Die kumulative Anordnung von Informationsbeschaffungsmaßnahmen im Rahmen der Strafverfolgung: Eine Untersuchung unter rechtlichen, rechtstatsächlichen und kriminologischen Aspekten [1 ed.] 9783428520213, 9783428120215

In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat der Umfang gesetzlicher Regelungen und tatsächlicher Nutzung von Maßnahmen zur S

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Die kumulative Anordnung von Informationsbeschaffungsmaßnahmen im Rahmen der Strafverfolgung: Eine Untersuchung unter rechtlichen, rechtstatsächlichen und kriminologischen Aspekten [1 ed.]
 9783428520213, 9783428120215

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Schriften zum Prozessrecht Band 200

Die kumulative Anordnung von Informationsbeschaffungsmaßnahmen im Rahmen der Strafverfolgung Eine Untersuchung unter rechtlichen, rechtstatsächlichen und kriminologischen Aspekten

Von Jens Puschke

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

JENS PUSCHKE

Die kumulative Anordnung von Informationsbeschaffungsmaßnahmen im Rahmen der Strafverfolgung

Schriften zum Prozessrecht Band 200

Die kumulative Anordnung von Informationsbeschaffungsmaßnahmen im Rahmen der Strafverfolgung Eine Untersuchung unter rechtlichen, rechtstatsächlichen und kriminologischen Aspekten

Von

Jens Puschke

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Wintersemester 2004/2005 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

D 188 Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 3-428-12021-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die Arbeit wurde an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Freien Universität Berlin im Wintersemester 2004/2005 als Dissertation angenommen. Aktuelle Literatur, Judikate sowie relevante Daten wurden bis September 2005 eingearbeitet. Zuerst möchte ich mich bei meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Ulrich Eisenberg sehr herzlich für die Betreuung und Begutachtung meiner Arbeit sowie für die stetige wissenschaftliche Förderung bedanken. Mein Dank gilt auch Herrn Professor Dr. Klaus Geppert für die zügige und weiterführende Erstellung des Zweitgutachtens. Sowohl fachliche als auch freundschaftliche Unterstützung erhielt ich von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Lehrstuhls für Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzug an der Freien Universität Berlin. Für ihre wertvollen Anregungen möchte ich mich insbesondere bei den Herrn wiss. Mit. Christian Reuther und Tobias Singelnstein sowie bei der wissenschaftlichen Assistentin an der Universität Bayreuth Frau Dr. Ingke Goeckenjan bedanken. Vor allem sind es jedoch meine Eltern, denen ich für viel mehr als nur für die Ermöglichung dieser Arbeit zu danken habe. Der unbedingten Unterstützung während Schule, Studium und Promotion konnte ich mir immer gewiss sein. Dafür danke ich ihnen von ganzem Herzen. Berlin, im September 2005

Jens Puschke

Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel Einleitung und Begriffsbestimmung

13

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

B. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16

2. Kapitel Entwicklung der Strafprozessordnung bezüglich Maßnahmen zur personenbezogenen Informationsbeschaffung A. Entwicklung von der ursprünglichen Fassung bis 1945. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18 18

B. Entwicklung in der Bundesrepublik bis 1990. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

C. Entwicklung in der DDR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

D. Entwicklung in Deutschland seit 1990. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

3. Kapitel Aktuelle Gesetzeslage und Darstellung von Informationsbeschaffungsmöglichkeiten sowie ausgewählte empirische Daten über die Anwendungshäufigkeit A. Heimliche Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überwachung der Telekommunikation (§§ 100a, 100b StPO) . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einsatz technischer Mittel gemäß § 100f Abs. 1 StPO. . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Maßnahmen gemäß § 100f Abs. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 28 28 28 28 33 34 34 34 35 36 36 36 37

8

Inhaltsverzeichnis IV.

Maßnahmen gemäß § 100c StPO (so genannter großer Lauschangriff) 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verfassungsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Auskunft über Telekommunikationsverbindungen (§§ 100g, 100h StPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Maßnahmen gemäß § 100i StPO (so genannter IMSI-Catcher). . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Einsatz Verdeckter Ermittler (§§ 110a ff. StPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung (§ 163e StPO). . . . . . . . . IX. Längerfristige Observation (§ 163f StPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Sonstige heimliche Ermittlungsmaßnahmen (§§ 161, 163 StPO) . . . . . .

42 43 43 43 44 45 46 47 47

B. Nicht-heimliche Informationsbeschaffungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Untersuchung von Personen; DNA-Analyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Durchsuchung und Beschlagnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kontrollstellen (§ 111 StPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Maßnahmen zu automatischem Datenabgleich und Datenauswertung . . V. Ausschreibung und Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Sonstige nicht-heimliche Informationsbeschaffungsmaßnahmen . . . . . . .

48 49 51 52 53 54 56

37 37 38 40 41

C. Aspekte bezüglich der Kumulierung von Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

4. Kapitel Grundrechtsrelevanz kumulativer Nutzung von Maßnahmen zur Informationsbeschaffung

61

A. Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG): Schutzbereich und Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 B. Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG): Schutzbereich und Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 C. Allgemeines Persönlichkeitsrecht: Schutzbereich und Eingriff. . . . . . . . . . . . . . I. Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. . . . . . 1. Die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Weitere Bestrebungen zur Umfangsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nicht-automatische Datenverarbeitung als Ausschlusskriterium . . b) Bagatell- und öffentliche Daten als Ausschlusskriterium. . . . . . . . c) Einwilligung als Ausschlusskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63 64 64 66 67 67 69 70 71

Inhaltsverzeichnis II.

9

Überwachungsmaßnahmen als Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 i. V.m Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71 76

D. Das Verhältnis der betroffenen Grundrechte untereinander. . . . . . . . . . . . . . . . .

77

E. Kumulative Überwachung als „andersartiger“ Eingriff? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Absolut geschützter Kernbereich privater Lebensgestaltung . . . . . . . . . . II. Totalausforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Allgemeine Merkmale der Nähe zum absolut geschützten Bereich (Nähemerkmale) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art der Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umfang der Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verwendung und Verarbeitung der Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gesamtbetrachtung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kumulation von strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen. . . . . . . . . . . 1. Kumulative Anordnung gleichartiger Maßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kumulative Anordnung verschiedenartiger Maßnahmen . . . . . . . . . . V. Kategorisierung, Bewertung und Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . .

79 80 81

III.

83 84 85 85 86 87 89 92 96

5. Kapitel Gesetzliche Grundlagen für eine Kumulation von Informationsbeschaffungsmaßnahmen A. Gesetzesvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeine Grundlagen für das Bestehen eines Gesetzesvorbehalts . . . 1. Die Schranken der Spezialgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die „verfassungsmäßige Ordnung“ als Schranke . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der allgemeine öffentlich-rechtliche Gesetzesvorbehalt . . . . . . . . . . . a) Lehre vom Totalvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Wesentlichkeitstheorie als Grundlage für einen Gesetzesvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kollidierendes Verfassungsrecht als Schranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Gesetzesvorbehalt im Ermittlungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der grundrechtliche Gesetzesvorbehalt im Ermittlungsverfahren . . . 2. Der allgemeine Gesetzesvorbehalt im Ermittlungsverfahren . . . . . . . 3. Grundsätzliche Anforderungen an das ermächtigende Gesetz im Ermittlungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Formelle Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Materielle Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99 99 99 99 100 101 102 103 104 104 106 106 107 108 108 110

10

Inhaltsverzeichnis

B. Gesetzlich normierte Eingriffsermächtigungen als Rechtsgrundlage für kumulative Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bewertung bestehender Einzelermächtigungen als Eingriffsgrundlage für Kumulation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine oder unechte Kumulation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kumulative Anordnung gleichartiger Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Maßnahmen mit geringer Eingriffsintensität (einfache Maßnahmen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Maßnahmen mit nicht lediglich geringer Eingriffsintensität (qualifizierte Maßnahmen). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sprachlich-grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Teleologische Auslegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kumulative Anordnung verschiedenartiger Maßnahmen . . . . . . . . . . . a) Kumulation von verschiedenartigen einfachen Maßnahmen . . . . . b) Kumulation von einfachen und qualifizierten Maßnahmen . . . . . . c) Kumulation verschiedener qualifizierter Maßnahmen. . . . . . . . . . . aa) Sprachlich-grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Teleologische Auslegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verfassungsmäßigkeit der Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verhältnismäßigkeit der Einzelermächtigungen bezüglich kumuliert eingesetzter Ermittlungsmethoden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestimmtheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. § 163f StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

111 111 111 112 112 113 113 114 115 116 116 117 117 117 117 118 118 120 121 121 121 122 124 128 129 131

6. Kapitel Rechtliche Bewertung kumulativer Überwachungsmaßnahmen

132

A. Die Judikatur des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts . . . 132 B. Der I. II. III.

Umgang mit Maßnahmenkumulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweisverbote: Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweiserhebungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweisverwertungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

134 134 134 135

C. Forderungen de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 I. Richtervorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

Inhaltsverzeichnis 1. Der Richtervorbehalt als Kontrollinstrument der Strafprozessordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Theoretische Nutzbarkeit des Instituts des Richtervorbehalts für die kumulative Anordnung von Ermittlungsmaßnahmen zur Informationsbeschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Allgemeine Kritik am Institut des Richtervorbehalts. . . . . . . . . . . . . . 4. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anlasstat und Subsidiaritätsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verdacht, Art und Schwere der Anlasstat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Subsidiaritätsklauseln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Beweisverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beweiserhebungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beweisverwertungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ex-ante-Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des absolut geschützten Bereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verletzung des absolut geschützten Bereichs entgegen der Wahrscheinlichkeitsprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sonstige Beweisverwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fernwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verwendungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Löschungspflichten bzw. Sperrungspflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Benachrichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Kontrollgremien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

138

139 141 143 145 145 146 148 148 150 150 150 151 154 154 156 158 158 159

D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

7. Kapitel Kriminologische Aspekte betreffend Informationsbeschaffung A. Entstehungszusammenhänge bezüglich einer Überwachungserweiterung im Rahmen von Strafverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Technische Entwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entwicklung normativer Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Befugniserweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verpolizeilichung der Strafverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Polizei als „Herrin des Ermittlungsverfahrens“ . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gefahrenabwehr und Strafverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unmittelbare Folgen der Entwicklung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gesellschaftliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

163

163 164 166 167 168 168 169 171 172

B. Mögliche Folgen der Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 I. Konformitätsdruck durch Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 II. Anpassungsdruck durch Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

12

Inhaltsverzeichnis

C. Effizienz umfänglicher Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Konkrete Kosten-Nutzen-Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Straftatenaufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sicherheitsgefühl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

178 178 179 182

D. Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 8. Kapitel Ergebnis

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A. Zusammenfassung rechtlicher und rechtstatsächlicher Aspekte . . . . . . . . . . . . . 187 B. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

1. Kapitel

Einleitung und Begriffsbestimmung A. Einleitung Die Entwicklung exekutiver Befugnisse zur Überwachung von Personen wurde in den letzten Jahren und Jahrzehnten von einem lebhaften Meinungsaustausch begleitet. Dabei stehen sich vor allem zwei Positionen am jeweils anderen Ende des Diskussionsspektrums gegenüber. Während die eine Seite die Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege als Leitbild ihrer Argumentation betrachtet und diese auch unter behaupteten veränderten Vorzeichen betreffend Qualität und Quantität von Kriminalität in möglichst umfänglichem Maß durchgesetzt sehen will, versammeln sich auf der anderen Seite die Mahner, die durch die rechtlichen und rechtstatsächlichen Veränderungen im Bereich von Überwachungstätigkeit verfassungsrechtliche Garantien in Gefahr sehen und gesellschaftlich bedenkliche Entwicklungen ausmachen. Der Schwerpunkt dieser kritischen Herangehensweise liegt dabei auf der Ablehnung eines in immer stärkerem Maß in Kauf genommenen Eingriffs in grundrechtliche Garantien betreffend Privatheit und informationelle Selbstbestimmung. Beklagt wird vor allem die Ausdehnung staatlicher Befugnisse zur Nutzung einer Vielzahl von Methoden, um auf verschiedenartige Weise möglichst viele personenbezogene Informationen zu erlangen. Dies kann zum einen zu einer Verletzung des absolut geschützten Kernbereichs privater Lebensgestaltung führen, sofern Informationen mit intimem Charakter gewonnen werden. Zum anderen bestehen aber auch Befürchtungen einer derart umfassenden Überwachung von Personen, dass von einer Totalausforschung oder Persönlichkeitsprofilerstellung gesprochen werden könnte. Die vorliegende Arbeit untersucht die rechtlichen, rechtstatsächlichen und kriminologischen Aspekte einer Ausrichtung von Ermittlungen im Rahmen der Strafverfolgung auf die Erlangung von Informationen mit dem offiziellen Ziel einer effektiveren Straftatenbekämpfung. Der rechtliche und rechtstatsächliche Schwerpunkt wird dabei auf die Ermittlungsmethoden der Strafprozessordnung gelegt und betrifft den Aspekt einer Kumulation der Maßnahmen. Die Arbeit fokussiert sich auf diesen in der Praxis besonders relevanten Bereich. Unbestreitbar sind gerade auch betreffend Informationsbeschaffungsmaßnahmen zusätzliche Normen und Tätigkeitsfelder (polizei-

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1. Kap.: Einleitung und Begriffsbestimmung

liche Prävention, nachrichtendienstliche Ermittlungen) bedeutsam, auf die hier jedoch nur peripher eingegangen werden soll.1 Beachtlich ist dabei aber, dass Entwicklungen in der Strafprozessordnung häufig in engem Zusammenhang mit Diskussionen und Gesetzesinitiativen im Bereich des Polizeirechts stehen.2 Wo diese in einem besonderen Maß Relevanz auch für das Strafverfahren haben, erfolgt eine punktuelle Bezugnahme. Die Ausrichtung auf die Kumulierung von Maßnahmen ist der besonderen Gefährlichkeit dieser Vorgehensweise in Bezug auf die Freiheitsrechte der Bürger geschuldet. Insbesondere technische, rechtliche und gesellschaftliche Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte führen zu veränderten Rahmenbedingungen für Überwachung und Ermittlung im Strafverfahren. Diese Veränderungen beziehen sich auch direkt auf einzelne (meist heimliche oder durch technische Mittel ermöglichte) Maßnahmen. Gerade die besondere Relevanz der Kumulation von Maßnahmen in diesem neuen Licht wurde aber bisher nur peripher untersucht. Der kriminologische Teil der Analyse ist weiter gefasst und bezieht neben der Kumulation auch andere die Ausforschung betreffende Aspekte ein. In diesem Zusammenhang wird auf bestimmte allgemeine Entwicklungen hingewiesen. Die These der Untersuchung, der in den sieben folgenden Kapiteln nachgegangen werden soll, lautet, dass die Kumulation bestimmter Informationsbeschaffungsmaßnahmen eine neue – über die der einzelnen Maßnahmen hinausgehende – Qualität beinhaltet. Dieser Qualität ist durch entsprechende gesetzliche Regelungen Rechnung zu tragen, die in der Arbeit inhaltlich skizziert werden. Zudem wird die Entwicklung zu einer intensivierten und erweiterten Ausforschung im Allgemeinen aufgezeigt und kritisch begutachtet. Die Arbeit wird im 2. Kapitel mit einem kurzen historischen Abriss betreffend die gesetzliche Entwicklung der Strafprozessordnung bezüglich Informationsbeschaffung in Deutschland eingeleitet. Sodann erfolgt in Kapitel 3 die Darstellung der in der Strafprozessordnung relevanten Informationsbeschaffungsmaßnahmen. Dabei werden vor allem die rechtlichen Grundlagen und Voraussetzungen für die Anordnung erörtert. Zudem werden auch technische Erläuterungen vorgenommen und einzelne Befunde zur Anwendung der Maßnahmen dargestellt. Die Untertei1 Vgl. Polizeigesetze der Länder; bezüglich Befugnissen des Bundesnachrichtendienstes vgl. allgemein BKAG; G10-Gesetz; s. zur Verpolizeilichung unter 7. Kapitel A.II.2. 2 Vgl. Kinzig, „Die rechtliche Bewältigung von Erscheinungsformen organisierter Kriminalität, S. 88; s. auch Wolter, FS Rudolphi, S. 736.

A. Einleitung

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lung in heimliche und nicht-heimliche Ermittlungsmaßnahmen soll bereits im Vorfeld die verstärkte argumentative Ausrichtung auf erstere ermöglichen, aber zugleich die unter besonderer Berücksichtigung einer technischen Entwicklung erneut intensivierte Bedeutung der nicht-heimlichen Überwachung aufzeigen. Zudem werden auch spezielle rechtstatsächliche Konstellationen der Kumulation der zuvor dargestellten Maßnahmen beschrieben, die sich aus unterschiedlichen ermittlungstechnischen Vorgehensweisen ergeben. Im 4. Kapitel wird die allgemeine und speziell auf eine Kumulierung bezogene Grundrechtsrelevanz von Informationsbeschaffungsmaßnahmen dargelegt, wobei besonderes Gewicht auf dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG liegt, wie es durch das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts3 etabliert wurde. In diesem Zusammenhang werden auch die entscheidenden Grundlagen, aus denen sich die besondere Eingriffsqualität einer Kumulation von Ermittlungsmaßnahmen ergeben könnte, erörtert und begrifflich verfestigt. Einer grundrechtlichen Prüfungssystematik folgend werden im 5. Kapitel die gegebenen gesetzlichen Grundlagen im Hinblick auf Maßnahmenkumulation als Grundrechtseingriff bewertet. Thematisch direkt anschließend, erfolgt in Kapitel 6 – unter Bezugnahme auf die einschlägige Judikatur des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts – die Darlegung zusätzlich notwendiger gesetzlicher Vorgaben. Neben dem bereits angesprochenen Volkzählungsurteil werden dabei weitere Ansätze auch unter Aufzeigen der Thesen erarbeitet, die das Bundesverfassungsgericht im Urteil zum so genannten großen Lauschangriff 4 entwickelt hat. In Kapitel 7 erfolgt eine zum Teil auch über die Kumulation von Ermittlungsmaßnahmen hinausgehende kriminologische Bewertung von im Schwerpunkt strafprozessualer Überwachung. Dieser Teil dient der Unterstützung der Schlussfolgerungen aus den rechtlichen Bewertungen von Kumulation durch eine Betrachtung der allgemeinen Problematik auf gesellschaftlicher Ebene. In Kapitel 8 werden abschließend die Ergebnisse und Bewertungen zur Verdeutlichung zusammengefasst aufbereitet.

3 4

BVerfGE 65, 1 ff. BVerfG NJW 2004, 999 ff.

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1. Kap.: Einleitung und Begriffsbestimmung

B. Begriffsbestimmung Im Folgenden werden verschiedene Begriffe verwendet, die in der Hauptsache Ermittlungen im Rahmen des Strafverfahrens betreffen. Von besonderer Relevanz für die vorliegende Arbeit sind dabei die Begriffe „Ermittlung“ und „Ermittlungsmaßnahme“ selbst. Unter Ermittlung im weiteren Sinne werden dabei alle Handlungen der Strafverfolgungsbehörden verstanden, die grundsätzlich auf die Aufklärung eines Sachverhalts gerichtet sind. Der Begriff „Ermittlungsmaßnahme“ oder „Ermittlungsmethode“ wird hingegen in einem engeren Zusammenhang verwendet. Er bezieht sich auf konkrete Handlungen zur Sachverhaltsaufklärung in einem personenbezogenen Kontext. Insoweit wird er synonym zu den Begriffen „Informationsbeschaffungsmaßnahme“ bzw. „Informationserlangungsmaßnahme“ und auch „Überwachungsmaßnahme“ verwendet, die auch ohne ein entsprechendes Adjektiv auf personenbezogene Informationen abstellen. Die Abgrenzung heimliche und nicht-heimliche Ermittlungsmaßnahmen oder -methoden erfolgt anhand der allgemeinen Ausrichtung der Maßnahme, mithin danach ob die Betroffenen Kenntnis von der Durchführung der Maßnahme haben sollen.5 „Informationen“ beziehen sich in der hier verwendeten Form auf Erkenntnisse, Aussagen und Mitteilungen zu bestimmten Vorgängen. Sie können allgemeiner oder konkreter Natur sein. Der Begriff „Daten“ umfasst hingegen abgrenzbare, in sich geschlossene Informationseinheiten und wird regelmäßig verwendet, um eine bereits erfolgte Kategorisierung bestimmter Erkenntnisse zu beschreiben. Dabei geht er über die einschränkende Legaldefinition des § 202a StGB hinaus und betrifft auch wahrnehmbar gespeicherte Daten.6 Die Begriffe „Kumulation“ oder „Kumulierung“, wobei letzterer den Vorgang beschreibt, beziehen sich auf die Nutzung bzw. vorgelagert auf die Anordnung mehrerer Maßnahmen innerhalb eines Strafverfahrens, die gleiche oder verbundene Sachverhalte und Personen oder Personengruppen betreffen. Dabei spielt die zeitliche Komponente der Anordnungen zwar für die konkrete Beurteilung der Auswirkungen der Kumulation bzw. Kumulierung eine Rolle, nicht hingegen für die begriffliche Einordnung als kumulativ genutzte Maßnahmen.7 5

s. näher unter 3. Kapitel A. s. zu einer Darstellung eines ausdifferenzierten – von den hier verwendeten Definitionen abweichenden – Begriffs Matzky, Zugriff auf EDV im Strafprozess, S. 7 ff. 7 s. näher unter 4. Kapitel E.IV. 6

B. Begriffsbestimmung

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Zudem wird für die Beurteilung einer möglichen Andersartigkeit der Kumulation bzw. Kumulierung von Maßnahmen gegenüber ihrem jeweiligen Charakter als Einzelmaßnahme auf die Begriffe „Totalausforschung“ und „innerster“ oder „absolut geschützter Kernbereich privater Lebensgestaltung“ Bezug genommen. Totalausforschung beschreibt dabei eine Überwachung von Personen, die über die Gewinnung einzelner Erkenntnisse hinausgeht und so eine umfängliche Abbildung auch der privaten Lebensgestaltung ermöglicht. Diese Abbildung entspricht sodann einem Persönlichkeitsprofil. „Innerster Kernbereich privater Lebensgestaltung“ bezieht sich auf den vom Bundesverfassungsgericht definierten Bereich persönlicher Entfaltung, in den von staatlicher Seite nicht eingegriffen werden darf. Die schutzwürdige Sphäre, die durch ein Verbot der Totalausforschung und eines Eingriffs in den innersten Kernbereich privater Lebensgestaltung gekennzeichnet ist, wird als „absolut geschützter Bereich“ bezeichnet.8

8 s. zu den Begriffen „absolut geschützter Kernbereich privater Lebensgestaltung“ und „Totalausforschung“ sowie „absolut geschützter Bereich“ unter 4. Kapitel E.I. und E.II. und E.III.

2. Kapitel

Entwicklung der Strafprozessordnung bezüglich Maßnahmen zur personenbezogenen Informationsbeschaffung Seit Inkrafttreten der Strafprozessordnung am 1. Februar 1877 hat sich eine Vielzahl von Änderungen bezogen auf die gesetzliche Ausgestaltung von Maßnahmen zur Erlangung von personenbezogenen Informationen im Ermittlungsverfahren ergeben. Zur Bewertung des Ausmaßes der strafbehördlichen Befugnisse – gerade auch unter dem Blickwinkel der Anordnung mehrerer Maßnahmen zur Optimierung der Sachverhaltsaufklärung – erscheint es sinnvoll, einen kurzen Abriss über die wichtigsten Entwicklungsschritte dieser Befugnisse darzustellen. Dies bietet zudem die Möglichkeit, die Notwendigkeit einer tiefergehenden Beschäftigung mit diesem Thema herauszuarbeiten, die sich schon allein aufgrund der Veränderungen und Ausweitung der gesetzlichen Grundlagen ergibt.

A. Entwicklung von der ursprünglichen Fassung bis 1945 In der ursprünglichen Fassung der Strafprozessordnung9 waren nur wenige – heute als klassisch zu bezeichnende – Regelungen enthalten, welche die Beschaffung von Informationen zum Zwecke der Strafverfolgung betrafen. Gesetzlich speziell ausgestaltet waren hier vor allem die Beschlagnahme (§ 94 ff.) und die Durchsuchung (§ 102 ff.) sowie einzelne grundsätzliche Regelungen bezogen auf die Gutachtenerstattung durch sachverständige Personen in § 72 ff.10 Des Weiteren war zwecks Ergreifung des Beschuldigten der Erlass eines Steckbriefs in § 131 festgelegt. § 159 bestimmte, dass die Staatsanwaltschaft von allen öffentlichen Behörden Auskunft erlangen konnte und Ermittlungen jeder Art, mit Ausnahme von eidlichen Vernehmungen, vornehmen oder durch Beamte des Polizei- und Sicherheitsdienstes vornehmen lassen durfte. Ein Sachverhaltserforschungs9

RGBl. 1877, 253. Diese klassischen Regelungen wurden in ihrem Kernbereich der rechtlichen Ausgestaltung nahezu unverändert belassen. 10

B. Entwicklung in der Bundesrepublik bis 1990

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auftrag für Behörden oder Beamte des Polizei- und Sicherheitsdienstes war in § 161 normiert. Diese Regelungen fanden sich durch die (Neu-)Bekanntmachung der Strafprozessordnung auf Grund der Verordnung über Gerichtsverfassung und Strafrechtpflege aus dem Jahre 192411 in § 161 (Staatsanwaltschaft) bzw. § 163 (Polizei) wieder. Inhaltlich wurden jedoch keine Änderungen vorgenommen. Mit dem Ausführungsgesetz zu den Gesetzen gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24. November 193312 wurden sodann weitere Bestimmungen, die der Erlangung von für den Strafprozess relevanten Informationen dienten, eingeführt. So waren seither körperliche Untersuchungen des Beschuldigten, ebenso wie unter eingeschränkten Voraussetzungen auch gegenüber anderen Personen, sowie körperliche Eingriffe zur Tatsachenermittlung gemäß § 81a gestattet. Auch weitere erkennungsdienstliche Maßnahmen wie die Aufnahme von Lichtbildern oder die Abnahme von Fingerabdrücken wurden durch § 81b mit der Begründung einer so zu ermöglichenden leichteren Ermittlung gefährlicher Gewohnheitsverbrecher gesetzlich geregelt.13 Ermittlungsorientierte Vereinfachungen betreffend die Anordnungskompetenz, die bei Beschlagnahmen im Vorverfahren immer auch der Staatsanwaltschaft zustehen sollte, wurden durch die Verordnung zur weiteren Anpassung der Strafrechtspflege an die Erfordernisse des totalen Krieges vom 13. Dezember 194414 vorgenommen.

B. Entwicklung in der Bundesrepublik bis 1990 Mit dem Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts15 wurde 1950 auch die Strafprozessordnung mit verschiedenen Änderungen wieder in Kraft gesetzt. Dabei ist die Regelung betreffend die körperliche Untersuchung Dritter auf als Zeugen in Betracht kommende Personen beschränkt und gesondert in § 81c normiert worden. Zudem wurde die Anordnungskompetenz für Beschlagnahmen erneut dem Richter zugeschrieben und eine ausschließliche Eilkompetenz für die Staatsanwaltschaft und ihre Hilfsbeamten wiedereingeführt. Für die Beschuldigtenvernehmung etablierte das Gesetz die Schutzvorschrift des § 136a, wel11

RGBl. I 1924, 322. RGBl. I 1933, 1000. 13 s. Schild, DuD 2002, 679 (679). 14 RGBl. I 1944, 339. 15 Gesetz vom 12. September 1950, BGBl. I 1950, 455, gesamte Fassung BGBl. I 1950, 629. 12

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2. Kap.: Entwicklung der Strafprozessordnung

che gemäß § 69a auch für die Zeugenvernehmung Anwendung finden sollte. Das Dritte Strafrechtsänderungsgesetz16 schuf 1953 die Möglichkeit der körperlichen Untersuchung Dritter und der Anordnung von Blutprobenentnahmen für den Zweck der Feststellung der Abstammung, auch wenn keine Zeugeneigenschaft in Rede stand. Die Vernehmung von Beschuldigten und Zeugen im Ermittlungsverfahren wurde durch das Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 19. Dezember 196417 gesondert in § 163a geregelt. Eine entscheidende Ausdehnung der strafverfolgungsbehördlichen Befugnisse fand durch das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses vom 13. August 196818 statt. Die Einführung der §§ 100a und 100b in die Strafprozessordnung – zu dieser Zeit eher ein Nebenprodukt zu entsprechenden geheimdienstlichen Kompetenzen –19 ermöglichte die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs bei Verdacht auf bestimmte in § 100a normierte Straftaten. Dabei sollte der Katalog nur besonders schwerwiegende und bedrohliche Delikte enthalten.20 Die Vorschrift gewann in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts durch die Ausrichtung auch der Strafverfolgung auf terroristische Organisationen verstärkt an Bedeutung.21 Alleine bis zur Wiedervereinigung im Jahre 1990 wurde der § 100a bereits zehnmal modifiziert, wovon zumindest sechs Änderungen zwischen 1970 und 1980 eine direkte Erweiterung der Überwachungsbefugnisse mit sich brachten.22 Auch eine Restriktion auf besonders schwerwiegende und bedrohliche Delikte scheint nach den Erweiterungen im Gesetz keine Entsprechung mehr zu finden.23 Neben einzelnen Änderungen bezüglich der Regelung zur Beschlagnahme ist durch das Erste Gesetz zur Reform des Strafverfahrensrechts vom 9. Dezember 197424 § 161a betreffend die Zeugenvernehmung durch die Staats16

BGBl. I 1953, 735. BGBl. I 1964, 1067. 18 BGBl. I 1968, 949; s. allgemein zur Entwicklung von Abhörmaßnahmen in der Strafprozessordnung Zimmermann, Staatliches Abhören, S. 8 f. und 63 ff. 19 Welp, Verteidigung und Überwachung, S. 289. 20 BT-Drs. 5/1880, S. 12. 21 Vgl. Albrecht/Dorsch/Krüpe, Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100a, 100b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, S. 7. 22 s. BGBl. I 1971, 1979; BGBl. I 1972, 1797; BGBl. I 1973, 1725; BGBl. I 1974, 469; BGBl. I 1974, 3393; BGBl. I 1978, 641; s. zur weiteren Entwicklung unter 2. Kapitel D. 23 Vgl. beispielsweise Katalogtaten wie Erpressung (§ 253 StGB), Bandendiebstahl (§ 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB); s. auch Niehaus, Katalogtatensysteme als Beschränkungen strafprozessualer Eingriffsbefugnisse, S. 40. 24 BGBl. I 1974, 3393. 17

C. Entwicklung in der DDR

21

anwaltschaft eingeführt worden, wodurch eine Konzentration der Ermittlungstätigkeit in der Hand der Staatsanwaltschaft erreicht werden sollte.25 Nach einer Erneuerung der Zeugnisverweigerungsrechte der Mitarbeiter von Presse und Rundfunk und der damit einhergehenden Modifikation der Beschlagnahmeverbote in § 9726 wurden 1978 durch das Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung27 zum einen die Ermächtigung zur Durchsuchung erweitert und zum anderen weitere Ermittlungsmaßnahmen zur Informationsgewinnung eingeführt. So wurden die Einrichtung von Kontrollstellen gemäß § 111 ermöglicht und Maßnahmen zur Identitätsfeststellung auch mittels Festhaltens des Verdächtigen gemäß §§ 163b f. etabliert. 1986 folgte dann die Einführung der so genannten Netzfahndung gemäß § 163d durch das Passgesetz und Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung.28

C. Entwicklung in der DDR An die Stelle der Strafprozessordnung vom 1. Februar 1877 trat im Jahre 1952 mit dem Gesetz über das Verfahren in Strafsachen in der Deutschen Demokratischen Republik29 ein – nach Ansicht des Ministeriums der Justiz der DDR – „(. . .) den neuen gesellschaftlichen Verhältnissen entsprechendes demokratisches Strafverfahrensrecht (. . .)“30. Betreffend die Informationserlangungsmaßnahmen waren insbesondere die Vorschriften zum Ermittlungsverfahren der §§ 95 ff. einschlägig. § 95 bestimmte, dass grundsätzlich die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen leitete. §§ 114 ff. regelten des Weiteren die Voraussetzungen für eine Beschlagnahme, wobei hierfür die Anordnungskompetenz grundsätzlich bei der Staatsanwaltschaft lag, eine richterliche Bestätigung innerhalb von 48 Stunden jedoch einzuholen war (§ 140). Gleiches galt für die Anordnung der Durchsuchung nach §§ 133 ff. Zudem bestand gemäß § 66 auch die Möglichkeit der Anordnung einer körperlichen Untersuchung sowohl bezogen auf die Beschuldigten als auch auf andere Personen unter eingeschränkten Voraussetzungen. Die Entnahme von Blutproben war nur gegenüber dem Beschuldigten gestattet. § 107 bestimmte zudem die grundsätzliche Einhaltung einer Frist von drei Monaten bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens. Der Erlass eines Steckbriefes war in § 155 geregelt. 25

s. bereits Kleinknecht, StPO, 32. Aufl. 1975, § 161 Rdnr. 1. s. Gesetz über das Zeugnisverweigerungsrecht der Mitarbeiter von Presse und Rundfunk, BGBl. I 1975, 1973. 27 BGBl. I 1978, 497. 28 BGBl. I 1986, 537. 29 GBl. der DDR 1952, 996. 30 Ministerium der Justiz der DDR, StPO der DDR (1968), 15. 26

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2. Kap.: Entwicklung der Strafprozessordnung

Durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung strafrechtlicher und verfahrensrechtlicher Bestimmungen vom 17. April 196331 erfolgten keine einschlägigen Veränderungen. Die Neufassung der Strafprozessordnung vom 12. Januar 196832 hatte sodann eine Neuordnung der Vorschriften zur Folge. Insoweit wurde die körperliche Untersuchung durch § 44, die Beschuldigtenvernehmung durch § 105 und die Beschlagnahme und Durchsuchung durch §§ 108 ff. geregelt. Die Ausschreibung zur Fahndung und die Regelung zum Steckbrief fanden sich in § 138 f. Die Beschlagnahme von Postsendungen erfuhr eine ausdrückliche Normierung in § 115. Inhaltlich wurde zudem explizit die Möglichkeit von erkennungsdienstlichen Maßnahmen auch schon vor Eröffnung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 44 Abs. 4 eingeführt. Sonst ergaben sich keine weiteren einschneidenden Änderungen der Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden, was im gleichen Maße auch für die Neufassung vom 19. Dezember 197433 und das Gesetz zur Änderung und Ergänzung strafund strafverfahrensrechtlicher Bestimmungen vom 7. April 197734 galt. Durch das Dritte Strafrechtsänderungsgesetz vom 28. Juni 1979 35 wurde dann die Überwachung und Aufnahme des Fernmeldeverkehrs bei Vorliegen eines dringenden Verdachts bezogen auf die Begehung einer Katalogstraftat durch die Einführung von § 115 Abs. 4 ermöglicht. Weitere auf Maßnahmen zur Informationserlangung bezogene Gesetzesänderungen erfolgten nicht.

D. Entwicklung in Deutschland seit 1990 Auch und insbesondere nach der Wiedervereinigung erfuhr die Strafprozessordnung ständige Erweiterungen der Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden zur Gewinnung von Informationen im Ermittlungsverfahren. Beispielsweise wurden die Vorschriften zur Telekommunikationsüberwachung36 seitdem vierzehn Mal geändert, wovon erneut zumindest fünf der Änderungen eine direkte Befugnisausdehnung beinhalteten37. Begründet mit dem Ansteigen der Straftaten im Bereich des Rauschgifthandels und dem Hinweis auf eine qualitative Änderung hin zu einer orga31

GBl. der DDR 1963, 65. GBl. der DDR 1968, 49. 33 GBl. der DDR 1975, 62. 34 GBl. der DDR 1977, 100. 35 GBl. der DDR 1979, 139. 36 Einführung des Begriffs in die StPO durch das Begleitgesetz zum Telekommunikationsgesetz, BGBl. I 1997, 3108; s. auch Vassilaki, JR 2000, 446 (446). 37 s. BGBl. I 1992, 372; BGBl. I 1992, 1392; BGBl. I 1994, 3186; BGBl. I 1998, 845; BGBl. I 2002, 3954. 32

D. Entwicklung in Deutschland seit 1990

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nisierten Begehungsweise38 wurde 1992 durch das Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität39 die Rasterfahndung (maschineller Abgleich personenbezogener Daten) gemäß §§ 98a ff., der Einsatz technischer Mittel zu Observationszwecken sowie das Abhören des nichtöffentlich gesprochenen Wortes außerhalb von Wohnungen nach § 100c, 100d eingeführt. Auch der Einsatz eines Verdeckten Ermittlers gemäß der eingeführten §§ 110a ff. und die Ausschreibung zur Beobachtung gemäß § 163e erfuhren eine gesetzliche Legitimation im Rahmen strafprozessualer Ermittlungen. Das Ziel des Gesetzes sollte sein, ein bisher nicht existentes (so die Gesetzesentwurfsbegründung des Bundesrates) gesetzliches Instrumentarium zu schaffen, mit dem es möglich sein sollte, „(. . .) über die Peripherie der kriminellen Organisation hinaus in deren Kernbereich einzudringen, ihre Strukturen zu erkennen und zu zerschlagen und die hauptverantwortlichen Straftäter, die Organisation, Finanziers und im Hintergrund agierende Drahtzieher zu überführen (. . .)“.40 Ebenfalls 1992 erfolgte aber auch die Einführung eines Zeugnisverweigerungsrechts gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b – und sich daraus ergebenden Beschlagnahmeverboten gemäß § 97 Abs. 1 Nr. 1 – für Personen, die Beratung in Fragen der Betäubungsmittelabhängigkeit durchführen.41 Eine weitere Stärkung des Zeugnisverweigerungsrechts – insbesondere für Abgeordnete – resultierte 1994 aus dem Siebzehnten Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und Vierzehnten Gesetz zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes.42 Weitere berufsgruppen- und lebensgestaltungsbezogene Erweiterungen, aber auch inhaltliche Beschränkungen des Zeugnisverweigerungsrechts wurden in den Jahren 1998, 2001 und 2002 vorgenommen.43 Aufgrund des Strafverfahrensänderungsgesetzes – DNA-Analyse – vom 17. März 199744 darf Material, welches durch eine Untersuchung gemäß 38

Vgl. BT-Drs. 12/989, 20. BGBl. I 1992, 1302; vgl. zur Entwicklung des Gesetzes Kinzig, Die rechtliche Bewältigung von Erscheinungsformen organisierter Kriminalität, S. 102 ff.; zur allgemeinen Entwicklung von Abhörmaßnahmen Zimmermann, Staatliches Abhören, S. 140 ff. 40 s. BT-Drs. 12/989, 21. 41 s. Gesetz zur Einführung eines Zeugnisverweigerungsrechts für Beratungen in Fragen der Betäubungsmittelabhängigkeit, BGBl. I 1992, 1366. 42 BGBl. I 1994, 3346. 43 s. Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze, BGBl. I 1998, 1311; Lebenspartnerschaftsgesetz, BGBl. I 2001, 266; Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung, BGBl. I 2002, 682. 39

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2. Kap.: Entwicklung der Strafprozessordnung

§ 81a oder § 81c oder auf sonstige Weise erlangt wurde, nun auch gemäß § 81e molekulargenetisch untersucht werden, mithin ist die Abnahme eines so genannten „Genetischen Fingerabdrucks“ bzw. die Anwendung der Polymerase-Ketten-Reaktion-Methode gesetzlich ermöglicht worden.45 Durch das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität vom 4. Mai 199846 wurde der – inzwischen vom Bundesverfassungsgericht in großen Teilen für verfassungswidrig erklärte –47 so genannte große Lauschangriff gemäß § 100c Abs. 1 Nr. 3 eingeführt, der auch das Abhören des nichtöffentlich gesprochenen Wortes in Wohnungen gestattet. Im gleichen Jahr wurde mit § 81g die gesetzliche Grundlage für die Einführung einer DNA-Analyse-Datei geschaffen.48 Das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrensrechts 1999 vom 2. August 200049 berechtigte die Ermittlungsbehörden zu geringfügigen Grundrechtseingriffen auch auf der Grundlage der Ermittlungsgeneralklauseln §§ 161, 163, deren Einordnung als Aufgabenzuweisungen oder Eingriffsgrundlage zuvor strittig war. Gleichzeitig fand eine klarstellende Beschränkung der Befugnisse aus §§ 161, 163 auf lediglich einfache kurzfristige Observationen statt, entsprechend aber auch die nun explizite Ermächtigung zu längerfristigen Observationen durch die Einführung des § 163f.50 Zudem wurde mit der Schaffung der §§ 131a ff. die Möglichkeit der (öffentlichen) Ausschreibung zur Fahndung gesetzlich geregelt, die neben die Vorschrift zur Ausschreibung zur Festnahme tritt, welche sprachlich den neuen Methoden angepasst wurde (vormals Steckbrief). Im Jahr 2001 erfolgte dann die Einführung der Vorschriften der §§ 100g, 100h betreffend die Auskunft über Telekommunikationsverbindungen direkt in die Strafprozessordnung.51 Ein Jahr später wurde die Möglichkeit der Nutzung des so genannten IMSI-Catchers zur Standortbestimmung und Vorbereitung einer Telekommunikationsüberwachung gemäß § 100i geschaffen.52 Im gleichen Jahr erfuhr § 100c Abs. 1 Nr. 3 eine Erweiterung auf 44

BGBl. I 1997, 534. s. auch Meyer-Goßner, StPO, § 81e Rdnr. 1. 46 BGBl. I 1998, 845. 47 BVerfG NJW 2004, 999. 48 s. Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung (DNA-Identitätsfeststellungsgesetz), BGBl. I 1998, 2646. 49 BGBl. I 2000, 1253. 50 Die längerfristige Observation soll wegen eines veränderten Täterverhaltens insbesondere im Bereich von Serienstraftaten, das adäquate Ermittlungsergebnisse auf herkömmlichem Wege nicht mehr zulasse, unerlässlich sein. Vgl. BT-Drs. 14/1484, S. 24. 51 Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung, BGBl. I 2001, 3879. 52 Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung, BGBl. I 2002, 3018. 45

E. Zusammenfassung

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kriminelle und terroristische Vereinigung im Ausland.53 Durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27. Dezember 200354 wurde zudem die Auswertung der molekulargenetischen Untersuchung um die Geschlechtsbestimmung erweitert. Eine sprachliche Anpassung im Bereich des Ermittlungsverfahrens wurde durch das Erste Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 200455 durchgeführt, wodurch die ermittelnden Polizeibediensteten nicht mehr als „Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft“, sondern als Ermittlungspersonen bezeichnet werden. Durch das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15. Dezember 200456 wurde das Zeugnisverweigerungsrecht für Personen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen durch eine entsprechende Erweiterung des § 52 gestärkt. Des Weiteren wurden nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur akustischen Wohnraumüberwachung57 eine Umgestaltung der diesbezüglichen Vorschriften vorgenommen, wonach eine teilweise Verengung des Straftatenkatalogs stattgefunden hat und zudem einzelne gesetzliche Vorkehrungen zur Verhinderung von Eingriffen in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung getroffen wurden. Die Regelungen zum sonstigen Einsatz technischer Mittel gemäß § 100c Abs. 1 Nr. 1 und 2 i. V. m. § 100d wurden inhaltlich unverändert in § 100f übernommen.58 Eine Erweiterung der Befugnisse zur Entnahme von Körperzellen zum Zwecke einer molekulargenetischen Untersuchung zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren gemäß § 81g StPO sowie eine gesetzliche Kodifizierung so genannter DNA-Massentest fand durch das Gesetz zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse vom 12. August 200559 statt.

E. Zusammenfassung Die Vorschriften zu strafverfolgungsbehördlichen Handlungen zwecks Erlangung personenbezogener Daten in der deutschen Strafprozessordnung blieben nach deren Schaffung lange Zeit weitgehend unverändert. Erst nach 53

BGBl. I 2002, 3390. BGBl. I 2003, 3007. 55 BGBl. I 2004, 2198. 56 BGBl. I 2004, 3396. 57 BVerfG NJW 2004, 999. 58 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 (akustische Wohraumüberwachung), BR-Drs. 722/04, S. 2. 59 BGBl. I 2005, 2360. 54

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2. Kap.: Entwicklung der Strafprozessordnung

der nationalsozialistischen Machtergreifung erfolgte die Einführung zusätzlicher und die Erweiterung bestehender Maßnahmen. Diese Entwicklung wurde sowohl in der alten Bundesrepublik Deutschland als auch in der DDR durch die Einführung einzelner Schutzvorschriften insbesondere für Zeugen und die Beschränkung der zuvor eingeführten Maßnahmen zunächst relativiert. In der DDR wurden die einschlägigen gesetzlich geregelten Befugnisse in der Strafprozessordnung lediglich um erkennungsdienstliche Maßnahmen und die Möglichkeit der Überwachung des Fernmeldeverkehrs erweitert.60 In der Bundesrepublik erfolgte Ende der 60er Jahre hingegen eine sich auch in der Gesetzgebung widerspiegelnde, stärkere politische Umkehrung und eine sukzessive Einführung weiterer – hauptsächlich durch technische Entwicklung möglicher – Ermittlungsmaßnahmen. Als argumentative Grundlage dienten neben dem allgemeinen Hinweis auf das Ansteigen von Kriminalität zumeist das Aufkommen besonderer Kriminalitätsformen wie Terrorismus oder Begehungsformen, die in ihrer Gesamtheit als Organisierte Kriminalität61 bezeichnet werden. Diese Entwicklung setzte sich stetig und mit hoher Geschwindigkeit auch nach der Wiedervereinigung 1990 fort. Ingesamt lässt sich im Rahmen der mehr als hundertfünfundzwanzigjährigen Geschichte der Strafprozessordnung besonders für das letzte Drittel eine intensive Konzentration auf die Erweiterung von Befugnissen zur Erlangung von personenbezogenen Informationen im Strafprozess konstatieren.

60 Hierbei ist zu beachten, dass die gesetzlichen Regelungen kein Abbild der Überwachungsrealität wiedergeben. Vielmehr ist von einer extensiven Überwachung, insbesondere allerdings im Präventionsbereich, durch das Ministerium für Staatssicherheit auszugehen. s. Sachs-Krüger/Pagenkopf, GG, Art. 10 Rdnr. 5a; zu konkreten Zahlen bezüglich Telefonüberwachungen s. Vierten Tätigkeitsbericht des Beauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR – 1999, BT-Drs. 14/1300, 47. 61 Kritisch zum Begriff BVerfG NJW 2004, 999 (1009); s. auch bereits Eisenberg, NJW 1993, 1033 ff.; Eisenberg, Kriminologie, § 57 Rdnr. 67 und 77; umfassend zu rechtstatsächlichen Befunden Kinzig, Die rechtliche Bewältigung von Erscheinungsformen Organisierter Kriminalität, S. 704 ff., 775 ff.

3. Kapitel

Aktuelle Gesetzeslage und Darstellung von Informationsbeschaffungsmöglichkeiten sowie ausgewählte empirische Daten über die Anwendungshäufigkeit Wie der historische Abriss zeigt, hat sich die Gesetzeslage insbesondere in den letzten Jahren drastisch verändert. Die Einführung neuer und die Erweiterung bereits bestehender Überwachungsregelungen machen es notwendig, einen kurzen Überblick über die aktuelle Lage bezüglich Überwachungsmöglichkeiten im Rahmen der Strafverfolgung zu geben. Dabei sollen zum einen die konkreten gesetzlichen Regelungen näher betrachtet werden, zum anderen aber auch die technische und faktische Ausgestaltung dargestellt werden. Für den Bereich der kumulativen Überwachung ermöglicht diese Übersicht, Schlussfolgerungen über die bestehenden Kontrollmöglichkeiten durch die Zusammenführung der verschiedenen Maßnahmen zu ziehen und so eine Verständnisbildung für die zu erörternde Problematik zu erleichtern. Dabei sind vorrangig so genannte heimliche Ermittlungsmethoden von Bedeutung. Begründet ist die Gewichtung – auch der nachstehenden Untersuchung – in der effektiveren Informationserlangung durch die Kumulation von Methoden der Ermittlung in Unkenntnis der Betroffenen aufgrund mangelnder akuter Abwehrmöglichkeiten, sowohl rechtlicher als auch tatsächlicher Art. Gerade betreffend die Kumulation von Maßnahmen ergeben sich besonders in diesem Bereich große Potenziale für eine intensive und umfängliche Überwachung. Diese Effektivität ist es, die – wie im Folgenden dargestellt wird – eine neue Bewertung der Maßnahmen nötig macht und worauf somit der Interessensschwerpunkt zu legen ist.62 Dennoch können auch nicht-heimliche Ermittlungsmethoden eine besondere Intensität und Effektivität betreffend die Erlangung von Informationen bzw. Daten aufweisen. In diesem Zusammenhang sind technische Neuerungen der Datenspeicherung etwa im Rahmen von Datenträgerbeschlagnahmen von Bedeutung. Auch hierauf ist einzugehen.

62

s. auch unter 4. Kapitel E.III.

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3. Kap.: Aktuelle Gesetzeslage und Anwendungshäufigkeit

A. Heimliche Maßnahmen Unter dem Begriff „heimliche Maßnahmen“ werden im Folgenden solche Maßnahmen verstanden, die von ihrer allgemeinen Ausrichtung her die Unkenntnis der Betroffenen voraussetzen.63 Bei der Einordnung der Maßnahmen als heimlich ist es grundsätzlich unschädlich, dass der Betroffene von der Durchführung der Maßnahme im Einzelfall Kenntnis hat, etwa weil er sie bemerkt hat. Auf der anderen Seite sind solche strafverfolgungsbehördlichen Handlungen nicht einbezogen, die zwar in Unkenntnis des Betroffenen durchgeführt werden, diese aber ihrem Wesen nach nicht voraussetzen.64

I. Überwachung der Telekommunikation (§§ 100a, 100b StPO) 1. Allgemeines Die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation ist in §§ 100a und 100b StPO geregelt. Telekommunikation beschreibt gemäß § 3 Nr. 22 TKG den technischen Vorgang des Aussendens, Übermittelns und Empfangens von Signalen mittels Telekommunikationsanlagen. Telekommunikationsanlagen sind dabei gemäß § 3 Nr. 23 TKG „technische Einrichtungen oder Systeme, die als Nachrichten identifizierbare elektromagnetische oder optische Signale senden, übertragen, vermitteln, empfangen, steuern oder kontrollieren können“. Insoweit besteht eine Anwendbarkeit neben dem einfachen Telefonverkehr auch bezüglich Bildtelefon-, Fernschreib-, Fernkopier- und Telefaxverkehr sowie bezüglich Mobilfunkverkehr und sonstiger Satellitenübertragung und dem Datenaustausch im Internet.65 2. Durchführung Konkret bezieht sich die gesetzliche Grundlage auf jegliches Mithören oder -lesen sowie sonstige Wahrnehmung von Telekommunikation und ebenfalls auf jede Form der Erfassung des Datenverkehrs. Dabei handelt es sich bei der repressiven Abhörtätigkeit um eine Individualüberwachung, die auf konkrete Personen oder Anschlüsse bezogen ist, wobei nicht wie bei einer strategischen Überwachung bestimmte Schlüsselwörter oder Regionen – 63

Vgl. auch Schmitz, Rechtliche Probleme des Einsatzes verdeckter Ermittler,

S. 3. 64 Hierunter fallen beispielsweise die Durchsuchung von Räumen und Beschlagnahme von Gegenständen in Abwesenheit des Betroffenen. 65 Eisenberg, StPO, Rdnr. 2403; KK-Nack, StPO, § 100a Rdnr. 6.

A. Heimliche Maßnahmen

29

jedenfalls von der konkreten Person losgelöste Kriterien – als Anknüpfungspunkt dienen.66 Die Umsetzung ist gemäß § 100b Abs. 3 StPO i. V. m. § 110 TKG durch die Telekommunikationsdienstleister zu ermöglichen und etwaige Vorkehrungen hierfür sind von diesen auf eigene Kosten vorzunehmen.67 Die Überwachung kann sich zum einen auf Inhaltsdaten beziehen. Neben dem klassischen Abhören, welches sich lediglich auf den konkreten Inhalt des gesprochenen Wortes und auf die Individualisierung der Gesprächsparteien bezieht,68 kommt insbesondere durch technische Entwicklungen im Bereich der Telekommunikation auch die Kenntnisnahme nicht verbal übermittelter Inhalte in Betracht. Über das Überwachen von Bildtelefon- und Telefaxverkehr hinaus sind insoweit auch Emails, Textnachrichten und andere Kommunikationsformen beispielsweise via Internet (Mitlesen von Internetchats) von § 100a StPO grundsätzlich gedeckte Maßnahmen.69 Zum anderen wird vertreten, dass auch Verbindungsdaten und diesbezüglich insbesondere Daten betreffend den Standort eines Mobilfunktelefons grundsätzlich gemäß § 100a StPO abrufbar sein sollen. Die zur Erstellung eines Bewegungsprofils verwendbaren Daten können danach sogar im stand-by-Betrieb rechtmäßig abgerufen werden oder durch die Aussendung einer so genannten „stillen SMS“ erzeugt werden.70 Technisch erfolgt die Standortbestimmung über die Abfrage der betreffenden Funkzelle, in der sich das Mobilfunktelefon befindet. Eine lokale Begrenzung ist abhängig von der Funkzellengröße möglich. Eine weitergehende Ortung erfordert zusätzliche Peilmaßnahmen und Laufzeitmessungen.71 Betreffend die Häufigkeit der Anordnung einer Telekommunikationsüberwachung ist ein starker Anstieg in den letzten Jahren zu verzeichnen. Eine 66 s. zur Abgrenzung auch Eckhart, CR 2002, 770 (771); Bizer, DuD 2002, 216 (216). 67 Vgl. auch Meyer-Goßner, StPO, § 100b Rdnr. 5. 68 Die Telefonüberwachung dient häufig der Aufdeckung bestimmter Strukturen und Netzwerke. Insoweit ist der konkrete Gesprächsinhalt zur unmittelbaren Verwertung als Beweis im Strafprozess zum Teil nebenrangig. s. Meyer-Wieck, Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“) nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO, S. 207. 69 Vgl. Eisenberg/Nischan, JZ 1997, 74 ff.; KK-Nack, StPO, § 100a Rdnr. 4 ff.; inwieweit § 100a StPO auch für bereits beim Empfänger angekommene Daten Anwendung findet, ist strittig. s. für eine eingeschränkte Geltung Eisenberg, StPO, Rdnr. 2404, KK-Nack, StPO, § 100a Rdnr. 5 ff.; für eine einheitliche Beurteilung des gesamten Übermittlungsvorgang s. Meyer-Goßner, StPO, § 100a, Rdnr. 2. 70 Vgl. BGH-Ermittlungsrichter StV 2001, 214; KK-Nack, StPO, § 100a Rdnr. 14; s. aber Demko, NStZ 2004, 57 ff.; a. A. auch Eisenberg/Singelnstein, NStZ 2005, 62 ff. 71 Artkämper, Kriminalistik 1998, 202 (202).

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3. Kap.: Aktuelle Gesetzeslage und Anwendungshäufigkeit

aussagekräftige Bewertung72 dessen ist jedoch erst seit der Verpflichtung der Telekommunikationsdienstleister zur statistischen Erfassung gemäß § 88 Abs. 5 TKG a. F. bzw. gemäß § 110 Abs. 8 TKG n. F. im Jahre 1996 möglich. Zur Erklärung des starken Anstieges wird vornehmlich auf zwei Entwicklungen verwiesen. Dies bezieht sich einerseits auf die allgemeine und spezielle Kriminalitätsentwicklung, zu deren Verfolgung die Telekommunikationsüberwachung genutzt werden soll. Allerdings geht dies ausweislich des insgesamt eher rückläufigen Trends der Fälle in der PKS in den entsprechenden Jahren – und für überwachungsintensive Deliktsbereiche73 zum Teil stark rückläufigen (oder zumindest verglichen mit der Anordnungssteigerung von Telekommunikationsüberwachung eher geringen Anstiegs) – fehl74 (s. zur jeweiligen Entwicklung Abbildung 1). Während die Anzahl der Telekommunikationsüberwachungsanordnungen von 1996 bis 2002 um 240,3% angestiegen ist,75 ergibt sich für die Gesamtheit der Fälle in der PKS in den Jahren 1996 bis 2004 ein Rückgang von 0,2%, für den Zeitraum von 1996 bis 2002 sogar von 2,1%. Die überwachungsintensiven Deliktsbereiche Raubdelikte und Mord/Totschlag sind zwischen 1996 und 2004 zu 11,6 bzw. 29,1% rückläufig (für den Zeitraum 1996 bis 2002 12,9 bzw. 23,9%). Bei Rauschgiftdelikten, die in 50% der Fälle Anlass für eine Telekommunikationsüberwachung sind, ist hingegen ein Anstieg von 51,7% zu registrieren (im Zeitraum 1996 bis 2002 war es 34,2%).76 Insgesamt kann somit allein die Fälleentwicklung nur bedingt eine Erklärung für den Anstieg der Überwachungsanordnungen liefern. 72 Einschränkungen erfährt diese jedoch durch die nicht einheitlich geregelte Erfassung bis 2002; s. seitdem § 25 TKÜV. 73 Die durchschnittlich überwachungsintensivsten Delikte bezogen auf die entsprechende Anzahl der Telekommunikationsüberwachungsverfahren sind BtM-Delikte (über 50%), Raubdelikte (ca. 6–11%) sowie Totschlag und Mord (ca. 4–8%), vgl. Albrecht/Dorsch/Krüpe, Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100a, 100b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, S. 54. 74 s. für BtM-Fälle Albrecht/Dorsch/Krüpe, Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100a, 100b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, S. 31 ff. 75 Albrecht/Dorsch/Krüpe, Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100a, 100b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, S. 30; vergleichbare Zahlen für die Folgejahre wurden nicht erhoben. 76 Neben den allgemeinen Einschränkungen, denen Aussagen über die Veränderung der Anzahl von tatbestandserfüllenden Geschehensabläufen aus den Fällen der PKS unterliegen (vgl. Eisenberg, Kriminologie, § 17 Rdnr. 19 ff.), ist hierbei im Besonderen auf die mögliche Abhängigkeit der Veränderung der Anzahl der Fälle von der Veränderung der Überwachungsintensität in bestimmten Bereichen hinzuweisen.

A. Heimliche Maßnahmen

31

Der zweite Erklärungsansatz bezieht sich auf Veränderungen am Kommunikationsmarkt und dabei insbesondere bezogen auf den boomenden Mobilfunkmarkt.77 Zu verweisen ist dabei auf die Anzahl der Teilnehmer am Mobilfunkverkehr, die von 1996 bis 2004 um 1184% anstieg (in den Jahren 1996 bis 2002 966%). Eine mögliche Abhängigkeit der steigenden Anzahl von Telekommunikationsüberwachungen von veränderten Kommunikationsweisen erscheint daher nahe liegend. Auch die konkrete Steigerung der Mobilfunküberwachungsanordnungen, die über der für allgemeine Telekommunikationsüberwachungsanordnungen liegt, bestätigt dieses Bild.78 Eine Schlussfolgerung, dass sich insofern die Überwachungsintensität nicht einschneidend verändert habe, sondern lediglich eine Anpassung an die veränderten technischen Gegebenheiten erfolgte, greift hingegen zu kurz. Auch ein Hinweis auf den Rückgang der Quote zeitweilig kontrollierter Kommunikationsteilnehmer und die hieraus abgeleitete Konsequenz eines Nachlassens der Kontrolle vertraulicher Kommunikation79 entsprechen nicht der realen Entwicklung. Vielmehr ist von einer gesellschaftlichen Kommunikationsverlagerung zu Gunsten des Informationsaustausches mittels Telekommunikation insbesondere auch mobiler Telekommunikation auszugehen.80 Die sich hieran anschließende Intensivierung der Überwachung dieser Kommunikationsform entspricht einer vom Umfang her gesteigerten Überwachung der persönlichen Kommunikation insgesamt. Dies wird durch sonstige rechtliche und rechtstatsächliche Befunde bestätigt, da beispielsweise die Intensivierung von Überwachungsmaßnahmen im Mobilfunkbereich gerade nicht mit einem dementsprechenden Rückgang des Abhörens von Festnetzgesprächen 77

Albrecht/Dorsch/Krüpe, Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100a, 100b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, S. 30 und 33 ff. 78 Bezüglich Mobilfunküberwachungsanordnungen ergab sich eine Steigerung von 276,3% zwischen 1996 und 2002, vgl. Albrecht/Dorsch/Krüpe, Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100a, 100b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, S. 37. 79 So Albrecht/Dorsch/Krüpe, Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100a, 100b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, S. 38. 80 Vgl. hierzu auch den Anstieg der Gesprächsminuten bzw. des Verkehrsaufkommens sowohl im Mobilfunk- als auch im Festnetzbereich (bei leichtem Rückgang bezüglich der Gesprächsminuten im Festnetzbereich 2003 und 2004) und den Anstieg bezogen auf die Gesamtheit der Internetnutzung, wobei in den letzten Jahren eine Verlagerung vom schmalbandigen zum hochbitratigen Internet- und damit auch Festnetzverkehr zu verzeichnen ist, RegTP 2003, S. 28 f., S. 34, S. 37 f.; 2004, S. 36, S. 42, S. 47.

32

3. Kap.: Aktuelle Gesetzeslage und Anwendungshäufigkeit

1350 Anzahl der TKÜ-Anordnungen (Veränderung in %) Anzahl der Fälle (PKS - Veränderung in %)

1150

Anzahl der Fälle Rauschgiftdelikte (PKS -Veränderung in %) Anzahl der Fälle Raubdelikte (PKS - Veränderung in %) Anzahl der Fälle Mord/Totschlag (PKS - Veränderung in %)

950

Anzahl der Mobilfunkteilnehmer (Veränderung in %)

750

550

350

150

-50 1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

Abbildung 1: Entwicklung der Anzahl der Telekommunikationsüberwachungen gemäß §§ 100a, 100b StPO81; Entwicklung der Anzahl der Mobilfunkteilnehmer82 und Fälle der PKS (alle, Rauschgiftkriminalität83, Raubdelikte, Mord und Totschlag)84 in prozentualer Veränderung gegenüber 1996

einhergegangen ist.85 Auch die allgemeine Ausweitung von Befugnisnormen zur Überwachung spiegelt eine dahingehende Entwicklung wider.86 81 Absolute Zahlen entnommen aus Albrecht/Dorsch/Krüpe, Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100a, 100b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, S. 30; vergleichbare Zahlen für die Folgejahre wurden nicht erhoben. 82 Vgl. auch zu den absoluten Zahlen RegTP, Jahresbericht 2004, S. 42. 83 Zu beachten ist jedoch, dass die rechtlich zulässige Überwachung auf die in § 100a Nr. 4 StPO normierten Tatbestände beschränkt ist. 84 s. PKS 1996–2004, Tabellen T2, T91, T108, T211. 85 Zwischen 1998 und 2002 ergab sich ein Anstieg von etwa 4%, vgl. Albrecht/ Dorsch/Krüpe, Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100a, 100b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, S. 36. 86 Vgl. näher unter 7. Kapitel A.II.

A. Heimliche Maßnahmen

33

Unter Zugrundelegung dieser Zahlen ist es nahe liegend, dass zumindest weitere Ursachen neben der Fälleentwicklung, wie sie sich in der PKS darstellt, und der Angleichung der Überwachung an technische Veränderungen, wie die mobile Telekommunikation, für die Steigerung der Telekommunikationsüberwachung von Bedeutung sind. Hierbei könnten insbesondere überwachungsstrategische Überlegungen der Strafverfolgungsbehörden ausschlaggebend sein. Zum einen mögen Erwägungen betreffend die besondere Geeignetheit gerade der Telekommunikation zur Planung und Begehung von Taten durch mehrere Beteiligte und die Ermangelung einer Vielzahl anderer Maßnahmen zur Beweiserlangung zu einer Konzentration auf diese Form der Informationsgewinnung führen.87 Zum anderen könnten auch Aspekte wie die als hoch beurteilte Effizienz der Überwachung betreffend Informationsgewinnung88 sowie die geringe Transparenz und somit auch effektive Überprüfbarkeit der Maßnahme durch Betroffene aufgrund des heimlichen Charakters sowie eine allgemein veränderte Überwachungsstrategie eine Rolle spielen.89 3. Rechtliche Voraussetzungen Voraussetzung für die Anordnung der Überwachung und gegebenenfalls zusätzlich auch der Aufzeichnung90 der Telekommunikation ist das Vorliegen eines durch bestimmte Tatsachen konkretisierten Verdachts bezüglich der Täter- oder Teilnehmerschaft einer Person bezogen auf eine der in § 100a Nr. 1–5 StPO aufgezählten Straftaten, deren strafbewehrte versuchsweise Begehung oder vorbereitende strafbare Handlungen. Ziel ist es gemäß § 100a Satz 1 StPO den Sachverhalt der zugrunde liegenden Straftat zu erforschen oder den Aufenthaltsort des Beschuldigten zu ermitteln. Zudem muss die Zielerreichung auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert sein (strenge Subsidiaritätsklausel)91. Auch andere Personen als der 87

s. auch Kühne, Strafprozessrecht, Rdnr. 520. s. zu den Vorteilen einer Anordnung gemäß §§ 100a, 100b StPO Ergebnisse der Expertengespräche bei Albrecht/Dorsch/Krüpe, Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100a, 100b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, S. 329 f., 335 f., 339 f.; für eine allgemeine Effizienzbewertung s. S. 355 ff. 89 Vgl. hierzu unter 7. Kapitel A.I und A.III. 90 s. zur Notwendigkeit der gesonderten Anordnung Meyer-Goßner, StPO, § 100a Rdnr. 3 und § 100b Rdnr. 3. 91 Das System der abgestuften Subsidiaritätsklauseln dient der Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Dabei erfüllt es die Aufgabe, Bewertungsspielräume der Exekutivorgane zu verengen und gesetzlich klare Regelungen betreffend unterschiedliche Eingriffsschwellen zu schaffen. Die unterste Ebene der Subsidiaritätsstufen bildet die einfache Subsidiaritätsklausel. Hiernach ist die rechtmäßige 88

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3. Kap.: Aktuelle Gesetzeslage und Anwendungshäufigkeit

Beschuldigte dürfen gemäß § 100a Satz 2 StPO überwacht werden, soweit bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass diese Personen Nachrichten für oder von dem Beschuldigten entgegennehmen oder weitergeben oder dass der Beschuldigte ihren Anschluss benutzt. Die Regelung ist insoweit abschließend, wobei für Auskünfte von Telekommunikationsdienstleistern sowie den Einsatz technischer Mittel auf die §§ 100g, 100h und 100i StPO zu verweisen ist. Die Anordnungskompetenz liegt gemäß § 100b Abs. 1 Satz 1 StPO beim Richter. Eine Eilkompetenz besteht gemäß § 100b Abs. 1 Satz 2 StPO für die Staatsanwaltschaft.

