiterung der Textbasis, mit der die Zusammenhänge von Fest, Ritual und Macht beschrieben werden können.85 Dieser Zusammenhang aber wird im 12. Jahrhundert nicht selten dadurch evident, dass die Festfreude durch Dissens getrübt zu werden drohte, der sich an rituellen Handlungen entzündete oder manifestierte. Waren die Verhältnisse zerrüttet, drohten folgerichtig auch die Festrituale zu scheitern, weil Teilnehmer bestimmte Handlungen verweigerten, auf bestimmten Vorrechten bestanden oder sich provokativ verhielten. Dies war etwa der Fall, als Kaiser Heinrich V. im Jahre 1114 zu Mainz seine Hochzeit mit Mathilde von England feierte. Er nutzte diese Gelegenheit, zu der sich Fürsten in großer Zahl versammelt hatten, nicht nur zur Entfaltung herrscherlicher Pracht, sondern auch zu einer Demonstration seiner Macht, indem er den Grafen Ludwig von Thüringen, einen früheren Gegner, auf dem Fest gefangen nehmen und einkerkern ließ, obwohl sich dieser in der Huld des Herrschers glaubte. Auch Herzog Lothar von Sachsen hatte die Hochzeitsfeierlichkeiten um einen ungewöhnlichen Akt zu bereichern, indem er sich zu dieser Gelegenheit dem Kaiser barfuß und im Büßergewand zu Füßen warf, dafür aber immerhin die Verzeihung Heinrichs erhielt.86 Es verwundert angesichts solcher ‚Festeinlagen‘ kaum, dass bei den Fürsten keine rechte Stimmung aufkommen wollte. Sie hätten dem Fest sine laetitia beigewohnt; einige hätten sich ohne Erlaubnis davongemacht; andere wiederum hätten die Gelegenheit zur Konspiration
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gegen den Kaiser genutzt, sagen verschiedene Quellen.87 Die Nachrichten zeugen davon, dass die Fürsten das zum Fest gehörende heiter-freundliche Verhalten verweigerten, und es wird ausdrücklich gesagt, dass sie dies wegen der Machtdemonstrationen Heinrichs V. taten. Für Otto von Freising war dieses gescheiterte Fest sogar der Neubeginn allen alten Übels: „So wurde das unglückliche Reich, das kaum einige wenige Jahre Ruhe gehabt hatte, von neuem gespalten und jenseits wie diesseits der Alpen in sich selbst entzweit.“88 Wohlverhalten und Harmonie, so kann man nicht nur aus diesem Beispiel lernen, lassen sich nicht mittels Ritualen herbeizwingen; vor allem dann natürlich nicht, wenn man versuchte, rituelle Demonstrationen von Macht und gemeinschaftsstiftende Rituale zu mischen. Dann drohten Letztere zu misslingen. Dies war bei einem Fest natürlich schon dann der Fall, wenn keine Feststimmung aufkam oder die Abwesenheit wichtiger Personen signalisierte, dass sie sich an den gemeinschaftsstiftenden Ritualen nicht beteiligen wollten. Allerdings war es nicht immer ganz einfach, sich der Macht der Rituale zu entziehen. So hatte Lothar von Supplinburg die rituellen Akte genau überlegt, mit denen er eine Versöhnung zwischen dem Herzog Boleslaw III. von Polen und dem Herzog Sobeslaw von Böhmen sowie sich selbst inszenieren wollte. Dies geschah auf einem Hoftag 1135 in Merseburg, zu dem die drei Genannten mit so reichen Geschenken kamen, „dass keiner von den Fürsten sich nicht von den Geschenken der beiden Herzöge und des Kaisers erfreut und geehrt fühlte“89. Das Treffen begann also wie eines jener höfischen Feste, von denen die mittelalterliche Literatur so voll ist. Vor allem für den widerspenstigen Polen, der jahrelang keinen Tribut gezahlt und sich geweigert hatte, überhaupt am Hofe Lothars zu erscheinen, hatte man sich aber eine Reihe ritueller Vorgaben ausgedacht, die ihm den Frieden und die Versöhnung nicht leicht machten. Er hatte nicht nur kniend den Handgang des Lehnsmanns zu vollziehen, nicht nur bei der Prozession zur Kirche dem Kaiser als Schwertträger zu dienen, man platzierte ihn überdies bei den Beratungen nicht ehrenvoll wie seinen früheren Feind Sobeslaw und die übrigen Fürsten, die rechts und links neben dem Kaiser saßen, sondern ließ ihn wie einen Diener vor dem Kaiser sitzen.90 Kein Wunder daher, dass auch in diesem Falle keine rechte Festfreude aufkommen wollte und man mit einem recht brüchigen Frieden auseinander ging.91 Immerhin honorierte aber Kaiser Lothar die Bereitschaft des Polenherzogs zur Durchführung der genannten rituellen Akte der Unterordnung, indem er ihn nach Abschluss des Merseburger Hoftages in Magdeburg durch einen königlichen Empfang ehren ließ. Dies wiederum musste bei den Magdeburgern erst durchgesetzt werden, die sich gar nicht dafür begeistern konnten, „den Slawen und Fremden“ so zu empfangen, wie sie seit Hermann Billung nie mehr einen Herzog empfangen hatten.92
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Ganz vergleichbare Schwierigkeiten und Gefährdungen kann man auch bei jenem Fest beobachten, das wie kein zweites in der modernen Forschung bemüht wurde, den Glanz der staufischen Epoche zu belegen: beim Mainzer Hoffest des Jahres 1184.93 In der Tat sind sowohl die detaillierten Beschreibungen hinsichtlich der Teilnehmerzahlen wie der Prachtentfaltung Beleg genug, um sicher zu sein, dass Friedrich Barbarossa mit diesem Fest Akzente setzte, die vergangene Probleme – wie seine weitgehend gescheiterte Italien- und Papstpolitik oder seine Auseinandersetzung mit Heinrich dem Löwen – vergessen machen sollten. Anlass des Festes war die Schwertleite seiner Söhne, ein ritueller Akt, der seit dem 11. Jahrhundert immer häufiger festlich begangen wurde.94 Durch allen Glanz hindurch, den die Kaiserfamilie wie die so gut wie vollständig versammelten Fürsten verbreiteten, eröffnen die verschiedenen Beschreibungen dieses Festes aber immer wieder den Blick auf die Tatsache, dass das Verhalten der Teilnehmer rangbewusst, und das heißt agonal war. Dies stellte höchste Anforderungen an alle, weil das Gleichgewicht nur durch die Wahrung des Ranges und der Ehre aller aufrecht erhalten werden konnte. Besonders sensibel war somit naturgemäß der Bereich der symbolisch-rituellen Handlungen, mit denen Rang und Ehre zum Ausdruck kamen. So veranlasste die Schwertleite der Söhne Barbarossas „diese sowie alle Fürsten und viele Edelleute, den Rittern, Gefangenen, solchen, die das Kreuz genommen hatten, Spielleuten, Gauklern und Gauklerinnen, reiche Geschenke zu machen: Pferde, kostbare Kleider, Gold und Silber“95. Die Bewertung dieser wahren Geschenkorgie durch den Augenzeugen Gislebert von Mons macht deutlich, um was es hier ging: „Die Fürsten taten dies nicht bloß zur Ehre des Kaisers und seiner Söhne, sondern sie spendeten auch mit freigiebiger Hand, um ihren eigenen Ruhm weithin bekannt zu machen.“96 In der Möglichkeit, reich zu schenken, manifestierte sich Reichtum und Macht und dies führte zu einem Zwang, durch Übertrumpfen der anderen den eigenen Rang symbolisch herauszustreichen. Ein Höhepunkt dieses Festes aber war die Prozession, mit der der Herrschaftsverband am Pfingsttag in die Kathedrale einzog, wobei die Kaiserfamilie ‚unter der Krone ging‘. Auch dies war eine Gelegenheit, in der Rang zum Ausdruck kam und gewahrt werden musste. Wieder klingt das Agonale dieser Situation beim Augenzeugen an: „Als es bei dieser Gelegenheit die mächtigsten Reichsfürsten als ihr Recht beanspruchten, das Kaiserschwert tragen zu dürfen, (…) wurde es dem Grafen vom Hennegau überlassen. Niemand erhob dagegen Einspruch, weil sein Name in allen Landen hochgefeiert war, er erstmals auf einem Hoftag erschien und dazu viele der mächtigsten Fürsten und Adligen, die zugegen waren, mit ihm verwandt waren.“97 So wie es Gislebert hier darstellt, war dieses Vorrecht umkämpft und der Kaiser konnte das Recht nicht nach Gutdünken
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vergeben, er hatte vielmehr die Machtverhältnisse zu beachten, die sich aus der Zusammensetzung des Hoftages ergaben. Weil Barbarossa dies tat, gab es keinen Einspruch. Dies aber ist eine zweckgerichtete Interpretation Gisleberts: Nur einem Ranghohen gebührte nach seiner Meinung solch eine Auszeichnung; der Dienst erweist damit das Ansehen, das sein Herr genoss. Es ist aber auch möglich, dass Gislebert mit dieser Deutung eine andere überspielt, die den Sinn dieses Dienstes besser trifft. Man hat vom Grafen von Hennegau vor seiner Erhöhung in den Reichsfürstenstand, die auch auf diesem Fest vorgenommen wurde, zunächst ein eindeutiges Zeichen seiner Dienstbereitschaft gefordert, wie sie auch von anderen auswärtigen Lehnsleuten der Kaiser im 12. Jahrhundert gefordert wurde.98 Nicht Ehrung, sondern ehrenvolle Unterordnung war dann die Botschaft dieser symbolischen Handlung. Es dürfte kein Zufall sein, dass zuvor nie bezeugt ist, die Reichsfürsten hätten sich um dieses Vorrecht gestritten. Vielmehr deuten die anderen überlieferten Fälle stark darauf hin, dass dieser Dienst gerade dann gefordert wurde, wenn Zweifel an Unterordnung und Dienstbereitschaft bestanden. Die Unterordnung aber wurde in so subtilen Formen angezeigt, dass sie mit ein bisschen Deutungsgeschick durchaus als Auszeichnung aufgefasst werden konnte. Und genau dies dürfte beabsichtigt gewesen sein. Gislebert hätte nach dieser Interpretation also kaschiert, dass es die Aufnahme in den Kreis der Reichsfürsten nicht ohne Gegenleistung gab – und die bestand in einem symbolischen Akt der Unterordnung. Wirklich umkämpft aber waren auf dem Mainzer Hoffest andere symbolische Handlungen, von denen erst spät und durchaus tendenziös der welfische Geschichtsschreiber Arnold von Lübeck berichtet. Der Fuldaer Abt Konrad forderte nach Arnold in einer Fürstenversammlung als sein altes Recht, während dieses Mainzer Hoftages zur Linken Barbarossas sitzen zu dürfen. Aus diesem Recht habe ihn nur der Kölner Erzbischof schon lange verdrängt. Friedrich bat daraufhin den anwesenden Kölner Erzbischof, „heute unser Fest nicht stören zu wollen und ihm den Platz, auf den er Anspruch zu haben behauptet, nicht zu verweigern“99. Ein solcher Verzicht von Seiten des Erzbischofs aber hätte seinen Rang gemindert, wie er in der Sitzordnung symbolisch abgebildet wurde. Der Vorstoß des Abtes und die Bitte Barbarossas schufen also eine äußerst prekäre Situation, die der Erzbischof nach dieser Darstellung jedoch glänzend bestand und geradezu zu einem Lehrstück für den Kaiser machte. Er gewährte nämlich Barbarossas Bitte und äußerte seinerseits eine: „Herr, es geschehe, wie es Euch gefällt, der Herr Abt möge den Platz, den er verlangt, einnehmen. Ich aber will mich mit Eurer Erlaubnis in meine Herberge begeben.“100 Diese unter Beachtung aller Formen vorgebrachte
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Bitte bedeutete nichts anderes, als dass er dem Fest fernbleiben und so seine Zustimmung zu der Rangminderung vermeiden wollte. Es kam aber noch schlimmer: „Als er sich daraufhin schon zum Fortgehen anschickte, stand an der Seite des Kaisers der Bruder desselben, der Pfalzgraf bei Rhein, auf und sprach: ‚Herr, ich bin ein Lehnsmann des Kölner Herrn, es ist billig, dass ich ihm folge, wohin er geht.‘“101 Daraufhin stand ein hochadliger Lehnsmann des Kölners nach dem anderen auf und begehrte mit ähnlicher Begründung die Erlaubnis, dem Erzbischof folgen zu dürfen. Auf diese Weise gingen Barbarossa mehr und mehr die Teilnehmer an seinem Fest verloren, die für dessen Glanz unverzichtbar waren. Dies veranlasste denn auch den Königssohn Heinrich zu einer wirkungsvollen Intervention: „Der jugendliche König, der ein gewaltiges Aufsehen entstehen sah, sprang von seinem Sitze auf, fiel dem Erzbischof um den Hals und sagte: ‚Ich bitte dich, liebster Vater, bleibe hier und verwandle unsere Freude nicht in Trauer.‘“102 Nur so und durch ein Einlenken Friedrich Barbarossas gelang es, den Erzbischof zum Bleiben zu bewegen. Dem Kölner wurde wieder der Sitz zur Linken des Kaisers zugestanden. Der Vorstoß des Fuldaers blieb erfolglos, er musste „nicht ohne Beschämung“ mit einem unteren Platz vorlieb nehmen. Genau ein Vierteljahrhundert später veranstaltete Otto IV. im Jahre 1209 zu Pfingsten ein großes Fest in Braunschweig, das nicht zuletzt die Funktion hatte, seine nun unbestrittene Machtposition nach der Ermordung Philipps von Schwaben symbolisch zum Ausdruck zu bringen.103 Eingeladen hatte Otto vor allem seine Anhänger, die in großer Zahl für einen glänzenden Teilnehmerkreis sorgten. Dennoch kam es auch hier zu einem Zwischenfall, der den König zu einer demonstrativen Stellungnahme zwang, die den Frieden und die Freude des Festes empfindlich gestört haben dürfte. Die Störung der rituellen Abläufe dieses Festes bestand darin, dass eine gemeinsame Messfeier – ein traditioneller Höhepunkt solcher Feste – scheiterte. Ursache war eine unvorhergesehene Attacke auf die Ehre eines hochadeligen Teilnehmers, die gewiss in Kenntnis der gravierenden Konsequenzen unternommen wurde. Erzbischof Albrecht von Magdeburg wollte nämlich den Markgrafen von Meißen, einen Vertrauten des Königs, während des Gottesdienstes aus der Kirche weisen, da er als Gebannter nicht an der Messfeier teilnehmen dürfe. Da man ein solches Problem auch hätte vorher und ohne öffentliche Provokation regeln können, war durch diesen Angriff ganz sicher auch die Ehre des Königs tangiert, der denn auch sofort aktiv wurde. Als Otto IV. den Erzbischof jedoch nicht von dieser Forderung abbringen konnte, verließ er zusammen mit dem Markgrafen die Kirche, um diesem eine solche Beschämung zu ersparen.104 Der Streit konnte nur dadurch beigelegt werden, dass auf Rat der Fürsten dem Meißner Markgrafen Genugtuung für diese Ausgrenzung
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versprochen wurde. Bedenkt man, dass der Magdeburger Erzbischof zuvor ein Anhänger Philipps von Schwaben und Gegner des Welfen gewesen war, erschließt sich wohl die ganze Bedeutung von Ottos demonstrativer Parteinahme für den Markgrafen von Meißen, wie sie vor allem in dem gemeinsamen Ausmarsch aus der Kirche zum Ausdruck kam. Der welfische König hatte auf rituellem Felde gezeigt, dass er keine Angriffe auf seine Helfer zuließ. Ob Erzbischof Albrecht an diese Brüskierung dachte, als er sich später Friedrich II. anschloss, ist nicht überliefert. Jedenfalls gehörte er zu der Partei, die bald danach den Staufer gegen Otto IV. unterstützte. In solchen Beispielen konsequenten Verhaltens manifestiert sich wohl das ausgeprägte Bewusstsein, gerade auf dem Felde ritueller Handlungen in keiner Weise nachgeben zu dürfen, da sonst Fakten geschaffen wurden, deren normativer Kraft man nicht mehr entkommen konnte. Der konsensorientierten Festtagsstimmung zum Trotz nahmen die Akteure in allen Beispielen lieber einen Eklat in Kauf, dessen Konsequenzen kaum absehbar waren, als sich zu rituellen ‚Aussagen‘ zu bequemen, die ihrer Einstellung zuwider liefen. Diese vermeintliche Borniertheit, die aber aus der Bedeutsamkeit solcher Aussagen resultiert, kann man im 12. Jahrhundert jedoch nicht nur im Zusammenhang von Festen beobachten. Es existiert vielmehr eine so hochgradige Sensibilität, gerade auf dem rituellen Feld seine Interessen wahren zu müssen, dass wir immer wieder von Schwierigkeiten, von zähen Verhandlungen oder von Eklats hören, die nicht zuletzt von der Raffinesse zeugen, mit der auf diesem Felde agiert wurde. Zwar wird man gewiss nicht behaupten wollen, dass dies in früheren Jahrhunderten gänzlich anders gewesen sei, doch zeugt der Einfallsreichtum im Positiven wie Negativen davon, zu welchen Manierismen der Zwang sich zu behaupten geführt hatte. Dies sei mit einer Reihe von Beispielen aus ganz unterschiedlichen Zusammenhängen verdeutlicht. Zunächst noch einmal in Erinnerung gerufen sei die schon behandelte Szene, als sich in Sutri 1155 Friedrich Barbarossa und Papst Hadrian IV. gegenseitig während des Empfangszeremoniells düpierten. Der Erstere verweigerte den Strator-Dienst; der Letztere daraufhin den Friedenskuss.105 Es ist unbekannt, wie es trotz intensiver Vorbereitungen des Treffens zu diesem Eklat kommen konnte. Das Verhalten des Papstes jedenfalls macht nur dann Sinn, wenn er davon ausgegangen war, dass die Leistung dieses Dienstes mit Friedrich Barbarossa fest vereinbart war. Doch unabhängig davon ist die Szene ein Beleg dafür, dass man eher einen Eklat in Kauf nahm, der die Grundlagen der in Aussicht genommenen Zusammenarbeit in Frage stellte, als sich zu rituellen Handlungen zu bequemen, die unakzeptable Aussagen enthielten. Bei einem Treffen zwischen dem byzantinischen Kaiser und König Kon-
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rad III. anlässlich des zweiten Kreuzzuges wurde 1147 ein vergleichbarer Eklat vermieden. Zunächst schien ein solches Treffen vor unüberwindbaren Hürden zu stehen, denn der byzantinische Kaiser hatte „den abscheulichen Brauch, dass er keinem den Kuss des Grußes darbietet, sondern dass jeder, der sein Antlitz zu schauen gewürdigt wird, sich niederbeugen und ihm die Knie küssen muss“106. Es versteht sich, dass König Konrad sich zu einer solchen Geste nicht bereit finden konnte. Auch das Entgegenkommen des Basileus, „ihm den Kuss bieten zu wollen, jedoch so, dass er selbst sitzen bliebe“107, war für Konrad nicht akzeptabel, weil dies ja immer noch einen Rangunterschied zwischen beiden Herrschern signalisiert hätte. „Zuletzt gaben die Verständigen beider Parteien den Rat, beide sollten zu Pferde zusammenkommen, sich aus gleicher Entfernung einander nähern und sich (im Sattel) sitzend küssen und begrüßen.“108 Hier hatten die Verständigen also eine Lösung gefunden, die die Gleichrangigkeit beider Herrscher akzentuierte. Ob sie so wirklich realisiert worden ist, möchte man nicht beschwören. Doch in jedem Fall ist die Geschichte ein Beleg für den denkbaren Gang solcher Verhandlungen und den Einfallsreichtum der Unterhändler. Bewusst provoziert wurde dagegen ein Eklat von dem Markgrafen Rudolf von Stade in einer Auseinandersetzung mit Kaiser Heinrich V., in der es um einen Ministerialen des Staders ging, der sich an den Hof Heinrichs geflüchtet hatte. Der Markgraf ließ sich angeblich zunächst vom Kaiser eine Rechtsauskunft geben, ob man das Eigentumsrecht an einem Leibeigenen jederzeit in der Öffentlichkeit sichtbar machen dürfe. Dies wurde bejaht, und daraufhin gab der Markgraf dem fraglichen Ministerialen im Beisein des Kaisers eine Ohrfeige, was Heinrich V. verständlicherweise in hellen Zorn versetzte.109 Auch diese Geschichte muss nicht wahr sein, sie zeugt aber unzweifelhaft von dem Bewusstsein, die eigenen Interessen demonstrativ durchsetzen zu müssen, koste es, was es wolle. Und hierzu boten rituelle Verhaltensmuster das nötige Instrumentarium. Einen Eklat in Kauf nahm wohl auch jener Landgraf Dietrich von Thüringen, der protestierend eingriff, als sich Friedrich Barbarossa 1177 Papst Alexander III. zu Füßen warf, um mit dem lange bekämpften Papst Frieden zu schließen. Als der Papst sich Zeit ließ, den auf dem Boden liegenden Kaiser aufzuheben, habe er gerufen, warum der Papst die kaiserliche Würde einem solchen Unrecht unterwerfe?110 Erst diese Intervention habe den Papst bewogen, den Kaiser zum Friedenskuss zu erheben. Hier korreliert die Länge des Fußfalls mit der Ehre des Ausführenden, wodurch deutlich wird, auf was die Teilnehmer an solchen Veranstaltungen achteten und welche Bedeutung sie auch Details zuzuschreiben gewohnt waren. Protestierend griff auch ein Lehnsmann ein, als sich Friedrich Barbarossa nach der Weihe des Bischofs Robert von Cambrai bemüßigt fühlte, die-
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sem bei der Handwaschung vor dem Mahl den Ärmel des Gewandes zu halten, ihm also dienend behilflich zu sein. Als der Bischof sich daraufhin über Gebühr Zeit ließ und mit der Waschung gar nicht zu Ende kommen wollte, wurde er darauf aufmerksam gemacht, sich zu beeilen, weil dieser ‚Dienst‘ langsam die Ehre des Kaisers tangiere.111 Ein gleicher Eindruck von der Aufmerksamkeit, die man auch Details widmete, ergibt sich aus den Verhandlungen, die in der Mitte des 12. Jahrhunderts zwischen dem Salzburger Erzbischof Konrad und dem Kärntner Herzog Heinrich geführt wurden, um die Unterwerfung des Letzteren vorzubereiten. Es ging um Fragen wie die, ob die Vasallen des Erzbischofs zu dem Ereignis waffenlos erscheinen müssten, ob sie während der Szene ihr Banner zu senken und schließlich ob sie die Unterwerfung mit Triumphgeschrei begleiten dürften oder ihr schweigend beizuwohnen hätten.112 Es ist klar, dass jeder der Vorschläge die Stellung desjenigen, der sich einer solchen Unterwerfung unterzog, verbesserte. Vorausgesetzt ist hier wie in den anderen Fällen allerdings ein Publikum, das derartige Feinheiten zu bemerken und richtig einzuordnen in der Lage war. Und die Tatsache, wie viel Wert auch auf das Verhalten der Vasallen gelegt wurde, warnt davor, sich den Kreis derjenigen zu klein vorzustellen, die solche Subtilitäten zu erfassen vermochten.
IV.4 Zusammenfassung Die Behandlung ritueller Kommunikation in den Herrschaftsverbänden der Stauferzeit erbrachte, obgleich sie alles andere als erschöpfend sein konnte, gewiss das Ergebnis, dass wir weiterhin von der ‚Gemachtheit‘ der Rituale und der Verbindlichkeit des Gezeigten ausgehen können. Der sich verstärkende Streit um den Sinn solcher Verhaltensmuster spricht dafür, dass diese Verbindlichkeit in keiner Weise nachließ. Dies ist auch angesichts der Beobachtung zu betonen, dass nun zu den rituellen Akten schriftliche Festlegungen traten, die das Vereinbarte zusätzlich absichern sollten.113 Nach wie vor deutet sich ein Wandel in den rituellen Verhaltensformen vor allem da an, wo sich Rang- und Wertevorstellungen veränderten. Hier war die Neuorientierung bei den Ritualen der Papst-Kaiser-Begegnungen ein wichtiges Beispielfeld, weil durch sie die Konsequenzen einer veränderten Auffassung vom wechselseitigen Verhältnis fassbar wurden. Aber auch die Höherbewertung der Verpflichtung zur iustitia, wie sie in der Stauferzeit wohl unter dem Einfluss der Rezeption des römischen Rechts zu verzeichnen ist, führte zur Veränderung rituellen Verhaltens. Neben und anstelle der Milde fand nun auch die Härte ihre demonstrativen Formen. Diese Veränderung mag auch damit zusammenhängen, dass
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die Staufer bei ihrem stärkeren Engagement in Italien und vor allem im normannischen Süden mit Wertvorstellungen und Traditionen ritueller Ausdrucksweise konfrontiert wurden, die ihren Vorstellungen von Herrschaft besser entsprachen als das, was sich im Reich herausgebildet hatte und von der Krise der Salierzeit nicht unberührt geblieben war. Wenn die überlieferten Fälle nicht sehr trügen, führte dies jedoch nicht zu einer völligen Anpassung des Verhaltens an die eine oder die andere Tradition. Vielmehr blieb tendenziell die Härte mehr dem Süden und die Milde dem Norden zugeordnet. Ein für das 12. Jahrhundert charakteristischer Befund für die Erforschung rituellen Verhaltens wurde hier nicht behandelt, verdient aber in Zukunft größere Beachtung. Die volkssprachige Literatur, die seit dieser Zeit ja ihre Blüte erlebt, bietet in ihren fiktionalen Darstellungen des heroischen oder höfischen Lebens rituelles Verhalten in großer Vielfalt und Fülle. Damit aber stellt sich für die Forschung mehrerer Disziplinen die herausfordernde Frage, ob und wie diese Darstellungen zum Verständnis der rituellen Verhaltenscodes beitragen. Erste Schneisen, die in diesen Wald geschlagen wurden, ermöglichen interessante Einblicke.114 Viele der Darstellungen decken sich mit dem, was wir von rituellem Verhalten in der historischen Wirklichkeit wissen. Interessanter sind aber noch die Beispiele, die eine Auseinandersetzung mit den Spielregeln rituellen Verhaltens erkennen lassen. Und die sind durchaus zahl- und facettenreich. Die Dichter spielen manchmal geradezu mit den Spielregeln der Gesellschaft auf diesem Gebiet, indem sie ihre Helden entgegen aller Regeln handeln lassen und dadurch Spannung erzeugen. Sie bereiten Vergnügen etwa dadurch, dass sie rituelle Codes der Unterwerfung nach bewaffneten Konflikten zur Darstellung von Geschlechter-Verhältnissen nutzen. Sie kritisieren und diskutieren den Sinn solcher Verhaltensmuster aber auch dadurch, dass sie Situationen konstruieren, in denen die Befolgung einschlägiger Verhaltensmuster nicht weiterhilft, sondern im Extremfall in den Untergang führt.115 Es scheint, als ob sich mit dieser Thematik ein Feld auftut, auf dem Literaturwissenschaftler und Historiker viel voneinander lernen können.
V. Ausblicke ins Spätmittelalter Man mag darüber streiten, ob das Ende der Stauferzeit einen sinnvollen Einschnitt markiert, mit dem man eine Beschreibung der Ritualisierung herrschaftlicher Kommunikation enden lassen kann. Die Willkür dieses Einschnitts wäre leicht mit Herrschaftsritualen zu belegen, die diesen Einschnitt überdauerten und auch weiterhin gleiche Funktionen erfüllten. Allein der Aufwand, mit dem Machtverhältnisse im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit in rituellen Formen zur Anschauung gebracht wurden, verweist nachdrücklich auf den fortdauernden, ja wachsenden Stellenwert, den diese Art der öffentlichen Kommunikation besaß. Es fiele also schwer, den Einschnitt mit inhaltlichen Gründen plausibel zu machen. In jedem Fall rechtfertigt sich solch ein Einschnitt aber aus pragmatischen Gründen, denn seit dem 13. Jahrhundert wird die Macht der Rituale auf so vielen neuen Feldern greifbar, dass sie kaum noch in einem Buch und wohl auch nicht von einer Person zu behandeln ist. Als ein solches neues Feld sind die Städte und die Stadtgemeinden hervorzuheben, die im Zuge ihrer Konstituierung als politisch eigenständige Kraft Herrschaftsrituale der Adelsgesellschaft übernahmen, diese aber auch für ihre Zwecke veränderten und zudem neue schufen, so dass sie als ‚Ritengenerator‘ erster Ordnung anzusprechen sind.1 Die Vielzahl der Städte und Stadttypen mit je spezifischen Strukturen beförderte naturgemäß die Vielfalt ritueller Formen, deren Entwicklungsprozesse zurzeit nicht annähernd überschaubar sind. Ein weiteres Feld stellt, bezogen auf das Reich, die Entwicklung der Landesherrschaft dar, in deren Zuge sich auch die so genannte Residenzherrschaft herausbildete; beides schuf die Notwendigkeit neuartiger ritueller Ausgestaltung und förderte den Prozess der Entwicklung ritueller Ausdrucksformen, die diesen neuen Herrschaftstypen Rechnung trugen.2 Auch hier erlaubt die Vielfalt regionaler Besonderheiten zur Zeit allenfalls einen Überblick über die Befunde, kaum aber über etwaige Triebfedern der Entwicklung. Im Folgenden soll denn auch lediglich an wenigen Beispielen verdeutlicht werden, dass auch im Spätmittelalter eine Thematik wie die Macht der Rituale in ähnlicher Weise verfolgt werden kann, wie dies hier bisher geschehen ist: Rituale boten weiterhin Verfahrenssicherheit, indem sie Verhalten kanalisierten und Verhaltenserwartungen befriedigten. Sie nötigten die Teilnehmer, den Vorgaben zu entsprechen oder Devianz demonstrativ deutlich zu machen. Veränderungen in allen Bereichen von Herrschaft, namentlich in Herrschaftsansprüchen und Rang, zeitigten des-
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halb weiterhin nachhaltige Auswirkungen in den Formen ritueller Kommunikation. Die Geschichte ritueller Verhaltensmuster erweist sich auch in dieser Zeit als Indikator für Veränderungen, weil neue Ansprüche oder Positionen weiterhin in neuen rituellen Formen angemeldet, akzeptiert oder zurückgewiesen wurden. Dieser Befund sei an zwei Beispielen belegt: erstens an den neuen Formen des feierlichen Herrschaftsantritts in Form eines Einritts in eine Stadt, wie sie Landesherren im Spätmittelalter vielfältig praktizierten; zweitens an den rituellen Formen, mit denen die neue Stellung der Kurfürsten sichtbar gemacht und akzentuiert wurde. Auf der anderen Seite sollen in diesem Kapitel aber auch Befunde angesprochen werden, die von der longue durée ritueller Verhaltensmuster zeugen. Am Beispiel des Unterwerfungsrituals lässt sich belegen, dass einzelne Rituale vom Frühmittelalter bis zur frühen Neuzeit in unzähligen Variationen kontinuierlich Verwendung fanden. Die Kombination von Genugtuungsleistung und Vergebung behielt offensichtlich ihre Attraktivität über die Jahrhunderte, weil sich die Vorstellungen von Möglichkeiten und Rahmenbedingungen der Konfliktbeendigung nicht so grundsätzlich wandelten, dass dieses Ritual funktionslos geworden wäre. Verändert hat sich allerdings wohl die Häufigkeit, in der es benutzt wurde, um das Ende eines Konflikts substantiell und öffentlich zu besiegeln. Umso interessanter dürfte die Analyse der Fälle sein, in denen es noch Verwendung fand.
