Die Lehre von den Transcendentalien in der scholastischen Philosophie 9783787335237, 9783787335183

Unverändertes eBook der 1929 bei Felix Meiner in Leipzig erschienenen Ausgabe (= IV. Band, Heft II der "Forschungen

135 51 7MB

German Pages 88 [89] Year 2018

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Die Lehre von den Transcendentalien in der scholastischen Philosophie
 9783787335237, 9783787335183

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Günther Schulemann Die Lehre von den Transcendentalien in der scholastischen Philosophie

Meiner · BoD

DIE LEHR E VON DEN TR ANSCENDENTALIEN IN DER SCHOLASTISCHEN PHILOSOPHIE von

günther schulemann privatdozent an der univ. breslau

forschungen zur geschichte der philosophie und der pädagogik herausgegeben von

artur schneider

und

wilhelm kahl

iv. band  heft ii

1  9         2  9

V erlag von feli x meiner in leip zig

Im Digitaldruck »on demand« hergestelltes, inhaltlich mit der ­ursprünglichen Ausgabe identisches Exemplar. Wir bitten um Verständnis für unvermeidliche Abweichungen in der Ausstattung, die der E ­ inzelfertigung geschuldet sind. Weitere Informationen unter: www.meiner.de/bod

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliogra­phi­­sche Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. ISBN 978-3-7873-3518-3 ISBN 978-3-7873-3523-7 (eBook)

www.meiner.de © Felix Meiner Verlag, Leipzig 1929. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§ 53 und 54 UrhG ausdrücklich gestatten. Gesamtherstellung: BoD, Norderstedt. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Printed in Germany.

Vorwort Eine historische Untersuchung der Lehre von den transcendentalen Seinsbestimmungen und Prinzipien in der Scho­ lastik kann sich nicht auf diejenigen mittelalterlichen und neueren Autoren beschränken, die sich ausdrücklich mit dem Problem befassen, sondern wird auch frühere Ansätze und Andeutungen berücksichtigen müssen. So werden wir ganz von selbst ins antike Denken zurückgeführt Oft enthalten schon die orakelhaften Aussprüche der Weisen der Vorzeit einen überaus tiefen Sinn, und ihre Sentenzen gestatten fast auf jeder weiter fortgeschrittenen Stufe des Philosophierens eine neue und reichere Anwendung. Sagt doch ζ. B. Aristoteles selbst von Anaxagoras: „Was er ausspricht, ist weder zutreffend noch klar, dagegen was er im Sinne hat, ist dem, was die Späteren sagen, und was allerdings mehr einleuchtet, doch nicht so ganz un­ ähnlich." Freilich wird es immer gut sein, auf den ganzen Lehrzusammenhang und die zeitgeschichtliche Bedingtheit eines Autors zu reflektieren, um der Gefahr auszuweichen, manches im Sinne späterer Problemstellung aufzufassen und umzudeuten. Unter Beobachtung dieser Vorsichtsmaßregeln soll im Folgenden der Versuch gemacht werden, durch die Geschichte der abend­ ländischen Philosophie hin die großen Linien und Zusammen­ hänge zu verfolgen, aus denen die wichtige scholastische Lehre von den Transcendentalien abzuleiten ist Dabei werden die allgemeinen philosophiegeschichtlichen Zusammenhänge und Übergänge bei den einzelnen Epochen und ihren Vertretern selbstverständlich vorausgesetzt und nur die fortschreitende Herausarbeitung des Problems steht zur Untersuchung. Zugleich ist damit allerdings auch ein Beitrag zur Kategorienlehre und ihrer Geschichte gegeben.

Inhaltsverzeichnis Vorwort: Es handelt sich um eine historische Untersuchung

ΠΙ

I. Die Lehre von den Seinsprinzipien in der antiken Philosophie 1. Vorsokratiker, Sokrates, Plato

ι

Die Frage nach der άρχή bei den alten Naturphilosophen, Pythagoras, den Eleaten ι Die jüngeren Naturphilosophen ι Die Sophistik 2 Sokrates 2 Piatos Ideenlehre 3 Vielfache Anwendung und Deutung: Psychologisch, erkenntnistheoretisch, metaphysisch 3 Anregungen und Interpretationen des Piatonismus 4

2. Aristoteles

4

Rückblick auf die Lehren der Früheren von den Prinzipien 4 Prinzip bei Ar. vieldeutig 4 Prinzip und Ursache 5 Substanz: Prinzip 5 Das Werden und die vier Ursachen 6 Überragende Bedeutung des Formprinzips 6 Form = Wesensbegriff 6 Ar.' Erkenntnislehre 7 Der Weg zum Allgemeinen 7 Der νους als oberstes Prinzip 7 Der Gegenstand der Grundwissenschaft 7 Das Sein als Sein 8 Grundbegriffe 8 Einheit und Sein 9 Verschiedene Arten von Einheit 9 Einheit, Vielheit und die verschiedenen Gegensätze 10 Der oberste Grundsatz 10 Wesensbegriff immer eindeutig bestimmt 11 Er fällt mit dem Einzelwesen zusammen 12 Die Substanz 12 Die Definition 13 Das Werden der Einzelsubstanzen 13 δνναμις und ενέργεια 14 Alles hängt vom absoluten Prinzip, dem Allbeweger ab 14 Verbindung mit der Theo­ logie 14 Das Wahrsein und Gutsein mit allem Sein, am meisten mit dem absoluten Prinzip verbunden 15

II. Die Lehre von ersten Prinzipien und Begriffen im spätantiken Denken und in der Frühscholastik 1. Stoiker, Augustinus, Neuplatonismus, Boethius

. . .

16

Die Lehre der Stoiker von ersten gemeinsamen Begriffen 16 Seneca über Keime des Wissens und über die Exemplarursache 17 Augustinus: Christ­ liche Ideenlehre 17 Das Licht der Erkenntnis 18 Veritates aeternae 18

Inhaltsverzeichnis

ν

Sein und Einheit 18 Neuplatonismus: Proclus und Pseudo-Dionysius Areopagita 19 Das höchste Sein: Wahrheit und Güte 19 Alles hat an der Einheit teil 19 Die Analogie des Seins 20 Prädikamentale Bestimmungen erreichen das höchste Sein nicht 20 Boethius aristotelisch 21 Seine Grund­ sätze über Einheit, erste Begriffe, Wesenheit und Dasein, Einfachheit 21—22

2. Frühscholastik

22

Gilbertus Poretanus über Wesenheit und Dasein 23 Dominicus Gundissalinus De unitate et uno 24 Abstufungen des Seins und der Einheiten 24 Anselm von Canterbury 25 Erste Begriffe 25 Streben nach Einheit 25 Alanus ab Insulis 25

III. Die Lehre von den Transcendentalien in der Hochscholastik Entwicklung der Hochscholastik: Araber, Summisten, Alexander von Haies 27

I. Albertus Magnus

27

Über- Unum, verum, bonum 27 Einteilungen der Einheit 28 Das Eine und Viele 28 Definitionen der Einheit 29 Einteilungen der Wahrheit 29 Prin­ zipien und Prinzipiate 30 Sein der Dinge selbst und erkenntnismäßige Er­ klärung 31 Wesensbegriff, Prinzipien, Vorbild 32 Das Gutsein 33 Die Convertierbarkeit der ersten Grundbestimmungen 34 Beziehungen zu ver­ schiedenen Ursachen 35 Die Lehren des Avicenna über das Sein als erstes Objekt des Verstandes 36

2. Thomas von Aquin

36

Seine Erkenntnislehre 36 Die ersten Prinzipien u. Begriffe 36 Das Licht des tätigen Verstandes 37—40 Fundamentale Bedeutung erster Seinsweisen 41 Sechs solcher Grundbestimmungen: ens, res, aliquid, unum, verum, bonum 42 Ableitung und Definition derselben 43 Wesenheit und Dasein 43 Unter­ scheidung von metaphysischer und numerischer Einheit 44 Einheit, Vielheit, Ganzes, Teile, Potenz und Akt 45 Erste Prinzipien darauf aufgebaut 45 Thomistische Opuscula 45 Duns Scotus führt den Namen „Transcendens" ein 46

3. Duns Scotus

46

Die über alles hinausreichenden Seinsbestimmungen 47 Transcendente Viel­ heit 47 Einheit und Vielheit nicht negativ 48 Quantitas continua und discreta 48 Groß, klein: Viel, wenig 49 Entia rationis 49 Die haecceitas 49

4. Petrus Joannis Olivi

49

Ob die ersten passiones entis etwas zum Sein hinzufügen 49 Verschiedene Lehrmeinungen 50 Wahrheit und Güte sind das Erstrebbare und Intelligibile selbst 51 Einssein positiv bestimmbar 51 Ebenso Einfachheit 52 Auch Vielheit positiv bestimmbar 52 Wahrheit als ausdrückliche Bejahung, Güte als Vollkommenheit 53

VI

Inhaltsverzeichnis

IV. Die Lehre von den Transcendentalien in späteren Scholastik

der

Überblick über die Entwicklung des Problems in der späteren Scholastik 54—56

1. Franciscus Suarez

56

Das Objekt der Metaphysik 57 Was Sein als Sein ist 57 Klare Begriffe? 57 Conceptus formalis und conceptus obiectivus 58 Intentio 58 Der conceptus obiectivus entis 59 Er entspricht einem einheitlichen conceptus formalis entis 59 Seine einheitliche Bedeutung 60 Wesenheit und Dasein 61 Sein als participium und als nomen genommen 62 Die reale Wesenheit 63 Das ens possibile 65 Passiones entis 66 Unum verum bonum genügen 67 Sie fügen formal Negation oder Benennung, real nichts hinzu 66 Innerhalb der Sache selbst nicht unterschieden 67 Einheit absolut 67 Transcendentale Prinzipien 68 Erstes Prinzip ist der Widerspruchsatz 68 Andere Grund­ sätze 68 Über transcendentale Einheit im allgemeinen 69 Einheit = ens indivisum 69 Über das „idem et diversum" 70

2. Neue Philosophie und Neuscholastik

71

Nachwirkungen der suaresianischen Philosophie 71 Neuere Philosophen, die Suarez rühmen, eitleren, kennen 72 Die Lehre von den „ewigen Wahr­ heiten" in den verschiedenen Richtungen der neueren Philosophie 72 Leibniz, sein prineipium essentiarum und pr. existentiarum und die Scholastik 73 Kant zur „Transcendentalphilosophie der Alten" 74 J . Balmes und seine selbständigen scholastischen Erwägungen zu dem Problem 75 Die „ehren­ halber" tradierte alte Transcendentalphilosophie bei den Neuscholastikern und modernen Philosophen 76

Schlußwort: Das systematische Interesse an dem behandelten Problem 78 Autoren- und Sachregister

80

I Die Lehre von den Seinsprinzipien in der antiken Philosophie i. V o r s o k r a t i k e r , S o k r a t e s u n d P l a t o In der Geschichte der griechischen Philosophie steigert sich von Jahrhundert zu Jahrhundert die Fülle der tastenden Ansätze einer Lehre von den Prinzipien, bis sie bei Piaton und Aristoteles zum größten Reichtum bewußter Darlegungen aus­ gereift ist . Was die V o r s o k r a t i k e r unter Prinzip verstanden, ist durchaus nichts Einheitliches. Wenn sie nach einer άρχή suchten, meinten sie damit bisweilen in naivem Realismus einen der Welt irgendwie immanenten Faktor als Ausgangspunkt oder Constituens des Weltprozesses, womöglich eine Art Grund­ stoff, weniger den zeitlichen Anfang. Das gilt vor allem von den älteren Naturphilosophen. Wohl auch naiv noch ge­ dacht, aber tiefsinnigster Auslegung fähig waren dagegen die Spekulationen des Pythagoras über die Zahl als Prinzip aller Dinge. Die Eleaten ferner wiesen mit ihrer Lehre vom Einen und von der Identität von Sein und Denken auf bestimmte Denknotwendigkeiten und kategoriale Grundbestimmungen (Einheit, Identität, Kontinuität, Beharrung) als das Prinzipielle hin, während die späteren Naturphilosophen mehr psychologisierend und mythisch Liebe und Haß als Prinzipien einführten (Empedokles) oder die begrifflichen Konstruktionen vom Vollen und Leeren, von den Atomen der Wirklichkeit ohne weiteres gleichsetzten oder schließlich eine erste vernünftige Ursache 1

1

A r i s t o t e l e s , Metaphysik I. (A) 8. 989b 19: ώστε λέγει μεν οντ όρ&β>ζ ούτε σαφώς, βονλεται μέντοι τι παραπλήσιον τοΖς τε ύστερον λέγονσι και τοίξ φαινομένου μάλλον. Forschungen ζ. Gesch. d. Philos. u. d. P ä d .

I V . 2.

I

2

/. Die Lehre von den Seinsprinzipien

in der antiken

Philosophie

(νους) als höchstes Prinzip anerkannten (Anaxagoras). Die sophistische Formulierung, daß der Mensch das Maß aller Dinge sei, zeigt, daß die Vertreter dieses Relativismus das Einzelne mit seiner Tatsächlichkeit an Stelle jedes übergeordneten all­ gemeinen Prinzips treten ließen. Bewußter Reflexion über Ge­ setze und Eigenart des Erkennens und dazu gleichzeitig über Prinzipien der Sittlichkeit begegnen wir erst bei S o k r a t e s , der damit einen Wendepunkt in der Geschichte der Philosophie bezeichnet \ Vollends aber bei P i a t o n ist die Fülle der Problem­ stellungen so groß, daß vieles darin anklingt, was erst in neuester Zeit wieder aufgenommen und mit aller Schärfe heraus­ gearbeitet wurde. Der Hauptnachdruck liegt bei ihm auf der Lehre von den Ideen, die eine so vielfache Anwendungs­ möglichkeit zuläßt, daß sie bald metaphysisch, bald psycho­ logisch und bald erkenntnistheoretisch verwertet wird, von 1

Über die V o r s o k r a t i k e r im allgemeinen: H e r m a n n D i e l s , Die Fragmente der Vorsokratiker. Griechisch und Deutsch. Berlin 2. Aufl. 1 9 1 0 ; E d u a r d Z e l l e r , Die Philosophie der Griechen, 5. Aufl. I . Bd. a, b Leipzig 1892; T h . G o m p e r z , Griechische Denker, 1. Bd. Wien 1902; S. A. B y k , Die vorsokratische Philosophie der Griechen in ihrer organischen Gliederung, 2 Tie Leipzig 1876; E u g e n K ü h n e m a n n , Die Grundlehren der Philosophie (Vorsokratiker, Sokrates, Piaton), Berlin 1899; K a r l G o e b e l , Die vor­ sokratische Philosophie, Bonn 1 9 1 0 ; A. F i s c h e r , Die Grundlehren der vorsokratischen Philosophie (in „Große Denker" hersg. von E. v. Aster), Leipzig 1 9 1 1 ; daselbst auch R. R i c h t e r , Sokrates und die Sophisten; Ü b e r w e g , Grundriß der Geschichte der Philosophie I: K a r l P r a e c h t l e r , Die Philosophie des Altertums, Berlin 1926, S. 58 sq.; K. J o e l , Geschichte der antiken Philosophie I. Bd. Tübingen 1921 (Vorsokratiker, Sophistik, Sokrates); H a n s M e y e r , Geschichte der alten Philosophie, Leipzig 1925; H a n s L e i s e g a n g , Geschichte der griechischen Philosophie 1. Bd. Breslau 1924; J o h n B u r n e t , Die Anfange der griechischen Philosophie, dtsch. von E. Schenkl, Leipzig 1 9 1 3 ; H i n n e b e r g , Kultur der Gegenwart, Tl. I Abt. 5: Allgemeine Geschichte der Philosophie, 2. Aufl. Leipzig 1923; darin H a n s v. A r n i m , Die europäische Philosophie des Altertums S. 94—264; ferner die Geschichten der Philosophie von P. D e u ß e n , W. K i n k e l ; Lehrbuch hersg. von M a x D e s s o i r 1. Bd. Die Scholastiker befaßten sich nicht ex professo mit den Vorsokratikern und zeigen sich nicht selten auch in Unkenntnis darüber, wie dieselben chronologisch anzuordnen sind. Sie empfingen Anregungen von ihnen in der Hauptsache über Aristoteles.

