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German Pages 164 [165] Year 1983
AXEL BlJHLER
Die Logik kognitiver Sätze
ERFAHRUNG UND DENKEN SchriftenzurFörderungderBeziehungenzwischenPhilosophieundEinzelwieeenechaften
Band 64
Die Logik kognitiver Sätze Vher logische Grundlagen der Argumentation in den Geistes- und Sozialwissenschaften
Von
Dr. Axel Bühler
DUNCKER &
HUMBLOT I BERLIN
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Bühler, Axel:
Die Logik kognitiver Sätze: über log. Grundlagen d. Argumentation in d. Geistes- u. Sozialwiss. I von Axel Bühler.- Berlin: Dunckcr und Humblot, 1983. (Erfahrung und Denken; Bd. 64) ISBN 3-428-05402-4 NE: GT
Alle Rechte vorbehalten
© 1983 Duncker & Humblot, Berlin 41
Gedruckt 1983 bei Zippel-Druck Berlln, Berlin 26 Printed in Germany ISBN 3 428 05402 4
Vorwort An erster Stelle möchte ich Hans Albert danken. Sollten sich in dem vorliegenden Buch Gedanken von Interesse befinden und meine Lösung zum hier untersuchten Problem etwas taugen, dann ist dieses zunächst auf die guten Arbeitsbedingungen zurückzuführen, die er mir als Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl einräumte. Insbesondere aber bin ich ihm in Art und Weise von Problemstellung und Problemlösung verpflichtet. Daß die hier untersuchte Fragestellung auf die Argumentationspraxis in den Sozial- und Geisteswissenschaften bezogen wurde, daß ich die in § 6 und § 7 dargestellte Problemlösung von empirischen Annahmen über Denkprozesse abhängig mache - darin kommt die Auffassung von Hans Albert zum Ausdruck, daß philosophische Fragestellungen und Problemlösungen in enger Verbindung zur einzelwissenschaftlichen Forschung stehen sollten. Dem vorliegenden Buch liegt meine Dissertation "Überlegungen zur logischen Analyse intentionaler Sätze" (1978) zugrunde. Daß dieses Buch daraus entstanden ist, wäre ohne Wolfgang Höll nicht möglich gewesen. Sein Verständnis für die hier untersuchte Fragestellung wie auch sein großes Interesse an der von mir ausgearbeiteten Problemlösung in den Paragraphen 6 und 7 haben mich ermutigt, die Arbeit an der abgeschlossenen Dissertation fortzusetzen, si~ zu erweitern und umzuschreiben. Harald Delius danke ich für die ausführlichen kritischen Bemerkungen, die er zu meiner Dissertation schrieb. Sie haben mir sehr geholfen, zahlreiche Mängel an Inhalt und Darstellung zu beheben. Auch möchte ich Michael Sukale danken. Er hat das fertiggestellte Manuskript gründlich und kritisch gelesen und mir geholfen, einige Schwächen inhaltlicher und formaler Art zu beseitigen. Außerdem danke ich Pirmin Stähly, der die graphischen Vorlagen zu den beiden Abbildungen gezeichnet hat. Axel Bühler
Inhalt Einleitung
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I. Das Problem der logischen Analyse kognitiver Sätze § 1: Terminologische Vorbemerkungen (1) "Kognitive Verben"
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(2) Einige Ausdrücke zur Analyse von Syntax und Semantik von Sprachen 0
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§ 2: Das Problem der logischen Analyse kognitiver Sqtze
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(2) Die Frage nach der logischen Analyse kognitiver Sätze § 3: Kognitive Argumente in der Psychologie
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(1) Kognitive Argumente bei der Verwendung der Theorie der kogniti-
ven Dissonanz
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(1) Logische Folgerung in von kognitiven Verben regierten sprachlichen
Umgehungen
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(2) Kognitive Argumente bei der Verwendung von Rotters Sozialer Lerntheorie
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(3) Zur Bedeutung der Gültigkeit kognitiver Argumente
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II. Logische Analysen kognitiver Sätze § 4: Freges Analyse kognitiver Sätze
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(1) Freges Analyse kognitiver Sätze und ihre Schwierigkeiten
(2) Zwei Aspekte der Fregeschen Auffassung von Sinn
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§ 5: Die logische Analyse kognitiver Sätze mit Hilfe der Mögliche- WeltenSemantik
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(1) Die Anwendung der Mögliche-Welten-Semantik auf kognitive Sätze
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(2) Probleme bei der Anwendung der Mögliche-Welten-Semantik auf kognitive Sätze und Versuche ihrer Lösung
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(3) Behaviouristische Tendenzen bei der Anwendung der Mögliche-Welten-Semantik
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Inhalt
§ 6: Einige psychologische Spekulationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
(I) Einleitendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
(2) Das Repräsentationssystem ; Gedanken und Begriffe . . . . . . . . . . . . .
100
(3) Begriffliche Selbstbezugnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
114
(4) Begriffliche Bezugnahme auf Gedanken und Begriffe . . . . . . . . . . . .
118
§ 7: Eine mentafisfische Analyse kognitiver Sätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
121
(I) Die logischen Formen kognitiver Sätze und ihre Interpretationen . .
122
(2) Menschen, Tiere und kognitive Sätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
135
(3) Die Rolle psychologischer Spekulationen bei der Analyse kognitiver Sätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
138
(4) Analyse des Arguments A-5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
140
(5) Beziehungen zu Freges Analyse kognitiver Sätze . . . . . . . . . . . . . . . .
143
§ 8: Abschließende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
146
Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
155
Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
161
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
163
Abkürzungen Für besonders häufig zitierte Aufsätze habe ich im Text Abkürzungen verwendet: SB G
= Frege, = Frege,
,Sinn und Bedeutung' ,Der Gedanke'
SP A = Hintikka, ,Semantics for Propositional Attitudes' lol
= Hintikka,
,The Intentions of lntentionality'
QQI = Hintikka, ,Quine on Quantifying In: A Dialogue' SK
= Hintikka,
,On Attributions of "Self-Knowledge'"
PEI = Perry, ,The Problem of the Essential lndexical'
Einleitung Sowohl im Alltag als auch in sozial- und geisteswissenschaftlichen Untersuchungen werden häufig Verben wie "glauben", "wünschen" und "wahrnehmen" verwendet. Sätze, in denen solche Verben vorkommen, gehen in Argumentationen ein, die wir im Alltag und innerhalb der Sozial- und Geisteswissenschaften durchfUhren. Derartige Argumentationen bestehen aus einzelnen Argumenten, die gültig sind oder nicht. In dem vorliegenden Buch will ich untersuchen, wann und warum Argumente gültig sind, die aus Sätzen mit Verben wie ,,glauben", "wünschen", "wahrnehmen" bestehen und wann und warum sie nicht gültig sind. Verben wie "glauben", "wünschen" und "wahrnehmen" nenne ich "kognitive Verben", und Sätze, in denen kognitive Verben vorkommen, "kognitive Sätze". Ein Argument, in dem kognitive Sätze vorkommen, nenne ich "kognitives Argument". Das Problem, das ich untersuchen will, kann man also auch folgendermaßen formulieren: wann und warum sind kognitive Argumente gültig, wann und warum sind sie nicht gültig? Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir angeben können, wann und warum zwischen kognitiven Sätzen die Beziehung der logischen Folgerung besteht. Um dies angeben zu können, müssen wir die ftir die logische Folgerungsbeziehung relevanten syntaktischen und semantischen Eigenschaften kognitiver Sätze spezifizieren und wir müssen eine Wahrheitsdefinition ftir kognitive Sätze aufstellen können. Dies sind Aufgaben einer logischen Analyse. Thema des vorliegenden Buches ist also die logische Analyse kognitiver Sätze. Die hier untersuchte Frage beziehe ich auf kognitive Sätze im allgemeinen. Ich nehme keine Einschränkung auf sogenannte doxastische oder epistemische Sätze vor, d. h. Sätze, in denen "glauben" oder "wissen" vorkommt, wie es häufig in der Literatur geschieht. Es geht außerdem um die Beziehung der logischen Folgerung zwischen kognitiven Sätzen, wie sie sich aus dem gewöhnlichen Gebrauch kognitiver Verben ergibt. Wir werden sehen, daß dieser gewöhnliche Gebrauch kognitiver Verben nicht mit einer Verwendungsweise kognitiver Verben koinzidiert, die gewissen Rationalitätsanforderungen genügt.
12
Einleitung
So wird in der Literatur häufig ein ,rationaler' Glaubensbegriff behandelt. Dieser Glaubensbegriff gehorcht folgenden Prinzipien: (Pl) "a glaubt, daß L", wo Leine logische Wahrheit ist, ist selbst logisch wahr;
(P2) wenn a glaubt, daß, wenn A, dann B, und a glaubt, daß A, dann folgt logisch, daß a glaubt, daß B;
(P3) wenn a glaubt, daß B, dann folgt logisch, daß a nicht glaubt, daß nonß.I
In entsprechender, unter Umständen leicht modifizierter Weise, lassen sich ,rationale' Begriffe des Wissens, des Wünschens, des Wahrnehmens etc. konstruieren. Solche Verwendungsweisen kognitiver Verben sind nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit.2 Ich habe dem vorliegenden Buch den Untertitel "Über logische Grundlagen der Argumentation in den Geistes- und Sozialwissenschaften" gegeben. Wodurch rechtfertigt sich dieser Untertitel? Mir scheint es ein besonderes Charakteristikum der Sozial- und Geisteswissenschaften zu sein, daß in ihnen Verben wie "glauben", "wünschen" und "wahrnehmen" verwendet werden, und daß Sätze, in denen solche Verben vorkommen, in die in diesen Wissenschaften geübten Argumentationen eingehen. Dies ließe sich zum Beispiel für geschichtswissenschaftliehe Untersuchungen aufweisen, etwa in Kontexten, in denen es darum geht, die Absichten historischer Akteure und ihre Informationslage aufzuhellen. Dies ließe sich auch für die Soziologie zeigen. Den Nachweis, daß Argumente, in denen kognitive Sätze vorkommen, in der Psychologie eine wichtige Rolle spielen, werde ich im folgenden anhand von Einzelbeispielen erbringen. Aus diesen Gründen kann man wohl behaupten, besonderes Charakteristikum der Geistes- und Sozialwissenschaften sei die Verwendung kognitiver Sätze in ihren Argumentationen. Und deswegen ist eine Untersuchung logischer Analysen kognitiver Sätze gleichzeitig eine Untersuchung der logischen Grundlagen der Argumentation in den Sozial- und Geisteswissenschaften. Im ersten Teil des vorliegenden Buches will ich erläutern, was im einzelnen unter einer logischen Analyse kognitiver Sätze zu verstehen ist. Ich werde anhand zweier Einzelbeispiele den Nachweis bringen, daß Argumente, in denen kognitive Sätze vorkommen, in der Psychologie eine wichtige Rolle Diese drei Prinzipien stellt Kutschera auf in seiner "Einführung in die intensionale Semans. 80. 2 Zur Kritik von logischen Analysen, die ,rationale' Begriffe des Glaubens und Wissens behandeln, siehe Hocutt, ,ls Epistemic Logic Possible'. Siehe auch weiter unten, § 5, (2). l
tik"'
Einleitung
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spielen. Weiter werde ich einige Gründe darlegen, derenthalben mir die hier behandelte Problematik als wichtig erscheint. Im zweiten Teil dieses Buches untersuche ich drei logische Analysen kognitiver Sätze. Zunächst werden wir Freges Analyse kognitiver Sätze betrachten. Daß mit der logischen Analyse kognitiver Sätze Probleme verbunden sind, hat wohl zuerst Frege gesehen. Er legte auch als erster eine logische Analyse kognitiver Sätze vor, die diese Probleme lösen sollte. Seine Analyse beruht auf der Annahme, daß es der mit sprachlichen Ausdrücken versehene Sinn sei, von dem kognitive Sätze handelten. Auf ähnlichen Annahmen basieren auch die zwei weiteren Analysen kognitiver Sätze, die uns beschäftigen werden. Eine in den letzten Jahren viel diskutierte logische Analyse kognitiver Sätze resultiert aus der Anwendung der sogenannten Mögliche-Welten-Semantik auf kognitive Sätze. Diese soll in § 5 diskutiert werden, wobei ich mich insbesondere auf die einschlägigen Arbeiten vonHintikka beziehe. Ich werde argumentieren, daß diese logische Analyseaufgrund behavioristischer Tendenzen, die in sie eingehen, in Schwierigkeiten gerät. Es stellt sich sodann die Frage, ob wir eine adäquatere Analyse kognitiver Sätze erhalten, wenn wir die behavioristischen Prämissen aufgeben und explizit mentalistische Annahmen einführen. Ein Versuch in diese Richtung wird in den Paragraphen 6 und 7 unternommen. Ich entwickle dort eine ,mentalistische' Analyse kognitiver Sätze. Anführungszeichen werden in der vorliegenden Arbeit auf verschiedene Weise verwendet: Einfache Anführungszeichen benutze ich, wenn ich darauf hinweisen will, daß ein Ausdruck in metaphorischer Weise verstanden werden soll oder daß der Ausdruck nicht ganz wörtlich zu nehmen ist. 3 Wenn ein Ausdruck einer Sprache oder eines syntaktischen Systems zwischen doppelte Anführungszeichen gesetzt wird, dann dient dies dazu, den Namen dieses Ausdrucks zu bilden. Auf diese Weise wird etwa zwischen der Person Peter und dem Namen "Peter" unterschieden. Sofern keine Mißverständnisse zu befürchten sind, werde ich zuweilen auch darauf verzichten, doppelte Anführungszeichen zu setzen. 4 3 Das ist die Verwendungsweise von Anführungszeichen als sogenannte "scare-quotes"; vgl. Geach, "Mental Acts", S. 81. 4 Zur Zitierweise: Im Text und in den Fußnoten flihre ich den Namen des zitierten Autoren auf und den Titel des zitierten Werkes oder eine Kurzfassung des Titels. Erscheinungsort, Erscheinungsjahr und unter Umständen der vollständige Titel- falls nur eine Kurzfassung zitiert wurde - sind aus dem Literaturverzeichnis zu entnehmen. In dieser Arbeit wiedergegebene Textstellen aus der fremdsprachigen Literatur habe ich selbst übersetzt, sofern nicht aus einer veröffentlichten Übersetzung ins Deutsche zitiert wird.
I. Das Problem der logischen Analyse kognitiver Sätze In diesem Kapitel will ich nach einleitenden terminologischen Klärungen zunächst die Fragestellung der vorliegenden Schrift erläutern, sodann möchte ich zeigen, daß die Behandlung dieser Fragestellung für die Beurteilung von in den Sozialwissenschaften ausgeübter Argumentationspraxis wichtig ist. § 1: Terminologische Vorbemerkungen In diesem Paragraphen will ich einige Vorbemerkungen treffen zum Gebrauch von im folgenden häufig verwendeten Ausdrücken. (1) "Kognitive Verben": In dervorliegenden Schrift sollen bestimmte Verben der natürlichen Sprache betrachtet werden; Verben wie "glauben", "wahrnehmen", "sehen", "überzeugt sein", "wissen", "verstehen", "ableiten", "folgern", "errechnen", "wünschen", "beabsichtigen", "versuchen", "hoffen", "sich erinnern", "erwägen", "bezweifeln", "sich vorstellen", etc.
Hier interessieren diese Verben, insofern man sie dazu gebraucht, Zustände, Dispositionen, Prozesse des psychischen Apparats von Menschen (oder von anderen Lebewesen) zu beschreiben; insofern_sie zur Beschreibung von kognitiven Einstellungen oder Tätigkeiten verwendet werden. Was soll man nun unter "kognitiven Einstellungen und Tätigkeiten" verstehen? Wann sind Einstellungen und Tätigkeiten kognitiven Charakters? Was mit dem Adjektiv "kognitiv" gemeint ist, ist zu vage, als daß sich auf präzise Weise hinreichende und notwendige Bedingungen angeben lassen könnten, die den in den Sozialwissenschaften üblichen Gebrauch dieses Wortes einfangen könnten. Ein ungefähres Verständnis davon, wie "kognitiv" gebraucht wird, wie auch ich "kognitiv" in etwa verwenden werde, erhalten wir jedoch aus folgendem Zitat: Eine traditionelle, aber noch immer geläufige Vorstellung von Kognition neigt dazu, den Bereich der Kognition auf in deutlicher, eindeutiger Weise "intelligente" Prozesse und Produkte des menschlichen Geistes einzugrenzen. Diese Vorstellung beinhaltet solche höheren mentalen Prozesse wie Wissen, Bewußtsein, Intelligenz, Denken, Vorstellen, Kreativität, Entwicklung von Plänen und Strategien, Überlegen,
§ 1: Terminologische Vorbemerkungen
15
Symbolisieren, Erschließen, Problemlösen, Begrifflich-machen, Klassifizieren, Aufeinanderbeziehen, und vielleicht Fantasieren und Träumen.... Während kein zeitgenössischer Psychologe wohl irgendeine dieser traditionellen Komponenten aus dem kognitiven Bereich ausschließen will, könnte er oder si~ es doch für wünschenswert oder notwendig erachten, einige andere hinzuzufügen, .... Bestimmte Komponenten wären dann wohl von etwas geringerer, weniger rein zerebral-intellektueller Art. Organisierung der motorischen Bewegung (besonders bei Säuglingen), Wahrnehmung, mentale Bilder, Erinnerung, Aufmerksamkeit und Lernen sind mögliche Fälle. (Fiave/1, S. 2.)
Soviel zur Verwendungsweise des Adjektivs "kognitiv". Werden die Verben aus der am Beginn dieses Abschnitts aufgestellten Liste tatsächlich zur Bezeichnung kognitiver Einstellungen und Tätigkeiten verwendet? Daß manche der oben aufgeführten Verben tatsächlich so gebraucht werden, soll weiter unten gezeigt werden, in § 3. Werden die Verben aus der obigen Liste immer zur Bezeichnung kognitiver Einstellungen und Tätigkeiten verwendet? Eine solche Verwendungsweise scheint insbesondere mit dem Gebrauch der Verben in der 3. Person einherzugehen. Werden einige von ihnen in der 1. Person verwendet, sind sie wohl nicht unbedingt psychologisch deskriptiv. Sie dienen dann vielleicht eher dazu, "den Hörer auf die Sätze auszurichten, mit denen sie verbunden sind" (Urmson, S. 233), also auf die von ihnen regierten Nebensätze; sie dienen dazu, diese Sätze in einen emotionalen, sozialen, logischen Hintergrund einzuordnen, oder ihre Rechtfertigungsbasis aufzuzeigen. So dient etwa das "ich glaube" in dem Satz "Ich glaube, daß Peter zu Hause ist" dazu, anzuzeigen, daß man nicht alle Information hat, um sicher sein zu können, daß "Peter ist zu Hause" wahr ist. 1 Die Verben aus der oben aufgestellten Liste will ich "kognitive Verben'' nennen; eben deshalb, weil sie zur Bezeichnung kognitiver Tätigkeiten und Einstellungen verwendet werden. Die obige Liste läßt sich freilich durch HinzufUgung anderer Verben erweitern, die dem gleichen Zweck dienen. Kognitive Verben regieren entweder grammatische Objekte (wie in "Hans nimmt die Bewegung der Türklinke wahr") oder Nebensätze, etwa wie in "Hans nimmt wahr, daß die Türklinke sich bewegt" oder in "Hans bezweifelt, ob jemand aus dem Zimmer kommt". Im Folgenden werde ich kognitive Verben meistens innerhalb solcher Sätze betrachten, in denen sie mit "daß" eingeleitete Nebensätze regieren. Sätze, in denen kognitive Verben grammatische Objekte regieren oder andere Nebensätze als "daß"-Nebensätze, scheinen leicht überfUhrbar zu sein in gleichbedeutende Sätze, in denen die kognitiven Verben mit "daß" eingeleitete Nebensätze regieren.2 I
Urmson, S. 227.
16
I. Das Problem der logischen Analyse kognitiver Sätze
Von den folgenden terminologischen Konventionen werde ich später häufig Gebrauch machen: "kognitive Sätze" heißen solche Sätze, in denen kognitive Verben vorkommen. "Kognitiver Kontext" heißt der Teil des kognitiven Satzes, der entsteht, wenn wir den durch das "daß" eingeleiteten Nebensatz bis auf das "daß" fortlassen. So ist "Hans nimmt wahr, daß .. ." ein kognitiver Kontext. Ich sage, daß ein Ausdruck im kognitiven Kontext vorkommt, wenn er nach dem "daß" vorkommt, das den Nebensatz des kognitiven Satzes einleitet. Ich verwende "kognitives Verb" so, wie in der englischsprachigen Literatur der Ausdruck "expression for a propositional attitude"3 verwendet wird. Einer der Gründe dafür, warum ich nach einem anderen Ausdruck gesucht habe, ist, daß "expression for a propositional attitude" sich nicht gut wörtlich ins Deutsche übersetzen läßt. Zweitens geht aus dieser Ausdrucksweise nicht hervor, daß einige der Verben, die betrachtet werden sollen, Tätigkeiten beschreiben, etwa "erschließen", "errechnen", und nicht Einstellungen. Chisho/m 4 hat wohl als erster anstelle von "expression for a propositional attitude" den Ausdruck "intentional verb" verwendet. Diese Redeweise findet sich nunmehr auch häufig in der englischsprachigen Literatur. Mit dem Adjektiv "intentional" verbindet sich die Erinnerung an Brentano und Husser/, in deren Schriften es vorkommt.
Es scheint mir zwar, daß sich von der Frage nach einer logischen Analyse kognitiver Sätze, wie sie in der vorliegenden Schrift untersucht wird, Verbindungslinien ziehen lassen einerseits zu Problemen, die Brentano gestellt hat, als er ,psychische Phänomene' zu charakterisieren versuchteS, andererseits zu Problemen, die mit Husser/s Unternehmen zusammenhängen, zu erläutern, worin die ,Gerichtetheit' des Bewußtseins bestünde6. Bewußtseinserlebnisse, die "Bewußtsein von etwas" sind (Husser/, S. 73174), nannte Husserl "intentionale Erlebnisse". Man könnte nun alle die Verben "intentional" nennen, die intentionale Erlebnisse bezeichnen oder beschreiben. Diese Ausdrucksweise will ich jedoch hier nicht verwenden. Denn dann müßte ich eine nähere Auseinandersetzung mit Husserls Theorie leisten, wozu mir die Kompetenz fehlt. 2 Siehe hierzu Hintikka, ,Different Constructions in Terms of the Basic Epistemolocical Verbs', insbesondere S. 2. Zur Kritikdaransiehe Martin. 3 Dieser Ausdruck ist wohl von Russel/ in "An lnquiry into Meaning and Truth" zum ersten Mal verwendet worden, z. B. S. 18, S. 62. 4 In ,Sentences about Believing'. 5 Vgl. hierzu: Brentano, "Psychologie vom empirischen Standpunkt", S. 124-128. 6 Vgl. hierzu: Husser/, "Ideen", etwa§§ 84, 88, 89; vgl. auch: F~Jl/esda/, ,Husserl's Notion ofa Nomea'.
§ 1: Terminologische Vorbemerkungen
17
In den folgenden Betrachtungen will ich vollkommen von Komplikationen absehen, die sich durch den Gebrauch der Tempora ergeben.
(2) Einige Ausdrück~ zur Analyse von Syntax und Semantik von Sprachen: Ich gehe davon aus, daß sich Sätzen der natürlichen Sprache zuordnen lassen (i) Folgen von Ausdrücken eines syntaktischen Systems, (ii) eine Interpretation der Ausdrücke des syntaktischen Systems, die sogen~nnte "beabsichtigte Interpretation", und (iii) Bedingungen für die Wahrheit der Folge von Ausdrücken unter der beabsichtigten Interpretation. Was hiermit gemeint ist, will ich in diesem Abschnitt erläutern. Ein syntaktisches System (eine Syntax) umfaßt ein Vokabular und eine Grammatik.7 Elemente des Vokabulars, sowie Folgen von Elementen des Vokabulars, sind die Ausdrücke des syntaktischen Systems. Die Grammatik des syntaktischen Systems unterteilt die Menge aller seiner Ausdrücke in die Menge der wohlgeformten und die der nicht-wohlgeformten. Die Menge der wohlgeformten Ausdrücke unterteilt sie wiederum in Sätze, Formeln, Prädikate etc. Syntaktische Systeme, die später eine wichtige Rolle spielen werden, sind solche der quantifikationalen Syntax. Eine quantiflkationale Syntax ist ein Sieben-tupel . ,tn) ET. Sei nun G(a) ein Ausdruck des syntaktischen Systems, in dem u. U. die Konstante a vorkommt. G(xl a) ist der Ausdruck, der entsteht,wenn man alle Vorkommnisse von a in G(a) durch Vorkommnisse der Variablen x ersetzt. 7
8
Vgl. hierzu: van Fraassen, "Formal Semantics and Logic" , S. 28. Vgl. hierzu: van Fraassen, "Formal Semantics and Logic", S. 101.
2 Bühler
18
I. Das Problem der logischen Analyse kognitiver Sätze
Nunmehr können wir die Menge der Sätze definieren: S ist die kleinste Menge (die der Sätze des syntaktischen Systems), flir die gilt: Wenn Rn Prädikat ~on Stelligkeit n ist, t1, •• • , tn Terme sind, in denen keine Variablen vorkommen, dann gehören Rnt1 •. •tn und t1 = t2 zu S;
(i)
(ii) wenn A und B zu S gehören, dann gehören auch - A, (A&B), (AvB), (A-+B) zu S; (iii) gehöre G(a) zu S. Dann gehören auch (Ex)G(xla) und (Ux)G(xla) zu S. Wie oben gesagt, ordnen wir einem Satz der natürlichen Sprache eine Folge von Ausdrücken eines syntaktischen Systems zu, und zwar handelt es sich dabei um einen Satz des syntaktischen Systems. Sätze eines syntaktischen Systems als solche sind aber bedeutungslos, sie sagen uns nichts. Deshalb verbinden wir mit einem Satz der natürlichen Sprache weiterhin eine Interpretation, die Ausdrücken des syntaktischen Systems Dinge zuordnet, die durch diese Ausdrücke bezeichnet werden sollen. Eine solche Interpretation heißt "beabsichtigte Interpretation". Eine Interpretation ist in einem einfachen Fall eine geordnete Menge
J = (B,fo,fJ), woB ein Bereichyon Individuen oder Gegenständen ist, und
fo undiJ
Abbildungen sind, die bestimmten-Teilmengen von Ausdrücken des syntaktischen Systems Gegenstände aus B oder Relationen über B zuordnen.9 Betrachten wir den Satz der deutschen Sprache: Der Abendstern ist ein Planet.
(1)
Diesem Satz entspricht in einem syntaktischen System der quantifikationalen Syntax der Satz "Planet (Abendstern)". Eine Interpretation J = (B, fo,fi) müßte folgenden Bedingungen genügen, sollte sie die beabsichtigte Interpretation des syntaktischen Systems sein, dem wir (1) zuorden: (i) B hätte ein Individuenbereich zu sein, zu dem Planeten, u. a. der Abendstern, gehören; (ii)
9
fo
müßte eine Abbildung von den Individuenkonstanten des syntaktischen Systems nach B sein, flir die zu gelten hätte :fo ("Abendstern") = Abendstern;fi müßte eine Abbildung von den Prädikaten des syntaktischen Systems sein in die Menge aller Relationen über B, für die zu gelten hätte :fi ("Planet")= Menge aller Planeten. (Man beachte: Prädikaten vom Grad n werden n-stellige Relationen über B zugeordnet; Prädikaten vom Grad 1 werden 1-stellige Relationen über B zugeordnet, d. h. Teilmengen von B).
Vgl. hierzu etwa: van Fraassen, "Formal Semantics and Logic", S. 107-108.
§ 2: Das Problem der logischen Analyse kognitiver Sätze
19
Wann ist "Planet(Abendstern)" wahr unter der beabsichtigten Interpretation J? Offenbar genau dann, wennfo ("Abendstern") Element von.fi ("Planet") ist. 10 Dies ist die Bedingung der Wahrheit von "Planet(Abendstern)" unter J. Einem Satz der natürlichen Sprache lassen sich also zuordnen: (i)
ein Satz in einem syntaktischen System;
(ii) die beabsichtigte Interpretation für dies syntaktische System; und
(iii) die Bedingungen für dieWahrheitdes Satzes des syntaktischen Systems unter der beabsichtigten Interpretation. Wie man aus dem folgenden ersehen wird, bin ich der Auffassung, daß einige der sprachlichen Ausdrücke, die wir verwenden, etwas bezeichnen. Ich nehme etwa an, daß es mir gelingt, eine ganz bestimmte Person zu bezeichnen, wenn ich in einer geeigneten Situation den Eigennamen "Helmut Schmidt" gebrauche. Ich nehme weiter an, daß auch Prädikatausdrücke etwas bezeichnen; ob dies Mengen von Einzelgegenständen sind oder so etwas wie ,Eigenschaften', diese Frage kann ich hier nicht in adäquater Weise beantworten. Häufig gehe ich aber von der Annahme aus, Prädikatausdrücke bezeichneten Mengen von Einzelgegenständen. Das, was in dem eben erläuterten Sinne durch sprachliche Ausdrücke bezeichnet wird, nenne ich später häufig die .,Extension des Ausdrucks". § 2: Das Problem der logischen Analyse kognitiver Sätze
Im ersten Abschnitt dieses Paragraphen zeige ich, daß einige Prinzipien des logischen Polgens nicht in sprachlichen Umgehungen gelten, die von kognitiven Verben regiert werden. Dies veranlaßt zu folgenden Fragen: "Welche Argumente, die kognitive Sätze enthalten, sind gültig?" und "Worauf beruht ihre Gültigkeit?". Im zweiten Abschnitt dieses Paragraphen lege ich dar, warum man nach der logischen Analyse kognitiver Sätze fragen muß, wenn man angeben will, welche Argumente, die kognitive Sätze enthalten, gültig sind, und worauf ihre Gültigkeit beruht. So gelangen wir zu der Frage: ., Wie soll eine logische Analyse kognitiver Sätze aussehen?" Dies ist die Fragestellung der folgenden Abhandlung. (1) Logische Folgerungen in von kognitiven Verben regierten sprachlichen Umgehungen: Einige Prinzipien der logischen Folgerung gelten nicht in IO
2*
Siehe hierzu: Tarski, "Der Wahrheitsbegriff in den formalisierten Sprachen".
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I. Das Problem der logischen Analyse kognitiver Sätze
sprachlichen Umgehungen, die von kognitiven Verben regiert werden. Dabei handelt es sich unter anderem um folgende Prinzipien: (i) um das Ersetzungsprinzip fl.ir material äquvalente Sätze, und (ii) um das Ersetzungsprinzip für singuläre Terme, die in einer Identitätsbe-
hauptung vorkommen. t
ad (i): Betrachten wir folgendes gültige Argument:
(A-1) (2) Kopenhagen ist eine Stadt in Dänemark und Uppsala ist eine Stadt in Schweden. (3) Kopenhagen ist eine Stadt in Dänemark genau dann, wenn Kopenhagen eine Stadt in dem Land ist, über das der Vater des Harnlet als König herrschte. (4) Kopenhagen ist eine Stadt in dem Land, über das der Vater des Harnlet als König herrschte, und Uppsala ist eine Stadt in Schweden. Diesem Argument liegt das Ersetzungsprinzip fl.ir material äquivalente Sätze zugrunde: sei Sein Satz, etwa einer quantifikationalen Syntax, in dem Cl> als Teilsatz an einer besonders gekennzeichneten Stelle vorkommt. Gelte außerdem "Cl> -'I'" für einen Satz 'I'. Sei S' genauso wieS, außer daß das gekennzeichnete Vorkommnis von Cl> durch ein Vorkommnis von 'I' ersetzt wurde. Dann können wir S' aus S folgern. Sei nun mit "a" eine Person bezeichnet, die glaubt, daß Kopenhagen eine Stadt in Dänemark ist, die aber weiterhin glaubt, daß der Vater von Harnlet König von Schweden war. a glaubt also nicht, daß (3) der Fall ist. Dann sieht man sofort, daß das dem Argument A-1 entsprechende Argument A-2 nicht gültig ist: (A-2) (5) a glaubt, daß Kopenhagen eine Stadt in Dänemark ist. (3) Kopenhagen ist eine Stadt in Dänemark genau dann, wenn Kopenhagen eine Stadt in dem Land ist, über das der Vater des Harnlet als König herrschte. (6) a glaubt, daß Kopenhagen eine Stadt in dem Land ist, über das der Vater des Harnlet als König herrschte. Denn unter den gemachten Voraussetzungen sind die Prämissen des Arguments wahr, die Konklusion ist aber falsch. Das Ersetzungsprinzip fl.ir ma1 Weitere in kognitiven Kontexten problematische Folgerungsprinzipien sind das Ersetzungsprinzip flir logisch äquivalente Sätze und das Prinzip der Existenzgeneralisierung. Zum ersteren vgl. Carnap, "Meaning and Necessity", S. 53/54 und zum letzteren vgl. Hintikka, "Existential and Uniqueness Presuppositions" , S. 1171118.
§ 2: Das Problem der logischen Analyse kognitiver Sätze
21
terial äquivalente Sätze gilt also nicht in von "glauben" regierten Daß-Nebensätzen. ad (ii): Beispielhaft für die Anwendung des Ersetzungsprinzips für singu-
läre Terme, die in einer Identitätsbehauptung vorkommen, für das sogenannte Gesetz der Substituierbarkeit der Identität, ist folgendes gültige Argument: (A-3) (1) Der Abendstern ist ein Planet. (7) Abendstern
= Morgenstern.
(8) Der Morgenstern ist ein Planet. Allgemein läßt sich das Gesetz der Substituierbarkeit der Identität folgendermaßen formulieren: (t) und t t' läßt sich ll>(t'I t) logisch folgern.
=
Sei nun mit "a" eine Person bezeichnet, die glaubt, daß der Abendstern ein Planet ist, die aber nicht glaubt, daß Abendstern = Morgenstern, sondern etwa glaubt, der Morgenstern sei der Fixstern Sirius. Man sieht sofort, daß folgendes Argument nicht gültig ist: (A-4) (9) a glaubt, daß der Abendstern ein Planet ist. (7) Abendstern = Morgenstern.
(1 0) ,a glaubt, daß der Morgenstern ein Planet ist. Denn die Konklusion des Arguments ist falsch, beideseiner Prämissen aber sind wahr. Also ist auch das Gesetz der Substituierbarkeit der Identität in von "glauben" regierten Daß-Nebensätzen nicht gültig. (Sätze (9) und (10) sind mehrdeutig2: es ist möglich, sie so zu interpretieren, wie ich es getan habe, so daß A-4 zu einem ungültigen Argument wird. Zum
22
I. Das Problem der logischen Analyse kognitiver Sätze
anderen ist es aber denkbar, diese Sätze so zu interpretieren, daß A-4 ein gültiges Argument wird; (9) muß man dann als (9') a glaubt vom Abendstern, daß er ein Planet ist. interpretieren und (10) als (1 0') a glaubt vom Morgenstern, daß er ein Planet ist.
Mehr hierzu in § 4, (1), in § 5, (2), und in § 7, (1)). Bisherwurde anhand von Beispielen allein gezeigt, daß zwei Prinzipien der logischen Folgerung in "Daß"-Nebensätzen, die von "glauben" regiert werden, nicht gelten. Anhand weiterer Beispiele ließe sich darlegen, daß die zwei Prinzipien auch nicht in sprachlichen Umgehungen zutreffen, die von anderen kognitiven Verben regiert werden. 3
(2)Die Frage nach der logischen Analyse kognitiver Sätze: Offenbar sind einige Prinzipien des logischen Folgerns nicht ohne Einschränkungen für Argumente gültig, die kognitive Sätze enthalten. Einige Argumente, die kognitive Sätze enthalten und diese Prinzipien exemplifizieren, stellen sich - wie wir eben gesehen haben- als ungültig heraus. Welche Argumente, die kognitive Sätze enthalten, sind nun aber gültig? Woraufberuht die Gültigkeit solcher Argumente? Bevor ich diese Fragen weiterverfolge, will ich in Erinnerung bringen, was es heißt, wenn man von einem Argument sagt, es sei gültig. Ein Argument ist eine Folge von endlich viel, sagen wir n Sätzen aus einer bestimmten Sprache. Die ersten n - 1 Sätze heißen "Prämissen", der n-te Satz "Konklusion". Ein Argument ist gültig genau dann, wenn zwischen seinen Prämissen und seiner Konklusion die Relation der logischen Folgerung vorliegt. Angenommen, wir könnten Prämissen und Konklusion dadurch charakterisieren, daß wir ein syntaktisches System beschreiben und Sätze daraus den Prämissen und der Konklusion zuordnen; weiterhin sei angenommen, wir wüßten, wie wir zwischen den logischen Konstanten und den deskriptiven Konstanten dieses syntaktischen Systems zu unterscheiden hätten. "Logische Folgerung" eines Satzes K aus einer Satzmenge M wird dann so definiert : Kjolgt logisch aus M genau dann, wenn gilt: wie immer auch die deskriptiven Konstanten, die in denK und den Sätzen von M entsprechenden Sätzen des syntaktischen Systems vorkommen, interpretiert 2 Vgl. hierzu : Quine, "Quantifiers and Propositional Attitudes" ; aus der neueren Literatur insbesondere: Burge, "Belief De R e". 3 Für "glauben" und "wissen": Frege, "Sinn und Bedeutung" und Chisholm, "Sentences about Believing" ; für Ausdrücke, die sich auf die Wahrnehmungstätigkeit beziehen, vgl. Anscombe, "The Intentionality of Sensation : A Grammatical Feature".
§ 2: Das Problem der logischen Analyse kognitiver Sätze
23
werden, falls die den Sätzen von M entsprechenden Sätze des syntaktischen Systems unter einer Interpretation wahr sind, ist der K entsprechende Satz des syntaktischen Systems unter derselben Interpretation wahr.4 Will man nun feststellen, ob logische Folgerung zwischen den Prämissen und der Konklusion eines gegebenen Arguments vorliegt, muß man offenbar über vier Dinge Bescheid wissen: (i) man muß ein syntaktisches System beschreiben können, Sätze aus dem man den Sätzen des Arguments zuordnet; diese zuzuordnenden Sätze nenne ich die , , logischenFormen' '5 von Prämissen und Konklusion; (ii) man muß in dem syntaktischen System zwischen den logischen und deskriptiven Zeichen unterscheiden können; (iii) man muß wissen, Interpretationen welcher Art dem syntaktischen System zugeordnet werden können, also welche Interpretationen sogenannte "zulässige Interpretationen" für das syntaktische System sind; und (iv) muß man wissen, wann ein Satz des syntaktischen Systems, eine logische Form also, in einer zulässigen Interpretation wahr ist. Anders ausgedrückt: man muß wissen, was die Bedingungen der Wahrheit eines Satzes des syntaktischen Systems unter einer zulässigen Interpretation sind. Weiß man über diese vier Dinge ftir eine Klasse von Sätzen einer natürlichen Sprache Bescheid, so will ich sagen, kenne man die logische Analyse dieser Sätze. Wenn man ftir Sätze einer natürlichen Sprache die Fragen stellt: (i) "Welche Sätze aus welchem syntaktischen System sind den Sätzen der natürlichen Sprache zuzuordnen?" (ii) "Wie wird in diesem syntaktischen System zwischen logischen Konstanten und deskriptiven Konstanten unterschieden?" (iii) "Welches sind die zulässigen Interpretationen des syntaktischen Systems?" und (iv) "Was sind die Bedingungen der Wahrheit eines Satzes des syntaktischen Systems unter einer zulässigen Interpretation?" dann heißt dies also, daß man die Frage nach der logischen Analyse dieser Sätze der natürlichen Sprache stellt. Noch eine Bemerkung zum Gebrauch von "logische Form": die logische Form eines Satzes der natürlichen Sprache wird hier so bestimmt, daß wir sie als die dem Satz zugrundeliegende syntaktische Form betrachten können, die für das Vorliegen der Folgerungsbeziehungen zwischen Sätzen der natürlichen Sprache ausschlaggebend ist. Ich unterscheide also zweierlei: (1) Sätze der natürlichen Sprache;
(2) Sätze eines syntaktischen Systems, die wir den Sätzen der natürlichen Sprache zuordnen als ausschlaggebend ftir das Vorliegen der Beziehung von logischer Folgerung. 4 Zur Folgerungsdefinition siehe Tarski, "Concept of Logical Consequence" ; vgl. auch Hermes, "Zum Folgerungsbegrift''. 5 Zur Definition von "logischer Form" vgl. Harman, "Logical Form", S. 39-43. Die hier gegebene. Definition ist nicht identisch mit der Harmans.