II. Einsatz technischer Mittel gemäß § 100f Abs. 1 StPO 1. Allgemeines § 100f Abs. 1 StPO92 regelt den Einsatz technischer Mittel zu Observationszwecken. § 100f Abs. 1 Nr. 1 StPO bezieht sich dabei speziell auf Bildaufzeichnungen, während § 100f Abs. 1 Nr. 2 StPO den Einsatz sonstiger technischer Mittel umfasst. Wegen der vorgelagerten und nachfolgenden Vorschriften der §§ 100c, 100f Abs. 2 StPO sind Aufzeichnungen des gesprochenen Wortes und Observationen betreffend die Wohnung nicht von Abs. 1 gedeckt. 2. Durchführung Technische Mittel im Sinne der Nr. 1 sind somit sowohl herkömmliche als auch digitale Fotoaufnahmegeräte und Videokameras. Dies beinhaltet auch etwaige Spezialkameras mit besonderer Größe oder Unauffälligkeit (z. B. in Mobilfunkgeräte eingebaute Kameras). Geräte mit sonstigen einer handelsüblichen Kamera deutlich überlegenen Funktionen, wie Nachtsichtmodus oder besonderer Auflösung beispielsweise von Satellitenaufnahmen, unterfallen als Bildaufzeichnungsgeräte zwar grundsätzlich auch Nr. 1, beAnordnung nur möglich, wenn das Ziel der Maßnahme (Erforschung des Sachverhaltes oder Ermittlung des Aufenthaltsortes des Tatverdächtigen) ohne die Nutzung der Maßnahme „weniger erfolgversprechend oder erschwert“ wäre. Die folgende Stufe (qualifizierte Subsidiaritätsklausel) verlangt, dass die Zielerreichung ansonsten „wesentlich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert“ wäre. Und eine dritte Stufe bezieht sich auf eine sonst „aussichtslose oder wesentlich erschwerte“ bzw. „unverhältnismäßig erschwerte und aussichtlose“ Erreichung des Ziels (strenge Subsidiaritätsklausel). s. zum Ganzen auch KK-Nack, StPO, § 100c Rdnr. 6; vgl. auch Schroeder, GA 2005, 74 ff. mit Kritik an der Formel „Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten“. 92 Der Einsatz technischer Mittel war vor dem 24. Juni 2005 in § 100c Abs. 1 Nr. 1 StPO geregelt. Neugefasst durch BGBl. I 2005, S. 1841.

A. Heimliche Maßnahmen

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dürfen aber aufgrund ihrer höheren Eingriffsintensität einer strengeren Verhältnismäßigkeitsprüfung.93 Nr. 2 bezieht sich auf technische Mittel wie Peilsender, Bewegungsmelder oder Alarmkoffer. Insgesamt ist die Norm offen gestaltet, was die Anwendbarkeit auch für zukünftige technische Entwicklungen und damit einhergehende Ermittlungsmöglichkeiten gewährleisten soll. Auf dieser argumentativen Grundlage soll auch die Verwendung des Global Positioning Systems (GPS) erfasst sein, welches mittels satellitengesteuerter Ortung den Standort eines – zumeist an Fortbewegungsmittel, wie Pkw angebrachten – Senders ermitteln kann und somit die Erstellung von Bewegungsbildern ermöglicht.94 Die dadurch entstehende partielle Generalermächtigung zum Einsatz technischer Mittel erscheint in Anbetracht zukünftiger technischer Erfassungs- und Speichermedien sehr bedenklich.95 Die bei der Einführung aufgrund der beispielhaften Nennung von Peilsendern96 anscheinend vorgesehene Beschränkung auf Maßnahmen zur Standortbestimmung muss daher eine Mindestgrenze bilden.97 Bereits von §§ 161, 163 StPO sollen hingegen einfache Sehhilfen, z. B. Ferngläser,98 oder auch Sprechfunkgeräte99 gedeckt sein. 3. Rechtliche Voraussetzungen Voraussetzung für die Anordnung der Observation durch technische Mittel ist der Verdacht, dass eine Straftat begangen wurde, wobei diese zur Anordnung von Mitteln nach Nr. 2 von erheblicher Bedeutung sein muss. Ziel ist die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters,100 einschränkend muss die Erforschung auf andere Weise weniger Erfolg versprechend oder erschwert sein. Diese einfache Subsidiaritätsklausel steigert sich bezogen auf die Nr. 1 zu einer qualifizierten Subsidiaritätsklausel, wenn sich die Maßnahme gegen andere als den Beschul93

Vgl. zur Verhältnismäßigkeit auch Eisenberg, StPO, Rdnr. 2426. BVerfG NJW 2005, 1338 ff.; BGHSt 46, 266; OLG Düsseldorf NStZ 1998, 268; einschränkend Eisenberg, StPO, Rdnr. 2427. s. zum Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf Comes, StV 1998, 569; vgl. auch Deckers, StraFo 2002, 109 (116 f.). Zukünftig wird zudem die Ortungsgenauigkeit durch den Einsatz miniaturisierter Atomuhren am Sender – auch in bisher für eine genaue Ortung mangels exakter Zeitbestimmung schwer zugänglichen Gebieten – erhöht werden können. 95 s. zu rechtlichen und kriminologischen Problemen betreffend den möglichen Einsatz der so genannten RFID-Technologie, Eisenberg/Puschke/Singelnstein, ZRP 2005, 9 ff. und dieselben, KrimJ 2005, 93 ff. 96 Vgl. BT-Drs. 12/989, 39. 97 s. auch KK-Nack, StPO § 100c Rdnr. 9. 98 KK-Nack, StPO, § 100c Rdnr. 9. 99 Meyer-Goßner, StPO, § 100c Rdnr. 2. 100 Vgl. KK-Nack, StPO, § 100c Rdnr. 15. 94

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3. Kap.: Aktuelle Gesetzeslage und Anwendungshäufigkeit

digten richtet. Für Maßnahmen nach Nr. 2 gegen andere Personen gilt, dass aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Zielerreichung sonst aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre, die Person eine Kontaktperson (aktuell oder zukünftig) ist und die Maßnahme zur Zielerreichung führen wird. Die Anordnungskompetenz für Maßnahmen nach Abs. 1 liegt bei der Staatsanwaltschaft und den Ermittlungspersonen.

III. Maßnahmen gemäß § 100f Abs. 2 StPO 1. Allgemeines Für das Abhören und das Aufzeichnen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes bildet die Regelung in § 100f Abs. 2 StPO die Rechtsgrundlage.101 Ausgenommen ist hierbei das in der geschützten Atmosphäre der Wohnung102 gesprochene Wort, welches lediglich unter den Voraussetzungen des § 100c StPO abgehört werden kann. 2. Durchführung Technisch erfolgt die Maßnahme zumeist durch das Anbringen kleiner Mikrofone (so genannter Wanzen) sowie durch den Einsatz von Aufzeichnungsgeräten und Richtmikrofonen. Für das Abhören von Räumen, die keine Wohnungen sind, können auch Mikrofone verwandt werden, die – auf das Fenster des abzuhörenden Raumes gerichtet – vom Glas abgegebene Schallwellen nutzen, um so den Gesprächsinhalt der im Raum geführten Konversation zugänglich zu machen. Zudem sollen auch einfache Vorbereitungs- und Begleitmaßnahmen, wie das Betreten von Räumen und das Anbringen von Mikrofonen, der Vorschrift im Sinne einer Annexkompetenz unterfallen.103

101 Maßnahmen zum Abhören und Aufzeichen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes waren vor dem 24. Juni 2005 in § 100c Abs. 1 Nr. 2 StPO geregelt. Neugefasst durch BGBl. I 2005, S. 1841. 102 Der Begriff der Wohnung ist weit zu verstehen und bezieht sich auch auf Geschäftsräume, sofern sie nicht allgemein zugänglich sind. s. Eisenberg, StPO, Rdnr. 2433 m. w. N.; s. auch Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 13 Rdnr. 2; von Münch/Kunig-Kunig, GG, Art. 13 Rdnr. 11; vgl. ferner unter 3. Kapitel A.IV. 103 s. Gropp JZ 1998, 501 (505); HK-Lemke, StPO, § 100c Rdnr. 12; KK-Nack, StPO, § 100c Rdnr. 14.

A. Heimliche Maßnahmen

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3. Rechtliche Voraussetzungen Voraussetzung für die Anordnung ist ein auf bestimmten Tatsachen beruhender Verdacht bezüglich des Vorliegens der Beteiligung an einer in § 100a StPO aufgeführten Straftat, eines strafbaren Versuchs oder einer strafbaren Vorbereitungshandlung hierzu. Die Zielrichtung der Maßnahme muss zudem die Erforschung des Sachverhaltes oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters sein, wobei im Sinne einer strengen Subsidiaritätsklausel diese Zielerreichung auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert sein müsste. Bei einer Maßnahme, die sich gegen andere Personen richtet, muss gemäß § 100f Abs. 3 Satz 3 StPO aufgrund bestimmter Tatsachen eine aktuelle oder zukünftige Verbindung der anderen Person mit dem Beschuldigten angenommen werden können; außerdem muss eine entsprechende Annahme dafür bestehen, dass die Maßnahme zur Zielerreichung führt. Zudem gilt auch hier die strenge Subsidiaritätsklausel. Die Anordnungskompetenz liegt gemäß § 100f Abs. 2 Satz 2 StPO beim Richter. Eine Eilkompetenz besteht bei der Staatsanwaltschaft und den Ermittlungspersonen.

IV. Maßnahmen gemäß § 100c StPO (so genannter großer Lauschangriff) 1. Allgemeines § 100c StPO bildet die Rechtsgrundlage zum Abhören und Aufzeichnen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes innerhalb von Wohnungen. Eine optische Überwachung im Rahmen von Strafverfolgung ist innerhalb von Wohnungen nicht gestattet. Dabei ist der Begriff der Wohnung weit zu verstehen und umfasst alle Räume, die durch den Berechtigten der allgemeinen Zugänglichkeit entzogen und zur Stätte seines privaten Lebens und Wirkens gemacht sind.104 Entsprechend der Definition sind auch Geschäfts- und Büroräume miterfasst.105 Nicht von Art. 13 GG geschützt ist die Kommunika104

s. Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 13 Rdnr. 2. s. BVerfGE 32, 54 (68 ff.); BVerfG NJW 2004, 999 (1004); vgl. auch Eisenberg, StPO, Rdnr. 2433. Eine teilweise engere Definition wie sie für den Wohnungsbegriff des neu gefassten § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB vertreten wird (BGH StV 2001, 624; OLG Schleswig NStZ 2000, 479 f.) kann keine Auswirkungen auf die Weite des Grundrechtsschutzes des Art. 13 GG haben. Die hier zu befürwortende Begrenzung der tatbestandliche Weite des Einbruchsdiebstahls ergibt sich aus der gesetzgeberischen Entscheidung (BGBl. I, 164), nach der der Einbruchsdiebstahl als Regelbeispiel aus § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB ausgegliedert und als Qualifikationstatbestand mit einer Mindeststrafandrohung von 6 Monaten eingefügt wurde. 105

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3. Kap.: Aktuelle Gesetzeslage und Anwendungshäufigkeit

tion innerhalb von Wohnungen, welche der natürlichen Wahrnehmung außerhalb des geschützten Bereichs nicht entzogen ist.106 Insoweit sind auf entsprechende Inhalte gerichtete technische Abhörmaßnahmen grundsätzlich unter § 100f Abs. 2 StPO zu subsumieren. Die Grundlage für die Ermöglichung eines derartigen Eingriffs in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung bildet die Einführung eines neuen Absatzes 3 in Art. 13 GG durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 26. März 1998.107 Die Einführung einer entsprechenden Ermittlungsbefugnis war von starken Bedenken bezüglich ihrer Verfassungsmäßigkeit begleitet, welche durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004108 in weiten Teilen bestätigt wurden. 2. Durchführung Die Durchführung der Maßnahme erfolgt – entsprechend der technischen Überwachung von Räumen, die keine Wohnung darstellen – im Allgemeinen durch den Einsatz von Mikrofonen. Insoweit besteht die Möglichkeit des Anbringens versteckter akustischer Aufzeichnungsmittel innerhalb der Wohnung, welche dann entweder mittels Funkübertragung oder drahtgebunden direkt die aufgezeichneten Gespräche an einen außerhalb der Wohnung befindlichen Empfänger bzw. ein Aufzeichnungsgerät weiterleiten oder die Aufzeichnung vor Ort vornehmen und daher ein Entfernen des Datenträgers zur späteren Auswertung notwendig machen. Zudem besteht die Möglichkeit des Einsatzes von Resonanzwellenmikrofonen.109 Das Abhören erfordert je nach den baulichen Gegebenheiten und dem vorzufindenden Personenverkehr teilweise einen erheblichen technischen und personellen Aufwand. Dieser ist zum einen für verschiedene Voraufklärungsmaßnahmen – wie etwa die Feststellung der örtlichen Gegebenheiten – und zum anderen zur verdeckten Einbringung der Abhörkomponenten erforderlich.110 Die Häufigkeit der Verfahren mit Anordnungen zur akustischen Wohnraumüberwachung ist verglichen mit der anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen als eher gering einzuschätzen. Auch die Entwicklung seit Inkrafttreten der Vorschrift lässt aufgrund der geringen Anzahl der Anordnungen nur sehr begrenzte Aussagen über eine sich konstant verändernde Aus106 Vgl. BVerfG NJW 2004, 999 (1005 f.). Dies gilt namentlich z. B. für Gespräche, die zwar innerhalb der Wohnung stattfinden, aber auch auf offener Straße hörbar sind. 107 BGBl. I 1998, 610. 108 BVerfG NJW 2004, 999; vgl. auch unter 3. Kapitel A.IV.4. 109 Vgl. auch unter 3. Kapitel A.III.2. 110 Vgl. BT-Drs. 14/8155, S. 7.

A. Heimliche Maßnahmen

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40 35 30 Anzahl der Verfahren mit Anordungen gemäß § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO aF

25 20

Anzahl der Verfahren mit für das Ermittlungsverfahren relevanten Anordnungen

15 10 5 0 1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

Abbildung 2: Entwicklung der Anzahl der Verfahren mit akustischer Wohnraumüberwachung gemäß §§ 100c Abs. 1 Nr. 3, 100d StPO a. F.; Entwicklung der Anzahl der Verfahren, in denen die Maßnahme gemäß §§ 100c Abs. 1 Nr. 3, 100d StPO a. F. für das Ermittlungsverfahren relevant war111

richtung dieser Überwachungsmaßnahme zu.112 Beachtlich ist zudem die eher geringe Relevanz der akustischen Wohnraumüberwachung für das konkrete Ermittlungsverfahren (s. insgesamt Abbildung 2).113 Die geringe Zahl der Wohnraumüberwachungsanordnungen lässt sich zum einen auf die im Verhältnis zu anderen Maßnahme restriktiven Voraussetzungen zurückführen. Zum anderen ist aber vor allem die faktische Durchführung mit einem sehr hohen technischen, personellen sowie zeitlichen und damit auch finanziellen Aufwand verbunden. Insoweit bestehen auf Seiten der Ermittler Vorbehalte gegenüber einem ausgeweiteten Einsatz dieses Instruments. Auch die Erlangung von Informationen, die unmittelbar als Beweise Eingang in das jeweilige Strafverfahren finden, ist eher Ausnahme als Regel, da Gerichte nach Auffassung ermittelnder Beamter eher Zurückhaltung bei der Verwertung technischer Aufzeichnungen üben.114 111 s. BT-Drs. 14/8155, S. 22–30; BT-Drs. 15/1504, S. 3–14; BT-Drs. 15/3699, S. 3–11; Pressemitteilung Bundesjustizministerium vom 24. August 2005. 112 Der deutliche Rückgang der Verfahrensanzahl für das Jahr 2004 ist auf das Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 3. März 2004 (NJW 2004, 999) zurückzuführen, indem weite Teile der gesetzlichen Regelung für verfassungswidrig erklärt wurden. 113 Vgl. zur geringen Relevanz auch unter 7. Kapitel A.II. 114 Vgl. Meyer-Wieck, Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“) nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO, S. 208 ff.

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3. Kap.: Aktuelle Gesetzeslage und Anwendungshäufigkeit

Dabei bezogen sich nach einer Studie in den Jahren 1998 bis 2003 durchschnittlich die meisten Verfahren auf Mord/Totschlag/Völkermord (11,3), gefolgt von Betäubungsmittelverfahren (7,2).115 Ein Vergleich mit der gesetzgeberischen Intention zur Nutzung des Instruments bei der Einführung des großen Lauschangriffs, die sich auf die Aufdeckung von Strukturen Organisierter Kriminalität richtet,116 zeigt eine zum Teil damit nicht vollständig übereinstimmende Schwerpunktsetzung in der Praxis. So betraf der offizielle OK-Bezug, der ab dem Jahre 2002 angeführt wird, lediglich 54% der Fälle.117 3. Rechtliche Voraussetzungen Die akustische Wohnraumüberwachung darf nach den gesetzlichen Vorgaben118 nur bei Vorliegen von Tatsachen angeordnet werden, die den Verdacht begründen, dass jemand eine in § 100c Abs. 2 StPO normierte Straftat begangen hat (§ 100c Abs. 1 Nr. 1 StPO). Des Weiteren muss gemäß § 100c Abs. 1 Nr. 2 StPO die Tat auch im Einzelfall besonders schwer wiegen. Der Verdacht muss durch schlüssiges Tatsachenmaterial konkretisiert sein.119 Zudem muss die Erreichung des Ermittlungszwecks (Sachverhaltsaufklärung oder Ermittlung des Aufenthaltsorts des Beschuldigten bzw. Mitbeschuldigten) gemäß § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen sein und auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos sein (§ 100c Abs. 1 Nr. 4 StPO). Soll die Überwachung in Wohnungen anderer Personen stattfinden, muss auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen sein, dass sich der Beschuldigte hierin aufhält und die Überwachung der Beschuldigtenwohnung allein nicht zum Ermittlungserfolg führen wird (§ 100c Abs. 3 StPO). Notwendige Vorbereitungsmaßnahmen, wie beispielsweise das Anbringen von Wanzen, sollen ebenfalls von der Vorschrift gedeckt sein.120 115 Vgl. Meyer-Wieck, Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“) nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO, S. 27. 116 Hier BT-Drs. 13/8651, S. 1. 117 Betreffend die Berücksichtigung der einzelnen Verfahren für das OK-Lagebild der Länder ergibt sich ein noch geringerer OK-Bezug. Während für Betäubungsmittelverfahren immerhin ein solcher Bezug in 49% der Verfahren festgestellt werden konnte, ergab sich für die größte Gruppe der Verfahren (Mord/Totschlag/Völkermord) nur ein Anteil von 4%. Vgl. Meyer-Wieck, Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“) nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO, S. 28 f. und 194 f. 118 s. Neuregelung der akustischen Wohnraumüberwachung vom 24. Juni 2005, BGBl. I 2005, 1841; s. auch Löffelmann, NJW 2005, 2033 ff.; vgl. zur Kritik am Entwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 15/34533) Leutheusser-Schnarrenberger, ZRP 2005, 1 ff. 119 KK-Nack, StPO, § 100c Rdnr. 39.

A. Heimliche Maßnahmen

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Die Maßnahme darf gemäß § 100c Abs. 4 StPO nur angeordnet werden, sofern aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass durch die Überwachung Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, nicht erfasst werden. Ergeben sich während der Maßnahme Anhaltspunkte für entsprechende Äußerungen, so ist das Abhören und Aufzeichnen unverzüglich zu unterbrechen und die Aufzeichnungen sind unverzüglich zu löschen (§ 100c Abs. 5 StPO). Erkenntnisse über diese Äußerungen dürfen nicht verwendet werden, die Entscheidung hierüber liegt gemäß § 100c Abs. 7 StPO beim anordnenden Gericht. Gänzlich unzulässig ist die Durchführung einer akustischen Wohnraumüberwachung in den Fällen des § 53 StPO. Die Anordnungskompetenz liegt gemäß § 100d Abs. 1 Satz 1 StPO bei der Staatsschutzkammer des jeweiligen Landgerichts (§ 74a GVG). Eine Eilkompetenz ist dem Vorsitzenden zugebilligt. 4. Verfassungsmäßigkeit Die dargestellten neuen Regelungen zur akustischen Wohraumüberwachung gehen auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zurück, wonach die vormaligen Regelungen zur akustischen Wohnraumüberwachung nicht dem Grundgesetz entsprechen.121 Hiernach waren die in § 100d Abs. 3 StPO a. F. normierten Einschränkungen der Überwachungsbefugnisse nicht ausreichend. Insbesondere wurde der mangelnde Schutz von Gesprächen mit Familienangehörigen und engsten Vertrauten in der Wohnung, dem nur durch ein mögliches Verwertungsverbot bezogen auf Zeugnisverweigerungsberechtigte nicht jedoch durch ein Erhebungsverbot Rechnung getragen wurde, den Anforderungen an den absoluten Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung nicht gerecht, wie er sich aus der Menschenwürdegarantie des Art. 1 GG ergibt.122 Zudem konnte nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nicht sichergestellt werden, dass die Fortsetzung einer Überwachung bei unerwartetem Betreffen des Kernbereichs privater Lebensgestaltung sofort abgebrochen würde.123 Ähnliche die Verfassungswidrigkeit begründende Bedenken bestanden gegenüber den nur für bestimmte Fälle geregelten Verwertungsverboten und Löschungsanweisungen für Informationen aus dem Kernbereich der Lebens120

s. BT-Drs. 13/8651, S. 13; kritisch KK-Nack, StPO, § 100c Rdnr. 13. s. BVerfG NJW 2004, 999; vgl. zur rechtlichen Geschichte des „großen Lauschangriffs“ Lepsius, Jura 2005, 433 ff. 122 s. BVerfG NJW 2004, 999 (1006); s. auch zur Unverwertbarkeit eines aufgezeichneten Selbstgesprächs BGH NJW 2005, 3295. 123 s. BVerfG NJW 2004, 999 (1006). 121

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3. Kap.: Aktuelle Gesetzeslage und Anwendungshäufigkeit

gestaltung.124 Zudem entsprach auch der Straftatenkatalog nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben, da in ihm nicht nur besonders schwere Straftatbestände enthalten waren, dies jedoch – auch im Vergleich mit anderen weniger einschneidenden Maßnahmen – erforderlich gewesen wäre.125

V. Auskunft über Telekommunikationsverbindungen (§§ 100g, 100h StPO) Neben der Überwachung der Telekommunikation besteht für die Strafverfolgungsbehörden gemäß § 100g StPO auch die Möglichkeit, beim Telekommunikationsdienstleister Auskunft über Verbindungsdaten zu erlangen.126 Die in § 100g Abs. 3 StPO abschließend aufgeführten Verbindungsdaten beziehen sich im Gegensatz zur Überwachung nach § 100a StPO nicht auf den Inhalt der Gespräche, sondern auf die Feststellung technischer Daten wie Kartennummern, Standortkennung, Verbindungszeit usw.127 Es besteht somit die Möglichkeit der Abfrage zukünftiger und vergangener Verbindungsdaten, die auch zur Erstellung von Bewegungsbildern nutzbar gemacht werden können. Einschränkungen ergeben sich aber daraus, dass die Standortkennung, die im stand-by-Betrieb übermittelt wird, nicht abgefragt werden darf. Das lückelose Verfolgen des Bewegungsverlaufs ist mithin an eine aktive Verbindung geknüpft. Unter Umgehung dieser Regelung werden zum Teil Mittel zur heimlichen Erzeugung der Verbindung eingesetzt, um so ein Abfragen der Daten zu ermöglichen.128 Die Relevanz der Eingriffsnormierung in §§ 100g, 100h StPO hängt zu einem großen Maß von der Menge der bei den Telekommunikationsanbietern gespeicherten Daten ab. Insofern käme einer angestrebten Ausdehnung der Pflichten zur Speicherung von Vorratsdaten auf ein halbes Jahr129 der Charakter eines Bedeutungssprunges zu. Die Anordnung darf nur erfolgen, sofern bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand Beteiligter an einer Straftat von erheblicher Bedeutung ist, einen entsprechenden strafbaren Versuch begangen oder die 124

s. BVerfG NJW 2004, 999 (1007). s. BVerfG NJW 2004, 999 (1010 ff.). 126 s. allgemein zu Auskunftspflichten der Internetprovider an Strafverfolgungsund Sicherheitsbehörden Hoeren, wistra 2005, 1 ff. 127 Meyer-Goßner, StPO, § 100g Rdnr. 3; KK-Nack, StPO, § 100g Rdnr. 2. 128 s. zur „stillen SMS“ Eisenberg/Singelnstein, NStZ 2005, 62 ff.; zur Forderung nach einer rechtmäßigen Abfrage der Standortkennung auch im stand-by-Betrieb für den Entlastungsbeweis s. KK-Nack, StPO, § 100g Rdnr. 10. 129 s. hierzu Bemühungen im Bundesrat BT-Drs. 15/2316, 120 f.; Vgl. auch Singelnstein/Stolle, StraFo 2005, 96 (97). 125

A. Heimliche Maßnahmen

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Tat durch eine Straftat vorbereitet hat. Voraussetzung ist des Weiteren die Erforderlichkeit der Auskunft für die Untersuchung. Ausgerichtet ist das Auskunftsbegehren auf Beschuldigte und Nachrichtenmittler. Soll darüber hinaus auch Auskunft über das Ob möglicher Verbindungen anderer Telefonanschlüsse zum Beschuldigten oder Mittler eingeholt werden, so darf dies nur erfolgen, wenn die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten oder die Erforschung des Sachverhaltes auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Die Anordnungskompetenz liegt gemäß § 100h Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 100b Abs. 1 Satz 1 StPO beim Richter. Eine Eilkompetenz besteht für die Staatsanwaltschaft.

VI. Maßnahmen gemäß § 100i StPO (so genannter IMSI-Catcher) 1. Allgemeines Speziell auf die Besonderheiten des sich schnell entwickelnden Mobilfunkverkehrs beziehen sich die Maßnahmen im Rahmen der Vorschrift des § 100i StPO. Diese dient dabei der Ermöglichung weiterführender Maßnahmen wie der Telekommunikationsüberwachung (Abs. 1 Nr. 1) oder der vorläufigen Festnahme oder Ergreifung des Täters (Abs. 1 Nr. 2). Für die Überwachung eines Mobiltelefons ist bei Unkenntnis der (aktuellen) Rufnummer die Ermittlung der speziellen Kennung des Gerätes erforderlich, welche durch einen so genannten IMSI-Catcher (s. unten) vorgenommen werden kann. 2. Durchführung Speziell handelt es sich zum einen um die Ermittlung der International Mobil Equipment Identity (IMEI), eine Kennung, die dem Mobilfunkgerät zugeordnet ist, und zum anderen um die Ermittlung der International Mobile Subscriber Identity (IMSI), welche zum jeweils verwendeten Subscriber Identity Modul (SIM-Karte) gehört. Bei der Durchführung der Maßnahme werden diese beiden (zumindest die IMSI ist weltweit einmalig)130 Kennungen durch die Simulation einer Funkzelle ermittelt, an der sich alle Mobilfunktelefone in einem bestimmten Umkreis anmelden.131 130

KK-Nack, StPO, § 100i Rdnr. 2; Meyer-Goßner, StPO, § 100i Rdnr. 1. Eine Erfassung von Mobilfunkgeräten, welche zum Zeitpunkt der Überwachung in Form eines dauerhaften Telekommunikationsvorganges genutzt werden, kann nicht vorgenommen werden. s. Foss, DuD 2002, 212 (213). 131

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3. Kap.: Aktuelle Gesetzeslage und Anwendungshäufigkeit

Soll der Standort des aktiv geschalteten Mobilfunkgerätes zur vorläufigen Festnahme oder Ergreifung des mutmaßlichen Täters ermittelt werden, so kann dieser bei Kenntnis der Rufnummer oder des Namens der zu überwachenden Person innerhalb eines bestimmten Radius mittels des IMSI-Catchers und der Geräte- oder Kartenummer bestimmt werden, welche von den Telekommunikationsanbietern mitzuteilen sind (§ 100i Abs. 4 Satz 4 StPO). Der Vorteil gegenüber anderen Ortungsmaßnahmen unter Nutzung des Mobilfunkgerätes ist die erhöhte Genauigkeit der Standortbestimmung aufgrund der geringeren Leistung der simulierten Funkzelle und des sich daraus ergebenden geringeren Radius des Mobilfunkgeräteeinzugsbereichs.132 Jedoch muss zur Nutzbarmachung des IMSI-Catchers zunächst eine Standorteingrenzung im Bereich einiger Kilometer vorgenommen werden. Zudem ist für den mobilen Einsatz des Gerätes aufgrund der Größe des notwendigen Equipments ein Fahrzeug nötig.133 Des Weiteren können während der Erfassung keine Verbindungen (auch nicht zu Notrufzwecken) von am IMSI-Catcher angemeldeten Mobilfunkgeräten aufgebaut und auch sonstige Funksignalstörungen hervorgerufen werden.134 Dies beeinträchtigt zum einen die vertraglichen und lizenzrechtlichen Pflichten der Dienstleistungsanbieter, zum anderen besteht aus ermittlungstechnischer Sicht eine erhöhte Entdeckungsgefahr der Maßnahmendurchführung.135 3. Rechtliche Voraussetzungen Sofern die Ermittlung der Geräte- oder Kartenkennung zur Vorbereitung einer Telefonüberwachung vorgenommen werden soll, müssen für die Anordnung der Maßnahme zunächst die Voraussetzungen des § 100a StPO vorliegen. Ferner muss die Durchführung der Überwachungsmaßnahme (Telefonüberwachung) auf andere Weise als durch den Einsatz des IMSI-Catchers nicht möglich oder wesentlich erschwert sein. Ist die vorläufige Festnahme oder Ergreifung des mutmaßlichen Täters Zweck der Maßnahme, so muss sich der Verdacht auf eine Straftat von er132 Vgl. auch Eckhart, CR 2002, 770 (771); zur exakten Standortbestimmung sind drei Messungen erforderlich, durch die das zu observierenden Endgerät „gefangen“ wird. s. Foss, DuD 2002, 212 (214); konkret zur technischen Methode der Ortung s. Pütz, DuD 1998, 462. 133 Vgl. Foss, DuD 2002, 212 (214). 134 s. Foss, DuD 2002, 212 (215), vgl. auch Wolter, FS Rudolphi, 733 (739). s. zu den abweichenden Angaben betreffend die Dauer einer Störung, BT-Drs. 14/6885, 4 (10 Sekunden) und Fox, DuD 2002, 212 (215) (nach Herstellerangaben 5 bis 10 Minuten). 135 Einschränkungen könnten sich insoweit gegenüber der Heimlichkeit der konkreten Maßnahme und somit bezüglich ihrer Effizienz ergeben. s. aber zur generellen Einordnung unter 3. Kapitel A. am Anfang.

A. Heimliche Maßnahmen

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heblicher Bedeutung beziehen. Zudem gilt bezüglich der Ermittlung des Aufenthaltsortes des mutmaßlichen Täters die einfache Subsidiaritätsklausel. Soll sich die Maßnahme auch gegen so genannte Kontaktpersonen richten, so wird gemäß § 100i Abs. 2 Satz 2 a. E. i. V. m. § 100f Abs. 3 StPO eine qualifizierte Subsidiaritätsklausel vorgegeben. Personenbezogene Daten Anderer (Dritter) dürfen nur insoweit erhoben werden, als dies aus technischen Gründen zur Erreichung des Zwecks unvermeidlich ist.136 Die Anordnungskompetenz für Maßnahmen nach § 100i StPO liegt gemäß § 100i Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 100b Abs. 1 StPO beim Richter. Eine Eilkompetenz besteht für die Staatsanwaltschaft.

VII. Einsatz Verdeckter Ermittler (§§ 110a ff. StPO) Für die Aufklärung bestimmter Straftaten dürfen auf Grundlage der §§ 110a ff. StPO auch so genannte Verdeckte Ermittler eingesetzt werden. Dies sind Beamte des Polizeidienstes, die unter einer Legende (eine auf Dauer angelegte, veränderte Identität)137, mit welcher sie zur Teilnahme am Rechtsverkehr berechtigt sind, Ermittlungen anstellen. Der Ermittlungsauftrag muss gemäß § 110a Abs. 2 Satz 1 StPO auf Dauer angelegt sein. Die Beamten nutzen diese falsche Identität zur Täuschung der Personen in ihrem Ermittlungsumfeld, um so zumeist an so genannte Insider-Informationen zu gelangen. Voraussetzung für die Anordnung des Einsatzes eines Verdeckten Ermittlers sind zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer der in § 110a StPO aufgezählten Katalogstraftaten oder eines sonstigen Verbrechens, wobei im letzten Fall aufgrund bestimmter Tatsachen eine Wiederholungsgefahr bestehen oder die besondere Bedeutung der Tat den Einsatz gebieten muss und andere Maßnahmen aussichtslos wären. Für den Einsatz Verdeckter Ermittler bezogen auf eine Katalogstraftat oder ein Verbrechen mit Wiederholungsgefahr müsste des Weiteren die Aufklärung auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert sein. Die Anordnung wird von der Polizei getroffen, wobei die Zustimmung der Staatsanwaltschaft eingeholt werden muss (§ 110b Abs. 1 StPO). Bei Gefahr im Verzug muss die Zustimmung nachträglich unverzüglich eingeholt werden. Erfolgt die Zustimmung nicht binnen drei Tagen, ist die Maß136 Die Erfassung Unbeteiligter ist ein für den Einsatz des IMSI-Catchers typischer Nebeneffekt, da sich grundsätzlich alle Mobilfunkgeräte innerhalb des Bereichs der Funkzellensimulation einloggen. Zum Teil wird von einer Einbeziehung bis zu einigen Hundert Teilnehmern ausgegangen, Fox, DuD 1997, 539. 137 s. § 110a Abs. 2 StPO.

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3. Kap.: Aktuelle Gesetzeslage und Anwendungshäufigkeit

nahme zu beenden. Gemäß § 110b Abs. 2 StPO bedarf die Maßnahme einer Zustimmung des Richters, wenn sie sich gegen einen bestimmten Beschuldigten richtet oder eine nicht allgemein zugängliche Wohnung vom Verdeckten Ermittler betreten wird. Eilzustimmungskompetenz hat auch in diesen Fällen die Staatsanwaltschaft.

VIII. Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung (§ 163e StPO) Gemäß § 163e StPO können Personen zur Beobachtung ausgeschrieben werden. Hierbei handelt es sich um eine Maßnahme, bei der durch die Aufnahme der Person in den Fahndungsbestand von INPOL Beamte bei Kontrollen eine Identifizierung der Person vornehmen und diese Tatsache sowie andere relevante Informationen (z. B. Identität einer etwaigen Begleitperson gemäß § 163e Abs. 3 StPO) an die ausschreibende Stelle übermitteln,138 welche dann ihrerseits die Daten zu einem umfänglichen Bewegungsprofil zusammenfassen oder sonstige Zusammenhänge und Querverbindungen auch zu anderen Personen oder Strukturen ziehen kann.139 Anordnungsvoraussetzung sind zureichende tatsächliche Anhaltspunkte bezogen auf eine Straftat von erheblicher Bedeutung. Zudem gilt die qualifizierte Subsidiaritätsklausel, die Erforschung des Sachverhaltes oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des mutmaßlichen Täters müsste mithin auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert sein. Soll die Maßnahme gegen andere Personen als den Beschuldigten gerichtet werden, ist dies nur zulässig, sofern bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass diese Person aktuelle oder zukünftige Kontaktperson ist und die Maßnahme zur Zweckerreichung führen wird. Zudem gilt auch hierfür die qualifizierte Subsidiaritätsklausel. Die Maßnahme kann sich des Weiteren auf das Kennzeichen eines Kraftfahrzeuges beziehen (§ 163e Abs. 2 StPO), wenn es auf eine nach Abs. 1 ausgeschriebene Person zugelassen ist oder von ihr oder einer anderen nicht namentlich bekannten Person benutzt wird, die einer Straftat von erheblicher Bedeutung verdächtigt ist. Angeordnet wird die Maßnahme gemäß § 163e Abs. 4 Satz 1 StPO vom Richter. Eine Eilkompetenz besteht für die Staatsanwaltschaft.

138

KK-Schoreit, StPO, § 163e Rdnr. 5. s. auch HK-Krehl, StPO, § 163e Rdnr. 1; Meyer-Goßner, StPO, § 163e Rdnr. 2; Pfeiffer, StPO, § 163e Rdnr. 1. 139

A. Heimliche Maßnahmen

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IX. Längerfristige Observation (§ 163f StPO) Soll ein Beschuldigter oder sein Umfeld über einen längeren Zeitraum beobachtet werden, so müssen die Voraussetzungen des § 163f StPO erfüllt sein. Mit längerfristiger Observation ist nach der Legaldefinition des § 163f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 StPO eine Beobachtung von durchgehend mehr als 24 Stunden oder an mehr als zwei Tagen gemeint. Ist die Observation mit dem Einsatz bestimmter Mittel oder Vorgehensweisen verbunden, die eine Erhöhung der Eingriffsintensität zur Folge haben, so wird angenommen, dass die Voraussetzungen der hierfür entsprechenden Ermächtigungsgrundlage kumulativ vorliegen müssen.140 Vorausgesetzt werden zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung. Ebenso gilt eine qualifizierte Subsidiaritätsklausel bezogen auf die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes. Bezieht sich die Maßnahme auf andere Personen als den Beschuldigten, so ist sie nur zulässig, sofern bestimmte Tatsachen dafür sprechen, dass diese Personen mit dem mutmaßlichen Täter in Verbindung stehen oder eine solche hergestellt werden soll, dass die Observation zur Erreichung des Zwecks führt und dass diese Zweckerreichung auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre. Ein unvermeidbares Betreffen Dritter steht der Anordnung gemäß § 163f Abs. 2 StPO nicht entgegen. Die Anordnungskompetenz liegt bei der Staatsanwaltschaft, bei Gefahr im Verzug auch bei den Ermittlungspersonen. Bei einer Verlängerung der auf einen Monat befristeten Maßnahme ist nur der Richter anordnungsberechtigt.

X. Sonstige heimliche Ermittlungsmaßnahmen (§§ 161, 163 StPO) Neben den vorgenannten explizit gesetzlich geregelten und teilweise im Gesetz detailliert ausgeführten Bestimmungen bezüglich Maßnahmen zur heimlichen Ermittlung können auch auf der Grundlage von §§ 161, 163 StPO einfache Maßnahmen durchgeführt werden.141 Voraussetzung für die Befugnis zur Ermittlung ist lediglich die Kenntnis vom Verdacht einer Straftat gemäß § 160 Abs. 1 StPO. Die §§ 161 und 163 StPO stellen hierzu eine generalklauselartige Ermittlungsgrundlage dar.142 Einfache Maßnah140

BGH NStZ 2001, 386 (388); Meyer-Goßner, StPO, § 163f Rdnr. 2. s. ausführlich hierzu Hefendehl, StV 2001, 700 ff. 142 Meyer-Goßner, StPO, § 161 Rdnr. 1; s. auch BT-Drs. 14/1484, 23 f.; s. Hefendehl, StV 2001, 700 ff. 141

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3. Kap.: Aktuelle Gesetzeslage und Anwendungshäufigkeit

men sind solche, die nur eine geringe Eingriffsintensität haben oder gar keine Eingriffe in grundrechtlich geschützte Positionen mit sich bringen. Dies ergibt sich aufgrund der weiten und insoweit relativ unbestimmten Ausgestaltung der Regelungen, welche den Bestimmtheitsanforderungen nur in diesen Fällen genügen kann. §§ 161, 163 StPO ermächtigen somit die Staatsanwaltschaft und die Polizei im Rahmen ihrer Tätigkeit als Ermittlungspersonen für die Staatsanwaltschaft zu kurzfristigen Observationen auch mittels Einsatz einfacher optischer Sehhilfen, zum Einholen bestimmter – auch personenbezogener – Informationen, sowohl bei anderen Behörden als auch im Ermittlungsumfeld. Zudem sind weitere heimliche Ermittlungsmethoden gedeckt, wie das Mithören von Gesprächen ohne Hilfsmittel sowie einzelne Fahndungsmethoden. Auch der Einsatz von so genannten V-Leuten soll bereits durch §§ 161, 163 StPO abgedeckt sein.143 Indes begegnet die Ausweitung der §§ 161, 163 StPO auch in ihrer Ausgestaltung als Ermittlungsgeneralklauseln auf Maßnahmen, welche eine intensive Erkenntnismehrung im personenbezogenen Bereich bezwecken und sich dazu einer auf Dauer angelegten Informationssammlung durch „freie Mitarbeiter“ der Polizei bedienen, verfassungsrechtlichen, insbesondere das Bestimmtheitsgebot betreffende Bedenken.144 Hinweise auf eine konkretisierende Ausgestaltung durch die RiStBV Anl. D 1 vermögen aufgrund des diesbezüglichen Gesetzesvorbehalts und der Heterogenität bzw. interpretatorischen Offenheit der Richtlinien nicht zu überzeugen.145

B. Nicht-heimliche Informationsbeschaffungsmaßnahmen Neben den hier als heimlich bezeichneten Maßnahmen gibt es weitere auf Informationserlangung gerichtete Vorgehensweisen im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens, die zur Ermöglichung einer umfassenden Bewertung 143 BVerfGE 57, 250 (284); BGH 32, 115 (121 ff.); Meyer-Goßner, StPO, § 161 Rdnr. 1; zur a. A. vgl. Bernsmann/Jansen StV 1998 217 (230); HK-Krehl, StPO, § 161 Rdnr. 1; Kinzig, Die rechtliche Bewältigung von Erscheinungsformen organisierter Kriminalität, S. 114; Lilie/Rudolph NStZ 1995, 515. 144 s. auch Kinzig, Die rechtliche Bewältigung von Erscheinungsformen organisierter Kriminalität, S. 114, auch unter Hinweis auf die erhebliche Bedeutung von V-Personen in der Strafverfolgungspraxis; zur Anforderungen der EMRK betreffend V-Personen s. zudem Krauß, V-Leute im Strafprozess und die Europäische Menschenrechtskonvention; vgl. auch Wolter, FS-Rudolphi, S. 737. 145 Vgl. Kinzig, Die rechtliche Bewältigung von Erscheinungsformen organisierter Kriminalität, S. 120 f.; s. auch schon Wolter GA 1988, 49 (49, 58 ff.); allgemein zum Gesetzesvorbehalt bei Informationsbeschaffungsmaßnahmen unter 5. Kapitel A., konkret zu den Anforderungen unter 5. Kapitel A.II.3.a) bzw. A.II.3.b).

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der Regelungen, und damit auch einer kumulativen Anordnung mehrerer Maßnahmen, betrachtet werden müssen. Zwar erscheinen sie in ihrer Gesamtheit nicht im gleichen Umfang wie heimliche Ermittlungsmethoden relevant, jedoch lässt sich diese Einschätzung insbesondere unter Beachtung der fortschreitenden Technisierung der Gesellschaft nicht uneingeschränkt aufrechterhalten. Durch die Entwicklung beispielsweise hin zu Speichermedien mit enormer Kapazität und Methoden der Entschlüsselung von Erbmaterial werden auch nicht-heimliche Maßnahmen zu effektiven Ermittlungsmethoden betreffend Datenerlangung. Es kann im Einzelfall keinen Unterschied machen, ob sich eine möglicherweise erforderliche neue Bewertung aus dem Ineinandergreifen beispielsweise von mehreren Maßnahmen, durch welche Telekommunikationsdaten während der Übertragung erlangt wurden, ergibt oder ob die selben Daten mittels der Beschlagnahme von Datenträgern erzielt wurden.

I. Untersuchung von Personen; DNA-Analyse Zur Feststellung von Tatsachen, die für das Verfahren von Bedeutung sind, dürfen gemäß § 81a StPO körperliche Untersuchungen an dem Beschuldigten vorgenommen werden. Diese Untersuchungen dienen dem Zweck, die Beschaffenheit des Körpers oder auch den physischen Zustand des Beschuldigten festzustellen, sowie dazu in natürlichen Körperöffnungen befindliche Fremdkörper zu erlangen. Auch körperliche Eingriffe sind gerechtfertigt, sofern sie von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen werden und dabei keine Nachteile für die Gesundheit zu befürchten sind. Zu den Eingriffen zählen insbesondere Blutprobenentnahmen, Auspumpen des Mageninhaltes, Entnahme sonstiger Flüssigkeiten oder die Zuführung von Stoffen.146 Auch die Untersuchung anderer Personen ist gemäß § 81c StPO zulässig, wenn sie als Zeugen in Betracht kommen und zur Erforschung der Wahrheit festgestellt werden muss, ob sich Spuren oder Tatfolgen am Körper der Person befinden. Gemäß § 81c Abs. 2 StPO ist auch die Entnahme von Blutproben bei Dritten (auch Nichtzeugen) – bei Unerlässlichkeit zur Wahrheitserforschung – zur Feststellung der Abstammung gestattet, wenn keine Gesundheitsnachteile zu befürchten sind und die Maßnahme von einem Arzt durchgeführt wird. Eine auf die Verwendung bestimmten nach § 81a oder 81c StPO erlangten Materials bezogene Maßnahme stellt die DNA-Analyse dar.147 § 81e 146 Vgl. Kühne, Strafprozessrecht, Rdnr. 475, s. zum Einsatz von Vomitivmitteln ausführlich Hackethal, Der Einsatz von Vomitivmitteln zur Beweissicherung im Strafverfahren.

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3. Kap.: Aktuelle Gesetzeslage und Anwendungshäufigkeit

StPO ermächtigt die Strafverfolgungsbehörden, eine molekulargenetische Untersuchung an dem Material durchzuführen, um hierdurch die Abstammung, das Geschlecht oder die Übereinstimmung mit aufgefundenem Material festzustellen. Gemäß § 81e Abs. 2 StPO dürfen entsprechende Untersuchungen auch an aufgefundenem, sichergestelltem oder beschlagnahmtem Material durchgeführt werden.148 Die Entnahme von Körperzellen und die Speicherung des DNA-Identifizierungsmusters zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren ist in § 81g StPO geregelt, wobei die Staatsanwaltschaft bei Vorliegen der Voraussetzungen149 auf die Anordnung der entsprechend notwendigen Maßnahmen hinwirken soll.150 Die Anordnung sowohl für die Untersuchung am Beschuldigten als auch an Dritten obliegt dem Richter (§§ 81a Abs. 2, 81c Abs. 5 StPO). Eine Eilkompetenz besteht für die Staatsanwaltschaft und die Ermittlungspersonen. Für die Anordnung der DNA-Analyse ohne die schriftliche Einwilligung der betroffenen Person ist gemäß § 81f Abs. 1 StPO ebenfalls der Richter zuständig, wobei auch hier eine Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen zusteht. Gleiches gilt gemäß § 81g Abs. 3 Satz 1 StPO für eine Entnahme von Körperzellen zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren ohne eine schriftliche Einwilligungserklärung des Betroffenen. Für die molekulargenetische Untersuchung bedarf es bei Nichtvorliegen einer wirksamen Einwilligung in diesen Fällen immer der Anordnung durch das Gericht. Die Entnahme von Körperzellen ohne konkreten Tatverdacht bezüglich einer bestimmten Person ist in § 81h StPO geregelt.151 Hiernach dürfen Personen, die spezielle Merkmale erfüllen, die vermutlich auch auf den Tä147 s. allgemein zur Methode und rechtlichen Bewertung bzw. zu rechtlichen Voraussetzungen Brodersen/Anslinger/Rolf, DNA-Analyse und Strafverfahren; Hohoff/ Brinkmann, LfD NRW. Der gläserne Mensch, S. 29 ff.; Vath, Der genetische Fingerabdruck zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren. 148 Es besteht mithin die Möglichkeit, den Kreis der Tatverdächtigen, beispielsweise über die Bestimmung des Geschlechts der Person, von der eine Spur herrührt, einzuschränken. 149 Eine entsprechende Anordnung ist nur bei Straftaten von erheblicher Bedeutung oder Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung statthaft und auch nur dann, wenn die Annahme besteht, dass gegen den Beschuldigten auch künftig Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sind. § 81g Abs. 4 StPO regelt entsprechende Befugnisse im Falle der erfolgten Verurteilung bzw. für bestimmte Fällen einer anderweitigen Verfahrensbeendigung. 150 Vgl. RiStBV Nr. 16a. 151 Neu eingefügt durch BGBl. I 2005, 2360; s. zur Neuregelung Senge, NJW 2005, 3028 ff.; s. zur rechtstatsächlichen Nutzung der Methode betreffend so genannte Massentests vor der gesetzlichen Regelung Wüsteney, Rechtliche Zulässigkeit so genannter DNA-Massentests zur Ermittlung des Täters einer Straftat, S. 22 ff.

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ter zutreffen, Körperzellen entnommen, molekulargenetisch untersucht und abgeglichen werden, sofern eine Einwilligung des Betroffenen in schriftlicher Form vorliegt und der Verdacht besteht, dass ein in Abs. 1 aufgezähltes Verbrechen begangen wurde. Die Maßnahme darf nach Maßgabe von § 81h Abs. 2 Satz 1 StPO nur durch ein Gericht angeordnet werden.

II. Durchsuchung und Beschlagnahme Um einen Verdächtigen zu ergreifen oder um Beweismittel aufzufinden, können Räume (inkl. Wohnungen) des Verdächtigen, der Verdächtige selbst und seine Sachen gemäß § 102 StPO durchsucht werden. Gemäß § 103 StPO sind auch Durchsuchungen bei anderen Personen zulässig. Eine Durchsuchung erfolgt zumeist – aus Informationsgewinnungsgesichtspunkten besonders beachtlich – zur Erlangung von Hinweisen, die im weiteren Verlauf des Strafverfahrens zu gerichtsverwertbaren Beweismitteln führen könnten. Dabei soll eine Vermutung bezüglich des Auffindens von Beweismitteln gemäß § 102 StPO grundsätzlich ausreichend sein, sofern sie durch tatsächliche Anhaltspunkte oder kriminalistische Erfahrung gestützt wird.152 Zur Sicherstellung ist auch die Verwahrung von möglichen Beweismitteln zulässig. Liegt keine Einwilligung des Gewahrsamsinhabers vor, so bedarf es gemäß § 94 ff. StPO einer Beschlagnahme. Betreffend die Anforderungen an die Beweisgeeignetheit der Gegenstände soll bereits die potentielle Beweisbedeutung153 bzw. die Verwendungsmöglichkeit zu Untersuchungszwecken154 ausreichend sein. Ein Anfangsverdacht ist als genügend anzusehen.155 Zwar wird die Beschlagnahme von Gegenständen zum Zwecke der „Ausforschung“ – ohne entsprechenden Anfangsverdacht – generell abgelehnt,156 jedoch sind aufgrund der allgemeinen Ausrichtung einer Beschlagnahme auf die Förderung der Untersuchung solche Befürchtungen, insbesondere im Zusammenhang mit Zufallsfunden, nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Hierbei ist natürlich auch auf ein verzahntes Ineinandergreifen verschiedener Ermittlungsmethoden und damit auf die Möglichkeit und Gefahr einer – im inneren Persönlichkeitsbereich angesiedelten – Erlangung von Informationen hinzuweisen.157 152 BGH StV 1988, 90 (90); Meyer-Goßner StPO, § 102 Rdnr. 2; KK-Nack, StPO, § 102 Rdnr. 3. 153 BVerfG NJW 1995, 2839 (2840); BGH 41, 363 (367). 154 BGHR StPO § 94 Beweismittel 5; Meyer-Goßner, StPO, § 94 Rdnr. 6; KKNack, StPO, § 94 Rdnr. 11; Park, Handbuch Durchsuchung und Beschlagnahme, Rdnr. 49, 440. 155 s. Eisenberg, StPO, Rdnr. 2324; KK-Nack, StPO, § 94 Rdnr. 8. 156 s. Eisenberg, StPO, Rdnr. 2324.

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3. Kap.: Aktuelle Gesetzeslage und Anwendungshäufigkeit

Für die Anordnung einer Durchsuchung bei einem Verdächtigen soll das Vorliegen einer Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Straftat begangen wurde, gestützt durch zureichende tatsächliche Anhaltspunkte, ausreichen.158 Die Verdachtsanforderungen sind gesteigert, sofern die Durchsuchung bei dritten Personen vorgenommen werden soll.159 Bei Vorliegen eines dringenden Tatverdachts nach § 129a i. V. m. § 129b StGB oder dort bezeichneter Straftaten ist die Durchsuchung eines ganzen Gebäudes zulässig, sofern aufgrund von Tatsachen anzunehmen ist, dass sich der Beschuldigte, dessen Ergreifung Zweck der Durchsuchung sein muss, in diesem Gebäude aufhält (§ 103 Abs. 1 Satz 2 StPO). Für die Durchsuchung gelten weitergehende Beschränkungen gemäß § 104 StPO, für die Beschlagnahme solche gemäß § 96 und § 97 StPO. Die grundsätzliche Anordnungskompetenz für Durchsuchungen und Beschlagnahmen liegt gemäß § 98 Abs. 1 und gemäß § 105 Abs. 1 StPO beim Richter. Eilkompetenzen stehen der Staatsanwaltschaft und den Ermittlungspersonen zu. Eine ausschließliche Zuständigkeit des Richters ist gemäß § 98 Abs. 1 Satz 2 StPO für eine Beschlagnahme in den Räumen einer Redaktion, eines Verlages, einer Druckerei oder einer Rundfunkanstalt vorgeschrieben. Für Gebäudedurchsuchungen entfällt die Eilkompetenz der Ermittlungspersonen. Die Durchsicht von Papieren eines von der Durchsuchung Betroffenen steht gemäß § 110 StPO nur der Staatsanwaltschaft und auf deren Anordnung ihren Ermittlungspersonen zu.

III. Kontrollstellen (§ 111 StPO) Die Anordnung der Einrichtung einer Kontrollstelle ist zum Zwecke der Ergreifung des mutmaßlichen Täters oder der Erlangung von Beweismitteln zulässig, sofern bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass in § 111 StPO bezeichnete Straftaten begangen oder versucht wurden und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Maßnahme zur Zweckerreichung führen wird. Die Befugnisse an den Kontrollstellen bestehen in Identitätsfeststellung, Durchsuchung und Beschlagnahme sowohl von und bei 157 Dies beansprucht umso mehr Geltung, sofern es sich um die Beschlagnahme stark informationsrelevanter Gegenstände, wie etwa von Datenträgern oder Tagebüchern, handelt. 158 BVerfG StV 1994, 353 ff.; Meyer-Goßner, StPO, § 102 Rdnr. 2; Park, Handbuch Durchsuchung und Beschlagnahme, Rdnr. 37; krit. Eisenberg, StPO, Rdnr. 2452. 159 Insoweit ist gemäß § 103 StPO eine Konkretisierung des Tatverdachts bezüglich des/der Beschuldigten erforderlich, und das Auffinden von Spuren oder Beweisen darf nicht nur vermutet werden, sondern die Schlussfolgerung hierauf muss aufgrund bestimmter Tatsachen erfolgen.

B. Nicht-heimliche Informationsbeschaffungsmaßnahmen

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Verdächtigen als auch unverdächtigen Personen.160 Ein Einsatz technischer Mittel zur automatisierten (heimlichen) Identitätsfeststellung beispielsweise durch den videogestützten Abgleich von Autokennzeichen an Autobahnaufund -abfahrten oder die Nutzung von RFID-Chips zur Identifizierung ist auf der Grundlage des § 111 StPO nicht möglich. Dagegen sprechen die Notwendigkeit einer restriktiven Auslegung der Norm aufgrund der umfänglichen Einbeziehung Nichtverdächtiger und die Bekanntmachungspflicht (§ 111 Abs. 3 i. V. m. § 106 Abs. 2 Satz 1 StPO), die zumindest eine heimliche Überwachung ausschließt. Die Kompetenz zur Anordnung liegt gemäß § 111 Abs. 2 StPO beim Richter. Eilkompetenzen bestehen für die Staatsanwaltschaft und die Ermittlungspersonen.

IV. Maßnahmen zu automatischem Datenabgleich und Datenauswertung Die so genannte Rasterfahndung ist in §§ 98a–98b StPO geregelt. Funktion der Rasterfahndung ist es, durch maschinellen Abgleich161 die Daten einzelner Personen oder Personengruppen aus einem Datenbestand zu extrahieren. Das Ziel ist dabei, entweder einen möglichst breiten Personenkreis Nichtverdächtiger auszuschließen oder einen möglichst kleinen Personenkreis mutmaßlicher Verdächtiger festzustellen, um dann mittels sonstiger Ermittlungsmethoden einen etwaigen Tatverdacht gegen einzelne oder mehrere Personen zu begründen. Konkret erfolgt dieser Datenabgleich in mindestens zwei Schritten:162 Zum einen wird mit den aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden als relevant beurteilten Prüfungsmerkmalen eine Vorfilterung in der Form vorgenommen, dass nur diesen Merkmalen entsprechende Datenbestände gemäß § 98a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StPO von den speichernden Stellen erfragt werden. Die so gewonnenen, einem etwaigen Verdächtigenprofil entsprechenden Daten werden dann mit weiteren Daten, die verdachtsspezifische Merkmale widerspiegeln, abgeglichen, um so einen weitergehenden Filtereffekt zu erreichen. Letzter Schritt kann gegebenenfalls mit verschiedenen Daten beliebig oft wiederholt werden. Zulässig ist die Anwendung der Rasterfahndung dann, wenn ein Anfangsverdacht bezüglich einer der in § 98a StPO aufgeführten Straftaten besteht, diese Straftat von erheblicher Bedeutung ist und gemäß § 98a Abs. 1 StPO 160

Meyer-Goßner, StPO, § 111 Rdnr. 10. Ein manueller Abgleich soll bereits durch die Vorschriften §§ 161, 163 StPO umfasst sein. s. HK-Lemke, StPO, § 98a Rdnr. 14; Meyer-Goßner, StPO, § 98a Rdnr. 8. 162 KK-Nack, StPO, § 98a Rdnr. 2. 161

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3. Kap.: Aktuelle Gesetzeslage und Anwendungshäufigkeit

die Erforschung des Sachverhaltes oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre. Die Anordnungskompetenz liegt gemäß § 98b StPO beim Richter. Bei Gefahr im Verzug besteht eine Eilanordnungskompetenz der Staatsanwaltschaft. Soll sich der Abgleich nur auf Daten beziehen, die im Rahmen anderer Strafverfolgungs-, Strafvollstreckungs- oder auch Gefahrenabwehrmaßnahmen erlangt und gespeichert wurden, so gelten die wesentlich weiteren Voraussetzungen des § 98c StPO. Es handelt sich hierbei nicht um eine Rasterfahndung.163 Insoweit sind keine einschränkenden Bestimmungen bezüglich des Grades der Straftat, der Anordnungskompetenz, der Form oder einer etwaigen Subsidiarität zu anderen Vorschriften vorgesehen. Eine weitere Regelung betreffend die automatische Auswertung von personenbezogenen Daten findet sich in § 163d StPO. Diese Regelung dient als Rechtsgrundlage für die so genannte Netzfahndung oder auch Kontrollfahndung164, mittels der die computergestützte Speicherung und Auswertung der durch grenzpolizeiliche Maßnahmen oder gemäß § 111 StPO erlangten Daten erfolgen kann. Die zeitlich und räumlich nach § 163d Abs. 4 Satz 2 und Abs. 3 Satz 4 StPO begrenzte Datenspeicherung soll insoweit eine Filterung der Daten nach bestimmten Kriterien ermöglichen, die zur Ergreifung des mutmaßlichen Täters oder zur Aufklärung der Straftat führen soll. Die Maßnahme darf nur durchgeführt werden, sofern ein konkreter Tatverdacht bezüglich des Vorliegens einer in § 111 oder § 100a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 4 StPO bezeichneten Straftat besteht (§ 163d Abs. 1 StPO). Die Anordnungskompetenz liegt gemäß § 163d Abs. 2 Satz 1 StPO beim Richter, die Eilkompetenz bei der Staatsanwaltschaft und den Ermittlungspersonen. Die Maßnahmen zum Datenabgleich und zur Datenauswertung sind von einem besonderen Maß an Betroffenheit nicht-tatverdächtiger Personen aufgrund ihrer trichterartigen Sondierungsfunktion gekennzeichnet. Dies führt im Rahmen von Verhältnismäßigkeitserwägungen zu besonders hohen Anforderungen an die Zweckrichtung und Notwendigkeit der einzelnen Maßnahmen.

V. Ausschreibung und Veröffentlichung Zur Ergreifung oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten oder eines Zeugen sowie zur Identitätsfeststellung oder zu bestimmten anderen strafprozessualen Zwecken sind zudem die Ausschreibung zur 163 Meyer-Goßner, StPO, § 98c Rdnr. 1; KK-Nack, StPO, § 98c Rdnr. 1; Pfeiffer, StPO, § 98c Rdnr. 1. 164 LR-Rieß, StPO, § 163d Rdnr. 3.

B. Nicht-heimliche Informationsbeschaffungsmaßnahmen

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Festnahme, die Öffentlichkeitsfahndung und die Veröffentlichung von Abbildungen gemäß §§ 131 ff. StPO zulässig. Bei diesen Maßnahmen handelt es sich um Handlungen, die mit der Preisgabe bestimmter personenbezogener Daten verbunden sind (z. B. Personenangaben, Angaben zum Aussehen und zur Kleidung, Bilder), um auf diese Art weitere Informationen über den Beschuldigten oder Zeugen zu erlangen. Die Ausschreibung zur Festnahme oder zur Aufenthaltsermittlung bezieht sich dabei auf die Verwendung strafverfolgungsbehördeninterner Fahndungshilfsmittel, wie beispielsweise des Bundeszentralregisters oder INPOL, sowie auch anderer in RiStBV Nr. 40 genannter Hilfsmittel,165 während die Öffentlichkeitsfahndung eine Breitenwirkung durch die Verwendung spezieller Medien wie Presse, Rundfunk, Fernsehen oder das Internet erzielen soll.166 Zudem ist auch die Nutzung moderner Kommunikationsmittel zur Öffentlichkeitsfahndung wie des Mobiltelefons z. B. in Form des Versendens so genannter Fahndungs-SMS möglich.167 Die Voraussetzung für die Anordnung der Ausschreibung zur Festnahme des Beschuldigten ist das Vorliegen eines Haft- oder Unterbringungsbefehls (§ 131 Abs. 1 StPO). Bei Gefährdung des Fahndungserfolges und wenn die Anordnung zur vorläufigen Festnahme erforderlich ist, ist das Bestehen der Voraussetzungen für einen Haft- oder Unterbringungsbefehl ausreichend (§ 131 Abs. 2 StPO). Die Öffentlichkeitsfahndung gegenüber dem Beschuldigten mit dem Zweck seiner Festnahme bedarf neben den zuvor genannten Voraussetzungen und denen der qualifizierten Subsidiaritätsklausel auch des Vorliegens des Verdachts einer Straftat von erheblicher Bedeutung (§ 131 Abs. 3 StPO). Ebenso wird bei der Bestimmung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten oder eines Zeugen mittels Öffentlichkeitsfahndung ein dringender Tatverdacht bezogen auf eine Straftat von erheblicher Bedeutung und eine qualifizierte Subsidiaritätsklausel verlangt (§ 131a Abs. 3 StPO). Bezüglich Zeugen ist zudem ein etwa entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse zu beachten (§ 131a Abs. 4 Satz 3 StPO). Für eine behördeninterne Ausschreibung zur Aufenthaltsortbestimmung, zur Sicherstellung des Führerscheins, zur erkennungsdienstlichen Behandlung, zur Anfertigung einer DNA-Analyse oder zur Identitätsfeststellung des Beschuldigten oder eines Zeugen ist gemäß § 131a Abs. 1 und 2 StPO lediglich ein einfacher Tatverdacht Voraussetzung. Die Nutzung von Abbildungen eines Zeugen darf grundsätzlich nur erfolgen, wenn die Erreichung des Fahndungszwecks auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre (§ 131a 165 Vgl. KK-Boujong, StPO, § 131 Rdnr. 9; Brodersen, NJW 2000, 2536 (2537); s. auch BT-Drs. 14/1484, 46. 166 s. auch RiStBV Anlage B. 167 s. hierzu SMS-Fahndungsportal der Deutschen Polizei www.sms-fahndung.de.

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3. Kap.: Aktuelle Gesetzeslage und Anwendungshäufigkeit

Abs. 4 Satz 4 StPO). Des Weiteren ist die Veröffentlichung von Abbildungen auch zur einfachen Sachverhaltsaufklärung zulässig, wenn der Verdacht der Begehung einer Straftat von erheblicher Bedeutung besteht und die Voraussetzungen der qualifizierten Subsidiaritätsklausel beim Beschuldigten und der strengen Subsidiaritätsklausel beim Zeugen vorliegen. Die Ausschreibung des Beschuldigten zur Festnahme und die Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme sind grundsätzlich vom Richter oder von der Staatsanwaltschaft anzuordnen. Eine Eilkompetenz liegt bei den Ermittlungspersonen. Die Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung der Beschuldigten und Zeugen sowie die Veröffentlichung von Bildern zu weiteren Aufklärungszwecken obliegt gemäß § 131c Abs. 1 Satz 1 StPO dem Richter, bei Gefahr im Verzug der Staatsanwaltschaft und den Ermittlungspersonen. Die einfache Ausschreibung zu bestimmten strafprozessualen Zwecken ist gemäß § 131 Abs. 1 Satz 2 StPO von der Staatsanwaltschaft anzuordnen. Eine Eilkompetenz liegt bei den Ermittlungspersonen.