I, Vorsokratiker, Sokrates und Plato

3

inneren Wandlungen der Lehre bei Piaton selbst ganz zu schweigen. Durch planmäßige logische Arbeit, etwa im Ver­ fahren der sokratischen Unterredung, finden wir nach Plato die ersten alles Wissen bedingenden Denksetzungen (λόγοι) wie durch Erinnerung (άνάμνησις) und sind dadurch erst zum richtigen Er­ kennen befähigt . Mit dieser mehr psychologischen Annahme eines Angeborenseins von Ideen ist aber die Ideenlehre selbst keineswegs erschöpft. Sie läßt noch weitere und tiefere Be­ gründungen und Deutungen zu, wie schon aus ihrer sonstigen Verwertung und aus der Fülle ihrer Beziehungen zu anderen philo­ sophischen Problemen hervorgeht. Die Ideen erscheinen einer­ seits erkenntnistheoretisch bedeutungsvoll, fast als die obersten, allgemeinen Seinsbestimmungen, Grundbegriffe und Grundsätze , die sich von selbst ausweisen, und andererseits wieder als Ge­ staltungsprinzipien und Vorbilder der natürlichen Dinge (ahiai 1

2

πρώται;

είδος = παράδειγμα)

8

. Sie bilden die Welt der

νοούμενα

gegenüber den φαινόμενα, und während sie so teils sehr all­ gemein und abstrakt als Grundbegriffe und teils wieder sehr differenziert als Vorbilder erscheinen, gibt die mehr meta­ physische Darlegung im „Staat" eine Zusammenfassung dahin, daß die höchste Idee des Guten die e i n e Sonne ist, an deren Licht alle anderen Ideen partizipieren, während ihre Schatten wieder in die Welt der Phänomene hineinfallen. 4

Diese reichen Anregungen der platonischen Prinzipienlehre stießen bei A r i s t o t e l e s auf teilweisen Widerspruch, fanden im Neuplatonismus ihre Fortbildung, erfuhren bei A u g u s t i n u s eine Umbildung im christlichen Sinne und in der Hochscholastik eine besonnene Verwertung. In neuester Zeit aber wurde dieser Lehre (mit gewichtigen Gründen) die Ausdeutung zuteil, als sei hier der Gedanke des Gesetzes, der Geltung und überhaupt der 1

Pia ton, Pia ton, über Piaton sei N. H a r t m a n n , Piaton, Piaton, 2

3

4

Menon 98 Α; Phaidon 73 C sq.; Phaidros 249 C. Theaitet. 185; Sophist. 254 CD. Von der reichen Literatur hier nur auf das für die Kategorienlehre wichtige Buch Piatos Logik des Seins, Gießen 1909 verwiesen. Timaios 29 A, 36C, 46C—E, 69 Α; Leg. X 877 D. Politeia VI 5 0 8 D E ; VII 5 1 7 B . 1*

I. Die Lehre von den Seinsprinzipien

4

in der antiken

Philosophie

kantischen Transzendentalphilosophie vorweggenommen \ Die Frage, wieweit mit all diesen Verarbeitungen und Deutungen der Folgezeit die Absichten Piatons selbst getroffen sind, muß historisch-philologisch wohl ziemlich offen bleiben, unleugbar aber ist die Nachhaltigkeit der Anregungen selbst. Für die scholastische Prinzipienlehre freilich sind die Fortführungen der platonischen Lehre durch Aristoteles vor allem maßgebend ge­ worden, wenn sich auch der platonisierende Augustinismus wiederholt und nachhaltig geltend machte, so in der Früh­ scholastik, dann bei Bonaventura, moderiert durch Thomas und besonders wieder im 17. und 18. Jahrhundert (Descartes, Malebranche u. a.). 2. A r i s t o t e l e s A r i s t o t e l e s bekämpft vor allem die Annahme einer Außerweltlichkeit der Ideen. Neben der Polemik gegen Plato ist es sodann ein Rückblick auf die Prinzipienlehre seiner philosophischen Vorzeit , der ihm den Boden bereiten hilft, auf dem seine eigene Lehre vom Sein, von den allem Sein innewohnenden Prinzipien, vom Einzelnen und Allgemeinen erwächst. Auch bei ihm ist — wie wir sagen können — eine psychologische, logische und metaphysische Anwendung seiner Prinzipienlehre zu unterscheiden, obschon der innigste Zu­ sammenhang dieser verschiedenen Gesichtspunkte gewahrt ist. Begriff und Name des Prinzips ist bei Aristoteles außerordentlich bedeutungsreich und hat Beziehungen zur Ursache (αιτία), zur Gestalt (μορφή), zur Form (eiöog), zur ersten und zweiten Substanz 2

(ουσία), zum Wesen (τό τι ϊοτιν\

το τι ήν είναι) und zum Sein als

Sein (ov fj ov) und seinen αξιώματα, mit anderen Worten zum Allereinzelsten und zum Allerallgemeinsten. So führt ein W e g zum Allgemeinen hinauf und ein anderer von ihm herab wieder zum Einzelnen. 1

Erst Herrn. L o t z e , Logik, Leipzig 1874, Buch 3 Kap. 2; dann H. C o h e n , Piatons Ideenlehre und die Mathematik, Marburg 1878; P. N a t o r p , Piatos Ideenlehre, eine Einführung in den Idealismus, Leipzig 1903, 2. Aufl. 1922. A r i s t o t e l e s , Physic. 1. I (A) bes. c. 4 sq. 1 8 7 a ; Metaph. 1. I (A) 3—10, 983 b 7 sq. 2

2. Aristoteles

5

Aristoteles lehrt einen weitgehenden Parallelismus von αιτίαι, und άρχαί. Als allen Prinzipien Gemeinsames gilt ihm, daß sie das Erste seien, woraus etwas entweder sei oder ent­ stünde oder erkannt würde *, Nachdem er sechs Arten άρχαί behandelt, sagt er: „In gleicher Weise wird auch von Ursachen gesprochen; denn alle Ursachen sind auch Prinzipien" . Wissen­ schaft ist ihm Einsicht in die Ursachen und Prinzipien . Ja er nennt wiederholt, vor allem in den zweiten Analytiken, sogar die Prämissen eines Syllogismus αιτίαι*. Als Prinzip aber so­ wohl des Syllogismus wie auch des Naturgeschehens bezeichnet er die Substanz (ουσία) . Als erste Substanz gilt ihm das Einzelwesen. Sie ist es, die den Arten und Accidenzien zu­ grunde Hegt, von der alles andere, die selbst aber von nichts anderem ausgesagt wird . Beim Entstehen und Vergehen und bei der Veränderung: der ersten Substanzen, also beim Werden, 2

3

5

6

6

/. Die Lehre von den Seinsprinzipien in der antiken Philosophie

spielen vier Ursachen (die Form; der Stoff, woraus etwas wird; die bewegende Kraft und der Zweck) eine Rolle \ Ja das natürliche Geschehen ist nichts anderes als das Ineinander­ greifen dieser vier Ursachen, jedoch so, daß das Formprinzip eine überragende, gleichsam regulierende Bedeutung behält. Dieses Formprinzip (είδος), ist dem beharrenden Wesen, dem 2

το τί ?iV είναι und τί εστίν, gleichzusetzen .

Das menschliche Erkennen geht von den Einzelsubstanzen aus, deren Gestalt (μορφή) die Sinne erfassen . Über den Sinneswahrnehmungen baut sich die Erfahrung (εμπειρία) auf. Der Verstand vergleicht die einzelnen Erkenntnisse und erhebt 3

1

Über die vier Ursachen vgl. Analyt. poster. 1. II c. 1 1 ; Physic. 1. II c. 3. 1 9 5 a ; Metaph. I (A) 3, 983 a 28: έπεϊ δε φανερόν δτι των εξ αρχής αιτίων δει λαβείν εποστήμην (τότε γάρ εϊδέναι φαμεν εκαστον, δταν τήν πρώτην αϊτίαν οϊώμεϋ'α γνωρίζειν), τά ένεκα και τ αγαθ'όν (τέλος γάρ γενέσεως και κινήσεως πάσης τοντ εστίν)* τε&εώρηται μεν οΰν ίκανώς περϊ αυτών ήμϊν εν τοις περϊ φύσεως. Metaph. VII (Ζ) 7, 1032a 13sq. über das Werden; VIII (Β) 4, 1044 b isq. Physic. 1. II c. 3, 195a 1 7 : (In anderer Weise spricht man von Ursache): άλλον δε τό είδος και τό παράδειγμα* τοντο δ εστίν ό λόγος b τον τί ήν είναι και τά τούτον γένη, . . . και τά μέρη τά εν τφ λόγω. Analyt. poster. 1. II c. 1 2 ; Metaph. V (Λ) 8, 1017 b 2 1 : %τι τό τί ήν είναι ο$ δ λόγος ορισμός, και τοϋτο ουσία λέγεται εκαστον. ονμβαίνει δή κατά δύο τρόπονς τήν ούσίαν λέγεσ&αι, τό δ νποκείμενον Μσχατον δ μηκέτι κατ άλλον λέγεται, και δ άν τόδε τι δν και χωριστόν //· τοιούτον δε εκαστον ή μορφή και τό είδος. Ibd. VII (Ζ) ίο, 1035 b 14* επεϊ δε ή τών ζφων ψνχή (τοντο γάρ ουσία τον έμχρύχον) ή κατά τον λόγον ουσία και τό είδος και τό τί ήν είναι τφ τοιφδε σώματι* . . . Ibd. 1035h 3 μέρος μεν o-hv έστϊ και τον εϊδονς (είδος δε λέγω τό τί ήν είναι) και τον σννόλον τον εκ τοϋ εϊδονς και της νλης και της ϋλης αυτής» Auch De coelo I 9, 277 b 30—278 a 4 werden είδος (species), μορφή (forma), τό τί ήν είναι (quidditas) und λόγος (ratio) gleichbedeutend gebraucht. Metaph. IV (Γ) 5, 1010a 2 5 ; άλλά κατά τό είδος άπαντα γιγνώσκομεν. Ibd. VIII (Η) I , 1042 a 26: εστι δ ουσία άλλως μεν ή ύλη, άλλως δ ό λόγος και ή μοργή, δ τόδε τι δν τω λόγω χωριστόν έστιν. De anima III 8, 4 3 5 Das Denkbare ist in den sinnlichen Formen enthalten. Physic. 1, I c. 7, 190 b 3 0 — 1 9 1 a 1. Vgl. dazu: J . G e y s e r , Die Erkenntnistheorie des Aristoteles. Münster 1917 S. 69 fg. und 154 fg. 3

3

2

3

3

Ι :

3

3

3

2 a

:

2, Aristoteles

7

sich zum Wesentlichen, zum Allgemeinen und zu allgemeinsten Grundsätzen \ Aristoteles lehrt aber nicht nur die allmähliche, vergleichende, induktive Abstraktion, die zum Allgemeinen aufsteigt, sondern vertritt auch noch die Meinung, daß der νους wie das Licht die nur der Möglichkeit nach vorhandenen Farben zu wirklichen mache, sein eigentliches Objekt die reinen Begriffe, das Wesen irrtumsfrei erfasse und sich auch als άρχή τών άρχων über die ersten Grundsätze nicht irre . Der νους των άρχων geht auf die obersten Grundsätze und vermag sich über sie Rechenschaft abzulegen . Diese obersten Prinzipien sind durch sich selbst gewiß. „Was ein jeglicher von den obersten Grundsätzen bedeutet, das wissen wir schon ohnedies. Es wenden sie auch die anderen Zweige der Wissenschaft an, gerade so, als wären sie ihnen bekannt" . Dem Metaphysiker Aristoteles aber ist die Frage nach diesen obersten Grundsätzen die allerwichtigste. Die Wissenschaft, die sich mit ihr befaßt, ist ihm Grundwissenschaft (πρώτη φιλοσοφία). Als die ersehnte und gesuchte (ζψονμένη), erhaben über alle Spezialwissenschaften, geht sie auf das Sein als Sein . Vor allem ihr sind die Bücher der Metaphysik gewidmet. 2

8

4

5

1

Analyt. poster. 1. II c. 1 9 : Gleichnis von der Flucht in der Schlacht, die allmählich zum Stillstand kommt. Ibd. 100 b 8 sq.: άλη&ή δ* dei επιστήμη και νονς, και ούδεν επιστήμης άκριβέστερον αλλο γένος ή νονς, αϊ δ άρχαϊ των αποδείξεων γνωριμώτεραι, επιστήμη δ άπασα μετά λόγον εστί, τών άρχων επιστήμη μεν ονκ άν εϊη, επεϊ δ ούδεν άλήΰέστερον ενδέχεται είναι επιστήμης ή νο$ν, νους αν εϊη τών άρχων, %κ τε τούτων σκοπονσι και δτι αποδείξεως άρχή ονκ άπόδειξις, ώστ ούδ* επιστήμης επιστήμη, εϊ ονν μηδέν άλλο παρ έπιστήμην γένος ϊχομεν άλη&ές, νους άν εϊη επιστήμης άρχή' και ή μεν άρχή της αρχής εϊη άν, ή δε πάσα ομοίως ϊχει προς τό άπαν πράγιια. De anima III c. 5, 430 a 1 6 : οίον τό φως ibd. c. 6, 430 a 27; 430 b 27. 2

3

3

9

3

3

8

Metaph. IX (Θ) 10, 1051 b 30: δσα δή Ιστιν δπερ είναι τι και ενεργεία, περϊ ταντα ονκ ϊστιν άπατη&ήναι άλλ ή νοεϊν ή μή. Metaph. III (Β) 2, 9 9 7 * εκαστον τούτων {τών απο­ δεικτικών άρχων) τνγχάνει δν και ννν γνωρίζομεν' χρώνται γοϋν ώς γιγνω» σκομένοις αντοΐς και αλλαι τέχναι. Metaph. IV (1) 1, 1003 a 22: ϊστιν επιστήμη τις ή &εωρεΙ τό δν ?; δν καϊ τά τούτω υπάρχοντα κα& αντό. Ibd. 26: τάς αρχάς και τάς άκροτάτας αίτιας ζητοϋμεν. Ibd. 2, 1003 b ίο sq. Vgl. auch ibd. I (Α) 2, 982 a 30 sq.: 3

4

a

5

3

2

:

