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German Pages 391 Year 1994
MICHAEL FEHLING
Die Konkurrentenklage bei der Zulassung privater Rundfunkveranstalter
Schriften zu Kommunikationsfragen Band 19
Die Konkurrentenklage bei der Zulassung privater Rundfunkveranstalter Eine Untersuchung zu materiell-rechtlichen Grundlagen, zur gerichtlichen Kontrolldichte und zum prozessualen Rahmen von Konkurrenzschutzbegehren
Von
Dr. Michael Fehling
DUßcker & Humblot . Berliß
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Fehling, Michael: Die Konkurrentenklage bei der Zulassung privater Rundfunkveranstalter : eine Unterschung zu materiellrechtlichen Grundlagen gerichtlicher Kontrolldichte und prozessualem Rahmen von Konkurrenzschutzbegehren / von Michael Fehling. - Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Schriften zu Kommunikationsfragen ; Bd. 19) Zug!.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1993 ISBN 3-428-08070-X NE:GT
Alle Rechte vorbehalten
© 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4239 ISBN 3-428-08070-X
Meinen Eltern
Vorwort Die nachfolgende Arbeit wurde im Wintersemester 1993/94 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg LBr. als Dissertation angenommen. In der vorliegenden, aktualisierten und überarbeiteten Fassung befmdet sie sich auf dem Stand von November 1993. Mein Dank gilt in erster Linie meinem akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Dr.h.c. Martin Bullinger. Seine kritische, zugleich aber stets ermutigende Haltung hat mir sehr geholfen, Überkommenes zu überdenken und nach neuen Lösungen zu suchen. Die menschlich offene und geistig anregende Atmosphäre bei ihm und an seinem Lehrstuhl hat entscheidend dazu beigetragen, daß mir die Arbeit Freude gemacht hat. Besonderer Dank gebührt auch Herrn Prof. Dr. Thomas Würtenberger für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und wertvolle Anregungen für die Überarbeitung. Den Mitarbeitern der Landesanstalt für Rundfunk Nordrhein-Westfalen, vor allem der stellvertretenden Direktorin Frau Sabine Hadamik, Herrn Dr. Hans-Henning Amold und Herrn Dr. Joachim Gerth, bin ich zu Dank dafür verpflichtet, daß ich im Rahmen meines Referendariats bei ihnen wichtige praktische Erfahrungen in der Rundfunkaufsicht sammeln und eine schöne Zeit verbringen durfte. Frau Rechtsanwältin Dr. Andrea Vetter danke ich herzlich für die Überlassung wichtigen Materials. Ihr und vielen anderen Freunden und Kollegen, insbesondere Mariano Bacigalupo, Katrin Hölting, Christof Letzgus, Dr. Paul Rombach, LL.M., Norbert Schulte und Eckhart Wittenstein, möchte ich weiter danken für viele wichtige Hinweise, jederzeitige Gesprächsbereitschaft und inner- wie außerdienstliche Unterstützung. Dr. Dirk Heckmann hat mir bei der Erstellung der Druckvorlage sehr geholfen; auch ihm danke ich ganz herzlich. Meine Frau Uta und meine Tochter Anne Kathrin waren mir im privaten Bereich eine große Stütze. Sie und meine Eltern haben so auf ihre Weise ebenfalls einen Beitrag zum Entstehen dieser Arbeit geleistet. Freiburg, im November 1993 Michael Fehling
Inhaltsverzeichnis
§ 1 Einführung
I.
Problemstellung und Thema der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
17
11. Konvergenz des Landesrundfunkrechts als Voraussetzung dieser länderübergreifenden Untersuchung ........................... 20 1. Vereinheitlichungsdruck durch europäische Vorgaben . . . . . . . . . . .. 2. Umfassendere bundeseinheitliche Regelungen im neuen Rundfunkstaatsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Privatrundfunkrecht als konkretisierte Verfassungsrechtsprechung ....
23
III. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
31
27 29
§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung nach den Landes-
mediengesetzen und dem Rundfunkstaatsvertrag
I.
Vielfalt als übergreifendes Ziel der Zulassungsregelungen .........
33
1. Vielfaltsicherung in der Verfassungsrechtsprechung . . . . . . . . . . . .. 2. Schwierigkeiten bei der Realisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . "
33 37
11. Der Ablauf des Zulassungsverfahrens und die materiellen Entscheidungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
39
1. Vorgeschaltete Frequenzplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Zulassungsverfahren im engeren Sinne: Zulassungserfordernis und Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erfordernis einer Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuständigkeit rur die Zulassungsentscheidung und innere Organisation der Landesmedienanstalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (aa) Versammlungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Ratsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (cc) Das Hamburger Mischmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
40 45 45 47 48 53 56
10
Inhaltsverzeichnis
(dd) Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
57
veranstalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 4. AntragsteIlung und -inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Prüfung der allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . .. a) Rechtsform der Veranstalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zusammensetzung des Veranstalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Beschränkungen zur Sicherung der Staatsfreiheit . . . . . . . . .. (bb) Beschränkungen zur Sicherung der Parteienfeme . . . . . . . . .. (cc) Beschränkungen der Beteiligung des öffentlich-rechtlichen am privaten Rundfunk. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (dd) Konzentrationsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (ee) Zugangsrecht bestimmter Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anforderungen zur Sicherung der Effektivität von Aufsichtsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. d) Zuverlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (aa) Spezielle fundamentale Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . .. (bb) Ausreichendes "know how" und Finanzkraft . . . . . . . . . . . . (cc) Positive Prognose hinsichtlich der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Versorgungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. e) Programmanforderungen zur Sicherung der Meinungsvielfalt ..... (aa) Binnenpluralismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Angestrebter Außenpluralismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . .. t) Verbreitungsgebietsbezug und Spartenvielfalt . . . . . . . . . . . . . .. g) Quotenregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Programmherstellung im Lande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 6. Einigungsbemühungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Verfahrensfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Verbindlichkeit der Einigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 7. Zulassungsentscheidung bei Kapazitätsmangel . . . . . . . . . . . . . . . . a) Normstruktur der Auswahlvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (aa) Katalog gleichrangiger Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (bb) Feste Rangfolge von Auswahlgrundsätzen . . . . . . . . . . . . .. (cc) Mischformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Auswahlkriterien im einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Programmliche Meinungsvielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (bb) Veranstalterbezogene Vielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Spartenvielfalt und Bezug zum Verbreitungsgebiet, Fensterprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (dd) Inilere Rundfunkfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58 61 65 65 67 68
3. Ausschreibung freier Überttagungskapazitäten für private Rundfunk-
70 71
73 82 84 85 85 86 89 95 96 98 99 102 103 106 107
108 110 111 113 113 114 116 116 118 119 122 123 126
Inhaltsverzeichnis
II
(ee) Anteil an Eigen- und Auftragsproduktionen, Quote von Inlandsproduktionen, Standortzusagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (ft) Größere journalistische und finanzielle Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (gg) Sonstige, gesetzlich vorgegebene Auswahlkriterien . . . . . . . .. (hh) "Bekannt und bewährt" als zulässiges Argument bei der Neuerteilung einer Zulassung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwangsweise Aufteilung der Sendezeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Zulassungsentscheidung und deren Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
130 132 133
111. Zusammenfassung: Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Landesmediengesetze . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
136
128 129 129
§ 3 Die gerichtliche Kontrolle der Zulassungsentscheidung -
Ermessen und Beurteilungsspielraum
I. Die Rundfunkrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Frequenzsplitting- bzw. Auswahlentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2. Allgemeine Zulassungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 146 3. Folgerungen für den Gang der weiteren Untersuchung . . . . . . . . . . . 147
11. Wertende Entscheidungen pluralistisch zusammengesetzter Gremien in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ........... 149 1. Wertende Entscheidungen prognostischer Natur . . . . . . . . . . . . . . . a) Geringe gesetzliche Regelungsdichte als Voraussetzung eingeschränkter gerichtlicher Kontrolldichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Besondere Abhängigkeit rundfunkrechtlicher Zulassungsentscheidungen von Wertungen und Prognosen. . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Wertungs- und Prognoseabhängigkeit allein nicht ausreichend 2. Spezifische Organisation des entscheidenden Gremiums . . . . . . . . . . a) Repräsentation und Sachkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Erhoffte prozedurale Sicherung einer "optimalen" Entscheidung durch Fachkunde und Interessenpluralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mangelnde Sicherung justizähnlicher Unabhängigkeit und Objektivität d) Die Situation im Rundfunkrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (aa) Zulassungsgremien nach dem Versammlungsmodell . . . . . . .. (bb) Der nach dem Ratsmodell gebildete Berlin-Brandenburgische Medienrat als Nachfolger des Berliner Kabelrats . . . . . . . . .. (cc) Das Hamburger Mischmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
153 153 156 158 160 161 163 165 170 171 178 180
12
Inhaltsverzeichnis
3. Zwischenergebnis
182
Irr. Verfassungsrechtliche Legitimation und Grenzen von Beurteilungsspiel-
räumen bei der rundfunkrechtlichen Zulassungsentscheidung ...... 184
1. Das herkömmliche Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Rechtsweggarantie, Art. 19 Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . .. (aa) Art. 19 Abs. 4 GG als Argumentationslastregel . . . . . . . . . .. (bb) Schlußfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Materielle Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorbehalt des Gesetzes, Wesentlichkeitstheorie und Bestimmtheitsgebot. . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Neue Tendenzen in der Verfassungsrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . a) Grundrechtswesentlichkeit als neuer zentraler Gesichtspunkt . . . . . . b) Die Bedeutung der Rechtsschutzgarantie, Art. 19 Abs. 4 GG ..... c) Nonnative Ennächtigungslehre und Grundrechtsrelevanz . . . . . . . . d) Grundrechtsrelevanz der rundfunkrechtlichen Zulassungsentscheidung 3. Zusammenfassender Versuch einer Systematisierung . . . . . . . . . . . .
185 185 185 190 199 202 206 206 209 211 214 216
IV. Entscheidungsspielräume der Landesmedienanstalten außerhalb der Anwendung unbestimmter RechtsbegritTe? .................. 220 1. Notwendigkeit von Abwägungen und deren Bedeutung für die Ennittlung von Entscheidungsspielräumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Planungsähnlicher Charakter rundfunkrechtlicher Auswahlentscheidungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Global- und Einzelfallprognosen, Komplexität und Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Final- und Konditionalprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
222 224 224 225
V. Verfassungsrechtliche Maßstäbe rlir die Anerkennung von Ermessensspielräumen bei rundfunkrechtlichen Auswahlentscheidungen . . . . . . . 228 1. Zulässigkeit von Ennessen im Rundfunkrecht . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Meinungsstand im Rundfunkrecht als Folge mißverstandener Verfassungsrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Kein generelles Verbot von Ennessen durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG . 2. Die Staatsfreiheit des Rundfunks als Indikator für Ennessen bei fehlender gesetzlicher Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Allgemeines zum Verhältnis von Regelungs- und Kontrolldichte ... b) Rundfunkrechtliche Besonderheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Übertragung der Erkenntnisse auf Verteilungsentscheidungen . . . . . . .
228 228 230 231 235 235 238 240
Inhaltsverzeichnis
13
VI. Verfahrensrechtliche Eindämmung parteipolitisch motivierter Erwägungen. . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 1. Unparteiische und chancengleiche Abwägungsentscheidungen durch Verfahrensgarantien? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Verfahrensermessen als offene Flanke der rundfunkrechtlichen Zulassungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Verschärfte Dolrumentationspflicht bei kritischer richterlicher Beweiswürdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Entscheidungsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
242 244
245 249
VII. Flexible GerichtskontroUe statt starrer (Beurteilungs-)Spielräume . . . . 253 1. Einschätzungsspielraum und maßgeblicher Kenntnisstand bei der Kontrolle prognostischer Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 254 2. Elastische richterliche Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung ... 257 3. Summarische Prüfung im vorläufigen Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . 259
VIII. Zusammenfassung der Ergebnisse von § 3 .............. . . .. 260
§ 4 Der prozessuale Rahmen der rundfunkrechtlichen
Konkurrentenldage
I. Systematisierung der Konkurrenzschutzbegehren nach Anspruchszielen 1. Konkurrentenverdrängungsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Alleinige Frequenznutzung an Stelle des Konkurrenten . . . . . . . . . b) Frequenzsplitting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Konkurrentengleichstellungsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Gleichstellung durch Ausweisung von zusätzlichen Sendekapazitäten für den privaten Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beteiligung an einer zugelassenen Veranstaltergemeinschaft und/oder zugehöriger Betriebsgesellschaft im lokalen Rundfunk in NordrheinWestfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konkurrentenabwehrklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Neu zugelassener Konkurrent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verlängerung der Zulassung eines Konkurrenten . . . . . . . . . . . .. c) Sonstiges.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
264 265 265 266 268 268 270 271 271 272
273
11. Probleme der Konkurrentenverdrängungsklagen . . . . . . . . . . . . . . .. 274 1. Rechtsweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 275
14
Inhaltsverzeichnis
2. Klage- bzw. Verfahrensart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Hauptsacheverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (aa) Das Meinungsspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Weichenstellung durch die Rechtsnatur der Zulassungsentscheidung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (cc) Klageziel und Effektivität des Rechtsschutzes als Leitlinien zu einer differenzierten Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Vorläufiger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (aa) Hauptsache-Akzessorietätals Normalfall . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Modifizierung durch Grenzen einer einstweiligen Anordnung? . . 3. Klage- bzw. Antragsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mögliche Verletzung eines subjektiven Rechts auf Zugang zum privaten Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Differenzierung nach einzelnen Vorschriften? . . . . . . . . . . . . . .. 4. Sonstige Prozeßvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Vorverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beiladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsschutzbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 5. Maßgebliche Sach- und Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Hauptsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorläufiger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 6. Entscheidungsmaßstab im vorläufigen Rechtsschutz . . . . . . . . . . . .. a) Bedeutung der Erfolgsaussichten der Hauptsache . . . . . . . . . . . .. (aa) Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung . . . . . . . . . .. (bb) Einstweilige Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (cc) Anwendungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fragen einer Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (aa) Allgemeine Leitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Die Bedeutung einzelner Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . ..
m. Besonderheiten bei Konkurrentengleichstellungsklagen
275 275 275 278 281 286 286 287 290 291 292 295 295 296 296 297 298 300 302 302 302 306 308 310 310 314
. . . . . . . . . . . 319
1. Beteiligung an einer zugelassenen Veranstaltergemeinschaft und/oder Betriebsgesellschaftim lokalen Rundfunk in Nordrhein-Westfalen .... a) Rechtsweg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Klage- bzw. Antragsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (aa) Hauptsacheverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (bb) Vorläufiger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Klage- bzw. Antragsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. d) Beiladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Vorverfahren, Maßgebliche Sach- und Rechtslage . . . . . . . . . . . . t) Besonderheiten bei einer Interessenabwägung im vorläufigen Rechtsschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
319 319 321 321 322 324 325 325 325
Inhaltsveneichnis
2. Zulassung durch Ausweisung zusätzlicher Kapazitäten für den privaten Rundfunk .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Klageart und Rechtsschutzbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (aa) Verfügbarkeit zusätzlicher Frequenzen . . . . . . . . . . . . . . .. (bb) Frequenzoberverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (cc) Bewerberauswahl beim privaten Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . (dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beiladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besonderheiten im vorläufigen Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . .
IV. Besonderheiten der Konkurrentenabwehrklagen 1. Klageart . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Klagebefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Neu zugelassener Konkurrent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Einfachgesetzliche Schutznormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Verlängerungserteilung an einen Konkurrenten . . . . . . . . . . . . .. 3. Vorläufiger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
v.
15
328 328 330 333 340 342 344 346 347 347 348 348 348 350 354 354
Zusammenfassung der Ergebnisse von § 4 .................... 355
§ 5 Ausblick
361
Literaturverzeichnis
366
Sachverzeichnis . . .
386
Abkürzungsverzeichnis aaO. a.F. AfP Ba. -Wü.LMedienG Bay.MEG BayMG Berlin-Brandenb.StaatsV BremLMG GPR Sachs.-A. HmbMedienG Hess.PRG iVm KPPG
LKV
LRGNW MP n.F. Nieders.LRG RG Meckl.-Vorp. Rh.-Pf.LRG RuF RuStaV Saarl.LRG Sächs.PRG Schl.-H.LRG Thür.PRG
v.
ZUM
- am angegebenen Ort - alte Fassung - Archiv für Presserecht - Landesmediengesetz Baden-Württemberg - Bayerisches Medienerprobungs- und -entwicklungsgesetz - Bayerisches Mediengesetz - Staatsvertrag zwischen Berlin und Brandenburg über die Zusammenarbeit im Bereich des Rundfunks - Bremisches Landesmediengesetz - Gesetz über den privaten Rundfunk in Sachsen-Anhalt - Hamburgisches Mediengesetz - Gesetz über den privaten Rundfunk in Hessen - in Verbindung mit - Kabelpilotprojektgesetz Berlin - Landes- und Kommunalverwaltung - Rundfunkgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen - Media Perspektiven - neue Fassung - Niedersächsisches Landesrundfunkgesetz - Rundfunkgesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern - Landesrundfunkgesetz für das Land Rheinland-Pfalz - Rundfunk und Fernsehen - Rundfunkstaatsvertrag - Rundfunkgesetz für das Saarland - Gesetz über den privaten Rundfunk und neue Medien in Sachsen - Rundfunkgesetz für das Land Schleswig-Holstein - Thüringer Privatrundfunkgesetz - vom - Zeitschrift für Urheber-und Medienrecht
Für alle übrigen Abkürzungen wird, soweit sie nicht aus sich selbst heraus verständlich sind, auf
Kirchner, Abkürzungsverzeichnisder Rechtssprache, BerlinlNew York, 3. Auf!. 1983, verwiesen.