VI. Sonstige nicht-heimliche Informationsbeschaffungsmaßnahmen Sollen Informationen durch eine Befragung von Personen gewonnen werden, so richtet sich dies, sofern die Befragung eine förmliche Vernehmung darstellt, nach § 161a StPO bzw. § 163a StPO in Verbindung mit §§ 48 ff. StPO bzw. §§ 133 ff. StPO. Dabei begründet die Ladung der Staatsanwaltschaft eine Erscheinungspflicht (§ 161a Abs. 1 Satz 1, § 163a Abs. 1 Satz 1 StPO). Bestimmte Maßnahmen zur Feststellung der Identität einer Person können auf der Grundlage des § 163b StPO erfolgen. Dabei sind die Staatsanwaltschaft und die Polizei berechtigt, den Verdächtigen festzuhalten und ihn und mitgeführte Sachen zu durchsuchen sowie erkennungsdienstliche Maßnahmen durchzuführen, sofern die Identitätsfeststellung auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten zu erreichen ist. Auch Nichtverdächtige dürfen zur Identitätsfeststellung festgehalten werden, wenn dies zur Aufklärung einer Straftat geboten ist. Durchsuchungen oder erkennungsdienstliche Maßnahmen dürfen bei Nichtverdächtigen hingegen nicht gegen den Willen des Betroffenen durchgeführt werden (§ 163b Abs. 2 Satz 2 a. E.). Des Weiteren können Maßnahmen zur Identitätsfeststellung gegen den Beschuldigten auf § 81b StPO gestützt werden. Zulässig sind hierbei neben den in § 81b StPO geregelten Maßnahmen (Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten) solche, die der Feststellung der körperlichen Beschaffenheit dienen, ohne dabei körperliche Untersuchung i. S. d. § 81a StPO zu sein.168

C. Aspekte bezüglich der Kumulierung von Maßnahmen

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Auch für nicht-heimliche Maßnahmen, die der Erlangung von Informationen dienen, bieten neben den speziellen gesetzlichen Grundlagen die §§ 161, 163 StPO eine Ermittlungsgeneralklausel. Maßnahmen ohne oder mit geringer Eingriffsqualität können bereits hiervon gedeckt sein.169

C. Aspekte bezüglich der Kumulierung von Maßnahmen Die Darstellung der strafprozessualen Befugnisse zur Informationsgewinnung zeigt, inwieweit bereits einzelne Maßnahmen zu einer umfangreichen Datenansammlung führen können. Durch die fortschreitende Erweiterung und Ausdifferenzierung der Maßnahmen zur Informationsbeschaffung und insbesondere auch durch neue Methoden zur Verknüpfung verschiedener Daten aus zum Teil unterschiedlichen Lebensbereichen ergibt sich zunehmend ein Interesse der Strafverfolgungsbehörden an einer kumulativen Verwendung der zur Verfügung stehenden Instrumentarien. Dabei ist festzustellen, dass bestimmte Überwachungsmethoden in wesentlich stärkerem Maße in Abhängigkeit mit anderen Vorgehensweisen stehen als andere. Dies gilt namentlich für die Telekommunikationsüberwachung, die einen deutlichen Bezug zu anderen Maßnahmen zur Informationsgewinnung aufweist. Das ergibt sich zum einen aus der Notwendigkeit der Gewinnung von Erkenntnissen für die Erfüllung der restriktiven Voraussetzungen einer Überwachung nach § 100a StPO und zum anderen daraus, dass sich häufig sonstige Ermittlungsmaßnahmen auf Erkenntnisse der Telefonüberwachung stützen. Zudem ist von Ergänzungseffekten der durch verschiedene Maßnahmen erlangten Information bezogen auf ein Gesamtbild des Sachverhaltes auszugehen.170 Nach einer Erhebung im Hinblick auf Telefonüberwachungen durch vier Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen und einem Stadtstaat in den Jahren 1996 bis 1998171 waren in fast zwei Drittel der einzelnen Fälle, in 168 BGHSt 34, 39 (44 f.). Beispielhaft kann hier das Aufzeichnen der Stimme auf Tonband zwecks Stimmenvergleichs mit Zustimmung des Beschuldigten genannt werden. Vgl. auch Kühne, Strafprozessrecht, Rdnr. 479. 169 s. auch unter 3. Kapitel A.X. Konkret ist hierbei an einfache Ermittlungsmethoden, wie Erkundigungen (auch das Entgegennehmen unaufgefordert mitgeteilter Informationen), formlose Arten der Vernehmung, nicht-heimliche Beobachtung, einfache Spurensicherung oder Informationsgewinnung aus öffentlich zugänglichen Quellen zu denken. 170 Vgl. auch Analyse von Expertengesprächen bei Albrecht/Dorsch/Krüpe, Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100a, 100b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, S. 327, 329 f. 171 Backes/Gusy, Wer kontrolliert die Telefonüberwachung?, S. 21 ff.

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3. Kap.: Aktuelle Gesetzeslage und Anwendungshäufigkeit

denen Telekommunikationsüberwachung angeordnet wurde, die Tatsachen, welche den Anfangsverdacht begründeten, aus bereits erfolgten sonstigen Ermittlungsmaßnahmen hervorgegangen. Darunter waren allein 18,4% Fälle, in denen sich der Anfangsverdacht aus anderen Telefonüberwachungsmaßnahmen ergab, sowie 20%, in denen der Verdacht aufgrund der Aussagen von V-Personen zustande kam. Nach Ergebnissen einer Analyse von Verfahren mit Telekommunikationsüberwachungsanordnungen aus dem Jahre 1998 wurden in 92% der Verfahren neben der Telefonüberwachung weitere Ermittlungsmaßnahmen eingesetzt. In 41% der Verfahren waren die zusätzlichen Maßnahmen zumindest auch verdeckter Natur.172 Bezüglich der Nutzung von Informationen aus der Überwachung gemäß §§ 100a, 100b StPO zur Initiierung von oder Verwendung für andere Ermittlungsmethoden ergab sich bei Vorliegen eines Ermittlungserfolges durch die Überwachung173 in 62% der Fälle ein mittelbarer Erfolg, der weitergehenden Ermittlungsaufwand zur Verwendung im weiteren Verfahren erforderte.174 Bezogen sich die mittelbaren Erfolge auf mittelbare Erklärungsansätze wegen Katalogstraftaten (39%), so waren sie in 50% Anlass für die Einleitung einer weiteren Telefonüberwachung, in 15% für die Veranlassung einer Durchsuchung und in 10% für Zeugenvernehmungen.175 Die akustische Wohnraumüberwachung gemäß § 100c StPO stellt eine Besonderheit gegenüber sonstigen Ermittlungsmaßnahmen insoweit dar, als dass sie wegen der vermeintlichen Schwere des Eingriffs nur als „ultima ratio“ einzusetzen ist, mithin rechtstatsächlich von einer Ausschöpfung sonstiger Maßnahmen zur Informationsbeschaffung im jeweiligen Verfahren auszugehen ist.176 Entsprechend wurde in einer Studie zur Evaluation des großen Lauschangriffs177 festgestellt, dass – bezogen auf die drei häufigsten zu172 s. Albrecht/Dorsch/Krüpe, Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100a, 100b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, S. 298 ff. 173 s. zur Operationalisierung des Begriffs „Erfolg“ Albrecht/Dorsch/Krüpe, Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100a, 100b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, S. 356 ff. 174 s. Albrecht/Dorsch/Krüpe, Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100a, 100b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, S. 371. 175 s. Albrecht/Dorsch/Krüpe, Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100a, 100b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, S. 379 ff. 176 Indes ist dies aufgrund der gesetzlichen Regelung nicht zwangsläufig, da auch ein fiktives Abwägen der Erfolgsaussichten mit anderen Vorgehensweisen ausreichend ist. 177 Meyer-Wieck, Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“) nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO.

C. Aspekte bezüglich der Kumulierung von Maßnahmen

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sätzlichen Ermittlungsmethoden – in 90,1% der analysierten Verfahren neben der Maßnahme nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO a. F. Telefonüberwachungen, in 87,1% Befragungen von Zeugen und in 84,2% Durchsuchungen stattgefunden haben.178 Die durchschnittliche Häufigkeit pro Verfahren lag bei Telefonüberwachungen bei zwölf überwachten Anschlüssen, die durchschnittliche Dauer lag bei 214 Tagen. Betreffend Zeugenvernehmung wurde eine durchschnittliche Häufigkeit von 31 und für die Anordnung von Durchsuchungen von sieben festgestellt.179 Vielfach dienen die Maßnahmen der konkreten Vorbereitung der Wohnraumüberwachung beispielsweise zur Abklärung der Umstände, unter denen technische Mittel in der Wohnung angebracht werden können, werden aber auch begleitend fortgeführt. Dabei ist von einer häufigen Parallelität verschiedener Informationsbeschaffungsmaßnahmen mit der Wohnraumüberwachung auszugehen. Dies betrifft insbesondere die Telefonüberwachung gemäß § 100a StPO, den Einsatz technischer Mittel insbesondere in Kraftfahrzeugen gemäß § 100f Abs. 2 StPO und die Observation von Wohnungszugängen gemäß § 163f StPO.180 Insgesamt entspricht aber die zeitliche Einordnung der Wohnraumüberwachung im einzelnen Verfahren der Ausgestaltung als „ultima ratio“-Maßnahme, da sie durchschnittlich am Ende des Ermittlungsvorganges genutzt wurde.181 Auch Maßnahmen zum automatischen Datenabgleich und zur Datenauswertung können grundsätzlich als Folgemaßnahmen bezeichnet werden. Die einzelnen Methoden der Datenverwertung besitzen keine von anderen Informationserlangungsmaßnahmen völlig losgelöste Bedeutung182, da sie von ihrer Struktur her auf die Existenz eines Datenstammes angelegt sind. Eine 178 Meyer-Wieck, Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“) nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO, S. 160. In lediglich 1% der Fälle (entspricht einem von 101 untersuchten Fällen) wurden keinerlei sonstige Ermittlungsmaßnahme angeordnet, wobei es sich hierbei um ein erbetenes Abhören von Staatsbürgern eines anderen Landes im Rahmen eines Rechtshilfeersuchens handelte. 179 Meyer-Wieck, Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“) nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO, S. 178 ff. 180 Meyer-Wieck, Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“) nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO, S. 188. 181 Leichte Abweichungen ergaben sich allerdings bei Betäubungsmittelverfahren, in denen der durchschnittliche Einsatz etwas früher stattfand. Hierbei werden auch strukturelle Unterschiede zwischen Totschlags- und Mordermittlungen und solchen im Bereich von Betäubungsmitteldelinquenz deutlich. Während bei ersteren die Wohnraumüberwachung häufig das letzte verfügbare Mittel darstellt, Erkenntnisse zu gewinnen, dient sie bei letzteren eher der beweisfesten Absicherung und Vertiefung bereits bestehender Ermittlungsergebnisse. s. Meyer-Wieck, Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“) nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO, S. 173 f. und 181 ff.

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3. Kap.: Aktuelle Gesetzeslage und Anwendungshäufigkeit

Kumulationsnotwendigkeit ist ihnen daher inhärent. Zudem fungieren sie als Bindeglied zwischen verschiedenen Methoden zur Informationserlangung. Insbesondere bezüglich der – für die Ermittlung der Grenzen von Überwachung im Sinne einer Totalausforschung183 – wichtigen Datenverknüpfung kommt beispielsweise der Rasterfahndung, aber auch § 98c StPO eine verstärkte Bedeutung zu. Hierbei ist auch die Einbeziehung von Datengewinnung durch nichtheimliche Methoden wie der Beschlagnahme oder der DNA-Analyse zu betrachten. Datenverarbeitungsmethoden bieten dabei die Möglichkeit der Verknüpfung zum Teil sehr unterschiedlicher Datenstämme. So kann auf diese Weise eine Individualisierung vorher nicht zuordenbarer Daten vorgenommen werden. Neben den Maßnahmen, die auf eine hohe Informationsdichte bereits im Vorfeld angewiesen sind, dient eine Vielzahl zum Teil einfacherer Maßnahmen hauptsächlich als Informationslieferant für weiterführende Ermittlungen. Dies betrifft beispielsweise die Observation, Befragung von Zeugen, aber auch die schwerwiegende Nutzung eines IMSI-Catchers zur Vorbereitung einer Telefonüberwachung. Die Eigenständigkeit der vorbereitenden Maßnahme hängt dabei stark vom einzelnen Verfahren ab, so dass allgemeine Aussagen nur eingeschränkt getroffen werden können. Als entscheidend ist dabei anzusehen, inwieweit die erlangten Informationen ausschließlich der Folgemaßnahme dienen bzw. ob zusätzlich nutzbare Datenansammlungen entstehen. Insgesamt ist davon auszugehen, dass in der Strafverfolgungspraxis häufig auf die Kumulation von Ermittlungsmaßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung zurückgegriffen wird. Hier handelt es sich nicht nur um die Nutzung weniger schwerwiegender Maßnahmen parallel zu einfacheren Vorgehensweisen, sondern vielfach auch um die Kombination sehr eingriffsintensiver Methoden. Dabei steht abhängig von dem Deliktsbereich, in dem ermittelt wird, eine Konzentration auf bestimmte Erkenntnisse (abgeschlossene Delikte) bzw. ein allgemeines Erkenntnisbedürfnis (fortgeführte Deliktsbegehung) im Mittelpunkt.184 182 Insoweit ist zu beachten, dass hiermit nicht lediglich Maßnahmen im Rahmen der Strafverfolgung gemeint sind. 183 Zum Begriff der „Totalausforschung“ s. unter 4. Kapitel E.II. 184 Der Begriff „abgeschlossene“ Verhaltensweisen oder Delikte bezieht sich dabei nicht auf die Notwendigkeit eines Anfangsverdachts bezüglich einer bereits erfolgten Maßnahme, der bei Maßnahmen zur Strafverfolgung grundsätzlich (vorbehaltlich neuerer Einschränkungstendenzen, vgl. unter 6. Kapitel A.II.) vorhanden sein muss, sondern stellt eine Abgrenzung meist einmaliger begangener Delikte wie Mord und Totschlag zu Delikten dar, die sich häufig in ein Gefüge mehrerer Deliktsbegehungen eingliedern lassen und daher als „fortgeführte“ Verhaltensweisen oder Delikte bezeichnet werden (z. B. Betäubungsmitteldelikte).

4. Kapitel

Grundrechtsrelevanz kumulativer Nutzung von Maßnahmen zur Informationsbeschaffung Nach den Feststellungen über die Entwicklung informationsorientierter Maßnahmen im Strafverfahren in Deutschland und dem Überblick über die grundsätzlich bestehenden Möglichkeiten zur Überwachung stellt sich die Frage nach der besonderen Grundrechtsrelevanz kumulativer Überwachung. Die Besonderheit des hier zu besprechenden Maßnahmenbündels liegt in einer gegenüber Einzelmaßnahmen veränderten Intensität und Ausdehnung der Überwachung. Es ergibt sich somit die Notwendigkeit, die Grundrechtsrelevanz nicht ausschließlich an einer konkreten Anordnung zu überprüfen, sondern umfassendere Betrachtungen bezogen auf strafprozessuale Überwachungsmaßnahmen vorzunehmen. Dies bedarf einer abstrakten Betrachtungsweise auch unter Loslösung von nur für einzelne Maßnahmen geltendem Grundrechtsschutz. Dabei ist als entscheidendes Anknüpfungskriterium die personenbezogene Informationserlangung in den Mittelpunkt zu rücken, die allen zu besprechenden Maßnahmen inhärent ist. Bezogen auf die Anordnung mehrerer Maßnahmen und den dabei anfallenden Daten und ihrer Speicherung sind vor allem Grundrechtsgüter im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts i. S. d. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als bedeutsam anzusehen. Zudem werden bezüglich spezieller Maßnahmen weitere Grundrechte relevant. Im Bereich der Strafverfolgung sind dabei das in Art. 10 GG normierte Fernmeldegeheimnis und das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 GG von besonders großer Bedeutung.185 Es ist daher zunächst aufzuzeigen, welche informationsbezogenen Handlungen im Allgemeinen den Schutzbereich der Grundrechte berühren und unter welchen Umständen sie einen Eingriff darstellen.

185

s. zum Verhältnis der Grundrechte unter 4. Kapitel D.

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4. Kap.: Grundrechtsrelevanz kumulativer Maßnahmennutzung

A. Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG): Schutzbereich und Eingriff Vom Schutzbereich des Art. 10 GG ist die körperliche Übermittlung von Briefen – einschließlich unverschlossen versendeter Informationen –186 durch das Briefgeheimnis erfasst.187 Neben dem Briefinhalt sind auch äußere Umstände des Briefverkehrs vom Schutzbereich gedeckt.188 So unterfallen auch Informationen über die Häufigkeit und Herkunft der Briefe dem Schutz von Art. 10 GG.189 Dies gilt ebenso für die Übermittlung von Kleingütern auch dann, wenn die Übermittlung durch private Stellen vorgenommen wird.190 Des Weiteren ist durch das Fernmeldegeheimnis auch der Austausch unkörperlicher Informationen im Sinne eines Datentransfers als dem Schutzbereich unterfallend anzusehen. Die konkrete Art der Informationsübermittlung ist, sofern die Übermittlung mittels Fernmeldetechnik erfolgt,191 nicht entscheidend.192 Ebenso unbedeutend ist der Inhalt der übertragenen Information, insoweit ist eine Unterscheidung zwischen personenbezogenen Daten und sonstigen Daten für die Schutzbereichsbestimmung überflüssig. Geschützt ist allerdings nur die individuelle Kommunikation, die sich nicht an die Allgemeinheit richtet. Die „Unsicherheit“ der Nachrichtenübermittlung, das heißt die grundsätzliche Möglichkeit der Kenntnisnahme durch nicht als Empfänger bestimmte Personen, kann jedoch nicht als Abgrenzungskriterium herangezogen werden. E-Mails und der Datenaustausch im Internet, sofern sie nur für eine begrenzte Personengruppe bestimmt sind, sind somit von Art. 10 GG geschützt.193 Eingriffe ergeben sich folglich aus dem Mithören, Mitlesen oder sonstigem Erfassen der entsprechenden Informationen sowie aus deren Speiche186 Vgl. HbStR-Schmitt Glaeser, Bd. VI § 129 Rdnr. 62; von Münch/KunigLöwer, GG, Art. 10 Rdnr. 16; a. A. BVerwGE 6, 299 (300); Maunz/Dürig-Dürig, GG, Art. 10 Rdnr. 13. 187 s. Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 10 Rdnr. 4 f. 188 Sachs-Krüger/Pagenkopf, GG, Art. 10 Rdnr. 12. 189 HbStR-Schmitt Glaeser, Bd. VI § 129 Rdnr. 62; ferner von Münch/KunigLöwer, GG, Art. 10 Rdnr. 16; Sachs-Krüger/Pagenkopf, GG, Art. 10 Rdnr. 12. 190 Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 10 Rdnr. 7. Richtigerweise bezieht sich das Postgeheimnis nunmehr auf den Schutz von durch Postdienstleister vermittelten körperlichen Gütern gegen staatliche Zugriffe. s. auch Sachs-Krüger/Pagenkopf, GG, Art. 10 Rdnr. 13. 191 Vgl. Sachs-Krüger/Pagenkopf, GG, Art. 10 Rdnr. 14. 192 s. Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 10 Rdnr. 5. 193 s. von Münch/Kunig-Löwer, GG, Art. 10 Rdnr. 18; a. A. Sachs-Krüger/Pagenkopf, GG, Art. 10 Rdnr. 14a.

C. Allgemeines Persönlichkeitsrecht

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rung194. Im Bereich der strafbehördlichen Ermittlungen ist Art. 10 GG somit vornehmlich bei der Beschlagnahme von Postsendungen (§ 99 StPO) und der Überwachung der Telekommunikation (§§ 100a, 100b und 100g, 100h StPO) einschlägig.

B. Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG): Schutzbereich und Eingriff Art. 13 GG schützt die Privatheit der Wohnung als „elementaren Lebensraum“.195 Der Schutzbereich umfasst mithin alle Räume, die der allgemeinen Zugänglichkeit durch räumliche Abschottung entzogen und zur Stätte des privaten Lebens und Wirkens gemacht sind.196 Grundrechtsträger sind jedoch nur Personen, die Inhaber oder Bewohner eines Wohnraums sind. Zufällig anwesende Dritte sind insoweit nicht durch Art. 13 GG geschützt.197 Als Eingriff ist somit jede staatliche Handlung zu klassifizieren, welche die Privatheit der Wohnung verletzt. Strafverfolgungsmaßnahmen zur Erlangung von personenbezogenen Informationen, die Eingriffe in Art. 13 GG darstellen, sind hauptsächlich Durchsuchungen gemäß § 102 ff. StPO und die akustische Wohnraumüberwachung gemäß § 100c StPO sowie das Eindringen in den Wohnungsbereich durch einen Verdeckten Ermittler gemäß § 110a i. V. m. § 110b Abs. 2 Nr. 2 StPO. Der grundsätzlich anzunehmende Vorrang des Art. 13 GG gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht198 wird für die Fälle relativiert, in denen über die Beeinträchtigung der Wohnung hinaus andere Schutzrichtungen durch die Einbindung der Maßnahme in weitere strafbehördliche Informationserlangungsmaßnahmen tangiert werden.199

C. Allgemeines Persönlichkeitsrecht: Schutzbereich und Eingriff Besonders das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das daraus vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Institut des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, welches gerade nicht auf die einzelne Maßnahme abstellt, sondern quasi ergebnisori194 195 196 197 198 199

BVerfGE 100, 313 (366). BVerfGE 51, 97 (110). BGHSt 44, 138 (140). Vgl. BVerfG NJW 2004, 999 (1005). BVerfGE 51, 97 (105). Vgl. zum Verhältnis der Grundrechte unter 4. Kapitel D.

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4. Kap.: Grundrechtsrelevanz kumulativer Maßnahmennutzung

entiert auf die mit einer Überwachung grundsätzlich verbundene Datenerlangung,200 haben für die Kumulation von Maßnahmen große Relevanz.

I. Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung Zur Bestimmung, inwieweit etwaige Überwachungsmaßnahmen und die hieraus entstehende Datenerlangung einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellen, ist zunächst der einschlägige Schutzbereich dieses Rechts näher zu definieren. Im Folgenden werden die hierzu ergangene, insbesondere auf Informationsgewinnung und -verarbeitung bezogene Judikatur des Bundesverfassungsgerichts zum so genannten Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie sonstige relevante Bestrebungen einer Umfangsbestimmung speziell bezogen auf kumulative Überwachungsmaßnahmen zusammengefasst und bewertet. 1. Die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts Grundlage für die Herausbildung eines speziell auf Informationseingriffe201 abzielenden Schutzes mit Grundrechtscharakter bildet das Volkszählungsurteil202 vom 15. Dezember 1983.203 Das dort vom Bundesverfassungsgericht als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts konzipierte Recht auf informationelle Selbstbestimmung stellt den rechtlichen Ausgangspunkt für Betrachtungen bezüglich informationsbezogener Eingriffe von staatlicher Seite dar: „Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser Schutz ist daher von dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfasst. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.“204

Trotz der kontextuellen Ausrichtung des Urteils auf statistische Datenerhebung ist die Ausdehnung auf jegliche Informationseingriffe weitgehend anerkannt.205 Der sich aus dem Urteil ergebende Schutz besteht somit gegenüber 200

BVerfGE 65, 1 (41 ff.). s. zum Begriff auch Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozessrecht, S. 27 ff. 202 BVerfGE 65, 1 ff. 203 s. aber auch schon BVerfGE 27, 1 (7); 35, 202 (220). 204 BVerfGE 65, 1 (43). 201

C. Allgemeines Persönlichkeitsrecht

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„jeder Form der Erhebung, schlichter Kenntnisnahme, Speicherung, Verwendung, Weitergabe oder Veröffentlichung von persönlichen Informationen“206. Hervorzuheben ist dabei insbesondere die Einordnung einzelner persönlicher Daten. Diesbezüglich wird eine qualitative Unterscheidung der Daten hinsichtlich ihrer konkreten Nähe zum innersten Lebensbereich – im Sinne der Sphärentheorie207 – zumindest für die Annahme eines Eingriffs in den Schutzbereich nicht vorgenommen.208 Vielmehr wird auf ihre „Nutzbarkeit und Verwendungsmöglichkeit“ abgehoben. Die Existenz eines grundsätzlich belanglosen Datums wird angesichts der Möglichkeiten automatischer Datenverarbeitung verneint.209 Insoweit wird explizit auf die Gefahr der Erstellung eines umfassenden Persönlichkeitsbildes hingewiesen,210 das durch Verknüpfung verschiedener, für sich genommen teilweise belanglos erscheinender Daten zu besorgen ist. Das grundsätzliche Anliegen des Bundesverfassungsgerichts ist darin zu sehen, dem Bürger die Freiheit zu belassen, über die Verwendung seiner persönlichen Daten selbst bestimmen zu können – auch in Zeiten einer so genannten Informationsgesellschaft211. Zur Verwirklichung dieser Freiheit besteht nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts zudem die Notwendigkeit, auch individualisierbare Daten dem Schutz des Selbstbestimmungsrechts zu unterstellen.212 Im Ergebnis wurde ein ausgedehnter Schutzbereich eines eigenständigen Rechts auf informationelle Selbstbestimmung geschaffen, dem grundsätzlich nahezu jedwede Datenbewegung unterfällt.213 205 s. BVerfGE 78, 77 (84); Maunz/Dürig-Di Fabio, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 176; von Münch/Kunig-Kunig, GG, Art. 2 Rdnr. 38; Sachs-Murswiek; GG, Art. 2 Rdnr. 73; Vogelgesang, Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung?, S. 25 f., 55 f.; s. aber Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozessrecht, S. 47. 206 Maunz/Dürig-Di Fabio, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 176. 207 s. nur BVerfGE 27, 344 (351). Verfehlt ist es jedoch, von einer völligen Abkehr sphärentheoretischer Überlegungen insbesondere bezüglich der Verletzung eines Kernbereichs auszugehen. So wohl Geis, JZ 1991, 112 (113 f.); s. die Fortführung der entsprechenden Judikatur auch nach dem Volkszählungsurteil BVerfGE 80, 367 (373); BVerfG NJW 2004, 999 (1002); vgl. hierzu auch unter 4. Kapitel E.I. 208 s. noch BVerfGE 27, 1 (8), wonach die Möglichkeit der „Offenlegung der Intimsphäre“ oder der Einsicht in Beziehungen mit „Geheimnischarakter“ Maßstab für die Annahme eines Eingriffs waren. 209 BVerfGE 65, 1 (45). 210 BVerfGE 65, 1 (42). 211 Der Begriff bezieht sich auf eine Gesellschaftsform, in der „der produktive Umgang mit der Ressource Information und die wissensintensive Produktion eine herausragende Rolle spielen“: vgl. Bericht der Bundesregierung, BT-Drs. 13/4000, 15. 212 BVerfGE 67, 100 (142 f.). 213 s. auch BVerfGE 67, 100 (143); BVerfG NJW 91, 2129 (2132); BVerfGE 101, 106 (121 f.).

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4. Kap.: Grundrechtsrelevanz kumulativer Maßnahmennutzung

2. Weitere Bestrebungen zur Umfangsbestimmung Die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts, speziell die Etablierung eines eigenständigen Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung, hat neben grundsätzlicher und starker Zustimmung214 auch vielfältigen Widerspruch erfahren.215 Dieser bezieht sich im Grundsatz nicht auf die Anerkennung eines besonders schutzwürdigen Bereichs hinsichtlich der Erlangung, Verarbeitung und Weiterleitung von persönlichen Informationen. Vielmehr sind die Einwände dogmatischer – insbesondere bezüglich der Herleitung und systematischen Einbindung eines entsprechenden Schutzes –, aber auch den Umfang des zu gewährenden Schutzes betreffender Art. So wird beispielsweise geltend gemacht, dass ein informationelles Selbstbestimmungsrecht kein eigenständiges Grundrecht sein könne216 und stets in Verbindung mit den einzelnen Persönlichkeitsgütern betrachtet werden müsse.217 Die Diskussion über die Reichweite des Grundrechtsschutzes wird beflügelt durch die fortschreitende technische Entwicklung, die auf der einen Seite weiterreichende Schutzbedürftigkeit nach sich zieht, auf der anderen Seite aber auch Forderungen nach weiter gefassten Regelungen bzw. behördlichen Freiräumen begründet, welche auch erst zukünftig mögliche Maßnahmen bereits im Vorfeld umfassen sollen. Zudem soll sich der Schutzbereich nicht auf jede Art von Datum beziehen, sondern das etwaige Vorliegen eines Eingriffs anhand einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung gemessen werden. Dabei bestehen entgegen der dem Volkszählungsurteil nachfolgenden Judikatur218 Tendenzen, den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auf Maßnahmen im Zusammenhang mit elektronischer (automatischer) Datenverarbeitung zu begrenzen.219 Daneben sollen Beeinträchtigungen mit geringer Relevanz oder aus öffentlichen Quellen nicht dem Schutzbereich unterfallen.220

214

s. nur Steinmüller, DUD 1984, S. 91 ff.; Schneider, AnwBl 1989, 511 (513). s. zu allgemeinen Folgerungen Denninger, Der gebändigte Leviathan, S. 375 ff.; ders. KJ 1985, 215 ff. 216 Benda, DUD 1984, 86 (89); Denninger, KJ 1985, 215 (218); Zöller, Informationssysteme und Vorfeldmaßnahmen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Nachrichtendiensten, S. 30. 217 Maunz/Dürig-Di Fabio, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 173; Riepl, Informationelle Selbstbestimmung im Strafverfahren, S. 8; Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozessrecht, S. 45, 47. 218 BVerfGE 78, 77 (84). 219 Rogall, GA 1985, 1 (13), ähnlich Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozessrecht, S. 82 f., 93 ff. 215

C. Allgemeines Persönlichkeitsrecht

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3. Diskussion Zu fragen ist somit, inwieweit diese unterschiedlichen Bewertungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung – insbesondere bezogen auf den Umfang des Schutzbereiches – Bedeutung im Kontext kumulativer Überwachungsmaßnahmen haben. Zunächst ist betreffend die Eingliederung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht davon auszugehen, dass es sich nicht um eine neue, völlig eigenständige Fallgruppe handelt, sondern lediglich um eine Konkretisierung der bereits existierenden Ausprägungen bezogen auf die Erhebung von personenbezogenen Informationen von staatlicher Seite. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung liegt somit quasi „quer“ zu anderen Persönlichkeitsrechten, beispielsweise zum Recht am eigenen Bild und Wort sowie zum Selbstdarstellungsrecht und zum Recht auf Privatheit.221 Dabei kann grundsätzlich auf die hierzu erarbeiteten Grundsätze Bezug genommen werden. Ausgehend vom Volkszählungsurteil und nachfolgender bundesverfassungsgerichtlicher Judikatur222 unterfällt grundsätzlich jede Datenerhebung dem Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Da es insoweit nicht auf die Art der Erhebungsmethode, sondern auf die Möglichkeit der Verwendung ankommt, ergibt sich nach dieser Definition eine Schutzbereichsausdehnung auf alle personenbezogenen Daten, die im Rahmen durchführbarer Überwachungsmethoden erhoben werden können.223 Entsprechendes gilt sodann erst recht für die parallele Anordnung mehrerer einschlägiger Maßnahmen, da der Schutzrichtung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung hier besondere Bedeutung zukommen kann. a) Nicht-automatische Datenverarbeitung als Ausschlusskriterium Etwas anderes kann sich allerdings dann ergeben, wenn der Schutzbereich lediglich solche Datenerhebungen erfassen soll, die im Rahmen ihrer späteren Zweckbestimmung durch automatisierte Verarbeitungsmethoden aufbereitet werden. Eine solche Differenzierung in manuelle und 220

Gusy, DVBl. 1991, 1288 (1288); Kunig, Jura 1993, 595 (601); SK-StPORudolphi, vor § 94, Rdnr. 10; Maunz/Dürig-Di Fabio, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 176. 221 s. von Münch/Kunig-Kunig, GG, Art. 2 Rdnr. 38; vgl. auch Dreier-Dreier, GG, Art. 2 Abs.1 Rdnr. 52; a. A. HbStR-Schmitt Glaeser, Bd. VI § 129 Rdnr. 77, der das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung des Rechts auf Selbstdarstellung begreift. 222 BVerfGE, 78, 77 (84). 223 So auch Gercke, Bewegungsprofile anhand von Mobilfunkdaten im Strafverfahren, S. 44.

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4. Kap.: Grundrechtsrelevanz kumulativer Maßnahmennutzung

automatische Datenverarbeitung erscheint jedoch unangebracht.224 Grundsätzlich ist anzuerkennen, dass gerade die Gefahren der automatischen Datenverarbeitung Ursprung der besonderen Schutzwürdigkeit einer Selbstbestimmung über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten sind. Dennoch kann der Schutz hier nicht Halt machen, denn nicht die Automatisierung als solche bildet die Beeinträchtigung, sondern die sich daraus ergebende Gefahr der unüberschaubaren Verwendungsmöglichkeiten.225 Dies wird auch in der allgemeinen Zielrichtung des Rechts deutlich, dem Bürger eine eigene Entscheidung bezüglich des Zeitpunkts, zu dem persönliche Daten erhoben werden dürfen, zu überlassen, die als solche keine Begrenzung auf spezielle Verarbeitungsmethoden zulässt. Der Schutz bezieht sich somit nicht nur auf die konkrete Verarbeitung der Daten, sondern auch auf die durch die Erhebung entstehende Möglichkeit hierzu.226 Die Nichteinschlägigkeit des Schutzbereichs könnte somit lediglich für den – in der Praxis wohl eher selten vorkommenden – Fall angenommen werden, dass die Datenerhebung ohne Verarbeitungsabsicht227 und auch unter garantiertem Ausschluss entsprechender Verarbeitungsmöglichkeiten erfolgt. Zudem sind es vor allem praktische Erwägungen, die einer einschränkenden Interpretation des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung entgegenstehen. So besteht zum Zeitpunkt der Erhebung in der Regel nicht die Möglichkeit, umfassend und abschließend über die konkrete Form der Aufbereitung der Daten zu entscheiden.228 Vielmehr ist es durchaus wahrscheinlich, dass sich letztlich die Verarbeitungsart nach den – zum Teil auch örtlich unterschiedlich – vorhandenen Ressourcen und auch technischen Möglichkeiten richtet. Zudem liegt die Inkonsequenz einer Beschränkung des Schutzbereichs auf die Verarbeitung von Daten mittels automatisierter Verfahren darin, dass sie auch die computergestützte Verarbeitung manuell zu bewältigender Daten aufgrund der formalistischen Unterscheidung in den Schutzbereich einbezieht, eine adäquate Verarbeitung der Daten ohne maschinelle Unterstützung hingegen nicht. Im konkreten Fall der Strafverfolgung könnte somit 224 s. auch Jarass/Pieroth-Jarass Art. 2, Rdnr. 32; Maunz/Dürig-Di Fabio, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 176; Vogelgesang, Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung?, S. 25 f., 55 f.; Gercke, Bewegungsprofile anhand von Mobilfunkdaten im Strafverfahren, S. 47. 225 Matzky, Zugriff auf EDV im Strafprozess, S. 163, 198. 226 s. auch Zöller, Informationssysteme und Vorfeldmaßnahmen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Nachrichtendiensten, S. 27 f. 227 s. Zöller, Informationssysteme und Vorfeldmaßnahmen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Nachrichtendiensten, S. 35. 228 Vgl. auch Weichert, Informationelle Selbstbestimmung und strafrechtliche Ermittlung, S. 28.

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die ermittelnde Behörde – wiederum je nach Ressourcenlage – den Schutzbereich durch den Einsatz einer Vielzahl von Personen oder speziell befähigter Personen umgehen. b) Bagatell- und öffentliche Daten als Ausschlusskriterium Bezüglich der Annahme eines Ausscheidens von Beeinträchtigung im Bagatellbereich bereits aus dem Schutzbereich229 ist auf die spezielle Situation im Rahmen der Strafverfolgung hinzuweisen. Geht man davon aus, dass beispielsweise Trivialkommunikation zwischen Bürger und Behörde als Bagatelldatenerhebung zu verstehen ist,230 so ist für Zwecke der Strafverfolgung durchaus anzunehmen, dass in bestimmten Konstellationen – man denke nur an die Mitteilung später beweiserheblicher Tatsachen – auch hieraus eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung entstehen kann. Will man weitergehend auch etwaige Beobachtungen von Beamten oder solche Daten, die dem allgemeinen öffentlichen Zugriff unterliegen, aus dem Schutzbereich extrahieren,231 so kann auch dies für die Strafverfolgung keine Geltung finden.232 Die Grundlage für eine entsprechende Bewertung ist in der Ausrichtung des Schutzgutes auf die Verwendung bzw. der Möglichkeit der Verwendung der Daten zu erblicken. Nicht das Datum als solches ist ausschlaggebend, sondern eine nachfolgende Einbindung des Datums in die behördlichen Gebrauchsmechanismen.233 Kann in anderen Bereichen (z. B. Leistungsverwaltung) möglicherweise von einem im Grundsatz neutralen Verwendungszusammenhang ausgegangen werden, so dass personenbezogene Daten mit einem sehr geringen Informationsgehalt hier nicht als einschlägig schutzwürdig erscheinen,234 ist dies so für die Informationsgewinnung zumindest im Rahmen der Ermittlung im Strafverfahren nicht anzunehmen. Dies hat insbesondere deshalb zu gelten, weil die Datenerlangung durch Zwang oder ohne Wissen des Betroffenen durchgeführt werden kann und zudem letztlich erst die konkrete Art der Verwendung und Auswertung 229 Rogall, GA 1985, 1 (26); ders., Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozessrecht, S. 49; HbStR-Schmitt Glaeser, Bd. VI § 129 Rdnr. 97; Wolter, FS Roxin, S. 1141 (1164 f.). 230 Kunig, Jura 1993, 595 (601). 231 Riepl, Informationelle Selbstbestimmung im Strafverfahren, S. 13. 232 A.A. Weichert, Informationelle Selbstbestimmung und strafrechtliche Ermittlung, S. 27; Zöller, Informationssysteme und Vorfeldmaßnahmen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Nachrichtendiensten, S. 35, s. aber auch zur Gefahr einer anderweitigen Verwendung, S. 36. 233 s. auch Perschke, Die Zulässigkeit nicht spezialgesetzlich geregelter Ermittlungsmethoden im Strafverfahren, S. 82 ff. 234 Auch in diesem Zusammenhang ist jedoch an eine mögliche spätere Auswertung durch andere Behörden, beispielsweise im Wege der Rasterfahndung, zu denken.

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4. Kap.: Grundrechtsrelevanz kumulativer Maßnahmennutzung

abschließend über den Beeinträchtigungscharakter der Maßnahmen Aufschluss geben kann. Die Ausrichtung des Gesamtwesens Strafverfolgung in Verbindung mit einem zur Wahrung eines effektiven Grundrechtsschutzes weit zu fassenden Schutzbereichs führt zu einer entsprechenden Ausdehnung des informationellen Selbstbestimmungsrechts, so dass im Rahmen von Ermittlungsmaßnahmen auch gewinnbare Bagatellinformationen diesem Schutzbereich unterliegen.235 c) Einwilligung als Ausschlusskriterium Eine grundrechtsrelevante Beeinträchtigung könnte lediglich für den Fall von vornherein ausgeschlossen werden, dass eine umfassende, das heißt alle Verwendungsmöglichkeiten einschließende, Einwilligung des vom Informationsgehalt Betroffenen vorliegt und somit quasi von einem Verzicht auf den grundrechtlichen Schutz, der auch als Ausübung der geschützten Freiheit verstanden werden kann,236 auszugehen ist.237 Dies ist für konkrete Einzelfälle auch bezüglich der Rechtfertigung des Eingriffs entscheidend, kann hingegen weder für eine einfache polizeidienstliche Beobachtung in der Öffentlichkeit noch für die Nutzung des Telefonbuches als Datenquelle generell angenommen werden.238 In beiden Fällen mag zwar von einer grundsätzlichen Preisgabe der Daten gegenüber der Öffentlichkeit auszugehen sein, für eine konkrete Verwendung im Rahmen der Strafverfolgung liegt jedoch kein Einverständnis vor und ein solches kann auch nicht als mutmaßlich vorliegend oder sozialadäquat gegeben angesehen werden. Dies entspricht auch der Wertung des § 4a BDSG, wonach der Einwilligende auf den Zweck der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung hinzuweisen ist.239 235 Ein informationeller Totalvorbehalt, nach dem alle Daten unabhängig von ihrer Verwendungsmöglichkeit und somit unabhängig von den Aufgabenbereichen der sie aufnehmenden staatlichen Stellen dem Schutzbereich unterliegen, ist hingegen abzulehnen. s. Perschke, Die Zulässigkeit nicht spezialgesetzlich geregelter Ermittlungsmethoden im Strafverfahren, S. 57 f.; Gercke, Bewegungsprofile anhand von Mobilfunkdaten im Strafverfahren, S. 44; a. A. Schwan VerwArch 1975, 120 (127); s. auch unter 5. Kapitel A.I.3.a). Zu Problemen bei einer bereichsspezifischen Differenzierung s. Simitis KritV 2000, 359 (372 f.). 236 Zöller, Informationssysteme und Vorfeldmaßnahmen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Nachrichtendiensten, S. 36. 237 s. aber zu Bestimmtheitsanforderungen Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Vorb. vor Art. 1 Rdnr. 36; grundsätzlich zur Problematik des Grundrechtsverzichts auch Jarass, NJW 1989, 857 (860); Sachs-Sachs, GG, Vor Art. 1 Rdnr. 52 ff. 238 s. aber Riepl, Informationelle Selbstbestimmung im Strafverfahren, S. 13, der hierin von vornherein zumindest keine Beeinträchtigung sieht. 239 s. auch § 3 TDDSG; s. zusätzlich Richtlinie 95/46/EG, (Nr. L 281 vom 23. November 1995), S. 31.

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Entsprechend ist auch die Argumentation des Bundesgerichthofes240 bezüglich der Nichtbeeinträchtigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung beim Mithören insbesondere eines Polizeibeamten mit Einverständnis nur eines Gesprächsteilnehmers im Rahmen der Telekommunikation abzulehnen. Die Einwilligung des von der Mithöraktion unwissenden Teilnehmers in die Preisgabe der Informationen an Dritte (also den oder die jeweils anderen regulären Teilnehmer) basiert nicht auf den notwendigen Informationen und erstreckt sich somit auch nicht auf eine umfassende Zustimmung bezüglich des Mithörens. Die Einwilligung des oder der anderen Teilnehmer ist nicht von einer Verfügungsbefugnis über das Grundrecht der unwissenden Person gedeckt und insoweit also unwirksam.241 Auch der Einsatz moderner Datenverarbeitungsmethoden spricht für die Ablehnung einer generellen Einwilligung bezüglich öffentlicher Daten, da die Auswertungsmöglichkeiten insbesondere durch eine Verknüpfung nur schwer überschaubar sind. Diese Interpretation entspricht auch der Annahme von der Nichtexistenz eines grundsätzlich belanglosen Datums242, wonach der Inhaber eines Datums als solches zunächst immer eines grundrechtlichen Schutzes bedarf. Ob sich durch die Art der Erlangung und Verwendung eine wirkliche Beeinträchtigung ergibt, muss sodann im Zusammenhang mit den Eingriffsvoraussetzungen geklärt werden.243 d) Ergebnis Zusammenfassend erstreckt sich somit der Schutzbereich eines dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht entstammenden Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auf alle personenbezogenen Daten, die durch Ermittlungsmethoden im Rahmen der Strafverfolgung erlangt werden können.

II. Überwachungsmaßnahmen als Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG Anhand der Verschiedenheit der Aussagen über das Wesen eines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und den Umfang des etwaigen Schutzbereiches lässt sich die Komplexität und die Kontextabhängigkeit dieses Problemfeldes erkennen. Insbesondere aufgrund der Einschätzung 240 BGHSt 39, 335 (343); 42, 139 (154); s. aber BVerfG, NJW 2002, 3619 (3620 f.). 241 s. bezüglich des Fernmeldegeheimnisses Eisenberg, StPO, Rdnr. 2407; a. A. Meyer-Goßner, StPO, § 100a Rdnr. 1. 242 BVerfGE 65, 1 (45). 243 s. für die Ermittlung im Strafverfahren unter 4. Kapitel C.II.

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4. Kap.: Grundrechtsrelevanz kumulativer Maßnahmennutzung

des Bundesverfassungsgerichts bezüglich der Bedeutsamkeit des Verwendungszusammenhangs der in Rede stehenden persönlichen Daten244 erscheint eine abstrakte, vom jeweiligen Einordnungszusammenhang losgelöste Betrachtungsweise nicht angezeigt.245 Für eine Bewertung von strafprozessualen Überwachungsmaßnahmen in Bezug auf ihre Eingriffsqualität ist es folglich notwendig, näher auf die Besonderheiten des Strafverfahrens einzugehen. Bereits für die Bestimmung des Schutzbereichs wurde ausgeführt,246 dass die Ausrichtung des Strafverfahrens den Schutz personenbezogener Daten in besonderem Maße erfordert. Dies gilt in gleichem Umfang auch für die Beurteilung der Eingriffsqualität der Ermittlungsmaßnahmen. Das Strafverfahren dient als rechtliche Grundlage für Eingriffe in die Rechte von Bürgern zum Zwecke der Strafverfolgung und im Rahmen der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruches.247 Im Gegensatz zu anderen Bereichen, in denen staatliche Informationsverwaltung ebenfalls von Bedeutung ist, ist die Ermittlung im Strafverfahren auf die Erlangung von Daten zur Fallerledigung angelegt.248 Diese Zielsetzung steht dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung konträr gegenüber.249 Verstärkt wird diese Einschätzung noch, wenn man die gesetzliche Vorgabe zur Neutralität der Ermittlung i. S. d. § 160 Abs. 2 StPO rechtstatsächlich als nur bedingt umsetzbar ansieht und eine überwiegend einseitige Akzentsetzung auf die Erlangung belastenden Materials zur Überführung des Tatverdächtigen annimmt.250 Im Sinne des engen klassischen Eingriffsbegriffs,251 der die Finalität, Unmittelbarkeit, Rechtsförmigkeit und den imperativen Gehalt einer Maßnahme fordert, liefert somit schon die strafprozessuale Ausrichtung der Strafverfolgungsmaßnahmen auf grundsätzlich finale Informationsgewinnung einen ersten Hinweis auf eine mögliche Beeinträchtigung von grundrechtlich geschützten Positionen. Für imperative Maßnahmen ist ohnehin bereits unter Zugrundelegung der klassischen Eingriffsdefinition eine Beeinträchtigung grundsätzlich gege244

BVerfGE 65, 1 (45). s. auch Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozessrecht, S. 49; Gercke, Bewegungsprofile anhand von Mobilfunkdaten im Strafverfahren, S. 49; Matzky, Zugriff auf EDV im Strafprozess, S. 207 f. 246 s. unter 4. Kapitel C.I.3.b). 247 Pfeiffer, StPO, Einleitung Rdnr. 1. 248 s. zur Zweckentfremdung von beweiserheblichen Gegenständen im Strafverfahren auch Welp, Verteidigung und Überwachung, S. 311. 249 So grundsätzlich auch Riepl, Informationelle Selbstbestimmung im Strafverfahren, S. 1 f.; ähnlich auch Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 202 f. 250 Kühne, Strafprozessrecht, Rdnr. 350. 251 s. zum Begriff nur Dreier-Dreier, GG, Verb. Rdnr. 81. 245

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ben.252 Problematisch sind hingegen Fälle, in denen kein Zwang zur Datenherausgabe ausgeübt wird. Ein Rückgriff auf den klassischen Begriff des Eingriffs vermag hier die Qualität der Maßnahme nicht hinreichend zu klären. Für die Beurteilung der konkreten Beeinträchtigungsqualität sind indes im Sinne eines modernen Eingriffsbegriffs ausgeweitete Kriterien von Bedeutung. Insoweit sind für die Bejahung eines Eingriffs nicht ausschließlich die engen Voraussetzungen entscheidend, wobei bei Vorliegen dieser Kriterien unstrittig ein Eingriff anzunehmen ist253, vielmehr kann jedes staatliche Handeln Eingriff sein, das ein Verhalten im Rahmen eines grundrechtlichen Schutzbereichs ganz oder teilweise unmöglich macht.254 Bezogen auf Realakte und Maßnahmen, die lediglich mittelbar auf den grundrechtlich geschützten Bereich einwirken, kann somit grundsätzlich erst mittels einer einzelfallorientierten Prüfung die etwaige Eingriffsqualität festgestellt werden.255 Allerdings lassen sich auch für diese Fälle abstrakte Kriterien herausarbeiten, bei deren Vorliegen von einer hinreichenden Beeinträchtigungsintensität ausgegangen werden kann. So wird häufig – zum Teil unter Rückgriff auf sphärentheoretische Ansätze – auf die Art und den Umfang der betroffenen Daten sowie auf die Verarbeitungsart und die Verwendungsmöglichkeiten abgestellt.256 Schließlich ist auch die Frage nach den Missbrauchsmöglichkeiten von hoher Relevanz.257 Weiterhin entscheidend sein soll beispielsweise – unter Hinzuziehung abgewandelter klassischer Kriterien – die Finalität, also die Zweckgerichtetheit der Maßnahmen.258 Ein anderes Kennzeichen, bei dessen Vorliegen ein Eingriff zum Teil stets angenommen wird, bezieht sich auf die staatliche Alleinverursachung259 der beeinträchtigenden Wirkung. Schon unter Zugrundelegung dieser genannten Kriterien ist grundsätzlich davon auszugehen, dass alle auf personenbezogene Informationsgewinnung gerichteten Ermittlungsmaßnahmen im Rahmen der Strafverfolgung Ein252 So auch Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozessrecht, S. 62. 253 Dreier-Dreier, GG, Verb. Rdnr. 81. 254 Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rdnr. 240. 255 Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozessrecht, S. 63. 256 s. Kriterien von Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozessrecht, S. 63; Rosenbaum, Jura 1988, 178 (182). 257 Rosenbaum, Jura 1988, 178 (182). 258 Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Vorb. vor Art. 1 Rdnr. 27; BVerwGE 90, 112 (121 f.). 259 Sachs-Sachs, GG, Vor Art. 1 Rdnr. 88; s. insgesamt auch Siebrecht, Rasterfahndung, S. 45 ff., teilweise jedoch mit Abgrenzungsunschärfen zwischen Eingriffs- und Rechtfertigungsvoraussetzungen.

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griffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellen. So sind die staatlichen Maßnahmen in der Vielzahl, imperativ oder heimlich, aufgrund des umfänglichen Ermittlungsauftrages (§§ 160, 163 StPO) auf eine breite Datengewinnung angelegt und die Verwendungsmöglichkeiten der gewonnenen Daten und damit Missbrauchsmöglichkeiten sind vielfältig.260 Dies gilt insbesondere dann, wenn es – wie nach hier vertretener Ansicht bejaht – auf die Beurteilung der Art und des Umfangs der Datenerhebung und auf eine Charakterisierung der konkreten Verarbeitungsart für die Frage, ob ein Eingriff vorliegt, nicht primär ankommt261, sie vielmehr nur ein Indiz für das Vorliegen eines Eingriffs liefern kann.262 Diese für die Rechtfertigung des Eingriffs wichtigen Umstände können nicht bereits im Vorfeld für das Erreichen der Beeinträchtigungsschwelle von ausschlaggebender Bedeutung sein. Ein Abgrenzungsversuch in diesem Stadium scheitert zudem an der Geeignetheit der Differenzierungskriterien.263 Vielmehr ist mittels einer Gesamtbetrachtung, unter Einbeziehung bereits erhobener Daten und angeordneter Maßnahmen, eine Abwägung im Einzelfall vorzunehmen, die sich nur auf der Grundlage umfänglicher Verhältnismäßigkeitserwägungen im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage leisten lässt264 und die somit die Ebene nach der Annahme eines Eingriffs betrifft. Dies entspricht der Ausrichtung der Schutzwirkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, das anderenfalls in die Gefahr des Leerlaufens geraten würde.265 Entsprechend ist auch die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts zu verstehen, wonach die Gefährdung schon allein darin 260

Riepl, Informationelle Selbstbestimmung im Strafverfahren, S. 13. s. betreffend die Schutzbereichbestimmung auch bereits unter 4. Kapitel C.I.2.b); Hoffmann-Riem AöR 1998, 513 (530 f.); Matzky, Zugriff auf EDV im Strafprozess, S. 199 f.; a. A. Hoppe, Vorfeldermittlungen im Spannungsverhältnis von Rechtsstaat und der Bekämpfung organisierter Kriminalität, S. 52 ff.; Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozessrecht, S. 63 f.; Zöller, Informationssysteme und Vorfeldmaßnahmen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Nachrichtendiensten, S. 39, wohl anders aber S. 42. 262 So ist insbesondere für imperative, aber auch für heimliche Ermittlungsmethoden die Eingriffsqualität im Grundsatz anerkannt (s. zur zwangsweisen Informationserhebung Zöller, Informationssysteme und Vorfeldmaßnahmen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Nachrichtendiensten, S. 34); zu heimlichen Ermittlungsmethoden BVerfGE 100, 313 (366); Gercke, Bewegungsprofile anhand von Mobilfunkdaten im Strafverfahren, S. 65; Lammer, Verdeckte Ermittlungen im Strafprozess, S. 26 f.; einschränkend bezüglich einzelner Maßnahmen ohne Wissen des Betroffenen Vogelgesang, Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, S. 124. 263 s. auch Matzky, Zugriff auf EDV im Strafprozess, S. 199 f. 264 s. ausführlich für Kumulation von Informationsbeschaffungsmaßnahmen unter 5. Kapitel B.I.4. 265 Ähnlich Gercke, Bewegungsprofile anhand von Mobilfunkdaten im Strafverfahren, S. 49. 261

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zu sehen ist, dass bestimmte Informationen einem sozialen Umfeld bekannt sein könnten, ohne dass diesbezüglich eine Überschaubarkeit seitens der betroffenen Person gewährleistet ist.266 Insofern sind zur Bejahung eines Eingriffs bei finalen behördlichen Erhebungshandlungen – unter Zugrundelegung der mangelnden Beherrschbarkeit oder der Unkenntnis der Informationsverwendung267 – spezielle Möglichkeiten der Datenverwendung und des Datenmissbrauchs entscheidend und ausreichend. Somit ist allenfalls für staatliche Handlungen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, die Eingriffsqualität fraglich. Ausdrücklich ist hierbei an offene Maßnahmen ohne Zwangscharakter und in diesem Zusammenhang an solche zu denken, die einer Einwilligung oder Genehmigung unterliegen. Bezüglich der Zustimmung sind jedoch hohe Anforderungen an ihre Bestimmtheit und insbesondere an ihre Reichweite zu stellen.268 Diese muss sich für die konkrete Datenerhebung auf alle eventuellen Verwendungsmöglichkeiten erstrecken. So wird eine konkludente oder sozialadäquate Einwilligung nur in seltenen Fällen angenommen werden können. Jedenfalls ergibt sie sich nicht unmittelbar aus der Öffentlichkeit der Daten oder der Offenheit der Ermittlungshandlung. Gestützt wird dies durch die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts, dass allein durch die psychologische Drucksituation, einer ständigen Überwachung zu unterliegen, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gefährdet sei.269 Gleiches gilt, wenn im Falle der Verweigerung einer Einwilligung ein irgendwie gearteter Nachteil zu befürchten ist.270 Auch so genannte Zufallserkenntnisse, die nicht aufgrund von Maßnahmen zur Informationsgewinnung erzielt wurden,271 unterfallen nicht den zu266

BVerfGE 65, 1 (43); Erfurth, Verdeckte Ermittlungen, S. 48; Gercke, Bewegungsprofile anhand von Mobilfunkdaten im Strafverfahren, S. 44; vgl. auch Zöller, Informationssysteme und Vorfeldmaßnahmen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Nachrichtendiensten, S. 39; Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 189; Siebrecht, Rasterfahndung, S. 41 f., 46, der allerdings den Eingriff auf die Gefährdung bezüglich der Erstellung eines Persönlichkeitsprofils beschränkt. 267 s. auch Perschke, Die Zulässigkeit nicht spezialgesetzlich geregelter Ermittlungsmethoden im Strafverfahren, S. 54. 268 s. auch unter 4. Kapitel C.I.3.c). 269 BVerfGE 65, 1 (45). 270 s. zu personenbezogenen Angaben bezüglich einer Steuerbefreiung BVerfGE 67, 100 (144). 271 Für Erkenntnisse, die aufgrund einer auf Informationsgewinnung gerichteten Maßnahme beruhen, jedoch nicht im Intentionsbereich dieser Maßnahme angesiedelt sind, erscheint eine Abgrenzung zwischen Zufallsfunden und der Erhebung anderer personenbezogener Informationen schwierig. Als Maßstab könnte hier eine Vorhersehbarkeit der Erlangungen auch anderer als der ursprünglich intendierten Daten fungieren. Bei Vorliegen einer entsprechenden Vorhersehbarkeit ist bereits die Erlan-

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4. Kap.: Grundrechtsrelevanz kumulativer Maßnahmennutzung

vor erarbeiteten Eingriffskriterien, wobei hier insbesondere das Merkmal der Finalität272 nicht gegeben ist. Zwar erscheint in einem solchen Fall nicht bereits die einfache Erlangung die Eingriffsqualität zu begründen, da ansonsten auch ein nicht vermeidbares Verhalten oder auch nur Dulden durch die Strafverfolgungsbehörde – man denke hier etwa an eine unaufgeforderte Informationspreisgabe bezüglich Daten Dritter (sog. Spontanäußerungen) – rückwirkend die Rechtswidrigkeit der Datenerlangung begründen würde, sofern keine gesetzliche Regelung bestünde. Jedoch ist unter den entsprechenden Voraussetzungen jedes weitere Verfahren mit den auf diesem Weg gewonnenen Daten als Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu verstehen.273 Dies bezieht sich sowohl auf eine zukünftige Datenspeicherung als auch auf die Fortsetzung der Speicherung (also Nichtlöschung) bei bereits erfolgter faktischer Erfassung sowie auf jegliche sonstige Verwertung.

III. Ergebnis Im Strafverfahren sind alle auf die Erhebung von personenbezogenen Daten gerichteten Maßnahmen Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Dies ergibt sich aus dem Wesen dieses Rechtsinstitutes, das den Verwendungszweck und nicht die konkrete Erhebungsart der persönlichen Daten in den Vordergrund stellt. Insoweit ist es für die Annahme eines Eingriffs grundsätzlich irrelevant, auf welchem Wege die Daten erlangt wurden und welcher Art die personenbezogenen Daten sind. In diesem Kontext ist das Wesen des Strafverfahrens und die Ausrichtung der Strafverfolgungsbehörden auf die Erledigung des Falles von entscheidender Bedeutung, die eine Neutralität des Verwendungszwecks und somit auch das Extrahieren etwaiger Bagatelldaten aus dem Schutzbereich ausschließen. Lediglich für die wenigen Fälle, in denen eine den Anforderungen genügende Einwilligung oder ein entsprechendes Einverständnis der betroffenen Person vorliegt, ist ein Eingriff auszuschließen. Insgesamt kann für die Bewertung der kumulativen Anordnung mehrerer entsprechender Maßnahmen nichts anderes gelten. Gerade in diesen Fällen gung dieser Daten als Eingriff zu klassifizieren. Anderenfalls ist erst der weitere Umgang mit den Daten eingriffsrelevant. 272 Sachs-Murswiek, GG, Art. 2 Rdnr. 83 fordert zur Bestimmung der Eingriffsqualität bezüglich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung stets das Vorliegen von Finalität. Jedoch ist bereits die Vorhersehbarkeit, dass entsprechende Daten erlangt werden, als ausreichend anzusehen (vgl. vorherige Fn.). 273 Vgl. auch Weichert, Informationelle Selbstbestimmung und strafrechtliche Ermittlung, S. 14; Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 203.

D. Das Verhältnis der betroffenen Grundrechte untereinander

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ist aufgrund der erhöhten Missbrauchsgefahr und der weiteren Ausdehnung der Verwendungsmöglichkeiten ein Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht ohne Vorliegen einer umfänglichen Einwilligung unzweifelhaft anzunehmen.

D. Das Verhältnis der betroffenen Grundrechte untereinander Für das Verhältnis von Art. 10 GG und Art. 13 GG gegenüber Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ist grundsätzlich von einer Verdrängung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und somit auch des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch die Spezialnormen bei jeweiliger Einschlägigkeit des Schutzbereiches auszugehen.274 Demgegenüber tritt Art. 14 GG zurück, wenn nicht das Eigentum als solches, sondern die jeweiligen Freiheitsrechte im Vordergrund stehen.275 Dieses – auch für Einzelmaßnahmen zum Teil einzuschränkende276 – Ausschließlichkeitsverhältnis ist im Hinblick auf die Untersuchung spezieller Erfordernisse für die Kumulation mehrerer Maßnahmen, die sich auf die Gewinnung von Informationen beziehen, zunächst jedoch von nachrangiger Bedeutung. Dies ergibt sich aus der speziellen Schutzbereichsausrichtung der verschiedenen Rechte in Verbindung mit den Besonderheiten einer gehäuften Maßnahmenanordnung im Strafverfahren. Während sowohl Art. 10 GG als auch Art. 13 GG jeweils einen Teilaspekt des Schutzes der Selbstbestimmungsfreiheit und der Privatheit bezogen auf Informationserlangung umfassen, geht es bei der Beurteilung der eingriffspezifischen Eigenschaften eines Bündels von informationsbezogenen Handlungen um die generelle Erheblichkeit von Datenerlangung, -speicherung und -verarbeitung. In der Regel greift hier jedoch der spezialgrundrechtliche Schutz zu kurz, da häufig ein weiterer Bereich als der von Art. 10 GG und Art. 13 GG geschützte betroffen sein wird. Gegebenenfalls kann eine Würdigung dann nur unter Einbeziehung weiterer Maßnahmen erfolgen.277 274

s. für Art. 10 GG BVerfGE 67, 157 (171); 100, 313 (366); für Art. 13 GG BVerfGE 51, 97 (105); vgl. auch unter 4. Kapitel A und B. 275 Jarass/Pieroth-Jarass; GG, Art. 14 Rdnr. 5. 276 Auch einzelnen Maßnahmen, die grundsätzlich dem Schutz von Art. 10 oder Art. 13 GG unterfallen, können von ihrer Ausrichtung scheinbar eher der Ausgestaltung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung entsprechen. Zu nennen wäre hier beispielsweise die Standortbestimmung eines Mobilfunktelefoninhabers. Vgl. auch KK-Nack, StPO, § 100a Rdnr. 14; s. auch Eisenberg/Singelnstein, NStZ 2005, 62 (66). 277 Zu denken ist hier z. B. an die Nutzung der durch Postbeschlagnahme erlangten Informationen zur Initiierung einer Rasterfahndung oder den Gebrauch des

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4. Kap.: Grundrechtsrelevanz kumulativer Maßnahmennutzung

Insofern ist eine an abstrakteren Kriterien vorzunehmende Prüfung angezeigt. Zweifelsfrei spielen dabei die Aspekte der speziellen Grundrechte, sofern deren Schutzbereich durch einzelne oder mehrere Maßnahmen berührt ist, eine bedeutende Rolle.278 Im Einzelfall ist davon auszugehen, dass, sofern andere Grundrechte neben dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung tangiert sind, strengere Anforderungen an die behördlichen Handlungen zu stellen sind. Sie vertiefen und verstärken insoweit den durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gegebenen Schutz. Die allgemeinen Grundsätze, die zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung entwickelt wurden, finden jedoch Anwendung.279 Dieser umfängliche Schutz aller Bereiche der Persönlichkeit zeigt sich auch in Art. 8 EMRK, der einfachgesetzlichen Rang in Deutschland hat280. Dabei bezieht sich Art. 8 Abs. 1 EMRK auf den Schutz des „Privat- und Familienlebens, der Wohnung und der Korrespondenz“. Der Anwendungsbereich ist weit zu verstehen und beinhaltet eine geschützte Sphäre, in der eine Person ihr Leben nach Wahl gestaltet und ihre Persönlichkeit entwickeln kann. Zudem betrifft er auch Beziehungen zu anderen Menschen.281 Die zu Grunde liegende, abstrakte Einordnung (kumulativ) angeordneter Maßnahmen erfolgt daher anhand des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bzw. des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung unter Hinzuziehung der Grundsätze des Art. 8 EMRK, wobei in Einzelfragen auch die Bezugnahme zu anderen im Grundgesetz verankerten Rechten notwendig ist. Der entscheidende Maßstab einer absoluten Grenze jedweder staatlicher Eingriffsbefugnisse liegt bei allen Freiheitsrechten in dem „tragenden Konstitutionsprinzip“ der Menschenwürdegarantie.282 Hiernach ist ein Kern privater Lebensgestaltung als absolut schutzwürdig anzusehen.283 Dieser betrifft grundrechtsrelevante Betätigung sowohl im Bereich des Wohnungsgrundrechts gemäß Art. 13 GG, der Grundrechte nach Art. 10 GG als auch des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und seiner Ausgestaltung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 2 GG.

durch Telekommunikationsüberwachung ermittelten Aufenthaltsorts zu einer längerfristigen Observation. 278 Vgl. auch Zöller, Informationssysteme und Vorfeldmaßnahmen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Nachrichtendiensten, S. 32. 279 BVerfGE 100, 313 (359); BVerfG NJW 2004, 2213 (2215, 2220). 280 BGBl II 1952, 685. 281 Hk-EMRK-Meyer-Ladewig, Art. 8 Rdnr. 3. 282 BVerfGE 6, 32 (36); 72, 105 (115); BVerfG NJW 2004, 999 (1001). 283 BVerfGE 6, 32 (41); 80, 367 (373); BVerfG NJW 2004, 999 (1002).

E. Kumulative Überwachung als „andersartiger“ Eingriff?

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E. Kumulative Überwachung als „andersartiger“ Eingriff? Die Bejahung eines Eingriffs durch kumulative Überwachungsmaßnahmen im Strafverfahren führt indes nicht zwangsläufig zu einer veränderten Bewertung dieser Maßnahmen nur aufgrund der Tatsache, dass sie nicht separat, sondern in einem Gefüge mit weiteren Maßnahmen angeordnet werden. Um hierzu Aussagen zu treffen, ist es notwendig, einen möglichen veränderten Wesensgehalt (eine neue Qualität) herauszuarbeiten, der die Bündelung von verschiedenen Maßnahmen als „andersartigen“ Eingriff qualifizieren würde. Dass die Gesamtheit mehr als die Summe der Einzelteile sein kann, ist eine altbekannte Weisheit. Wie die einfache Formel auf grundrechtsrelevante Vorgänge bzw. auf die Art des Eingriffs in spezielle Grundrechte zu übertragen ist, bedarf einer klärenden Begutachtung. Für Grundrechte, die eine allgemeine oder spezielle Ausgestaltung des Persönlichkeitsrechts darstellen, erscheint dabei eine Bezugnahme auf sphärentheoretische Überlegungen284 grundsätzlich fruchtbar zu sein. Die Eingriffsintensität der Maßnahmen bestimmt sich nach dem Ausmaß der Beschränkung der Grundrechtsausübung, welcher der Grundrechtsinhaber durch die Maßnahme unterworfen ist. Geht man davon aus, dass sich der Beeinträchtigungsgrad der einschlägigen Grundrechte nach der Zuordnung des Eingriffs zu verschiedenen grundsätzlich abgrenzbaren Bereichen richtet, so ist ein entsprechender Qualitätssprung jedenfalls dann anzunehmen, wenn eine neue Sphäre erreicht wird. Dabei sind vor allem zwei Schwellen als entscheidend anzusehen. Die eine ist das grundsätzliche Überschreiten der Grenze des Schutzbereichs der Grundrechte. Für personenbezogene Informationsbeschaffungsmaßnahmen von Strafverfolgungsbehörden ist diese Schwelle grundsätzlich immer überschritten.285 Die zweite als besonders relevant zu betrachtende Schwelle wird erreicht, wenn der Eingriff von solcher Intensität ist, dass eine Rechtfertigung nicht mehr möglich sein kann. Bei der Untersuchung der Eingriffsintensität von Maßnahmenkumulation sind dabei zwei Beeinträchtigungsformen zu unterscheiden.

284 s. nur BVerfGE 6, 32 (41); 27, 344 (350 f.); zur allgemeinen Kritik an der Sphärentheorie s. nur Amelung, NJW 1990, 1753 ff. 285 Vgl. Ergebnis unter 4. Kapitel C.III.