τ

8

/. Die Lehre von den Seinsprinzipien in der antiken Philosophie

Die Frage, ob hier das Sein der Prinzipien nur begrifflich gefaßt sei und wie sich dieser Begriff nach Herkunft und Geltung ausweise, wird bei Aristoteles nicht angeschnitten. Es ist für ihn angesichts seiner Lehre vom Zusammenhang zwischen Substanz, Form, Wesen, Begriff und Erkenntnis nicht nötig, sie aufzuwerfen. Das begriffliche Wesen zu untersuchen ist Sache des Philosophen; die Frage nach der Existenz eines Wissenschaftsobjektes ist der nach dem Wesen beigeordnet . Aristoteles meint offenbar mit der Lehre vom Sein als Sein und von den obersten Grundsätzen die Grundlagen und Grund­ gesetze alles möglichen Seins und Erkennens umschreiben zu können. Dieses oberste Gebiet der höchsten Prinzipien des Seins als Sein und der allgemeinsten Seinsbestimmungen geht aber auch noch über das Geltungsbereich der Kategorien hin­ aus . Denn das Sein wird von Substanz und Accidenz nicht in gleicher, sondern analoger Weise ausgesagt und ist nicht selbst ein Gattungsbegriff . Diese Lehre vom Sein als Sein ist darum als Vorstufe der späteren scholastischen Doktrin von der Transcendenz und den transcendentalen Seinsbestimmungen von Wichtigkeit. Aristoteles bringt sie aber nicht zu einem systematischen A b ­ schluß, wenn er auch die tiefsten Anregungen gibt. Zunächst behandelt er Sein, Einheit und Gegensätze. Bei der Erörterung der verschiedenen metaphysischen Probleme wirft er eine Vor1

2

3

4

τό εϊδέναι και το επίστασ&αι αυτών ένεκα μάλισ&* υπάρχει τη τον μάλιστ επιστητοϋ επιστήμη* δ γάρ έπίστασ&αι δι* έαντό αίρούμένος την μάλιστα επιστήμην μάλιστ αίρήσεται, τοιαύτη δ εστίν ή τον μάλιστ επιστητοϋ · μάλιστα δ'επιστητά τά πρώτα καϊ τα αϊτια. Ferner III (Β) 2, gg6b 25—a 15 ; 997 * 3 καΰόλον γαρ μάλιστα και πάντων άρχαι τά άζιώματά εστίν, Metaph. VI {Ε) ι, 1025 b 1 6 : ομοίως δ ούδ* ει ϊστιν η μτι ϊστι το γένοδ περι δ πραγματεύονται ούδεν λέγονσι, διά τό της αύτης είναι διανοίας τό τ ε τί ε στ ι δηλον ποιείν και ei ϊστιν, Metaph. IV (Γ) 3, 1005 a 2 7 : &οτ ϊπε\ δηλον δτι jj Οντα (die Axiome) νπάρχει πασι {τοντο γαρ αντοϊς το κοινόν\ τον περι τό ον $\ Βν γνωρίζοντος και περι τούτων εστίν ή ϋεωρία. Praedicam. c. 1 ; Metaph. Χ (Τ) 2, 1054 3'· 8e ταύτό σημαίνει πως τό εν και τό Ον, δηλον τ(ρ τε παρακολον&εΖν ϊσαχώς ταΐς κατηγορίαις και μή είναι εν μηδεμι%. Metaph. III (Β) 2, ggö a l8sq. 3

a

1

3

2

z

a

4

ι

:

2.

Aristoteles

9

frage auf, welche die enge Zusammengehörigkeit von Eins und Sein sehr deutlich macht und zur Ableitung allgemeiner Seins­ bestimmungen viel beiträgt: Kann man das Sein und das Eins als Prinzipien und selbständige Wesenheiten ansprechen ? „Denn das Sein und das Eins wird am meisten von allem ausgesagt, und doch ist es ausgeschlossen, daß das Sein und das Eins eine Gattung der Dinge sei" \ Auch bei der Zahl ist dieselbe Schwierigkeit; wenn sie als selbständige Wesenheit anerkannt wird. „Woher soll ein anderes Eins kommen neben dem Einen an sich? Es müßte notwendig ein Nichts-Eines sein. Alles aber was ist, ist entweder eine Einheit oder eine Vielheit und die Vielheit besteht wieder aus Einheiten" . Eins und Sein treten immer zusammen auf, untrennbar bei allem Seienden und wesentlich für dasselbe . Auch die Arten von Einheit entsprechen den Arten, die es vom Sein gibt. Die höchste Seinswissenschaft hat die Wesensbestimmtheit auch dieser Arten zu erörtern. Es sind Identität, Gleichheit und dergleichen, sowie die Gegensätze davon. So ziemlich sämtliche Gegensätze lassen sich auf dieses Prinzip: den Gegen­ satz des Einen und Vielen zurückführen . Das Prinzip des 2

3

4

1

Metaph. III (B) 3, 998 b 2 1 : ταϋτα γάρ (τό τε όν καϊ τό εν) κατά πάντων μάλιστα λέγεται τών Οντων, ούχ οίον τε δε τών όντων ονϊε τό εν οντε τό δν είναι γένος. Metaph. III (Β) 4> b 4 q « %κ τίνος γάρ παρά τό %ν ϊσται αυτό άλλο εν; ανάγκη γάρ μη εν είναι· άπαντα δε τά όντα ή εν ή πολλά, ών εν εκαστον. Metaph. IV (Γ) 2, 1003 b 22: εϊ δή τό ον και τό εν ταύτό και μία ψνσις τφ άκολου&εϊν άλλήλοις ώσπερ άρχή καϊ αϊτιον, άλ?? ούχ ώς ένϊ λόγω δηλούμενα. Metaph. IV (Γ) 2, 1003 b 3 ° ώστε ψανερόν δτι ή πρόσ&εσις εν τού­ τοις ταύτό δηλοϊ, καϊ ούδεν έτερον τό εν παρα τό δν* %τι δ'ή εκάστου ουσία εν εστίν ού κατά συμβεβηκός, ομοίως δε καϊ δπερ δν τι — ώθ\Ρ δσα περ τοϋ ενός εϊδη τοσαϋτα καϊ τοϋ οντος εστίν' περϊ ών τό τί εστι της αυτής επιστήμης τφ γένει &εωρήσαι, λέγω δ* οίον περϊ ταύτοϋ καϊ ομοίου καϊ τών άλλων τών τοιούτων καϊ τών τούτοις αντικειμένων' σχεδόν δέ πάντα ανάγεται τάναντία εις τήν αρχήν ταύτην. Vgl. die genaue Parallelstelle zu dem ausführlicheren Buche Γ, das von der Grundwissenschaft und den obersten Axiomen handelt, im Buche XI (K) 3, 1061a 10. Ibd. X (1) 3, 1054 a 30 werden Identität, Ähn­ lichkeit, Gleichheit, der Verschiedenheit, Unähnlichkeit und Ungleichheit gegen2

1 0 0 1

s

:

3

4

:

}

ΙΟ

L. Die Lehre von den Seinsprinzipien

in der antiken

Philosophie

Gegensatzes führt weiter zu den Grundbegriffen: Das Andere, das Ungleiche, das Unähnliche, der Unterschied. Auch Negation und Privation werden so erörtert, und der Begriff des Unter­ schiedes führt auch zur Distinktion verschiedener Arten von Gegensätzen \ Sodann sind von der obersten Seinswissenschaft zu behandeln nicht nur „die reinen Wesenheiten, sondern auch das, was an ihnen auftritt, also zu dem oben Angeführten auch noch das Ursprüngliche und das Abgeleitete, die Gattung und die Art, das Ganze und der Teil und die anderen hierher ge­ hörigen Begriffe" . Schließlich wird noch nach den Grundsätzen zu fragen sein, die sich über den Grundbegriffen aufbauen, und dabei stellt sich als oberstes Axiom der Satz vom Wiederspruch heraus, den Aristoteles so formuliert: Es ist ausgeschlossen, daß ein und dasselbe Prädikat einem und demselben Subjekte zugleich und in derselben Beziehung zukomme und auch nicht zukomme . Über dieses Prinzip als das grundlegendste von allen 2

3

übergestellt. Ibd. c. i, 1052b 1 sq. werden von verschiedenen Bedeutungen des Begriffes Einheit aufgeführt: Das räumlich Zusammenhängende, (Kontinuum), das aus Teilen zusammengesetzte Ganze, das Individuelle, das Allgemeine und das Maß, das gleichartig sein muß. Metaphysik IV (Γ) 2, 1004 a 9: έπεϊ δε μιας τάντικείμενα ΰεωρησαι, τφ δ* ενϊ αντίκειται πλήθος, άπόφασιν δε και στέρησιν μιας εστί &εωρήσαι διά τό άμφοτέρως Οεωρεΐσΰαι τό εν, ο% ή άπόφασις η ή στέρησις. Ibd. 1004 a 1 6 : τφ δ ενϊ πλή&ος αντίκειται, ώστε και τάντικείμενα τοις εϊρημένοις, τό τε έτερον και άνόμοιον και ανισον, και δσα άλλα λέγεται η κατά ταϋτα η κατά πλή&ος και το εν, της εϊρημένης γνωρίζειν επιστήμης* &ν εστί και ή εναντιότης* δια·φορά γάρ τις ή έναντιότης, ή δε διαφορά έτερότης. Vgl. auch über den Be­ griff der Einheit und die anderen hier genannten Grundbegriffe Metaph. V (zf) 6, 1 0 1 5 b 16sq.: X (7) c. .1 u. 3—10, 1054a 20sq., 1059a 14sq., sowie die ausführliche Polemik gegen den falschen Einheits- und Seinsbegriff der Eleaten in der Physik 1. II c. 2 sq., 185 a 3 sq. Metaph. IV (Γ) 2, 1005 a 1 3 : δτι μεν ουν μιας επιστήμης το ον $\ bv &εωρήσαι, και τά υπάρχοντα αύτφ η ον, δηλον, και δτι ου μόνον των ουσιών άλλά και των υπαρχόντων ή αύτη θεωρητική, τών τ εϊρημένων και περι προ­ τέρου και υστέρου, και γένους και είδους, και δλον και μέρους και τών άλλων τών τοιούτων. Metaph. IV (Γ) 3» 1005 b 1 9 : tb γάρ αύτσ άμα ύπάρχείν τε και μη νπάρχειν αδύνατον τφ αύτφ και κατά το αυτό. Vgl. auch Hermen, c. 6 und c. 14 (Ende). 1

3

2

8

2.

Aristoteles

II 1

— darum Prinzip sämtlicher Axiome genannt — ist es schlechter­ dings unmöglich, anderer Meinung zu sein. Es ist der Er­ kenntnis am leichtesten zugänglich und gilt unbedingt. Wer es bestreitet, gerät in Absurditäten oder muß verstummen, ebenso wer leugnet, daß das Wort Sein oder Nichtsein etwas Bestimmtes bedeutet . „Denn nichts Bestimmtes bedeuten, heißt überhaupt nichts bedeuten, und wenn die Worte nichts bedeuten, so ist damit das Sprechen der Menschen unter­ einander aufgehoben und in Wahrheit auch das Selbstgespräch; denn es ist unmöglich zu denken, wenn man nicht etwas Be­ stimmtes denkt" . Der Möglichkeit nach zwar kann dasselbe zugleich das Entgegengesetzte sein, nicht aber in Wirklichkeit . Da es weiterhin zwischen den beiden Gliedern des kontra­ diktorischen Gegensatzes kein Mittleres geben kann, so ist von jedem Gegenstande jegliches Prädikat notwendig entweder zu bejahen oder zu verneinen . Das eindeutig Bestimmte nun ist nach Aristoteles das „Was etwas ist", die Wesenheit, und zwar fallen Wesensbegriff und Einzelwesen zusammen. „Das Einzel­ wesen erkennen, heißt seinen Wesensbegriff erkennen; beide sind mithin notwendig ein einiges, auch wenn man sie im Aus­ druck auseinanderhält" . Sonst müßte man konsequent für jeden Wesensbegriff einen besonderen Ausdruck einsetzen und dafür wieder einen anderen WesensbegrifF und Ausdruck u. s. f. 2

3

4

5

6

1

Metaph. IV ( / ) 3, 1005 b 33: φύσει γάρ άρχή καϊ τών άλλων αξιω­ μάτων αύτη πάντων. Ibd. c. 4? 1005 b 35 l* Ibd. c. 4, 1006 b 7: τό γάρ μή εν σημαίνειν ούδεν σημαίνειν εστίν, μη σημαινόντων δε τών ονομάτων άνήρηται τό διαλέγεσ&αι προς αλλήλους, κατά δε τήν άλήθειαν καϊ προς αύτον ούδε γάρ ενδέχεται νοείν μή νοοϋντα εν. Ibd. c. 5) 1009 a 35 δυνάμει μεν γάρ ενδέχεται άμα ταύτό είναι τά εναντία, εντελέχεια δ*οϋ. Ibd. c. 7> i o o n b 23: αλλά μήν ουδέ μεταξύ αντιφάσεως ενδέχεται είναι ουδέν, άλλ' ανάγκη ή φάναι ή άποφάνει %ν καθ* ενός δτιοϋν. Perihermen c. 9. Metaph. VII (Ζ) 6, 1 0 3 1 b 6: επιστήμη γάρ εκάστου εβτϊν δταν τό τί ήν έκείνω είναι γνώμεν. Ibd. 1 0 3 1 b 18: %κ τε δή τούτων τών λόγων εν καϊ ταύτό ού κατά συμβεβηκός αυτό εκαστον καϊ τό τί ήν είναι, καϊ δτι γε τό έπίστασθαι εκαστον τοϋτό εστι τό τί ήν είναι έπίστασ&αι, ώστε καϊ κατά τήν %κ&εσιν ανάγκη εν τι είναι άμφω. Vgl. auch ibd. VIII (Η) 6, 1045 b 5 l* 2

sc

3

4

:

5

6

S(

12

/· L>ie Lehre von den Seinsprinzipien in der antiken Philosophie

„Aber in Wahrheit, nicht bloß eines ist der Wesensbegriff und der Gegenstand, sondern auch der Sinn (λόγος) derselben ist identisch, wie aus unseren Ausführungen hervorgeht. Denn nicht bloß in accidenteller Weise ist eines der Wesensbegriff des Einsseins und das Eins. Außerdem wären sie verschieden, so geriete man in den Fortgang ins Unendliche. Denn das Eine wäre der Wesensbegriff des Eins, das Andere wäre das Eins selber und von diesem würde wieder dieselbe Aussage gelten u. s. f. Daß also bei den ursprünglichen, den als an sich seiend geltenden Gegenständen der Begriff des Gegen Standes und der Gegenstand eines und dasselbe ist, ist damit ein ausgemachter Satz" . Einheit und Sein vermögen aber noch nicht die Substanz der Gegenstände auszumachen. Substanz zu sein, kommt keinem zu als der Substanz selbst . Substanz im Sinne des Wesens­ begriffes jedes Gegenstandes ist der oberste Grund für das Sein des Gegenstandes . Von der zusammengesetzten Substanz, ob sie nun Gegenstand der sinnlichen Wahrnehmung oder des Denkens ist, läßt sich Begriff und Definition (ορισμός) angeben, wobei die Teile des zusammengesetzten Gegenstandes den :

1

2

3

1

Metaph. VII (Z) 6, 1 0 3 1 b 32—1032 a 6: άλλα μήν ον μόνον εν, αλλά και δ λόγος δ αυτός αυτών, ώς δηλον και εκ τών εϊρημένων' ον γάρ κατά σνμβεβηκός εν τό ενϊ είναι και εν. Μτι εϊ άλλο ίσται, εϊς άπειρον είσιν τό μεν. γάρ ϊσται τί ήν είναι τον ενός, τό δε τό εν, ώστε και επ εκείνων ό αυτός εσται λόγος, δτι μεν oibv έπϊ τών πρώτων και καθ αυτά λεγομένων τό έκάστω είναι και εκαστον τό αυτό και εν Ιστι, δηλον. (Deutsche Übersetzung von Ad. Lasson, Jena 1907). Metaph. VII (Z) 16, 1040 b 1 6 : έπεϊ δε τό %v λέγεται ώσπερ και τό ον, και ή ουσία ή τον ενός μία και &ν μία άριΰμφ εν άρι&μφ, φανερόν δτι ούτε τό 'έν ούτε το ον ενδέχεται ονσίαν είναι τών πραγμάτων, ώσπερ ούδε τό στοιχείω είναι ή άρχ[ , αλλά ζητονμεν τις οΰν ή αρχή, ϊνα εις γνωριμώτερον άναγάγωμεν. μάλλον μεν ο%ν τούτων ουσία τό ον και εν η ή τε αρχή καϊ τό στοιχεϊον και τό αϊτιον, ονπω δε ούδε ταντα, εϊπερ μηδ' άλλο κοινόν μηδέν ουσία · ούδενϊ γάρ υπάρχει ή ονσία άλλ* ή αύτχι τε καϊ τφ ϊχοντι αυτήν, όύ έστϊν ουσία. %τι τό εν πολλαχη ούκ άν εϊη άμα, τό δε κοινόν άμα πολλαχΓ) υπάρχει* ώστε δηλον δτι ούδεν τών κα&όλον υπάρχει παρά τά κα& έκαστα χωρίς. Metaph. VII (Ζ) 1 0 4 1 b 2 7 : ουσία δ*έκάστον μεν τοντο' τοϋτο γάρ αϊτιον πρώτον τον είναι. ?