§ 1 Einführung I. Problemstellung und Thema der Arbeit
Nach heftigen Auseinandersetzungen bis gegen Ende der achtziger Jahre! ist die rechtswissenschaftliche und -politische Grundsatzdiskussion um die deutsche Rundfunkordnung schon seit einiger Zeit weitgehend verstummt. Die normativen Grundlagen des dualen Rundfunksystems wurden vom Bundesverfassungsgericht gebilligtl, die Aufbauphase des privaten Rundfunks ist selbst in den neuen Bundesländern mittlerweile nahezu abgeschlossen. Durch die fortlaufende Gewöhnung der Rezipienten an die Programme privater Veranstalter tut die normative Kraft des Faktischen ein übriges, daß sich der private Rundfunk in seiner jetzigen Struktur etabliert. Auch aus europäischer Perspektive ist, jedenfalls in näherer Zukunft3 , keine grundSätzliche Neuorientierung in Sicht, es bleibt bei Akzentverschiebungen im Rahmen harmonisierender Grundstandards4 • Vom offenen Schlachtfeld hat sich die Kontroverse nunmehr in Grabenkriege um die wirtschaftliche und publizistische Machtverteilung zwischen den öffentlich-rechtlichen Anstalten und den privaten Rundfunkveranstaltern verlagert. Dabei steht weiterhin die Ausgestaltung und Interpretation des materiellen Rechts im Vordergrund, zumal viele erste Landesmediengesetze5, die noch
1 Zusammenfassend m.v.N. die Literaturberichte von Wie/and, Der Staat 20 (1981), 97 ff. und ders., Der Staat 23 (1984), 245 ff., letzterer unter dem treffenden Titel "Markt oder Staat als Garanten der Freiheit". 2 Siehe dazu im Überblick unten H. 3. sowie zu Einzelfragen in § 2. ] Zur neueren Rechtsprechung von Kommission und Europäischem Gerichtshof fiir Menschenrechte zu Art. 10 Abs. 1 S. 3 EMRK als potentiellem Sprengstoff fiir die bundesdeutsche Rundfunkrechtsdogmatik siehe kurz unten H. 1. • Zur Bedeutung von EG-RichtIinie und Europarats-Konvention fiir die Zulassung privater Rundfunkveranstalter in Deutschland sowie zu Überlegungen der EG fiir Maßnahmen zur Eindämmung der Medienkonzentartion siehe erneut unten 11. 1. S Der Begriff "Landesmediengesetz" wird hier als Oberbegriff fiir die im einzelnen unterschiedlich bezeichneten Gesetze einschließlich des Berlin-Brandenburgischen Staatsvertrages gebraucht. Dies sind: "Landesmediengesetz Baden-Württemberg" Ld.F.v. 17.3.1992 (Neubekanntmachung GBI. 1992, S. 189); "Gesetz über die Entwicklung, Förderung und Veranstaltung privater Rundfunkangebote und anderer Mediendienste in Bayern" v. 24.11.1992 (GVBI. 1992, S. 584); "Staatsvertrag zwischen Berlin und Brandenburg über die Zusammenarbeit im Bereich
2 Fehling
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§ 1 Einführung
Versuchscharakter tragen, zur Überarbeitung anstehen oder gerade novelliert worden sind6 • 'Die vorliegende Arbeit sieht die Zulassung privater Rundfunkveranstalter dagegen aus dem prozessualen Blickwinkel einer Konkurrentenklage. Die Untersuchung will damit einerseits einen Beitrag zur Lösung von Problemen leisten, die vermehrt die Praxis beschäftigen. Zum anderen geht es darum zu prüfen, welche Bedeutung Konkurrentenklagen bei der Durchsetzung des materiellen Rundfunkrechts gewinnen können. Bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wird schon seit langem das Auseinanderfallen von Anspruch (Staatsferne) und Wirklichkeit (parteipolitische Vereinnahmung) beklagt. Nun mehren sich auch die Klagen über Vollzugsdefizite beim Privatrundfunkrechf. Im Beamtenrecht wird seit geraumer Zeit erwogen, inwieweit Konkurrentenklagen als Mittel individuellen Rechtsschutzes sachfremden Erwägungen (Ämterpatronage) entgegenwirken und so die objektive Rechtmäßigkeit der Entscheidungen befördern könnens. Entsprechend soll auch im privaten Rundfunkrecht gefragt werden, inwieweit gerichtliche Kontrolle dazu beitragen kann, Vollzugsdefizite abzubauen. Dies soll in drei Schritten geschehen: Zuerst werden die für die Zulassung privater Veranstalter einschlägigen Vorschriften und deren Anwendung durch die Landesmedienanstalten9 untersucht, um einschätzen zu können, wo und aus
des Rundfunks" (Berlin GVBI. 1992, S. 150; Brandenb. GVBI.l 1992, S. 142); "Bremisches Landesmediengesetz" i.d.F. v. 22.6.1993 (GBI. 1993, S. 203; "Hamburgisches Mediengesetz" v. 3.12.1985 (GVBI. 1985, S. 315), zuletzt geändert d. Gesetz v. 3.5.1990 (GVBI. 1990, S. 85); "Gesetz über den privaten Rundfunk in Hessen" v. 30.11.1988 (GVBI.l 1988, S. 385), zuletzt geändert d. Gesetz v. 13.12.1991 (GVBI. 1 1991, S. 367); "Rundfunkgesetz fiir das Land Mecklenburg-Vorpommem" v. 9.7.1991 (GVBI.LMV 1991, 194); "Niedersächsisches Landesrundfunkgesetz" v. 9.11.1993 (GVBI. 1993, S. 523); "Rundfunkgesetz fiir das Land Nordrhein-Westfalen" i.d.F.der Neubekanntmachung v. 31.3.1993 (GVBI. 1993, S. 172); "Landesrundfunkgesetz für das Land Rheinland-Pfalz" i.d.F. v. 28.7.1992 (GVBI. 1992, S. 247); "Rundfunkgesetz für das Saarland" Ld.F.v. 9.8.1993 (Amtsbl. 1993, S. 781); "Gesetz über den privaten Rundfunk und neue Medien in Sachsen" v. 27.6.1991 (GVBI. 1991, S. 178); "Gesetz über den privaten Rundfunk in Sachsen-Anhalt" v. 18.4.1991 (GVBI.LSA 1991, S. 87); "Rundfunkgesetz für das Land Schleswig-Holstein" v. 18.12.1989 (GVOBI. 1989, S. 225), zuletzt geändert d. Gesetz v. 12.12.1991 (GVOBI. 1991, S. 596); "Thüringer Privatrundfunkgesetz" v. 31.7.1991 (GVBI. 1991, S.255). 6 Zu den Novellierungen siehe unten Fußnote 11. 7 Siehe im einzelnen in § 2 11., insbes. 5. b) (dd) und d) (ce). I Vgl. nur P.M Huber, Konkurrenzschutz, S. 567 m.w.N. • Der Begriff "Landesmedienanstalt" dient als Oberbegriff für die im einzelnen unterschiedlich bezeichneten Anstalten: § 63 Ba.-Wü.LMedienG, "Landesanstalt für Kommunikation"; § 8 BerIin-Brandenb.StaatsV, "Medienanstalt"; § 35 BremLMG, "Bremische Landesmedienanstalt"; § 2
I. Problemstellung und Thema
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welchen Gründen Regelungen nicht oder nur unzureichend umgesetzt werden. Schwierigkeiten und Deflzite bei der Anwendung gesetzlicher Vorschriften sind die Voraussetzung dafür, daß sich überhaupt die Frage nach gerichtlicher Kontrolle stellt. Mit unproblematischen Bestimmungen wie der Forderung nach voller Geschäftsfahigkeit der Antragsteller müssen sich die Gerichte nicht beschäftigen. Die Wirksamkeit gerichtlicher Kontrolle bei der Durchsetzung vernachlässigter gesetzlicher Bestimmungen hängt entscheidend davon ab, wo die Ursachen derartiger Versäumisse bei den Landesmedienanstalten liegen. Soweit Normen weite Wertungs- und Prognosespielräume eröffnen, stehen die Gerichte letztlich vor gleichen, wenn nicht größeren Anwendungsschwierigkeiten wie die Landesmedienanstalten. Vor diesem Hintergrund muß demnach die Struktur der einschlägigen Vorschriften analysiert werden. Soweit dagegen wirtschaftliche und parteipolitische Interessen für Vollzugsdeflzite verantwortlich sind, können unparteiische Gerichte als Korrektiv wirken. Daher verdienen Zusammensetzung und Verfahren der entscheidenden Gremien besondere Beachtung. Die Stufung des Zulassungsverfahrens in mehrere Schritte einschließlich frequenztechnischer und -politischer Vorfragen ist zudem für den prozessualen Rahmen von Konkurrentenklagen von Interesse. Auf dieser Untersuchung des materiellen Rechts und insbesondere seiner Umsetzung durch die Landesmedienanstalten baut in einem zweiten Schritt die Frage nach der gerichtlichen Kontrolldichte auf. Abwägungs-, Wertungs- und Prognoseschwierigkeiten könnten zwar Ermessens- und Beurteilungsspielräume nahelegen. Entscheidend ist indes die Frage, welche Bedeutung die pluralistisch-fachkundige, aber auch parteipolitisch beeinflußte Zusammensetzung der Zulassungsgremien für die Einräumung von Entscheidungsspielräumen besitzt. Dazu bedarf es sowohl einer Analyse von Verwaltungsrechtsprechung und Literatur als auch der verfassungsrechtlichen Möglichkeiten und Grenzen einer Einräumung solcher Spielräume. Dabei ist auch zu erörtern, inwieweit eine
Abs. 5 HmbMedienG, "Hamburgische Anstalt für neue Medien"; § 38 Hess.PRG, "Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk"; Überschrift d. Sechsten Teils d. RG Meckl.-Vorp., "Landesrundfunkzentrale Mecklenburg-Vorpommern"; § 53 Nieders.LRG, "Niedersächsischer Landesmedienanstalt für privaten Rundfunk"; § 51 LRG NW, "Landesanstalt Ilir Rundfunk NordrheinWestfalen"; § 43 Rh.-Pf.LRG, "Landesanstalt für private Rundfunkveranstalter"; § 66 SaarI.LRG, "Landesanstalt für das Rundfunkwesen"; § 40 Schl.-H.LRG, "Unabhängige Landesanstalt für das Rundfunkwesen Saarland"; Überschrift d. 7. Abschnitts d. Sächs.GPR, "Sächsische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien"; § 27 GPR Sachs.-A., "Landesrundfunkausschuß"; § 44 Thür.PRG, "Thüringer Landesanstalt für privaten Rundfunk". Sofern nichts anderes vermerkt ist, wird auch die "Bayerische Landeszentrale für neue Medien" (Art. 2 Bay.MG) mit darunter gefaßt. 2·
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§ 1 Einführung
Reduzierung der gerichtlichen Kontrolldichte durch verschärfte Anforderungen an das Zulassungsverfahren und die Begründung der Zulassungsentscheidungen kompensiert werden kann und muß. Welches Gewicht die gerichtliche Kontrolle bei der Durchsetzung des Zulassungsrechts gewinnen kann, hängt nicht zuletzt davon ab, welche Klagemöglichkeiten das Verwaltungsprozeßrecht einem Konkurrenten eröffnet, um eine Überprüfung der Zulassungsentscheidung zu erreichen. Angesichts der großen Bedeutung des vorläufigen Rechtsschutzes stellt sich zudem die Frage, in welchem Umfang und nach welchem Maßstab eine gerichtliche Kontrolle im Eilverfahren erfolgen muß. Im dritten Hauptteil geht es daher um den prozessualen Rahmen einer Konkurrentenklage. Unter "Konkurrentenklagen bei der Zulassung privater Rundfunkveranstalter" sollen Rechtsschutzbegehren verstanden werden, die das Wettbewerbsverhältnis (potentieller) privater Rundfunkveranstalter im Zusammenhang mit der Zulassung einer der Konkurrenten zum privaten Rundfunk betreffen. Wie im einzelnen noch auszuführen sein wird lO , handelt es sich dabei in erster Linie, aber nicht ausschließlich um Streitigkeiten, bei denen ein im Zulassungsverfahren unterlegener Mitbewerber eine Rundfunkerlaubnis an Stelle seines erfolgreichen Konkurrenten begehrt. Ausgeblendet bleiben damit zum einen Konstellationen, in denen es nicht um die Zulassung zum privaten Rundfunk an sich, sondern um die Rechte und Pflichten eines zugelassenen Rundfunkveranstalters geht. Nicht berücksichtigt werden zum anderen auch solche Konkurrenzschutzbegehren, bei denen öffentlieh-rechtliche Rundfunkanstalten unmittelbar beteiligt sind. Die Arbeit konzentriert sich ferner auf Streitigkeiten um die besonders begehrten terrestrischen Frequenzen, weil diese trotz zunehmender Verkabelungsdichte immer noch allein die umfassende Empfangbarkeit garantieren und ihre Nutzung aufgrund der Frequenzknappheit somit besonders umkämpft ist. 11. Konvergenz des Landesrundfunkrechts als Voraussetzung dieser länderübergreifenden Untersuchung Im Zuge der Herstellung der deutschen Einheit ist die Zahl der für die Zulassung zum privaten Rundfunk maßgeblichen Landesgesetze und Staatsverträge auf sechzehn angewachsen. Diese numerische Vielfalt und zahllose Unterschiede im Detail vermögen jedoch nicht darüber hinwegzutäuschen, daß
10
Siehe mit Beispielen aus der Praxis unten § 4 I.
ß. Konvergenz des Landesrundfunkrechts
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die landesrechtlichen Regelungen sich einander in Folge einiger Novellierungen 11 immer mehr angeglichen haben. Auch die Mediengesetze bzw. Staatsverträge der neuen Bundesländer bringen kaum Neues, sondern orientieren sich im wesentlichen an Vorbildern aus der "alten" Bundesrepublik12 • Die Struktur der landesrechtlichen Regelungen ähnelt sich demnach so weitgehend, daß eine länderübergreifende Untersuchung der Zulassungsprobleme sinnvoll ist. Etwas aus dem Rahmen fallen nur die bayerischen und nordrhein-westrälischen Regelungen. In Bayern zwang Art. 111 a Abs. 2 der Landesverfassung dazu, den politisch gewollten privat gestalteten und fmanzierten Rundfunk wenigstens nominell unter ein öffentlich-rechtliches Dach zu stellen13 •
11 Dabei sind vier Novellierungen bzw. Neuregelungen besonders bedeutsam: Baden-Württemberg paßte seine Regelungen durch das "Gesetz zur Änderung des Landesmediengesetzes Baden-
Württemberg" vom 12.12.1991 (GBI. S. 817) an die europäischen Vorschriften sowie den neuen Rundfunkstaatsvertrag an [zum Einfluß der europäischen Bestimmungen vgl. die Begründung der Landesregierung, LT-Drucks. 10/5420 (im folgenden zitiert "Begründung 2. Änderung Ba.-Wü."), zu Nr. 5 - § 10 des Entwurfs - und Nr. 6 - § 11 des Entwurfs -, S. 46 f] und ermöglichte gleichzeitig das Entstehen einer landesweiten Hörfunkkette bei Begrenzung der Zahl regionaler und lokaler Veranstalter (vgl. dazu §§ 7 Abs. 2, 20 Abs. 2 Nr. 3,93 LMedienG n.F. und die Begründung der Landesregierung a.a.O. zum Gesetzentwurf allgemein A.3.1., S. 38 sowie zu Nr. 60 § 85 des Entwurfs - S. 73 ff.). Berlin ersetzte, nun gemeinsam mit Brandenburg, sein noch experimentellen Charakter tragendes "Kabelpilotprojektgesetz und Versuchsgesetz fiir drahtlosen Rundfunk im Lande Berlin" vom 17.7.1984 durch den "Staatsvertrag über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks" vom 22.4.1992. Ähnliches geschah in Bayern mit dem Übergang vom "Gesetz über die Erprobung und Entwicklung neuer Rundfunkangebote und anderer Mediendienste in Bayern - MEG" vom 8.12.1987 zum "Bayerischen Mediengesetz - BayMG" vom 24.11.1992. Niedersachsen ersetzte mit Gesetz vom 9.11.1993 sein altes "Landesrundfunkgesetz" i.d.F.v. 16.3.1987. Umfangreichere Änderungen gah es außerdem in Rheinland-PJalz, Bremen und im Saarland. 12 So auch Brinkmann ZUM 1992, 238, 244 und Schuler-Harms, in: Das Rundfunkrecht der neuen Bundesländer, S. 59 f.; dort jeweils auch ein Überblick über alle Rundfunkgesetze und verträge der neuen Bundesländer. In Sachsen-Anhalt hat die "Patenschaft" Niedersachsens sogar dazu gefiihrt, daß die alten niedersächsischen Bestimmungen fast wortgleich in das GPR Sachsen-Anhalts übernommen wurden. n Das Erfordernis öffentlich-rechtlicher Trägerschaft wurde bereits in der ersten Grundsatzentscheidung BayVerfGH 30, 78, 88 ff. besonders hervorgehoben und auch fiir mit dem Grundgesetz vereinbar erachtet. Daher versuchte die Regierung, ihr Konzept in der "Begründung der Staatsregierung zum Entwurf des Bayerischen Medienerprobungs- und entwicklungs gesetzes (MEG) vom 10.4.1984 - im folgenden zitiert "Begründung Bayern" - (Sen.-Drs. 71/84 A. 2.) folgendermaßen zu rechtfertigen: "Die Übertragung der öffentlichen Verantwortung und öffentlich-rechtlicher Trägerschaft auf eine neue Anstalt des öffentlichen Rechts schließen es jedoch nicht aus, den Anbietern mehr Rechte bei der Gestaltung der Sendungen als im herkömmlichen Rundfunksystem einzuräumen und Gesellschaften privaten Rechts bestimmte organisatorische Aufgaben zu überlassen". Schon unter früheren Medienerprobungsgesetz erschien es zweifelhaft, ob die Gestaltungskraft der "Bayerischen Landeszentrale rur neue Medien" wirklich dafiir aus-
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§ 1 Einführung
Nordrhein-Westfalen fiel als Flaggschiff der sozialdemokratisch regierten Bundesländer die Aufgabe zu, ein stark mit öffentlich-rechtlichen Elementen angereichertes Gegenmodell zum rein kommerziellen Privatfunk zu präsentieren14 • Bei näherer Betrachtung erweisen sich diese Besonderheiten indes als weit weniger bedeutend, als es zunächst den Anschein haben mag 15 • llmen ist ausreichend dadurch Rechnung getragen, daß die bayerische und die nordrheinwestfalische Situation an wenigen Stellen gesondert betrachtet wird.
reicht, daß von öffentlich-rechtlichem Rundfunk gesprochen werden kann, vgl. nur Stock JZ 1991, 654,646 f. Gewisse Zweifel wurden auch in der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes deutlich, der für das Erprobungsgesetz zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung auf den Versuchsbonus zurückgegriffen hat, vgl. BayVerfGH 39,96, 137 ff. Jedenfalls für bundesweit verbreitete Programme hat VGH München ZUM 1992, 378, 379 ff. schon zum alten Recht ausdrücklich eine Verletzung des Art. 111 a LV festgestellt (offengelassen dann von BayVerfGH AfP 1993,480,481); wenig überzeugend dagegen die Versuche im Schrifttum (etwa Stettner ZUM 1992, 456, 462 ff. unter Berufung auf den Bayerischen Verfassungsgerichtshof, Bomemann ZUM 1992, 483 ff. durch einen Vergleich mit der Programmgestaltung beim Bayerischen Rundfunk), eine substantielle Programmträgerschaft der Landeszentrale zu begründen. Das neue Bayerische Mediengesetz erwähnt zwar häufiger Gestaltungsaufgabe und -möglichkeiten der Landeszentrale (vgl. Art. 11 S. 2 Nr. 2 Bay.MG; Art. 27 Abs. 4 S. 2 Bay.MG), doch erscheint es angesichts der im übrigen rechtlich und wirtschaftlich völlig unveränderten Konzeption unwahrscheinlich, daß die Landeszentrale nun eine aktivere Rolle übernehmen wird. Mit Wegfall des Versuchbonus wachsen damit die landesverfassungsrechtlichen Bedenken gegen die bayerische Regelung; weiterhin "Bedenken" auch bei VGH München BayVBI 1993, 340,342 . • 4 Herzstück des Gesetzes ist ein 2-Säulen-Modell für den lokalen Rundfunk in NRW, wobei durch Trennung der Programmverantwortung, wahrgenommen durch eine gemeinnützige und binnenplural zusammengesetzte Veranstaltergemeinschaft, von der Finanzierung, gewährleistet durch eine erwerbswirtschaftlich orientierte Betriebsgesellschaft, publizistische Doppelmonopole verhindert werden sollen [vgl. die Begründung der Landesregierung zum Entwurf des LRG NW (im folgenden zitiert "Begründung NRW"), LT-Drucks. 10/1440, S. 57, zu §§ 21 bis 27 des Gesetzentwurfs]. Das 5. Rundfunkänderungsgesetz v. 22.9.1992 (GVBI. S. 346) läßt diese Grundstruktur unverändert und ergänzt nur Bestimmungen zur Frauenf6rderung, verstärkte Informations- und Mitteilungspflichten zwischen Veranstaltergemeinschaft und Betriebsgesellschaft sowie Förderung einer hauptamtlichen Tätigkeit in der Veranstaltergemeinschaft. Im übrigen betont die Begründung der Landesregierung zwar in besonderem Maße die öffentliche Aufgabe (aaO. A.3.e), S. 53) sowie die meinungsbildende Funktion und den kulturellen Auftrag des privaten Rundfunks (aaO. zu §§ 10, 11 des Gesetzentwurfs, S. 55), ohne aber das primär wirtschaftliche Interesse an einem lukrativen Medienstandort NRW zu verhehlen (aaO. A.3.c), S. 53) . •, Erste Erfahrungen deuten im nordrhein-westfälischen Lokalfunk darauf hin, daß die Betriebsgesellschaften aufgrund größerer Professionalität sowie weitreichender, in den Satzungen festgeschriebener Einwirkungsmöglichkeiten vielerorts die Oberhand behalten und die "Laienspielschar" der Veranstaltergemeinschaft in die Rolle eines bloßen Beirats drängen, faktisch also ein kommerzieller Rundfunk ähnlich dem der anderen Bundesländer entsteht, vgl. Hirsch Ruf 1991, 173, 177 ff; optimistischeres Fazit dagegen bei WeißIRudolflClassen MP 1993, 75, 82. Zur faktischen Umgehung des Art. 111 a LV in Bayern siehe oben Fn. 13.
II. Konvergenz des Landesrundfunkrechts
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Für die im übrigen zu konstatierende Vereinheitlichung der Privatrundfunkgesetze erscheinen vor allem drei Faktoren ausschlaggebend: Europa- und völkerrechtliche Vorgaben müssen bundesweit und damit regelmäßig bundeseinheitlich in deutsches Recht umgesetzt werden. Darüber hinaus trifft der neue Rundfunkstaatsvertrag viele weitere abschließende Regelungen und verringert so den landesrechtlichen Gestaltungsspielraum. Schließlich konkretisiert das Bundesverfassungsgericht mit jedem neuen Rundfunkurteil weiter seine verfassungsrechtlichen Anforderungen an den privaten Rundfunk, denen alle Landesmediengesetze gleichermaßen genügen müssen. 1. VereinheitIichungsdruck durch europäische Vorgaben
Von dem Trend zu einer wirtschaftspolitisch motivierten, gemeinschaftsweiten Vereinheitlichung des Verwaltungsrechts sind auch der Rundfunk und insbesondere das Fernsehen nicht ausgenommen, zumal Rundfunkwellen nicht an Ländergrenzen haltmachen und europaweit konsumierbare, gebietsneutrale Programme an Bedeutung gewinnen 16 , die zudem durch Parabolantennen nun überall problemlos empfangen werden können. Nach langjährigen, bis zum Beginn der achtziger Jahre zurückreichenden Bemühungen 11 wurde vom Ministerrat der Europäischen Gemeinschaft schließlich am 3.10 .1989 eine "Richtlinie des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Ausübung der Femsehtätigkeit" (kurz "EG-Richtlinid 8) verabschiedet. Der Ministerausschuß des Europarates billigte am 15.3.1989 den abschließenden Entwurf eines "Europäische(n) Übereinkommen(s) über das grenzüberschreitende Fernsehen" (kurz "Europarats-Konvention"19). Obwohl ursprünglich von unterschiedlichen Zielsetzungen ausgehend20 , waren schließlich beide Regelungswerke im Kom-
Dazu bereits ausführlich Bullinger AfP 1985, 257, 260 ff. Dazu ausführlich Stock RuF 1989, 180, 183 ff.; zusammenfassend etwa auch A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 244 ff. Ursprünglich wurden dabei auch die Förderung eines europäischen Fernsehprogramms sowie Maßnahmen gegen eine Gefährdung der Meinungsvielfalt durch eine Kommerzialisierung der neuen Medien angestrebt. Durch das von der Kommission 1984 vorgelegte Grünbuch "Fernsehen ohne Grenzen" rückte jedoch die Schaffung eines freien europäischen Marktes für werbefmanzierten Rundfunk in den Vordergrund, siehe oben aaO. \1 (89/552/EWG) in der Fassung der Berichtigungen gemäß Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 331, S. 51 v. 16.11.1989, abgedruckt MP Dokumentation 11/89 S. 107 ff. \9 Vom 5.5.1989, abgedruckt MP Dokumentation 11/89 S. 96 ff. 20 Während die Europäische Gemeinschaft den Rundfunk primär als Wirtschaftsgut begreift und daher auch im Bereich des Rundfunks die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 59 EWG-Vertrag \6 \7
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§ 1 Einführung
promißwege einander weitgehend angenähert worden, wobei gemäß Art. 27 der Konvention die Richtlinie im Verhältnis zwischen den EG-Mitgliedstaaten den Vorrang hat2'. Dabei sind insbesondere die sogenannten Quotenregelungen sowie Regelungen zur Werbung, Gegendarstellung und zum Jugendschutz bedeutsam22 • Art. 7 der Europarats-Konvention enthält darüber hinaus auch einige elementare Programmgrundsätze. Trotz eines noch schwebenden Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht23 sind diese Bestimmungen gemäß Art. 25 der Richtlinie im Rahmen des neuen Rundfunkstaatsvertrages weitgehend in das deutsche Recht umgesetzt worden24 , der wiederum entgegenstehendes Landesrecht automatisch außer Kraft
durchsetzen will, ging es dem Europarat im Rahmen seiner Zuständigkeit flir kulturelle Angelegenheiten vorwiegend darum, eine Überflutung des europäischen Rundfunks mit amerikanischen Billigprogrammen zu verhindern; vgl. Bullinger, in: Eine Rundfunkordnung für Europa, S. 85, 86 f.; Delbrück ZUM 1989, 373, 377 u. 380; Engel RuF 1989,203,210. 21 Die Konvention bleibt aber im Verhältnis zu Europarats-Mitgliedslä'ndern, die nicht Mitglied der EG sind, von Bedeutung. Werden etwa Fernsehprogramme sowohl in andere EG-Staaten als auch in sonstige Mitgliedstaaten des Europarats (z.B. Österreich) ausgestrahlt, so sind beide Regelungswerke nebeneinander einschlägig; zum ganzen vgl. etwa Schwarz EuR 1989, I, 8; A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 251. Zum unterschiedlichen Rechtscharakter und zu den Unterschieden bei den Sanktionsmöglichkeiten bei fehlender Umsetzung siehe Schwarz a.a.O. S. 3; Betz MP 1989, 677, 678; Mestmäcker, in: Der Einfluß des Europäischen Gemeinschaftsrechts, S. 13; Delbrück ZUM 1989, 373, 378. 22 Im einzelnen siehe Quotenregelungen: Art. 4 bis 9 der EG-Richtlinie, Art. 10 Abs. I der Europarats-Konvention; Werbung: Art. 1 b-d, 10 bis 21 der EG-Richtlinie, Art. 12 bis 18 der Europarats-Konvention; Gegendarstellung: Art. 23 der EG-Richtlinie, Art. 8 der Europarats-Konvention; Jugendschutz: Art. 22 der EG-Richtlinie, im Zusammenhang mit der Werbung vgl. auch Art. 16 der Richtlinie, Art. 7 Abs. 2 der Europarats-Konvention. 23 Gegen die Zustimmung der Bundesregierung zur EG-Richtlinie hat Bayern im Bund-LänderStreit vor dem Bundesverfassungsgericht Klage erhoben und vorgetragen, Art. 30 GO sei verletzt, weil die Bundesregierung nicht aufEG-Ebene über die den Ländern zustehende Rundfunkhoheit verfUgen könne. Auch Art. 24 Abs. 1 GO gestatte nicht einen solchen Einbruch in die bundesstaatlichen Grundstrukturen. Den Erlaß einer einstweiligen Anordnung hat das Bundesverfassungsgericht abgelehnt (BVerfUE 80, 74). Eine Entscheidung in der Hauptsache ist, wiewohl schon mehrfach angekündigt, noch nicht ergangen. Näher zur Argumentation der Bundesländer siehe Memminger DÖV 1989, 846 ff.; die Erfolgsaussichten der Hauptsache eher skeptisch beurteilend w: Hess AfP 1990,95 ff., mit ausfiihrlicher Stellungnahme auch zu den prozessualen Fragen. Eine differenzierte Betrachtung der kompetenzrechtlichen Probleme findet sich bei Bullinger VBIBW 1989, 161 ff. und ders., in: Eine Rundfunkordnung flir Europa, S. 85, 86 f. 2( Quotenregelungen in § 5 RuStaV, allerdings gegenüber der Richtlinie in etwas abgeschwächter Form; Werberegelungen einschließlich Sponsoring in §§ 6, 7, 26, 27 RuStaV; Jugendschutzbestimmungen in § 3 RuStaV; elementare Programmgrundsätze für den bundesweiten Rundfunk in § 23 RuStaV. Eine Regelung des Rechts auf Gegendarstellung findet sich im Rundfunkstaatsvertrag nicht, insoweit bleibt es bei den weitgehend inhaltsgleichen Bestimmungen der einzelnen Länder. Die umstrittenen Fragen der Verfassungsmäßigkeit der Richtlinie sowie der Auslegung
11. Konvergenz des Landesrundfunkrechts
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setzt, soweit der Staatsvertrag nicht selbst abweichende Regelungen zuläßt (§ 1 Abs. 2 RuStaV). Theoretisch verpflichtete die EG-Richtlinie nicht zu einer bundeseinheitlichen Umsetzung. Sie enthält nur einen Mindeststandard und bietet gerade im Bereich von Generalklausein wie "angemessene Maßnahmen" zum Jugendschutz (Art. 22 der Richtlinie) oder "geeignete Maßnahmen" bei Ausgestaltung des Rechts auf Gegendarstellung (Art. 23 der Richtlinie) einen recht weiten Umsetzungsspielraum. Inländerdiskriminierung ist grundsätzlich erlaubt (Art. 3 der Richtlinie); bei den Werberegelungen wären sogar mildere Bestimmungen für nur im Inland empfangbare Programme zulässig (Art. 20 der Richtlinie). (Wirtschafts)politisch erschienen hier aber landesspezifische Differenzierungen weder sinnvoll noch durchsetzbar, so daß die europäischen Regelungswerke spürbar zur Angleichung des Landesrundfunkrechts beigetragen haben. Derzeit erörtern Mitgliedsstaaten und Institutionen der Europäischen Gemeinschaft auf der Basis eines neuen Grünbuchs der Kommission2S Maßnahmen zur Sicherung des Pluralismus und Bekämpfung der Medienkonzentration. Grundlegend neue Konzepte sind indes nicht in Sicht26 • Es wird nur eine Harmonisierung der einzelstaatlichen Konzentrations- und Zugangsbeschränkungen angestrebt, um der Gefahr eines Unterlaufens nationaler Regelungen durch Weiterverbreitung von Programmen, die in EG-Staaten mit weniger strengen Vorschriften veranstaltet werden, zu begegnen27 • Daher sind für die Zulassung privater Rundfunkveranstalter in Deutschland von einer europäischen
einzelner Vorschriften, insbesondere der nur politischen oder auch rechtlichen Verbindlichkeit der Quotenregelungen (vgl. dazu einerseits etwa A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 247; Bu/linger, in: Eine Rundfunkordnung für Europa, S. 86, 99 f.; Möwes/Schmitt-Vockenhausen EuGRZ 1990, 121, 123; Delbrück ZUM 1989, 373, 376; andererseits Mestmäcker, Der Einfluß des europäischen Gemeinschaftsrechts, S. 31 ff.), verlieren so an unmittelbarer praktischer Bedeutung, weil die entsprechenden Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrages ohne Rücksicht auf das rechtliche Schicksal der Richtlinie zu beachten sind. Mit Rücksicht auf das schwebende Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht wird die EG-Richtlinie allerdings nicht ausdrücklich erwähnt (vgl. Stock RuF 1992, 189, 192 mit dortiger Fn. 15), vielmehr ist neutral von "europäischer Entwicklung" (in der Präambel des Rundfunkstaatsvertrages) bzw. von "europäische(m) Recht" (bei den Quotenregelungen, § 5 RuStaV) die Rede. Dieser Sprachgebrauch setzt sich in der Begründung zum Rundfunkstaatsvertrag fort (vgl. etwa "A: Allgemeines" sowie bei der "Begründung zu Art. 1 - Rundfunkstaatsvertrag, 1. Allgemeines"). 21 "Pluralismus und Medienkonzentration im Binnenmarkt - Bewertung der Notwendigkeit einer Gemeinschaftsaktion", KOM(92) 480 endg. v. 23.12.1992. 26 Vgl. Grünbuch S. 51 ff. u. 121 ff. mit einer Zusammenfassung der in den Mitgliedstsaaten bekannten Instrumente als Vorbild einer möglichen EG-Regelung. 27 Näher zur Gefahr einer Umgehung von Rechtsvorschriften siehe Grünbuch S. 62 f.; zum Ziel einer Harmonisierung aaO. S. 97 u. 103.