V.1 Der Einritt des Landesherrn und die Huldigung der Untertanen In seiner spezifischen Kombination von feierlichem Herrschaftsantritt und Huldigung der Untertanen ist der Einritt des Herrn in eine Stadt erst eine Erscheinung des späten Mittelalters.3 Den Bedarf für dieses Ritual haben offensichtlich erst bestimmte geschichtliche Entwicklungen geschaffen, hier gewiss sowohl die Entstehung der Stadtgemeinde wie die Entwikklung der Landesherrschaft. An diesem Beispiel lässt sich gut belegen, aus welchen Bausteinen die neu gestalteten, rituellen Handlungssequenzen zusammengesetzt wurden, woher man die Vorbilder und Anleihen nahm und zu welch originellen Lösungen man im Einzelfall fähig war. Vorbilder für das Einzugsritual boten natürlich vor allem die Institutionen, die schon länger beim Empfang Wesenszüge des Amtes und das Selbstverständnis des Amtsträgers in rituellen Handlungen sichtbar machten: das byzantinische und das westliche Kaisertum, das Königtum und das Papsttum.4 Eine Geschichte des Adventus verschiedenster Würden- und Amtsträger, die ihre ältesten Belege vor allem aus Rom und aus Byzanz beziehen würde, böte im Übrigen viele Argumente und Belege für die These, dass
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Rituale gemacht wurden. Die Macht dieses Rituals bestand nämlich nicht zuletzt darin, dass schon beim Empfang viele der wichtigen Fragen handelnd beantwortet wurden oder werden konnten. Die Vielfalt der praktizierten Formen stand in jeweils deutlichem Zusammenhang mit den einschlägigen Auffassungen, die die Zeitgenossen von den Rechten und Pflichten des Ankommenden in Bezug auf die ihn Empfangenden hatten. Ein kurzer Überblick mag dies verdeutlichen, ehe wir auf spätmittelalterliche Einritte zu sprechen kommen, die doch einigermaßen deutlich von dieser Tradition beeinflusst sind. Vor allem von der Auffassung, dass die Mächtigen ihr Amt von Gott erhielten und ihre Amtsführung vor Gott zu rechtfertigen hatten, wurden die rituellen Akte nachhaltig bestimmt, mit denen etwa die Könige im frühen und hohen Mittelalter empfangen wurden und an denen sie aktiv teilnahmen. Sowohl das Empfangszeremoniell für den Herrscher im Kloster des Frühmittelalters als auch der Adventus der Herrscher zu ihrer Kaiserkrönung in Rom, für den es teilweise schriftlich fixierte ordines gab, akzentuierten christliche Tugenden wie die Frömmigkeit und Demut des Einziehenden und mischten Herrscherlob mit Ermahnungen, den Anforderungen seines Amtes gerecht zu werden.5 Diesen Vorstellungshorizonten sind natürlich auch noch die spätmittelalterlichen Empfänge verpflichtet. Insgesamt sind übrigens die Belege durchaus spärlich, die für das frühe und hohe Mittelalter von einer festliegenden Tradition ritueller Empfänge zeugen, wenn man von Byzanz und Rom einmal absieht. Dies fällt angesichts der Tatsache ins Auge, dass gerade in Zeiten des Reisekönigtums, wie es zumindest vom 9. bis 12. Jahrhunderts zu beobachten ist, eine große Anzahl von Herrscherankünften zu verzeichnen war. In der Überlieferung werden sie in aller Regel jedoch allenfalls summarisch und ohne Interesse für Einzelheiten eines Empfangsrituals oder -zeremoniells verzeichnet. So ist symptomatisch, dass der Magdeburger Beleg für die Usurpation des königlichen Empfangszeremoniells durch Herzog Hermann Billung im Jahre 972 zugleich als Nachweis dient, dass es ein für den König reserviertes Zeremoniell dieser Art überhaupt gab.6 Welch unterschiedliche Auffassungen noch im 12. Jahrhundert darüber artikuliert werden konnten, was ein Herrscherempfang zum Ausdruck zu bringen hatte, vermag ein angebliches Angebot der Römer an Friedrich Barbarossa zu verdeutlichen, die ihm vorschlugen, seinen Einzug zur Kaiserkrönung in Rom ganz anders zu gestalten, als es die Herrscher im Einvernehmen mit den Päpsten bis dahin praktiziert hatten: „Kommt der König zur Kaiserkrönung nach Rom, so gebührt es sich“, argumentierten Gesandte der Stadt vor Friedrich, „dass er nach dem Herkommen einzieht, also auf goldenem Wagen, purpurgekleidet, vor sich im Kriege be-
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zwungene Herrscher und Schätze unterworfener Völker herführend. Er muss ferner die Stadt ehren, welche das Haupt der Welt und die Mutter des Reiches ist, und dem Senat geben, was durch Verordnungen festgesetzt ist: nämlich 15 000 Pfund Silber, damit so der Senat wohlgestimmt wird und ihm den Triumphzug gewährt.“7 Im Zuge der stadtrömischen Bestrebungen, Rom wieder republikanische Institutionen nach antikem Muster zu geben, wird hier also der antike Triumphzug, vom Senat gewährt, als geeignetes Ritual kaiserlicher Repräsentation angeboten. Nach den Gewährsleuten lehnte Barbarossa das Angebot nicht deshalb ab, weil ihm diese Form der herrscherlichen Selbstdarstellung missfiel, sondern weil ihm die Geldforderung zu hoch bzw. das Auftreten der Gesandten als zu anmaßend erschien. Ganz andere Akzente setzte das Empfangszeremoniell, das im 12. Jahrhundert unter maßgeblicher Beteiligung der Päpste praktiziert wurde, wenn der römisch-deutsche König zur Kaiserkrönung in Rom einzog.8 Dreimal leistete der König den Römern, die ihm in unterschiedlichen Ranggruppen unterschiedlich weit entgegenzogen und ihn mit Fahnen und liturgischem Gerät einholten, einen Eid des Inhalts, ihre guten Gewohnheiten achten zu wollen.9 Es scheint wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass er damit sozusagen in Vorleistung trat und sich selbst verpflichtete, bevor ihm das zuteil wurde, weswegen er gekommen war. Bei vielen spätmittelalterlichen Einritten war es ein wichtiger Aspekt, wer zuerst tätig wurde, ob beispielsweise zuerst die Privilegien bestätigt oder zuerst gehuldigt wurde. Offensichtlich hat man diesem demonstrativen Nachweis guten Willens, wie er in der Bereitschaft zur Vorleistung zum Ausdruck kam, einen hohen symbolischen Stellenwert beigemessen, über den es sich auch zu streiten lohnte.10 Wichtig beim Empfang in Rom war auch, dass der zukünftige Kaiser an einer bestimmten Stelle vom Pferd abstieg und zu Fuß weiterging. Dies war der erste der Akte, mit denen er seine Demut unter Beweis stellte. Die Gesinnung, die er so durch Handeln nachwies, hatte er aber auch verbal zu bekunden. Nachdem er den sitzenden Papst mit einem Fußkuss geehrt hatte, begann eine symbolische Prüfung. Dreimal hatte der Kandidat die Frage zu bejahen: Willst du Frieden halten mit der Kirche? Dreimal hatte er auch die Frage zu beantworten, ob er ein (treuer) Sohn der Kirche werden wolle.11 Erst nach Bestehen dieser Prüfung schritt man zur Weihe, wobei das Weihezeremoniell gleichfalls gespickt war mit Hinweisen auf Aufgaben und Pflichten des Kandidaten. Die gesamte Zeremonie wurde schließlich mit dem Krönungszug und dem Festmahl, die beide von weiteren rituellen Einzelhandlungen geprägt waren, abgeschlossen. Mustert man nun das gut erforschte Empfangszeremoniell sowohl der Herrscher wie der Landesherren im Spätmittelalter, stößt man immer wie-
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der auf einzelne Akte, die von römischen oder auch byzantinischen Vorbildern übernommen worden sein könnten. Die genauen Wege dieser Übernahmen lassen sich jedoch so gut wie nie verfolgen. Doch sind die Parallelen teilweise so frappierend, dass sie sich am besten als Übernahmen von Vorbildern erklären. So ist aus Nürnberg zweimal bezeugt, dass sich der römisch-deutsche König auf seiner Krönungsreise in der Kirche des hl. Sebald folgendem rituellen Akt unterzog: Der Pfarrer von St. Sebald sprach zunächst über dem knienden Kaiser ein Gebet, nahm dann ein Bündel Flachs in die Hand und zündete es mit den Worten an: Serenissime rex, sic transit gloria mundi.12 Das Vorbild für diesen Akt könnte die Krönung des Papstes geliefert haben, der sich seit dem 12. Jahrhundert bei seinem Weg zur Krönungsmesse dreimal mit der gleichen Mahnung konfrontiert sah. Aber auch in Byzanz scheint man bei der Krönung des Kaisers eine ganz ähnliche Symbolik benutzt zu haben. Dort trat ein Mann auf den Kandidaten zu, der sowohl Flachs als auch ein Gefäß mit der Asche eines Verstorbenen in den Händen hielt, um den Herrscher an seine Vergänglichkeit zu erinnern.13 Wer will jedoch entscheiden, ob die rituellen Handlungen in Nürnberg direkt von diesen räumlich und zeitlich entfernten Parallelen übernommen wurden, über unbekannte Zwischenträger dorthin gelangten oder gar, was man im Einzelfall auch nicht ausschließen sollte, eine unabhängige Konstruktion in Kenntnis der Vergänglichkeitssymbole und -formeln darstellt? Zu besonderen Sequenzen aber wurden die verschiedenen Elemente des Empfangs dann zusammengefügt, wenn im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit Landesherren zum Herrschaftsantritt ihren feierlichen Einritt in eine Stadt ihres Territoriums praktizierten, um die Huldigung ihrer Untertanen entgegenzunehmen.14 Dieser Vorgang ist so bezeugt, dass er als Beispiel für den Siegeszug eines neuen Rituals stehen kann, das neue Strukturen und Herrschaftsverhältnisse zum Ausdruck brachte. Trotz vieler Spezifika an einzelnen Orten lässt sich ein Grundtyp dieses Rituals erkennen, der an einem gut bezeugten Kölner Beispiel vorgestellt sei: dem Einritt Erzbischof Hermanns IV. in Köln im Jahre 1488.15 Von diesem Einritt hat sich eine detaillierte Beschreibung auch der Beratungen erhalten, die der Vorbereitung des Zeremoniells dienten. Schon in diesen Beratungen hatten die Beauftragten des Erzbischofs nachzuweisen, dass der Erzbischof zum Priester geweiht, im Besitz der päpstlichen Bestätigung seiner Wahl, des Palliums und der kaiserlichen Verleihung der Regalien sei. Außerdem hatten sie die Bestätigung der städtischen Privilegien durch den Erzbischof zu versprechen. All dies spielte dann auch im vereinbarten Ritual eine besondere Rolle. Man einigte sich nämlich auf folgenden Ablauf: Bürgermeister und Bürger sollten den Erzbischof und dessen Gefolge am Judenbüchel vor dem Schlagbaum abholen. Bei dieser
Der Einritt des Landesherrn und die Huldigung der Untertanen
Kaiser Heinrichs Romfahrt (um 1340). a) Altarsetzung König Heinrichs VII. im Anschluss an seine Königswahl. b) Krönung Heinrichs VII. und seiner Gemahlin Margarethe. Staatsarchiv Koblenz, 1 C 1, fol. 4r.
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Begegnung war erneut eine Prüfung der Dokumente durch die Vertreter der Stadt vorgesehen, die die Rechtmäßigkeit der Erhebung des Erzbischofs nachwiesen. Überdies erhielt die Stadt die Bestätigung ihrer Privilegien, während ihre Vertreter selbst nur die Zusage gaben, dass die Stadt später die Huldigung vornehmen würde. Erst nach diesen Vorleistungen des Erzbischofs, die den zeremoniellen Interessen der Stadt weit entgegenkamen, wurde der Schlagbaum geöffnet und der Einritt begann. Über die Ordnung der Einziehenden hatte man sich ebenfalls vorweg verständigt wie auch über die Größenordnung der jeweiligen Begleitung. Vor dem Dom hatte der Erzbischof dann noch einmal die Privilegien der Stadt eidlich zu bestätigen, ehe er zur Messfeier in den Dom schreiten konnte. Danach setzte man ihn in der Dionysiuskapelle auf einen steinernen Sitz, um so symbolisch seine Übernahme des Hochgerichts zu dokumentieren. Bevor die Stadt dann endlich huldigte, bestätigte der Erzbischof noch ein drittes Mal feierlich ihre Privilegien. Fortgesetzt wurden die rituellen Akte mit einer ganzen Serie von Festmählern, zu denen der Erzbischof seine adlige Begleitung wie ratsfähige und einflussreiche Kölner Bürger einlud. Bei dieser Gelegenheit wurde auch zum Tanz aufgespielt und Vertreter der Stadt überreichten dem Erzbischof ihre Geschenke. Die scheinbar großzügigen Vorleistungen des Erzbischofs, der im Unterschied zu seinen Vorgängern die Privilegien der Stadt gleich dreimal bestätigte, bevor diese sich endlich zur Huldigung bereit fand, erklären sich leicht, wenn man berücksichtigt, dass Kaiser Friedrich III. Köln als Reichsstadt verboten hatte, dem Erzbischof zu huldigen. Kein Wunder daher, dass sich die Kölner ihr wichtiges Zugeständnis der Huldigung zeremoniell teuer bezahlen ließen und der Erzbischof bereit war, dieses Zugeständnis angemessen zu honorieren. Alle signifikanten Änderungen im Empfangszeremoniell entsprangen also politischem Kalkül und waren Zeichen für die rituelle Umsetzung eines höchst prekären Verhältnisses. Man geht gewiss nicht fehl in der Annahme, dass die Bestätigung der städtischen Privilegien einerseits und die Huldigung der Stadt andererseits sich im Effekt gegenseitig neutralisierten und dass genau dies bewusst und beabsichtigt war. Einen vergleichbaren Effekt erzielte man etwa mit der Übergabe der Stadtschlüssel an den Stadtherren, die dieser dann gleich zurückgab. Wer nach solchen symbolischen Akten, die den Charakter von Konsensfassaden haben konnten, seine Interessen würde durchsetzen können, blieb der Zukunft vorbehalten.16 Die wenigen Beispiele mögen für viele andere stehen. Sie belegen für die Zeit des Spätmittelalters wie der frühen Neuzeit das Gewicht, das rituelle Ausdrucksformen für eine verbindliche Abbildung wechselseitiger Rechte und Pflichten von Herrn und Untertanen weiterhin hatten. Gebündelt treten diese in Ritualen des Herrschaftsantritts entgegen, die man
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in den verschiedensten Herrschaftsbeziehungen in jeweils ähnlicher oder vergleichbarer Weise praktizierte. Ankommend bzw. empfangend zeigten Herren wie Untertanen, wie sie ihr Verhältnis auffassten und gestalten wollten. Hierbei kam auf der Seite der Herren der Bestätigung gewachsener Rechte und Privilegien die gleiche herausgehobene Bedeutung zu wie der Huldigung der Untertanen auf der anderen Seite. Diese wechselseitigen Versprechen der Wahrung von Rechten und Pflichten aber konnte man mit symbolischer Bedeutung aufladen, die sich an scheinbar geringfügigen Details ablesen ließ: wie oft solche Versprechungen gemacht wurden; wo sie stattfanden und wer sie zuerst machte. Durch Zugeständnisse auf diesem Felde wertete man die andere Seite auf, schuf die Bereitschaft zur Gegenleistung, wobei symbolisches durchaus mit anderem Kapital konvertierbar war.
V.2 Symbolische Ausdrucksformen der Kurfürstenwürde Wie Stadtgemeinde und Landesherrschaft stellten auch die Kurfürsten eine Institution dar, die sich erst im 13. Jahrhundert herausbildete.17 Sie bieten sich daher gleichfalls für Untersuchungen an, in denen danach gefragt wird, welche rituellen Konsequenzen eine solch eindeutige Veränderung der Rangordnung zeitigte, die ja eine kleine Gruppe von Fürsten aus der Zahl der übrigen heraushob, indem sie sie mit erheblichen Vollmachten bei der Königswahl ausstattete. Trug man, anders ausgedrückt, der neuen Bedeutung dieser Personen in rituellen Akten Rechnung und in welcher Weise geschah dies? Interessanterweise spielen rituelle Fragen bei den vielen Theorien, die man hinsichtlich des Prozesses der Entstehung der Kurfürstenwürde aufgestellt hat, eine durchaus beachtliche Rolle. Die so genannte ‚Erzämtertheorie‘ geht etwa davon aus, dass sich das Kurfürstenamt aus Aufgaben der Personengruppe entwickelt hätte, die in besonderer Weise symbolische Dienste im Rahmen einer Königserhebung zu verrichten hatte, die Dienste des Mundschenks, Marschalls, Truchsesses und des Kämmerers. Da diese schon immer, so die Überlegung, bei einer Königserhebung mit besonderen Aufgaben betraut waren, habe man ihnen letztendlich die Entscheidung ganz überlassen. Auch wenn man diese Theorie für ein Missverständnis hält, dem schon die mittelalterlichen Zeitgenossen aufsaßen, ist davon unbenommen, dass diese Theorie der richtigen Annahme verpflichtet ist, man könne aus symbolischen Handlungen einer Person auf Stellung und Rang dieser Person schließen. 18 So ist auch umgekehrt die Frage legitim, welche Konsequenzen auf den Feldern ritueller Interaktion die Tatsache hatte, dass eine Gruppe von geistlichen und weltlichen Fürsten wichtige exklusive Rechte und damit einen besonderen Rang erhielt.
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Nun besitzen wir im Falle der Kurfürsten ein berühmtes Dokument, das eine Fülle ritueller Fragen zu entscheiden versuchte, die diese neue Institution aufgeworfen hatte. Die Rede ist von der Goldenen Bulle Kaiser Karls IV. aus dem Jahre 1356, die durch die Rezeption zu einem der leges fundamentales des Alten Reiches wurde.19 Für uns ist weniger wichtig, ob sie diese Bedeutung schon zum Zeitpunkt ihrer Ausstellung besaß, als vielmehr, wie viel Regelungsbedarf der Herrscher in Fragen des rituellen Auftretens und der rituellen Vorrechte der Kurfürsten sah. Schon in der Präambel wird vor der Uneinigkeit gewarnt, die jedes Reich veröden lasse, und unter anderem die Missgunst beklagt, die „unter den sieben Kurfürsten des heiligen Reiches, durch die wie durch sieben in der Einigkeit des siebenfältigen Geistes strahlende Leuchter das heilige Reich erhellt werden soll, mannigfache Uneinigkeit gestiftet“ habe.20 Diese Uneinigkeit aber will die Bulle damit bekämpfen, dass sie Rechte und Pflichten der Kurfürsten festschreibt. Hierzu regelt sie das Wahlverfahren, die Erbfolge in den weltlichen Fürstentümern und einiges andere mehr. Es ist aber frappierend, wie dominant Bestimmungen begegnen, die rituelles Verhalten betreffen. Die neue Würde und der damit verbundene Rang manifestierte sich auch in diesem Fall vor allem in öffentlichen Akten ritueller Natur, so dass gerade auf diesem Felde erheblicher Regelungsbedarf bestand. Und genau dies versucht der kaiserliche Erlass, indem er rituelles Verhalten regelt, aus dem sich eine Rangordnung ablesen lässt. So wurde etwa festgelegt, „dass, sooft ein Hoftag abgehalten wird und die Kurfürsten mit dem Kaiser oder römischen König bei irgendwelchen Handlungen und Feierlichkeiten in einem Zug einhergehen und die (…) Kleinodien vorangetragen werden müssen, der Herzog von Sachsen das Schwert tragen und dem Kaiser oder König unmittelbar in der Mitte zwischen ihm und dem Erzbischof von Trier voranschreiten soll; der Pfalzgraf aber soll mit dem Reichsapfel zur rechten Seite und der Markgraf von Brandenburg mit dem Zepter zur linken des Herzogs von Sachsen auf gleicher Linie einhergehen; der König von Böhmen jedoch soll dem Kaiser oder König unmittelbar folgen, ohne dass jemand zwischen ihnen geht.“21 Die Rangordnung, die hier in der Position und im Tragen der Kleinodien symbolisch zum Ausdruck gebracht wird, bildete man aber gleichfalls dann ab, wenn man sich, zu welcher Gelegenheit auch immer, setzte: „Wir bestimmen ferner, dass, sooft von jetzt an ein Hoftag abgehalten wird, bei jeglicher Sitzung, das heißt sowohl beim Rat als auch beim Mahl und an allen anderen Orten, wo der Kaiser oder römische König mit den Kurfürsten sitzen wird, zu seiner Rechten unmittelbar nach dem Erzbischof von Mainz oder von Köln (das heißt nach demjenigen, der dann nach der Lage des Ortes und der Verschiedenheit der Kirchenprovinzen
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gemäß dem Wortlaut seines Privilegs an besagter rechter Seite des Kaisers sitzen wird) der König von Böhmen, weil er ein gekrönter und gesalbter Fürst ist, den ersten und sogleich nach ihm der Pfalzgraf bei Rhein den zweiten Sitzplatz erhalten sollen; zur linken Seite aber, unmittelbar nach demjenigen von den besagten Erzbischöfen, der zur linken Seite sitzen wird, soll den ersten Platz der Herzog von Sachsen und nach ihm der Markgraf von Brandenburg den zweiten erhalten.“22 Nicht nur die Ordnungen der Prozessionen und der Sitze aber machten die herausgehobene Stellung der Kurfürsten für jedermann sinnfällig. Die gleiche Information erhielt die Öffentlichkeit des Hoftages durch symbolische Tätigkeiten, die bei dieser Gelegenheit den Kurfürsten vorbehalten waren: „Ferner soll bei der Abhaltung eines Hoftages der Markgraf von Brandenburg dem Kaiser oder römischen König Wasser zum Waschen der Hände reichen, den ersten Trunk aber der König von Böhmen, der jedoch, gemäß dem Inhalt der Privilegien seines Königreiches, nicht verpflichtet ist, bei der Verrichtung des Dienstes die Königskrone zu tragen, es sei denn, er wolle es freiwillig tun. Der Pfalzgraf ist gehalten, die Speise aufzutragen, und der Herzog von Sachsen soll das Marschallamt ausüben, wie es von alters her zu geschehen pflegt.“23 In allen Phasen eines Hoftages wurde den Teilnehmern also die herausgehobene Rolle der Kurfürsten und ihre Rangfolge untereinander mittels verschiedener Arrangements unmissverständlich vor Augen geführt. Berücksichtigt man die Bedeutung räumlicher Nähe für symbolische Aussagen, wird nachvollziehbar, dass die Kurfürsten in der Tat als die ‚Säulen des Reiches‘ inszeniert wurden, als die sie in der Goldenen Bulle auch bezeichnet werden. So ist eine weitere Bestimmung fast überflüssig, die den Vorrang dieser Fürsten noch einmal unterstreicht: „dass ihnen oder einem von ihnen bei allen Handlungen, die zum Hoftag gehören, beim Gehen, Sitzen und Stehen, kein anderer Fürst, von welcherlei Stand, Würde, Hoheit oder Rang er auch wäre, auf irgendeine Weise vorgezogen werden soll.“24 Ein neues Ritual mit besonderer Beteiligung der Kurfürsten, das in der Goldenen Bulle noch nicht erwähnt ist, praktizierte man dann im 15. Jahrhundert während der Krönungsreise des in Frankfurt gewählten Königs nach Aachen, die in Begleitung der Kurfürsten stattfand. Zu Rhens am Rhein, dem Ort, an dem sich 1338 die Kurfürsten auf das Mehrheitsprinzip und auf die Unabhängigkeit ihrer Entscheidung von päpstlicher Approbation verständigt hatten, verließ man die Schiffe und geleitete den Erwählten zum so genannten Königsstuhl, wo der Erzbischof von Mainz den König auf die Wahrung der kurfürstlichen Rechte verpflichtete und der König dies beeidete.25 Wie wichtig die Kurfürsten selbst ihre Distinktion von den anderen
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Fürsten nahmen, verdeutlicht sehr schön ein Protest, den der Markgraf von Brandenburg gegen eine Anweisung König Maximilians vorbrachte. Zum Wormser Reichstag von 1495 hatte der Habsburger allen Fürsten genau vorgeschrieben, in welcher Kleidung und mit welchen Zeichen ihres Ranges sie zum Belehnungsakt erscheinen sollten.26 Friedrich von Brandenburg war dabei zugewiesen worden, in der Bekleidung eines Markgrafen zu erscheinen. Hiergegen wehrte er sich erfolgreich, und Maximilian musste ihm als Kurfürsten zugestehen, dass er in einem herzoglichen Gewand erscheinen dürfe. Doch nicht nur im Reich verlangte die neue Würde nach angemessenen rituellen Ausdrucksformen, sondern auch im Umgang mit anderen europäischen Potentaten war dies der Fall. Auf den großen Konzilien des 15. Jahrhunderts war eine angemessene und von anderen europäischen Mächten akzeptierte Platzierung der Kurfürsten in der Rangfolge, und das heißt konkret in der Sitzordnung, nötig. Dies machte große Mühe und produzierte etwa den Rangstreit zwischen dem Herzogtum Burgund und den Kurfürsten auf dem Basler Konzil. In Reden und Traktaten argumentierte man dabei mit der einzigartigen Stellung des Reiches wie dieser Kurfürsten, die dem Rang der römischen Senatoren und der Kardinäle vergleichbar seien, ohne sich jedoch mit dieser Sicht durchsetzen zu können.27 Man muss sich vergegenwärtigen, wie die gezielte und permanente Heraushebung der Kurfürsten aus dem Umkreis ihrer adligen Standesgenossen gewirkt haben muss, um zu verstehen, warum sich andere Würdenträger nach 1356 intensiv bemühten, auf dem Sektor der symbolischen Würden Boden gutzumachen, und die deutliche Hintansetzung der NichtKurfürsten so gut es ging auszugleichen. So wurde vor allem der in der Goldenen Bulle nicht berücksichtigte Habsburger Rudolf IV. aktiv, indem er mit dem Privilegium Maius das Alter und die Würde Österreichs bereits durch die Privilegien antiker Kaiser begründete. Alter war natürlich ein Argument, mit dem man im weltlichen wie im geistlichen Bereich Rang und Präeminenz begründen konnte. Interessanterweise legte sich der Habsburger in diesem Zusammenhang auch den Titel eines Reichsjägermeisters zu, und damit ein Vorrecht auf einen symbolischen Dienst, der den Diensten der Kurfürsten vergleichbar war.28 Zu diesem Zweck wurde wohl auch eine Geschichte kolportiert, wie die Vorfahren der Habsburger an diese Würde gekommen seien: Ein Vorfahr habe einem Kaiser Otto auf der Jagd den zerbrochenen Bogen ersetzt und dafür vom Kaiser das Anrecht auf das nächste frei werdende Lehen zugesichert bekommen, das dann mit dem Herzogtum Österreich eingelöst worden sei.29 Es scheint sogar denkbar, dass diese Geschichte von den Habsburgern dazu genutzt wurde, einen Anspruch auf ein ‚Erzamt‘ zu konstruieren. Auch der Abt von Fulda, der bereits in der Stauferzeit dadurch Unruhe gestiftet
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hatte, dass er den Platz links neben dem Kaiser für sich beanspruchte, reklamierte noch 1356, die Würde des Erzkanzlers der Kaiserin verbrieft zu erhalten – und hatte damit Erfolg.30 So ließe sich die Reihe der Rangansprüche, die teils in Auseinandersetzung mit den Kurfürsten, teils unter diesen selbst, teils auch unabhängig von ihnen erhoben wurden und zu Streitigkeiten aller Art führten, bis weit in die Neuzeit fortsetzen.31 Ein Befund wäre dabei immer wieder herauszuarbeiten: War einmal der Rang oder ein Vorrang in rituellen Formen öffentlich zum Ausdruck gebracht, war es schwer, wenn nicht unmöglich, sich der Konsequenz dieses Präzedenzfalles zu entziehen. Deshalb war es unabdingbar, den Anfängen zu wehren. Dies erklärt das unerbittliche Pochen auf Vorrang, das man fundamental missversteht, wenn man es als übergroße Ehrsucht oder manierierte Eitelkeit ironisiert. Dies erklärt aber auch die Kreation neuer Rituale, die insbesondere dann zu beobachten sind, wenn sich das wandelt, was die ältere Forschung das Verfassungsgefüge des Reiches genannt hat. Dieses wurde durch die Kurfürsten in der Tat verändert und so ist es nur folgerichtig, dass sich diese Veränderungen auf den rituellen Feldern nachhaltig bemerkbar machten. Die Rituale stellten die Verfahren dar, mit denen die Ergebnisse mündlicher und schriftlicher Diskurse veröffentlicht und verbindlich gemacht wurden. Erst der im rituellen Tun aller akzeptierte Rang des Einzelnen machte aus dem Anspruch ein Faktum im wörtlichen Sinn; dieses Tun aber verlangte nach Wiederholung, um die fortdauernde Akzeptanz unter Beweis zu stellen. An dieser grundsätzlichen Bedingung hat sich vom Früh- zum Spätmittelalter und darüber hinaus wenig geändert. Was komplexer wurde, waren die Verhältnisse in den Herrschaftsverbänden und in der Folge auch die Formen, in denen man sie rituell abbildete.