2

(

3

2.

Aristoteles

13

Teilen der Definition entsprechen. Die ursprünglichen Ele­ mente, aus denen die Definition besteht, lassen sich nicht de­ finieren, „wenn nämlich Definition besagt, daß einem Gegen­ stande etwas als seine Bestimmung zukomme, und daß dabei das eine die Bedeutung der Materie, das andere die Bedeutung der Form besitzt" \ Mit der Definition verhält es sich ähnlich wie mit der Zahl; „sie ist teilbar wie diese und in Unteilbares zerlegbar; kann doch die Teilung nicht ins Unendliche gehen" . Wie bei der Zahl kann man auch bei Definition und Wesens­ begriff keinen Bestandteil hinwegnehmen oder hinzufügen, ohne sie sofort zu ändern . Beide, Zahl und Definition, sind eine Einheit, „aber nicht, wie manche sagen, als wäre die Einheit die Einzahl oder ein Punkt, sondern sie ist jedesmal eine Entelechie und gestaltende Natur. So wenig ferner die Zahl ein Mehr oder Minder an sich hat, so wenig hat es die Substanz im Sinne der Form, sondern sofern das Mehr oder Minder vor­ kommt, gilt es vielmehr von der mit der Materie verbundenen Form" . 2

3

4

So gelangt also Aristoteles ganz konsequent von der Er­ örterung der höchsten allgemeinen Seinsprinzipien wieder zur Frage nach dem Werden der Einzelsubstanzen, nach dem konkreten Weltprozesse und seinen Ursachen und Zielen, und zur Gegenüberstellung der grundlegenden Begriffe δνναμις und 1

Metaph. VIII (H) 3, 1043 b 30: εξ Sv δ' αύτη πρώτων, ούκ ϊστιν, εϊπερ τι κατά τίνος σημαίνει δ λόγος δ οριστικός, καϊ δει τό μεν ώσπερ ϋλην είναι, τό δε ώς μορφήν. Vgl. auch Analyt. poster. 1. II c. 3 u. 8. Metaph. VIII (H) 3, 1043b 34: δ τε γάρ ορισμός αριθμός τις* διαρετός τε γάρ καϊ είς αδιαίρετα· ον γάρ άπειροι οι λόγοι· καϊ δ αριθμός δε τοιούτος, Metaph. 1. c. (Forts.) 1043 b 36: καϊ ώσπερ ούδ άπ αριθμόν αφαιρε­ θέντος τινός ή προστεθέντος, εξ &ν δ αριθμός εστίν, ούκέτι ό αυτός αριθμός εστίν άλλ έτερος, κάν τουλάχιστον άφαιρεθ[ί ή προστεθ/J, όντως ούδ δ δρισιιός ούδε τό τί ήν είναι ούκέτι εσται αφαιρεθέντος τινός ή προστεθ έντος. Ibd. 1044 5 Ι · δ ορισμός εΊς εστίν ομοίως δε ούδε τοντον εχονσι λέγειν, καϊ τοντ εϊκότως σνμβαίνει· τον αύτοϋ γάρ λόγον, καϊ ή ουσία εν όντως, άλλ ούχ ώς λέγονσί τίνες οϊον μονάς τις ο$σα ή στιγμή, άλλ εν­ τελέχεια καϊ φύσις τις εκάστη, καϊ ώσπερ ούδε δ αριθμός %χει τό μάλλον καϊ ήττον, ούδ ή κατά τό είδος ουσία, άλλ εϊπερ, ή μετά της ύλης. 2

3

3

3

3

3

4

a

8(

Σ

κ α ι

3

3

3

3

14

/ . Die Lehre von den Seinsprinzipien in der antiken Philosophie 1

ενεργεία . In dem alles krönenden 12. Buche der Metaphysik aber schwingt er sich zur Betrachtung des höchsten Prinzips auf, des Absoluten, des ewigen unbewegten Allbewegers, der reinen Wirklichkeit, des sich selbst denkenden Denkens, des lebendigen Gottes, von dem Himmel und Erde, diese ganze einheitliche Welt, dieses Stufenreich der Entelechien abhängen, und der alles bewegt und an sich zieht wie der Gegenstand der Liebe das Liebende . 2

8

Die enge Verbindung mit der Theologie machte den Aristotelismus viel späteren, durchaus theologisch interessierten Denkern sowohl im Islam wie im Christentum zu einer Auto­ rität ohnegleichen. Aus dieser engen Verbindung geht aber auch die uns hier besonders interessierende Hinzufügung der Bestimmungen des Wahrseins und Gutseins zu den ersten Begriffen der Einheit und des Seins hervor. Die höchste Seinswissenschaft hat auch zu fragen, zu welchem Zwecke jegliches zu geschehen hat; „das aber ist in jedem einzelnen Falle das Gute und in der Welt als Ganzes das absolute G u t " . Denn „auch das Gute und der Zweck (nicht als praktischer Zweck = Nutzen hier zu verstehen) gehören zu den obersten Gründen und Prinzipien" . Alles Seiende ist zweckvoll, ruht auf einem Zweckprinzip und ist Ziel eines Strebens. Wie die Güte begleitet auch die Wahrheit alles Sein. Da wir die Wahrheit wissen, wo wir die Gründe kennen, „so stellt jedes seinen Begriff um so reiner dar, je mehr es den Grund für das bildet, was andere Dinge mit ihm gemeinsam haben. . . . Und so stellt denn auch das am reinsten die Wahrheit dar, was im Abgeleiteten den Grund 4

5

1

Darüber handelt besonders das IX (Θ) Buch der Metaphysik 1045 b 27 sq. Metaph. XII (Ä) 7, 1072 a 19 sq, Metaph. I (A) 2, 983 a 5 : ή γάρ &ειοτάτη καϊ τιμιωτάτη. Ibd. 982 b 4 άρχικωτάτη δε τών επιστημών, καϊ μάλλον αρχική της υπηρετούσης, ή γνωρίζουσα τίνος ένεκεν εστι πρακτέον εκαστον' τοϋτο δ* έστϊ ταγα&όν εν εκάστοις, δλως δε τό άριστον εν τη φύσει πάση. Ibd. 982 b 8: δει γάρ ταύτην τών πρώτων άρχων καϊ αίτιων είναι &εωρητικήν καϊ γάρ τάγα&όν καϊ τό ού ένεκα εν τών αίτιων εστίν. 2

3

4

5

:

2. Aristoteles

dafür bildet, daß es wahr ist Darum müssen also auch die Prinzipien dessen, was ewig ist, am meisten Wahrheit ent­ halten. . . . Ja, die Stufenfolge der Abhängigkeit im Sein ist also zugleich das Maß für den Grad der Wahrheit" . 1

1

Metaph. II (α) ι, 993 b 23 sq.: ούκ ϊσμεν δε τό άλη&εδ άνεν τηδ αϊτίαδ · εκαστον δε μάλιστα αυτό τών άλλων, κα& Β και τοϊδ άλλοις νπάρχει το σννώννμον, οίον τό πνρ &ερμότατον · και γαρ τοϊδ άλλοις τό αϊτιον τοντο τηδ &ερμότητοδ * ώστε και άληΰέστατον τό τοϊδ νστέροΐδ αϊτιον του άλη&έσιν είναι, διό τάδ τών άει όντων άρχάδ άναγκαϊον [άει] είναι άλη&εστάταδ* ού γαρ ποτε άλη&εϊς, ούδ' εκείναΐδ αϊτών τι τον είναι, άλλ' εκ είναι, τοϊδ άλλοις, ώσΟ' εκαστον ώ %χει τον είναι, ούτω και τηδ άλη&είαδ.

IL Die Lehre von ersten Prinzipien und Begriffen im spätantiken Denken und in der Frühscholastik I. Stoizismus, Neuplatonismus, A u g u s t i n u s , Boethius Die Fülle von Definitionen und Anregungen, die Aristoteles gegeben hat, freilich oft mehr im Bestreben, terminologische Klarheit zu schaffen, fand zunächst keine annähernd gleich umfängliche, weitere Bearbeitung. Die hellenistisch-römische Philosophie hatte andere Interessen. Aber auch sie spricht gelegentlich von Prinzipien und Grundsätzen und hat der Scholastik einige nicht unbedeutende Formulierungen hierüber hinterlassen. So geht auf die S t o i k e r zurück, wenn von notiones communes und von Vorannahmen gesprochen wird, die wie Samen eingepflanzt seien. Manche Begriffe sind von jeweils eigentümlicher Färbung, andere sind allen Menschen gemeinsam, und in der Seele ruht eine Anlage, die letzteren Begriffe schnell zu erfassen . Ein Stoiker, S e n e c a , war es auch, der die Ver1

1

Zur stoischen Kategorienlehre vgl. F r i e d r . Ad. T r e n d e l e n b u r g , Geschichte der Kategorienlehre (Histor. Beiträge zur Philosophie) Berlin 1846 p. 218sq.; E . . Z e l l e r , Philosophie der Griechen (III 1) 3. Aufl. Bd. 4, Leipzig 1880 p. 74 sq.; Ρ1 u t a r c h, Περϊ τών κοινών εννοιών προς τους Στωικούς, Moralia ed. G. Ν. Bernadakis vol. VI Leipzig 1895 p. 284 sq.; Fragm. de anima 2, vol. VII Leipzig 1896 p. 28; D i o g e n e s L a e r t i u s ed. Cobet, Paris 1850 1. VII 1, 37, p. 1 7 1 : δ δε Χρύσιππος διαφερόμενος προς αυτόν εν τφ πρώτφ περϊ λόγον κριτήρια φησιν είναι αϊσθησιν καϊ πρόληψιν. %στι δ" ή πρόληχρις έννοια ψνσική τών καθόλον. Ibd.: φνσικώς δε νοείται δίκαιον τι καϊ αγαθόν. C i c e r o ed. C. F. W. Mueller, Leipzig 1910, De natura deorum 1. II, c. 4 § 12 (Pars IV vol. 2 p. 51), Tusculan. disput. 1. I, c. 24 § 5 7 ; De legibus I, c. 8 § 24; De

ι. Stoizismus, Neuplatonismus,

Augustinus,

Boethius

17

Schmelzung der aristotelischen Vier-Ursachenlehre mit der pla­ tonischen Ideenlehre in der Weise vornahm, daß er eine fünfte Ursachenklasse einführte \ Ähnlich deutete A u g u s t i n u s seinerseits die Ideen im christlichen Geiste als göttliche Gedanken und ewige unwandel­ bare Vorbilder und Urgründe aller geschaffenen Dinge. Er bahnte damit die scholastische Lehre von den causae exemplares an . Augustinus hat auch den platonischen Lichtgedanken in 2

finib. 1. III, c. 10 § 33 sq. über angeborene Kenntnisse. S e n e c a , Ad Lucilium Epistolae (ed. Hense, Leipzig 1898 S. 567) 1. X X , Ep. 3 (Ep. 120 tot. operis): . . . quomodo ad nos prima boni honestique notitia pervenerit; hoc nos natura docere non potuit: semina nobis scientiae dedit, scientiam non dedit. Vgl. auch Ep. 1 1 7 , 6. Ferner J u s t i n u s M a r t y r , Apologia secunda c. 6, Migne PGr. t. 6 Sp. 453: ε'μψντος rfj φύσει τών ανθρώπωνί ibd. 8: σπέρμα λόγον ϊμφυιον. Auch E u k l i d spricht von κοιναϊ έννοιαι Elementa (Στοιχεία) 1. I ed. J . L . Heiberg et H. Menger, Leipzig 1883 vol. 1 S. 10. S e n e c a , Ad. Lucilium Epist. moral. 1. VII Ep. 3 (Ep. 65 tot. operis) ed Hense p. 190 sq.: His quintam Plato adicit exemplar, quam ipse ideam vocat: hoc est enim, ad quod respiciens artifex id, quod destinabat, efficit. Nihil autem ad rem pertinet, utrum foris habeat exemplar, ad quod referat oculos, an intus, quod ibi ipse concepit et posuit. Haec exemplaria rerum omnium deus intra se habet numerosque universorum, quae agenda sunt, et modos mente complexus est: plenus his figuris est, quas Plato ideas appellat immortales, immutabiles, infatigabiles. Itaque homines quidem pereunt, ipsa autem humanitas, ad quam homo effingitur, permanet et hominibus laborantibus, intereuntibus illa nihil patitur. Quinque ergo causae sunt, ut Plato dicit: id ex quo, id a quo, id in quo, id ad quod, id propter quod. 1

2

A u g u s t i n u s , Confess 1. XI c. 5, Migne P L t. 32 Sp. 811 sq.; De genes, ad litter. 1. V c. 13, 1. IX c. 17, P L 34 Sp. 331 sq. n. 406; De divers, quaest. LXXXIII qu. 46, P L 40 Sp. 29sq.; De trinitate 1. III c. 8—9, P L 42 Sp. 875. Auch bei griechischen Vätern finden sich Ansätze zur Lehre von den Vorbildern in Gott, die auch in einer Schriftstelle Coloss. I, 1 5 — 1 7 ihre Be­ gründung hat. Vgl. O r i g e n e s , De principiis (περι άρχων) 1. I c. 2, 2; PGr 11 Sp. 131 C: In hac ipsa Sapientiae subsistentia, quia omnis virtus ac deformatio futurae inerat creaturae, . . . continet . . . in semetipsa universae creaturae vel initia vel formas vel species. D i o n y s i u s A r e o p a g i t a , De divinis nominib. cap. 7 § 2 PGr 3, Sp. 870. Die Scholastiker folgen im Wesentlichen Augustinus, aber namentlich der Hochscholastik war es klar, daß hier plato­ nische Lehren nachwirkten. So sagt T h o m a s , S. theol. I qu. 15 art 3 c ; Cum ideae a Piatone ponerentur principia cognitionis rerum et generationis ipsarum, ad utrumque se habet idea, pront in mente divina ponitur. Forschungen z. G e s c h . d. Philos. u. d. Päd.

I V . 2.