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§ 1 Einführung
Regelung auf diesem Gebiet zwar Detailverschiebungen28 , aber kaum einschneidenden Änderungen zu erwarten, gleichgültig, in welcher Rechtsform die Europäische Gemeinschaft hier letztendlich tätig werden wird29 • Ebenfalls auf europäischer Ebene harmonisierend, für das deutsche Rundfunksystem jedoch revolutionierend, könnte sich auf längere Sicht die neuere Auslegung von Art. 10 Abs. 1 S. 3 EMRK durch die Europäische Menschenrechtskommission sowie den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erweisen. Danach können rundfunkrechtliche Regelungen nicht mehr ohne weiteres als bloße Ausgestaltung des Grundrechts verstanden werden, sondern müssen sich an Art. 10 Abs. 2 EMRK messen lassen, wonach nur "für die demokratische Gesellschaft erforderliche" und dem Schutz der "Rechte anderer" oder der "Ordnung im Äther" dienende gesetzliche Schranken der Rundfunkverbreitungsfreiheit zulässig sind30 • Freilich sind fast alle deutschen Regelungen, die die Zulassung und Betätigung privater Rundfunkveranstalter betreffen und vom Bundesverfassungsgericht als Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit eingestuft werden, auch durch diesen Schrankenvorbehalt gedeckt3l • Schon deshalb stellt die zitierte europäische Rechtsprechung die deutsche Privatrundfunkgesetzgebung nicht unmittelbar in Frage. Auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG wird nicht direkt berührt, weil die Menschenrechtskonvention nur den Rang eines einfachen Bundesgesetzes hat32 • Mittel- und langfristig könnte sich indes durch menschenrechtskonventionsfreundliche Auslegung auch das Verständnis der Rundfunkfreiheit Näher unten § 2 11. 5. b) (dd). Zu den einzelnen Optionen (Verzicht auf eine Regelung, Richtlinie oder Verordnung mit jeweils wieder unterschiedlich weitgehendem Inhalt) siehe Grünbuch, S. 109 f. u. 114 ff. 10 Kommission EuGRZ 1990, 287, 289 ff.; EGMR EuGRZ 1990, 255, 256 ff. - Groppera; EGMR EuGRZ 1990,261 ff. - Autronic; zum ganzen, insbesondere der damit verbundenen Einschränkung des politischen Gestaltungsspielraumes zu einem nationalen Umsetzungsspielraum siehe Bullinger, FS Lerche, S. 593, 598 f.; ausfiihrIich Engel, Privater Rundfunk, S. 27 u. 55 ff.; zu dieser Rechtsprechung außerdem Hartstein/Ring/Kreile/D örr/Stettner, Rundfunkstaatsvertrag n.F., C-O.3, Allgern. Er!. Rn. 114 ff. 11 Dazu im einzelnen ausfiihrIich Engel, Privater Rundfunk. Gerechtfertigt sind danach insbes. die vorhandenen Konzentrationsbeschränkungen, (S. 241 ff. vg!. dazu auch die Einschätzung der EG-Kommission im Grünbuch, S. 16); Zuverlässigkeitsanforderungen (S. 250 f.); Jugendschutzbestimmungen (S. 293 ff.); Werberegelungen (S. 401 ff.); Sponsoringregelungen (S. 414 ff.); mit gewissen Einschränkungen aufgrund seiner besonders restriktiven Auslegung des Art. 10 Abs. 2 EMRK auch die vorhandenen Sicherungen der Meinungsvielfalt (S. 311 ff.). Für nach Art. 10 EMRK bedenklich erachtet er insbes. solche Regelungen, die auch schon nach deutschem Verfassungsrecht äußerst umstritten sind, insbes. inhaltsbezogene allgemeine Programmgrundsätze (S. 307 f.) und standortpolitische Auflagen (S. 355 ff.). 12 Bullinger, FS Lerche, S. 593, 599; Engel, Privater Rundfunk, S. 27 ff. 28
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II. Konvergenz des Landesrundfunkrechts
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nach dem Grundgesetz wandeln33 • Sollte sich dann im europäischen Rahmen die restriktive Auffassung durchsetzen, daß die Bedeutung des Rundfunks für die demokratische Willensbildung und die Sicherung der Meinungsvielfalt für sich genommen keine Einschränkung nach Art. 10 Abs. 2 EMRK zulassen34 , drohte jegliche Beschränkung der Rundfunkunternehmerfreiheit, die nicht unmittelbar wettbewerbs- oder verbraucherschützend wirkt, unter zunehmenden rechtlichen und politischen Rechtfertigungsdruck zu geraten. 2. Umfassendere bundeseinheitliche Regelungen im neuen Rundfunkstaatsvertrag
Neben der zunehmenden Europäisierung spiegelt sich auf nationaler Ebene im Privatrundfunkrecht auch die allgemeine Entwicklung zum kooperativen Föderalismus und zum unitarischen Bundesstaat35 wieder. An die Stelle landesspezifischer Vorschriften treten in immer größerem Umfang abschließende staatsvertragliche Bestimmungen. Der neue Rundfunkstaatsvertrag, der als Art. 1 des "Staatsvertrages über den Rundfunk im vereinten Deutschland" vom 31.8.1991 den früheren "Staatsvertrag zur Neuregelung des Rundfunkwesens (Rundfunkstaatsvertrag)" vom 1/3.4.1987 abgelöst hat, beschränkt sich nicht auf die Umsetzung der europäischen Vorgaben, sondern enthält auch darüber hinaus weitaus zahlreichere und detailliertere Regelungen36 als sein Vorgänger. Während zudem die Regelungen im alten Rundfunkstaatsvertrag mit wenigen Ausnahmen37 nur den bun-
33 So Engel, Privater Rundfunk, S. 28 f. unter Hinweis auf Ansätze einer "menschenrechtsfreundlichen" Auslegung des Grundge~etzes etwa in BVerfDE 82, 106, 120 (dort zum Rechtsstaatsprinzip). 34 So Engel, Privater Rundfunk, S. 77 f., 80 ff., 244. Dagegen rechnete EGMR EuGRZ 1990, 261,263 - Autronic - die Sicherung des kulturellen und politischen Pluralismus zum Ordnungsvorbehalt des Art. 10 Abs. 2 EMRK (so auch die EG Kommission, Griinbuch, S. 16), wie Engel aaO. S. 81 selbst einräumt. 3S Dazu allgemein grundlegend K Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 12 ff.; ders., Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 221; zu Staatsverträgen zwischen den Bundesländern H Schneider VVDStRL 19 (1961) I ff. 36 Zu den einzelnen Regelungen siehe unten 11. sowie den ausführlichen Überblick von Stock RuF 1992, 189 ff. Die Zunahme des Umfangs rundfunkrechdicher Regelungen muß aber nicht notwendig mit größerer Steuerungskraft einhergehen. Zutreffend bemerkt dazu Hoffmann-Riem, Erosionen des Rundfunkrechts, S. 68: "Es wäre ... verfehlt, aus der Quantität von rundfunkbezogenen Regelungen auf ihre Substanz zu schließen"; vgl. auch Vesting Der Staat 31 (1992), S. 585, 608, wonach sich die Privatrundfunkgesetze "als kaum justiziabel" erweisen. 37 Allein die nicht sehr detaillierte Regelung der Finanzierung privaten Rundfunks nach Art. 7 RuStaV a.F. sowie die Jugendschutzbestimmungen, Art. 10 RuStaV a.F., waren nicht auf bundesweit verbreitete Programme beschränkt, sondern galten für den gesamten privaten Rundfunk.
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§ 1 Einführung
desweiten Rundfunk betrafen, gelten nun nach § 1 Abs. 2 RuStaV n.F. die Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages für alle, auch auf ein Bundesland beschränkte Veranstalter, sofern der Staatsvertrag den Anwendungsbereich nicht für einzelne Vorschriften (ausnahmsweise) ausdrücklich auf bundesweit verbreitete Programme beschränkt38 • Insgesamt enthält so der neue Rundfunkstaatsvertrag über die mit europäischen Vorgaben zusammenhängenden, diese aber im Detail ausformenden und ergänzenden Regelungen hinaus bundesweit verbindliche Programmgrundsätze (§ 23 RuStaV) und Bestimmungen zur Sendezeit für Dritte (§ 24 RuStaV) sowie zum Datenschutz (§ 28 RuStaV). Die Bedeutung dieser Vorschriften für das Zulassungsverfahren ist freilich gering. Die europäischen Bestimmungen enthalten nämlich gar keine, der Rundfunkstaatsvertrag beinhaltet nur wenige39 Aussagen über Zulassungsverfahren und -voraussetzungen im engeren Sinne. Die genannten Regelungen beschränken sich vielmehr weitgehend auf Programmanforderungen. Zwar müßte im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung schon eine Prognose getroffen werden, ob ein Antragsteller als Rundfunkveranstalter diese Vorschriften voraussichtlich einhalten wird. Faktisch führen Prognoseschwierigkeiten und politische Rücksichtnahme auf die Medien(standort)politik der jeweiligen Landesregierung indes dazu, daß die Landesmedienanstalten vielfach auf eine genauere Prüfung, insbesondere im Werbebereich, verzichten und darauf vertrauen, die schlimmsten Auswüchse durch spätere Aufsichtsmaßnahmen unterbinden zu können40 • Sofern indes einmal eine sorgfältige Prognose angestellt wird, kann der Rundfunkstatsvertrag auch dort, wo seine Bestimmungen nicht abschließend sind, zu einer harmonisierenden Auslegung des Landesrechts herangezogen werden41 •
31 Insbesondere sind, wie schon im alten Rundfunkstaatsvertrag, auch nach der Neuregelung die Vorschriften über die Meinungsvielfalt gemäß § 22 Abs. 1 RuStaV nur für den bundesweit verbreiteten privaten Rundfunk anwendbar, wobei selbst für diesen schärfere Bestimmungen des für die Zulassung zuständigen Landes vorgehen. 39 Siehe im einzelnen bei der Darstellung der für die Zulassung privater RundfunkveranstaIter bedeutsamen Regelungen unten § 2 11. 40 Dazu siehe ausführlicher unten § 2 11. 5. d) (cc). '1 Mustergültig insoweit OVG Bremen DVBI 1991, 1270, 1271 f., wo es um den "angemessenen Anteil an Eigen- und Aufuagsproduktionen" im Programm nach § 7 Abs. 2 S. 1 BremLMG aF. ging, noch angelehnt an Art. 9 Abs. 2 S. 2 RuStaV a.F.
II. Konvergenz des Landesrundfunkrechts
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3. PrivatrundCunkrecht als konkretisierte Verfassungsrechtsprechung
Wenn dennoch auch in den vom Rundfunkstaatsvertrag ausgesparten Bereichen im Landesrecht weitgehende Übereinstimmung besteht, so ist dies auf die maßstabsbildende und dadurch einheitsstiftende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rundfunkfreiheit zurückzuführen. In Abwandlung der vielzitierten Formel vom "Verwaltungsrecht als konkretisierte(m) Verfassungsrecht"42 kann für das Rundfunkrecht noch treffender vom "Verwaltungsrecht als konkretisierter Verfassungsrechtsprechung" gesprochen werden. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar immer wieder betont, daß dem (Landes)gesetzgeber ein weiter Spielraum bei der Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit zukommr3 , hat diesen Spielraum indes mit jedem Rundfunkurteil durch kasuistisch zunehmend detailliertere, wenn auch nicht immer bruchlose und widerspruchsfreie Vorgaben eingeengt44 • Wurde im ersten Rundfunkurteil4S die private Veranstaltung von Rundfunk nur als verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossene Möglichkeit erwähnt und wurden gesetzgeberische Maßnahmen zur Sicherung von Staatsfreiheit und Meinungsvielfalt gefordert, so enthält das FRAG-Urteif46 schon inhaltliche Anforderungen an Gestaltung und Prüfungsinhalt des Zulassungsverfahrens. Die weiteren Rundfunkurteile reagieren auf Probleme, die im Zuge der Gesetzgebung und der praktischen Erfahrungen mit privatem Rundfunk aufgetaucht sind, indem sie die grundlegenden Aussagen sukzessive verfeinern und gegebenenfalls modifizieren. Darüber hinaus entdecken die Urteile immer neue Bereiche als wesentlich für die Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit, unter-
So der Aufsatztitel von Werner DVBI 1959, 527. BVerfUE 57,295,321 u. 325 - FRAG-Urteil; BVerfUE 73, 118, 153 - Niedersachsen-Urteil; BVerfUE 74,297, 324 u. 342; BVerfU NJW 1992, 3285 - Hessen-Beschluß. Die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit wird für die verschiedensten Regelungsbereiche des Privatrundfunkrechts besonders hervorgehoben im NRW-Urteil BVerfUE 83,238,296 (Rundfunkordnung allgemein) u. 308 (Kooperation zwischen öff.rechtl.- und privatem Rundfunk) u. 310 (Finanzierung) u. 316 (Rundfunkordnung allgemein) u. 324 (lokaler Rundfunk) u. 334 (Besetzung der Kontrollorgane); kritisch demgegenüber Degenhart DVBI 1991, 310, 311, der den "Gestaltungsspielraurn bis nahezu zur Beliebigkeit erweitert" sieht; vgl. auch Fink DÖV 1992, 805 . .. Berg AfP 1987,457,462 spricht plastisch von einem "Lehrbuch des Rundfunkverfassungsrechts, das in regelmäßigen Lieferungen aus Karlsruhe kommt", wobei Benda, in: Rechtsprobleme der privaten Rundfunkordnung, S. 5, ebenso anschaulich hinzufügt, daß "es sich wohl eher um eine Loseblatt-Sammlung (handelt), bei der von Zeit zu Zeit Seiten nicht nur ergänzt, sondern auch ausgewechselt werden". 45 BVerfUE 12, 205, 259 ff. 46 BVerfUE 57, 295, 318 ff. 42 4)
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werfen sie deshalb dem Vorbehalt des Gesetzes und machen dafür inhaltliche Vorgaben. Im Niedersachsen-Urteil47 finden sich etwa Aussagen zum Zugang der Presse zum Rundfunk, zur Gestaltung eines außenpluralen Systems sowie zur Finanzierung der Rundfunkprogramme. Der Baden-Württemberg-Beschluß48 beleuchtet das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk. Schließlich enthält das NRW-Urteil 49 darüber hinaus vor allem Vorgaben für die Regelung der Frequenzverteilung zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk und zur Anreicherung des privaten (lokalen) Rundfunks mit Elementen des öffentlich-rechtlichen Modells. Der überragende Einfluß der Verfassungsrechtsprechung auf die Privatrundfunkgesetzgebung legt es nahe, im folgenden die einzelnen (landes)gesetzlichen Regelungen von Zulassungsverfahren und -entscheidung anhand dieser Rechtsprechung darzustellen. Besser als andere Systematisierungsversucheso erscheint dieser Ansatz außerdem geeignet, die wenigen rundfunkpolitischen Akzentsetzungen innerhalb des verbleibenden Gestaltungsspielraumes aus dem bloßen Vollzug verfassungsgerichtlicher Vorgaben herauszuheben.
47 BVertUE 73, 118, 152 ff. 4. BVertUE 74, 297, 322 ff. 49 BVertUE 83, 238, 295 ff. so Die Zulassungsvoraussetzungen werden etwa teilweise in sachliche und persönliche Voraussetzungen (so A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 172 f.; Stender-Vorwachs, Staatsfeme und Gruppenferne, S. 137 f.; vgl. auch eh. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 180, alle wohl in Anlehnung an die Überschriften in §§ 23, 24 Ba.-Wü.LMedienG a.F., nun §§ 24, 25 Ba.-Wü.LMedienG n.F.) oder, was dem sehr nahe kommt, in anbieterbezogene und programmbezogene Voraussetzungen (so die Synopse über die Landesmediengesetze - Stand 1989 - in Hartstein/Ring/Kreile, Rundfunkstaatsvertrag, S. 823 ff.) unterteilt. Von beiden Kategorien werden, wiederum in Anlehnung an (Kapitel)überschriften in den Gesetzen, noch Programmgrunds ätze und Veranstalterpflichten abgegrenzt. Im Hinblick auf die Zulassung privater Veranstalter mischen sich jedoch diese Gruppen bei der Prüfung der Zuverlässigkeit eines Bewerbers. Die Zuverlässigkeitsprognose als solche wird regelmäßig als persönliche bzw. anbieterbezogene Zulassungsvoraussetzung eingestuft. Bei der Zuverlässigkeitsprüfung muß aber auch eine Prognose über die zu erwartende Einhaltung sachlicher, d.h. programmbezogener Zulassungsvoraussetzungen, der Programmgrundsätze und Veranstalterpflichten getroffen werden. LetzIich ist es nur eine Frage der Gesetzgebungstechnik und nicht des Inhaltes, ob eine Anforderung als Zulassungsvoraussetzung formuliert wird oder als in die allgemeine Zuverlässigkeitsprüfung einzubeziehende (sonstige) Veranstalterpflicht oder Programmgrundsatz. So ist der Bezug des Programms auf das Verbreitungsgebiet in Baden-Württemberg als Zulassungsvoraussetzung formuliert (vgl. § 26 Abs. 1 Nr. 2a LMedienG), fiir lokale Programme in Nordrhein-Westfalen dagegen als Veranstalterpflicht (vgl. § 24 Abs. 1 S. 2 u. 3 LRG NW). Dies gilt im übrigen nicht nur für die Zulassung, sondern auch fiir die Kontrolle bereits zugelassener Veranstalter, weil der spätere Wegfall vori Zulassungsvoraussetzungen ebenso Sanktionen bis zum Widerruf der Zulassung nach sich zieht wie die Nichteinhaltung sonstiger Veranstalterpflichten.