V.3 Unterwerfungsrituale im Spätmittelalter Es gibt nicht viele Einzelrituale, deren Geschichte man vom Früh- zum Spätmittelalter verfolgen könnte. Gewiss veränderten sich etwa die rituellen Formen, Frieden und Freundschaft anzuzeigen, in dieser Zeit nicht grundsätzlich; sie fanden in Mählern und Festen ihren adäquaten Ausdruck. Doch wandelte sich die Art und Weise, in der man sie zelebrierte, einigermaßen gründlich. Auch dürfte es leicht sein, rituelle Formen der Königserhebung wie Salbung und Krönung als Konstanten des einschlägigen Zeremoniells zu erweisen – und das in vielen Königreichen Europas. Doch auch hier waren die rituellen Sequenzen, in die sie eingebettet wurden, alles andere als konstant. Als ein Beispiel für eine erstaunliche Kontinuität sei abschließend aber das Ritual der Konfliktbeendigung durch Un-
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terwerfung ausgewählt, das allen Veränderungen in Herrschaftsauffassung und Herrschaftspraxis zum Trotz seinen Platz als angemessene Form der Beendigung bestimmter Konflikte nicht verlor. Zwar wurde auch hier der Veränderungsdruck bereits betont, dem es ausgesetzt war, doch führte dieser Druck bezeichnenderweise nicht dazu, dass es nicht noch bis in die frühe Neuzeit hinein in genau den Funktionen und mit genau den Akzenten benutzt wurde wie im frühen und hohen Mittelalter. Die Forschungslage erlaubt zurzeit wohl keinen Überblick darüber, wie häufig es noch Verwendung fand, doch hat es nicht den Anschein, dass seine Verwendung die Ausnahme darstellte.32 Auch bedarf es natürlich der Einzelanalysen um festzustellen, welche verändernden Einflüsse die jeweiligen Kontexte ausübten. Der grundsätzliche Eindruck einer relativen Konstanz der Funktionen dürfte jedoch nicht falsch sein. Eine ganze Welle solcher Unterwerfungsrituale beobachtet man sogar noch einmal in einer spezifischen Situation am Beginn der frühen Neuzeit und findet in diesem Zusammenhang auch viele der Eigenarten wieder, die schon mittelalterliche deditiones auszeichneten – und einige neue dazu.33 Als sich Kaiser Karl V. nämlich gegen den Schmalkaldischen Bund der protestantischen Fürsten und Städte militärisch durchgesetzt hatte, standen vor der Wiedererlangung der kaiserlichen Huld Unterwerfungsakte, bei denen die Fürsten persönlich und die Städte durch ihre Bürgermeister den Kaiser mittels Fußfall um Vergebung baten. Aufzug und Kleidung der sich Unterwerfenden wie ihr vorgeschriebener Habitus glichen den mittelalterlichen Vorgängern so genau wie das rituelle Verhalten des Kaisers. Beides war denn auch, wie gut bezeugt ist, Gegenstand intensiver Verhandlungen und Vorabsprachen gewesen, die genaue Anweisungen an die sich Unterwerfenden zum Ergebnis hatten, während sich der Kaiser bestimmte Optionen offen hielt. So wussten die auf dem Boden Liegenden etwa nicht, wann die kaiserliche Aufforderung kommen würde, die Augen und sich selbst zu erheben. Ihnen war nur befohlen worden, so lange auf dem Boden liegen zu bleiben, bis ihnen durch ein kaiserliches Zeichen etwas anderes bedeutet würde. Es sei nur an einem Beispiel verdeutlicht, dass hierbei ähnliche Regeln galten und sich vergleichbare Probleme ergeben konnten wie in früheren Jahrhunderten. Unabgesprochen und nur durch die Hilfe eines Fürsprechers geschützt, erschien der Herzog Wilhelm von Kleve 1543 nach seiner militärischen Niederlage vor Kaiser Karl V. Er warf sich ihm in schwarzer Trauerkleidung zu Füßen, während der Kanzler Granvella für ihn um Gnade bat. Dies blieb vergebens, weil es nicht abgesprochen war und der Kaiser sich nicht nötigen lassen wollte. Er und die Zeitgenossen wussten sehr wohl, dass in dieser Situation schon ein Aufheben als Gnadenerweis verstanden worden wäre, der zukünftige Regelungen präjudiziert hätte.34
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Dies alles wirkt noch sehr mittelalterlich. Eine gänzlich neue Dimension gewannen diese Unterwerfungsrituale aber durch die Tatsache, dass manche Protestanten das Knien vor einem gottlosen Herrscher als Idolatrie ansahen und damit als Sünde deklarierten. Hierdurch kamen ihre Anhänger bei solchen Unterwerfungen in schwere Gewissensnöte, die auch nicht dadurch zu beheben waren, dass man den Ausweg der dissimulatio wählte, also im Herzen anders dachte, als es die äußeren Zeichen zum Ausdruck brachten. Die Forderung nach Authentizität des Gezeigten aber brachte ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber dem ‚leeren Schein‘ rituellen Verhaltens zum Ausdruck, die seither immer wieder gegen diese Art der Kommunikation erhoben wurde und bis heute wird. Für die Unterwerfungsrituale trug diese Einstellung wohl dazu bei, dass diese als demonstrative Formen der Konfliktbeendigung zurücktraten.35 Im Spätmittelalter dagegen praktizierten Kaiser und Könige die Konfliktbeendigung mittels des Rituals der Unterwerfung zwar vielleicht nicht mehr in der Dichte, in der sie in den früheren Jahrhunderten bezeugt ist, doch immerhin noch so häufig, dass man von einer allgemeinen Kenntnis dieses Rituals ausgehen kann. Eine ganze Reihe von Fällen bezeugt, dass dieses Ritual noch in der gleichen Weise vorbereitet wurde, die gleichen Einzelakte wichtig waren und ihm die gleiche Funktion zukam wie in den früheren Jahrhunderten. Noch immer sprach man seine Durchführung ab, noch immer war ein Fußfall der zentrale Akt, noch immer hatte der sich Unterwerfende in Büßerkleidung anzutreten, und noch immer war die Schonung und Milde charakteristisch für die Reaktion der ‚Sieger‘, auch wenn sich diese in den unterschiedlichsten Weisen dieser Verpflichtung zu entziehen versuchten. Gleichfalls zahlreich waren denn auch die Variationen, mit denen man spezielle Botschaften übermittelte. Eine solche benutzte Kaiser Sigismund im Jahre 1414 auf dem Konstanzer Konzil, als er sich von Fürsprechern dazu bewegen ließ, den in Ungnade gefallenen und in der Folge geächteten Herzog Friedrich von Österreich wieder in seine Huld aufzunehmen. Der Herzog wurde mit seinen Vermittlern zum Kaiser bestellt, um den Unterwerfungsakt durchzuführen. Dazu hatte Sigismund die Gesandten der am Konzil Beteiligten in einem Raum versammelt, damit diesem Akt die nötige und für den Herzog sicher demütigende Öffentlichkeit zuteil würde. Sigismund ließ aber überdies den Herzog und seine Vermittler durch eine Tür eintreten, der er selbst den Rücken zuwandte, während die Gesandten sie im Blick hatten. So wurden diese Zeugen der Szene, wie der Herzog und die Vermittler sich immer wieder niederkniend dem Kaiser näherten, der diesen Vorgang scheinbar gar nicht bemerkte. Erst als sie ihn mit ihrem ‚Bußgang‘ erreicht hatten, wandte er sich um und nahm Herzog Friedrich wieder in seine Huld auf. Man geht kaum fehl in der Annahme, dass dieses Arrangement
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vom Kaiser bewusst getroffen wurde, um die Genugtuungsleistung des Herzogs um einen demütigenden Akzent zu bereichern.36 Schriftliche und bildliche Zeugnisse liegen aus dem Jahre 1311 vor, als sich die Städte Cremona und Brescia Kaiser Heinrich VII. auf dessen Romzug unterwarfen, was in der Bilderhandschrift des Erzbischofs Balduin von Trier plastisch und mit Interesse für rituelle Details dargestellt ist. Bei der Unterwerfung hatten die Bürger Stricke um den Hals, die sie dem Kaiser darboten als Zeichen für die Strafe, die sie eigentlich verdient hätten.37 Mit diesen und anderen auf die verdienten Strafen weisenden Gegenständen wie Schwertern und Ruten waren in den Jahrhunderten zuvor die Bürger anderer italienischer Städte zur Unterwerfung vor die Kaiser und Könige gezogen.38 Heinrich VII. verweigerte sich in Cremona zunächst den Ritualen der Unterwerfung, indem er die ihm angebotenen Stadtschlüssel nicht annahm. Sie wurden vielmehr der Königin übergeben, die dann als Fürsprecherin die Modalitäten der Unterwerfung beeinflusste und die Abmilderung der geplanten harten Bestrafung der Stadt erreichte. In halb Europa zur Kenntnis genommen wurde die Unterwerfung der Stadt Calais unter den englischen König Eduard III., die im Jahre 1347 eines der vielen bemerkenswerten Ereignisse des Hundertjährigen Krieges darstellt.39 Im Gedächtnis der Nachwelt blieb sie wohl auch deshalb besonders präsent, weil eine rege Mythenbildung dem englischen König den Versuch einer Abweichung von allen bis dahin bekannten Regeln der deditiones attestierte. Er wollte nämlich angeblich sechs Bürger von Calais hinrichten lassen, um den langen Widerstand der Stadt zu bestrafen und weil er bei der Belagerung viele eigene Leute verloren hatte. Freiwillig hätten sich daraufhin sechs Bürger bereit erklärt, für das Wohl der anderen in den Tod zu gehen. Erst die konzertierte Intervention seiner Ratgeber und auch hier vor allem der Königin hätten diesen Racheakt verhindert. Eduard habe schließlich seiner Gemahlin diese Bürger übergeben, indem er die Stricke fasste, die diese um den Hals trugen, und sie ihr so überantwortete.40 Diese Dramatisierung und Fiktionalisierung der Vorgänge beweist zugleich, wie bekannt die gängigen Regeln immer noch waren, die bei solchen Belagerungen und Übergaben zur Anwendung zu kommen hatten. Es gab den Anspruch auf Milde nach der Unterwerfung, den Fürsprecher zur Geltung brachten, zur Not die eigene Gemahlin desjenigen, der diese Regeln brechen wollte.41 Ganz ähnliche Regeln werden auch in dem Verhalten deutlich, das Freiherr Johann Werner von Zimmern und seine Partei an den Tag legten, um 1489 aus der Reichsacht gelöst zu werden.42 Die Zimmer’sche Chronik bietet reiches Material zu diesem und anderen Fällen, in denen die Unterwerfung als Mittel der Konfliktbeendigung nach allen Regeln der Kunst benutzt und auch instrumentalisiert wurde. Im Falle Werners baten die
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Kurfürsten zunächst bei Kaiser Friedrich III. um Gnade für den Geächteten, erreichten jedoch nur die „verdunkelte“ Antwort, der Kaiser werde nachdenken. Dann aber erhielten sie vom Sohn des Herrschers, Maximilian, die Zusage, er wolle ihnen „als ain güetiger könig (…) ein verhöretag“ zugestehen. Damit war offensichtlich der Durchbruch erreicht und das weitere Procedere klar: Werner und seine Gemahlin kamen in ärmlicher Kleidung bzw. in schwarzem Gewand zu dem Termin und warfen sich Maximilian zu Füßen. Interessanterweise warf sich mit ihnen auch ein Rechtsgelehrter in Zimmer’schen Diensten zu Boden, der dann vor Maximilian gegen das verhängte Strafmaß argumentierte und dabei in Maßen erfolgreich war, denn Maximilian hob die Sache einstweilen auf und vertröstete die Versammlung auf eine zukünftige „erörterung“. Selbst Bischöfe griffen im Spätmittelalter zum Mittel der fußfälligen Unterwerfung, um Konflikte mit den Königen zu beenden. So tat dies im Jahre 1293 Bischof Konrad von Straßburg, der sich zusammen mit einigen elsässischen Adligen gegen König Adolf von Nassau gewandt und gegen diesen Fehde geführt hatte. Als Adolf daraufhin die Besitzungen seiner Gegner angriff, erreichten die Gegner durch Fußfall und Bitte um Gnade zumindest einen beachtlichen Teilerfolg: Auf eigene Kosten hatten die früheren Gegner dem König umfassende militärische Hilfe zu leisten, ehe sie wieder zu Gnaden angenommen wurden.43 Beispiele für Konfliktbeendigung durch Unterwerfung lassen sich im Spätmittelalter aber durchaus nicht nur beobachten, wenn Könige in die Konflikte involviert waren. In Konflikten zwischen den Erzbischöfen von Köln und den Bürgern der Stadt beobachtet man etwa von den Tagen Erzbischof Annos bis ins Spätmittelalter immer wieder, wie Konflikte mittels deditiones der Bürger vor ihrem Erzbischof beendet wurden. Ortswahl, Kleidung und rituelle Handlungen verraten ein Wissen um die Tradition, in der diese Akte standen. So wurde etwa der Konflikt zwischen Erzbischof Konrad von Hochstaden und den Kölner Bürgern im Jahre 1258 durch detaillierte Friedensvereinbarungen unterschiedlichster Art beendet; sie sind als so genannter ‚großer Schied‘ wohl bekannt.44 Während die Bürger auf verschiedenen Gebieten Zugeständnisse des Erzbischofs erreichen konnten, die als „Magna Charta ihrer Unabhängigkeit und Freiheit“45 bezeichnet wurden, inszenierte man in den rituellen Akten den Erzbischof als eindeutigen ‚Sieger‘ der Auseinandersetzung: Auf dem Judenbüchel, und damit dem Ort, an dem die Mörder Erzbischof Engelberts II. rund dreißig Jahre zuvor hingerichtet worden waren – und nicht nur sie –, traten die Bürger, die in besonderer Weise gegen den Erzbischof agiert hatten, vor diesen und baten ihn um Gnade. Zuvor hatten sie vom Severinstor an, barfuß und im Büßergewand, einen Bußgang angetreten, begleitet von weniger bescholtenen Bürgern, die keine entsprechende
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Ausblicke ins Spätmittelalter
Kleidung trugen. Dies ist nicht der einzige Fall, in dem die Sprache der Rituale und die der schriftlichen Abmachungen unterschiedliche Akzente setzt.46 Es scheint im Rahmen solcher Kompromisse vielmehr durchaus üblich gewesen zu sein, Zugeständnisse auf dem Gebiet der Rituale durch Vergünstigungen auf anderen Gebieten zu ‚erkaufen‘, wobei es durchaus zu einem Austausch materieller und immaterieller Vorteile kommen konnte. Wir haben ja schon öfter beobachtet, dass symbolisches Kapital durchaus konvertierbar war.47 Aber auch in Auseinandersetzungen, die sich ausschließlich im städtischen Milieu abspielten, lässt sich die Kenntnis der Technik nachweisen, Konflikte mittels demonstrativer Unterwerfungen gütlich zu beenden. Dies war etwa bei dem Konflikt der Fall, der als einer der ‚Braunschweiger Schichten‘ in der Hanse- wie in der Stadtgeschichtsforschung gut bekannt ist.48 Nach einer gewaltsamen Aktion, in der bestimmte Kreise der Braunschweiger Bürgerschaft die den Rat dominierenden Familien aus der Herrschaft verdrängten und dabei eine Reihe von Personen töteten, kam es zu langwierigen Konflikten, die zunächst weder von den welfischen Landesherren noch von der Hanse geschlichtet werden konnten. Schließlich aber fand man einen Kompromiss, der sich in einem rituellen Akt manifestierte, der deutliche Anleihen bei den Unterwerfungsritualen verrät, wenn er nicht als ein solches zu bezeichnen ist. Eine Anzahl Braunschweiger Bürger, die genau der Zahl der Getöteten entsprach, fand sich nämlich auf einem Hansetag in Lübeck ein, barfuß, in härenen Gewändern und mit Kerzen in den Händen, und gab so Genugtuung für den gewaltsamen Umsturz mehr als zehn Jahre zuvor. Diese Leistung beendete den Ausschluss aus der Hanse und den Konflikt insgesamt. Mit einiger Sicherheit könnte man für die spätmittelalterlichen Jahrhunderte solche und ähnliche Beispiele in großer Fülle beibringen. Man könnte auch auf verwandte Institutionen verweisen wie etwa das Gnadenbitten, das in den spätmittelalterlichen Städten und nicht nur dort Dritte für Verurteilte oder Gesetzesbrecher übernahmen, mit vergleichbaren Effekten.49 Der Funktion eines Ausblicks entsprechend dürfte es jedoch genügen, wenn deutlich geworden ist, dass die Geschichte des Unterwerfungsrituals zu keiner Zeit des Mittelalters endet. Welchen verändernden Einflüssen es jeweils ausgesetzt war und im Kontext welcher konkurrierender Mechanismen der Konfliktbeendigung es sich zu behaupten hatte, ist dagegen gewiss genauerer Untersuchung wert. Als Ausgangspunkt solcher Untersuchungen bietet sich nicht zuletzt die Beobachtung an, dass wir seit dem 13. Jahrhundert vermehrt schriftlich fixierte Abmachungen besitzen, die uns Auskünfte über die Planung der Rituale und über ihren Zusammenhang mit anderen Schritten der Konfliktbereinigung geben. Dies schafft eine neue und gute Ausgangslage, über die Gemachtheit dieser Rituale und die Prinzipien ihrer Konstruktion nachzudenken.
VI. Zusammenfassung Es ist im Falle dieses Buches weit mehr als ein Topos oder eine Captatio Benevolentiae, wenn am Beginn seiner Zusammenfassung darüber reflektiert wird, wie vorläufig und ergänzungsbedürftig die hier vorgetragenen Erkenntnisse sind. Das Bild von einer Schneise in einen dichten Wald dürfte bei diesem Thema nach wie vor angemessen sein, auch wenn eine multidisziplinäre und internationale Ritualforschung schon seit einiger Zeit beträchtliche Konjunktur hat und beachtliche Ergebnisse vorweisen kann.1 Eine Geschichte der Entwicklung rituellen Verhaltens ist bisher jedoch nicht in Angriff genommen worden. Insofern wurde mit diesem Buch Neuland betreten, auch wenn viele der benutzten Beispiele wohl bekannt und sogar häufiger behandelt worden sind. Zum Verständnis der Rituale einer Kultur und ihrer Geschichte scheint eine besondere Vertrautheit mit dieser Kultur vonnöten, die im Falle des Mittelalters nicht einfach zu erreichen ist. Dies hängt gewiss nicht nur, aber auch damit zusammen, dass uns die Rituale dieser Epoche nur noch mittelbar, vor allem über Texte und Bilder, zugänglich sind. Für die früheren Jahrhunderte des Mittelalters bestimmen sogar Texte unser Wissen über Rituale ganz eindeutig – und vorrangig sind es solche aus dem Bereich der Geschichtsschreibung. Die Konzentration auf historiographische Texte, wie sie in den Untersuchungskapiteln vorherrscht, ergab sich also ganz zwangsläufig aus der Tatsache, dass diese in den untersuchten Jahrhunderten die meisten und die detailliertesten Nachrichten über rituelles Tun liefern. Mit der vorrangigen Benutzung dieser Quellengattung verbunden ist das Problem, inwieweit die jeweilige Darstellung des Geschehens mit dem tatsächlichen Geschehen deckungsgleich ist bzw. wie viel Verformung, Perspektivierung, Fiktionalisierung der einzelne Bericht enthält. Zu lösen ist dieses Problem in vielen Einzelfällen nicht – zumindest nicht mit ausreichender Sicherheit. Dies ist in moderner Methodendiskussion zu Recht hervorgehoben worden.2 Der hieraus resultierenden Aporie entkommt man jedoch dadurch, dass unabhängig davon, ob sich das Berichtete tatsächlich so zugetragen hat, schon der Bericht als solcher Zeugnis davon geben kann, welche Vorstellungen über richtiges oder falsches Verhalten existierten. Und schon diese Vorstellungen lassen sich als Indizien für eine Beschreibung der Macht der Rituale nutzen, wie es in diesem Buch versucht wurde, dessen Argumentationen nicht mit der Frage stehen und fallen, ob die Rituale im Einzelfall tatsächlich so durchgeführt wurden, wie sie beschrieben worden sind.
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Zusammenfassung
Die zentralen Anliegen dieses Buches ergeben sich aus drei Beweiszielen. Vorrangig ging es um den Nachweis, dass in den Zeiten des Mittelalters Herrschaftsrituale ‚gemacht‘ wurden. Diese Einsicht begründet ein anderes Verständnis von Ritualen als das gewöhnliche. Damit zusammenhängend und darüber hinaus sollte gezeigt werden, dass sie eine Geschichte haben wie andere Phänomene auch, die einerseits von bestimmten Faktoren beeinflusst wurde und andererseits Indikator für bestimmte Entwikklungen ist. Im Mittelalter spiegeln die Rituale – so das Ergebnis der Untersuchungen – die Herrschaftsverhältnisse sehr deutlich und ändern sich deshalb auch, wenn sich diese Verhältnisse ändern. Schließlich und nicht zuletzt ging es um den Stellenwert, den Rituale für die Technik und Praxis von Machtausübung im Mittelalter besaßen, von wem auch immer diese Macht ausgeübt wurde. Es ging damit um die Leistung, die diese Rituale für die Funktionsfähigkeit der Herrschaftsordnung erbrachten. Diese Ziele verlangten nach einer bestimmten Ausrichtung der Beispiele wie der Argumente und erlaubten es nicht, die Vielfalt der Befunde wirklich auszubreiten. Dies kann natürlich auch in einem Schlusskapitel nicht nachgeholt werden. Doch lässt sich zumindest darauf hinweisen, dass diese Vielfalt auch unter ganz anderen Fragestellungen bearbeitet und geordnet werden könnte, wenn man ein Handbuch mittelalterlicher Herrschaftsrituale und ihrer prominentesten Beispiele hätte verfassen wollen, was hier nicht der Fall war. Im Folgenden werden die für ein Gesamturteil wesentlichen Beobachtungen unter drei Gesichtspunkten zusammengefasst. Überlegungen zum Problem der ‚Gemachtheit‘ der Rituale und damit zusammenhängende Fragen bietet das erste Unterkapitel dieser Zusammenfassung. Die beiden anderen Unterkapitel versuchen, den Ertrag der hier gewählten Perspektive zu bestimmen. Das eine thematisiert die Geschichte der Rituale, die vom Frühmittelalter an durch eine Verbreiterung der Anwendungsfelder ritueller Kommunikation gekennzeichnet ist, die aber auch Stufen und Brüche zu verzeichnen hat, deren Ursachen zumindest begründet angenommen werden können. Das andere diskutiert den Zusammenhang von Machtausübung und ritueller Kommunikation und sucht zusammenfassend die Leistung einzuschätzen, die rituelle Kommunikation erbrachte. Die positive Bewertung der Leistungskraft von Ritualen, des Geltungsanspruchs und der Verbindlichkeit ritueller Aussagen, darf aber nicht dahingehend missverstanden werden, als stelle sich die Stabilisierung von Ordnung durch Rituale quasi von selbst ein. Vielmehr sind durchaus erfolgreiche Fälle des Missbrauchs ritueller Verhaltensmuster zu notieren und in ein Gesamtbild zu integrieren. Es war nicht zuletzt der Anspruch auf Verbindlichkeit, den rituelle ‚Aussagen‘ erhoben, der einen unter Umständen erbitterten Kampf um die Rituale,
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Hinterlist, Täuschung und Betrug, provokantes rituelles Verhalten oder die schlichte Verweigerung hervorbrachte, an Ritualen teilzunehmen. Nichts wäre wohl falscher als die Vorstellung, Rituale hätten im Mittelalter eine heile Welt kreiert.3 Rituale stellten nicht mehr und nicht weniger als Verfahren dar, mit denen verständliche und verbindliche Aussagen zu vielen zentralen Fragen der Gesellschaft gemacht werden konnten. Aus diesem Anspruch auf Verbindlichkeit ritueller Aussagen – ein Anspruch, hinter dem die ‚Macht der Gewohnheiten‘ stand – resultiert die Konsequenz, dass Herrschaftsrituale eine Geschichte haben, in der sich die Geschichte mittelalterlicher Herrschaft selbst spiegelt, die bekanntlich überreich an Konflikten und Krisen war.