2

l8

LI. Die Lehre von ersten Prinzipien

und Begriffen

usw.

seine Lehre von den ersten allgemeinen ewigen Wahrheiten hinübergenommen. Die ewigen allen gemeinsamen Wahrheiten sind ein Abglanz der göttlichen Wahrheit und wir werden ihrer durch das Licht der ewigen Vernunft inne, das über uns leuchtet \ Nicht im Zusammenhange mit dieser mehr idealistischen Erkenntnislehre, sondern mehr in Abhängigkeit vom Neuplatonismus spricht Augustinus auch über die Grundbegriffe Sein und Einheit. „Das Sein", so führt er aus, „ist nichts anderes als Eines-Sein. Daher ist etwas insoweit, als es Einheit erlangt. Tätigkeit, Ubereinstimmung und Einklang, wodurch zusammengesetzte Dinge ihr Sein haben, insoweit sie es haben, (sind Funktionen der Einheit) gehören zur Einheit. Denn ein­ fache Dinge sind durch sich, weil sie eins sind. Was aber nicht einfach ist, ahmt durch Zusammenstimmen der Teile die Einheit nach und ist insoweit, als es sie erreicht" . Neben diesen Definitionen Augustins wird von den Scholastikern auch das Diktum: „Wahrheit ist das, was ist" viel zitiert. 2

3

1

A u g u s t i n u s , Retract. I c. 4 n. 4 P L 32 Sp. 590: praesens est eis, quantum id capere possunt, lumen rationis aeternae, ubi haec immutabilia vera conspiciunt. Confess. 1. X , c. 40 n. 65, P L 32 Sp. 807. De trinitate 1. IX c. 6, P L 42 Sp. 966: Sed intuemur inviolabilem veritatem, ex qua perfecte, quantum possumus, definiamus, non qualis sit uniuscuiusque hominis mens, sed qualis esse sempiternis rationibus debeat. Ibd. 1. XII c. 15 P L 42 Sp. 1 0 1 1 : Sed potius credendum est mentis intellectualis ita conditam esse naturam, ut rebus intelligibilibus naturali ordine, disponente Conditore, subiuncta sie ista videat in quadam luce sui generis incorporea, quemadmodum oculus carnis videt, quae in hac corperea luce circum adiacent, cuius lucis capax eique congruens est creatus. Vgl. hierzu noch besonders AI. S c h m i d , Erkenntnislehre I. Bd. Freiburg 1890 S. 374fg.; M. B a u m g a r t n e r , Augustinus in „Große Denker" (S. o. Anm. S. 2) S. 262 fg. A u g u s t i n u s , De moribus Manichaeorum 1. II c. 6 P L 32 Sp. 1348: Nihil est autem esse, quam unum esse. Itaque inquantum quidque unitatem adipiscitur intantum est. Unitatis est enim operatio, convenientia et concordia, qua sunt, quantum sunt ea, quae composita sunt; nam simplicia per se sunt quia una sunt; quae autem non sunt simplicia concordia partium imitantur unitatem et intantum sunt, inquantum assequuntur. Vgl. auch De vera religione c. 32, n. 60 u. c. 34 n. 63. Soliloqu. 1. II c. 5, P L 32 Sp. 889: Veritas est id quod est. 2

8

ι. Stoizisvms, Neuplatonisnms,

Augustinus,

Boethius

19

Für eine neue Fassung des Seinsbegriffes in der Folgezeit sind aber noch andere, vorwiegend neuplatonische Anregungen fruchtbar geworden. Es ist die neuplatonische Fortbildung des aristotelischen Gedankens von der Analogie des Seins, der auf die Scholastik einwirkte, hauptsächlich durch P s e u d o - D i o n y s i u s A r e o p a g i t a , durch P r o c l u s und von ihm abhängige Schriften \ Der Neuplatonismus übernimmt die aristotelische Lehre von der Einheit als Seinsgrund jedes Dinges . Ferner lehrte Aristoteles, daß in dem absoluten Prinzip der höchste Grad von Wahrheit und Güte zu finden und ihm auch nichts, ent­ gegengesetzt sei. Aber der Neuplatonismus betont , daß dieses Sein schlechthin erhaben sei über alles von ihm Abhängige und Verursachte. Es sei zwar die Einheit, die vor jeder Viel­ heit stehen muß, — ein ursprünglich arithmetisches Axiom, das der Neuplatonismus metaphysisch deutet , — aber von dieser Einheit sei darum jedes Ding verschieden . Gleichwohl ist jedes Ding nur eines durch Teilnahme an dem Einen . Das sv ist geradezu die Gottheit für den eleatisch beeinflußten Neuplatonismus. Dieses enthalte die Vollkommenheiten seiner 2

3

4

5

6

1

P r o c l u s , Στο*χείωσις θεολογική, Institutio theologica ed. F r . C r e u ζ e r , Frankfurt a. M. 1822. Von Proclus abhängig ist einerseits D i o n y s i u s P s e u d o - A r e o p a g i t a , andererseits auch arabische und jüdische Philosophen, vor allem der auch im christlichen Mittelalter vielzitierte „ L i b e r de c a u s i s " : O. B a r d e n h e w e r , Die pseudo-aristotelische Schrift über das reine Gute, be­ kannt unter dem Namen Liber de causis, hersg., übers., erl. Freiburg 1882; und I b n G e b i r o l [Avencebrol] Fons vitae, Übersetzung des Joh. Hispanus und Dominicus Gundissalinus hrsg. v. C l . B a e u m k e r (Beitr. z. G. d. Ph. d. M. I 2—4) Münster 1895. 2

P r o c l u s , Instit. theol. § 1 3 : τό σωστικόν καϊ σννεκτικόν της έκαστων ουσίας εστι τό εν τφ γάρ ενϊ σώζεται πάντα και ό σκεδασμός εκαστον εξίστησι της ουσίας. Vgl. zu P l o t i n : Z e l l e r , Philosophie der Griechen IIIb, 4. Aufl., Leipzig 1903 S. 529fg.; T r e n d e l e n b u r g , Kategorienlehre 1. c. S. 232fg. P l o t i n , Enneaden V 8, I ed. Mueller, Berlin 1880, II S. 203: καϊ τό πρώτον ποιούν παν καθ αυτό κρείττον είναι δεΧ τοϋ ποιούμενου. D i o n y s i u s A r e o p a g i t a , De devin. nomin. c. 13 § 2—3 (s. u.) PGr. 3 Sp. 9 7 7 — 7 9 ; vgl. auch ibd. c. 5, § 6 PGr 3, Sp. 820. P r o c l u s , Instit. theol. § 4: παν τό ήνωμένον ετερόν εστι τοϋ αύτοενός. 3

?

4

5

6

Ibd. § 3· πάν

τ

0

γιγνόμενον εν μεθέξει

τοϋ ενός γίγνεται

εν.

2*

IL Die Lehre von ersten Prinzipien

20

und Begriffen

usw.

Wirkungen in ganz überragender (die Scholastik sagt: eminenter) Weise, und vom bedingten, gewordenen Sein ausgehend, könne man vom absoluten Sein nur per analogiam sprechen \ Die gewöhnlichen Aussagen (die Prädikamente) und Benennungen treffen es darum nicht eigentlich (Negative Theologie). Es ist ein Übersein, und des Pseudo-Dionysius im Mittelalter so viel gelesene Bücher von den „Göttlichen Namen" und von der „Mystischen Theologie" schwelgen förmlich in Variationen des Gedankens, wie unerreichbar für alle Aussagen und jenseits aller Erkenntnis das göttliche Sein in leuchtender Finsternis verborgen sei . Es ist auch das Gute, an dem alles teilhat. Güte ist darum womöglich noch allgemeiner als Sein . Auch geschieht alles um des Guten willen . Welche Anregungen hier den Späteren geboten wurden, den Unterschied von prädikamentalem und überprädikamentalem (transzendentalem) Sein herauszuarbeiten, liegt für uns offen zutage. Die Folge­ zeit selbst hat aber nur zögernd zugegriffen. Neben der Tradition der christlichen Väter, in die, wie angedeutet, vor allem auch stoische und neuplatonische Lehren \^erwoben waren, bildete sich im spätantiken Denken auch eine 2

3

4

1

D i o n y s i u s A r e o p a g i t a , De divin. nom. c. 2 § 8 u. c. 9 § 6 PGr 3 Sp. 646 u. 914. Anklänge schon bei C l e m e n s A l e x a n d r i n u s und O r i g e n e s . Ibd. c. 13, § 2 PGr 3 Sp. 978: Unus autem quia est omnia unice secundum excellentiam unius unitatis et omnium causa, non amittendo suam unitatem; nihil enim illius unius expers est, sed quemadmodum omnis numerus participat unitatem . . ., similiter etiam omnia et quaelibet particula particeps est unius et hoc ipso quo quid unum sunt, etiam omnia sunt quaecunque sunt. . . . Neque enim unquam multitudo expers est unius . . neque quidquam est in rerum natura quod non secundum aliquid participet unum in illo, quod per omnia unicum est et omnia etiam tota universa et opposita unice anticipavit. Ac sine uno quidem non erit multitudo, sed sine multitudine erit unum, sicut et unitas ante omnem numerum multiplicatum. Myst. theol. § 3 , PGr 3 Sp. I O O I : επέκεινα τών δλων. D i o n y s i u s A r e o p a g i t a , De divin. nom. c. 4 § 4, 6, 7 u. 10, PGr 3, Sp. 698 sq.: Bonum et lumen intelligibile et pulchrum sunt idem et bonitas est ratio aliquo modo communior ente et comprehendens omnes participationes divinas quae sunt in entibus. Ibd. c. 4 § 7 PGr 3 Sp. 704 Β : τον καλόν καϊ άγαθον κατά. πασαν αϊτίαν πάντα εγίεται. Letzte Quelle ist P i a t o n , Phaedon 100D. 2

3

4

ι, Stoizismus, Neuplatonismus,

Augustinus, Boethius

21

aristotelisierende Richtung heraus, die in der Frühscholastik fortwirkte. Von den antiken Kommentatoren des Aristoteles: Andronikus, Alexander von Aphrodisias, Themistius, Porphyrius, Boethius, Simplicius u. a. hat vor allem B o e t h i u s die Früh­ scholastik nachhaltig beeinflußt. Seine Übersetzungen und Er­ läuterungen zu den logischen Schriften des Stagiriten wurden viel gelesen und brachten aristotelisches Gedankengut und aristotelische Kunstausdrücke in die Frühscholastik hinein. Aus dem Kommentar des Boethius zu Porphyrius' Ein­ leitung in die Kategorien stammt das mittelalterliche Axiom: „Omne quod est, idcirco est, quia unum est" \ welches auch in der kleinen, dem Boethius fälschlich zugeschriebenen A b ­ handlung De unitate et uno wiederholt wird . Noch andere Grundsätze hat die Scholastik ausdrücklich dem Boethius ent­ nommen. Besonders wird in dieser Hinsicht oft angeführt seine Abhandlung über die Frage, wie Substanzen in ihrem Sein gut seien, gewöhnlich Liber de hebdomadibus genannt . Hier werden ausdrücklich erste Begriffe: Wesen, Dasein, Sub­ stanz, Anteilhaben, Einheit, Einfachheit und Zusammensetzung erörtert, allerdings mehr im neuplatonischen Sinne. Als Beispiel für allgemeine Verstandesbegriffe (communes animi conceptiones) werden hier solche Urteile oder Fest­ stellungen angeführt, die jeder sogleich beim Hören anerkennt, allerdings mit der Unterscheidung, daß einige allen Menschen ohne Ausnahme, andere nur den gelehrten und einsichtigen als derart sicher einleuchten. Zu den ersteren gehört der Satz: „Gleiches von Gleichem fortgenommen, ergibt Gleiches", zu den anderen: „Unkörperliches ist an keinem Orte." — In einem weiteren Grundsatz wird die später so wichtig gewordene 2

3

1

B o e t h i u s , Comment. in Porphyrium P L 64 Sp. 83 AB ; Consol. philos. 1. III pros. 11 P L 63 Sp. 772 A. De unitate et uno, bei Migne unter B o e t h i u s P L 63 Sp. 1075 Α: Cum autem desinit esse unum, desinit esse id quod est; unde est hoc: Quidquid est, ideo est, quod unum est. Noch bei D u n s S c o t u s , De rerum principio (s.u.) qu. 17, p. 593 b : Omne quod est tamdiu est, quamdiu unum est. B o e t h i u s , Quomodo substantiae in eo quod sint, bonae sint, cum non sint substantialia bona, liber (De hebdomadibus) P L 64 Sp. 1311 sq. 2

8

22

IL Die Lehre von ersten Prinzipien

und Begriffen ttsw.

Unterscheidung von Wesenheit und Dasein vorweggenommen. — Das Sein selbst kann nicht an einem anderen teilhaben, wohl- aber das, was etwas ist: das Wesen. — Nur zu sein, kommt auch dem Accidenz, an und für sich zu sein der Sub­ stanz zu. — Beim Einfachen bilden das Sein und das Wasetwas-ist eine Einheit. — Bei allem Zusammengesetzten ist das Sein und das Was-etwas-ist verschieden \ 2. F r ü h s c h o l a s t i k Als die antike Kultur in den Stürmen der Völkerwanderung unterging und die kirchliche Wissenschaft in lateinischer Sprache über die chaotischen Wirren hinübergerettet werden mußte, fehlte es in jenen Jahrhunderten nicht an universellen und zusammenfassenden Geistern, wie Isidor von Sevilla und Beda venerabilis, die möglichst viel Wissensstoff aus allen Gebieten zusammenzustellen und zu tradieren bemüht waren. Erst all­ mählich kam es zu mehr selbständiger Bearbeitung und Frage1

B o e t h i u s 1. c. 1311 AB sq.: Ut igitur in mathemalica fieri solet, caeterisque etiam disciplinis, proposui terminos regulasque quibus cuncta quae sequuntur efficiam. 1. Communis animi conceptio est enuntiatio, quam quisque probat auditam. Harum duplex modus est; nam ita una communis est, ut omnium hominum sit, velut si hanc proponas: Si duobus aequalibus aequalia auferas, quae relinquuntur aequalia esse; nullus id intelligens neget. Alia vero est doctorum tantum, quae tarnen ex talibus communis animi conceptionibus venit ut est: Quae incorporalia sunt, in loco non esse, et caetera, quae non vulgus sed docti comprobant. 2. Diversum est esse et id quod est; ipsum enim esse nondum est; at vero quod est, accepta essendi forma est atque consistit. 3. Quod est participare aliquo potest; sed ipsum esse nullo modo aliquo participat. Fit enim participatio, cum aliquid iam est, est autem aliquid cum esse susceperit. 4. Id quod est, habere aliquid praeterquam, quod ipsum est, potest; ipsum vero esse, nihil aliud praeter se habet admixtum. 5. Diversum est, tantum esse aliquid et esse aliquid in eo quod est: illic enim accidens, hic substantia significatur. 6. Omne quod est, participat eo quod est esse, ut sit; alio vero participat, ut aliquid sit; ac per hoc, id quod est, participat eο quod est esse ut sit; est vero ut participet alio quolibet. 7. Omne simplex esse suum et id quod est, unum habet. 8. Omni composito aliud est esse, aliud ipsum est. 9. Omnis diversitas discors, similitudo vero appetenda est; et quod appetit aliud, tale ipsum esse naturaliter ostenditur quäle est illud hoc ipsum quod appetit. — Zu der Unterscheidung von Urteilen, die verschieden deutlich einleuchten, vgl. man auch Aristoteles, Topic. I 1.

2.