III. Gang der Darstellung
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ill. Gang der Darstellung
Der folgende Überblick über das materielle Recht für Zulassungsverfahren und -entscheidung soll als Grundlage zum besseren Verständnis der anschließenden prozessual orientierten Ausführungen dienen. Deshalb wird besonderes Gewicht auf diejenigen Regelungen gelegt, aus denen Rückschlüsse auf die gerichtliche Kontrolldichte oder die prozessualen Voraussetzungen einer Konkurrentenklage möglich erscheinen. Bei der Frage nach Ermessens- oder Beurteilungsspielräumen der Landesmedienanstalten verdienen Organisation und Mehrheitserfordernisse bei den entscheidenden Gremien besondere Beachtung. Weitere Schwerpunkte bilden die besonders konfliktträchtigen Konzentrationsbeschränkungen, die mit besonderen Wertungs- und Prognoseschwierigkeiten behafteten Bestimmungen zur Meinungsvielfalt und zur Zuverlässigkeit der Bewerber sowie die praktisch meist ausschlaggebenden Auswahlgrundsätze bei Frequenzknappheit. Die Stufung des Zulassungsverfahrens in mehrere Schritte einschließlich frequenztechnischer und -politischer Vorfragen ist für den prozessualen Rahmen von Konkurrentenklagen von Interesse. Über diese besonders wichtigen Regelungsbereiche hinaus werden zum besseren Gesamtverständnis aber auch die übrigen, weniger bedeutsamen Zulassungsvorschriften kurz angesprochen. Schließlich soll die vergleichende Darstellung des Landesrechts auch verdeutlichen, warum an bestimmten Stellen in den weiteren Abschnitten Differenzierungen zwischen einzelnen Gruppen von Gesetzen vorgenommen werden müssen, und warum an anderen Stellen einheitliche Lösungen möglich sind. Auf den Ergebnissen dieser Bestandsaufnahme baut im dritten Teil die Erörterung der Frage auf, in welchem Umfang die Zulassungsentscheidungen gerichtlicher Kontrolle unterliegen. Um nicht vorschnell auf rundfunkrechtliche Sonderwege mit der der Rundfunkliteratur vielfach eigenen, wolkigen Begrifflichkeit abzugleiten, wird dabei die Rundfunkrechtsprechung zunächst aus dem Blickwinkel des allgemeinen Verwaltungsrechts und insbesondere der Rechtsprechung zur Kontrolle von Entscheidungen pluralistisch-fachkundiger Gremien analysiert, bevor die Besonderheiten bei den Gremien der Landesmedienanstalten gewürdigt werden. Da das Bundesverfassungsgericht in einer Reihe neuerer Entscheidungen die überkommene Rechtsprechung zu Entscheidungsspielräumen der Verwaltung grundlegend in Frage gestellt hat, bedarf zudem das verfassungsrechtliche Fundament der Lehre von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen einer neuen Aufarbeitung. Nachdem so die allgemein für die gerichtliche Kontrolldichte maßgeblichen Kriterien herausgearbeitet sind,
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§ 1 Einführung
müssen sie in ihrer Tragfähigkeit für die Lösung der rundfunkrechtlichen Probleme überprüft werden. Für die Schlußfolgerungen führt der Blick zurück auf die Struktur der Auswahlgrundsätze, auf die geforderte Staatsfreiheit des Rundfunks und zur Ausgestaltung des Zulassungsverfahrens. Im vierten Teil geht es dann um den prozessualen Rahmen derartiger Konkurrentenklagen. Wiederum gilt es zu untersuchen, in wieweit das allgemeine Verwaltungs(prozeß)recht und insbesondere die zu Konkurrentenklagen im Wirtschaftsverwaltungsrecht entwickelten Grundsätze für die Bewältigung der rundfunkrechtlicher Probleme taugen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf den praktisch besonders bedeutsamen Fragen des vorläufigen Rechtsschutzes. Der abschließende Ausblick will noch einmal den Zusammenhang mit der übergreifenden Frage herstellen, welche Rolle Konkurrentenklagen bei der Durchsetzung des materiellen Rundfunkrechts spielen können.
§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung nach den Landesmediengesetzen und dem Rundfunkstaatsvertrag I. Vielfalt als übergreifendes Ziel der Zulassungsregelungen 1. Vielfaltsicherung in der Verfassungsrechtsprechung
Während der Rundfunk in seinem tatsächlichen Erscheinungsbild vor allem durch wirtschaftliche und parteipolitische Interessen geprägt wird, rückt das Bundesverfassungsgericht in bewußter Gegensteuerung dessen demokratische Funktion in den Mittelpunkt der Rundfunkrechtsordnung 1• Als "Medium und Faktor" des Meinungsbildungsprozesses2 ist der Rundfunk besonders wichtig und daher der Gefahr des Mißbrauchs besonders stark ausgesetzt3 • Die Rundfunkfreiheit wird vom Bundesverfassungsgericht deshalb zu Recht primär nicht als wirtschaftliche (Rundfunkunternehmer-)Freiheit, sondern als eine der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung dienende Freiheit4 verstanden. Freie Meinungsbildung setzt voraus, daß die besonders weitreichenden, medienspezifischen Wirkungsmöglichkeiten des Rundfunks zu umfassender Information genutzt werden, daß also "die Vielfalt der bestehenden Meinungen in möglichster Breite und Vollständigkeit wiedergegeben" wird5 • Das Vielfaltsgebot wird so zum zentralen Gesichtspunkfi der dem Gesetzgeber aufgegebenen Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit und, da einmal eingetretene Fehlwirkungen nachträglich nur noch schwer zu korrigieren sind?, insbesondere auch
Diese Diskrepanz veranschaulicht Hoffmann-Riem, Staatswiss. u. Staatspraxis 1991,405. BVerfGE 12, 205, 260 -Femsehurteil; BVerfGE 35, 202, 222 - Lebach-Urteil; BVerfGE 57, 295,320 - FRAG-Urteil; BVerfGE 73, 118, 152 - Niedersachsen-Urteil; BVerfGE 74, 297, 323 Baden-Württemberg-Beschluß; BVerfGE 83,238,296 - NRW-Urteil. 3 BVerfGE 31,314,325 - 2. Rundfunkurteil . 4 BVerfGE 57,295,320; BVerfGE 73, 118, 152; BVerfGE 74,297,323 f.; BVerfGE 83,238, 295; der Sache nach bereits BVerfGE 12,205,260 sowie BVerfGE 31,314,324 und Sondervotum S. 337; zur "dienenden Funktion" der Rundfunkfreiheit vgl. auch Bethge DVBI 1983, 369, 371 ff.; Schmitt- Glaeser AÖR 112 (1987), 215,232 f. s BVerfGE 57,295,320; BVerfGE 73, 118, 152. 6 Vgl. Berliner Kabelrat, Zwischenbericht, S. 74; ähnlich zur Meinungsvielfalt Piette, Meinungsvielfalt, S. 4: "Herzstück der Rundfunkfreiheit". 7 Allgemein BVerfGE 57, 295, 323; speziell auf Konzentrationstendenzen bezogen BVerfGE 73, 118, 160 u. 173. I
2
3 Fehling
34
§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung
der Regelungen über die Zulassung privater Rundfunkveranstalter. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk bietet zwar durch seine Grundversorgung eine gewisse V\elfaltsreserve und rechtfertigt daher eine etwas großzügigere Bewertung der privaten Veranstalter, vermag größere Ungleichgewichtigkeiten im privaten Rundfunk jedoch nicht zu kompensieren8 • Das Vielfaltsgebot weist verschiedene Ausprägungen auf9, die alle für die Zulassung privater Veranstalter bedeutsam sind, wenn auch, je nach gesetzlicher Ausgestaltung, in unterschiedlichem Maße: Vielfalt ist, der geschilderten Funktion des Rundfunks entsprechend, in erster Linie als Meinungsvielfalt in den ausgestrahlten Programmen (programminhaltliche Meinungsvielfaltl~ zu verstehen. Der Gesetzgeber kann zwischen einem außenpluralen und einem binnenpluralen Modell wählenIl, wobei Mischmodelle vorherrschen l2 • Je nach gewähltem Modell müssen alle gesellschaftlich relevanten Gruppen entweder im privaten Rundfunk insgesamt oder in jedem einzelnen Programm angemessen zu Wort kommen, wobei auf jeden Fall ein Mindestmaß inhaltlicher Ausgewogenheit zu wahren ist. Der Rundfunk kann dabei seine demokratische Funktion nur erfüllen, wenn er einen ausreichenden inhaltlichen Bezug zu seinem Verbreitungsgebiet aufweist und die für die dortige Meinungsbildung relevanten Themen aufgreift. Rundfunkprogramme müssen daher die räumlich-gebietsbezogene Vielfalt l3 repräsentieren. Dies schließt eine Übernahme ausländischer Produktionen (etwa amerikanischer Fernsehserien) oder Ausstrahlung gebietsneutraler Programm-
B BVerIDE 73, 118, 159; BVerIDE 83,238,316; vgl. auch BVerID NIW 1992,3285,3286. • Vgl. die von der hier gewählten Strukturierung etwas abweichende Einteilung beim Berliner Kabelrat, Zwischenbericht, S. 75, Hoffinann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 17 ff. und bei RickerlMüller-Malm ZUM 1987,208,212 f. sowie ausführlicher bei Ziethen, Rundfunkaufsicht Bd. 3, S. 59,68 f. u. 70 ff.; vgl. außerdem auch Stender-Vorwachs, Staatsfeme und Gruppenfeme, S. 118 f. ("ausgefüllt durch die Gesichtspunkte der Staatsfeme und der Gruppenfeme"). 10 Begriff nach Piette, Meinungsvielfalt, S. 10, der allerdings die Begriffe "Vielfalt" und "Meinungsvielfalt" synonym gebraucht, während hier "Vielfalt" als Oberbegriff und programminhaltliche Meinungsvielfalt als eine ihrer Ausprägungen verstanden wird. 11 BVerIDE 73, ll8, 171; BVerIDE 83,238,316; ansatzweise durch Betonung der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit auch schon BVerIDE 57,295, 321 u. 324. 12 Siehe im einzelnen unten ll. 5. e). 13 Grundlegend, auch zum Wandel vom meinungsbiIdenden gebietsbezogenen Rundfunk zum "Expansions-" und gebietsneutralen Rundfunk, Bullinger AfP 1985, 257, 260 ff.; im Anschluß daran BVerIDE 73, 118, 158; vgl. auch Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 18 f.; Ziethen, Rundfunkaufsicht Bd. 3, S. 59, 72.
I. Vielfalt als übergreifendes Ziel
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teile (etwa internationaler Musiksendungenoder Sportübertragungen) nicht aus, verbietet jedoch, daß sich ein für ein bestimmtes Verbreitungsgebiet zugelassenes (Voll)programm zugunsten überregionaler Konsumierbarkeit und damit verbundener höherer Werbeeinnahmen weitgehend von der einheimischen Lebenswirklichkeit löst. Meinungsrelevant im weiteren, kulturelle Strömungen einbeziehenden Sinnel4 sind dabei nicht nur politische Berichte, sondern gleichermaßen Hörund Fernsehspiele, musikalische Darbietungen oder Unterhaltungssendungen lS • Darin werden Meinungen, Lebensanschauungen und Tendenzen oft in subtilerer und damit einflußreicherer Form vermittelt als in meist wenig publikumswirksamen Problemsendungen ". Programmbezogene Meinungsvielfalt muß weiter durch ein gegenständlich umfassendes Programmangebot (Spaftenund Themenvieljalt)16 ergänzt werden. Nur durch Einbeziehung insbesondere kultureller und politischer Beiträge kann der Gefahr eines scheinbar meinungsneutralen Dudelrundfunks entgegengewirkt werden, durch den nicht Anregungen zur Bildung einer eigenen Meinung vermittelt, sondern mit letztlich herrschaftsstabilisierender Wirkung (politische) Gleichgültigkeitund Teilnahmslosigkeit gefördert werden l7 • Die Landesgesetze versuchen Spartenvielfalt insbesondere durch einen Vorrang für Vollprogramme mit entsprechenden Anforderungen an diese zu sichern18. 11
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i. Die kulturelle Dimension des Vielfaltsgebots wird hervorgehoben von BVerfUE 73, 118, 158 (lider klassische Auftrag des Rundfunks", der u.a. auch seine "kulturelle Verantwortung umfaßt"); zum kulturellen Auftrag des Rundfunks und den Realisierungschancen bei privaten Veranstaltern allgemein Grimm VVDStRL 42 (1984) 46, 68 ff. i5 BVerfUE 59,231,258 - Freie Rundfunkmitarbeiter; BVerfUE 73, 118, 152; allgemein zur Meinungsrelevanz aller Programmteile auch BVerfUE 12, 205, 260; BVerfUE 31, 314, 326; BVerfUE 35,220,222; BVerfUE 57,295,319. i6 BVerfUE 73, 118, 162 spricht von den "Dimensionen gegenständlicher und inhaltlicher Vielfalt"; BVerfUE 83,238,315 von einer "Vielfalt der Gegenstände" neben einer "Vielfalt der Meinungen"; BVerfU NJW 1992, 3285, 3286 schließlich von "gegenständlicher Breite aller Programmsparten" neben der "gleichgewichtige(n) Vielfalt der in der Gesellschaft anzutreffenden Meinungen". i1 Eine ausführliche empirische Studie zu "Politische(m) Desinteresse und Fernsehverhalten" (Jäckel MP 1991, 681 ff.) konnte einen Zusammenhang zwischen vermehrtem Unterhaltungsangebot und politischem Desinteresse allerdings nicht belegen, sondern kam zu dem Ergebnis, daß sich nur der bereits vorhandene Grad politischen Interesses auch in der Programmnutzung widerspiegelt (aaD. S. 695 f.). il Siehe dazu im einzelnen unten 11. 5. f.) sowie 7. b) (cc).
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§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung
Der Zielwert einer gleichgewichtigen (Meinungs)vielfalt kann kaum exakt definiert und gemessen 19 und erst recht nicht kontrolliert20, geschweige denn bei der Zulassung sicher prognostiziert werden21 • Um handhabbare Kriterien für Zulassungsentscheidungen zu erhalten, sucht daher der Gesetzgeber in Übereinstimmung mit dem Bundesverfassungsgericht programminhaltliche Vielfalt vermehrt mittelbar durch strukturelle und organisatorische Anforderungen an die privaten Veranstalter und Bewerber zu sichem22 (veranstalterbezogene Vielfalt). Hierbei fmden sich wiederum verschiedene Elemente. Die Forderung nach Staatsjreiheif3 des Rundfunks zieht einer Beteiligung staatlicher Institu-
19 BVerfGE 73, 118, 156 u. 159; besonders hervorgehoben von Schmitt-Glaeser DVBI 1987, 14, 17, der daraus allgemein "Grenzen der Leistungsfähigkeit des Gesetzgebers im Rundfunkrecht" ableitet. Die begrifflichen Konkretisierungsversuche in der Literatur haben kaum greifbare Ergebnisse gebracht: Piette, Meinungsvielfalt, S. 10, hält den Begriff immerhin für einer "Konkretisierung ... zugänglich", ohne aber eine Begriffsdefinition liefern zu können. Schuster, Meinungsvielfalt, liefert eine besonders ausführliche Analyse der entsprechenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (aaO. S. 89 ff.) sowie der Literatur (aaO. S. 103 ff.), konfrontiert diese mit allgemeinen staatstheoretischen Ansätzen (aaO. S. 124 ff.), kann letztlich aber auch kaum mehr erreichen, als die "Prozeßhaftigkeit" der Meinungsvielfalt zu betonen (aaO. S. 132 ff.). Ein "rundfunkrechtliches Theoriedefizit" hinsichtlich des Begriffs des Pluralismus konstatiert W. Schmidt, Rundfunkvielfalt, S. 99 f., stellt schließlich aber auch nur fest, daß er durch "ein den Gruppenpluralismus überschie6endes Element (gekennzeichnet)" sei (aaO. S. 100). 20 Vgl. Berliner Kabelrat, Zwischenbericht, S. 74, der feststellt, daß "konkrete Aufsichtsmaßnahmen wegen Verstoßes gegen das Vielfaltsgebot nicht bekannt geworden (sind)". 21 Vgl. die Zusammenfassung empirischer Befunde bei Ziethen, Rundfunkaufsicht Bd. 3, S. 59, 85 f. u. 108 f. 22 So stellt der Berliner Kabelrat, Zwischenbericht, S. 74 fest, daß in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts "strukturelle und organisatorische Anforderungen stärkeres Gewicht (gewinnen)", die das Bundesverfassungsgericht in allgemeiner Form schon früher immer verlangt hatte (BVerfGE 12, 205, 263; BVerfGE 57,295, 320; BVerfGE 73, 118, 153; BVerfGE 74, 297, 324); zur Bedeutung organisatorischer Sicherungen infolge mangelnder Handhabbarkeit programmlicher Vielfaltsanforderungen vgl. auch Piette, Meinungsvielfalt, S. 15 und Bethge, Rundfunkfreiheit, S. 92. In der Zulassungspraxis läßt sich diese Verlagerung deutlich nachweisen: vgl. etwa Hellstem, Rundfunkaufsicht Bd. I, S. 115, 189 mit der Wiedergabe von Äußerungen aus der Berliner Anstalt für Kabelkomrnunikation; so auch die Praxis unter dem früheren rheinland-pfälzischen Versuchsgesetz nach Reese, Rundfunkaufsicht Bd. I, S. 375, 388; verallgemeinernd Ziethen, Rundfunkaufsicht Bd. 3, S. 59, 86. 23 Grundlegend BVerfGE 12, 205, 262 mit dem Kernsatz, der Rundfunk dürfe "weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert werden"; im folgenden ähnlich auch BVerfGE 31,314,325; BVerfGE 57,295,319 f. u. 333 f.; BVerfGE 59,231,258; BVerfGE 60, 53, 65 -Rundfunkrat-Beschluß; BVerfGE 73, 118, 152 u. 182 ff.; BVerfGE 74, 297, 324; BVerfGE 83,238,296 u. insbes. 322 ff.; die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Staatsfreiheit des Rundfunks wird ausführlich dargestellt von Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 22 ff. Allerdings kann der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks nicht allein aus dem rundfunkrechtlichen Vielfaltsgebot hergeleitet werden, sondern besitzt auch darüber hinausgehende Bedeutung als Verbot jeglicher Einflußnahme auf das Programm, selbst wenn der Einfluß nicht
I. Vielfalt als übergreifendes Ziel
37
tionen und der sie tragenden politischen Parteien am privaten Rundfunk enge Grenzen, wenngleich es sie nach der zweifelhaften Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht vollkommen verbietet24 • Die Landesmediengesetze schließen dementsprechend staatliche und dem Staat nahestehende Stellen weitgehend von der Beteiligung am privaten Rundfunk aus2S • Der Grundsatz der Gruppenfeme26 gebietet es, vorherrschendem Einfluß einzelner gesellschaftlicher Gruppen auf das Programmangebot insgesamt durch intra-27 und intermediäre28 Konzentrationsbestimmungen sowie durch binnenplurale Auffanglösungen29 , organisatorisch abgesichert etwa durch Programmbeiräte 30 , bestmöglichst entgegenzuwirken. Über diese verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen hinaus räumen verschiedene Landesgesetze31 besonders plural zusammengesetzten Veranstaltergemeinschaften den Vorrang bei einer Auswahlentscheidung ein, erhoffen sich vielfaltserhöhende Wirkungen von Mitbestimmungsrechten der Redakteure oder Zugangsrechten bestimmter (kultureller) Gruppen. 2. Schwierigkeiten bei der Realisierung
Inwieweit den genannten Vielfaltssicherungen praktischer Erfolg beschieden ist, erscheint zweifelhaft.
vielfaltsgefährdend wäre, vgl. Gersdorf aaO. S. 79 ff. Im'vorliegenden Rahmen ist der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks jedoch nur im Zusammenhang mit dem Vielfaltsgebot von Bedeutung. 24 Vgl. BVerfGE 83,238,330 f. zu einer Beteiligung der Gemeinden am lokalen Rundfunk in NRW. 25 Siehe dazu im einzelnen unten 11. 5. b) (aa) u. (bb). 26 Diesen Begriff prägte, soweit ersichtlich, Stender-Vorwachs, Staatsfeme und Gruppenfeme, S. 39 f., zu den Anforderungen im einzelnen S. 216 ff.; zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vgl. bereits die Nachweise in den vorigen Fußnoten. 27 Vgl. BVerfGE 73, ll8, 173 zur Beschränkung der Programmzahl eines Veranstalters; aaO. S. 174 zum Anmeldeverfahren beim Bundeskartellamt; im einzelnen siehe unten 11. 5. b) (dd) (I). 28 BVerfGE 73, ll8, 174 u. 176; BVerfGE 83,238,324; im einzelnen siehe unten 11.5. b) (dd) (2). 29 Vgl. etwa BVerfGE 73, ll8, 162 f. zur verfassungsrechtlich gebotenen eindeutigen "Schnittstelle" zwischen Außen- und Binnenpluralismus; im einzelnen siehe unten 11. 5. e) (bb). 30 Vgl. BVerfGE 74,297,329 ff.; zu den Regelungen in den Landesmediengesetzen im einzelnen siehe unten 11. 5. e) (bb). 3\ Siehe zum folgenden im einzelnen unten 11. 7. b) (bb).