VI.1 Die ‚Gemachtheit‘ der Rituale Die Frage nach der ‚Gemachtheit‘ der Rituale war eine Grundfrage in diesem Buch.4 Die Einsicht, dass rituelle Handlungen häufiger bewusst gestaltet wurden, um bestimmte Botschaften zu übermitteln, führt zu einer Reihe von Folgerungen, die für die Beurteilung rituellen Tuns von erheblicher Bedeutung sind. Wenn Rituale bewusst gestaltet wurden, folgt daraus wohl auch, dass mit der Gestaltung ein feststehender Sinn zum Ausdruck gebracht werden sollte.5 Und dies ließ sich ja häufig auch nachweisen. Damit ist aber das Problem der Deutung symbolischer Handlungen aufgeworfen. In diesem Buch wurde die Vorstellung von der Verbindlichkeit ritueller Handlungen entwickelt, die gegeben sein musste, weil mit ihnen Verpflichtungen für die Zukunft übernommen oder Rechte anerkannt wurden. Solche Verbindlichkeit konnte aber nur dann gegeben sein, wenn der Sinn der Handlungen verständlich, und das heißt eindeutig war. Was mit einem Handgang, einer Huldigung, einer Unterwerfung, aber auch mit einem Gruß, einem Entgegengehen oder einem Lächeln symbolisch zum Ausdruck gebracht wurde, durfte daher nicht grundsätzlich mehr- oder gar vieldeutig sein. Sonst hätten aus diesen Handlungen keine Verpflichtungen erwachsen können, was aber unzweifelhaft der Fall war, wenn unsere Beobachtungen nicht völlig in die Irre gehen. Bei diesem Plädoyer für den festliegenden Sinn ritueller Handlungen dürfen aber bestimmte Eigenarten symbolischer Kommunikation im Mittelalter nicht außer Acht bleiben: Die rangbewusste Adelsgesellschaft verfügte über elaborierte Techniken, das Gesicht der an öffentlicher Kommunikation Beteiligten zu wahren.6 Dies führte dazu, nicht nur, aber auch auf dem Felde ritueller Handlungen Unangenehmes zu verschleiern, harte Forderungen in untertänige Bitten zu kleiden, Abgerungenes als freiwillige Gewährung zu kaschieren, Unterordnung durch Ehrung und Pri-
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vilegien zu belohnen usw. Solche Praxis der Freiwilligkeits- und Konsensfiktionen aber hatte zur Folge, dass bei rituellen Akten manchmal Mehrdeutigkeit in Kauf genommen, ja intendiert wurde, weil nur so die Bereitschaft zur Teilnahme an den rituellen Handlungen erreicht werden konnte. Wir haben etwa am Beispiel der ‚Ehrendienste‘ nachgewiesen, wie erfolgreich mit ihnen die Verschleierung der Unterordnung betrieben werden konnte.7 Auch bei den Unterwerfungsritualen konnte man nach der humiliatio häufig die exaltatio beobachten. Der sich Unterwerfende war am Ende des Rituals zum Freund geworden.8 Die Perspektive, die die ‚Gemachtheit‘ der Rituale zum Thema hat, wirft also auch die Frage nach den ‚Macharten‘ auf. Hier ist sicherlich zu betonen, dass es Standardversionen rituellen Verhaltens gab, die früher wie heute kaum Interpretationsprobleme bereiten. Sie musste man nicht eigens ‚machen‘, nicht in Verhandlungen für den Einzelfall festlegen. Es reichte etwa, wenn man sich darauf verständigte, den Frieden durch ein rituelles Mahl zu besiegeln, oder sich bei einer Begrüßung so zu verhalten, wie es die Rangordnung verlangte. Interessanter sind jedoch die Fälle, mit denen komplexere Botschaften übermittelt werden sollten. Hier beobachtet man nicht selten die spezifische Zusammenstellung ritueller Verhaltensweisen, die Sinnstiftung durch besondere Nuancierung anstrebten, bis hin zu Lösungen, die vielleicht nur den Wissenden erkennbar und einsichtig waren, während andere sich mit einer einfacheren Lesart zufrieden gaben. Hierfür noch ein wohl bezeichnendes Beispiel: So überreichte nach Hincmar von Reims Papst Hadrian dem Karolingerkönig Lothar II., der nach Rom gezogen war, um die kirchliche Erlaubnis für die Trennung von seiner Gemahlin Theutberga zu erhalten, als Gastgeschenke „einen wollenen Mantel, einen Palmzweig und einen Stab“. Lothar und sein Anhang interpretierten die Geschenke angeblich dahingehend, dass der König „durch den Mantel wieder in den Besitz der Waldrada (seiner Konkubine) kommen, durch die Palme sich als Sieger in dem, was er begonnen, erweisen und durch den Stab die seinem Willen widerstrebenden Bischöfe durch Beharrlichkeit unterwerfen“ solle.9 Man geht wohl kaum fehl in der Annahme, dass den Wissenden die Abwegigkeit dieser Interpretation sehr klar und der eigentliche Sinn der Geschenke bewusst war, der für uns nicht leicht erreichbar ist. Er dürfte aber viel mit der Aufforderung zur Buße zu tun haben. Es besteht sogar einiger Grund zu der Annahme, dass Hincmar von Reims, der Autor der Geschichte, mit der berichteten Interpretation Lothar II. diffamieren wollte. Auf diese Weise überstand jedenfalls nach dieser Geschichte der Papst das prekäre Zusammentreffen mit dem Karolinger, ohne dass es zu einem offenen Eklat kam. Die ausgeklügelte Variante beim Gabentausch verrät daher wohl, mit wie viel Einfallsreichtum bei der Gestaltung ritueller
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Handlungen man rechnen muss. So wie man gewohnt war, den Schriftsinn in mehrfacher Hinsicht auszudeuten, so war man auch in der Lage, rituelle Handlungen so anzulegen, dass sie mehrdeutig wurden, unterschiedliche Deutungen erlaubten. Konstatiert und in Ansätzen rekonstruiert wurde in diesem Buch ein ‚Lernprozess‘, indem man in den Herrschaftsordnungen des Mittelalters dazu überging, immer mehr Inhalte mit vielfältigen, rituellen Formen zum Ausdruck zu bringen. Lernprozess ist hier in einem metaphorischen Sinn zu verstehen; der Begriff will die zunehmende Erfahrung im Umgang mit rituellen Verhaltensmustern fassen, der die Führungsschichten in die Lage versetzte, immer komplexere Botschaften mittels rituellen Verhaltens auszutauschen. Dieser Vorgang vollzog sich in deutlichem Zusammenhang mit den Veränderungen, die die Geschichte dieser Ordnungen prägten. Die Übernahme von Verpflichtungen wurde ebenso in rituellen Formen vollzogen wie die Anmeldung von Ansprüchen; das wechselseitige Verhältnis fand seinen symbolischen Ausdruck in verschiedensten Akten, die Unterordnung oder Gleichrangigkeit, Feindschaft oder Freundschaft signalisierten. Dieser Prozess produzierte eine Fülle neuer ritueller Formen, die zu wechselnden Sequenzen zusammengefügt werden konnten. Nicht die strikte Wiederholung der gleichen Muster kennzeichnet das rituelle Geschehen in den untersuchten Jahrhunderten, sondern eher das situationsbezogene Verändern. Häufig beobachtet man, wie die gleichen Bausteine rituellen Verhaltens in unterschiedlicher Weise benutzt wurden, weil eine bestimmte Sinngebung beabsichtigt war. An der Geschichte des Rituals der Unterwerfung ließ sich besonders gut verfolgen, wie durch Veränderungen einiger Details so unterschiedliche Akzente wie Milde oder Strenge gesetzt werden konnten.10 Durchaus nicht immer, aber ab einer bestimmten Komplexität musste man sich über die Einzelheiten solcher Handlungssequenzen vorweg verständigen. Nicht in vielen, aber durchaus in genügend Einzelfällen ist denn auch konkret bezeugt, dass es Verhandlungen über die Durchführung solcher Akte gab. Man darf daher wohl davon ausgehen, dass mündliche, in Einzelfällen auch schriftlich fixierte Absprachen das Gelingen der rituellen Handlungen sichern sollten. Nicht weniger kennzeichnend ist aber, dass gerade in prekären Situationen die Deutung der Handlungen auch Gegenstand von Kontroversen war, in denen man versuchte, die eigenen Absichten durchzusetzen. Erinnert sei an die Auseinandersetzungen darüber, was die Leistung eines Strator-Dienstes bedeutete, oder an das protestierende Eingreifen von Zuschauern, wenn sie einen bestimmten Sinn verletzt sahen.11 Bei der Erforschung ritueller Kommunikation ist also grundsätzlich davon auszugehen, dass ihre Handlungen begleitet wurden von Aktivitäten zu ihrer Planung und Vorbereitung wie zu ihrer Deutung,
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die uns nur noch in schriftlichen Formen vorliegen. Diesen aber ging mit einiger Sicherheit ein intensiver mündlicher Diskurs voraus. Die in etwaigen Verhandlungen getätigten Absprachen wurden bei der Durchführung der Rituale jedoch vollständig verborgen. Suggeriert wurde von allen Teilnehmern vielmehr die Spontaneität der Handlungen einschließlich der gezeigten Emotionen.12 Deshalb sind meines Erachtens Begriffe aus der Theatersprache, metaphorisch verwendet, hilfreich, weil sie eine realistische Vorstellung vom Kontext ermöglichen, in dem sich rituelles Geschehen vollzog: Man einigte sich auf ‚Inszenierungen‘ oder ‚Aufführungen‘, deren Ablauf Gegenstand vorheriger Absprachen war. Die Akteure des Rituals spielten gewissermaßen ‚Rollen‘. Bekannt war auch so etwas wie die Funktion eines ‚Regisseurs‘. All dies aber entwertete die Verbindlichkeit der Aussagen in keiner Weise. Es ist zurzeit noch nicht gelungen, den Prozess genauer zu analysieren, der zu einer Hochkultur rituellen Ausdrucksvermögens und gewiss auch zu Manierismen führte, und man mag auch skeptisch sein, wie tief man in ihn eindringen kann. Für ein vertieftes Verständnis scheint es jedoch unabdingbar, Kenntnisse über die ‚Baugesetze‘ der Rituale zu erwerben, auch wenn die mittelalterlichen Zeitgenossen darüber so gut wie nie sprechen. An verschiedenen Stellen der Untersuchung wurde darauf hingewiesen, dass kirchliche Riten oder biblische Erzählungen das Vorbild für weltliche Rituale abgaben, dass also der ‚Lernprozess‘ zumindest in Teilen ein Transferprozess war. Thesenhaft kann man wohl formulieren, dass die Kirche die rituellen Ausdrucksformen, die sie nicht zuletzt vom römischen Staatszeremoniell übernommen hatte, phasenverschoben an die mittelalterlichen Herrschaftsordnungen weitergab bzw. diese bei ihr die gleichen Anleihen machten wie sie selbst zuvor beim römischen Staat.13 Mit dieser Beobachtung soll nicht behauptet werden, dass dieser Vorgang bewusst geschah. Der Prozess der Übernahme von Verhaltensmustern erwies sich jedoch als ein vielfältiger. Zu beobachten war eine Fülle von Analogiebildungen, durch die bestimmte rituelle Ausdrucksweisen in den unterschiedlichsten Kontexten zur Anwendung kamen, ohne dass man im Einzelfall die Gebenden und die Nehmenden erkennen und unterscheiden könnte. Dies sei hier an einigen Mustern belegt, deren systematische Betrachtung bisher durch die chronologische Anlage dieses Buches verhindert wurde. Als rituelles Ausdrucksmittel, einen Anspruch zu akzeptieren, begegnet in den verschiedensten Zusammenhängen etwa die Stuhlsetzung. Im Zuge des Einsetzungsrituals setzten die Königswähler den Kandidaten auf einen Thron, die Bürger ihre Ratsmitglieder in das entsprechende Gestühl. Für Herzöge bestimmter Regionen ist eine Setzung auf einen ‚Herzogsstuhl‘ bezeugt; Bischöfe dagegen wurden auf den Altar gesetzt.14 Wer diesen rituellen Handlungen beiwohnte, akzeptierte den Gesetzten in seinem Amt.
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Deshalb ertrug ein St. Galler Mönch diesen Anblick nicht und verließ den Raum.15 Es ist gewiss unmöglich, eine Genealogie zu erarbeiten, wer diese Praxis der Setzung eines Amtsinhabers auf den ihm zukommenden Sitz als Zeichen seiner Anerkennung von wem übernommen hat, und dennoch dürfte evident sein, dass die Nutzung dieses rituellen Aktes in den verschiedensten Zusammenhängen durch Kenntnisse von Vorbildern bedingt war – und durch die Fähigkeit, in Analogiebildung rituelle Ausdrucksweisen für die eigenen Erfordernisse zu schaffen. Unübersehbar vielfältig ist in rituellen Handlungssequenzen auch der Gebrauch von Gegenständen, denen symbolische Bedeutung zukam. Schon die höchst verdienstvollen Sammlungen, die Rechtshistoriker im 19. und frühen 20. Jahrhundert zu den so genannten Rechtsaltertümern vorlegten, gaben einen Eindruck von der Vielfalt sowohl der Gesten als auch der Gegenstände, mit denen verbindliche Aussagen auf symbolische Weise gemacht wurden.16 Wir haben hier nur einen kleinen Ausschnitt davon behandelt, indem wir thematisierten, was man alles dem König vorantragen oder an symbolischen Diensten leisten konnte.17 Gerade im Bereich der so genannten Rechtsrituale ist die Vielfalt der Formen jedoch so überwältigend, dass sie gleichfalls ein gutes Argument für die Fähigkeit zur Analogiebildung und zur Kreation neuer ritueller Ausdrucksweisen darstellt. Die Praxis ritueller Ausdrucksweisen vor Gericht bestimmen nämlich nicht wenige, immer wiederkehrende Gesten und Gegenstände, sondern eine Unzahl von Sonderformen, die nicht selten nur einmal bezeugt sind. Auch diese Beobachtung weist nachhaltig auf das gestalterische Vermögen, das in der Formenvielfalt sichtbar wird. Und auch in den Fällen, in denen bestimmte Gegenstände häufiger begegnen, wie etwa der Stab, sind die Anwendungsfelder und die Bedeutungsinhalte so vielfältig, dass man von einer differenzierten Fähigkeit, symbolische Aussagen zu verfertigen und zu verstehen, ausgehen darf.18 Auch auf diesem Felde war die Fähigkeit der Zeitgenossen zur Analogiebildung und zum Transfer offensichtlich hoch entwickelt, selbst wenn wir über den Weg solcher Übernahmen bisher so gut wie nichts wissen. Belege für den Vorgang der Analogiebildung stellen wahrscheinlich auch die Beispiele dar, die eine rituelle Prüfung eines Kandidaten vor seiner Amtseinsetzung bezeugen. Man könnte solche Praktiken im Sinne von Victor Turner als liminale Phasen eines Rituals auffassen, deren retardierende Wirkung dazu diente, den Anwärter auf Verpflichtungen festzulegen.19 Solches widerfuhr dem Bischof bei seiner Amtsübernahme ebenso wie dem König zu bestimmten Zeiten oder dem Landesherrn bei seinem feierlichen Einritt in eine Stadt, und zwar jeweils in durchaus unterschiedlicher Weise.20 Es gab die Technik, durch Fragen die Zusicherung eines bestimmten Verhaltens zu erhalten; es gab aber auch die Möglichkeit, den
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Kandidaten durch Handlungen das unter Beweis stellen zu lassen, was man von ihm erwartete. So hat man König Konrad II. nacheinander mit Armen, Witwen, Waisen und Gegnern konfrontiert, an denen er seine Bereitschaft zu Barmherzigkeit und Milde unter Beweis stellen konnte.21 Den Kärntner Herzog dagegen prüfte ein Bauer, der sich erst von dem Herzogsstuhl vertreiben ließ, als der neue Amtsinhaber seine Prüfung bestanden hatte.22 Man konnte die Prüfungsfragen aber auch im festlichen Gepränge fast verstecken, wie es in der frühen Neuzeit die Bürger von Münster taten, die ihrem Bischof die alte Frage: „Ist dein Einzug auch friedlich“, in Form eines Feuerwerks an den Himmel projizierten – und sicherlich darauf verzichteten, dass er sie beantwortete.23 Diese Frage war im Mittelalter aber auch dem in Rom zur Krönung einziehenden Kaiser dreimal gestellt worden und dieser hatte sie zu beantworten.24 Analogiebildungen stellen wohl auch die verschiedenen Arten dar, durch die Amtsträger im Rahmen ihrer Einsetzung ‚beraubt‘ wurden. Diese Spoliierung konnte sie das Pferd oder den Mantel kosten; es wurden Geldgeschenke an bestimmte Helfer erwartet; und auch dem Volk wurde bei Einzügen verschiedenster Amtsträger Geld zugeworfen, wodurch nicht zuletzt ein Weiterkommen des Zuges bewerkstelligt wurde, da sich die Menge teilte, um die Münzen aufzusammeln.25 Neben ritueller ‚Schädigung‘, die wohl die Bereitschaft der neuen Würdenträger zu Freigebigkeit unter Beweis stellen sollte, entwickelten sich aber auch eine Vielzahl von ‚Bräuchen‘, in denen die neuen Rechte des Amtsträgers rituell zum Ausdruck kamen: Genannt seien das Recht der ersten Bitte oder auch die Übung, dass beim feierlichen Einritt eines Kaisers in eine Stadt alle die exilierten Bürger, die den Schweif seines Pferdes zu fassen bekamen, der Strafe des Exils ledig und wieder aufgenommen wurden.26 Durch solche vergleichenden Betrachtungen ritueller Handlungsmuster in ganz unterschiedlichen sozialen Bereichen wird ein Eindruck von dem Ausmaß möglich, in dem der Prozess der Verfertigung solcher Muster durch Übernahmen, Analogiebildungen und Adaptationen geprägt war. Sie alle – und weitere wären leicht anzufügen – verraten einen bewussten Umgang mit diesen Mustern, wobei noch einmal darauf hingewiesen sei, wie bedeutsam die Vorbilder der Kirche und ihrer rituellen Praktiken für den Bereich der Herrschaft gewesen waren. Auch wenn man kaum einmal die ‚Macher‘ solcher Muster benennen kann oder diejenigen, die für einen Transfer verantwortlich waren, dürfte die ‚Machart‘ sichere Hinweise darauf geben, dass kirchliche Würdenträger an der aufblühenden Kultur der Zeichen und Symbole großen Anteil hatten. Nur so dürfte sich erklären, warum rituelles Verhalten im Bereich von Herrschaft so deutlich von rituellen Elementen christlicher Bußpraxis geprägt war, wie es am Beispiel der Unterwerfungsrituale und ihrer Geschichte diskutiert wurde.
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VI.2 Die Geschichtlichkeit der Rituale Es konnte auch vor diesem Buch eigentlich nicht zweifelhaft sein, dass Rituale eine Geschichte haben – nur hatte sich um diese Geschichte kaum jemand gekümmert. Ins Blickfeld war sie partiell nur dann getreten, wenn Rituale einzelner Institutionen diachron verfolgt wurden, wie etwa die Investituren von kirchlichen oder weltlichen Amtsträgern.27 Mit der Einsicht in die Gemachtheit der Rituale drängte sich jedoch die Frage nach ihrer Geschichte verstärkt auf und sie zeitigte durchaus Befunde, die sowohl ein besseres Verständnis der Rituale wie auch der Rahmenbedingungen von Herrschaft im Mittelalter ermöglichen. Man kann nach den Kapiteln dieses Buches zumindest sagen, dass Rahmenbedingungen von Herrschaft und rituelle Ausdrucksformen in einem engen Wechselverhältnis stehen. Da sich diese Rahmenbedingungen im Verlaufe der mittelalterlichen Jahrhunderte wandelten, taten dies auch die Rituale; viele traten erst im Laufe der Zeit hinzu, andere verschwanden. Nur darf man sich diesen Wandel nicht als rapiden vorstellen. Da sich auch die Rahmenbedingungen von Herrschaft nicht sprunghaft veränderten, stellen viele rituelle Verhaltensmuster Phänomene von langer Dauer dar, die fast den Eindruck anthropologischer Konstanten erwecken. Dieser ist etwa für den friedenstiftenden Charakter gemeinsamen Essens und Trinkens auch gar nicht von der Hand zu weisen. Dennoch hat die Konzentration auf die Fragen, wann ein Verhaltensmuster erstmals bezeugt ist, wann es verändert wird und wann es verschwindet, zu Befunden und Beobachtungen geführt, die bisher nicht im Blick waren. Schon die These, dass sich das kulturelle Niveau ritueller Ausdrucksformen, wie es im Hochmittelalter bestand, einem Lernprozess verdankt, den man in der Karolinger- und Ottonenzeit beobachten kann, ist einigermaßen aufregend. Die Aufregung resultiert dabei vor allem aus der Schwierigkeit, einen solchen Prozess methodisch begründet nachzuweisen. Diesem Nachweis stehen – was nicht bemäntelt werden soll – eine ganze Reihe von Schwierigkeiten entgegen: Die Zeitgenossen haben ihn nicht thematisiert; die Überlieferung ist lückenhaft und es gibt keine Gewissheit, dass die etwaigen Stufen eines solchen Prozesses sich in ihr niedergeschlagen haben. Solche Bedenken sind gewiss berechtigt und geben Veranlassung, noch einmal auf die Methodik des Nachweises eines solchen Lernprozesses einzugehen. Grundsätzlich geben die schon angesprochenen vielfältigen Übernahmen, Analogiebildungen und Transfers sicheres Zeugnis davon, dass man voneinander gelernt hat: die Laien von den Klerikern, die Bürger der Städte von den Adligen, die Franken von Byzanz usw. Grundsätzlich kann es auch nicht zweifelhaft sein, dass die komplexen, interaktiven Ritual-
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sequenzen, wie sie seit dem 9. und 10. Jahrhundert zu beobachten sind, intensiver vorheriger Absprachen und Planungen bedurften. Man denke an die Vorgänge in Ponthion 754, bei der Absetzung und Wiedereinsetzung Ludwigs des Frommen, bei der Versöhnung Ottos III. und Heinrichs des Zänkers 986; oder auch an die freiwillige Mitwirkung Unterlegener und Geschlagener, wie sie in den zahlreichen Unterwerfungsritualen zu verzeichnen ist.28 So etwas ergibt sich nicht von selbst, sondern muss erprobt und eingeführt werden, ehe man es in immer neuen Varianten praktizieren kann. Die Annahme eines Lernprozesses hat daher eine innere Wahrscheinlichkeit für sich. Deshalb liegt die Frage nahe und auf der Hand, wann denn die ersten sicheren Zeichen dafür begegnen, dass man in der Lage war, so etwas zu planen und durchzuführen. Und diese Frage führte wieder auf die exzeptionelle Situation von Ponthion, die in seltener Deutlichkeit Anhaltspunkte dafür gab, wodurch bestimmte rituelle Verhaltensweisen bedingt waren. Ohne Vorabsprachen der aktiv Beteiligten war der komplexe Ablauf dieser rituellen Handlungen gewiss nicht denkbar. Man muss die Argumentation hier nicht im Einzelnen wiederholen. Wichtig scheint jedoch, den Gedanken noch einmal zu unterstreichen, dass eine erfolgreiche Verwendung ritueller Verhaltensmuster in einem solch wichtigen Fall nicht mehr vergessen worden sein wird und zur Nachahmung angeregt haben dürfte. Es markiert dann gewiss einen Meilenstein in dem unterstellten Prozess, wenn solche Planungen und Absprachen eines bestimmten rituellen Verhaltens bald danach nicht nur mit Verbündeten, sondern auch mit Gegnern möglich waren und nachweisbar sind, wie es sich im Falle Tassilos und in den Krisen der Herrschaft Ludwigs des Frommen abzeichnete. Die Verabredung von interaktivem Verhalten, mit der die Teilnehmer sich gegenseitig Gewissheit gaben, dass sie gemäß den Absprachen agieren würden, ermöglichte überhaupt erst die Behandlung komplexer Probleme mittels ritueller Aussagen. Da die zugegebenermaßen spärlichere Überlieferung der Merowingerzeit kaum Anhaltspunkte für derartige ‚gemachte‘ Rituale, für Vereinbarungen und Absprachen rituellen Verhaltens interaktiver Art hinterlassen hat, ist zumindest die methodische Folgerung möglich, mit den skizzierten Fällen den Beginn einer neuartigen Nutzung ritueller Muster gefasst zu haben. Dass diese nicht mehr abriss, ließ sich dann breiter belegen. Hier verdient grundsätzlich Beachtung, dass die politischen Kräfte, die in der Zeit der Karolinger an Bedeutung gewannen, sich – ein wenig zeitversetzt – auch in den Ritualen entsprechend Geltung verschafften: Kirche und Adel. Es ließen sich im 10. Jahrhundert in einiger Fülle rituelle Verhaltensmuster im Bereich der Königsherrschaft nachweisen, die Formen der Ehrung von Getreuen zum Inhalt hatten, die Beratungs-, Kontroll- und
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Mahnfunktionen dieser Getreuen akzentuierten, die zudem ihre Unterordnung in ehrenvoller Weise rituell zum Ausdruck brachten.29 Dies alles sind Indizien dafür, dass sich die gestiegene Bedeutung der Fürsten als Teilhaber an der Königsherrschaft auch in rituellen Ausdrucksformen niedergeschlagen hat. Verfolgt man die weitere Geschichte dieser rituellen Verhaltensmuster in das 11. und 12. Jahrhundert hinein, stößt man mehr und mehr auf Situationen, in denen Ansprüche weltlicher oder geistlicher Würdenträger auf eine bestimmte rituelle Behandlung Streit auslösten. Da sich Ansprüche auf Rang herausgebildet und verfestigt hatten, dieser sich aber in nichts besser manifestierte als in der öffentlichen Anerkennung durch rituelle Handlungen, wurde folgerichtig die Behauptung dieser Ansprüche zu einer existentiell wichtigen Angelegenheit, was sich nicht zuletzt in Rangkonflikten manifestierte, die die Geschichte der Rituale seit dem 11.Jahrhundert beständig begleiteten. Eine andere Feststellung ritueller Neuerungen, die sich auf das Königtum bezieht, verdient gleichfalls grundsätzliche Aufmerksamkeit. Könige griffen seit einer bestimmten Zeit auffällig häufig zum Mittel ritueller Selbstdemütigung, die in Barfußgehen, Büßergewand, Fußfällen und anderem ihren Ausdruck fand. Dies stellte zweifelsohne eine neue Dimension königlicher Ritualsprache dar, nach deren Ursachen sich zu fragen lohnt. Es bot sich an, einen Zusammenhang herzustellen mit den Postulaten der christlichen Herrscherethik, die von den Königen Tugenden wie misericordia und clementia und ein Bewusstsein der eigenen Sündhaftigkeit verlangten. Konkreter noch forderten christliche Autoren seit dem 10. Jahrhundert die Könige auf, in ihrer Amtsführung das Vorbild Christi nachzuahmen – und diese konkretisierten das dadurch, dass sie die humiliatio vor die exaltatio stellten. Die Intensität, mit der diese Denkfiguren an die Könige im 10. und 11. Jahrhundert herangetragen wurden, spricht sehr dafür, dass dadurch auch die neuartigen rituellen Handlungen der Könige ausgelöst wurden, die sich im 10. und 11. Jahrhundert massiert beobachten lassen. Wenn die Überlieferung nicht sehr trügt, fanden sie aber ein ziemlich abruptes Ende, und dieses Ende weist nachhaltig darauf hin, wie sehr rituelle Handlungen von bestimmten Präzedenzfällen geprägt wurden. Nach Canossa, als Heinrich IV. durch die politische wie durch seine persönliche Lage zu einer barfüßigen satisfactio genötigt wurde, verschwanden die rituellen Handlungen der Selbstdemütigung nahezu abrupt aus dem Repertoire der Herrscher. Und dies dürfte kein Zufall sein, sondern Zeugnis davon geben, dass bestimmte Präzedenzfälle die Einführung eines rituellen Verhaltensmusters bewirken konnten. Genauso wurden diese Muster aber durch konkrete Fälle auch mit einer Bedeutung belastet, die eine Nachahmung behinderte oder unmöglich machte.