Frühscholastik

23

Stellung, die den Verhältnissen entsprechend vorzugsweise theo­ logisch orientiert war. Doch wurden, wie erwähnt, auch Philo­ sophen, vor allem Boethius, gelesen und kommentiert. Die vorhin erwähnten Sätze des Boethius betrachtet sein Kommentator G i l b e r t u s P o r e t a n u s , der auch die Lehre vom „quod est" und „quo est" herausarbeitete, worauf später bei der Lehre von der Wesenheit und dem Dasein zurückzukommen sein wird, als feststehende regulae, αξιώματα, θεωρήματα und erhält so neun dignitates \ Wie schon bei den Neuplatonikern machen sich auch bei diesem Denker und seinen Zeitgenossen Einflüsse der Mathe­ matik geltend. Euklid wurde viel gelesen und als Autorität herangezogen. Besondere Klarheit war damit freilich noch nicht erreicht, wie überhaupt in der Frühscholastik die ver­ schiedenen Anregungen oft ziemlich unvermittelt nebeneinander hergehen. So geschah es auch in der Lehre vom Sein und 1

G i l b e r t u s P o r e t a n u s , In librum Boethii de hebdomadibus. P L 64, Sp. 1 3 1 4 D und 1 3 1 6 D . Auf ihn geht die in der vorhergehenden Anmerkung eingefügte Zählung von neun Grundsätzen bei Boethius zurück. Zu der be­ sonders in der Hochscholastik und später (s. u.) so wichtig gewordenen Lehre von Wesenheit und Dasein, die außer von Boethius und Gilbertus Poretanus auch von arabischen Einflüssen angeregt wurde vgl. S c h i n d e l e , Zur Ge­ schichte der Unterscheidung von Wesenheit und Dasein in der Scholastik, München 1900; A. S c h n e i d e r , Die Psychologie Alberts des Großen, B. z. G. d. Ph. d. Μ. IV 6 S. 393fg. AI. R i t t l e r , Wesenheit und Dasein in den Geschöpfen nach der Lehre des hl. Thomas von Aquin, Regensburg 1888. G. F e l d n e r , Das Verhältnis der Wesenheit zu dem Dasein in den geschaffenen Dingen nach der Lehre des hl. Thomas von Aquin, Jahrbuch f. Philos. u. spekul. Theol. 1891—92; B. F e l c h l i n , Über den realen Unterschied zwischen Wesenheit und Dasein in den Geschöpfen nach St. Thomas, Zeitschr. f. kath. Theol. 1892, S. 82—96; 428—445. Inbetreff der Araber vgl. A l f ä r ä b i s philosophische Abhandlungen übers, von F. D i e t e r i c i , Leiden 1892 S. 108fg.; H. D e n i f l e , Archiv für Litteratur- und Kirchengeschichte des Mittelalters II, 1886 S. 486fg. (über A v i c e n n a ) ; I b n G e b i r o l , Fons vitae 1. c. V, 24: causa efficiens est extra essentiam causati. Die griech. Ausdrücke hat Gilbertus zweifellos aus A r i s t o t e l e s und E u k l i d , der im Beginn der Elementa solche Axiome aufzählt. S. 1. c. (o. Anm. S. 16/17 Ende) S. 5 sq. Vgl. ferner zu G i l b e r t u s und zu den im weiteren aufgeführten Autoren jeweils die Hinweise auf Arbeiten zu ontologischen Lehren derselben in Überweg, Grundriß der Geschichte der Philosophie II: B e r n h . G e y e r , Die patristische und scholastische Philosophie, Berlin 1928.

IL Die Lehre von ersten Prinzipien

24

und Begriffen

usw.

von der Einheit. Dem Boethius wurde lange die vielgelesene Abhandlung „De unitate et uno" zugeschrieben. Sie hat aber, wie Correns nachgewiesen hat, den Spanier D o m i n i c u s G u n d i s s a l i n u s (Mitte des 12. Jahrhunderts) zum Verfasser und verwendet reichlich neuplatonische Gedanken, und zwar schon auf dem Umwege über die arabische Philosophie \ Nach dieser Schrift „De unitate et uno" ist Einheit das, wonach von jeder Sache ausgesagt wird, daß sie eine sei, ob sie nun einfach oder zusammengesetzt, geistig oder körperlich ist; die Sache ist durch die Einheit eine und kann auch nur durch Einheit eine sein, wie sie weiß ist nur durch die Weiße und groß nur durch Quantität. Sie ist aber nicht nur durch Einheit eine, sondern es ist etwas solange auch das, was es ist, solange es in sich Einheit ist . Im weiteren handelt Gundissalinus dann von der Vereinigung von Materie und Form und den Abstufungen im Reiche des Seins und der Einheiten, den ver­ schiedenen Einheitsformen und den verschiedenen Bedeutungen, in denen man von Einheit spricht. Die höchste und einfachste Einheitsweise komme Gott zu . „So erstrebt alles die Einheit, daß sogar das, was vieles ist, eins genannt werden will. Alles nämlich erreicht das, was es ist, entweder durch wahre Einheit oder täuscht sie fälschlich vor" . Neuplatonische Anregungen sind wie hier auch sonst in der Frühscholastik lebendig, wenn sie auch nicht immer so 2

3

4

1

P. C o r r e n s , Die dem Boethius fälschlich zugeschriebene Abhandlung des Dominicus Gundisalvi „De unitate". Herausgeg. und philosophiegeschichtlich behandelt, B. z. G. d. Ph. d. Μ. I, ι Münster 1891. G u n d i s a l v i , De unitate et uho 1. c. (1075 Α P L 63): Unitas est qua unaquaeque res dicitur esse una: sive enim sit simplex, sive composita, sive spiritualis sive corporea, res unitate una est, nec potest esse una nisi unitate sicut alba nise albedine nec quanta nisi quantitate. Ibd. (1077 D): Propter hanc diversitatem formae unitatis, non uno modo sed pluribus dicitur aliquid ab unitate unum. Unum enim aliud est essentiae simplicitate unum ut Deus; aliud etc. . . . Ibd. (1078 BC): Sic omnia unitatem appetunt, ut etiam ea multa sunt, quae unum dici volunt. Quaecumque enim sunt id quod sunt, aut vera unitate esse nituntur, aut eam simulando mentiuntur. Der bei Migne sehr schlechte Text nach Correns verbessert. Vgl. die auffallende Ähnlichkeit dieser Stelle mit dem oben (s. Anm. S. 18) aus Augustinus, De morib. Manich. gegebenen Zitat. 2

3

4

2.

Frühscholastik



stark wie bei J o h a n n e s S c o t t u s (Eriugena) vorherrschen \ Aber sie lassen es bei keinem der Frühscholastiker zu einem ausgesprochenen Aristotelismus kommen. A n s e l m von Canterbury, um noch einige Vertreter zu nennen, erkennt verschiedene oberste Begriffe und Grundsätze an: das Wahre, das Gute, das Schöne und spricht auch von der bleibenden Geltung der Wahrheit . Er lehrt ferner, daß unser Geist ein ursprüng­ liches Streben nach Einheit habe, und daß, wo ihm eine Viel­ heit und Mannigfaltigkeit gegenübertrete, er sie auf ein Gemein­ sames und Eines zurückzuführen suche . Er spricht auch von propositiones per se notae , aber alles bleibt nur mehr an­ gedeutet und völlig von Augustinus und Dionysius abhängig. Ähnlich hat auch A l a n u s de I n s u l i s viele ontologische Grundsätze teils aristotelischer, teils neuplatonischer Herkunft übernommen , aber in unserer Frage nach ersten überprädikamentalen Seinsbestimmungen nichts von Bedeutung vor­ gebracht. Und das gilt auch von den sonstigen Frühscholastikern. Erst als durch arabische Anregungen und zunächst auf dem Wege über die Artistenfakultäten der Aristotelismus im christ­ lichen Abendlande Boden gewann, kam die Beschäftigung mit diesem Problem nach der von A b ä l a r d herausgearbeiteten Sic-et-non-Methode in Fluß. Denn die vielen, mit dem Aristo­ telismus neu übernommenen, lehrsatzartigen metaphysischen Definitionen zwangen auch bei verschiedenen theologischen Erörterungen zu neuen Fragestellungen (difficultates und obiectiones) und so wurden oft genug auch die philosophischen Gedankengänge weiter gesponnen, denen um ihrer selbst willen nur geringere Beachtung geschenkt worden wäre. 2

8

4

5

1

Vgl. A. S c h n e i d e r , Die Erkenntnislehre des Johannes Eriugena, Berlin-Leipzig 1921/23. A n s e l m , De veritate c 13, P L 158 Sp. 4 8 5 B C ; vgl. J . F i s c h e r , Die Erkenntnislehre Anselms von Canterbury, B. z. G. d. Ph. d. Μ. X , 3, Münster 1 9 1 1 , S. 32fg. Α η s e 1 m, Monolog, c. 1—4; P L 158 Sp. i 4 4 C s q . A n s e l m , De grammat. c. 3 P L 158 Sp. 563 AB. Vgl. hierüber M. B a u m g a r t n e r , Die Philosophie des Alanus de In­ sulis im Zusammenhange mit den Anschauungen des 12. Jahrhunderts, B. z. G. d. Ph. d. Μ. II, 4, Münster 1896 S. 38 fg. 2

3

4

5

III. Die Lehre von den Transcendentalien in der Hochscholastik Die Entwicklung der Scholastik in Abwehr und auch wieder Verwertung der arabischen Philosophie führte im 13. Jahrhundert zur intensiven Beschäftigung mit den Haupt­ werken des Aristoteles, die man bald nicht nur in ihrer arabischen Interpretation und Beleuchtung, sondern auch durch lateinische Übersetzungen aus dem Griechischen kennen lernte. Damit war eine umfangreiche Kommentierungsarbeit verbunden. Da gleichzeitig die Glossierung der Sentenzen des Petrus Lombardus sich fortsetzte, so drängte diese Entwicklung die Gelehrten zu Versuchen, Zusammenfassungen des ungeheuer angeschwollenen Stoffes zu geben. Es ist die Zeit der großen Summisten. Wer sich in ihre Werke vertieft, erkennt bald als eine Eigentümlichkeit ihres wissenschaftlichen Betriebes, daß lange Gedankengänge, oft nur wenig durch den Stil des ein­ zelnen modifiziert, übernommen und weitergeben werden, nicht selten mit denselben Zitaten aus älteren Autoren geschmückt. Da aus diesen älteren zwar mit Namennennung zitiert wurde, das Weitergeben neu aufgetauchter Gedankengänge dagegen stillschweigend erfolgte, so hält es oft schwer, die Urheber dieser zu fixieren. Unter den älteren Summisten genießt be­ sonderen Ruf A l e x a n d e r v o n H a i e s . In der Behandlung der Frage nach den allgemeinsten Seinsbestimmungen sind seine allerdings gelegentlichen Formulierungen insofern von entschiedener Nachwirkung gewesen; als er ausdrücklich schon die Dreiheit Unum, verum, bonum zusammenstellt, deren Ord­ nung und Zählung wohl auf arabische Kommentatoren des

7. Albertus

Magnus

27

Aristoteles zurückgeht. Er führt sie seinerseits auf die drei­ fache Konformität der Dinge mit Gott als causa efficiens, exemplaris und finalis zurück. Von Gott dem Einen haben alle Wirkungen auch ihre Einheit, auf seine vorbildlichen Ideen geht die Wahrheit alles Seienden zurück und nach ihm als dem höchsten Gut streben die Dinge zweckvoll als nach ihrem Ziel \ Von den Vertretern der Hochscholastik mögen im folgenden vier ausführlicher zu Worte kommen: Albertus Magnus, Thomas von Aquin, Duns Scotus und Olivi. 1. A l b e r t u s M a g n u s A l b e r t u s M a g n u s folgt dem Alexander von Haies, indem er sich gleichfalls auf die Dreizahl der ersten Seins­ bestimmungen beschränkt, ohne aber das Problem der Dreizahl an dieser Stelle selbst zu erörtern. Dafür bringt er aber sachlich eine Fülle von Bemerkungen zur näheren Bestimmung dieser Begriffe. Er schöpft aus der Fülle seiner großen Belesenheit, ohne freilich zu einer harmonischen Zusammenfassung zu ge­ langen. Einleitend bemerkt er, daß diesen drei Begriffen eigen­ tümlich sei, ihrem ganzen Gehalt nach von Gott zu gelten . 2

1

Über diese Formulierungen des A l e x a n d e r v o n H a i e s vgl. C. W e r n e r , Franz Suarez und die Scholastik der letzten Jahrhunderte (Neue Ausgabe, Regensburg 1889, Bd. 2, S. 3. A l e x a n d e r H a l e n s i s , Summa theologica, Coloniae 1622 Ρ I qu. 13, init.: Addiuante Dei gratia ordine consequenti inquirendum est de unitate, veritate, bonitate divinae naturae: quia hae tres intentiones sunt unius coordinationis. Et quantum ad primum (ut clarius flat, quod quaerendum est circa divinam unitatem) in primis sunt quaerenda ista quantum ad intentionem unius et unitatis. A l b e r t u s M a g n u s , Opera omnia ed. Borgnet, Paris 1890—99. Da­ selbst Bd. 31, 32, 33 die Summa theologiae, von der Pars I tract. 6 de uno, vero et bono handelt. Ibd. Initium: . . . de consequentibus intellectibus, qui secundum omnem intellectum in Deo esse ponuntur, hoc est de uno, vero, bono. Ex hoc enim ipso, quod essentia eius intelligitur, quae non potest non esse, et non potest cogitari non esse, intelligitur unum esse. Et ex hoc quod intelligitur nihil admixtum habere, intelligitur verum esse. Et ex hoc ipso quod intelligitur incommutabile et aeternum, nihil accipiens, nihil perdens intelligitur summum 2

28

Die Lehre von den Transcendentalien

in der

Hochscholastik

Sodann spricht er von der Einheit im einzelnen und gibt zu­ nächst einen Überblick über die Unterscheidungen und Defi­ nitionen des unum nach Dionysius, Aristoteles, Algazel, Avicenna, Boethius (Gundisalvi), Bernardus, Proklus, Euklid. Be­ sonders des Aristoteles, dem dritten Buche der Physik ent­ lehnte Definition: „unum est indivisum in se et divisum ab aliis" und des Euklid Bestimmung „unitas est, qua quaelibet res est una" werden betont \ Sie gelten in erster Linie vom unum per se und dann erst vom unum per participationem . Einheit und Eins sind formal genommen nicht verschieden, sondern nur der Betrachtungsweise nach, je nachdem ob es sich um Konkretes oder Abstraktes handelt. Einheit nämlich bedeutet die Form, das Eine aber besagt, daß eine Form in dem, was ist, ausgegossen (verwirklicht) ist. Es sind also in Wirklichkeit die Einheit, auf Grund deren eine Sache eine genannt wird, und die Sache selbst, die eine genannt wird, nicht verschieden . Auch was die Gegenüberstellung von Einem und Vielem anlangt, so referiert Albertus Magnus die verschiedensten An­ sichten und trifft selbst die Feststellung: Eines und Vieles sind sich entgegengesetzt wie privatio und habitus, und zwar be­ deutet das Viele die privatio, das Eine den habitus . Das Eine 2

3

4

bonum esse. Im Kommentar zur aristotelischen Metaphysik (ed. Borguet t. 6) bietet Albert nicht viel Eigenes. Ibd. Qu. 24 De uno, membr. 1 : de multiplicitate unius. Ibd. membr. 2 solutio 1: Ad haec et similia dicendum, quod unum cum dicitur indivisum in se et divisum ab aliis, communiter notificatur ad unum per se et ad unum per participationem. Sed sicut unum per prius et posterius dicitur de per se uno et de eo, quod per se unum est: ita notificatio unius per prius convenit uni per se et per posterius ei quod est unum per participationem. Ibd. solut. 2: Unitas et unum formaliter acceptum non differunt nisi in modo tantum scihcet concretionis et abstractionis. Unitas enim dicit formam; unum autem dicit formae diffusionem in eo quod est. Et sie patet, quod haec ad diversa non pertinent, nec numerum faciunt nisi in modo tantum. . . . Et sie non oportet, quod diversa sint re unitas, qua res dicitur una, et res quae una dicitur. Ibd. membr. 3. De oppositione unius ad multa. Solut.: Unum et multa opponuntur u privatio et habitus: et multum dicit privationem et unum habitum. 1