38
§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung
Zum einen gehen sie, wiewohl theoretisch durchaus einleuchtend, noch von der überholten Vorstellung einer Bindung der Zuschauer/Zuhörer an ein oder zwei Programme aus 32 • Früher ließen sich "unbequeme" Sendungen mangels Alternativen, insbesondere im Fernsehbereich, oft nur durch Konsumverzicht vermeiden. Nun steht dagegen der wachsenden Zahl von Rezipienten, die über einen Kabelanschluß oder eine Parabolantenne verfügen, die Auswahl zwischen einer Vielzahl von Programmen und damit nahezu jederzeit auch zwischen Sendungen beliebigen Genres offen, so daß jeder sein individuelles Programm beliebig einseitig zusammenstellen kann. Dies gilt umso mehr, als die Steuerungskraft nationaler und erst recht bundeslandspezifischer Rundfunkordnungen allgemein im dem Maße geringer wird, wie die Zahl der mit modemen Parabolantennen unmittelbar empfangbaren, gebietsneutralen Satellitenprogramme zunimmt33 • Diese Fragen, die an das Verhalten der Rezipienten anknüpfen, können in der vorliegenden Arbeit nicht weiter vertieft werden. Zum anderen erweisen sich die Vorschriften gegenüber den Bewerbern und Veranstaltern als wenig durchsetzungsfähig, zumal die einzelnen Landesmedienanstalten im Wettbewerb der Bundesländer als Wirtschafts- und Medienstandorte meinen, ihre Veranstalter nicht allzu streng beaufsichtigen zu können34 • Die Konzentration im Medienbereich schreitet trotz immer detallierterer Vorschriften anscheinend unaufhaltsam fort 3s • Plurale Veranstalterstrukturen stehen oftmals nur auf dem Papier und erweisen sich zudem als profil arm und auf politisch scheinbar unschädlichem "Dudelniveau " nivellierend36 •
Berliner Kabelrat, Zwischenbericht, S. 78 f. Vgl. Bullinger AfP 1985,257,257 f. u. ders., Hdb. d. StaatsR. Bd. VI, § 142 Rn. 102. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Problem zwar erkannt (BVerfGE 73, 118, 156 f.; als "einen ersten Schritt in die richtige Richtung" bezeichnet von Schmill-Glaeser DVBl 1987, 14, 17 f.), zieht daraus jedoch keine erkennbaren Konsequenzen. Zu den dadurch motivierten europäischen Regelungen siehe oben § I 11. I. 34 Dies deuten etwa Ring, FS Lerche, S. 707, 7lJ, und Stock RuF 1992,189,217 an; vgl. auch VGH München BayVBI 1993,340,344. 3S Vgl. etwa Kübler, in: Rechtsprobleme der privaten Rundfunkordnung, S.43, 47 ff.; A. Huber, Öffentliches Medienrecht, S. 56: "Konzentration von Meinungsmacht bei einigen wenigen Hintermännern" als Folge von "Kettenbildungen und Mehrfachbeteiligungen" , gestützt auf empirische Daten aus Baden-Württemberg und Bayern aaO. S. 42 ff. Eine Verschärfung der Konzentrationstendenzen im bundesweiten Rundfunk erwartet von Wal/enberg ZUM 1992, 387, dort S. 394 auch ein Überblick über die Beteiligungsverh ältnisse, der insbesondere den Einfluß des KirchImperiums auf alle bedeutenden bundesweiten Programme illustriert; vgl. allgemein auch HellsterniReese, Rundfunkaufsicht Bd. 3, S. 165, 194 ff. 36 Vgl. die bei Hellstern, Rundfunkaufsicht Bd. 3, S. lJ5, 187 f. wiedergegebenen Erfahrungen aus Berlin; verallgemeinert von Ziethen, Rundfunkaufsicht Bd. 3, S. 59, 69. 32 33
11. Der Ablauf des Zulassungsverfahrens
39
Begünstigt werden diese Fehlentwicklungen durch ein Dickicht von Nonnen, deren Anwendung auf unzureichender Tatsachengrundlage vor äußerst schwierige Wertungs- und Prognoseprobleme stellt. So wird schon im Konzept des Bundesverfassungsgerichts deutlich, daß inhaltliche Vielfaltsanforderungen an die Programme als solche von vornherein als kaum vollzugsfähig angesehen werden und statt dessen auf äußere Faktoren wie die Organisation der Veranstalter ausgewichen wird. Hier stellt sich der folgende Überblick über die landesgesetzlichen Ausgestaltungen von Zulassungsverfahren und -entscheidung die Aufgabe festzustellen, bei welchen Regelungen ihr Gegenstand, ihre Normstruktur oder (wirtschafts-)politische Interessen der Landesmedienanstalten Vollzugsprobleme und -defizite mit sich bringen. Diese Analyse soll im Rahmen dieser prozessual orientierten Untersuchung bei der Einschätzung helfen, wo eine umfassende gerichtliche Kontrolle der Zulassungsentscheidungen besonders notwendig erscheint, um die Beachtung von in der Zulassungspraxis vernachlässigten Nonnen durchzusetzen. Sie soll aber auch aufzeigen, wo die Gerichte aufgrund der Eigenart der Regelungen vor gleichen wenn nicht größeren Anwendungsschwierigkeiten stehen wie die Landesmedienanstalten. Erst eine Zusammenschau dieser beiden gegenläufigen Aspekte macht es möglich zu beurteilen, ob etwa durch (verschärfte) Gerichtskontrolle bei Konkurrentenklagen Mißstände wenigstens gelindert werden können. 11. Der Ablauf des Zulassungsverfahrens und die materiellen Entscheidungskriterien
Schon bevor die Bedeutung des Verfahren für den Grundrechtsschutz durch die Mühlheim-Kärlich-Entscheidung37 verstärkt Aufmerksamkeit fand, hatte das Bundesverfassungsgericht im FRAG-Urteil herausgestellt, daß die Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit neben materiellen Bestimmungen auch Organisations- und Verfahrensregelungen erfordert, um den geforderten Grundstandard gleichgewichtiger Vielfalt sicherzustellen38 • Von besonderer Bedeutung ist die Verfahrensgestaltung für die im dritten Teil zu behandelnde Frage, inwieweit Ennessens- oder Beurteilungsspielräume bei der Zulassungsentscheidung BVerfGE 53, 30, 60 ff. Grundlegend BVerfGE 57,295,320; im Anschluß daran BVerfGE 74,297,324 u. BVerfGE 83, 238, 296; die Bedeutung der Verfahrensregelungen zur Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt besonders hervorhebend BVerfGE 73, 118, 160. 37 30
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§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung
anerkannt werden können. Die Landesmediengesetze gliedern das Verfahren bis zur Zulassung privater Veranstalter in mehrere Stufen, auf denen jeweils bestimmte materielle und organisatorische Vorgaben und Anforderungen an die Bewerber zu prüfen sind. 1. Vorgeschaltete Frequenzplanung
Vor dem Zulassungsverfahren im engeren Sinne muß zunächst geklärt werden, welche Sendekapazitäten überhaupt und welche davon für den privaten Rundfunk zur Verfügung stehen. Bei Konkurrentenklagen spielt diese Vorstufe dann eine Rolle, wenn der Kläger vorträgt, technisch seien zusätzliche Frequenzen vorhanden oder der private Sektor hätte zu Lasten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mehr Frequenzen zugeteilt bekommen müssen, so daß er, der Kläger, als weiterer Bewerber hätte zugelassen werden müssen. Umgekehrt können technische Störungen des Empfangs des eigenen Programms oder rundfunkrechtlich unerwünschte Überschreitungen des Sendegebietes einen "Altunternehmer" zur Klage gegen die Zulassung eines neuen Konkurrenten veranlassen. Derartige Konkurrentengleichstellungs- bzw. -abwehrklagen sollen im vierten Teil dieser Arbeit näher betrachtet werden. Die technische Erschließung und Bereitstellung neuer Frequenzen im Rahmen internationaler Vereinbarungen obliegt dabei, teilweise gesetzlich ausdrücklich geregelt39 , der Bundespost, die somit einen erheblichen und nicht unproblematischen Einfluß auf das Ausmaß der Frequenzknappheit besitzt40 •
39 Vgl. § 5 Abs. I S. 3 Ba.-Wü.LMedienG; Art. 11 Nr. 6 u. 7 Bay.MG; § 26 Abs. 1 BerlinBrandenb.StaatsV.; § 2a Abs. I S. I Hess.PRG; §§ 4,5 RG Meckl.-Vorp.; § 4 Sächs.PRG; § 2 GPR Sachs.-A.; § 4 Abs. 3 Schl.-H.LRG; § 3 Thür.PRG; zu Hamburg vgl. Hoffmann-Riem, Hmb. Staats- u. VerwR, S. 470,481. Im übrigen ergibt sich die Zuständigkeit der Bundespost für die "technische Seite" des Rundfunks (insbesondere Festlegung von Standort und Sendestärke der Sender nach funktechnischen Gesichtspunkten, Zuteilung bestimmter Wellenbereiche an Rundfunksender und deren technische Abstimmung untereinander) aus Art. 87 Abs. I iVm Art. 73 Nr. 7 GG, grundlegend BVertUE 12,205, 226 ff., insbes. S. 229 f. iVm S. 227; ausfiihrlich dazu, auch zu der Einbindung in internationale Vereinbarungen, etwa den "Genfer Wellenplan", Scherer, Frequenzverwaltung, S. 11 ff., insbes. S.21 ff. u. S. 36 ff. und Eberle, Rundfunkübertragung, S. 2 ff., S. 15 ff. u. S. 118 ff.; siehe auch Papier DÖV 1990,217 f. 40 Nur die "Begründung zum Rundfunkgesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern" (abgedruckt in: Hans-Bredow-Institut, Das Rundfunkrecht der neuen Bundesländer, S. 188 ff., im folgenden zitiert "Begründung Mecklenburg-Vorpommern") geht ausführlich auf dieses Problem ein und betont, daß das Gesetz in §§ 4, 5 RG Meckl.-Vorp. den Einfluß der Bundespost durch die Verpflichtung zur ständiger Abstimmung mit der Landesmedienanstalt zu begrenzen sucht: "Wenn auch Fragen 'der Frequenzermittlung und -planung nicht direkt die Veranstaltung von
n. Der Ablauf des Zulassungsverfahrens
41
Noch konfliktträchtiger ist jedoch die Aufteilung der bereitgestellten Frequenzen: Obwohl (oder gerade weil) es sich bei der Frequenzverteilung zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk um eine politisch sensible Weichenstellung handelt, bei der die quantitativen Entfaltungsmöglichkeitender Konkurrenten im dualen Rundfunksystem festgelegt werden, enthielten die meisten Landesmediengesetze dafür lange Zeit keine Regelung. Die Entscheidung wurde dann regelmäßig durch informelle Abstimmung zwischen Bundespost, Staatskanzlei und Landesmedienanstalt getroffen und spiegelte sich nach außen nur in der Ausschreibung bestimmter Frequenzen für private Veranstalter widet l . Eine gesetzliche Regelung zur "Oberverteilung" der Sendekapazitäten fehlt weiterhin in Hamburg. § 6 des neuen NDR-Staatsvertrages42 enthält zwar Aussagen über die Nutzung der "Altfrequenzen " durch den NDR, trifft aber keine Regelung darüber, wem neu zur Verfügung stehende Frequenzen zuzuordnen sind, sondern verweist dafür auf das jeweilige Landesrecht. Wie nun auch das Bundesverfassungsgericht im NRW-Urteil betont hat43 , ist die "Oberverteilung" der Sendefrequenzenjedoch derart grundrechtswesent-
Rundfunk betreffen und somit nicht zwingend einer unabhängigen Einrichtung überantwortet werden müssen, so ist jedoch andererseits nicht zu verkennen, daß hiermit auch Vorentscheidungen verbunden sind, die die Rundfunkversorgung berühren. So kann sich z.B. das Bemühen um weitere Frequenzen nachhaltig auf die Entwicklung beider Rundfunksysteme und damit auf das Programmangebot auswirken ... Im Hinblick auf diese Verzahnung zwischen Rundfunk- und Fernrneiderecht kommt es dem verfassungsrechtlichen Gebot der Staatsferne besonders entgegen, wenn die LRZ" (Landesmedienanstalt) "generell für die dem Land obliegenden Aufgaben zur Erschließung von Übertragungskapazitäten verantwortlich ist. ... dabei ist von Belang, daß nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Fernmeldewesen gegenüber dem Rundfunk eine untergeordnete, dienende Funktion zukommt". Der Berliner Kabelrat, Zwischenbericht, S. 143, hat daher seine Kompetenz, die vorhandenenen Frequenzen ohne Bindung an die Auffassung der Bundespost festzustellen, als besonders wichtig bezeichnet. Eine langjährige Frequenzblockadepolitik der Bundespost beklagt Engel, Privater Rundfunk, S. 276, der aus Art. 10 EMRK einen Anspruch (potentieller) Rundfunkveranstalter auf technisch optimale Frequenznutzung ableitet (aaO. S. 275 ff.). 41 Hoffmann-Riem, Rundfunkaufsicht Bd. 3, S. 209, 212; eh. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 178; zum Stand von 1989 vgl. ferner Eberle, Rundfunkübertragung, S. 80 ff. 41 Vom 17/18.12.1991 (Hamb. GVBl. I 1992, S. 39; Meckl.-Vorp. GVOBl.l992, S. 77; Nieders.GVBI. 1992, S. 41; Schl.-H. GVBl. 1992, S. 120); zur ähnlichen Vorgängerregelung in den alten Staatsverträgen Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 283. 43 BVerIDE 83, 238, 324.
42
§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung
lich, daß der Parlamentsvorbehalt dafür eine gesetzliche Regelung forderf'4. Außerdem verstößt der starke Einfluß der Staatskanzlei, den sie bei einer informellen Entscheidungsfindung besitzt, gegen das Prinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks4s • Der Gesetzgeber muß demnach die Frequenzoberverteilung gesetzlich regeln, ist dabei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im NRW-Urteil aber auf eine allgemeine Festlegung der Aufteilungskriterien beschränkt. Der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks richtet sich nicht nur gegen die Exekutive, sondern auch gegen die Legislative, so daß weder die Landesregierung noch das Parlament über die Zuordnung einzelner Sendekapazitäten entscheiden dürfen46 • Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen werden die Bestimmungen der meisten Landesmediengesetze nicht gerecht. Die Landesregierungen versuchen vielfach weiterhin, sich oder der sie tragenden Parlamentsmehrheit Einfluß auf die (einzelnen) Aufteilungsentscheidungen zu sichern: Bayern, Hessen und die neuen Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sehen in ihren nach dem NRW-Urteil erlassenen oder novellierten Landesmediengesetzen eine Frequenzoberverteilung durch die Landesregierung, teilweise im Benehmen bzw. mit Zustimmung eines Landtagsauschusses, vor47 • Selbst Nordrhein-Westfalen, dessen § 3 LRG wegen Verstoßes gegen die Staatsfreiheit des Rundfunks im NRW-Urteil für verfassungswidrig erklärt wurde, hat bei der Novellierung die Zuständigkeit der Landesregierung mit Zustimmung des Hauptausschusses des Landtages grundSätzlich beibehalten
44 Eberle, Rundfunkübertragung, S. 85 fT.; eh. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 178; HoJfmann-Riem, Hmb. Staats- u. VerwR, S. 470, 482 mit besonderer Betonung der technischen Fragen. 45 Eberle, Rundfunkübertragung, S. 106 f.; Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 290. 46 BVerIDE 83,238, 322 fT.; zustimmend hervorgehoben von Klute RuF 1992,367 f.; ähnlich Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 267 ff., insbes. S. 270; bestätigt durch BVerID AfP 1993, 472, 473, wobei allerdings im vorläufigen Rechtsschutz offengelassen wurde, ob die übergangsweise direkt durch die Anlage zu § 3 Abs. 4 LRG NW n.F. vorgenommene Frequenzoberverteilung verfassungskonform ist. 47 Ohne Beteiligung des Landtages gemäß Art. 37 Abs. 2 Bay.MG (wobei dort allerdings eine Aufteilung nicht zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk, sondern zwischen verschiedenen öffentlich-rechtlichen Veranstaltern, zu denen auch die Landeszentrale fiir neue Medien gehört, vorgenommen wird), § 2a Hess.PRG und § 4 Sächs.PRG; im Benehmen mit dem Landtagsausschuß fiir Wissenschaft und Kultur nach § 3 Thür.PRG; mit Zustimmung des Landtagsausschusses für Kultur und Medien gemäß § 2 GPR Sachs.-A.; zu der Frequenzoberverteilung in den neuen Bundesländern siehe näher Schuler-Harms, in: Das Rundfunkrecht der neuen Bundesländer, S. 59, 61 f. und Kresse, Die Rundfunkordnung in den neuen Bundesländern, Rn. 137 ff., 240 ff., 246 ff., 253 f., 265 ff. u. 341 ff.
ß. Der Ablauf des Zulassungsverfahrens
43
(§ 3 Abs. 1 LRG NW n.F.). Allerdings enthalten alle diese Gesetze für die Frequenzoberverteilung mehr oder minder präzise inhaltliche Vorgaben. Außerdem ist eine Einigung der beteiligten öffentlich-rechtlichen Rundfunkund Landesmedienanstalten vorrangig. Damit ist zwar eine Entscheidung der Landesregierung inhaltlich stärker gebunden oder sogar nur als ultima ratio vorgesehen, doch vermag dies die Bestimmungen kaum vor dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit zu bewahren48 •
Schleswig-Holstein überläßt die Entscheidung einem einfachen Landtagsbeschluß, der auf Vorschlag der Landesregierung ergeht und von dieser auch nach außen verbindlich vollzogen wird49 • Da die konkrete Verteilungsentscheidung weder der Legislative noch der Exekutive überlassen werden darf, ist diese Zuständigkeitsmischung ebenso verfassungswidrig wie die FrequenzZuordnung durch ein Gesetz des Landtages, wie es übergangsweise in Nordrhein-Westfalen (Art. 5 Abs. 1 des 5. Rundfunkänderungsgesetzes v. 22.9.1992) vorgesehen ist. Die meisten übrigen Landesmediengesetze überlassen die Zuordnung der Übertragungskapazitäten in verfassungsrechtlich unangreifbarer WeiseS den idealtypisch staatsfrei konzipierten Landesmedienanstalten, wobei die Entscheidung in Form einer SatzungS!, einer RechtsverordnungS2 oder eines Beschlussess3 , der als dinglicher Verwaltungsakt gemäß § 35 S. 2 LVwVfG eingeordnet werden kanns4 , erfolgt. Im Saarland ist anscheinend gar keine eigenständige Frequenzoberverteilung vorgesehen, sondern der saarländische Rundfunk wird für zusätzliche Frequenzwünsche wie ein privater Bewerber
•• Verfassungsrechtliche Bedenken auch bei Klute RuF 1992, 365, 376, wenn er auch das vorgeschaltete Einigungsverfahren als wegweisend ansieht Anders sehen dies naturgemäß die dortigen Gesetzesbegründungen, die auf die präziseren gesetzlichen Vorgaben und das vorrangige Einigungsverfahren verweisen, siehe die "Begründung zum Gesetz über den privaten Rundfunk und neue Medien in Sachsen" (abgedruckt in: Hans-Bredow-Institut, Das Rundfunkrecht in den neuen Bundesländern, S. 208, 210, im folgenden zitiert "Begründung Sachsen"), und die "Begründung zum Thüringer Privatfunkgesetz" (abgedruckt aaO. S. 246, 252, im folgenden zitiert "Begründung Thüringen") . •• § 4 Schl.-H.LRG, dazu Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 280 ff. so Eine Zuständigkeit der Landesmedienanstalten halten für verfassungsrechtlich geboten Eberle, Rundfunkübertragung, S. 100 f.; Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 259 ff. u. 272 f. SI Gemäß §§ 5-7 RG MeckI.Vorp., als Übergangsregelung allerdings direkt durch das Gesetz §§ 50, 51 RG Meckl.-Vorp. S2 §§ 5-8 Ba.-Wü.LMedienG, ausfiihrlicher zur Regelung vor der Gesetzesnovelle Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 285 f. u. Bullinger/Gödel, Erläuterungen zu §§ 5 ff. LMedienG. S3 §§ 5-7 u. 26 Abs. I u. 4 Berlin-Brandenb.StaatsV, dazu Klute RuF 1992, 365, 369 f. S4 Dazu näher unten § 4 III. 2. a) (bb).
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§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung
behandelt und in die Auswahlentscheidung zwischen privaten Bewerbern einbezogen, indem die für den privaten Rundfunk maßgebliche Bestimmung systemwidrig für anwendbar erklärt isfs . Rheinland-Pfalz, Bremen und Niedersachsen streben nach Gesetzesänderungen nun eine Einigung zwischen öffentlich-rechtlichem Rundfunk und Landesmedienanstalt an; wenn diese fehlschlägt, muß eine paritätisch besetzte Schiedsstelle entscheiden, nach deren Vorschlag dann die Landesregierung die Frequenzoberverteilung vornehmen muß S6 • Um den Preis zusätzlicher Komplikationen trägt der Gesetzgeber so den Einwänden Rechnung, die die Landesmedienanstalten bei der Frequenzoberverteilung als zu einseitig auf Seiten des privaten Rundfunks sehenS7 • Die Gesetze enthalten des weiteren, dem Vorbehalt des Gesetzes entsprechend, mehr oder minder detaillierte Vorgaben für die Aufteilung, wobei vielfach bereits durch das Gesetz selbst beiden Seiten des dualen Systems eine gewisse Frequenz-Grundausstattung zugewiesen ist. Regelmäßig wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Umfang der Sicherung seiner Grundversorgung privilegiert, für die Verteilung weiterer Frequenzen werden dagegen öffentlich-rechtlicher und privater Rundfunk gleichbehandelt. Nur in Mecklenburg-Vorpommmern werden nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 RG Meckl.Vorp. den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in verfassungsrechtlich
SS § 77 Abs. 2 S. 2 iVm § 53 Saarl.LRG n.F. So schon für § 41 LRG Saarl.LRG a.F. Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 286, doch fehlte in § 64 Saarl.LRG a.F. eine § 77 Abs. 2 S. 2 Saarl.LRG n.F. entsprechende Verweisung; deshalb ging die "Begründung zu dem Gesetzentwurf der saarländischen Landesregierung für das Rundfunkgesetz für das Saarland" (im folgenden zitiert "Begründung Saarland") zu § 64 a.F. (abgedruckt bei Bauer/Detjen/Müller-Römer/Posewang, Die neuen Medien, 17.10.3 S. 32) von einer Frequenzoberverteilung durch die Landesregierung aus, sofern sich der saarländische Rundfunk mit der Landesanstait für das Rundfunkwesen nicht einigen konnte. so § 38 Rh.-Pf.LRG n.F.; §§ 4, 5 BremLMG n.F., wobei dort freilich der Senatskanzlei eine eingeschränkte Rechtsaufsicht vorbehalten bleibt (näher § 5 Abs. 7 BremLMG); § 3 Nieders.LRG n.F. S7 Eine Bevorzugung des privaten Rundfunks durch die Landesmedienanstaiten befürchten eh. Wagner, Die Landesmedienanstaiten, S. 179, Fn. 95, sowie A. Hesse JZ 1991,357,360; Stock MP 1991, 133, 139 und Klute RuF 1992, 365, 372 ff.; dagegen wenig überzeugend Gersdorf aaO. S. 260, der eine unübersichtliche Vermischung von Frequenzoberverteilung und einzelner Zulassungsentscheidung wie im Saarland propagiert. Ein Einigungsmodell wie in Rheinland-Pfalz favorisiert daher Klute aaO. S. 375 ff.; zur rheinland-pfälzischen Regelung im Entwurfsstadium siehe auch Kresse, Die Rundfunkordnung in den neuen Bundesländern, Rn. 378 f.
11. Der Ablauf des Zulassungsverfahrens
45
bedenklicher Weise nicht einmal für die Grundversorgung vorab Frequenzen zugeteilt58 • Intern ist das pluralistisch zusammengesetzte Hauptorgan der Anstalten zuständig59 , mit Ausnahme Baden-Württembergs, wo die Entscheidung des Vorstandes nicht der Zustimmung des Medienrates bedarf (§ 65 Abs. 1 Ba.Wü.LMedienG). 2. Das Zulassungsverfahren im engeren Sinne: Zulassungserfordernis und Zuständigkeit
Nachdem feststeht, welche Sendemöglichkeiten für den privaten Rundfunk zur Verfügung stehen, müssen diese an private Bewerber vergeben werden.
a) Erfordernis einer Zulassung Um eine vorherige Überprüfung der Bewerber auf ihre Zuverlässigkeit hinsichtlich der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu ermöglichen und eine gleichgewichtige Vielfalt des Gesamtprogrammes sicherzustellen, aber auch um bei Kapazitätsmangel eine geordnete Auswahl unter den Bewerbern oder anteilige Verteilung der Sendemöglichkeiten zu gewährleisten, bedarf es eines Erlaubnisvorbehalts und eines rechtsstaatlichen Zulassungsverfahrens 60 • Dementsprechend fordern der Rundfunkstaatsvertrag und alle Landesmediengesetze für die Veranstaltung privaten Rundfunks eine vorherige Genehmigung,
58 Für eine korrigierende, verfassungskonfonne Auslegung daher Bullinger AfP 1991, 465, 470; Schuler-Harms, in: Das Rundfunkrecht der neuen Bundesländer, S. 59,62; Klute RuF 1992,
365,369. 59 § 13 Abs. I Berlin-Brandenb.StaatsV: Medienrat nach dem Ratsmodell; § 40 Abs. I Nr. I RG Meckl.Vorp. (Versammlung). Nicht ganz klar ist die Rechtslage dagegen in Bayern, wo die Einigungsverhandlungen der Landeszentrale mit dem Bayerischen Rundfunk (Art. 37 Abs. I Bay.MG) nicht im Zuständigkeitskatalog des Medienrats (Art. 12 Abs. 2 Bay.MG) aufgeführt sind, dessen Zuständigkeit mangels Zuweisung an den Präsidenten aber auf die GeneralklauseI des Art. 12 Abs. I Bay.MG gestützt werden könnte. 60 Grundlegend BVerIDE 57,295,326 f. - FRAG-Urteil; vgl. auch BVerIDE 73, 118, 198. Die genannten drei Aufgaben des Zulassungsverfahrens werden von eh. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 177 f., prägnant als präventive Kontrollfunktion (insoweit wiederum nach Picozzi, Aufsicht und Staatseinfluß, S. 143), Steuerungs- oder Koordinierungsfunktion (insoweit im Anschluß an Starck, v.MangoldtIKleinlStarck, Art. 5 Abs. 1,2, Rn. 90 sowie Klein, Rundfunkfreiheit, S. 80) sowie Verteilungsfunktion bezeichnet; ausschließlich auf die präventive Kontrollfunktion abstellend A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 172.