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I. Das Problem der logischen Analyse kognitiver Sätze
Ein Satz der Art (2) ist die logische Form eines Satzes der natürlichen Sprache. Dabei gehe ich davon aus, daß zwei verschiedenen Sätzen des Systems, dem die logischen Formen angehören, im Allgemeinen zwei verschiedene Sätze der natürlichen Sprache entsprechen. Sofern nun die logischen Formen von Sätzen der natürlichen Sprache einer quantifikationalen Syntax angehören, werden die oben aufgeführten Fragen (ii), (iii), (iv) folgendermaßen beantwortet: als zulässige Interpretation der quantifikationalen Syntax gilt ein Quadrupel IJ), fo,fi ,f2 }, wo deine nichtleere Menge ist, der Individuenbereich der Interpretation. fo ist eine Funktion von der Menge der Konstanten der quantifikationalen Syntax nach D. fi ist eine Funktion, die jedem Funktionssymbol g der quantifikationalen Syntax ein Operation gD über D zuordnet, derart, daß gD eine n-stellige Operation über D ist, falls g ein n-stelliges Funktionssymbol ist. f2 ist ebenfalls eine Funktion; sie ordnet jedem nicht-logischen Prädikatsymbol der quantifikationalen Syntax eine Relation über D zu; wenn Pein n-stelliges Prädikatsymbol ist, dann wird P eine n-stellige Funktion über D zugeordnet. Aus der Definition einer zulässigen Interpretation der quantifikationalen Syntax geht hervor, was als logische Konstanten zu betrachten sind: das sind diejenigen Zeichen der quantifikationalen Syntax, die durch ihre zulässigen Interpretationen nicht gedeutet werden. Auf rekursive Weise laßt sich dann "Wahrheit eines Satzes der quantifikationalen Syntax in einer zulässigen Interpretation" definieren. Dies geht auf folgende Weise vor sich:
T' sei die Mengeall der Terme, in denen keine Variablen vorkommen. Wir definieren zunächst eineFunktionsvon der Menge T' in die Menge D, den Individuenbereich der Interpretation: (a) wenn a eine Konstante ist, dann ist s(a)
= fo(a);
(b) wenn t 1, . •• , tn e T',g ein n-stelliges Funktionssymbol ist, dann gilt: s(g(t1, · · · ' tn)) = Ji(gXs(tl), · · · ' s(tn)). Wir haben natürlich: fi(gXs(t 1), .•. , s(tn)) = gD(s(t1), .•• , s(tn)). Jetzt können wir die Wahrheit eines Satzes von S in einer Interpretation J folgendermaßen definieren: (i) Rnt1 ..• . tn ist wahr in J genau dann, wenn (s(tl), .. . .. , s(tn)}eJ2(Rn); (ii) seien A und B Sätze von S; dann ist
-A wahr in J gdw. A nicht in J wahr ist;
(A&B) wahr in J gdw. A und B beide wahr sind in J; (AvB) wahr in J gdw. A wahr ist in JoderB wahr ist in J;
§ 2: Das Problem der logischen Analyse kognitiver Sätze
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(A-+B)wahr inJ gdw. es nicht der Fall ist, daßA wahrist inJundBnicht wahr in J ist; (iii) sei G(a) ein Satz von S, sei a eine Konstante; komme x nicht in G(a) vor; dann ist (Ux)G(xl a) genau dann wahr in J, wenn G(a) wahr ist in J flir alle Funktionen / 0, die sich vonfo höchstens dadurch unterscheiden, daßjQ(a) ~ f0(a); (Ex)G(xl a) ist wahr in J gdw. G(a) wahr ist in J für mindestens eine solche Funktion / 0. Am Anfang dieses Abschnittes hatte ich gefragt, welche Argumente, die kognitive Sätze enthalten, gültig seien und worauf die Gültigkeit solcher Argumente beruhe. Aus dem, was gerade gesagt wurde, geht hervor, daß sich diese Fragen beantworten lassen, wenn man feststellt, wann die Relation der logischen Folgerung zwischen den Prämissen solcher Argumente und ihren jeweiligen Konklusionen vorliegt. Um dies feststellen zu können, müssen wir dazu in der Lage sein, (i) kognitiven Sätzen einer natürlichen Sprache Sätze eines bestimmten, von uns zu beschreibenden syntaktischen Systems zuzuordnen; also ihre logischen Formen aufzudecken; (ii) zwischen den deskriptiven und den logischen Konstanten dieses Systems zu unterscheiden; (iii) die Menge der zulässigen Interpretationen für dieses syntaktische System abzugrenzen und (iv) die Bedingungen flir die Wahrheit eines Satzes des syntaktischen Systems unter einer zulässigen Interpretation anzugeben. Um beantworten zu können, wann die Relation der logischen Folgerung zwischen den Prämissen von Argumenten, die kognitive Sätze enthalten, und ihren jeweiligen Konklusionen vorliegt, müssen wir also die Frage nach der logischen Analyse kognitiver Sätze stellen. Dies ist die zentrale Fragestellung der vorliegenden Arbeit. Wie kann man nun vorgehen, will man die Frage nach der logischen Analyse kognitiver Sätze beantworten? Wir fragen nach der logischen Analyse kognitiver Sätze einer natürlichen Sprache. Offenbar müssen wir berücksichtigen, was in diesen Sätzen behauptet wird, und worauf sich in diesen Sätzen vorkommende Ausdrücke beziehen. Deswegen müssen wir, wenn wir die logische Form kognitiver Sätze aufdecken, auch feststellen, welches die beabsichtigte Interpretation der logischen Form ist, und angeben, was die Bedingungen der Wahrheit der logischen Form unter der beabsichtigten Interpretation sind. Sodann muß man noch angeben, wie in dem Syntaktischen System, dem die logischen Formen kognitiver Sätze angehören, zwischen logischen und deskriptiven Konstanten unterschieden wird; welches die zulässigen Interpretationen flir das syntaktische System sind; und schließlich,
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I. Das Problem der logischen Analyse kognitiver Sätze
welches die Wahrheitsbedingungen unter einer zulässigen Interpretation im allgemeinen sind. Sollte es sich jedoch ergeben, daß die logischen Formen kognitiver Sätze einer quantifikationalen Syntax angehören, und daß die beabsichtigte Interpretation der logischen Formen kognitiver Sätze eine zulässige Interpretation einer quantifikationalen Syntax ist, so wissen wir (i), wie zwischen deskriptiven und logischen Konstanten zu unterscheiden ist, und (ii) welches die Wahrheitsbedingungen eines Satzes der quantifikationalen Syntax unter einer zulässigen Interpretation sind. Die Frage, was die Wahrheitsbedingungen kognitiver Sätze unter der beabsichtigten Interpretation sind, braucht man dann nicht eigens zu behandeln. Wenn wir die logischen Formen kognitiver Sätze aufdecken wollen, dann -so habe ich oben gesagt-, müßten wir feststellen, was die beabsichtigte Interpretation der logischen Formen sei. Es stellt sich nun freilich die Frage, wie von dieser beabsichtigten Interpretation Kenntnis zu erhalten sei. Hierfür müssen wir wohl berücksichtigen, welche Auffassungen theoretischer Art implizit in unserer umgangssprachlichen Verwendung kognitiver Sätze zum Tragen kommt. Dies werden Auffassungen sein, die kognitive Einstellungen und Tätigkeiten einerseits, die ,.,Gegenstände" dieser Einstellungen und Tätigkeiten andererseits betreffen. Eine logische Analyse hat also solche Auffassungen über kognitive Einstellungen und Tätigkeiten und ihre Gegenstände zu berücksichtigen- so scheint es-, wie sie dem Gebrauch der kognitiven Sätze zugrundeliegen~ Zu der hier entwickelten Fragestellung will ich abschließend drei Bemerkungen machen. (1) Das Problem einer logischen Analyse kognitiver Sätze stellt sich als Teil des allgemeineren Problems einer logischen Analyse aller Sätze mit ungerader Rede (Freges Ausdrucksweise) oder mit referentiell opaken Satzteilen (Quines Ausdrucksweise). Insbesondere gehören hierher auch die Sätze, die Modalitäten enthalten wie "es ist notwendig, daß", "es ist möglich, daß" etc. Sind solche Sätze genauso zu analysieren wie kognitive Sätze? Welches Licht wirft eine logische Analyse dieser Sätze auf das Problem der logischen Analyse kognitiver Sätze? Diesen Fragen will ich in dieser Arbeit nicht nachgehen.
(2) In der Form, in der das Problem der logischen Analyse kognitiver Sätze hier gestellt wurde, sind zunächst alle Fragen ausgeklammert, .die mit einer intersubjektiven Überprüfung kognitiver Sätze und ihrer eventuellen Verifizierung zu tun haben. Auch aus der Charakterisierung kognitiver Verben und Sätze in § 1 kann unmittelbar nichts gefolgert werden, was die Überprüfbarkeitsproblematik betrifft. Und außerdem: wenn wir eine zufriedenste!-
§ 3: Kognitive Argumente in der Psychologie
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Iende Analyse kognitiver Sätze mit der zugehörigen Wahrheitsdefinition vorliegen hätten, wäre durch sie nicht unbedingt etwas impliziert, was Rückschlüsse über die intersubjektive Überprüfbarkelt kognitiver Sätze zuließe. (3) Abschließend eine Bemerkung zur Beziehung zwischen der syntaktischen Gestalt eines Satzes einer natürlichen Sprache (wenn er schriftlich oder mündlich vorgebracht wird) und seiner logischen Form: die logische Form eines Satzes einer natürlichen Sprache wurde hier so bestimmt, daß wir sie als die dem Satz zugrundeliegende syntaktische Form betrachten können, die für das Vorliegen der Folgerungsbeziehung zwischen Sätzen der natürlichen Sprache ausschlaggebend ist. Diese syntaktische Form braucht nun nicht identisch zu sein mit der syntaktischen Gestalt des Satzes bei seiner schriftlichen oder mündlichen Produktion; im allgemeinen wird dies nicht der Fall sein. 6 Sofern die syntaktische Gestalt des Satzes der natürlichen Sprache und seine logische Form aber nicht dieselben sind, stellt sich die Frage, wie beide denn aufeinander bezogen sind. In den letzten Jahren wurde von vielen Autoren angenommen, die logische Form von Sätzen sei identisch mit oder doch zumindest ähnlich zu ihrer Tiefenstruktur. 7 Gegeben die Tiefenstruktur eines Satzes, können wir die Regeln einer Transformationsgrammatik auf sie anwenden und erhalten den Satz der natürlichen Sprache.s Die Frage nach der Tiefenstruktur eines Satzes betrachte ich als eine Frage der empirischen Wissenschaft. Wenn nun die logische Form eines Satzes der natürlichen Sprache etwas Ähnliches ist wie seine Tiefenstruktur, dann ist die Frage nach seiner logischen Form auch eine Frage der empirischen Wissenschaft. Zumindest was diesen Aspekt des Problems der logischen Analyse kognitiver Sätze angeht, ist unser Problem also der empirischen Wissenschaft zugehörig und nicht ein Problem einer ,reinen' Philosophie, die nichts mit einzelwissenschaftlichen Fragestellungen zu tun hat, oder sich etwa als diesen Fragestellungen ,vorgängig' begreift. § 3: Kognitive Argumente in der Psychologie
Argumente, in denen kognitive Sätze vorkommen (kurz: "kognitive Argumente"), werden in den Sozialwissenschaften, etwa in Psychologie und Soziologie oft verwendet. Die Frage "Was ist als zufriedenstellende logische 6 Vgl. die Analyse von Sätzen wie "Niemand ist anwesend" in einer quantifikationalen Syntax als: "Es ist nicht der Fall, daß es ein x gibt derart, daß x anwesend ist." 7 Hierzu Fodor, Janet. D., "Semantics" , S. 60 und die dort angegebene Literatur; gegen eine Identifikation von Tiefenstruktur und logischer Form argumentiert Bresnan, ,Transformations and Categories'. s Vgl. hierzu etwa: Bach, "Syntactic Theory", Kap. 5 und 5.
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I. Das Problem der logischen Analyse kognitiver Sätze
Analyse kognitiver Sätze anzusehen?" besitzt deswegen Bedeutung für die Beurteilung der Argumentationspraxis in den Sozialwissenschaften. Eine Antwort auf die Frage nach der logischen Analyse kognitiver Sätze muß uns nämlich die Mittel an die Hand geben, in diesen Wissenschaften vorgebrachte kognitive Argumente auf ihre Gültigkeit hin einzuschätzen und zu überprüfen. Wer Antwort auf die Frage nach der logischen Analyse kognitiver Sätze geben kann, der kann angeben, welche Argumente, in denen kognitive Sätze vorkommen, gültig sind, und warum sie gültig sind; wer dies angeben kann, ist dazu imstande, eine Praxis der Argumentation unter Verwendung kognitiver Sätze zu rechtfertigen oder aber mit kritischen Einwänden zu korrigieren. Um begründetermaßen behaupten zu können, daß die Frage nach der logischen Analyse kognitiver Sätze Bedeutung für die Beurteilung der Argumentationspraxis in den Sozialwissenschaften hat, muß gezeigt werden, daß in den Sozialwissenschaften die Gültigkeit kognitiver Argumente bei der Argumentation vorausgesetzt wird. Deswegen werde ich in diesem Paragraphen nachweisen, daß in einer der Sozialwissenschaften, in der Psychologie nämlich, kognitive Argumente verwendet werden. Ich erbringe den Nachweis für diese Behauptung dadurch, daß ich einschlägige Beispiele kognitiver Argumente aus dieser Disziplin aufführe. Kognitive Argumente enthalten kognitive Sätze. In kognitiven Sätzen kommen Ausdrücke vor wie "glauben", "wahrnehmen", "verstehen", "interpretieren", "wünschen", "nach etwas streben", "versuchen, ein Ereignis herbeizuführen". Nicht nur im Alltag, sondern auch in Psychologie und Soziologie verwenden wir Sätze, die solche Ausdrücke enthalten, um die ,subjektive Realität' von Personen oder Personengruppen zu beschreiben, d. h. um zu beschreiben, wie die Welt diesen Personen oder Personengruppen erscheint. Mit dem Ausdruck "subjektive Realität" möchte ich dreierlei andeuten: (a) daß Personen Meinungen, Wahrnehmungen, Interpretationen haben über sich und ihre Umwelt; (b) daß sie allgemeine Zielvorstellungen haben, sich selbst, ihr eigenes Verhalten und ihre Umwelt (so wie sie sie wahrnehmen) bewerten, und (c) daß sie unmittelbare Handlungsziele auswählen. Nun geht es Psychologie und Soziologie, sofern sie sich mit der ,subjektiven Realität' von Personen oder Personengruppen befassen, nicht nur um eine bloße Beschreibung dieser ,subjektiven Realität'. Es geht ihnen vielmehr insbesondere darum, nach den kausalen Bestimmungsgründen dieser ,subjektiven Realität' zu suchen, d. h. allgemeine theoretische Sätze zu finden, die angeben, wovon Ausformungen der ,subjektiven Realität' abhän-
§ 3: Kognitive Argumente in der Psychologie
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gen. Außerdem suchen sie nach allgemeinen theoretischen Sätzen, die angeben, ob und inwiefern bestimmte Merkmale der ,subjektiven Realität' von Personen in systematischem Zusammenhang mit anderen Merkmalen der ,subjektiven Realität' derselben Personen stehen; schließlich, ob und inwiefern bestimmte Merkmale der ,subjektiven Realität' von Personen Kausalfaktoren für Ereignisse in der ,objektiven Realität' sind, insbesondere dafür, wie sich das Verhalten der Personen ausgestaltet. Ein solches Programm liegt- wie mir scheint- den sogenannten ,kognitiven' Theorien von Psychologie und Soziologie zugrunde (im folgenden beschränke ich mich auf Theorien, die man der Psychologie zurechnen wird). Ich behaupte nun, daß Bereiche, in denen man allgemeine theoretische Sätze der eben beschriebenen Art aufstellt und überprüft, zu den Bereichen zählen, in denen kognitive Argumente beim logischen Folgern eine Rolle spielen. Wir werden nämlich sehen, daß solche allgemeinen theoretischen Sätze kognitive Sätze sind, d. h. daß sie kognitive Verben enthalten. Diese allgemeinen theoretischen Sätze werden in verschiedenen Argumentationszusammenhängen benutzt. Insbesondere wird man sie in Erklärungsargumenten, Vorhersageargumenten und technologischen Argumenten verwenden, also immer dann, wenn man sie für Erklärungszwecke, Vorhersagezwecke und für die Erstellung technologischer Satzsysteme heranzieht. Für verschiedene allgemeine theoretische Sätze soll aufgezeigt werden, daß in ihnen kognitive Verben vorkommen, und unter ihrer Verwendung zustandegekommene kognitive Argumente sollen dargestellt werden. So wird nachgewiesen, daß in den Sozialwissenschaften kognitive Argumente vorkommen. (1) Kognitive Argumente bei der Verwendung der Theorie der kognitiven Dissonanz: Als erstes Beispiel für allgemeine theoretische Sätze, die kognitive
Verben enthalten, soll einer der zentralen Sätze der Theorie der kognitiven Dissonanz (kurz: "Dissonanztheorie") von Festinger dienen. Dieses Beispiel wird hier deswegen gewählt, weil die Dissonanztheorie während der letzten zwanzig Jahre in Psychologie und Soziologie sehr einflußreich war und die experimentelle Forschung angeregt hat. Wenn man zeigen kann, daß mit der Verwendung der Dissonanztheorie die Verwendung kognitiver Argumente verbunden ist, so deutet dies an, daß die Verwendung kognitiver Argumente in den heutigen Sozialwissenschaften kein peripheres Phänomen ist. Zunächst soll einer der zentralen Sätze der Dissonanztheorie erläutert werden; ein kognitives Argument, das bei seiner Verwendung für Vorhersagezwecke entsteht, werden wir im Anschluß daran kennenlernen.
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I. Das Problem der logischen Analyse kognitiver Sätze
Zu den wichtigsten Ausdrücken der Theorie der kognitiven Dissonanz gehört "Element der Kognition" (bzw. "kognitives Element"). Meinungen, Werte, Einstellungen sind alle Elemente der Kognition (vgl. Festinger, "Cognitive Dissonance", S. 10). Elemente der Kognition sind "Dinge, die eine Person über sich selbst weiß, über ihr eigenes Verhalten, über ihre Umwelt" ("Cognitive Dissonance", S. 9). Unter einem Element der Kognition wird man also einen Glaubensinhalt oder einen Wissensinhalt verstehen können, der zu einem bestimmten Zeitpunkt bei einer Person vorliegt. Ein Glaubensinhalt einer Person (bzw. ein Wissensinhalt) ist ein ,Inhalt', der von der Person geglaubt wird (bzw. gewußt wird). Ein Denkinhalt einer Person soll allgemein ein Inhalt sein, der von der Person ,vorgestellt' wird: dabei kann es sich um den Inhalt einer Wahrnehmung, eines Glaubens, eines Zweifels, einer Erwägung etc. handeln. Kognitive Elemente gehören somit zu den Denkinhalten einer Person.1
Festinger zählt ftinf Relationen auf, die zwischen kognitiven Elementen einer Person bestehen können: Folgerung, Dissonanz, Konsonanz, Relevanz, Irrelevanz. Für das Verständnis der Theorie, wie es hier erreicht werden soll, sind die Charakterisierungen von Folgerung, Dissonanz und Konsonanz allein wichtig. Aus Gründen, die ich später aufführe, betrachte ich Konsonanz, Dissonanz und Folgerung allgemein als Relationen zwischen Denkinhalten, nicht nur zwischen kognitiven Elementen. Grundlegend ist die Charakterisierung der Folgerung. Um Folgerung im Sinne der Dissonanztheorie von gewöhnlicher logischer Folgerung abzuheben, wollen wir sie "kognitive Folgerung" nennen. Bevor ich angebe, was unter kognitiver Folgerung zu verstehen ist, will ich Arten von Beziehungen aufzählen, die zwischen den Sätzen einer Sprache bestehen können; "" und "'I'" sollen für Sätze einer Sprache stehen. Dann kann (i) logisch aus 'I' folgen ; (ii) analytisch aus 'I' folgen; d. h. kann aus 'I' und Bedeutungsregeln ftir in und 'I' verwendete Ausdrücke logisch folgen; (iii) deontisch konkordant sein mit 'I'; d. h. falls 'I' ein normativer Satz ist, ein Satz, der das Verhalten einer Person beschreibt, und das beschrie1 Die hier vorgenommene Charakterisierung von Denkinhalten ist vorläufig und unvollständig. Die Charakterisierung von Denkinhalten ("Gedanken" ) wird uns im zweiten Teil dieser Arbeit, in § 4, und in § 6 beschäftigen.
§ 3: Kognitive Argumente in der Psychologie
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bene Verhalten der Norm entspricht, dann ist ci> deontisch konkordant mit 'I'. Alle drei Beziehungen zwischen Sätzen wollen wir fl.ir den Moment Beziehungen der "objektiven Folgerung" nennen. Auch die Beziehung zwischen ci> und 'I', die vorliegt, falls ci> aus {'I'} v r logisch oder analytisch folgt, wo reine Menge von Sätzen ist, wollen wir "objektive Folgerung" zwischen ci> und 'I' nennen; ci> folgt aus 'I' und ,Hintergrundwissen' r. Wir wollen annehmen, die eben definierte Relation der objektiven Folgerung ließe sich auch als Relation zwischen Denkinhalten betrachten, könne auch zwischen Denkinhalten bestehen. Kognitive Folgerung zwischen Denkinhalten p und q läßt sich dann so definieren: ein Denkinhalt p folgt kognitiv aus einem Denkinhalt q genau dann, wenn die Person glaubt, daß p aus q objektiv folgt. Kognitive Folgerung ist also Perzeption objektiver Folgerung zwischen Denkinhalten. Die Person glaubt, daß objektive Folgerung zwischen Denkinhalten vorliegt, ,wobei wohl nicht zu fordern ist, daß sie bestimmte Annahmen über die Art der objektiven Folgerung hat, d. h. daß sie weiß, ob es sich um logische Folgerung dreht, analytische Folgerung oder deontische Konkordanz. Die hier gegebene Definition von kognitiver Folgerung entspricht nur teilweise Festingers Intentionen. Dazu folgende Erläuterung: (a) Hier werden vier verschiedene Bedeutungen von "folgen aus" vorausgesetzt, nämlich: logisch folgen, analytisch folgen, deontisch konkordant sein, folgen aufgrund von Hintergrundwissen. Dies entspricht Festingers Ausführungen. Denn aufS. 14 in "Cognitive Dissonance" unterscheidet Festinger diese vier verschiedenen Bedeutungen von "folgen aus" (er verwendet dabei eine andere Terminologie als die hier gebrauchte): leicht wird man logische Folgerung und deontische Konkordanz dort unter 1. und 2. wiedererkennen; anstatt von "analytischer Folgerung" spricht Festinger von "per definitionem enthalten sein" und "Teil des Begriffs sein" (Punkt 3); als vierten Punkt hebt Festinger allein "folgen aufgrund von ,vergangener ErfahruJ:?.g'" hervor; wenn ich von "folgen aufgrund von Hintergrundwissen" spreche, so scheint dies eine zulässige Verallgemeinerung darzustellen. (b) Was immer auch man unter "Denkinhalten" verstehen mag, so scheint mir in jedem Fall die Möglichkeit zu bestehen, daß eine der verschiedenen Folgerungsarten zwischen Denkinhalten einer Person vorliegt, ohne daß die Person um das Bestehen dieser Folgerung wissen muß. An einer Stelle wird dies von Festinger explizit auch zugestanden: "Das Umgekehrte des Einen folgt vom Anderen aus logischen Gründen in den Denkprozessen
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I. Das Problem der logischen Analyse kognitiver Sätze
der Person." ("Cognitive Dissonance", S. 14; Hervorhebung von mir). Aber sonst scheint Festinger den Unterschied zwischen kognitiver Folgerung und objektiver Folgerung nicht zu machen; insofern entspricht wohl die hier gegebene Definition kognitiver Folgerung nicht Festingers Absichten. Dissonanz und Konsonanz lassen sich nunmehr wie folgt erläutern: zwei Denkinhalte ·p und q einer Person sind genau dann miteinander konsonant, wenn entwederpaus q kognitiv folgt, oder q aus p kognitiv folgt; zwei Denkinhalte p und q einer Person sind dissonant miteinander genau dann, wenn nicht-paus q kognitiv folgt. Dabei wollen wir annehmen, daß es eine der Negationsoperationen für Sätze entsprechende Negationsoperation für Denkinhalte gibt. Diese Operation wird hier durch "nicht" bezeichnet, anstelle des "non", das in dieser Arbeit für die Negationsoperation für Sätze verwendet wird. Dissonanz zwischen zwei kognitiven Elementen bedeutet also: eine Person glaubt oder weiß, daß p; sie glaubt oder weiß, daß q; und sie glaubt, daß nicht-p aus q objektiv folgt.2 Daß kognitive Folgerung keine Relation zwischen kognitiven Elementen ist, sondern zwischen Denkinhalten allgemein, geht aus folgender Überlegung hervor. Wenn zwei kognitive Elemente p und q miteinander dissonant sind, dann folgt nicht-p kognitiv aus q. p und q sind kognitive Elemente einer Person, d. h. die Person glaubt oder weiß, daß p, sie glaubt oder weiß, daß q. Normalerweise ist davon auszugehen, daß sie dann nicht glaubt oder weiß, daß nicht-p. Nicht-p ist also kein kognitives Element der Person, ist aber doch Inhalt ihres Denkens. Das heißt, kognitive Folgerung besteht nicht allein zwischen kognitiven Elementen einer Person, sondern allgemein zwischen ihren Denkinhalten. Da Konsonanz und Dissonanz unter Rückgriff a1:1f kognitive Folgerung definiert sind, müssen wir sie auch als Relationen über den Denkinhalten einer Person auffassen. Es gibt unterschiedliche Stärkegrade oder Größen der Dissonanz: der Stärkegrad, die Größe der Dissonanz hängt ab von der Bedeutung, welche die zueinander dissonanten Elemente für die Person haben. Dissonanz, oder eigentlich Stärke der Dissonanz, läßt sich reduzieren: dies geschieht dadurch, daß sich entweder die kognitiven Elemente der Person ändern, oder dadurch, daß zu den kognitiven Elementen der Person neue hinzugefügt werden. 2
Die hier durchgeführte Analyse von Dissonanz und Konsonanz scheint der Analyse von
Irle, "Lehrbuch" , S. 312/313 zu entsprechen. Irle, S. 312, spricht von "Kognitionen theoretischer abstrakter Realitäten in einer Beziehung von je zwei Kognitionen konkreter Realitäten".
§ 3: Kognitive Argumente in der Psychologie
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Die uns interessierende zentrale Hypothese der Theorie der kognitiven Dissonanz lautet nun in Festingers Formulierung folgendermaßen: (11) "Das Vorliegen von Dissonanz, da psychologisch unangenehm, wird die Person motivieren, zu versuchen, die Dissonanz zu reduzieren und Konsonanz zu erreichen." ("Cognitive Dissonance", S. 3). Da Festinger unter "Dissonanz" eine Relation zwischen den kognitiven Elementen einer Person versteht, kann man (11) wohl durch (12) ersetzen: (12) Das Vorliegen von Dissonanz zwischen zwei kognitiven Elementen, da psychologisch unangenehm, wird die Person motivieren, zu versuchen, die Dissonanz zwischen diesen Elementen zu reduzieren und Konsonanz zu erreichen. Betrachten wir nun folgende (vereinfachte) Situation: Herr Meier will ein Auto kaufen. Er schwankt zwischen den Automarken A und B. Er möchte, daß ein von ihm gekauftes Auto vier Anforderungen erfl.illt: (a) daß es schnell ist (mindestens 180 km/h); (b) daß die Lieferzeit zwei Wochen nicht übersteigt; (c) daß die Anschaffungskosten nicht höher sind als DM 18.000,-; (d) daß es in Erhaltung und Betrieb sparsam ist. Automarke A erfüllt (a), (c), (d); Automarke B erfüllt (b), (c), (d). Aus Gründen, die uns hier nicht weiter interessieren, kauft Meier ein Auto der Marke B. Nach dem Kaufweiß Meier, daß er ein langsames Auto gekauft hat. Weiterhin weiß er, daß er eigentlich Schnelligkeit von einem von ihm gekauften Auto verlangt. Meier hat also als ein kognitives Element: "Ich habe ein langsames Auto gekauft." (KE 1) und als anderes kognitives Element: "Wenn ich ein Auto kaufe, dann soll es schnell sein." (KE 2).. Wir wollen annehmen, daß der Gedankeninhalt: "Ich habe ein schnelles Auto gekauft" die ,Negation' von KE 1 ist. Deswegen gilt: mit KE 2 ist nicht-KE 1 deontisch konkordant; also folgt nicht-KE 1 objektiv aus KE 2. Wir nehmen nun weiter an, daß Meier sich auch darüber im klaren ist, daß nicht-KE 1 aus KE 2 objektiv folgt. KE 1 und KE 2 sind also miteinander dissonante Elemente von Meier; bei Meier liegt Dissonanz zwischen KE 1 und KE 2 vor. Wir wenden nun die Hypothese (12) an und können vorhersagen, daß Meier motiviert ist, zu versuchen, die Dissonanz zwischen KE 1 und KE 2 zu reduzieren und Konsonanz zu erreichen. Wir haben eben ein Vorhersageargument konstruiert, in welchem die von uns betrachtete zentrale Hypothese der Dissonanztheorie vorkommt. So, wie es gerade beschrieben wurde, wird wohl auch tatsächlich bei Vorhersagen ge3 Bühler
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I. Das Problem der logischen Analyse kognitiver Sätze
folgert. Wir wollen das dargestellte Argument noch genauer untersuchen, und werden dabei sehen, daß es ein kognitives Argument ist. In dem Vorhersageargument haben wir als Randbedingung: "Bei Meier liegt Dissonanz zwiwchen KE 1 und KE 2 vor" . Das heißt aber nichts anderes als: (13) Meier weiß, daß er ein langsames Auto gekauft hat. (14) Meier weiß, daß, wenn er ein Auto kauft, es schnell sein soll. (15) Meier glaubt, daß daraus, daß, wenn er ein Auto kauft, es schnell sein soll, objektiv folgt, daß er ein schnelles Auto kauft. Wir wollen folgern, daß Meier motiviert ist, die Dissonanz zwischen KE 1 und KE 2 zu reduzieren und Konsonanz zu erreichen; d. h. wir wollen folgern: (16) Meier ist motiviert zu versuchen, die Dissonanz, die dazwischen, daß Meier weiß, daß er ein langsames Auto gekauft hat, und daß Meier weiß, daß, wenn er ein Auto kauft, es schnell sein soll, besteht, zu reduzieren und Konsonanz zu erreichen. Um (16) folgern zu können, benötigen wir (12). Unter Voraussetzung der oben gegebenen Definition von Dissonanz zwischen kognitiven Elementen, müssen wir den Ausdruck "das Vorliegen von Dissonanz zwischen zwei kognitiven Elementen" in (12) als abkürzende Redeweise ftir "wenn eine Person weiß oder glaubt, daß p, wenn sie weiß oder glaubt, daß q, und wenn sie glaubt, daß nicht-p aus q objektiv folgt" auffassen. Somit erhalten wir: (17) Wenn eine Person weiß, daß p, wenn sie weiß, daß q, wenn sie glaubt, daß nicht-p aus q objektiv folgt, dann ist sie motiviert, die Dissonanz zwischen p und q zu reduzieren und Konsonanz zu erreichen. Zu (17) ist zu bemerken: (a) Die Klausel "da psychologisch unangenehm" in (12) wird hier außer Acht gelassen. Sie erklärt, warum die Person motivert wird, zu versuchen, Dissonanz zu reduzieren und Konsonanz zu erreichen. Diese Erklärung ist aber im Rahmen des von uns betrachteten Vorhersagearguments unwichtig. (b) Im Antezedens von (17) schreibe ich: "wenn eine Person weiß, daß p"; ausführlicher müßte es natürlich heißen: "wenn eine Person weiß oder glaubt, daß p" (entsprechend ftir, ,q"). Um den Satz einigermaßen übersichtlich zu belassen, habe ich die kürzere Ausdrucksweise gewählt. Um die Struktur des Arguments genauer untersuchen zu können, will ich seine Sätze teilweise unter Verwendung abkürzender Symbole darstellen. Folgende Symbole sollen benutzt werden:
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&
für: und
m
für: Meier
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R(l; 2; 3) ftir: 1 ist motiviert, zu versuchen, Dissonanz, die dazwischen, daß 1 weiß, daß 2, und daß 1 weiß, daß 3, besteht, zu reduzieren und Konsonanz zu erreichen (ftir "1" muß ein singulärer Terminus eingesetzt werden; an jeder Stelle der gleiche; ftir "2" und "3" müssen Sätze eingesetzt werden; wo "2", beziehungsweise wo "3" steht, immer der gleiche). Das untersuchte Vorhersageargument läßt sich dann folgendermaßen darstellen : (A-5) (18) m weiß, daß er ein langsames Auto gekauft hat. (19) m weiß, daß, wenn er ein Auto kauft, es schnell sein soll. (20) m glaubt, daß daraus, daß, wenn er ein Auto kauft, es schnell sein soll, objektiv folgt, daß er ein schnelles Auto kauft. (21) Für alle Personen x, für alle Denkinhalte p, q: wenn x weiß, daß p, & x weiß, daß q, & x glaubt, daßnicht-paus q objektiv folgt, dann R(x ,· p; q). (22) R(m; er hat ein langsames Auto gekauft; wenn er ein Auto kauft, soll es schnell sein). Offensichtlich ist A-5 ein kognitives Argument; denn alle in A~5 vorkommenden Sätze sind kognitive Sätze. (2) Kognitive Argumente bei der Verwendung von Rotters Sozialer Lerntheorie: Ais zweites Beispiel für allgemeine theoretische Sätze, die kognitive Verben enthalten, soll eine Hypothese aus Rotters Sozialer Lerntheorie die-
nen.
In Rotters Sozialer Lerntheorie spielen die von Individuen gehegten Erwartungen ("expectancies")eine wichtige Rolle. Eine Erwartung einer Person ist die (für diese Person) subjektive Wahrscheinlichkeit des Vorkommens einer bestimmten Verstärkung, gegeben das spezifische Verhalten des Individuums in spezifischen Situationen, bzw. die subjektive Wahrscheinlichkeit des Vorkommens einer Gruppe von Verstärkungen, gegeben Typen von Situationen (Rotter, Chance, Phares, "lntroduction", S. 24). Zusammen mit den Präferenzen der Person legen so definierte Erwartungen die Tendenz zum Verhalten in bestimmten Situationen fest. Wie im einzelnen der Zusammenhang zwischen Erwartungen, Präferenzen und Verhaltenstenden)•
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I. Das Problem der logischen Analyse kognitiver Sätze
zen in der Sozialen Lerntheorie konzipiert ist, soll uns hier jedoch nicht weiter interessieren. Die hier zu betrachtende Hypothese betrifft nämlich allein die Wirkungsweise der die Ausformung von Erwartungen determinierenden Faktoren. Rotter nimmt an, daß Verstärkungen die Ausformung von Erwartungen beeinflussen: "In der sozialen Lerntheorie wirkt eine Verstärkung so, daß sie eine Erwartung verstärkt, auf ein bestimmtes Verhalten oder Ereignis erfolge diese Verstärkung auch in der Zukunft. Ist einmal eine Erwartung einer solchen Verhaltens-Verstärkungs-Folge aufgebaut, dann wird das Nicht-Eintreten der Verstärkung die Erwartung reduzieren oder auslöschen." (Rotter, "Generalized Expectancies", S. 261).
Weiter nimmtRotter an, daß Auswirkungen von Belohnungen auf Erwartungennicht durch einen einfachen Einprägeprozeß festgelegt werden, sondern daß solche Auswirkungen - zumindest beim Menschen - davon abhängen, ob die Person eine kausale Beziehung zwischen ihrem eigenen Ver" halten und der Belohnung sieht : Rotter setzt dabei voraus, daß eine Person im Verlauf ihrer Entwicklung Ereignisse in Hinsicht darauf zu unterscheiden gelernt hat, "ob sie kausal auf vorhergehende Ereignisse bezogen sind oder nicht" ("Generalized Expectancies", S. 261). Das heißt wohl insbesondere auch, daß die Person verstärkende Ereignisse daraufhin zu unterscheiden gelernt hat, ob sie durch ihr eigenes Verhalten verursacht wurden oder nicht. Als allgemeine theoretische Hypothesen über die Wirkungsweise von Verstärkungen auf Erwartungen schlägt Rotter nun vor: "Wenn die Verstärkung als nicht-abhängig vom eigenen Verhalten des Individuums gesehen wird, wird ihr Vorkommen eine Erwartung nicht so sehr verstärken wie dann, wenn sie als abhängig vom eigenen Verhalten gesehen wird. Umgekehrt wird ihr Nicht-Vorkommen eine Erwartung nicht so stark reduzieren wie dann, wenn sie als abhängig vom eigenen Verhalten gesehen wird." (Rotter, "Generalized Expectancies", S. 261).
Wie man unter Verwendung dieser beiden Hypothesen zu Vorhersagen von menschlichem Verhalten auch für sozial und politisch relevante Situationen kommt, sei hier kurz skizziert: die beiden Hypothesen bilden die theoretische Grundlage für die Annahme Rotters, daß "konsistente individuelle Unterschiede zwischen Individuen in bezugauf das Ausmaß bestehen, zu welchem sie dazu neigen, Belohnung in der gleichen Situation der Eigenkontrolle zuzuschreiben" ("Generalized Expectancies", S. 261). Erwartungen verallgemeinern sich nämlich von einer bestimmten Situation auf eine Reihe als ähnlich wahrgenommener Situationen. In Abhängigkeit von der ,Verstärkungsgeschichte' einer Person wird es dann dazu kommen, daß interindividuelle Unterschiede entstehen in bezug auf die Tendenz, den Erhalt von Belohnungen in gleichen Situationen auf Eigenverursachung zu-
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rückzuführen (Vgl. Rotter, "Generalized Expectancies", S. 261/262). Zusammen mit der Annahme, daß Etwartungen und Präferenzen Verhaltenstendenzen festlegen, führt dies zu Vorhersagen von unterschiedlichen Verhaltenstendenzenbei Personen mit unterschiedlich starker Neigung, den Erhalt von Belohnung in gleichen Situationen der Eigenkontrolle zuzuschreiben. Eine solche Vorhersage ist etwa die, daß Leute, die mehr dazu neigen als andere, den Erhalt von Belohnungen auf Eigenverursachung zurückzuführen, auch eher an Aktivitäten teilnehmen werden, von ihnen als unangenehm empfundene Umweltbedingungen zu ändern (diese Hypothese wurde überprüft und konnte bestätigt werden, vgl. Rotter, "Generalized Expectancies", S. 286-288). Unter der Vetwendung der beiden oben zitierten Hypothesen von Rotter gelangt man also zu Vorhersagen von menschlichem Verhalten in sozial und politisch relevanten Situationen. Diese Vorhersagen haben ihrerseits zu vielen empirischen Untersuchungen angeregt (vgl. den Überblick in Rotter, "Generalized Expectancies"). Der zu erfolgende Nachweis, daß mit der Verwendung dieser Hypothesen - wie auch mit der Vetwendung der Dissonanztheorie - die Vetwendung kognitiver Argumente einhergeht, deutet deswegen darauf hin, daß die Vetwendung kognitiver Argumente in der Forschungspraxis zumindest der Psychologie nicht unüblich ist. Im folgenden soll allein ftir die erste der beiden zitierten Hypothesen gezeigt werden, daß ihre Vetwendung für Erklärungszwecke zur Konstruktion eines kognitiven Arguments führt. Der allgemeine theoretische Satz, um den es geht, sei hier nochmals aufgeführt: (23) Wenn von einem Individuum eine Verstärkung als nicht vom eigenen Verhalten abhängig gesehen wird, wird ihr Vorkommen eine Etwartung nicht so sehr verstärken wie dann, wenn sie als vom eigenen Verhalten abhängig betrachtet wird. Betrachten wir folgende Fälle: (i) eine Frau Müller sucht nach einer ungewöhnlichen Zigarettenmarke, nach ihren Lieblingszigaretten; schließlich findet sie ein Geschäft, in dem sie Zigaretten dieser Marke kaufen kann. Sie wird in dasselbe Geschäft zurückkommen, wenn sie wieder Zigaretten haben will. Nehmen wir aber (ii) an, dieselbe Person - auf der Suche nach ihren Lieblingszigaretten- schaut beim Gehen auf den Bürgersteig und findet dort auf dem Boden eine Packung Zigaretten von der gewünschten Marke. Wahrscheinlich wird Frau Müller nicht zur selben Stelle zurückkommen und auf den Bürgersteig sehen, wenn sie Zigaretten braucht. 3 3
Vgl. Rotters Beispiel, "Generalized Expectancies", S. 265.