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Doch selbst in den Fällen, in denen man Ritualen die lange Dauer ohne Einschränkung bescheinigen möchte, erweist sich die Frage nach ihrer Geschichte als erkenntnisfördernd. Denn so wird man darauf aufmerksam, durch welch unterschiedliche Akzentsetzung das gleiche Ritual in verschiedenen Zeiten geprägt sein kann. Dies lässt sich am besten am Ritual der Unterwerfung verdeutlichen, dem wir ja vom Früh- bis ins Spätmittelalter nachgehen konnten und mussten. Die unterschiedlichen Akzentsetzungen, die man bei seiner Anwendung beobachten kann, korrespondieren aber wiederum mit fundamentalen Rahmenbedingungen von Herrschaft und mit Veränderungen in der Selbstsicht derjenigen, die solche Unterwerfungen entgegennahmen. Dies zeigt sich ziemlich eklatant an der Art, wie in unterschiedlichen Jahrhunderten die Milde oder aber die Strenge des Herrschers in den Vordergrund gerückt wird. Hielt das 10. Jahrhundert die Milde für eine oder sogar für die hervorragende Herrschertugend, so huldigte das 12. und 13. dem rigor iustitiae, wenn man dies mit dem Mut zur Verallgemeinerung so sagen darf. Dies hatte zur Folge, wie an zahlreichen Beispielen abzulesen ist, dass aus den Ritualen des Verzeihens und der Versöhnung Rituale des Strafens und der Unnachgiebigkeit werden konnten, obgleich die vorhergehenden Konflikte sich kaum oder gar nicht voneinander unterschieden. Die Geschichte der Rituale ist auch hier ein getreuer Spiegel der Herrschaftsauffassungen. Man darf allerdings bezweifeln, ob die Veränderungen der Rituale in Richtung Unnachgiebigkeit und Härte wirklich eine Steigerung der Königsmacht bewirkt oder befördert haben. Gewiss wird man eine Geschichte der Rituale nie so schreiben können wie die Geschichte einer Dynastie oder einer Stadt. Davon unbenommen ist jedoch die Tatsache, dass Rituale geschichtlichen Veränderungen unterworfen sind und Zeugnis von geschichtlichen Veränderungen geben. Im Bereich von Herrschaft signalisieren sie maßgebliche Veränderungen in sehr deutlicher Weise, wenn man ihre Sprache zu verstehen vermag. Dies hat unser Vorgehen trotz aller möglichen Schwächen im Detail doch deutlich gezeigt. Dennoch ist es gewiss nicht falsch, wenn man Rituale eher als Phänomene langer Dauer denn als solche schnellen Wandels einschätzt. Dies liegt aber nicht zuletzt daran, dass sich fundamentale Brüche im Bereich von Herrschaft während der Zeit des Mittelalters auch nicht eben häuften. Da, wo solche Brüche zu verzeichnen sind, blieb das Echo der Rituale nicht aus. Und wo die Veränderungen besonders einschneidend oder besonders abrupt waren, wie etwa im Falle Heinrichs IV. und Canossas, entsprach dem das Echo durchaus.30 Dennoch ist mit dem Ende des Mittelalters die Epoche nicht beendet, in der rituellem Verhalten die hier skizzierte Bedeutung zukam. Wie im Bereich der mittelalterlichen Geschichte wächst auch für die Jahrhunder-
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te der frühen Neuzeit erst in jüngerer Zeit die Bereitschaft, die traditionellen verfassungsgeschichtlichen Fragen der Staatsbildung und der Machtausübung mit kulturalistischen Perspektiven anzureichern. Die ersten Ergebnisse dieser Bemühungen stimmen zuversichtlich, dass auch in dieser Zeit von ‚starren Ritualen‘ oder ‚leerem Zeremoniell‘ nicht die Rede sein kann.31
VI.3 Die Macht der Rituale Rechtfertigen wir abschließend den Titel dieses Buches, in dem von der Macht der Rituale die Rede ist. Ritualen wohnte Macht inne, denn sie forderten von den Menschen ein bestimmtes Verhalten, wenn diese an Aktivitäten ihrer Gruppe oder ihres Verbandes teilnehmen wollten. Im Bereich der mittelalterlichen Herrschaftsordnungen wurde die öffentliche Kommunikation von ritualisierten Formen des Umgangs untereinander geprägt. Dieser Zwang zur Konformität des Verhaltens, der deshalb geradezu permanent gegeben war, war nur zu durchbrechen, wenn man sich dazu entschloss, fern zu bleiben oder zu stören. Beides aber zeitigte gravierende Konsequenzen, die niemand leichtfertig auf sich nahm. Man muss also nicht einmal die enthusiasmierende Wirkung, die viele rituelle Handlungen auf Grund ihrer Feierlichkeit oder Prachtentfaltung zweifellos hatten, beschwören, um einsichtig zu machen, dass sich niemand der Wirkung von Ritualen entziehen konnte: Sie zwangen die Teilnehmer zur Kommunikation mit den anderen und zu einer Reihe von ‚Aussagen‘, die ihr Verhältnis zu den anderen offen legten. Dies berechtigt, von der Macht der Rituale zu sprechen. Durch die Orientierung an rituellen Verhaltensmustern wurde menschliches Verhalten also kalkulierbarer und dies stabilisierte zunächst einmal die herrschende Ordnung.32 Rituale erleichterten die Verständigung, weil sie definierte Wege vorgaben, Erwartungen erfüllten und schneller Vertrauen schufen, als es individuelle Handlungsweisen vermocht hätten. Die Einschätzung, dass Rituale „kommunikative Trampelpfade“ bereitstellten, denen man sich anvertrauen konnte, trifft sicher etwas Richtiges.33 Nur darf man für die Zeiten des Mittelalters nicht annehmen, die Menschen hätten sich dieser Pfade ohne Überlegung bedient. Wir haben immer wieder Zeugnisse diskutiert, die zeigten, wie viel Wert man auf die Gestaltung der Rituale legte, damit in ihnen genau die Absicht zum Ausdruck gebracht wurde, die man verfolgte. Die geradezu spitzfindigen Einsprüche und Proteste gegen angebliche Abweichungen von den Normen, die wir namentlich seit dem 12. Jahrhundert beobachten können, zeugen von einem ausgeprägten Bewusstsein, dass selbst Details peinlich genau zu be-
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Zusammenfassung
achten seien. Man lieferte sich der Macht der Rituale also nicht einfach aus, sondern trug Sorge dafür, dass bei der Gestaltung der Rituale die eigenen Interessen zur Geltung kamen. Die angesprochenen Wesenszüge ritueller Kommunikation hatten nicht zuletzt zur Konsequenz, dass die Freiheit zu willkürlichem Handeln stark beschnitten war. Die diskutierten Fälle aus der Merowingerzeit vermittelten allerdings den Eindruck, dass dies hier noch nicht oder nicht in dem Maße der Fall gewesen war wie später. Zu häufig verhinderten in diesen Fällen ja Willkürakte des Herrschers den angestrebten Erfolg der rituellen Handlungen.34 Man kann hieraus die Folgerung ableiten, dass rituelle Kommunikationsakte in dieser frühen Zeit noch nicht die gleiche Bedeutung besaßen wie in späteren Jahrhunderten, als sie den zuvor gefundenen Konsens in Handlungen umsetzten. Diese wie eine Reihe anderer Beobachtungen sprechen für einen ‚Lernprozess‘, der dann auch zu einer zunehmenden Ritualisierung der öffentlichen Kommunikation führte. Gerade in Situationen, in denen Konflikte oder Dissense auf rituelle Weise beigelegt wurden, geschah dies aber auch später nicht ohne Risiko. Wer konnte trotz aller Vorplanung garantieren, dass der Ablauf des Rituals nicht gestört würde? Wer konnte provokatives Verhalten oder auch Hinterlist und Betrug ausschließen? Aber auch in allen Situationen, in denen die Rangordnung rituell zum Ausdruck kam, konnten konkurrierende Ansprüche zum Problem werden und das rituelle Geschehen nachhaltig stören. Die Macht der Rituale war also durchaus auch begrenzt, die Stabilisierungsleistungen, die sie bei der Aufrechterhaltung von Ordnung erbrachten, durchaus von Risiken begleitet und vom Scheitern bedroht. Rituale schufen natürlich keine heile Welt, sondern gaben den herrschenden Verhältnissen Ausdruck. Doch ist selbst dies nur die eine Seite der Medaille. Rituale waren im Mittelalter nämlich ganz zweifelsohne auch ein Instrument, mit dem die Herrscher und andere Herren Macht auszuüben in der Lage waren. Und dieses Instrument wurde weidlich genutzt. Neben der These von der Macht der Rituale hat auch diejenige von der Machtausübung durch Rituale ihre Existenzberechtigung. Erinnert sei noch einmal an die Rituale der Unterwerfung, in denen die Unterlegenen den Siegern durch ihr freiwilliges Mittun Genugtuung und Ehre gaben, sich dabei zum Objekt von Milde oder auch von Strafe machen ließen – und so das Prestige derjenigen erhöhten, denen die Unterwerfung galt. Erinnert sei auch an die verschiedenen rituellen Verhaltensmuster, durch die die Rangordnung zur Anschauung gebracht wurde. Die Teilnahme an solchem Tun fixierte den Platz in dieser Rangordnung und zwang jeden Einzelnen, sein Einverständnis mit diesem Platz zum Ausdruck zu bringen. Dies taten auch andere symbolische Handlungen, mit denen Rechte wie Pflichten akzeptiert wurden. In all diesen Hinsichten erfüllten Rituale herrschaftsstabilisieren-
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de Funktionen, indem sie – nicht zuletzt durch ständige Wiederholung der gleichen oder ähnlicher Handlungen auf den vielen Hoftagen – für einen beständigen Überblick über die Lage im Herrschaftsverband sorgten. Sie zwangen alle Teilnehmer der Zusammentreffen, ihr Verhältnis zum Herrn und zu den Anderen offen zu legen – dies geschah vor allem durch rituelle Handlungen. Hieraus erklärt sich die Schwierigkeit, die es Königen in manchen Situationen bereitete, Große überhaupt an ihren Hof zu bekommen: Bei Dissens wahrte man Distanz, um nicht durch die Notwendigkeit der Teilnahme an den rituellen Handlungen zum Einlenken genötigt zu werden.35 Insofern boten rituelle Handlungen den Mächtigen zumindest die Chance eines Überblicks über alle Entwicklungen, die ihre Macht beeinflussen oder gefährden konnten. Sie zwangen Unzufriedene oder Gegner, sich in erkennbaren Formen zu verweigern, und nützten dadurch den Machthabern. Aber dennoch wäre die Funktion von Ritualen auch einseitig beschrieben, wenn sie vorrangig als Instrumente der Machtausübung dargestellt würden. Dies hängt ganz ursächlich mit ihrer ‚Gemachtheit‘ zusammen, von der schon die Rede war. Die Gestaltung von Ritualen unterstand ja nicht der Willkür Einzelner, und seien sie auch noch so mächtig. Sie entsprang vielmehr einem Prozess des Aushandelns, an dem idealiter alle involvierten Parteien beteiligt waren. Dieser Prozess konnte sich im Einzelfall auf die Bereitschaft oder Verständigung reduzieren, eine bestimmte Standardversion eines Rituals durchzuführen oder bestimmte symbolische Handlungen vorzunehmen. Es konnten in komplizierteren Situationen aber auch in Verhandlungen Lösungen gefunden und Akzente gesetzt werden, die Macht und Willkür einschränkten oder begrenzten. Dies war etwa der Fall, wenn ein Herrscher bei Amtsantritt, Einritt oder anderen Gelegenheiten seine Pflichten durch rituelle Handlungen akzeptierte; wenn Beteiligung an der Herrschaft in rituellen Formen inszeniert wurde; oder wenn der Verzicht auf zustehende Leistungen oder die Befreiung von Lasten in rituellen Formen zum Ausdruck kam. Die Erinnerung daran, dass rituelle Handlungen verhandelbar waren, schärft noch einmal den Blick auf das, was Rituale leisten konnten und was nicht. Sie konnten ihre systemstabilisierende Funktion nur dann erfüllen, wenn Konsens über das bestand oder erzielt wurde, was zum Ausdruck kommen sollte. Ließ sich der Dissens nicht in Verhandlungen aufheben oder überbrücken, boten auch die Rituale keine Hilfe mehr zur Stabilisierung von Ordnung; sie scheiterten dann oder fanden erst gar nicht statt. Die Fähigkeit der mittelalterlichen Herrschaftsordnungen zu einer ausgereiften Kultur rituellen Verhaltens wurzelt so in einer gleichfalls ausgeprägten Fähigkeit, in Verhandlungen Lösungen zu finden. Die Bereit-
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Zusammenfassung
schaft, bei der Machtausübung den Konsens aller zu suchen, wird als politische Absichtserklärung in der Karolingerzeit fassbar.36 Sie hat in den folgenden Jahrhunderten Herrschaftsformen hervorgebracht, die als konsensual in jüngster Zeit gewiss richtig beschrieben wurden.37 Die Beratung des Herrn mit seinen Getreuen vor jeder Aktivität eines Herrschaftsverbandes war in diesen Zeiten Grundlage des politischen Systems, wofür es Formen gab, die man schon als ritualisierte kennzeichnen kann.38 In solchen Beratungen, in denen man Vertraulichkeit zu wahren wusste, wurde die Basis gelegt für das, was dann, in öffentlichen Aufführungen gezeigt, den Charakter einer verbindlichen Aussage erhielt. Vielleicht ist es also gar kein Zufall, dass wir eine deutliche Ritualisierung der öffentlichen Kommunikation festgestellt haben, seitdem die Königsherrschaft sich um den Konsens der Getreuen bemühen musste. Es konnte aber durchaus geschehen, dass die Rituale eine Botschaft übermittelten, die nur einen Teilaspekt berührte oder sogar in die Irre führte: so etwa, als der Kölner Erzbischof zwar die demütige Unterwerfung der Bürger auf dem Judenbüchel, der Hinrichtungsstätte der Stadt, entgegennahm. In dieser rituellen Szene wirkte er wie der gestrenge Herr über zerknirschte ‚Untertanen‘. Die Bereitschaft hierzu hatte er durch Zugeständnisse ‚erkauft‘, die den Bürgern wohl wichtiger waren als die rituellen Demütigungen.39 Auch Friedrich Barbarossa erhielt 1177 im Frieden von Venedig einige materielle und politische Zugeständnisse von Papst Alexander III., die in einem schriftlichen Vertrag niedergelegt waren. Diesen ‚Erfolgen‘ standen aber die Genugtuungsleistungen gegenüber, die der Kaiser dem Papst öffentlich zu geben hatte. Es wäre interessant zu wissen, wie man den Wert solch unterschiedlicher Leistungen verrechnete. Was an einzelnen Beispielen nachgewiesen werden konnte und hier noch einmal in Erinnerung gerufen wurde, dürfte ein Strukturmerkmal auch anderer ritueller Aufführungen sein: Zugeständnisse auf dem Sektor der Rituale konnten mit Vorteilen auf anderen Gebieten kompensiert werden. Jedenfalls ist bei allen Ritualen zu fragen, ob sie nicht Teil eines weitergehenden Geflechts von Absprachen und Entscheidungen waren, das bei einem Gesamturteil berücksichtigt werden muss. Zum Verständnis und zur Beurteilung ritueller Praxis in den Herrschaftsordnungen ist also unabdingbar zu bedenken, dass der Durchführung vieler Rituale eine Phase der Verständigung und Verhandlung vorausging, in der man sich auf Aussagen einigte, die von allen Teilnehmern an den folgenden Handlungen akzeptiert wurden. Verbindlich wurden diese Aussagen aber erst durch das öffentliche Tun. Die Verbindlichkeit resultierte nicht zuletzt aus der Tatsache, dass über dieses Tun Konsens hergestellt worden war. Mit dem Tun besiegelte man also den Konsens.
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Nun war solcher Konsens angesichts der durchaus agonalen Verhältnisse in den Herrschaftsordnungen häufig genug nur eine Fiktion; er konnte mehr oder weniger erzwungen sein, bestehende Gegensätze mehr oder weniger gut überbrücken. Solch labile Situationen mochten sich mit dem Konformitätszwang, der rituellem Verhalten innewohnte, eine Zeit lang beherrschen lassen, auf Dauer gelang dies aber nicht. Aus dieser Perspektive erklärt sich das Scheitern von Ritualen, wenn sie bewusst zum Scheitern gebracht wurden. So erklären sich aber auch die Veränderungen, die wir bei rituellem Tun beobachten konnten. Sie zeugen von dem Anpassungsdruck, der entstand, wenn die rituellen Handlungen die Verhältnisse oder die Selbstsicht einzelner Teilnehmer nicht mehr adäquat zum Ausdruck brachten. Weil die Rituale Spiegel der gesellschaftlichen Verhältnisse waren, geben sie Zeugnis von den geschichtlichen Veränderungen, denen diese Verhältnisse unterworfen waren. Diese änderten sich im Mittelalter jedoch nicht so rapide oder umstürzend, dass die rituelle Kommunikationsweise sich hätte grundsätzlich ändern müssen oder gar hätte verschwinden können.
Anmerkungen I. Einleitung 1 Haller, Das Papsttum, Bd. 3, S. 239; zur modernen Forschung und Einschätzung des Geschehens in Venedig s. unten Kap. IV.1. 2 Vgl. dazu jetzt Stollberg-Rilinger, Knien vor Gott – Knien vor dem Kaiser; zu dem Problem allg. bereits Muir, Ritual in early modern Europe, bes. S. 155 ff.; zur Geschichte der Ritualforschung s. jetzt auch Buc, The dangers of ritual, S. 160 ff. 3 Vgl. dazu die Beiträge verschiedener Disziplinen zur Spezifik von Medienumbrüchen in Vormoderne und Moderne in Wenzel/Seipel/Wunberg (Hrsg.), Audiovisualität vor und nach Gutenberg. 4 Vgl. dazu die schier unübersehbare Flut an einschlägigen Büchern in den letzten Jahren, wie sie dokumentiert sind bei Rappaport, Ritual and religion in the making of humanity; Belliger/Krieger (Hrsg.), Ritualtheorien; Gebauer/Wulf, Spiel – Ritual – Geste; Wulf (Hrsg.), Das Soziale als Ritual. 5 Mit diesen Fragen beschäftigt sich auch der Münsteraner SFB 496. Vgl. dazu Althoff/Siep, Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur französischen Revolution. 6 Vgl. dazu ausführlich Popitz, Phänomene der Macht, bes. S. 22–31; allg. s. auch Faber, Art. Macht, Gewalt, in: Geschichtliche Grundbegriffe Bd. 3, S. 817–935. 7 Vgl. dazu zuletzt Schneidmüller, Konsensuale Herrschaft, bes. S. 64 ff.; Schlick, König, Fürsten und Reich, bes. S. 179ff., jeweils mit weiteren Hinweisen. 8 Vgl. dazu zuletzt Goetz, Moderne Mediävistik, bes. S. 212 ff. 9 Vgl. zu den ausufernden Versuchen, den Begriff exakt zu definieren, etwa die Einführung zu Belliger/Krieger, Ritualtheorien, S. 7–33; Rappaport, Ritual and religion in the making of humanity, S. 50ff. 10 Vgl. dazu etwa Eliade, Ritual and myth; Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, bes. S. 85ff. 11 Ich verdanke die Kenntnis dieses Rituals einem Diskussionsbeitrag Jan Assmanns; allg. s. ders., Text und Ritus, bes. S. 101 f. 12 Vgl. Gebauer/Wulf, Spiel – Ritual – Geste, S. 129; Braungart, Ritual und Literatur, S. 86. 13 Vgl. Soeffner, Auslegung des Alltags – der Alltag der Auslegung, S. 177 f. 14 Vgl. Luhmann, Soziale Systeme, S. 613. Die Wirkmächtigkeit solcher Vorstellungen auf neuere historische Forschungen zeigt sich etwa in Duchhardt/Melville (Hrsg.), Im Spannungsfeld von Recht und Ritual, vgl. Vorwort der Herausgeber, S. V, das programmatische Ausführungen zur Thematik bietet: „Rituale – so war zumindest vorderhand zu unterstellen – garantieren geregelte Kommunikationsabläufe, weil sie diese einer Reflexion über Zulässigkeit entziehen und sich deshalb als alternativlos verstehen lassen. Ihre normative Kraft liegt in der Behauptung von Kontingenzbewältigung und inflexibler Geltung, die deshalb ohne Rekurs auf einen schöpferischen Willen auszukommen scheint, weil ihre Fundierung im unmittelbaren Verweis auf eine transzendente und letztlich kosmologische, eben nicht
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Anmerkungen zu S.13–21
kontingente Ordnung geglaubt wird – Rechtssatzungen hingegen regeln Kommunikation durch bewusste Akte gewillkürter Normierungen sozialen Verhaltens.“ 15 Vgl. dazu allg. Meyer, Die Inszenierung des Scheins; ders./Kampmann, Politik als Theater. 16 Vgl. Brandt, Erinnerungen, S. 211–224. 17 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11. Nov. 1998, Nr. 262/46 D, S. 2. 18 Vgl. hierzu Althoff, Das Mittelalterbild der Deutschen vor und nach 1945, S. 732 ff. Grundsätzliche Überlegungen bieten Blockmans, Geschichte der Macht in Europa, bes. S. 105ff.; Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, bes. S. 52 ff.; 141 ff. 19 Vgl. Schneidmüller, Konsensuale Herrschaft, S. 66 ff.; zur politischen Theorie idealer Herrschaft vgl. Mertens, Geschichte der politischen Ideen im Mittelalter, S. 148ff. 20 Vgl. hierzu ausführlich Althoff, Das Mittelalterbild der Deutschen vor und nach 1945, bes. S. 731–739. 21 Vgl. dazu Althoff, Colloquium familiare – colloquium secretum – colloquium publicum, bes. S. 166ff. 22 Vgl. Weinfurter, Die Entmachtung Heinrichs des Löwen, bes. S. 183 f. 23 S. hierzu jetzt allg. Moraw (Hrsg.), Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag im späteren Mittelalter. 24 Zur älteren Form des Reisekönigtums noch immer wichtig Brühl, Fodrum, gistum, servitium regis; zur so genannten Residenzherrschaft s. zuletzt vor allem die von Werner Paravicini inaugurierten Forschungen; vgl. ders. (Hrsg.), Zeremoniell und Raum; und ders. (Hrsg.), Alltag bei Hofe. 25 Vgl. Keller/Worstbrock, Träger, Felder, Formen pragmatischer Schriftlichkeit im Mittelalter; Keller, Vom ‚heiligen Buch‘ zur ‚Buchführung‘; Schaefer (Hrsg.), Schriftlichkeit im frühen Mittelalter; McLuhan, The Gutenberg galaxy; Ong, Orality and literacy; Stock, The implications of literacy. 26 Vgl. Wenzel, Öffentlichkeit und Heimlichkeit in Gottfrieds Tristan, S. 335 ff.; vgl. Althoff, Colloquium familiare – colloquium secretum – colloquium publicum, S. 167ff. 27 (…) regalia misteria pandere super nos est (…), schreibt Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae, II, 25, S. 87 und bringt damit das Gleiche zum Ausdruck, was noch die politische Theorie der frühen Neuzeit beschäftigte; vgl. dazu Stolleis, Arcana imperii und Ratio status. 28 Vgl. hierzu Rieger, „E trait sos meillors omes ab un consel“, bes. S. 231 ff. 29 Vgl. Garnier, Zeichen und Schrift, die den Beginn dieser Entwicklung im 12. und 13. Jahrhundert skizziert. In späteren Zeiten ist die Planung ritueller und zeremonieller Vorgänge dann sehr gut bezeugt; vgl. etwa Möseneder, Zeremonie und monumentale Poesie, S. 193–196; jetzt auch Schenk, Zeremoniell und Politik, bes. S. 248ff. 30 Vgl. Keller, Ritual, Symbolik und Visualisierung in der Kultur des ottonischen Reiches, S. 55ff. 31 Vgl. dazu allg. McKitterick (Hrsg.), The Carolingians and the written word. 32 Vgl. zum Verständnis des ‚zeremoniellen Aktes‘ der Urkundenübergabe jetzt grundlegend Keller, Zu den Siegeln der Karolinger und Ottonen, bes. S. 24 ff. 33 Siehe dazu Garnier, Zeichen und Schrift, bes. S. 277–281.
Anmerkungen zu S. 21–24
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34 Vgl. dazu die reichen Literaturangaben bei Hans H. Anton, Ordo, Ordines III, in: LexMA, Bd. 6, München/Zürich 1993, Sp. 1439–1441. Im Einzelnen s. insb. Eichmann, Die Kaiserkrönung im Abendland; Elze (Hrsg.), Die Ordines für die Weihe und Krönung des Kaisers und der Kaiserin; zur Bischofsweihe s. reiche Literaturangaben in Schreiner, Das Buch im Nacken, S. 91ff.; zum Adventus des Herrschers in Rom s. Hack, Das Empfangszeremoniell bei mittelalterlichen Papst-Kaiser-Treffen, bes. S. 249ff. 35 Dennoch ist es kaum zu bezweifeln, dass es für die Durchführung Gewohnheiten gab, denen man folgte. 36 Angesichts vielfältiger Forschungen verschiedener Disziplinen auf dem Felde mittelalterlicher Rituale genügt es, am Beispiel einiger neuer Bücher einen Einblick in die Intensität der Bemühungen zu geben. Für die mediävistische Literaturwissenschaft seien genannt Dörrich, Poetik des Rituals; demnächst Witthöft, Ritual und Text, jeweils mit einem Forschungsüberblick über literaturwissenschaftliche Themenfelder. Aus dem Bereich der mittelalterlichen Geschichte bieten Einblick in diese Thematik Schmitt, La raison des gestes dans l’occident médiéval; Nelson, Politics and ritual in early medieval Europe; Theuws/Nelson (Hrsg.), Rituals of power; Götz, Moderne Mediävistik, S. 212 ff.; Hack, Das Empfangszeremoniell bei mittelalterlichen Papst-Kaiser-Treffen; Görich, Die Ehre Friedrich Barbarossas; Buc, The dangers of ritual; van Eickels, Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt; Schenk, Zeremoniell und Politik; Althoff (Hrsg.), Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter; Schreiner/Signori (Hrsg.), Texte, Bilder, Rituale; Paravicini (Hrsg.), Zeremoniell und Raum; Blockmans/Janse (Hrsg.), Showing status; alle Arbeiten jeweils mit weiteren Hinweisen. 37 Vgl. dazu grundsätzlich van Gennep, Les rites de passage; die Vorstellungen wurden aufgenommen von Turner, Vom Ritual zum Theater, S. 34 ff.; s. dazu Braungart, Ritual und Literatur, S. 81f. 38 Nicht zufällig hat es an diesem Punkt Kritik an meinen früheren Arbeiten gegeben, durch die die Existenz solcher Spielregeln wie ihr Anspruch auf Verbindlichkeit in Zweifel gezogen wurden; vgl. dazu bereits Görich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 14 f. Bei aller Diskussionsbereitschaft in dieser schwierigen Frage scheint mir die Unterscheidung, die jüngst Patzolt, Zu den Spielregeln der Konfliktführung in Niederlotharingen zur Zeit der Ottonen und frühen Salier, bes. S. 97ff., gegen mich vorbrachte, ich hätte „regelmäßiges“ mit „regelgeleitetem“ Verhalten verwechselt, wenig hilfreich. Regelmäßiges Verhalten kommt selten zufällig, sondern eben dadurch zustande, dass Personen in unterschiedlichen Situationen nach den gleichen Normen und Regeln handelten. 39 Vgl. von Moos, Geschichte als Topik, S. 85. 40 Insbes. Koziol, Begging pardon and favor, S. 307 ff., und Buc, The dangers of ritual, S. 260 f., haben in der Nachfolge von Turner, The forest of symbols, S. 50 ff. und Kertzer, Ritual, Politics and Power, bes. S. 69 ff. die Mehrdeutigkeit ritueller Aussagen betont; dagegen habe ich in mehreren Arbeiten darauf hingewiesen, dass aus dem Kontext der Sinn einer rituellen Aussage in aller Regel erkennbar ist und sein muss, wenn das Ritual seine Funktion erfüllen soll. Damit soll nicht ausgeschlossen werden, dass um die Interpretation ritueller Aussagen auch gerungen werden konnte und unterschiedliche Einschätzungen in Umlauf gebracht wurden, s. dazu etwa unten Kap. IV, bei Anm. 17.
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Anmerkungen zu S. 24–32
41 Dazu Althoff, Inszenierung verpflichtet, S. 78 f. S. auch unten Kap. IV, bei Anm. 24. 42 Siehe dazu ausführlicher Kap. III.2.2. 43 Vgl. zu dieser meines Erachtens auch für die Erforschung von Ritualen interessanten Perspektive die von Friedrich Ohly methodisch und thematisch grundgelegte Bedeutungsforschung, s. vor allem Ohly, Schriften zur mittelalterlichen Bedeutungsforschung; ders., Ausgewählte Schriften zur Literaturgeschichte und zur Bedeutungsforschung. 44 Vgl. zuletzt den Überblick von Staats, Theologie der Reichskrone, S. 19–95. 45 Einige solcher Beispiele habe ich diskutiert in Althoff, Die Veränderbarkeit von Ritualen im Mittelalter, S. 162ff. 46 Vgl. Möseneder, Zeremonie und monumentale Poesie, S. 193–196. 47 Vgl. Arnold von Lübeck, Chronica Slavorum, I, 10, S. 25 f. Die gleiche Art der Begrüßung zeigt auch die Bilderchronik des Erzbischofs Balduin von Trier zwischen dem Erzbischof und seinem Bruder König Heinrich VII., vgl. dazu Schmid, Kaiser Heinrichs Romfahrt, S. 141. 48 Die vielfach gestellte Frage, wie man denn sicherstellen könne, dass das geschilderte Ritual tatsächlich so durchgeführt worden sei, wie beschrieben, lässt sich so gut wie nie beantworten. Dennoch sind solche Beschreibungen nicht wertlos, da sie zumindest den Vorstellungen der Zeitgenossen von einem solchen Ablauf nicht grob widersprechen durften, wenn sie akzeptiert werden wollten. Beschreibungen mussten sich also zunächst an dem orientieren, was auf diesem Felde üblich oder denkbar war. Wenn dann Autoren unabhängig voneinander von verschiedenen Fällen Gleiches oder Ähnliches berichten, dürfte es erlaubt sein, aus solchen Berichten die Spielregeln rituellen Verhaltens und ihren Sinn zu rekonstruieren; vgl. auch oben Anm. 38. 49 Vgl. zuletzt Schenk, Zeremoniell und Politik; Hack, Das Empfangszeremoniell bei mittelalterlichen Papst-Kaiser-Treffen; aus der älteren Literatur insbes. Eichmann, Die Kaiserkrönung im Abendland; Voss, Herrschertreffen im frühen und hohen Mittelalter; Kolb, Herrscherbegegnungen im Mittelalter; Schramm, Geschichte des englischen Königtums im Lichte der Krönung. 50 Siehe dazu zuletzt Meier, Die Archäologie des mittelalterlichen Königsgrabes im christlichen Europa; Michalski, Memoria und Repräsentation; Meyer, Königsund Kaiserbegräbnisse im Spätmittelalter; jeweils mit weiteren Hinweisen. 51 Vgl. hierzu zuletzt Reuter, ‚Velle sibi fieri in forma hac‘?, S. 202 ff.; Keller, Ritual, Symbolik und Visualisierung in der Kultur des ottonischen Reiches, S. 24 f. mit der Formulierung von Leitfragen.
II. Die Ritualisierung der Herrschaftsausübung im Frühmittelalter 1 Zu Beispielen friedenstiftender Mähler und Geschenke vgl. etwa Gregor von Tours, Libri historiarum X, VII, 33; V, 17; VIII, 1; s. hierzu Weidemann, Kulturgeschichte der Merowingerzeit, Bd. 2, S. 369 ff., die den friedenstiftenden Charakter jedoch nicht eigens thematisiert; sowie Buc, The dangers of ritual, S. 113 ff.