46
§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung
die ohne sachlichen Unterschied meist als "Zulassung"61 oder "(Sende)erlaubniS"62, im Saarland etwas mißverständlich63 als "Konzession" (§ 48 Saar!.LRG) bezeichnet wird.
In Bayern erfüllt die Genehmigung der Vereinbarung zwischen Medienbetriebsgesellschaft und Anbietern gemäß Art. 28 MG, gegebenenfalls auch die Anordnung der Aufnahme eines Anbieterbeitrags in das Programm der Medienbetriebsgesellschaft gemäß Art. 29 MG, die gleichen FunktionerP\ obgleich de jure die Landeszentrale dort selber Rundfunkveranstalter ist und nicht nur private Rundfunkveranstaltungen genehmigt. Die faktische Nähe des bayerischen Modells zum privaten Rundfunk, die die Einbeziehung in die vorliegende Untersuchung rechtfertigt, wird etwa auch in § 38 S. 2 RuStaV deutlich, wonach die Regelungen des Staatsvertrages für private Veranstalter auf Anbieter in Bayern entsprechende Anwendung fmden65 •
6. § 19 Abs. I RuStaV mit Verweis auf das Landesrecht, dort § 19 Abs. 1 Ba.-Wü.LMedienG; § 7 Abs. 1 BremLMG; § 3 S. 1 HmbMedienG; § 3 Hess.PRG; § 4 Abs. 1 LRG NW; § 5 Abs. 1 S. 1 Sächs.LRG; § 6 Abs. I S. I Schl.-H.LRG; § 4 Abs. 1 Thür.PRG. 62 § 28 Abs. I S. 1 Berlin-Brandenb.StaatsV; § 8 Abs. 1 S. 1 RG MeckI.Vorp.; § 5 Nieders.LRG; § 5 Abs. I S. 1 Rh.-Pf.LRG; § 3 GPR Sachs.-A. 63 Im Kontext ist auch im Saarland ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gemeint (Wie/and, Die Konzessionsabgabe, S. 386 ff., dort auch zur "Konzessionsabgabe" nach § 58 - fiüher § 45 SaarI.LRG), wenngleich der Begriff der "Konzession" ursprünglich etwas anderes bedeutete: vgl. etwa 0. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, S. 243 f., wonach die Konzession dem Untertan ein Stück staatlicher Macht verleiht, etwa den Betrieb eines öffentlichen Unternehmens, ein Nutzungsrecht an einer öffentlichen Sache, ein Enteignungsrecht oder ein öffentliches Amt. Im Gegensatz zur Konzession, deren Verleihung ein subjektives Recht erst begründen sollte, betraf dagegen die (Gewerbe)erlaubnis eine nur präventiv verbotene Tätigkeit, die schon aufgrund natürlicher Freiheit ausgeübt werden durfte. V gl. im übrigen den ausführlichen Überblick über die historische Entwicklung der Bedeutung des Begriffs "Konzession" von Wie/and, aaO., S. 90 ff. 601 Der Vorteil des Vereinbarungsmodells soll nach der "Begründung Bayern" (§ 1, Fn. 13) zu Art. 25 MEG a.F. (abgedruckt bei Bauer/DetjenJMu'ller-Römer/Posewang, Die neuen Medien, 17.2.3., S. 20 f.) darin bestehen, "daß es ein bewegliches Eingehen auf die Wünsche (gerade kleiner) Anbieter, wirtschaftliche Notwendigkeiten oder veränderte tatsächliche Umstände ermöglicht." Zur Bedeutung der Kabelgesellschaften (heute: Medienbetriebsgesellschaften, vgl. Art. 43 Abs. 4 Bay.MG), deren Aufgabe es ist, aus den einzelnen Anbieterbeiträgen ein Gesamtprogramm zusammenzustellen und technisch umzusetzen, siehe näher die "Begründung Bayern" (§ 1, Fn. 13), aaO., A. 3, S. 2 f. und A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 201 ff. 6S Dazu (zum alten Bay.MEG) mit drastischer Bewertung ("Das Ganze hat trickhafte Züge und dient einer möglichst unauffälligen, listigen Umgehung der Landesverfassung") Stock RuF 1992, 189,218 f.
11. Der Ablauf des Zulassungsverfahrens
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b) Zuständigkeit für die Zulassungsentscheidung und innere Organisation der Landesmedienanstalten Die Prüfung der allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen, gegebenenfalls die Anwendung der Auswahl- oder Sendezeitenverteilungskriterien und letzlich die Zulassungsentscheidung obliegen nun in allen Bundesländern der jeweiligen Landesmedienanstalt66 • Auch Niedersachsen ist mit seiner Gesetzesnovelle nun von seinem früheren Sonderweg abgerückt. Gemäß § 3 Abs. 1 Nieders.LRG a.F. wurde die Zulassung zuvor von der obersten Landesbehörde, dem Ministerpräsidenten, erteilt. Obwohl die Prüfungs- und Entscheidungskompetenzen der Erlaubnisbehörde in Reaktion auf das Niedersachsen-Urteil bereits zugunsten der Landesmedienanstalt eingeschränkt worden waren, blieb zweifelhaft, ob die dem Ministerpräsidenten zunächst noch verbliebenen Kompetenzen mit dem Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks vereinbar waren67 • Diesen Zweifeln trägt nun die Änderung Rechnung. Innerhalb der Landesmedienanstalt ist ausnahmslos das jeweilige Hauptorgan zuständig 68 , dessen Entscheidungen aber regelmäßig von der Anstaltsver-
66 Gegen die umfassende Zuständigkeit pluralistischer Gremien nicht überzeugend Engel, Privater Rundfunk, S. 189 ff. wegen der damit angeblich verbundenen, mit Art. 6 Abs. 1 S. 1 und Art 10 EMRK unvereinbaren Verkürzung des Rechtsschutzes der Bewerber. Nach zutreffender Auffassung (siehe unten § 3) sind die Landesmedienanstalten aber gerade nicht so weitgehend von gerichtlicher Kontrolle freigestellt, wie Engel dies voraussetzt. 67 In der ursprünglichen Gesetzesfassung besaß die staatliche Erlaubnisbehörde dabei auch weitreichende Befugnisse zu prograrnminhaltlichen Bewertungen. Nach dem Niedersachsen-Urteil (BVerfUE 73, 118, 182 ff.) darf eine staatliche Behörde zwar die Erlaubnis erteilen, jedoch keine "Handlungs- und Wertungsspielräume" besitzen, "die es ermöglichen, daß sachftemde, insbesondere die Meinungsvielfalt beeinträchtigende Erwägungen Einfluß auf die Entscheidung über den Zugang privater Interessenten zum Rundfunk gewinnen können" (aaO. S. 183) - zur Bedeutung dieser Passage für die Zulässigkeit von Ermessensspielr äumen bei der Zulassungsentscheidung allgemein siehe unten § 3 111. 2. -. Daraufhin wurde die Erlaubnisbehörde auf die Prüfung weitgehend formeller Zulassungsvoraussetzungen beschränkt, während die übrigen prograrnminhaltlichen und sonstwie wertungsbedürftigen Zulassungsvoraussetzungen sowie die Auswahlkriterien gemäß §§ 3 Abs. 1, Abs. 3 u. 4, 32 Abs. I Nr. 1 Nieders.LRG a.F. von der Landesmedienanstalt zu beurteilen waren. Problematisch blieb aber insbesondere § 3 Abs. 3 S. 1 Nieders.LRG a.F. Danach hatte die Erlaubnisbehörde zu prüfen, ob der Bewerber das Verbot mehrfacher Prograrnmträgerschaft gemäß § 5 Abs. 2 LRG einhält, und gemäß § 3 Abs. 3 S. 2 LRG der Landesmedienanstalt dazu einen Entscheidungsvorschlag zu machen. 68 Art. 12 Abs. 1 u. Abs. 2 Nr. 8 Bay.MG; § 38 Abs. 4 S. 2 BremLMG; § 41 Abs. 1 Nr. 1 Hess.PRG; § 58 Abs. 2 Nr. 4 u. 7 Nieders.LRG; § 40 Abs. 1 Nr. 2 u. 3 RG Meckl.-Vorp; §§ 4 Abs. 1,57 Abs. 1 iVm § 60 LRG NW; § 47 Nr. 9 Rh.-Pf.LRG; § 67 Abs. 1 Nr. 1 SaarI.LRG;
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§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung
waltung vorbereitet und ausgeführt werden. Für die im dritten Teil zu behandelnde Frage nach Ermessensspielräumen bei der Zulassungsentscheidung sind die Zusammensetzung des Hauptorgans sowie gesetzliche Sicherungen einer unabhängigen, sachgerechten Entscheidung von zentraler Bedeutung. Dabei sind zwei Regelungsmodelle und ein Mischmodell zu unterscheiden. (aa) Versammlungsmodell69 In den meisten Ländern ist das Hauptorgan, den Rundfunkräten der öffentlich-rechtlichen Anstalten nachgebildet, gruppenplural zusammengesetzt. In Baden-Württemberg gilt dies zwar nicht für den Vorstand als Hauptorgan, wohl aber für den bei der Zulassungsentscheidung gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 4 Ba.-Wü.LMedienG zustimmungspflichtigen Medienrat, der deshalb in die folgenden Ausführungen einbezogen ist. Der Gesetzgeber bestimmt jeweils einen Katalog von ihm als gesellschaftlich relevant angesehener Gruppen, die einzeln oder auch mehrere zusammen jeweils einen oder mehrere Vertreter in das Gremium entsenden dürfen. Insgesamt soll die Versammlung das gesamte Spektrum der pluralistischen Gesellschaft widerspiegeln, wobei allerdings der Ausschluß nicht oder nur schwach organisierter Interessen in Kauf genommen wird. Welche und wie viele gesellschaftliche Gruppen der Gesetzgeber berücksichtigt, liegt mangels objektivierbarer Kriterien im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit und bietet oftmals Anlaß zu politischen Kontroversen7o • Dementsprechend variiert auch die Größe des Gremiums von Land zu Land zwischen 11 und etwa 45 Mitgliedern7!.
§§ 28 Abs. I Nr. 2, 31 Nr. 2 Sächs.PRG; § 32 Abs. I Nr. I GPR Sachs.-A.; §§ 41 Abs. I Nr. I, 43 Nr. 1 Schl.-H.LRG; § 47 Abs. I Nr. 1 Thür.PRG, wobei in diesen Ländern das Hauptorgan nach dem Versammlungsmodell zusammengesetzt ist (dazu sogleich unten (aa»; gemäß § 13 Abs. I Berlin-Brandenb.StaatsV, dort nach dem Ratsmodell gebildet (siehe unten (bb»; in Ba.WÜ. der nach dem Ratsmodell gebildete Vorstand als Hauptorgan, bei der Zulassungsentscheidung allerdings mit Zustimmung des nach dem Versammlungsmodell gebildeten Medienrates gemäß §§ 79 Abs. I, 73 Abs. I Nr. 2 u. 4 LMedienG [siehe unten (ee)]; in Hamburg der nach einem Mischmodell zusammengesetzte [siehe unten (cc)] Vorstand gemäß § 53 Abs. 2 Nr. la) HmbMedienG. 69 Begriffsprägend fiir die Unterscheidung von "Versammlungsmodell" und "Ratsmodell" A. Hesse DÖV 1986, 177, 185 f. 70 Vgl. BVertGE 83,238, 336 f. - NRW-Urteil. AusfiihrIich unten § 3 11. 2. d), insbesondere zur parteipolitischen Vorstrukturierung durch den Gesetzgeber und der entsprechenden (informellen) Bindung der Mitglieder, etwa in entsprechenden Freundeskreisen. 71 Im einzelnen: § 39 RG Meckl.-Vorp., normalerweise 11, mindestens 5 Mitglieder; § 36 BremLMG, 19 bis etwa 24; § 45 Thür.PRG, 22 bis etwa 25; § 39 Hess.PRG, 22 bis etwa 27;
11. Der Ablauf des Zulassungsverfahrens
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Im Hinblick auf die Staatsfreiheit des Rundfunks und etwaige Ermessensspielräume bei Zulassungsentscheidungen ist die Quote der offiziellen Staatsund Parteivertreter72 in den Versammlungen von besonderem Interesse. Sie reicht von einem von elf Mitgliedern bis zu zwölf von 32 Mitgliedern73 • Selbst der zuletzt genannte Anteil entspricht wohl noch gerade74 den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts, das einen" angemessenen Anteil" von Staats- und (Mehrheits)parteivertretern in den Gremien zuläßt, wenn eine staatliche Beherrschung des Gremiums numerisch ausgeschlossen bleibCs. Den Hauptanteil innerhalb der "Staatsquote" bilden die Partei- und Fraktions-
§ 30 GPR Sachs.-A., 23 bis etwa 26; § 29 Sächs.PRG, 28 bis etwa 30; § 67 Abs. 2 SaarI.LRG, 29; Art. 13 Bay.MG, 20 bis etwa 32; § 72 Ba.-Wü.LMedienG, 38; § 55 Abs. I Nieders.LRG n.F., mindestens 41; § 45 Rh.-Pf.LRG, 42; § 42 Schl.-H.LRG, 41 bis etwa 45; § 55 Abs. 1 S. 1 LRG NW n.F., 45. Die Spielräume erklären sich insbesondere dadurch, daß die Zahl der Landtagsvertreter oftmals von der Zahl der im Landtag vertretenen Fraktionen und deren Stärke abhängig ist. Die zuerst genannten Zahlen können im übrigen nach den meisten Gesetzen auch unterschritten werden, wenn Gruppen ihr Entsendungsrecht nicht wahrnehmen. 72 Einbezogen sind dabei Regierungsvertreter, Partei- und Fraktionsvertreter, Vertreter der kommunalen Ebene (Städte und Gemeinden, Landkreise, kommunale Spitzenverbände) sowie des bayerischen Senats; zur Aufgliederung der Staats- und Parteivertreter in Vertreter dieser einzelnen Gruppen siehe sogleich näher unten. 73 Im einzelnen: § 39 RG Meckl.-Vorp., l/ll; § 42 Schl.-H.LRG, etwa 4/43; § 55 Nieders.LRG n.F., etwa 5/41; § 67 Abs. 2 SaarI.LRG, etwa 5129; § 72 Ba.-Wü.LMedienG, etwa 10/38; § 29 Sächs.PRG, etwa 8128; § 45 Thür.PRG, etwa 4123; § 39 Hess.PRG, etwa 5122; § 30 GPR Sachs.-A., etwa 7125; § 36 BremLMG, etwa 6122; § 45 Rh.-Pf.LRG, 1l/42; § 55 LRG NW n.F., etwa 1l/45; Art. 13 Bay.MG, etwa 12/32. Schwankungsbreiten ergeben sich wiederum durch die Abhängigkeit der Zahl der Parteivertreter in den Gremien von der Zahl der im Landtag vertretenen Fraktionen und deren Stärke. 74 Pauschal in allen Ländern (unter Ausklammerung Bayerns) für verfassungsrechtlich unbedenklich hält den Anteil von Regierungsvertretern und Parlamentariern eh. Wagner, Die LandesmedienanstaIten, S. 117. Dagegen meldet A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 116 mit Fn. 208, Bedenken gegen die Zusammensetzung des ZDF-Fernsehrates (26 von 66 Mitglieder sind dort Staatsoder Parteivertreter) an, die konsequenterweise auch für die Zusammensetzung der bayerischen Versammlung gemäß Art. 13 MG (12 von 32) gelten müßten. Diese Zusammensetzung mit Verweis auf Einhaltung des Art. lila Abs. 2 S. 3 BayVerf. rechtfertigend dagegen die "Begründung Bayern" (§ I, Fn. 13) zu Art. 12 MEG a.F., abgedruckt bei Bauer/DetjenlMüller-Römer/Posewang, Die neuen Medien, 17.2.3., S. 14. Das BVerfG hat bisher nur zum niedersächsischen und nordrhein-westfälischen Anteil Stellung genommen und diesen jeweils gebilligt (BVerfGE 73, 118, 165; BVerfGE 83,238,336, wobei es von den Parteivertretern jedoch nur die Vertreter der Mehrheitsparteien berücksichtigt hat). 7' Grundlegend BVerfGE 12,205,263 - Fernsehurteil; BVerfGE 73, 118, 165 - NiedersachsenUrteil; BVerfGE 83,238,330 f. - NRW-Urteil; zusammenfassend zum gleichen Problemkreis bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 114 ff. Informelle parteipolitische Abhängigkeiten der übrigen Gremienmitglieder werden bei dieser rein numerischen Gewichtung vom Verfassungsgericht ausgeblendet, dazu näher unten § 3 11. d) (aa). 4 Fehling
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vertreter aus den Landtagen, die nun in allen Versammlungen76 mit Ausnahme derjenigen Mecklenburg-Vorpommerns77 vertreten sind. Die Berücksichtigung def politischen Parteien läßt sich verfassungsrechtlich scheinbar noch am ehesten rechtfertigen, da sie idealtypisch keine staatlichen, sondern gesellschaftliche Institutionen sind, eine Differenzierung, die in der Parteiendemokratie jedoch kaum noch tragfähig erscheint1s. In vielen Bundesländern rekrutieren sich weitere Staatsvertreter auf kommunaler Ebene, insbesondere von Landkreis-, Städte- und Gemeindetagen79 • Etwa die Hälfte der Bundesländer sieht außerdem noch einenBO , Bremen wegen Bremerhaven sogar zwei Regierungsvertreter (§ 36 Abs. 1 Nr. 1 g) u. h) BremLMG) in der Versamlung vor. Schließlich werden in Bayern noch drei Vertreter des Senats in die Versammlung entsandt (Art. 13 Nr. 3 Bay.MG). Um die Unabhängigkeit der Gremienmitglieder zu gewährleisten, sind sie an Aufträge und Weisungen nicht gebundensI. Dem widerspricht es allerdings,
76 Die Spanne reicht von insgesamt drei Abgeordneten des Landtages aus verschiedenen Fraktionen (Thüringen) bis zu einem Vertreter jeder Fraktion zuzüglich vier weiterer Parlamentarier (Baden-Württemberg), vgl. im einzelnen: § 72 Abs. 2 Ba.-Wü.LMedienG; Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Bay.MG; § 36 Abs. 1 Nr. 2 BremLMG; § 39 Abs. 1 Nr. 22 Hess.PRG; § 55 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 Nieders.LRG; § 55 Abs. 2 LRG NW n.F.; § 45 Abs. 1 Nr. 1 Rh.-Pf.LRG; § 67 Abs. 2 Nr. 2 SaarI.LRG; § 29 Abs. 1 Nr. 2 u. 3 Sächs.PRG; § 30 Abs. 1 Nr. 2 u. 3 GPR Sachs.-A.; § 42 Abs. 5 Schl.-H.LRG; § 45 Abs. 1 S. 2 Thür.PRG. 77 § 39 RG Meckl.-Vorp., dort allerdings weniger mit parteipolitischer Enthaltsamkeit, als mit der geringen Mitgliederzahl der Versammlung (insgesamt elf) zu erklären. Baden-Württemberg sah in der fiiiheren Gesetzesfassung (§ 65 LMedienG a.F.) ebenfalls keine Partei- oder Fraktionsvertreter vor, was jedoch in der Gesetzesnovellierung durch § 72 Abs. 2 LMedienG n.F. geändert worden ist, von der Landesregierung wenig überzeugend damit begründet, es bestünde "ein Bedürfnis, weitere Vertreter gesellschaftlich relevanter Kräfte in begrenzter Anzahl als Mitglieder an seinen, insbesondere die Meinungsvielfalt berührenden Entscheidungen zu beteiligen" (LT.Drucks. 10/5420 zu Nr. 45 - § 65 des Entwurfs, S. 69). 78 Zwiespältig etwa Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 186; zum fehlenden Anspruch politischer Parteien auf Entsendung von Vertretern in den Rundfunkrat öffentlich-rechtlicher Anstalten vgl. BVerfGE 60, 53, 66 f.; für einen Anspruch auf Repräsentanz der Parteien, der mit den schwächeren Einflußmöglichkeiten externer Kontrolle in den Landesmedienanstalten gegenüber der internen Kontrolle in den Rundfunkräten gerechtfertigt wird, Stender-Vorwachs, Staatsfeme und Gruppenfeme, S. 156 ff. 79 Es werden zwischen ein und drei (Bayern) Mitglieder entsandt, vgl. im einzelnen § 72 Abs. 1 Nr. 9 Ba.-Wü.LMedienG; Art. 13 Abs. 1 Nr. 6 Bay.MG; § 39 Abs. 1 Nr. 7 RG Meckl.Vorp.; § 55 Abs. 3 Nr. 10 LRG NW; § 45 Abs. 1 Nr. 3 Rh.-Pf.LRG.; § 29 Abs. 1 Nr. 13 Sächs.PRG. Kein Entsendungsrecht haben derartige Organisationen dagegen in Bremen, Hessen, Niedersachsen, dem Saarland, Schieswig-Hoistein, Sachsen-Anhalt und Thüringen. 10 Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 Bay.MG; § 39 Abs. 1 Nr. 1 Hess.PRG; § 45 Abs. 1 Nr. 2 Rh.-Pf.LRG; § 67 Abs. 2 Nr. 1 SaarI.LRG; § 29 Abs. 1 Nr. 1 Sächs.GPR; § 45 Abs. 1 Nr. 19 Thür.PRG. 81 § 75 Abs. 1 S. 2 Ba.-Wü.LMedienG; Art. 13 Abs. 3 S. 1 Bay.MG; § 39 Abs. 6 S. 2
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daß in Hessen und Rheinland-Pfalz die Gruppenvertreter durch ihre Organisationen abberufen werden können82 • Ferner enthalten fast alle Landesmediengesetze, mit Ausnahme von Hessen und Thüringen, unterschiedlich weitgehende InkompatibilitätsvorschrifteJil3. Danach dürfen die Versammlungsmitglieder mit Ausnahme der Staats- und Parteivertreter nicht zugleich RegierungsmitgliederM, in den meisten Ländern auch nicht ParlamentarierM, in einigen schließlich nicht einmal Bedienstete oberster Landes- und Bundesbehörden oder politische Beamte86 sein.