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In beiden Fällen erhielt sie Belohnung für ihr Verhalten: im ersten Fall suchte sie ein bestimmtes Geschäft auf, wurde dort durch Zigaretten von der ungewöhnlichen Sorte belohnt ; im anderen Fall richtete sie ihren Blick auf den Bürgersteig, wurde auch durch ihre Lieblingszigaretten belohnt. Wieso und inwiefern wirkte die Belohnung im ersten Fall anders als im zweiten Fall? Erinnern wir uns an die Hypothese, daß Erwartungen zusammen mit Präferenzen des Individuums seine Verhaltenstendenzen festlegen. Wir wollen annehmen, daß in beiden Fäll,en das Rauchbedürfnis von Frau Müller gleich groß war. Das heißt aber, daß wir die Effekte des Bedürfnisses und der Präferenzen von Frau Müller auf die Verhaltenstendenz vernachlässigen können. Der Unterschied im Verhalten muß aufunterschiedliche Erwartungen zurückzuführen sein. Die in beiden Fällen verteilten Belohnungen müssen Erwartungen in unterschiedlicher Weise verstärkt haben. Im ersten Fall ist die Erwartung "Wenn ich in diesen Laden gehe, bekomme ich meine Lieblingszigaretten" verstärkt worden, und sie ist mehr verstärkt worden als die Erwartung, die im zweiten Fall verstärkt wurde: "Wenn ich aufden Bürgersteig hinuntersehe, dann bekomme ich meine Lieblingszigaretten." Warum ist die erste Erwartung mehr verstärkt worden als die zweite Erwartung? Nehmen wir an, daß Frau Müller im ersten Fall geglaubt hat: "Mein Gang in diesen Laden führt es herbei, daß ich meine Lieblingszigaretten bekomme." Nehmen wir weiter an, daß sie im zweiten Fall geglaubt hat : "Daß ich hier auf dem Bürgersteig meine Lieblingszigaretten finde, ist rein Z~Jfällig; ist nicht auf mein Verhalten zurückzuführen." In beiden Fällen erhält sie ihre Lieblingszigaretten; im ersten Fall sieht sie dies als abhängig von ihrem eigenen Verhalten an; im zweiten Fall als davon unabhängig. Und aufgrund von (23) können wir nun folgern: Die Erwartung: "Wenn ich auf den Bürgersteig hinuntersehe, dann bekomme ich meine Lieblingszigaretten." wird durch das Finden der Zigarettenpackung weniger verstärkt als die Erwartung: "Wenn ich in diesen Laden gehe, bekomme ich meine Lieblingszigaretten." durch den Erhalt der Lieblingszigaretten im Geschäft verstärkt wird. Ähnlich, wie ich es eben vorgeführt habe, wird wohl (23) zu Erklärungszwecken verwendet. Ich will nun die dargestellte Erklärung genauerauf ihre Struktur hin untersuchen. Dabei wird sich ergeben, daß (23) als kognitiver Satz zu interpretieren ist, und die untersuchte Erklärung also als kognitives Argument zu rekonstruieren ist. Am Anfang dieses Abschnitts wurde genauer bestimmt, wasRotterunter "Erwartung" versteht: Erwartungen sind die subjektiven Wahrscheinlich-
§ 3: Kognitive Argumente in der Psychologie
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keiten, die Personen mit dem Vorkommen von Verstärkungen verbinden. Der Rekurs auf die subjektiven Wahrscheinlichkeiten soll der Einsicht gerecht werden, daß Glaubenshaltungen und Überzeugungen in verschiedener Stärke oder verschiedener Intensität vorliegen können; daß die subjektive Sicherheit, mit der eine Person glaubt, daß p, unterschiedliche Ausmaße haben kann. 4 Ich will hier nicht auf das Problem eingehen, ob die ,subjektive Wahrscheinlichkeit' tatsächlich als eine Wahrscheinlichkeit im Sinne der Wahrscheinlichkeitstheorie betrachtet werden kann. Was aber flir das folgende angenommen werden muß, ist, daß ,subjektive Wahrscheinlichkeiten' numerische Werte annehmen können. Um eine präzise Diskussionsgrundlage zu erhalten, sei vorausgesetzt, daß ,subjektive Wahrscheinlichkeiten' numerische Werte aus dem Bereich der reUen Zahlen zwischen 0 und 1 annehmen. In der hier betrachteten Theorie wird also der alltagssprachliche Ausdruck ,,glauben" ersetzt durch den Ausdruck "Erwartung", wobei Erwartungen grundsätzlich als mit unterschiedlichen Sicherheitsgraden oder subjektiven Gefühlen der Wahrscheinlichkeit verbunden gedacht werden. Man sagt, eine Person habe eine Erwartung, daß p, um auszudrücken, eine Person glaube mit einer bestimmten subjektiven Wahrscheinlichkeit r, daß p, wobei "r" flir eine reelle Zahl zwischen 0 und 1 steht. Anstattim folgenden immer den Namen von Frau Müller (der in unserem Beispiel betrachteten Person) auszuschreiben, will ich "m" als Abkürzung verwenden. Zu den Prämissen der Erklärung werden auf jeden Fall gehören : (24) m glaubt5, daß ihr Gang in den Laden L 6 zur Zeit t 1-es herbeiflihrt, daß sie ihre Lieblingszigaretten zur Zeit t2 bekommt. (25) m glaubt, daß ihr Auf-dem-Bürgersteig-Gehen-und-auf-den-BodenBlicken zu t3 es nicht herbeiführt, daß sie zu t4 ihre Lieblingszigaretten
bekommt.
Weiterhin werden wohl vorausgesetzt: (26) m geht zur Zeit t 1 in den Laden L und erhält dort zu Zeit t2 ihre Lieblingszigaretten. 4 Vgl. Rotter, "Beliefs etc.": "Einfache Kognitionen, Erwartungen, Glaubenshaltungen mögen phänomenal eine Alles-oder-Nichts-Qualität besitzen, aber eigentlich variieren sie in Größe zwischen Eins und Null und sind Veränderungen unterworfen.", S. 336. 5 Eigentlich müßte ich hier sagen : ,,glaubt mit subjektiver Wahrscheinlichkeit---, daß", wo"---" für eine reelle Zahl zwischen 0 und I steht, oder für eine Variable, die im Bereich der reellen Zahlen interpretiert wird. 6 ,./..-" sei der Name des betreffenden Geschäfts.
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(27) m geht zur Zeit t3 auf dem Bürgersteig und blickt dort zu Boden und findet zur Zeit t4 ihre Lieblingszigaretten. Außerdem gehen wir davon aus, daß, bevor m ihre Lieblingszigaretten zu Zeit t2 bekommen hat, m mit einer bestimmten subjektiven Wahrscheinlichkeit 'I glaubt, daß, wenn immer sie in diesen Laden ginge, sie ihre Lieblingszigaretten erhielte. Und bevor m ihre Lieblingszigaretten zu t4 bekommen hat, glaubt m mit einer bestimmten subjektiven Wahrscheinlichkeit r 2 , daß, wenn immer sie über diesen Bürgersteig ginge, sie dort ihre Lieblingszigaretten fände. Dem Explanans unserer Erklärung will ich also weiterhin zurechnen: (28') m glaubt mit subjektiver Wahrscheinlichkeit ri , daß sie, wenn immer sie in dieses Geschäft L geht, dort ihre Lieblingszigaretten erhält. (29') m glaubt mit subjektiver Wahrscheinlichkeit r 2 , daß sie, wenn immer sie auf dem Bürgersteig zu Boden blickt, dort ihre Lieblingszigaretten findet. Jeder Gang von m zu dem Geschäft L zu einem bestimmten Zeitpunkt kann als konkretes Einzelereignis betrachtet werden; jedes dieser Einzelereignisse gehört einem bestimmten Ereignistyp an, nämlich "Gang von m in das Geschäft L' '. Auch "Erhalt einer Packung von m's Lieblingszigaretten durch m" stellt einen Ereignistyp dar. Ein Einzelereignis dieses Typs ist etwa, daß m zur Zeit t2 eine Packung ihrer Lieblingszigaretten erhält. Unter Verwendung der Unterscheidung zwischen Ereignis und Ereignistyp lassen sich sodann (28 ')und (29') auf folgende Weise umformulieren: (28) m glaubt mit subjektiver Wahrscheinlichkeit ri, daß ein Ereignis desselben Typs wie der Erhalt einer Packung ihrer Lieblingszigaretten durch sie zur Zeit t2 eintritt, wenn sie ein Ereignis desselben Typs wie ihren Gang zu dem Geschäft L zur Zeit ti herbeiführt. (29) m glaubt mit subjektiver Wahrscheinlichkeit r 2 , daß ein Ereignis desselben Typs wie der Erhalt einer Packung ihrer Lieblingszigaretten durch sie zur Zeit t4 eintritt, wenn immer sie ein Ereignis desselben Typs wie Iilren Gang auf dem Bürgersteig zur Zeit t3 durchführt. Was wollen wir erklären? Wir wollen erklären, daß die Erwartung von m, sie erhielte ihre Lieblingszigaretten, wenn immer sie in das Geschäft L geht, durch den Erhalt der Belohnung mehr verstärkt wird als die Erwartung, daß sie, wenn immer sie auf diesem Bürgersteig zu Boden blickt, dort ihre Lieblingszigaretten fände.
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Wenn m in dem Geschäft L war und dort ihre Lieblingszigaretten erhalten hat, dann ist also die Erwartung von m, wenn immer sie in diesen Laden ginge, ihre Lieblingszigaretten zu erhalten, verstärkt worden. Und nachdem m aut dem Bürgersteig gegangen ist und dort ihre Lieblingszigaretten gefunden hat, ist auch ihre Erwartung, wenn immer sie auf diesem Bürgersteig zu Boden blicke, ihre Lieblingszigaretten zu finden, verstärkt worden. Wenn nun r1 , r 2 , r 3 , r4 reelle Zahlen derart sind, daß r 3 > r 1 und r4 > r 2 , dann lassen sich beide Sachverhalte mittels folgender Sätze beschreiben. (30) m glaubt mit subjektiver Wahrscheinlichkeit r3 , daß ein Ereignis desselben Typs wie der Erhalt einer Packung ihrer Lieblingszigaretten zur Zeit t2 eintritt, wenn immer sie ein Ereignis desselben Typs wie ihren Gang zu dem Geschäft L zur Zeit t 1 herbeiführt. (31) m glaubt mit subjektiver Wahrscheinlichkeit r4 , daß ein Ereignis desselben Typs wie der Erhalt einer Packung ihrer Lieblingszigaretten durch sie zur Zeit t4 eintritt, wenn immer sie ein Ereignis desselben Typs wie ihren Gang auf dem Bürgersteig zur Zeit t3 herbeiführt. Aber die erste Erwartung ist mehr verstärkt worden als die zweite: das heißt nichts anderes, als daß die Differenz der subjektiven Wahrscheinlichkeiten r 3 und r 1 größer ist als die Differenz der subjektiven Wahrscheinlichkeiten r4 und r 2 ; deswegen also: (32)
(r3 - r 1)
>
(r4 - r 2)
Gegeben eine geeignete Reformulierung von (23), gegeben (24) - (29), folgern wir nun die Konjunktion von (30), (31) und (32). Wie soll aoer (23) reformunen werden? Ich schlage folgende Rephrasie· rung vor, deren spezifische Gestalt durch die Analyse der Randbedingungen und des Explanandums der untersuchten Erklärung motiviert ist: (33) Für alle Personen x, für alle Ereignisse e 1 , e2 , e3 , e4 , für alle reellen Zahlen r 1 , r2 , r3 , r4 , wenn
7
(i)
x glaubt?, daß sie e 1 durchführt und e1 e2 verursacht, &
(ii)
x glaubt 7, daß sie e3 durchführt und e3 e4 nicht verursacht, &
(iii)
x e 1 durchführt & e2 eintritt & x e3 durchführt & e4 eintritt, &
(iv)
x mit r 1 glaubt, daß es für alle Ereignisse es, wenn es vom selben Typ ist wie e 1 , e6 vom seihen Typ wie e2 gibt, derart daß, wenn ie e5 herbeiführt, e6 eintritt, &
Vgl. Fußnote 5.
42
I. Das Problem der logischen Analyse kognitiver Sätze
(v)
x mit r2 glaubt, daß es für alle Ereignisse e7 vom selben Typ wie
e3 e8 vom selben Typ wie e4 gibt, so daß, wenn sie e7 herbeiführt, e8 eintritt,
dann glaubt x mit r3, daß es für alle es vom selben Typ wie e1 e6 vom selben Typ wie e2 gibt, so daß, wenn sie es herbeiführt, e6 eintritt,& glaubt x mit r4 , daß es für alle e7 vom selben Typ wie e3 e8 vom selben Typ wie e4 gibt, so daß, wenn sie e7 herbeiführt, e8 eintritt, & (r3 - rl)
> (r4 -
r2).
Die untersuchte Erklärung läßt sich somit durch meine Analyse als Argument A-6 rekonstruieren: (24) (25) (26)
(A-6)
(27)
(28) (29) (33) (39)
& (31) & (32)
A-6 ist ein kognitives Argument. s Der Einfachheit halber hatte ich in (24) und (25), und auch in (33), (i) und (ii), nur "glaubt, daß" geschrieben. Wie aberaus den Fußnoten 5 und 7 hervorgeht, müßte es an denjeweiligen Stellen heißen: "glaubt mit subjektiver Wahrscheinlichkeit ---, daß", wobei für "--~"reelle Zahlen einzusetzen wären oder Variablen, die in dem Bereich der reellen Zahlen interpretiert werden. Der Ausdruck ,,glaubt, daß" kommt also in A -6 an keiner Stelle in gleicher Verwendung vor wie in den Sätzen von A-5, er steht hier für Ausdrücke der Form "glaubt mit subjektiver Wahrscheinlichkeit ---, daß". Aber alle solche Ausdrücke sind kognitive Ausdrücke. Aus diesem Grunde sind die Sätze (24), (25), (28) bis (31) und (33) kognitive Sätze. Und deshalb ist A-6 ein kognitives Argument. (3) Zur Bedeutung der Gültigkeit kognitiver Argumente: In den vorhergehenden beiden Abschnitten habe ich nachzuweisen versucht, daß einige allgemeine theoretische Prinzipien der Sozialwissenschaften kognitive Sätze sind. Weiter habe ich gezeigt, daß diese Sätze in Argumenten verwendet werden, diese Argumente deshalb kognitive Argumente sind. Unter der Voraussets Die Formulierung mancher Teilsätze von A-6 ist immer noch inadäquat. Der verstärkende Charakter der als verursacht bzw. als nicht verursacht wahrgenommenen Ereignisse ist unberücksichtigt geblieben, weil die Teilsätze von A-6 bereits kompliziert genug sind.
§ 3: Kognitive Argumente in der Psychologie
43
zung, daß die bisherige Argumentation im wesentlichen richtig ist, ergeben sich Querverbindungen von der Frage nach der logischen Analyse kognitiver Sätze zu folgenden zwei Fragestellungen: (i) der Frage nach der Möglichkeit kognitiver Theorien in der Psychologie;
d. h. die Frage nach ihrer Verwendbarkeit zu Zwecken der Erklärung und Vorhersage;
(ii) der Fragestellung: "methodologischer Dualismus oder methodologische Einheit von Naturwissenschaften und Geistes- und Sozialwissenschaften?" ad (i): Wenn meine bisherige Argumentation korrekt ist, dann läßt sich sagen, daß zentrale Sätze sogenannter kognitiver Theorien der Psychologie kognitive Sätze sind. Eine Antwort auf die Frage nach einer logischen Analyse kognitiver Sätze, die Argumente der in den letzten beiden Abschnitten untersuchten Arten zu begründen vermag, ist eine Voraussetzung ftir die Anwendbarkeit der ,kognitiven' Theorien. Denn ob diese Theorien zutreffen oder nicht, läßt sich allein dann überprüfen, wenn sie in Vorhersage und Erklärung verwendet werden können. Verwendung zur Vorhersagezwecken oder zu Erklärungszwecken heißt aber Verwendung in Vorhersageargumenten oder Erklärungsargumenten. Die Möglichkeit der Verwendung kognitiver Sätze in solchen Argumenten hängt aber davon ab, daß sich diese Argumente als gültig erweisen lassen. ad (ii): Vertreter eines methodologischen Dualismus bezüglich der Naturwissenschaften einerseits und der Sozialwissenschaften andererseits sind häufig der Auffassung, daß sich in den Naturwissenschaften deduktiv-nomologisches Erklären praktizieren ließe, in den Sozialwissenschaften dagegen nur eine Methode des Verstehens. Vertreter des methodologischen Dualismus könnten nun folgendermaßen argumentieren: zugestanden sei zwar, daß Argumente von: der Art, wie sie in den letzten beiden Abschnitten betrachtet wurden, von praktizierenden Sozialwissenschaftlern als gültig vorausgesetzt werden. Tatsächlich aber ließen sich diese Argumente nicht als gültig rechtfertigen; sie seien nicht gültig. Deswegen könnte etwa das angebliche Erklärungsargument aus dem letzten Abschnitt nicht als Einzelbeispiel deduktiv-nomologischer Erklärungen betrachtet werden. Denn eine deduktiv-nomologische Erklärung kann nur dann vorliegen, wenn die Beziehung der logischen Folgerung zwischen den Prämissen des Arguments und seiner Konklusion besteht. Aber gerade dies sei nicht der Fall.
Diese Argumentation zeigt, daß ein enger Zusammenhang zwischen der Frage nach der logischen Analyse kognitiver Sätze und dem Problem der methodologischen Einheit der Realwissenschaften besteht. Sofern man allge-
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meine theoretische Sätze, die kognitive Verben enthalten, nicht aus der Wissenschaft ausschließen will, ist die Erstellung einer logischen Analyse kognitiver Sätze, die die Gültigkeit der oben untersuchten Argumente nachzuweisen vermag, notwendig.
II. Logische Analysen kognitiver Sätze Was sind die logischen Formen kognitiver Sätze? Wie sind sie semantisch zu interpretieren? Was sind die Wahrheitsbedingungen kognitiver Sätze? Im Folgenden sollen drei Analysen kognitiver Sätze betrachtet werden, die diese Fragen zu beantworten suchen. Daß mit der logischen Analyse kognitiver Sätze Probleme verbunden sind, hat wohl zuerst Frege gesehen. Frege legte auch eine logische Analyse kognitiver Sätze vor, die diese Probleme lösen sollte. Zunächst wollen wir diese Analyse untersuchen.
Freges Analyse kognitiver Sätze beruht auf der Annahme, daß es der mit sprachlichen Ausdrücken verbundene Sinn sei, von dem kognitive Sätze handelten. Wir werden Schwierigkeiten für Freges Analyse aufweisen, die es erforderlich machen, sie in der Form, wie er sie vorschlug, zurückzuweisen. Die Annahme jedoch, kognitive Sätze handelten von so etwas wie dem Sinn, der mit sprachlichen Ausdrücken verbunden ist, soll nicht verworfen werden. Es geht mir im Folgenden vielmehr darum, zu untersuchen, ob und inwiefern sich innerhalb des durch diese Annahme gesetzten Rahmens kognitive Sätze adäquat analysieren lassen. Auf dieser Annahme basieren zwei weitere Analysen kognitiver Sätze; sie beschäftigen uns im weiteren Verlauf dieser Arbeit: zuerst eine Analyse, die aus der Anwendung der Mögliche-Welten-Semantik aufkognitive Sätze resultiert, sodann eine mentalistische Analyse kognitiver Sätze.
§ 4: Freges Analyse kognitiver Sätze In diesem Paragraphen beschäftigen wir uns mit Freges Analyse kognitiver Sätze. Bei der späteren Diskussion logischer Analysen kognitiver Sätze wird es sich als zweckmäßig erweisen, wenn wir uns auf den von Frege gemachten Versuch zur Lösung unseres Problems beziehen können und wenn wir einige der Schwierigkeiten kennen, die Freges Problemlösung anhaften. Insbesondere aber ist es die Annahme Freges, kognitive Sätze handelten von dem Sinn sprachlicher Ausdrücke, die uns interessiert. Diese Annahme soll uns beim weiteren Vorgehen den Weg leiten.
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li. Logische Analysen kognitiver Sätze
Zunächst will ich Freges Analyse in Grundzügen darstellen und auf drei Schwierigkeiten hinweisen, die mit ihr verbunden sind. Im zweiten Abschnitt sollen zwei Aspekte der Fregeschen Auffassung vom Sinn sprachlicher Ausdrücke hervorgehoben werden. Diese Aspekte werden sich als Ausgangspunkte für Modifikationen der Fregeschen Sinnkonzeption erweisen, welche den später zu besprechenden Analysen kognitiver Sätze zugrundeliegen. (1) Freges Analyse kognitiver Sätze und ihre Schwierigkeiten: Frege vertrat das Prinzip, daß der Wahrheitswert unverändert bleibt, wenn in einem Satz ein Satzteil durch einen Ausdruck ersetzt wird, der dieselbe Extension ha! wie dieser Satzteil, d. h. dasselbe bezeichnet. 1 Will man nun dieses Prinzip auf die Analyse kognitiver Sätze anwenden, so scheint man jedoch in Schwierigkeiten zu geraten.
Betrachten wie hierzu die Sätze (1), (8), (9) und (10) aus § 2, nämlich (1) Der Abendstern ist ein Planet.
(8) Der Morgenstern ist ein Planet. (9) a glaubt, daß der Abendstern ein Planet ist. (10) a glaubt, daß der Morgenstern ein Planet ist. (1) ist wahr genau dann, wenn (8) wahr ist; und zwar auf Grund des eben erwähnten Prinzips: der Wahrheitswert bleibt unverändert, wenn in einem Satz ein Satzteil ersetzt wird durch einen Ausdruck, der dieselbe Extension hat wie dieser Satzteil, d. h. dasselbe bezeichnet. "Abendstern" und "Morgenstern" haben dieselbe Extension. Da (1) und (8) gleich sind bis darauf, daß in (8) "Morgenstern" vorkommt, wo in (1) "Abendstern" vorkommt, haben (1) und (8) denselben Wahrheitswert. Auf Grund des erwähnten Prinzips müßte man nun aber auch erwarten, daß (9) und ( 10) denselben Wahrheitswert haben; denn (9) unterscheidet sich von (10) nur dadurch, daß dort, wo in (9) "Abendstern" steht, in (10) "Morgenstern" vorkommt. Da "Abendstern" und "Morgenstern" dieselbe Extension haben, müßten (9) und (10) denselben Wahrheitswert haben. Aber 1 Dieses Prinzip ist von Frege freilich mit anderen Worten formuliert worden. Die Formulierung hier im Text ist eine ,Übersetzung' in die Terminologie, derer ich mich gewöhnlich in dieser Arbeit bediene. Das von Frege formulierte Prinzip lautet wörtlich : "Ersetzen wir nun in ihm (dem Satz; A. B.) ein Wort durch ein anderes von derselben Bedeutung, ... , so kann dies auf die Bedeutung des Satzes keinen Einfluß haben." (SB, S. 47) Nun identifiziert Frege bekanntlich die Bedeutung eines Satzes mit seinem Wahrheitswert (SB, S. 48). Zweitens besteht eine große Ähnlichkeit zwischen der Fregeschen Verwendung von "Bedeutung" und meiner Verwendung des Ausdrucks "Extension". Wenn wir beides berücksichtigen, ergibt sich, daß die Formulierung Freges und die von mir im Text gewählte ungefähr dasselbe besagen.
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- wie wir in § 2 gesehen haben - ist es möglich, daß (9) wahr ist und (10) falsch. Muß man deswegen das Prinzip aufgeben, der Wahrheitswert bleibe unverändert, wenn in einem Satz ein Satzteil ersetzt wird durch einen Ausdruck, der dasselbe bezeichnet? Nicht unbedingt. Denn wenn wir annehmen, daß "Abendstern" und "Morgenstern" in (9) und (10) Anderes bezeichnen als in (1) und (8), und daß "Abendstern" in (9) Anderes bezeichnet als "Morgenstern" in (10), läßt sich dieses Prinzip aufrechterhalten. D. h. wir könnten die allgemeine Annahme machen, daß die Extensionen von Ausdrücken, sofern sie in kognitiven Kontexten vorkommen, sich unterscheiden von ihren Extensionen, sofern die Ausdrücke außerhalb des kognitiven Kontextes vorkommen. Anders ausgedrückt: wir könnten annehmen, daß die Extensionen der Ausdrücke, die durch kognitive Verben regiert werden, nicht immer mit ihren ,normalen' Extensionen übereinstimmen, denen, die sie haben, wenn sie nicht von kognitiven Verben regiert werden. Setzt man dies voraus, dann ist es möglich, daß "Abendstern" und "Morgenstern" in (9) und (10) Verschiedenes bezeichnen, und deshalb ist nicht zu erwarten, daß (9) und (10) denselben Wahrheitswert haben.
Frege machte nun die Annahme, daß die Extensionen von Ausdrücken,
sofern die Ausdrücke in kognitiven Kontexten vorkommen, sich von ihren Extensionen unterscheiden, sofern die Ausdrücke außerhalb kognitiver Kontexte vorkommen, und diese Annahme ist Ausgangspunkt ftir seine Analyse kognitiver Sätze.
Was könnten aber nun die erwähnten ,nicht-normalen' Extensionen sein? Inwiefern könnten sie sich von den ,normalen' Extensionen unterscheiden? Was also sind die Extensionen von Ausdrücken innerhalb kognitiver Kontexte? Worauf könnten sich die Ausdrücke innerhalb kognitiver Kontexte beziehen? Bei der Beantwortung dieser Frage machte Frege von seiner Unterscheidung zwischen Sinn und Bedeutung sprachlicher Ausdrücke Gebrauch.
Frege hatte zwischen Sinn und Bedeutung sprachlicher Ausdrücke unterschieden.2 Die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks ist bei Frege das 2 In "Sinn und Bedeutung" machteFrege die Unterscheidung zwischen Sinn und Bedeutung explizit nur für Eigennamen (zu denen er ja die Kennzeichnungen zählte) und für Sätze. Die Logik seiner Argumentation verlangt aber meines Erachtens, diese Unterscheidung auch auf andere Arten von Ausdrücken auszudehnen. ln den allerdings später, zwischen 1892 und 1895 geschriebenen "Ausführungen über Sinn und Bedeutung", S. 26, sagt er ausdrücklich, daß der Unterschied auch bei Prädikatsausdrücken, "Begriffswörtern" in seiner Terminologie, gemacht werden kann.
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II. Logische Analysen kognitiver Sätze
durch den Ausdruck Bezeichnete (SB, S. 41). Der Sinn ist das, was mit dem Ausdruck verbunden ist, "worin die Art des Gegebenseins enthalten ist" (SB, S. 41). Der Sinn "beleuchtet" die Bedeutung eines Ausdrucks (sofern er eine Bedeutung hat) (SB, S. 42). Er ist etwas, das man "auffassen" kann, "erfassen" kann (SB, S. 42). Jemand, der eine Sprache hinreichend beherrscht, erfaßt den Sinn der zu ihr gehörenden Ausdrücke (SB, S. 42). Deswegen kann man sagen, daß der Sinn eines Ausdrucks das ist, was wir wissen, wenn wir den Ausdruck verstehen. 3
Frege hatte Sinne als theoretische Entitäten - wie wir heute sagen würden -postuliert, um zu erklären, warum Ausdrücke gleicher Bedeutung unterschiedlichen kognitiven Wert haben. (Ich verwende hier als Pluralbildung von "Sinn" "Sinne". Dies ist eine Abweichung von der deutschen Sprache - denn in ihr hat "Sinn" im hier gemeinten Sinne keinen Plural.) Die Sinne von in einem Satz vorkommenden Ausdrücken bestimmen den kognitiven Wert des Satzes, die Information, die durch ihn übermittelt wird. Sätze (1) und (8) haben unterschiedlichen kognitiven Wert, vermitteln unterschiedliche Information, weil sie unterschiedliche Sinne ausdrücken. Dies liegt daran, daß "Abendstern" und "Morgenstern" verschiedene Sinne haben, obwohl sie Gleiches bezeichnen. Dadurch wird auch erklärt, warum eine Identitätsbehauptung wie "Abendstern =Morgenstern" informativ ist 4 . Da der informative Wert von "Der Abendstern ist ein Planet"(= Satz (1)) und von "Der Morgenstern ist ein Planet"(= Satz (8)) verschieden sind, ist es möglich, daß einePersonawohl die Information hat, die durch den Satz (1) übermittelt wird, aber nicht die Information hat, die durch den Satz (8) übermittelt wird. Deswegen kann es sein, daß a wohl die Information glaubt, die durch den Satz (1) ausgedrückt wird, nicht aber die Information, die durch den Satz (8) ausgedrückt wird; daß a also glaubt, daß der Abendstern ein Planet ist, aber nicht glaubt, daß der Morgenstern ein Planet ist. Im kognitiven Kontext käme es also nicht auf die Bedeutung der dort vorkommenden Ausdrücke an, sondern auf ihren Sinn. Frege postuliert nun, daß ftir die Wahrheit von Sätzen wie (9) allein der Sinn der im kognitiven Kontext vorkommenden Ausdrücke, den sie haben, wenn sie außerhalb des kognitiven Kontextes vorkommen, wichtig ist, nicht aber ihre normale Bedeutung (vgl. hierzu SB, S. 43). Der Wahrheitswert von Sätzen wird aber nach Frege von der Bedeutung ihrer Bestandteile funktional festgelegt. Dies geht ja aus dem eingangs erwähnten Prinzip hervor. Ausdrücke im kognitiven Kontext tragen Vgl. dazu Dummett, Frege, S. 293. Dies ist ja das Problem, das Frege in erster Linie in "Sinn und Bedeutung" zu lösen versucht. 3
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jedoch - wie wir eben sahen - über den Sinn, den sie haben, wenn sie außerhalb des kognitiven Kontextes vorkommen, zum Wahrheitswert des ganzen Satzes bei. Deswegen muß man schließen, daß im kognitiven Kontext die Bedeutung von Ausdrücken ihr gewöhnlicher Sinn ist. Ausdrücke innerhalb kognitiver Kontexte haben also ihre gewöhnlichen Sinne zu Extensionen; bezeichnen ihre Sinne. Die ,nicht-normalen' Extensionen sind also die gewöhnlichen Sinne.
Frege hebt hervor, daß ein Behauptungssatz einen Gedanken enthält (SB, S. 46). Ein Gedanke ist ein objektiver Inhalt, "der fähig ist, gemeinsames Eigentum von vielen zu sein" (SB, S. 46). Frege fragt, ob ein Gedanke nun als Sinn eines Satzes anzusehen sei (SB, S. 46). Da der Gedanke sich bei Ersetzung bedeutungsgleicher Ausdrücke in dem Satz ändern kann, der Wahrheitswert aber gleich bleibt, schließt Frege, daß der Gedanke als Sinn des Behauptungssatzes aufzufassen sei (SB, S. 47). Was ist nun die Bedeutung des "daß"-Nebensatzes in kognitiven Sätzen? Wenn in kognitiven Kontexten die Bedeutung von Ausdrücken ihr gewöhnlicher Sinn ist, dann muß die Bedeutung des "daß"-Nebensatzes der Gedanke sein, der durch diesen Nebensatz ausgedrückt wird. Der Nebensatz "kann als Nennwort aufgefaßt werden, ja man könnte sagen: als Eigennamejenes Gedankens, . .. , als welcher er in den Zusammenhang des Satzgefüges eintrat" (SB, S. 54). Das grammatische Subjekt kognitiver Sätze ist nun (sofern es Sätze im Singular ohne Quantoren sind) auch ein Nennwort. Dieses Nennwort bezeichnet (in den meisten Fällen) Personen, das Nennwort, das durch den Nebensatz gebildet wird, wie wir sahen, einen Gedanken. Das kognitive Verb, etwa "glauben", setzt beide, die Person und den Gedanken, miteinander in Beziehung. Deswegen kann man aus Freges Analyse extrapolieren, daß kognitive Verben der syntaktischen Kategorie der Relationsausdrücke zugerechnet werden sollten. - Dies ist in Grundzügen Freges Analyse kognitiver Sätze. Nunmehr will ich auf drei Schwierigkeiten für Freges Analyse kognitiver Sätze hinweisen. Bei dieser Gelegenheit werden wir die Fregesche Doktrin in der Anwendung aufEinzelprobleme genauerbetrachten müssen. Die erste der aufzuzeigenden Schwierigkeiten ergibt sich bei der Betrachtung bestimmter grammatischer Konstruktionen, die Frege noch nicht untersucht hatte und auf die Quine wohl als Erster die Aufmerksamkeit lenkte. Die zweite Schwierigkeit entsteht, wenn man Freges Analyse mit einer plausiblen Annahme über den psychologischen Prozeß der Erfassung oder Auffassung von Sinn und Gedanken verbindet. Die dritte Schwierigkeit hängt mit Freges Auffassungen über den Sinn von Demonstrativpronomina zusammen. 4 Bühler
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(i) Die erste der erwähnten Schwierigkeiten für Freges Analyse kognitiver
Sätze ergibt sich, wenn man sie auf Fälle der sogenannten Quantifikation in kognitive Kontexte hinein anwenden will, oder allgemeiner, auf die sogenannte de re Verwendungsweise kognitiver Verben. Bevor ich darauf eingehen kann, muß ich zunächst erläutern, was unter" Quantifikation in kognitive Kontexte hinein" und unter "de re Verwendungsweise kognitiver Verben" zu verstehen sein soll.
Quine hatte in seinem Aufsatz "Quantifiers and Propositional Attitudes" auf den Unterschied aufmerksam gemacht, der zwischen folgenden Sätzen besteht:
(34) Ralph glaubt, daß es Spione gibt. (35) Es gibt jemanden, von dem Ralph glaubt, daß er Spion ist. Zu dem Unterschied zwischen (34) und (35) bemerkte Quine: "Der Unterschied ist groß; wenn Ralph nämlich wie die meisten von uns ist, dann ist (34) wahr und (35) falsch." (S. 186) Unter Verwendung des Existenzquantars bietet Quine nun folgende Rephrasierungen von (34), bzw. (35) an: (36) Ralph glaubt, daß (Ex) (x ist ein Spion). (37) (Ex) (Ralph glaubt, daß x ein Spion ist). Der Satz (36) enthält einen Quantor innerhalb eines kognitiven Kontextes. Satz (36) exemplifiziert - wie wir sagen wollen -Quantifikation innerhalb kognitiver Kontexte. Satz (37) enthält dagegen einen Quantor, der außerhalb des kognitiven Kontextes vorkommt, der aber eine freie Variable innerhalb des kognitiven Kontextes bindet. Fälle, in denen ein Quantor, der außerhalb eines kognitiven Kontextes vorkommt, eine freie Variable innerhalb eines kognitiven Kontextes bindet, wollen wir "Fälle der Quantifikation in kognitive Kontexte hinein" nennen. Den Sätzen (34) und (35) entsprechen folgende Sätze (38) und (39): (38) Ralph glaubt, daß der Mann am Strand ein Spion ist. (39) Ralph glaubt vom Mann am Strand, daß er ein Spion ist. Normalerweise wird man wohl in der Deutschen Sprache zwischen (38) und (39) keine Unterschiede sehen. Auf dem Hintergrund geeigneter Kontexte besagen beideSätze tatsächlich jedoch Verschiedenes: (a) Ralph beobachtete, wie ein Mann am Strand, den er bei dieser Gelegenheit das erste Mal sah, die Landung eines Kanonenbootes einer ausländischen Macht erwartete. Uniformierte gingen im Beiboot an Land, und Ralph konnte erspähen, wie der Mann am Strand einem der Uniformierten Dokumente übergab.
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Ralph glaubt, daß der Mann am Strand ein Spion ist. (b) Ich, A. B., war mit Ralph zusammen auf einem nächtlichen Spaziergang. Plötzlich überquert ein mir unbekannter Mann im dunklen Hut die Straße, und Ralph sagt mir: "Dieser Mann ist ein Spion". Am nächsten Tag sehe ich den Mann, auf den mich Ralph aufmerksam gemacht hatte, am Strand entlang gehen. Meiner Begleiterin sage ich: "Ralph glaubt von dem Mann am Strand, daß er ein Spion ist". (39) beschreibt also, daß Ralph in Bezug auf den Mann am Strand glaubt, dieser sei ein Spion. Ralph hat eine Meinung von oder bezüglich einer Person. Gegeben die breite Verwendungsweise der Ausdrücke "Gegenstand" oder "Objekt", die auch Personen unter die Gegenstände, bzw. die Objekte faßt, kann man auch sagen, Ralph glaube etwas bezüglich eines Gegenstandes, von einem Gegenstand oder Objekt. Wir wollen nun annehmen, folgender Satz (40) sei zutreffend: (40) Der Mann am Strand ist identisch mit R. J. Ortcutt. Aus (39) und (40) läßt sich dann offenbar (41) folgern: (41) Ralph glaubt von R. J. Ortcutt, daß er ein Spion ist. Nun zu Satz (38). Dieser Satz beschreibt nicht, daß Ralph bezüglich eines Objektes etwas glaubt; (38) beschreibt vielmehr, daß Ralph glaubt, was der Satz "Der Mann am Strand ist ein Spion" besagt. Auch das logische Verhalten von (38) unterscheidet sich von dem des Satzes (39): zusammen mit (40) läßt sich aus (38) nicht folgern: (42) Ralph glaubt, daß R. J. Ortcuttein Spion ist. Denn es ist durchaus denkbar, daß (38) wahr ist, (42) aber falsch; wenn etwa die Situation so ist, wie oben unter (a) beschrieben. Denn Ralph braucht ja nicht zu wissen, daß R. J. Ortcutt und der Mann am Strand identisch sind. Das Ersetzungsprinzip für singuläre Termini, die in einer Identitätsbehauptung vorkommen, läßt sich also zwar im Zusammenhang mit (39) anwenden, nicht aber im Zusammenhang mit (38). Der Unterschied zwischen (38) und (39) entspricht einer traditionell seit dem Mittelalter getroffenen Unterscheidung bezüglich der Verwendungsweisen von Ausdrücken für Modalitäten wie "es ist möglich", "es ist notwendig". Man unterscheidet zwischen der Verwendungsweise von Ausdrücken fl.ir Modalitätende dicto und ihrer Verwendungsweise de res . Analog kann man zwischen den Verwendungsweisen von "glauben" de re (der Fall von Satz (39)) und der de dicto Verwendungsweise (der Fall von Satz (38)) 5 4*
Vgl. hierzu Hughes und Cresswe/1, Introduction to Modal Logic, S. 183.
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unterscheiden; dazwischen, etwas von einem Gegenstand, de re, zu glauben, und dem Glauben daran, was von einem Satz ausgesagt wird, dem Glauben de dicto. Allgemein kann man dann zwei Verwendungsweisen kognitiver Verben unterscheiden: die de dicto Verwendungsweise und die de re Verwendungsweise eines kognitiven Verbs. Diese Unterscheidung läßt sich auch im Zusammenhang mit den Sätzen (36) und (37) anwenden. (37) besagt, daß es eine Person gibt, von der Ralph glaubt, sie sei Spion. Eine bestimmte Art der Quantifikation in kognitive Kontexte hinein wird offenbar durch die de re Verwendungsweise kognitiver Verben ermöglicht. (Eine andere Art der Quantifikation in kognitive Kontexte hinein, wie wir sie etwa in Satz (21) bei der Analyse der Dissonanztheorie (§ 3, (i)) beobachten können, hängt wohl nicht mit der de re Verwendungsweise kognitiver Verben zusammen.) Satz (36) dagegen exemplifiziert die de dicto Verwendungsweise kognitiver Verben. Auf einen Satz wie (38) läßt sich nun Freges Analyse kognitiver Sätze ohne Weiteres anwenden. "(Ex) (x ist ein Spion)" bezeichnet im kognitiven Kontext den Gedanken, daß es Spione gibt. (38) ist wahr genau dann, wenn Ralph in der Relation des Glaubens zu diesem Gedanken steht. Probleme entstehen aber mit einem Satz wie (39) - einem Fall der de re Verwendungsweise kognitiver Verben. Welches ist der Gedanke, den (39) Ralph zuschreibt? Wir hatten gesehen, daß (vorausgesetzt, (39) sei wahr) ein aus (39) resultierender Satz, etwa (41), auch wahr sein muß, wenn wir "der Mann am Strand" durch einen bedeutungsgleichen Ausdruck ersetzen, einen, der dieselbe Person bezeichnet. Denn (41) folgt ja aus (39) und (40). Für dieWahrheitvon (39) ist also die Bedeutung von "der Mann am Strand" außerhalb kognitiver Kontexte ausschlaggebend, nicht der Sinn dieses Ausdrucks. Das Personalpronomen "er" innerhalb des kognitiven Kontexts bezieht sich auf das Vorkommnis von "der Mann am Strand" zurück; scheint den Mann am Strand zu bezeichnen. Das Pronomen "er" befindet sich jedoch innerhalb des kognitiven Kontextes; und Freges Analyse entsprechend müßte ein Ausdruck innerhalb des kognitiven Kontextes seinen ,gewöhnlichen' Sinn zur Bedeutung haben. Der Mann am Strand als Individuum ist aber kein Sinn eines Ausdrucks, kann nur die Bedeutung eines Ausdrucks sein. Gehen wir nunmehr zur Betrachtung des Satzes (37) über. ,,x ist ein Spion" (als Teil von (37)) ist kein vollständiger Satz, solange die Variable nicht gebunden ist. Aber nur vollständige Sätze drücken Gedanken aus. ,,x ist ein
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Spion" kann in (37) also keinen Gedanken bezeichnen; dies wäre nur dann der Fall, wenn die Variable ,.;x" durch einen Eigennamen oder eine bestimmte Kennzeichnung ersetzt würde. "glaubt" sei Freges Analyse zufolge ein Ausdruck, der eine Relation zwischen Personen und Gedanken behauptet, wurde weiter oben gesagt. Aber im kognitiven Kontext in (37) kommt kein vollständiger Satz vor; also bleibt offen, wozu Ralph in der Relation des Glaubens steht. Außerdem ist nicht klar, wie der Quantor "(Ex)" die Variable innerhalb des kognitiven Kontextes zu binden vermag. Dies wird deutlicher, wenn wir anstatt von (37) (43) betrachten: (43) (Ex) (x ist Person & Ralph glaubt, daß x ein Spion ist). Hier wird zum Ausdruck gebracht, daß der Quantifikationsausdruck ,jemand" in (35) in seiner Anwendung auf Personen eingeschränkt ist. Bedingung dafür, daß (43) wahr ist, müßte einmal sein, daß es einen Gegenstand gibt, der Person ist (denn ,.;x ist Person" ist Teil von (43)), zweitens doch wohl auch, daß dieser Gegenstand Sinn eines Ausdrucks ist (denn "Ralph glaubt, daß x Spion ist" ist ein weiterer Teilausdruck von (43)). Aber dies ist nicht möglich. (ii) Eine zentrale Rolle spielen - wie wir gesehen hatten - in Freges Analyse kognitiver Sätze die Gedanken, die durch die Sätze der Sprache ausgedrückt werden, und die Sinne, die mit sprachlichen Ausdrücken verbunden sind. Wir hatten weiter oben gesehen, daß Sinne "aufgefaßt" werden können, "erfaßt" werden können. Wie geht dies vor sich? Gibt es bestimmte Bedingungen, denen das Erfassen von Gedanken und Sinnen genügen muß?
Man muß wohl annehmen, daß mit der Sinnerfassung ein psychischer Konstruktionsprozeß in folgendem Sinne verbunden ist: der Vorgang der Sinnerfassung ist schwer anders zu begreifen als durch die Hypothese, daß, von einer endlichen Menge von Sinnen ausgehend, man unendlich viele Sinne und Gedanken begreifen kann, konstruieren kann. Gegeben sollten also zunächst endlich viele ,primitive' Sinne sein; aufgrundeines rekursiven Prozesses kann man dann unendlich viele komplexere Sinne und Gedanken erhalten. Mit dieser Annahme kommt, wie nunmehr gezeigt werden soll, Freges Analyse kognitiver Sätze in Widerspruch. 6 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß ein Satz wie (9) insgesamt einen Gedanken ausdrückt. Denn allen Sätzen, somit auch Sätzen, in denen Verben 6 Davidson hat in ,Theories of Meaning and Learnable Languages' die hier darzustellende Schwierigkeit aufgewiesen.