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4. Kap.: Grundrechtsrelevanz kumulativer Maßnahmennutzung

I. Absolut geschützter Kernbereich privater Lebensgestaltung Seit der Elfes-Entscheidung286 bestätigt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Judikatur287 die Existenz eines Bereichs privater Lebensgestaltung, welcher der Einwirkung durch die öffentliche Gewalt entzogen ist. Dies ergibt sich zum einen aus der Garantie des Wesensgehalts der Grundrechte gemäß Art. 19 Abs. 2 GG und zum anderen aus dem Schutz des Kerns der Persönlichkeit als Bestandteil der unantastbaren Würde des Menschen.288 Die Abgrenzung dieses Kernbereichs erfolgt durch den Sozialbezug der in Rede stehenden Betätigung. Bezogen auf Kommunikationsvorgänge ist somit auf die Höchstpersönlichkeit des Inhalts, mithin auf die Art und Intensität des Sozialbezuges sowie die konkreten Kommunikationspartner abzustellen.289 Zudem kommt auch dem Willen des Betroffenen an Geheimhaltung Gewicht zu. Je stärker sich diese Merkmale auf nach außen gewandte Vorgänge beziehen, desto eher wird ein innerer Bereich nicht unmittelbar verletzt. Dennoch muss auch bezüglich kommunikativer Handlungen ein „Innenraum“ erhalten bleiben, in dem man „sich selbst besitzt“.290 Dieser Innenraum kann letztlich nur im Einzelfall bestimmt werden, wobei jedoch tatsächliche Anhaltspunkte bezogen auf spezielle Gesprächsinhalte, wie die Äußerung innerster Gefühle oder Ausdrucksformen der Sexualität, grundsätzlich für eine Betätigung innerhalb dieses Bereichs sprechen.291 Dies gilt auch für die Darlegung von Ursachen oder Beweggründen für strafbares Verhalten,292 etwa in Form des Beschreibens eines psychischen Zwanges zur Begehung von Taten. Verfehlt ist es allerdings, einen ausreichenden Sozialbezug, der das Betroffensein eines Kernbereichs ausschließt, bereits dann anzunehmen, wenn sich die Äußerungen auf eine konkrete Straftat beziehen.293 Die Privatheit einer für die Kenntnisnahme Dritter nicht zugänglich gemachten Kommunikation oder sonstigen Gedankendarlegung kann nicht dadurch relativiert werden, dass sich diese Gedanken auf einen Geschehensablauf beziehen, der für die Strafverfolgung von gesteigertem Interesse ist.294 Die sich auf diese Art ergebende Verknüpfung der Kernbereichsdefinition mit Erwägungen zur Funktionstüchtigkeit der Straf286

BVerfGE 6, 32. BVerfGE 6, 32 (41), 389 (433); 27, 1 (6), 344 (350 f.); 32, 373 (378 f.); 34, 238 (245); 80, 367 (373). 288 BVerfGE 80, 367 (373 f.). 289 s. BVerfG NJW 2004, 999 (1002). 290 BVerfGE 6, 389 (433); 80, 367 (374.). 291 Vgl. BVerfG NJW 2004, 999 (1002). 292 BVerfG NJW 2004, 999 (1003). 293 So BVerfGE 80, 367 (375), BVerfG NJW 2004, 999 (1003). 287

E. Kumulative Überwachung als „andersartiger“ Eingriff?

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rechtspflege, die bezüglich einer Abwägung etwa im Zuge der Beweismittelverwertung gerade das interessenbezogene Gegenüber darstellt, wäre ein Zirkelschluss und ist unzulässig.295 Betreffen Ermittlungsmaßnahmen Verhaltensweisen mit entsprechenden Anhaltspunkten für absolute Privatheit, so sind sie daher im Grundsatz stets als nicht gerechtfertigt anzusehen. Lediglich in Ausnahmefällen – etwa wenn Ausdrucksformen der Sexualität willentlich der Öffentlichkeit dargeboten werden – kann die Vermutung für das Betroffensein des Kernbereichs dennoch widerlegt werden.

II. Totalausforschung Totalausforschung ist eine Begriffszusammensetzung, deren konkrete Inhaltsbestimmung auf Schwierigkeiten insbesondere in Abgrenzung zu sonstiger Ausforschung stößt. Während grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass der Begriff eine umfassende Ansammlung von personenbezogenem Datenmaterial beinhaltet, das bei Verknüpfung zu einem Erkenntnisstand über individuelle Personen oder Gruppen dergestalt führt, dass Verhaltens- und Lebensweisen in sehr detaillierter, in einzelnen Bereichen sogar lückenloser Form nachvollzogen werden können,296 ist die konkrete Schwellenbestimmung weitgehend ungeklärt. Allgemein bezieht sich Totalausforschung nicht auf einen direkten Eingriff in den absolut geschützten Kernbereich innerer Lebensgestaltung. Dieser unterliegt ohnehin einem absoluten Schutz und zieht insoweit die Rechtswidrigkeit der Maßnahme nach sich. Zwar ist auch ein solcher Eingriff gerade bei der umfassenden Datensammlung als besonders wahrscheinlich anzusehen,297 jedoch ist er auch völlig losgelöst von der Menge und der Vernetzbarkeit der Daten denkbar. Demgegenüber sind für die Totalausforschung vielmehr der Umfang und die Möglichkeiten der Vernetzung der erlangten Informationen entscheidend. Während ein unmittelbarer Eingriff in die Intimsphäre – vorbehaltlich definitorischen Schwierigkeiten der Bestimmung einer solchen – zu einer eindeutigen Verletzung des Menschenwürdegehalts der einzelnen Persönlichkeitsrechte führt, sind Erwägungen zur Totalausforschung weit unspezifischer. So ist ein direktes Betroffensein der Intimsphäre durch die staatlichen Handlungen nicht notwendigerweise zu fordern, eine indirekte Auswirkung auf diese hingegen schon. 294 Vgl. zur Unverwertbarkeit von aufgezeichneten Selbstgesprächen BGH NJW 2005, 3295. 295 s. auch Geis, JZ 1991, 112 (116 f.); vgl. auch unter 6. Kapitel B.III. 296 s. zum Persönlichkeitsprofil BVerfGE 65, 1 (42 f.); BVerfG NJW 2004, 999 (1004). 297 Vgl. BVerfG NJW 2004, 999 (1004).

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4. Kap.: Grundrechtsrelevanz kumulativer Maßnahmennutzung

Dies entspricht auch einer Weiterentwicklung der These der Nichtexistenz eines belanglosen Datums, da letztlich auch die Erlangung von vom Kernbereich weiter entfernten Informationen zu einer Beeinträchtigung des Menschenwürdegehalts des Grundrechts führen kann. Die indirekte Auswirkung kann sich dadurch ergeben, dass sich der Eingriff in die um den innersten Kern der Lebensgestaltung befindliche Persönlichkeitssphäre mit größerem Sozialbezug derart ausdehnt, dass der Kernbereich faktisch abgeschnürt wird und wirklich freie Lebensgestaltung nicht oder nur noch stark eingeschränkt möglich ist. In solchen Fällen wird zwar ein innerer Kernbereich nicht direkt verletzt, die Möglichkeit der Ziehung von Rückschlüssen auf diesen ist jedoch derartig erhöht, dass der Menschenwürdegehalt des Persönlichkeitsrechts nicht geachtet wird und sich daraus die Unzulässigkeit des Eingriffs ergibt. Die Abgrenzung zu einer grundsätzlich zu rechtfertigenden Ausforschung muss somit mittels Bezug auf die Existenz eines ausreichenden Kernbereichs erfolgen, auf den weder ein direkter noch ein indirekter Zugriff besteht. Dieser Bereich ist dann nicht gewahrt, wenn durch die Informationserlangung in der personenbezogenen Sphäre keine Betätigungen oder lediglich einzelne höchst private Betätigungen verbleiben, auf die nicht durch die erlangten Daten geschlussfolgert werden kann oder wenn sich Rückschlussmöglichkeiten auf abgrenzbare Betätigungsgebiete, die für die Lebensgestaltung von wesentlicher Bedeutung sind, in einer Form des umfassenden Privatheitsausschlusses ergeben. Totalausforschung kann sich somit zum einen auf den gesamten Bereich privater Lebensgestaltung und zum anderen auf einzelne Teilbereiche beziehen. Von Totalausforschung kann also auch dann gesprochen werden, wenn durch einzelne Informationsermittlungsvorgänge Daten erlangt werden, die aufgrund der besonderen Lebenssituation trotz ihres begrenzten Umfangs ein Abbild der gesamten Lebensführung darstellen. Bei der Bestimmung einer etwaigen Grundrechtsverletzung bedarf es in jedem Fall einer umfänglichen Würdigung aller diesbezüglich relevanten Vorgänge. Nicht ausreichend ist ein kurzer Hinweis auf den begrenzten Umfang einzelner Ermittlungsmaßnahmen mit der Schlussfolgerung eines Nichtvorliegens von Totalüberwachung.298 Gerade eine Gesamtschau unter Einbeziehung aller Maßnahmen und insbesondere auch der sich daraus ergebenden Verknüpfungsmöglichkeiten ist erforderlich, um das Vorliegen einer Totalausforschung bestimmen zu können. Berücksichtigt werden müssen dabei sowohl die zeitliche Koordination der einzelnen Handlungen der Strafverfolgungsbehörden, die sich auch auf den konkreten Sachverhalt beziehen, 298

So aber BGHSt 46, 266 (277 f.).

E. Kumulative Überwachung als „andersartiger“ Eingriff?

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als auch die konkrete Lebenssituation des Betroffenen. Eine Abwägung mit der Schwere der aufzuklärenden Straftat ist zur Feststellung des Vorliegens einer Totalausforschung allerdings verfehlt, da sich aus dem Betroffensein des Menschenwürdegehalts eine völlige Abwägungsresistenz ergibt.299

III. Allgemeine Merkmale der Nähe zum absolut geschützten Bereich (Nähemerkmale) Ein durch Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG und den Wesensgehalt der Grundrechte gemäß Art. 19 Abs. 2 GG umfänglich geschützter Bereich umfasst somit neben dem Kernbereich privater Lebensgestaltung eine weitere Sphäre, die nicht abstrakt im Sinne einer einfachen, grafisch vorstellbaren Ummantelung eingegrenzt werden kann. In dieser Gesamtheit wird nachfolgend von dem Begriff eines absolut geschützten Bereichs oder eines absoluten Schutzbereichs ausgegangen. Eingriffe in diesen Bereich privater Lebensgestaltung sind unter allen Umständen unzulässig.300 Er dient einer „höchstpersönlichen“ Entfaltungsmöglichkeit, der gemäß innere Vorgänge zum Ausdruck gebracht werden können.301 Es besteht das Recht, in Ruhe gelassen zu werden,302 und das Recht auf die Möglichkeit der personalen Entfaltung auch im Sinne einer sozialen Identität.303 Die Privatsphäre stellt einen Bereich dar, in dem die herrschaftsfreie Entfaltung der Persönlichkeit gewährleistet wird.304 Der Bereich privater Lebensgestaltung spiegelt sich sowohl örtlich im Wohnungsgrundrecht als auch in Art. 10 GG und im allgemeinen Persönlichkeitsrecht bzw. im Recht auf informationelle Selbstbestimmung wider. Zur Feststellung einer neuen Qualität eines Eingriffs ist somit seine Nähe zum absolut geschützten Bereich bedeutsam. Dabei sind drei Merkmale entscheidend: Ein Merkmal ist die direkte Erlangung von Informationen aus dem Kernbereich (Merkmal der Art der Information). Des Weiteren kann die Menge der gesammelten Daten eine derartige Dichte erreichen, dass Rückschlüsse auf den Kernbereich auch ohne unmittelbare Informationen hieraus 299

Insoweit uneindeutig BGHSt 46, 266 (278). Vgl. zur Wahrung des Kernbereichs BVerfGE 6, 32 (41); 27, 1 (6); 32, 373 (378 f.); 34, 238 (245); 80, 367 (373), BVerfG NJW 2004, 999 (1002); zum Verbot einer Totalausforschung bzw. Persönlichkeitsprofilerstellung BVerfGE 65, 1 (53), BVerfG NJW 2004, 999 (1004); Maunz/Dürig-Di Fabio, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 184. 301 BVerfG NJW 2004, 999 (1002). 302 BVerfGE 27, 1 (6); BVerfG NJW 2004, 999 (1002). 303 Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 2 Rdnr. 30. 304 s. Maunz/Dürig-Di Fabio, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 129. 300

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4. Kap.: Grundrechtsrelevanz kumulativer Maßnahmennutzung

gezogen werden können (Merkmal des Umfangs der Informationen). Und letztlich kann derselbe Effekt durch die gezielte Vernetzung bestimmter Datenfragmente erreicht werden (Merkmal der Möglichkeiten der Verwendung und Verarbeitung der Informationen).305 Die beiden letzteren Merkmale sind besonders für den Begriff der Totalausforschung relevant, während das erste Kriterium zwar eine enge Verknüpfung mit diesem Phänomen aufweist, jedoch im Einzelfall losgelöst hiervon betrachtet werden muss. 1. Art der Informationen Betreffend die Art der in Rede stehenden Informationen ist direkt eine Zuordnung zu verschiedenen Lebensbereichen mitbestimmend für die Intensität des Eingriffs. Je näher die Handlung einem inneren Kern im Sinne einer Intimsphäre kommt, desto höher ist der Grad des Eingriffs und – aufgrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips und der Nähe zu Art. 1 Abs. 1 GG – das Rechtfertigungsbedürfnis.306 Dabei wird – mit grundsätzlich abnehmender Eingriffstärke – zwischen einer absolut geschützten Intimsphäre, einer weiterreichenden Privatsphäre und einem Öffentlichkeitsbereich unterschieden, wobei der Sozialbezug der in Rede stehenden Informationen als Abgrenzungskriterium dient.307 Gerade bei heimlichen Maßnahmen ist durch die Unkenntnis der Betroffenen von der Überwachung auch die Möglichkeit von Einblicken in sehr intime Bereiche der Lebensgestaltung gegeben, welche grundsätzlich nur dem engsten Freundes- oder Familienkreis vorbehalten sein sollen. Dies gilt insbesondere für die durch Art. 13 und 10 GG besonders geschützten Bereiche der Wohnung und der Telekommunikation.308 Verglichen mit Zwangsmaßnahmen wie etwa der Durchsuchung oder Beschlagnahme ergibt sich die zum Teil erhöhte Beeinträchtigung durch die umfassende Erfassung der privaten Kommunikation. Während bei Maßnahmen zur Informationsgewinnung durch Zwang grundsätzlich ein abgeschlossener Vorgang Anknüpfungspunkt für die staatliche Handlung ist, nutzt die heimliche Überwachung häufig ein natürlich bestehendes und insoweit letztlich kaum zu umgehendes Bedürfnis zur Mitteilung aus.309 Die305 s. zu den Merkmalen grundsätzlich auch Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozess, S. 62 ff., der ähnliche Kriterien jedoch bereits bei der Feststellung der Voraussetzungen für das Vorliegen eines Eingriffs zu Grunde legt; s. hierzu unter 4. Kapitel C.II.; vgl. auch Riepl, Informationelle Selbstbestimmung im Strafverfahren, S. 11 ff. 306 s. Maunz/Dürig-Di Fabio, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 130. 307 Vgl. auch Maunz/Dürig-Di Fabio, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 158. 308 Vgl. BVerfG NJW 2004, 999 (1002); BVerfG NJW 2004, 2213 (2215). 309 Beachtlich ist hierbei, dass auch die Beschlagnahme beispielsweise von Briefen zum Teil ähnliche Eingriffsintensität erreichen kann.

E. Kumulative Überwachung als „andersartiger“ Eingriff?

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ses Bedürfnis bezieht sich aber auch ob der Interaktion mit den Kommunikationspartnern und der sich daraus ergebenden Eigendynamik und Situationsgebundenheit auf den innersten Kern privater Lebensgestaltung, der durch die Menschenwürdegarantie gemäß Art. 1 Abs. 1 GG im Rahmen von Persönlichkeitsrechten absolut geschützt ist310. 2. Umfang der Informationen Neben der konkreten Zuordnung der einzelnen Information zu einem bestimmten mehr oder weniger stark schutzwürdigen Lebensbereich ist auch eine Gesamtbetrachtung der Menge der erlangten Informationen für die Bestimmung der speziellen Eingriffsintensität von großer Bedeutung. Gelangen lediglich einzelne Informationen beispielsweise aus der Privatsphäre einer Person zur Kenntnis der Behörden, so mag dies im Einzelfall zur Erreichung bestimmter Ziele durchaus gerechtfertigt sein. Etwas anderes kann sich aber dann ergeben, wenn im Sinne einer dauerhaft oder sehr intensiv angelegten Überwachung oder sonstiger Ermittlungen eine Datenflut bei den Ermittlungsbehörden aufläuft, welche in ihrer Gesamtheit konkrete Rückschlüsse auf viele Bereiche der Lebensführung ermöglicht und so die Gefahr einer Persönlichkeitsprofilerstellung bzw. Totalausforschung mit sich bringen würde.311 Diese Gefahr steigt tendenziell mit der Anzahl der angeordneten und durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen, da auf diesem Wege in der Regel auch die Dichte der gewonnenen Informationen zunimmt. In besonderem Maße scheint der Einsatz bestimmter technischer Überwachungsmittel eine Umfangssteigerung zu bewirken. Erst die Verwendung von Technik ermöglicht über die unmittelbare und zeitnahe Wahrnehmung hinaus eine Nutzbarmachung von Daten, die vorher zum Teil völlig oder zumindest in großen Teilen dem informatorischen Zugriff der Strafverfolgungsbehörden entzogen waren. Dies bezieht sich beispielsweise auf die Möglichkeit einer wiederholten Auswertung des erlangten Datenmaterials zwecks interessenbezogener Selektion, welche erst mit Hilfe von Aufzeichnungsgeräten in dieser originären und nicht durch menschliche Wahrnehmung vorgefilterten Form erreicht werden kann. 3. Verwendung und Verarbeitung der Informationen Ebenfalls bedeutend für die Bestimmung der Intensität des Eingriffs und seiner Nähe zum absolut geschützten Bereich ist die Art der Verwendung. Dabei sind tatsächlich angewandte Verarbeitungsmodalitäten bedeutsam, wie 310 311

Vgl. v. Manglodt/Kein/Starck-Starck, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 14 ff. Vgl. auch BVerfGE 65, 1 (42); 27, 1 (6).

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4. Kap.: Grundrechtsrelevanz kumulativer Maßnahmennutzung

z. B. die Zusammenführung verschiedener – insbesondere durch Kumulation von Ermittlungsmethoden erlangter – Datenbestände. Häufig ermöglicht erst die Zusammenstellung unterschiedlicher Daten einen umfassenden und tiefer gehenden Einblick in Tagesabläufe von Personen, die auf der einen Seite zur Überführung etwaiger Täter genutzt werden können, auf der anderen Seite aber – ob der mosaikartigen Zusammensetzung der Daten zu einem Gesamtbild – auch einen besonders starken Eingriff in Persönlichkeitsrechte von Betroffenen darstellen. Dabei kommt der maschinellen Verarbeitung und Auswertung aufgrund der gesteigerten Effizienz bezogen auf zeitlichen und personellen Ressourcenverbrauch eine herausragende Bedeutung zu. 4. Gesamtbetrachtung und Ergebnis Zur Stützung der Hypothese, dass sich aus bestimmten Ausprägungen insbesondere dieser drei Merkmale eine Qualitätsänderung des Eingriffs ableiten lässt, können ähnlich gelagerte Konstellationen herangezogen werden, in denen die Erreichung einer neuen, veränderten Qualität ebenfalls zu bejahen ist. Die thematisch nahestehendste – besonders für den Aspekt der Totalausforschung durch Vernetzung relevante – Konstellation ist die im Volkszählungsurteil herausgearbeitete, neue Gefährdung durch computergestützte Datenverarbeitung. Das Bundesverfassungsgericht führt, betreffend die Befugnis grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, aus: „Diese Befugnis bedarf unter den heutigen und künftigen Bedingungen der automatischen Datenverarbeitung in besonderem Maße des Schutzes. Sie ist vor allem deshalb gefährdet, weil bei Entscheidungsprozessen nicht mehr wie früher auf manuell zusammengetragene Karteien und Akten zurückgegriffen werden muss, vielmehr heute mit Hilfe der automatischen Datenverarbeitung Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person (personenbezogene Daten [. . .]) technisch gesehen unbegrenzt speicherbar und jederzeit ohne Rücksicht auf Entfernungen in Sekundenschnelle abrufbar sind. Sie können darüber hinaus – vor allem beim Aufbau integrierter Informationssysteme – mit anderen Datensammlungen zu einem teilweise oder weitgehend vollständigen Persönlichkeitsbild zusammengefügt werden, ohne dass der Betroffene dessen Richtigkeit und Verwendung zureichend kontrollieren kann. Damit haben sich in einer bisher unbekannten Weise die Möglichkeiten einer Einsichtund Einflussnahme erweitert, welche auf das Verhalten des Einzelnen schon durch den psychischen Druck öffentlicher Anteilnahme einzuwirken vermögen.“312

Das Bundesverfassungsgericht macht in seinen Ausführungen die qualitative Veränderung der Gefährdung durch den Einsatz automatischer Datenverarbeitungssysteme deutlich.313 Diese Änderung ergibt sich allein da312

BVerfGE 65, 1 (42).

E. Kumulative Überwachung als „andersartiger“ Eingriff?

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durch, dass eine quantitativ erhöhte Auswertungsmöglichkeit bezogen auf eine bestimmte Zeitspanne durch den Einsatz computergestützter Verfahren erzielt wird. Insoweit führt die veränderte Verarbeitung der Daten bei im Grundsatz gleich bleibendem Datenmaterial zu einer in der Struktur liegenden Andersartigkeit der Maßnahme. Die Parallelen zur Kumulation von Informationsbeschaffungsmaßnahmen sind besonders offensichtlich, da gerade die automatische Datenverarbeitung häufig das Bindeglied zwischen mehreren Maßnahmen darstellt und insoweit als ein spezieller Teil der Problematik gesehen werden kann. Ebenso ist die Einführung des § 163f StPO im Rahmen einer vergleichenden Argumentation nutzbar zu machen. Die konkrete Regelungsbedürftigkeit der längerfristigen Observation ergibt sich hier allein aus der Dauer der Maßnahmen, also einem quantitativen Merkmal. Die Dauer wirkt sich einerseits auf den Umfang der erlangbaren Daten und somit das mögliche Verengen einer Intimsphäre auf einen verkleinerten Bereich aus, auf den keine Rückschlüsse durch planmäßig angelegte Beobachtung gezogen werden können. Und andererseits ergibt sich aus einer „Rundumüberwachung“ eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Informationserlangung direkt aus dem höchstpersönlichen Bereich.314 Insgesamt ist somit von der allgemeinen Möglichkeit der qualitativen Veränderung eines Eingriffs in persönlichkeitsbezogene Grundrechte durch Effizienzsteigerung betreffend die Bereiche Art, Umfang sowie Verwendung und Verarbeitung auszugehen.315

IV. Kumulation von strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen Zur Bestimmung einer etwaigen neuen Qualität von kumulierten Maßnahmen im Rahmen der Strafverfolgung ist entscheidend, ob sich gerade aus der Kumulation bestimmte Auswirkungen auf die Nähemerkmale ergeben. Dabei erfährt die qualitative Änderung des Eingriffs jedoch nicht erst mit der tatsächlichen Beeinträchtigung des absolut geschützten Bereichs Rele313 s. zur Annahme eines Qualitätssprungs durch technische Innovation auch Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozessrecht, S. 27 f. 314 Vgl. zum „großen Lauschangriff“ BVerfG BVerfG NJW 2004, 999 (1004). 315 Zur beschriebenen Notwendigkeit der Anpassung von Methoden der Verbrechensbekämpfung an die veränderte Qualität der Erscheinungsformen der Kriminalität s. auch Gemeinsame Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren der Länder über die Inanspruchnahme von Informanten sowie über den Einsatz von Vertrauenspersonen (V-Personen) und Verdeckten Ermittlern im Rahmen der Strafverfolgung II. 1.1, abgedruckt in Meyer-Goßner, StPO, Anl. D RiStBV A 15.

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4. Kap.: Grundrechtsrelevanz kumulativer Maßnahmennutzung

vanz, sondern aufgrund der Notwendigkeit der Effektivität des Schutzes der Menschenwürde bereits vorverlagert, sofern sich durch die Maßnahmen die Wahrscheinlichkeit eines entsprechenden Eingriffs offenbart.316 Zum einen beansprucht dies Geltung, da sich allein hieraus Zwänge zur Anpassung ergeben können, die einer freiheitlichen Selbstbestimmung entgegenstehen.317 Zum anderen muss das gesetzgeberische Interesse darauf gerichtet sein, nicht zu rechtfertigende Eingriffe in den Menschenwürdegehalt der Grundrechte bereits vor ihrer tatsächlichen Entstehung zu verhindern. Wird hingegen die Eingriffsqualität erst nachträglich neu bewertet, besteht nur die Möglichkeit einer Schadensbegrenzung, nicht aber einer Schadenseliminierung. Zur Beurteilung der Grundrechtsrelevanz von Kumulation ist somit eine ex-ante-Betrachtung bezogen auf die Möglichkeit eines Eingreifens in den absolut geschützten Bereich erforderlich. Entscheidend für die Beurteilung von Maßnahmenkumulation betreffend die Intensität bzw. Qualität des Eingriffs in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, deren Grundsätze auch für Art. 10 und Art. 13 GG Anwendung finden,318 sind somit die sich durch unterschiedliche Ermittlungsansätze ergebende Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des absoluten Schutzbereichs. So können Ermittlungsmaßnahmen zur Informationserlangung auf verschiedenen Wegen und mit unterschiedlichen Zielsetzungen durchgeführt werden. Zum einen ist die Anordnung einer einzelnen konkret begrenzten Maßnahme innerhalb eines Ermittlungsverfahrens möglich. Zu nennen wäre hier beispielsweise die Überwachung eines einzelnen Telefonanschlusses oder die Anordnung einer DNA-Analyse von aufgefundenem Spurenmaterial. In einem solchen Fall bemisst sich die Intensität des Eingriffs nach der jeweiligen Beeinträchtigung der Grundrechte durch die einzelnen Maßnahmen. Dabei soll nicht außer Acht gelassen werden, dass auch einzelne Maßnahmen letztlich eine Intensität erreichen können, bei welcher der absolut geschützte Kernbereich der Lebensgestaltung so stark betroffen ist, dass keine Eingriffsrechtfertigung erfolgen kann. Zu beachten sind hierbei insbesondere Situationen, in denen aufgrund der Lebenssituation des Betroffenen auch einzelne, gerade auf eine nicht unerhebliche Dauer angelegte Maßnahmen ganze Lebensbereiche nahezu vollständig erfassen. Zu denken ist hier an die Überwachung einer in U-Haft befindlichen Person beispielsweise durch eine Abhörmaßnahme,319 aber auch an die Überwachung von Personen, die einzelne Kommunikationsinstrumente sehr intensiv nutzen. 316

BVerfG NJW 2004, 999 (1003 f.). BVerfGE 65, 1 (42); BVerfG NJW 2004, 999 (1002). 318 BVerfGE 100, 313 (359); BVerfG NJW 2004, 2213 (2215, 2220). 319 s. hierzu Kretschmer, ZStrVo 2003, 212 (214); im Ergebnis anders Schneider, NStZ 2001, 8 ff. 317

E. Kumulative Überwachung als „andersartiger“ Eingriff?

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Ebenfalls an den Singulärnormen orientiert ist die Beurteilung, wenn eine Maßnahme über die ursprüngliche zeitliche Begrenzung hinaus verlängert wird. Diese Fälle können als unechte Kumulation bezeichnet werden, da sie eine gewisse Nähe zu einer zweimaligen Anordnung aufweisen. Des Weiteren sind aber verschiedene andere Anordnungskonstellationen zu berücksichtigen, deren Eingriffsqualität durch unterschiedliche Arten der Zusammenführung von Maßnahmen erhöht sein kann. 1. Kumulative Anordnung gleichartiger Maßnahmen Es besteht die Möglichkeit, die gleiche Maßnahmenart (beispielsweise Wohnraumüberwachung) gehäuft innerhalb eines Ermittlungsverfahrens einzusetzen. Dabei kann unterschieden werden zwischen der Anordnung mehrerer Maßnahmen innerhalb eines Beschlusses oder einer Verfügung (z. B. ein Beschluss zur Anordnung der Durchsuchung beider Wohnungen des Betroffenen) und neben- oder nacheinander erfolgenden Anordnungen gleichartiger Maßnahmen. In beiden Fällen ist bezogen auf die Kriterien der Eingriffsintensität von einer Beeinträchtigungserhöhung gegenüber einzelnen Maßnahmen auszugehen. Bezüglich der Art der erlangbaren Informationen erhöht sich mit der Anzahl der Maßnahmen – vergleichbar mit einer entsprechenden Erhöhung der Dauer bei Überwachungsmaßnahmen – die Wahrscheinlichkeit, auch oder verstärkt in Lebensbereiche einzugreifen, die eine größere Nähe zum innersten Kern der Lebensgestaltung aufweisen. Die Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Beeinträchtigung ist umso größer, je umfänglicher die gleichartigen Maßnahmen ein bestimmtes Lebensgebiet erfassen. Dabei ist zum einen die Art der Maßnahmen bedeutsam, da nicht jede konzentriert eingesetzte Ermittlungsmethode eine Veränderung bezüglich der Lebensbereichsbeeinträchtigung mit sich bringt. Für einfache Maßnahmen im Rahmen von §§ 161, 161a, 163, 163a StPO gilt daher grundsätzlich, dass sich die speziellen Kriterien der Eingriffsqualität auch durch eine Zusammenführung nur geringfügig ändern. So ist z. B. nicht davon auszugehen, dass sich durch ein wiederholtes kurzzeitiges Mithören eines Gesprächs in der Öffentlichkeit das Risiko der Erlangung von Informationen aus der Intimsphäre erheblich erhöht, da aufgrund des ausgeprägten Sozialbezuges der Informationen auch bei wiederholtem kurzeitigem Mithören keine Änderung der Art der Daten zu erwarten ist. Ähnliches gilt auch für die Vernehmung von Beschuldigten gemäß § 163a StPO oder von Zeugen und Sachverständigen gemäß § 161a StPO. Zwar vermögen auch diese Maßnahmen durchaus intensive Beeinträchtigungen hervorzurufen, eine besondere Relevanz ihrer wiederholten Anordnung für Eingriffe in den absolut geschützten Bereich besteht aber nicht.

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4. Kap.: Grundrechtsrelevanz kumulativer Maßnahmennutzung

Bei der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit eines Eingriffs in den absolut geschützten Kernbereich ist auch die spezielle Lebenssituation der Betroffenen einzubeziehen. Dabei ist beispielsweise darauf abzustellen, wie viel verschiedene Rückzugsmöglichkeiten und -mittel dem Betroffenen zur Verfügung stehen. Zudem sind bei Überwachung der Kommunikation auch die konkreten Kommunikationspartner – etwa (aber keineswegs ausschließlich) betreffend den Bereich der Art. 4 und 6 GG – Anhaltspunkt für Betätigungen im Intimbereich. Zum Beispiel wird die Durchsuchung mehrerer Geschäftsräume eines Beschuldigten grundsätzlich als geringfügigerer Eingriff angesehen werden können als die Durchsuchung aller Geschäftsräume. Gleiches gilt für die Durchsuchung aller einer Person zur Verfügung stehender Wohnungen oder auch die akustische Überwachung aller anstatt nur bestimmter genutzter Wohnungen. Gerade für den Bereich der heimlichen Überwachung sind die Auswirkungen auf die Art der Datenerlangung besonders deutlich, da hier keine auf die konkrete Beeinträchtigung bezogenen Verhaltensänderungen zu erwarten sind320 und insofern die Möglichkeit einer Preisgabe besonders privater Informationen hoch ist, insbesondere wenn die Überwachung den Umgang mit Personen des höchstpersönlichen Vertrauens betrifft. Betrachtet man beispielhaft die Überwachung der Telekommunikation einer betroffenen Person, so wird offensichtlich, dass ein großer Bereich des privaten Informationsaustausches in wesentlich stärkerem Maße dadurch beeinträchtigt wird, wenn nicht nur das Mobiltelefon einer entsprechenden Maßnahme unterworfen ist, sondern auch alle sonstigen Anschlüsse des Beschuldigten und zusätzlich auch solche dritter Personen, die als Informationsmittler gelten oder deren Anschlussnutzung durch den Beschuldigten zu vermuten ist. Vor dem Hintergrund einer insgesamt ansteigenden Nutzung der Telekommunikation als Verständigungsmittel321 legt eine entsprechende Überwachung den Schluss nahe, dass hierdurch die Wahrscheinlichkeit, Informationen zu erlangen, die sehr privater Natur sind, wesentlich erhöht ist. Die in Rede stehende Bewertung ist weiterhin auch vor dem Hintergrund der Intention der Strafverfolgungsbehörden vorzunehmen. Unterschiedlichen Informationsbedürfnissen wird durch Konzentration auf die jeweils als entscheidend betrachteten Lebensbereiche Rechnung getragen. Dabei konzentrieren sich Ermittlungen betreffend abgeschlossene Delikte, wie beispielsweise Totschlag oder Mord, auf den inneren Persönlichkeitsbereich, da die 320 Verhaltensänderungen allgemeiner – sich nicht auf die konkreten Handlungen der Strafverfolgungsbehörden beziehender – Art sind hingegen im Sinne einer Anpassung insbesondere dann zu vermuten, wenn die gesetzlichen Regelungen kein klares Bild vom rechtlich Möglichen widerspiegeln. 321 Vgl. RegTP 2003, 28 f., 34, 37 f.

E. Kumulative Überwachung als „andersartiger“ Eingriff?

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Preisgabe der erwarteten Informationen eher hier erfolgt. Die Überwachung betrifft also vornehmlich Wohnräume, private Telekommunikationsanschlüsse und private Aufzeichnungen. Werden hingegen Ermittlungen angestellt, die Deliktsformen umfassen, die fortdauern (z. B. Betäubungsmitteldelikte), so konzentrieren sich auch die einzelnen Maßnahmen auf Kontakte, die sich meist am Rand des Persönlichkeitsbereichs abspielen. Zu erwarten ist somit eher die Kumulation der Überwachung geschäftlicher Telefonanschlüsse oder von Geschäftsräumen.322 Bezogen auf den Umfang als Kriterium für die Qualität des Eingriffs wird der Einfluss von gehäuft angeordneten gleichartigen Ermittlungsmaßnahmen besonders deutlich. Eine entsprechende Umfangssteigerung der Datenmenge gegenüber der Anordnung nur einer einzelnen Maßnahme ist offensichtlich. Dies gilt grundsätzlich auch unabhängig – und insoweit abweichend von dem Einfluss auf die Art der erlangten Informationen – von dem Charakter der Maßnahmen. Jede zusätzliche Anordnung und Durchführung führt zur Ansammlung neuer Daten. Ob sich daraus dann letztlich eine Änderung der Eingriffsqualität ableiten lässt, kann jedoch nicht unabhängig von der Art der Maßnahmen beurteilt werden. Bei einfachen kurzzeitigen Maßnahmen ohne technische Unterstützung ergibt sich für den Umfang nur eine geringfügige Steigerung durch Kumulation. Als besonders datenaufnahmeintensiv ist hingegen die Nutzung technischer Mittel, vor allem in Form von Speicherungsgeräten, aber auch die Habhaftwerdung von Datenträgern, z. B. durch Beschlagnahme, anzusehen. Werden diese Maßnahmen gehäuft durchgeführt, ist die Wahrscheinlichkeit tendenziell hoch, dass eine umfangreiche Menge an Informationen erlangt wird, aus der Rückschlüsse auf private Verhaltensweisen gezogen werden können. Betreffend die Verwendung und Verarbeitung – bzw. die jeweiligen Möglichkeiten hierzu – ist ebenfalls von einer Intensivierung des Eingriffs gegenüber einzelnen Maßnahmen – neben der Intensivierung durch die Steigerung der Datenmenge – auszugehen. Jedoch relativieren sich die Erkenntniszugewinne auf Seiten der Strafverfolgungsbehörden dadurch etwas, dass zwar mehr Informationen gesammelt werden, wegen der grundsätzlichen Gleichartigkeit der erlangten Informationen aber nur ein begrenztes Potential zur Optimierung mittels neuerlicher Datenzusammensetzung besteht.

322 s. zur unterschiedlichen Ausrichtung von akustischer Wohnraumüberwachung insbesondere betreffend die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des innersten Kerns privater Lebensgestaltung Meyer-Wieck, Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“) nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO, S. 99.

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4. Kap.: Grundrechtsrelevanz kumulativer Maßnahmennutzung

2. Kumulative Anordnung verschiedenartiger Maßnahmen Zur Optimierung des Ermittlungserfolges durch Datenerlangung werden zudem auch verschiedenartige Methoden kumulativ zur Anwendung gebracht. So werden zum einen aufeinander aufbauende Maßnahmen zum Teil nacheinander genutzt, wobei erstere häufig die folgenden – beispielsweise durch die Ermittlung von Tatsachen, die einen entsprechenden Anfangsverdacht begründen – initialisieren. So können sich durch die Observation einer Person, die einfacher Betäubungsmitteldelikte verdächtig ist, Hinweise auf einen umfangreichen Betäubungsmittelhandel ergeben, wobei die diesbezügliche Ermittlung durch den Einsatz von Telekommunikationsüberwachung weiter betrieben wird. Zum anderen ist jedoch entsprechend der Steigerung der Eingriffsvoraussetzungen in Form der Subsidiaritätsklauseln gerade eine aus ermittlungstechnischer Sicht erfolglose Maßnahme Ausgangspunkt für das etwaige „Nachlegen“ weiterer, größeren Erfolg versprechender Methoden. So wird zum Teil die Nichtauffälligkeit einer tatverdächtigen Person etwa bei einer Observation dahingehend interpretiert, dass nur eine weiterführende Telekommunikationsüberwachung der Erhärtung des Tatverdachts dienen könne, da es sich möglicherweise um eine Person handele, die geübt sei, sich der Überwachung in der Öffentlichkeit zu entziehen. Letztlich ist auch von einer häufigen Nutzung mehrerer parallel gelagerter Maßnahmen auszugehen.323 Durch die kumulative Nutzung von Informationserlangungsmaßnahmen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung der Betroffenen im engeren oder engsten Kern privater Lebensgestaltung beträchtlich. Durch die Kombination von unterschiedlichen Ermittlungsmethoden ist es grundsätzlich möglich, ganze Lebensbereiche zu erfassen und auszuwerten. Dabei sind insbesondere heimliche Maßnahmen, aber auch solche unter Zwang von höherer Relevanz, da sie den betroffenen Individuen keine oder nur eine geringe Anpassung an den informatorischen Eingriff ermöglichen. Während z. B. bei einer Befragung Informationen nicht preisgegeben werden müssen, besteht dieses Entscheidungsrecht der Verweigerung im Sinne einer Selbstbelastungsfreiheit bei heimlichen oder unter Zwang ausgeführten Maßnahmen nicht.324 323

Vgl. unter 3. Kapitel C. Dies führt jedoch nicht zur Unzulässigkeit heimlicher Maßnahmen im Allgemeinen, da der übergeordnete Rechtsgrundsatz nemo tenetur se ipsum accusare und nemo tenetur se ipsum prodere sich auf die Freiwilligkeit der Äußerung bezieht und Täuschungen über die Personen, die Kenntnis von der Äußerung erlangen, 324

E. Kumulative Überwachung als „andersartiger“ Eingriff?

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Potenziert wird diese Einschränkung von Beschuldigtenrechten, wenn ein Zugriff auf bestimmte Lebensbereiche in der Form erfolgt, dass keine Rückzugsmöglichkeiten bestehen bleiben und so eine – wenn auch zum Teil auf konkrete, abgrenzbare Bereiche der Lebensgestaltung beschränkte – Totalausforschung die Folge ist. Hierfür liefert gerade die Nutzung mehrerer, verschiedenartiger Methoden zur Informationserlangung im Ermittlungsverfahren die Grundlage, da auf diese Weise umfängliches, auf verschiedene Tatsachen bezogenes Wissen über Verhaltens- und Denkweisen der überwachten Person erzielt werden kann, was in dieser Form durch einzelne oder auch gehäuft eingesetzte gleichartige Maßnahmen so nur in Extremfällen325 möglich ist. Zu unterscheiden ist jedoch nach der Art der durch Kumulation zusammengeführten Maßnahmen. Werden lediglich einfache verschiedenartige Maßnahmen genutzt, ist von keiner oder einer lediglich geringfügigen Änderung der Eingriffsintensität bezogen auf die Wahrscheinlichkeit eines Eingreifens in den innersten Kern privater Lebensgestaltung bzw. den sonstigen absolut geschützten Bereich der einschlägigen Grundrechte auszugehen. Betreffend die konkrete Qualitätssteigerung gilt Ähnliches auch für eine Kombination aus qualifizierten, speziell geregelten Ermittlungsmaßnahmen und einfachen, rechtmäßig auf der Grundlage der §§ 161, 161a, 163, 163a StPO basierenden Ermittlungsmaßnahmen, da sich die Gesamteingriffsintensität aufgrund der grundrechtsrelevanten Schwerpunktsetzung aus der qualifizierten Maßnahme ergibt. Von einer Veränderung bzw. Vertiefung des Eingriffs im Sinne der Wahrscheinlichkeit eines sphärentheoretischen Überganges in den absolut geschützten Bereich durch die zusätzliche Anordnung bzw. Durchführung der eingriffsschwächeren Maßnahme ist grundsätzlich nicht auszugehen. Zwar vermögen auch die rechtmäßig auf §§ 161, 161a, 163, 163a StPO gestützten Maßnahmen eine Verstärkung des Eingriffs zu bewirken, jedoch ist diese bezogen auf den schwerwiegenderen, spezialgesetzlich normierten Eingriff lediglich als eher untergeordnete Erscheinung zu verstehen. Für die Kumulation schwerwiegenderer Maßnahmen ist hingegen davon auszugehen, dass beispielsweise der Lebensbereich der privaten Kommunikation mit Dritten durch Maßnahmen nach §§ 100c, 100a, 163f, 100g StPO in einer Weise beleuchtet werden kann, dass grundsätzlich kaum mehr Raum für irgendeine Form nicht überwachter Kommunikation bestehen bleibt. Dies betrifft etwa die Möglichkeit einer permanenten visuellen Beobachtung durch Beamte des Polizeidienstes gekoppelt mit einer Standortgrundsätzlich nicht mit erfasst, s. BVerfG NJW 2004, 999 (1005); vgl. aber allgemein zur Umgehung von Schweigerechten Wolter, ZStW 1995 (107), 793 (794 f.). 325 Vgl. Kretschmer, ZfStrVo 2003, 212 (214).

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4. Kap.: Grundrechtsrelevanz kumulativer Maßnahmennutzung

bestimmung beispielsweise durch den Einsatz eines GPS-Empfängers am Pkw des Betroffenen oder durch die Nutzung des Mobiltelefons als Peilsender für den Fall des Verlustes der Observationsperson. Werden allein hierdurch noch keine Verhaltensweisen, die der Intimsphäre entstammen, beobachtet, wird dies jedoch durch eine mögliche akustische Überwachung sowohl der Telekommunikation als auch sonstiger Gespräche innerhalb und außerhalb von Wohnungen zunehmend wahrscheinlicher, da der Mensch als kommunikatives Wesen auf den Austausch von Gedanken und Empfindungen mit anderen Personen grundsätzlich angewiesen ist und auf diese Weise nahezu jedwedes In-Beziehung-Treten zu anderen Personen umfänglich überwacht, aufgenommen und ausgewertet wird. Nehmen die Beschränkungen durch die Kumulation entsprechende Formen an, muss der absolute Schutz der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG eingreifen, um die Ausforschung bezogen auf intimste Lebensbereiche zu verhindern. Ausnahmen können sich im Einzelfall dann ergeben, wenn zwei für sich genommen schwerwiegende Maßnahmen so aufeinander abgestimmt sind, dass sich keine Vertiefung der Beeinträchtigung gegenüber einer einzelnen Maßnahme ergibt. Dies könnte beispielsweise für die Nutzung eines IMSICatchers gemäß § 100i StPO ausschließlich zur Vorbereitung einer Telefonüberwachung gemäß § 100a StPO gelten. Zu beachten ist allerdings, dass bei den meisten Vorfeldermittlungen zusätzlich weitere Daten erhoben werden, die über die konkrete Vorbereitung hinausgehen, mithin eine Qualitätsänderung möglich ist.326 Betreffend das Eingriffskriterium des Umfangs der erlangten Daten entsprechen die Erwägungen denen zur Kumulation gleichartiger Überwachungs- bzw. Ermittlungsmethoden, wobei von einer weiteren Intensivierung dadurch ausgegangen werden kann, dass bei unterschiedlichen Maßnahmen eine möglicherweise erhöhte Datenerlangungsrate entsteht. Dies ist bedingt durch die Ausrichtung der Maßnahmen auf verschiedene Aspekte eines oder mehrerer Lebenssachverhalte, die gerade bei gleichzeitiger Maßnahmenausführung zu einem erhöhten Überwachungsspektrum führen könnte. So erbringt z. B. die Überwachung mehrerer Telefonanschlüsse naturgemäß nur Daten bei Nutzung der Telefonanlagen. Wird hingegen neben der Telefonüberwachung auch eine Observation der Person vorgenommen, so erhöht sich die Wahrscheinlichkeit der Erlangung von Daten durch die unterschiedliche Anwendungsrichtung der Methoden. 326 Hier ist beispielsweise an die längerfristige Observation einer Wohnung zum Zweck der „Sondierung der Lage“ zu denken. In einem solchen Fall beziehen sich die gewonnenen Erkenntnisse auf einen weit größeren Bereich als auf die – beispielsweise zum Einbau der technischen Mittel zur Wohnraumüberwachung – notwendigen Informationen, zumal auch diese Informationen einen über den für die Durchführung der Überwachung notwendigen Informationsgehalt aufweisen können.

E. Kumulative Überwachung als „andersartiger“ Eingriff?

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Schließlich sprechen auch die veränderten Verwendungs- und Verarbeitungsmodalitäten für eine erhöhte Wahrscheinlichkeit eines Eingriffs in den absoluten Schutz der Persönlichkeit durch die kumulative Nutzung verschiedener Ermittlungsmethoden. Bedingt durch die Vielfalt der ermittelbaren Daten können sich aufgrund der Möglichkeiten ihrer Verknüpfung neue Erkenntnisse allein durch die Auswertung der zuvor erlangten Informationen ergeben. Betreffen Daten viele Seiten eines oder mehrerer Lebensbereiche, so erhöht sich nicht nur die Wahrscheinlichkeit, dass die Erlangung einzelner Daten ihrer Art nach die Intimsphäre beeinträchtigt, sondern zugleich auch die sich aus der Zusammensetzung ergebende Möglichkeit und Gefahr einer Persönlichkeitsprofilerstellung. Dabei ist diese Gefahr grundsätzlich nur bei der Häufung eingriffsintensiverer Einzelmaßnahmen anzunehmen. Werden beispielsweise durch eine punktuelle Observation einer Person Erkenntnisse über die Häufigkeit der persönlichen Kontaktaufnahme mit speziellen anderen Personen erlangt, so lassen sich allein hieraus noch keine Schlussfolgerungen auf die allgemeine Lebens- und Verhaltensweise der observierten Personen ziehen. Werden hingegen zusätzlich auch noch Standorte bestimmt und über längere Zeit nachvollzogen und Telefonverbindungen ausgewertet, besteht diese Gefahr in weit höherem Maße. Insgesamt kann dabei auch ohne direkte Eingriffe einzelner Maßnahmen in die Intimsphäre des Betroffenen das Ausmaß der Informationserlangung eine derartige Ausprägung erhalten, dass im Sinne einer Totalausforschung die Menschenwürde beeinträchtigt ist, mithin entsprechende Eingriffe nie zu rechtfertigen sind. Des Weiteren ist neben der konkreten Form der Verarbeitung bereits die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit einer bestimmten Aufbereitung bedeutsam. Dies ist umso entscheidender, als im Rahmen von Strafverfolgung eine möglichst umfassende und ineinander greifende Informationssammlung als grundsätzliche Intention angenommen werden kann.327 Relevant ist hierbei auch die Art der Aufbewahrung bzw. Speicherung des Datenmaterials. Befinden sich die einschlägigen Informationen beispielsweise in digitalisierter Form in Datenbanken, so erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer Nutzbarmachung und Verbindung mit anderen Informationsquellen. Mit der Art der Datenaufbewahrung bzw. ihrer Nichtlöschung und der Fassung der gesetzlichen Verwendungs- und Speicherungsbestimmungen, die viel Raum für verschiedenartige Nutzung der erlangten Daten zulässt,328 geht zudem 327

s. hierzu bereits Ausführungen aus dem Jahre 1975, wonach der Zufall „organisiert“ werden muss und die Beschaffung von Informationen planmäßig betrieben werden soll: Kinzig, „Die rechtliche Bewältigung von Erscheinungsformen organisierter Kriminalität, S. 126. 328 s. zum Erfordernis konkreter Weitergabe- und Verwertungsverbote BVerfGE 65, 1 (46).

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4. Kap.: Grundrechtsrelevanz kumulativer Maßnahmennutzung

die Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung der vorhandenen Daten für der gesetzlichen Regelung zuwiderlaufende Zwecke einher.

V. Kategorisierung, Bewertung und Zusammenfassung Zur Bewertung der Intensität bzw. Qualität eines Eingriffs in Grundrechte zum Schutz personenbezogener Daten sind somit Art und Umfang der erhobenen Daten und die Verwendungs- und Verarbeitungsmodalitäten (einschließlich der Verwendungsintention, der grundsätzlichen Möglichkeiten zur Verwendung und Verarbeitung und der Missbrauchsgefahr) heranzuziehen. Die Kumulation von Ermittlungsmaßnahmen der Strafprozessordnung greift nicht generell in den Menschenwürdegehalt der jeweilig tangierten Persönlichkeitsgrundrechte ein und ist somit nicht per se unzulässig. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass bestimmte Konstellationen rechtlicher und tatsächlicher Natur zu einer entsprechenden Verletzung führen können. Werden die Konstellation von kumulativer Maßnahmennutzung und ihre möglichen Auswirkungen zu den Nähemerkmalen in Beziehung gesetzt, ergibt sich folgendes Bild: Handelt es sich um die Anordnung einer einzelnen Maßnahme oder um eine unechte Kumulation, bemisst sich die Stärke der Beeinträchtigung nach den maßnahmespezifischen Parametern. Insbesondere entscheidend sind dabei, neben der konkreten Art der Maßnahme und deren Lebensbereichsausrichtung, die Dauer und Intensität der Maßnahme, wobei sich letztere nicht losgelöst von den Vorgaben des Einzelfalles bewerten lässt. Bei der Kumulation gleichartiger Maßnahmen können sich Art und Umfang der erlangbaren Daten in einer Weise verändern, dass von einem qualitativen Sprung der Eingriffsintensität ausgegangen werden kann. Kriterium hierfür ist die Wahrscheinlichkeit eines Betroffenseins des absolut geschützten Bereichs der überwachten Person durch den Einsatz mehrerer Maßnahmen. Als Indiz wird hierbei zum einen auf die Größe der etwaigen Abdeckung ganzer Lebensbereiche ohne wesentliche Rückzugsmöglichkeiten für die Betroffenen zurückzugreifen sein. Zum anderen kann auch der Umfang der zu erwartenden Datenerlangung herangezogen werden, so dass bei einer Vielzahl von Maßnahmen – insbesondere solcher, die für sich genommen bereits die Gewinnung vieler Informationen ermöglichen – von einer qualitativen Veränderung auszugehen ist. Eine entsprechende Bewertung muss im Rahmen einer Gesamtschau auf Grundlage aller Kriterien erfolgen. Bei der Kumulation verschiedenartiger Maßnahmen ist die Möglichkeit einer qualitativen Veränderung dadurch verstärkt, dass zum einen der Einfluss auf die Kriterien Art der Information und Umfang ihrer Erlangung stärker als bei der Nutzung gleichartiger Maßnahmen ist und zum anderen

E. Kumulative Überwachung als „andersartiger“ Eingriff?

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zusätzlich die Verwendungs- und Verarbeitungsmodalitäten nachhaltig betroffen sind. Für letzteren Aspekt ist die nicht unerheblich erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Persönlichkeitsprofilerstellung durch Verknüpfung der Daten, die durch die verschiedenen Maßnahmen erlangt wurden, entscheidungserhebliches Indiz bzw. eine entsprechende missbräuchliche – gesetzlich nicht vorgesehene – Verwendungsmöglichkeit. Konkret müssen bei der Bewertung neben den auch für die Beurteilung gleichartiger Maßnahmen geltenden Kriterien gesetzliche Regelungen bezüglich der Datenaufbewahrung sowie die Art der Verarbeitung und Speicherung einbezogen werden. Die Grenze für einen aufgrund seiner Intensität nicht zu rechtfertigenden Eingriff liegt in dem absoluten Schutz der Menschenwürde. Ergibt somit die Bewertung der verschiedenen Kriterien, dass Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass durch die Kumulation von Maßnahmen entweder direkt Informationen aus der Intimsphäre der Betroffenen erlangt werden oder dass aufgrund der extensiven Datenerlangung oder durch die Kombination der erzielten Daten die Gefahr einer Persönlichkeitsprofilerstellung besteht, so greift die Durchführung dieser Maßnahmenzusammensetzung in einer die Menschenwürde missbilligenden Form in Grundrechte ein und ist somit unter allen Umständen unzulässig. Darauf aufbauend lassen sich folgende Merkmale zusammengefasst herausarbeiten. Kriterien zur Bestimmung der Wahrscheinlichkeit eines direkten Eingriffs in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung bzw. einer Totalausforschung durch Kumulation von Ermittlungsmaßnahmen: Art der Maßnahmen Eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit besteht bei heimlichen, mit technischen Hilfsmitteln oder unter Zwang durchgeführten Maßnahmen, wobei gerade die heimlichen Maßnahmen wegen der geringen tatsächlichen Abwehrmöglichkeiten der Betroffenen von besonderer Relevanz sind. Anzahl und Dauer der Maßnahmen Ein Anstieg der Wahrscheinlichkeit ist mit Anstieg der Anzahl und Dauer der Maßnahmen verbunden. Von den Maßnahmen voraussichtlich betroffene Lebensbereiche und -situationen Ist von einem umfänglichen Ausschluss der nicht überwachten Betätigung innerhalb eines höchst privaten Lebensbereichs auszugehen, so ergibt sich daraus eine hohe Wahrscheinlichkeit des Betreffens von Informationen aus dem Kernbereich oder einer Totalausforschung. Dies gilt beispielsweise für die Überwachung der gesamten Fernkommunikation oder die akustische Dauerüberwachung der Wohnung. Für die Beurteilung der Höchstprivatheit ist die Art der zu erwartenden Informationen beachtlich, die abhängig ist vom Kommunikationspartner (z. B. Familie,

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4. Kap.: Grundrechtsrelevanz kumulativer Maßnahmennutzung

engste Freunde, ärztliche Vertraute, unter Umständen auch sonstige zeugnisverweigerungsberechtigte Personen gemäß §§ 52 ff. StPO329) oder auch von der Art der Informationsaufbewahrung (z. B. schriftliches oder elektronisches Tagebuch). Eine hohe Wahrscheinlichkeit des Betreffens von Informationen aus dem Kernbereich oder einer Totalausforschung liegt auch vor, wenn eine Gesamtüberwachung fast alle privaten Lebensbereiche umfasst. Diese ergibt sich beispielsweise bei einer intensiven Nutzung einer Vielzahl von verschiedenen Maßnahmen und insbesondere auch aus Möglichkeiten der Informationsvernetzung durch Nutzung elektronischer Speicherungs- und Verarbeitungssysteme.

329 Vgl. allgemein Wolter in Zeugnisverweigerungsrechte bei (verdeckten) Ermittlungsmaßnahmen, S. 45 ff.; zu verdeckten Ermittlungsmaßnahmen Zöller in Zeugnisverweigerungsrechte bei (verdeckten) Ermittlungsmaßnahmen, S. 325 ff.; s. zur akustischen Wohnraumüberwachung auch BVerfG NJW 2004, 999 (1006).

5. Kapitel

Gesetzliche Grundlagen für eine Kumulation von Informationsbeschaffungsmaßnahmen Aus den vorstehenden Betrachtungen ergibt sich die Frage, welche Schlussfolgerungen bezüglich einer rechtlichen Beurteilung aufgrund der erhöhten Grundrechtsrelevanz kumulativer behördlicher Informationsgewinnungshandlungen sowohl hinsichtlich Eingriffen in Spezialgrundrechte als auch in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu ziehen sind. Wie bereits das Bundesverfassungsgericht ausführte, können die Persönlichkeitsrechte und speziell das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht schrankenlos gewährleistet werden.330 Auch personenbezogene Daten stellen ein Abbild der Realität dar, in der die einzelne Person Mitglied einer sozialen Gemeinschaft und auf Kommunikation angewiesen ist. Eine Verfügungsbefugnis über die Daten, die ausschließlich beim Betroffenen liegt, kann daher nicht bestehen und Einschränkungen im überwiegenden Allgemeininteresse sind hinzunehmen. Mithin sind Betrachtungen betreffend die Grundlage für die Beschränkung von Selbstbestimmung bezogen auf persönliche Daten vorzunehmen.

A. Gesetzesvorbehalt Grundlegend für eine weitergehende rechtliche Beurteilung ist zunächst die Frage, ob ein Gesetzesvorbehalt besteht. Im Weiteren sind sodann die konkreten Auswirkungen und Anforderungen bezüglich dieses etwaigen Vorbehalts im Ermittlungsverfahren zu erläutern.

I. Allgemeine Grundlagen für das Bestehen eines Gesetzesvorbehalts 1. Die Schranken der Spezialgrundrechte Stellen einzelne Maßnahmen Eingriffe in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis gemäß Art. 10 GG oder in das Grundrecht auf Unverletzlich330

BVerfGE 6, 389 (433); 27, 1 (7); 34, 238 (246); 65, 1 (43); 80, 367 (373).

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5. Kap.: Gesetzliche Grundlagen für eine Kumulation

keit der Wohnung gemäß Art. 13 GG dar, so sind grundsätzlich die entsprechend normierten Gesetzesvorbehalte Ausgangspunkt der Bewertung. Für Eingriffe in Art. 10 GG gilt somit, dass Beschränkungen gemäß Art. 10 Abs. 2 GG nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden dürfen. Eingriffe in Art. 13 GG müssen sich an den dort niedergelegten Bestimmungen messen lassen. Im Einzelnen gilt gemäß Art. 13 Abs. 2 GG ein qualifizierter Gesetzesvorbehalt für Durchsuchungen. Für Eingriffe in Art. 13 GG durch die technische Überwachung einer Wohnung sind die Absätze 3 bis 6 einschlägig; weitere Eingriffsrechtfertigungen zur Gefahrenabwehr ermöglicht Absatz 7. Konkret für die Strafverfolgung ist gemäß Art. 13 Abs. 3 GG eine ausreichend bestimmte gesetzliche Grundlage erforderlich.331 2. Die „verfassungsmäßige Ordnung“ als Schranke Betreffend die bei jeder Informationserlangung im Strafverfahren festgestellte Beeinträchtigung – mit Ausnahme des Vorliegens einer umfassenden Einwilligung – des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bzw. des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung i. S. d. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ist die Schranke des Art. 2 Abs. 1 GG Prüfungsmaßstab.332 Die freie Rechtsausübung findet daher ihre Begrenzung in den Rechten anderer, der verfassungsmäßigen Ordnung und dem Sittengesetz (so genannte Schrankentrias). Es ist anerkannt, dass neben der verfassungsmäßigen Ordnung die weiteren Beschränkungen des Art. 2 Abs. 1 GG keine eigenständige Rolle spielen.333 Unter verfassungsmäßiger Ordnung i. S. d. Art. 2 Abs. 1 GG wird die Gesamtheit der Normen verstanden, die formell und materiell mit der Verfassung in Einklang stehen.334 Insoweit besteht eine inhaltliche Entsprechung mit einem einfachen Gesetzesvorbehalt.335 Jeder Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bedarf somit einer rechtlichen Regelung. Über die konkreten Anforderungen an diese Regelung – insbesondere auch über den konkreten Einfluss des Art. 1 GG – ist damit jedoch noch nichts gesagt.336 331 Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 13 Rdnr. 16; Sachs-Kühne, GG, Art. 13 Rdnr. 41. 332 BVerfGE 45, 1 (44); Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 2 Rdnr. 45; Pieroth/ Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rdnr. 382; eine völlige Nichteinschränkbarkeit wegen des Bezugs zu Art. 1 GG ist hingegen abzulehnen, s. auch Matzky, Zugriff auf EDV im Strafprozess, S. 201. 333 Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 2 Rdnr. 18 f.; Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rdnr. 382. 334 BVerfGE 6, 32 (38 ff.); 80, 137 (153); 90, 145 (171 f.); 96, 10 (21). 335 Sachs-Murswiek, GG, Art. 2 Rdnr. 103. 336 s. unter 5. Kapitel A.II.3.

A. Gesetzesvorbehalt

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3. Der allgemeine öffentlich-rechtliche Gesetzesvorbehalt Neben den auf die Abwehr von Grundrechtseingriffen gerichteten Vorbehalten besteht möglicherweise darüber hinausgehender Regelungsbedarf, sofern trotz Nichtvorliegens eines Eingriffs in den geschützten Bereich eines Grundrechts die Grundrechtsausübung durch staatliche Maßnahmen tangiert ist und objektiv-rechtliche Verfahrens- und Organisationsregelungen als Mittel zum Schutz angezeigt sind337. Insoweit ist ein Rückgriff auf vom Eingriffsbegriff losgelöste Regelungsvorbehalte in Erwägung zu ziehen. Ein Gesetzesvorbehalt bezüglich strafprozessualer Maßnahmen ergibt sich nicht aus Art. 103 Abs. 2 GG.338 Vielmehr findet grundsätzlich der allgemeine öffentlich-rechtliche Gesetzesvorbehalt für das Strafverfahrensrecht Anwendung.339 Die begriffliche Abgrenzung eines allgemeinen Vorbehaltes und eines aufgrund entsprechender Regelungen in den jeweiligen Grundrechten bestehenden Vorbehaltes ist indes von Überschneidungen gekennzeichnet.340 Grundlegend ist festzustellen, dass der allgemeine Gesetzesvorbehalt das Erfordernis einer rechtlichen Grundlage für Handlungen der Exekutive beschreibt.341 Die Herleitung342 erfolgt – da keine explizite Regelung im Grundgesetz besteht – zum Teil abweichend aus dem Demokratie- und Gewaltenteilungsprinzip, dem Rechtsstaatsprinzip, den Grundrechten oder direkt aus Art. 20 Abs. 3 GG.343 Sofern einzelne Grundrechte einen eigenen Gesetzesvorbehalt vorsehen, ist dieser als spezieller Teilbereich des allgemeinen Vorbehalts aufzufassen.344 Uneinigkeit besteht bezüglich der Reichweite eines allgemeinen öffentlich-rechtlichen Vorbehalts.345

337 Vgl. auch Vogelgesang, Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung?, S. 183. 338 s. BVerfG NJW 1992, 2877 f.; Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozessrecht, S. 1.; Jarass/Pieroth-Pieroth, GG, Art. 103 Rdnr. 42. 339 s. Meyer-Goßner, StPO, Einl. Rdnr. 45. 340 Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 20 Rdnr. 45. 341 Degenhart, Staatsrecht I, Rdnr. 319. 342 s. zur historischen Entwicklung Maunz/Dürig-Herzog, GG, Art. 20 VI Rdnr. 59. 343 BVerfGE 40, 237 (248 f.); 48, 210 (221); Maunz/Dürig-Herzog, GG, Art. 20 VI Rdnr. 55 ff. oder 79; Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 20 Rdnr. 44. 344 Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozessrecht, S. 15. 345 So auch Gercke, Bewegungsprofile anhand von Mobilfunkdaten im Strafverfahren, S. 32; Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozessrecht, S. 1.

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5. Kap.: Gesetzliche Grundlagen für eine Kumulation

a) Lehre vom Totalvorbehalt Die Lehre vom Totalvorbehalt postuliert für jegliches Verwaltungshandeln eine gesetzliche Grundlage, ohne deren Bestehen von der Rechtswidrigkeit der Handlung auszugehen ist.346 Die etwaige Herleitung und Begründung erfolgt je nach Standpunkt aus unterschiedlichen Verfassungsgütern und -prinzipien.347 Gemein ist den Ausführungen, dass nur ein umfänglicher – auf alle Betätigungsbereiche ausgedehnter – Gesetzesvorbehalt den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bindung der Exekutive an die rechtstaatliche Ordnung Genüge tun kann. Zu Recht wird diese sehr weitgehende Ausdehnung eines gesetzlichen Vorbehalts von der herrschenden Meinung abgelehnt.348 Zum einen widerspricht sie dem Grundsatz der Gewaltenteilung des Art. 20 Abs. 2 GG, da bei Annahme eines Totalvorbehalts dem exekutivischen Handeln kein eigenverantwortlicher Bereich außerhalb eines Ausgestaltungsermessens zugesprochen werden würde und insoweit ein Gewaltenmonismus entstehen würde.349 Zum anderen wird zumindest für den Leistungsbereich von für den Bürger nachteiligen Folgen ausgegangen, da eine Leistungsvergabe ohne gesetzliche Grundlage nicht erfolgen könne350 und damit die positive Abwehrintention in eine negative leistungshemmende oder -verhindernde Folge umschlagen würde. Auch für den Bereich von Informationserlangung kann nicht grundsätzlich von einem alle staatlichen Aktivitäten betreffenden informationellen Totalvorbehalt ausgegangen werden. Eine entsprechende Schlussfolgerung aus dem Volkzählungsurteil erscheint als zu weit gehend. Zwar spricht die Verneinung der Existenz eines belanglosen Datums351 zunächst für eine solche Interpretation, jedoch sind die bezüglich der Verwendungsmöglichkeiten vom Bundesverfassungsgericht vorgenommenen Einschränkungen, z. B. „unter den Bedingungen automatischer Datenverarbeitung“, dahingehend zu verstehen, dass es grundsätzlich – wenn auch sehr eingeschränkt – Bereiche und Verwendungsmechanismen gibt, die sich der Notwendigkeit einer ge346 s. grundlegend Schwan, VerwArch 1975, S. 120 ff.; vgl. auch Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungslehre, S. 113 ff. 347 s. mit weiteren Nachweisen Perschke, Die Zulässigkeit nicht spezialgesetzlich geregelter Ermittlungsmethoden im Strafverfahren, S. 26 ff. 348 BVerfGE 49, 89 (124 ff.); 67, 100 (139); 68, 1 (87); Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozessrecht, S. 16; Duttge, Der Begriff der Zwangsmaßnahme im Strafprozess, S. 115 f. 349 BVerfGE 68, 1 (87). 350 Perschke, Die Zulässigkeit nicht spezialgesetzlich geregelter Ermittlungsmethoden im Strafverfahren, S. 32. 351 BVerfGE 65, 1 (45).