Anmerkungen zu S. 32–43
209
2 Zur Bedeutung der Insignien königlicher Herrschaft in dieser Zeit s. Weidemann, Kulturgeschichte der Merowingerzeit, Bd. 2, S. 20 f.; zu symbolischen Handlungen wie Thronsetzung und Schilderhebung s. ebd., S. 12 und S. 20. 3 Vgl. hierzu Hauck, Von einer spätantiken Randkultur zum karolingischen Europa, bes. S. 31 f.; Schneider, Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter, S. 69–72; McCormick, Clovis at Tours, S. 156–159. 4 Vgl. Gregor von Tours, Libri historiarum X, II, 38, S. 8 f. 5 Diese Einschätzung scheint trotz des Berichts über einige Adventus merowingischer Amtsträger sowie König Gunthrams gerechtfertigt, vgl. Gregor von Tours, Libri historiarum X, V, 4; VI, 11; VIII, 1; und dazu Buc, The dangers of ritual, S. 113ff. 6 Vgl. dazu insb. Schneider, Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter, S. 69f., S. 73f.; McCormick, Clovis at Tours, S. 155 ff. 7 Behandelt in den Fallbeispielen bei Hauck, Von einer spätantiken Randkultur zum karolingischen Europa, S. 34–43, und bei Schneider, Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter, S. 73–83. 8 Vgl. Gregor von Tours, Libri historiarum X, V, 17, S. 216; vgl. hierzu Weidemann, Kulturgeschichte der Merowingerzeit, Bd. 2, S. 20. 9 Schneider, Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter, S. 64 ff.; Weidemann, Kulturgeschichte der Merowingerzeit, Bd. 2, S. 12; zu den spätantiken Vorbildern s. Treitinger, Die oströmische Kaiser- und Reichsidee nach ihrer Gestaltung im höfischen Zeremoniell, S. 17ff. 10 S. die Narratio de electione Lotharii, bes. S. 510 ff. 11 Vgl. Buc, The dangers of ritual, S. 93ff. 12 Vgl. Gregor von Tours, Libri historiarum X, V, 18, S. 222; zu dem Fall s. Kamp, Friedensstifter und Vermittler im Mittelalter, S. 70 f. 13 Vgl. Gregor von Tours, Libri historiarum X, V, 18, S. 222; zum Verständnis der Stelle vgl. auch Heinzelmann, Gregor von Tours, S. 44 und S. 126; Weidemann, Kulturgeschichte der Merowingerzeit, Bd. 2, S. 122 f. 14 Vgl. Gregor von Tours, Libri historiarum X, VI, 32, S. 302f.; zu Leudast s. Weidemann, Kulturgeschichte der Merowingerzeit, S. 78 f.; Scheibelreiter, Die barbarische Gesellschaft, S. 131 f., 279 f.; Kamp, Friedensstifter und Vermittler im Mittelalter, S. 72f. 15 Vgl. Einhard, Vita Karoli Magni, 1, S. 3; zur Bedeutung des langen Haupthaares für die Merowinger s. Weidemann, Kulturgeschichte der Merowingerzeit, Bd. 2, S. 21f. Zur Entstehungszeit der Einhards-Vita s. jetzt Tischler, Einhards Vita Karoli, Bd. 1, S. 78ff. 16 Vgl. dazu Weidemann, Kulturgeschichte der Merowingerzeit, Bd. 2, S. 20 f., S. 334f. (Geschenke sind dort unter ‚sonstige Ausgaben‘ subsumiert), S. 302 f. 17 Vgl. hierzu zuletzt Hägermann, Karl der Große, bes. S. 650 ff.; zum so genannten ‚Zerfall‘ des Karolingerreiches und zu seiner Wahrnehmung durch die Zeitgenossen s. jetzt Scharff, Die Kämpfe der Herrscher und der Heiligen, passim bes. S. 87 ff.; McKitterick, The illusion of royal power in the Carolingian Annals, bes. S. 1ff. 18 Vgl. Notker von St. Gallen, Gesta Karoli Magni Imperatoris, II, 6, S. 55. 19 Vgl. Notker von St. Gallen, Gesta Karoli Magni Imperatoris, II, 6, S. 55 ff.;
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Anmerkungen zu S. 43–54
s. hierzu Reischmann, Die Trivialisierung des Karlsbildes, S. 78, dessen Wertungen jedoch nur eingeschränkt zugestimmt werden kann. 20 Vgl. Hack, Das Empfangszeremoniell, S. 385 ff. 21 Vgl. Chronicarum quae dicuntur Fredegarii Continuationes, cap. 36, S. 300–303; vgl. dazu Fritze, Papst und Frankenkönig, S. 66 f.; Angenendt, Das geistliche Bündnis der Päpste mit den Karolingern, S. 32 ff.; Engelbert, Papstreisen ins Frankenreich, S. 83ff. 22 Vgl. Annales Mettenses priores, a. 753, S. 44 f.; zu dieser Quelle s. Hasselbach, Aufstieg und Herrschaft der Karolinger. 23 Vgl. Fritze, Papst und Frankenkönig, S. 63 ff.; Angenendt, Das geistliche Bündnis der Päpste mit den Karolingern, S. 32–40. 24 Vgl. Vita Stephani, Liber Pontificalis I, S. 443 und 444. 25 Vgl. Einhard, Vita Karoli Magni, cap. 6, S. 8. 26 Vgl. Vita Stephani, Liber Pontificalis I, S. 447 f. 27 Vgl. Hack, Das Empfangszeremoniell, S. 436 ff. 28 Vgl. Eichmann, Die Kaiserkrönung im Abendland, Bd. 2, S. 282 ff.; zur Prostration byzantinischer Kaiser vor Päpsten im Frühmittelalter vgl. Hack, Das Empfangszeremoniell, S. 399ff. 29 Vgl. Thegan, Gesta Hludowici imperatoris, cap. 16, S. 196–199; zu dieser Begegnung zuletzt Boshof, Ludwig der Fromme, S. 130 ff. 30 Vgl. De Karolo rege et Leone papa, vv. 455–459, S. 40–43. 31 Vgl. ebd., vv. 483–503, S. 42–45; s. zu diesem Paderborner Empfang zuletzt Hack, Das Zeremoniell des Papstempfangs 799 in Paderborn, S. 19 ff., mit allen weiteren Hinweisen; zum historischen Umfeld des Gedichts vgl. die Beiträge in Godman u.a. (Hrsg.), Am Vorabend der Kaiserkrönung. 32 Vgl. Vita Nicolai, Liber Pontificalis II, S. 152: Excellentissimus quem cum vidisset Augustus, obvius in adventum eius occurrit, frenumque Cesar equi pontificis suis manibus apprehendens, pedestri more, quantum sagittae iactus extenditur traxit. Zu dem Treffen s. Hack, Das Empfangszeremoniell, S. 466 ff. 33 Vgl. Constitutum Constantini, 16, S. 92: (…) et tenentes frenum equi ipsius pro reverentia beati Petri stratoris officium illi exhibuimus; s. dazu Hack, Das Empfangszeremoniell, S. 493. 34 Vgl. Vita Hadriani, Liber Pontificalis I, S. 496 f.; zu der Begegnung s. Hack, Das Empfangszeremoniell, S. 297 ff.; Engels, Zum Rombesuch Karls des Großen im Jahre 774, S. 15ff. 35 Vgl. Regesta Imperii I, Nr. 76a; vgl. dazu den Art. „Salbung“ von Hans H. Anton, in: LexMA, München/Zürich 1995, Bd. 7, Sp. 1288 ff., mit den Literaturhinweisen. 36 Vgl. Althoff, Verwandte, Freunde und Getreue, bes. S. 203–211. 37 Zu diesem viel behandelten Konflikt vgl. Becher, Eid und Herrschaft, S. 21 ff.; Wolfram, Salzburg, Bayern, Österreich, S. 337–378; zuletzt Airlie, Narratives of triumph and rituals of submission, bes. S. 106ff. 38 Vgl. Annales regni Francorum, a. 787, S. 78; s. dazu Becher, Eid und Herrschaft, S. 59ff. 39 Vgl. Annales Nazariani, a. 787, S. 43: Illucque veniens Dessilo dux Beiweriorum ad eum, et riddidit ei cum baculo ipsam patriam, in cuius capite similitudo hominis
Anmerkungen zu S. 54–67
211
erat, et effectus est vassus eius (…). Siehe dazu Becher, Eid und Herrschaft, S. 63; Airlie, Narratives of triumph and rituals of submission, bes. S. 110 f. 40 Vgl. dazu unten Kap. III,1 und IV,2. 41 Vgl. Annales regni Francorum, a. 788, S. 80; vgl. dazu Becher, Eid und Herrschaft, S. 64ff. 42 Vgl. Annales Nazariani, a. 788, S. 44. 43 Vgl. hierzu Fried, Zum Prozeß gegen Tassilo, S. 114 f.; Schieffer, Ein politischer Prozeß des 8. Jahrhunderts im Vexierspiegel der Quellen, S. 167 ff.; de Jong, What was public about Carolingian public penance?, S. 880 f.; zuletzt Airlie, Narratives of triumph and rituals of submission, S. 117f. 44 Vgl. Synodus Franconofurtensis, in: Capitularia regum Francorum, Bd. 1, Nr. 28, S. 74; s. auch Becher, Eid und Herrschaft, S. 72 f. 45 Vgl. Synodus Franconofurtensis, in: Capitularia regum Francorum, Bd. 1, Nr. 28, S. 74: Et idcirco domnus noster, misericordia motus, praefato Tasiloni gratuitu animo et culpas perpetratas indulsit et gratia pleniter concessit et in sua aelemosina eum in amore dilectionis visus est suscepisse, ut securus Dei misericordia existeret inantea. 46 Zu den beiden Kirchenbußen Ludwigs s. Schieffer, Von Mailand nach Canossa, S. 354 f.; Boshof, Ludwig der Fromme, bes. S. 148 ff. und S. 199 ff.; Becher, Cum lacrimis et gemitu, S. 35ff. 47 Vgl. Annales regni Francorum, a. 822, S. 158. 48 Vgl. Capitularia regum Francorum, Bd. 2, Nr. 197, S. 53; s. dazu de Jong, Power and humility in Carolingian society, S. 29ff. 49 Vgl. Capitularia regum Francorum, Bd. 2, Nr. 197, S. 55; zum Ablegen des cingulum militiae Ludwigs vgl. Le Jan, Frankish givings of arms and rituals of power, S. 299ff. 50 Vgl. Radberts Epitaphium Arsenii, S. 91: (…) ne forte parricidium provenerit (…); s. dazu Weinrich, Wala, S. 79ff. 51 Vgl. Nithard, Historiarum libri IIII, I, 4, S. 6; s. dazu Boshof, Ludwig der Fromme, S. 206ff. 52 Vgl. Thegan, Gesta Hludowici imperatoris, cap. 55, S. 250; s. dazu Althoff, Das Privileg der deditio, bes. S. 116 ff.; allg. zum Verhältnis Ludwigs zu seinen Söhnen Kasten, Königssöhne und Königsherrschaft, S. 199 ff. 53 Vgl. Thegan, Gesta Hludowici imperatoris, cap. 54, S. 248/250. 54 Drei hochrangige Unterhändler hatten ja Lothar Frieden versprochen, wenn er sich der Barmherzigkeit des Vaters anvertraue. 55 Vgl. Annales Bertiniani, a. 835, S. 10. 56 Vgl. Annales Bertiniani, a. 835, S. 10 f.; s. dazu Boshof, Ludwig der Fromme, S. 211ff. 57 Vgl. Nithard, Historiarum libri IIII, I, 7, S. 11. 58 Vgl. Nithard, Historiarum libri IIII, III, 5, S. 36. 59 Vgl. ebd., S. 35. 60 Vgl. ebd. 6, S. 37f. 61 Vgl. ebd., S. 38. 62 Vgl. zu diesen Treffen grundsätzlich Schneider, Brüdergemeine und Schwurfreundschaft.
212
Anmerkungen zu S. 68–74
III. Die Ausbreitung ritueller Verhaltensmuster im 10. und 11. Jahrhundert 1 Deshalb habe ich gerade dieses Ritual mehrfach nachgezeichnet, um die Vorstellung von der ‚Gemachtheit‘ der Rituale zu entwickeln. 2 Vgl. oben Kap. II, bei Anm. 47. 3 Siehe dazu zuletzt Hartmann, Ludwig der Deutsche, S. 71 ff. 4 Annales Xantenses, a. 873, S. 31f. 5 Zu anderen Zeugnissen, die über die gleichen Vorkommnisse berichten, s. Regesta Imperii I,1, Nr. 1490, S. 634; Hartmann, Ludwig der Deutsche, S. 71 f.; Kasten, Königssöhne und Königsherrschaft, S. 537. 6 Vgl. hierzu demnächst Krause, Konflikt und Ritual im Herrschaftsbereich der frühen Capetinger. S. aber schon Koziol, Begging pardon and favor, S. 185 f. 7 Vgl. Ekkehard IV., Casus Sancti Galli, cap. 12, S. 38; zu den Einzelheiten des Streits s. bereits Dümmler, Geschichte des ostfränkischen Reiches, S. 579, 590 ff. 8 Vgl. Ekkehard IV., Casus Sancti Galli, cap. 13, S. 38 f.; vgl. dazu Spieß, Rangdenken und Rangstreit im Mittelalter, S. 40, Anm. 7 mit einer anderen Deutung der Geschichte, als sie hier gegeben wird. 9 Vgl. dazu Althoff, Das Privileg der deditio, S. 122. 10 Ekkehard IV., Casus Sancti Galli, cap. 18, S. 48. 11 Vgl. Dümmler, Geschichte des ostfränkischen Reiches, Bd. 3, S. 611; Fuhrmann, Die Synode von Hohenaltheim (916) – quellenkritisch betrachtet, S. 465. 12 Vgl. Regino von Prüm, Chronicon, a. 906, S. 152; zur Geschichte der Fehde vgl. Goetz, Dux und ducatus, S. 18f., 345f.; zuletzt Becher, Rex, Dux und Gens, S. 173 ff. 13 Vgl. dazu Althoff, Verformungen durch mündliche Tradition, S. 438 ff. 14 Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae, I, 24, S. 36: Et missa legatione pro spontanea deditione spondet se per hoc sibi amicum affuturum, non hostem experturum; vgl. zum Kontext Althoff, Amicitiae und Pacta, S. 19 ff. 15 In Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae, I, 24, S. 36 f., wird geschildert, wie der listige Graf Thietmar seinen Herzog Heinrich vor den fränkischen Gesandten fragte, wo er sein Heer lagern solle. Er sprach von 30 Legionen, obgleich er nur mit 5 Mann gekommen war. Auf diese List fielen die Franken herein, beendeten den Feldzug und kehrten nach Hause zurück, wodurch Heinrich einer Antwort auf das Angebot der Unterwerfung enthoben war. 16 Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae, I, 27, S. 40: Videns autem Arnulfus, quia resistere regi non sufficeret, apertis portis egressus est ad regem, tradito semet ipso cum omni regno suo. Qui honorifice ab eo susceptus amicus regis appellatus est. Zu diesen Vorgängen s. jetzt Deutinger, ‚Königswahl‘ und Herzogserhebung Arnulfs von Bayern, bes. S. 61f. 17 Adalbold von Utrecht, Vita Heinrici II. imperatoris, cap. 13, S. 687; Thietmar von Merseburg, Chronicon, V, 22, S. 247; s. auch Weinfurter, Heinrich II., S. 53 ff.; Körntgen, In primis Herimanni ducis assensu, S. 168 f. 18 S. Althoff, Königsherrschaft und Konfliktbewältigung im 10. und 11. Jahrhundert, S. 273f. 19 Vgl. Althoff, Otto III., S. 51f.
Anmerkungen zu S. 74–81
213
Thietmar von Merseburg, Chronicon, VII, 9, S. 408. Siehe dazu Zimmermann, Papstabsetzungen des Mittelalters, S. 87–90. 22 Liutprand von Cremona, Historia Ottonis, cap. 22, S. 135 f. 23 Vgl. Kamp, Friedensstifter und Vermittler im Mittelalter, S. 131 ff. 24 Uhlirz/Uhlirz, Jahrbücher Ottos III., S. 204; s. dazu die Angaben der Annales Hildesheimenses, a. 996, S. 27. 25 Vgl. Thietmar von Merseburg, Chronicon, IV, 42, S. 180. 26 Thangmar, Vita Bernwardi episcopi Hildesheimensis, cap. 23, S. 769. 27 Vgl. dazu Althoff, Königsherrschaft und Konfliktbewältigung im 10. und 11. Jahrhundert; Görich, Eine Wende im Osten; Reuter, Unruhestiftung, Fehde, Rebellion, Widerstand. 28 Vgl. Thietmar von Merseburg, Chronicon, VI, 2, S. 276/277 und VI, 13, S. 290/291; dazu neben den Angaben in Althoff, Königsherrschaft und Konfliktbewältigung im 10. und 11. Jahrhundert, S. 30 f.; Warner, Thietmar of Merseburg on rituals of kingship, S. 57. 29 Thietmar von Merseburg, Chronicon, VI, 54, S. 342. 30 Vgl. hierzu bereits Weinfurter, Otto III. und Heinrich II. im Vergleich, S. 403 ff. 31 Vgl. Wipo, Gesta Chuonradi II. imperatoris, cap. 11, S. 32 f.; Wolfram, Konrad II., S. 94ff. 32 Wipo, Gesta Chuonradi II. imperatoris, cap. 25, S. 43; s. dazu Wolfram, Konrad II., S. 100f. 33 Siehe dazu unten Kap. III.3.1. 34 Annales Altahenses maiores, a. 1044, S. 38; zu den Einzelheiten des Verlaufs s. Boshof, Lothringen, Frankreich und das Reich in der Regierungszeit Heinrichs III., S. 69–72. 35 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1046, S. 60: Dux Gotefridus custodia absolutus, dum videret nec intercessionem principum nec deditionem, quam sponte subierat, sibi aliquid profuisse, et rei indignitate (…) bellum rursus de integro sumpsit. Siehe jedoch ebd., S. 41 und Herimann von Reichenau, Chronicon, a. 1046, S. 125 f.: Gotefrido duci e custodia relaxato, sibique procedenti terra tenus prostrato, ducatum suum misertus reddidit. 36 Vgl. zuletzt Suchan, Königsherrschaft im Streit. 37 Vgl. den eher beiläufigen Satz in den Annales Altahenses maiores, a. 1047, S. 44: Hic enim recidivam rebellionem paraverat, quia iam omnimodis desperatus erat gratiam imperatoris sibi ultra posse conciliari, idcirco quod hanc sibi denegatam viderat, ante limina sancti Petri relaxatis caeteris debitoribus, der sich auf Vorgänge während der Kaiserkrönung Heinrichs III. beziehen dürfte. Zu anderen diesbezüglichen Aktivitäten Heinrichs III. s. unten Kap. III.3.1. 38 Hierzu zuletzt Weinfurter, Ordnungskonfigurationen im Konflikt, bes. S. 97 ff. 39 Vgl. Körntgen, Königsherrschaft und Gottes Gnade, S. 146 ff. 40 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1046, S. 60. 41 Vgl. die Gesta episcoporum Virdunensium et abbatum S. Vitoni, cap. 2, S. 492; s. dazu Steindorff, Jahrbücher des deutschen Reiches unter Heinrich III., Bd. 2, S. 20ff. 42 Herimann von Reichenau, Chronicon, a. 1049, S. 128 f.; s. dazu Steindorff, Jahrbücher des deutschen Reiches unter Heinrich III., Bd. 2, S. 83, Anm. 4. 20 21
214
Anmerkungen zu S. 81–90
43 Annales Altahenses maiores, a. 1049, S. 45; Steindorff, Jahrbücher des deutschen Reiches unter Heinrich III., Bd. 2, S. 84, Anm. 1. 44 Vgl. Steindorff, Jahrbücher des deutschen Reiches unter Heinrich III., Bd. 2, S. 154. 45 Vgl. Goez, Beatrix von Canossa und Tuszien, S. 20–29. 46 Vgl. dazu Althoff/Witthöft, Macht und symbolische Dienste. 47 Vgl. dazu Althoff, Königsherrschaft und Konfliktbewältigung im 10. und 11.Jahrhundert, S. 45. 48 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1072, S. 137. 49 Vgl. ebd., a. 1075, S. 234f. 50 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1075, S. 236; vgl. dazu Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 281. 51 Dies lässt sich etwa zeigen am Fall des römischen Stadtpräfekten Crescentius, gegen den sich ein „Rachefeldzug“ Ottos III. richtete, als er einen Konflikt mit dem Kaiser nach gütlicher Beendigung wieder eröffnete, s. dazu Althoff, Otto III., S. 112 f.; auch Heinrich IV. verweigerte 1074 jede Verhandlung mit den Sachsen über ein gütliches Ende des Konflikts, als diese nach dem Frieden von Gerstungen den Konflikt durch die Zerstörung der Harzburg einschließlich des Kirchen- und Grabfrevels wieder eröffnet hatten. Insbesondere Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1074, S. 184 f., beschreibt detailliert, dass Heinrich IV. danach nur noch auf Rache sann und alle Verhandlungen verweigerte, weil sich die Sachsen durch ihre Handlung so deutlich ins Unrecht gesetzt hatten. 52 Dies praktizierte etwa Heinrich der Zänker 984, als ihm zwei sächsische Grafen unabgesprochen zu Füßen fielen und ihn so um seine Huld baten; s. dazu Thietmar von Merseburg, Chronicon, IV, 1, S. 130 f.; genauso verhielt sich auch Friedrich Barbarossa, als ihm im Rahmen seiner Krönung ein Dienstmann zu Füßen fiel; s. dazu unten Kap. IV.2. 53 Vgl. dazu Annales Bertiniani, a. 869, S. 192 ff.; dazu zuletzt Keller, Ritual, Symbolik und Visualisierung, S. 28f. 54 Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae, I, 26, S. 39; zu der viel behandelten Stelle vgl. zuletzt Fried, Die Königserhebung Heinrichs I., S. 267 ff.; Keller, Widukinds Bericht, S. 441ff. 55 Vgl. Pactum cum Karolo rege Franciae Occidentalis, in: Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, Bd. 1, Nr. 1, S. 1; s. dazu Althoff, Amicitiae und Pacta, S. 23ff. 56 S. hierzu eindringlich Keller, Widukinds Bericht, S. 410 ff. 57 Vgl. dazu Thietmar von Merseburg, Chronicon, V, 15–18, S. 236/237–243; s. dazu zuletzt Weinfurter, Heinrich II., S. 53, mit weiteren Hinweisen. 58 Vgl. dazu Wipo, Gesta Chuonradi II. imperatoris, cap. 5, S. 26; s. dazu zuletzt Körntgen, Königsherrschaft und Gottes Gnade, S. 144. 59 Vgl. Wipo, Gesta Chuonradi II. imperatoris, cap. 3, S. 23; s. dazu Körntgen, Königsherrschaft und Gottes Gnade, S. 142f. 60 Vgl. dazu Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae, I, 33, S. 46. 61 Thietmar von Merseburg, Chronicon, VI, 66, S. 356. 62 Ebd., V, 40ff., S. 266ff. 63 Zum Aufkommen der Investitursymbole im 10. Jahrhundert s. Keller, Die
Anmerkungen zu S. 90–97
215
Investitur, bes. S. 56 ff.; zur Bedeutung der Stabübergabe vgl. auch Althoff, Magdeburg – Halberstadt – Merseburg, S. 282ff. 64 Ebd. S. 282; den Quellenbeleg bieten die Gesta episcoporum Halberstadensium, a. 992, S. 87: (…) serenissimus rex Otto III, corona ceterisque regalibus indumentis sollempniter insignitus, qui summa devotione et humilitate baculum suum aureum obtulit ad altare beati Stephani, qui usque hodie in Halberstadensi ecclesia est servatus. 65 Vgl. dazu Elze, Rechts und links; Goetz, Der „rechte“ Sitz; Heimpel, Sitzordnung und Rangstreit auf dem Basler Konzil. 66 Gerhard, Vita sancti Oudalrici episcopi Augustani, cap. 21, S. 407. 67 Ebd., cap. 21, S. 407. 68 Thangmar, Vita Bernwardi episcopi Hildesheimensis, cap. 19, S. 767. 69 Vgl. ebd., cap. 27, S. 770. 70 Vgl. hierzu Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte, insbes. Bd. 3,2, S. 341 ff.; Ficker, Vom Reichsfürstenstande, Bd. 2,1, S. 264 ff.; speziell zum Schwertträgerdienst schon Zeumer, Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV., S. 239 ff. Es fehlt gleichfalls nicht an neueren systematischen Arbeiten, vgl. etwa Latzke, Hofamt, Erzamt und Erbamt im mittelalterlichen deutschen Reich; Schubert, König und Reich, S. 309 ff.; Schlinker, Fürstenamt und Rezeption, S. 49 ff.; Petersohn, Über monarchische Insignien und ihre Funktion im mittelalterlichen Reich, bes. S. 78 ff.; Erkens, Kurfürsten und Königswahl, bietet eine Zusammenfassung der Forschung zur Erzämtertheorie, S. 87ff. 71 Vgl. dazu Althoff/Witthöft, Macht und symbolische Dienste. 72 Vgl. allgemein Rösener, Hofämter an mittelalterlichen Fürstenhöfen, S. 503 f. 73 Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae, II, 2, S. 66 f., vgl. dazu Keller, Widukinds Bericht, bes. S. 418ff. 74 Vgl. dazu bereits Althoff, Amicitiae und Pacta, S. 91–96. 75 Thietmar von Merseburg, Chronicon, V, 27, S. 253: Ibi quoque dux Heremannus humiliter regi famulatur et ab eo caritative, ut talem decuit personam, habetur; s. dazu Körntgen, In primis Herimanni ducis assensu, bes. S. 168 f. Zuvor hatte Thietmar von Merseburg, Chronicon, V, 22, S. 247, von der Unterwerfung in Bruchsal berichtet. 76 Ebd., VI, 91, S. 382; s. dazu Görich, Eine Wende im Osten, S. 154 ff. 77 Der gleiche Befund findet sich bei Heinrich dem Zänker. Im 12. Jahrhundert hat man deditio und solche Dienste zu einer Sequenz zusammengeführt; vgl. unten, Kap. IV bei Anm. 47. 78 Berengar von Italien fungierte als Schildträger Kaiser Arnulfs; vgl. dazu Liutprand von Cremona, Antapodosis, I, 22, S. 20. 79 Vgl. Richer von Saint-Remi, Historiae, III, 85, S. 216 f.; dazu jetzt Schneidmüller, Wahrnehmungsmuster und Verhaltensformen in den fränkischen Nachfolgereichen, S. 284f. 80 Vgl. dazu zuletzt Becher, Rex, Dux und Gens, S. 276. 81 Vgl. Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae, II, 15, S. 79 f.; Becher, Rex, Dux und Gens, S. 63f. 82 Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae, III, 10, S. 109 f.; vgl. auch Krah, Absetzungsverfahren als Spiegelbild von Königsmacht, S. 278 f.
216
Anmerkungen zu S. 97–110
83 Vgl. dazu zuletzt Keller, Ottonische Herrschersiegel, bes. S. 13 f.; vgl. bereits Althoff, Adels- und Königsfamilien im Spiegel ihrer Memorialüberlieferung, S. 147, mit den einschlägigen Quellenzeugnissen. 84 Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae, III, 10, S. 110. 85 Ebd. 86 Vgl. Regino von Prüm, Chronicon cum continuatione Treverensi, a. 952, S. 165 f.: Tunc Fridericus archiepiscopus et Cuonradus dux amici facti sunt, nam antea inimici erant ad invicem. Der Regino-Fortsetzer benutzt hier ein interessantes Bibelzitat und charakterisiert so subtil auch das Bündnis zwischen Friedrich und Konrad; Luk. 23, 12: (…) et facti sunt amici Herodes et Pilatus in ipsa die nam antea inimici erant ad invicem. 87 Belege in Regesta Imperii II,1, Nr. 211a, S. 98 f. 88 Thietmar von Merseburg, Chronicon, II, 28, S. 74; s. dazu zuletzt Becher, Rex, Dux, Gens, S. 291f., 306f. 89 S. zuletzt Laudage, Otto der Große, S. 286ff. 90 Thietmar von Merseburg, Chronicon, II, 30, S. 76. 91 Vgl. Annales Altahenses maiores, a. 973, S. 11. 92 Thietmar von Merseburg, Chronicon, V, 4, S. 224. 93 Ebd. 94 Ekkehard IV., Casus Sancti Galli, cap. 74, S. 152. 95 Ebd., cap. 76, S. 160. 96 Vgl. Thangmar, Vita Bernwardi episcopi Hildesheimensis, cap. 13, S. 764; dazu Görich, Der Gandersheimer Streit zur Zeit Ottos III., S. 60 ff. 97 Thangmar, Vita Bernwardi episcopi Hildesheimensis, cap. 13, S. 764. 98 Vgl. Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1063, S. 82 f. 99 Vgl. die Commemoratio superbie Ravennatis episcopi, S. 249 ff. 100 Vgl. Borst, Mönche am Bodensee, S. 110; zum Privileg s. Papsturkunden, Bd. 2, Nr. 592, S. 1117f. 101 Vgl. Anton, Fürstenspiegel und Herrscherethos in der Karolingerzeit, bes. S. 357ff. 102 Vgl. Ruodlieb, V, 155, S. 232: Ut mos eius erat semper, rogitando iubebat. 103 Vgl. hierzu grundsätzlich schon Schreiner, ‚Nudis pedibus‘, bes. S. 99 ff. 104 Vgl. dazu Boshof, Ludwig der Fromme, S. 148 f. 105 Vgl. Schieffer, Von Mailand nach Canossa, bes. S. 339 f. 106 Vgl. zuletzt Körntgen, Königsherrschaft und Gottes Gnade, bes. S. 147 ff.; Weinfurter, Ordnungskonfigurationen im Konflikt, bes. S. 83 ff. 107 Vgl. hierzu Waldhoff, Der Kaiser in der Krise?, bes. S. 25 ff.; Schreiner, ‚Nudis pedibus‘, S. 106f. 108 Vgl. Vita Mathildis reginae antiquior, cap. 6, S. 124 f.; Vita Mathildis reginae posterior, cap. 13, S. 170f.; Gesta episcoporum Halberstadensium, S. 84 f. 109 Vgl. Vita Mathildis reginae posterior, cap. 22, S. 188–193, bes. S. 191. 110 Vgl. dazu Odilo von Cluny, Epitaphium domine Adelheide auguste, cap. 5, S. 33 f. Zu Adelheids herrschaftlichen Aktivitäten s. zuletzt Fößel, Die Königin im mittelalterlichen Reich, passim (Register S. 429); Eickhoff, Theophanu und der König, S. 49ff. 111 Vgl. Odilo von Cluny, Epitaphium domine Adelheide auguste, cap. 6, S. 34.
Anmerkungen zu S. 110–114
217
112 Vgl. den Fall Bischof Ulrichs von Augsburg in St. Gallen, oben Kap. III.2.3, bei Anm. 94 ff., und die Verhaltensweise der Bischöfe von Hildesheim und Mainz im Gandersheimer Streit, unten in diesem Kapitel bei Anm. 163. 113 Zu allen Einzelheiten s. Althoff, Magdeburg – Halberstadt – Merseburg, S. 274f. 114 Vgl. dazu schon Bornscheuer, Miseriae regum, bes. S. 14 f. und passim. Hinzuweisen ist auch auf das von Liutprand von Cremona, Antapodosis, IV, 24, S. 90 f., und Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae, II, 17, S. 69, in ähnlicher Weise erzählte öffentliche Gebet Ottos I. während der Schlacht von Birten (938). 115 Vgl. Le Pontifical Romano-Germanique du dixième siècle, Bd. 1, Nr. 72,6, S. 247 f.: Ibi autem ante chorum designatus princeps pallium et arma deponat atque inter manus episcoporum perductus in chorum usque ad altaris gradus incedat, cunctoque pavimento tapetibus et palliolis contecto, ibi humiliter totus in cruce prostratus iaceat, una cum episcopis et presbiteris hinc inde prostratis (…). 116 Vgl. Bornscheuer, Miseriae regum, S. 194ff., S. 200 ff. 117 Vgl. Vita S. Adalberti antiquior auctore Iohanne Canapaio, cap. 8, S. 584: Ibi tum novus ille pontifex vincla pedum solvens, nudo pede intrat urbem; Vita Heriberti archiepiscopi Coloniensis auctore Lantberto, cap. 6, S. 744: (…) ipse procul ab urbe nudis procedit pedibus in asperrima hieme, et illo igne accensus, quem Dominus misit in terris, prorsus carebat frigore. S. hierzu auch Schreiner, ‚Nudis pedibus‘, S. 96. 118 Vgl. Wibert, Vita Leonis IX., S. 150f. 119 Vita S. Nili abbatis, cap. 91, S. 617; vgl. auch die Darstellung bei Petrus Damiani, Vita beati Romualdi, cap. 25, S. 53. 120 Thietmar von Merseburg, Chronicon, IV, 45, S. 182/184. 121 Vgl. Eickhoff, Kaiser Otto III., S. 268 ff.; Althoff, Otto III., S. 136 ff.; zuletzt die Beiträge in Borgolte (Hrsg.), Polen und Deutschland vor 1000 Jahren. 122 Vgl. Vita Burchardi episcopi Wormatiensis, cap. 3, S. 833. 123 Vgl. Petrus Damiani, Vita beati Romualdi, cap. 25, S. 54. 124 Vgl. hierzu demnächst Stollberg-Rilinger, Knien vor Gott – Knien vor dem Kaiser, mit weiteren Hinweisen. 125 Auch außerhalb des Reichs lässt sich die zunehmende Verwendung von Büßergesten durch Herrscher in dieser Zeit feststellen; vgl. etwa zu Knut dem Großen Schreiner, ‚Nudis pedibus‘, S. 103. 126 Vgl. Bornscheuer, Miseriae regum, S. 76–89, S. 197 ff.; Körntgen, Königsherrschaft und Gottes Gnade, bes. S. 31ff. 127 Vgl. etwa Bornscheuer, Miseriae regum, S. 199; Körntgen, Königsherrschaft und Gottes Gnade, bes. S. 139ff., am Beispiel Wipos. 128 Vgl. Warner, Thietmar of Merseburg on rituals of kingship, S. 141 ff.; anders Schreiner, ‚Nudis pedibus‘, S. 104ff. 129 Vgl. die Gesta archiepiscoporum Magdeburgensium, a. 1004, S. 393. 130 Thietmar von Merseburg, Chronicon, VI, 3, S. 276. 131 Vgl. Warner, Henry II at Magdeburg, S. 151–154; diese Deutung wurde von Schreiner, ‚Nudis pedibus‘, S. 105, mit guten Gründen abgelehnt. 132 Thietmar von Merseburg, Chronicon, V, 31, S. 257. 133 Vgl. Thietmar von Merseburg, Chronicon, VI, 23–25, S. 302/304; kritisch ist auch
218
Anmerkungen zu S. 115–120
Brun von Querfurt in seinem Brief an Heinrich II., der nachdrücklich auf die negativen Folgen dieses Bündnisses hinweist – vgl. die Edition des Briefes in: Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit II, S. 702ff. S. zu diesen Fragen schon Wenskus, Studien zur historisch-politischen Gedankenwelt Bruns von Querfurt, S. 186ff. 134 Zur Mehrdeutigkeit solcher Akte s. auch unten Kap. VI., bei Anm. 6 f. 135 Vgl. zum Begriff des „vollsaftigen Laien“ Hampe, Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer, S. 7; Hoffmann, Mönchskönig und rex idiota, S. 143f. 136 Vgl. dazu grundsätzlich Weinfurter, Ordnungskonfigurationen im Konflikt, S. 79 ff.; Schreiner, ‚Nudis pedibus‘, S. 99 ff.; zum allg. Horizont der herrscherlichen Tugenden zur Zeit Heinrichs III. s. Schnith, Recht und Friede, S. 22 ff.; Keller, Das Bildnis Kaiser Heinrichs im Regensburger Evangeliar aus Montecassino, bes. S. 88ff. 137 Vgl. dazu oben Kap. III.3, bei Anm. 109. 138 Die Briefe des Abtes Bern von Reichenau, Nr. 24, S. 54. 139 Ebd. 140 Zu den Dankesfeiern ottonischer Herrscher nach den Siegen bei Riade (933) und auf dem Lechfeld (955) s. Althoff, Adels- und Königsfamilien im Spiegel ihrer Memorialüberlieferung, S. 226. 141 Annales Altahenses maiores, a. 1044, S. 37; vgl. auch Weinfurter, Ordnungskonfigurationen im Konflikt, S. 79f.; Schreiner, ‚Nudis pedibus‘, S. 103 f. 142 Annales Altahenses maiores, a. 1044, S. 37. 143 Vgl. ebd. 144 Vgl. Schreiner, ‚Nudis pedibus‘, S. 104. 145 Annales Altahenses maiores, a. 1047, S. 44. 146 Vgl. dazu Boshof, Lothringen, Frankreich und das Reich in der Regierungszeit Heinrichs III., S. 89f. 147 Vgl. Weinfurter, Ordnungskonfigurationen im Konflikt, bes. S. 89. 148 Vgl. dazu allg. Zimmermann, Der Canossagang von 1077; zur aktuellen Diskussion um die Interpretation der Ereignisse von Canossa Goez, Canossa als deditio?; Schreiner, ‚Nudis pedibus‘, S. 101f. 149 Vgl. dazu die behutsame Bewertung der vielschichtigen Probleme am Ende einer langen Beschäftigung mit dem Thema durch Tellenbach, Die westliche Kirche vom 10. bis zum frühen 12.Jahrhundert, S. 189 ff. 150 Vgl. Althoff, Inszenierung verpflichtet, S. 67; Schreiner, ‚Nudis pedibus‘, S. 108. 151 Annalista Saxo, a. 1105, S. 739. 152 Vgl. Schreiner, ‚Nudis pedibus‘, S. 108; allg. s. jetzt Treseler, Lothar III., bes. S. 318ff. 153 Vgl. dazu unten Kap. IV.1, bei Anm. 14. 154 Vgl. Schreiner, ‚Nudis pedibus‘, S. 109. 155 Am ausführlichsten zu diesem Ereignis äußert sich Caesarius von Heisterbach, Sermo de translatione beate Elyzabeth, cap. 4, S. 387; vgl. Beumann, Friedrich II. und die heilige Elisabeth, S. 152ff. 156 Vgl. unten Kap. IV.1, bei Anm. 5ff. 157 Vgl. dazu oben Kap. II.1, bei Anm. 63ff. 158 Vgl. dazu oben Kap. II.2.1, bei Anm. 73.