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wie "glauben" vorkommen, rechnet Frege einen Sinn zu. Der Sinn eines Satzes ist aber Funktion der Sinne seiner Teile. Dies geht aus dem weiter oben gesagten hervor: der Sinn ändere sich, wenn in einem Satz ein Satzteil ersetzt wird durch einen Ausdruck unterschiedlichen Sinnes. (9) und (10) etwa haben verschiedene Wahrheitswerte, drücken a fortiori also unterschiedliche Sinne aus, weil "Morgenstern" und "Abendstern" verschiedene Sinne haben. Deswegen kann man fragen: was sind denn die Sinne der im kognitiven Kontext vorkommenden Ausdrücke? Frege unterscheidet die "gewöhnliche Bedeutung" eines Wortes und die, die das Wort im kognitiven Kontext annimmt: seine "ungerade Bedeutung", die sein gewöhnlicher Sinn ist (SB, S. 43); von diesem gewöhnlichen Sinn sei aber der "ungewöhnliche Sinn" zu unterscheiden (SB, S.. 43). Frege schreibt den Ausdrücken im kognitiven Kontext also Sinne zu, und zwar unterscheiden sich diese Sinne von den ,normalen', ,gewöhnlichen' Sinnen. Was sind nun diese ungewöhnlichen Sinne? Was ganze Nebensätze im kognitiven Kontext anbelangt, so bemerkt Frege, daß ein solcher "als Sinn keinen Gedanken (hat), sondern den Sinn der Worte ,der Gedanke, daß .. .', welcher nurTeil des Gedankens des ganzen Satzgefüges ist" (SB, S. 51). Was Satzteile anlangt, so wird man schließen können, daß der ungewöhnliche Sinn des betreffenden Satzteiles der Sinn des Sinnes dieses Satzteiles ist. Betrachten wir hierzu: (44) Hans glaubt, daß Peter glaubt, daß der Morgenstern ein Planet ist. Was ist die Bedeutung von "Morgenstern" in diesem Satz? Die Bedeutung von "Morgenstern" in (44) muß der ungewöhnliche Sinn von "Morgenstern" sein, d. h. der Sinn der Worte "der Sinn von ,Morgenstern"'. Denn "Peter glaubt, daß der Morgenstern ein Planet ist" drückt einen Gedanken aus und bezeichnet in (44), da im kognitiven Kontext vorkommend, diesen Gedanken. Dieser Gedanke ist Funktion der Sinne seiner Bestandteile, insbesondere also des Sinnes des Gedankens, daß der Morgenstern ein Planet ist. Dieser Sinn des Gedankens wird nun seinerseits Resultat der Sinne der Sinne der Ausdrücke sein, die in dem Teilsatz "der Morgenstern ist ein Planet" vorkommen. Wovon hängen aber nun die Sinne der Sinne der Teilausdrücke ab? Der Sinn der Teilausdrücke selbst kann uns hier nicht helfen. Denn wenn wir ihn kennen, kennen wir nur die Bedeutung des Sinnes des Sinnes von Teilausdrücken. Aber zwar legt der Sinn die Bedeutung fest, jedoch nicht umgekehrt die Bedeutung den Sinn. Der Sinn gibt uns die Bedeutung; ohne den Sinn zu kennen, erreichen wir die Bedeutung nicht, können etwa den von
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einem Eigennamen bezeichneten Gegenstand nicht identifizieren. D. h. falls wir zur Erkenntnis der Bedeutung gelangen, dann nur über den Sinn. Alle sinnvollen Ausdrücke haben also (i) Sinn; (ii) Sinn des Sinnes, wobei der Sinn ungleich dem Sinn des Sinnes, der Sinn zwar über den Sinn des Sinnes zu erreichen ist, umgekehrt aber keine Abhängigkeit besteht. Die Menge der Sinne, die uns gegeben ist, umfaßt also zunächst Sinne von Ausdrücken, sodann Sinne der Sinne von Ausdrücken, primitive Entitäten insofern, als die Sinne der zweiten Art nicht auf die der ersten Art reduzibel sind. Wer die Sprache beherrscht, kennt also (i) die Sinne von Ausdrücken; (ii) die Sinne der Sinne von Ausdrücken. Aber dieselbe Argumentation läßt sich offensichtlich für die Sinne der Sinne von Ausdrücken und ihren Sinnen wiederholen; grundsätzlich muß es zu jedem Sinn n- ter Stufe einen Sinn n+ 1-ter Stufe geben, der von dem Sinn n-ter Stufe unabhängig und verschieden ist. Da aber nun keine grundsätzliche obere Grenze für die Länge von Sätzen besteht, und insbesondere auch keine obere Grenze für die Häufigkeit der Iteration kognitiver Verben hintereinander, muß man für das ,Reich der Sinne' abzählbar unendlich viele irreduzible primitive Sinne postulieren.7 Diese Annahme widerspricht aber unserer oben gemachten Hypothese, daß nur endlich viele primitive Sinne gegeben sein sollten; und daß man mittels eines rekursiven Prozesses aus ihnen dann unendlich viele komplexere Sinne und Gedanken erhalten könnte. (iii) Probleme ergeben sich für Freges Analyse kognitiver Sätze auch im Zusammenhang mit einer bestimmten Weise der Verwendung von Personalpronomina innerhalb kognitiver Kontexte.s Betrachten wir die Sätze (45) und (46): (45) Dr. Lauben sagte, daß er verwundet worden ist. (46) Dr. Lauben denkt, er sei verwundet worden. Sowohl (45) wie (46) beinhalten, daß Dr. Lauben auf sich selbst Bezug nimmt, einmal in dem, was er sagt, zum andern in dem, was er denkt. Sätze (45) und (46) exemplifizieren ein Phänomen, das ich Selbstbezugnahme innerhalb kognitiver Kontexte nennen möchte. Wie analysiert Frege die beiden Beispielsätze? 7
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Das hat Carnap in "Meaning and Necessity" gezeigt, S. 131. Vgl. Perry, ,Frege on Demonstratives', S. 474.
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Zunächst zu (45). Was ist die Bedeutung des Personalpronomens "er" in (45)? Auf diese Frage gibt uns Freges Aufsatz "Der Gedanke" eine Antwort. Frege untersucht in diesem Aufsatz (u. a.) das Problem, was denn der Sinn von Wörtern wie "ich", "hier", "heute" etc. sei. Dabei sieht er sich gezwungen, die Annahme einzuschränken, daß der Sinn eines Ausdrucks gemeinsames Eigentum von vielen ist und keinen Schwankungen von Person zu Person unterliegt. Frege betrachtet Sätze, die Demonstrativpronomina enthalten und bemerkt: "In allen solchen Fällen ist der bloße Wortlaut, wie er schriftlich festgehalten werden kann, nicht der vollständige Ausdruck des Gedankens, sondern man bedarf zu dessen richtiger Auffassung noch der Kenntnis gewisser das Sprechen begleitender Umstände, die dabei als Mittel des Gedankenausdrucks benutzt werden.... Der gleiche das Wort "ich" enthaltende Wortlaut wird im Munde verschiedener Menschen verschiedene Gedanken ausdrücken, von denen einige wahr, andere falsch sein können." (G, S. 38) Das bedeutet : wenn Dr. Lauben sagt, "Ich bin verwum;iet worden", so müssen die Begleitumstände der Äußerung herangezogen werden, um den Sinn von "ich" zu erhalten und dann den Sinn des ganzen Satzes. Als Dr. Lauben sagte, er sei verwundet worden, wollte er - wie Frege meint- anderen eine Mitteilung machen. Aber: "Einen Gedanken, den er nur allein fassen kann, kann er nicht mitteilen. Wenn er nun also sagt: ,Ich bin verwundet worden', muß er das ,ich' in einem Sinne gebrauchen, der auch anderen faßbar ist, etwa in dem Sinne von ,derjenige, der in diesem Augenblick zu euch spricht', wobei er die sein Sprechen begleitenden Umstände dem Gedankenaustausch nutzbar macht." (G, S. 40) Wenn es also Herbert Garner und Leo Peter waren, die mit Dr. Lauben zusammen waren, als er sagte, er sei verwundet worden, ist die Bedeutung von "er" in (45) der Sinn der Phrase: "derjenige, der in diesem Augenblick zu Herbert Garnerund Leo Peter spricht". Nunmehr zu (46). In (46) wird Bezug genommen auf das, was Dr. Lauben denkt, nicht auf das, was er sagt. Um die Bedeutung des "er" zu rekonstruieren, kann man daher nicht auf eine Sprechsituation zurückgreifen wie bei der Betrachtung von (45). Was bedeutet also das "er" in (46)? Frege ist der Auffassung, daß ,jeder sich selbst in einer besonderen und ursprünglichen Weise gegeben (ist), wie er keinem anderen gegeben ist. Wenn nun Dr. Lauben denkt, daß er verwundet worden ist, wird er dabei wahrscheinlich diese ursprüngliche Weise, wie er sich selbst gegeben ist, zugrunde legen. Und den so bestimmten Gedanken kann nur Dr. Lauben selbst fassen." (S. 39) Das "er" in (46) bedeutet somit "die besondere und ursprüngliche Weise", in der Dr. Lauben sich selbst gegeben ist. (46) beschreibt also, daß Dr. Lauben einen Gedanken faßt, den andere nicht fassen können. Denn ihnen ist ja die "be-
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sondere und ursprüngliche Weise", in der Dr. Lauben sich selbst gegeben ist, fremd, und deswegen können sie den Gedanken nicht fassen, der diese Weise des Gegebenseins zum Bestandteil hat. Auch kann der Gedanke, den Dr. Lauben faßt, nicht mitgeteilt werden; das wäre ja erst dann möglich, wenn andere diesen Gedanken fassen könnten. Die Behauptung, jeder sei sich selbst in einer besonderen und ursprünglichen Weise gegeben, führt Frege also dazu, die Existenz von Gedanken anzunehmen, die nicht gemeinsames Eigentum vieler sein können, die für Individuen spezifisch sind. Diese Konsequenz widerspricht aber dem, was Frege sonst über Sinn und Gedanken schreibt. In dem Aufsatz "Die Verneinung" (1918-1919) schreibt er etwa, daß das "Sein des Gedankens" darin bestünde, "daß der Gedanke als derselbe von verschiedenen Denkenden gefaßt werden könne" (S. 57). In "Sinn und Bedeutung" (1892) hatte Frege gesagt: der Gedanke sei nicht das subjektive Tun des Denkens, "sondern dessen objektiver Inhalt, der fähig ist, gemeinsames Eigentum von vielen zu sein" (SB, S. 46). Auf der einen Seite also die Behauptung der prinzipiellen Möglichkeit, daß Gedanken geteilt werden, von verschiedenen Individuen gefaßt, vom Einen dem Andern mitgeteilt werden; und auf der anderen Seite die Behauptung der Existenz von Gedanken, die spezifisch sind für ein und nur ein Individuum, die andere nicht fassen können, die nicht mitteilbar sind. Gegen diese Argumentation hat Michael Sukale in einer Diskussion folgenden Einwand gemacht: die "besondere und ursprüngliche Weise", in der jeder sich selbst gegeben ist, ließe sich - den Intentionen Freges möglicherweise entsprechend- als Sinn einer Beschreibung der je eigenen Person auffassen. In diese Beschreibung mögen nun Informationen eingehen, die insofern für die einzelnen Personen spezifisch sind, als andere Personen von einem anderen Erlebnishintergrund her diese Informationen nicht kennen. Der Sinn einer solchen Beschreibung ist aber aus Sinnelementen zusammengesetzt, die gemeinsames Eigentum vieler sein können. Also könne - im Prinzip - auch die besondere und ursprüngliche Weise, in der jeder sich selbst gegeben ist, von anderen erfaßt werden. Es handele sich hier also um Sinne, die im Prinzip vonjedem erfaßt werden können, die de facto aber immer nur von einer Person erfaßt werden. Selbst, wenn man diesen Einwand für richtig hält, bleiben Schwierigkeiten für Freges Analyse der Selbstbezugnahme im kognitiven Kontext. Zum einen kann ein Satz wie (46) nicht mehr einfach als Bezugsetzung von Person und Gedanken aufgefaßt werden : der Gedanke, zu dem Dr. Lauben in Bezug gesetzt wird, ist ja nur unvollständig spezifiziert. Eine vollständige Spezifizierung setzte voraus, daß wir die "besondere und ursprüngliche Weise", in der Dr. Lauben sich selbst gegeben ist,
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ll. Logische Analysen kognitiver Sätze
kennen. Zum zweiten führt die Annahme, man sei sich selbst durch den Sinn einer Beschreibung gegeben, in Schwierigkeiten, die ich in § 6, (2) ausführlicher bespreche.
Frege selbst hat nicht versucht, diese Schwierigkeiten zu lösen, und er hat auch nicht auf sie aufmerksam gemacht. Fassen wir zusammen: Frege hatte angenommen, daß die Extensionen von Ausdrücken, sofern die Ausdrücke in kognitiven Kontexten vorkommen, sich von ihren Extensionen unterscheiden, sofern die Ausdrücke außerhalb kognitiver Kontexte vorkommen. Er machte seine Unterscheidung von Sinn und Bedeutung zur Grundlage seiner Analyse kognitiver Sätze. Innerhalb des kognitiven Kontexts sei die Extension eines Ausdrucks, seine ,Bedeutung' , der gewöhnliche Sinn des Ausdrucks. Wie wir sehen, kommt Freges Analyse an drei Stellen in Schwierigkeiten: (i) bei der Anwendung auf die de re Verwendungsweise kognitiver Verben; (ii) bei dem Versuch, zu berücksichtigen, daß das Erfassen von Gedanken und Sinnen ein rekursiver Prozeß ist; und (iii) bei der Anwendung auf Sätze mit Selbstbezugnahme innerhalb kognitiver Kontexte. Angesichts dieser Situation stellt sich die Frage, welche Strategie einzuschlagen ist, um zu einer Zufriedenstellenderen Analyse kognitiver Sätze zu gelangen. Sollen wir Freges Analyse rundweg flir gescheitert erachten? Ist die Annahme zu verwerfen, daß Ausdrücke innerhalb kognitiver Kontexte andere Extensionen hätten als außerhalb? Ist allein die Annahme zu verwerfen, innerhalb des kognitiven Kontextes sei die Extension eines Ausdrucks sein gewöhnlicher Sinn? Oder können wir etwa die Grundzüge von Freges Analyse beibehalten und müssen nur Änderungen in Details vornehmen, z. B. im Zusammenhang mit seiner Analyse der Demonstrativpronomina, oder in Zusammenhang mit der Analyse von Sätzen, in denen kognitive Verben iteriert vorkommen?
(2) Zwei Aspekte der Fregeschen Auffassung vom Sinn: Ob und wie sich innerhalb des von Frege gesetzten Rahmens kognitive Sätze analysieren lassen, will ich im weiteren Verlaufdieser Arbeit untersuchen. D. h . ich will die Frage untersuchen: lassen sich kognitive Sätze auf zufriedenstellendeWeise analysieren, wenn wir annehmen, daß innerhalb des kognitiven Kontexts die Extension eines Ausdrucks so etwas ist wie ein Fregescher Sinn? Ich sage hier: "so etwas wie ein Fregescher Sinn"; denn man wird wohl gewisse Modifikationen an Freges Auffassung vom Sinn sprachlicher Ausdrücke vorzunehmen haben. Wie haben solche Modifikationen auszusehen?
§ 4: Freges Analyse kognitiver Sätze
59
In diesem Abschnitt will ich zwei Aspekte hervorheben, die mit der Fregeschen Auffassung vom Sinn sprachlicher Ausdrücke verbunden sind. Sie erweisen sich als Ausgangspunkte ftir Modifikationen dieser Auffassung. Der eine Aspekt betrifft den Sinn als Gegenstand kognitiver Tätigkeiten und Prozesse: der Sinn muß erfaßt, aufgefaßt werden. Der zweite Aspekt betrifft den Zusammenhang zwischen Sinnkenntnis und Beherrschung der Sprache durch ihre Sprecher: wer den Sinn eines Ausdrucks kennt, dem ist die Identifikation der Bedeutung des Ausdrucks ermöglicht. Wir werden sehen, daß die Gestalt einer Analyse kognitiver Sätze davon abhängt, welchen der beiden Aspekte der Fregeschen Auffassung vom Sinn man zum Ausgangspunkt der Betrachtungen heranzieht. Dies wird sich ftir die beiden noch zu untersuchenden logischen Analysen kognitiver Sätze zeigen. Die eine Analyse kognitiver Sätze ist die in den letzten Jahren viel diskutierte Analyse mit Hilfe der sogenannten Mögliche-Welten-Semantik. Sie betont den zweiten Aspekt der Fregeschen Auffassung vom Sinn. In § 5 werden wir uns mit ihr beschäftigen. Eine ,mentalistische' Alternative dazu, die ebenfalls an Annahmen Freges anschließt, soll in den darauf folgenden Paragraphen entwickelt werden. Diese Analyse nimmt den ersten Aspekt von Freges Sinn-Konzeption zum Ausgangspunkt. Betrachten wie also nochmals Freges Auffassung vom Sinn sprachlicher Ausdrücke.
Frege sagt (in "Logik in der Mathematik", S. 98): "Das Denken ist nicht als das Hervorbringen des Gedanken, sondern als dessen Erfassen anzusehen." Wer denkt, erfaßt einen Gedanken.9 Daraus geht hervor, daß das Erfassen eines Gedankens als eine bei einer Person zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfindende kognitive Tätigkeit zu betrachten ist. Analoges wird ftir das Erfassen von Sinn im Allgemeinen gelten. Der Sinn ist nun mit den sprachlichen Zeichen verknüpft (der Gedanke mit den Sätzen der Sprache). Wer ein sprachliches Zeichen als solches gebraucht oder hört, erfaßt den Sinn des Zeichens. Wer einen Satz als solchen äußert oder versteht, erfaßt einen Gedanken. Mit der Kenntnis der Sprache insgesamt ist dann die Fähigkeit verbunden, die Sinne ihrer Ausdrücke zu erfassen. 10 Der Sinn wird also "aufgefaßt", "erfaßt"; "erfassen" und "auf9 Vgl. auch Frege, ,Der Gedanke', S. 44, S. 50. Daftlr, daß Sprachkenntnis für Frege die Fähigkeit zur Erfassung von Sinnen von Zeichen ist, nicht die Erfassung selbst, spricht seine Formulierung in SB, S. 44, Zeilen 9-11, wo er "von dem Sinn eines Zeichens" spricht, "welches gemeinsames Eigentum von vielen sein kann" (meine Hervorhebung). Dagegen vgl. aber S. 42, Zeile 1-3 in SB: "Der Sinn eines Zeichens wird von jedem erfaßt, der die Sprache . . . kennt . . ."(meine Hervorhebung). Hier müßte es wohl 10
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Il. Logische Analysen kognitiver Sätze
fassen" bezeichnen psychische Prozesse. Das Er- oder Auffassen von Sinn ist eine kognitive Tätigkeit; und es ist seinerseits Voraussetzung fl.ir das Vorliegen kognitiver Einstellungen und die Durchführung anderer kognitiver Tätigkeiten. Deswegen kann man sagen, daß Sinn und Gedanken Gegenstände kognitiver Einstellungen und Tätigkeiten sind. Dies ist der erste Aspekt der Fregeschen Auffassung vom Sinn: Sinne als Gegenstände kognitiver Einstellungen und Tätigkeiten. Dieser Aspekt von Freges Auffassung vom Sinn hat als unmittelbare Konsequenz Freges Analyse kognitiver Sätze. Denn wenn der Sinn Gegenstand kognitiver Tätigkeiten und Einstellungen ist, dann ist es klar, daß kognitive Sätze, d. h. Sätze, die solche Prozesse und Einstellungen beschreiben, von den Gegenständen dieser Tätigkeiten und Einstellungen handeln. Dies sind Sätze, in denen man vom Sinn der Worte reden will (SB, S. 43). Daß Frege dazu kommt, als Extension von Ausdrücken im kognitiven Kontext ihren gewöhnlichen Sinn zu postulieren, ergibt sich somit ganz natürlich aus seiner Auffassung vom Sinn; es wäre sicherlich falsch, darin nur einen Versuch zu sehen, das Prinzip aufrechtzuerhalten, der Wahrheitswert eines Satzes bleibe unverändert, wenn in ihm ein Satzteil ersetzt wird durch einen Ausdruck, der dasselbe bezeichnet. Im Gegenteil: weil der Sinn Gegenstand kognitiver Tätigkeiten und Einstellungen ist, kann dieses Prinzip beibehalten werden. Die Annahme, Ausdrücke innerhalb kognitiver Kontexte hätten andere Extensionen als außerhalb, ist deshalb nur eine Konsequenz aus Freges Doktrin von Sinn und Bedeutung und hat keinen autonomen Charakter. Wir sehen: Freges Analyse kognitiver Sätze ist unmittelbar an seine.J(onzeption vom Sinn von Ausdrücken gekoppelt. Mit der Kenntnis der Sprache ist, wie oben gesagt, die Kenntnis des Sinns ihrer Ausdrücke verbunden. Worin kann diese Kenntnis bestehen? Der Sinn eines Zeichens ist, "worin die Art des Gegebenseins enthalten ist". Wer den Sinn des Zeichen kennt, weiß also, "worin die Art des Gegebenseins enthalten ist" . Was ist darunter zu verstehen? Eine Antwort auf diese Frage erhalten wir ausFreges Bemerkung über die Verschiedenheiten in der Weise, in der Zeichen etwas bezeichnen : "Eine Verschiedenheit kann nur dadurch zustandekommen, daß der Unterschied eines Zeichens einem Unterschiede in der Art des Gegebenseins des Bezeichneten entspricht. Es seien a, b, c die Geraden, welche die Ecken eines Dreiecks mit den Mitten der Gegenseiten verbinden. Der Schnittpunkt von a und b ist dann derselbe wie der Schnittpunkt von b und c. Wir haben also verschiedene Bezeichnungen für denselheißen: "kann vonjedem erfaßt werden". Denn Erfassen ist eine Tätigkeit; in einem gegebenen Moment wird man nicht die Sinne aller Zeichen einer Sprache zu erfassen in der Lage sein.
§ 4: Freges Analyse kognitiver Sätze
61
ben Punkt, und diese Namen ("Schnittpunkt von a und c", "Schnittpunkt von b und c") deuten zugleich auf die Arten des Gegebenseins ..."(SB, S. 41)
Der Schnittpunkt der Geraden a, b, c kann damit auch auf verschiedene Weisen identifiziert werden: einmal dadurch, daß wir die Geraden a und c betrachten und bis zu ihrem Schnittpunkt verfolgen; oder etwa dadurch, daß wir die Geradenbund c betrachten und bis zu ihrem Schnittpunkt verfolgen. Wer den Sinn eines Ausdrucks kennt, kennt die Art des Gegebenseins des durch den Ausdruck Bezeichneten. Und wie sich aus dem eben betrachteten Beispiel ergibt, ist ihm dadurch die Identifikation der Bedeutung des Ausdrucks ermöglicht. Die Kenntnis des Sinnes eines Ausdruckes ermöglicht also die Identifikation seiner Bedeutung: wenn der Ausdruck ein Name oder eine Beschreibung ist, des durch den Namen bezeichneten Gegenstandes. Genauer: die Kenntnis des Sinnes einer Beschreibung, die etwas bezeichnet, ermöglicht in einer geeigneten Situation die Identifikation der Bedeutung der der Beschreibung. Die Kenntnis des Sinnes etwa von "der Schnittpunkt von a und c" ermöglicht es uns, unter geeigneten Bedingungen den Punkt, der durch den Ausdruck bezeichnet wird, zu identifizieren. Wie ist die Situation bei Sätzen? Frege meinte, die Bedeutung eines Satzes sei sein W ahrheitswert.II Der Sinn, der durch den Satz ausgedrückt werde, sei der Gedanke. Aber auch der Gedanke als Sinn ist als Art des Gegebenseins einer Bedeutung zu betrachten; es geht hier um die Art des Gegebenseins eines Wahrheitswertes. Die Kenntnis des Sinnes eines Satzes ermöglicht, gegeben eine geeignete Situation, die Feststellung seines Wahrheitswertes; d. h. wer den Gedanken kennt, der durch einen Satz ausgedrückt wird, kann in einer geeigneten Situation sagen, ob der Satz in dieser Situation wahr ist oder falsch. Wer den Sinn etwa von "Die Katze ist auf der Matte" kennt, der kann, gegeben eine geeignete Situation, sagen, ob der Satz wahr ist oder nicht. Die Fähigkeit, den Wahrheitswert eines Satzes zu beurteilen, gegeben eine geeignete Situation, die er beschreibt, bzw. die Fähigkeit, einen Gegenstand, der uns präsentiert ist, als durch eine Beschreibung bezeichnet zu identifizieren, sind aber wohl konstitutive Bestandteile unserer Fähigkeit, eine Sprache zu sprechen. Sinnkenntnis ist also Teil der Sprachbeherrschung, Teil der sprachlichen Kompetenz 12. Der zweite Aspekt der Feegesehen SinnKonzeption, den ich hier hervorheben wollte, betrifft also Sinnkenntnis als Bestandteil sprachlicher Kompetenz. II
12
SB, s. 48. Vgl. Cresswe/1, ,Semantic Competence' : semantische Kompetenz eines Sprechers einer
Sprache sei "seine Fähigkeit, zu sagen, wenn mit einem Satz und einer Situation präsentiert, ob der Satz in dieser Situation wahr oder falsch ist." (S. 10).
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II. Logische Analysen kognitiver Sätze
§ 5: Die logische Analyse kognitiver Sätze
mit Hilfe-der Mögliche-Welten-Semantik
In diesem Paragraphen soll die Analyse kognitiver Sätze mittels der sogenannten "Mögliche-Welten-Semantik" dargestellt und diskutiert werden. Dabei werde ich mich hauptsächlich auf die Arbeiten von Jaakko Hintikka beziehen. 1 Im ersten Abschnitt wird die Mögliche-Welten-Semantik in ihrer Anwendung auf kognitive Sätze skizziert; im zweiten Abschnitt sollen Probleme der Anwendung der Mögliche-Welten-Semantik aufkognitive Sätze und Versuche zu ihrer Lösung besprochen werden. Überlegungen, die der Frage gelten, warum bestimmte Schwierigkeiten flir die Anwendung der Mögliche-Welten-Semantik auf kognitive Sätze verbleiben, sollen den Paragraphen abschließen. (l)Die Anwendung der Mögliche- Welten-Semantik aufkognitive Sätze: Zunächst will ich darstellen, wie sich die Anwendung der Mögliche-Welten-Semantik aufkognitive Sätze motivieren läßt. Sodann will ich das syntaktische System beschreiben, dem die logischen Formen kognitiver Sätze der hier darzustellenden Analyse zufolge zuzuordnen sirid und skizzieren, was als zulässige Interpretation des syntaktischen Systems anzusehen ist, und was die Wahrheitsbedingungen eines Satzes des syntaktischen Systems in einer zulässigen Interpretation sind. (i) Einer der Ausgangspunkte flir die Mögliche-Welten-Semantik, wie sie Hintikka entwickelt, ist der Aspekt der Fregeschen Auffassung von Sinn, der Sinnkenntnis als Bestandteil der Sprachkompetenz betrifft. Wir sahen, daß es die Kenntnis des Sinns eines Ausdrucks ist, die uns die Identifikation seiner Bedeutung, seiner Extension erlaubt (im Falle von Sätzen: die Feststellung ihres W ahrheitswertes). So ermöglicht uns der Sinn einer Beschreibung, die etwas bezeichnet, die Identifikation der Bedeutung der Beschreibung, eines Gegenstandes, sofern wir mit dem Gegenstande in einer geeigneten Situation präsentiert sind. So ermöglicht uns der Gedanke, den ein Satz ausdrückt, gegeben eine geeignete Situation, festzustellen, ob der Satz wahr ist oder falsch. I Hier kommen hauptsächlich folgende drei Bücher von Hintikka in Betracht : .,Knowledge and Belief", .,Models for Modality. Selected Essays" und .,The Intentions of Intentionality and Other New Models for Modality". Eine andersartige Anwendung der Mögliche-Welten-Semantik auf kognitive Sätze wird von Bigelow im Anschluß an Cresswe/1 und Lewis vorgenommen. Vgl. hierzu die beiden Aufsätze von Bigelow, die in der Literaturliste aufgeführt sind. Bigelow bezieht sich darin insbesondere auf den Aufsatz von Cresswell, ,Hyperintensional Logic'. Auf diese Entwicklungslinie gehe ich hier nicht ein.
§ 5: Logische Analyse mit Hilfe der Mögliche-Welten-Semantik
63
Nun sind wir aber nicht nur dazu in der Lage, meint Hintikka 2 , einen Gegenstand allein unter einer Bedingung zu identifizieren. Häufig können wir einen (ein und denselben) Gegenstand unter verschiedenen Umständen identifizieren, wir können ihn bei verschiedenen Gelegenheiten wiedererkennen. Und den Wahrheitswert eines Satzes können wir unter verschiedenen Umständen, in verschiedenen alternativen Ereignisverläufen feststellen. Eng mit unserer Fähigkeit, Gegenstände unter geeigneten Bedingungen zu identifizieren und den Wahrheitswert von Sätzen in geeigneten Situationen festzustellen, scheint also verbunden zu sein: die Gegenstände als dieselben unter verschiedenen Bedingungen wiedererkennen zu können, den Wahrheitswert eines Satzes unter verschiedenen Umständen und verschiedenen alternativen Ereignisverläufen feststellen zu können. Zur Meisterung der Sprache gehört es nach Freges Meinung, die Sinne der Ausdrücke zu kennen und die Gedanken, die durch Sätze mitgeteilt werden. Dies heißt bei Zugrundelegung der eben dargestellten Auffassung, unter verschiedenen Umständen die Extension eines Ausdrucks finden zu können, bzw. denWahrheitswert eines Satzes ermitteln zu können. Man könnte sich also denken, daß der Sinn eines Ausdrucks etwas ist, das unter verschiedenen Umständen die Extension des Ausdruckes angibt (der Sinn eines Satzes: etwas, was den Wahrheitswert des Satzes unter verschiedenen Bedingungen angibt). Wir könnten an eine Funktion denken, die einem Ausdruck unter je verschiedenen Bedingungen seine Extension zuordnet. So kann man dazu kommen, den Sinn eines Ausdruckes mit dieser Funktion zu identifizieren. Hintikka ist der Auffassung, daß dadurch präzisiert und erläutert würde, was Frege mit dem Begriff des Sinnes verbunden hat: " . .. all dieses Reden von ,Arten des Gegebenseins' muß in der letzten Analyse funktional verstanden werden. Sinne von Ausdrücken sind einfach die Funktionen, die deren Extensionen oder Objekte festlegen." (lol, S. 207) Anstatt von verschiedenen Bedingungen zu sprechen, von alternativen möglichen Ereignisverläufen, verschiedenen Umständen etc. sagen wir nun einfach, dies seien mögliche Welten. Die Funktion, von der die Rede war, wäre dann eine Funktion, die einem Ausdruck in verschiedenen möglichen Welten eine Extension zuweist; einer Beschreibung einen Gegenstand in jeder möglichen Welt, einem Satz einen Wahrheitswert in jeder möglichen Welt. Wie hängen diese Überlegungen mit der logischen Analyse kognitiver Sätze zusammen? Bevor wir diese Frage beantworten, wenden wir uns einer bereits bekannten Fragestellung zu: Inwiefern könnten sich die Extensionen 2
Vgl. hierzu etwa die Aufsätze SPA und lol.
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II. Logische Analysen kognitiver Sätze
von Ausdrücken im kognitiven Kontext von denen außerhalb unterscheiden, von ihren sozusagen ,normalen' Extensionen? Betrachten wir: (47) Ralph glaubt, daß der Morgenstern ein Fixstern ist. Was könnte die Extension von "Morgenstern" in (47) sein? Man könnte antwarten, daß die Extension von "Morgenstern" in (47) ein bestimmter Fixstern ist in einem Weltall, das sich vom tatsächlichen Weltall unter anderem dadurch unterscheidet, daß der Morgenstern ein Fixstern ist. Die Extension von "Morgenstern" in (47) ist somit ein Gegenstand, der in einer Welt, bzw. in Welten existiert, die so beschaffen sind, wie die reale Welt nach Ralphs Meinung beschaffen ist, ein Gegenstand, der entweder in der wirklichen Welt nicht existiert oder in der wirklichen Welt zwar existiert, aber nicht identisch ist mit dem Gegenstand, den "Morgenstern" gewöhnlich bezeichnet (bzw. nicht dieselben Eigenschaften hat)J. Aufgrund dieser Überlegungen könnte man dazu kommen, ,nicht-normale' Extensionen von Ausdrükken anderswo zu lokalisieren als in der realen Welt, nämlich in Welten, die so beschaffen sind, wie die reale Welt nach Ralphs Meinung beschaffen ist, in Welten, die mit Ralphs Glauben vereinbar sind. Wir können aber nun nicht annehmen, daß der Glaube einer Person so spezifisch ist, daß er aus einer Gesamtheit aller möglichen Welten eine bestimmte mögliche Welt aussondert. Zwar wird durch eine Beschreibung dessen, was Ralph glaubt, eine Reihe möglicher Welten ausgeschlossen, z. B. die wirkliche, in welcher der Morgenstern ein Planet ist. Aber gleichzeitig wird durch die Beschreibung dessen, was Ralph glaubt, noch eine Reihe anderer Welten als diese Beschreibung erfüllend zugelassen: z. B. die Klasse der W elten, in denen der Mars ein Fixstern ist, und die Klasse der Welten, in denen der Mars ein Planet ist (vorausgesetzt sei, daß Ralph keine spezifische Meinung bezüglich des Mars hat). Durch das, was Ralph glaubt, wird also nicht eine mögliche Welt festgelegt, sondern mehrere mögliche Welten; und die Sätze, die beschreiben, was Ralph glaubt, einschließlich "Der Morgenstern ist ein Fixstern", sind nicht nur in einer möglichen Welt wahr, sondern in einer Vielzahl möglicher Welten. Deswegen wäre es unrichtig, die ,nicht-normale' Extension eines Ausdrucks allein in seiner Extension in einer möglichen Welt zu sehen. Wir müssen vielmehr davon ausgehen, daß wir es hier mit einer Vielzahl von Extensionen zu tun haben, d. h. mit je einer Extension in je einer der möglichen 3 Über die Frage der Identität von Gegenständen, die in verschiedenen möglichen Welten auftauchen, siehe weiter unten, S. 79-81.
§ 5: Logische Analyse mit Hilfe der Mögliche-Welten-Semantik
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Welten, die durch Ralphs Glauben zugelassen werden, mit ihm vereinbar sind. Aus diesem Grunde kann die ,nicht-normale' Extension von "Morgenstern" in (47)nicht nur ein Gegenstand in einer möglichen Welt sein; sondern wir müssen uns die ,nicht-normale' Extension von "Morgenstern" als ein komplexeres Objekt denken: jeweils ein Gegenstand in jeweils einer der möglichen Welten, die mit (47) vereinbar sind und mit "Der Morgenstern ist ein Fixstern"; genauer: wir müssen uns die ,nicht-normale' Extension als Menge geordneter Paare denken, wo die erste Koordinate eine derartige mögliche Welt ist, die zweite der Gegenstand, der in dieser möglichen Welt durch den Ausdruck "Morgenstern" bezeichnet wird.4
Wie hängt dies nun damit zusammen, was weiter oben über den Sinn von Ausdrücken gesagt wurde? Der Sinn eines Ausdrucks sei die Funktion, die dem Ausdruck in allen möglichen Welten eine Extension zuweist (Sätzen wird ihr Wahrheitswert in einer möglichen Welt zugewiesen). Jedem Ausdruck sei also eine Funktion zugeordnet, deren Definitionsbereich die Menge der möglichen Welten ist, und deren Wertemenge dasjenige umfaßt, was die Ausdrücke in den einzelnen möglichen Welten bezeichnen (bzw. ihr Wahrheitswert in den einzelnen möglichen Welten). Daß eine Person den gesamten Sinn eines Ausdrucks kennt, ist ihr aber nicht möglich. Denn dies hieße, daß sie einem Ausdruck unter allen möglichen Umständen einen Gegenstand zuordnen könnte, bzw. denWahrheitswert eines Satzes unter allen Umständen feststellen. Das Wissen und die Wendigkeit des Menschen sind jedoch beschränkt, er kann sich nur in einigen möglichen Welten zurechtfinden, nicht in allen. Wenn wir dieser Beschränkung Rechnung tragen wollen, müssen wir die Sinnfunktion deswegen auf die Menge derjenigen möglichen Welten restringieren, die mit dem Glauben einer Person (oder mit einer anderen kognitiven Einstellung) vereinbar sind. 5 Die Extension eines Ausdrucks im kognitiven Kontext, seine ,nicht-normale' Extension, ist dann diese restringierte Sinnfunktion. Zunächst wollen wir sehen, welche syntaktische Analyse kognitiver Sätze mit den eben vorgetragenen Überlegungen zusammengehen könnte. Sollen wir kognitive Verben als zum Lexikon einer gegebenen Sprache gehörige Relationsausdrücke auffassen? Etwa das "glaubt" in (47) als Ausdruck für eine Relation, die zwischen Ralph besteht und "daß der Morgenstern ein Fixstern Sei (a, b) ein geordnetes Paar. a heißt erste Koordinate des Paars, b heißt zweite Koordinate. A nach einer Menge B. fweistjedem Element von A ein Element von B zu. Sei A 'eine echte Teilmenge von A. Wir definieren eine neue Funktion f' von A' nach B. Sie soll mit/übereinstimmen, außer daß sie ftir AIA' nicht definiert ist.f' heißt die Restriktion von f auf A '. 4
5 Seifeine Funktion von einer Menge
5 Bühler
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II. Logische Analysen kognitiver Sätze
ist"? Eine Alternative dazu bestünde darin, den gesamten Komplex "Ralph glaubt, daß" als syntaktische Konstruktionsoperation, als Operator zu sehen. Gehen wir für einen Moment auf die Analyse von Ausdrücken wie "alle", "einige", etc. zurück. Betrachten wir: (48) Alle Raben sind schwarz. Bekanntermaßen wird (48) für logische Zwecke so analysiert: Für alle x gilt: wenn x ein Rabe ist, dann ist x schwarz. Der Allquantor "für alle x" weist uns sozusagen daraufhin, daß wir nicht ein bestimmtes Individuum betrachten sollen, daß das ,-?'" in "wenn x ein Rabe ist, dann ist x schwarz" sich nicht auf ein bestimmtes Individuum bezieht, nicht nur ein Individuum als Extension hat, sondern daß das ,-?'" sich auf alle Individuen in einem vorgegebenen, fixierten Individuenbereich bezieht; sozusagen mehrere Extensionen auf einmal hat. In ähnlicher Funktion könnten wir uns den Ausdruck "a glaubt, daß" vorstellen: dieser Ausdruck richtet unsere Aufmerksamkeit auf alle möglichen Welten, die mit dem Glauben von a übereinstimmen; der Ausdruck, "a glaubt, daß" soll u. a. anzeigen, daß wir nicht nur einen bestimmten Gegenstand als Extension von "Morgenstern" betrachten wollen, sondern alle Gegenstände, die durch "Morgenstern" in den verschiedenen Welten bezeichnet werden, die mit a's Glauben vereinbar sind. Wegen dieser Ähnlichkeit in der semantischen Funktion zwischen dem Allquantor und dem Ausdruck "a glaubt, daß" könnten wir freilich festlegen, daß "a glaubt, daß" zur seihen syntaktischen Kategorie wie der Allquantor gehören soll: es soll sich um einen Operator handeln, der auf Sätze und Formeln angewendet wird, wo das Resulat seiner Anwendung wi~der ein Satz oder eine Formel ist. Wie könnte man nun zu einer Wahrheitsdefinition gelangen, die auch auf Sätze angewendet werden kann, in denen kognitive Ausdrücke vorkommen? Wir könnten sagen, daß die Wahrheit der kognitiven Sätze nicht nur von einer Welt abhängt, unserer wirklichen, sondern von all denen, die wir aufgrunddes kognitiven Ausdrucks zu berücksichtigen haben; im Falle von (47) etwa von allen möglichen Welten, die mit Ralphs Glauben vereinbar sind. Bei einer Wahrheitsdefinition für kognitive Sätze dürfen wir also nicht nur einen Zustand (d. h. eine mögliche Welt) berücksichtigen, auch nicht alle möglichen Zustände, sondern wir müssen ein geeignetes System von Zuständen berücksichtigen, je in Ansehung des kognitiven Ausdrucks, der in einem gegebenen kognitiven Satz vorkommt. Hiermit sind bereits die Grundgedanken der Mögliche-Welten-Semantik für kognitive Sätze skizziert worden.