A. Gesetzesvorbehalt

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setzlichen Regelung für jegliches auf Informationsgewinnung gerichtetes Handeln entziehen.352 Die grundsätzliche Ablehnung eines in allen Bereichen des Verwaltungshandelns vorherrschenden Gesetzesvorbehalts führt jedoch nicht zu einer Ablehnung eines entsprechenden Konstrukts auch in sämtlichen Einzelbereichen. In diesen speziellen Tätigkeitsfeldern dürfen bestimmte behördliche Handlungen – beispielsweise solche, die auf Informationsgewinnung gerichtet sind – nur erfolgen, wenn hierzu eine ausdrückliche Ermächtigung besteht.353 Für die Etablierung solcher Bereiche sind Kriterien zu erarbeiten, die sich insbesondere an der Grundrechtsrelevanz und der Ausrichtung der behördlichen Tätigkeitsfelder orientieren. b) Die Wesentlichkeitstheorie als Grundlage für einen Gesetzesvorbehalt Kann ein für jegliches staatliches Handeln bestehender Gesetzesvorbehalt nicht angenommen werden, ist zu klären, für welche einzelnen Handlungsbereiche dennoch eine rechtliche Grundlage erforderlich ist. Das Bundesverfassungsgericht entwickelte hierzu die so genannte Wesentlichkeitsrechtsprechung.354 Hiernach ist der Gesetzgeber verpflichtet, in bestimmten grundlegenden Bereichen staatliches Handeln durch förmliches Gesetz zu legitimieren und alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen. Diese Verpflichtung besteht unabhängig von den Eingriffskriterien – insbesondere von der Formel: Eingriff in Eigentum und Freiheit355 – und kann somit auch zu einem Gesetzesvorbehalt trotz Nichtvorliegens konkreter Beeinträchtigungen führen.356 Davon ausgehend, dass alle Grundrechtseingriffe – auch faktische und mittelbare357 – einem Gesetzesvorbehalt unterliegen, soweit sie grundsätzlich einer Normierung zugänglich sind, besteht die Funktion der Wesentlichkeitstheorie bezüglich der Reichweite des Gesetzesvorbehalts somit in einer Erweiterung des Grundrechtsschutzes.358 Trotz der zum Teil gewichti352 Vgl. hierzu auch Duttge, Der Begriff der Zwangsmaßnahme im Strafprozess, S. 78 f. 353 s. beispielsweise für den Bereich der automatischen Datenverarbeitung auch Rogall, GA 1985, 1 (14). 354 BVerfGE 34, 165, (192 f.); 40, 237 (249); 49, 126 f.; 61, 260 (275); 88, 103 (116); 98, 218 (251). 355 BVerfGE 40, 237 (249); 47, 46 (78 f.); 49, 89 (126 f.). 356 Degenhart, Staatsrecht I, Rdnr. 335; Gercke, Bewegungsprofile anhand von Mobilfunkdaten im Strafverfahren, S. 37. 357 Einschränkend BVerfGE 105, 279 (304); nunmehr ebenfalls einschränkend Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 20 Rdnr. 47.

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5. Kap.: Gesetzliche Grundlagen für eine Kumulation

gen Einwände gegen die Wesentlichkeitstheorie359 – insbesondere die Unbestimmtheit betreffend – ist davon auszugehen, dass über den Grundrechtseingriff hinausgehende Regelungsbereiche bestehen, deren Wichtigkeit eine gesetzliche Grundlage für Verwaltungshandlungen in diesen Bereichen erforderlich machen. Zu fragen ist mithin, was wesentlich ist und damit einer formell-gesetzlichen Grundlage bedarf. Insoweit sprechen bestimmte Indizien für die Annahme einer Wesentlichkeit, wobei jedoch bei Abwesenheit einzelner Indizien nicht generell von Unwesentlichkeit ausgegangen werden kann. Ein gewichtiges Indiz bildet ein intensives Betroffensein im Bereich der Grundrechtsausübung.360 Dieses – insbesondere auch für die Annahme eines so genannten Parlamentsvorbehalts bei Grundrechtseingriffen relevante361 – Merkmal kann auch in Bereichen zum Tragen kommen, in denen einzelne konkrete Maßnahmen keine grundrechtsverletzende Beeinträchtigung darstellen. So ist beispielsweise die Ausgestaltung eines grundrechtlichen Schutzbereiches zum Teil nur mittels eines Gesetzes rechtmäßig.362 Zudem erstreckt sich der Gesetzesvorbehalt auch auf Handlungen der Exekutive, die für andere grundlegende Verfassungsprinzipien von Bedeutung sind.363 c) Zusammenfassung Die Nichtexistenz eines so genannten Totalvorbehalts bezüglich jeden Verwaltungshandelns führt zu einer Abgrenzung von exekutivischem Handeln ohne die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage und solchem mit einem entsprechenden Gesetzesvorbehalt mittels den zur Wesentlichkeitstheorie entwickelten Kriterien. Hiernach ist insbesondere die verfassungsrechtliche Relevanz der Maßnahmen von entscheidender Bedeutung. 4. Kollidierendes Verfassungsrecht als Schranke Für die Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen überhaupt ein Eingriff in einen grundrechtlich geschützten Bereich vorliegt bzw. wann ein Eingriff gerechtfertigt ist, wird auch auf sonstiges Verfassungsrecht zurückgegriffen. Dies geschieht in der Form, dass Grundrechte 358

Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rdnr. 265 f. s. nur HbStR-Ossenbühl, Bd. III § 62 Rdnr. 45; Kloepfer, JZ 1984, 685 (692 f.). 360 Degenhart, Staatsrecht I, Rdnr. 336. 361 s. hierzu unter 5. Kapitel A.II.3.a). 362 Jarass/Pieroth- Jarass, GG, Vorb. vor Art. 1 Rdnr. 34. 363 Degenhart, Staatsrecht I, Rdnr. 337. 359

A. Gesetzesvorbehalt

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Dritter sowie sonstige verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter eine verfassungsimmanente Begrenzung der Ausübung einzelner Grundrechte bilden sollen, um so die Einheit der Verfassung und die von ihr geschützte Werteordnung zu wahren.364 Dabei ist bereits die Einordnungsebene strittig. Zum Teil wird davon ausgegangen, dass die entsprechende Begrenzung bereits auf der Ebene des Schutzbereichs wirksam wird, mithin von vornherein kein Eingriff vorliegen kann, sofern andere anerkennungswürdige Güter mit Verfassungsrang eine entsprechende behördliche Handlung nötig machen.365 Dies führt jedoch auf Grund der Vorverlagerung differenzierter Problemstellungen zur weitgehenden Unbestimmtheit des Schutzbereiches der Grundrechte und zur Aushöhlung der Gesetzesvorbehalte.366 Zwar fließen in die jeweilige Schutzbereichsbestimmung auch allgemeine verfassungsrechtliche Wertungen mit ein, ein abschließender Ausgleich kann hier jedoch nicht vorgenommen werden. Richtigerweise ist die Problematik kollidierenden Verfassungsrechts auf der Rechtfertigungsebene angesiedelt.367 Nur dies ermöglicht eine umfängliche Prüfung und Abwägung der einzelnen geschützten Rechtspositionen. Ist also eine abschließende Schutzbereichsbestimmung durch kollidierendes Verfassungsrecht, die gegebenenfalls ohne formal-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erfolgen könnte,368 nicht möglich, sind die formellen Grundlagen für eine entsprechende Rechtfertigung darzulegen. Wertungsmaßstab müssen hierbei die allgemeinen Anforderungen an Grundrechtseingriffe, mithin die Gesetzesvorbehalte der einzelnen Grundrechte und die Kriterien der Wesentlichkeitstheorie, bilden. Zur Vermeidung widersprüchlicher Wertungen bezüglich Grundrechtsbeeinträchtigungen mit der Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung sowie der im Vergleich eher exponierten Stellung so genannter schrankenloser Grundrechte ist demnach sowohl für die Beschränkung schrankenloser Grundrechte als auch für Grundrechte mit Gesetzesvorbehalt369 mittels kollidierenden Verfassungsrechts eine ausreichend bestimmte gesetzliche Grundlage zu fordern.370 364

BVerfGE 28, 243 (261); 30, 173 (193); 81, 278 (292). Müller, Die Positivität der Grundrechte, S. 87 ff. 366 Pieroth/Schlink, Grundrecht Staatsrecht II, Rdnr. 323 f. 367 Vgl. nur Jarass/Pieroth- Jarass, GG, Vorb. vor Art. 1 Rdnr. 45. 368 s. aber unter 5. Kapitel A.I.3.b). 369 Hierbei ist strittig, ob für solche Grundrechte dem kollidierenden Verfassungsrecht eine über den kodifizierten Gesetzesvorbehalt hinausgehende Bedeutung zugemessen werden kann. Zust. BVerfGE 72, 122 (137); Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Vorb. vor Art. 1 Rdnr. 47; abl. Pieroth/Schlink, Grundrecht Staatsrecht II, Rdnr. 331. Die Bedeutung ergibt sich vor allem im Rahmen der einzelnen Güterabwägung betreffend die Verhältnismäßigkeit der staatlichen Handlung. Hierbei ist für die umfängliche Abwägung entscheidend, ob sich das dem Grundrecht gegenüberstehende Recht als Ausfluss von Verfassungsrecht darstellt oder nicht. 365

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5. Kap.: Gesetzliche Grundlagen für eine Kumulation

II. Der Gesetzesvorbehalt im Ermittlungsverfahren Es bestehen somit zwei Ebenen, aufgrund derer eine Maßnahme im Rahmen der Strafverfolgung einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Dies sind zum einen die Gesetzesvorbehalte bzw. Schranken der einschlägigen Grundrechte und zum anderen ein allgemeiner öffentlich-rechtlicher Gesetzesvorbehalt. Die Einbeziehung kollidierenden Verfassungsrechts vermag die Voraussetzungen bezüglich der Notwendigkeit einer gesetzlichen Eingriffsgrundlage nicht einzuschränken, da auch in diesen Fällen eine gesetzliche Regelung zu fordern ist, welche die hoheitliche Handlung legitimieren kann. 1. Der grundrechtliche Gesetzesvorbehalt im Ermittlungsverfahren Als speziellere Regelung ist der Gesetzesvorbehalt der Grundrechte zu verstehen, der bei Vorliegen eines Eingriffs in den Schutzbereich zum Tragen kommt. Für Verletzungen der Grundrechte aus Art. 10 und 13 GG sind insoweit grundsätzlich die dort normierten einfachen und qualifizierten Gesetzesvorbehalte bestimmend. Für Beeinträchtigungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist die verfassungsmäßige Ordnung gemäß Art. 2 Abs. 1 GG ausschlaggebend. Demnach bedürfen Handlungen, welche die Gewinnung von personenbezogenen Informationen im Rahmen der Strafverfolgung ermöglichen, aufgrund ihrer grundsätzlichen Qualifizierung als Eingriff 371 einer gesetzlichen Grundlage. Ausnahmen für bestimmte Informationen (z. B. öffentliche oder solche im Bagatellbereich) können aufgrund der besonderen Konfliktsituation im Ermittlungsverfahren grundsätzlich nicht bestehen.372 Lediglich in dem Fall einer umfassenden Zustimmung des von der Datenerhebung Betroffenen ist die Eingriffsqualität der Maßnahme zu verneinen und damit ein ermächtigendes Gesetz auf der Basis einzelner Grundrechte nicht erforderlich. Für die Erlangung so genannter Zufallserkenntnisse verschiebt sich die zeitliche Einordnung bei Nicht-Vorhersehbarkeit der entsprechenden Datenerhebung auf eine weitergehende Verwendung, die folglich unter dem Vorbehalt des Gesetzes steht. Diese Wertung ergibt sich auch aus Art. 8 Abs. 2 EMRK, der einen Gesetzesvorbehalt für Eingriffe in die Ausübung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und der Korrespondenz ausdrücklich vorsieht. 370 371 372

BVerfGE 83, 130 (142). Vgl. unter 4. Kapitel C.II. s. unter 4. Kapitel C.I.3.b) und C.II.

A. Gesetzesvorbehalt

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2. Der allgemeine Gesetzesvorbehalt im Ermittlungsverfahren Die zweite Ebene bildet der allgemeine Gesetzesvorbehalt. Ungeachtet der Erreichung einer bestimmten Eingriffsschwelle ist im Sinne der Wesentlichkeitstheorie eine gesetzliche Regelung dann von Nöten, wenn die verfassungsbezogene Wichtigkeit des behördlichen Handlungsbereichs dies erfordert. Für den Bereich des Strafverfahrens und hierbei insbesondere des Ermittlungsverfahrens ist daher erneut auf die Zweckrichtung behördlichen Handelns näher einzugehen. Wie bereits erläutert,373 steht die auf breite Informationsgewinnung angelegte Ermittlung diametral insbesondere zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Bezieht man zudem die möglichen einschneidenden Folgen für Tatverdächtige ein, so ergibt sich für den gesamten Bereich und in besonderem Maße für Handlungen bezüglich Informationsgewinnung eine extrem hohe Grundrechtsrelevanz. Für eine Erweiterung der Regelungsnotwendigkeit über den Gesetzesvorbehalt der einzelnen Grundrechte hinaus auch auf Nichteingriffshandlungen im Zusammenhang mit Informationsbeschaffung im Ermittlungsverfahren ist nach hier vertretener Auffassung lediglich der Fall einer umfassenden Einwilligung von Bedeutung, da ansonsten in jeder entsprechenden Handlung bereits ein Eingriff zu erblicken ist.374 Es ergibt sich somit die Frage, ob auch behördliche Handlungen mit Informationsgewinnungscharakter, in die eingewilligt wurde, einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, obwohl sie keinen Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen darstellen. Unter Zugrundelegung der Brisanz der in Rede stehenden Handlungen insbesondere für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in Hinblick auf die Vielfalt der Verwendungs-, Verarbeitungs- und damit auch Missbrauchsmöglichkeiten, aber auch bezogen auf Art. 10 und 13 GG, müssen solche polizeilichen, staatsanwaltschaftlichen oder richterlichen Maßnahmen auch bei Vorliegen einer rechtmäßigen Einwilligung durch eine gesetzliche Norm legitimiert sein, obgleich sie im Einzelfall keine Eingriffe in Grundrechte darstellen. Zudem sind auch die konkreten Anforderungen an die Form und die Reichweite der Einwilligung von entscheidender Bedeutung, so dass sich im Einzelfall auch hieraus die Notwendigkeit einer Regelung ergeben kann. Exemplarisch lässt sich hier auf die so genannten DNA-Massentests verweisen, welche auch bei Einwilligung in die Entnahme von Speichelproben zum DNA-Musterabgleich im höchsten Maße grundrechtsrelevant sind.375 Insbesondere die zu erwartenden faktischen Nachteile für 373

s. unter 4. Kapitel C.I.3.b) und C.II. Für die bloße Erlangung nichtvorhersehbarer Zufallserkenntnis kann auch die Wesentlichkeitstheorie nicht fruchtbar gemacht werden, da sich die Handlung als solche eben nicht im konkreten grundrechtsrelevanten Bereich vollzieht, sondern jedes Tun oder auch Unterlassen hierfür grundsätzlich in Frage kommt. 374

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5. Kap.: Gesetzliche Grundlagen für eine Kumulation

Personen, die nicht in die Entnahme einwilligen, sowohl bezogen auf den öffentlichen Druck des engeren sozialen Umfeldes als auch auf die möglichen negativen Schlussfolgerungen der Strafverfolgungsbehörden, machen eine gesetzliche Grundlage notwendig.376 Zusammenfassend ist somit jede Handlung der Strafverfolgungsbehörden, die sich auf die Gewinnung von personenbezogenen Informationen bezieht – auch wenn in die konkrete Maßnahme vom Betroffenen eingewilligt wurde –, unter den Vorbehalt des Gesetzes zu stellen.377 3. Grundsätzliche Anforderungen an das ermächtigende Gesetz im Ermittlungsverfahren Die Annahme eines Gesetzesvorbehalts für alle Informationsgewinnungsmaßnahmen im Ermittlungsverfahren zieht die Frage nach den Anforderungen an eine gesetzliche Grundlage nach sich. a) Formelle Anforderungen Für allgemeine Eingriffe in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis gemäß Art. 10 GG sind neben förmlichen Gesetzen auch Rechtsverordnungen oder Satzungen, sofern sie auf Grund einer ausreichend bestimmten Ermächtigung ergangen sind, als grundsätzlich hinreichend anzusehen.378 Für Eingriffe in Art. 13 GG gilt im Einzelnen gemäß Art. 13 Abs. 2 GG ein qualifizierter Gesetzesvorbehalt für Durchsuchungen, die nur auf der Grundlage förmlichen Gesetzes erfolgen dürfen.379 Zudem ist auch die Anordnungskompetenz bereits durch das Grundgesetz selbst zu Gunsten eines Richtervorbehaltes geregelt worden, der im Fall von Gefahr im Verzug je375

s. zur Beweisbedeutung BGH NStZ 2004, 392 ff. s. zur gesetzlichen Regelung von DNA-Massentest BGBl. I 2005, 2360. Vgl. auch unter 3. Kapitel B.I.; s. zur Diskussion vor der Regelung Geppert, JK 2004, StPO § 261/20; Graalmann-Scheerer, NStZ 2004, 297 ff.; Satzger, JZ 2001, 639 (647 f.), der bereits die Freiwilligkeit der Einwilligung anzweifelt; vgl. insbesondere Wüsteney, Rechtliche Zulässigkeit so genannter DNA-Massentests zur Ermittlung des Täters einer Straftat, S. 261 f. Für eine allgemeine Zulässigkeit vor der gesetzlichen Regelung in § 81h StPO auf der Grundlage des § 81e Abs. 1 Satz 2 i. V. m. 81c Abs. 2 StPO Meyer-Goßner; StPO, § 81e Rdnr. 6; KK-Nack, StPO, § 81e Rdnr. 3a; s. hierzu auch BVerfG NStZ 1996, 606 f. 377 s. auch Böckenförde, Die Ermittlung im Netz, S. 120; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 2 Rdnr. 4. 378 Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 10 Rdnr. 17; von Münch/Kunig-Löwer, GG, Art. 10 Rdnr. 28. 379 s. ebenso von Münch/Kunig-Kunig, GG, Art. 13 Rdnr.22; a. A. Jarass/PierothJarass, GG, Art. 13 Rdnr. 10. 376

A. Gesetzesvorbehalt

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doch nicht eingreift. Konkret für die Strafverfolgung mittels technischer Mittel zur akustischen Überwachung ist gemäß Art. 13 Abs. 3 GG eine ausreichend bestimmte Rechtsgrundlage gefordert.380 Zur Anordnung entsprechender Maßnahmen gilt ein qualifizierter Richtervorbehalt, der eine Entscheidung durch drei Richter erforderlich macht. Bei Gefahr im Verzug genügt die Anordnung durch einen Richter den Anforderungen. Die Einschränkungsbefugnis durch die Schrankentrias des Art. 2 Abs. 1 GG und speziell durch die verfassungsmäßige Ordnung bezieht sich im Grundsatz auf jede formell und materiell mit der Verfassung in Einklang stehende Norm.381 Jedoch gelten für Einschränkungsmöglichkeiten bezüglich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und insbesondere auch des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung restriktivere Bestimmungen.382 Dies ergibt sich aus der Verbindung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG. Die hieraus resultierende besondere Wertigkeit des Rechtsgutes führt bereits bei der Bestimmung der formellen Erfordernisse zur Notwendigkeit des Anlegens höherer Maßstäbe.383 Für den Bereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist insoweit ein hinreichend bestimmtes förmliches Gesetz als Ermächtigungsgrundlage zu verlangen.384 Insgesamt ist für den ganzen Bereich von Maßnahmen zur Informationserlangung im Rahmen des Ermittlungsverfahrens ein förmliches Gesetz unabhängig von dem bezogen auf einzelne Maßnahmen verletzten Schutzgut zu fordern. Gestützt wird diese Ansicht durch eine Bezugnahme auf die Grundsätze der Wesentlichkeitstheorie. Neben der Folge, Handlungen, die keine Eingriffe darstellen, in das Erfordernis einer bestehenden gesetzlichen Grundlage einzubeziehen, führt die Wesentlichkeitstheorie auch zu einer qualitativen Erhöhung der Anforderungen an die konkrete Ausgestaltung der gesetzlichen Regelungen aufgrund eines konkreten Gesetzesvorbehalts. Wie bereits zuvor ausgeführt, ist im Bereich der Erlangung von personenbezogenen Informationen durch Ermittlungsbehörden im Strafverfahren von einer hohen Intensität der grundrechtlichen Beeinträchtigung auszugehen. Es erscheint daher angebracht, dass diese für die Grundrechtsausübung wesentlichen Maßnahmen nur zulässig sind, sofern der Gesetzgeber hierzu 380 Vgl. Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 13 Rdnr. 16; Sachs-Kühne, GG, Art. 13 Rdnr. 41. 381 s. nur BVerfGE 6, 32 (37 f.); 80, 137 (153); 90, 145 (171 f.). 382 BVerfGE 65, 1 (44); Dreier-Dreier, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 59; Jarass/ Pieroth-Jarass, GG, Art. 2 Rdnr. 45. 383 Maunz/Dürig-Di Fabio Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 133. 384 BVerfGE 65, 1 (44); 89, 69 (84); Dreier-Dreier Art. 2 Abs. 1 GG Rdnr. 59; Maunz/Dürig-Di Fabio Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 133.

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5. Kap.: Gesetzliche Grundlagen für eine Kumulation

eine entsprechende Regelung getroffen hat. Es besteht mithin auch nach den Grundsätzen der Wesentlichkeitstheorie ein Parlamentsvorbehalt für Informationsgewinnungsmaßnahmen der Strafverfolgungsbehörden im Ermittlungsverfahren. b) Materielle Anforderungen Auch für die konkrete Ausgestaltung des parlamentarischen Gesetzes bestehen besondere Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit. Nach den Grundsätzen der Wesentlichkeitstheorie und des Übermaßverbotes steigt mit der Intensität der Beeinträchtigung durch die Regelung auch der Grad der geforderten Genauigkeit.385 An die Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind bei grundrechtsrelevanten Handlungen bezüglich des Wohnungsgrundrechts, des Grundrechts auf ein Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und im Speziellen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung mithin besonders strikte Anforderungen zu stellen.386 Zudem verstärkt die Intensität der Beeinträchtigung im Strafverfahren387 diese Anforderungen an die Genauigkeit der Regelung zusätzlich. Neben den materiellen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Maßnahme sind somit auch konkrete Vorschriften zur Verfahrenssicherung wie die Anordnungskompetenz, Rechtsschutzvorschriften und etwaige Verwendungsregelungen notwendig.388 Insgesamt kann nur eine gesetzliche Bestimmung, welche die staatlichen Maßnahmen zur Informationsgewinnung in hohem Maße konkretisiert, zulässige Eingriffsgrundlage sein. Für die Eingriffe in Art. 13 GG gelten zusätzlich die dort normierten materiellen Voraussetzungen. Neben den angeordneten Richtervorbehalten sind materiell für die akustisch-technische Wohnraumüberwachung konkrete Umstände gefordert, die den Verdacht einer besonders schweren Straftat begründen. Zudem muss die Vermutung bestehen, dass sich der Beschuldigte in der zu überwachenden Wohnung aufhält und es muss die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos sein. Insgesamt ist davon auszugehen, dass gesetzliche Vorkehrungen zu treffen sind, die Eingriffe in den absolut geschützten Bereich der Grundrechte verhindern bzw., falls dies aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, abmildern können. 385 BVerfGE 17, 306 (314); 86, 288 (311); Jarass/Pieroth- Jarass, GG, Art. 20 Rdnr. 54. 386 Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 2 Rdnr. 46; Jarass, NJW 1989, 857 (860 f.); Maunz/Dürig-Di Fabio Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 133. 387 s. auch Weichert, Informationelle Selbstbestimmung und strafrechtliche Ermittlung, S. 26. 388 Rogall, Informationseingriff und Gesetzesvorbehalt im Strafprozessrecht, S. 85.

B. Eingriffsermächtigungen für kumulative Überwachung

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B. Gesetzlich normierte Eingriffsermächtigungen als Rechtsgrundlage für kumulative Überwachung Basierend auf dem Ausgangspunkt der Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage für Maßnahmen zur Gewinnung personenbezogener Informationen ist zunächst zu klären, ob bei der Bewertung von kumulativ angeordneten Maßnahmen auf bestehende Regelungen zurückgegriffen werden kann. Dabei sind die zu untersuchenden Normen gegebenenfalls auszulegen und auf ihre Verfassungsmäßigkeit auch bei Einbeziehung der Kumulation von Maßnahmen zu überprüfen.

I. Bewertung bestehender Einzelermächtigungen als Eingriffsgrundlage für Kumulation Ausgangspunkt für die rechtmäßige Anordnung von Ermittlungsmaßnahmen sind die hauptsächlich in der Strafprozessordnung geregelten einzelnen Ermächtigungsgrundlagen.389 Zu fragen ist, inwieweit diese auch eine ausreichende Ermächtigung für die Anordnung mehrerer Maßnahmen darstellen. Zu unterscheiden ist dabei nach der Art der Kumulation bzw. ob eine solche überhaupt vorliegt.390 1. Keine oder unechte Kumulation Grundsätzlich391 als ausreichend anzusehen sind die Regelungen, sofern nur eine einzelne Maßnahme angeordnet wird, die den gesetzlichen Vorgaben genügt. Dies gilt auch dann, wenn in Form einer unechten Kumulation diese Maßnahme entsprechend der Normierung verlängert wird. Aufgrund der grundsätzlichen qualitativen Wesensgleichheit von Maßnahmen mit und ohne Verlängerung und der entsprechenden gesetzlich vorgesehenen Regelungen hierzu392 richtet sich die Rechtmäßigkeit einer solchen Anordnung allein nach den tatbestandlichen Voraussetzungen und nachgelagert insbesondere nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit. 389

Vgl. hierzu unter 3. Kapitel. s. unter 4. Kapitel E.IV. 391 Vorbehaltlich der Bedenken bezüglich der Verfassungsmäßigkeit einzelner Regelungen, s. hierzu insbesondere BVerfG NJW 2004, 999. 392 Vgl. die expliziten Verlängerungsregelungen z. B. in §§ 100b Abs. 2 Satz 4 und 5; 100d Abs. 1 Satz 5; 100i Abs. 4 Satz 2 und 3 StPO. Ergeben sich in Ausnahmefällen dennoch qualitative Verschiebungen, die in den einzelnen Normen nicht vorgesehen sind, liefert der Rückgriff auf § 163f StPO eine entsprechende gesetzliche Grundlage. 390

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5. Kap.: Gesetzliche Grundlagen für eine Kumulation

Im Falle einer Verlängerung sind somit bei den tatbestandlichen Voraussetzungen, insbesondere bei den einschlägigen Subsidiaritätsklauseln und im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung, die Erkenntnisse aus den zuvor durchgeführten Maßnahmen mit in die neuerliche Bewertung einzustellen.393 Sollte es aufgrund der bereits erlangten Informationen Anhaltspunkte dafür geben, dass im Falle der Fortführung der Maßnahme eine Wahrscheinlichkeit des Eindringens in den durch Art. 1 Abs. 1 GG absolut geschützten Bereich gegeben ist, ist dadurch die Zulässigkeit einer Verlängerung ausgeschlossen. Bei der Bewertung dieser Fragestellung ist der Grad der Wahrscheinlichkeit eines entsprechenden Eingriffs zu ermitteln und auf die Merkmale der Eingriffsintensität zu beziehen. Eine mögliche Unzulässigkeit der Fortführung kann sich somit aus der Art der zu erwartenden Informationen ergeben, sofern diese die Intimsphäre des Betroffenen verletzen würden, sowie aus der Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts aufgrund einer möglichen Totalausforschung wegen des Umfangs und der Verwendungsmöglichkeiten der erlangbaren Informationen. 2. Kumulative Anordnung gleichartiger Maßnahmen Inwieweit die Anordnung mehrerer gleichartiger Maßnahmen auf die jeweilige Rechtsgrundlage für die einzelnen Maßnahmen gestützt werden kann, richtet sich danach, ob die entsprechende Kumulation als qualitative Änderung gegenüber einzelnen Maßnahmen verstanden werden kann und im Falle der Bejahung zusätzlich danach, ob die bestehenden gesetzlichen Regelungen dieser neuen Qualität gerecht werden. a) Maßnahmen mit geringer Eingriffsintensität (einfache Maßnahmen) Für den Bereich der Anordnung von gleichartigen Maßnahmen ist von der grundsätzlichen Möglichkeit einer Änderung der Eingriffsqualität auszugehen. Die dabei entscheidenden Faktoren werden jedoch nicht bei allen Maßnahmearten in gleicher Form relevant. So führt bei einzelnen strafverfolgungsbehördlichen Handlungen mit eher geringer Eingriffsintensität auch deren gehäufte Vornahme grundsätzlich nicht zu einer anderen Bewertung der gesamten Eingriffsqualität.394 Diese Interpretation wird auch vom Wort393 Dem stehen rechtstatsächliche Befunde entgegen, wonach lediglich in 30,6% der Fälle einer Verlängerungsanordnung für Telefonüberwachungen eine eigenständige Begründung im richterlichen Verlängerungsbeschluss zu finden waren; Backes/ Gusy, Wer kontrolliert die Telefonüberwachung?, S. 52. 394 s. unter 4. Kapitel E.IV. am Anfang.

B. Eingriffsermächtigungen für kumulative Überwachung

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laut und dem Sinn und Zweck der Vorschriften der §§ 161, 163 StPO gedeckt, da sie als Generalermächtigungsgrundlage die Befugnis der Staatsanwaltschaft und der Polizei konstituieren, einfache Ermittlungen vorzunehmen, wobei die konkrete Typisierung aller einzelnen Maßnahmen und damit auch eine Abgrenzung zwischen verschiedenartigen und gleichartigen Maßnahmen kaum möglich erscheint. Zudem sind auch durch die Begriffe „Ermittlungen jeder Art“ und „Anordnungen“ in der Pluralform in § 161 Abs. 1 Satz 1 und § 163 Abs. 1 Satz 1 StPO Hinweise auf die Möglichkeit einer Häufung enthalten. Für die Beurteilung der Eingriffsintensität mehrerer gleichartiger Vernehmungen (§§ 161a, 163a StPO) gilt Entsprechendes, da auch hierbei nicht von einer Qualitätssteigerung ausgegangen werden kann. Anderes ist jedoch anzunehmen, wenn die Maßnahmen in planvoller Form über eine längere Dauer durchgeführt werden, da sich in einem solchen Fall bei gehäufter Anordnung die Gefahr eines sich qualitativ verändernden Eingriffs erheblich erhöht. Entsprechende Anordnungen unterfallen jedoch der Regelung des § 163f StPO und sind daher auch bei Einzelanordnungen keine lediglich geringfügigen Eingriffe. b) Maßnahmen mit nicht lediglich geringer Eingriffsintensität (qualifizierte Maßnahmen) Anders als bei der Kumulation gleichartiger Maßnahmen mit geringer Eingriffsstärke ist beim zusammengeführten Einsatz sonstiger gleichartiger Maßnahmen von einem Potenzial sich ändernder Eingriffsqualität auszugehen.395 Damit die entsprechenden Handlungen auf die Einzelregelungen gestützt werden können, müssten diese der möglicherweise veränderten Qualität Rechnung tragen. Ob dies der Fall ist, kann im Wege der Auslegung ermittelt werden. Dabei ist der in den einzelnen Vorschriften zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend.396 aa) Sprachlich-grammatikalische Auslegung Bei einer sprachlich-grammatikalischen Interpretation der Regelungen lassen sich aus dem Wortlaut gewisse Rückschlüsse auf das Einbeziehen auch einer Kumulation von gleichartigen Maßnahmen ziehen. So wird in den einzelnen Anordnungsvorschriften grundsätzlich – wenn auch nicht einheitlich –397 der Begriff „Maßnahmen“, „Untersuchungen“, „Beschlagnahmen“ oder „Durchsuchungen“ – also die Pluralform – verwendet, sofern die 395 396 397

s. unter 4. Kapitel E.IV.1. BVerfGE 1, 299 (312); 79, 106 (121). Vgl. nur § 100i Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 StPO.

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5. Kap.: Gesetzliche Grundlagen für eine Kumulation

allgemeinen Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit einer Anordnung formuliert werden.398 Für den Begriff der „Anordnung“ selbst gilt allerdings Gegenteiliges.399 Hieraus könnten sich Hinweise darauf ableiten lassen, dass zwar innerhalb einer Anordnung gleichzeitig mehrere gleichartige Maßnahmen festgelegt werden können, dies aber nicht unbedingt auch für eine zeitlich versetzte oder auch eine gleichzeitig, aber dennoch durch mehrere Anordnungen erfolgende Kumulation gilt. bb) Systematische Auslegung Auch eine systematische Auslegung ergibt keine weiterführenden eindeutigen Ergebnisse. In ihrer Gesamtheit sind die verschiedenen Vorschriften mit Ausnahme der Generalermächtigungen der §§ 161, 163 StPO speziell auf die Legitimierung einzelner, zum Teil sehr konkret umschriebener Handlungen ausgerichtet. Daraus lassen sich allerdings noch keine Schlussfolgerungen bezüglich der Legitimation mehrerer Maßnahmen durch die jeweilig einschlägigen Spezialvorschriften herleiten. Jedoch könnten sich möglicherweise aus dem Voraussetzungsgefälle, bezogen auf die unterschiedliche Eingriffsintensität der Maßnahmen, Rückschlüsse auf ein etwaiges Einbeziehen auch einer Kumulation gleichartiger Maßnahmen ergeben. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn die erhöhten Zulässigkeitsvoraussetzungen nach der Systematik der Strafprozessordnung gerade auch die entsprechend veränderte Qualität des Eingriffs bei einer Maßnahmenkumulation mitberücksichtigen würden. Zwar ist grundsätzlich von einer hierarchischen Strukturierung insoweit auszugehen, dass insbesondere auch für Maßnahmen, die typischerweise bei Kumulation ein besonders hohes Gefährdungspotential bezogen auf mögliche Eingriffe in absolut geschützte Lebensbereiche aufweisen, erhöhte Zulässigkeitsschwellen existieren. Jedoch ist diese Veränderung der Voraussetzungen auch auf der Ebene der Anordnung einzelner Maßnahmen systematisch folgerichtig, da sich eine parallele Intensivierung der Eingriffstiefe, wenn auch auf niedrigerem Niveau, hier ebenso vollzieht. Konkret könnte hinsichtlich des Richtervorbehalts, der bei vielen eingriffsintensiveren Maßnahmen Anwendung findet, angeführt werden, dass 398

Vgl. nur §§ 81f Abs. 1 Satz 1; 98 Abs. 1 Satz 1; 100b Abs. 2 Satz 3 und Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 Satz 1; 100d Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1; 103 Abs. 1 Satz 1; 105 Abs. 1 Satz 1 StPO. s. zudem auch die Verwendung des Wortes „allein“ in § 100c Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO, die auch auf die Möglichkeit einer kumulativen Anordnung mehrerer akustischer Wohnraumüberwachungen hindeutet. 399 Vgl. nur §§ 100b Abs. 1 bis 4; 100d Abs. 2 Satz 1 und 2 und Abs. 3 Satz 1; 100h Abs. 1 Satz 1 StPO.

B. Eingriffsermächtigungen für kumulative Überwachung

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die qualitativ erhöhte rechtliche Würdigung des Sachverhalts auch die Kumulation mit umfasst, da in diesem Zusammenhang von einer größeren Übersicht des Richters ausgegangen wird. Nicht zu überzeugen vermag diese Argumentation aber bei eingriffsintensiven, nicht dem Richtervorbehalt unterstellten Maßnahmen insbesondere dann, wenn, wie beispielsweise durch § 100f Abs. 1 StPO legitimiert, der Einsatz technischer Mittel Bestandteil der Anordnung ist, was bei Kumulation der Maßnahmen zu einer möglichen Qualitätsänderung nicht unerheblich beiträgt.400 cc) Historische Auslegung Wegen der Entwicklungen vor allem im technischen Bereich und der damit verbundenen rechtlichen Umsetzung ergeben sich Veränderungen in der konkreten Zielsetzung des Gesetzgebers bezogen auf die Normen im Ermittlungsbereich. Die für die Eingriffsrelevanz einer Kumulation von Maßnahmen hohe Bedeutung des technischen Standards sowohl auf der Seite des Überwachens und Auswertens aufgrund neuartiger Möglichkeiten der Strafverfolgung als auch auf der Seite dessen, was überwacht wird,401 lässt die Schlussfolgerung zu, dass sich die typischen Risiken durch Häufung einer einzelnen Maßnahme in den anfänglichen Fassungen der Strafprozessordnung nicht widerspiegeln. Dennoch ist mit der fortgesetzten Einführung neuerer Ermittlungsmethoden trotz mangelnder expliziter Erwähnung konkret von Maßnahmenhäufungen grundsätzlich davon auszugehen, dass der Gesetzgeber eine Steigerung der Effizienz der Ermittlung bezweckt hat. Dieser – im besonderen Maße bei der Verfolgung so genannter neuer Kriminalitätsformen, wie beispielsweise der Organisierten Kriminalität oder des Terrorismus, durch heimliche Überwachungsmaßnahmen relevanten –402 Effizienzsteigerung wird am besten dadurch Rechnung getragen, dass die neuen Maßnahmen möglichst umfänglich, also auch kumulativ, zum Einsatz kommen. Eine neuere gesetzgeberische Intention hierzu könnte somit unterstellt werden.

400

Vgl. unter 4. Kapitel E.IV. Man denke zum einen an die heimliche Überwachung durch technische Mittel und die computergestützte Auswertung der Daten und zum anderen an die Nutzung beispielsweise von Mobilfunkgeräten, welche eine Standortbestimmung ermöglicht oder die Nutzung umfänglicher digitalisierter Datenbanken, die bei einer Beschlagnahme eine hohe Informationsdichte liefern. 402 s. zu der Zielsetzung BT-Drs. 12/989, S. 21. 401

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5. Kap.: Gesetzliche Grundlagen für eine Kumulation

dd) Teleologische Auslegung Zusätzlich ist der Sinn und Zweck der Normen durch teleologische Auslegung zu ermitteln. Neben dem konkret verfolgten Zweck der einzelnen Vorschriften sind dabei auch allgemeine Zweckmäßigkeits- und Gerechtigkeitserwägungen mitbestimmend.403 Die Zweckbestimmung aller Ermittlungsmaßnahmen im Rahmen eines Strafprozesses besteht grundsätzlich zunächst darin, die Aufklärung eines bestimmten Sachverhaltes zu erreichen und hierzu beweisrelevante Tatsachen zu ermitteln. Diese Ausrichtung des Ermittlungsverfahrens auf die Gewinnung von Beweisen bzw. die Sammlung von belastendem und entlastendem Material404 führt daher zu der Annahme möglichst weitgehender Kompetenzen der Strafverfolgungsbehörden, damit diese ihre Aufgaben effizient wahrnehmen können. Die teleologische Auslegung deutet auf die Einbeziehung mehrerer gleichartiger qualifizierter Maßnahmen hin. c) Ergebnis Die Auslegung der einzelnen Normen betreffend nicht lediglich geringfügige Eingriffe durch gleichartige Ermittlungsmaßnahmen ergibt keine klaren Ergebnisse. Gegen eine Einbeziehung aller Arten der Kumulation von Maßnahmen lassen sich betreffend mehrere Anordnungen Hinweise aus dem Wortlaut des Gesetzes heranziehen, das die maßnahmenbezogenen Begriffe zwar im Plural, den Begriff der Anordnung aber im Singular enthält. Aus der systematischen Auslegung ergeben sich keine eindeutigen Hinweise darauf, dass eine Kumulation bereits durch die einzelnen Vorschriften erfasst sein soll. Jedoch scheint die Intention des Gesetzgebers auf die Steigerung der Effizienz von Strafverfolgung mittels der Einführung neuer Maßnahmen gerichtet zu sein und daher darauf hinzudeuten, dass auch eine kumulative Verwendung dieser Instrumentarien bezweckt und erwünscht und insoweit zumindest durch die neu eingeführten Normen gedeckt ist. Entsprechendes ergibt sich auch für die teleologische Betrachtung, da Zweck der Normen eine umfassende Sachverhaltsaufklärung ist, die durch den Einsatz einer Vielzahl von gleichartigen Maßnahmen grundsätzlich besser erreicht werden kann.

403 404

s. Palandt-Heinrichs, BGB, Einl. Rdnr. 56. s. Meyer-Goßner, StPO, Einl. Rdnr. 47, 60; vgl. auch § 160 Abs. 2 StPO.

B. Eingriffsermächtigungen für kumulative Überwachung

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3. Kumulative Anordnung verschiedenartiger Maßnahmen Auch bei der Anordnung verschiedenartiger Maßnahmen ist zunächst entscheidend, bei welchen konkreten Konstellationen von einer Qualitätsänderung gegenüber der Anordnung von einzelnen Maßnahmen ausgegangen werden kann, da nur in diesen Fällen eine spezielle Ermächtigung erforderlich ist. Bei den qualitativ veränderten Konstellationen ist sodann zu klären, inwieweit die Einzelvorschriften als Rechtsgrundlage ausreichen. a) Kumulation von verschiedenartigen einfachen Maßnahmen Treffen verschiedene Maßnahmen zusammen, die rechtmäßig405 den gesetzlichen Regelungen der §§ 161, 161a, 163, 163a StPO unterfallen, so ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sich die Qualität der Maßnahmen nicht ändert.406 Entsprechend stellen die §§ 161, 161a, 163, 163a StPO eine umfassende Rechtsgrundlage zur Beurteilung dieser Konstellationen dar. b) Kumulation von einfachen und qualifizierten Maßnahmen Eine weitere Konstellation bezieht sich auf die Kombination von Maßnahmen mit geringer Eingriffsintensität mit Maßnahmen, die eine höhere Eingriffsintensität aufweisen und somit einer Spezialermächtigung bedürfen. Aufgrund der Schwerpunktsetzung zu Gunsten letzterer Maßnahmen und der sich daraus ergebenden Beurteilung der Gesamtqualität ist eine nicht über die Eingriffsqualität der qualifizierten Maßnahme hinausgehende Steigerung anzunehmen.407 Entsprechend sind die jeweiligen speziellen Vorschriften für die Anordnung der eingriffsintensiveren Maßnahme ausschlaggebend, während §§ 161, 161a, 163, 163a StPO den Prüfungsmaßstab für die einfache Maßnahme bilden. Sind die einfachen informationsbezogenen Maßnahmen lediglich ein Annex zu der intensiven Maßnahme, ist die Ermächtigungsregelung für die qualifizierte Maßnahme alleiniger Maßstab. c) Kumulation verschiedener qualifizierter Maßnahmen Eine andere Einschätzung ergibt sich bei einer gehäuften Anordnung von Maßnahmen, die bereits für sich intensiv in Grundrechte eingreifen. In die405 Diese Einschränkung betrifft Maßnahmen, die nach hier vertretener Auffassung in §§ 161, 163 StPO keine ausreichende Rechtsgrundlage finden, wie beispielsweise der Einsatz so genannter V-Personen. Vgl. auch unter 3. Kapitel A.X. 406 s. unter 4. Kapitel E.IV.2. 407 s. unter 4. Kapitel E.IV.2.

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5. Kap.: Gesetzliche Grundlagen für eine Kumulation

sen Fällen ist bei einer Kumulierung davon auszugehen, dass sich die Eingriffsintensität in einer Weise verstärkt, dass sich die Gefahr eines Eingreifens in den innersten Kern privater Lebensgestaltung oder – bei verschiedenartigen Maßnahmen insbesondere auch – einer Totalausforschung nicht unerheblich erhöht. Diese qualitative Änderung bedingt insoweit eine Notwendigkeit für eine Ermächtigungsgrundlage, die sich zumindest auch hierauf bezieht. Inwieweit die jeweiligen Spezialvorschriften hierzu herangezogen werden können, bedarf einer speziell auf die Kumulation von verschiedenartigen qualifizierten Maßnahmen zugeschnittenen Auslegung. aa) Sprachlich-grammatikalische Auslegung Sprachlich-grammatikalisch ergibt sich zunächst lediglich, dass eine Kumulation von verschiedenartigen Maßnahmen in den einzelnen Vorschriften keine ausdrückliche Erwähnung findet. Direkte Rückschlüsse hieraus sind jedoch nicht zu ziehen. Auch ein Verweis auf die verschiedenen Subsidiaritätsklauseln, innerhalb deren eine Abwägung mit den Erfolgsaussichten anderer Ermittlungsmaßnahmen vorzunehmen ist, ist aufgrund der Verwendung des Konjunktivs („wäre“) nicht als Hinweis auf die zeitlich gestaffelte kumulative Verwendungsbefugnis zu verstehen. Eine grundsätzliche Ausnahme können hingegen Vorschriften bilden, die sich explizit auf die Vorbereitung einer anderen Maßnahme beziehen. Zu nennen ist hier die Nutzung eines IMSI-Catchers zur Bestimmung der Geräte- oder Kartennummer gemäß § 100i Abs. 1 Nr. 1 StPO, die nur angeordnet werden darf, wenn sie der Vorbereitung einer Überwachungsmaßnahme gemäß § 100a StPO dient. bb) Systematische Auslegung In systematischer Hinsicht ist von einem Nebeneinander der verschiedenen Normierungen innerhalb der Strafprozessordnung auszugehen. Daraus den Schluss zu ziehen, dass sich hieraus bereits die grundsätzliche Zulässigkeit einer Kumulation ergibt, da die Maßnahmen zum Teil ohne inhaltliche Überschneidungen und auf die Erlangung unterschiedlicher Tatsachen und Indizienwerte abzielen,408 scheint jedoch spätestens seit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts409 verfehlt.410 Zwar vermag diese Argumentation losgelöst von der sonstigen Rechtsordnung, insbesondere 408

s. Steinmetz, NStZ 2001, 344. BVerfGE 65, 1 ff. 410 Vgl. auch Comes, StV 1998, 569 (570); a. A. BGHSt 46, 266 (277); OLG Düsseldorf StV 170 (172 f.). 409

B. Eingriffsermächtigungen für kumulative Überwachung

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den verfassungsrechtlichen Vorgaben, bei einem ausschließlichen Abstellen auf die Systematik der Strafprozessordnung und die Intention des Gesetzgebers zunächst zu überzeugen, jedoch wirkt sie unter Einbeziehung des Persönlichkeitsschutzes genau gegenteilig. Das beschriebene Abzielen auf unterschiedliche Tatsachen bewirkt zumindest bei intensiveren Eingriffen in Grundrechte eine besonders relevante Eingriffsverstärkung, sofern die einzelnen Maßnahmen verknüpft werden, da sich dadurch die Gefahr einer mehrere Lebensbereiche umspannenden Überwachung erheblich erhöht.411 Eine sich darauf beziehende Einbettung in die verfassungsrechtliche Systematik, dass ein neuartiger Eingriff durch entsprechend klare Regelungen umgrenzt werden muss, steht der Schlussfolgerung entgegen, Maßnahmenkumulation ohne explizite Normierung grundsätzlich für zulässig zu halten. Entsprechend sind aber auch Maßnahmen, die nicht unabhängig von einander gesehen werden können und sich nicht lediglich überschneiden, sondern in direkter Abhängigkeit stehen, wie die Vorschrift des § 100i Abs. 1 Nr. 1 StPO zu § 100a StPO, anders zu bewerten. Hier besteht eine systematische Verknüpfung dergestalt, dass, wenn eine spezielle Maßnahme in einer bestimmten Ausprägung allein zur Ermöglichung einer anderen Maßnahme dient, von einer entsprechend der Systematik der Strafprozessordnung gerechtfertigten Kumulation auszugehen ist.412 In diesen Fällen fügt sich die strafprozessrechtliche Argumentation in die verfassungsrechtlichen Vorgaben, da durch Kumulation keine neue – über die in den Regelungen bereits enthaltene – Qualität entsteht. Bezüglich der Steigerung der Zulässigkeitsvoraussetzungen mit Zunahme der Intensität der Maßnahmen gelten die bereits beschriebenen Einwände.413 Zusätzlich ist noch anzuführen, dass – sofern verschiedenartige Maßnahmen betroffen sind – bei der Prüfung der Voraussetzungen der Maßnahme mit der geringeren Eingriffsintensität und daher weniger einschränkenden Anforderungen die qualitative Steigerung durch eine Kumulation mit einer eingriffsintensiveren Maßnahme keine Berücksichtigung finden kann. Zudem spricht folgende Erwägung eher dafür, dass im systematischen Aufbau der Strafprozessordnung Änderungen der Eingriffsqualität bei Maßnahmenkumulation keinen Eingang gefunden haben. Die Vorschriften bezüglich der Verwendungs- und Verarbeitungsmodalitäten, die gerade für den 411

s. unter 4. Kapitel E.IV.2. Ähnliches dürfte auch für die Nutzung von Begleitmaßnahmen gelten, die keine ausdrückliche gesetzliche Regelung erfahren haben. Hierbei ist jedoch auf die Eingriffsintensität der jeweiligen Maßnahme zu achten, die gegebenenfalls zur Notwendigkeit einer eigenständigen rechtlichen Grundlage führen kann. Vgl. auch KKNack, StPO, § 100c Rdnr. 13, s. hierzu auch Anm. Heger, JR 1998, 163 (165). 413 Vgl. unter 5. Kapitel B.I.2.b)bb). 412

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5. Kap.: Gesetzliche Grundlagen für eine Kumulation

Bereich der gehäuften Anordnung von Maßnahmen im erhöhten Maße relevant sind,414 sind im Grundsatz auf die einzelnen Anordnungen bezogen und sehen somit keine besonderen Regelungen für die Zusammenstellung von Datenmaterial durch mehrere Akte vor. cc) Historische Auslegung Im Rahmen einer historischen Betrachtungsweise ist zunächst auf die Entwicklung der Strafprozessordnung im Allgemeinen hinzuweisen. Seit ihrem Inkrafttreten hat sich die anfänglich geringe Anzahl der Ermittlungsmaßnahmen um ein Vielfaches erhöht.415 Insoweit ist davon auszugehen, dass zumindest bei der ursprünglichen Konzeption Überlegungen bezüglich Besonderheiten, die durch die Häufung von Ermittlungsmaßnahmen auftreten könnten, nicht einbezogen wurden. Neben dieser zahlenmäßigen Steigerung der verschiedenen Maßnahmearten kommt auch der gesellschaftlichen Entwicklung eine entscheidende Bedeutung zu. Die sich insbesondere aus dem technischen Fortschritt ergebende Informationsbezogenheit der heutigen Gesellschaft findet ihr Spiegelbild auch in der ermittlungstechnischen Reaktion hierauf.416 Eine entsprechende Steigerung der technischen Mittel zur Informationserlangung, häufig auch bezogen auf die technische Übermittlung oder Aufbereitung von Informationen, ist eine logische Konsequenz. Überlegungen, inwieweit sich diese veränderte Informationssituation auf die Gefährdung der Persönlichkeitsrechte der einzelnen betroffenen Individuen auswirkt, sind daher grundsätzlich erst in der neueren Geschichte der Strafprozessordnung zu suchen. Entsprechend wurden aufgrund des Volkzählungsurteils einige Korrekturen vorgenommen.417 Die weitergehende Einführung von Normen zur Erlangung personenbezogener Informationen weist jedoch auf eine entsprechende gesetzgeberische Intention hin, dass auch die kumulative Anordnung in den einzelnen Vorschriften mit enthalten sein soll. Insbesondere bei der Verknüpfung einzelner Normen zur Ermöglichung von Maßnahmen durch entsprechende Vorermittlungen mittels anderer Maßnahmen wird diese Absicht deutlich. Zudem weisen auch die Bestrebungen zur Harmonisierung des Gesamtsystems der strafprozessualen heimlichen Ermittlungsmethoden418 auf die kumulative Nutzungsmöglichkeiten aus gesetzgeberischer Sicht hin, machen aber zugleich auch 414

s. unter 4. Kapitel E.III.3. und E.V. s. unter 2. Kapitel. 416 s. auch unter 7. Kapitel A.I. 417 Vgl. die Einführung des § 163f StPO und Ausgestaltung der §§ 161, 163 StPO als Generalermächtigungsklauseln, BGBl. I 2000, 1253. 418 Vgl. BR-Drs. 702/01 S. 10 f. 415

B. Eingriffsermächtigungen für kumulative Überwachung

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die Skepsis bezüglich einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden bisherigen Regelung deutlich. dd) Teleologische Auslegung Bei der Beurteilung von Sinn und Zweck der strafprozessualen Vorschriften zu Ermittlungen im Vorverfahren ist erneut das Bemühen um eine möglichst umfängliche Sachverhaltsaufklärung in den Vordergrund zu stellen. Aufgrund der Ausrichtung verschiedener Ermittlungsmaßnahmen auf unterschiedliche Lebensbereiche und der daher zu erwartenden breiteren Informationsbasis würde eine Einbeziehung von Kumulation diesen Zweck in besonderem Maße fördern können. d) Ergebnis Die Kumulation einfacher Maßnahmen oder einer qualifizierten Maßnahme mit einfachen Maßnahmen führt nicht zu einer neuen Qualität des Maßnahmenbündels. Die in der Strafprozessordnung vorhanden Einzelermächtigungen sind diesbezüglich ausreichend. Die Auslegungsmethoden betreffend die Kumulation qualifizierter Maßnahmen führen erneut zu nicht eindeutigen Ergebnissen. Insbesondere scheint der Wille des Gesetzgebers im Rahmen einer historischen Interpretation eher auf die Zulässigkeit der Anordnung von Maßnahmebündeln aufgrund der bestehenden Einzelregelungen hinzudeuten. Ebenso spricht die teleologische Auslegung für eine Einbeziehung. Auf der Grundlage einer systematischen und einer sprachlich-grammatikalischen Auslegung ist von einer Einbeziehung der Kumulation grundsätzlich nicht auszugehen. 4. Verfassungsmäßigkeit der Regelungen Aufgrund der nicht eindeutigen Ergebnisse bei der Auslegung der Normen sowohl betreffend die Kumulation gleichartiger als auch verschiedenartiger qualifizierter Maßnahmen erscheint eine diesbezügliche Anwendung der Einzelermächtigungen grundsätzlich möglich. Im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation müssten die Normen – sollen sie auch für Maßnahmenkumulation zur Anwendung kommen – den Anforderungen gerade bezogen auf die Kumulation entsprechen. Zu prüfen ist somit vorrangig das allgemeine Verhältnismäßigkeitsgebot und das Bestimmtheitsgebot.

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5. Kap.: Gesetzliche Grundlagen für eine Kumulation

a) Verhältnismäßigkeit der Einzelermächtigungen bezüglich kumuliert eingesetzter Ermittlungsmethoden Zunächst ist zu prüfen, ob die Normen auch bei Einbeziehung von Kumulation noch als verhältnismäßig angesehen werden können, das heißt den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit gerecht werden. Zweck einer kumulativen Nutzung mehrerer Ermittlungsmethoden ist die umfängliche Sachverhaltsermittlung mit dem Ziel einer wirksamen Aufklärung von Straftaten. Diese Zweckverfolgung – insbesondere auch unter dem Aspekt der Ermittlung sowohl belastender als auch entlastender Umstände – steht grundsätzlich419 im Interesse des rechtsstaatlichen Gemeinwesens und ist somit als verfassungsrechtlich legitim anzusehen.420 Die einzelnen Normierungen entsprechen somit in kumulativer Anwendung dem Zweck. Für die Frage der Geeignetheit eines kumulativen Gebrauchs von Informationsgewinnungsmaßnahmen ist auf die Möglichkeit der Erfolgsförderung bezogen auf den Zweck abzustellen.421 Dabei soll grundsätzlich davon ausgegangen werden dürfen, dass die Wahrheitsermittlung durch eine Verknüpfung von mehreren Maßnahmen gefördert wird oder dass dies zumindest möglich ist.422 Insbesondere unter dem Aspekt, dass den Strafverfolgungsbehörden in immer größerem Umfang Mittel zur Erlangung von Informationen zur Verfügung gestellt werden, müssen diese indes auch auf ihre wirkliche Eignung hin überprüft werden.423 Bestimmte negative rechtstatsächliche Befunde stellen zwar nicht die Geeignetheit der gesamten Ermittlungsinstrumente in Frage, erfordern aber einen kritischen Blick auf die allgemeine Geeignetheit bestimmter Vorgehensweisen und die konkrete Anwendung im Einzelfall.424 419 Unter rechtstatsächlichen Gesichtspunkten bestehen hingegen erhebliche Zweifel an der Motivation zur Nutzung umfassender Ermittlungssysteme; s. auch unter 7. Kapitel A.III. 420 s. nur BVerfGE 107, 299 (316). 421 BVerfGE 65, 1 (54); 70, 278 (286), BVerfG NJW 2004, 999 (1008). 422 s. zur uneingeschränkten Bejahung der Geeignetheit und Erforderlichkeit des Einsatzes besonderer Mittel zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten auch vor Erreichen der Gefahrenschwelle SächsVerfGH JZ 1996, 957 (960). 423 Hassemer, StV 1993, 664 (666), s. auch Rohe, Verdeckte Informationsgewinnung mit technischen Hilfsmitteln zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, S. 24, 52 ff. 424 Inwieweit dem Gesetzgeber betreffend die kumulative Nutzung besonderer Ermittlungsmaßnahmen auch nach ersten empirischen Ergebnissen eine andauernde Frist zur Sammlung von Erfahrungen zusteht, erscheint unklar. Vgl. allgemein BVerfGE 43, 291 (321); 33, 171 (189 f.).

B. Eingriffsermächtigungen für kumulative Überwachung

123

Insofern ist auf rechtstatsächliche Bedenken zumindest bei bestimmten Normen und entsprechend auch bei ihrer kumulativen Nutzung hinzuweisen. So ergaben insbesondere Studien zur akustischen Wohnraumüberwachung zum Teil eher geringe Erkenntnisquoten. Dabei lag die „Erfolgsquote“ bezogen auf die Erlangung von Ermittlungsansätzen unter Herausrechnung der nicht angeordneten und der angeordneten aber nicht durchgeführten Maßnahmen bei lediglich 39,1%.425 Die von Strafverfolgungsbehörden im Allgemeinen als sehr effektiv beurteilte Telefonüberwachung426 führte in ca. 44% der Fälle zu Erkenntnissen, die zumindest mittelbar zur Verurteilung des Angeklagten beitrugen.427 Keine Verbesserung der Quote ist bei der Kumulation dieser beiden Methoden anzunehmen, was sich vor allem an den diesbezüglich hohen Einstellungsraten zeigt.428 Nach dem Gebot der Erforderlichkeit darf die Maßnahme nicht über das zur Verfolgung des legitimen Zwecks notwendige Maß hinausgehen.429 Mithin darf kein milderes aber gleich wirksames Mittel zur Verfügung stehen.430 Betreffend die allgemeine Beurteilung des Instruments der Kumulation von Ermittlungsmethoden ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine hierdurch stattfindende Informationsgewinnung über die einzelne Maßnahme hinaus auf anderem Wege nur durch den Einsatz anderer, mindestens ebenso stark eingreifender, zum Teil in der Strafprozessordnung nicht geregelter Maßnahmen möglich sein könnte. Bezüglich bestimmter Kumulationsvariationen bestehen jedoch ähnliche Bedenken wie bei der Beurteilung der Geeignetheit. Im Rahmen der Angemessenheit bzw. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist eine Güterabwägung der in Konkurrenz stehenden Interessen vorzunehmen.431 Dabei stehen sich auf der einen Seite die allgemeinen und besonderen Freiheitsrechte der von den Eingriffen betroffenen Personen und auf der anderen Seite die Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege gegenüber. Führt die kumulative Nutzung von Maßnahmen zu einer Beeinträchtigung des absolut geschützten Bereichs, findet eine Abwägung nicht statt. 425 Meyer-Wieck, Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“) nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO, S. 301. s. weiterführend unter 7. Kapitel A.II. 426 s. Kinzig, Die rechtliche Bewältigung von Erscheinungsformen organisierter Kriminalität, S. 446 ff.; vgl. aber Ergebnisse von Backes/Gusy, Wer kontrolliert die Telefonüberwachung?, S. 61, wonach der Erfolg der Maßnahme nach Einschätzung der Polizei nur in ca. 27% der Fälle angenommen wurde. 427 Backes/Gusy, Wer kontrolliert die Telefonüberwachung?, S. 63 ff. 428 Vgl. unter 7. Kapitel A.II. 429 Jarass/Pieroth-Jarass, GG, Art. 20 Rdnr. 85. 430 BVerfGE 67, 157 (176 f.); 92, 262 (273). 431 BVerfGE 92, 277 (327).

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5. Kap.: Gesetzliche Grundlagen für eine Kumulation

Eine entsprechende Vorgehensweise ist nie verhältnismäßig und kann somit auch nicht gerechtfertigt werden. Aufgrund der möglichen hohen Eingriffsintensität durch Kumulation von Ermittlungsmaßnahmen auch unterhalb der Schwelle einer Beeinträchtigung des absolut geschützten Bereichs sind aber auch im Allgemeinen höhere Anforderungen an eine verhältnismäßige Abwägung zu stellen, als dies bei einzelnen Maßnahmen Geltung beansprucht. Jedoch können auch diese Anforderungen im Grundsatz durch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung innerhalb der einzelnen Normen erfüllt werden.432 Insgesamt entspricht das Instrumentarium der Kumulation von Ermittlungsmaßnahmen grundsätzlich den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit, sofern hierdurch nicht der absolut geschützte Bereich beeinträchtigt wird. b) Bestimmtheitsgebot Zu fragen ist weiterhin, ob die Einzelnormierungen – sofern sie auch Kumulation von Maßnahmen beinhalten – dem verfassungsrechtlichen Gebot der Bestimmtheit entsprechen. Dabei müssen die Vorschriften konkrete Regelungen aufstellen, an denen sich die Bevölkerung orientieren kann.433 Dies ergibt sich auch im Hinblick auf die Gewährleistung eines fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens.434 Die Normen sind ausreichend bestimmt, wenn eine etwaige neue Eingriffsqualität bzw. die sich aus der entsprechenden Möglichkeit ergebenden Beeinträchtigungen im ausreichenden Maße Eingang in die gesetzliche Normierung gefunden haben. Somit ist die mögliche neue Qualität von kumulierten Maßnahmen das entscheidende Kriterium, anhand dessen eine Bewertung zu erfolgen hat. Dabei ist insbesondere davon auszugehen, dass die Möglichkeit einer Verletzung des Kernbereichs privater Lebensgestaltung435 oder einer Totalausforschung436 gesehen werden muss und durch entsprechende Regelungen weitgehend auszuschließen ist bzw. bei ausnahmsweise dennoch erfolgter Verletzung Vorkehrungen vor allem zum Abbruch der Maßnahme bzw. zur 432 So BGHSt 46, 266; s. aber zu Bedenken bezüglich des Bestimmtheitsgebotes unter 5. Kapitel B.I.4.b). 433 BVerfGE 17, 306 (314); 37, 132 (142); 84, 133 (149); NJW 2005, 1338 (1339). 434 Vgl. auch Art. 6 EMRK; s. Meyer-Goßner, StPO, Einleitung Rdnr. 19. 435 s. unter 4. Kapitel E.I. 436 s. unter 4. Kapitel E.II.

B. Eingriffsermächtigungen für kumulative Überwachung

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Unverwertbarkeit oder Löschung der Daten getroffen sein müssen.437 Nur sofern solche Bestimmungen gerade mit Blick auf die Kumulation zu finden sind, kann die grundsätzliche Gefährdung eines Betroffenseins des Menschenwürdegehalts der jeweils einschlägigen Persönlichkeitsgrundrechte hingenommen werden.438 Entsprechende Kriterien werden auch durch die Europäische Menschenrechtskonvention aufgestellt, die in Deutschland den Rang eines einfachen Gesetzes einnimmt.439 Der Inhalt der Konvention und auch die Judikatur des Europäischen Gerichthofs für Menschenrechte sind bei Auslegung des Grundgesetzes zu berücksichtigen.440 Beachtlich für die Beurteilung des Einsatzes kumulativer Ermittlungsmaßnahmen und insbesondere für die Ansprüche an die ermächtigenden Gesetzesgrundlagen ist vor allem Art. 8 EMRK. Art. 8 EMRK gewährleistet den Anspruch auf Achtung des Privatlebens, des Familienlebens, der Wohnung und der Korrespondenz. Alle vier sich überschneidenden Garantiebereiche sind durch den Einsatz kumulativer Ermittlungsmaßnahmen betroffen. Entsprechend den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die Genauigkeit der Bestimmtheit des ermächtigenden Gesetzes441 stellt auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte besonders hohe Ansprüche, sofern die Nutzung geheimer Maßnahmen in Rede steht.442 Diese Maßstäbe sind aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit und Verknüpfung heimlicher und kumulativer Informationsbeschaffungsmaßnahmen übertragbar. Zum einen geht eine Kumulation mehrerer Maßnahmen häufig mit der Nutzung heimlicher Methoden einher. Zum anderen besteht gerade beim Einsatz vieler Maßnahmen zur Informationsgewinnung die Gefahr tiefgehender Privatheitsbeeinträchtigungen, die zum Teil aufgrund der Komplexität der Methoden, mit denen die relevanten Informationen erlangt wurden, vom Betroffenen nicht umfassend wahrgenommen werden können und daher den Auswirkungen von heimlichen Maßnahmen partiell entsprechen. Demgemäß unterliegt auch das systematische Sammeln und Speichern von Daten den strengeren Kriterien. Da keine expliziten Regelungen zur Einbeziehung von Maßnahmenkumulation bestehen, könnten sich die notwendigen Begrenzungen der diesbezüglichen Kompetenzen der Strafverfolgungsbehörden nach bestehender Rechts437 Vgl. betreffend akustischer Wohnraumüberwachung BVerfG NJW 2004, 999 (1003, 1007). 438 s. zur entsprechenden Wertung bezüglich der akustischen Wohnraumüberwachung BVerfG NJW 2004, 999 (1007). 439 Vgl. Grabenwarter, Europäische Menschrechtskonvention, § 3 Rdnr. 6. 440 BVerfGE 74, 358 (370), s. auch Limbach EuGRZ 2000, 417 (418). 441 BVerfGE 17, 306 (314); 33, 367 (377); 86, 288 (311). 442 EGMR Valenzuela Contreras/Spanien, OJZ 1999, 510 ff.; Kruslin und Huvig/ Frankreich, ÖJZ 1999, 571 f.; Malone/Großbritannien, EuGRZ 1985, 15.