Anmerkungen zu S. 120–133
219
159 Vgl. ausführlicher zum Fußfall Lothars und der Großen vor Ludwig dem Frommen 834 oben Kapitel II.2.3, bei Anm. 103. 160 Thietmar von Merseburg, Chronicon, III, 13, S. 112. 161 Ekkehard IV., Casus Sancti Galli, cap. 128, S. 248. 162 Vgl. den detaillierten Bericht über die Auseinandersetzung in Arnold von St. Emmeram, Libri de S. Emmerammo, II, 31–33, S. 566 ff. 163 Thangmar, Vita Bernwardi episcopi Hildesheimensis, cap. 13, S. 764; s. dazu Görich, Der Gandersheimer Streit zur Zeit Ottos III., S. 59 ff. 164 Vgl. dazu Althoff, Zur Bedeutung symbolischer Kommunikation für das Verständnis des Mittelalters, S. 377, mit Anm. 36 und dem Beleg aus Wolfher, Vita Godehardi episcopi Hildenesheimensis, cap. 27, S. 187. 165 Wibert, Vita Leonis IX., cap. 7, S. 159. 166 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1073, S. 165. 167 Ebd., a. 1075, S. 235; s. zu diesen Verhandlungen zuletzt Kamp, Friedensstifter und Vermittler im Mittelalter, S. 175f. 168 Vgl. dazu oben Kap. III.3, bei Anm. 109ff. 169 Monumenta Bambergensia, S. 478: Si interfueris, ut propicium te sentio, procul dubio miserereris. Vgl. dazu Weinfurter, Heinrich II., S. 258 f.; zu Vorläufern dieser Geste in der Antike s. Alföldi, Die monarchische Repräsentation im römischen Kaiserreiche, S. 64f. 170 Thietmar von Merseburg, Chronicon, VI, 32, S. 312. 171 Weinfurter, Heinrich II., S. 258. 172 Die ältere Wormser Briefsammlung, Nr. 27, S. 50; vgl. dazu Wolfram, Konrad II., S. 102. 173 Die ältere Wormser Briefsammlung, Nr. 27, S. 51 174 Vgl. hierzu allg. Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 63 ff. 175 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1073, S. 157; Ähnliches bei Bruno, De bello Saxonico, cap. 30, S. 19. 176 Siehe dazu die Belege in diesem Kapitel, bei Anm. 168 f. 177 Bruno, De bello Saxonico, cap. 35, S. 22f. 178 Siehe dazu unten Kap. IV.1, bei Anm. 27. 179 Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1075, S. 217. 180 Zu dieser ungewöhnlichen Herrschervita vgl. Schluck, Die Vita Heinrici IV. imperatoris; bes. S. 9ff.; Schmid, Die Sorge der Salier um ihre memoria, bes. S. 706 ff. 181 Vita Heinrici IV. imperatoris, cap. 10, S. 34 f.; zur Absetzung Heinrichs IV. vgl. Huth, Reichsinsignien und Herrschaftsentzug, bes. S. 294 ff. 182 Die Briefe Heinrichs IV., Nr. 37, S. 48; Nr. 39, S. 54. 183 Vgl. Annalista Saxo, a. 1105, S. 739. S. auch oben, Kap. III.3.1, bei Anm. 141. 184 S. unten Kap. IV.1, bei Anm. 27. 185 Eine ähnliche Akzentsetzung schon bei Reuter, Unruhestiftung, Fehde, Rebellion, Widerstand, S. 322f.
220
Anmerkungen zu S. 136–140
IV. Herrschaftsrituale im 12. Jahrhundert 1 Vgl. die Belege für einschlägiges Verhalten der Könige nach 1077 bei Schreiner, ‚Nudis pedibus‘, S. 108ff. 2 Vgl. hierzu schon Althoff, Königsherrschaft und Konfliktbewältigung im 10. und 11. Jahrhundert, S. 49 f. Namentlich Lampert von Hersfeld, Annales, a. 1075, S. 230–239, legt größten Wert darauf, Heinrichs Unzuverlässigkeit bei der Einhaltung von Absprachen minutiös zu dokumentieren; s. dazu auch Suchan, Königsherrschaft im Streit, S. 42ff. 3 Vgl. beispielhaft Heinrichs IV. Vorgehen gegen Otto von Northeim, s. dazu oben Kap. III.2.3, bei Anm. 161f. 4 Vgl. dazu oben Kap. III.3.3, bei Anm. 176ff. 5 Vgl. dazu Zimmermann, Der Canossagang von 1077, bes. S. 139 ff. 6 Von der Beantwortung dieser Fragen hängt auch ab, ob man das Geschehen mehr von der Tradition der Kirchenbuße geprägt sieht oder von den Verfahren gütlicher Konfliktbeilegung mittels Unterwerfung. Vgl. dazu Goez, Canossa als deditio?, der sich mit den bei Reuter, Unruhestiftung, Fehde, Rebellion, Widerstand, S. 323 und Althoff, Demonstration und Inszenierung, S. 37 f. geäußerten Ansichten auseinander setzt und mit seinen Ausführungen zumindest bei mir vielfach offene Türen aufstößt, da ich nie der Meinung war, man könne die Vorgänge in Canossa eindeutig als Ritual der deditio verstehen. Genauso wenig war das, was dort geschah, aber einfach das Ritual einer Kirchenbuße. 7 Siehe dazu Althoff, Der frieden-, bündnis- und gemeinschaftsstiftende Charakter des Mahls, S. 13f. 8 Zu Konrad vgl. Goez, Der Thronfolger als Rivale, bes. S. 32. 9 Vgl. Urbani II. et Conradi regis conventus, in: Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, Bd. 1, Nr. 394, S. 564. 10 Vgl. Hack, Das Empfangszeremoniell, bes. S. 504 ff. 11 Vgl. Constitutum Constantini, S. 92. 12 Vgl. dazu allg. Deér, Papsttum und Normannen, bes. S. 51 ff. 13 Vgl. Romuald von Salerno, Chronicon, a. 1120, S. 211. 14 Vgl. den Bericht bei Suger von St. Denis, Vita Ludovici grossi regis, S. 260 f.; vgl. dazu zuletzt Althoff, Inszenierung verpflichtet, S. 71 ff. 15 Als solcher wurde er denn auch später von Papst Innozenz III. gelobt; vgl. Regestum Innocentii III. papae super negotio Romani imperii, Nr. 29, S. 90, Z. 22–28. 16 Otto von Freising und Rahewin, Gesta Frederici seu rectius cronica, III, 12, S. 416. 17 Vgl. dazu bes. Innocentii II. privilegium de terra Mathildis, in: Constitutiones et acta publica imperatorum et regum, Bd. 1, Nr. 117, S. 169 f. Vgl. auch Regesta Imperii IV,1, Nr. 345, S. 214ff. 18 Vgl. ebd. Nr. 615, S. 386f. 19 Vgl. dazu zuletzt Hack, Das Empfangszeremoniell, S. 516 ff.; Althoff, Inszenierung verpflichtet, S. 76ff. 20 Vgl. Otto von Freising und Rahewin, Gesta Frederici seu rectius cronica, S. 86. Belege und Literatur sind verfügbar über Regesta Imperii IV,2,2, Nrn. 313–315, S. 93.
Anmerkungen zu S. 140–146
221
Vgl. Boso, Vita Hadriani, S. 391. Boso, Vita Alexandri, S. 440: (…) pro facto habuit quod affectuose voluit exhibere. Zu diesen Geschehnissen in Venedig vgl. Althoff, Friedrich Barbarossa als Schauspieler?, bes. S. 11; Laudage, Gewinner und Verlierer des Friedens von Venedig, bes. S. 118; Scholz, Symbolik und Zeremoniell, bes. S. 142 ff.; Weinfurter, Papsttum, Reich und kaiserliche Autorität, bes. S. 88 ff. 23 Vgl. Helmold von Bosau, Chronica Slavorum, I, 81, S. 152 ff. 24 Vgl. Classen, Gerhoch von Reichersberg, bes. S. 193 f.; Scholz, Symbolik und Zeremoniell, S. 137ff. 25 Holtzmann, Der Kaiser als Marschall des Papstes, S. 25 ff.; vgl. dazu auch die Einwände von Eichmann, Das Officium Stratoris et Strepae, bes. S. 22; sowie neuerdings Hack, Das Empfangszeremoniell, bes. S. 504 ff. 26 Vgl. dazu Althoff, Inszenierung verpflichtet, S. 68 ff.; allgemein Schreiner, ‚Er küsse mich mit dem Kuß seines Mundes‘, bes. S. 119 ff. 27 Vgl. Die Kanonessammlung des Kardinals Deusdedit, III, 190–193, S. 494 ff.; s. dazu Fuhrmann, Einfluß und Verbreitung der pseudoisidorischen Fälschungen, Bd. 2, S. 522ff. 28 Das Register Gregors VII., Bd. 2, 55a, S. 204: VIIII. Quos solius papê pedes omnes principes deosculentur; s. dazu zuletzt Scholz, Symbolik und Zeremoniell, S. 141f. 29 Wilhelm von Apulien, Gesta Roberti Wiscardi, IV, 18 ff., S. 204: Quia dux obsederat urbem,/Aegre papa tulit. Veniam Robertus ut huius/Impetret offensae, papae properavit ad urbem,/Supplicat et pedibus sancti dans oscula patris … 30 Siehe dazu Schreiner, ‚Er küsse mich mit dem Kuß seines Mundes‘, S. 120 ff. 31 Zur politischen Brisanz dieser Begegnung s. Minninger, Von Clermont zum Wormser Konkordat, bes. S. 159ff.; Weinfurter, Papsttum, Reich und kaiserliche Autorität, S. 78ff. 32 Vgl. die mehrfach edierte Stelle etwa in den Annales Romani, S. 340: Ad cuius vestigia cum rex corruisset, post pedum oscula ad oris oscula elevatus est. Ter se invicem complexi, ter se invicem osculati sunt. Vgl. dazu zuletzt Hack, Das Empfangszeremoniell, S. 361 ff.; Althoff, Inszenierung verpflichtet, S. 68 ff.; Scholz, Symbolik und Zeremoniell, S. 141. 33 Vgl. Schreiner, ‚Er küsse mich mit dem Kuß seines Mundes‘, S. 119 ff.; Scholz, Symbolik und Zeremoniell, S. 141f. 34 Vgl. Schreiner, ‚Er küsse mich mit dem Kuß seines Mundes‘, S. 122 ff., mit dem Hinweis auf die Weigerung Kaiser Friedrichs III., 1468 dem Papst einen Fußkuss zu leisten, „um die Majestät des Imperiums zu wahren“; s. dazu Heimpel, Königlicher Weihnachtsdienst im späteren Mittelalter, S. 202. 35 Die Kritik, die Patzolt, Zu den „Spielregeln“ der Konfliktführung, bes. S. 61 ff. und im Verlaufe seiner Untersuchung immer wieder an dieser Sicht formuliert, scheint mir nicht so fundamental, wie sie der Autor einschätzt. Viele der Beobachtungen zu den Spielregeln der Konfliktführung in den Führungsschichten meine und formuliere ich nicht so apodiktisch, wie sie von Patzolt referiert werden. Vgl. etwa S. 97 die conclusio: „Die ungeschriebenen gewohnheitlichen Normen (…) gaben dabei offensichtlich nicht mit gesetzesartiger Verbindlichkeit unmittelbar ein einziges Konfliktlösungsverfahren vor, das zumindest in seinem Kern immer gleich geblieben wäre.“ Gewiss nicht, nur hat das auch niemand behauptet. 21
22
222
Anmerkungen zu S. 146–155
Vgl. dazu bereits Althoff, Königsherrschaft und Konfliktbewältigung, S. 38 ff. Vgl. hierzu demnächst grundsätzlich Broekmann, Rigor iustitiae. 38 Vgl. Erkens, Die Trierer Kirchenprovinz im Investiturstreit, S. 214 f.; Hirschmann, Verdun im hohen Mittelalter, S. 555ff. 39 Vgl. Otto von Freising und Rahewin, Gesta Frederici seu rectius cronica, I, 11, S. 151; s. auch Gesta episcoporum Virdunensium et abbatum S. Vitoni, cap. 22, S. 503f. 40 Vgl. zur sächsischen Opposition gegen Heinrich V. Fenske, Adelsopposition und kirchliche Reformbewegung im östlichen Sachsen, S. 344 ff.; Giese, Der Stamm der Sachsen und das Reich in ottonischer und salischer Zeit, S. 189. 41 Vgl. Otto von Freising, Chronica sive historia de duabus civitatibus, VII, 15, S. 524; Erkens, Fecit nuptias regio, ut decuit, apparatu, bes. S. 412 ff. 42 Annales Patherbrunnenses, a. 1114, S. 127 43 Vgl. Giese, Das Gegenkönigtum des Staufers Konrad 1127–1135, bes. S. 207. 44 Vgl. die Übersicht der Hauptquellen bei Bernhardi, Lothar von Supplinburg, S. 555f., 560ff. und 579f. 45 Vgl. Annales Magdeburgenses, a. 1134, S. 185. 46 Vgl. ebd., a. 1135, S. 185. 47 Vgl. ebd.; vgl. auch die Darstellung beim Annalista Saxo, a. 1135, S. 769 f. 48 Zur neuen Einschätzung solcher ‚Ehrendienste‘ s. auch oben Kap. III.3. 49 Vgl. dazu bereits Althoff, Konfliktverhalten und Rechtsbewusstsein, S. 61 ff., bes. S. 70f. 50 So unterwarf sich im Jahre 1126 der Herzog Sobeslaw von Böhmen König Lothar von Supplinburg, obgleich er militärisch obsiegt hatte; vgl. Bernhardi, Lothar von Supplinburg, S. 79. 51 Historia Welforum, cap. 31, S. 66. Angesichts der Beobachtung, dass der Autor der Historia Welforum in den umliegenden Kapiteln immer wieder Welf VI. und Welf VII. indirekt erwähnt, gehe ich weiter davon aus, dass sich hinter der Formulierung in praesentia ducis Heinrici, domini nostri, nicht eine Charakteristik Heinrichs des Löwen, sondern eine Aufzählung verbirgt, die nach Heinrich Welf VI. lediglich als dominus noster erwähnt. 52 Vgl. Otto von St. Blasien, Chronica, cap. 19, S. 22. 53 Vgl. ebd. 54 Siehe dazu jetzt Görich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 214 ff. 55 Chronica regia Coloniensis, a. 1162, S. 109. 56 Ebd. 57 Ebd., S. 111. 58 Vgl. ebd., S. 110f. 59 Ebd., S. 111. 60 Vgl. Opll, Stadt und Reich im 12.Jahrhundert, bes. S. 333 ff. 61 Otto von Freising und Rahewin, Gesta Frederici seu rectius cronica, II, 3, S. 288. 62 Vgl. hierzu zuletzt Weinfurter, Die Entmachtung Heinrichs des Löwen, S. 187 f.; Schneidmüller, Die Welfen, S. 224ff. 63 Arnold von Lübeck, Chronica Slavorum, II, 22, S. 67. 64 Otto Morena und Fortsetzer, Historia Frederici I., a. 1160, S. 95; s. dazu Görich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 239ff. 36 37
Anmerkungen zu S. 156–162
223
Vgl. hierzu demnächst grundsätzlich Broekmann, Rigor iustititae. Vgl. Houben, Roger II. von Sizilien, S. 77. 67 Vgl. Csendes, Heinrich VI., S. 218ff.; Toeche, Kaiser Heinrich VI., S. 451 ff. 68 Annales Marbacenses, a. 1197, S. 69f. 69 Vgl. Csendes, Heinrich VI., S. 156; Toeche, Kaiser Heinrich VI., S. 342 ff., S. 575 ff.; neuerdings allg. Ertl, Otto von St. Blasien rekonstruiert den triumphalen Einzug Heinrichs VI. in Palermo (1194). 70 Vgl. Toeche, Kaiser Heinrich VI., S. 452. 71 Roger von Hoveden, Chronica, a. 1193, S. 214; s. dazu Toeche, Kaiser Heinrich VI., S. 281. 72 Vgl. Toeche, Kaiser Heinrich VI., S. 266; demnächst auch Görich, Verletzte Ehre. 73 Vgl. dazu Althoff, Empörung, Tränen, Zerknirschung, S. 265 f. 74 Vgl. hierzu demnächst Broekmann, Rigor iustitiae. 75 Vgl. Stürner, Friedrich II., Bd. 2, S. 302ff. 76 Roger von Wendover, Flores historiarum, a. 1235, S. 112. 77 Vgl. Boshof, Reichsfürstenstand und Reichsreform in der Politik Friedrichs II., S. 64f.; zuletzt Stürner, Friedrich II., Bd. 2, S. 312 f. 78 Vgl. Stürner, Friedrich II., Bd. 2, S. 67. 79 Vgl. Gottfried von Viterbo, Gesta Heinrici VI., a. 1194, vv. 129–140, S. 50f.: Proditores pessimos cuntos (sic!) estirpare./Balbanensem comitem proiecit in mare,/ Quosdam fecit cesar vivos decortare,/Pacem cum concordia omnibus prestare./Ponit in patibulo comitem de Cerra;/Quosdam cedit gladio, quosdam secat serra,/Quosdam privat lumine; silet omnis terra,/Timet omnis civitas; non est ulla guerra./Et erigit, extollit, quos vult sublevare,/Depauperat, quos vult, et facit habundare./Sternit et deponit, quos vult humiliare./Timet omnis civitas, reges ultra mare. 80 Vgl. Althoff, Recht nach Ansehen der Person, bes. S. 79 ff. 81 Siehe jedoch schon Buc, The dangers of ritual, der gerade an frühmittelalterlichen Beispielen deutlich macht, wie unsicher das Gelingen von Ritualen war und mit wie vielen Unwägbarkeiten man rechnen musste. 82 Vgl. dazu etwa Beyreuther, Die Osterfeier als Akt königlicher Repräsentanz und Herrschaftsausübung unter Heinrich II. (1002–1024); s. ferner die Beiträge in dem Sammelband Althoff/Schubert (Hrsg.), Herrschaftsrepräsentation im ottonischen Sachsen. 83 Vgl. zu Lothar in diesem Kapitel, bei Anm. 89 f., sowie zu Barbarossa bei Anm. 97f. 84 Vgl. Bumke, Höfische Kultur, S. 276ff. 85 Vgl. dazu neuerdings die Arbeiten von Ebel, Huld im ‚Herzog Ernst B‘; Unzeitig-Herzog, Artus mediator; Dörrich, Poetik des Rituals, bes. S. 3 f.; vgl. auch demnächst Witthöft, Ritual und Text. 86 Siehe dazu oben Kap. IV.1. 87 Belege bei Meyer von Knonau, Jahrbücher des deutschen Reiches unter Heinrich IV. und Heinrich V., Bd. 6, S. 287f., Anm. 5. 88 Otto von Freising, Chronica sive historia de duabus civitatibus, VII, 15, S. 524. 89 Annales Erphesfurdenses, a. 1135, S. 540; vgl. Bernhardi, Lothar von Supplinburg, S. 572ff. 65 66
224
Anmerkungen zu S. 162–171
90 Vgl. Annales Magdeburgenses, a. 1135, S. 185; die Platzierung gegenüber dem Kaiser ist erwähnt in der Canonici Wissegradensis continuatio, a. 1135, S. 141. 91 Vgl. Bernhardi, Lothar von Supplinburg, S. 574. 92 Vgl. Annales Magdeburgenses, a. 1135, S. 185. 93 Vgl. Wolter, Der Mainzer Hoftag von 1184 als politisches Fest; Moraw, Die Hoffeste Friedrich Barbarossas von 1184 und 1188, bes. S. 73–81. 94 Vgl. Fleckenstein, Vom Rittertum im Mittelalter, S. 190 ff. 95 Gislebert von Mons, Chronicon Hanoniense, a. 1184, S. 143. 96 Ebd. 97 Ebd., a. 1184, S. 142f. 98 Vgl. demnächst Althoff/Witthöft, Macht und symbolische Dienste. 99 Arnold von Lübeck, Chronica Slavorum, III, 9, S. 89. 100 Ebd. 101 Ebd. 102 Ebd. 103 Vgl. Schneidmüller, Die Welfen, S. 256f. 104 Vgl. Arnold von Lübeck, Chronica Slavorum, VII, 16, S. 288. 105 Siehe oben Kap. IV.1, bei Anm. 19f. 106 Arnold von Lübeck, Chronica Slavorum, I, 10, S. 25 f. 107 Ebd., S. 26. 108 Ebd. 109 Siehe die Schilderung in den Annales Stadenses, a. 1112, S. 320 f. 110 Chronicon Montis Sereni, a. 1177, S. 156; s. dazu Görich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 167–177. 111 Vgl. Görich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 364, mit Hinweis auf die Erzählung im Chronicon universale des Anonymus Laudunensis, a. 1175, S. 24. 112 Vita Chunradi archiepiscopi Salisburgensis, cap. 15, S. 72. 113 Vgl. Garnier, Zeichen und Schrift, bes. S. 286 f. 114 Vgl. die Literaturangaben oben Kap. IV.1, bei Anm. 85. 115 Vgl. Müller, Spielregeln für den Untergang, bes. S. 46–51, S. 345 ff.
V. Ausblicke ins Spätmittelalter 1 Vgl. aus der reichen Literatur zuletzt Schreiner/Signori (Hrsg.), Bilder, Texte, Rituale, S. 7; Poeck, Zahl, Tag und Stuhl, S. 427; Löther, Prozessionen in spätmittelalterlichen Städten, S. 2 f., 98 f., 330; Maué (Hrsg.), Visualisierung städtischer Ordnung, S. 7; grundlegend bereits Trexler, Public life in Renaissance Venice; ders., Public life in Renaissance Florence. 2 Paravicini, Zeremoniell und Raum, S. 12f.; ders., Alltag bei Hofe, S. 15 ff., 28 ff. 3 Holenstein, Die Huldigung der Untertanen, bes. S. 214 ff.; Schenk, Zeremoniell und Politik, s. bes. S. 47ff. 4 Vgl. Peterson, Die Einholung des Kyrios; Eichmann, Die Kaiserkrönung im Abendland, Bd. 1, S. 180 ff. und 255 ff.; Kantorowicz, The kings advent, bes. S. 45–51, 58; Niederstätter, Königseinritt und -gastung in der spätmittelalterlichen Reichsstadt, S. 491 ff.; Paravicini-Bagliani, Der Papst auf Reisen im Mittelalter, bes. S. 501–
Anmerkungen zu S. 171–179
225
514.; Alföldi, Die monarchische Repräsentation im römischen Kaiserreiche, S. 88 f.; Peyer, Der Empfang des Königs im mittelalterlichen Zürich, bes. S. 56 ff.; Tenfelde, Adventus, S. 52–55; Arnade, Realms of ritual. 5 Vgl. hierzu vor allem Eichmann, Die Kaiserkrönung im Abendland, Bd. 2, S. 43 ff. mit der Untersuchung der Formeln, mit denen den Herrschern bei der Kaiserkrönung die Insignien übergeben wurden. Zu Recht formuliert Eichmann (S. 44): „Die Übergabeformeln können geradezu als die Kompendien christlicher Regierungsweisheit, als Codices der Fürstenmoral des Mittelalters bezeichnet werden.“ Ansätze zu dieser Sicht auch bei Willmes, Der Herrscher-‚Adventus‘ im Kloster des Frühmittelalters, bes. S. 109 ff.; Kantorowicz, Die zwei Körper des Königs, S. 383ff., 430. 6 Dotzauer, Die Ankunft des Herrschers, S. 251; vgl. allg. Brühl, Fodrum, gistum, servitium regis, S. 167ff. und öfter. 7 Vgl. Helmold von Bosau, Chronica Slavorum, I, 79, S. 151 f.; eine im Tenor ähnliche Rede auch bei Otto von Freising und Rahewin, Gesta Frederici seu rectius cronica, II, 31, S. 342ff. 8 Das Folgende nach Eichmann, Die Kaiserkrönung im Abendland, Bd. 1, S. 180ff. 9 Eichmann, Die Kaiserkrönung im Abendland, Bd. 2, S. 189 ff. 10 Vgl. Holenstein, Huldigung der Untertanen, S. 433 ff. 11 Vgl. Eichmann, Die Kaiserkrönung im Abendland, Bd. 1, S. 192 f. 12 Drabek, Reisen und Reisezeremoniell der römisch-deutschen Herrscher im Spätmittelalter, S. 62f.; zuletzt Schenk, Zeremoniell und Politik, S. 379 f. 13 Drabek, Reisen und Reisezeremoniell der römisch-deutschen Herrscher im Spätmittelalter, S. 63, mit Hinweis auf Die Briefe des Petrus Damiani, Nr. 108, S. 199f. 14 Holenstein, Die Huldigung der Untertanen, S. 433 ff. 15 Militzer, Die feierlichen Einritte der Kölner Erzbischöfe, S. 88 ff. 16 Ein anderes Beispiel für den Fassadencharakter solcher Einzüge bietet Schreiner, Wahl, Amtsantritt und Amtsenthebung von Bischöfen, S. 105 ff. 17 Ernst Schubert, Kurfürsten, in: LexMA, Bd. 5, München/Zürich 1991, Sp. 1581 ff.; Wolf, Die Entstehung des Kurfürstenkollegs; zuletzt Erkens, Kurfürsten und Königswahl, S. 1–14. 18 Zur „Erzämtertheorie“ vgl. Erkens, Kurfürsten und Königswahl, S. 11–14, 87– 90; zum Verständnis dieser Dienste s. jetzt Althoff/Witthöft, Macht und symbolische Dienste. 19 Vgl. Armin Wolf, Goldene Bulle v. 1356, in: LexMA, Bd. 4, München/Zürich 1989, Sp. 1542 f.; zuletzt unter besonderer Berücksichtigung der rituellen Aspekte Kunisch, Formen symbolischen Handelns in der Goldenen Bulle von 1356, bes. S. 270, 279f. 20 Bulla aurea, Proömium, S. 7; vgl. dazu Stollberg-Rilinger (Hrsg.), Zeremoniell als politisches Verfahren, S. 99f. 21 Bulla aurea, cap. 22, S. 37. 22 Ebd., cap. 4,1, S. 18. 23 Ebd., cap. 4,3, S. 19. 24 Ebd., cap. 6, S. 20.