§ 5: Logische Analyse mit Hilfe der Mögliche-Welten-Semantik
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Mit Hilfe dieser Gedanken läßt sich eine Wahrheitsdefinition für kogni. tive Sätze geben, die aufgrund einer bestimmten syntaktischen Analyse dieser Sätze aufzeigt, wie ihre Wahrheitsbedingungen von den Extensionen der Teilausdrücke abhängen. Dabei geht man aus von der Analyse kognitiver Ausdrücke als Operatoren. Der Ausdruck "a glaubt, daß" wird als Operator gefaßt; für jede Person, von der wir in der Sprache sprechen können, läßt sich ein eigener Glaubensoperator bilden; entsprechendes gilt für die anderen kognitiven Verben. Die Wahrheitsbedingungen für Sätze, in denen z. B. konjungierte Formen von "glauben" und "wahrnehmen" vorkommen, lassen sich dann (ungefähr) folgendermaßen formulieren: (49) "a glaubt, daßp" ist wahr gdw. (genau dann wenn) es in allen möglichen Welten, die vereinbar sind mit dem, was a glaubt, der Fall ist, daß p. (50) "a glaubt nicht, daß p" (im Sinne von: "es ist nicht der Fall, daß a glaubt, daß p") ist wahr gdw. es eine mögliche Welt gibt, die vereinbar ist mit dem, was a glaubt, und in der "non-p" wahr ist. (51) "a nimmt wahr, daß p" ist wahr gdw. in allen möglichen Welten, die vereinbar sind mit dem, was a wahrnimmt, es der Fall ist, daß p. 6 In den Definitionen (49), (50) und (51) wird offensichtlich die logische Struktur der Sätze berücksichtigt, die innerhalb des kognitiven Kontextes vorkommen. Die Wahrheit, bzw. Falschheit von Sätzen der Form "a glaubt daß p" oder "a nimmt wahr, daß p" hängt damit auch von der logischen Strukturvonp ab. Betrachten wir z. B. (49). Seipein Satz im kognitiven Kontext, in dem mittels eines logischen Verknüpfungszeichens die Sätze q und r verbunden sind. Dann hängt offenbar, ob p in allen möglichen Welten der Fall ist, die vereinbar sind mit dem, was a glaubt, in funktionaler Weise von der Wahrheit (bzw. Falschheit) von q und r in diesen möglichen Welten ab. Zum besseren Verständnis der obigen Definitionen möchte ich zunächst noch untersuchen, wann ein Satz der Form "a glaubt, daß p" falsch ist. Sodann will ich auf die Frage eingehen, was denn in (49), (50) und (51) tatsächlich definiert werde. Wann ist ein Satz der Form "a glaubt, daß p" falsch? Ein solcher Satz ist natürlich falsch, wenn "a glaubt nicht, daß p" wahr ist. Und ein solcher Satz scheint unter zwei verschiedenen Bedingungen wahr sein zu können: (i) wenn a bezüglich der Dinge oder Sachverhalte, von denen in dem Satzp gesprochen wird, keine Meinung hat; (ii) wenn "a glaubt, daß non-p" wahr ist 7• 6 Diese Definitionsklauseln finden sich etwa in SP A, S. 92, und in ,On the Logic of Perception', S. 155. 7 Wenn wir zulassen, daß eine Person Widersprüchliches glauben kann, müssen wir zulassen, daß "a glaubt, daß p" und "a glaubt, daß non-p" gleichzeitig wahr sein können. Unter dieser 5*
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11. Logische Analysen kognitiver Sätze
Wie wird diese Unterscheidung reflektiert, wenn man die Mögliche-Welten-Semantik anwendet?
ad (i): Betrachten wir: (52) Freitag glaubte, daß Shakespeare der Autor der Canterbury Tales ist. Bei der Untersuchung der Wahrheitsbedingungen von (52) will ich vernachlässigen, daß Freitag, der Gefährte Robinsons, eine fiktive Person ist. Aber ich will annehmen, daß Freitag nicht von der Existenz von Shakespeare wußte, und daß ihm keine literarischen Werke des westlichen Kulturkreises (mit Ausnahme der Bibel) bekannt waren, weder durch Lektüre noch bloß namentlich. (52) ist gemäß der Mögliche-Welten-Semantik falsch, weil nicht in allen Welten, die mit dem vereinbar sind, was Freitag glaubte, der Satz "Shakespeare ist der Autor der Canterbury Tales" wahr ist. Es gibt nämlich verschiedenste mögliche Welten, die mit Freitags Glauben vereinbar sind, in denen "Shakespeare ist der Autor der Canterbury Tales" falsch ist. Dazu gehören Welten, in denen "Shakespeare ist der Autor von Macbeth" wahr ist, und Welten, in denen "Shakespeare ist der Autor des Decamerone" wahr ist. Alle diese Welten sind mit Freitags Glauben vereinbar. Andererseits gibt es auch mögliche Welten, in denen "Shakespeare ist der Autor der Canterbury Tales" wahr ist, die mit Freitags Glauben vereinbar sind. Denn da Freitag von der westlichen Literatur nichts weiß, kann er keine Meinung bezüglich Einzelheiten ihrer Geschichte haben.
ad (ii): Betrachten wir jetzt: (53) Defoe glaubte, daß Shakespeare der Autor der Canterbury Tales ist. Defoe wußte von Shakespeare und verschiedenen literarischen Werken des westlichen Kulturkreises. Er glaubte, daß Shakespeare nicht der Autor der Canterbury Tales war. Gemäß der Mögliche-Welten-Semantik ist (53) nun falsch, weil nicht in allen möglichen Welten, die vereinbar sind mit dem, was Defoe glaubte, "Shakespeare ist der Autor der Canterbury Tales" wahr ist. Aber da Defoe ja glaubte, Shakespeare sei nicht der Autor der Canterbury Tales, gilt noch mehr: in keiner der möglichen Welten, die vereinbar sind mit dem, was Defoe glaubte, ist der betreffende Satz wahr. In diesem Fall (ii) werden offenbar mögliche Welten ausgeschlossen, die in Fall (i) zugelassen sind. Was wird durch (49), (50) und (51) definiert? Bei diesen Definitionsklauseln handelt es sich um Teile einer Wahrheitsdefinition für Sätze einer beVoraussetzung haben wir die Bedingung (ii) zurückzuweisen. Siehe hienu meine Ausführungen weiter unten in § 7 (1).
§ 5: Logische Analyse mit Hilfe der Mögliche-Welten-Semantik
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stimmten Sprache. Definiert wird etwa in (49) ",a glaubt, daß p' ist wahr (im Deutschen)", wobei vorausgesetzt wird, daß wir wissen, was "glaubt" bedeutet. Die Bedeutung des Wahrheitsbegriffs wird durch die Definition festgelegt, als unproblematisch wird unser Verständnis der kognitiven Verben vorausgesetzt. Dem entspricht übrigens auch unser Vorgehen in der gewöhnlichen Logik Erster Ordnung; eine Klausel der Wahrheitsdefinition lautet etwa: (54) ,,p & q" ist wahr genau dann, wenn p wahr ist und q wahr ist. Die Bedeutung von "und" wird bei dieser Definition als bekannt vorausgesetzt. Es handelt sich nicht um eine Definition der logischen Konstante, sondern allein um die Definition von "ist wahr" für Sätze, die diese Konstante enthalten. (ii) Wie sieht nun ein mit den eben dargestellten Gedanken vereinbares syntaktisches System im Einzelnen aus? Das syntaktische System K, dem die logischen Formen kognitiver Sätze der hier besprochenen Analyse zufolge angehören, ist eine quantifikationale Syntax, zu der neue logische Zeichen, die kognitiven Operatoren, wie ich sie nennen will, hinzugefügt werden. s Als Zeichenkategorien dieses Systems K haben wir: (1) die Kategorie der Variable; x, x0 , x 1 , •.. sind Variablen;
(2) die Kategorie der Individuenkonstanten; a, b, c, ... sind Individuenkonstanten; Um hernach weitere syntaktische Kategorien definieren zu können, füge ich hier folgende Definition ein: ein Term t von K ist entweder eine Variable oder eine lndividuenkonstante. Weiter haben wir folgende Kategorien: (3) die Kategorie des Prädikatssymbols; Pj , ... , Pj , ... , P~ , . . ., P~ sind Prädikatssymbole, wo der obere Index die Stelligkeit bezefchnet; dgr untere Index bezieht sich auf die Reihenfolge der unterschiedlichen i-stelligen Prädikatssymbole in der Aufzählung; wenn ein Prädikatsymbol den unteren Index ~ hat, heißt dies, daß es an der j-ten Stelle der Aufzählung steht (obere und untere Indizes werde ich weglassen, wenn keine Mißverständnisse zu befürchten sind); (4) die Kategorie der logischen Konstante: sEine explizite Darstellung des syntaktischen Systems K findet sich bei Hintikka nicht; die Darstellung, die ich gebe, berücksichtigt Hintikkas Gedanken und beruht teilweise auf Clark, S. 76.
li. Logische Analysen kognitiver Sätze
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(i)
-, &, -., v, E, U sind logische Konstanten;
(ii)
die unvollständigen kognitiven Operatoren Kj, K]., ... , K;, die f\i.r die kognitiven Verben stehen, sind logische Konstanten;
(iii) sei nun t ein Term, sei Kjein unvollständiger kognitiver Operator. Wenn wirK; auf t anwenden, erhalten wir einen vollständigen kognitiven Operator Ki, K; ist also ein Operator, der, auf einen Term angewendet, wieder einen Operator ergibt. Alle Operatoren der Form Ki sind logische Konstanten. (Die unteren Indizes werde ich später häufig weglassen.) (5) die Kategorie des Satzes; es gelte: (i) (ii)
PI a1 a2
a;. ist ein Satz von K; J wenn S ein Satz von K ist, dann auch -S; J
••.
(iii) wenn S 1 , S2 Sätze von K sind, dann auch S 1 o S2 , wo "o" f\i.r zweistellige logische Operatoren steht; (iv) wenn G(a) ein Satz ist, dann sind auch (Ex) G(xl a) und (Ux) G(xl a) Sätze;9 (v)
wennSein Satz von K ist, dann ist auch Kf(S) ein Satz von K.
Wir sehen, daß die Ki Operatoren sind, die, auf Sätze angewendet, neue Sätze bauen. Was ist eine zulässige Interpretation von K? Eine zulässige Interpretation von K 10 ist eine geordnete Menge J = ( Iw, W,. S,fo ,fi}, wo Iw eine Menge von Individuenbereichen ist, Weine Menge möglicher Welten, d. h. relationaler Strukturen über den Elementen von Iw. S ist eine Menge zweistelliger Relationen über W; fi ist eine zweistellige Funktion von Prädikatausdrücken und möglichen Welten in eine mögliche Welt;fo ist eine zweistellige Funktion von möglichen Welten und Individuenkonstanten in die Elemente von Iw, also nach v(/w), d. i. der Vereinigung der Elemente von Iw. S ist, wie gesagt, eine Menge zweistelliger Relationen über W. Zu S gehören Relationen Rf. Wenn eine mögliche Welt w' zu einer möglichen Welt w in der Relation Rf steht, also wenn gilt: Rfw'w, sagen wir auch, von w aus sei w' Rf-erreichbar. Was bedeutet es nun, wenn w' von w aus Rf-erreichbar ist? Sei Kf ein kognitiver Operator, entspreche etwa dem 9 Zur hier verwendeten Notation siehe § I, (2). 10 Eine explizite Darstellung zulässiger Interpretationen für das System K. wie ich sie hier
gebe, findet sich bei Hintikka nicht. Unter Berücksichtigung von Hintikkas Gedanken stütze ich mich auf die Definition zulässiger Interpretationen fl.ir die Modallogik bei Hughes und Cresswe/1,
s.
146.
§ 5: Logische Analyse mit Hilfe der Mögliche-Welten-Semantik
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Ausdruck "a glaubt, daß" in der natürlichen Sprache, dann ist Rf die Relation, die zwischen einer Welt w besteht und einer möglichen Welt w', so daß w' vereinbar ist mit dem Glauben von a in der möglichen Welt w. Rfw'w heißt also soviel wie: w' ist vereinbar mit dem Glauben von a in der Welt w. Wir können nunmehrdie Wahrheit eines Satzes ausK unter} in einer Welt w definieren: (1) pna, ... an ist wahr unter J in w gdw.
< fo (a, , w), ..... .,fo (an, w) > E ft(Pn, w);
(2) Seien S 1 , S 2 Sätze aus K; -S1 ist wahr in w unter J gdw. S 1 nicht wahr ist unter J in w; (S1 & S2) ist wahr unter J in w gdw. S 1 und S2 beide wahr sind unter J in w; die Klauseln für (S1 v S 2) und (S1 -+S2) ergeben sich analog unter Berücksichtigung der Wahrheitsdefinition aus § 2, (2). (3) Sei S ein Satz aus K; (Ux)S(xl a) ist wahr unter J in w gdw. S wahr ist in w unter J für alle fo, die sich vonfo höchstens dadurch unterscheiden, daß/0(w, a) ~ fo(w, a). Eine Funktion fo heißt auch a- Variante von fo . (Ex) S(xl a) ist wahr unter J in w gdw. S wahr ist unter J in w für mindestens eine a- Variante fo von fo ; (4) SeiSein Satz von K: Kf(S) ist wahr unter J in w gdw. Swahr ist in allen w', für die gilt: Rfw'w. (2) Probleme bei der Anwendung der Mögliche- Welten-Semantik auf kognitive Sätze und Versuche ihrer Lösung: Aus den Ausführungen des letzten Abschnitts geht noch nicht hervor, wie die Anwendung der Mögliche-WeltenSemantik auf kognitive Sätze bei verschiedenen komplexeren Verwendungsweisen kognitiver Verben in der natürlichen Sprache vor sich zu gehen hat. Wie werden insbesondere diejenigen Probleme gelöst, die sich für Freges Analyse gestellt hatten? Im letzten Abschnitt hatte ich hervorgehoben, daß bei der Anwendung der Mögliche-Welten-Semantik aufkognitive Sätze die logische Struktur der Sätze innerhalb des kognitiven Kontexts für die Angabe der Wahrheitsbedingungen berücksichtigt wird. Welche Konsequenzen hat dies? Entstehen daraus Probleme?
Diese Fragen möchte ich jetzt abhandeln: zunächst werde ich darauf ein~ gehen, wie die de-re- Verwendungsweise kognitiver Verben und Selbstbezugnahme im kognitiven Kontext behandelt werden, wenn man die Mögliche-Welten-Semantik anwendet. Sodann wende ich mich der Frage zu, ob bei der Analyse von Sätzen, in denen kognitive Verben iteriert vorkommen, Probleme entstehen, die analog wären zu denen, die sich für Freges Analyse
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II. Logische Analysen kognitiver Sätze
gestellt hatten. Drittens werde ich untersuchen, welche Konsequenzen sich daraus ergeben, daß die logische Struktur der Sätze innerhalb des kognitiven Kontexts berücksichtigt wird. Außerdem möchte ich auf eine Beschränkung der Ausdruckskraft des Systems K hinweisen und auf Konsequenzen daraus, die sich für die Rekonstruktion intuitiv gültiger kognitiver Argumente ergeben. (i) Wie wird die Mögliche-Welten-Semantik auf Sätze angewendet, in denen de-re- Verwendungsweise kognitiver Verben vorliegt? Wie wird die Mögliche-Welten-Semantik auf Sätze mit Selbstbezugnahme innerhalb des kognitiven Kontexts angewendet (im letzten Paragraphen hatte ich ausgeführt, was unter Selbstbezugnahme innerhalb kognitiver Kontexte zu verstehen sei)? Diesen beiden Fragen wende ich mich jetzt zu. Sie scheinen zunächst nichts miteinander zu tun zu haben; wir werden jedoch sehen, daß sich bei der Anwendung der Mögliche-Welten-Semantik Selbstbezugnahme innerhalb des kognitiven Kontexts als ein Spezialfall der de-re- Verwendungsweise kognitiver Verben herausteilt Zunächst einige vorbereitende Bemerkungen. Es hieß weiter oben, daß wir einen (ein und denselben) Gegenstand unter verschiedenen Bedingungen identifizieren könnten, daß wir Gegenstände als dieselben in verschiedenen Situationen wiedererkennen können. Wir können also einen Gegenstand als denselben in verschiedenen möglichen Welten identifizieren. Dies bedeutet: "Wir verfügen über Methoden, eine Queridentifikation von Individuen zu bewerkstelligen, d. h. über Methoden, Fragen von der Art zu verstehen wie die, ob ein Individuum, dem wir in einer möglichen Welt begegnen, identisch ist oder nicht mit einem Individuum, dem wir in einer anderen Welt begegnen." (Hintikka, SPA, S. 99, Hervorhebung im Original) Wie wird nun festgestellt, ob ein Gegenstand in einer möglichen Welt w identisch ist mit einem Gegenstand in einer anderen möglichen Welt w'? Hintikka bemerkt hierzu: "die Identität von Individuen zwischen einer Welt und einer anderen ist nicht fixiert durch irgendwelche absoluten logischen Prinzipien, sondern ist zumindest teilweise konstituiert durch unsere Vergleiche zwischen den beiden verschiedenen möglichen Welten, deren Bewohner die beiden respektiven Individuen sind" (lol, S. 209). Was als ein Gegenstand, als eine Person gilt, ergibt sich somit beim Vergleichen verschiedener Ereignisverläufe, verschiedener Situationen. Wenn wir nun verschiedene mögliche Situationen im Hinblick aufldentität von Gegenständen vergleichen, müssen wir bestimmte Kriterien für die Identität von Gegenständen anwenden; zu relevanten Kriterien gehören dabei die relativen Positionen der Gegenstände in den verschiedenen Situationen, ihre Eigenschaften
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in diesen Situationen. Denn ob ein Gegenstand, der in einer SituationA auftaucht, derselbe ist wie einer, der in einer Situation B vorgefunden wird, entscheiden wir häufig, indem wir ihre relativen Positionen in den jeweiligen Situationen vergleichen, und ihre Eigenschaften in diesen Situationen. Ob das Auto, mit dem meine Freundin mich gestern besucht hat, dasselbe ist wie das, mit dem sie mich heute besucht, entscheide ich, indem ich die Situation gestern und die Situation heute daraufhin vergleiche, welche Eigenschaften die jeweiligen Autos in ihnen hatten, bzw. haben. Ich schließe, es sei dasselbe Auto, wenn es heute und gestern dasselbe Fabrikat ist, heute und gestern die gleiche Farbe hat, heute und gestern das gleiche Nummernschild. Ähnlich gehen wir wohl vor, wenn wir verschiedene mögliche Situationen in Hinblick auf Identität von Gegenständen zwischen ihnen vergleichen. Was als ein Gegenstand, als eine Person gilt, wird also festgelegt durch bestimmte Kriterien der Identität von Gegenständen, die beim Vergleich möglicher Situationen oder möglicher Welten zur Anwendung kommen.ll Nun kann man in diesem Zusammenhang fragen: "Mit welchem Recht sprechen wir davon, daß Individuen in verschiedenen möglichen Welten identisch sind?" (Hintikka, SPA, S. 99; Hervorhebung im Original). Diese Frage scheint sich in der Tat zu stellen; denn in zwei verschiedenen möglichen Welten scheint ein gegebenes Individuum nicht mehr dieselben Eigenschaften zu haben, und deswegen kann man nicht ohne weiteres sagen, ob das Individuum in den beiden möglichenWeltentatsächlich dasselbe ist; man würde viel eher meinen, in einer anderen möglichen Welt müßten wir es auch mit einem anderen Individuum zu tun haben. Hier darf man aber nicht vergessen, was Hintikka eigentlich unter möglichen Welten versteht. Es sind mögliche Situationen oder mögliche Ereignisverläufe von begrenzter zeitlicher Dauer: "Die hier betrachteten möglichen Welten sind nicht großartige Verläufe der Weltgeschichte, sondern bloß . .. alternative Ereignisverläufe, die ziemlich kurz dauern und nur einen winzigen Teil des Universums betreffen, z. B. alternative Verläufe, die ein einzelnes Experiment nehmen könnte" (lol, S. 195). Ist es nun aber nicht sinnvoll, danach zu fragen, ob ein Individuum in dieser und jener Situation dasselbe ist? Noch mehr: ftir uns ist als Gegenstand, als Person nur etwas denkbar, das seine Identität über einige mögliche Situationen, einige mögliche Ereignisverläufe beibehält. Jetzt wollen wir sehen, wie- gegeben diese Voraussetzungen -sich die Mögliche-Welten-Semantik auf Sätze anwenden läßt, in denen kognitive Verben in der de-re- Verwendungsweise vorkommen. Sodann wenden wir uns der Frage zu, wie Selbstbezugnahme innerhalb des kognitiven Kontexts 11
Vgl. hierzu Hintikka, SPA, Iol und QQI.
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li. Logische Analysen kognitiver Sätze
zu analysieren ist; bald wird sich dabei herausstellen, daß vom Standpunkt der Mögliche-Welten-Semantik aus Selbstbezugnahme innerhalb des kognitiven Kontexts ein Spezialfall der de-re- Verwendungsweise kognitiver Verben ist. Betrachten wie wieder Satz (35) und erinnern wir uns an seine Paraphrasierung durch Quine: (37) (Ex) (Ralph glaubt, daß x ein Spion ist) Dieser Satz war auf folgende Weise präzisiert worden: (43) (Ex) (x ist Person & Ralph glaubt, daß x ein Spion ist). Beide Sätze exemplifizieren Quantifizierung in kognitive Kontexte hinein, einen Spezialfall der de-re- Verwendungsweise kognitiver Verben. Wir wollen "Ralph" mit dem Buchstaben "r" abkürzen, für das Verb "glauben" setzen wir "G-", und im System K erhalten wir folgenden Satz: (55) (Ex) (x ist Person & G' (x ist Spion)) Wann ist (55) wahr in einer Welt w? Offenbar genau dann, wenn a ist Person &
G' (a ist Spion)
in w unter einer a- Variantenj0vonfo wahr ist. Und dies ist der Fall genau dann, wenn in w unter "a ist Person" wahr ist und wenn unter
fo
a ist Spion
fo
wahr ist in allen Welten w', die mit Ralphs Glauben vereinbar sind. Was bedeutet dies? Sei etwa Ortcutt diejenige Person, von der Ralph glaubt, sie sei Spion. Ortcutt ist also der ,Wert' vonj0des Namen a in der Welt w. Ortcutt ist somit ein Individuum in der Welt w, in einer Situation w. Ein Individuum, das mit Ortcu'tt in der Welt w identisch ist, muß dann auch in jeder der möglichen Welten w', die mit Ralphs Glauben vereinbar sind, figurieren, und dort muß bezüglich dieses Individuums gelten, daß es ein Spion ist. Sonst wäre nämlich "a ist Spion" nicht in allen Welten w' unterj0wahr, die von wauserreichbar sind, (55) wäre also falsch. Ist der Wert der Funktion auch dasselbe Individuum in allen möglichen Welten, die mit Ralphs Glauben vereinbar sind? Dies muß wohl der Fall sein. Denn wenn der Wert vonj0in w mit dem Wert vonj0in einer der Welten w', sagen wir in w{, identisch ist, wenn zweitens derWert vonj0in w mit dem in der möglichen Welt w2 identisch ist, dann müssen auch die Werte vonj0in w{ und in w2 identisch sein. Der Wert der Funktion ist also dasselbe Individuum in mehreren möglichen Welten, in mehreren möglichen Situationen, einmal in w, dann in denjenigen möglichen Welten, die mit Ralphs Glauben vereinbar sind.
fo
fo
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Vorausgesetzt wird also für die Wahrheit von (55), daß ein und derselbe Gegenstand in verschiedenen möglichen Welten, verschiedenen möglichen Situationen existiert, daß eine Person in der Situation w identisch ist mit Personen, die in möglichen Situationen w' figurieren, die mit Ralphs Glauben vereinbar sind. Genauer: vorausgesetzt wird, (a) daß sich Gegenstände in den möglichen Welten w' befinden, die mit Ralphs Glauben vereinbar sind,jeweils einer in einer der möglichen Welten, und daß diese Gegenstände miteinander identisch sind; d. h. derselbe Gegenstand tritt in alldiesen möglichen Welten auf; (b) daß dieser Gegenstand auch in der Welt wauftritt;d. h. in w gibt es einen Gegenstand, der mit dem identisch ist, der in den Welten w' vorzufinden ist. Wie sind (a) und (b) gleichzeitig zu erfüllen? Offenbar muß sich mittels der Kriterien, die Ralph verwendet, um den Gegenstand in den Welten w' als einen zu identifizieren, auch herausstellen, daß derselbe Gegenstand sich in der Welt w befindet. Wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, dann ist (55) falsch.
De-re- Verwendungsweise kognitiver Verben heißt also in der Analyse der Mögliche-Welten-Semantik: sowohl außerhalb wie innerhalb des kognitiven Kontexts ist von demselben Individuum die Rede; das Individuum, das in der Situation w vorfindbar ist, findet sich auch in den Situationen w' wieder; w und w' müssen in folgender Hinsicht ähnlich sein: die Kriterien, die die Person anwendet, der wir die kognitive Einstellung zuschreiben, für die Identität eines bestimmten Gegenstandes zwischen den möglichen Welten w' müssen denselben Gegenstand auch in der Welt w lokalisieren lassen. In kognitive Kontexte Hineinquantifizieren bedeutet : es wird über Objekte quantifiziert, die sowohl in einer gegebenen Situation, etwa der wirklichen, vorfindbar sind, wie auch in Situationen, die mit der betreffenden kognitiven Einstellung vereinbar sind, und die vermöge der Kriterien der Identität, die die Person anwendet, der wir die kognitive Einstellung zuschreiben, miteinander identisch sind. Wie aus dem folgenden hervorgehen wird, ist diese Analyse der de-reVerwendungsweise kognitiver Verben und des Hineinquantifizierens in kognitive Kontexte noch unvollständig. Worin diese Unvollständigkeit besteht, werden wir sehen, nachdem wir das Problem der Selbstbezugnahme innerhalb kognitiver Kontexte behandelt haben. Eben diese Frage, wie Selbstbezugnahme innerhalb des kognitiven Kontexts bei Anwendung der Mögliche-Welten-Semantik analysiert wird, will ich jetzt untersuchen.l2
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II. Lügische Analysen kognitiver Sätze
Zunächst möchte ich ein Problem skizzieren, das die spezifische Form der Analyse der Selbstbezugnahme im kognitiven Kontext durch Hintikka motiviert hat. Sodann beschreibe ich Hlntikkas Lösung dieses Problems. Auf das Problem, um das es hier geht, treffen wir, wenn wir folgende Geschichte überdenken: Ein Mann, der unter retrograder Amnesie leidet, Rudolf Lingens, hat sich in der Stanford-Bibliothek verirrt. Er liest einige Schriften in der Bibliothek, darunter eine Biographie über sich selber, und eine detailierte Beschreibung der Bibliothek, in der er sich verirrt hat. ... Er wird ... nicht wissen, wer er ist und wo er ist, gleich, wieviel Wissen er ansammelt. (Perry, ,Frege on Demonstratives', S. 492.)
Aus dieser Geschichte geht hervor, daß Rudolf Lingens eine Schilderung seines eigenen Lebens gelesen hat, er weiß also, wer Rudolf Lingens ist. Aber da er an starker retrograder Amnesie leidet, weiß er nicht, daß er selbst Rudolf Lingens ist; er weiß nicht, wer er ist. In dieser Situation ist deshalb folgender Satz wahr: (56) Rudolf Lingens weiß, wer Rudolf Lingens ist. und folgender Satz ist falsch: (57) Rudolf Lingens weiß, daß er Rudolf Lingens ist. Also: offenbar folgt (57) nicht aus (56). Allgemeiner: betrachten wir Sätze der folgenden Arten: (58) a weiß, wer a ist. (59) a weiß, daß er/sie selbst a ist. Aufgrund des eben betrachteten Beispiels können wir sagen, daß es Lesarten von (58) und (59) gibt, unter denen ein Satz der Form (59) nicht aus einem Satz der Form (58) folgt. Eine logische Analyse kognitiver Sätze hat natürlich diesen Sachverhalt zu berücksichtigen. Überlegen wir nunmehr, wie die Mögliche-Welten-Semantik auf Sätze der Formen (58) und (59) angewendet werden kann. (58) ist eine Konstruktion, in der das kognitive Verb "wissen" einen Nebensatz regiert, der mit einem Interrogativpronomen eingeleitet wird. (59) exemplifiziert Selbstbezugnahme innerhalb kognitiver Kontexte. Zunächst zu (59). Von Sätzen der Form (60) a - kognitives Verb -,daß er/sie (selbst) Fist 12 Dieses Problem wurde von Hintikka in SK behandelt. Er reagierte in SK auf den Aufsatz von Castaiieda, ,On the Logic of Attributions of Self-Knowledge to Others'. Castaii.eda hatte dort ein Beispiel konstruiert, das dem weiter unten dargestellten (mit Rudolf Lingens) entspricht.
§ 5: Logische Analyse mit Hilfe der Mögliche-Welten-Semantik
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wo "a" eine Person bezeichnet,, ,F" für einen Prädikatsausdruck steht, hatte ich gesagt, sie exemplifizierten Selbstbezugnahme innerhalb des kognitiven Kontexts. Hintikka hatte ursprünglich vorgeschlagen, Sätzen dieser Form Sätze der Art (61) als logische Formen zuzuordnen: (61) (Ex) (x = a & Ka(Fx)) Dem entspricht in der natürlichen Sprache am ehesten: "Es gibt jemand, der a ist, und von dem a glaubt (weiß, sieht, etc.), er sei F". Damit ein Satz der Form (61)wahr ist, muß natürlich eine Person existieren, aufdie sich der Name "a" bezieht, und in allen Ka-erreichbaren Welten muß ,,Fb" wahr sein, wo "b" ein Name oder eine Beschreibung ist, die sich in diesen Welten auf die Person bezieht, die wir mit "a" bezeichnen. Die Person a muß also genug wissen, um sich selbst als Individuum identifizieren zu können. Wie diese Identifikation zu erfolgen hat, diesbezüglich wird hier nichts gefordert. Einem Satz mit Selbstbezugnahme innerhalb des kognitiven Kontexts wird also eine logische Form zugeordnet, in der in den kognitiven Kontext hineinquantifiziert wird; Sätze mit Selbstbezugnahme innerhalb des kognitiven Kontexts stellen sich somit als Konstruktionen heraus, bei denen kognitive Verben in der de-re- Verwendungsweise vorkommen. Sätze der Form (59) lassen sich dann auf folgende Weise analysieren: (62) (Ex) (x
= a & a weiß, daß (x = a))
Die wörtliche Übersetzung von (62) in die natürliche Sprache lautet: (63) Es gibt jemanden, der mit a identisch ist, und a weiß von ihm, daß er mit a identisch ist. oder kürzer: "Es gibt jemanden, der a ist, und a weiß von ihm, daß er a ist." Heißt dies aber nicht dasselbe wie: "Es gibt jemanden, von dem a weiß, daß er a ist"? Es reicht also vielleicht aus, anstatt (62) (64) zu schreibenD: (64) (Ex) a weiß, daß (x = a) Wie ist aber die Interrogativkonstruktion (58) zu analysieren? Hintikka untersuchte verschiedene grammatische Konstruktionen mit dem Verb "wissen". Er unterschied dabei die "daß"-Konstruktion, die lnterrogativkonstruktion und die Konstruktion mit dem direkten Objekt. Seine These ist, daß die "daß"-Konstruktion grundlegend in dem Sinne ist, daß die anderen Konstruktionen auch mittels der "daß"-Konstruktion "charakterisiert" werden könneni 4 , womit er wohl meint, sie könnten unter Rückgriffaufsie paraphrasiert werden, was umgekehrt nicht möglich sei. Uns in13 SK, S. 14
77.
,Different Constructions in Terms of the Basic Epistemological Verbs, S. 2.
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Il. Logische Analysen kognitiver Sätze
teressiert, wenn wir einen Satz der Form (58) vor uns haben, eine Interrogativkonstruktion, wie "wissen, wer" mittels der "daß"-Konstruktion zu paraphrasieren ist. Hintikka schlägt nun für Sätze der Form "a weiß, wer b ist" als logische Form vor: (65) (Ex) a weiß, daß (b = x)
Also: "es gibt jemanden, von dem a weiß, daß er mit b identisch ist" oder kürzer: "es gibt jemanden, von dem a weiß, daßerb ist". Für "a weiß, wer a ist" erhalten wir dann den Satz (64). Dies ist eine der Übersetzungen, die Hintikka für (59) vorgeschlagen hatte. D. h. (58) und (59) wird die gleiche logische Form zugeordnet. Daß (58) und (59) auf dieselbe Weise behandelt werden, bedeutet, daß man (58) und (59) als gleichbedeutend zu betrachten hat, und daß somit der Sachverhalt, daß ein Satz der Form (59) nicht aus einem Satz der Form (58) folgt, nicht berücksichtigt wird. Dies ist natürlich nicht zufriedenstellend. Hintikka meint, (62) sei die "natürlichere" Übersetzung von (59) 15. Können wir also (62) als die korrekte Analyse von (59) betrachten? Hintikka wendet dagegen ein:"... sehr natürlich ist es, (62) als mit (64) äquivalent anzusehen" (,Self-Knowledge', S. 77; die Numerierung der Sätze habe ich angepaßt). Nun ist es zwar klar, daß (62) (64) impliziert, die umgekehrte Folgerungsrichtungkonnte ich jedoch nicht nachweisen. Betrachten wir aber (66), die Übersetzung von (62) unter Rückgriff auf unser Beispiel: (66) Es gibt jemanden, der mit RudolfLingens identisch ist, von dem Rudolf
Lingens weiß, daß er Rudolf Lingens ist.
Dieser Satz scheint nun wohl eher das auszudrücken, was auch in (56) behauptet wird, die spezifische Form der Selbstbezugnahme von (57) wird in (66) nicht erkennbar. Insbesondere scheint (57) nicht aus (66) zu folgen.t6 Deshalb ist (62) als logische Form von (59) zurückzuweisen. Es scheint also nicht zu gelingen, in der Analyse der Mögliche-Welten-Semantik zwischen (56) und (57) in adäquater Weise zu unterscheiden. Insbesondere scheint die Selbstbezugnahme im kognitiven Kontext (wie in (57)) sich nicht aufzufriedenstellende Weise behandeln zu lassen. Läßt sich diese Schwierigkeit mit den Mitteln der Mögliche-Welten-Semantik beheben? Betrachten wir noch einmal den Unterschied zwischen (56) und (57). Zu (56): wenn Rudolf Lingens eine Schilderung seines eigenen Lebens gelesen hat, dann können wir annehmen, daß er sich auf sich selbst als Gegenstand 15 16
SK, S. 77. Wie Hintikka selbst bemerkt, SK, S. 77.
§ 5: Logische Analyse mit Hilfe der Mögliche-Welten-Semantik
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der erwähnten Schilderung mittels einer Beschreibung (oder Kennzeichnung) beziehen könnte wie "der Mann, der das und das getan hat" oder "der Mann, der am so-und-so-vielten des Jahres so-und-so in Entenhausen geboren ist". Ein Individuum wird in diesem Fall mittels einer Beschreibung (oder Kennzeichnung) ausgesondert. Zu (57): wenn Rudolf Lingens weiß, daß er selbst Rudolf Lingens ist, wie identifiziert er sich dann selber? Benötigt er hierzu eine Beschreibung oder Kennzeichnung? Oder ist dies nicht der Fall, ist er sich selbst etwa unmittelbar gegeben, hat er eine unmittelbare Kenntnis von sich selbst? 17 Satz (56) handelt also von einem Fall, in dem eine Person Kenntnis von einem Gegenstand über Beschreibungen (oder Kennzeichnung) hat, Satz (57) dagegen scheint eine Art der Kenntnis vorauszusetzen, die unmittelbaren Charakter hat und keine Beschreibungen involviert. Können mit diesen verschiedenen Arten der Kenntnis von Gegenständen nicht unterschiedliche Methoden verbunden sein, wie man einen Gegenstand in verschiedenen möglichen Situationen individuiert? Und sollte die Verwendung solcher unterschiedlicher Methoden nicht in dem System logischer Formen kognitiver Sätze reflektiert werden? Hintikka behauptet, es gäbe unterschiedliche Methoden, Gegenstände zu individuieren. Wir hatten weiter oben gesehen, daß- Hintikkas Auffassung zufolge- die Identität eines Individuums in einer Welt mit einem lndividu- . um in einer anderen Welt teilweise durch unsere Vergleiche der beiden möglichen Welten zustandekommt, in denen sich die Individuen befinden. Wenn wir eine Klasse möglicher Welten betrachten, wird also, ob ein Individuum in einer möglichen Welt mit einem Individuum in einer anderen möglichen Welt identisch ist, dadurch festgelegt, daß wir diese möglichen Welten in Hinsicht auf die Stellung vergleichen, die die respektiven Individuen in ihnen einnehmen, und in Hinsicht auf die Eigenschaften, die sie in ihnen haben. Hintikka meint nun, es gäbe mehrere Möglichkeiten, solche Vergleiche anzustellenl 8 . Je nachdem, wie wir dies tun, erhielten wir verschiedene lndividuenbereiche. Dabei blieben jedoch die möglichen Welten, die möglichen Situationen genau dieselben, und nichts, was von jeder von ihnen und ihren Bewohnern gesagt werden könne, ändere sich. Hintikka unterscheidet im Einzelnen zwei Arten der lndividuierung von Gegenständen: 17 Der Unterschied ist der bereits schon von James gemachte Unterschied zwischen "knowing things immediately or intuitively" und "knowing them conceptually or representatively", James, S. 225. Russell machte den Unterschied in seinem Aufsatz ,Knowledge by acquaintance and Knowledge by Description'. 18 Hintikka in ,Logic of Perception' und ,Objects of Knowledge'.
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li. Logische Analysen kognitiver Sätze
physikalische Methoden und perzeptuelle Methoden, also Methoden der Wahrnehmung. Beides sind Arten des Vergleichs möglicher Welten. PhysikalischeMethoden beruhen auf der Anwendung von gewöhnlichen Kriterien der Identität. Wir vergleichen Gegenstände in verschiedenen möglichen Welten in Hinsicht darauf, ob sie diesen Kriterien genügen. Diese Kriterien haben mit bestimmten physikalischen Regelmäßigkeiten zu tun, denen etwa materielle Körper unterliegen, aber auch mit psychischen Regelmäßigkeiten, die für Personen gelten. Einen Gegenstand einer bestimmten materiellen Konsistenz etwa in einer Welt w werden wir als identisch betrachten mit einem Gegenstand in einer möglichen Welt w', wenn dieser auch dieselbe materielle Konsistenz aufweist und sich in w' nicht zu weit entfernt von dem Raum-Zeitpunkt befindet, an dem sich der Gegenstand in w befunden hat. Wie sehen dagegen Wahrnehmungsmethoden der lndividuierung aus? ... betrachten wir, was jemand, d, zu einem bestimmten Zeitpunkt sieht. Wir wollen annehmen, er sieht einen Mann sich gegenüber, aber er sieht nicht, wer der Mann ist. ... [mittels physikalischer Methoden der lndividuierung] ist der Mann gegenüber d (nennen wir ihn m) in einigen der relevanten Zustände je ein anderes Individuum (eine andere Person): eben weil d nicht sieht, wer m ist, wird das Individuum, auf das sich der Term ,m' bezieht, in einigen der verschiedenen Zustände, die mit allem und jedem vereinbar sind, was d dann und dort sieht, nicht dasselbe physiko-psychologische Individuum sein (nicht dieselbe Person). Aber in alldiesen verschiedenen Zuständen muß sich ein Mann d gegenüber befinden. Die diesen verschiedenen Männern gemeinsame Wahrnehmungsrelationen zu d unterscheidet sie in jeder der möglichen Situationen, die wir betrachten, von anderen Individuen. Deswegen können wir sagen, daß sie vom Gesichtspunkt von cfs Wahrnehmungssituation aus letzten Endes alle ein und derselbe Mann sind - der Mann ihm gegenüber. (,On the Logic of Perception', S. 171).
Hintikka hat die Wahrnehmungsmethoden der lndividuierung in einem allgemeineren Zusammenhang zu kontextuellen oder demonstrativen Methoden der lndividuierung gerechnet.I9 Eine Ähnlichkeit zwischen verschiedenen möglichen Zuständen oder Situationen, die vereinbar sind mit dem, was eine Person sieht, könne dadurch zustandekommen, daß verschiedene Gegenstände bestimmte Positionen in dem Gesichtsfeld einer Person einnähmen. Diese Ähnlichkeit könne nun dazu verwendet werden, diese Gegenstände zu individuieren. Dabei spiele es keine Rolle, ob sie auch über Beschreibungen individuiert werden könnten. Die Gegenstände, die Pe.rsonen, die hier individuiert werden, seien derart, daß die Person auf sie zeigen könne und sagen: "Das ist das Individuum, über das ich rede". Aus diesem Grunde ist die Wahrnehmungsmethode eine demonstrative Methode; und 19
In ,Objects of Knowledge', S. 48.
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da Zeigen nur verstanden werden kann innerhalb eines geeigneten Kontexts, ist die Wahrnehmungsmethode eine kontextuelle Methode. Spielen kontextuelle oder demonstrative Methoden der Individuierung auch bei anderen kognitiven Einstellungen und Tätigkeiten als bei der Wahrnehmung eine Rolle? Betrachten wir etwa Erinnern. Hintikka meint, daß die eigene Rolle einer Person in ihrer von ihr persönlich erinnerten Vergangenheit allen Geschichten, die mit den Erinnerungen der Person vereinbar sind, einen ganz spezifischen Gesichtspunkt aufprägt. 2o Selbst wenn die Person keine Beschreibungen finden kann, die es ihr ermöglichten, zu erinnern, wer jemand ist (etwa Peter), so kann sie doch dazu in der Lage sein, Peter eindeutig in all diesen Geschichten zu lokalisieren, einfach durch Bezugnahme auf ihre eigene Rolle in ihnen. Dies ist aber eine kontextuelle Methode der Individuierung. Es werden also kontextuelle oder demonstrative Methoden der lndividuierung auch im Zusammenhang mit anderen kognitiven Einstellungen und Tätigkeiten verwendet als der Tätigkeit des Wahrnehmens. Wie sind die beiden Methoden der lndividuierung nun in dem Formalismus und der dazugehörigen Semantik zu berücksichtigen? Hintikka schlägt vor, das System K mit neuen Quantaren zu bereichern, den Quantaren "V" und "l". Das modifizierte System enthält also zwei verschiedene Arten von Quantaren; sie sollen die unterschiedlichen Individuierungsmethoden widerspiegeln. Die Quantaren "U" und ,,E' sollen verwendet werden, wenn es um physikalische Methoden der Individuierung geht; die Quantaren "V" und "l" sollen anzeigen, daß kontextuelle Methoden der lndividuierung angewendet werden. Die Quantaren "Cl' und ,,E" quantifizieren über einen Individuenbereich, in dem sich Gegenstände befinden, die mittels physikalischer Methoden individuiert worden sind; die Quantaren "V" und "l" dagegen über einen lndividuenbereich, in dem sich Gegenstände befinden, die mittels kontextueller Methoden individuiert werden. Dabei handelt es sich aber nicht notwendigerweise um verschiedene Gegenstände, die sich in den respektiven Individuenbereichen befinden. Betrachten wir wieder den Unterschied zwischen den Sätzen (56) und (57). Vorher hatte ich gesagt, Satz (56) handele von einem Fall, in dem eine Person Kenntnis von einem Gegenstand über Beschreibungen (oder Kennzeichnungen) hat, Satz (57) dagegen setze eine Art der Kenntnis voraus, die unmittelbaren Charakter habe und keine Beschreibungen involviere. Mittels der neu gewonnenen Unterscheidung zwischen physikalischen Methoden der lndividuierung und kontextuellen, bzw. demonstrativen Methoden der 20
,Objects of Knowledge'. S. 49.