Hess.PRG; § 41 Abs.2 s. I RG Meckl.-Vorp.; § 57 Abs. i S. 3 Nieders.LRG; § 55 Abs. 12 S. 2 LRG NW; § 45 Abs. 7 S. 2 Rh.-Pf.LRG; § 30 Abs. I Sächs.PRG; § 43 Abs. 1 S. 3 GPR Sachs.A.; § 37 Abs. 2 Schl.-H.LRG; § 45 Abs. 6 S. 2 Thür.PRG. Die Gesetze Bremens und Hamburgs enthalten keine ausdrückliche derartige Garantie, setzen diese aber sinngemäß voraus. 82 § 39 Abs. 6 S. 3 Hess.PRG, vgl. dazu Reese, Rundfunkaufsicht Bd. 1, S. 309, 319 u. die Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drucks. 1212478, S. 45, wonach "das sich ergebende Spannungsverhältnis" zwischen der Weisungsunabhängigkeit einerseits und dem Abberufungsrecht andererseits "bewußt in Kauf genommen" wird; wortgleich (!) die "Begründung Thüringen" (Fn. 87, abgedruckt aaO. S. 246, 266) zu § 44 Abs. 7 S. 3 des Gesetzentwurfs, der insoweit aber später nicht Gesetz geworden ist; § 45 Abs. 7 S. 3 LRG Rh.-Pf., wobei diese Regelung in der Ursprungsfassung mit der "Legitimation (der Vertreter), für ihre Organisation aulZutreten" [Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung Rheinland-Pfalz (im folgenden zitiert "Begründung Rh.-Pf.") zu § 25 a.F., abgedruckt bei Bauer/DetjenlMu·ller-Römer/Posewang, Die neuen Medien, 17.9.3., S. 14] gerechtfertigt wird. Kritisch zu diesen Bestimmungen bereits Ch. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 118 und Astheimer Ruf 1991, 185, 188. 83 Deren Bedeutung wird allseits hevorgehoben, vgl. etwa die "Begründung Rh.-Pf." (§ 2, Fn. 85) zu § 26 a.F., abgedruckt bei Bauer/DetjenlMüller-Rö"mer/Posewang, Die neuen Medien, 17.9.3., S. 14; "Begründung Saarland" (§ 2, Fn. 44) zu § 54 a.F., abgedruckt aaO. 17.10.3., S. 28; aus der Literatur etwa Stender-Vorwachs, Staatsferne und Gruppenferne, S. 157; Ch. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 118; Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 187. 8. Nur auf die eigene Bayerische Staatsregierung bezogen: Art. 13 Abs. 3 S. 2 BayMG; allgemein Regierungsmitglieder in Bund oder Ländern: § 46 Abs. 1 Nr. 1 Rh.-Pf.LRG, § 67 Abs. 3 Nr. 1 Saarl.LRG. 8S Nur auf Abgeordnete des eigenen Landtages bezogen: § 56 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 Nieders.LRG; § 44 Abs. 4 Nr. 3 LRG Schl.-H.; auf Abgeordnete im Bund und im eigenen Land bezogen: § 41 Abs. 3 Nr. 2 RG Meckl.-Vorp.; § 29 Abs. 6 S. 4 Sächs.PRG; § 31 Abs. 1 Nr. 2 u. 3 GPR Sachs.A.; auf Parlamentarier von Bund und allen Ländern bezogen: § 56 Abs. 2 Nr. 1 HmbMedienG. In den genannten Ländern dürfen die Versarnmlungsrnitglieder auch nicht der Bundes- oder der eigenen (Schl.-H. aaO.; Meckl.-Vorp. aaO.) bzw. irgendeiner (in den übrigen oben aufgeführten Bundesländern) Landesregierung angehören. 116 Nicht politische Beamte des Bundes oder eines Landes: § 36 Abs. 6 S. 3 u. 4 BremLMG; nicht Angehörige oberster Bundes- oder Landesbehörden: § 75 Abs. 2 S. 1 Ba.-Wü.LMedienG; beides und außerdem auch nicht kommunaler Wahlbeamter: § 53 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 LRG NW. In allen aufgeführten Ländern sind außerdem auch Regierungsmitglieder sowie Parlamentarier in Bund und Ländern ausgeschlossen. 4"
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Die Staatsfeme der Gruppenvertreter soll weiter dadurch unterstützt werden, daß staatliche Einwirkungsmöglichkeiten bei der Zusammensetzung der Versammlung auf die Bestimmung der Staats- und Parteivertreter beschränkt werden. Die gesellschaftlich relevanten Gruppen werden regelmäßig im Gesetz abschließend aufgezählt, und die Gruppen selbst bestimmen ihre Vertreter für die Versammlung ohne staatliche MitwirkungB7. Von diesen Grundsätzen machen jedoch manche Landesmediengesetze Ausnahmen. Einige Gesetze sehen vor, daß der Landtag eine bestimmte Anzahl weiterer gesellschaftlich relevanter Gruppen bestimmt, die in der Versammlung vertreten sein sollen88 • So soll flexibler auf die wechselnde gesellschaftliche Relevanz einzelner Gruppen reagiert werden können, als wenn immer wieder das Gesetz geändert werden müßte. Für die Staatsfeme der Mitglieder spielt es auch kaum eine Rolle, ob der Landtag die relevanten Gruppen abschließend schon im Gesetz oder teilweise erst später und für jede Amtsperiode der Versammlung neu durch Beschluß festlegt 89 • Weit problematischer erscheint ein Bestimmungsrecht des Landtages bei der Auswahl einzelner Gruppenvertreter90 , wie es teilweise in Rheinland-Pfalz und in Mecklenburg-Vorpommem91 vorgesehen ist. Das geschilderte Instrumentarium vermag allerdings, selbst wenn man von den aufgezählten Durchbrechungen des Grundkonzepts absieht, nur rechtliche .7 Die Bedeutung des eigenen Entsendungsrechts der Organisationen fiir die Sicherung der Staatsfeme wird zu Recht besonders hervorgehoben von der amtlichen Begründung der BadenWürttembergischen Landesregierung zu § 65 LMedienG a.F. (im folgenen zitiert "Begründung Ba.-Wü. a.F."), abgedruckt bei Bu/linger/Gödel, § 65 LMedienG. .. Fünf weitere gesellschaftlich relevante Gruppen, die von den Fraktionen entsprechend ihrer Stärke bestimmt werden: § 30 Abs. 3 Nieders.LRG; § 42 Abs. 3 Schl.-H.LRG; sieben Gruppen gemäß § 29 Abs. I Nr. 17, Abs. 2 u. 3 Sächs.PRG; neun Gruppen gemäß § 30 Abs. I Nr. 13, Abs. 2 u. 3 GPR Sachs.-A. .0 M.E. daher wenig überzeugend Stender-Vorwachs, Staatsfeme und Gruppenfeme, S. 171, sowie, fiir die neuen Bundesländer, Schuler-Harms, in: Das Rundfunkrecht der neuen Bundesländer, S. 59, 69, und (fiir den MDR als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt) Hoffmann-Riem AfP 1991,607, 610 f., die alle der abschließenden Aufzählung im Gesetz besondere Bedeutung fiir die Sicherung der Staatsfreiheit beimessen. 90 Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 190 ff., sieht zu Recht die Gefahr, daß nur der parlamentarischen Mehrheit "genehme" Kandidaten gewählt werden; fiir die Rundfunkräte im öffentlich-rechtlichen Rundfunk bereits Jarass, Die Freiheit des Rundfunks, S. 51. O. In Rheinland-Pfalz (§ 45 Abs. 3 Rh.-Pf.LRG) und Mecklenburg-Vorp. (§ 39 Abs. 2 RG Meckl.-Vorp.) besitzt der zuständige Ausschuß bzw. der Landtag ein Auswahlrecht, wenn sich mehrere zusammen genannte Organisationen nicht auf einen gemeinsamen Vertreter einigen können. Für Mecklenburg-Vorpommem weist Schuler-Harms, in: Das Rundfunkrecht der neuen Bundesländer, S. 59, 69 zutreffend damf hin, daß wegen der inhomogenen oder sogar gegensätzlichen Zusammensetzung der Gruppen (Beispiele siehe aaO. Fn. 66) eine parlamentarische Auswahlentscheidung vorprogrammiert erscheint.
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Abhängigkeiten auszuschließen. Informelle staatliche und parteipolitische Einflüsse lassen sich damit nicht ausschalten, sondern allenfalls auf ein verfassungsrechtlich gerade noch erträgliches Maß reduzieren. Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob die gesetzgeberischen Möglichkeiten zur Minimierung derartiger faktischer Abhängigkeiten ausgeschöpft werden: Parteipolitisch ausgerichtete Freundeskreise bilden sich vorzugsweise um die offiziellen Staats- und Parteivertreter , so daß diese trotz ihrer numerisch unbedeutenden Anzahl erheblichen und verfassungsrechtlich bedenklichen Einfluß gewinnen92 • Schon ein bloßes Teilnahme- und Rederecht eines Regierungsvertreters bei den Sitzungen, wie es die Gesetze vielfach vorsehen93 , ermöglicht eine bessere staatliehe Überwachung der Gremientätigkeit und kann so vorhandene informelle Abhängigkeiten verstärken94 • Damit bleibt fraglich, ob das Modell der Repräsentation gesellschaftlicher Gruppen in seiner derzeitigen Ausprägung in den Landesmediengesetzen wirklich in der Lage ist, das gesamte Spektrum der pluralistischen Gesellschaft in die Rundfunkaufsicht einzubeziehen und durch eine breite Diskussion der vorhandenen Auffassungen angemessene und sachgerechte Entscheidungen zu fördern. Insbesondere auf die informellen Abhängigkeiten und deren Konsequenzen für die gerichtliche Kontrolldichte von Zulassungsentscheidungen wird noch ausführlicher zurückzukommen sein.
(bb) Ratsmodell Baden-Württemberg und Berlin-Brandenburg verzichten in den Hauptorganen ihrer Landesmedienanstalten auf Vertreter gesellschaftlicher Gruppen. Stattdessen soll ein kleineres, aus fünf (§ 64 Abs. 1 S. 1 Ba.-Wü.LMedienG) bzw. sieben (Berlin-Brandenburg95 ) Mitgliedern bestehendes Gremium (Me-
92 Entschieden gegen Staatsvertreter in den Gremien auch Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 182 ff., allerdings ohne Bezug auf ihre Rolle als Führungsfiguren informeller Zirkel. 93 Vgl. § 40 Abs. 4 Hess.PRG; § 42 Abs. 3 RG Meckl.-Vorp.; § 59 Abs. 4 Nieders.LRG; § 59 Abs. 2 S. 3 LRG NW; § 35 Abs. 2 GPR Sachs.-A.; § 45 Abs. 3 Schl.-H.LRG. 94 So überzeugend Berliner Kabelrat, Zwischenbericht, S. 176. 95 § 10 Abs. I Berlin-Brandenb.StaatsV; der Berliner Kabelrat als Vorgänger des Berlin-Brandenburgischen Medienrats bestand seinerzeit aus fünf Mitgliedern, § 13 KPPG.
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§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung
dienrat bzw. Vorstand) die Gewähr für größere Arbeitseffizienz und Sachkunde bieten96 • Ihre Unabhängigkeit soll durch Anlehnung an gerichtsverfassungsrechtliche Bestimmungen gesichert werden97 • So werden die Mitglieder nach dem Vorbild der Richter des Bundesverfassungsgerichts98 von den Parlamenten mit Zwei-Drittel-Mehrheit gewählt99 , sie verlieren ihr Mandat unter den gleichen oder ähnlichen Voraussetzungen, unter denen auch ein Richterverhältnis nach § 24 DRiG endetlOo • Ursprünglich war zudem eine Wiederwahl ausgeschlossen lO1 , was nun jedoch im Interesse einer kontinuierlicheren und professionelleren Arbeitsweise abgeschafft worden ist. In Baden-Württemberg ist in der Neufassung nunmehr nur einmalige Wiederwahl zulässig102 • Die Regelungen zur Sicherung der Unabhängigkeit werden durch Weisungsfreiheit der Mitglieder103 sowie durch besonders umfassende Inkompatibilitätsvorschriften abgerundet, wobei die Mitgliedschaft unter anderem mit Regierungs- oder Parlamentszugehörigkeit sowie sogar mit einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst des Bundes oder des betreffenden Landes unvereinbar ist 104 •
96 Vgl. dazu vor allem Berliner Kabelrat, Zwischenbericht, S. 183 f.; Vahrenhold, Die Stellung der Privatfunkaufsicht, S. 103. Ch. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 119 spricht gar von "Sachverständigengremien"; ähnlich auch Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 169. § 10 Abs. 1 BerlinBrandenb.StaatsV verlangt von den Mitgliedern des Medienrates eine durch "ihre Erfahrung und ihre Sachkunde" erworbene "besondere Befähigung", doch erscheint die praktische Bedeutung dieser Klausel angesichts des wenig aussagekräftigen Begriffs der "Sachkunde" sowie der Fassung als bloße "Soll"-Bestimmung zweifelhaft (so auch Rossen ZUM 1992,408, 413 f.). 97 Vgl. Ch. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 120; A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 170. 9S Darauf nimmt die "Begründung Ba.-Wü. a.F .." (Fn. 87) zu § 60 (abgedruckt bei Bullinger/Gödel, § 60 LMedienG) ausdrücklich Bezug; vgl. auch Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 169 . .. § 66 Abs. 1 Ba.-Wü.LMedienG; § 11 Berlin-Brandenb.StaatsV. 100 § 11 Abs. 3 Berlin-Brandenb.StaatsV nimmt ausdrücklich auf § 24 DRiG Bezug, während § 66 Abs. 4 Ba.-Wü.LMedienG der Sache nach ähnliche Beendigungsgründe enthält. 101 § 60 Abs. 1 S. 4 LMedienG a.F., zur dadurch bezweckten Sicherung der Unabhängigkeit vgl. Bullinger/G(j"del § 60 Rn. 5; § 15 Abs. 4 KPPG. 102 § 66 Abs. 1 S. 3 Ba.-Wü.LMedienG n.F., zum dadurch angestrebten Kompromiß zwischen Sicherung der Unabhängigkeit einerseits und kontinuierlicherer und damit sachkundigerer Arbeitsweise andererseits vgl. die "Begründung 2. Änderung Ba.-Wü." (§ 1, Fn. 11), LT-Drucks. 10/5420 zu Nr. 39 - § 60, S. 68. 103 § 64 Abs. 4 Ba.-Wü.LMedienG; § 10 Abs. 2 Berlin-Brandenb.StaatsV. 104 § 67 Abs. 1 Ba.-Wü.LMedienG mit Ausdehnung auf die europäische Ebene; § 12 Abs. 1 Nr. 1 Berlin-Brandenb.StaatsV. Zu den weiteren, insbesondere auf öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und private Rundfunkveranstalter bezogenen Inkompatibilitätsvorschriften vgl. jeweils die übrigen Ziffern der betreffenden Vorschriften.
II. Der Ablauf des Zulassungsverfahrens
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Durch die Wahl der Mitglieder durch die Parlamente ist allerdings eine fraktionsproportionale Zusammensetzung der Gremien vorprogrammiert. Dies gilt insbesondere dann, wenn hilfsweise eine Verhältniswahl stattfmden muß, wie früher in Berlin10s und weiterhin in Baden-Württemberg (§ 66 Abs. 1 S. 2 LMedienG 1(6). Selbst bei der normalerweise notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit sind jedoch Absprachen der (großen) Fraktionen über eine proportionale Zusammensetzung wahrscheinlich 107 und haben allem Anschein nach auch stattgefunden 108 • Somit vermag auch das Ratsmodell parteipolitische Begehrlichkeiten nur unvollkommen zu zügeln und die tatsächliche Staatsfeme der Gremien nicht zu garantieren. Welche Konsequenzen für die Anerkennung von Ermessens- oder Beurteilungsspielräumen aus dieser Erkenntnis gezogen werden müssen, ist im dritten Teil dieser Arbeit zu untersuchen. Bei allen skizzierten Übereinstimmungen weisen die baden-württembergische und die berlin-brandenburgische Lösung freilich einen gewichtigen Unterschied auf. In Baden-Württemberg steht dem Vorstand ein gruppenplural zusammengesetzter Medienrat gegenüber, der bei fast allen weitreichenden Entscheidungen einschließlich der Zulassung privater Veranstalter zustimmen muß (vgl. § 73 Abs. 2 LMedienG). Obwohl der Vorstand mit Zuständigkeitsvermutung (§ 65 Abs. 1 LMedienG) ausgestattet und als Hauptorgan der Landesmedienanstalt konzipiert ist, erscheint er nach dem durch die Neuregelung bedingten Wegfall des Geschäftsführers 109 faktisch eher als kollegiale Anstaltsexekutive. Dementsprechend ist der Vorsitzende des Vorstandes hauptamtlich tätig (vgl. lOS § 15 Abs. 2 KPPG; die Abschaffung dieser Regelung wegen der besonders hohen Gefahr staatlicher und parteipolitischer Einflußnahme hatte der Berliner Kabelrat, Zwischenbericht, S. 180 f. selbst gefordert. 106 Diese Regelung wird mit der Notwendigkeit gerechtfertigt, eine Blockierung der Wahl durch einzelne Fraktionen durch eine solche "Notmaßnahme" verhindern zu müssen, Bullinger/Gödel § 60 Rn. I. 107 Dies räumt selbst der Berliner Kabelrat, Zwischenbericht, S. 180 f. ein; ähnlich Astheimer RuF 1991, 185, 189; fiir den neuen Berlin-Brandenburgischen Medienrat nun auch Rossen ZUM 1992, 408, 415. Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 193 f. und Rossen ZUM 1992, 408, 415, sehen deshalb in diesem Wahlmodus einen Verstoß gegen die Staatsfreiheit des Rundfunks, doch mag der Modus noch hinzunehmen sein, weil bei der Besetzung des Bundesverfassungsgerichts ebenso verfahren wird (Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 130). 108 Zum Berliner Kabelrat vgl. Hellstem, Rundfunkaufsicht Bd. I, S. 115,133; Kleber, Privater Rundfunk, S. 343; außerdem Frank DÖV 1985,97, 101 und Piette, Meinungsvielfalt, S. 148 f.; zum ersten Vorstand in Baden-Würltemberg vgl. Hellstem aaO. S. 3, 12. 109 Einen Geschäftsfiihrer als Anstaltsexekutive sah § 63 Ba.-Wü.LMedienG a.F. vor. Sein Wegfall soll zu einer "organisatorischen Straffung" führen und eine "effektivere Zusammenarbeit zwischen den Organen" ermöglichen ["Begründung 2. Änderung Ba.-Wü." (§ I, Fn. 11), LtDrucks. 10/5420, Zu Nr. 36 - § 57 des Entwurfs, S. 67).
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§ 64 Abs. 1 S. 1 LMedienG) und besitzt viele üblicherweise der Anstaltsexekutive zukommende Befugnisse (vgl. § 70 Abs. 1 LMedienG). Die badenwürttembergische Lösung stellt somit eine Kombination von Ratsmodell, repräsentiert durch den Vorstand, und Versammlungsmodell, repräsentiert durch den Medienrat, dar.
In Berlin-Brandenburg gibt es als zweites Organ neben dem nach dem Ratsmodell konzipierten Medienrat einen Direktor (vgl. §§ 8 Abs. 2, 14 f. StaatsV), der die Anstaltsexekutive darstellt (vgl. § 15 StaatsV). Der Medienrat tritt hier also, im Gegensatz zum Berliner Kabelrat als Vorgänger nun auch in vollem Umfang "0, an die Stelle der gruppenplural zusammengesetzen Gremien im Versammlungsmodell. Somit kann bei der berlin-brandenburgischen Konzeption von einem Ratsmodell im engeren Sinne gesprochen werden. (cc) Das Hamburger Mischmodell Im Hamburg wird der elfköpfige Vorstand, dem ein Direktor als Anstaltsexekutive gegenübersteht (§§ 52 Abs. 3, 60 HmbMedienG), von der Hamburger Bürgerschaft in Verhältniswahl, allerdings auf Vorschlag gesellschaftlich relevanter Gruppen, gewählt (hierzu und zum folgenden vgl. § 55 HmbMedienG). Dabei sind zwar die Entscheidungsmöglichkeiten der Parlamentarier beschränkt, weil sie nur aus den mindestens vier Personen umfassenden Vorschlagslisten der gesellschaftlichen Gruppen auswählen dürfen, doch besteht die Gefahr, daß sich schon die Verbände im Bestreben, möglichst viele eigene Kandidaten "durchzubringen", letztlich für die parteipolitisch "genehmsten" Repräsentanten entscheiden"!. Über zusätzliche Wahlvorschläge besonders
110 § 3 Abs. 2 KPPG sah noch eine gruppenplural zusammengesetzte Projektkommision vor, die jedoch keinerlei Entscheidungsbefugnisse besaß (vgl. dazu näher eh. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 121 f.) und daher mit Ende der Versuchsphase als überflüssig angesehen wurde. 111 Hoffmann-Riem, Hmb.Staats- u. VerwR, S. 470, 523; Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 197. Wenig überzeugend daher der verfassungsrechtliche Rechtfertigungsversuch der parlamentarischen Wahl in der Begründung des Senats für ein Hamburger Mediengesetz zu § 55 des Entwurfs (im folgenden zitiert "Begründung Hamburg", abgedruckt bei BauerlDetjeniMlillerRömerlPosewang, Die neuen Medien, 17.5.3, S. 40): Durch die Vorschläge der gesellschaftlich bedeutsamen Gruppen sei "sichergestellt, daß die Gewählten ihre Gruppen repräsentieren und vom Vertrauen dieser Gruppen getragen werden". Zur Zusammensetzung des ersten Hamburger Vorstandes siehe Hoffmann-RiemlZiethen, Rundfunkaufsicht Bd. 1, S. 215, 219 ff. und zur Kontroverse zwischen SPD und FDP um die richtige Auslegung von § 55 HmbMedienG bei der Neuwahl 1992 siehe Gersdorf AfP 1992, 225, der aaO. letztlich diese Vorschrift (auch) wegen
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starker Fraktionen wird schließlich eine fraktionsproportionale Zusammensetzung nicht nur hingenommen, sondern faktisch festgeschrieben l12 • Dabei droht sich die Situation in Mecklenburg-Vorpommern faktisch derjenigen Hamburgs anzunähern 113 • Zwar entsenden die gesellschaftlichen Gruppen die ebenfalls elf Mitglieder des Gremiums dort grundsätzlich selbst, weshalb die Regelung in Mecklenburg-Vorpommern hier dem Versammlungsmodell zugeordnet wurde. Es müssen sich jedoch jeweils mehrere gesellschaftliche Gruppen auf einen gemeinsamen Vertreter einigen, was ihnen angesichts der inhomogenen Zusammenfassung gemeinsam entsendungsberechtigter Gruppen oftmals kaum gelingen wird. Dann muß, ähnlich wie in Hamburg, das Parlament die Auswahl treffen. Eigentlich will dieses Mischmodell die Vorteile des Versammlungsmodells (gruppenplurale Zusammensetzung) und des Ratsmodells (größere Arbeitseffizienz bei gewisser demokratischer Legitimation) zusammenführen, im Unterschied zur baden-württembergischen Lösung allerdings nicht durch zwei nebeneinander bestehende Gremien, sondern innerhalb eines Gremiums. Im Ergebnis kombiniert es jedoch eher Nachteile beider Organisationsformen1l4 , Die Auswahl der Gruppenvertreter durch das Parlament gerät ebenso in Konflikt mit dem Gebot der Staatsfreiheit wie die Wahl nach Fraktionsproporz, so daß die Hamburger Regelung als verfassungswidrig einzustufen istllS und die Konzeption in Mecklenburg-Vorpommern jedenfalls verfassungsrechtlich bedenklich erscheint. Hierauf ist ebenfalls im dritten Teil der Arbeit im Rahmen der Ermessensdiskussion zurückzukommen. (dd) Zusammenfassende Bewertung Bei der Zusammensetzung der Zulassungs- und Aufsichtsgremien der Landesmedienanstalten zeigt sich somit eine gewisse Variationsbreite, wobei sämtliche Modelle ihre Schattenseiten haben, vornehmlich im Hinblick auf die Sicherung der Staatsfreiheit. Diese Vielfalt ist auch damit zu erklären, daß das
Widersprüchlichkeit für verfassungswidrig hält. 112 eh. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 123; Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 197. 113 Hierzu und zum folgenden siehe Schuler-Harms, in: Das Rundfunkrecht der neuen Bundesländer, S. 59, 69. 11. Jarass, Gutachten, Rn. 152. m Neben Jarass, Gutachten, Rn. 152 auch Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 124; Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 197; vgl. auch A. Hesse DÖV 1985, 177, 187.