2

3

4

ι. Albertus

Magnus

29

als Prinzip der Unterscheidung diskreter Teile ist das Eine in der Kategorie der Quantität. Nicht so verhält es sich mit dem Einen, was zu den ersten begrifflichen Erfassungen gehört; sondern dies Eine konstituiert die diskrete Vielheit. Eine solche Vielheit ist nämlich eine Ansammlung, gezählt durch das Eine (d. h. als Eine) \ Mit ganz besonderer Wertschätzung spricht aber Albertus von den Distinktionen, die Algazel (Al-Ghazäli) gegeben hat und die er selbst annimmt. Danach ist das Eine schlechthin von dem Einen in gewisser Hinsicht zu unterscheiden. Schlecht­ hin Eines kommt in dreifacher Bedeutung vor: Einmal das Eine, in dem keine Vielheit ist, weder aktuell noch potentiell, wie eine Einheit, ein Punkt, ein Gott. Dann zweitens das Eine, in dem Vielheit potentiell, aber nicht aktuell enthalten ist, wie ein Wasser, eine Luft, ein Fleisch, ein Kontinuum. Drittens das Eine, in dem sowohl potentiell als auch aktuell Vielheit vorkommt, wie ein Mensch, eine Hand, ein Kopf. Un­ eigentlich Eines oder nur in gewisser Hinsicht Eines sind da­ gegen alle zur Einheit gerechneten, in Wirklichkeit diskreten Vielheiten, Ansammlungen und Anhäufungen . Ähnlich wie bei der Untersuchung der Einheit geht Albertus bei der des Wahren vor. Ja er zieht hier zur Distinktion des Unum simpliciter und des Unum secundum quid die aus­ drückliche Parallele, indem er ein verum per prius und per posterius unterscheidet. Vom ersten spricht man bei den Prinzipien, vom zweiten bei dem von den Prinzipien Abhängigen 2

1

Ibd. ad 3: Unum acceptum ut principium discretionis est unum in genere quantitatis; et hoc non est unum, quod est de primis intentionibus, sed est unum discretam multitudinem constituens: talis enim multitudo est aggregatio numerata per unum. Ibd. qu. 24 membr. I : Unde omnibus his (anderen Philosophen) rationalius distinguit unum Algazel dicens quod unum est simpliciter et unum secundum quid. Simpliciter unum tribus modis, scilicet in quo non est multitudo, nec actu nec potentia, ut unitas una, punctum unum, Deus unus. Secundo in quo est multi­ tudo potentia, sed non actu, ut aqua una, aer unus, caro unum, continuum unum. Tertio in quo est multitudo actu et potentia, ut homo unus, manus una, caput unum. 2

III* Die Lehre von den Transcendentalien

in der

Hochscholastik

(Principiatum). Er beruft sich auf die augustinische Erkenntnis­ lehre, die ja im 13. Jahrhundert noch ausgesprochene Vertreter fand (so an Matthaeus von Aquasparta, Bonaventura, Heinrich von Gent), wonach wir im Lichte der ersten Wahrheit und ersten Ursache, deren Strahlen die allgemeinsten Begriffe des Geistes sind, die dem Intellekt mit anerschaffen wurden, über alles Wahre urteilen. Was die Prinzipiate betrifft, so haben wir vom Wahren per prius bei zusammengesetzten Aussagen, bei Sätzen (complexa) zu sprechen, während ihre Bestandteile, die Begriffe (incomplexa) zunächst nur eine Eignung zur Wahr­ heit haben und an ihr nur mehr teilhaben \ Von A v i c e n n a (Ibn Sinä) übernimmt sodann Albert die mehr ontologische Definition: „Wie sich eine Sache zum Sein verhält, so verhält sie sich auch zur Wahrheit"; die erste Ur­ sache ist zugleich die allerwahrste, eine Anschauung, die durch­ aus auf Aristoteles zurückgeht . Auf die Frage schließlich, ob das Wahre oder die Wahrheit von allen Dingen und Erkennt2

1

Ibd. qu. 25 De vero, membr. I , solutio: . . . Ita est etiam in vero, quod verum dicitur per prius et posterius. Et verum quidem per prius est in principiis, secundo autem in principiatis secundum primam divisionem. Et secundum hoc verum primum est, quo iudicamus de omni vero. Unde Augustinus in libro De vera religione: „Veritas prima est, secundum quam de inferioribüs iudicamus", et ibidem: „Veritas est lux intelligibilis". Sicut enim in antehabitis dictum est, splendor intellectus primae causae, cuius radii sunt communes animi conceptiones intellectui concreatae, illud est verum, quod per prius verum dicitur, et quo iudicamus de omni vero: primo quidem per lucem primae causae: se­ cundo autem et quasi instrumentaliter per lucem principiorum, per quae cognoscimus principiata: omnia enim quae cognoscimus, probamus ad illa. In prin­ cipiatis autem verum dicitur per prius de complexis: eo quod illa et vera sunt et modo veritatis enuntiantur. Incomplexa autem licet verum participent, tarnen veritatis modo non designantur actualiter, quamvis aptitudinaliter enuntiari possint, ut scilicet quod sunt apta sie ad enuntiandum: quod enim sunt per se vel per accidens potest de ipsis enuntiari, et sie aptitudinaliter vera sunt. Et hoc attendens Philosophus dicit, quod in indivisibilibus sive incomplexis non est verum. 2

Ibd. Verius enim est, quod alienae naturae impermixtius est: et sie prima causa verissima est, et alia magis et minus vera, secundum quod in tali permixtione magis et minus accedunt ad primam causam. . . . Et universaliter dicit Avicenna: „Sicut se res habet ad esse, sie se habet ad veritatem". Vgl. A r i s t o t e l e s , Metaph. II («) 1, 993b oben zitiert Anm. S. 15.

ι. Albertus

Magnus

31

nissen univoce oder aequivoce ausgesagt werde, gibt Albert die Antwort: Weder das eine noch das andere, sondern per ana­ logiam. Zuerst und hauptsächlich sei sie im Lichte des gött­ lichen Intellektes, durch das wir über alles komplexe und in­ komplexe Wahre urteilen. Zweitens sei sie in dem, was diesen Urteilen als Instrument dient, sie möglich macht: nämlich in den Prinzipien. Drittens in dem,, was den Prinzipien unter­ steht, den Prinzipiaten, und zwar in diesen in stärkerem und geringerem Grade, je nachdem sie dem Lichte der ersten Ursache und dem Lichte der Prinzipien mehr oder weniger nahe stehen \ Den vielfachen Bestimmungen und Einteilungen des Wahren — Albertus führt die Ansichten des Isaac Israeli, Augustinus, Anselm, Avicenna, Aristoteles nacheinander auf — ist keine allzu große Bedeutung beizulegen (parum valent). Man muß sich immer vor Augen halten, daß es ganz verschiedene Be­ trachtungsweisen gibt. Man kann das Sein der Dinge selbst und dann seine erkenntnismäßige Erklärung gleicherweise als wahr bezeichnen, weshalb auch Aristoteles im ersten Buch der Physik sage, daß „die Prinzipien des Seins und Erkennens die­ selben sind". Für die erste Bestimmung des Wahren, insofern es das Sein der Dinge bedeutet, gilt die Definition des Avi­ cenna: „Wahrheit ist das Ungeteiltsein von Wesen und Dasein." Was die zweite Bestimmung des Wahren als der wahren Er­ kenntnis des Seins anlangt, so besagen die verschiedenen Defi­ nitionen in der Hauptsache mit Aristoteles: „Wahr ist die Übereinstimmung der Dinge und Erkenntnisse" . 2

1

A l b e r t u s M a g n u s 1. c. quaestio: Et si quaeratur, utrum verum vel veritas de omnibus his dicatur univoce vel aequivoce, dicendum, quod nec uni­ voce nec aequivoce sed per analogiam. Et primo quidem et principaliter est in luce divini intellectus, qua de omni vero complexo et incomplexo iudicamus. Secundo in his quae sunt ut instrumenta iudicii istius: hoc enim est in principiis. Tertio vero in principiatis et in his etiam magis et minus, secundum quod luci primae causae et luci principiorum magis et minus propinqua sunt. Ibd. membr. 2, solut. Ad haec et similia dicendum, quod parum valent disputationes tales. Multae enim definitiones assignari possunt veri secundum diversam veri considerationem. Hoc enim potest considerari secundum verum 2

III.

Die Lehre von den Transcendentalien

in der Hochscholastik

Schließlich gibt Albertus doch noch eine weitere Über­ sicht und Einteilung des Wahren, wie überhaupt seine Dar­ legungen mehr den Eindruck des Zusammengerafften als des streng Systematischen machen: Hierbei unterscheidet er drei Arten von Wahrheit. Die erste hängt der wahren Sache selbst an, als ihre Form und ihr Wesensbegriff, mit dem sie auch unter die Erkenntnis fällt. Die zweite Art von Wahrheit ist von den Dingen getrennt, gleichwohl aber durch Zueignung auf sie anwendbar, wie das Allgemeine auf das Besondere an­ wendbar ist. Und dies ist die Wahrheit der ersten Prinzipien, die immer dem Intellekt gegenwärtig ist, der das Allgemeine festhält, das Einzelne losläßt, und durch das Allgemeine, die ersten Prinzipien, sich auf die Dinge richtet: ζ. B. durch die Prinzipien, daß nichts zugleich bejaht und verneint werden kann und daß das Ganze größer ist als der Teil usw. Durch diese Wahrheit der ersten Prinzipien urteilen wir habituell über alles Wahre, indem wir das Allgemeine auf das Einzelne be­ ziehen. Was ihnen ähnlich ist, nennen wir wahr, was ihnen nicht entspricht, falsch. Und diese Wahrheit ist ihrer inneren Notwendigkeit nach unwandelbar, ihrer Anwendung nach auf Geschaffenes dagegen veränderlich. Die dritte Art von Wahr­ heit endlich ist die des Beispieles, des Vorbildes (der Idee) der beiden anderen vorgenannten Wahrheiten im göttlichen Geiste. esse rei absolute vel secundum quod sui declarativum est in intellectu habitu vel actu, secundum quod etiam Aristoteles dicit in primo Physicorum, quod „eadem sunt principia essendi et cognoscendi". (Auf welche Stelle Albertus Magnus hier anspielt, ist aus dem griechischen Text nicht zu ersehen, jedenfalls Metaphysik 1. I.) Et si accipitur in re absolute secundum modum veri essendi: tum est definitio Avicennae, quae dicit: „Veritas est indivisio esse et quod est". Et „esse" accipitur prout est actus essentiae, quod per modum praedicati est et compositionis: „quod est" autem accipitur pro eo, in quo est illud esse sicut in subiecto. . . Si autem definiatur verum prout verum ex principiis esse habitualiter vel actualiter facit cognitionem de seipso: tunc sunt tales definitiones ut illa quod „verum est quod ita est ut videtur secundum aptitudinem vel actum". Et sicut illa Hilarii, quod „verum est declarativum vel manifestativum sui vel esse". Et in eamdem reducitur illa Philosophi, quod „verum est adaequatio rerum et intellectuum". Vgl. auch De decem praedicamentis (t. 1} tr. 7 cap. 9 zur Lehre Alberts von Wesenheit und Dasein.

I. Albertus

Magnus

33

A n diesem Lichte der ersten Wahrheit haben alle sekundären Wahrheiten im höheren und niederen Grade Anteil. Und diese Wahrheit schlechthin ist unzerstörbar und unwandelbar . So wie Sein, Eins und Wahrheit erste Bestimmungen und Begriffe sind, die auf alles Sein Anwendung finden, ohne Genus und differentia specifica zuzulassen, so ist auch das Gutsein diesen ersten Bestimmungen zuzurechnen . Und von diesen vier ersten Begriffen ist nun auszumachen, ob sie sich untereinander vertauschen lassen und wie sich die drei: Einheit, Wahrheit und Güte zueinander und zum Sein verhalten. Albertus Magnus gibt folgende Lösung: Alle vier lassen sich vertauschen hin­ sichtlich dessen, was sie bestimmen, was ihnen zugrunde liegt 1

2

1

Ibd. membr. 3, art I sohlt. Est in rebus veris triplex veritas secundum omnem modum diversitatis veri. Et proxima quidem est adhaerens ipsi rei verae. Et haec est forma et ratio quidditatis ipsius secundum quam cadit in notitiam. . . . Est alia veritas quae separata est a re, applicabilis tarnen rei per contractionem et appropriationem, sicut commune appropriabile est particulari sicut docet Aristoteles in Posterioribus. Et haec est veritas principiorum primorum quae veritas semper est apud intellectum, quia sicut dicit Boethius in libro V de Consolatione philosophiae, communia retinet et singula perdit: intendens per communia, principia prima, sicut quod non contingit simul affirmare et negare et quod totum maius est sua parte et huiusmodi. Et haec est veritas, qua iudicamus habitualiter de omnibus veris, contrahendo communia ad singula: et similia quidem Ulis dicimus esse vera, dissimilia autem falsa. Et haec veritas, quodammodo mutabilis est et quodammodo immutabilis. Immutabilis quidem per necessitatem, mutabilis autem inquantum creata est et inquantum determinabilis et indeterminabilis. Et haec est regula habitualis, qua iudicamus de omnibus veris. — Tertia est veritas quae est exemplar et paradigma harum veritatum duarum dictarum in mente divina. Et haec est veritas divina lumine suo resplendens in omnibus veris secundis, quae in hoc formam veritatis habent, quod lumen primae veritatis participant: et quo plus participant, veriora sunt: et quo minus participant minus vera. Et hac veritate non sicut habitu sed sicut exemplari et paradigmate iudicamus de omnibus veris. Et haec veritas simpliciter est, incorruptibilis et immutabilis, licet multae variationes fiant in his quae sunt sub ipsa. Ibd. art. 2 solut: Haec enim prima principia sunt invariabilia ad omnia. 2

Ibd. qu. 26, membr. 1, solut.: Dicendum quod sicut ens, unum et verum eo quod primae intentiones sunt, nec uno genere, nec una differentia dictae, de entibus omnibus necesse est multipliciter dici: ita bonum cum de primis intentionibus sit, nec uno genere nec una differentia dictum, de omnibus necesse est multipliciter dici. Forschungen z. Gesch. d. Philos. u. d. Päd.

I V . 2.