6 Bühler
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lndividuierung können wir den Unterschied zwischen (56) und (57) auf andere Weise beschreiben: wenn man Kenntnis von einem Gegenstand über eine Beschreibung hat, wird man sich in dieser Beschreibung auf physikalische Regelmäßigkeiten beziehen, denen der Gegenstand unterliegt, und auf psychische Regelmäßigkeiten, sofern es sich um eine Person handelt. Physikalische Methoden der Individuierung kommen also zur Anwendung, wenn man von einem Gegenstand über eine Beschreibung Kenntnis hat. In dem von (56) beschriebenen Fall findet also die Individuierung der Pe.rson Rudolf Lingens mittels physikalischer Methoden statt. Kenntnis unmittelbaren Charakters von einem Gegenstand, die keine Beschreibungen involviert, wird dagegen damit verbunden sein, daß der Gegenstand der Person in allen möglichen Welten in einer besonderen Weise gegeben ist. Insbesondere wird die Person selbst in allen möglichen Welten, die mit ihren kognitiven Einstellungen und Tätigkeiten vereinbar sind, eine hervorgehobene Position einnehmen. Selbstbezugnahme, wie in (57) beschrieben, wird also mittels kontextueller Methoden der lndividuierung stattfinden. Der Selbstbezugnahme im kognitiven Kontext liegen also kontextuelle oder demonstrative Methoden der lndividuierung zugrunde. 21 Analoges läßt sich allgemein sagen bezüglich des Unterschiedes zwischen Sätzen der Form (58) und der Form (59). Für Sätze beider Art können wir nun die logischen Formen in der Modifikation des Systems K angeben. Als logische Form von (58) können wir offensichtlich (62) bzw. (64) beibehalten; als Übersetzung von (59) schreiben wir: (67) (lx) (x = a & a weiß, daß (x
= a))
oder (68) (lx) a weiß, daß (x = a) Für den allgemeinen Fall (60) erhalten wir: (69) (lx) (x = a & K 0 (Fx)) Ein Satz der Form (69) schreibt der Person a die Fähigkeit zu, sich selbst als Individuum identifizieren zu können, als Individuum in den R~-erreich baren Welten, das identisch ist mit der Persona in einer Situation w. Außerdem und insbesondere muß a die Selbstbezugnahme mittels kontextueller Methoden der Individuierung vornehmen. Weiter oben hatte ich in allgemeiner Weise dargelegt, wie bei der Mögliche-Welten-Semantik die de-re-Verwendungsweise kognitiver Verben analysiert wird. Es wurde gesagt, daß möglicheWeltenwund w' hinreichend 21 SK, S. 78.
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ähnlich zu sein hätten, so daß Kriterien einer Person für die Identität eines bestimmten Individuums zwischen den möglichen Welten w' denselben Gegenstand auch in der Welt w lokalisieren lassen. Nachdem wir nun die beiden Methoden der lndividuierung kennengelernt haben, wird klar, daß in jedem Einzelfall zu berücksichtigen ist, um welche Art der lndividuierung es jeweils geht. Sind die Individuen, über die quantifiziert wird, physikalisch oder kontextuell individuiert? Je nachdem, wie die Antwort lautet, wird man einen geeigneten Quantor in der logischen Form des kognitiven Satzes zu verwenden haben. Wird durch die Berücksichtigung der kontextuellen Methode der lndividuierung das Problem der Selbstbezugnahme innerhalb kognitiver Kontexte tatsächlich gelöst? Ein Erlebnis, das John Perry einmal in dem Supermarkt Safeway hatte, deutet daraufhin, daß dem nicht so ist. Hören wir, was Perry zu erzählen hat: Ich folgte einmal einer Zuckerspur auf dem Boden eines Supermarkts, ich schob meinen Einkaufswagen den Gang entlang an einer Seite einer großen Theke, ich schob ihn den Gang zurück auf der anderen Seite; ich suchte den Kunden mit der aufgerissenen Zuckertüte, um ihm zu sagen, er verdrecke den Boden. Bei jeder Umrundung der Theke wurde die Zuckerspur größer. Es schien nicht möglich, den Kunden einzuholen; schließlich wurde mir klar: ich war der Kunde, den ich einholen wollte. (Perry, PEI, S. 1)
Perry führt in seine Geschichte von der Verfolgungsjagd bei Safeway nun folgende Komplikation ein: Angenommen, es gab Spiegel an beiden Enden der Theke; deswegen konnte ich mich selbst im Spiegel sehen, als ich den Einkaufswagen durch den Gang schob. Ich halte das, was ich sehe, für die Spiegelung des Kunden mit der aufgerissenen Zuckertüte, der auf der anderen Seite den Gang entlang geht, und ich realisiere nicht, daß das, was ich wirklich sehe, eine Spiegelung einer Spiegelung von mir ist. Ich zeige und sage: "Ich glaube, der verdreckt den Laden". (PEI, S. 12)
Perry verdreckt selbst den Boden bei Safeway; Perry sieht auch, wer den Boden verdreckt; er kann im Spiegel auf ihn zeigen; aber es ist ihm nicht klar, daß er selbst der Schuldige ist. Diesen Sachverhalt können wir so ausdrükken: (70) Es gibt jemanden, der mit Perry identisch ist, von dem Perry sieht, daß er den Boden verdreckt.
Perry kann, wie schon gesagt, auf den zeigen, der den Boden verdreckt. Er kann auf eine Person zeigen, die in seinem Gesichtsfeld eine bestimmte Position einnimmt, und zwar in all den möglichen Situationen, die vereinbar sind mit dem, was Perry sieht. Offenbar verwendet Perry eine Wahrneh6*
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II. Logische Analysen kognitiver Sätze
mungsmethode der lndividuierung, eine kontextuelle Methode, um sich auf die Person, die den Laden verdreckt, zu beziehen. Als logische Form von (70) erhalten wir also: (71) (3x) (x
= Perry & Perry sieht, daß (x verdreckt den Boden))
Aber gemäß Hintikkas Analyse sollte der letzte Satz auch die logische Form von (72) sein : (72) Perry sieht, daß er selbst den Boden verdreckt. Hierdurch wird klar, daß es auch nach Einführung der Unterscheidung zweier Methoden der lndividuierung nicht gelingt, innerhalb des Rahmens der Mögliche-Welten-Semantik dem Phänomen der Selbstbezugnahme innerhalb des kognitiven Kontexts gerecht zu werden. Die Forderung, Selbstbezugnahme habe mittels kontextueller Methoden der Individuierung vor sich zu gehen, garantiert noch nicht, daß die Selbstbezugnahme, die eine Person vornimmt, ihr auch als Bezugnahme auf sich selber bewußt ist. (ii) Wie wird die Mögliche-Welten-Semantik auf Sätze angewendet, in denen kognitive Verben iteriert vorkommen? Betrachten wir wieder den Satz (44) Hans glaubt, daß Peter glaubt, daß der Morgenstern ein Planet ist. Unter Verwendung der offensichtlichen Kürzel ,.p" und ,./l" erhalten wir im System K folgende Version: (73) Gh(GP (Der Morgenstern ist ein Planet))
Wann ist (73) wahr in einer Welt w? Offenbar genau dann, wenn "GP (Der Morgenstern ist ein Planet)" wahr ist in allen möglichen Welten w', die mit Hans' Glauben vereinbar sind. Und dies ist der Fall genau dann, wenn "Der Morgenstern ist ein Planet" wahr ist in allen möglichen Welten w", die von w' aus Rf;-erreichbare Welten sind; d. h. eine solche Welt w" ist eine Welt, die vereinbar ist mit dem Glauben von Peter in der Welt w'. Ausführlicher: w" ist eine Welt, die vereinbar ist mit dem Glauben von Peter in den Welten w', die in der Welt w mit Hans' Glauben vereinbar sind (vgl. Abbildung, s. 85). Gegen Frege war eingewendet worden, daß er unendlich viele irreduzible, primitive Sinne postulieren mußte, und daß diese Annahme mit plausiblen Vorstellungen vom Erlernen und Produzieren der Sprache in Widerspruch geriet. Entstehen bei der Anwendung der Mögliche-Welten-Semantik auf kognitive Sätze analoge Schwierigkeiten? Überlegen wir, welche Voraussetzungen in die Analyse eines Satzes wie (44) bei der Anwendung der Mögliche-Welten-Semantik eingehen. Angenommen wird zunächst die Fähigkeit der Person, auf die sich der Subjektausdruck eines kognitiven Satzes be-
§ 5: Logische Analyse mit Hilfe der Mögliche-Welten-Semantik
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in der sich Hans befindet
w
w'
w"
zieht, sich in einer Menge möglicher Welten w' zurechtzufinden, nämlich in jenen, die mit den kognitiven Einstellungen und Tätigkeiten der Person vereinbar sind. Das bedeutet: die Person ist dazu in der Lage, Gegenstände in diesen möglichen Welten zu erkennen, Wahrheitswerte von Sätzen dort zu identifizieren. Zu diesen gegebenen möglichen Welten w' gibt es aber weitere, von ihnen aus erreichbare Welten w". Im Fall von Hans gehören hierzu insbesondere jene Welten w", die mit Peters Glauben in den Welten w' vereinbar sind. Zu jeder möglichen Welt kann es also weitere mögliche Welten geben, die von der gegebenen aus erreichbar sind; vom Standpunkt der Angabe der Wahrheitsbedingungen aus heißt dies: es wird angenommen, daß man dazu in der Lage ist, in diesen erreichbaren Welten Gegenstände zu individuieren, Wahrheitswerte zu identifizieren. Nun ist es mit der MöglicheWelten-Semantik durchaus vereinbar, anzunehmen, daß eine Person zunächst endlich viele Audrucke einer Sprache lernt und eine endliche Anzahl von grammatischen (syntaktischen und semantischen) Regeln; die Menge der Ausdrucke, die die Person mittels der syntaktischen Regeln generieren kann, ist unbegrenzt. Ihr ist aber die Möglichkeit gegeben, einen Gegenstand in verschiedenen möglichen Welten wiederzuerkennen, insbesondere auch in denen, die mit ihren kognitiven Einstellungen vereinbar sind und in denen, die von diesen Welten aus erreichbar sind. Gegeben die geeigneten semantischen Regeln, muß es der Person dann auch möglich sein, die Extensionen der zusammengebauten Ausdrucke, bzw. die Wahrheitswerte von Sätzen in diesen verschiedenen möglichen Welten zu identifizieren. Schwierigkeiten, die analog wären zu denen, die sich ftir Freges Analyse stellten, begegnen wir hier also nicht. (iii) Im letzten Abschnitt hatte ich darauf hingewiesen, daß bei der Anwendung der Mögliche-Welten-Semantik auf kognitive Sätze die logische Struktur der Sätze innerhalb des kognitiven Kontexts für die Angabe der Wahrheitsbedingungen kognitiver Sätze berucksichtigt wird. Dies führt, wie
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li. Logische Analysen kognitiver Sätze
wir jetzt sehen werden, dazu, daß es nicht gelingt, einige derjenigen Verwendungsweisen kognitiver Verben einzufangen, die in der Umgangssprache und in der psychologischen Theorienbildung anzutreffen sind. Das Problem entsteht im Zusammenhang mit logischen Eigenschaften von Sätzen, wie logischer Wahrheit und logischer Falschheit, und logischen Beziehungen zwischen Sätzen, wie logischer Folgerung und logischem Widerspruch. Die syntaktische Analyse der kognitiven Verben als Operatoren zusammen mit der semantischen Analyse, die die Wahrheit kognitiver Sätze abhängig macht von der Wahrheit (bzw. Falschheit) atomarer Teilsätze in den möglichen Welten, die mit bestimmten kognitiven Einstellungen verträglich sind, führen dazu, daß die logischen Eigenschaften von Sätzen innerhalb von kognitiven Kontexten manchmal entscheidend werden für die Zuweisung von logischer Wahrheit und logischer Falschheit zu den ganzen Sätzen; führen weiter dazu, daß logische Beziehungen zwischen Sätzen in kognitiven Kontexten entscheidend werden für die Zurechnung der Beziehung der logischen Folgerung, bzw. des Widerspruchs zwischen kognitiven Sätzen. Die Mögliche-Welten-Semantik kommt also nicht umhin, die erwähnten logischen Eigenschaften und Beziehungen von, bzw. zwischen Sätzen innerhalb kognitiver Kontexte zu berücksichtigen, und, wie wir sehen werden, gelingt es ihr aus diesem Grunde nicht, die Verwendung kognitiver Verben in der Umgangssprache oder in der psychologischen Theorienbildung adäquat zu rekonstruieren. Wir wollen nunmehr Sätze der Form ,.,Km(p)" betrachten, wo "m" eine Person bezeichne, etwa Maria, und ,,p" durch einen Satz ersetzt werden kann. ,.,K-" soll irgendeinem kognitiven Verb entsprechen. Aus der Wahrheitsdefinition für das System K ergibt sich nun dreierlei: (I) Wir nehmen an, daß ,.,Km(p)" unter einer Interpretation in Welt w wahr ist. Sei q ein Satz, der logisch aus p folgt. Dann ist q in allen den möglichen Welten wahr, in denen auch p wahr ist. Dann ist offensichtlich q vereinbar mit dem Inhalt der kognitiven Einstellung von m. Dann folgt also ,.,Km(q)". (II) Seip nunmehr ein logisch falscher Satz. Aus der Wahrheitsdefinition ergibt sich, daß dann auch ,.,Km(p)" logisch falsch ist. Denn p ist in keiner möglichen Welt wahr. Also ist p auch nicht in den möglichen Welten wahr, die mit m's kognitiver Einstellung vereinbar sind. Also ist ,.,Km(p)" falsch in jeder möglichen Welt unter jeder Interpretation und deshalb logisch falsch. (111) Wennp logisch wahr ist, dann istp auch wahr in allden möglichen Welten, die von einer gegebenen aus erreichbar sind. Dies gilt aber für jede
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Interpretation. Deshalb ist auch ein Satz der Form ,,Km(p)" logisch wahr, sofern p logisch wahr ist. Was bedeuten (1), (II) und (111) im Einzelfall? Ich möchte die Fälle untersuchen, in denen für ,,K-" "glauben", bzw. "wünschen", bzw. "wahrnehmen" gesetzt wird. Betrachten wir zunächst die Situation, die entsteht, wenn für ,,K-" "glauben" gesetzt wird. (a) Angenommen, Mafia glaubt, daß p. Angenommen weiter, daß q aus p logisch folgt. Wenn wir die Analyse mittels der MöglicheWelten-Semantik zugrundelegen, trifft die Überlegung (I) zu, und dies bedeutet: aus den Prämissen folgt "Maria glaubt, daß q" logisch. (b) Oder betrachten wir den Fall, daß p kontradiktorisch ist. "Maria glaubt, daß p" ist dann wegen (II) logisch falsch. (c) p sei logisch wahr. Dann ist wegen (III) "Maria glaubt, daß p" ebenfalls logisch wahr. Für (a), (b)und (c) mag man nun so argumentieren2 2: ad (a): Wenn Maria glaubt, daß p, dann akzeptiert Mariap. Wenn wir Maria nun erklären, daß q aus p logisch folgt, dann sollte Maria auch q akzeptieren; sie sollte es zumindest dann tun, wenn sie rational ist. Sie mag - so kann man sagen - sich noch nicht darüber klar geworden sein, daß q aus p folgt. Aber sobald sie das einsieht, akzeptiert sie rationalerweise auch q. ad (b): p ist kontradiktorisch. Kann Maria in rationaler Weise glauben, daß p? Maria mag den Widerspruch nicht wahrgenommen haben. Aber sobald sie darauf aufmerksam gemacht wird, wird sie den widerspruchsvollen Satz rationalerweise nicht akzeptieren. ad (c): p sei logisch wahr. Sobald sich die rationale Maria darüber klar wird, wird sie p akzeptieren. Rationalerweise kann sie also nicht umhin, zu glauben, daß p. Mir scheint nun, daß diese Argumentationen für (a), (b) und (c) auf einer Verwendungsweise von "glauben" beruhen, die nicht die übliche, in der Alltagssprache gängige ist. Mir scheint, daß normalerweise "glauben" vielmehr so verwendet wird, daß (i) selbst dann, wenn q aus p folgt, wenn weiterhin Maria glaubt, daß p, wir es dennoch für möglich hielten, zu sagen "Maria glaubt nicht, daß q", ohne daß wir uns dadurch in einen Widerspruch verwickelten. Wir halten es nämlich für möglich, daß der Satz "Maria glaubt, daß p" trotzdem wahr ist. (ii) Genausogut kann doch "Maria glaubt, daß p" wahr sein, wenn p logisch falsch ist. Selbst wenn Maria weiß, daß p widersprüchlich ist, mag sie an p festhalten. Wenn Maria eine fromme Christin ist, dann glaubt sie, daß Gott die Liebe ist, daß Gott allmächtig ist, und daß 22 Ähnlich hatte Hintikka in "Knowledge and Belier· argumentiert, S. 31-34; gegen diese Argumentation siehe insbesondere auch Hocutt.
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11. Logische Analysen kognitiver Sätze
Gott es dennoch zuläßt, daß Menschen verletzt werden. Auf die Widersprüchlichkeit ihres Glaubens angesprochen, mag sie diese zugeben und antworten: "Hoc credo quia absurdum est". (iii) Wenn p logisch wahr ist, dann mag es dennoch der Fall sein, daß Maria diese logische Wahrheit zu akzeptieren nicht bereit ist, daß es uns vielleicht nie gelingt, sie vonp zu überzeugen. M. E. sagen wir in dieser Situation "Maria glaubt nicht, daß p". Wir sind dabei der Auffassung, daß "Maria glaubt, daß p" falsch ist, also nicht logisch wahr. Die Konsequenzen (1), (II) und (III) der Wahrheitsdefinition scheinen also im Fall von "glauben" nicht mit der umgangssprachlichen Verwendung dieser Verben übereinzustimmen. Aber auch von Psychologen wird "glauben" nicht so verwendet, wie es durch (1), (II) und (111) nahegelegt wird. Auf ein hierfür relevantes Beispiel treffen wir, wenn wir die Dissonanztheorie betrachten (vgl. § 3, (1)). Dem Satz (21) könnte in dem System K folgendes Satzschema (oder Aussageschema) entsprechen: (74) (Ux) ((Kx(p) & Kx(q) & Kx(-p folgt aus q))-+ R(x; p; q))
,,K-" steht hier für "glauben". Sätze erhalten wir aus dem Satzschema (74), wenn wir die in ihm vorkommenden "p" und "q" durch Sätze des Systems K ersetzen.23 Wenn nun für bestimmte Sätze p und q gilt, daß -p aus q logisch folgt, dann lassen sich Kx(p) und Kx(q) nicht gleichzeitig erfüllen. Wegen (II) läßt sich der Satz (21) (bzw. seine Präzisierung durch das Schema (74)) nur auf die Fälle anwenden, in denen eine Person meint, daß ein Widerspruch vorläge, tatsächlich aber kein Widerspruch vorliegt. Solche Fälle, in denen ein Widerspruch tatsächlich vorliegt, sind ausgeschlossen, da es logisch unmöglich ist, daß eine Person gleichzeitig p glaubt, und glaubt, daß q, wo-paus q logisch folgt. Dies ist eine Einschränkung des Anwendungsbereichs von (21), die weder von Festinger beabsichtigt ist, noch von anderen, die mit der Dissonanztheorie arbeiten. Die Konsequenz (II) aus der obigen Wahrheitsdefinition läßt sich also nicht mit einer Verwendungsweise von "glauben" in Übereinstimmung bringen, wie wir sie in der psychologischen Theorienbildung antreffen. Betrachten wir nun das kognitive Verb "wünschen". Daß die Wünsche von Personen logisch nicht miteinander vereinbar sind, ist doch häufig der Fall. Wir müssen also zulassen, daß Sätze der Form "m wünscht, daß p" wahr sind, auch wenn p widersprüchlich ist. (11) wird also verletzt. Oder es 23
Zu dem Satzschema (74) vgl. weiter unten am Ende dieses Abschnitts.
§ 5: Logische Analyse mit Hilfe der Mögliche-Welten-Semantik
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ist der Fall, daß m wünscht, daß p; außerdem folgt q logisch aus p. Aber es kann doch sein, daß m nicht wünscht, daß q. Wir müssen also auch zulassen, daß (I) verletzt wird. Ebenso leicht ließe sich zeigen, daß das kognitive Verb "träumen" nicht im Einklang mit der Wahrheitsdefinition flir das System K verwendet wird. Zum Abschluß möchte ich noch kurz betrachten, wie "wahrnehmen" in der Wahrnehmungspsychologie verwendet wird. Gregory24 berichtet von optischen Illusionen, die paradox sind. Es gibt Fälle, in denen man wahrnimmt, ein Objekt behielte die gleiche Größe und würde doch gleichzeitig anwachsen. Wenn wir solche Fälle nicht als logisch unmöglich abtun wollen - und wie sollten wir das wollen, wenn sie real sind? -,müssen wir die Möglichkeit zulassen, daß Sätze der Form "m nimmt wahr, daß p" wahr sein können, selbst wenn p widersprüchlich ist. Das spricht natürlich gegen (II). Natürlich könnten wir "wahrnehmen" folgendermaßen umdeflnieren: es wird geregelt, daß ein Satz, in dem das Verb "wahrnehmen" einen Nebensatz im kognitiven Kontext regiert, nur dann wahr sein kann, wenn seinerseits der Satz im kognitiven Kontext wahr ist. Aber dann stellt sich das Problem einer adäquaten logischen Analyse des Verbs "wahrnehmen" flir die Verwendungsweisen, die nicht dieser Definition entsprechen. Fazit: Wenn wir die Konsequenzen (1), (II) und (IIl) aus der obigen Wahrheitsdefinition akzeptieren, dann mag dies im Einklang sein mit einer Verwendungsweise kognitiver Verben, die bestimmten ,Rationalitätsanforderungen' genügt, genau denen nämlich, die in (1), (II) und (111) zum Ausdruck kommen. Man kann auf diese Weise ,rationale' Begriffe des Wissens, des Glaubens, des Wahrnehmens etc. konstruieren. Diese entsprechen aber, wie wir sahen, nicht den Verwendungsweisen kognitiver Verben, die wir in der Umgangssprache antreffen oder auch bei der psychologischen Theorienbildung. Nun sind die Diskrepanzen zwischen der umgangssprachlichen Verwendung kognitiver Verben und der Rekonstruktion durch die Mögliche-Welten-Semantik den Vertretern der Anwendung der Mögliche-Welten-Semantik auf kognitive Sätze selber nicht unbemerkt geblieben. In offensichtlicher Weise werden logische Eigenschaften von Sätzen in kognitiven Kontexten berücksichtigt, die man eigentlich nicht berücksichtigt sehen möchte. Ich referiere und untersuche im Folgenden Hintikkas Reaktion auf dieses Problem. 24 Gregory, S. 107; es geht dort um den Nacheffekt einer rotierenden Spirale. Gregory schließt : "Wir können Dinge erleben, die logisch unmöglich sind, wenn wir unter Illusionen leiden." Für weitere Beispiele siehe Feyerabend, S. 354.
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II. Logische Analysen kognitiver Sätze
Hintikka möchte das Prinzip, daß, falls q aus p folge, auch Km(q) aus Km(p)
folge, in geeigneter Weise einschränken. 25 Er argumentiert folgendermaßen: (i) er behauptet, daß "glauben, daß p" ,.p verstehen" voraussetzt; (ii) er macht eine Hypothese betreffs objektiver, struktureller Faktoren, die die Wahrnehmung logischer Beziehungen beeinflussen; (iii) auf der Grundlage dieser Hypothese schlägt er eine Regelung der Verwendung des Verbs "verstehen" vor, die wegen (i) auch die Verwendung von "glauben" betrifft. Nunmehr im Einzelnen. Hintikka meint, es bestünde eine enge Verbindung zwischen "glauben" und "verstehen": denn "man kann wohl von niemandem sagen, er glaube eine Proposition im normalen Sinne des Wortes ["glauben"], es sei denn, er verstehe sie" (,Logical Consequence', S. 189). Aber was soll heißen: "eine Proposition verstehen"? Eine Antwort auf diese Frage, an die man zunächst denken könnte, wäre: "eine Proposition p verstehen" heißt "alle logischen Folgerungen aus p kennen". Dagegen führt Hintikka jedoch selbst an, daß man etwa sehr wohl die Axiome der elementaren Geometrie verstehen kann, ohne alle ihre Theoreme zu kennen. Einige Theoreme wird man kennen, viele andere nicht. Ist es aber nun möglich, "allein mit Hilfe logischer Mittel eine Trennlinie zu ziehen zwischen lmplikationen, die man sieht, und solchen, die man nicht sieht" ("Logical Consequence", S. 181)? Hintikka meint dazu: "Was man tun kann, ist, diejenigen objektiven, strukturellen Faktoren zu isolieren, die am meisten zu der Schwierigkeit beitragen, Beziehungen logischer Folgerung wahrzunehmen. Daß man diese strukturellen Faktoren zu den einzig relevanten macht, .(llag ein bestimmtes Ausmaß von Idealisierung involvieren, aber es kann auch in einem interessanten theoretischen Modell ,deduktiven Verhaltens' resultieren, welches es erleichtert, zu beschreiben und zu analysieren, welche Schlußfolgerungen Menschen ziehen, und wann sie es unterlassen, bestimmte Schlüsse zu ziehen" ("Logical Consequence", S. 182).
Hintikkas Hypothese ist nun, daß die Vergrößerung der sogenannten quanti.fikationalen Tiefe bei Ableitungen der objektive, strukturelle Faktor
ist, der am meisten zu der Schwierigkeit beiträgt, Beziehungen logischer Folge wahrzunehmen.
Was ist die quantifikationale Tiefe eines Satzes?26 Betrachten wir einen Satz S einer quantifikationalen Syntax ohne lndividuenkonstanten. Angenommen, in S kommt ein Prädikat vor, das mehr als 1-stellig ist, sagen wir 25 Hintikka in ,Knowledge, Belief and Logical Consequence' , ,Surface Semantics' und in ,Impossible Possible Worlds Vindicated'. 26 Meine Darstellung bleibt hier vollkommen auf intuitiver Ebene. Will man in adäquater Weise die formalen Entwicklungen nachvollziehen, auf denen die intuitive Darstellung beruht,
§ 5: Logische Analyse mit Hilfe der Mögliche-Welten-Semantik
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n-stellig, pn_ Teil des Satzes ist also ein Ausdruck, der aus pn gebildet ist und aus n Vorkommnissen unter Umständen verschiedener Variablen. DaS ein Satz ist, werden diese Variablenvorkommnisse durch höchstens n Quantaren gebunden. Die quantifikationale Tiefe eines Satzes ohne Individuenkonstanten hängt nunmehr u. a. von der Stelligkeit der in ihm vorkommenden Prädikate und der Zahl von Quantaren ab. Hierfür kurz drei Beispiele: (75) (Ex) Px (76) (Ex1) (Ux2) R 2x 1x 2 (77) (Ux1) (Ex2) (P2x 1x 2 & (Ux3) (R 3x 1x 2x 3 -+ Q1x 2)) Die quantifikationale Tiefe von (77) ist größer als die von (76), die von (76) ist größer als die von (75). Häufig fUhren nun Ableitungen in der Logik Erster Ordnung zur Vergrößerung der quantifikationalen Tiefe; d. h. in der Ableitung von q aus einer Satzmenge r kommen Sätze vor, deren Tiefe größer ist als die Tiefe von Sätzen aus r. Diese zunächst rein beweistheoretische Charakterisierung ist offensichtlich abhängig vom Ableitungssystem, mit dem man arbeitet. Sie kann aber auch semantisch gewendet werden. Hintikka definiert (in ,Surface Semantics') sogenannte Oberflächenmodelle: dies sind endliche Folgen von Individuen verschiedener Art, die man in einer relationalen Struktur finden kann. Es sind finite Ausschnitte aus möglichen Welten. Der quantifikationalen Tiefe entspricht auf der Objektebene die Komplexität von Konfigurationen von Individuen, die wir untersuchen müssen, wenn wir feststellen wollen, ob ein Satz wahr ist. Als Beispiel: "Es gibt eine natürliche Zahl, die kleinerI gleich ist als alle anderen natürlichen Zahlen" und "Für alle Punkte x 1 und x 2 gibt es einen Punkt x 3 , der zwischen x 1 und x 2 liegt." Im ersten Fall haben wir Konfigurationenzweier Individuen miteinander zu betrachten, im zweiten Fall Konfigurationen dreier Individuen miteinander. Ein Oberflächenmodell ist sozusagen das, was man bei schrittweisen Prozessen, die Welt zu untersuchen, vorfindet. Dieser Untersuchungsprozeß muß man sich mit Hintikkas Theorie der distributiven Nonnalformen in der Prädikatenlogik Erster Ordnung vertraut machen, sowie mit Rantalas Theorie der Urnenmodelle als Non-Standard-Modelle der Logik Erster Ordnung. Ich will diese Theorien hier nicht referieren, da dies zu weit vom Thema weg führen würde. Für eine präzisere Definition von quantifikationaler Tiefe siehe Hintikka ,Distributive Normal Forms in First-Order-Logic', S. 246.
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Il. Logische Analysen kognitiver Sätze
kann verglichen werden mit der sukzessiven Entnahme von Kugeln aus einer Urne und der Betrachtung der Folgen von Kugeln, die man bei jeder weiteren Entnahme einer Kugel erhäJt.27 Man kann Wahrheit in einem Oberflächenmodell unter Verwendung spieltheoretischer Gedanken definieren und gelangt so zu einer semantischen Definition von Oberjlächenkonsequenz. Oberflächenkonsequenzen sind aber gerade die Folgerungen, bei deren Ableitung die quantifikationale Tiefe nicht zunimmt. Die Ausgangsfrage war: was soll "m verstehtp" heißen? Hintikka legt nun fest: Verstehen von p als Kenntnis der logischen lmplikationen von p muß so eingeschränkt werden, daß es nur auf die Fälle zutrifft, in denen die Implikation von p nach q bewiesen werden kann, ohne daß man im Beweis Sätze größerer Tiefe als der von p verwendet. "m versteht p" soll also heißen: "m kennt alle logischen Folgerungen von p, für deren Ableitungen nicht Sätze mit größerer Tiefe als der von p verwendet werden". Unter Verwendung des Begriffs der Oberflächenkonsequenz heißt dies kürzer: "m kennt alle Oberflächenkonsequenzen von p". 28 Wie oben bemerkt, sieht Hintikka eine enge Verbindung zwischen Glauben einerseits und Verstehen andererseits: "wer glaubt, daß p, versteht p". Aus diesem Grunde ist Glauben zwar nicht invariant bezüglich logischer Äquivalenz im Allgemeinen, aber es ist invariant bezüglich jener logischen Äquivalenzen, die nötig sind, zu verstehen, was geglaubt wird. Jeder, der glaubt, daß p, glaubt also alle Oberflächenkonsequenzen von p. Hintikkas Vorschlag ermöglicht es somit, bei der Analyse kognitiver Sätze Beziehungen Jogischer Folge zwischen Sätzen im kognitiven Kontext zu vernachlässigen, nämlich diejenigen, die nicht Beziehungen der Oberflächenkonsequenz sind. Dieses Ergebnis läßt sich freilich auch auf Beziehungen und Eigenschaften zwischen, bzw. von Sätzen im kognitiven Kontext wie Widersprüchlichkeit und logische Wahrheit anwenden. Sei p logisch falsch. Ist dann auch "Gm(p)" logisch falsch? Nicht mehr in jedem Fall. Wenn zur Aufdeckung der Widersprüchlichkeit vonp eine Ableitung nötig ist, in deren VerlaufSätze größererTiefe verwendet werden, dann kann "Gm(p)" trotzdem wahr sein. Sei andererseits p logisch wahr. Sofern zur Feststellung der logischen Wahrheit von p Ableitungen benötigt werden, in deren Verlauf Sätze größerer Tiefe als der von p verwendet werden, wird "Gm(p) nicht logisch wahr sein. 27
ted'.
Siehe hierzu : Ranta/a, ,Um-Models' und Hintikka, ,Impossible Possible World Vindica-
28 Wenn ich eine Folgerung aus p kenne, muß ich sie dann nicht auch verstehen? Führt diese Analyse von "verstehen" somit nicht in den unendlichen Regreß?
§ 5: Logische Analyse mit Hilfe der Mögliche-Welten-Semantik
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Wie ist nun Hintikkas Problemlösungsvorschlag zu beurteilen? (1) Er funktioniert vielleicht im Falle der Verben "wissen" und "glauben". Er läßt sich aber wohl nicht auf "wahrnehmen" ausdehnen. Ein Satz der Form: "der Gegenstand a dehnt sich aus, und gleichzeitig behält er seine Größe bei" ist widersprüchlich und zur Aufdeckung dieses Widerspruchs bedarf es keiner Ableitungen, in deren Verlauf Sätze größerer Tiefe verwendet werden. Ähnliches gilt für "glauben" im religiösen Sinn (falls es überhaupt möglich ist, einen Unterschied in der Verwendung von "glauben" in der Umgangssprache und in der Religion zu sehen); vgl. das obige Beispiel. Für diese Fälle gibtHintikka keine Lösung an. Kognitive Verben im weiteren Sinne wie "wünschen", "träumen" etc. lassen sich aber erst recht nicht entsprechend Hintikkas Vorschlag uminterpretieren, ohne daß jede Verbindung zu ihrem normalen Gebrauch verlorenginge. Gegen Hintikkas Vorschlag ist also zunächst einzuwenden, daß er eine einheitliche Analyse kognitiver Verben unmöglich macht.
(2) Hintikka schlägt notwendige Bedingungen dafür vor, was "glauben" und "verstehen" heißen sollen. Es sind also Postulate, die die Bedeutung von "verstehen", bzw. "glauben" teilweise regeln. Es stellt sich die Frage, ob diese Postulate die umgangssprachliche Verwendung von "glauben" und "verstehen" einfangen. Hintikka gibt keine Argumente dafür, die es erlauben könnten, diese Frage positiv zu beantworten. Ich glaube, daß weiter erhebliche Diskrepanzen bestehen bleiben. Was Hintikkas Vorschlag also vermutlich nur erreicht, ist eine Abschwächung der Bedingungen, die an ,rationale' Begriffe des Glaubens, Wissens und Verstehens gestellt werden. Die Mögliche-Welten-Semantik, angewendet auf kognitive Sätze, kommt also deswegen in Schwierigkeiten, weil sie die logischen Eigenschaften von Sätzen innerhalb kognitiver Kontexte berücksichtigt, und es ihr dadurch nicht gelingt, Rekonstruktionen der umgangssprachlichen Verwendungsweisen kognitiver Verben zu geben. Gelänge es ihr in Einzeinillen ("glauben", "wissen"), so wäre sie auf jeden Fall nicht für eine einheitliche Analyse der Klasse kognitiver Verben geeignet. (iv) Ein weiteres Problem entsteht im Zusammenhang mit Sätzen wie (21), den wir durch (74) formalisiert hatten. (74) ist ein Satzschema, in dem ich die Variablen ,.p" und "q" für Sätze verwendet hatte. Dies sind aber nicht Variablen, die zur Objektsprache gehören. In dem syntaktischen System K stehen solche ja nicht zur Verfügung. Der Satz (21) läßt sich deswegen nicht in der Notation vonK wiedergeben. Am ehesten als Satzschema unter Verwendung metasprachlicher Variablen für Sätze. Das bedeutet: bestimmte Sätze der natürlichen Sprache, in denen kognitive Verben vorkommen, lassen sich
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li. Logische Analysen kognitiver Sätze
nicht als Sätze nach K übertragen, kann man am ehesten als Satzschemata auffassen. Aber andererseits scheinen dies in der natürlichen Sprache echte Sätze, echte Aussagen zu sein. Diese Beschränkung der Ausdruckskraft des Systems K ist dadurch bedingt, daß kognitive Verben als Operatoren gedeutet werden, die auf Sätze anzuwenden sind. Quantifiziert werden kann nur über Individuen, die in dem System K syntaktisch durch singuläre Terme repräsentiert sind. Sätze können aber in der vorliegenden Form des Systems K nicht durch singuläre Terme dargestellt werden. Diese Eigenart des Systems K fUhrt dazu, daß der Gültigkeit einiger kognitiver Argumente aus der natürlichen Sprache nicht Rechnung getragen werden kann. Tyler Burge weist auf solche Argumente hin 29: (a) Nehmen wir an, es träfe folgender Satz zu: "John glaubt, daß 2 plus 2 gleich 4". Nehmen wir weiter an, "2 plus 2 gleich 4" sei die am häufigsten zitierte Wahrheit der Arithmetik. Dann folgt aus diesen beiden Prämissen: "John glaubt die am häufigsten zitierte Wahrheit der Arithmetik." Weder die zweite Prämisse noch die Konklusion des Arguments können überhaupt in Hintikkas System formuliert werden. Deswegen ist es nicht möglich, dieses Argument als gültig zu rekonstruieren. (b) Aus "John glaubt, daß 2 plus 2 gleich 4" können wir folgern: "John glaubt etwas"; dabei scheint es sich um eine einfache Existenzgeneralisierung zu handeln. Die Konklusion des Arguments läßt sich aber wiederum nicht in dem System K formulieren; und somit läßt sich das intuitiv als gültig erscheinende Argument in Hintikkas System nicht als gültig nachweisen.
(3) Behaviouristische Tende_nzen bei der Anwendung der Mögliche- WeltenSemantik: Zu Beginn dieses Paragraphen waren wir von dem Aspekt der Fregeschen Auffassung von Sinn ausgegangen, der Sinnkenntnis als Bestandteil der Sprachkompetenz betrifft. Die Kenntnis des Sinnes eines Ausdrucks erlaubt uns- gemäß diesem Aspekt der Fregeschen Auffassung- die Identifikation seiner Bedeutung, seiner Extension. Sodann hatten wir uns der Weiterentwicklung dieser Auffassung durch Hintikka zugewendet: Sinnkenntnis sei verbunden mit der Fähigkeit, Gegenstände als dieselben in verschiedenen Situationen, unter verschiedenen Bedingungen wiedererkennen zu können. Dieser Gedanke führte zu der Betrachtungsweise des Sinns sprachlicher Ausdrücke als einer Funktion, die einem Ausdruck in allen möglichen Welten seine Extension zuweist. Nun ist es aber der Fall, daß ein Sprecher einem Ausdruck nicht unter allen möglichen Umständen, nicht in allen möglichen Welten einen Gegenstand zuordnen kann. Das, was er kann, ist jedenfalls, den Gegenstand in den möglichen Welten zu individu29
V gl. Burge, ,Critical Notice', S. 317.