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5. Kap.: Gesetzliche Grundlagen für eine Kumulation

lage nur aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben, der bei jeder Einzelmaßnahme Anwendung findet.443 Grundsätzlich kann ein Ausgleich widerstreitender Interessen und somit auch die Etablierung eines ausreichenden Schutzes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen werden. Insofern gewähren die einzelnen Regelungen eine Absicherung der Rechte bezogen auf die jeweiligen Arten der Maßnahmen, die Möglichkeit einer hinreichenden Bezugnahme auf die Besonderheiten einer Kumulation sind jedoch fraglich. Ausgehend davon, dass die Regelungen nicht unklar bleiben dürfen und bei Eingriffen in die Rechtssphäre des Einzelnen dem Ermessen der Verwaltung klare Grenzen gesetzt werden müssen,444 ist zu konstatieren, dass entsprechende notwendige – gesetzlich und auch von der Judikatur entwickelte – Vorgaben fehlen und aufgrund der Komplexität und Verschiedenartigkeit der Konstellationen auch nicht aus allgemeinen Verhältnismäßigkeitserwägungen abgeleitet werden können. Eingriffe sind aber nur dann zu rechfertigen, wenn sich die speziellen, abgrenzbaren Lebensbereiche, in die eingegriffen werden soll, aus den genauen tatbestandlichen Anforderungen klar ergeben.445 Unklar und insoweit zu unbestimmt bleibt bei den Regelungen bezüglich der Einzelmaßnahmen, unter welchen konkreten Voraussetzungen die Kumulation verschiedener Ermittlungsmaßnahmen gerechtfertigt bzw. nicht mehr gerechtfertigt ist und welche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind. Ergibt sich die Beurteilung, wann keine weiteren Maßnahmen mehr erfolgen dürfen oder unter welchen Umständen durchgeführte Maßnahmen abzubrechen sind, lediglich aus einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, so wird den Exekutivorganen ein sehr breiter Ermessenspielraum eingeräumt, der den Bestimmtheitsanforderungen nicht entsprechen kann. Dies gilt umso mehr, wenn das Ermessen der Exekutivbehörden bei schwerwiegenden Eingriffen nicht durch eine unabhängige, richterliche Kontrolle eingegrenzt wird und die notwendige Berechenbarkeit aufgrund eines mangelnden objektiven Überblicks unter Einbeziehung aller Maßnahmen nicht sichergestellt wird.446 Ein Rückgriff auf die Verhältnismäßigkeitsbeurteilung im Rahmen der einzelnen Bestimmung kann nur dann ausreichend sein, wenn – wovon der Bundesgerichtshof und das OLG Düsseldorf ausgehen447 – der zu bewertende 443 So BVerfG NJW 2005, 1338 (1341); BGHSt 46, 266 (276 f.); OLG Düsseldorf NStZ 1998, 268 (269 f.). 444 v. Mangold/Klein/Stark-Sommermann, GG Band 2, Art. 20 Abs. 3 Rdnr. 279. 445 Vgl. Böckenförde, Die Ermittlung im Netz, S. 128. 446 v. Mangold/Klein/Stark-Sommermann, GG Band 2, Art. 20 Abs. 3 Rdnr. 279.

B. Eingriffsermächtigungen für kumulative Überwachung

127

Sachverhalt den tatbestandlichen Voraussetzungen entspricht, mithin im konkreten Fall keine neue Qualität durch das Zusammentreffen der Maßnahmen angenommen wird. Da dies jedoch nach obigen Erwägungen als unzutreffend abzulehnen ist und die tatbestandliche Ausgestaltung der einzelnen Normen eine veränderte Qualität auch nicht berücksichtigt, kann es auf Erwägungen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht mehr ankommen. Der Schutzfunktion werden die Regelungen somit grundsätzlich weder für gleichartige noch für verschiedenartige Maßnahmen gerecht.448 Anderes könnte nur für den Fall gelten, dass mehrere gleichartige Maßnahmen innerhalb einer einzelnen Anordnung bestimmt wurden. Obwohl auch für diesen Fall keine expliziten besonderen Regelungen vorgesehen sind, ergibt sich doch aus der Eingliederung aller Maßnahmen in eine einzelne Anordnung die Möglichkeit einer umfassenden Gesamtabwägung und entsprechenden Beurteilung einer etwaigen neuen Qualität im Rahmen der Verhältnismäßigkeit der Anordnung. Jedoch sind auch in dieser Konstellation die gesetzlichen Vorkehrungen zum Schutz vor Eingriffen in den absolut geschützten Bereich als unzureichend anzusehen. Trotz der Möglichkeit einer Abwägung und Gesamtbetrachtung fehlt zum einen eine für alle Maßnahmen geltende richterliche Überprüfungsmöglichkeit und zum anderen fehlen auf der Ebene der tatbestandlichen Voraussetzungen klare Vorschriften zu solchen Verfahrensweisen, die Eingriffe in die Menschenwürde verhindern, wie Regelungen zum Abbruch bzw. Aussetzen einzelner der gleichzeitig angeordneten Maßnahmen. Besteht allerdings bei der Anordnung verschiedenartiger Maßnahmen der Sinn einer speziellen Maßnahme ausschließlich darin, eine andere vorzubereiten und zielen beide Maßnahmen letztlich auf die gleiche Art der Informationsgewinnung ab, so kann hierin eine Ausnahme von der Regel der Notwendigkeit einer zusätzlichen Normierung erblickt werden. Die Ausrichtung der konkreten Maßnahme gerade auf diesen Zweck hin enthält – sofern die jeweiligen tatbestandlichen Anforderungen grundsätzlich erfüllt sind – die Befugnis einer kumulativen Anordnung zusammen mit der Folgemaßnahme. Soweit rechtliche Bedenken betreffend die mangelnde Einbeziehung von Vorkehrungen zur Verhinderung von Eingriffen in den Menschenwürde447 Vgl. aber BGHSt 46, 266 (276 f.); OLG Düsseldorf NStZ 1998, 268 (269 f.); für den konkreten Fall auch BVerfG NJW 2005, 1338 (1341). 448 Bei einer Verknüpfung verschiedenartiger Maßnahmen ist dabei von einer erhöhten Schutzbedürftigkeit auszugehen, da sich durch die Unterschiedlichkeit der Überwachungs- und Erkenntnismodalitäten die Gefährdungen für Beeinträchtigungen des absoluten Schutzbereiches beträchtlich erhöhen. Vgl. unter 4. Kapitel E.IV.2.

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5. Kap.: Gesetzliche Grundlagen für eine Kumulation

gehalt der betroffenen Grundrechte nicht bestehen, da die Kumulation der Maßnahmen im konkreten Fall nicht zu einer Wahrscheinlichkeit von Kernbereichseingriffen oder von Totalausforschung führt, sind dennoch Bestimmtheitsanforderungen an Normen zu stellen, die unterschiedliche Beeinträchtigungsstärken berücksichtigen und insoweit den Rahmen für Verhältnismäßigkeitserwägungen bereits auf der Tatbestandsebene abgrenzen. Auch in diesen Fällen ist ein zu breiter Ermessensspielraum auf Seiten der Exekutivorgane bedenklich, da sich zum Teil sehr unterschiedliche Eingriffsintensitäten ergeben können, die einer verallgemeinerten und verobjektivierten Abwägung mit der Deliktsschwere bzw. dem Nutzen der konkreten Maßnahmen bedürfen. Stellt man zudem auf die veränderte Gesamtlage der Überwachungs- und Ermittlungssituation durch gesellschaftliche Entwicklungen ab,449 so vermag die exponierte Stellung personenbezogener Informationen den Schutzgedanken in verstärktem Maße in den Vordergrund treten zu lassen. Die Wertentscheidung der Rechtsordnung und insbesondere der Verfassung gebietet es daher, die Normen dergestalt verfassungskonform auszulegen, dass sie ihrer Schutzfunktion in ausreichendem Maße gerecht werden und insoweit nicht auf Sachverhalte ausgedehnt werden, die sie in Ermangelung einer spezifischen Regelungsdichte nicht erfassen können. Die Kumulation qualifizierter Maßnahmen ist daher nicht von den Vorschriften der Einzelmaßnahmen gedeckt. 5. Zusammenfassung Bezüglich der Zulässigkeit einer Maßnahmenkumulation durch die in der Strafprozessordnung vorgesehenen Regelungen zur Ermächtigung einzelner Maßnahmen ergibt sich folgendes Gesamtbild: Wird nur eine Maßnahme angeordnet, so ist auch bei einer Verlängerung der jeweiligen Maßnahme grundsätzlich keine qualitative Änderung gegenüber den bereits in den einzelnen Vorschriften vorgesehenen Eingriffen anzunehmen. Ergibt sich aus der Verlängerung dennoch eine etwaige Änderung der Eingriffsqualität, sofern aufgrund der zeitlichen Verschiebung eine Vergleichbarkeit mit der Grundmaßnahme nicht mehr gegeben ist und in der jeweiligen Vorschrift keine zeitliche Begrenzungskomponente vorgesehen ist, obwohl es sich vom Grundsatz her um eine Maßnahme mit zeitlicher Relevanz handelt, so werden diese qualitativen Änderungen bei Obser449 Dies betrifft zum einen den allgemein veränderten Stellenwert von Daten im Rahmen einer Entwicklung hin zu einer Informationsgesellschaft. s. weiterführend unter 7. Kapitel A.I., zum anderen aber auch Kontrollstrategien betreffende Änderungen, s. näher unter 7. Kapitel A.II.

B. Eingriffsermächtigungen für kumulative Überwachung

129

vationsmaßnahmen durch § 163f StPO erfasst. Insoweit sind die gesetzlich bestehenden Regelungen als ausreichend anzusehen. Die Konstellation einer Anordnung mehrerer gleichartiger einfacher Maßnahmen führt grundsätzlich nicht zu einer anderen Qualität gegenüber den Einzelmaßnahmen. Entsprechend sind – zum Teil auch gedeckt durch den Wortlaut – die §§ 161, 161a, 163, 163a StPO als Rechtsgrundlage auch bei mehreren Anordnungen ausreichend. Werden mehrere gleichartige qualifizierte Maßnahmen angeordnet, so ist sowohl im Falle der Ermächtigung hierzu in einer Anordnung oder Verfügung als auch für den Fall der Aufteilung auf mehrere Anordnungen eine unzureichende Berücksichtung der kumulationsspezifischen Kriterien anzunehmen. Bei der Anordnung mehrerer verschiedenartiger Maßnahmen ist zu unterscheiden zwischen einer Kombination verschiedener einfacher Maßnahmen, für die §§ 161, 161a, 163, 163a StPO als Rechtsgrundlage hinreichend ist, und einer Anordnung von einfachen Maßnahmen und einer einzelnen qualifizierten Maßnahme, für die die jeweilig einschlägige Spezialnorm und die §§ 161, 161a, 163, 163a StPO zureichende Ermächtigungsgrundlagen sind. Werden hingegen mehrere verschiedenartige qualifizierte Maßnahmen kumulativ angeordnet, ist diese Vorgehensweise nicht von den jeweiligen Spezialermächtigungen gedeckt. Ausnahmen bilden Normen zur Legitimierung von Maßnahmen, die ausschließlich der Vorbereitung einer anderen Maßnahme dienen und darüber hinaus keine weitergehenden Erkenntnisse erbringen.450 Diese Maßnahmen sind von den jeweiligen Einzelnormen – vorbehaltlich ihrer sonstigen Verfassungsmäßigkeit –451 grundsätzlich gedeckt.

II. § 163f StPO Mit der Einführung des § 163f StPO452 wurde eine Regelung geschaffen, die eine planmäßige Beobachtung im Sinne einer längerfristigen Observation ermöglichen soll. Aufgrund der Nähe zur gehäuften Verwendung von Ermittlungsmaßnahmen zur Erreichung eines systematischen Informationsgebildes könnte eine entsprechende Anwendung zumindest für einige vergleichbare Fälle in Betracht kommen. Der parallele Ausgangspunkt ist der verstärkte Eingriff in Grundrechte durch eine intensivierte Überwachung. Der grundsätzliche Anwendungsbereich des § 163f StPO bezieht sich auf 450 Zu fordern ist hier allerdings, dass sich die gesetzliche Regelung betreffend die Vorbereitungsmaßnahme explizit auf die zu fördernde Maßnahme bezieht. 451 s. betreffend § 100c Abs. 1 Nr. 3 BVerfG NJW 2004, 999. 452 BGBl. I 2000, 1253.

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5. Kap.: Gesetzliche Grundlagen für eine Kumulation

die durch eine zeitliche Ausdehnung der Observation gesteigerte Eingriffsintensität. Diese zeitliche Komponente kann sowohl durch eine Observation von durchgehend länger als 24 Stunden als auch durch eine an mehr als zwei Tagen stattfindende Beobachtung bestimmt sein. In beiden Fällen bestehen durchaus Überschneidungen mit der kumulativen Anwendung von Ermittlungsmaßnahmen, da auch hier zum Teil von einer durchgehenden Beobachtung oder zumindest von einer sich auf verschiedene Tage beziehenden Observation auszugehen ist. Jedoch ist die Schnittmenge eher zufällig, da eine Vielzahl der zu Grunde liegenden Merkmale der Konstellationen nicht übereinstimmen. So ist zunächst auf die Art der zu erlangenden Informationen abzustellen. Während § 163f StPO allein eine mögliche Veränderung der Informationen bezüglich ihrer Zuordnung zum Lebensbereich wegen der Dauer der Überwachung betrifft,453 sind bei einer Kumulation die Einflussfaktoren vielfältiger. Neben der Dauer muss sich eine Regelung auch auf die Art der Ermittlungsmaßnahmen und die Art der Kombination beziehen. Insoweit bestehen grundsätzlich Unterschiede zwischen der Kumulierung gleichartiger und verschiedenartiger Maßnahmen. Zudem ist der Anwendungsbereich des § 163f StPO explizit auf die Beobachtung bzw. Observation beschränkt. Sonstige Ermittlungsmaßnahmen, die gerade durch technische Entwicklungen der vergangenen Jahre ebenfalls ein erhöhtes Gefährdungspotenzial bezogen auf ihre Kumulation haben, finden keine Beachtung. Dies gilt insbesondere für Maßnahmen, bei denen die Dauer nicht oder nur von sekundärer Bedeutung ist. So hat beispielsweise die Beschlagnahme von Datenträgern grundsätzlich keine zeitliche Komponente, kann aber dennoch in Kombination mit anderen oder auch gleichartigen Maßnahmen zu einer Verletzung des absoluten Schutzbereichs führen. Ähnliche Erwägungen betreffen den Umfang der Datenerlangung. Auch hier ist nicht nur die Dauer der Maßnahmen, sondern auch die Art und die Kombinationsvarianten – z. B. Nutzung technischer Mittel – entscheidend. Letztlich finden Aspekte der Datenzusammenstellung durch Verarbeitung und Verwendung und auch die sich hieraus ergebenden Missbrauchsmöglichkeiten keinen Eingang in die Normierung des § 163f StPO. Insgesamt ist eine abstrakte Vergleichbarkeit der Konstellationen bezüglich der Dauer von Maßnahmen und ihrer Kumulation gegeben. Das betrifft vor allem die Notwendigkeit einer sich explizit darauf beziehenden Regelung. Jedoch sind die konkreten Kriterien, die diese Regelungsnotwendig453 Hier liegen eher Parallelen zur unechten Kumulation, s. auch unter 4. Kapitel E.IV. am Anfang, aber auch zur Kumulation gleichartiger Maßnahmen, s. unter 4. Kapitel E.IV.1.

B. Eingriffsermächtigungen für kumulative Überwachung

131

keit bedingen, sehr unterschiedlich. Eine entsprechende Anwendung des § 163f StPO auf die Kumulation von Maßnahmen ist daher nicht möglich.

III. Übersicht Die Bewertung der bestehenden Regelungen der Strafprozessordnung als Rechtsgrundlagen für die Kumulation für Ermittlungsmaßnahmen führt zu folgenden Ergebnissen: Einschlägige Rechtsgrundlagen der StPO für Maßnahmenkumulation Art der Maßnahmenkumulation

einschlägige Rechtsgrundlage der StPO

Unechte Kumulation (verlängerte Durchführung einzelner Maßnahmen)

Maßnahmenspezifische Einzelvorschriften bzw. §§ 161, 161a, 163, 163a ggf. in Kombination mit § 163f.

Kumulation mehrerer einfacher Maßnahmen (sowohl gleichartiger als auch verschiedenartiger Natur)

§§ 161, 161a, 163, 163a

Kumulation einfacher Maßnahmen und einer qualifizierten Maßnahme

Maßnahmenspezifische Einzelvorschriften und §§ 161, 161a, 163, 163a

Kumulation gleichartiger qualifizierter Maßnahmen durch eine einzelne oder mehrere Anordnungen

In Ermangelung von Regelungen zur Verhinderung von Eingriffen in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung bzw. zur Totalausforschung nicht umfassend durch Vorschriften der StPO gedeckt

Kumulation verschiedenartiger qualifizierter Maßnahmen

In Ermangelung von Regelungen zur Verhinderung von Eingriffen in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung bzw. zur Totalausforschung nicht umfassend durch Vorschriften der StPO gedeckt

Kumulation verschiedenartiger Maßnah- Jeweilige maßnahmespezifische Einzelmen mit gesetzlich ausgestaltetem Bezug vorschriften zueinander ohne über den Bezug hinausgehenden Erkenntniswert

6. Kapitel

Rechtliche Bewertung kumulativer Überwachungsmaßnahmen Die Feststellung, dass bezogen auf die Kumulierung von Ermittlungsmaßnahmen der in der Strafprozessordnung existierende Regelungsapparat den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht in vollem Umfang entspricht, führt zur Notwendigkeit einer rechtlichen Bewertung der Konstellationen, in denen von einer nicht ausreichenden Rechtsgrundlage auszugehen ist. Dabei ist zunächst die bestehende Rechtslage zu untersuchen, um sodann etwaige verfahrensrechtliche Schlussfolgerungen bei kumulativen Anordnungen bestimmter Ermittlungsmethoden zu ziehen Anschließend sind den gesetzten Vorgaben entsprechende Regelungen zu skizzieren und zu bewerten. Einleitend wird zunächst die Judikatur des Bundesgerichtshofes und des Bundesverfassungsgerichts dargestellt, die sich aus konkretem Anlass der Frage der Rechtmäßigkeit einer Kumulation und der Verwertbarkeit hieraus folgender beweiserheblicher Tatsachen zugewandt haben.

A. Die Judikatur des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts Die Frage, welche rechtlichen Schlussfolgerungen aus der kumulativen Anwendung verschiedener Ermittlungsmethoden gezogen werden sollten, wurde vom Bundesgerichtshof anlässlich des so genannten GPS-Urteils454 behandelt und weitestgehend vom Bundesverfassungsgericht455 bestätigt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf456 verurteilte den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in vier Fällen sowie wegen Verabredung hierzu in Tateinheit mit der Vorbereitung eines Explosionsverbrechens zu einer Freiheitsstrafe von dreizehn Jahren. Der Angeklagte rügte neben der grundsätzlichen Unzulässigkeit des Einsatzes des Global Positioning Systems auch den Man454 455 456

BGHSt 46, 266. BVerfG NJW 2005, 1338 (1340 f.). OLG Düsseldorf StV 1998, 170.

A. Judikatur des Bundesgerichtshofs und Bundesverfassungsgerichts

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gel einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage für die Gesamtheit der eingesetzten Mittel. Der Bundesgerichtshof führte hierzu aus, dass – wie bereits das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 12. Dezember 1997457 geurteilt hatte – die einzelnen Maßnahmen formell- und materiellrechtlich von entsprechenden Eingriffsnormen gedeckt waren. Eine darüber hinaus gehende Qualität durch ein Zusammentreffen mehrerer Ermittlungsmethoden könne nicht angenommen werden. Eine entsprechende Wertung folge weder aus der StPO, die hierfür keine „gesonderte übergreifende richterliche Zuständigkeit“ vorsehe, noch aus der Verfassung, da sich keine Qualitätsänderung bezüglich des Grundrechtseingriffes und auch keine Verkürzung des Rechtsschutzes ergebe458. Vielmehr soll nach Ansicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf und des Bundesgerichtshofes bei der Anordnung der einzelnen Überwachungsmaßnahmen eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit auch gerade unter Einbeziehung anderer – isoliert betrachtet rechtmäßiger – Maßnahmen angebracht sein. In die Abwägung wird die Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die Summe der Maßnahmen und explizit auch das Gewicht der aufzuklärenden Straftat eingestellt.459 Das Bundesverfassungsgericht fordert mit „Rücksicht auf das dem additiven Grundrechtseingriff innewohnende Gefährdungspotenzial“ „besondere Anforderungen an das Verfahren“, lässt jedoch ebenfalls eine Abwägung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ausreichen.460 Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht und gegen Art. 8 EMRK wurden – ebenso wie die rechtlichen Folgen hieraus – ausdrücklich offengelassen. Für den konkreten Fall wurde eine entsprechende Intensität461 des Eingriffs verneint.

457 458 459

NStZ 1998, 268; StV 1998, 170. BGHSt 46, 266, 276. Zustimmend Geppert, JK 2001, StPO § 100c/4; kritisch Kühne, JZ 2001,

1148. 460

BVerfG NJW 2005, 1338 (1341). Angeordnete Maßnahmen: videotechnische Überwachung des Zugangsbereichs der Wohngebäude mit Schwerpunkt am Wochenende; Abhören des Betriebsfunks der Firma A, an dem der Mitangeklagte S teilnahm; Überwachung der Telefonanschlüsse der Mutter des Angeklagten und der Eltern des Mitangeklagten S; Abhören des gesprochenen Wortes im PKW des Mitangeklagten S und der Mutter des Angeklagten (wurde nicht ausgeführt); Ausschreibung der Angeklagten und der benutzen Autos zur Beobachtung; GPS-Überwachung des Kraftfahrzeuges des Mitangeklagten S. 461

134

6. Kap.: Rechtliche Bewertung kumulativer Überwachungsmaßnahmen

B. Der Umgang mit Maßnahmenkumulation Ausgangslage für den rechtlichen Umgang mit Maßnahmenkumulation ist – entgegen der konkreten Beurteilung des Bundesgerichtshofes – die Möglichkeit der Entstehung einer neuen Qualität des Grundrechtseingriffs. Basierend auf der Prämisse, dass dieser möglichen qualitativen Änderung in der Strafprozessordnung nicht ausreichend Rechnung getragen wurde und auch unterhalb der konkreten Qualitätsänderung Defizite bezüglich der Normenausgestaltung im Falle der Kumulation bestehen, ist zu klären, wie mit den dennoch auf entsprechende Weise – und somit folglich rechtswidrig – erlangten Daten verfahren wird. Mittelpunkt der Betrachtung sind daher etwaige Beweisverbote.

I. Beweisverbote: Allgemeines Beweisverbote sind Ergebnisse eines Abwägungsprozesses zwischen der Effizienz der Strafverfolgung – im Sinne einer Überführung möglichst vieler als Straftäter beurteilter Personen – und dem Schutz der individuellen Grundrechte der Bürger. Nicht Wahrheitsermittlung um jeden Preis kann Ziel der Regelungen bezüglich Strafverfolgung sein,462 sondern die Bewahrung der Bürger auf der einen Seite vor Übergriffen anderer durch Straftaten, auf der anderen Seite aber auch vor zu weitgehenden Eingriffen durch die Strafverfolgungsbehörden. Insbesondere letzteres spielt, wenn es um die Kumulation einer Vielzahl von zum Teil sehr einschneidenden Ermittlungsmaßnahmen geht, eine entscheidende Rolle. Beweisverbote sind daher zur Eingriffsverhinderung bzw. Eingriffsvertiefungsverhinderung unverzichtbar und stellen ein elementares Instrument zur Wahrung vorrangiger Werte gegenüber der Aufklärungspflicht dar.463 Somit ist aufzuzeigen, welche Verbote bezogen auf die Kumulation von Informationsbeschaffungsmaßnahmen anzunehmen und wie diese konkret auszugestalten sind.

II. Beweiserhebungsverbot Ein Beweiserhebungsverbot für bestimmte Ausprägungen der Kumulation von Informationserhebungsmethoden ergibt sich unmittelbar aus dem Grundgesetz.464 Im Sinne eines Beweismethodenverbotes465 sind Maßnahmen, die in unzulässiger Weise in Grundrechte eingreifen, von Anfang an nicht gestattet. Die Unzulässigkeit ergibt sich entweder direkt aus einem 462 463 464

s. schon BGHSt 14, 358 (365). Eisenberg, StPO, Rdnr. 330. Vgl. im Allgemeinen BVerfGE 34, 238 (245 ff); 35, 202 (218 ff.).

B. Der Umgang mit Maßnahmenkumulation

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nicht zu rechtfertigenden Eingriff in den Kernbereich privater Lebensgestaltung bzw. einer Informationserhebung, welche qualitativ den Voraussetzungen einer – ebenfalls unter allen Umständen unzulässigen – Totalausforschung entspricht oder aus einem Mangel an gesetzlich ausreichenden Bestimmungen betreffend die Konkretisierung einer durch Maßnahmenkumulation entstehenden Verstärkung des Eingriffs, welche über die Intensität der Einzeleingriffe hinausgeht. Im letzteren Fall vermag eine gesetzliche Regelung bestimmte Eingriffe trotz Erreichung einer veränderten Intensität zu legitimieren, sofern sie den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Unzulässig ist somit die Erhebung von Informationen durch Maßnahmen, welche in ihrer Gesamtheit wahrscheinlich zu einem Eingriff in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung oder einer Totalausforschung führen. Bei Erreichen dieser qualitativen Neubewertung ist es für die Frage, ob ein Beweiserhebungsverbot besteht, irrelevant, inwieweit eine mögliche Rechtsgutsverletzung gegen andere Interessen abgewogen werden könnte. Somit wäre eine entsprechende Maßnahmenkumulation auch dann unzulässig, wenn sie der Aufklärung einer Straftat von erheblicher Bedeutung dienen würde.

III. Beweisverwertungsverbot Werden dennoch in unzulässiger Weise Daten erhoben, können sie einem Beweisverwertungsverbot unterliegen. In Ermangelung einer expliziten gesetzlichen Regelung ist die Annahme eines Verbotes, die ermittelten Informationen zum Gegenstand der Beweiswürdigung und Urteilsfindung zu machen, jedoch nicht zwangsläufig.466 Vielmehr bedarf es grundsätzlich einer Abwägung im Einzelfall, wann das Individualinteresse das Strafverfolgungsinteresse unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes überwiegt.467 Ausgenommen von dieser Abwägungsregel sind Eingriffe in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung und dem gleichgestellt Eingriffe im Sinne einer Totalausforschung. Informationen, die sich 465 s. zur Systematik von Beweiserhebungsmethoden Eisenberg, StPO Rdnr. 336 ff.; Kühne, Strafprozessrecht, Rdnr. 880 ff.; Meyer-Goßner, StPO, Einl. Rdnr. 51 ff.; Roxin, Strafverfahrensrecht, S. 180 Rdnr. 14 ff. 466 BVerfG NJW 2000, 3557; BGHSt 33, 83 (83); 44, 243 (248 f.). 467 Vgl. nur BGHSt 38, 214 (219 f.); 42, 170 (174); Meyer-Goßner, StPO, Einleitung Rdnr. 55: Rogall, JZ 1996, 944 (947 f.). Eine Abwägung auf der Grundlage des Verfahrenszwecks der Norm und der Beeinträchtigung der Rechtspositionen des Betroffenen bei ihrer Verletzung wird indes von nicht unerheblichen Bedenken begleitet. Vgl. Eisenberg, StPO, Rdnr. 367; Kühne, Strafprozessrecht, Rdnr. 908; Müssig, GA 1999, 119 (139 ff.). s. allgemein zu den vertretenen Ansätzen Eisenberg, StPO, Rdnr. 364 ff.

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6. Kap.: Rechtliche Bewertung kumulativer Überwachungsmaßnahmen

aus entsprechenden Eingriffen ergeben, unterliegen stets einem Verwertungsverbot, da ein Verlust jeglichen Grundrechtsschutzes aufgrund der mutmaßlichen Begehung einer Straftat aus rechtstaatlicher Sicht in keinem Fall zu tolerieren ist.468 Bedenken bezüglich einer möglichen Aufweichung des Grundrechtsschutzes im Rahmen von einzelfallbezogenen Definitionsbemühungen sind indes von Gewicht. Insbesondere die Verknüpfung der Kernbereichsdefinition mit der aufzuklärenden Tat ist eine dringend zu korrigierende Fehlentwicklung.469 Für alle unterhalb dieser Schwelle liegenden Beeinträchtigungen bedarf es eines zusätzlichen Einstellens weiterer Faktoren in die Abwägung, inwieweit eine Manifestierung und Vertiefung des Eingriffs durch die Verwertung der Informationen zulässig sein kann. Zum einen betrifft dies die Schwere des Eingriffs, welche sich aus der Nähe zum Kernbereich privater Lebensgestaltung oder aus der Breite der erlangten Informationen – jeweils abhängig von den Bedingungen des konkreten Einzelfalls – ergibt. Ebenso muss in die Abwägung die bei der Anordnung der Maßnahmen bestehende Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des absoluten Schutzbereichs einfließen. War die Wahrscheinlichkeit bereits zum Anordnungszeitpunkt sehr hoch, spricht dies für eine Inkaufnahme bestimmter tieferer Beeinträchtigungen. Dementsprechend sind auch die diesbezüglichen Intentionen der Strafverfolgungsbehörden beachtlich.470 Zum anderen ist vor allem die Schwere der mutmaßlich begangenen Straftat entscheidungsrelevant bzw. das sich daraus ergebende berechtigte öffentliche Interesse an der Aufklärung und die Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege471 sowie die Erheblichkeit des Beweismittels im Strafprozess.472 Zur Vermeidung von grenzwertigen Grundrechtsverletzungen sind neben der absoluten Schutzgrenze auch für die Abwägung klare Kriterien einzuhalten. Dies betrifft insbesondere eine umfassende Begründungspflicht der jeweiligen Anordnungen bzw. das sich aus einer mangelhaften Begründung ergebende Indiz der Unverwertbarkeit. Bei rechtswidrigen Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder entsprechender Spezialgrundrechte im nicht nur peripheren Bereich sind an eine mögliche Verwertung sehr hohe Anforderungen zu stellen. Im Zweifel kann auch eine außerordentlich schwer wiegende strafbare Handlung – auch bei Eingriffen unterhalb einer Beeinträchtigung des absolut geschützten Bereichs – nicht in allen Fällen als Legitimation zur Verwertung dienen. 468

s. nur Eisenberg, StPO, Rdnr. 390. s. hierzu die so genannte Tagebuchentscheidung BVerfGE 80, 367 ff.; vgl. Eisenberg, StPO, Rdnr. 392; s. auch unter 4. Kapitel E.I. 470 s. hierzu auch Eisenberg, StPO, Rdnr. 363. 471 s. zur Wertigkeit der funktionstüchtigen Strafrechtspflege auch BVerfGE 38, 312 (321); 46, 214 (222); 77, 65 (76); 80, 367 (375). 472 Vgl. BVerfGE 80, 367 (378 f.); BGHSt 34, 397 (401). 469

C. Forderungen de lege ferenda

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Somit ist bereits auf der Grundlage der bestehenden rechtlichen Regelungen von einem absoluten Beweisverwertungsverbot für Eingriffe in den absolut geschützten Bereich auszugehen. Ein Abwägungserfordernis zwischen den entgegenstehenden Interessen besteht für die Beweisverwertung dann, wenn durch die Kumulation von Ermittlungsmaßnahmen eine Beeinträchtigung stattgefunden hat, die über den Grad der Beeinträchtigung der einzelnen Maßnahmen hinausgeht.

C. Forderungen de lege ferenda Bereits aus den Ausführungen zur bestehenden Rechtslage ergeben sich eine Vielzahl von Forderungen im Hinblick auf die Schaffung eines rechtlichen Zustandes, der eine ausreichende, alle verfassungsrechtlichen Aspekte berücksichtigende Grundlage für die Anordnung und Durchführung mehrerer qualifizierter Ermittlungsmethoden darstellt. Dabei sind insbesondere verfassungsrechtliche Vorgaben, wie die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, das Bestimmtheitsgebot und das Verhältnismäßigkeitsprinzip bzw. das Übermaßverbot zu berücksichtigen. Diese vorgegebenen Wertentscheidungen bedürfen einer speziellen Umsetzung für den Bereich kumulativer Verwendung von Ermittlungsmethoden zur Informationsbeschaffung durch die Nutzung bestimmter strafverfahrensrechtlicher Instrumentarien. Die Strafprozessordnung bietet dabei verschiedene Möglichkeiten zur Begrenzung von Grundrechtseingriffen. Die folgende Darstellung der einzelnen Mittel orientiert sich daher an ihrem Nutzen zur Durchsetzung der erwähnten verfassungsrechtlichen Vorgaben.

I. Richtervorbehalt Ob bzw. unter welchen Voraussetzungen eine gesonderte übergreifende richterliche Zuständigkeit im Falle des Zusammentreffens mehrerer Überwachungsmaßnahmen notwendig ist, ist eng mit der Problematik der eigenständigen Qualität des Maßnahmenbündels verbunden.473 Inwieweit die Bewertung der – etwaig veränderten – Qualität der Maßnahme bei der Verbindung mit mindestens einer anderen Maßnahme Rückschlüsse bezüglich des Richtervorbehalts ermöglicht, ist anhand der durch den Gesetzgeber vorgenommenen Klassifikation verschiedener Eingriffe zu ermitteln.

473

s. unter 4. Kapitel E.

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6. Kap.: Rechtliche Bewertung kumulativer Überwachungsmaßnahmen

1. Der Richtervorbehalt als Kontrollinstrument der Strafprozessordnung Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass mit der Zunahme der Schwere des Eingriffs die Anforderungen an seine Voraussetzungen – und somit auch an die Person des Anordnungsberechtigten – steigen.474 In der Strafprozessordnung sind folgende qualifizierte Methoden zur originären Gewinnung von Beweismitteln einem richterlichen oder qualifiziert richterlichen Vorbehalt unterworfen: – – – – – – – – – – – –

– – –

– –

Körperliche Untersuchungen (§§ 81a Abs. 2, 81c Abs. 5 StPO), DNA-Analyse gemäß § 81e StPO (§ 81f Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO), Beschlagnahme (§ 98 Abs. 1 StPO), Rasterfahndung (§ 98b Abs. 1 Satz 1 StPO), Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation (§ 100b Abs. 1 StPO), Maßnahmen gemäß § 100c StPO, so genannter großer Lauschangriff (§ 100d Abs. 1 StPO), Maßnahmen gemäß § 100f Abs. 2 StPO, Einsatz eines IMSI-Catcher (§ 100i Abs. 4 Satz 1, § 100b Abs. 1 StPO), Durchsuchungen (§ 105 Abs. 1 StPO), Einsatz eines verdeckten Ermittlers in einer Wohnung oder einen bestimmten Beschuldigten betreffend (§ 110b Abs. 2 Nr. 2 StPO), Einrichtung von Kontrollstellen (§ 111 Abs. 2 StPO), Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung gemäß § 131a Abs. 3 StPO und die Veröffentlichung von Abbildungen zur Sachverhaltsaufklärung (§ 131c Abs. 1 Satz 1), Netzfahndung (§ 163d StPO), Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung (§ 163e Abs. 4 Satz 1 StPO), Erstmalige Anordnung einer längerfristigen Beobachtung (§ 163f Abs. 3 StPO). Der staatsanwaltschaftlichen oder polizeilichen Anordnung unterfallen: Datenabgleich mit sonstigen Daten im Rahmen der Strafverfolgung, Strafvollstreckung oder Gefahrenabwehr (§ 98c StPO), Technische Überwachung gemäß § 100f Abs. 1 StPO,

474 Kühne, Strafprozessrecht, Rdnr. 409; Lin, Richtervorbehalt und Rechtsschutz gegen strafprozessuale Grundrechtseingriffe S. 237.

C. Forderungen de lege ferenda

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– Einsatz eines verdeckten Ermittlers außerhalb einer Wohnung und nicht einen bestimmten Beschuldigten betreffend (§ 110b Abs. 1 StPO), – Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung gemäß § 131a Abs. 1 und 2 StPO (§ 131c Abs. 1 Satz 2 StPO), – Verlängerung einer längerfristigen Beobachtung (§ 163f Abs. 4 Satz 2 StPO). Stellt man die Ermittlungsmethoden mit unterschiedlichen Anordnungskompetenzen einander gegenüber, so werden die vom Gesetzgeber getroffenen und vom Grundgesetz zum Teil ausdrücklich vorgegebenen475 Wertungsunterschiede sichtbar. Insbesondere beim Betreffen verfassungsrechtlich besonders geschützter Rechtsgüter, wie der Wohnung oder der Güter des Art. 10 GG, sind Richtervorbehalte vorgeschrieben. Gleiches betrifft aber auch die als besonders intensiv geltenden Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, wie die Rasterfahndung oder der Einsatz technischer Mittel außerhalb von Wohnungen. 2. Theoretische Nutzbarkeit des Instituts des Richtervorbehalts für die kumulative Anordnung von Ermittlungsmaßnahmen zur Informationsbeschaffung Es stellt sich somit die Frage, ob einzelne Maßnahmen mit Anordnungskompetenzen bei der Staatsanwaltschaft für den Fall eines Zusammentreffens mit anderen staatsanwaltschaftlich oder richterlich angeordneten Maßnahmen einem Richtervorbehalt unterliegen müssen. Ein solcher Vorbehalt würde dann zusätzlich zu den existierenden richterlichen Anordnungskompetenzen mit einer speziellen Ausrichtung auf die Besonderheiten der Maßnahmenkumulation bestehen. Ausgenommen ist dabei die Kumulation mit rechtmäßigen Maßnahmen nach §§ 161, 161a, 163, 163a StPO, da in diesen Fällen nicht von einer Qualitätsänderung auszugehen ist. Sinn eines präventiven, auf die Kontrolle anderer Staatsorgane (in concreto der Staatsanwaltschaft und der Polizei) hinwirkenden Richtervorbehalts ist es, bereits im Vorfeld die Rechtmäßigkeit der Maßnahme sicherzustellen und so rechtswidrige Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen auszuschließen.476 Ihm kommt somit eine grundrechtssichernde Funktion zu.477 Der Grundrechtseingriff soll „messbar und kontrollierbar“ bleiben, was durch eine vorbeugende Kontrolle einer unabhängigen und neutralen 475

s. Art 13 Abs. 2; Art. 104 Abs. 2 u. Abs. 3 GG. s. nur BVerfGE 76, 83 (91); Beulke, ZStW 1991 (103), 655 (673); Anm. Fezer, NStZ 1999, 151 f.; Lin, Richtervorbehalt und Rechtsschutz gegen strafprozessuale Grundrechtseingriffe, S. 231; Maunz/Dürig-Herzog, GG, Art. 92 Rdnr. 39 f. 477 s. zu Art. 13 GG, BVerfGE 51, 97 (110). 476

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6. Kap.: Rechtliche Bewertung kumulativer Überwachungsmaßnahmen

Instanz erreicht werden kann.478 Dies betrifft sowohl die Ebene einer Überprüfung der einzelnen Tatbestandsmerkmale wie auch die Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Gerade wegen dieser vorbeugenden Sicherungsfunktion scheint ein Richtervorbehalt von großer Bedeutung für die Rechtmäßigkeit der Anordnung und Durchführung gebündelter Ermittlungsmaßnahmen, da er der Verhinderung von Eingriffen in den absolut geschützten Bereich der Lebensgestaltung dienlich sein könnte. Die theoretische Tauglichkeit dieses Instruments spiegelt sich vor allem in zwei sich überschneidenden Bereichen wider: zum einen in der angenommenen richterlichen Unabhängigkeit,479 welche gerade in Abgrenzung zu der exekutiven Einbindung der Staatsanwaltschaft und der Polizei zu einem erhöhten Maß an Überprüfungskompetenz führen soll. Diese Kompetenzverlagerung führt objektiv-rechtlich zu einer Mediatisierung der exekutiven Machtbefugnisse und subjektiv-rechtlich zu einer Stärkung des Grundrechtsschutzes aufgrund der besonderen Vertrauens- und Kompetenzstellung des Richters.480 Zum anderen wird der Richtervorbehalt theoretisch gerade der Besonderheit der Kumulation von Ermittlungsmaßnahmen gerecht, was die aus verfassungsrechtlicher Sicht unmögliche isolierte Betrachtung der einzelnen Maßnahmen angeht.481 Da auch der Betroffene nur begrenzt in die Lage versetzt wird, das konkrete Maß der Beeinträchtigung zu erkennen und entsprechende rechtliche oder tatsächliche Abwehrmaßnahmen hiergegen ergreifen zu können,482 kommt dem Richter als nicht in dem Maße in die Strategien der Staatsanwaltschaft und Polizei eingebundene Person483 insoweit die Funktion eines quasi von außen Überblickenden zu, der unabhängig von der konkreten einzelnen Maßnahme eine Gesamtbetrachtung und -abwägung vornehmen kann.484 478 Vgl. BVerfGE 103, 142 (151) mit Anm. Gusy, JZ 2001, 1031; Backes/Gusy, Wer kontrolliert die Telefonüberwachung?, S. 123. 479 Vgl. §§ 25, 39 DRiG. 480 Rabe von Kuhlewein, Der Richtervorbehalt im Polizei- und Strafprozessrecht, S. 414 f. 481 In dem der BGH-Entscheidung (BGHSt 46, 266) zu Grunde liegenden Sachverhalt ermangelte es gerade an der Kenntnis bezüglich der Gesamtheit der Maßnahmen. Vgl. Comes, StV 1998, 569 (570). 482 Potenziert wird dieser Mangel an Abwehrmöglichkeiten beim Einsatz verdeckter Ermittlungsmethoden, da hier bereits die Erkenntniserlangung von den einzelnen Maßnahmen erschwert ist. 483 Die zu begrüßende Forderung nach einer über alle Ermittlungseingriffe informierten Staatsanwaltschaft (BVerfG NJW 2005, 1338 [1341]) kann daher keine objektive Bewertungsgrundlage und somit auch keinen ausreichenden Schutz gewährleisten. Vgl. auch Roggan, DANA 2005, 14 (16). 484 s. auch Rabe von Kuhlewein, Der Richtervorbehalt im Polizei- und Strafprozessrecht, S. 420.

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Diese unabhängige und abstrakte Betrachtungsweise erscheint geeignet, die Kriterien zur Bestimmung der Wahrscheinlichkeit eines direkten Eingriffs in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung bzw. einer Totalausforschung durch Kumulation von Ermittlungsmaßnahmen485 einer entsprechend umfänglichen und abwägenden Würdigung zu unterziehen. 3. Allgemeine Kritik am Institut des Richtervorbehalts Demgegenüber bestehen aber auch Einwände, die sich entweder gegen eine richterliche Zuständigkeit für Ermittlungsmaßnahmen der Strafprozessordnung richten oder die theoretischen Vorteile abschwächenden Beurteilungen unterziehen. Sie betreffen zum einen die Effektivität der Strafverfolgung, welche durch die Einschaltung eines nicht direkt in die Verfolgungspraxis integrierten Richters erschwert sei. Dabei sind sowohl zeitliche als auch Motivations- bzw. Begründungskomponenten486 als hemmend zu erwähnen. Hiergegen steht, dass einer zeitlichen Verzögerung durch entsprechende Eilkompetenzen entgegengewirkt werden kann, wenngleich der zum Teil ausufernden Nutzung der Eilkompetenzen bei einzelnen Anordnungsarten487 klare richterliche Überprüfungskompetenzen gegenübergestellt werden müssten, die sich auf das Vorhandsein der Voraussetzungen für die Eilbedürftigkeit beziehen.488 Ebenso ist der erhöhte Begründungsaufwand nicht Nachteil, sondern gesetzgeberische Intention eines Richtervorbehalts, da gerade hierdurch die mit der Kompetenzverlagerung gewollte Rechtssicherung erreicht werden soll.489 485

s. zusammenfassend unter 4. Kapitel E.V. Gemeint ist damit die rein zeitlich-organisatorische Verzögerung der Maßnahmenanordnung durch die Einschaltung des Richters, wie auch der höhere Begründungsaufwand zur Darstellung des konkreten Anlasses bzw. der Motivation für die Anordnung bestimmter Maßnahmen. 487 Vgl. für Durchsuchungen Asbrock, KritV 1997, 255 (258): 95% aller einbezogenen Durchsuchungsanordnungen sollen hiernach Eilentscheidungen gewesen sein; vgl. für Beschlagnahmen auch bereits Nelles, Kompetenzen und Ausnahmekompetenzen in der Strafprozessordnung, S. 227, wonach Stichproben in NordrheinWestfalen einen Anteil von 94,35% nichtrichterlicher Eilanordnungen ergaben; s. aber auch die relativierenden Tendenzen bezüglich Telefonüberwachungen bei Backes/Gusy, Wer kontrolliert die Telefonüberwachung?, S. 53, wonach lediglich 20,5% Eilanordnungen waren. 488 Vgl. BVerfG NJW 2001, 1121, wonach bezogen auf Durchsuchungsanordnungen die Auslegung und Anwendung des Begriffs Gefahr im Verzug einer unbeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegen. 489 Vgl. auch Rabe von Kuhlewein, Der Richtervorbehalt im Polizei- und Strafprozessrecht, S. 422. 486

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6. Kap.: Rechtliche Bewertung kumulativer Überwachungsmaßnahmen

Gewichtiger ist der Einwand bezüglich der Ineffektivität des Vorbehaltes selbst, welche sich zum einen direkt oder indirekt aus der tatsächlich-informatorischen Abhängigkeit des Richters von den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bzw. der Polizei ergeben soll.490 Dabei wird insbesondere auf eine selektive Vorlagepraxis und die gefilterte Sachverhaltsdarstellung bezüglich der relevanten Informationen von Seiten der Strafverfolgungsbehörden hingewiesen, welche den Richter nicht oder nicht ausreichend in die Lage versetze, eine unabhängige Entscheidung zu treffen.491 Insgesamt reiche die Kompetenz des Ermittlungsrichters nicht aus, um den Ermittler rechtlich zu kontrollieren.492 Zum anderen wird auch auf organisatorisch-zeitliche, aber auch fachliche Defizite als Ursache für die Ineffektivität des Richtervorbehalts als Mittel zur Sicherung von Grundrechten verwiesen.493 Als Gründe werden der hohe Zeitdruck – auch bedingt durch den Pensenschlüssel – sowie ein Mangel an Fachwissen gerade in den für besondere Ermittlungsmaßnahmen ausnehmend relevanten Deliktsbereichen genannt. Rechtstatsächlich scheinen die Einwände durchaus berechtigt. So ergab eine Studie, dass lediglich 24,1% der richterlichen Telefonüberwachungsanordnungen vollständig waren.494 Diese Zahl scheint zudem in erheblicher Abhängigkeit von der jeweiligen Vollständigkeit des staatsanwaltschaftlichen Beschlussentwurfs zu stehen, der – sofern vorformuliert vorliegend – in 92,3% der Fälle ohne Änderungen übernommen wurde. War der staatsanwaltschaftliche Antrag vollständig, so traf dies in 70% auch für den daraufhin ergehenden Beschluss des Richters zu. Bei Unvollständigkeit des Antrags lag diese Quote bei lediglich 13%.495 Ein verbessertes, wenn auch nicht zufrieden stellendes Bild ergibt sich bei der Bewertung der Arbeit der Staatsschutzkammern betreffend die Anordnung einer Wohnraumüberwachung gemäß § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO a. F. Vorbehaltlich regional starker Unterschiede wurden nach einer Studie in 39% der Verfahren substantiierte Begründungen und in zusätzlichen 17% weitere eigenständige Würdigungen festgestellt. Lediglich in 15% der Ver490

Müller, AnwBl 1992, 349 (351); Sommermeyer NStZ 1991, 257 (263). Asbrock, KritV 1997, 255 (260); Kühne, Strafprozessrecht, Rdnr. 410. 492 So Krauß, StV 1989, 315 (324). 493 s. Kühne, Strafprozessrecht, Rdnr. 410, Asbrock KritV 1997, 255 (260). 494 Backes/Gusy, Wer kontrolliert die Telefonüberwachung?, S. 45, s. zum verwendeten Vollständigkeitsbegriff, S. 42 f. Bei einer anderen Studie waren 23,5% der richterlichen Begründungen als substantiell eingeschätzt worden, s. Albrecht/ Dorsch/Krüpe, Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100a, 100b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, S. 231 f. 495 Backes/Gusy, Wer kontrolliert die Telefonüberwachung?, S. 47 und 49 f. 491

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fahren erfolgte eine formelhafte Begründung ohne Würdigung der Umstände und in 14% eine Beschlussausfertigung aufgrund der vorformulierten Ausfertigung der Staatsanwaltschaft.496 Der beispielsweise gegenüber einer Telefonüberwachung höhere Begründungsaufwand wird neben der besonderen Eingriffsintensität der Maßnahme auch auf ihre geringe Anordnungshäufigkeit zurückzuführen sein.497 4. Schlussfolgerung Trotz der nicht unbeachtlichen Einwände kann dem Richtervorbehalt eine entscheidende Rolle bei der Kontrolle von informationsbezogenen Ermittlungsmaßnahmen zukommen. Dabei ist ein besonderer Schwerpunkt auf die außerhalb der staatsanwaltschaftlichen und polizeilichen Strafverfolgungstätigkeit liegenden Position des Richters zu legen. Zwar zeugen die aufgezeigten Tendenzen einer Übernahme des staatsanwaltschaftlichen Antrages nicht unbedingt von einer entsprechenden Verortung, die Alternativen zu einer Gegensteuerung ohne das Instrumentarium des Richtervorbehaltes verbleiben jedoch im Dunkeln. Da die Beanstandungen im Kern gerechtfertigt erscheinen und die Probleme auch grundsätzlich dem Institut inhärent sind, bedarf es einer möglichst umfänglichen Korrektur einzelner Mechanismen zur Effektivierung und folglich Stärkung des Richtervorbehalts.498 Ein entsprechend in der Funktionsfähigkeit optimiertes Kontrollinstrument ist grundsätzlich in der Lage, einige der grundrechtsrelevanten Probleme von Maßnahmenkumulationen abzuschwächen. So ist wohl nur der Richter in der Position, die Gesamtheit aller Anordnungen und Verfügungen rechtlich zu beurteilen und Wahrscheinlichkeiten eines verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Eingriffs zu erkennen und zu verhindern. 496 Vgl. Meyer-Wieck, Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“) nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO, S. 228 f. 497 s. auch Meyer-Wieck, Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“) nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO, S. 245. 498 Vorschläge zur Verbesserung des Instrumentariums wären zum Beispiel: Erhöhung der Begründungsanforderungen, fachliche Fortbildung der Ermittlungsrichter, Ausdehnung der Verwertungsverbote bei Umgehung des Vorbehalts oder fehlerhafter Anordnung, umfangreiche Kontrollmöglichkeiten der Eilkompetenz, Einführung neuer Sanktionen bei abweichendem Ermittlerverhalten, stetige Erreichbarkeit der Ermittlungsrichter, häufigere Ergebnisunterrichtung der Richter durch die ausführenden Behörden. Vgl. auch Asbrock, KritV 1997, 255 (261 f.); Backes/Gusy, Wer kontrolliert die Telefonüberwachung?, S. 130; Meyer-Wieck, Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“) nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO, S. 28 f.; Schünemann, Kriminalistik 1999, 146 (151), s. auch BGH StV 2003, 2 mit Anm. Schlothauer, StV 2003, 242 f.

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6. Kap.: Rechtliche Bewertung kumulativer Überwachungsmaßnahmen

Hierfür bedarf es künftig einer breiten Entscheidungsgrundlage durch die umfangreiche Darstellung des Erkenntnisstandes der Staatsanwaltschaft, ebenso wie einer weitgehenden Begründungspflicht sowohl der beantragenden Behörde als auch im Beschluss des Richters gerade auch im Hinblick auf gleichzeitig anzuordnende oder bereits erfolgte Maßnahmen.499 Auf diese Art kann ein Mindestmaß an grundrechtssichernder Kontrolle erreicht werden, welches im Gefüge strafprozessualer Richtervorbehalte als folgerichtig eingestuft werden muss. Somit ist für die Kumulation von qualifizierten Ermittlungsmaßnahmen zur Beschaffung von Informationen stets die Anordnung durch einen Richter zu fordern, auch wenn die Einzelmaßnahmen eine entsprechende richterliche Kompetenz nicht vorsehen.500 Der Vorbehalt tritt neben die bestehenden Regelungen bezüglich der Anordnungskompetenz und bezieht sich inhaltlich auf die Besonderheiten der Kumulation der Maßnahmen. Die richterliche Bewertung orientiert sich somit hauptsächlich an der Intensität und Qualität der Gesamtvorgehensweisen und den sich hieraus ergebenden besonderen Beeinträchtigungen. Der Vorbehalt gilt sowohl bei einer offensichtlichen Kumulation, wenn gleichzeitig mehrere qualifizierte Maßnahmen angeordnet werden sollen, aber auch bei einer nachgelagerten Häufung in der Form, dass erst durch eine spätere Anordnung weitere Maßnahmen erfolgen. Eilkompetenzen der Staatsanwaltschaft – bzw. betreffend die akustische Wohnraumüberwachung für einen Einzelrichter (vgl. § 100d Abs. 1 StPO) – sind dabei grundsätzlich einzurichten. Ausnahmen bestehen nur für die einzelnen Maßnahmen, die keine eigenen Eilkompetenzen vorsehen. Sollen Maßnahmebündel dennoch aufgrund ihrer Eilbedürftigkeit von der Staatsanwaltschaft angeordnet werden, müssen die einem ausschließlichen Richtervorbehalt unterliegenden Maßnahmen ausgesondert und nachfolgend beispielsweise im Zusammenhang mit der richterlichen Bestätigung angeordnet werden. 499 Zur Durchsetzung einer entsprechenden Praxis muss eine Dokumentationspflicht auch bei der späteren Beweisverwertung eine Rolle spielen. Dabei müssen Mängel in der dargelegten Begründung in Zweifelsfällen zur Unverwertbarkeit von gewonnenen Informationen führen. 500 Sind in dem Maßnahmenbündel einzelne oder mehrere Vorgehensweisen enthalten, die einem Kammervorbehalt unterliegen (vgl. § 100c i. V. m. § 100d Abs. 1 StPO), so können diese auch nicht bei kumulativer Beantragung von einem Einzelrichter angeordnet werden. Insoweit hat die Kammer die einzelne Maßnahme unter Einbeziehung aller bis dahin erfolgten oder gleichzeitig beantragten Maßnahmen zu bewerten und gegebenenfalls anzuordnen. Für nachfolgende qualifizierte Maßnahmen ohne Kammervorbehalt besteht weiterhin ein Einzelrichtervorbehalt. Der Richter muss jedoch bei einer etwaigen Anordnung die Bewertungen der Kammer sowie die sonstige Informationslage mit einbeziehen.

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II. Anlasstat und Subsidiaritätsklauseln Zur Stärkung und Schärfung richterlicher Bewertungskriterien sind zudem tatbestandliche Vorkehrungen zu schaffen, welche die Entscheidungsprozesse in eine einheitliche, nachvollziehbare und verobjektivierte Gestalt einfügen. Hierzu sind vor allem zwei Instrumentarien der Begrenzung strafverfahrensrechtlicher Eingriffskompetenzen geeignet. 1. Verdacht, Art und Schwere der Anlasstat Betreffend Maßnahmen zur Informationsermittlung verlangt das Bestimmtheitsgebot klare Vorgaben, unter welchen Voraussetzungen ein spezielles Verhalten dem Risiko einer Überwachung bzw. besonderer Ermittlung unterliegt.501 Die Anforderungen an diese Voraussetzungen steigen mit der Zunahme der Intensität des Eingriffs, wodurch bezüglich der Kumulation entsprechender Maßnahmen grundsätzlich engere Grenzen normiert werden müssen. Zur Kontrolle gegenüber einer einseitigen, die Freiheit der Bürger beschränkenden, exekutiven Ermessensentscheidung vermag die Bereitstellung klarer Maßstäbe für Abwägungsentscheidungen502 dienlich sein, die gerade auch Vorgaben betreffend Schwere und Art des Anlasses für entsprechende Maßnahmen enthalten müsste. Aufgrund der Vielschichtigkeit der verschiedenen Kombinationsvarianten kumulativer Maßnahmennutzung scheint indes ein rigides System eines einheitlich geltenden Straftatenkatalogs nicht angemessen. Vielmehr ist eine Abschichtung orientiert an Wahrscheinlichkeitserwägungen bezogen auf Eingriffe in den absolut geschützten Bereich vorzunehmen. Ergeben somit die einzelfallbezogenen Anhaltspunkte,503 dass von keiner qualitativen Änderung durch die Kumulation der Maßnahmen auszugehen ist, so sind die in den jeweiligen Normen vorgegebenen Anforderungen an die Anlasstaten Maßstab für die Beurteilung. Jedoch vermag auch eine gesteigerte Wahrscheinlichkeit der Verletzung des absoluten Schutzbereichs keine generelle Abkopplung von den Vorgaben der Einzelvorschriften nach sich zu ziehen. Die Verschiedenartigkeit der denkbaren Eingriffskonstellationen504 bedarf einer offenen, auf den Einzelfall bezogenen Handhabung. Voraussetzung ist jedoch eine spezielle Sach501

BVerfG NJW 2004, 2213 (2215 f.). BVerfGE 78, 214 (226). 503 Einzelfallbezogene Anhaltspunkte können sich zum einen aus abstrakten Wahrscheinlichkeitskriterien, wie der Art der Maßnahmen, aber auch aus konkret vorliegenden Erkenntnissen über die Art und das Ausmaß der vermutlich zu erlangenden Informationen ergeben. 502

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6. Kap.: Rechtliche Bewertung kumulativer Überwachungsmaßnahmen

lage, welche die Nutzung mehrerer Maßnahmen zur Informationsbeschaffung rechtfertigt. Bezüglich der Anlasstat ist somit zu fordern, dass sich aus der Art der Tat und ihrer Schwere das besondere Bedürfnis nach einer kumulativen Nutzung gerade der zu treffenden Maßnahmen ergibt bzw. die Anordnung dadurch zu rechtfertigen ist. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn in Abhängigkeit von der Intensität der Maßnahmen der mutmaßlich aufzuklärende Sachverhalt eine besondere Komplexität und Heimlichkeit aufweist und der Tat ein besonderes Gewicht zukommt. Ein bloßer Verweis auf die besondere Schwere der Tat ist indes nicht ausreichend, da dies zu einer Art von „offener“ Befugnis zur Nutzung mehrerer Maßnahmen führen würde, sofern eine besonders schwerwiegende Tat in Rede steht.505 Entsprechendes gilt auch für den Verdacht der Begehung der in Rede stehenden Straftaten. Bei der Anordnung mehrerer Maßnahmen gelten dabei automatisch die strengsten Verdachtsanforderungen der jeweiligen Einzelmaßnahmen auch für alle anderen Maßnahmen, was rechtstatsächlich grundsätzlich nicht zu einer Verschärfung der Anforderungen führt, da eine entsprechende Verdachtslage ohnehin bereits vorliegen muss. Zusätzlich muss sich der Tatverdacht aber auch auf die besondere Komplexität und Heimlichkeit des Vorgehens erstrecken, um die Notwendigkeit der Kumulation zu rechtfertigen. 2. Subsidiaritätsklauseln Den in der Strafprozessordnung vorgesehenen Subsidiaritätsklauseln als tatbestandliche Ausgestaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Sinne der Erforderlichkeit stehen Einwände insbesondere bezüglich ihrer praktischen Relevanz gegenüber. So wird vor allem geltend gemacht, dass eine Unterscheidung zwischen den Hauptformen der einfachen, qualifizierten und strengen Subsidiaritätsklausel in der Praxis nicht getroffen wird und auch nur bedingt möglich erscheint.506 Dennoch zeigen sich in der Nutzung der Klauseln die gesetzgeberischen Vorgaben zur Abstufung bei der Güter504 Man denke nur an die Notwendigkeit einer unterschiedlichen Bewertung beispielsweise einer Kumulation von Beschlagnahmen schriftlicher geschäftlicher Aufzeichnungen auch, aber nicht vorwiegend persönlichen Inhalts auf der einen Seite und Beschlagnahmen von privat genutzten Computern mit persönlichen Daten oder einer Kombination aus Telekommunikations- und akustischer Wohnraumüberwachung auf der anderen Seite. 505 s. zu entsprechenden Tendenzen einer stereotypen Nutzung der akustischen Wohnraumüberwachung aufgrund der besonderen Tatschwere Meyer-Wieck, Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“) nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO, S. 346. 506 Vgl. Kühne, Strafprozessrecht, Rdnr. 413; KK-Nack, StPO, § 100c Rdnr. 6; Meyer-Goßner, ZRP 2000, 345 (348).

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abwägung.507 Die Verwendung von Subsidiaritätsklauseln hat somit zum einen Achtungsfunktion, kann aber auch bei strenger Handhabung insbesondere in Zusammenhang mit entsprechenden Begründungspflichten und bei diesbezüglichen Mängeln sich ableitenden Verwertungsverboten praktische Grenzen ziehen und auf diese Weise ein Rangverhältnis verschiedener Ermittlungsmaßnahmen bestimmen. Für den Bereich der kumulativen Nutzung von Ermittlungsmaßnahmen ergeben sich Erforderlichkeitserwägungen auf zwei Ebenen. Zum einen besteht ein erhöhter Rechtfertigungsbedarf, warum gerade die Kombination mehrerer Maßnahmen erforderlich ist, also die Nutzung einer einzelnen Maßnahme oder einzelner ausgewählter Maßnahmen, deren Anordnung begehrt wird, nicht ausreichen soll. Da hierin ein Teil der Legitimation für die Inkaufnahme einer neuen Qualität liegt, müssen die Anforderungen entsprechend hoch sein. Die kumulative Anordnung ist mithin nur dann zulässig, wenn die Erreichung des Ermittlungserfolges durch eine der anzuordnenden Maßnahmen oder einer Kombination nur eines Teils der Maßnahmen aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Zum anderen muss nachgelagert die Effektivität des Maßnahmenbündels gegen andere Maßnahmenarten einzelner oder kombinierter Natur abgewogen werden. Die hierbei durchzuführende Bewertung der Effizienz und Eingriffsintensität verschiedener Maßnahmen und ihrer Kombinationen muss sich an den Wahrscheinlichkeiten der Erlangung beweisrelevanter Informationen unter möglichst umfänglichem Ausschluss persönlicher und insbesondere intimer Informationen orientieren, und ist am einzelnen Fall durch eine breit angelegte Abwägung aller widerstreitenden Interessen durch den Richter vorzunehmen. Erforderlich aber auch ausreichend erscheint insoweit die Verwendung der einfachen Subsidiaritätsklausel. Zu beachten ist, dass sich die Klausel nur auf die Kumulation bezieht und dass die Anforderungen an die Vorgaben bezüglich der einzelnen Maßnahmen nicht ersetzt, sondern lediglich ergänzt werden. Mithin ist bezogen auf die gesonderten Ermittlungsmethoden zunächst im Rahmen der entsprechenden Normierungen die Erforderlichkeit zu untersuchen und im Fall der Bejahung bei allen einzelnen Maßnahmen sodann zu prüfen, ob der Ermittlungserfolg auf andere Art (durch andere Maßnahmen oder Maßnahmenkombinationen eingriffsschwächerer Art) als das insgesamt in Rede stehende Maßnahmenbündel weniger Erfolg versprechend oder erschwert wäre. Die Prüfung der jeweiligen Subsidiaritätsschwelle hat bei der Anordnung einer neuerlichen Informationsbeschaffungsmaßnahme für alle zuvor angeordneten Maßnahmen unter Einbeziehung der bereits erlangten Erkenntnisse 507

KK-Nack, StPO, § 100c Rdnr. 6.

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zu erfolgen. Ebenso sind Erkenntnisse, die sich im Verlauf der Ermittlungen ergeben, regelmäßig in die Bewertung der Erforderlichkeit einzustellen und können daher bei einer veränderten Informationslage zu einer Neubewertung aller noch in der Durchführung begriffener Maßnahmen führen.508

III. Beweisverbote Auch für Beweisverbote sind zusätzliche gesetzliche Regelungen zu fordern, die der Relevanz der Kumulation von Informationsbeschaffungsmaßnahmen bezogen auf die mögliche Andersartigkeit ihrer Eingriffsqualität gegenüber der Anordnung von Einzelmaßnahmen gerecht werden.509 1. Beweiserhebungsverbote So sind insbesondere im Bereich der Erhebungsverbote Vorkehrungen zum Schutz der Menschenwürde zu treffen, die ein Eingreifen in einen abwägungsfreien Schutzbereich der betroffenen Grundrechte weitestgehend ausschließen. Grundsätzlich muss davon ausgegangen werden, dass durch den Einsatz mehrerer qualifizierter Ermittlungsmethoden, die auf die Erlangung von personenbezogenen Informationen gerichtet sind, Eingriffe in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung, aber auch Eingriffe, welche in ihrer Summe eine Totalausforschung darstellen, wahrscheinlicher werden. Diese abstrakte, vom konkreten Einzelfall losgelöste Feststellung führt jedoch nicht zu der Forderung eines automatischen Erhebungsverbotes, sofern die Kumulation von qualifizierten Ermittlungsmaßnahmen in Rede steht. Diese wäre mit dem Sinn einer sich aus der Verfassung ergebenden Güterabwägung im Einzelfall nicht zu vereinbaren. Vielmehr sind konkrete gesetzliche Regelungen im Sinne einer Unzulässigkeit der Anordnung der jeweiligen Maßnahme oder der Maßnahmen für die Konstellationen zu schaffen, in denen sie mit Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung des absolut schutzwürdigen Bereichs der betroffenen Grundrechte führen.510 Dies ist nicht gleichzusetzen mit einer gegenüber den jeweiligen Einzelmaßnahmen erhöhten Wahrscheinlichkeit einer Kernbereichsverletzung oder einer Totalausforschung. Die hierdurch entstehende veränderte Intensität der Maßnahmen mag zwar im konkreten Einzelfall 508 Dies setzt einen ausgeprägten Informationsfluss zwischen den ausführenden Ermittlungsorganen und dem für die Anordnungen zuständigen Richter voraus, welcher durch gesetzliche Informationspflichten zu stärken ist. 509 s. allgemein zur Aufgabe von Beweisverboten unter 6. Kapitel B.I. 510 So auch BVerfG NJW 2004, 999 (1003) für den Kernbereich des Art. 13 GG; zu den eine Wahrscheinlichkeit beeinflussenden Kriterien vgl. zusammenfassend unter 4. Kapitel E.V.

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auch die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des absoluten Schutzbereichs begründen, kann jedoch auch deutlich unter dieser Schwelle verbleiben und somit auf der Basis einer expliziten Ermächtigungsgrundlage gerechtfertigt sein. Für die Zulässigkeitsvoraussetzungen dieser Sachlagen ist auf die Abwägung der widerstreitenden Interessen zum einen auf der Tatbestandebene in Form der Subsidiaritätsklauseln sowie der Straftatenkataloge und zum anderen auf der Ebene der Verhältnismäßigkeit zu verweisen. Trotz des Nichtübereinstimmens der beiden Wahrscheinlichkeitsbeurteilungen muss zur Sicherung eines umfassenden Grundrechtsschutzes bereits die Möglichkeit einer neuen Qualität der Maßnahmen durch ihre Kumulation zu einer Beweislastverteilung in der Form führen, dass grundsätzlich die Wahrscheinlichkeit eines nicht zu legitimierenden Grundrechtseingriffs anzunehmen ist. Im Rahmen der Anordnung der Maßnahmen hat sodann eine detaillierte Begründung unter Nennung konkreter Anhaltspunkte zu erfolgen, welche diese Annahme widerlegen.511 Da es sich hierbei stets um Prognoseentscheidungen handelt, besteht trotz der zu stellenden hohen Anforderungen an die Darlegungspflichten die Möglichkeit, dass sich erst im Rahmen der Durchführung der Maßnahmen Erkenntnisse ergeben, welche die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des absoluten Schutzbereichs oder die Verletzung selbst aufzeigen. Auch für diese Konstellationen sind gesetzliche Schutzvorkehrungen zu treffen, die einen sofortigen Abbruch der Maßnahmen und eine anschließende Neubewertung vorschreiben.512 Somit sind die entsprechenden Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen bezüglich aller ergangenen Anordnungen zum einen bei der Erzielung neuer Erkenntnisse im Laufe der Ermittlungen wiederholt zu bewerten. Zum anderen muss bei der nichtgleichzeitigen Anordnung mehrerer Maßnahmen immer dann eine Bewertung erfolgen, wenn die Anordnung einer weiteren Maßnahme in Rede steht. Gegebenenfalls sind zur Ermöglichung der Durchführung einer weiteren Maßnahme andere Vorgehensweisen zu überprüfen und möglicherweise abzubrechen.