3

III,

Die Lehre von den Transcendentalien

in der Hochscholastik

(secundum supposita), nicht aber hinsichtlich der Bedeutung ihrer Namen. Der Seinsbegriff ist der erste und die Be­ stimmungen der Einheit, Wahrheit und Güte fügen zum Sein nichts hinzu als gewisse Seinsweisen, die entweder in der Ne­ gation oder in einem sich ergebenden Effekt bestehen. Man hat also das Sein, absolut betrachtet, von dem Sein, das auf ein bestimmtes Prinzip bezogen wird, zu unterscheiden. Diese Beziehung kann sich auf das Formalprinzip secundum actum proprium richten und dann haben wir die innere Bestimmung des Dinges: seine Einheit vor uns; oder auf das Formalprinzip secundum actum consequentem, wodurch es im Sein unter­ schieden wird: seine Wahrheit. Endlich käme noch die Be­ ziehung auf das Finalprinzip in Betracht, welche den Begriff des bonum ausmacht. Nichts Seiendes kann sein oder gedacht werden, weder Ursache noch Wirkung, weder Prinzip noch Prinzipiat, nichts Allgemeines oder Besonderes, nicht Substanz noch Accidenz, nicht A k t und nicht Potenz, das nicht den vier Grundbestimmungen Sein, Eins, Wahrheit, Güte unterliegt. Und deshalb sind auch diese vier hinsichtlich dessen, was ihnen zugrundeliegt convertibel \ 1

Ibd. qu. 28 solut. Dicendum quod ista quattuor ens, unum, verum, bonum, convertuntur secundum supposita, sed non secundum intentiones nominum: quamvis unumquodque ipsorum aliquo modo inducat rationem alterius secundum modum existendi quem habet. Unde etiam unum, verum et bonum non addunt super ens nisi modos quosdam existendi vel qui consistunt in negatione vel in effectu consequente. Tarnen primus intellectus est entis, circa quem, ut modi quidam essendi ponuntur, intellectus aliorum scilicet unius, veri et boni. Est enim primum ens ut obiectum est. Esse autem entis potest accipi ut ab­ solutem aut relatum ad ipsius esse principium. Si accipitur ut absolutum: tunc est intellectus esse et entis. Si accipiatur ut ad principium esse relatum: aut refertur ad principium formale vel finale: licet enim hoc unum sit, tarnen inten­ tiones principiandi non sunt unum. Si refertur ad principium formale: aut refertur ad ipsum secundum actum proprium formalis principii aut secundum actum consequentem. Si primo modo: sie est intellectus unius: proprius enim actus principii formalis est terminare id quod est: terminatum autem esse indi­ visum est in se et ab aliis divisum per hoc ipsum, quod in esse terminatum est. Et sie patet, quod proximus intellectus ad ens est intellectus unius. Si vero referatur ad actum consequentem formalis principii, intellectus consequens- est, quo discernitur in esse. Et iste est intellectus veri. Et quod dico, quo dis-

ι. Albertus

Magnus

35

Auch anderwärts gibt Albert diese Entscheidung, daß Sein, Wahrheit, Güte hinsichtlich dessen, an dem sie auftreten, ver­ tauschbar seien (d. h. dieses Seiende ist auch dieses Wahre, und dieses Wahre ist auch dieses Gute), daß sie aber nicht hinsichtlich ihrer eigentlichen Bedeutung convertiert würden. Denn — so fügt er hinzu — man spricht vom Sein im Hin­ blick auf die Wirkursache, vom Wahren im Hinblick auf die Formalursache und vom Guten in bezug auf die Finalursache \ Interessant ist es schließlich, daß Albert bei der Erörterung der von Pseudo-Dionysius nahe gelegten Fragen nach der Benennbarkeit Gottes, nach der Analogie des Seins und den über­ tragenen Bedeutungen, in denen man vom absoluten Sein sprechen kann, so weit geht, daß er einräumt, zwei Prädikamente, nämlich Substanz und Relation könnten auf das höchste Sein angewandt werden . Wiederholt und mit offensichtlich großer Achtung zitiert 2

cernitur, secundum habitum intelligitur hoc quod discernibile est in esse; et ideo intellectus veri consequitur intellectum entis et unius. Si autem referatur ad principium finale: tunc est intellectus boni. Et quia ista quattuor in omni sunt quod est, et in causa et in causato et in universali et in particulari, nec potest aliquid intelligi esse nisi statim occurrant ista quattuor inesse ipsi; ideo ista quattuor convertuntur secundum supposita: et ideo dicit Dionysius quod „non est aliquid existentium quod non participet uno et quod non participet bono". Et per eandem rationem non est aliquid existentium quod non participet vero: quia esse uniuscuiusque sive causae sive causati sive principii sive principiati sive particularis sive universalis, sive substantiae sive accidentis sive potentiae sive actus, secundum modos essendi significatur per unum, verum, bonum: ab­ solutem autem significatur per ens. Summa theologiae I tr. 3, qu. 15 membr I , art I part 2 assign. 4: licet ens, verum, bonum convertantur secundum supposita: tarnen non convertuntur secundum esse et rationem. Ens enim dicitur per comparationem ad causam efficientem, verum ad causam formalem et bonum ad causam finalem; et per talem diversitatem sunt de vestigio non synonima. Ibd. tract. XIV, qu. 56, solutio: Dicendum quod praedicamenta duo scilicet substantiae et relationis proprie in divinam assumuntur praedicationem eo modo quo in praehabitis determinatum est scilicet quod substantia non a substando (ϋποκείμενον}) dicitur, sed ab eo quod est per se esse (ύπόστασιε ?) et propter indigentiam esse nullo indigere et ad nihil dependere. Sic enim Deus solus substantia est. Omne enim creatum propter indigentiam esse dependet ad creatorem. Et sie in seipso subsistit Deus, nullo indigens ut sit. 1

2

3*

III»

Die Lehre von den Transcendentalien in der Hochscholastik

Albert in metaphysischen Erörterungen den persisch-arabischen Philosophen Avicenna (Ibn Sinä f 1038), der auch in unserer Frage den Scholastikern wichtige Anregungen gegeben hat. Ganz besonders bedeutungsvoll ist hierbei seine Lehre \ die sich auf mehrere mehr andeutende Stellen bei Aristoteles stützt, daß das Sein schlechthin erstes Objekt der Erkenntnis sei, und zwar erstes nicht im Sinne der Vorzüglichkeit dieses allgemeinen Begriffes, sondern mit der besonderen Betonung, daß in jeder Erkenntnis dieser allgemeingültige Begriff eingeschlossen sei. So stehen also die allgemeinsten Grundbegriffe und Grundsätze nicht erst als Endergebnisse eines induktiven Verfahrens, einer vergleichenden Erfahrung da (wenn schon auch das zutrifft), sondern der Verstand kann sie gar nicht entbehren und um­ gehen und sie sind schon bei jeder Wahrnehmung mit ein­ geschlossen. Diese Auffassung läßt sich auch mit der augustinischen Erkenntnislehre, von der wir schon sahen, daß sie Albert gleichfalls übernommen hat, in Einklang bringen. 2. T h o m a s v o n A q u i n Mehr noch und mit noch größerem Geschick als sein Lehrer bemühte sich T h o m a s v o n A q u i n um einen harmonischen Ausgleich der verschiedenen Anregungen der Vergangenheit. Besonders in der Lehre von der Erkenntnis und von den ersten Grundbegriffen und Grundsätzen tritt dieses Bestreben zu­ tage. Auch er trägt nicht die Lehre von einer allmählich durch Vergleichung vieler Sinneserfahrungen fortschreitenden A b ­ straktion vor. „Das, was zuerst unter die Auffassung fallt/' so sagt er, „ist das Sein, dessen Begriff (hier intellectus) in allem eingeschlossen ist, was immer jemand erfaßt; und daher ist das erste unbeweisbare Prinzip, daß nichts zugleich zu bejahen und zu verneinen ist, ein Prinzip, welches aufgebaut ist auf den Begriff des Seienden und Nichtseienden, und auf dieses Prinzip gründen sich alle anderen, wie es im vierten Buche 1

A r i s t o t e l e s , Analyt. poster. 1. I, c. 2, 72 a 36sq.; c. 10, 7 6 a 31 sq. A v i c e n n a , (Ibn Sinä) Metaphysik, Venetiis 1493 (1506) tr. I 1. 1 c. 9. (Aus dem Kitab a§ sifä.)

2. Thofiias von Aquin

37

der Metaphysik heißt" \ Die nähere Begründung dieser Theorie ist mit der Fortbildung der aristotelischen Lehre vom tätigen Verstände (νους ποιητικός) gegeben. Die neuplatonischen und arabischen Philosophen neigten dazu, diesen νους als etwas Überindividuelles aufzufassen und ihn in die Rangordnung der Sphären- und Engelgeister einzureihen. Auch Avicenna nimmt solche Intelligenzen an, welche die ihnen untergeordnete Menschheit erleuchten und leiten, und noch in den Quaestiones disputatae spricht auch T h o m a s von ihnen (s. u.). Bald aber entkleidet er diese Lehre von dem mehr phantastischen Beiwerk und verlegt den νους als einen Erkenntnisfaktor in das einzelne menschliche Wesen hinein. Als tätiger Verstand (intellectus agens) gehört er zu jedem Individuum. Dieser intellectus agens nun vermag nach Thomas aus den Bildern der Sinneswahr­ nehmung, die Einzelnes liefern, die Allgemeinbestimmungen, das Wesentliche eines Erkenntnisinhaltes herauszulesen, durch ein natürliches Licht befähigt . Diese Allgemeinbegriffe nun, die das adäquate Objekt des geistigen Erkennens sind , in­ formieren das aufnehmende Erkenntnisvermögen, den intellectus possibilis, und ermöglichen die Definition des Gegenstandes, das verbum mentis, die Zusammensetzung oder Unterscheidung, geistige Operationen, denen der sprachliche Ausdruck im Haupt­ wort oder Urteil entspricht . 2

8

4

1

T h o m a s A q u i n a s , Summa theologica I—II, qu. 94 art 2 c : Illud quod primo cadit sub (in) apprehensione est ens, cuius intellectus includitur in om­ nibus quaecunqüe quis apprehendit et ideo primum principium indemonstrabile est, quod non est simul affirmare et negare, quod fundatur supra rationem entis et non entis et super hoc principio omnia alia fundantur ut dicitur in IV. Me­ taph. — Diese Lehre ist wie bei Albertus Magnus von A v i c e n n a her über­ nommen. 2

Contr. gentiles 1. II c. 59: Phantasmata per lumen intellectus agentis fiunt actu intelligibilia ut possint movere intellectum possibilem. Quaest. disp. de veritate qu. 10 art 6 ad 2: Sensus per eam (formam) manuducitur in cognitionem exteriorum accidentium; intellectus vero pervenit ad nudam quidditatem rei, secernendo eam ab omnibus materialibus conditionibus. Contr. gent. 1. III c. 58: Obiectum enim intellectus est, quod quid est. Vgl. ibd. 1. I c. 58; S. theol. I qu. 85 art 2 c ; qu. 86 art I . S. theol. I qu. 85 art 2 ad 3: . . . Nam primo quidem consideratur 3

4

III.

Die Lehre von den Transcendentalien in der Hochscholastik

Ob diese Auffassung des Aquinaten die Lehre des Aristo­ teles getreu wiedergibt, diese Frage wird man wohl nicht ohne weiteres bejahen; sie ist ja auch mehr von historisch-philo­ logischer als philosophischer Bedeutung. Auch müssen wir mit dem fragmentarischen Charakter und vielfältig wider­ streitenden Auslegungen der betreifenden Aristotelesschriften rechnen. Auf alle Fälle ist die thomistische Auffassung insofern konsequenter, als nach ihr die Verstandestätigkeit bei jedem vollständigen, geistigen, momentanen Erkenntnisakt anzusetzen ist, während bei Aristoteles, wenigstens in den Analytiken, der irrtumslose vovg

1

als άρχή τών αρχών erst nach der allmählich

fortschreitenden und durch Induktion aus verschiedenen Akten aufsammelnden Abstraktion wie ein deus ex machina auftritt. Der abweichende Standpunkt gestattet dem Aquinaten oben­ drein die Verwertung noch anderer erkenntnistheoretischer An­ regungen der Vergangenheit. Nach Thomas ist dem intellectus agens eine so hohe Be­ deutung zuzuweisen, daß uns, wie er an anderer Stelle lehrt, im Lichte des tätigen Verstandes in gewisser Weise die ge­ samte Wissenschaft eingepflanzt erscheinen muß. Durch Ver­ mittlung der Allgemeinbegriffe, die sogleich durch das Licht des tätigen Verstandes erkannt werden, urteilen wir wie durch allgemeine Prinzipien über die anderen Begriffe und erkennen passio intellectus possibilis, secundum quod inflrmatur specie intelligibili. Qua informatus format secundo vel definitionem vel divisionem vel compositionem, quae per vocem significatur. Unde ratio, quam signiflcat nomen, est definitio; et enuntiatio signiflcat compositionem et divisionem intellectus. Contr. gent. 1. II c. 60: Intellectus agentis effectus sunt intelligibilia in actu, quorum pro­ prium recipiens est intellectus possibilis, ad quem comparatur agens ut ars ad materiam. Über das verbum mentis vgl. ibd. 1. I c. 5 3 ; 1. II c. 74. Die Haupt­ stellen, an denen T h o m a s seine Erkenntnislehre vorträgt, sind: Quaest. disp. de anima art. 4; de veritate qu. 1, qu. 10, qu. 1 5 ; Quodlibet. VIII art. 3 ; Contr. gent. 1. II, c. 66—78; S. theol. I, qu. 79, qu. 84—86. Vgl. dazu M. B a u m g a r t n e r , Zur thomistischen Lehre von den ersten Prinzipien der Erkenntnis, Festschrift für G. Frh. v. Hertling, Freiburg i. B. 1913 S. I — 1 7 . D e r s . , Zum thomistischen WahrheitsbegrifT, Festschrift f. Clemens Baeumker B. z. G. der Ph. d. M. Supplementband Münster 1913 S. 241—261. A r i s t o t e l e s , Analyt. poster. 1. II c. 19. S. o. Anm. S. 7. 1

2. Thomas von Aquin

39

sie in jenen selbst im Voraus. In dieser Hinsicht hat also jene Meinung ihren Wahrheitsgehalt, welche annimmt, daß wir das, was wir hinzulernen, schon vorher in unserer Kenntnis hätten \ Es existieren in uns gewisse Keime der Wissen­ schaften, nämlich erste Verstandesbegriffe, die sogleich vermöge des Lichtes des tätigen Verstandes durch die vom Sinnlichen abstrahierten Spezies erkannt werden, mögen sie nun zusammen­ gesetzt sein wie die Grundsätze oder einfach wie die Begriffe des Seins, der Einheit u. a., die der Intellect alsbald erfaßt . So sind auch die Termini der ersten Beweisprinzipien etwas Gemeinsames, was jeder kennt, wie Sein und Nichtsein, das Ganze, der Teil u. ähnl. Und darum sind auch die aus ihnen aufgebauten Grundsätze durch sich selbst gewisse Urteile . So sehr aber auch Thomas betont, daß ihre Erkenntnis uns förm­ lich angeboren und von Natur innewohnend sei , so bleibt er doch darin Peripatetiker, daß er lehrt, daß das menschliche Erkenntnisvermögen zunächst wie eine unbeschriebene Tafel sei 2

3

4

1

Quaest. disp. de veritate qu. io art. 6 c : Et sie etiam in lumine in­ tellectus agentis nobis est quodammodo omnis scientia originaliter indita, mediantibus universalibus coneeptionibus, quae statim lumine intellectus agentis cognoscuntur, per quas sicut per universalia principia iudicamus de aliis et ea praecognoseimus in ipsis. Et secundum hoc illa opinio veritatem habet, quae ponit, nos ea quae addiseimus ante in notitia habuisse. Ibd. qu. I i art I c : Praeexistunt in nobis quaedam scientiarum semina, scilicet primae coneeptiones intellectus, quae statim lumine intellectus agentis cognoscuntur per species a sensibilibus abstractas, sive sint complexa ut dignitates, sive incomplexa, sicut ratio entis et unius et huiusmodi, quae statim intellectus apprehendit. Vgl. das oben Anm. S. 16 über die stoische Erkenntnis­ lehre Gesagte und Angeführte. S. theol. I qu. 2 art ι c : Ex hoc enim aliqua propositio est per se nota, quod praedicatum includitur in ratione subiecti. . . . Si igitur notum sit omnibus de praedicato et de subiecto quid sit, propositio illa erit omnibus per se nota; sicut patet in primis demonstrationis prineipiis, quorum termini sunt quaedam communia, quae nullus ignorat, ut ens et non ens, totum et pars et similia. S. theol. I qu. 79 art 12 c: Principia . . . nobis naturaliter indita. Quaest. disp. de veritate qu. io art. 6 ad 6: Prima principia, quorum cognitio est nobis innata. S. theol. I qu. 79 art. 2 c : sicut tabula rasa, in qua nihil est scriptum vgl. A r i s t o t e l e s , De anima 1. III c. 4, 430 a 1. 2

3

4

5

4