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ieren, die mit seinen kognitiven Einstellungen und Tätigkeiten vereinbar sind. Was in der Mögliche-Welten-Semantik, so wie wir sie hier kennengelernt haben, hervorgehoben wird, ist somit die Disposition, unter bestimmten Umständen ein bestimmtes Verhalten zu zeigen, und diese Disposition wird mit Sinnkenntnis gleichgesetzt. Es geht um Dispositionen zu Verhalten folgender Art: Gegenstände in möglichen Situationen zu individuieren, und, wie wir am Anfang des Paragraphen gesehen haben, Sätzen in möglichen Situationen Wahrheitswerte zuzuordnen. Nun ist es verständlich, daß bei Gleichsetzung (partieller) Sinnkenntnis mit Identifikationsfähigkeit von Gegenständen oderWahrheitswerten nicht primär interessiert, wie Gegenstände individuiert werden; wie Wahrheitswerte identifziert werden. Mentale Prozesse, die dies bestimmen, werden also zunächst außer acht gelassen. Den Rückgriff auf mentale Prozesse vermeidet Hintikka auch, wenn er zu erklären sucht, was unter kognitiven Einstellungen zu verstehen sei; für den speziellen Fall des Glaubens sagt er: "Versetze John plötzlich in eine Welt, die unvereinbar mit seinem Glauben ist, und er wird auf eine bestimmte Art reagieren. Versetze ihn in eine Welt, die mit seinem Glauben vereinbar ist, und er wird eine andere Reaktion zeigen. John wird dann glauben, daß D, wenn er die erste Reaktion in keiner möglichen Welt an den Tag legt, in welcher es der Fall ist, daß D." (QQI, S. 93). Hintikka meint, das Problem, Menschen oder gar Tieren nicht-verbalisierte Meinungen zuzuschreiben, reduziere sich auf ein viel allgemeineres Problem; dies bestünde darin, die Reaktionen von Menschen oder von Tieren angeben zu können, die diejenigen möglichen Welten, die mit ihren Meinungen vereinbar seien, von anderen möglichen Welten unterscheiden. Diese Reaktionen legen fest, welche Meinungen wir ihnen zuordnen; offensichtlich sei dies ftir Tiere: " ... im Fall von Hunden ist es klar, daß wir ihnen nicht Meinungen zuordnen auf der Basis dessen, was wir denken, was in ihren Köpfen vorgeht, sondern auf der Basis ihres charakteristischen Verhaltens, das sie zeigen, wenn ein Glauben sich als wahr herausstellt oder dies nicht tut" (QQI, S. 94). Analoge Überlegungen wird Hintikka wohl auch ftir andere kognitive Einstellungen gelten lassen. Auf der Grundlage eines bestimmten Verhaltens von Menschen oder Tieren in bestimmten Situationen oder möglichen Welten können wir ihnen also Meinungen zuschreiben. D. h.: Mögliche Welten, die mit dem Glauben eines Menschen oder Tieres vereinbar sind, sind Welten, in denen der Mensch oder das Tier ein bestimmtes Verhalten zeigt; dadurch, daß wir Sätze in diesen möglichen Welten als wahr einstufen, schreiben wir dem Menschen oder dem Tier Meinungen zu. Die Wahrheit eines Satzes in einer Si-
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tuation, in einer möglichen Welt also, hängt aber unter anderem von der logischen Struktur des Satzes ab, den wir als Meinung zuschreiben. Wenn also kognitive Einstellungen wie Glauben mit Dispositionen zu Verhalten in möglichen Welten gleichgesetzt werden, dann muß man auch die logische Struktur der Sätze berücksichtigen, die in diesen Welten wahr sind. Bei einer Wahrheitsdefinition für kognitive Sätze muß also auch auf die logische Struktur der Sätze rekurriert werden, die im kognitiven Kontext vorkommen. Vernachlässigen kann man dagegen die mentalen Prozesse und Vorrichtungen, die den erwähnten Verhaltensdispositionen zugrundeliegen mögen (falls man sie überhaupt als real oder als kausal relevant ansieht). Wie wir sahen, hat Hintikka verschiedene Methoden der Individuierung von Gegenständen unterschieden; außerdem hat er bestimmte strukturelle Hindernisse postuliert, die dem Verständnis von Sätzen entgegenstehen mögen. Hierdurch werden zwar in gewissem Maße mentale Prozesse und Vorrichtungen berücksichtigt. Dennoch scheint, daß das Hauptaugenmerk bei der Anwendung der Mögliche-Welten-Semantik aufkognitive Sätze Verhaltensdispositionen betrifft und nicht die mentalen Grundlagen solcher Dispositionen. Insofern lassen sich bei der Anwendung der Mögliche-WeltenSemantik behaviouristische Tendenzen erkennen. Dies betrifft einerseits die Explikation dessen, was als Sinnkenntnis anzusehen sei; zum anderen Hintikkas Gleichsetzung von kognitiven Einstellungen mit Dispositionen zu Verhalten in möglichen Welten. Hat Hintikka in hinreichender Weise die mentalen Prozesse und Vorrichtungen berücksichtigt, die kognitiven Einstellungen und Tätigkeiten zugrundeliegen könnten? Daß dem nicht so ist, darauf scheinen Schwierigkeiten hinzudeuten, in die seine Analyse gerät: (1) Bei der Analyse von Sätzen, die Selbstbezugnahme innerhalb des kognitiven Kontexts exemplifizieren, gelingt es nicht, der Möglichkeit Rechnung zu tragen, daß die Selbstbezugnahme, die eine Person vornimmt, ihr auch als Bezugnahme auf sich selbst bewußt ist. Es genügt wohl nicht, demonstrative bzw. kontextuelle Methoden der lndividuierung von physikalischen Methoden zu unterscheiden. Mir scheint vielmehr, daß es eine Reihe von Gradabstufungen der Unmittelbarkeit der Bezugnahme auf Gegenstände gibt: Selbstbezugnahme, wie im Satz (72) beschrieben, ist in hohem Maße unmittelbar; die Bezugnahme auf sich selbst, die Perry vornimmt, wenn er die Spiegelung der Spiegelung seiner selbst sieht, ist in geringerem Maße unmittelbar; und die mit einer Kennzeichnung wie "der 57. Kunde im Safeway in Palo Alto am 23. 11 . 1979" vorgenommene Bezugnahme wäre noch weniger unmittelbar. Diese graduellen Unterschiede der Unmittelbarkeit der Bezugnahme auf Gegenstände werden bei der Anwendung der Mögliche-Welten-Semantik nicht berücksich-
§ 5: Logische Analyse mit Hilfe der Mögliche-Welten-Semantik
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tigt. Kann dies nicht damit zusammenhängen, daß mentale Prozesse, die der Bezugnahme auf Einzelgegenstände zugrundeliegen, noch nicht hinreichend in die Analyse einbezogen worden sind? (2) Da die logische Struktur der Sätze innerhalb kognitiver Kontexte bei der Angabe der Wahrheitsbedingungen kognitiver Sätze eine entscheidende Rolle spielt, gelingt es nicht, einige derjenigen Verwendungsweisen kognitiver Verben zu rekonstruieren, die in der Umgangssprache und bei der psychologischen Theorienbildung anzutreffen sind. Wie wir eben sahen, wird die logische Struktur von Sätzen innerhalb des kognitiven Kontexts insbesondere deswegen berücksichtigt, weil kognitive Einstellungen mit Dispositionen zu Verhalten in möglichen Welten gleichgesetzt werden. Wenn wir kognitive Einstellungen nicht mehr mit Dispositionen zu Verhalten in möglichen Welten gleichsetzen, dann brauchen wir die Angabe der Wahrheitsbedingungen kognitiver Sätze nicht von der logischen Struktur der Sätze innerhalb des kognitiven Kontexts abhängig zu machen. Faktoren wie die logische Struktur scheinen ja auch erst nach entsprechender kognitiver Verarbeitung aufzufallen, von der nicht selbstverständlich ist, daß sie in jedem Fall geleistet wird. Wenn wir nun die mentalen Prozesse und Verrichtungen in Betracht ziehen, die den kognitiven Einstellungen zugrundeliegen mögen, kann es sich herausstellen, daß die logische Struktur der Sätze, die wir Personen als Meimmgen o. ä. zuschreiben, bei der Angabe der Wahrheitsbedingungen kognitiver Sätze besser zu vernachlässigen ist. Wollen wir die Arten der Bezugnahme auf Gegenstände in der logischen Analyse kognitiver Sätze genauer wiedergeben, so müssen wir also wohl die mentalen Prozesse, die Bezugnahme auf Gegenstände begleiten oder konstituieren, und die Mittel, mit denen diese Bezugnahme zustande kommt, in spezifischerer Weise angeben können, als wir dies aus der Anwendung der Mögliche-Welten-Semantik auf kognitive Sätze kennen. Wollen wir berücksichtigen, auf welcher mentalen Grundlage kognitive Einstellungen sich überhaupt in Verhaltensdispositionen umsetzen, werden wir betrachten müssen, welches ,Material' die mentalen Prozesse bearbeiten, die für kognitive Einstellungen und Tätigkeiten charakteristisch sind. Das heißt: unsere Aufmerksamkeit bewegt sich weg von dem Aspekt der Fregeschen Auffassung von Sinn, der Sinnkenntnis als Sprachkompetenz betrifft, und wir wenden uns dem Aspekt der Feegesehen Auffassung von Sinn zu, der Sinn als Gegenstand kognitiver Einstellungen und Tätigkeiten betont.
7 Bühler
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Il. Logische Analysen kognitiver Sätze
§ 6: Einige psychologische Spekulationen
Weiter oben hatte ich gesagt, ich wolle in dieser Arbeit untersuchen, ob sich kognitive Sätze auf zufriedenstellende Weise analysieren lassen, wenn wir annehmen, daß innerhalb des kognitiven Kontexts die Extension eines Ausdrucks so etwas ist wie ein Fregescher Sinn. Ich hatte zwei Aspekte hervorgehoben, die mit Freges Auffassung vom Sinn sprachlicher Ausdrücke verbunden sind: der eine Aspekt betrifft den Zusammenhang zwischen Sinnkenntnis und Beherrschung der Sprache durch ihre Sprecher; der andere Aspekt betrifft Sinn als Gegenstand kognitiver Einstellungen und Tätigkeiten. Im letzten Paragraphen haben wir eine Analyse kognitiver Sätze betrachtet, die den ersten Aspekt von Freges Sinnkonzeption zum Ausgangspunkt nimmt. Schwierigkeiten, die sich dieser Analyse stellten, habe ich zurückzuführen gesucht auf die behaviouristische Tendenz, die mit der ausschließlichen Betonung dieses Aspekts der Fregeschen Auffassung von Sinn verbunden ist. Ist eine Analyse kognitiver Sätze nun erfolgreicher, die den zweiten Aspekt der Fregeschen Auffassung zugrundelegt: Sinn als Gegenstand kognitiver Einstellungen und Prozesse? Hierfür ist es freilich auch erforderlich, die Fregesche Analyse zu erweitern und an einzelnen Punkten zu modifizieren, so daß die Probleme aus § 4 in befriedigenderWeise gelöst werden können. Thema dieses Paragraphen ist es, eine Analyse kognitiver Sätze, die auf der Annahme vom Sinn als Gegenstand kognitiver Einstellungen und Tätigkeiten beruht, im Einzelnen zu motivieren. Zu diesem Zwecke sollen einige Spekulationen gemacht werden, die Eigenarten der Informationsverarbeitung durch denkende Systeme, insbesondere durch den Menschen, betreffen. Im nächsten Paragraphen will ich dann zeigen, wie diese Spekulationen sich bei der Analyse kognitiver Sätze anwenden lassen. (1) Einleitendes: Drei miteinander verbundene Annahmen bilden den Rahmen flir die im nächsten Paragraphen darzustellende logische Analyse kognitiver Sätze.
Die erste Annahme ist, daß Ausdrücke im kognitiven Kontext sich auf Gedanken und Elemente von Gedanken beziehen, die Personen (oder allgemein: Organismen) haben, welche wir mit den Subjektausdrücken in kognitiven Sätzen bezeichnen. Der Nebensatz nach dem "daß", der von einem kognitiven Verb regiert wird, kann in seiner Gesamtheit einen Gedanken bezeichnen (sofern de-dicto- Verwendungsweise kognitiver Verben vorliegt). Gedanken und Elemente von Gedanken sind also die Extensionen von Ausdrücken in kognitiven Kontexten. Diese erste Annahme ist im Zusammen-
§ 6: Einige psychologische Spekulationen
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hang mH einer zweiten Annahme zu sehen: ich verstehe Gedanken und ihre Elemente als Bestandteile eines Systems, das der Person (oder allgemein: einem Organismus) zur ,Vorstellung' von Sachverhalten dient, eines Systems, mittels dessen sie sich Informationen präsentiert, die sie zu verarbeiten und zu lagern hat. Ein solches System will ich , ,Repräsentationssystem" nennen. Verschiedene Entwicklungen in der neueren Psychologie scheinen die Hypothese vom Vorliegen eines solchen Systems zumindest im menschlichen Organismus nahezulegen. So postulieren etwa Anderson und Bower bei der Entwicklung ihres theoretischen Modells des menschlichen Gedächtnisses die Existenz eines Repräsentationssystems im menschlichen Organismus. Denn sie meinen, daß der Organismus ein Medium benötigt, in welchem ihm zukommende Informationen repräsentiert werden, um sie in rückrufbarer Form zu lagern ("Human Associative Memory", S. 151). Jerry Fodor hat argumentiert, daß u. a. theoretische Konzeptionen zum Begriffslernen, Theorien über Wahrnehmung und Theorien zum Spracherwerb zur Annahme eines Repräsentationssystems im Organismus zwingen (vgl. "Language of Thought", S. 34-53; S. 58-64). 1 Es stellt sich die Frage, wie das Repräsentationssystem mit dem Sprechen einer natürlichen Sprache verbunden ist. Meine dritte Annahme ist, daß bei der Produktion von Sätzen einer Sprache Gedanken des Repräsentationssystems in sprachliche Gestalt ,übersetzt' werden, und daß beim Verstehen von Sätzen einer Sprache diese in Gedanken überführt werden. Das Repräsentationssystem ist also als ein Medium zu denken, das von den Sprachen, die gesprochen werden und zur Kommunikation dienen, verschieden ist, das den natürlichen Sprachen zugrundeliegt und von ihnen teilweise unabhängig ist. 2 Die Annahme des Repräsentationssystems weist Ähnlichkeiten zu John Lackes Lehre von den Ideen auf. Den Ideen in der Lockeschen Lehre entsprechen hier die Begriffe. Die Gedanken, von denen ich spreche, korrespondieren den "mental propositions"3 von Locke. Abweichend von der Lockeschen Theorie soll hier aber die interne Strukturierung von "mental propositions" stärker betont werden. Dies äußert sich in der hier vorgenommenen 1 Auch Sober argumentiert, daß die Annahme eines Repräsentationssystems bei psychologischen Erklärungen benötigt wird, vgl. Teil I von ,Mental Representations', S. 101-111. 2 Über die Verbindung von Repräsentationssystem und natürlicher Sprache siehe Sober, ,Mental Representations' und Jerry Fodor, ,The Language of Thought'. 3 Zu Lockes Lehre von den Ideen : Locke: An Essay Concerning Human Understanding, II und III. Die "mental propositions" erwähnt Locke in IV, 5, 3. 7*
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Trennung zwischen Allgemeinbegriffen und lndividuenbegriffen, zweitens in der expliziten Berücksichtigung von Konstruktionsoperationen des Repräsentationssystems. Im Gegensatz zur Lockeschen Lehre wird hier auch scharf zwischen Ideen und "mental propositions" als Typen einerseits und ihren Einzelvorkommnissen in den psychischen Prozessen des Individuums andererseits unterschieden. Die drei oben gemachten Grundannahmen sind als solche freilich noch zu unspezifisch, als daß man sie sinnvoll diskutieren könnte. Wir benötigen weitere Angaben darüber, wie Repräsentationssystem und natürliche Sprache aufeinander bezogen sind, darüber, wie Ausdrücken im kognitiven Kontext Elemente des Repräsentationssystems zuzuordnen sind, und zum dritten brauchen wir genauere Angaben über die Beschaffenheit des Repräsentationssystems. Wie Ausdrücken im kognitiven Kontext Elemente des Repräsentationssystems zuzuordnen sind, ist Gegenstand des nächsten Paragraphen. Die Frage, wie Repräsentationssystem und natürliche Sprache aufeinander bezogen sind, wird in dieser Arbeit nicht eingehender behandelt werden, da sie nicht unmittelbar für die logische Analyse kognitiver Sätze relevant zu sein erscheint und da ich nicht hinreichend darüber gelesen und nachgedacht habe. Die dritte Frage nach der Beschaffenheit des Repräsentationssystems ist Gegenstand dieses Paragraphen. Ich werde beschreiben, wie die Gedanken beschaffen sind, die im Repräsentationssystem gebildet werden. Ich werde also einige inhaltliche Annahmen über die Beschaffenheit und die Funktionsweisen des menschlichen Repräsentationssystems machen. Dabei wird es sich um empirische Hypothesen handeln, die sich als wahr oder falsch herausstellen können. Beschränkungen meines Wissens bedingen, daß diese Hypothesen das Repräsentationssystem nur sehr unvollständig beschreiben; die unmittelbaren Zwecke der vorliegenden Untersuchung führen weiter dazu, daß einige Aspekte ausgeblendet werden, wie etwa der entwicklungspsychologische. Außerdem erlaube ich mir, die Sachverhalte stark idealisierend darzustellen. Im nächsten Abschnitt werde ich einige Spekulationen über die Struktur des Repräsentationssystems machen, und ich werde diskutieren, wie innerhalb des Repräsentationssystems Bezugnahme auf Gegenstände zustandekommen kann; in den darauffolgenden Abschnitten werde ich besprechen, auf welche Weisen im einzelnen Selbstbezugnahme und Bezugnahme auf Gedanken (selber Elemente des Repräsentationssystems) zustandekommen können.
(2) Das Repräsentationssystem; Gedanken und Begriffe: Konstitutiv für das Repräsentationssystem sind bestimmte Aufbauprinzipien und ein Aus-
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gangsmaterial ftir seinen Aufbau. Zu dem Ausgangsmaterial und zu den Aufbauprinzipien zählen: eine begrenzte Menge von Al/gemeinbegriffen, das subjektive Orientierungsfeld und eine Menge von Konstruktionsoperationen. Was damit im einzelnen gemeint ist, soll nunmehr erläutert werden. (i) Ich nehme an, daß zum Repräsentationssystem eine Menge von Allgemeinbegriffen gehört, die teilweise angeboren sind, teilweise im Laufe des Lebens erworben werden; einige Allgemeinbegriffe werden also nicht erlernt, sondern sie dienen als ,eingeborene' Voraussetzung zum Erlernen weiterer; sie gehören zum Ausgangsmaterial ftir den Aufbau des Repräsentationssystems bei einer Person. Außerdem nehme ich an, daß es ftir begrenzte Gegenstandsbereiche endliche Klassen ,natürlicher', ,primärer' Grundkategorien gibt, die teils durch die Eigenarten der menschlichen Informationsverarbeitung festgelegt sind, zum anderen Teil durch die Struktur des Gegenstandsbereiches selbst. 4 Einige Allgemeinbegriffe sind Kategorisierungsprinzipien ftir Stimuluskonfigurationens, etwa die Farbbegriffe rrot,, rblau,, rschwarz,, etc.; andere sind vielleicht Kategorisierungsprinzipien ftir Klassen von unter verschiedene Kategorisierungsprinzipien fallende Stimuluskonfigurationen; etwa der Begriff rFarbe, (um Elemente des Repräsentationssystems zu bezeichnen, verwende ich die eckigen Klammern oberhalb der Zeile: r,,6). Mit Hilfe von Allgemeinbegriffen können Gegenstände kategorisiert werden. Die Gegenstände, die mittels eines Allgemeinbegriffes kategorisiert werden können, bilden eine bestimmte Menge. Der Allgemeinbegriff bestimmt diese Menge, er ,bezeichnet' sie. So bestimmt der Begriff 'Fahrzeug, die Menge der Fahrzeuge ;jedes einzelne Fahrzeug kann durch diesen Begriff kategorisiert werden. Es ist also zwischen dem Allgemein begriff, d. i. einem Kategorisierungsprinzip, und den Mengen von Gegenständen, die durch dies Prinzip kategorisiert werden, zu unterscheiden. Ich will annehmen, daß es einstellige und mehrstellige (oder relationale) Allgemeinbegriffe gibt. Ein relationaler Allgemeinbegriff ordnet Einzelgegenstände in Beziehungen zueinander. rliegt neben, etwa ist ein relationaler Allgemeinbegriff Er kategorisiert Gegenstände als nebeneinanderliegend. Vgl. Holenstein, ,Kognitive Universalien', S. 59, 64. s Diese Auffassung von Begriffen vertritt Lenneberg: Biologische Grundlagen der Sprache, S. 403 ff. Zu Farbbegriffen siehe Berlin und Kay. Basic Color Terms. 6 Für einen ähnlichen Zweck wurden sie zuerst von Kaplan in ,Quantifying In' benutzt (ursprünglich wurden sie von Quine in "Mathematical Logic" für andere Zwecke verwendet, siehe dort S. 33-37). 4
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Ein relationaler Allgemeinbegriff legt eine Relation (im mengentheoretischen Sinne) fest, ,bezeichnet' sie. Mit vielen Allgemeinbegriffen verbunden ist eine für ihre Anwendung zentrale Region: besonders typische Beispiele von Fahrzeugen, Autos etwa, bestimmen diese zentrale Region für den Begriff rFahrzeug,. Als besonders untypische Exemplare können Skier gelten; sie markieren eine periphere Region der Begriffsanwendung. 7 (ii) Karl Bühler hat in seiner "Sprachtheorie" darauf hingewiesen, daß wir uns im normalen Wachzustand in einem Zustand der Orientierung in der Welt oder, wie ich sagen will, Weltorientierung befinden, den er folgendermaßen beschreibt: Wer immer im Wachzustand und "bei sich" ist, befindet sich orientiert in seiner gegebenen Wahrnehmungssituation und das heißt zunächst einmal, daß alle Sinnesdaten, die ihm zufließen, eingetragen sind in eine Ordnung, ein Koordinationssystem, dessen Origo (Koordinationsausgangspunkt) das ist, worauf die Zeigwörter hier, jetzt, ich hindeuten. (Sprachtheorie, S. 126)
Dieser Zustand der Weltorientierung hat eine bestimmte Struktur, die ich als subjektives Orientierungifeld bezeichne. Ich nehme an, daß das subjektive Orientierungsfeld mit zum Repräsentationssystem gehört. Wir sollten uns das subjektive Orientierungsfeld vielleicht so wie in der Abbildung vorstellen.
7 Vgl. hierzu Rosch, ,The Interna! Structure of Semantic Categories', S. 112; auch das Beispiel mit 'Fahrzeug., ("vehicle") stammt von dort.
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Der Ursprung (U) und alle Punkte in dem Koordinatenkreuz sind Positionen im subjektiven Orientierungsfeld. Die drei dargestellten Koordinaten sind die der räumlichen Position, eine vierte, nicht in der Abbildung gezeigte, ist die Koordinate der Zeit. Der Ursprung ist das Zentrum des subjektiven Orientierungsfeldes. Er steht dafür, daß die Person in ihrer Weltorientierung in der Mitte ist, an dem Ort, an dem sie sich gerade aufhält, zum jeweils gegenwärtigen Zeitpunkt. 8 Des weiteren ist das subjektive Orientierungsfeld in Teilmengen unterteilt, die zusammenhängend sind. Diese Teilmengen sind durch Kugeln in der Abbildung angedeutet. Das subjektive Orientierungsfeld ist die Struktur der Weltorientierung des Individuums. Es steht dafür, daß jeder sich in seiner Orientierung im Zentrum sieht, daß er links, rechts, oben, unten, nachher, jetzt und vorher zu unterscheiden vermag. Ich rechne das subjektive Orientierungsfeld dem Repräsentationssystem als Bestandteil zu, weil es in später darzustellender Weise ermöglicht, verschiedene Arten der Bezugnahme auf Einzelgegenstände zu berücksichtigen. Mit seiner Hilfe gelingt es meines Erachtens, die mentalen Prozesse zu rekonstruieren, die Bezugnahme auf Einzelgegenstände ausmachen. Ich nehme nun des weiteren an, daß sich in der Weltorientierung des Einzelnen Gegenstände präsentieren; oder anders ausgedrückt: in ihr befinden sich Darstellungen von Gegenständen. Und zwar befinden sich diese Darstellungen vom Ich her gesehen immer in bestimmten Richtungen. Dem entsprechen im subjektiven Orientierungsfeld die Punktteilmengen, die in der Abbildung durch die Kugeln dargestellt sind. In dem Bereich der Weltorientierung, dem in dem subjektiven Orientierungsfeld solche Teilmengen korrespondieren, befinden sich eben Präsentationen von Gegenständen. Solche Darstellungen können verschiedener Art sein. Sie können z. B. bildliehen Charakter haben. 9 Dies wird bei der visuellen Wahrnehmung der Fall sein. Experimentelle Befunde unterstützen die Vermutung, daß die Wiedererkennung eines dreidimensionalen Gegenstandes mit einer mentas Hier bin ich angeregt worden von einem Gedanken Karl Bühlers, der vom "Zeigfeld der Sprache" spricht (in seiner "Sprachtheorie" ), freilich in bezugauf die gesprochene Sprache, nicht in bezug auf ein Repräsentationssystem im hier gemeinten Sinne. Er spricht vom "Koordinatensystem der ,subjektiven Orientierung' , in welcher alle Verkehrspartner befangen sind und befangen bleiben. Jeder benimmt sich wohlorientiert in dem seinigen", "Sprachtheorie", S. 102 bis 103. 9 Über die Rolle von Bildern beim Denken siehe erwa Jerry Fodor, "Language of Thought", S. 174-194.
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len Rotation des inneren ,Abbilds' des Gegenstandes verbunden ist.IO Darstellungen von Gegenständen im subjektiven Orientierungsfeld können auch mit den inneren Korrelaten anderer Sinnesmodalitäten als der der Wahrnehmung verbunden sein. Des weiteren nehme ich an, daß auch Gedanken des Repräsentationssystems und in ihm gebildete Begriffe in der Weltorientierung der Einzelnen dargestellt sein können. Bei der sprachlichen Wahrnehmung etwa wird ein Satz, der gehört oder gelesen wird, in einen Gedanken transformiert, der sich dann als Gegenstand im subjektiven Orientierungsfeld präsentiert. Nun ist die Präsentation eines Gedankens in der Weltorientierung vom Gedanken selber zu unterscheiden (wie ja auch generell die Darstellung eines Gegenstandes vom Gegenstand selber). In der Weltorientierung einer Person zu einem bestimmten Zeitpunkt sind nicht die Gedanken selbst, sondern die Einzelvorkommnisse von Gedanken. Das Einzelvorkommnis eines Gedankens ist verschieden von dem Gedanken als Typ, als abstraktem Gegenstand.11 Was gilt nun alles als Darstellung von Gegenständen? Zunächst einmal die Bilder von Personen und von Gegenständen in der Welt. W eiterhin sollen interne Präsentationen von Raum- oder Zeitregionen als Gegenstandsdarstellungen gelten (räumliche und zeitliche Regionen werden somit auch als Gegenstände betrachtet). Als Darstellungen von Gegenständen sollen auch Einzelvorkommnisse von Gedanken in der Weltorientierung gelten. (Diese Aufzählung erhebt nicht den Anspruch, vollständig zu sein). DieWeltorientierung der einzelnen ist so strukturiert, daß die Person sich als Zentrum ihrer Weltorientierung gegeben ist, zum jeweils gegenwärtigen Zeitpunkt, an dem Ort, an dem sie sich gerade befindet, als Person gegenüber anderen Personen. Diese Gegebenheitsweise ist unmittelbar. Hierfür sprechen Überlegungen aus den letzten Paragraphen, hierfür spricht insbesondere die Argumentation des nächsten Abschnitts. Dem Sachverhalt, daß jede Person sich selbst unmittelbar gegeben ist, soll die Annahme des subjektiven Orientierungsfeldes gerecht werden. Besonders ausgezeichneter Punkt im subjektiven Orientierungsfeld ist also der Ursprung. Er ist die Position, dem je nach personaler, zeitlicher oder räumlicher Differenzierung in der natürlichen Sprache die Pronomina "ich", "hier", ,jetzt" entsprechen. Je nach personaler, räumlicher, zeitlicher Differenzierung stellt sich der UrSiehe Shepard and Metzler, ,Mental Rotation of Three-dimensional Objects' . Vgl. zur Unterscheidung zwischen Einzelvorkommnis und Typ eines Zeichens etwa: Leonhard, .,Principles ofReasoning", S. 151-168. 10
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§ 6: Einige psychologische Spekulationen
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Sprung als rieb,' ~etzt,' rhier, dar' durch die im folgenden sogenannten Positionskonstanten. In ihrer Weltorientierung grenzt eine Person sich von ihrer wahrgenommenen Umwelt ab, stellt sich der Umwelt und den anderen Personen gegenüber, differenziert zwischen sich selbst und allen anderen, alldem Anderen; die Weltorientierung ermöglicht so die Erfahrung der Welt als einer Welt von Gegenständen, von Einzeldingen. Die Fähigkeit, sich in seiner Weltorientierung zurechtzufinden, mag sehr früh vom Säugling erworben werden: im Verlauf eines Prozesses, in dem der Säugling sich von den anderen und seiner Umwelt zu unterscheiden lernt. Der Prozeß, in welchem das Kind den Gegenstandsbegriff erwirbt, mag hiermit verbunden sein. 12 Was man aber wohl nicht annehmen sollte, ist, daß die Fähigkeit der Selbstbezugnahme erst erlernt würde, wenn das Kind sich die Fähigkeit aneignet, das Wort "ich" (bzw. sein jeweiliges Korrelat in anderen Sprachen) zu gebrauchen. Jacobson kritisiert die Auffassung, daß der Erwerb des Pronomens "ich" den Anfang der Selbsterkenntnis bedeute: "In Wirklichkeit begreift der Kleine beim Erlernen dieses Fürworts, daß er zu einer ganzen Reihe von möglichen Sprechern gehört, die alle dieselbe wechselbare Funktion des Ichs ausüben und dadurch miteinander verbunden sind." (,Der grammatische Aufbau der Kindersprache', S. 1851186) Ich will annehmen, daß die Person auf Bereiche in ihrer Weltorientierung ihre ,innere' Aufmerksamkeit richten kann. Das Ausrichten der Aufmerksamkeit auf einen Bereich der Weltorientierung nenne ich "direktionalen Akt". Ihm entspricht in der abstrakten Struktur subjektives Orientierungsfeld die direktionale Handlung. Diedirektionale Handlung ist der abstrakte Typ eines konkreten direktionalen Aktes. Direktionale Handlungen gehen im subjektiven Orientierungsfeld vom Ursprung aus: sie verbinden den Ursprung mit den Teilbereichen des subjektiven Orientierungsfeldes; jedem Teilbereich, der zum subjektiven Orientierungsfeld gehört, entspricht die Möglichkeit, aufihn die Aufmerksamkeit zu richten;jedem Teilbereich des subjektiven Orientierungsfeldes entspricht also eine direktionale Handlung. Wird in zwei einzelnen Fällen auf denselben Bereich der Weltorientierung die Aufmerksamkeit gerichtet, so sind dies zwei Einzelvorkommnisse derselben direktionalen Handlung. Die Identität einer direktionalen Handlung ist offenbar auch nicht personenabhängig. Personenabhängig und zeitabhängig ist allein, was sich in den Bereichen der Weltorientierung präsentiert. 12 Hier mögen Piagets Hypothesen zutreffen; vgl. die Darstellung durch F/ave/1 in "Cognitive Development" , S. 41-49.
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Man kann die Annahme machen, daß das subjektive Orientierungsfeld sich in höchstens abzählbar unendlich viele Teilbereiche unterteilen läßt; dann ergibt sich, daß auch die Zahl der direktionalen Handlungen höchstens abzählbar unendlich ist. Was den Zusammenhang zwischen dem Sprechen einer natürlichen Sprache und direktionalen Akten angeht, so nehme ich an, daß direktionale Akte mit der Verwendung demonstrativer Redewendungen beim Sprechen einhergehen (die verbunden ist mit Zeigakten, d. h. mit Fingerzeigen oder entsprechender Gestik). Mit dem subjektiven Orientierungsfeld verbunden sind des weiteren die Variablen. Eine Variable- als Einzelvorkommnis, nicht als Typ- läßt sich als Anweisung auffassen, nach Darstellungen von Gegenständen in der Weltorientierung zu suchen. Deswegen kann sie als Platzhalter ftir diese Darstellungen fungieren. Isoliert vorkommend ist eine Variable psychologisch vollkommen funktionslos. Sie muß gemeinsam mit anderen Elementen des Repräsentationssystems auftreten, etwa mit Allgemeinbegriffen, weil diese erst angeben, welche Art von Gegenständen im subjektiven Orientierungsfeld zu suchen sind. (iii) Mit Hilfe von Konstruktionsoperationen werden aus Allgemeinbegriffen, direktionalen Handlungen und Positionsbegriffen Gedanken aufgebaut. Einige Konstruktionsoperationen gehören zu den Aufbauprinzipien des Repräsentationssystems, andere werden im Laufe der Entwicklung erworben. Eine grundlegende Operation ist die Prädikation. Die Prädikation ist Zuordnung (ein- oder mehrstelliger) Allgemeinbegriffe zu irgendwelchen Positionsbegriffen und anderen Begriffen, die sich auf Einzelgegenstände beziehen können. Prädikation ist aber aqch die Zuordnung direktionaler Handlungen zu Variablen. Aus der Zuordnung von direktionalen Handlungen zu Variablen resultieren Elemente des Repräsentationssystems, die ich "DFormeln" nenne; das sind ,Formeln' des Repräsentationssystems, die unmittelbar durch Verwendung einer direktionalen Handlung zustandekommen. Weitere Operationen sind: Analoga zu All- und Existenzquantifikation aus der quantifikationalen Syntax, außerdem Analoga zu den logischen Verknüpfungen und die Kennzeichnungsoperation. Die Kennzeichnungsoperation dient der Aussonderung von Gegenständen. Die Darstellung eines Gegenstandes im subjektiven Orientierungsfeld einer Person wird hervorgehoben, gekennzeichnet; man erhält eine Kennzeichnung r der Gegenstand x dergestalt, daßr. Abgekürzt wird dies hierdurch "rx(F),", wo rp eine Formel des Repräsentationssystems ist.
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Gewöhnlich wird in der Prädikatenlogik "1 x (...)" verwendet, wenn bestimmte Kennzeichnungen oder Beschreibungen gebildet werden. Dabei nimmt man meist an, daß dieser Operator definiert werden kann und nicht zum primitiven Vokabular der Sprache gehört. Eine solche Annahme möchte ich nicht für die Kennzeichnungsoperation im Repräsentationssystem machen. Deswegen verwende ich die Notation rx(Ff; Entsprechungen zwischen der hier beschriebenen Kennzeichnungsoperation und der Beschreibungsoperation der Prädikatenlogik sind eben nur partieiJ. 13 Wie trägt die Kennzeichnungsoperation zur Aussonderung von Gegenständen bei? Zunächst ist festzuhalten: die Person selbst, der jeweils gegenwärtige Zeitpunkt, der Platz, an dem die Person sich befindet, können unter Verwendung der Positionskonstanten lokalisiert werden, ohne daß die Kennzeichnungsoperation herangezogen würde. Gegenstände dagegen, deren Darstellungen sich in Bereichen der Weltorientierung befinden, die von der Ursprungsposition verschieden sind, werden immer unter Verwendung von Allgemeinbegriffen, Variablen und der Kennzeichnungsoperation lokalisiert. Die Lokalisierung eines Gegenstandes mittels der Kennzeichnungsoperation und Variablen mag unter ausschließlicher Verwendung von Allgemeinbegriffen vor sich gehen (so bildet man z. B. den Begriff rder dickste Spion'), oder aber dadurch, daß neben Allgemeinbegriffen direktionale Handlungen und unter Umständen Positionskonstanten verwendet werden. Diese letztere Art, Gegenstände zu lokalisieren, wird weitaus häufiger sein als die erstere. Werden Gegenstände allein unter Verwendung direktionaler Handlungen und Allgemeinbegriffen ausgesondert, dann geht dies so vor sich: ein direktionaler Akt eines bestimmten Typs sondert einen Bereich in der Weltorientierung aus, innerhalb dessen sich eine Gegenstandsdarstellung befindet ; die Kennzeichnung des Gegenstandes vollzieht sich des weiteren mit Allgemeinbegriffen. Wird etwa eine räumliche Region ausgesondert, so richtet sich die Aufmerksamkeit auf einen Bereich der Weltorientierung, in welchem sich die Darstellung der Raumregion befindet. Unmittelbar mit der Ausrichtung der Aufmerksamkeit ist, wie angenommen werden soll, eine Kategorisierung mittels des Allgemeinbegriffs rist '"Raumregion., oder rist räumlich., verbunden. Schließlich mögen Gegenstände dadurch ausgesondert werden, daß sie mittels der Kennzeichnungsoperation und unter Verwendung von Allgemeinbegriffen auf bereits lokalisierte Gegenstände in Bezug gesetzt werden. 13 Vgl. zur hier verwendeten Notation auch Burge, ,Demonstrative Constructions, Reference and Truth', S. 211.
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II. Logische Analysen kognitiver Sätze
Offenbar ist in dem Repräsentationssystem, wie es hier dargestellt ist, Bezugnahme auf Gegenstände in verschiedenen Abstufungen der Unmittelbarkeit möglich. Aus Allgemeinbegriffen, direktionalen Handlungen, Positionskonstanten und Variablen werden nun unter Verwendung der Konstruktionsoperationen die Gedanken des Repräsentationssystems aufgebaut. Ich rekapituliere zunächst, was zum Inventar des Repräsentationssystems gehört; sodann zeige ich, wie Gedanken aus diesem Inventar aufgebaut werden. Im Repräsentationssystem befindet sich eine Menge von Allgemeinbegriffen: rßk,
1 '· · .,
rßk, m
(Der obere Index bezeichnet die Stelligkeit des Allgemeinbegriffes; der untere Index gibt die Listenposition eines i-stelligen Allgemeinbegriffes in einer (fiktiven) Liste i-stelliger Allgemeinbegriffe an, wo i = I, ... , k.) Handlungen der Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf Bereiche im subjektiven Orientierungsfeld, die direktionalen Handlungen also, bezeichnet mit ra. 1,, ra.2,, ... , ra.n,, ... gehören auch zum Repräsentationssystem. In ihm sind weiterhin die Positionskonstanten rich,, rhier,, r:ietzt,. Außerdem sind im Repräsentationssystem die Variablen. Man kann annehmen, daß das Repräsentationssystem Variablen in unbegrenzter Anzahl zu bilden in der Lage ist: rX,' ry,' ... etc. Im Repräsentationssystem befinden sich Analoga zu den logischen Verknüpfungszeichen, nämlich rv,, r&,, r-+,, r-,, und Analoga der Existenz- und Allquantaren der quantifikationalen Syntax: rE,, ru,. Außerdem gehört die Kennzeichnungsoperation zum Repräsentationssystem: rx(f.
Terme, D-Formeln und Formeln des Repräsentationssystems lassen sich nun auf folgende Weise definieren: (i) Positionskonstanten und Variablen sind Terme des Repräsentationssystems; (ii) wenn rt 1,, ••. , rt1, Terme sind, rB{, ein Allgemeinbegriff; dann ist rB{t1 .. . ~, eine Formel des Repräsentationssystems; (iii) Wenn rx, eine Variable ist, ra., eine direktionale Handlung, dann ist ra.x, eine D-Formel des Repräsentationssystems; (iv) wenn rp und rG, Formeln das Repräsentationssystem sind,
§ 6: Einige psychologische Spekulationen
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wenn rH, eine D-Formel des Repräsentationssystems ist, und rx, eine Variable, dann (a) sind rF&G,, rFvG,, rF....a,, r-F, Formeln des Repräsentationssystems; (b) sind rExF, und ruxF, Formeln des Repräsentationssystems; (c) ist r x(Ff ein Term des Repräsentationssystems; (d) ist rx(H&F), ein Term des Repräsentationssystems; Nun haben wir es bei den Konstruktionsoperationen des Repräsentationssystems mit Operationen zu tun, die aus Ausdrücken des Repräsentationssystems neue Ausdrücke, Formeln und Terme nämlich, formen. Im nächsten Paragraphen wird es sich als zweckmäßig erweisen, über eine Notation verfUgen zu können, aus der deutlicher hervorgeht, daß die Konstruktionsoperationen Operationen (Abbildungen im mathematischen Sinne über der Menge der Ausdrücke des Repräsentationssystems) sind, und Terme, DFormeln und Formeln die Resultate der Anwendung dieser Operationen. Eine Notation, die diesen Erfordernissen gerecht wird, erhalten wir durch folgende Abwandlung der Schreibweisen für die als Term, bzw. als Formel definierten Ausdrücke: anstelle von "rBft1 •. • ~, .. kann auch geschrieben werden ,;rr.(B},, rti, , . .. , wo 7t die Prädikationsoperation ist, angewendet auf einen j-stelligen Allgemeinbegriff undj Terme; r ~,)",
anstelle von ,,ra.x, .. kann geschrieben werden "7t(cx,, r x,)",wo 7t die Prädikationsoperation ist, angewendet auf direktionale Handlungen und Variablen,
"rF&G," läßt sich auch schreiben als "r& ,(F,, rG,)", "r-P" als "r-, (P)"; entsprechende Regelungen sollen für "rFvG,", "rF....(J," gelten: anstelle von "rUxF," kann geschrieben werden "rux, (F,) (analog für " rExF,"); für "rx(F)," kann man auch schreiben "rx, (F,)", und anstelle von "rx(H&F)," " rx, (& ,(H,, rp))". Ein Gedanke des Repräsentationssystems ist eine Formel des Repräsentationssystems, in der keine freien Variablen enthalten sind. 14 Oben hatte ich angenommen, die Zahl der direktionalen Handlungen sei höchstens abzählbar unendlich. Da direktionale Handlungen Bestandteile von Gedanken sind, ergibt sich aufgrund der Definitionen von "Formel des Repräsenta14 Das freie Vorkommen von Variablen des Repräsentationssystems hat man sich entsprechend zum freien Vorkommen von Variablen in der quantifikationalen Syntax definiert zu denken.
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II. Logische Analysen kognitiver Sätze
tionssystems" und von "Gedanke", daß die Anzahl der Gedanken abzählbar unendlich ist. Wäre die Anzahl der Gedanken größer, dann wäre nicht mehr ohne weiteres einsehbar, wie Gedanken aus einer begrenzten Menge von Bestandteilen konstruiert werden können. Die Positionskonstanten und alle Kennzeichnungen ohne freie Variablen sollen "Individuenbegrif.fe" heißen.IS Bezugnahme auf Einzelgegenstände mit Mitteln der gesprochenen Sprache heiße "sprachliche Bezugnahme aufEinzelgegenstände". Davon zu unterscheiden ist Bezugnahme auf Einzelgegenstände durch Verwendung von Begriffen des Repräsentationssystems; diese Art der Bezugnahme heiße "begriffliche Bezugnahme". Über die Verwendung von Kennzeichnungen und von Positionskonstanten erfolgt die begriffliche Bezugnahme auf Einzelgegenstände. Begriffliche Bezugnahme erfolgt also unter Verwendung von lndividuenbegriffen. Man kann kontextabhängige und kontextunabhängige Individuenbegriffe unterscheiden. Kontextabhängige Individuenbegriffe sind die Positionskonstanten und alle Kennzeichnungen, in denen direktionale Handlungen oder Positionskonstanten vorkommen. Alle lndividuenbegriffe, die nicht kontextabhängig sind, sind kontextunabhängig; das sind alle die Kennzeichnungen, für deren Aufbau nur Allgemeinbegriffe verwendet werden. Welches Objekt ein kontextunabhängiger Individuenbegriff aussondert, ob er überhaupt ein Objekt aussondert, ist personenunabhängig, und ist unabhängig von der Zeit, zu der er verwendet wird, und dem Ort, an dem sich die Person befindet, die den Individuenbegriffverwendet Wenn zwei Personen denselben kontextunabhängigen Individuenbegriff verwenden, sondert der Begriff dasselbe Bezugsobjekt aus, sofern er überhaupt eines aussondert. Anders bei kontextabhängigen Individuenbegriffen: ob sie Objekte aussondern, und, falls ja, welche, ist relativ zum Ursprung in der Weltorientierung. Wenn ein kontextabhängiger Individuenbegriff verwendet wird, hängt ab, was sein Bezugsobjekt ist, von der Person, die den Begriff gebraucht, und von Zeitpunkt und Ort, an denen sich die Person befindet. Den Unterschied zwischen kontextabhängigen und kontextunabhängigen Individuenbegriffen will ich nunmehr anband von Beispielen erläutern. Beispiel]: Wenn ich sage "dieses Fahrzeug" und mit meiner Hand in eine bestimmte Richtung zeige, wo sich tatsächlich ein (und nur ein) Fahrzeug befindet, dann habe ich mit der sprachlichen Beschreibung "dieses Fahrzeug" 15 Individuenbegriffe wurden von Carnap in "Meaning and Necessity", S. 41 und S. 181 diskutiert. Hier sind sie freilich anders definiert als bei Carnap.