511

s. zu einer entsprechenden Verteilung der Begründungspflichten betreffend die Annahme der Wahrscheinlichkeit künftiger Strafverfahren wegen der Begehung von Straftaten von erheblicher Bedeutung im Rahmen des § 81g StPO i. V. m. § 2 DNAIfG BGH StV 2003, 1. 512 s. Vorgabe zur akustischen Wohnraumüberwachung BVerfG NJW 2004, 999 (1003).

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2. Beweisverwertungsverbote a) Allgemeines Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass bei Fehlen der wesentlichen Anordnungsvoraussetzungen ein Verwertungsverbot betreffend die erlangten Daten besteht. Werden folglich die – für eine Kumulation restriktiver ausgestalteten –513 Regelungen nicht eingehalten, kann unabhängig von der Art und dem Umfang der erzielten Informationen eine Verwertung grundsätzlich nicht erfolgen. Lediglich in eng begrenzten Einzelfällen erscheint eine Verwertung nach einer umfänglichen Abwägung vertretbar. Für die Bewertung der Ergebnisse kumulativ angeordneter Maßnahmen erscheint daher die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des absolut geschützten Bereichs von besonderer Bedeutung, da es sich hierbei um eine zentrale Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Anordnung handelt. Dabei sind verschiedene Konstellationen denkbar, die zu einer grundrechtlich relevanten Beeinträchtigung führen können, zum Teil aber einer unterschiedlichen Bewertung bedürfen. Dies betrifft einerseits einen Verstoß gegen die Anordnungsvoraussetzung, dass die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des absoluten Schutzbereichs nicht gegeben sein darf. Zu fragen ist dann, ob nur die wirklich die Verletzung bedingenden Erkenntnisse einem Verwertungsverbot unterliegen oder ob auch alle sonstigen Erkenntnisse nicht verwertet werden dürfen. Andererseits kann es auch zu einer Beeinträchtigung des absolut geschützten Bereichs kommen, ohne dass sich dies bereits aus der Wahrscheinlichkeitsprognose ergeben hätte. Auch hier könnte sich ein Verwertungsverbot auf alle oder nur einen Teil der Erkenntnisse erstrecken. b) Ex-ante-Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des absolut geschützten Bereichs Werden Daten unter Umgehung der Grundsätze zur Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des absoluten Schutzbereichs gewonnen, so unterliegen diese einem umfassenden Verwertungsverbot. Dies betrifft grundsätzlich alle Daten, die durch jedwede qualifizierte Maßnahme im Rahmen der Kumulation gewonnen werden.514 Nur eine der513 Vgl. die zuvor erörterten Vorgaben zum Richtervorbehalt, zum Anlassverdacht bzw. der Art und Schwere der Anlasstat sowie zu den Subsidiaritätsklauseln unter 6. Kapitel C.I. und C.II.

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art ausgeweitete Verwertungsverbotsregelung kann den besonderen Erfordernissen des Grundrechtsschutzes, wie sie sich aus der Intensität des Eingriffs durch Verknüpfung der Maßnahmen ergeben, gerecht werden. Zum einen kann dem Betroffenen nicht zugemutet werden, dass – obwohl ein Erhebungsverbot gerade wegen des speziellen Risikos durch Kumulation bestand – eine Grenzziehungsdiskussion darüber, bei welchen Informationen ein Eingriff in den Kernbereich privater Lebensgestaltung vorliegt, zu einer Vertiefung der rechtwidrigen Verletzung führt. Zudem entsteht durch die Kumulation der Maßnahmen und der sich hieraus ergebenden Wahrscheinlichkeit einer Kernbereichsverletzung eine Maßnahmeneinheit, welche nicht durch eine selektive Beweisverwertung – weder betreffend einzelne Informationen noch einzelne Maßnahmenkomplexe – aufgebrochen werden kann. Zum anderen existieren bezüglich des Bereichs einer Totalausforschung grundlegende Abgrenzungsschwierigkeiten dazu, welche Daten zur entscheidenden Schwellenüberschreitung letztlich beitragen. Auch hierfür kann die Beurteilungskompetenz nicht einer ex-post-Betrachtung unterfallen, welche sich vermutlich zumindest auch an den konkreten Erfordernissen der Straftatenaufklärung, also der Nutzung bestimmter besonders beweiserheblicher Daten orientiert.515 Außerdem hat sich in diesen Fällen das Risiko der umfassenden Persönlichkeitsausforschung möglicherweise bereits verwirklicht und ist durch die Nichtverwertung einzelner Informationen auch nicht ausreichend abzuschwächen. Dieses Risiko besteht im Gegensatz zur Kernbereichsverletzung gerade nicht darin, dass einzelne Daten den Menschenwürdegehalt der Grundrechte betreffen, sondern in der Gewinnung und Nutzung eines Gesamtbildes. Diesem Eingriff kann somit auch nur durch die gesamte Unterbindung der Verwertung dieses Persönlichkeitsprofils und der Erkenntnisse hieraus Einhalt geboten werden. Somit dient das umfassende Verwertungsverbot auch der effektiven Umsetzung des Beweiserhebungsverbotes im Sinne eines Auswertungsverbotes. Diese umfassenden Verwertungsverbote beziehen sich nur auf die Besonderheit der Datenerlangung im Zusammenhang mit der Kumulation von Maßnahmen und der sich speziell hieraus ergebenden Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des absolut geschützten Bereichs. Ein nicht für alle Informationen geltendes Beweisverwertungsverbot ist hingegen dann anzu514 Ebenfalls betroffen sind somit Informationen aus Maßnahmen, die alleine oder in Kombination mit bestimmten anderen Maßnahmen – beispielsweise § 100i StPO i. V. m. § 100a StPO – zulässig wären. 515 Eine derartige Aufweichung der Grenzen eines absoluten Schutzes ist bezogen auf die Aufklärung als besonders schwerwiegend geltender Straftaten zu befürchten, da auch bei richterlicher Würdigung der Beweissituation – auch in Form unterbewusster Steuerung – von einer ergebnisorientierten Selektion auszugehen ist.

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nehmen, wenn sich die Wahrscheinlichkeit eines Eingriffs in den absolut geschützten Bereich lediglich aus einer einzelnen Maßnahme ergibt und nicht auf die Kumulierung der Maßnahmen zurückzuführen ist. Für diesen Fall sind nur die aus der einzelnen Maßnahme gewonnenen Erkenntnisse nicht verwertbar.516 c) Verletzung des absolut geschützten Bereichs entgegen der Wahrscheinlichkeitsprognose Erfolgt der Eingriff in den absoluten Schutzbereich erwartungswidrig – bestand mithin nicht die Wahrscheinlichkeit einer entsprechenden Verletzung in der verobjektivierten ex-ante-Perspektive517 –, sind veränderte Maßstäbe an die Beweisverwertung anzulegen. Uneingeschränkt gilt weiterhin das Verbot der Verwertung von Informationen aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung. Die Schutzwürdigkeit der von Ermittlungsmaßnahmen betroffenen Personen erfordert bei einer nicht vorhersehbaren oder zumindest nicht wahrscheinlichen Beeinträchtigung aber nicht den generellen Ausschluss aller erlangten Informationen. Da die Maßnahmen grundsätzlich zulässig waren und eine nicht zu rechtfertigende Beeinträchtigungswahrscheinlichkeit nicht bestand, kann sich auch ein Verbot der Beweisverwertung in der Regel nur auf den Bereich der gewonnenen Daten beziehen, dessen Verwertung den Menschenwürdegehalt der Grundrechte negiert. Ein weiterführender Schutz, der die generelle, abwägungsresistente Nutzung von Ermittlungsergebnissen untersagt, die ohne Fehlverhalten der ermittelnden Behörden zu Stande gekommen sind und zudem eine absolute Eingriffsschwelle nicht erreichen, kann auch der rechtstatsächlichen Situation im Ermittlungsverfahren nicht entsprechen. Auch die Begrenzung eines Verwertungsverbotes auf alle Informationen aus den konkreten Maßnahmen, welche die Kernbereichsverletzung verursacht haben, scheint im Rahmen der einheitlichen Beurteilung von Maßnahmenhäufung nicht angebracht. Die mögliche neue Qualität und die sich daraus ergebende veränderte Bewertung beruhen auf der Zusammenführung 516

Zu denken ist hier an Konstellationen, in denen beispielsweise nur eine Überwachung gemäß § 100c StPO die Wahrscheinlichkeit eines Kernbereichseingriffs begründet, die peripher angeordneten sonstigen Informationsbeschaffungsmethoden aber von Anfang an nicht zur Erhöhung dieses Risikos beitragen. 517 Diese Perspektive bezieht sich auf eine nachträgliche richterliche Prüfung der Rechtmäßigkeitsvoraussetzung im Zeitpunkt der Anordnung bzw. der weitergehenden Durchführung. Ein aufgrund der in die Zukunft gerichteten Prognoseentscheidung einzuräumender Spielraum der Bewertung der bestehenden Anhaltspunkte ist dem anordnenden Richter bzw. der beantragenden Staatsanwaltschaft jedoch einzuräumen.

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der strafbehördlichen Handlungen. Ein nachträgliches Segmentieren in einzelne Eingriffskomplexe kann – wie auch im umgekehrten Fall einer unzulässigen selektiven Beweisverwertung – nicht erfolgen. Zudem entstammt betreffend einer sich aufgrund der erhöhten Wahrscheinlichkeit durch Kumulation ergebenden Kernbereichsverletzung sowohl die Handlung, welche die Verletzung hervorbringt, als auch die Handlung, aus welcher sich die entscheidenden beweisrelevanten Informationen ergeben, eher zufällig der konkreten Maßnahme. Die verletzende Maßnahme als Bezugspunkt für das Ansetzen eines Beweisverwertungsverbotes zu nehmen, entbehrt somit einer schlüssigen Grundlage. Der Befürchtung einer Aufweichung der Beweisverbotsregelungen durch eine entsprechende, nicht das Verwertungsverbot aller Informationen betreffende Handhabung kann indes nur bedingt begegnet werden. Die nachträglich erfolgende Bewertung, inwieweit sich bereits in der Prognose die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des unantastbaren Bereichs der einschlägigen Grundrechte hätte gezeigt haben können, birgt einen breiten Beurteilungsspielraum mit vielfältigen Einflussmöglichkeiten. Dennoch ist zu hoffen, dass aufgrund der geforderten Beweislastverteilung und den hohen Anforderungen an die die Maßnahmen begründenden Ausführungen518 ein gewisser Grad an Sicherheit bezüglich einer rückwirkenden Einschätzung der grundsätzlichen Rechtmäßigkeit der Maßnahmen erreicht werden kann.519 Betreffend eine Totalausforschung bzw. Persönlichkeitsprofilerstellung ist die praktische Relevanz eines Beweisverwertungsverbotes von Informationen aus Maßnahmen, die in einer ex-ante-Betrachtung nicht die Wahrscheinlichkeit einer entsprechenden Ausforschung aufweisen, als eher gering einzustufen, da bereits die inhaltliche Ausformung ein gewisses Intentionsmoment auf Seiten der ermittelnden Behörden aufweist. Zudem erscheint ein völliges Verbot der beweisbezogenen Verwendung einzelner Informationen schon im Hinblick auf die Auswahl der nichtverwertbaren Daten nur schwer durchführbar. Maßstab der Betrachtung muss insoweit die konkrete Rechtpositionsverletzung des Betroffenen bei Verwendung einzelner Daten bilden. Dabei kommt es insbesondere auf eine Gesamtbewertung aller erlangten Erkenntnisse an sowie darauf, inwieweit sich die Informationen, die in den Strafprozess eingeführt werden sollen, aus einer Vernetzung und Zusammensetzung des Datenmaterials ergeben. 518

s. zu Begründungszwängen auch Rohe, Verdeckte Informationsgewinnung mit technischen Hilfsmitteln zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, S. 183. 519 Aus nicht hinreichend dokumentierten Begründungen muss in Grenzfällen die Unverwertbarkeit der erzielten Erkenntnisse folgen. Für eine nicht schriftlich fixierte Abwägung hat insoweit zu gelten, „was nicht dokumentiert ist, hat auch nicht stattgefunden“, vgl. Bizer, KrimJ 2003, 280 (286).

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Abzulehnen ist jedenfalls eine Verwendung der Informationen gerade in der die Totalausforschung ausmachenden Gesamtheit, wie z. B. die detaillierte Darlegung von Tagesabläufen und Verhaltensweisen in bestimmten Lebensphasen etwa zum Aufzeigen bestimmter psycho-pathologischer Störungen. Weiterhin ist zu beachten, dass mit Eintreten des Ereignisses, welches die Unrichtigkeit der Prognoseentscheidung verdeutlicht (Eingriff in den Kernbereich aufgrund von Kumulation oder Ansammlung von Informationen, die eine Totalausforschung ermöglichen), eine Neubewertung erforderlich wird, die in der Regel ein Erhebungsverbot für weiterführende Ermittlungen in dieser Form ergeben wird. d) Sonstige Beweisverwertung Auch die Nichteinhaltung sonstiger Anordnungsvoraussetzungen für die Kumulation kann zu einem absoluten Beweisverwertungsverbot führen. Dies muss zumindest für die Umgehung des Richtervorbehalts gelten, dem eine besondere Rolle bei der Beurteilung aller anderen Voraussetzungen zukommt. Wird somit trotz der Nutzung von mindestens zwei qualifizierten Maßnahmen nicht die Anordnung des Richters eingeholt, dürfen Erkenntnisse aus den qualifizierten Maßnahmen im Prozess nicht verwendet werden. Auch wenn der Verdacht einer ausreichend schweren Straftat von Anfang an nicht bestanden hat, ist die Verwertung grundsätzlich ausgeschlossen.520 In Ermangelung eines auf die Kumulation bezogenen Straftatenkatalogs und des sich daraus ergebenden breiteren Beurteilungsspielsraums wird jedoch in diesen Fällen eine Abwägung im Einzelfall der Würdigung der widerstreitenden Interessen gerecht. Weitere Beweisverwertungsverbote für sonstige Voraussetzungsverletzungen, wie beispielsweise die Anforderungen an die Subsidiarität, können sich auch aus einer konkreten Abwägung ergeben.521 3. Fernwirkung Bei der praktischen Umsetzung der Beweisverbote ist zudem zu beachten, dass ihre Effizienz gerade bei heimlichen Maßnahmen und auch bezüglich der Kumulation von Maßnahmen eingeschränkt ist. Da eine entsprechende Vorgehensweise gehäuft dort eingesetzt wird, wo herkömmliche Er520 521

s. zur Telefonüberwachung nur BGH StV 2003, 2 (3). s. zu den abwägungsentscheidenden Kriterien unter 6. Kapitel B.III.

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mittlungsinitiierungen, wie die Anzeigeerstattung, nur begrenzt vorkommen und sich daher eine unkonkretere Erkenntnissituation bezüglich der erwarteten Informationen ergibt, dienen die Ermittlungsergebnisse oft nicht nur dem Erzielen einer speziellen Information zur Bestätigung einer konkreten Vermutung oder der Verwendung als Beweismittel in einem möglichen Strafprozess, sondern beziehen sich eher auf einen Erkenntnisgewinn zur Aufdeckung bestimmter Strukturen, auf das Nachvollziehen komplexerer Geschehensabläufe und insbesondere auch auf die Erlangung weitergehender Ermittlungsansätze.522 Entsprechend erfolgt auch die Verwendung der Daten seltener im Rahmen richterlich überprüfbarer Strukturen. Vielmehr dienen sie als Grundlage zur fortgesetzten Ermittlung und Beweisgewinnung im Anlassverfahren oder als Quelle zur Eröffnung neuer Ermittlungen bezüglich anderer Straftatbestände und Personen. Um ein Leerlaufen der strikten Beweiserhebungs- und Verwertungsverbote zu vermeiden, sind daher weitere Schutzmechanismen einzuführen. Der Schutz muss sich sowohl direkt auf die Verhinderung einer Eingriffsvertiefung beziehen, welche sich durch die Nutzung von rechtswidrig erlangten Informationen ergibt, als auch mittelbar der Durchsetzung von Beweiserhebungsverboten dienen, die dadurch erreicht werden kann, dass Anreize zur Umgehung weitestgehend eliminiert werden. Diese Anreize können sich daraus ergeben, dass beispielsweise unter selektiver Informationsdarbietung seitens der exekutiven Strafverfolgungsorgane kumulative Maßnahmen rechtswidrig angeordnet werden, nicht aber die Informationen, welche die Rechtswidrigkeit der Anordnung nahe legen, in den Strafprozess eingebracht werden, sondern Beweise, die sich erst aufgrund der umfassenden Überwachung durch nachfolgende Maßnahmen, etwa einer Vernehmung, verfestigt haben. Ein direkter richterlicher Schutz durch ein einfaches Beweisverwertungsverbot besteht in diesen Fällen nicht. Aufgrund des besonderen Schutzes der Menschenwürde, deren Verletzung bei bestimmten Konstellationen von kumulativer Maßnahmenanordnung zu befürchten ist, sind gesetzliche Vorkehrungen zu treffen, die im Sinne einer Fernwirkung523 von Beweisverboten auch die Nutzung der Informationen zu Zwecken weiterer Ermittlungen untersagen. So bedarf es in jedem Fall für solche Situationen eines ausgedehnten Schutzes, in denen Informationen aus dem absolut geschützten Bereich erlangt wurden. Solche Daten dürfen nicht als Anknüpfungspunkt für weitere Ermittlungen dienen, da sich hier522

Vgl. BT-Drs. 12/989, 21; s. zudem Wolter, FS Rudolphi, 733 (738); vgl. konkret zur Telekommunikationsüberwachung Albrecht/Dorsch/Krüpe, Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100a, 100b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, S. 9. 523 s. allgemein zur Fernwirkung von Beweisverboten zusammenfassend Eisenberg, StPO, Rdnr. 403 ff.

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durch die Grundrechtsverletzung in nicht vertretbarer Weise manifestieren würde. Zur mittelbaren Sicherung des Grundrechtsschutzes müssen die Beweisverbote auch dann Fernwirkung haben, wenn trotz des Bestehens einer Wahrscheinlichkeit des Eingreifens in den absolut geschützten Bereich qualifizierte kumulative Ermittlungen durchgeführt werden. Dies dient nicht einer bezogen auf die Betroffenen zweckfreien Disziplinierung der Strafverfolgungsbehörden, sondern originär der Durchsetzung des Anspruches der Vermeidung ungerechtfertigter Grundrechtseingriffe.524 Bestehen somit im Rahmen von Maßnahmenkumulation Beweisverwertungsverbote, so beanspruchen diese absolute Geltung. Die Informationen, die ohne weitere Abwägung nicht in den Strafprozess eingeführt werden dürfen, können auch nicht als Anknüpfungspunkte für weitere Ermittlungen dienen. Entsprechend erzielte Beweise sind somit ebenfalls einem Beweisverwertungsverbot unterworfen. Für sonstige Fälle, in denen sich ein Verwertungsverbot aus der Abwägung der widerstreitenden Interessen ergibt, ist auf die allgemeine Diskussion um eine grundsätzlich gültige Fernwirkung zu verweisen.525 Zur Durchsetzung der Fernwirkung im Strafprozess ist insbesondere von Seiten des Strafverteidigers darauf zu achten, dass die konkrete Herkunft der beweiserheblichen Information gegebenenfalls auch über mehrere Stufen nachvollzogen wird.526

IV. Verwendungsregelungen Direkt mit den Beweisverboten korrespondieren die Pflichten zur Verwendungsbegrenzung von Daten, sofern ihre Nutzung einen nicht rechtmäßigen Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Personen darstellt. Notwendig sind somit explizite gesetzliche Regelungen, die den erneuten Grundrechtseingriff durch die Zweckänderung bezogen auf die Datennutzung begrenzen und so legitimieren. Für die anderweitige Verwendung sind zunächst die Grenzen entscheidend, die auch für die Beweisverwertung im Rahmen des Erhebungszwecks gelten. Dürfen die Erkenntnisse im Anlassverfahren nicht verwertet werden, gilt dies erst recht für die Verwertung in anderen Verfahren,527 genauso wie 524 Dies gilt auch unabhängig von einer möglichen eigenständigen Grundrechtsverletzung durch die Einbringung des auf diese Weise erlangten Beweises. s. auch Kühne, Strafprozessrecht, Rdnr. 913. 525 Vgl. Nachweise bei Kühne, Strafprozessrecht, Rdnr. 911, Fn. 108. 526 Vgl. auch Deckers, StraFo 2002, 109 (118).

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für die Übermittlung an andere Behörden zu präventiv-polizeilichen oder sonstigen Zwecken. Des Weiteren gelten die aufgestellten Regeln betreffend Kumulation auch innerhalb des aktuellen Strafverfahrens. So dürfen die vorhandenen Daten nur in Kumulation mit weiteren Ermittlungsmaßnahmen verwendet werden, sofern die Voraussetzungen hierfür beachtet wurden. Darüber hinaus ist zu fragen, welche weiteren Voraussetzungen vorliegen müssen, um eine Umgehung der Beschränkungen für Maßnahmenkumulationen auszuschließen. Grundsätzlich gilt, dass die Daten nur dann verwendet werden dürfen, wenn auch die Erhebung für diesen veränderten Zweck zulässig gewesen wäre.528 Für den Spezialfall der kumulativen Nutzung mehrerer Methoden zur Datenerhebung ist es indes schwierig, allgemeine Kriterien für Verwendungsbeschränkungen aufzustellen, die über die Regelungen zu den einzelnen Maßnahmen hinausgehen.529 Die Problematik liegt hauptsächlich darin, dass der Anknüpfungspunkt für die Schutzverstärkung bei Kumulation in Fällen einer nachträglichen Zweckänderung keine offensichtliche Gültigkeit mehr hat. Sollen beispielsweise zufällig erlangte Daten in einem anderen Verfahren verwendet werden, so bedarf es keiner Wahrscheinlichkeitsprognose mehr, inwiefern diese Daten in den absolut geschützten Bereich eingreifen würden, da das Ergebnis in der Regel schon feststeht. Auch der Rückgriff auf etwaige Subsidiaritätsklauseln kann höchstens eingeschränkt nutzbar gemacht werden,530 da kein Eingriff durch weitergehende Erhebungsmaßnahmen nach Erlangung der beweiserheblichen Informationen mehr notwendig ist und eine rückwirkende Betrachtung hier unergiebig erscheint, eine Abwägung sich mithin darauf beschränken muss, ob die Nutzung der konkret erlangten Information notwendig ist. Daher kann als Maßstab nur eine Gesamtbetrachtung dienen. Kriterium für die Notwendigkeit von zusätzlichen Anforderungen – etwa an die Verhältnismäßigkeit bzw. vorgelagert an die Anlasstat und den Tatverdacht – ist, inwieweit sich die in Rede stehenden Informationen gerade durch die Kumulation ergeben haben bzw. ob sich die Auswirkungen der Kumulation 527

BVerfG NJW 2004, 999 (1019). Vgl. BVerfGE 100, 313 (389 f.). 529 Zur Sicherung der gesetzlichen Vorgaben bezüglich der Verwendungsregeln ist zunächst stets eine Prüfung einer möglichen Verwendung anhand der für die konkrete Maßnahme gültigen Regelungen vorzunehmen. Die zunächst erfolgende Bewertung nach den Einzelnormierungen liegt darin begründet, dass grundsätzlich eine Informationsverwendung losgelöst von jeglichem Kumulationsrisiko denkbar ist. So liegt beispielsweise der Fall bezüglich Zufallsfunden betreffend Dritte durch eine der angeordneten Maßnahmen. 530 s. auch zu Einschränkungen betreffend den „Großen Lauschangriff“ BVerfG NJW 2004, 999 (1019). 528

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auch beim Betroffenen eingestellt haben. Ist dies der Fall, ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen unter dem Blickwinkel der qualitativen Besonderheiten des Eingriffs bei der Nutzung mehrerer Maßnahmen vorzunehmen. Entsprechendes gilt für die Verwendung zu präventiven Zwecken, wobei hier zusätzlich Kriterien der konkreten Gefahrendringlichkeit einzubeziehen sind.

V. Löschungspflichten bzw. Sperrungspflichten Zur Vermeidung einer Vertiefung der Grundrechtsverletzung durch unnötige Aufbewahrung von personenbezogenen Daten sind auch hierzu Vorkehrungen zu treffen. Grundsätzlich ist zu verlangen, dass die Daten, die für den festgelegten Zweck nicht mehr benötigt werden,531 vernichtet werden.532 Jedoch stehen sich hierbei nicht nur Interessen der effektiven Strafverfolgung und der präventiven Gefahrenabwehr auf der einen Seite und solche des Grundrechtsschutzes bezüglich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und des Datenschutzes auf der anderen Seite gegenüber, vielmehr erfordert auch das Recht des Betroffenen auf Erlangung eines effektiven Rechtschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG eine weiterführende Betrachtungsweise. Eine Löschung der Daten kann die Rechte aus Art. 19 Abs. 4 GG dann beschränken, wenn hierdurch das Anstreben einer gerichtlichen Kontrolle durch den Betroffenen vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Ein Ausgleich kann dadurch erreicht werden, dass, sofern Anhaltspunkte für das Interesse an einer Geltendmachung bestehen,533 die Daten nicht vernichtet werden, sondern gesperrt aufzubewahren sind. Zur Sicherstellung der datenschutzrechtlichen Aspekte sollte zusätzlich zur Sperrung die Übergabe der Daten etwa an den jeweiligen Datenschutzbeauftragten zur Aufbewahrung veranlasst werden.

VI. Benachrichtigung Die in § 101 StPO postulierte Benachrichtigungspflicht gegenüber den Beteiligten einer dort genannten Maßnahme ist insoweit auf die Kumulation 531 Dies gilt erst recht für rechtswidrig erworbene Erkenntnisse, die einem Verwertungsverbot unterliegen, da auch sie betreffend ihre ursprüngliche Zweckbestimmung nicht nutzbar sind und somit nicht gebraucht werden. 532 BVerfGE 100, 313 (362). 533 Dies wird regelmäßig bereits dann zu vermuten sein, wenn der Betroffene noch in Unkenntnis von der Maßnahme bzw. ihres Ausmaßes ist. Bestehen hingegen innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach Kenntniserlangung keine Anzeichen für das Anstreben eines Rechtschutzes, sind die Daten zu vernichten.

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von Maßnahmen zu erweitern.534 Dies bedeutet, dass grundsätzlich weiterhin eine Verpflichtung zur Benachrichtigung betreffend die Einzelmaßnahmen besteht, zusätzlich jedoch die Verknüpfung der einzelnen Überwachungsmethoden in einer Form dargestellt werden muss, die das konkrete Ausmaß der Kontrolle erkennen lässt. Dazu sind die Angaben gegebenenfalls auch auf Handlungen der Strafverfolgungsbehörden zu erstrecken, welche grundsätzlich nicht einer Benachrichtigungspflicht gemäß § 101 StPO unterfallen (beispielsweise Rasterfahndung gemäß § 98a StPO, Datenabgleich gemäß § 98c StP0 oder längerfristige Observation gemäß § 163f StPO), die aber in dem konkreten Erkenntnisgewinnungsprozess den jeweiligen Beteiligten betreffend von Bedeutung sind, mithin den Eingriff in Grundrechte mitbestimmen. Nur eine entsprechende Erweiterung kann dem Schutz der Grundrechte und dem Erfordernis des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG in ausreichender Weise gerecht werden. Der Anspruch auf spätere Kenntnis der staatlichen Maßnahme bei nicht erkennbaren Eingriffen535 dient neben der Ermöglichung der Geltendmachung von Einsichts- und Löschungsansprüchen auch der Schaffung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes.536 Hierzu muss dem Betroffenen zumindest die ungefähre Intensität des Eingriffs bewusst sein, um insbesondere auch die Notwendigkeit eines Vorgehens abschätzen zu können. Zudem sind die verfassungsrechtlich zu beanstandenden Regelungen betreffend die Zurückstellungsgründe und ihre richterliche Überprüfung nachzubessern.537

VII. Kontrollgremien Zur Wahrung einer langfristigen Rechtsstaatlichkeit der Ermittlungsmaßnahmen der Strafprozessordnung ist eine Berichterstattung zum Zwecke der Überprüfung der Erforderlichkeit, Geeignetheit und auch Angemessenheit zumindest von besonders eingriffsintensiven Vorgehensweisen an eine unabhängige Stelle notwendig. Dies dient als abstraktes Mittel neben konkreten 534 Zudem ist den rechtstatsächlich bestehenden Defiziten entgegenzuwirken. Eine Benachrichtigung bei heimlichen Überwachungsmaßnahmen findet offenbar nur in einer nicht ausreichenden Zahl der Fälle statt. So wurde für die Benachrichtigung der Betroffenen im Falle einer akustischen Wohnraumüberwachung eine Quote von 36% ermittelt, in der keine Hinweise auf eine Benachrichtigung gefunden wurden. Vgl. Meyer-Wieck, Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“) nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO, S. 266. 535 BVerfGE 100, 313 (316). 536 BVerfG NJW 2004, 999 (1015). 537 Vgl. BVerfG NJW 2004, 999 (1015 ff.).

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Kontrollmechanismen, wie den Richtervorbehalten, den Beweisverboten und den Benachrichtigungspflichten, einer dauerhaften Grundrechtssicherung durch Transparenz und Überprüfbarkeit. Entsprechend den Benachrichtigungspflichten gegenüber den Beteiligten und den bereits bestehenden Berichtspflichten bezogen auf Maßnahmen nach § 100c StPO gemäß § 100e StPO sind auch Berichte über die Kumulierung von qualifizierten Maßnahmen zu verfassen. Beinhalten müssen diese Berichte, welche Maßnahmen kumulativ angeordnet wurden, welche Anhaltspunkte gegen eine Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des absoluten Schutzbereichs gesprochen haben und inwieweit sich gerade aus der Kumulation relevante Erkenntnisse ergeben haben, sowie über die erfolgten Benachrichtigungen. Nach Abschluss des Verfahrens sind die Ergebnisse der nachfolgenden Bewertung in Gerichtsverfahren aber auch etwaiger Einwände seitens der Betroffenen zu ergänzen.

D. Zusammenfassung Die Judikatur des Bundesgerichtshofes zur Kumulation von Maßnahmen zeigt, dass das Bedürfnis nach einem umfassenden Schutz der Grundrechte vor den Menschenwürdegehalt betreffenden Handlungen der Strafverfolgungsbehörden in die Beurteilungsmaßstäbe der obersten deutschen Strafgerichtsbarkeit noch keinen hinreichenden Eingang gefunden hat. Dennoch werden Ansätze sichtbar, die auch nach bisheriger Judikatur – wenn auch nur in Extremfällen – eine Kumulation nicht uneingeschränkt zuzulassen scheinen. Die angedachte Korrektur im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist indes nicht ausreichend und auch der ausschließlich auf Interessenabwägung basierenden Beweisverwertung stehen insbesondere Einwände bezüglich der Notwendigkeit einer Verhinderung von unzulässigen Grundrechteingriffen, des Bestimmtheitsgebots und des effektiven Rechtsschutzes gegenüber. Eine verfassungskonforme Nutzung mehrerer qualifizierter Ermittlungsmaßnahmen kann somit nur durch die Schaffung neuer diesbezüglich ausreichender Vorschriften erfolgen. Hierzu bedarf es insbesondere Regelungen, die einen Eingriff in den absolut geschützten Bereich von vornherein weitestgehend ausschließen und eine rechtzeitige umfassende Bewertung ermöglichen. Erreicht werden kann dies durch die Nutzung des Richtervorbehalts, der Einführung spezieller Beweiserhebungsverbote verbunden mit konkreten tatbestandlichen Anforderungen an die Zulässigkeit einer entsprechenden Anordnung im Rahmen von Begrenzungen durch Straftatenschwere, Verdachtsmomente und Subsidiaritätsklauseln. Zudem sind weitere Vorkehrungen zu treffen, die im Falle einer rechtswidrigen Datenerlangung

D. Zusammenfassung

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den unzulässigen Eingriff so weit wie möglich abschwächen. Hierzu zählen insbesondere die Beweisverwertungsverbote speziell bezogen auf Erkenntnisse, die aufgrund von Maßnahmenkumulation erzielt wurden, ebenso wie Verwendungsregelungen, Löschungs- bzw. Sperrungs- und Benachrichtigungspflichten. Zur Ermöglichung einer abstrakten Überprüfbarkeit sind zudem Berichtspflichten einzuführen. Etwaigen Einwänden aus der Praxis bezüglich der tatsächlichen Umsetzbarkeit der einschränkenden Voraussetzungen538 muss entgegengetreten werden. Naturgemäß ergibt sich aus einer Prognose als Voraussetzung für die Anordnung von Informationsbeschaffungsmaßnahmen ein Dilemma. Insoweit hängt die Genauigkeit der Prognose von den bekannten Informationen ab, die aber vielfach erst durch die Anordnung von Maßnahmen erzielt werden können. Dieses Dilemma muss jedoch nicht zur völligen Unanwendbarkeit einer kumulativen Maßnahmennutzung führen, zumal es sich im Grundsatz auch bei Einzelmaßnahmen bereits in ähnlicher Form ergibt. Zum einen beziehen sich die restriktiveren Voraussetzungen nicht auf jedwede Maßnahme, die der Erlangung von Informationen dient, sondern lediglich auf qualifizierte Vorgehensweisen und dies auch nur, sofern sie mit anderen qualifizierten Maßnahmen zusammen genutzt werden sollen. Die Erzielung grundsätzlicher – für das Strafverfahren relevanter – Informationen ist mithin unter dem bestehenden System rechtmäßig möglich. Zum anderen orientiert sich die Prognose an der Wahrscheinlichkeit eines Eingriffs in den Kernbereich privater Lebensgestaltung und an der Wahrscheinlichkeit einer Totalausforschung bzw. Persönlichkeitsprofilerstellung. Die Begriffe beziehen sich dabei auf zu erwartende, sehr schwerwiegende Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen. Zwar statuiert die hier geforderte Beweislastverteilung eine Begründungspflicht dahingehend, dass Anhaltspunkte, die gegen eine entsprechende Wahrscheinlichkeit sprechen, aufgezeigt werden müssen. Dabei wird jedoch davon ausgegangen, dass in einer Vielzahl der Fälle eine Begründung ermöglichende Hinweise vorhanden sein werden, so dass auch die gehäufte Maßnahmendurchführung zu rechtfertigen ist. Für die verbleibenden Fälle, in denen die fiktive Prognose nicht widerlegt werden kann, schließt ein verfassungsmäßiges Vorgehen die Gefährdung der Menschenwürde aus. Die Erzielung der für weitere Ermittlungen oder zu Beweiszwecken benötigten Informationen ist dann nur auf andere – weniger eingriffsintensive – Weise oder in extremen Fällen nicht zulässig. 538 s. vergleichbare Einwände gegenüber den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur akustischen Wohnraumüberwachung (BVerfG NJW 2004, 999) bei Meyer-Wieck, Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“) nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO, S. 150 ff.

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6. Kap.: Rechtliche Bewertung kumulativer Überwachungsmaßnahmen

Bei Umsetzung der beschriebenen Forderungen wird zum einen die Kumulation mehrerer qualifizierter Ermittlungsmaßnahmen zwecks Informationsgewinnung verfassungskonform ermöglicht, zum anderen werden aber auch Grenzen der Nutzbarmachung dieses Instrumentes aufgestellt, die zur Sicherung der Grundrechte unvermeidlich sind.

7. Kapitel

Kriminologische Aspekte betreffend Informationsbeschaffung Die rechtliche Würdigung einer kumulativen Nutzung mehrerer Ermittlungsmaßnahmen ergab, dass sie den Schutz des innersten Kerns privater Lebensgestaltung beeinträchtigen und ggf. zu einer unzulässigen Totalausforschung führen kann. Während der erste Bereich – zwar unabhängig von einem Einsatz mehrerer Maßnahmen – seit längerer Zeit starke Aufmerksamkeit erfährt,539 wird die Problematik einer Totalausforschung bzw. der Erstellung von Persönlichkeitsprofilen erst in neuerer Zeit diskutiert.540 Dies ist vor allem einer Entwicklung der letzten Jahrzehnte geschuldet, die aufgrund verschiedener Faktoren entsprechende Eingriffe in Persönlichkeitsrechte wahrscheinlicher macht. Es scheint daher notwendig, neben der Problematik der Beeinträchtigung der Rechte einzelner Personen durch Überwachung das Augenmerk auch auf mögliche Auswirkungen und Entstehungszusammenhänge im gesellschaftlichen Rahmen zu legen. Um sich dieser Aufgabe zu nähern, sind zunächst die relevanten Faktoren darzustellen und zu erörtern und sodann denkbare Auswirkungen der Entwicklung aufzuzeigen. Abschließend wird eine allgemeine Bewertung unter Einbeziehung von Effizienzkriterien vorgenommen.

A. Entstehungszusammenhänge bezüglich einer Überwachungserweiterung im Rahmen von Strafverfolgung Gründe für die Überwachungsausdehnung541 sind vor allem in den drei eng miteinander verbundenen Bereichen technische, rechtliche und gesellschaftliche Entwicklung zu suchen. 539 BVerfGE 6, 32 (41); 27, 1 (6); 32, 373 (378 f.); 34, 238 (245); 80, 367 (373); BVerfG NJW 2004, 999 (1004). 540 BVerfG NJW 2005, 1338 (1341); BGHSt 46, 266; OLG Düsseldorf StV 170; Comes, StV 1998, 569; Gercke, Bewegungsprofile anhand von Mobilfunkdaten im Strafverfahren; Deckers; StraFo 2002, 117; SK-Rudolphi/Wolter, § 100c Rdnr. 2a; Wolter, FS Rudolphi, 733. 541 Ein Unterfall der zu konstatierenden Ausdehnung stellt die Entwicklung hin zu einer Totalausforschung im Einzelfall, aber auch bezogen auf von einzelnen Per-

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7. Kap.: Kriminologische Aspekte betr. Informationsbeschaffung

I. Technische Entwicklung Da Ausforschung im Allgemeinen und besonders in Form einer umfassenden Totalausforschung auf die Gewinnung und die Nutzung von Informationen angewiesen ist, kommt der technischen Entwicklung im Bereich der Datenverwaltung erhebliche Bedeutung zu. Dies betrifft sowohl entsprechende Möglichkeiten zur Datenerhebung und -verarbeitung auf Seiten der Strafverfolgungsbehörden als auch den allgemeinen Umgang mit Daten in der Gesellschaft. Die Nutzung immer leistungsfähigerer Computer ermöglicht es den Behörden somit einerseits, große Mengen von Daten zu speichern und – vorbehaltlich rechtlicher Einschränkungen – nach Belieben zu verknüpfen. Auf der anderen Seite erfährt die Verwendung von Daten in allen Lebensbereichen zunehmend größere Bedeutung, so dass bereits jetzt viele Informationen über das gesellschaftliche Leben, aber auch das Privatleben von Personen in verschiedenen Speicherungssystemen in digitalisierter Form existieren. Hieraus ergibt sich die technisch leicht umsetzbare Möglichkeit, auch diese Daten zu Zwecken der Strafverfolgung nutzbar zu machen.542 Während die Erkenntnisgewinnung und -verarbeitung auf herkömmliche Weise einen hohen personellen Aufwand erfordert, arbeiten computergestützte Systeme effizienter und ermöglichen eine zeitnahe Auswertung des Datenbestands. Zudem sind auch technische Entwicklungen bedeutsam, die Lebensbereiche der Überwachung zugänglich machen, die vorher der Observation von außen größtenteils entzogen waren. Zu denken ist dabei insbesondere an Techniken, die unbemerkt eingesetzt werden können und so einen ungefilterten Einblick in Lebens- und Verhaltensweisen gestatten. Neue Ermittlungsmethoden, die Datengewinnungsmöglichkeiten für herkömmliche Lebensabläufe eröffnen, sprechen für eine Überwachungsausweitung, die keine alternativlose, direkte Reaktion auf einen veränderten Umgang mit Informationen und deren Gebrauch dienende Technologien darstellen.543 Neben den auf besonders private Sphären abzielenden Methoden bildet auch die Standortbestimmung mittels Mobiltelefonen mit der Option einer Bewegungsprofilerstellung ein anschauliches Beispiel.544 Unter sonen losgelöste Bereiche dar. Dabei ist der Begriff nicht auf die Auswirkungen der Verwendung einer Vielzahl von Ermittlungsmaßnahmen beschränkt, sondern auch anderweitig, beispielsweise beim Einsatz einzelner Maßnahmen, in besonderen Lebenssituationen relevant. s. allgemein auch unter 4. Kapitel E.II. 542 s. zur ständigen Erweiterung sowohl der in der Gesellschaft existierenden Datenmengen als auch der daraus entstehenden Möglichkeiten zur Ausforschung anhand des Beispiels der Technologie der Radio Frequency Identification (RFID) Eisenberg/Puschke/Singelnstein, KrimJ 2005, 93 ff. 543 s. auch unter 7. Kapitel A.II.

A. Entstehungszusammenhänge bezüglich Überwachungserweiterung

165

der Prämisse „was möglich ist, wird auch eingesetzt“ werden inzwischen alltäglich gewordene Kommunikationsmittel wie das Mobiltelefon umfunktioniert, um auf diese Weise ohne größeren Eigenaufwand545 der Strafverfolgungsbehörden (Standort-)Daten zu erlangen. Gerade bei dieser Vorgehensweise wird offensichtlich, dass technische Entwicklungen genutzt werden, um Überwachung dort zu ermöglichen, wo sie vorher nur eingeschränkt ausführbar war. Anders könnte sich die Situation aber betreffend Ermittlungen in Straftatbereichen darstellen, die sich unmittelbar oder mittelbar über die Nutzung von neuen Technologien definieren. Zu denken wäre hier beispielsweise an so genannte Computerkriminalität teilweise mit Bezug zum Datentransfer via Internet.546 In solchen Fällen sind Ermittlungsmaßnahmen ohne die Verwendung neuer Methoden mit technischem Hintergrund schwer vorstellbar. Ein entsprechender Einsatz erscheint daher folgerichtig. Im Grenzbereich zwischen einfacher Reaktion mittels Überwachungstechnologie und aktiver Ausweitung der Überwachung liegt beispielsweise die inhaltsbezogene Telekommunikationsüberwachung. Unter dem Aspekt einer sonst observationsresistenten Kommunikation zur Verabredung von Straftaten oder zur Organisation etwaiger strafrechtlich relevanter Netzwerke kann durchaus von einem Reagieren der Strafverfolgungsbehörden auf möglicherweise veränderte Verständigungsmechanismen bestimmter Personengruppen ausgegangen werden. Eine Auswertung empirischer Daten über den Einsatz konkret der Telefonüberwachung ergibt aber, dass sie sich nach einer Studie in weniger als 50% direkt auf die Erkenntnisgewinnung betreffend Verhaltensweisen in Verbindung mit so genannter Organisierter Kriminalität bezieht.547 In den anderen Fällen ist daher nur eingeschränkt von der Nutzung spezieller Strukturen zur Straftatenbegehung auszugehen. Zudem sprechen auch der nicht geringe Anteil von im Allgemeinen bereits abgeschlossenen Verhaltensweisen548 an den Delikten, auf die der Anfangsverdacht gerichtet war, bzw. die Zuordnung zu entsprechenden staatsanwaltschaftlichen Abtei544

s. konkret zur Nutzung der „stillen SMS“ Eisenberg/Singelnstein, NStZ 2005,

62. 545 Andere Methoden zur Standortbestimmung, z. B. die Nutzung der GPS-Technologie, erfordern zusätzliche Vorkehrungen, wie das Anbringen des Senders. Die Observation durch Ermittlungspersonen ist zudem mit einem hohen personellen Aufwand verbunden. 546 s. ausführlich zu technischen und rechtstatsächlichen Aspekten bezüglich Ermittlungen in vernetzten Computersystemen Böckenförde, Die Ermittlung im Netz, S. 17 ff. 547 s. Backes/Gusy, Wer kontrolliert die Telefonüberwachung?, S. 30, wobei hier nur auf die Beantragung durch entsprechende Abteilungen der Staatsanwaltschaft abgestellt wurde, mithin lediglich die staatsanwaltschaftliche Einschätzung Beurteilungsgrundlage ist.

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7. Kap.: Kriminologische Aspekte betr. Informationsbeschaffung

lungen549 für eine nicht selten stattfindende Ausrichtung der Erkenntnisgewinnung auf die Erzielung allgemeiner Informationen ohne Bezug zu konspirativen Verhaltensweisen stark organisierter Gruppierungen. Für diesen Bereich kann daher ebenfalls von einer aktiven Überwachungsausweitung losgelöst von verändertem Kommunikationsverhalten zur Straftatenvorbereitung gesprochen werden. Insgesamt ist somit von einer veränderten gesellschaftlich-technologischen Lage auszugehen, die in ihrer Folge auch eine veränderte Verfolgungspraxis mit sich bringt. Dabei handelt es sich einerseits um eine Reaktion auf gewandelte Formen von Straftatenbegehung sowohl betreffend die konkreten Deliktsformen als auch die Nutzung neuer Mittel vor allem im Vor- und Umfeld der relevanten Geschehensabläufe. Andererseits erfolgt der Einsatz neuer technischer Methoden zur Strafverfolgung aber auch ohne ein erhöhtes Bedrohungspotential ausgehend von einem Technikgebrauch und somit quasi einseitig. Dabei werden Datenbestände genutzt, die sich aufgrund einer Technisierung vor allem der Kommunikationsprozesse aufgebaut haben, und es werden Methoden eingesetzt, um in zuvor den Behörden verborgene Bereiche einzudringen.

II. Entwicklung normativer Vorgaben Betreffend die Entwicklung normativer Vorgaben ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die gesetzlichen Regelungen der Strafprozessordnung und auch der Polizeigesetze sowie sonstige Ermächtigungen zur Überwachung inzwischen „geradezu flächendeckend das Muster umfassender Eingriffsgrundlagen“ bieten.550 Die Veränderung diesbezüglicher Befugnisse gegenüber den Regelungen in der ursprünglichen Strafprozessordnung – aber auch gegenüber dem noch vor wenigen Jahrzehnten bestehenden System –551 kommt in ihrem Ausmaß einem Paradigmenwechsel betreffend Überwachung gleich. 548 s. betreffend den Begriff „abgeschlossene Verhaltensweisen“ unter 3. Kapitel C. Fn. 184. 549 8% Delikte gegen die öffentliche Ordnung, 10% Mord/Totschlag, 7% Raub; insgesamt 22% der Telefonüberwachungen wurden in Abteilungen für allgemeine Delikte und für Kapitaldelikte beantragt. Vgl. Backes/Gusy, Wer kontrolliert die Telefonüberwachung?, S. 29 f.; s. zu einer ähnlichen Verteilung Albrecht/Dorsch/ Krüpe, Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100a, 100b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, S. 145. 550 s. Wolter, FS Rudolphi, S. 734. 551 Vgl. „klassische Eingriffsbefugnisse“ unter 2. Kapitel A.; s. zur Entwicklung nach 1945 unter 2. Kapitel B.

A. Entstehungszusammenhänge bezüglich Überwachungserweiterung

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1. Allgemeine Befugniserweiterung Diesbezüglich ist zunächst die Ausdehnung der Befugnisse von strafprozessualen Ermittlungsmethoden insbesondere im technischen Bereich zu nennen. Einerseits führt die fortschreitende Schaffung neuer Legitimationstatbestände zu einer umfänglicheren Nutzung zum Teil immer eingriffsintensiverer Maßnahmen. Andererseits ist insbesondere auch von einer umgekehrten Abhängigkeit dergestalt auszugehen, dass aus der Sicht der Strafverfolgungsbehörden alles technisch Mögliche eingesetzt werden soll und es dabei gegebenenfalls gar der Praxis entspricht, unter Umgehung oder zumindest Dehnung der rechtlichen Vorgaben einem gesetzgeberischen oder gerichtlichen Handeln vorzugreifen und somit aufgrund der zum Entscheidungszeitpunkt bereits gebräuchlichen Vorgehensweise eine entsprechende Legitimation quasi zu erzwingen.552 Mit der Ausdehnung strafprozessualer Befugnisse gehen auch entsprechende Erweiterungen polizeilicher und geheimdienstlicher Kompetenzen einher. Dabei ist beispielsweise auf die Regelungen betreffend die akustische und optische Wohnraumüberwachung zu verweisen, die unter den besonderen Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 4 GG für Zwecke der Gefahrenabwehr inzwischen gestattet ist. Hierzu sind Ermächtigungsvorschriften unter anderem in § 25 Abs. 1 Nr. 2 ASOG, § 15 Abs. 1 Nr. 2 HessSOG, § 18 NRWPolG und § 17 Abs. 1 Nr. 2 SachsAnhSOG zu finden.553 Ermächtigungsvorschriften z. B. zum Überwachen der Telekommunikation durch Verfassungsschutzbehörden, Militärische Abschirmdienste und den Bundesnachrichtendienst finden sich in § 1 Abs. 1 G10-Gesetz. Letztlich ergeben sich in immer stärkerem Maße verdachts- und gefahrenunabhängige Überwachungstendenzen. Dies gilt namentlich für Maßnahmen wie den automatischen Kennzeichenabgleich,554 die präventive ortsbezogene Videoüberwachung,555 die Vorratsdatenspeicherung von Telekom552 s. konkret bezüglich des Einsatzes der GPS-Technologie BVerfG NJW 2005, 1338 ff.; BGHSt 46, 266. Zur Nutzung der „stillen SMS“ vgl. Eisenberg/Singelnstein, NStZ 2005, 62; betreffend die Standortbestimmung mittels Mobiltelefon im Allgemeinen s. Demko, NStZ 2004, 57 ff.; vgl. auch Gercke, Bewegungsprofile anhand von Mobilfunkdaten im Strafverfahren; s. zur Gesamtproblematik und speziell zur Nutzung der RFID-Technologie auch Eisenberg/Puschke/Singelnstein, ZRP 2005, 9 ff., dieselben, KrimJ 2005, 93 ff. 553 s. zu weiteren Ermächtigungsgrundlagen und allgemein hierzu Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 193 ff.; s. auch Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 272 ff.; vgl. zum Einsatz technischer Mittel beispielsweise § 33 Abs. 1 Satz 1 BremPolG, § 35 Abs. 1 Satz 1 NdsSOG. 554 Vgl. Bayerischer Landtag Drs. 15/2096 v. 23.11.2004 – Art. 33 Abs. 2 Satz 2 PAG. 555 s. allgemein Müller, MschrKrim 2002, 33; Stolle/Hefendehl, KrimJ 2002, 257.

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7. Kap.: Kriminologische Aspekte betr. Informationsbeschaffung

munikationsverbindungen556 und auch den Zugriff auf Kontodaten durch das Finanzamt.557 Insgesamt ist eine allgemeine Entwicklung rechtlicher Überwachungsbefugnisse dahingehend festzustellen, dass tatbestandliche Voraussetzungen an Bedeutung verlieren, die Überwachung sich mithin tendenziell auf nahezu alle denkbaren Verhaltensweisen, Aufenthaltsorte und Personen bezieht. 2. Verpolizeilichung der Strafverfolgung Folge und gleichzeitig Motor einer solchen Veränderung ist auch die Verpolizeilichung der Strafverfolgung. Die einschlägige Diskussion findet ihren Ursprung in der These, dass sich einerseits strafverfolgungsrechtlich relevante Vorgehensweisen in immer stärkerem Maße in den Bereich der polizeilichen Tätigkeit verlagert haben. Mithin tritt die Polizei entgegen den gesetzlichen Vorgaben558 als „Herrin des Ermittlungsverfahrens“ auch bezüglich intensivster Maßnahmen auf.559 Andererseits dringen zunehmend Kompetenzen mit dem Charakter der Gefahrenabwehr in das Strafverfahrensrecht ein. a) Polizei als „Herrin des Ermittlungsverfahrens“ Beispiel für eine Stärkung der polizeilichen Rolle vor allem im Verhältnis zu derjenigen der Staatsanwaltschaft bildet die Einführung von Maßnahmen, die zum Teil mit originärem Kompetenzzuwachs bei der Polizei verbunden ist (vgl. z. B. § 100f Abs. 1 StPO) bzw. zu einem aufgrund von Eilkompetenzen abgeleiteten Zuwachs führt (z. B. § 100c Abs. 2 StPO).560 Eng verbunden sind rechtstatsächliche Entwicklungen, die mittelbar aus einem veränderten gesetzlichen Rahmen resultieren. So ergeben sich auch bei der Einführung von Maßnahmen, die einem uneingeschränkten Richter556 s. hierzu weitergehende Forderungen im Bundesrat, vgl. BT-Drs. 15/2316, S. 120 f. 557 s. Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit v. 23.12.2003, BGBl I 2003, 2928. 558 Vgl. §§ 152, 160 StPO, s. zur Unzulässigkeit einer gesetzlichen Verlagerung ins Polizeirecht BVerfG NJW 2005, 2603 ff. und hierzu auch Puschke/Singelnstein NJW 2005, 3534 ff. 559 Vgl. hierzu auch Eisenberg, Kriminologie, § 27 Rdnr. 6 f. 560 s. zu einer sprachlichen Anpassung die Ersetzung des Begriffs „Hilfsbeamten“ durch „Ermittlungspersonen“ (Erstes Justizmodernisierungsgesetz BGBl. I 2004, 2198 vom 24. August 2004); vgl. zur entsprechenden Begründung BT-Drs. 15/3482, S. 25.

A. Entstehungszusammenhänge bezüglich Überwachungserweiterung

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vorbehalt unterliegen (§ 100c StPO), im Bereich der praktischen Umsetzung Ausgestaltungsspielräume bei der Durchführung, die zu einer praktischen Erweiterung des polizeilichen Betätigungsfeldes im Rahmen der Strafverfolgung beitragen. Die zum Teil vorgegebenen rechtlichen Beschränkungen in Form von Straftatenkatalogen oder Subsidiaritätsklauseln sowie betreffend den Tatverdacht – sie wurden größtenteils unter dem Hinweis auf eine Ausrichtung der Maßnahmen auf besonders schwere Delikte im Zusammenhang mit Organisierter Kriminalität oder Terrorismus etabliert – zeigen zumeist aufgrund ihrer weiten Anlage bzw. ihrer immer weiteren Ausdehnung561 nur sehr beschränkte Wirkung. Auch der Wille einer dahingehenden Befugnisbegrenzung scheint – ungeachtet offizieller Absichtserklärungen – nur bedingt vorhanden zu sein.562 Hinzu kommt die zum Teil explizit gefasste Offenheit oder auch Unbestimmtheit insbesondere der Normen, die sich auf den Einsatz technischer Mittel beziehen. Deren Grenzen ergeben sich häufig lediglich aus einer unsystematischen Kasuistik.563 Der hieraus abgeleitete Beurteilungsspielraum steht – vorbehaltlich gerichtlicher Einschränkungen – der Exekutive zu, im konkreten Fall also zumeist der Polizei. b) Gefahrenabwehr und Strafverfolgung Auch führt die verstärkte Vermengung präventiver und repressiver Tätigkeit564 zu einer Konzentration von Kompetenzen betreffend Informationsgewinnung in den Händen der Polizei. Davon ausgehend, dass Maßnahmen zur Überführung von etwaigen Straftätern gleichzeitig auch häufig gefahrenabwehrend wirken, bestehen Bestrebungen, die Wahl der Ermächtigungsgrundlage von den jeweiligen Bedürfnissen abhängig zu machen, mithin sich auf das jeweils weiter gefasste Gesetz zu berufen.565 Bedenklich sind insoweit auch entsprechende Tendenzen in der Judikatur betreffend Über561 Vgl. hierzu nur betreffend Telekommunikationsüberwachung konkrete Nachweise unter 2. Kapitel B. und D. 562 s. zu Nachweisen Kinzig, Die rechtliche Bewältigung von Erscheinungsformen organisierter Kriminalität, S. 134. 563 Comes, StV 1998, 569. 564 Diese ergeben sich beispielsweise aus der vermehrten Schaffung von Maßnahmen sowie deren verstärkten Einsatz, die sich auch auf nichtverdächtige Personen beziehen und somit unter partieller Loslösung des ursprünglichen strafprozessualen Grundsatzes der ausschließlich verdachtsbezogenen Ermittlung eingesetzt werden. s. hierzu Wolter, FS Rudolphi, 733 (737 ff.). s. zur Bedeutung einer klaren Unterscheidung Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 67 ff. 565 Gusy, Anm. StV 1991, 499.

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7. Kap.: Kriminologische Aspekte betr. Informationsbeschaffung

schneidungen von polizeilichen Befugnissen im präventiven und repressiven Bereich für die Zulässigkeit der Maßnahme, die aus polizeilicher Sicht jeweils günstigere Norm für anwendbar zu halten und daraus entsprechende Verwertungsmöglichkeiten abzuleiten.566 Dieses Vorgehen im Sinne einer „Rosinentheorie“ führt abermals zu einer polizeilichen Kompetenzerweiterung durch die Schaffung von Grauzonen, in denen die strafprozessualen Beschränkungen durch die Ausnutzung weitergehender polizeirechtlicher Befugnisse umgangen werden.567 Auch die rechtlichen Datenverwendungsbefugnisse begünstigen eine immer stärkere Verschränkung präventiver und repressiver polizeilicher Tätigkeit. Hinzuweisen ist dabei besonders auf die Normen zur Übermittlung gespeicherter Daten.568 Intensiviert werden die Informationsbeschaffungsstrategien durch damit zum Teil korrespondierende Verwaltungs- und Verarbeitungsstrategien. Insbesondere die Stärkung des Bundeskriminalamtes in diesem Bereich aufgrund der Schaffung eines Informationsverbundes in Form verschiedener Systeme zur Datensammlung und Auswertung (z. B. INPOL569) sowie die Einrichtung eines europäischen Polizeiamtes ohne direkte richterliche und staatsanwaltschaftliche Kontrollmöglichkeiten570 führt in Verbindung mit technologischen Entwicklungen zu einem enormen Kompetenzzuwachs. Die ständige Zunahme von gespeicherten persönlichen Daten und die sich aus den – in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts rechtlich geschaffenen – Verarbeitungsmöglichkeiten ergebenden Erkenntnisgewinne aufgrund der Optimierung von Datenverwertung führen zudem auch zu einer Rückkoppelung auf die Bestrebungen bezüglich der Nutzung von Methoden zur Datenerlangung, die entsprechend in der polizeilichen Vorstellung stark an Interesse gewinnen und sogar etwaige Handlungszwänge bedingen können.571 Innerhalb der exekutiven Strafverfolgungsorgane ist dabei schon aufgrund der mangelnden technischen Möglichkeiten der Staatsanwaltschaft von einem polizeilichen Monopol der Datenverwertung auszugehen.572 566 BGH StV 1991, 403 ff.; vgl. aber zur Unzulässigkeit einer polizeilichen Telekommunikationsüberwachung zur Strafverfolgungsvorsorge BVerfG NJW 2005, 2603 ff.; Puschke/Singelnstein NJW 2005, 3534 ff. 567 Gusy, Anm. StV 1991, 499. 568 Vgl. insbesondere §§ 483 ff., § 161 und §§ 98a ff StPO. 569 s. allgemein insbesondere zu datenschutzrechtlichen Problemen, Ringwald, ZRP 1988, 178 ff. 570 Vgl. auch Schaefer, StraFo 2002, 118 (120 f.). 571 Krauß, StV 1989, 315 (318); s. allgemein zur Technisierung auch unter 7. Kapitel A.I.; vgl. zu „institutionalisierten Handlungsnormen“ Eisenberg, Kriminologie, § 40 Rdnr. 1 ff.; Singelnstein, MSchrKrim 2003, 1 ff. 572 Vgl. Krauß, StV 1989, 315 (319); Wolter, GA 49 (49, 57).

A. Entstehungszusammenhänge bezüglich Überwachungserweiterung

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3. Unmittelbare Folgen der Entwicklung Die Tendenzen einer Konzentrierung der rechtlichen und tatsächlichen Machtausübung betreffend Überwachung bei der Polizei und die allgemeine Ausdehnung von Überwachungsbefugnissen führen zu einer Erweiterung des Einsatzes der vorhandenen Instrumentarien. Die Verschränkung präventiver und repressiver Tätigkeitsfelder ermöglicht eine Nutzung eingriffsintensiver Maßnahmen zum Teil unabhängig von einem konkreten Anlass und unter Verwendung verschiedener Rechtfertigungsmuster abgestimmt auf die jeweilige tatsächliche Voraussetzungslage. Bezüglich einer Ausforschung von personenbezogenen Daten bis hin zu einer Totalausforschung ergeben sich somit erweiterte polizeiliche Entfaltungsmöglichkeiten, die sich durch die polizeiliche „Datenhoheit“ verstärken. Dabei ist zu besorgen, dass die „vorbeugende Verbrechensbekämpfung“ die gesetzlich vorgesehene Trennung zwischen Prävention und Repression aufhebt, mithin vom Tatverdacht losgelöste Ermittlungen auch auf dem Gebiet der Strafverfolgung nicht mehr Ausnahmen bleiben und dass im Sinne einer umfassenden Gefahrenabwehr die Einbeziehung Unbeteiligter zunehmend Bestandteil strafprozessualer Erkenntnisgewinnung wird.573 Mit der Ausweitung heimlicher Ermittlungsmethoden wurde verstärkt auch die Überwachung nichtverdächtiger Personen gesetzlich festgeschrieben und zum Teil gezielt zur Informationsgewinnung angestrebt574 bzw. als notwendige Folge der Überwachung verdächtiger Personen in Kauf genommen.575 Besonders deutlich wird die Abkehr von der ursprünglichen strafprozessualen Ausrichtung auf Personen, die in direkter Beziehung zum jeweiligen Verfahren stehen (Beschuldigte, Zeugen), an der Einführung von Regelungen, die losgelöst vom konkreten Anlass der Untersuchung Nichtverdächtige zu Betroffenen von Ermittlungsmaßnahmen machen.576 Diese Entwicklung im Zusammenhang mit Straftatenverfolgung lässt sich auch in sonstigen Bereichen staatlichen Überwachens nachvollziehen. Gerade auch die Einführung gefahren- und verdachtsunabhängiger Methoden und die in diesem Zusammenhang bestehende „Tatbestandslosigkeit“ erwecken Bedenken. Dem Kompetenzzuwachs auf staatlicher Seite stehen Beeinträchtigun573

Vgl. Hassemer, StV 1993, 664 (664 f.), Wolter, FS Rudolphi, S. 737. s. beispielsweise die expliziten Regelungen in §§ 100a Satz 2, 100c Abs. 3 Satz 2, 100i Abs. 3 StPO. 575 Hier ist zu denken an die Notwendigkeit der Einbeziehung Dritter bei der Überwachung von Kommunikationsvorgängen. 576 s. z. B. § 103 Abs. 1 Satz 2, 163e Abs. 3 StPO. s. kritisch auch Wolter, FS Rudolphi, S. 738. 574

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7. Kap.: Kriminologische Aspekte betr. Informationsbeschaffung

gen und Einschränkungen der persönlichen Freiheit großer Teile der Bevölkerung gegenüber. Die Aufweichung konkreter Anforderungen an die Voraussetzungen für die Kompetenzausübung ist aufgrund des Bestimmtheitsgebotes verfassungsrechtlich zu beanstanden.

III. Gesellschaftliche Entwicklung Neben technischen und rechtlichen Veränderungen vermögen auch damit zum Teil eng verbundene gesellschaftliche Entwicklungen Erklärungsansätze für die Ausweitung von behördlicher und explizit strafverfolgungsbehördlicher Ausforschung durch Überwachung zu liefern. Dies bezieht sich insbesondere auf die Entstehung veränderter Kontrollmechanismen im gesellschaftlich gewandelten Rahmen. Betreffend die allgemein-gesellschaftliche Entwicklung sind Tendenzen einer Segmentierung von Bevölkerungsgruppen einhergehend mit Isolierung einzelner Personen und Gruppierungen zu verzeichnen. Dabei erfolgt soziale Kontrolle in einem gesamtgesellschaftlichen Bezug zunehmend weniger im Nahbereich wie beispielsweise Familie, Freunde und Arbeitsumfeld. Ausgleichstendenzen könnten sich somit durch eine Kontrollverstärkung im Makrobereich ergeben, wobei funktionell eine gesellschaftliche Stabilisierung im Sinne einer Aufrechterhaltung des machtstrukturellen Status quo als grundsätzliche Zielvorgabe erscheint. Grundlegend ist dabei die Begrenzung abweichenden Verhaltens577 auf bestimmte einschränkbare Personenkreise, bei denen eine klassische Kontrolltätigkeit zum Teil mittels gesellschaftlicher Ausgrenzung (z. B. freiheitsentziehende Maßnahmen) effektiv durchgeführt werden kann. Für den weit größeren Kreis von Personen ist hingegen unter Berücksichtigung allgemeiner Ökonomisierungstendenzen auch von Steuerungsinstrumenten der Strafverfolgungsbehörden eine Werteverinnerlichung oder zumindest äußere Anpassung bereits im Vorfeld etwaiger Straftatenbegehung Ziel der Kontrolltätigkeit. Dabei erscheint die Nutzung aktiver Sozialkontrolle578 zur Einwirkung auf den Entscheidungsprozess mit dem Zweck der Durchsetzung gesellschaftlich bzw. staatlich anerkannter Werte probates Mittel. Hierdurch soll ein Zustand von Sicherheit erzeugt bzw. gewährleistet werden. Dies entspricht auch den veränderten gesellschaftlichen Forderungen. Dabei steht nicht Freiheit von staatlichen Eingriffen, sondern Sicherheit durch den Staat im Zentrum der Diskussion. Diese Verschiebung des Verständnisses vom Staat und seinen Aufgaben ist jedoch nicht ausschließlich als aus 577 578

s. zum Begriff und zu Arten Peters, Devianz und soziale Kontrolle, S. 17 ff. s. Lemert, Human Deviance, Social Problems, and Social Control, S. 21 ff.