226
Anmerkungen zu S. 179–186
Drabek, Reisen und Reisezeremoniell, S. 64. Deutsche Reichstagsakten. Mittlere Reihe, V, 2, Nr. 1744, S. 1368–78; s. Schlinker, Fürstenamt und Rezeption, S. 51. 27 Vgl. hierzu Heimpel, Unbekannte Schrift über die Kurfürsten auf dem Basler Konzil, bes. S. 471 ff.; Helmrath, Rangstreit auf Generalkonzilien des 15. Jahrhunderts als Verfahren, S. 160ff.; Spieß, Rangdenken und Rangstreit, S. 47. 28 Begrich, Die fürstliche „Majestät“ Herzog Rudolfs IV. von Österreich, S. 61 ff.; Spieß, Rangdenken und Rangstreit, S. 52. 29 Zur so genannten Bogensage vgl. Uhlirz, Jahrbücher des deutschen Reiches unter Otto II. und Otto III., 1, S. 237ff. 30 Zu Rangstreitigkeiten, an denen Fulda beteiligt war, s. oben Kap. IV.3; zu ihrem Fortdauern im 14. Jahrhundert vgl. Schubert, König und Reich, S. 310; Schlinker, Fürstenamt und Rezeption, S. 51. 31 Spieß, Rangdenken und Rangstreit, S. 48 ff.; Stollberg-Rilinger, Zeremoniell als politisches Verfahren, insbes. S. 117–126. 32 Vgl. dazu Moeglin, ‚Harmiscara, Harmschar, hachée‘, bes. S. 63 ff.; Schreiner, ‚Nudis pedibus‘; Garnier, Injurien und Satisfaktion. 33 Das Folgende nach Stollberg-Rilinger, Knien vor Gott – Knien vor dem Kaiser. 34 Ebd., bei Anm. 34. 35 Ebd., bei Anm. 105. 36 Vgl. dazu Ulrich von Richental, Chronik des Constanzer Concils, S. 67 f. 37 Vgl. dazu Schmid, Kaiser Heinrichs Romfahrt, S. 97, 150 f., 158 f.; Garnier, Zeichen und Schrift, S. 269ff. 38 Vgl. Moeglin, Von der richtigen Art zu kapitulieren, S. 160 f. 39 Vgl. ders., Pénitence publique et amende honorable au Moyen Age; ders., Edouard III et les six bourgeois de Calais. 40 Moeglin, Von der richtigen Art zu kapitulieren, S. 147. 41 Vgl. Keen, The laws of war in the late Middle Ages, S. 119 ff. 42 Das Folgende nach Garnier, Injurien und Satisfaktion, hier S. 539 f. 43 Zitiert nach Garnier, Injurien und Satisfaktion, hier S. 539. 44 Vgl. dazu zuletzt Garnier, Zeichen und Schrift, S. 279 ff. 45 Stehkämper, Über die rechtliche Absicherung der Stadt Köln, S. 364. 46 Vgl. dazu oben das Beispiel des Friedens von Venedig, Kap. IV, bei Anm. 320; Garnier, Zeichen und Schrift, S. 276ff. 47 Vgl. dazu allg. Görich, Geld und honor, bes. S. 199 f.; Kamp, Geld, Politik und Moral im hohen Mittelalter, S. 333, 346f. 48 Vgl. dazu allg. Ehbrecht, Die Braunschweiger „Schichten“, S. 37 ff.; zu den hier behandelten Fällen s. Kamp, Friedensstifter und Vermittler, S. 252 ff. 49 Vgl. dazu Schuster, Der gelobte Frieden, S. 119 ff. 25
26
Anmerkungen zu S. 187–193
227
VI. Zusammenfassung 1 Siehe dazu die Literaturangaben in der Einleitung, Anm. 36. Die Warnung wohlmeinender Kollegen, man müsse mit dieser botanischen Metaphorik vorsichtig sein, da zu viele vermeintliche Schneisen in Stoppelfelder geschlagen würden, sei hier angemerkt. 2 Vgl. dazu allg. Fried, Geschichte und Phantasie; ders., The veil of memory; ders., Erinnerung und Vergessen; ders., ‚… vor fünfzig oder mehr Jahren‘; dagegen habe ich in verschiedenen Arbeiten betont, dass gerade Verformungen Einblicke in Argumentationsstrategien und Vorstellungswelten erlauben, die Unsicherheiten hinsichtlich der Faktizität des Berichteten also als Chance begriffen werden können, s. dazu jetzt Althoff, Inszenierte Herrschaft, mit einer Auswahl einschlägiger Beiträge. 3 Hier stimme ich der Akzentsetzung von Buc, The dangers of ritual, bes. S. 9 ff., vollständig zu. 4 Einen instruktiven Überblick über bisherige Einschätzungen dieses Problems bietet Dörrich, Poetik des Rituals, S. 15ff. 5 Diese vielleicht selbstverständlich anmutende Einschätzung ist angesichts der in der Ethnologie entwickelten Vorstellung zu betonen, dass rituelles Tun der Bedeutung entbehre; vgl. etwa Staal, The meaninglessness of ritual; diese Einschätzung ist allerdings auch in der Ethnologie durchaus umstritten; vgl. dazu Michaels, ‚Le rituel pour le rituel‘ oder wie sinnlos sind Rituale?, S. 40 ff. 6 Diesen Aspekt betont zu Recht Görich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 48 ff. 7 Siehe dazu oben Kap. III.2.2. 8 Siehe dazu oben Kap. III.1. 9 Ich verdanke die Kenntnis dieser Stelle Steffen Patzolt, Hamburg, vgl. Annales Bertiniani, a. 869, S. 100. 10 S. oben Kap. IV.2. 11 S. oben Kap. IV.3. 12 Zur historischen Bedeutung der Emotionen s. jetzt Rosenwein, Worrying about emotions in history, S. 821ff. 13 Zum Vergleich hier sehr wertvoll und hilfreich Treitinger, Die oströmische Kaiser- und Reichsidee nach ihrer Gestaltung im höfischen Zeremoniell, bes. S. 7 ff.; Alföldi, Die monarchische Repräsentation im römischen Kaiserreiche, bes. S. 45ff. 14 Zur Stuhlsetzung des Rates in den Städten vgl. Poeck, Zahl, Tag und Stuhl, bes. S. 419 ff.; zur Altarsetzung des Bischofs s. Schneider, Bischöfliche Thron- und Altarsetzungen; zum Kärntner Herzogsstuhl und den dortigen Einsetzungsritualen s. Fräss-Ehrfeld, Geschichte Kärntens, Bd. 1, S. 482 ff., mit weiteren Hinweisen. 15 Siehe oben Kap. III, bei Anm. 95. 16 Grimm, Deutsche Rechtsalterthümer; Amira/Schwerin, Rechtsarchäologie. 17 S. oben Kap. III.2.2. 18 Vgl. Amira, Der Stab in der germanischen Rechtssymbolik; Schramm, Herrschaftszeichen, bes. S. 177; Salmon, Mitra und Stab. 19 Turner, The ritual process, bes. S. 94ff. 20 Zum Bischof jetzt Schreiner, Das Buch im Nacken, bes. S. 79 ff.; zum König vgl.
228
Anmerkungen zu S. 193–202
Schenk, Zeremoniell und Politik, bes. S. 345 ff. und oben Kap. III.2.1; zum Landesherrn Holenstein, Die Huldigung der Untertanen, bes. S. 441 ff. 21 Siehe oben Kap. III.2.1., bei Anm. 58. 22 Vgl. Fräss-Ehrfeld, Geschichte Kärntens, Bd. 1, S. 482. 23 Siehe dazu Holenstein, Die Huldigung der Untertanen, S. 451 f. 24 Eichmann, Die Kaiserkrönung im Abendland, Bd. 1, S. 192. 25 Eichmann, Die Kaiserkrönung im Abendland, Bd. 2, S. 256–279; Dotzauer, Die Ankunft des Herrschers, S. 262; zuletzt Schenk, Zeremoniell und Politik, bes. S. 472ff. 26 Vgl. dazu Holenstein, Die Huldigung der Untertanen, bes. S. 467 f.; Schenk, Zeremoniell und Politik, bes. S. 250f. und 350ff. 27 Vgl. dazu Keller, Die Investitur; Engels, Der Pontifikatsantritt und seine Zeichen, jeweils mit weiteren Hinweisen. 28 Vgl. die Fälle oben Kap. II und III. 29 Siehe dazu oben Kap. III.2.2. 30 Zu Veränderungen durch die Reformation vgl. Stollberg-Rilinger, Knien vor Gott – Knien vor dem Kaiser. 31 Vgl. Stollberg-Rilinger, Zeremoniell als politisches Verfahren; sowie die auf die frühe Neuzeit bezogenen Beiträge in dies. (Hrsg.), Vormoderne politische Verfahren. 32 Peter von Moos hat sich verschiedentlich mit meinen Ansichten in diesen Fragen auseinander gesetzt, zuletzt in: Ders. (Hrsg.), Der Fehltritt, Einleitung S. 52 mit Anm. 191; dort wird u. a. eingewandt, ich hätte „die Risiken des Rituals zwar erwogen, aber in zweideutiger Weise dem sozialen Stabilisierungspotential untergeordnet“. Dabei veränderte von Moos ein Zitat aus meinen Arbeiten, indem er aus „kalkulierbarer“ im Original „kalkulierbar“ in seinem Zitat machte und sich so erst einen richtigen Angriffspunkt schuf. Ich bleibe bei meiner Sicht, dass Rituale Verhalten kalkulierbarer machen, und gehe somit von ‚sozialem Stabilisierungspotential‘ der Rituale wie von ‚Risiken‘ aus, die ihre Durchführung mit sich brachte. 33 Vgl. Soeffner, Auslegung des Alltags – Der Alltag der Auslegung, S. 177 f. 34 Siehe oben Kap. II.1. 35 Vgl. Görich, Die Ehre Friedrich Barbarossas, S. 60 ff., über die lange vergeb lichen Bemühungen Friedrichs, den Salzburger Erzbischof Eberhard an seinen Hof zu zitieren. 36 Vgl. dazu Hannig, Consensus fidelium, bes. S. 300, mit der pointierten Zusammenfassung der Ergebnisse seiner Untersuchung. 37 Siehe dazu grundsätzlich Schneidmüller, Konsensuale Herrschaft. 38 Vgl. dazu Althoff, Colloquium familiare – colloquium secretum – colloquium publicum, bes. S. 162ff. 39 Vgl. dazu Garnier, Zeichen und Schrift, S. 277 ff.
Quellen- und Literaturverzeichnis Abkürzungsverzeichnis AKG BDLG DA EHR FMSt FSGA
Archiv für Kulturgeschichte Blätter für deutsche Landesgeschichte Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters English historical review Frühmittelalterliche Studien Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe FSI Fonti per la storia d’Italia GWU Geschichte in Wissenschaft und Unterricht HJb Historisches Jahrbuch HZ Historische Zeitschrift LexMA Lexikon des Mittelalters MGH Monumenta Germaniae historica Epp. Epistolae Epp. DK Briefe der deutschen Kaiserzeit Epp. sel. Epistolae selectae Font. iur. Germ. Fontes iuris Germanici antiqui in usum scholarum Font. iur. Germ. NS Fontes iuris Germanici antiqui in usum scholarum, nova series SS Scriptores SSrG Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum SSrG NS Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum, nova series SSrM Scriptores rerum Merovingicarum MIÖG Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung RH Revue historique RhVjb Rheinische Vierteljahresblätter ZfdPh Zeitschrift für deutsche Philologie ZHF Zeitschrift für Historische Forschung ZRG Germ. Abt. Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung ZRG Kan. Abt. Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Kanonistische Abteilung
230
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Personenregister (erstellt von Götz Borsdorf, Oliver Daldrup, Marc-André Karpienski, Robert Langhanke, Valeska Lembke, Claudia Strieter, Eva Zalewski) Folgende Abkürzungen werden verwendet: Äbt.: Äbtissin, Bf.: Bischof, Ebf.: Erzbischof, Fbf.: Fürstbischof, Frh.: Freiherr, Fs.: Fürst, Gem.: Gemahl/Gemahlin, Gf.: Graf, Hl.: Heiliger/Heilige, Hzg.: Herzog, Kard.: Kardinal, Kg.: König, Kgn.: Königin, Ks.: Kaiser, Lgf.: Landgraf, Mgf.: Markgraf, Mgfn.: Markgräfin, P.: Papst, Pfgf.: Pfalzgraf, Schw.: Schwester, T.: Tochter. Die Ziffern mit Schrägstrich verweisen auf Personen im Anmerkungsapparat. Die Zahlen hinter dem Strich bezeichnen die jeweilige Anmerkung. Adalbero, Hzg. v. Kärnten († 1039) 124 f. Adalbero, Neffe Bf. Ulrichs v. Augsburg († um 973) 92 Adalbert, Gf. in Ostfranken († 906) 72 Adalbert, Ebf. v. Magdeburg († 981) 98 ff. Adalbert, Ebf. v. Hamburg-Bremen († 1072) 83 Adalbert, Hl., Bf. v. Prag († 997) 111 f. Adalhard, Abt v. Corbie († 826) 58 Adelheid, Gem. Ks. Ottos I. († 999) 90 f., 98, 110, 123, 216/110 Adelheid, Äbt. v. Quedlinburg († 1043) 101 Adolf v. Nassau, Kg. († 1298) 185 Aistulf, Kg. der Langobarden († 756) 43 ff. Albert v. Löwen, Bf. v. Lüttich († 1192) 157 Albrecht I., Ebf. v. Magdeburg († 1232) 165f. Alexander III., P. († 1181) 9, 119, 140, 144, 167, 202 Anastasius, byz. Kaiser († 518) 33 Anno II., Ebf. v. Köln († 1075) 185 Arderich, Bf. v. Vercelli († 1044) 103 Aribert II., Ebf. v. Mailand († 1045) 103 Aribo, Ebf. v. Mainz († 1031) 88, 121, 217/112 Arnold v. Lübeck, Geschichtsschreiber († 1211/14) 155, 164 Arnulf v. Kärnten, Ks. († 899) 71, 215/78 Arnulf, Hzg. v. Bayern († 937) 73, 94, 212/16 Arnulf, Bf. v. Halberstadt († 1023) 101, 124 Azecho, Bf. v. Worms († 1044) 124 Balduin VIII., Gf. v. Flandern u. Hennegau († 1195) 163 f. Balduin, Ebf. v. Trier († 1354) 184, 208/47 Beatrix, Mgfn. v. Tuszien († 1076) 82 , 117 Benedikt V., P. († 965/6) 74 ff. Benedikt, Kardinal-Archidiakon 75
Berengar I., Kg. v. Italien († 924) 215/78 Berengar II., Kg. v. Italien († 966) 98 Bern, Abt der Reichenau († 1048) 104, 116 Bernhard I., Hzg. v. Sachsen († 1011) 88, 101 Bernhard, S. Kg. Pippins v. Italien († 818) 58 Bernhard, Bf. v. Halberstadt († 968) 108, 110 f. Bernward, Bf. v. Hildesheim († 1022) 76, 92, 100, 121, 217/112 Berthold, Gf. in Schwaben († 917) 71f. Boleslaw I. Chobry, Hzg. u. Kg. v. Polen († 1025) 25, 74, 95, 112, 160 Boleslaw III., Hzg. v. Polen († 1138) 162 Bonifaz, Mgf. von Tuszien († 1052) 82 Brandt, Willy, Bundeskanzler († 1992) 13 Bruno, Geschichtsschreiber 126f. Burchard, kaiserl. Notar 152 Calixt II., P. († 1124) 138 Childebert II., merow. Kg. († 596) 34 Chilperich I., merow. Kg. († 584) 35f., 124 Chlodwig, merow. Kg. († 511) 33 Clemens III., Gegenp. († 1100) 142 Craloh, Abt v. St. Gallen 101f. Crescentius Nomentanus, röm. Stadtpräfekt († 998) 76, 112, 214/51 David, alttest. Kg. 25, 48, 116 Deusdedit, Kard. († 1098/99) 141f. Dietrich, Mgf. v. Meißen († 1221) 165f. Dietrich, Lgf. v. Thüringen († 1085) 167 Dionysius, Märtyrer († nach 249) 90 Eberhard, Hzg. v. Franken († 939) 73, 74, 94 Eberhard III., Gf. v. Nellenburg († 1078/9) 83 Ebo, Ebf. v. Reims († 851) 62, 67 Eduard III., Kg. v. Engl. († 1377) 184
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Namenregister
Egilbert, Bf. v. Freising († 1039) 125 Egino, sächs. Adliger († 1073) 82 Einhard, Geschichtsschreiber 37 Ekkehard I., Mgf. v. Meißen († 1002) 76, 78, 100f. Ekkehard, Mönch in St. Gallen 121 Elisabeth v. Thüringen, Hl. († 1231) 119 Engelbert I., Ebf. v. Köln († 1225) 185 Erchanger, Gf. in Schwaben († 917) 71 f. Ernst, Hzg. v. Schwaben († 1030) 79 Ernst der Eiserne, Hzg. v. Kärnten († 1424) 194 Ferdinand, Fbf. v. Paderborn u. Münster († 1683) 194 Franco, Bf. v. Worms († 999) 112 Fredegunde, merow. Kgn. († 597) 36 Friedrich I. Barbarossa, Ks. († 1190) 9, 17, 24, 119, 140 f., 144, 147, 151–155, 161, 163– 168, 172f., 202, 214/52 Friedrich II., Ks. († 1250) 119, 158 f., 166 Friedrich III., Ks. († 1493) 174, 176, 185 Friedrich II., Hzg. v. Schwaben († 1147) 150f. Friedrich IV., Hzg. v. Österreich († 1439) 183f. Friedrich IV. der Ältere, Mgf. v. Brandenburg-Kulmbach († 1536) 180 Friedrich v. Stade, Ministeriale († 1135) 167 Friedrich, Ebf. v. Mainz († 954) 98 Gerhoh v. Reichersberg († 1169) 141 Gisela, Gem. Ks. Konrads II. († 1043) 115 Gisela, Schw. Karls d. Großen, Äbt. v. Chelles († 810) 43 Gisela, Gem. des Gf.en Reinald v. Bar 147 Giselbert, Hzg. v. Lothringen († 939) 94 Giselher, Ebf. v. Magdeburg († 1004) 114, 120 Gislebert v. Mons, Geschichtsschreiber († 1224) 163 f. Gottfried III., Hzg. v. Ober- u. Niederlothringen († 1069) 79–82, 117, 213/35 Gottfried v. Viterbo, Geschichtsschreiber († um 1191) 159 Granvella (Antoine Perenot de Granvelle), Ebf. v. Mecheln († 1586) 182 Gregor V., P. († 999) 76 Gregor VII., P. († 1085) 117, 137, 139, 142 Gregor, Bf. v. Tours, Geschichtsschreiber († 593/94) 33–36, 41, 120 Guido, Graf v. Biandrate 152 f. Gunthram, merow. Kg. († 592) 34, 209/5 Gunzelin, Mgf. v. Meißen († nach 1017) 78
Hadrian I., P. († 795) 51 Hadrian II., P. († 872) 190 Hadrian IV., P. († 1159) 140f., 166 Hatto I., Ebf. v. Mainz († 913) 72 Heinrich I., Kg. († 936) 72f., 86f., 90, 94, 212/15 Heinrich II., Ks. († 1024) 25, 73f., 77f., 80, 88, 90, 95, 100f., 113ff., 123f., 160, 218/133 Heinrich III., Ks. († 1056) 79–82, 115ff., 124 f., 213/37 Heinrich IV., Ks. († 1106) 82f., 108, 117f., 122, 125–129, 133, 136ff., 142, 197f., 214/51, 220/2 f. Heinrich V., Ks. († 1125) 118, 127ff., 142, 144–151, 161 f., 167, 222/40 Heinrich VI., Ks. († 1197) 156–159, 165 Heinrich (VII.), Kg. († 1242) 89, 158 Heinrich VII., Ks. († 1313) 175, 184, 208/47 Heinrich I., Hzg. v. Bayern († 955) 74, 97ff. Heinrich II. der Zänker, Hzg. v. Bayern († 995) 74, 93, 196, 214/52, 215/77 Heinrich der Stolze, Hzg. v. Sachsen u. Bayern († 1139) 139 Heinrich der Löwe, Hzg. v. Sachsen u. Bayern († 1195) 17, 151, 154f., 163, 222/51 Heinrich III., Hzg. v. Kärnten († 1122) 168 Heinrich III., Hzg. v. Limburg († 1221) 157 Heinrich I., Hzg. v. Brabant († 1235) 157 Heinrich v. Schweinfurt, Mgf. († 1017) 74, 78 Heinrich I., Gf. v. Stade († um 976) 98f. Heinrich, Bf. v. Würzburg († 1018) 123f. Heito, Bf. v. Basel († 836) 39f. Helmold v. Bosau, Geschichtsschreiber 141 Heribert, Ebf. v. Köln († 1021) 111 Heribert, Ebf. v. Ravenna († 1027) 103 Heriger, Ebf. v. Mainz († 927) 86 Hermann I., Hzg. v. Schwaben († 949) 94 Hermann II., Hzg. v. Schwaben († 1003) 73, 95 Hermann Billung, Hzg. in Sachsen († 973) 99 f., 162, 172 f. Hermann IV., Ebf. v. Köln († 1508) 174, 176 Hezilo, Bf. v. Hildesheim († 1079) 103 Hinkmar, Ebf. v. Reims († 882) 190 Hoyer v. Mansfeld († 1115) 147 Hugo Capet, Kg. v. Frankreich († 996) 96 Hugo II., Pfgf. v. Tübingen († 1182) 151f. Hugo, Abt v. Cluny († 1109) 128 Hugo, Gf. v. Tours, Schwiegervater Ks. Lothars I. († 837) 39, 61 Hunfried, Ebf. v. Ravenna († 1051) 122 Innocenz II., P. († 1143) 139 Innocenz III., P. († 1216) 220/15
Namenregister Johann Werner, Frh. v. Zimmern († 1495) 183 Johannes XII., P. († 964) 75 Johannes XIX., P. († 1032) 103 Johannes XVI. (Philagatos), Gegenp. 112 Josua, israelit. Heerführer 40 Karl d. Große, Ks. († 814) 38–41, 43, 45 f., 48, 51–57, 64 Karl der Kahle, Ks. († 877) 63, 65, 86 Karl der Dicke, Ks. († 888) 69 Karl IV., Ks. († 1378) 178 Karl V., Ks. († 1558) 182 Karl der Einfältige, westfrk. Kg. († 929) 87, 90 Knut der Große, Kg. v. England, Dänemark u. Norwegen († 1035) 217/125 Konrad I., ostfrk. Kg. († 918) 72 Konrad II., Ks. († 1039) 78 ff., 88, 103 f., 115, 124f., 194 Konrad, Kg. († 1101) 138, 220/8 Konrad III., Kg. († 1151) 28, 150 f., 166 f. Konrad, Hzg. v. Lothringen († 955) 98 Konrad, Pfgf. bei Rhein († 1195) 165 Konrad I., Ebf. v. Salzburg († 1147) 168 Konrad, Ebf. v. Köln († 1261) 185, 202 Konrad III., Bf. v. Straßburg († 1299) 185 Konrad II., Abt v. Fulda († 1192) 164 f., 180 Konstantin I., Ks. († 337) 138, 141 Konstanze, Gem. Ks. Heinrichs VI. († 1198) 156 Lampert v. Hersfeld, Geschichtsschreiber 81, 117, 122, 214/51, 220/2 Leo III., P. († 816) 48 Leo VIII., P. († 965) 74 f. Leo IX., P. († 1054) 81, 111, 122 Leudast, Graf v. Tours 36 Liudolf, Hzg. v. Schwaben († 957) 74, 97 ff. Liutgard, T. des Mgf.en Ekkehard I. v. Meißen († 1012) 76 Liutprand v. Cremona, Geschichtsschreiber 74ff. Lothar I., Ks. († 855) 58, 60–63, 69, 211/54, 219/159 Lothar II., frk. Kg. († 869) 190 Lothar v. Supplinburg, Ks. († 1137) 35, 118 f., 139ff., 149–151, 156, 161 f., 222/50, 224/90 Ludwig der Fromme, Ks. († 840) 47 f., 57–64, 66–69, 106, 196 Ludwig II., Ks., Kg. v. Italien († 875) 49 Ludwig der Deutsche, ostfrk. Kg. († 876) 65, 69 Ludwig der Jüngere, ostfrk. Kg. († 882) 69
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Ludwig XIV., Kg. v. Frankreich († 1715) 27 Ludwig II. der Springer, Gf. in Thüringen († 1123) 150, 161 Maiolus, Abt v. Cluny († 994) 110 Manuel I. Komnenos, byz. Ks. († 1180) 28, 166 f. Margarethe, Gem. Ks. Heinrichs VII. († 1311) 175 Martin V., P. († 1431) 50 Matfried, Gf. v. Orleans († 836) 61 Mathilde, Gem. Kg. Heinrichs I. († 968) 108, 110, 115, 123 Mathilde, Gem. Ks. Heinrichs V. († 1167) 150, 161 Mathilde, Mgfn. v. Tuszien († 1115) 138 Mathilde, Äbt. v. Quedlinburg († 999) 76, 88 Maximilian I., Ks. († 1519) 180 Medardus, Hl. († 560) 58 Meinwerk, Bf. v. Paderborn († 1036) 95 Nikolaus I., P. († 867) 49 Nilus v. Rossano, Hl. († 1004) 112 Nithard, Geschichtsschreiber († 845) 60, 65f. Notker (Balbulus) v. St. Gallen († 912) 39, 41 Odilo, Abt v. Cluny († 1049) 110 Osdag, Bf. v. Hildesheim († 989) 103 Otto I. der Große, Ks. († 973) 74–76, 78, 86 ff., 91, 94, 97–101, 109, 110f., 115, 123, 217/114, 218/140 Otto II., Ks. († 983) 74f., 93f., 96, 110, 120f., 123 Otto III., Ks. († 1002) 74, 76, 90, 92f., 108, 111 ff., 121, 196, 214/51, 215/64 Otto IV., Ks. († 1218) 165f. Otto, Hzg. v. Schwaben u. Bayern († 982) 121 Otto v. Northeim, Hzg. v. Bayern († 1083) 82 f., 103, 220/3 Otto das Kind, Hzg. v. Braunschweig-Lüneburg († 1252) 158f. Otto Morena, Geschichtsschreiber 155 Otto v. St. Blasien, Geschichtsschreiber († 1223) 151 f. Otto, Bf. v. Freising († 1158) 140, 147, 154, 156, 162 Paschalis II., P. († 1118) 128, 144 Paulus, Apostel 43, 140 Peter Orseolo, Kg. v. Ungarn († 1046/47) 116
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Namenregister
Petrus, Apostel 43, 46, 51, 80 f., 92, 140, 142, 213/37 Philipp von Schwaben, Kg. († 1208) 165 f. Philipp I., Kg. v. Frankreich († 1108) 128 Philipp II. Augustus, Kg. v. Frankreich († 1223) 157 Philipp I., Ebf. v. Köln († 1191) 164 f. Philippa v. Hennegau, Gem. Kg. Eduards III. v. England († 1369) 184 Pippin, frk. Kg. († 768) 41–49, 51–55, 59, 120, 138, 141 Pippin, Kg. v. Italien († 810) 48, 58 Praetextatus, Bf. v. Rouen 35 f., 54 Rainald v. Dassel, Ebf. v. Köln († 1167) 152 Rainulf Drengot, Hzg. v. Apulien († 1139) 139 Ramwold, Abt v. St. Emmeram († 1000) 121 Regino v. Prüm, Geschichtsschreiber († 915) 72 Reinald I., Gf. v. Bar († 1149) 147 Rethar, Bf. v. Paderborn († 1009) 101 Richard I. Löwenherz, Kg. v. England († 1199) 157 f. Richard v. Albano, Kardinalbf. 128 Richard, Gf. v. Acerra († 1194) 157 Richenza, Gem. Ks. Lothars († 1141) 150 Richer v. Reims, Geschichtsschreiber 96 Robert Guiskard, Hzg. v. Apulien u. Kalabrien († 1085) 142 Robert v. Cambrai, Bf. 167 f. Roger II., Kg. v. Sizilien († 1154) 156 Romuald v. Camaldoli, Hl. († 1027) 112 Rudolf v. Rheinfelden, Gegenkg. († 1080) 126f. Rudolf IV., Hzg. v. Österreich († 1365) 180 Rudolf I., Gf. v. Stade († 1124) 167 Salomo III., Bf. v. Konstanz († 919/20) 71 Salomo, alttest. Kg. 25 Schäuble, Wolfgang, CDU-Politiker 13 Schröder, Gerhard, Bundeskanzler 13 Sebastian, Märtyrer († 303/5) 58 Sibylle, Kgn. v. Sizilien († nach 1198) 157 Siegfried I., Ebf. v. Mainz († 1084) 103 Sigismund, Ks. († 1437) 50, 174, 183 f. Silvester I., P. († 335) 138, 141 Silvester II., P. († 1003) 76, 92 Sobeslaw I., Hzg. v. Böhmen († 1140) 162, 222/50 Sophia, Äbt. v. Gandersheim († 1039) 101 ff.
Stephan II, P. († 757) 42–47, 49, 51, 59, 67, 120 Stephan IV., P. († 817) 47f. Stephanus, Hl. 215/64 Suger, Abt v. St. Denis († 1151) 139 Tagino, Ebf. v. Magdeburg († 1012) 124 Tassilo, Hzg. v. Bayern († nach 794) 53–60, 62, 66 f., 196, 210/39, 211/45 Thegan, Geschichtsschreiber 61 Theobald v. Bruscati 148 Thietmar, sächs. Gf. († 1048) 72, 212/15 Thietmar, Bf. v. Merseburg († 1018) 90, 95, 99 f., 113 f., 124, 214/52 Ulrich v. Richental, Geschichtsschreiber († 1437) 50 Ulrich, Bf. v. Augsburg († 973) 91f., 102, 217/112 Unger, Bf. v. Posen († 1012) 112 Urban II., P. († 1099) 138 Victor IV., P. († 1164) 144 Victor, Mönch in St. Gallen 101, 193 Wala, Abt v. Corbie († 836) 58 Walthard, Ebf. v. Magdeburg († 1012) 90 Warmann, Bf. v. Konstanz († 1034) 104 Welf VI., Mgf. v. Tuszien u. Spoleto († 1191) 151, 154 f., 222/51 Welf VII. († 1167) 151f., 222/51 Wenzel, Hl. († 929/935) 107 Werner, Gf. v. Walbeck († 1014) 76 Werner, Gf. v. Kyburg († 1030) 79 Widerad, Abt v. Fulda († 1075) 103 Widukind v. Corvey, Geschichtsschreiber 72, 86 ff., 94 Wilhelm III., norm. Kg. († wahrsch. 1198) 157 Wilhelm, Hzg. v. Apulien († 1127) 138, 221/29 Wilhelm V., Hzg. v. Kleve († 1592) 182 Willigis, Ebf. v. Mainz († 1011) 103, 121, 123 f., 217/112 Wipo, Geschichtsschreiber 79 Wiprecht II. v. Groitzsch, Mgf. v. Meißen († 1124) 147 Wolfgang, Bf. v. Regensburg († 994) 121 Zacharias, P. († 752) 138