§ 6: Einige psychologische Spekulationen
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und dem ausgeübten Zeigakt einen Gegenstand, _nämlich dieses Fahrzeug ausgesondert. Meine sprachliche Beschreibung und der Zeigakt werden wie ich oben angenommen habe- von der Verwendung einer Kennzeichnung begleitet, die sich folgendermaßen beschreiben läßt: (Kl) rx(x ist Fahrzeug & x befindet sich an y (rxy & y ist Raumregion)),, wo rrx, der Handlungstyp meiner Ausrichtung der Aufmerksamkeit auf einen Bereich der Weltorientierung ist. (Kl) ist ein kontextabhängiger Individuenbegriff, in den eine direktionale Handlung eingeht. Durch die Kennzeichnung ry(rxy & y ist Raumregionf wird eine räumliche Region ausgesondert, in welcher dann der Gegenstand, das Fahrzeug nämlich, lokalisiert wird.
Beispiel 2: Wenn ich sage "mein Auto" und ich besitze tatsächlich ein (und nur ein) Auto, dann beziehe ich mich mit dieser Äußerung auf dieses Auto. Die sprachliche Äußerung kann man sich von der Verwendung einer Kennzeichnung begleitet denken, die sich folgendermaßen beschreiben läßt: (K2) rX (Auto X & Ich B x),' wo rB, der relationale Allgemeinbegriff rbesitzt, ist. Dies ist ein kontextabhängiger lndividuenbegriff, in dem eine Positionskonstante vorkommt, nämlich rieb,. In (K2) wird ein Gegenstand zum Ursprung der Weltorientierung in Bezug gesetzt. Beispiel 3: Als Beispiel flir kontextunabhängige Individuenbegriffe kann etwa der Begriff dienen, der der Beschreibung "der dickste Spion" entspricht: (K3) rx(x ist Spion & u y (y ist Spion & X ;e y -+X dicker y)f. Für die Zwecke der Argumentation in den beiden folgenden Abschnitten wird es sich als nützlich erweisen, die Menge der kontextabhängigen Individuenbegriffe weiter zu unterteilen. Der Menge der kontextunabhängigen Individuenbegriffe (lndividuenbegriffe vom Typ I) steht die Menge der kontextabhängigen Individuenbegriffe (Typ II) gegenüber. Diese Menge läßt sich unterteilen in die Menge der Positionskonstanten (Typ II, 1) und die Menge der (kontextabhängigen) Kennzeichnungen (Typ II, 2). Zu den Kennzeichnungen dieser Art gehören (a) solche, die über direktionale Handlungen direkt Gegenstände aussondern (falls sie welche aussondern); d. h. Kennzeichnungen der Form rx(rxx & Ff, wo rrx, eine direktionale Handlung ist und rF, eine Formel des Repräsentationssystems, in der rx, als einzige freie Variable vorkommt und keine Individuenbegriffe vorkommen (Typ II, 2a); (b) solche, die über direktionale Handlungen direkt Gegenstände aussondern (falls sie welche aussondern), indem sie sie gleichzeitig auf andere (vermeintliche) Gegenstände in Bezug setzen; d. h. Kennzeichnungen der Form rx(rxx & F(x, i1 , . • . , inW, wo rrx, eine direktionale Handlung ist und rF(x, i1 , •.• ,
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li. Logische Analysen kognitiver Sätze
inf eine Formel des Repräsentationssystems, in welcher die Individuenbegriffe ri1\ ... , \,vorkommen, und rx, die einzige freie Variable ist (Typ li, 2b); (c) solche Kennzeichnungen, die ihre Bezugsobjekte (falls sie welche haben) aussondern durch Bezugssetzungen auf (vermeintliche) Gegenstände, die auf kontextabhängige Weise ausgesondert wurden, d. h. Kennzeichnungen der Form rx einer quantifikationalen Syntax aus einer Menge r von Sätzen einer quantifikationalen Syntax ableitbar ist, dann folgt !l> aus r logisch (wegen der Widerspruchsfreiheit der Ableitungsregeln), so können wir schließen, daß (22) aus der gegebenen Prämissenmenge logisch folgt, daß also A-5' (und mithin auch A-5) gültig ist.
(5) Beziehungen zu Freges Analyse kognitiver Sätze: Ich möchte diesen Paragraphen mit einigen Bemerkungen über Beziehungen abschließen, die
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li. Logische Analysen kognitiver Sätze
zwischen der logischen Analyse kognitiver Sätze von Frege und der Analyse bestehen, die in diesem und dem letzten Paragraphen diskutiert wurde. Ich möchte darauf hinweisen, welches Gemeinsamkeiten beider Analysen sind, und worin sie sich unterscheiden. (i) Trägerunabhängigkeit von Gedanken: Für Frege bedarf ein Gedanke keines Trägers, zu dessen Bewußtseinsinhalt er gehört (G, S. 43). Er existiert, ohne daß er je gedacht werden müßte. Insofern sind Gedanken bei Frege trägerunabhängig. Aber auch die Gedanken im Sinne der hier vorgelegten Analyse sind trägerunabhängig. Dies läßt sich sofort einsehen, wenn wir die Definition von Gedanken betrachten: ein Gedanke des Repräsentationssystems war als eine Formel des Repräsentationssystems definiert worden, in der keine freien Variablen vorkommen. In eine Formel des Repräsentationssystems gehen nun ein: (1) Positionskonstanten und Variablen; (2) Allgemeinbegriffe; (3) Konstruktionsoperationen; (4) direktionale Handlungen. Alle diese Bestandteile, auch die direktionalen Handlungen, sind trägerunabhängig. Aus diesem Grunde ist auch ein Gedanke trägerunabhängig. Zu bemerken ist in diesem Zusammenhang noch, daß die Darstellungen von Gegenständen in der Weltorientierung nicht trägerunabhängig sind. Aber diese sind ja nicht Teile von Gedanken. (ii) Gedanken als abstrakte Gegenstände: Sowohl bei Frege wie auch in der hier vorgelegten Analyse sind Gedanken abstrakte Gegenstände; d. h. sie können nicht mit den Sinnen wahrgenommen werden, noch sind sie trägerbedürftig (Vgl. Frege, G, S. 43). (iii) Sinne und Gedanken als Gegenstände kognitiver Einstellungen und Prozesse: Sinne und Gedanken bei Frege können "aufgefaßt", "erfaßt" werden. Sie sind Gegenstände von kognitiven Einstellungen und Prozessen. Das gleiche gilt in der hier vorgelegten Analyse fli.r Gedanken und die Elemente, aus denen Gedanken bestehen. (iv)Sinne und Gedanken sind sprachlichenAusdrücken zugeordnet: Für Frege sind Sinne und Gedanken sprachlichen Ausdrücken zugeordnet. In der hier vorgelegten Analyse wird dasselbe angenommen von Gedanken und ihren Elementen. (v) Sinnkenntnis als Voraussetzung von Sprachkompetenz: Sinnkenntnis ist bei Frege mit der Fähigkeit verbunden, den Wahrheitswert eines Satzes zu beurteilen, gegeben eine geeignete Situation, in der er wahr ist oder falsch; bzw. mit der Fähigkeit, einen Gegenstand, der uns präsentiert ist, als durch eine Beschreibung bezeichnet zu identifizieren. Analoges gilt auch in der hier vorgelegten Analyse. Ich meine, daß die Kenntnis von Individuenbegriffen eine Voraussetzung ist für die Identifikation eines Gegenstandes als von
§ 7: Eine mentalistische Analyse kognitiver Sätze
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einem entsprechenden Ausdruck bezeichnet, bzw. daß die Kenntnis eines Gedankens Voraussetzung ist ftir die Fähigkeit, einen Satz als wahr oder falsch einzustufen, wenn geeignete Situationen gegeben sind.
(vi) Mentalismus und psychologische Annahmen: Die hier vorgelegte Analyse geht in expliziter Weise von psychologischen Annahmen mentalistischer Art aus, im Gegensatz zu Frege, der keine psychologischen Annahmen miteinbeziehen wollte. Hier scheint ein grundlegender Unterschied zwischen beiden Analysen zu bestehen. Frege rechtfertigt die Ablehnung psychologischer Annahmen so: er rechnet das Psychologische zu dem Subjektiven (Grundlagen der Arithmetik, S. X); derri Psychologischen sei "das Schwankende und Unbestimmte" eigen (Grundlagen der Arithmetik, S. V). Das Objektive, und damit auch das Logische, sei vom Subjektiven ganz zu trennen. Nun ist aber darauf hinzuweisen, daß Gedanken und ihre Elemente im Sinne der hier vorgelegten Analyse keinen subjektiven Charakter haben. Was ich unter "psychologischer Annahme" verstehe, ist also nicht dasselbe, was Frege darunter verstehen würde. Insbesondere wendet sich Frege gegen die Identifikation von Sinn und Gedanken mit Vorstellungen. Diese Identifikation wird freilich in der hier vorgelegten Analyse nicht vorgenommen; in ihr ist ebenso scharf zwischen Vorstellungen und Gedanken zu unterscheiden wie in Freges Analyse. Andererseits macht auch Frege psychologische Annahmen (in meinem Sinne): Gedanken und Sinn werden "erfaßt", "aufgefaßt". Der Unterschied zwischen Freges Analyse und der hier vorgelegten scheint also, was die Rolle psychologischer Annahmen anbelangt, kein prinzipieller zu sein, sondern er betrifft eher die respektive Bedeutung, die psychologische Annahmen in den beiden Analysen haben.
(vii) Hierarchie der Sinne: Frege nimmt eine Hierarchie der Sinne an : eine solche Annahme unterbleibt (aus weiter oben dargelegten Gründen) in der hier vorgelegten Analyse. (viii) Wahrheitswertvariabilität von Gedanken: Ein Gedanke hat ftir Frege einen fixierten W ahrheitswert. In der hier vorgelegten Analyse variiert der Wahrheitswert eines Gedankens normalerweise (1) mit der Person, die ihn hat; (2) mit dem Zeitpunkt, zu dem eine Person ihn hat; (3) mit dem Ort, an dem eine Person ihn hat. Diese Varianz ist auf die Varianz in dem zurückzuführen, was kontextabhängige Individuenbegriffe bezeichnen. Je nachdem, wer einen kontextabhängigen Individuenbegriff verwendet, wann eine Person ihn verwendet, wo sie ihn verwendet, bezeichnet dieser BegriffVerschiedenes (sofern er etwas bezeichnet). 10 Bilhler
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II. Logische Analysen kognitiver Sätze
Die wesentlichen Unterschiede zwischen beiden Analysen betreffen also die respektive Bedeutung psychologischer Annahmen, die Hierarchie der Sinne und die Wahrheitswertvariabilität von Gedanken. Ansonsten besteht eine Reihe von Gemeinsamkeiten zwischen Freges Analyse und der hier vorgelegten. Aus diesem Grunde kann man wohl die Bestimmung von Gedanken und ihren Elementen, die in den letzten beiden Paragraphen dieses Buches vorgenommen wird, als eine Rekonstruktion von Freges Sinnbegriff ansehen. Und deswegen ist es wohl gerechtfertigt, zu sagen, daß auch die hier vorgelegte Analyse kognitiver Sätze von der Annahme ausgehe, kognitive Sätze handelten von so etwas wie dem Sinn, der mit sprachlichen Ausdrücken verbunden ist.
§ 8: Abschließende Bemerkungen In diesem Paragraphen möchte ich den Argumentationsgang des vorliegenden Buches kurz rekapitulieren. Ich will hierbei auf Besonderheiten der Problemstellung, von der ich ausging, hinweisen wie auch auf Besonderheiten des von mir in den letzten beiden Paragraphen vorgelegten Versuchs zur Problemlösung. Im ersten Teil versuchte ich zu zeigen, daß in der Psychologie bei Vorhersage und Erklärung Argumente verwendet werden, in die kognitive Sätze Eingang finden. Ich wies darauf hin, daß solche Argumente auch in der Soziologie und in den Geschichtswissenschaften eine Rolle spielen. Offensichtlich sind solche Argumente auch in Alltagssituationen häufig. Nun erweist es sich, daß die logische Theorie, wie sie in den Lehrbüchern dargestellt ist, keine adäquate Rekonstruktion solcher Argumente ermöglicht. Um eine zufriedenstellende Rekonstruktion zu gewinnen, muß man, wie ich aufzeigte, ein syntaktisches System beschreiben, dem die logischen Formen kognitiver Sätze angehören, zum zweiten muß spezifiziert werden, wie sich dieses syntaktische System semantisch interpretieren läßt. Dies ist die Problemstellung des vorliegenden Buches. Bezüglich der Art und Weise, wie dieses Problem hier gestellt wurde, ist zweierlei zu bemerken: (1) Ich ging davon aus, daß dieses Problem für alle kognitiven Verben auf einheitliche Weise zu lösen ist, nicht auf je verschiedene Weisen für verschiedene Untergruppen kognitiver Verben, auf eine Weise etwa für Verben wie "glauben" und "wissen", auf andere Weise vielleicht für Verben wie "wünschen", "begehren", "erstreben". Wie läßt sich diese Vorgehensweise begründen? Zunächst spricht für sie in jedem Fall, daß ein Problemlösungsversuch, der kognitive Verben nicht in Untergruppen einteilt und diese Un-
§ 8: Abschließende Bemerkungen
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tergruppen auf je spezifische Weise behandelt, einfacher ist als ein Problemlösungsversuch, der dies tut. Zum zweiten ergibt sich meine Art der Problemstellung daraus, daß ich kognitive Verben als Verben betrachte, die solche psychologischen Einstellungen und Tätigkeiten bezeichnen, die mit der Informationsverarbeitung des Organismus zu tun haben, und insofern eine einheitliche Gruppe bilden. (2) Ein zweites Merkmal der Problemstellung dieses Buches besteht darin, daß ich nur eine Liste kognitiver Verben gab und umschrieb, was kognitive Verben bezeichnen, daß ich aber an keiner Stelle ein Kriterium dafür aufwies, welches Verbum ein kognitives Verbum ist, welches nicht. Ich verlasse mich also auf die intuitive Fähigkeit von Sprechern einer natürlichen Sprache, zu erkennen, welche Verben kognitive Verben sind. Ist dies zulässig? Erhält die Problemstellung hierdurch nicht eine nicht hinzunehmende Unschärfe? Um diese Fragen beantworten zu können, müssen wir uns überlegen, welche Leistungen wir von einem Kriterium für die Eigenschaft, kognitives Verb zu sein, erwarten. Ein solches Kriterium müßte es ermöglichen, mittels eines Algorithmus festzustellen, ob ein gegebener Ausdruck der natürlichen Sprache ein kognitives Verb ist oder nicht. Ein analoges Problem stellt sich nun wohl bei jeder grammatischen Klassifikation: verfUgen wir über explizite Algorithmen, die uns einen Ausdruck etwa als Verb, als Substantiv oder als logische Konstante erkennen lassen? Wenn man solche Algorithmen konstruieren kann, dann ist man auch bald dazu in der Lage, zu rekonstruieren, mittels welcher Algorithmen das Gehirn arbeitet, um in entsprechender Weise zu klassifizieren. Und mir scheint, daß fl.ir dieses Problem weder in der linguistischen Theorie noch in der psychologischen Theorie eine Lösung vorliegt. Wenn dem aber so ist, wenn etwa die Konstruktion von Grammatiken ein sinnvolles Unternehmen ist, obwohl sie zunächst auf einer intuitiven Klassifizierung von Ausdrücken in grammatische Kategorien beruht, dann scheint es auch legitim und einzig möglich zu sein, die Klasse der kognitiven Verben auf eine intuitive Weise, wie hier geschehen, abzugrenzen. Die Versuche, Kriterien für die Eigenschaft: kognitives Verb zu konstruieren, sogenannte Kriterien der Intentionalität, beruhen nun auf Ersetzungen von Ausdrücken im kognitiven Kontext kognitiver Sätze und auf Überprüfungen auf das Vorliegen logischer Folgerung zwischen Sätzen, in denen die Ersetzungen durchgeführt worden waren. 1 Diese Tests ihrerseits lassen sich aber nicht in der Form von Algorithmen fassen. Wer sie durchführt, verläßt sich auf intuitive Fähigkeiten, logische Folgerung zu erkennen. Aus diesem Grunde sind die erwähnten ,Kriterien' ungenügend. 1 Vergleiche hierzu den ersten Teil des von Ausonio Marras herausgegebenen Buches "lntentionality, Mind and Language" .
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In der Literatur lassen sich nun verschiedene Stellungnahmen zu unserem Problem und Lösungsversuche flir es finden: (1) etwa die Auffassung Supp~s', die Entwicklung der behaviouristischen
Psychologie sei noch nicht so weit gediehen, daß kognitive Sätze durch Sätze einer behaviouristischen Psychologie ersetzt werden könnten, die man dann innerhalb der üblichen logischen Theorie behandeln kann; er meint, daß der besondere Charakter intentionaler [also kognitiver; A. B.) Kontexte, der bei Glaubensbehauptungen und anderen Arten modaler Behauptungen zu finden ist, ... verschwinden wird, wenn einmal eine in angemessener Weise detaillierte Analyse der Sprache gegeben wird. (Suppes, ,Behaviorism', S. 307/308) (2) die Zitattheorie: ein kognitiver Satz behauptet das Vorliegen einer Relation zwischen einer Person und einem Satz. Das "daß", das den kognitiven Kontext einleitet, fungiert wie Anflihrungszeichen, zwischen die man den Satz im kognitiven Kontext stellen könnte.2 (3) der sogenannte Inskriptionalismus SchejJlers: das ist die Auffassung, daß in kognitiven Sätzen eine Relation zwischen Personen und Äußerungen (oder Inschriften) behauptet wird3. Ein Satz wie "Peter glaubt, daß der Mond rund ist." wird analysiert als "Peter glaubt etwas, das eine der-Mond-istrund-Äußerung ist." Der mit "daß" eingeleitete Satz im kognitiven Kontext wird als prädikatbildender Operator mit Äußerungsargumenten gedeutet, wobei die erzeugten Prädikate selber Prädikate von Äußerungen sind.
(4) die Theorie von Davidson: das "daß" nach dem kognitiven Verb wird hier als Demonstrativpronomen interpretiert, das auf eine Äußerung des Satzes verweist, der im kognitiven Kontext vorkommt. So wird ein Satz wie "Galileo sagt, daß die Erde sich bewegt. " 4 wie folgt analysiert: (108) Galileo macht eine Äußerung derart, daß er mit ihr dasselbe sagt, wie ich mit der nun folgenden Äußerung. Die Erde bewegt sich. (5) Freges Lösungsversuch und verschiedene Versionen der Fregeschen Lösung des Problems: darunter die Theorie von Churchs, die von Carnap6 und die Mögliche-Welten-Semantik von Hintikka. Ich hatt~, zunächst Freges Problemlösung dargestellt - historisch die früheste der eben erwähnten -, und ich hatte auf ihre Schwächen hingewiesen. 2
Die Zitattheorie wird von Quine in "Word and Object" dargestellt, diskutiert und kritisiert,
s. 212-214.
3 Israel SchejJler, ,An lnscriptional Approach to lndirect Quotation' und derselbe : "The Anatomy of lnquiry', S. 88-110. 4 Davidson, ,On Saying That'. 5 Church, ,A Formulation of the l..ogic of Sense and Denotation'. 6 Carnap: "Meaning and Necessity", S. 46-68.
§ 8: Abschließende Bemerkungen
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Im Verlauf dieser Diskussion kam ich zu einer weiteren Präzisierung der Problemstellung des vorliegenden Buches: läßt sich eine zufriedenstellende Analyse kognitiver Sätze geben, die von der Annahme ausgeht, die Extension von Ausdrücken im kognitiven Kontext sei so etwas wie ihr Fregescher Sinn? Im Rahmen dieser Fragestellung unterließ ich es jedoch, Churchs und Carnaps Theorien darzustellen und zu untersuchen. In beiden Theorien werden nämlich die Probleme der de-re- Verwendungsweise kognitiver Verben und der Selbstbezugnahme innerhalb kognitiver Kontexte nicht berücksichtigt. Churchs Theorie ist außerdem bezüglich der Iterationsproblematik demselben Einwand ausgesetzt wie Freges Theorie.7 Aus diesen Gründen bin ich auf Churchs und Carnaps Theorien nicht weiter eingegangen. Nun mag man wohl fragen, warum die Fragestellung auf Problemlösungen in der Fregeschen Tradition eingeschränkt worden ist. Wie steht es mit den Stellungnahmen, bzw. Lösungsversuchen (1)-(4), die ich oben kurz beschrieben habe? Warum sind sie nicht behandelt worden? Zum einen natürlich aus Kapazitätsgründen. Ich war und bin nicht in der Lage, einen detaillierten kritischen Überblick über die gesamte Forschung zu dem hier diskutierten Problem zu geben. Zum andern, weil mir die Grundgedanken der Fregeschen Problemlösung besonders plausibel erscheinen. Zum dritten sind auch die alternativen Problemlösungen Schwierigkeiten ausgesetzt. Ich will ganz kurz andeuten, was sich gegen die oben angeführten Stellungnahmen und Lösungsversuche vorbringen läßt. Was (1) anbelangt, Suppes' Stellungnahme, so handelt es sich dabei wohl um eine Einstufung des gesamten Problems der logischen Analyse kognitiver Sätze als irrelevant, nicht um eine Lösung des Problems. Suppes verläßt sich auf den Behaviourismus als Forschungsprogramm, das irgendwann Erfolg haben wird. Wer diese Einschätzung nicht teilt, wird wohl auch anders zu dem Problem der logischen Analyse kognitiver Sätze stehen müssen. 8 Ad (2): wie Quine und Davidson gezeigt haben9, ist in der Zitattheorie implizit ein Verweis auf bestimmte Sprachen enthalten. Ein Satz wie "Tom 7 Dies zeigt Davidson in ,Theories of Meaning and Learnable Languages' , S. 392-393. s Suppes hat 1974 in "Probabilistic Metaphysics" neue Gedanken zur logischen Analyse kognitiver Sätze formuliert (S. 100-126). Er ist der Auffassung, daß für die logische Analyse kognitiver Sätze psychologische Überlegungen herangezogen werden müssen. In diesem Sinne hat er den Fregeschen Sinnbegriff weiterentwickelt, und er identifiziert Sinn mit Identifikationsprozeduren. Hiergegen ist wohl - wie auch gegen Hintakka eingewendet wurde - vorzubringen, daß damit nur ein Aspekt des Fregeschen Sinnbegriffs getroffen wird. 9 Quine in "Words and Object", S. 212-214, Davidson in ,On Saying That' , S. 161-164.
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glaubt, daß Cicero Catalina öffentlich gerügt hat." ist nämlich zu analysieren als: Tom glaubt den deutschen Satz "Cicero hat Catalina öffentlich gerügt." Der Verweis auf die deutsche Sprache ist dabei notwendig, denn der zitierte Satz, zu dem Tom sich in der Relation des Glaubens befindet, könnte in einer anderen Sprache vorkommen, diesseihe Schrift- und Lautgestalt haben und dennoch völlig anderes bedeuten. Nun sind Sprachen gleich, wenn gleiche Sätze gleiche Propositionen ausdrücken. Das bedeutet, daß die Zitattheorie letzten Endes auf Propositionen, abstrakte Satzbedeutungen zu rekurrieren hat. Hierdurch gerät sie in die Nähe von Problemlösungen in der Fregeschen Tradition, sie ist aber komplizierter als diese. Auch der lnskriptionalismus kommt in Schwierigkeiten. Zunächst ist die Ausdruckskraft seines syntaktischen Systems beschränkt, wie Sche.ffler selbst zugibt. 10 Deswegen können einige intuitiv gültige Schlußfolgerungen nicht als gültig eingestuft werden. Zum zweiten ist nicht zu sehen, wie die Probleme der Selbstbezugnahme innerhalb kognitiver Kontexte und der dere- Verwendung kognitiver Verben anzugehen sind. Zu Davidsons Theorie: wie sie auf kognitive Verben wie "glauben", "wünschen" etc. auszudehnen ist, ist mir nicht klar. Davidson behauptet zwar, sie führe zu einer korrekten Analyse psychologischer Verben 11 , er hat seine Theorie aber nur anband des Verbs "sagen" entwickelt. Zweitens ist sie nicht ohne weiteres auf die de-re- Verwendungsweise kognitiver Verben anzuwenden. Betrachten wir etwa: "Peter sagt von der Venus, daß sie ein Planet ist." Dieser Satz läßt sich nun vielleicht folgendermaßen analysieren 12 : "Peter macht von der Venus eine Äußerung derart, daß er mit ihr dasselbe sagt wie ich mit der nun folgenden Äußerung. Sie ist ein Planet." Diese Äußerung besagt doch nicht dasselbe wie die meine "Sie ist ein Planet.", wobei das "sie" aufein Vorkommnis von "Venus" zurückverweist. Dennoch kann in diesem Fall der ursprüngliche, nicht analysierte Satz der natürlichen Sprache wahr sein. Ähnlich läßt sich für das Problem der Selbstbezugnahme innerhalb des kognitiven Kontexts argumentieren. Die Fragestellung, die uns im zweiten Teil des vorliegenden Buches beschäftigt hatte, lautete also: lassen sich kognitive Sätze adäquat analysieren, wenn wir von der Annahme ausgehen, kognitive Sätze handelten von so etwas wie dem Sinn, der mit sprachlichen Ausdrücken verbunden ist? Um SchejJler in "The Anatomy of lnquiry", S. 108-109. Davidson, ,On Saying, That', S. 158. 12 Gemäß dem Vorschlag von Quine in seiner Antwort auf Davidson, ,To Davidson' , S. 335. 10
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§ 8: Abschließende Bemerkungen
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Ansatzpunkte ftir eine Modifikation der Fregeschen Theorie zu erhalten, hatte ich auf zwei Aspekte von Freges Sinnkonzeption hingewiesen: einen psychologischen Aspekt, der Sinn als Gegenstand kognitiver Einstellungen und Tätigkeiten betrifft, und einen zweiten, der Sinnkenntnis als Bestandteil der Sprachkompetenz betrifft. Wie wir sahen, ist der zweite Aspekt der Ausgangspunkt für die MöglicheWelten-Semantik kognitiver Sätze von Hintikka. Hintikka meint, Sinnkenntnis sei mit der Fähigkeit verbunden, Gegenstände als dieselben in verschiedenen Situationen, unter verschiedenen Umständen wiedererkennen zu können. Der Sinn eines Ausdrucks ist eine Funktion, die dem Ausdruck in allen möglichen Situationen eine Extension zuweist. Die Kenntnis des Sinnes eines singulären Terms etwa ist die Disposition, einen Gegenstand in verschiedenen möglichen Situationen als durch den singulären Term bezeichnet wieder identifizieren zu können. Auch kognitive Einstellungen werden mit Verhaltensdispositionen verbunden: glauben, daß p, heißt, in Situationen, in denen p zutrifft, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen, ein anderes in Situationen, in denen p nicht zutrifft. Auf der Grundlage eines bestimmten Verhaltens von Menschen in bestimmten Situationen können wir ihnen nun Meinungen zuschreiben. D. h. Situationen, die mit dem Glauben einer Person vereinbar sind, sind solche, in denen sie ein bestimmtes Verhalten zeigt. Und dadurch, daß wir Sätze in diesen Situationen als wahr einstufen, schreiben wir der Person Meinungen zu. So kommt Hintikka zur Wahrheitsdefinition für kognitive Sätze. Ein Satz wie "Tom glaubt, daß Carter Präsident bleibt" ist genau dann wahr, wenn "Carter bleibt Präsident" in allen Situationen wahr ist, die mit Toms Glauben vereinbar sind. Hintikkas Problemlösung kommt, wie wir sahen, in dreierlei Hinsicht in Schwierigkeiten: das Problem der Selbstbezugnahme innerhalb des kognitiven Kontexte läßt sich nicht auf zufriedenstellende Weise lösen; die Tatsache, daß in der Wahrheitsdefinition die logische Struktur der Sätze, die im kognitiven Kontext vorkommen, berücksichtigt wird, macht die MöglicheWelten-Semantik nur mehr aufTeilgruppenaus der gesamten Menge kognitiver Verben anwendbar, nicht auf alle kognitiven Verben. Drittens fUhrt die Deutung der kognitiven Verben als Operatoren, die auf Sätze anzuwenden sind, zu einer schwerwiegenden Beschränkung der Ausdruckskraft des syntaktischen Systems.
Ich hatte sodann versucht zu zeigen, daß diese Schwierigkeiten aufgrund behaviouristischer Tendenzen in Hintikkas Analyse kognitiver Sätze entstehen. Diese Tendenzen hängen aber offenbar mit der ausschließlichen Beachtung des zweiten Aspekts von Freges Auffassung von Sinn zusammen. Weil
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II. Logische Analysen kognitiver Sätze
Hintikka hierdurch in Schwierigkeiten gerät, stellte sich die Frage, ob die Einbeziehung des ersten Aspekts der Fregeschen Sinnkonzeption in die Analyse kognitiver Sätze nicht besser zur Problemlösung beiträgt. Charakteristisch flir die in den Paragraphen 6 und 7 vorgelegte Analyse kognitiver Sätze ist nun, daß sie mit dem ersten Aspekt vonFreges Sinnkonzeption Ernst macht: Sinn als Gegenstand kognitiver Einstellungen und Tätigkeiten. Drei Annahmen wurden im einzelnen gemacht: (1) Ausdrücke im kognitiven Kontext beziehen sich auf Gedanken und Elemente von Gedanken, die Personen (allgemeiner: Organismen) haben, welche wir mit den Subjektausdrücken in kognitiven Sätzen bezeichnen.
(2) Gedanken und ihre Elemente sind Bestandteile eines Systems, in dem eine Person (ein Organismus) sich Informationen präsentiert, die sie zu verarbeiten und zu lagern hat, des hier sogenannten Repräsentationssystems. (3) Bei der Produktion von Sätzen einer natürlichen Sprache werden Gedanken des Repräsentationssystems in sprachliche Gestalt ,übersetzt', beim Verstehen von Sätzen einer Sprache diese in Gedanken des Repräsentationssystems überfUhrt. Eine zentrale Bedeutung kommt dem subjektiven Orientierungsfeld als Bestandteil des Repräsentationssystems zu. Das subjektive Orientierungsfeld ist die Struktur der Weltorientierung der einzelnen, in der sich in gewissem Sinne eine mehr oder minder akkurate Duplikation der Außenwelt findet. Die gegenständliche Welt als wahrgenommen präsentiert sich in der Weltorientierung, von der jeweiligen Person her gesehen, mit ihr selbst als Zentrum. Die Person ist sich so selbst unmittelbar gegeben, was eine direkte Selbstbezugnahme ermöglicht (mittels der Positionskonstanten rich,), In diesem Zusammenhang war eine weitere wichtige Annahme, daß äußeren Zeigakten entsprechende Akte in der Weltorientierung durchgeflihrt werden. Mit Hilfe der Handlungstypen dieser Akte, den sogenannten direktionalen Handlungen, und mittels der Positionskonstanten gelingt Bezugnahme auf Einzelgegenstände in direkterer Weise als unter Verwendung von Kennzeichnungen (Beschreibungen) im gewöhnlichen Sinne. Deswegen ermöglicht die Annahme von Weltorientierung und subjektivem Orientierungsfeld die Berücksichtigung verschiedener Arten der Bezugnahme auf Einzelgegenstände. Und aus diesem Grunde konnten die Probleme der dere- Verwendungsweise kognitiver Verben, der Selbstbezugnahme im kognitiven Kontext und der Iteration kognitiver Verben einer Lösung zugeführt werden.
§ 8: Abschließende Bemerkungen
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Resultate, die im Laufe der Argumentation erhalten wurden, und die ftir die in den letzten beiden Paragraphen vorgelegte Analyse kognitiver Sätze spezifisch sind, lassen sich in folgenden Bemerkungen zusammenfassen: (1) Eine Dichotomie: "Bezugnahme auf Objekte über Beschreibung" und "Bezugnahme auf Objekte über Bekanntschaft" (direkte Bezugnahme) ist aufzugeben zugunsten der Annahme von Gradabstufungen in der Unmittelbarkeit der Bezugnahme auf Gegenstände. Es gibt Bezugnahme, die ohne deskriptives Wissen über Gegenstände möglich ist, es gibt Bezugnahme, in die deskriptives Wissen mit eingeht, andererseits aber auch Fähigkeiten direkter Bezugnahme, und es mag Bezugnahme geben, die ausschließlich deskriptives Wissen voraussetzt.
(2) Kognitive Einstellungen und kognitive Tätigkeiten sind immer de dicto: ihr Gegenstand ist ein (vollständiger) Gedanke. (3) Die Annahme einer fixen Zuweisung von Wahrheitswerten zu Gedanken ist aufzugeben. Gedanken sind Elemente eines Repräsentationssystems, das der Informationsverarbeitung des Organismus dient. Sie sind nicht per se Träger von Wahrheitswerten. Welchen Wahrheitswert ein Gedanke hat, kann von dreierlei abhängen: (a) von der Person, die ihn hat, (b) von dem Zeitpunkt, zu dem sie ihn hat, und (c) von dem Ort, an dem sie ihn hat. Für die hier vorgelegte Analyse kognitiver Sätze ist spezifisch, daß sie auf Fragen der folgenden Art eine negative Antwort gibt: (1) Folgt aus dem Satz "Maria Anna weiß, daß p" der Satz "Maria Anna
weiß, daß sie weiß, daß p."?
(2) Folgt aus dem Satz "a weiß, daß p" der Satz "a glaubt, daß p"? (3) Folgt aus dem Satz "a zweifelt, daß p" der Satz "a vermutet, daß non-p"? Zunächst ist klar, daß in allen drei Fällen keine k-logische Folgerung vorliegt. Zu (3): bei "zweifeln" und "vermuten" handelt es sich um zwei verschiedene kognitive Verben; stehe nun "Z" ftir "zweifelt" und " V" ftir "vermutet"; offenbar folgt dann aus Z(a, p)
nicht
V(a, -p).
D. h. auf die Frage (3) wird mit "nein" geantwortet. Dasselbe trifft auf die Fragen(l) und (2)zu, wie man sich leicht überzeugen kann. Wollte man aber z. B. (2) und (3) als gültige Folgerungen auszeichnen, dann müßte man geeignete Festlegungen über die Beziehungen zwischen den respektiven Verben machen. Resultieren würde man ehesten das, was man gewöhnlich als
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"analytische Folgerungsbeziehung" im Gegensatz zu "logischer Folgerungsbeziehung" bezeichnet. Man müßte Fragen von folgender Art beantworten: Schließt Wissen Glauben ein? Heißt "zweifeln, daß p" "vermuten, daß non-p"? Dies hängt meines Erachtens von der jeweiligen Verwendungsweise der Verben ab, vom jeweiligen Kontext. Manchmal wird "wissen" im Sinne von "sichere und zutreffende Informationen haben" verwendet, "glauben" im Sinne von "unsichere und eher unzutreffende Informationen haben". Manchmal dagegen heißt "wissen, daß p" soviel wie ,.p und glauben, daß p". Im letzten Falle läge bei (2) eine analytische Folgerungsbeziehung vor, im ersten Falle nicht. Zum Abschluß möchte ich noch daran erinnern, was ich im Paragraphen 7 über die Aufgabe einer logischen Analyse kognitiver Sätze gesagt hatte. Was hat eine logische Analyse kognitiver Sätze zu leisten? Zweierlei. Einmal soll sie in adäquater Weise sprachlich-grammatische Phänomene rekonstruieren; zweitens soll sie zeigen, aufwelche Weise die grammatisch-logische Struktur kognitiver Sätze durch strukturelle Gegebenheiten des psychischen Apparats bedingt ist. Insofern kommt einer logischen Analyse kognitiver Sätze eine Aufgabe der Erklärung zu und insofern sollte sie erklärenden Char~kter besitzen. Hierdurch wird ein enger Zusammenhang zwischen logis~l):er Theorie und kognitiver Psychologie hergestellt.
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Personenregister
Anderson, John Ro
99
Anscombe, Go Eo Mo Bach, Ernmon
0
62 99
0
Brentano, Franz Bresnan, Joan
Fodbr, Jerry
99, 103 16
Frege, Gottlob 13, 22, 26, 45 ffo, 52 ffo, 62 fo, 71,84 f., 97 fo, 122,125 fo, 143 ff., 148, 151 f.
101
Bower, Gordon H
27
F0llesdal, D.agfin
27
Berlin, Brent Bigelow, J
22
Fodor, Janet
Geach, Peter
16
13
Gregory, Ro L.
27
89
Burge, Tyler
22, 94, 107, 124
Harman, Gilbert
Bühler, Kar!
102 fo
Hermes, Hans
23 23
Carnap, Rudolf 19, 55, 110, 126, 148 f.
Hintikka, Jaakko 13, 16, 19, 62 f., 67, 69 fo, 72 fo, 76 ffo, 87, 89 ffo, 148, 151 fo
Castaiieda, Hector-Neri
Hocutt, Max
Chisholm, Roderick
16, 22, 124
Chomsky, Noam
138
Church, Alonzo
148 f.-
Clark, Romain
76, 115
12, 87
Holenstein, Elmar Hughes, Go Eo
51, 70
Husserl, Edmund
51, 61, 62, 70
Irle, Martin
Davidson, Donald
53, 148 ffo
Jacobson, Roman
Dummett, Michael
48
29 ff., 88, 141
Feyerabend, Paul Ko Flavell, John Ho
16
69
Cresswell, Max Jo
Festinger, Leon
101
89
15, 105
32
James, William Kaplan, David Kay, Paul
105 79
101, 124, 126
101
Kutschera, Franz von
12
162
Personenregister
Lenneberg, Eric H.
101
Rotter, Julius B.
35 ff., 39
Leonhard, Henry S.
104
Russell, Bertrand
16, 79
Lewis, David K. Locke, John
62
99 f.
147
16
Metzler, Jaqueline
104
105
Perry, John
55, 76, 83 f., 96
Quine, Willard van Orman 22, 26, 49 f., 74, 101, 135, 137, 148 ff.
Rosch, Eleanor
Sober, Elliot
104
99, 135
Sukale, Michael
57
Suppes, Patrick
148 f.
135
Tolman, Edward C.
Piaget, Jean
Rantala, Veikko
148, 150
Shepard, Roger N.
Marras, Ausonio Martin, R. M.
Scheffler, Israel
91 f. 102
Tarski, Alfred
18, 23
Urmson, J. 0 .
15
Van Fraassen, Bas
17 f.
Vendler, Zeno
113
Wallace, John
125 f.
Sachregister Die Verweise beziehen sich allein auf diejenigen Textstellen, an denen Ausdrücke zuerst definiert oder erläutert werden.
Allgemeinbegriff
Formel des Repräsentationssystems 108 f.
101 f. 18
beabsichtigte Interpretation Bedingung der Wahrheit
19
Gedanke des Repräsentationssystems 109
begriffliche Bezugnahme
110
gültiges Argument
22
Individuenbegriff
110
de dicto Verwendungsweise kognitiver Verben 51 f. Denkinhalt
30
de re Verwendungsweise kognitiver Verben 50 ff.
D-Formeln, erläutert definiert
106 108 f.
direktionale Handlung
105
direktionaler Akt Dissonanz
kognitives Argument 40
30
Ersetzungsprinzip fl.ir material äquivalente Sätze 20 Ersetzungsprinzip fl.ir singuläre Terme 21
106 f.
135
14 f.
kognitive Folgerung
32
19
k-logische Folgerung
kognitiver Kontext
Einzelergebnis vs. Ereignistyp
Extension
Kennzeichnungsoperation kognitiv
105
Element der Kognition
18
Interpretation
30 ff. 16 27
kognitiver Operator 69 f. Konsonanz
32
Konstruktionsoperation des Repräsentationssystems 106 kontextabhängige und kontextunabhängige Gedanken 112 kontextabhängige und kontextunabhängige Individuenbegriffe 110
164
Sachregister
kontextuelle (oder demonstrative, bzw. perzeptuelle) lndividuierungsmethoden 80 logische Analyse logische Form
99
Restriktion einer Funktion
65
Selbstbezugnahme innerhalb kognitiver Kontexte 55
23
23
mögliche Welten
Repräsentationssystem
subjektives Orientierungsfeld
syntaktisches System, allgemein
63
syntaktisches System K
Oberflächenmodell 91
Wahrheit eines Satzes der quantifikationalen Syntax in einer zulässigen Interpretation 24
18 f.
quantifikationale Tiefe 90 f. Quantifikation in kognitive Kontexte hinein 50 ff. Queridentifikation von Individuen
69 f.
Wahrheit eines Satzes aus K unter Interpretation J in einer Welt w 71
105
quantifikationale Syntax
17
Term des Repräsentationssystems 108 f.
physikalische Individuierungsmethoden 80 Positionskonstanten
102 f.
72
Weltorientierung
102
zulässige Interpretation des syntaktischen Systems K 10 f.