A. Entstehungszusammenhänge bezüglich Überwachungserweiterung

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der Gesellschaft kommendes Phänomen zu verstehen, auf das lediglich von staatlicher Seite reagiert wird; vielmehr wirken auch diesbezügliche Inszenierungen von symbolhaften Regelungsproblemen durch machthabende Gruppierungen in diese Richtung.579 Zur Durchsetzung der Akzeptanz von Überwachungstätigkeit kann dabei die Konstruktion neuer Erscheinungsformen von Kriminalität unter Nutzung bestimmter Zuschreibungen dienlich sein.580 Die verstärkte Hinwendung zu Methoden der Überwachung kann somit als institutionalisierte aktive Sozialkontrolle charakterisiert werden, wobei die für die Einführung angegebenen Gründe lediglich einer allgemeinen Akzeptanzerweiterung dienen. Eine Ausdehnung und Vorverlagerung von Überwachung in einen strafrechtlich nicht relevanten Bereich der Gefahrenund Risikobewertung sowie einer anlasslosen Massenüberwachung581 dient dabei einer möglichst frühzeitigen Beeinflussung im Sinne der Erzielung von Konformität582 bzw. der Selektion als risikoträchtig beurteilter Personengruppen.583 Dieser Vorgehensweise entsprechen auch Vorstellungen über eine verstärkte Ökonomisierung aller gesellschaftlichen Bereiche.584 Dies betrifft einerseits die Effizienz von strafrechtlicher Kontrolle bereits im Vorfeld von als sozialschädigendem Verhalten beurteilten Geschehensabläufen. Andererseits bezieht sich Ökonomisierung der Strafverfolgung aber auch auf die zunehmende Ausrichtung staatlicher Eingriffsinstrumente auf wirtschaftliche Interessen.585 579

Vgl. hierzu Eisenberg, Kriminologie, § 23 Rdnr. 6 ff. s. zum Begriff der „Organisierten Kriminalität“ BVerfG NJW 2004, 999 (1009); Albrecht, Kriminologie, § 43; s. schon Eisenberg, NJW 1993, 1033 ff.; sodann Eisenberg, Kriminologie; § 57 Rdnr. 67 und 77; vgl. zudem rechtstatsächliche Befunde bei Kinzig, Die rechtliche Bewältigung von Erscheinungsformen Organisierter Kriminalität, S. 704 ff., 775 ff. 581 Beispielsweise durch Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen; vgl. näher Müller, MschrKrim 2002, 33; Stolle/Hefendehl, KrimJ 2002, 257. 582 Konkretes Ziel soll dabei die Durchsetzung von Verhaltensweisen sein, die Ziel-, Werte- und Interessenskonflikte innerhalb der Gesellschaft nicht verschärfen; vgl. von Trotha in Lüderssen/Sack, Abweichendes Verhalten IV – Kriminalpolitik und Strafrecht, 92 (99). 583 Dabei ist von einer sich ergänzenden Nutzung aktiver Elemente sozialer Kontrolle und Exklusionskontrolle auszugehen. Vgl. auch Dollinger, KrimJ 2001, 89 (98). 584 s. hierzu Krasmann, in: Gouvernementalität, S. 39 ff. 585 Vgl. zu einer entsprechenden Ausrichtung von öffentlicher Videoüberwachung Stolle/Hefendehl, KrimJ 2002, 257 (267 ff.); s. auch die expliziten Ausführungen zur Beeinträchtigung wirtschaftlicher Belange bei der Neugestaltung der akustischen Wohnraumüberwachung im Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 (akustische Wohraumüberwachung), 580

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7. Kap.: Kriminologische Aspekte betr. Informationsbeschaffung

Die sich hieraus ergebenden Überwachungsmöglichkeiten liefern zumindest einen ersten Baustein zu einer gesamtgesellschaftlich relevanten dauerhaften Ausforschung auf hohem Niveau. In diesem Sinne kann auch dem Begriff der „Totalausforschung“ eine zweite gesellschaftsbezogene Ebene hinzugefügt werden. Zwar mag eine entsprechende Qualität noch nicht erreicht sein, die verschiedenen Komponenten, die eine Ausweitung der Überwachung begünstigen, stehen jedoch in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis und bewirken eine zunehmende Intensivierung der dahingehenden Entwicklung.

B. Mögliche Folgen der Entwicklung Das Aufzeigen einer Erweiterung strafrechtlicher (und polizeirechtlicher, aber auch sonstiger) Überwachungstätigkeit sowie die Beschreibung möglicher Ursachen hierfür führt zu der Frage nach möglichen Folgen der Entwicklung. Dabei erscheinen vor allem denkbare Auswirkungen auf allgemeine Verhaltensweisen von Personen sowie auf Personengruppen wesentlich, die durch Überwachungsmaßnahmen in besonderem Maße betroffen sind.

I. Konformitätsdruck durch Überwachung Bereits durch die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts und insbesondere durch das Volkszählungsurteil wird die Notwendigkeit einer Untersuchung gesellschaftlicher Auswirkungen von staatlichem Informationsstreben offenbar. Im Volkszählungsurteil wird ausgeführt: „Wer nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffenden Informationen in bestimmten Bereichen seiner sozialen Umwelt bekannt sind, und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen oder zu entscheiden. (. . .) Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen.“586

Diese – für den gesamten Bereich staatlicher, zum Teil auch privater Informationserlangung geltenden – Aussagen scheinen insbesondere im Bereich der Strafverfolgung zu tragen. Insoweit ist auf der Grundlage kriminoBR-Drs. 722/04, S. 3; vgl. auch Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, BT-Drs. 13/8651, S. 3. 586 BVerfGE 65, 1 (43).

B. Mögliche Folgen der Entwicklung

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logischer Erkenntnisse zu klären, wie und in welchem Umfang die Zunahme weitreichender587 und zugleich intensiver588 Ermittlungs- und Überwachungsmaßnahmen den beschriebenen Konformitätsdruck erhöht. Die Entstehung einer Anpassung an als erwartet angesehene Verhaltensweisen ist auf mehrere Entwicklungen zurückzuführen. Dies sind zum einen die durch Technisierung entstandenen Möglichkeiten einer umfänglichen maschinellen Datenspeicherung und -auswertung, welche auf Seiten der Strafverfolgungsbehörden gerade auch durch die zusammengeführte Nutzung informationsbezogener Ermittlungsmaßnahmen brauchbar gemacht werden. Des Weiteren sind die zum Teil damit einhergehende Vorverlagerung polizeilicher Überwachungstätigkeit in den verdachtsunabhängigen Bereich zum Zweck der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung und die entsprechende Änderung von Kontrollmechanismen mitursächlich für die Erzeugung von Anpassungstendenzen.589 Informationserlangungsmaßnahmen wirken dabei auf verschiedenen Ebenen. Zunächst dienen sie der Aufdeckung von abweichendem Verhalten im Allgemeinen bzw. dem Übermitteln einer entsprechenden gesellschaftlichen Vorstellung der diesbezüglich bestehenden, wenn auch im Konkreten unklar bleibenden Möglichkeiten. Dabei kann vor allem auch die mangelnde Ausdifferenzierung der Darstellung von Überwachungsmöglichkeiten, etwa durch offen formulierte Ermächtigungsgrundlagen, oder die Komplexität von Vorgängen und Techniken zu einem verstärkten Anpassungszwang führen. Denn auf diese Weise werden ein diffuses Gefühl von „Bespitzelt-Sein“ begünstigt und das Einstellen auf konkrete Formen und Bereiche von Überwachung erschwert. Insgesamt ist daher von einem eher vergrößerten Anpassungspotenzial auszugehen, sofern die Tatsache, dass überwacht wird, in der Wahrnehmung der Bevölkerung verbreitet ist, die konkreten Formen jedoch tendenziell unbekannt bleiben. Bedeutsam ist dabei, dass die Anpassung an allgemeine soziale Normen und nicht nur an die Einhaltung strafrechtlich sanktionierter Verhaltensweisen zu erwarten ist.590 587 Dies bezieht sich zum einen auf die zum Teil geringen Anforderungen an den Tatverdacht, welche zu einer breit gefächerten Überwachung einer Vielzahl von Individuen führen können. Zudem ist auf die intensive Einbeziehung Dritter abzustellen, die gerade bei technischen Überwachungsmaßnahmen und computergestützten Datenauswertungsmaßnahmen häufig Bestandteil der Ermittlungshandlung ist. Vgl. hierzu auch betreffend die immer stärkere Einbeziehung Nichtverdächtiger Wolter, FS Rudolphi, 733 (737 ff.). 588 Dies betrifft insbesondere die Konzentration auf die Überwachung einzelner Personen mittels der Anordnung einer Vielzahl von Maßnahmen zur zielgerichteten Erstellung von Persönlichkeitsprofilen. 589 Vgl. Wolter, FS Rudolphi, 733 (737 ff.). s. näher unter 7. Kapitel A.II.3. 590 So auch Eisenberg/Singelnstein, NStZ 2005, 62 (67).

176

7. Kap.: Kriminologische Aspekte betr. Informationsbeschaffung

Darüber hinaus vermitteln Maßnahmen, insbesondere wenn sie von Strafverfolgungsbehörden durchgeführt werden, das Gefühl einer potenziellen Sanktionierbarkeit bestimmter Verhaltensweisen. Neben der allgemeinen Möglichkeit der Aufdeckung besteht insoweit auch die konkrete Möglichkeit einer Lokalisierung und Individualisierung und somit ein personen-, situationen- oder ortsbezogenes Interventionsrisiko. Die Wirkung bezieht sich dabei vornehmlich auf Personen, die im Sinne der rational-choiceTheorie591 eine Abwägung zwischen dem Nutzen der Handlungen und dem Risiko einer Aufdeckung bzw. dem Bekanntwerden vornehmen und eine – nicht zwangsläufig bewusste – Entscheidung zu Gunsten konformen Verhaltens treffen können.

II. Anpassungsdruck durch Überwachung Neben dem Hervorrufen konformer Verhaltensweisen besteht auch die Möglichkeit einer anderen Art von Anpassung. Unter Zugrundelegung der Fähigkeit bestimmter Personengruppen, sich auf strafverfolgungsbehördliche Maßnahmen zur Informationsgewinnung einzustellen, was nach der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität explizit für die Maßnahme der Telefonüberwachung gelten soll,592 besteht die Wahrscheinlichkeit einer Anpassung auch an erweiterte, insbesondere technische Maßnahmen. Aus der umfänglichen Ausdehnung der entsprechenden gesetzlichen Befugnisse sowie der rechtstatsächlichen Anwendung593 könnte sodann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Möglichkeiten der Abwehr auch in verstärktem Maße genutzt werden. Der Zugang zu Mitteln, die einer Überwachung entgegensteuern, und auch die Annahme einer entsprechenden Notwendigkeit werden sich vermutlich hauptsächlich bei stärker strukturierten Gruppierungen finden lassen. Dies beansprucht umso mehr Geltung, als die zum Teil erheblichen finanziellen, zeitlichen und logistischen Aufwendungen594 überhaupt nur von größeren Zusammenschlüssen geleistet werden können.

591

s. grundlegend Becker, Der Ökonomische Ansatz zur Erklärung menschlichen Verhaltens. 592 Vgl. BT-Drs. 12/989, S. 39. s. allgemein auch Bund Deutscher Kriminalbeamter, Der Kriminalist 1994, 193 ff. 593 Vgl. bezüglich der Entwicklung der Telekommunikationsüberwachung unter 3. Kapitel A.I.2.; zur Ausweitung bei der Novellierung des TKG und entsprechenden gesellschaftlichen Folgen Singelnstein/Stolle, StraFo 2005, 96 ff. 594 s. Ausführungen von Rohe, Verdeckte Informationsgewinnung mit technischen Hilfsmitteln zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, S. 45.

B. Mögliche Folgen der Entwicklung

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Im Sinne eines labeling-theoretischen Ansatzes595 besteht somit die Möglichkeit einer Etikettierung bestimmter strukturierter Verhaltensweisen im Rahmen eines strafrechtlich relevanten Geschehens als „Organisierte Kriminalität“ mit der Folge der vermehrten Verwendung insbesondere heimlicher und technischer Ermittlungsmethoden. Unter Annahme der Zuschreibung versuchen die überwachten Gruppierungen – sofern sie von der Überwachung oder ihrer grundsätzlichen Überwachungsgeeignetheit Kenntnis haben –, der Ermittlung entgegenzusteuern. Insoweit sind Bedenken nicht völlig von der Hand zu weisen,596 die eine zunehmende „Abschottung bestimmter Tätergruppierungen“ und eine Verstärkung des Zusammenhalts durch den Ausbau konspirativer Verhaltensweisen besorgen.597 Die Abschottung könnte sich dabei einerseits auf die personale Verengung der Entscheidungsträger beziehen, die einer Infiltration durch Verdeckte Ermittler, aber auch der Wahrscheinlichkeit des Vorhandenseins einer V-Person entgegenwirken soll. Andererseits könnte auch ein vorangetriebener Rückzug aus der Öffentlichkeit durch die intensivierte Nutzung von technischen Kommunikationsmöglichkeiten oder Enklaven der Privatheit, wie Wohnungen, die Folge sein. Eine sich hieraus ergebende Verstärkung der Strukturen der Gruppierungen, die sich nicht zuletzt wegen der „Gefährdung“ von außen auch in einer rigideren Binnennormsetzung niederschlagen könnte,598 vermag deren etwaige Gefährlichkeit zu erhöhen. Des Weiteren besteht auch die Möglichkeit einer Verschiebung strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen – wobei hiermit nicht lediglich vorbereitende oder unterstützende Handlungen gemeint sind – in Bereiche, die einer Überwachung schwerer zugänglich sind. Insoweit könnte ein „technologisches Displacement“ der Art angenommen werden, dass beispielsweise vermehrt schwer zurückzuverfolgende Plattformen für die Straftatenbegehung genutzt werden. Zu denken ist hierbei insbesondere an das Internet als Grundlage für eine Verbreitung illegaler Güter oder Materialien,599 da es 595 s. grundlegend zum labeling approach König/Sack-Sack, Kriminalsoziologie 1968, 431 ff. 596 Anders wohl Rohe, Verdeckte Informationsgewinnung mit technischen Hilfsmitteln zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, S. 43. 597 s. DAV, StV 1992, 29 (33). 598 Zu denken ist hier beispielsweise an eine harte Sanktionierung von Personen innerhalb der Gruppe, die als sicher empfundene Kommunikationsstrukturen offen legen oder der erwarteten „Vorsicht“ bei der Kommunikation nicht nachkommen. s. zur mangelnden Vorsicht einzelner Mitglieder einer Gruppe Hillgärtner, Kriminalistik 1995, 196 (197). 599 Insoweit könnten sich Ausweitungstendenzen beispielsweise der Verbreitung pornografischer Schriften i. S. d. § 184 StGB ergeben. Der diesbezügliche Anstieg

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7. Kap.: Kriminologische Aspekte betr. Informationsbeschaffung

durch höhere Anonymität gekennzeichnet ist und die Zuordnung bestimmter Verhaltensweisen zu individuellen Nutzern nur erschwert möglich ist.

C. Effizienz umfänglicher Überwachung Betrachtet man die aufgezeigten kriminologischen und gesellschaftlichen Gefahren einer sich ausweitenden Praxis der Überwachung, so stellt sich die Frage, ob ihr positive Effekte gegenüber stehen, die jene Gefahren überwiegen. Bei der Bewertung der Effizienz von Überwachungen kann an verschiedene Kriterien angeknüpft werden.

I. Konkrete Kosten-Nutzen-Erwägungen Bei der Beurteilung von Maßnahmen zur Überwachung bzw. Ausforschung bestimmter Lebenssachverhalte könnte zunächst der allgemeine Umfang der Erlangung von Informationen (Nutzen) gemessen an dem personellen und finanziellen Aufwand (Kosten) Kriterium für die Effizienz von Maßnahmen sein. Dabei soll zunächst die Qualität der Informationen außer Acht gelassen werden, da diesbezüglich eine Begutachtung unter dem Aspekt der Nützlichkeit für die Straftatenaufklärung erfolgt. Betreffend die Kosten ergibt sich für die jeweiligen Maßnahmen ein differenziertes Bild. Maßnahmen zur Datenverarbeitung, wie beispielsweise die Rasterfahndung, erbringen bei sehr geringem Aufwand einen hohen Datenoutput. Bei der Beurteilung von Datenverarbeitungsmethoden für Zwecke der Überwachung ist zudem zu beachten, dass sie der Verknüpfung von auch anderweitig erlangten Informationen dienen und somit gerade betreffend eine mögliche Totalausforschung von besonderer Relevanz sind. Im Gegensatz dazu erfordert die akustische Wohnraumüberwachung eine sehr umfangreiche Aufbietung personeller, technischer, zeitlicher und somit auch finanzieller Ressourcen.600 Die Menge der auf diese Weise zu erlangenden Daten ist hingegen sehr stark vom Einzelfall abhängig und kann im Rahmen einer Prognose nur ungenau ermittelt werden. der offiziellen Fallzahlen von 1453 im Jahre 1993 auf 11132 im Jahre 2004 (vgl. Tabelle 01 Polizeiliche Kriminalstatistik) lässt jedoch keine direkten Rückschlüsse auf eine entsprechende Ursache zu, zumal gerade in diesem Bereich auch von sich stark veränderndem Anzeigeverhalten auszugehen ist. s. betreffend Online-Strafanzeigen Puschke MschrKrim 2005, 380 ff. Zu denken ist zudem auch an Betrugsdelikte unter Verwendung von Computern. 600 Vgl. Meyer-Wieck, Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“) nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO, S. 208 f.; s. zu den konkreten Kosten von durchschnittlich 5.890,65 Euro S. 34.

C. Effizienz umfänglicher Überwachung

179

Sonstige Maßnahmen sind betreffend der hier dargestellten Kosten-Nutzen-Abwägung im mittleren Bereich angesiedelt. Namentlich wird die Telefonüberwachung für die Erlangung von Informationen als effektiv beurteilt, wobei auf der Kostenseite insbesondere zur Auswertung des Datenmaterials ein hoher Aufwand zu konstatieren ist.601 Unter dem Aspekt der Datenmenge ist jedoch insgesamt von einer erhöhten Effizienz insbesondere technischer Ermittlungsmethoden gegenüber herkömmlichen Informationserlangungsmaßnahmen aufgrund der Einbeziehung einer breiten Datenbasis und der Möglichkeit einer wiederholten Aufbereitung auszugehen.

II. Straftatenaufklärung Als Hauptkriterium für eine erfolgreiche Strafverfolgung mittels einer Vielzahl von zum Teil durch technische Mittel ermöglichte und/oder heimliche Ermittlungsmaßnahmen gilt die auf andere Weise nicht erreichbare Aufklärung insbesondere schwerwiegender und auf verdeckten Strukturen beruhender Straftaten. Dabei wird vor allem auf die Gefahren der so genannten „Organisierten Kriminalität“ und des (staatsführungsbekämpfenden) Terrorismus abgestellt.602 Unter „Erfolgsgesichtspunkten“ ist diese Ausrichtung jedoch zweifelhaft. Es stellt sich zunächst die Frage, inwieweit entsprechende Strukturen speziell der Organisierten Kriminalität in Deutschland überhaupt bestehen. Auch neueste Studien bestätigen den Zweifel an dem besonderen Erklärungswert des Begriffs „Organisierte Kriminalität“.603 Kann der Nachweis der Existenz des Phänomens aber nicht erbracht werden, erscheint es unmöglich, erfolgreich hiergegen vorzugehen. Eingewandt werden könnte allerdings, dass auch ohne klare begriffliche Abgrenzung die Effektivität eines umfangreichen Einsatzes spezieller Informationsbeschaffungsmethoden daran gemessen werden kann, ob eine „wie auch immer geartete Struktur“604 bestimmter strafrechtlich relevanter Vorgehensweisen aufgedeckt werden kann. Ob aber die Maßnahmen auf diese – als stärker strukturiert geltenden – Deliktsbereiche besonderen Einfluss haben, erscheint fraglich. Vergleicht man die unterschiedliche Verteilung der Abwehrressourcen gegen 601 Vgl. allerdings § 110 TKG zur finanziellen Abwälzung der Kosten für die Bereitstellung auf die Anbieter. 602 Vgl. BT-Drs. 12/989, S. 21. 603 s. Kinzig, Die rechtliche Bewältigung von Erscheinungsformen organisierter Kriminalität, S. 771 ff.; vgl. kritisch bereits Eisenberg, NJW 1993, 1033 ff. 604 s. zu einer entsprechenden Einordnung als Organisierte Kriminalität durch die Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt Baden-Württemberg Kinzig, Die rechtliche Bewältigung von Erscheinungsformen organisierter Kriminalität, S. 778.

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7. Kap.: Kriminologische Aspekte betr. Informationsbeschaffung

staatliche Überwachung, so wird schnell klar, dass die Vorteile auf Seiten besonders stark organisierter Gruppen liegen, wohingegen weniger professionell vorgehende Personen einem wesentlich höheren Risiko einer erfolgreichen Überwachung unterliegen.605 Die Schlussfolgerung, dass die erweiterten Ermittlungsbefugnisse einer notwendigen „technischen Aufrüstung“ Rechnung tragen, um auch professionell agierende, mit technischen Abwehrmaßnahmen ausgestattete, als Straftäter beurteilte Personen überführen zu können,606 geht jedoch fehl. Betrachtet man die neu eingeführten insbesondere technischen und verdeckten Ermittlungsmaßnahmen, so ist bei einer Vielzahl von Maßnahmen festzustellen, dass sie von ihrer allgemeinen Struktur her – auch unter Einbeziehung kumulativer Anwendung – nicht auf die Überwindung etwaiger Abwehrvorkehrungen bzw. der Nutzung neuer Technologien zur Ausweitung und Beherrschung „krimineller Netzwerke“, sondern auf die Überwachung herkömmlicher Verhaltensweisen gerichtet sind. Lediglich die inhaltsbezogene Telefonüberwachung kann damit begründet werden, dass die Technologie der (mobilen) Telekommunikation ein organisiertes Vorgehen ohne die Möglichkeit der äußerlichen Wahrnehmung begünstigt.607 Sonstige Methoden beispielsweise zur Standortbestimmung bzw. zur visuellen oder akustischen Observation, aber auch die Nutzung der DNA-Analyse dienen der Aufhellung von Lebensbereichen, in denen sich bezogen auf strafrechtlich relevante Verhaltensweisen keine strukturellen Veränderungen durch technische Entwicklungen ergeben haben.608 Insgesamt ist eher von einem umgekehrten Zusammenhang bezüglich des Einsatzes von Ermittlungsmaßnahmen und Vorgehensweisen zu deren Abwehr auszugehen. Nicht die Nutzung spezieller technischer Neuerungen durch bestimmte Gruppierungen führt zur Erweiterung der Überwachungsbefugnisse, sondern etwaige Tendenzen eines Ausweichens in überwachungsfestere Bereiche609 sind auf die verstärkte Ausforschung aller herkömmlichen Lebensbereiche zurückzuführen. Insoweit ergibt sich eine dahin gehende Spiralwirkung, dass die mögliche Nutzung dieser „Freiräume“ zum Anlass genommen wird, neue, auch diese Bereiche einschränkende Methoden zu legitimieren. 605 Vgl. auch Leutheusser-Schnarrenberger, Innere Sicherheit – Herausforderungen an den Rechtsstaat, S. 17. s. auch die Experteneinschätzung betreffend die Effizienz der Wohnraumüberwachung zur Aufdeckung von Strukturen Organisierter Kriminalität bei Meyer-Wieck, Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“) nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO, S. 206 f. 606 s. hierzu Hoffmann-Riem, AöR 1998, 511 (518). 607 Vgl. auch unter 7. Kapitel A.I. 608 Vgl. auch Eisenberg/Puschke/Singelnstein, KrimJ 2005, 93 (105 f.). 609 s. unter 7. Kapitel B.II.

C. Effizienz umfänglicher Überwachung

181

Betreffend den Ausgang des konkreten Verfahrens tut sich ein starkes Gefälle zwischen der Effektivität und der Eingriffsintensität einzelner Maßnahmen und ihrer Kumulation auf. Für zwei der schwerwiegendsten Maßnahmen, die in der Strafprozessordnung vorgesehen sind (Telefonüberwachung, akustische Wohnraumüberwachung), ergab sich nach Studien für den Abschluss des Ermittlungsverfahrens eine Quote betreffend vollumfängliche Einstellungen von 50% bzw. 53% bezogen auf alle Beschuldigten unter Außerachtlassung der Verfahrensabtrennungen. Dabei lag der Anteil von Einstellungen gemäß § 170 Abs. 2 StPO aufgrund für die Anklageerhebung nicht ausreichenden Tatnachweises bei 81% bzw. 78,5%.610 Bezieht man zudem in die Überlegungen mit ein, dass in 90,1% der Verfahren, in denen eine akustische Wohnraumüberwachung angeordnet wurde, auch eine Telefonüberwachung stattfand,611 ist der „Erfolg“612 der Maßnahmen auch in Kumulation bezogen auf den Ausgang des jeweiligen Verfahrens durchaus fraglich. Auch wenn die Erzielung weiterführender Ermittlungsansätze in die Bewertung „erfolgreich“ aufgenommen wird, ergibt sich bezüglich der akustischen Wohnraumüberwachung ein Bild, das eher von „Erfolglosigkeit“ geprägt ist. So standen unter Herausrechnung der angeordneten, aber nicht durchgeführten – im Ergebnis also ebenfalls erfolglosen – Maßnahmen 36 „erfolgreiche“ oder „bedingt erfolgreiche“ Maßnahmen 45 „nicht erfolgreichen“ gegenüber.613 Bei der Telefonüberwachung ist hingegen von einem 610 Vgl. Albrecht/Dorsch/Krüpe, Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100a, 100b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, S. 344 f.; Meyer-Wieck, Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“) nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO, S. 278 ff. 611 Meyer-Wieck, Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“) nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO, S. 160. 612 Unter „Erfolg“ ist hier eine Bestätigung des Tatverdachts durch eine entsprechende gerichtliche Feststellung zu verstehen. Natürlich kann auch eine etwaige Entlastung grundsätzlich als Erfolg gewertet werden, jedoch entspricht dies nicht der – von den Strafverfolgungsbehörden intendierten – Ausrichtung und wirft zusätzlich Fragen zur Validität des angenommenen Tatverdachts auf. Dementsprechend begründen sich die vollumfänglichen Verfahrenseinstellungen bei der akustischen Wohnraumüberwachung hauptsächlich mit der Ausschöpfung der Ermittlungsmöglichkeiten. s. Meyer-Wieck, Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“) nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO, S. 284. 613 Nach der Definition der Studie sind „erfolgreiche“ Maßnahmen solche, die weiterführende Erkenntnisse erbrachten, „bedingt erfolgreiche“ solche, die zwar belastende Indizien ergaben, die das Verfahren aber nicht voranbrachten. Maßnahmen, die als „nicht erfolgreich“ bezeichnet wurden, waren hingegen ergebnislos. s. Meyer-Wieck, Rechtswirklichkeit und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung („großer Lauschangriff“) nach § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO, S. 301.

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7. Kap.: Kriminologische Aspekte betr. Informationsbeschaffung

höheren Prozentsatz von Maßnahmen auszugehen, die zumindest zu weiterführenden Ansätzen geführt haben.614 Ingesamt kann angenommen werden, dass die Förderung der Aufklärung von schweren Straftaten mit strukturellem Hintergrund durch die Nutzung einer Vielzahl insbesondere sehr eingriffsintensiver Ermittlungsmethoden im konkreten Fall eher gering ist. Dass eine weiterhin verstärkte Konzentration auf Vorfeld- und Umfeldermittlungen zu einer Verminderung dieses Defizits beitragen kann,615 ist indes nicht anzunehmen, da der Mangel an unmittelbar strafverfahrensbezogenem Erfolg in engem Zusammenhang mit der Art der gewonnenen Informationen steht. Zwar ist davon auszugehen, dass neuere Überwachungsmethoden durchaus ein breites Spektrum an Informationen aus allen Lebensbereichen liefern. Diese Erkenntnisse beziehen sich aber in der überwiegenden Zahl auf alltägliche Lebensabläufe und beinhalten eher selten konkrete beweisverwertbare Hinweise. Auch die Erzielung von Erkenntnissen, die Ermittlungsansätze begründen, die ihrerseits zu Beweisen führen, ist nur für eine sehr begrenzte Zahl der Maßnahmen anzunehmen. Ausgehend von der Prämisse, dass auch strafverfolgungsbehördliche Strategien einer gewissen Ökonomisierung unterliegen, lässt sich daher schlussfolgern, dass nicht lediglich Beweisgewinnung unmittelbares oder auch nur mittelbares Ziel des Einsatzes neuerer Informationsbeschaffungsmaßnahmen ist, sondern ein umfassenderer Erkenntnisgewinn im Zusammenhang mit allgemeiner sozialer Kontrolle.616 Dies entspricht auch einer Hinwendung zu veränderten Kontrollmechanismen.

III. Sicherheitsgefühl Als weiteres Messinstrument für die Effizienz des Einsatzes von Methoden zur Informationsgewinnung könnten die Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl bzw. die Kriminalitätsfurcht der Bevölkerung dienen. Indes scheint die Verknüpfung der in Rede stehenden Ermittlungsmethoden ins614 Nach einer Studie im Auftrag des BMJ waren in 60% der Verfahren, in denen eine Telefonüberwachung angeordnet wurde, Erkenntnisgewinne festgestellt worden. Dabei betrug der Anteil der mittelbaren und sonstigen Erfolge 90%. Lediglich 10% der Erkenntnisgewinne wurden als unmittelbarer Erfolg gewertet. Vgl. Albrecht/ Dorsch/Krüpe, Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100a, 100b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen, 366 ff. 615 s. Rohe, Verdeckte Informationsgewinnung mit technischen Hilfsmitteln zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, S. 22; Walter, Kriminalistik 1992, 365 (366). 616 Insoweit ist das Konstrukt der Organisierten Kriminalität mit dem konstituierenden Element der schweren Erkennbarkeit gut geeignet, eine allgemeine Kontrolle losgelöst von konkreten Straftatbeständen zu ermöglichen.

C. Effizienz umfänglicher Überwachung

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besondere mit dem Kriminalitätsfeld Organisiertes Verbrechen einem direkten Einfluss auf die Einschätzung der allgemeinen Sicherheitslage entgegenzuwirken. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass keine Kausalbeziehung zwischen realer Bedrohung und Bedrohungsgefühl hergestellt werden kann.617 Zwar ergibt sich Kriminalitätsfurcht nicht ausschließlich unmittelbar aus dem Nahbereich, insoweit ist also eine für die einzelne Person bestehende real existierende Bedrohung nicht notwendig, sondern es spielen auch mediale Einflüsse eine erhebliche Rolle.618 Dennoch ist eine direkte Auswirkung der transportierten Bedrohungsszenarien auf die Kriminalitätsfurcht in der Regel nur dann anzunehmen, wenn die beschriebenen Phänomene auch in der Realität als eine ernsthafte und individuelle Bedrohung aufgefasst werden können. Für das Konstrukt der Organisierten Kriminalität ist dies in Deutschland wohl nicht anzunehmen, da eine direkte Beeinträchtigung für einzelne Personen in der Bevölkerung nicht wahrgenommen wird.619 Zudem ist für eine gefühlsmäßige Reaktion ein eher komplexer Gegenstand, der eine abwägende intellektuelle Beurteilung erfordert, schlechter geeignet als klar strukturierte Kausalabläufe. Entsprechend könnte davon ausgegangen werden, dass auch Maßnahmen, die der Kontrolle dieser Strukturen dienen sollen, nur in beschränktem Ausmaß das Sicherheitsgefühl verstärken. Zwar entbehrt auch die zum Teil emotional diskutierte Gefährdung durch (religiös motivierten) Terrorismus in Deutschland – zumindest in dem zum Teil beschworenen Ausmaß – eines direkten Realitätsbezuges, eine allgemeine Bedrohung wird aber dennoch grundsätzlich wahrgenommen. Dabei spielen zum einen die als hoch eingeschätzten gefährdeten Rechtsgüter (Leib, Leben) eine besondere Rolle. Zum anderen bieten Verhaltensweisen, die pauschal unter dem Begriff Terrorismus diskutiert werden, den „Vorteil“ einer klaren Handlung-Folge-Beziehung. Damit einher geht die verstärkte mediale Konzentration auf diesen Themenbereich. Eine Veränderung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung bezogen auf den Einsatz von Überwachungsmethoden unterliegt somit teilweise Einschränkungen betreffend die diesbezügliche Relevanz der Deliktsbereiche, mit denen die Maßnahmen in Verbindung gebracht werden. Werden die als Ziel der Überwachung postulierten Bereiche als Bedrohung wahrgenommen, so besteht grundsätzlich die Möglichkeit auch einer diesbezüglichen 617 Mitunter wurde sogar von einem Paradoxon dergestalt ausgegangen, dass durchschnittlich eine geringere reale Wahrscheinlichkeit der Opferwerdung mit einer höheren Kriminalitätsfurcht korrelierte. Hassemer, StV 1993, 664 (667); MüllerDietz, NStZ 1993, 57 (60 ff.). 618 Eisenberg, Kriminologie, § 50 Rdnr. 27; s. auch Kubink, PraxRPsych 2003, 377 (378). 619 s. schon Burghard, Kriminalistik, 501 (502); Hassemer, StV 1993, 664 (664 f.).

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7. Kap.: Kriminologische Aspekte betr. Informationsbeschaffung

Beeinflussung des Sicherheitsgefühls. Dabei wird insbesondere die Wahrnehmung der konkreten Maßnahmen eine besondere Rolle spielen. Die öffentlichkeitswirksame Vermittlung der strafbehördlichen Tätigkeit im operativen Bereich ist indes naturgemäß nur eingeschränkt möglich. Die Wahrnehmung entsprechender Methoden der Strafverfolgung ist im Gegensatz zur Zeugenbefragung oder der Polizeipräsenz nur durch öffentliche Berichterstattung zu erreichen. Zudem ergibt sich ein begrenztes emotionales Interesse außer wegen des beschriebenen teilweisen Mangels einer persönlichen Betroffenheit durch die einschlägig zu bekämpfenden Deliktsformen auch aus der begrenzten Vorzeigbarkeit unmittelbarer Ermittlungserfolge. Während beispielsweise die DNA-Analyse in der Wahrnehmung der Bevölkerung häufig die einzige und entscheidende Spur bzw. den Beweis zur Überführung der tatverdächtigen Person liefert, sind vergleichbare kausale Abhängigkeiten operativer Methoden nicht gegeben. Die wesentlich komplexeren, sich zum Teil erst aus der Kumulation mehrerer Maßnahmen ergebenden Informationsstrukturen, bei eher geringem, im Strafprozess direkt verwertbarem Output, führen zwar dazu, dass die Maßnahmen zwar als probates Mittel zur Verhinderung von Kriminalität anerkannt werden und die verstärkte Überwachung vieler Lebensbereiche wahrgenommen wird. Eine gefühlsmäßige Reaktion im Sinne eines Sicherheitsgewinns zumindest bezüglich bestimmter Deliktsbereiche ist hingegen nur eingeschränkt zu erwarten. Auch wenn in Einzelbereichen eine Verringerung von Kriminalitätsfurcht durch die mediale Darstellung spezieller Überwachungsmaßnahmen grundsätzlich nicht völlig ausgeschlossen erscheint, so ist doch auch die Wechselwirkung zwischen der Forderung nach oder wenigstens Akzeptanz von Ausdehnung der Überwachung und dem diesbezüglichen Aufbau eines Bedrohungspotentials zu beachten. Einer möglichen – wenn auch nur stark eingeschränkten – Verringerung der Kriminalitätsfurcht steht bereits im Vorfeld eine mögliche Steigerung gegenüber. Diese Steigerung könnte sich dadurch ergeben, dass ein Klima des Bedürfnisses nach Sicherheit erforderlich ist und gegebenenfalls geschaffen werden muss, um so Akzeptanz für freiheitsbeschränkende Maßnahmen zu erzeugen. Erfolgt sodann eine etwaige Stärkung des Sicherheitsgefühls, kann diese nicht losgelöst von der hierzu in unmittelbarer Abhängigkeit stehenden Bedrohungserweiterung gesehen werden. Insgesamt ist daher nicht von einer positiven Auswirkung von Überwachung auf das allgemeine Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung auszugehen.

D. Auswirkungen

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D. Auswirkungen Die kriminologische Bewertung hat gezeigt, dass eine umfassende Nutzung von Informationsbeschaffungsmaßnahmen im Rahmen der Strafverfolgung Gefahren begründet, die auch zu erheblichen – und zwar auch rechtsstaatlichen – Bedenken führen. Die sich aufgrund technischer, rechtlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen ergebenden neuen Überwachungstendenzen haben das Potenzial, sich einerseits auf konkrete Verhaltensweisen von Personen und Personengruppen in einer der Selbstbestimmung entgegenwirkenden Weise auszuwirken und andererseits verfassungsrechtliche Garantien auszuhebeln. Dabei vermögen diese Entwicklungen in der Gesellschaft einen Anpassungsdruck dergestalt zu erzeugen, dass Verhaltensweisen, die im juristischen Sinne nicht als strafbar gelten, jedoch von sozialüblichem Verhalten abweichen, aus Angst vor Aufdeckung und Ausgrenzung unterlassen werden oder nur in besonders abgesicherter Umgebung stattfinden. Neben diesen allgemein-gesellschaftlichen Auswirkungen sind auch Veränderungen bezüglich Verhaltensweisen von Personengruppen anzunehmen, denen eine bestimmte Art von Straftatenbegehung zugeschrieben wird. Veränderungen hin zu einem Unterlassen entsprechender Betätigung sind jedoch nur vereinzelt anzunehmen. Wahrscheinlicher ist eine Verlagerung sowohl der strafrechtlich relevanten Tätigkeit selbst als auch eventueller struktureller Elemente in Bereiche, die einer Überwachung nur erschwert zugänglich sind. Eine dementsprechende Spiralwirkung zumindest betreffend die äußerliche Legitimation weiterführender Ermittlungskompetenzen ist nicht auszuschließen. Zum anderen wird eine Entwicklung der Verpolizeilichung der Strafverfolgung begünstigt, die zu einer Vorverlagerung von Überwachung in den Bereich der Prävention führt, also gefahren- und nicht tatverdachtsabhängig geschieht. Hieraus ergeben sich unmittelbare Bedenken bezüglich der gesetzlich vorgesehenen Trennung von Strafverfolgung und allgemeiner Gefahrenabwehr. Auf der anderen Seite sind Befunde zur Frage einer Effizienz von gesteigerter Überwachung zumindest unklar. Zwar ist von einem erhöhten Informations- und Erkenntnisgewinn auszugehen, dass sich dieser positiv auf die Aufklärung konkreter Straftaten niederschlägt, ist jedoch zumindest zweifelhaft. Auch das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung wird nicht erkennbar positiv beeinflusst. Im Ganzen zeichnen sich eine gesellschaftsbezogene Veränderung der Kontrollfunktion von Strafrechtspflege und eine Abkehr von ausschließlich auf Beweisgewinnung gerichteten Ermittlungen ab.

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7. Kap.: Kriminologische Aspekte betr. Informationsbeschaffung

Die kumulative und ständig erweiterte Nutzung strafprozessualer – insbesondere neuer – Ermittlungsmethoden fördert daher die Kontrolle allgemeiner sozialer Verhaltensweisen unter Ausgrenzung sich nonkonform verhaltender Personen und Personengruppen.

8. Kapitel

Ergebnis Die Nutzung einer Vielzahl von Ermittlungsmaßnahmen ist eine verbreitete Praxis der Strafverfolgung. Die Kombinationsvarianten sind zahlreich und die Auswirkungen auf die Privatheit der einzelnen Betroffenen sowie auf deren Freiheit, selbst über die Nutzung persönlicher Daten verfügen zu können, sind erheblich.

A. Zusammenfassung rechtlicher und rechtstatsächlicher Aspekte Dabei spielt besonders die kumulative Nutzung von Informationsbeschaffungsmaßnahmen eine entscheidende Rolle. In diesem Zusammenhang lässt sich feststellen, dass im Laufe der Geschichte der Strafprozessordnung die Befugnisse zur Beschaffung von Informationen im Ermittlungsverfahren stark erweitert und ausgebaut wurden. Bis zur Einführung der Regelungen über Telefonüberwachung im Jahre 1968 waren diese Veränderungen eher geringfügig. Danach sind insbesondere in der „alten“ Bundesrepublik und verstärkt nach 1990 wesentliche Erweiterungen der rechtlichen Regelungen zu verzeichnen, die in ihrem Ausmaß ein insgesamt verändertes Konzept der Strafverfolgung mit sich bringen, das sich weniger an Beweisgewinnung im Einzelfall und bei konkretem Tatverdacht orientiert, sondern umfassende Informationserlangung zum Ziel hat. Konkret lässt sich das auf den besonders herausragenden Bereich der heimlichen Überwachung häufig mit technischen Mitteln beziehen. So kommt der Überwachung der Telekommunikation rechtstatsächlich eine immer größere Bedeutung zu, was sich auch in der zunehmenden Anzahl der Anwendungsfälle widerspiegelt. Insgesamt betreffen die Befugnisse der einzelnen Ermittlungsmethoden in ihrer Gesamtheit nahezu alle Lebensbereiche, wobei Ausforschung sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Privatsphäre möglich ist. Örtliche und zeitliche Begrenzungen bestehen aufgrund der technischen Möglichkeiten und der weitreichenden Befugnisse kaum. Auch die Verwendung nicht-heimlicher Ermittlungsmethoden hat sich vor allem durch die Nutzung technischer Mittel zur Datenspeicherung in immer

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8. Kap.: Ergebnis

mehr Lebensbereichen grundlegend geändert. Klassische Zwangsmaßnahmen können nun zu einem umfangreichen Datenbestand beispielsweise durch die Beschlagnahme von Datenträgern führen. Zudem ermöglichen die technischen Untersuchungsmethoden, z. B. die DNA-Analyse, in immer stärkerem Maße die Nutzbarmachung von personenbezogenem Datenmaterial. Neben die Ausforschung durch einzelne Maßnahmen treten die insoweit deutlich weitergehenden Möglichkeiten kumulierter Informationsbeschaffungsmaßnahmen. Rechtstatsächlich ist von einer diesbezüglich weit gefächerten Praxis auszugehen. Einige – insbesondere sehr eingriffsintensive – Maßnahmen, wie die Telefonüberwachung oder die akustische Wohnraumüberwachung, werden sehr häufig zusammen mit anderen Maßnahmen verwendet. Zudem bietet eine Vielzahl von Maßnahmen begleitende oder zusätzliche Ermittlungsansätze. In einer Gesamtschau aller erlangten Informationen werden so sehr beträchtliche Datenmengen angesammelt, deren Auswertung vor allem mit Mitteln der Datenverarbeitung und der Nutzung diesbezüglicher Kompetenzen vorgenommen wird. Die Grenzen einer solchen Erhebung personenbezogener Informationen ergeben sich aus dem Grundgesetz. Dabei sind zunächst insbesondere Art. 10 GG und Art. 13 GG einschlägig. Beide Grundrechte beziehen sich auf bestimmte Ausgestaltungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und umfassen daher nur einen Ausschnitt aus den schutzwürdigen Lebensbereichen. Entsprechend ist für die Bewertung von kumulierten Ermittlungsmaßnahmen eine Beurteilung auf der Grundlage des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG unerlässlich. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das sich daraus ergebende Recht auf informationelle Selbstbestimmung bilden daher auch das Verbindungsglied, das alle möglichen Vorgehensweisen der Strafverfolgungsbehörden erfasst und den Schutz der Art. 10 GG und Art. 13 GG vervollständigt. Dabei umfasst der Schutzbereich nicht nur Informationen, die einem bestimmten Lebensbereich oder der Privatsphäre entstammen, sondern er bezieht sich aufgrund der – entgegen § 160 Abs. 2 StPO rechtstatsächlich festzustellenden – überwiegend nicht neutralen Ausrichtung der Strafverfolgung auf alle personenbezogenen Informationen, die im Rahmen des Ermittlungsverfahrens erlangt werden können. Daher unterfallen auch nichtautomatisch verarbeitete Daten und Bagatelldaten dem Schutzbereich. Entsprechend stellen auch alle Informationsbeschaffungsmaßnahmen der Strafprozessordnung Eingriffe in Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG bzw. Art. 10 GG oder Art. 13 GG dar, da es weder auf die Art des konkreten Datums noch auf den Umfang der erlangten Datenmenge oder den Weg der Datenerlangung ankommt. Entscheidend ist lediglich der allgemeine Verwendungszweck der Daten, der grundsätzlich keine Ausnahme zulässt.

A. Zusammenfassung rechtlicher und rechtstatsächlicher Aspekte

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Lediglich für den Fall einer umfassenden, alle Verwendungsmöglichkeiten einschließenden Einwilligung kann die Eingriffsqualität der entsprechenden Handlung verneint werden. Bei der Beurteilung der Eingriffsintensität von kumulativer Maßnahmennutzung ergibt sich eine mögliche neue Qualität des Maßnahmenbündels dadurch, dass ein Eingriff in den durch die Menschenwürde absolut geschützten Bereich aufgrund der Kumulation möglich wird. Dabei sind vor allem die Kriterien Art, Umfang sowie Verwendungs- und Verarbeitungsbzw. Missbrauchsmöglichkeiten der erlangbaren Daten (Nähemerkmale) von entscheidender Bedeutung. Dass diese Merkmale in speziellen Ausprägungen eine neue Qualität bedingen können, ist an Parallelbeispielen wie der entsprechenden Beurteilung der automatischen Datenverarbeitung und insbesondere der längerfristigen Observation erkennbar. Die neue Qualität kann dabei grundsätzlich in zwei Ausformungen erreicht werden. So besteht zum einen die Möglichkeit, dass der innerste Kern privater Lebensgestaltung betroffen wird, zum anderen könnte die Maßnahmenkumulation zu einer Totalausforschung bzw. einer Persönlichkeitsprofilerstellung führen. Bedeutsam für die konkrete Bewertung der Maßnahmenbündel sind ihre unterschiedlichen Kombinationsmöglichkeiten im Rahmen verschiedener Ermittlungsansätze. So kann sich Maßnahmenkumulation als Anordnung bzw. Durchführung mehrerer gleichartiger Maßnahmen oder verschiedenartiger Maßnahmen darstellen. In beiden Fällen ist von einem erhöhten Beeinträchtigungspotential bezüglich des absolut geschützten Bereichs auszugehen. Die Ausprägung der Nähemerkmale hängt dabei maßgeblich von den einzelnen Maßnahmen ab. Generell ist von einer höheren Beeinträchtigung bei der Kumulation verschiedenartiger Maßnahmen auszugehen. Entscheidend ist aber auch die Intensität der Einzelmaßnahmen. So ist das Erreichen einer neuen Qualität bei einer Verbindung von Maßnahmen mit geringer Eingriffsintensität grundsätzlich nicht anzunehmen. Entsprechend wird auch der qualitative Charakter einer eingriffsintensiveren Maßnahme durch die Verbindung mit geringfügigen Maßnahmen nicht verändert. Absolute Grenze bildet die Verletzung der Menschenwürde, die unter keinen Umständen gerechtfertigt sein kann. Inwieweit Maßnahmenkumulation zu einer Wahrscheinlichkeit einer solchen Verletzung führt, hängt von der Art der Maßnahmen, ihrer Dauer und Anzahl sowie von den Lebensbereichen ab, die sie betreffen. Zur konkreten Bewertung der Rechtmäßigkeit von Ermittlungsmaßnahmen und ihrer Kumulierung ist zunächst festzustellen, dass für alle personenbezogenen Informationsbeschaffungsmaßnahmen im Ermittlungsver-

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8. Kap.: Ergebnis

fahren ein Gesetzesvorbehalt besteht. Dies ergibt sich aus den Schranken der jeweils betroffenen Grundrechte sowie einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt, dessen Umfang sich mit Hilfe der Kriterien der Wesentlichkeitstheorie bestimmen lässt. Aufgrund der Gestaltung des Ermittlungsverfahrens findet dabei jede auf Erlangung personenbezogener Informationen gerichtete Handlung in einem für die Grundrechtsausübung wesentlichen Rahmen statt. Insoweit ist grundsätzlich von dem Bestehen eines Parlamentsvorbehalts auszugehen. Bezüglich der materiellen Anforderungen sind insbesondere bei der Erlangung personenbezogener Informationen besonders hohe Anforderungen an die Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage zu stellen. Die in der Strafprozessordnung bestehenden Rechtsgrundlagen werden somit dahingehend untersucht, ob sie auch für eine Kumulation mehrerer Maßnahmen eine ausreichende Eingriffsgrundlage bilden. Dabei besteht die Notwendigkeit einer angemessenen Berücksichtigung der neuen Qualität und auch allgemein der veränderten Eingriffsintensität des Maßnahmenbündels. Dies beinhaltet vor allem das Vorhandensein expliziter oder durch Interpretation ermittelbarer Regelungen zur Verhinderung von Totalausforschung und Eingriffen in den innersten Kern privater Lebensgestaltung. Für die Kumulation einfacher Maßnahmen i. S. d. §§ 161 f., 163 f. StPO und auch für die Verbindung einfacher Maßnahmen mit einer qualifizierten Maßnahme sind die bestehenden Regelungen ausreichend, da sich hieraus keine neue Qualität im Sinne einer Wahrscheinlichkeit der Verletzung des absolut geschützten Bereichs ergibt. Etwas anderes gilt jedoch für die gehäufte Anordnung mehrerer sowohl gleichartiger als auch verschiedenartiger Maßnahmen. Die Auslegung der Normen erbringt zunächst kein eindeutiges Ergebnis dazu, inwieweit auch die Kumulation in die Einzelvorschriften einbezogen ist. Insofern muss im Sinne einer verfassungskonformen Interpretation ermittelt werden, ob auch die bestehenden Normen für den Fall eines Einbeziehens von kumulativen Maßnahmen der Verfassung entsprechen. Dabei ist grundsätzlich von der möglichen Einhaltung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitprinzips durch die Regelungen der Einzelnormen auszugehen, wobei ein Eingriff in den absolut geschützten Bereich ausgeschlossen ist. Jedoch genügen die Normen bei einer Einbeziehung von Maßnahmenkumulation nicht dem verfassungsrechtlichen Gebot der Bestimmtheit. Unter dem Aspekt des Schutzes der Rechte Betroffener müssen Beeinträchtigungen aufgrund von Kumulation aufgegriffen werden und – soweit sie den

A. Zusammenfassung rechtlicher und rechtstatsächlicher Aspekte

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Menschenwürdegehalt der Grundrechte berühren – möglichst weitgehend ausgeschlossen werden. Hierfür sind explizite Regelungen zu fordern, die verschiedene Konstellationen und Eingriffstärken berücksichtigen. Eine Beachtung dieser Gefährdung lediglich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung der einzelnen Regelungen ist nicht ausreichend, da der Ermessenspielraum für die Exekutivorgane keine genügende Eingrenzung erfährt und auch eine objektive richterliche Bewertung nicht für alle Maßnahmen vorgegeben ist. Auch unterhalb der Schwelle einer Beeinträchtigung des absolut geschützten Bereichs bestehen Defizite bezüglich einer dem Bestimmtheitsgrundsatz entsprechenden Abwägung betroffener Rechtsgüter. Die vorhandenen Vorschriften bieten auch hierfür keine ausreichenden Regelungen beispielsweise im Sinne einer Etablierung verschiedener Eingriffsschwellen in Abhängigkeit von der dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegenden Deliktsschwere. Eine verfassungskonforme Interpretation führt somit zu dem Ergebnis, dass die Kumulation von qualifizierten Maßnahmen nicht von den Einzelnormen erfasst ist. Auch scheidet § 163f StPO als übergreifende Ermächtigungsgrundlage aus. Zwar ergeben sich durchaus systematische Überschneidungen zwischen einer längerfristigen Observation und der Kumulation von Maßnahmen, eine strukturelle Übereinstimmung unter Einbeziehung aller notwendigen Kriterien liegt jedoch nicht vor. Rechtsgrundlagen, die den Anforderungen, die sich aus der Kumulation von qualifizierten Maßnahmen ergeben, in ausreichendem Maße gerecht werden, finden sich in der Strafprozessordnung nicht. Nach bestehender Rechtslage ergibt sich insoweit unmittelbar aus der Verfassung ein umfassendes Beweiserhebungsverbot, sofern die zur Beweiserhebung kumulierten Maßnahmen wahrscheinlich zu einem Eingriff in den absolut geschützten Bereich führen. Hinsichtlich der Beweisverwertung gilt, dass solche Beweismittel, die unter Verletzung des absoluten Schutzbereichs gewonnen wurden, nicht berücksichtigt werden dürfen. Über die Verwertung anderer Erkenntnisse, die sich aus kumulierten Maßnahmen ergeben, aber keine absolute Schutzbereichsverletzung hervorgerufen haben, ist unter Abwägung aller konkreten Umstände zu entscheiden.

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8. Kap.: Ergebnis

B. Schlussfolgerungen Aus den allgemeinen Bewertungen der Kumulation von Ermittlungsmaßnahmen ergeben sich Forderungen bezüglich zu schaffender strafprozessualer Regelungen, die eine Umsetzung der verfassungsrechtlichen Grundsätze sicherstellen. Nach hier vertretener Auffassung ergeben sich aus der Judikatur des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts, die eine Bewertung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitprüfung der einzelnen Maßnahmen unter Einbeziehung der bereits erfolgten Anordnungen vorgibt, keine ausreichenden Beschränkungen. Unerlässlich ist vielmehr die Einführung eines maßnahmenübergreifenden Richtervorbehalts. Zudem muss diese der Objektivierung und umfassenden Bewertung dienende Regelung unterstützt werden durch die Einführung von Vorgaben bezüglich der konkreten Art und Schwere der Anlasstat und des diesbezüglichen Tatverdachts sowie durch die Einführung von sich direkt auf die Kumulation von Maßnahmen beziehenden Subsidiaritätsklauseln. Des Weiteren sind Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbotsregelungen zu konstituieren, die den Gefahren unzulässiger Eingriffe in Grundrechte entgegenwirken. Es bedarf auch der Schaffung kumulationsspezifischer Vorgaben betreffend Verwendung, Löschung bzw. Sperrung von Daten und der Benachrichtigung betroffener Personen. Zur abstrakten Geeignetheits- und Erforderlichkeitsprüfung sind außerdem entsprechende Berichtspflichten über die Anwendungshäufigkeit, die konkreten Anwendungsmodalitäten und die erzielten Ergebnisse der Nutzung kumulativer Maßnahmen einzurichten. Entstehungszusammenhänge betreffend die Ausdehnung von Überwachungsmechanismen sind vor allem technischer, rechtlicher und gesellschaftlicher Art. Dabei sind im Rahmen einer Technisierung der Gesellschaft sowohl Anpassungseffekte der Strafverfolgungsbehörden an veränderte Verhaltensweisen als auch einseitige Ausweitungstendenzen der Überwachung aufgrund neuer technischer Möglichkeiten anzunehmen. Dem entspricht die vermehrte Schaffung weitreichender rechtlicher Befugnisse zur Informationsgewinnung, die verstärkt durch rechtstatsächliche Entwicklungen eine Verpolizeilichung der Strafverfolgung bedingt und zu einer anlassunabhängigen Überwachung aller Lebensbereiche führen kann. Auf gesellschaftlicher Ebene wirken zudem Bestrebungen hin zu einer effizienten aktiven Sozialkontrolle mittels des Einsatzes von Überwachungs- und Kontrollmechanismen in vergleichbarer Weise. Auswirkungen dieser Entwicklung können sich insbesondere in Form eines Anpassungsdrucks ergeben, der auch im Vorfeld strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen zu einer subtilen Etablierung von Konformität führt.

B. Schlussfolgerungen

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Zudem besteht auch die Möglichkeit eines „technologischen Displacements“ im Sinne einer Verlagerung von strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen in überwachungssicherere Bereiche bzw. von Abschottungstendenzen entsprechender Personengruppen. Eine Effizienzerhöhung durch intensivierte und ausgeweitete Überwachung vor allem im Hinblick auf Straftatenaufklärung, aber auch bezogen auf das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung erscheint hingegen zweifelhaft. Insgesamt ergeben sich daher vielgestaltige Kritikpunkte hinsichtlich der Überwachungsregelungen bzw. der Überwachungspraxis der Strafverfolgungsorgane. Auf individual-rechtlicher Seite werden Gefahren, die eine extensive Überwachung vor allem unter kumulativer Nutzung von Ermittlungsmaßnahmen mit sich bringt, nicht erkannt oder nicht in angebrachter Form gewichtet. Die sich daraus ergebende Möglichkeit von nicht zu rechtfertigenden Eingriffen in den Menschenwürdegehalt von Grundrechten kann in einem Rechtsstaat nicht hingenommen werden. In Verbindung hiermit steht eine allgemeine gesellschaftliche, rechtliche und rechtstatsächliche Entwicklung, Überwachung in immer stärkerem Maße zu forcieren bzw. in Kauf zu nehmen. Ausgehend von den aufgezeigten Bedenken sowohl bezüglich der individuellen Rechte Betroffener als auch bezogen auf die makrostrukturellen Auswirkungen einer entsprechenden Entwicklung erscheint ein Umdenken notwendig. Nicht Ausweitung von Überwachung, sondern deren Beschränkung müssen im Vordergrund der gesellschaftlichen, politischen und rechtlichen Diskussion stehen. Das Bundesverfassungsgericht deutet insbesondere mit den Urteilen zum Volkzählungsgesetz620, zum „großen Lauschangriff“621, zur präventiven Brief- und Telekommunikationsüberwachung durch das Zollkriminalamt622 und zur präventiven Telekommunikationsüberwachung im Niedersächsischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung623 in eine dem entsprechende Richtung. Eine allgemeine rechtsstaatliche Akzeptanz von Überwachung, die auch mittels Gewinnung von im Umfang nicht unbeträchtlichen personenbezogenen Informationen stattfindet, kann nur durch eine klare, ausdifferenzierte und wirksame Beschränkung der diesbezüglichen Befugnisse erzielt werden. Nicht alles was möglich ist, sondern nur was rechtsstaatlich geboten ist, darf auch genutzt werden. 620

BVerfGE 65, 1. BVerfG NJW 2004, 999. 622 BVerfG NJW 2004, 2213. 623 BVerfG NJW 2005, 2603; vgl. zusätzlich zu heimlichen Informationsbeschaffungsmaßnahmen im Sächsischen Verfassungsschutzgesetz, SächsVerfGH NVwZ 2005, 1310; s. zu beiden Urteilen Puschke/Singelnstein NJW 2005, 3534 ff. 621

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Sachwortverzeichnis Absolut geschützter Bereich 83 ff. – Begriff 17 Anlasstat 145 f., 157, 192 Anpassungsdruck 88, 90, 172, 174 ff., 185, 192 Ausgrenzung 172, 185 f. Ausschreibung – zur Beobachtung 23, 46, 138 – zur Feststellung des Aufenthaltsortes/zur Fahndung/zur Festnahme 22, 24, 54 ff., 139 Automatische Verarbeitung siehe Computergestützte Verarbeitung Befugnisse – Erweiterung 20, 22, 25 f., 166 ff. – geheimdienstliche 20, 167 – polizeiliche 157, 166 f., 168 ff. – zur Überwachung 13, 18 ff., 32, 41 f., 168, 171 Belangloses Datum 65, 71, 82, 102 Benachrichtigungspflicht 158 ff., 192 Beobachtung siehe Observation Beschlagnahme 18, 51 ff., 138 – bzgl. Daten 27, 49, 91, 117, 130, 188 Bestimmtheitsgebot 48, 124 ff., 145, 172, 190 f. Betäubungsmitteldelinquenz 22 f., 30, 32, 40, 59 f., 91 f. Bewegungsprofil 29, 42, 46, 164 Beweiserhebung 64 ff., 75 f., 157, 188 – Verbot 41, 134 f., 148 f., 151, 154 ff., 160, 191 f. Beweisverbote 134, 148

Beweisverwertung 29, 39, 80 f., 144, 151 ff., 160, 191 – Verbot 41, 135 ff., 150 ff., 161, 192 Computergestützte Verarbeitung 53 f., 65 ff., 86 f., 102, 164, 175, 188 f. Daten – Abgleich 23, 53 f., 59, 138, 159 – Bagatell- 69 f., 76, 106, 188 – Begriff 16 – öffentliche 57, 66, 69 ff., 75, 106 – Quantität 87 – Verknüpfung 57, 60, 65, 71, 81 f., 85 f., 95, 97, 164, 178 – Verwendungsmöglichkeit 65, 67 ff., 70, 72, 73 ff., 85 f., 97, 102, 112, 189 Deutsche Demokratische Republik (DDR) 21 ff. DNA-Analyse 23 ff., 49 ff., 55, 88, 107 f., 138, 180, 184, 188 Durchsuchung 18, 21 f., 51 ff., 58 f., 63, 90, 138 Effektivität – Datenerlangung 27, 49, 123, 178 f. – Ermittlung, Strafverfolgung, Straftatenbekämpfung 13, 49, 123, 141, 147, 158, 178 ff. – Rechtsschutz 33, 70, 88, 158 ff. Einstellungsraten 123, 181 Einwilligung des Betroffenen 50 f., 70 f., 75 ff., 107 f., 189 Erkennungsdienstliche Maßnahmen 19, 22, 26, 55 f. Ermessen 102, 126, 128, 145, 191

204

Sachwortverzeichnis

Ermittlungsansatz 88, 123, 155, 181 ff., 188 f. Ermittlungsgeneralklausel 24, 47 f., 57 Ermittlungsmaßnahmen, -methoden – Abbruch 41, 124, 126 f., 149 – Begriff 15 f. – einfache 112 f., 117, 129 – gleichartige 89 ff., 93 f., 96 f., 112 ff., 121, 127, 129 ff., 189 f. – heimliche, verdeckte 27, 28 ff., 38, 58, 63, 179 ff. – nicht-heimliche 27, 48 ff. – qualifizierte 113 ff., 117 ff., 129 – unter Zwang/imperativ 69, 72, 73, 74 f., 84, 92, 188 – verschiedenartige 92 ff., 113, 117 ff., 121, 127, 129 ff., 189 f. Europäische Menschenrechtskonvention 48, 78, 106, 125, 133 Ex-ante-Betrachtung 88, 150 ff. Fernmeldeverkehr siehe Telekommunikation Fernwirkung 154 ff. Finalität 72 f., 75 f. Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege 13, 80 f., 123, 136 Garantien, verfassungsrechtliche 13, 185 Genetischer Fingerabdruck siehe DNAAnalyse Gesetzesvorbehalt 99 ff. Global Positioning System (GPS) 35, 93 f., 132 f., 165, 167 Identitätsfeststellung 21, 25, 46, 50, 52 ff. IMSI-Catcher 24, 43 ff., 60, 94, 118, 138 Informationelle Selbstbestimmung 13, 15, 63 ff., 83, 88, 99 ff., 158, 188

Informationen – Art 84 f., 89 ff., 93 f. – Begriff 16 – beweiserhebliche 156 f. – personenbezogene 13, 16, 73 f., 79 – Verarbeitung/Verwendung 85 f., 91, 95 f., siehe auch Daten – Umfang 85, 91, 94 Informationsbeschaffungs-, -erlangungsmaßnahmen siehe Ermittlungsmaßnahmen Informationsgesellschaft 65, 128 INPOL 46, 55, 170 Internet 28 f., 31, 62, 165, 177 f. Intimsphäre 81, 84, 87, 89, 94 f., 97, 112 Katalogstraftat 22, 25, 42, 45, 58, 145, 154, 159, 169 Kennzeichenabgleich 46, 53, 167 Kernbereich privater Lebensgestaltung 16 f., 25, 41, 80 ff., 83, 97 f., 127 f., 131, 134 ff., 141, 148 ff., 161, 163, 190 Körperliche Untersuchung 19 ff., 49 ff., 138 Kollidierendes Verfassungsrecht 104 f. Konformitätsdruck siehe Anpassungsdruck Kontrollgremien 159 f. Kontrollstellen 21, 52 f. Kriminalitätsfurcht siehe Sicherheitsgefühl Kumulation, Kumulierung – Begriff 16 – unechte 89, 96, 111, 130 f. Lauschangriff siehe Wohnraumüberwachung Löschungspflicht 158 Maschinell 23, 53, 68 f., 86, 175 Maßnahmen siehe Ermittlungsmaßnahmen

Sachwortverzeichnis Menschenwürde 41, 78, 81 ff., 85, 88, 94 f., 96 f., 109, 125, 127, 148, 151 f., 155, 160 f., 189, 191, 193 Missbrauchsgefahr 73 ff., 95 ff., 107, 130, 189 Mobilfunkverkehr 31 f. – Überwachung 28 f., 31 f., 44 ff. Molekulargenetische Untersuchung siehe DNA-Analyse Nähemerkmale 83 ff., 87, 96, 189 Netzfahndung 21, 54, 138 Observation 23 f., 34 ff., 46 ff., 59 f., 69 f., 87, 92 f., 94 f., 129 f., 138 f., 159, 164 f., 180, 189, 191 Ökonomisierung 172 f., 182 Organisierte Kriminalität 26, 40, 115, 165 f., 169, 176 f., 179 f., 182 f. Parlamentsvorbehalt 104, 110, 190 Persönlichkeitsprofil 13, 16 f., 85, 95, 97, 151, 153, 161, 164, 189 Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) 30 ff. Prävention 13 f., 26, 171, 185 Privatheit 13, 63, 67, 77 f., 80 ff., 97 f., 125, 177, 187 Rasterfahndung 23, 53 f., 63, 138 f., 159, 178 Richtervorbehalt 108 ff., 114 f., 137 ff., 154 – übergreifende Zuständigkeit 133, 137, 192 Sicherheitsgefühl 182 ff., 193 Soziale Kontrolle 172 ff., 192 Sperrungspflicht 158 Spezialgrundrechte 77 f., 99 f., 136 Sphärentheorie 73, 79, 93 Standortbestimmung 24, 29, 35, 42 ff., 77, 93 ff., 164 f.

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Straftat von erheblicher Bedeutung 42, 46 f., 50, 53, 55 f., 135, 149 Subsidiaritätsklauseln 146 ff. – Begriff 33 f. Technische Mittel 14, 34 ff., 59, 117, 179 Technisierung 49, 164 ff., 166, 175, 192 Technologisches Displacement 177, 193 Telekommunikation 20, 22, 24, 26, 28 ff., 42 ff., 57 f., 62 f., 71, 90 ff., 138, 165, 180, 187 Terrorismus 26, 155, 169, 179, 183 Totalausforschung 13, 16 f., 60, 81 ff., 97 f., 112, 118, 124, 131, 134 ff., 141, 148 ff., 161, 163 f., 171, 174, 178, 189 f. Totalvorbehalt 70, 102 ff. Überwachungsausweitung 32, 164 ff., 171 ff., 192 f. Überwachungsdauer 59, 85, 87 ff., 96 f., 113, 130, 189 Überwachungshäufigkeit 29, 38, 59, 143, 192 Überwachungsintensive Deliktsbereiche 30 Überwachungsmaßnahmen siehe Ermittlungsmaßnahmen Verbindungsdaten 29, 42 f. Verdeckter Ermittler 23, 45 f., 87, 138 f., 177 Verfassungsmäßige Ordnung 100 Verhältnismäßigkeit 35, 54, 74, 84, 110 ff., 122 ff., 126 ff., 133, 135, 137, 160, 190 ff. Vernehmung 18 ff., 56 ff., 89, 113, 155 Veröffentlichung von Abbildungen 55 f., 138 Verpolizeilichung 168 ff., 185, 192

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Sachwortverzeichnis

Verwendungsregelungen 110, 156 ff., 161 Videoüberwachung 52 f., 167 Volkszählungsurteil 15, 65 ff., 86 f., 102, 118, 120, 174 f. Wahrheitsermittlung 49, 122, 134 Wahrscheinlichkeitsprognose 150 ff., 157

Wesentlichkeitstheorie 103 ff., 107, 109 f., 190 Wohnraumüberwachung 15, 25, 37 ff., 58 f., 63, 90, 94, 97, 108 f., 123, 138, 144, 146, 159, 167, 178, 181, 193 Zufallsfunde 51, 75, 106, 157 Zweckänderung 156 ff.