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§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung
Bundesverfassungsgericht mit den Rats- und Mischmodellen bisher nicht befaßt war, so daß hier der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum noch nicht eingeengt erscheint. Die Gefährdungen der Staatsfreiheit resultieren vorrangig aus der Dominanz der politischen Parteien in Gremien und Anstaltsverwaltungen. Neben diesem "internen" Staatseinfluß gibt es außerdem beachtliche "externe" Einflußmöglichkeiten. Die Finanzierung der Landesmedienanstalten erscheint zwar vordergründig durch den Anteil von 2% der Rundfunkgebühr (§ 29 Abs. 1 RuStaV) gesichert. Nach § 29 Abs. 2 RuStaV kann indes der Landesgesetzgeber diesen Anteil reduzieren, so daß diese Vorschrift gerade in Zeiten fmanzieller Engpässe zu einem Einfallstor landespolitischer Begehrlichkeiten geworden ist. So ensteht die latente Drohung, die Festsetzung des Gebührenanteils auch als poltisches Steuerungsinstrument zu nutzen1l6 • Auch der in vielen Gesetzen verankerte staatliche Genehmigungsvorbehalt für den Haushalt der Landesmedienanstalt 1l7 kann bei extensiver Handhabung zur politischen "Gängelung" der Landesmedienanstalt durch die jeweilige Landesregierung genutzt werden II 8. 3. Ausschreibung freier Übertragungskapazitäten für private Rundfunkveranstalter
Das Zulassungsverfahren im engeren Sinne beginnt mit einer öffentlichen Ausschreibung der dem privaten Rundfunk zugeteilten Übertragungsmöglichkeiten sowie der Festlegung einer Antragsfrist. Die Ausschreibung wird in fast allen Bundesländern von der Landesmedienanstalt vorgenommen1l9 , nur in
116 Zum Finanzierungsproblem siehe ausfiihrIich Ring, FS Lerche, S. 707, 713 ff; der Anteils der jeweiligen Landesmedienanstalt wird gesetzlich beschnitten durch die Ausfiihrungsgesetze zum RuStaV in Bayern v. 18.12.1991 (GVBI. S. 451); in Hamburg v. 16.12.1991 (GVBI. S. 425); in Hessen v. 13.12.1991 (GVBI. S. 367); in Sachsen-Anhalt v. 12.12.1991 (GVBI. LSA . S. 478); in Schieswig-Hoistein v. 12.12.1991 (GVBI. S. 596) sowie durch § 65 Abs. I, Abs. 2 S.2LRGNW. 1\7 Vgl. § 70 Ba.-Wü.LMG; § 41 BremLMG; § 61 HambMedienG; § 48 Hess.PRG; § 45 RG Meckl.-Vorp.; § 52 Abs. 1 Rh.-Pf.LRG; § 43 GPR Sachs.-A.; § 52 Schl.-H.LRG. IIB Hierzu ausfiihrIich mit instruktiven Beispielen aus der Praxis Ring, FS Lerche, S. 707, 715 ff. 119 Vgl. § 27 Abs. I Ba.-Wü.LMedienG; § 26 Abs. 2 Berlin-Brandenb.StaatsV; § 7 Abs. 2 BremLMG; § 16 Abs. 2 HmbMedienG; § 4 Abs. 2 S. I u. 2 Hess.PRG; § 8 Abs. 2 S. I u. 3 RG Meckl.-Vorp.; § 6 Abs. I Niders.LRG n.F.; § 4 Abs. 3 u. 4 LRG NW; § 5 Abs. 2 Rh.-Pf.LRG; § 5 Abs. 2 S. I u. 3 Sächs.PRG; § 4 GPR Sachs.-A.; § 6 Abs. 2 S. I u. Abs. 3 Schl.-H.LRG; § 5
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Bayern sind die Medienbetriebsgesellschaften damit betraut (vgl. Art. 23 Abs. 2 Nr. 1, Art. 25 Abs. 2 Nr. 1, Art. 27 Abs. 1 BayMG sowie die auf Art. 27 Abs. 4 S. 1 Bay.MG gestützten Hörfunksatzung und Fernsehsatzung). Durch ein transparentes Ausschreibungs- und Zulassungsverfahren soll ein gleicher Informationsstand und damit die Chancengleichheit aller Interessenten gesichert und zugleich verhindert werden, daß wenige große Medienkonzerne mit besonders guten Beziehungen "unter der Hand" Sendemöglichkeiten zugewiesen erhaltenl20 • Gleichwohl ist die Antragsfrist in manchen Gesetzen gänzlich offengelassenl21 • Meist ist jedoch eine Mindestfrist vorgegeben, die sich zwischen einem und drei Monaten bewegt l22 • Die Antragsfrist ist innerhalb des gesetzlich eröffneten Spielraums jedenfalls so zu bemessen, daß auch weniger Kundige in dieser Zeit die notwendigen Antragsunterlagen erarbeiten können 123 • In der Ausschreibung wird außerdem die Programmart (Hörfunk oder Fernsehen) und das Verbreitungsgebiet (landesweit oder für ein bestimmtes regionales oder lokales Gebiet) bestimmt, für die die ausgeschriebenen Frequenzen verwendet werden und Zulassungsanträge gestellt werden sollenl24 • Sofern nicht technische Vorgaben ohnehin eine bestimmte Nutzung nahelegen, werden die Frequenzen für diejenige Verwendung ausgeschrieben, für die sie dem privaten Rundfunk bei der "Oberverteilung" zugewiesen worden sind l2S • Manche Gesetze enthalten darüber hinaus noch Vorschriften speziell für den
Abs. 2 S. I, 2 u. 4 Thür.PRG. 120 Bullinger/Gddel § 25 LMedienG Rn. I; eh. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 179. 121 Vgl. § 26 Abs. 2 Berlin-Brandenb. StaatsV; § 16 Abs. 2 HmbMedienG; § 8 Abs. 2 S. 2 RGMeckl.-Vorp.; § 6 Abs. I Nieders.LRG; § 49 Abs. I SaarI.LRG; § 5 Abs. 2 S. 2 Sächs.PRG; § 4 Abs. 2 GPR Sachs.-A. 122 I Monat: § 5 Abs. 2 S. 3 ThürPRG; § 5 Abs. 2 S. 2 Rh.-Pf.LRG; für das Fernsehen § 7 Abs. 3 BremLMG; 2 Monate: § 4 Abs. 2 Hess.PRG; mit Ausnahme der Fernsehzweitfrequenz nach dem Rundfunkstaatsvertrag § 4 Abs. 3 u. 4 LRG NW; 3 Monate: § 27 Abs. I Ba.-Wü.LMedienG; für den Hörfunk § 7 Abs. 3 BremLMG; § 6 Abs. 2 S. 2 u. 3 Schl.-H.LRG. 121 Bullinger/Gddel § 25 LMedienG Rn. 2. 124 Einen Hinweis auf Programmart und Verbreitungsgebiet in der Ausschreibung sehen ausdrücklich vor § 4 Abs. 3 u. 4 LRG NW; § 5 Abs. 2 Sächs.PRG; allein die Programmart sprechen an § 26 Abs. 2 StaatsV Berlin-Brandenb.; § 6 Abs. 3 S. I Schl.-H.LRG; das Verbreitungsgebiet erwähnt außerdem § 27 Abs. I Ba.-Wü.LMedienG; Zeitumfang und Programmart nennt § 7 Abs. 2 BremLMG. Unabhängig von der konkreten gesetzlichen Formulierung ergibt sich jedoch aus der Natur der Sache, daß die Übertragungskapazitäten stets nur programmart- und verbreitungsgebietsbezogen ausgeschrieben werden können. 125 Ausdrücklich bestimmen dies § 6 S. 2 RG Meckl.-Vorp. u. § 6 Abs. 1 S. 1 Nieders.LRG.
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privaten Rundfunk, in denen die vorrangige Verwendung freier Frequenzen geregelt ist 126 • Bei der Planung der Verbreitungsgebiete schlägt sich der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum in zwei unterschiedlichen Konzepten nieder. Die Landesmediengesetze verfolgen teilweise ein vorrangig auf lokale und regionale Veranstalter zugeschnittenes Konzept127, vermehrt streben sie aber aus Wirtschaftlichkeitserwägungenl28 landesweite Hörfunkkeuen mit mehr oder minder umfangreichen Fenstern für Teilbereiche des Landesgebietes an 129 • Zum Schutz der lokalen Presse wurde in Niedersachsen und in Sachsen-Anhalt (kommerzieller) lokaler Hörfunk sogar von Anfang an mit Ausnahme zeitlich eng begrenzter Programmfenster gesetzlich ausgeschlossen l30 • Im Fernseh-
126 Insbesondere § 7 Rh.-Pf. LRG; vgl. aber auch §§ 3 Abs. 2 Nr. Ib), 6 Abs. 2 Nieders.LRG; § 3 Sächs.PRG; § 6 Abs. 1 GPR Sachs.-A.; § 11 Thür.PRG. 127 So insbesondere ursprünglich Baden-Württemberg (wenn auch schon nach der damaligen Gesetzeslage nicht zwingend, worauf der Bericht der Landesregierung, Privater Rundfunk in Ba.Wü., S. 113, zu Recht hinweist) und Bayern (über die lokalen Medienbetriebsgesellschaften, vgl. Art. 23 f. MG; daneben sind gemäß Art. 3 Abs. 2 Bay.MG eine landesweite Hörfunkkette sowie Programmfenster in bundesweiten Programmen vorgesehen, Art. 3 Abs. 1 S. 2 Bay.MG), aber auch Nordrhein-Westfalen (vgl. §§ 30 f. LRG NW). 128 In jüngerer Zeit mehren sich die Zweifel, ob reiner Lokalfunk wirtschaftlich tragfahig sein kann [vgl. die ausfiihrliehe Analyse im Bericht der Landesregierung, Privater Rundfunk in Ba.WÜ., S. 115 ff., darauf verweist die "Begründung Thüringen" (§ 2, Fn. 51), abgedruckt in: HansBredow-Institut, Das Rundfunkrecht der neuen Bundesländer, S. 249, 252) zur Begründung der Favorisierung landesweiten Rundfunks), so daß nun etwa auch in Baden-Württemberg einer landesweiten Kette der Weg bereitet worden ist (Nachweise oben § 1 in dortiger Fn. 11). Dagegen sah man im lokalen Bereich in der Frühphase privaten Rundfunks vielfach eine vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk vernachlässigte Nische fiir private Veranstalter. Diese Überlegung lag auch dem in § 13 Abs. 2 LMedienG a.F. ursprünglich enthaltenen Regionalisierungsverbot fiir die öffentlich-rechtlichen Anstalten in Baden-Württemberg zugrunde (vgl. Bullinger/Gödel, § 13 Rn. 4 LMedienG), das jedoch vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig verworfen wurde (vgl. BVertGE 74,297,325 ff.). 129 Eine ausdrückliche Verpflichtung zur landesweiten Verbreitung existiert in Niedersachsen (vgl. § 6 Abs. 2 LRG, siehe aber auch die folgende Fußnote) und Sachsen-Anhalt (§ 12 GPR, dazu siehe die "Begründung zum Gesetz über privaten Rundfunk in Sachsen-Anhalt", abgedruckt in: Hans-Bredow-Institut, Das Rundfunkrecht der neuen Bundesländer, S. 226, 227, im folgenden zitiert "Begründung Sachsen-Anhalt"). Darüber hinaus favorisieren aber auch Hessen (vgl. § 10 Abs. 1 S. 1 HPRG), Mecklenburg-Vorpommem (vgl. § 5 Abs. 2 S. 3 RGMV), Rheinland-Pfalz (vgl. § 6 Abs. 2 LRG), Sachsen (vgl. § 3 Abs. 3 S. 1 PRG u. OVG Bautzen LKV 1993,388, 389), Schleswig-Holstein (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 1 LRG) und Thüringen (vgl. § 3 Abs. 3 Nr. 2 TPRG, dazu die "Begründung Thüringen" - § 2, Fn. 51, aaO. S. 247,252) landesweite Ketten. Faktisch sind darüber hinaus auch Bremen (Streichung der früher lokale Hörfunkprogramme favorisierenden §§ 3 Abs. 5, 23 ff. BremLMG a.F.), Hamburg und das Saarland vorrangig mit landesweiten Prograinmen versorgt. 110 Vgl. § 6 Abs. 2 Nieders.LRG, durch die Gesetzesnovellefreilich aufgelockert durch einen
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bereich kamen wegen des erhöhten Kapitalbedarfs von vornherein faktisch nur bundesweit verbreitete Programme in Betracht, bestenfalls mit regionalen Fenstern für einzelne Bundesländer angereichert (vgl. § 20 Abs. 6 RuStaV). Die Größe und der konkrete Zuschnitt lokaler oder regionaler Verbreitungsgebiete mittels Zusammenfassung entsprechender technischer Sendekapazitäten werden dabei, soweit ersichtlich, von den Landesmedienanstalten im Abstimmung mit der Bundespost TELEKOM regelmäßig informell im gesetzesfreien Raum festgelegt. Lediglich das nordrhein-westfälische, das baden-württembergische und das bayerische Gesetz enthalten hierfür konkrete Planungsleitlinien, in Nordrhein-Westfalen in Form einer Satzungsermächtigung l31. Eine Satzungsermächtigung, die auch die Festlegung von Verbreitungsgebieten ermöglicht, findet sich zwar auch in Mecklenburg-Vorpommern, dort jedoch ohne nähere gesetzliche Vorgaben (vgl. § 7 RGMV). Angesichts der hohen wirtschaftlichen Bedeutung 132 und der Zulassungschancen präjuduzierenden Wirkung erscheint eine gesetzliche (Rahmen)regelung aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes dringend geboten. 4. AntragsteUung und -inhalt
Innerhalb der festgesetzten Frist müssen die Bewerber einen schriftlichen133 Zulassungsantrag stellen. Da die Landesmedienanstalten zur Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen und Auswahlkriterien weitgehend auf Informationen der Antragsteller angewiesen sind, fordern alle Landesgesetze zusammen mit dem Antrag umfangreiche Angaben.
"Betriebsversuch zur Einrichtung von nichtkommerziellem Rundfunk" gemäß §§ 37 ff. Nieders.LRG (zum vollständigen Ausschluß in der Vorgängerfassung § 12 Abs. I Nieders.LRG a.F. vgl. die Ausführungen im Niedersachsen-Urteil BVerfUE 73, 118, 177); weiterhin vollständiges Verbot lokalen Rundfunks in § 12 Abs. I GPR SachS.-A. \3\ Vgl. § 31 LRG NW; § 20 Abs. 2 u. 3 Ba.-Wü.LMedienG; Art. 11 Nr. 5 Bay.MG. \32 Vgl. dazu ausführlich die "Begründung 2. Änderung Ba.-Wü." (§ I, Fn. 11), LT.-Drucks. 10/5420, Zu Nr. 11 - § 17, S. 50 f. 133 § 28 Abs. 2 S. 1 Berlin-Brandenb.StaatsV; § 7 Abs. 1 BremLMG; § 16 Abs. 1 S. 3 HmbMedienG, für den lokalen Bereich iVm § 33 HmbMedienG; § 4 Abs. 1 HessPRG; § 8 Abs. I S. 2 RG Meckl.-Vorp.; § 5 Abs. 2 Nieders.LRG; § 4 Abs. I LRG NW, für den lokalen Bereich iVm § 23 Abs. 2 LRG NW; § 6 Abs. I S. 1 Rh.-Pf.LRG; § 6 Abs. I S. 2 LRG; § 5 Abs. 2 S. 2 Sächs.PRG; § 4 Abs. 1 Sachs.-A.GPR; § 5 Abs. 1 Thür.PRG. Kein ausdrückliches Schriftformerfordernis sehen die Gesetze Baden-Württembergs, Bayerns und des Saarlandes vor, doch kann der Antrag angesichts der umfangreichen Vorlagepflichen (s.u.) faktisch auch dort nur schriftlich gestellt werden.
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Zum einen statuieren alle Landesmediengesetze mit Ausnahme derjenigen von Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt l34 eine allgemeine Mitwirkungsobliegenheit des Antragstellers 135 , wonach dieser alle zur Prüfung seines Zulassungsantrages erforderlichen Angaben zu machen hat. Nach vielen Gesetzen kann 136 oder muß 137 andernfalls sein Antrag nach Setzung einer Frist 138 abgelehnt werden. Baden-Württemberg sieht zur Verfahrensbeschleunigung 139 eine zivilprozessualen Vorbildern nachgebildete Präklusionsregelung vor (§ 27 Abs. 3 S. 2 Ba.-Wü.LMedienG). Fehlt eine spezielle Regelung, kann die Landesmedienanstalt nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen das Fehlen bestimmter Angaben bei der Beweiswürdigung zu Lasten des Antragstellers berücksichtigen, wenn sie selbst den Sachverhalt nicht in zumutbarer Weise weiter aufklären kannl40 • Über diese allgemeine Mitwirkungsobliegenheithinaus verlangen die meisten Landesmediengesetze ausdrücklich die Vorlage eines Programmschemas l41 ,
\34 Dort besteht allerdings eine nahezu identische Mitwirkungsobliegenheit nach § 26 Abs. 2 LVwVtG. 135 § 28 Abs. 3 S. 1 Berlin-Brandenb.StaatsV; § 12 Abs. 1 BremLMG; § 20 Abs. 1 HmbMedienG, im lokalen Bereich iVm § 33 HmbMedienG; § 7 Abs. 1 Hess.PRG; § 11 Abs. 1 S. 1 RG Meckl.-Vorp.; § 10 Abs. I Nieders.LRG; § 9 Abs. I LRG NW, im lokalen Bereich iVm § 23 Abs. 2 LRG NW; § 50 Abs. 4 Saarl.LRG (dabei auf Verlangen eidesstattliche Versicherung erforderlich); § 9 Abs. 1 S. I Sächs.PRG; § 10 Abs. I Schl.-H.LRG; § 8 Abs. I Thür.PRG; nur nach konkretem Verlangen der Landesmedienanstalt unter Fristsetzung gemäß § 27 Abs. 3 Ba.Wü.LMedienG bzw. der Medienbetriebsgesellschaft nach Art. 27 Abs. 1 S. 2 Bay.MG. \36 § 7 Abs. 2 Hess.PRG; § 9 Abs. I S. 2 Sächs.PRG; § 8 Abs. 2 Thür.PRG. 131 § 28 Abs. 3 S. 2 Berlin-Brandenb.StaatsV; § 20 Abs. 3 HmbMedienG, im lokalen Bereich iVm § 33 HmbMedienG; § 9 Abs. 2 LRG NW, im lokalen Bereich iVm § 23 LRG NW. Nach § 12 Abs. 2 BremLMG "ist der Antrag abgelehnt", tritt also die Wirkung bereits kraft Gesetzes ein. Aus Gründen der Rechtssicherheit bedarf es aber jedenfalls noch eines feststellenden Verwaltungsaktes. \38 Dies bestimmen ausdrücklich alle vorgenannten Regelungen mit Ausnahme derjenigen Berlin-Brandenburgs und Sachsens. Auch in diesen Ländern erscheint jedoch eine vorherige Fristsetzung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit geboten. \39 Vgl. die Begründung der Landesregierung zum Gesetzentwurf zur (ersten) Änderung des Landesmediengesetzes (im folgenden zitiert "Begründung 1. Änderung Ba.-Wü."), LT.-Drucks. 9/5076, Zu Nr. 15 - § 25, S. 16 f. \40 Vgl. etwa Kopp, VwVtG, § 26 Rn. 44. \4\ Als Inhalt des Zulassungsantrages: vgl. § 28 Abs. 3 iVm § 35 Abs. 2 Nr. 1 Berlin-Brandenb.StaatsV.; § 8 Abs. 5 Nr. 2 BremLMG; § 20 Abs. I S. HmbMedienG, im lokalen Bereich iVm § 33 HmbMedienG; § 5 Abs. 5 Hess.PRG; § II Abs. 1 S. 2 RGMeckl.-Vorp.; § 10 Abs. 6 Nr. 2 Niders.LRG; § 5 Abs. 3 Nr. 2 LRG NW, im lokalen Bereich iVm § 23 Abs. 2 LRG NW; § 6 Abs. 1 Nr. 6 iVm § 9 Nr. 6 Rh.-Pf.LRG; § 10 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Schl.-H.LRG; § 6 Abs. 5 Thür.PRG; ähnlich auch Art. 27 Abs. 1 S. I BayMG; Vorlagepflicht ohne ausdrückliche Verknüpfung mit dem Zulassungsantrag: vgl. § 26 Abs. I S. 1 Ba.-Wü.LMedienG; § 50 Abs. 3
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also eine nach Wochentagen gegliederte Übersicht über die Verteilung der täglichen Sendezeit auf die verschiedenen Programmsparten wie etwa Information, Bildung und Unterhaltung l42 • Wie auch das Bundesverfassungsgericht anerkannt hat l43 , stellen Programmschemata eine wichtige und praktisch nahezu die einzige Beurteilungsgrundlage für die Prognose über das beabsichtigte Programm dar l44 • Über die Programmsparten hinaus sollen sie etwa zum Teil auch über Art und Ausmaß eigengestalteter Beiträge bzw. übernommener Fremdbeiträge Auskunft geben 145 • Freilich können Bewerber in solchen notwendigerweise abstrakten Schemata vieles versprechen, ohne daß irgendeine Gewähr dafür besteht, daß diese Versprechungen auch realisiert werden. Die Grenzen der verschiedenen Programmsparten sind zudem oftmals fließend, so daß Sendungen schönfärberisch der Information oder Kultur zugeschlagen werden können, die mit mindestens gleicher Berechtigung als Unterhaltung eingestuft werden könntenl46 • Die nach dem Gesetz zentrale Bedeutung der Programmschemata steht somit in erstaunlichem Gegensatz zu ihrer geringen Aussagekraft und Verläßlichkeit, was ein bezeichnendes Licht auf die Aufklärungsmöglichkeiten im allgemeinen wirft, die die Landesmedienanstalten im Zulassungsverfahren besitzen. Viele Landesmediengesetze verlangen neben dem Programmschema auch die Vorlage eines Finanzplanes l47 , um die programmlichen Vorstellungen des
SaarI.LRG. Auch wenn eine ausdrückliche Vorlageverpflichtung fehlt, läßt sich doch die zulassungserhebliche (Sparten-)Vielfalt des Programms kaum ohne ein solches Programmschema beurteilen, so daß dessen Vorlage schon aus der allgemeinen Mitwirkungsobliegenheit heraus gefordert werden kann, vgl. § 5 Abs. 3 S. 1 GPR Sachs.-A., wo ein Programmschema im Zusammenhang mit der Gewähr flir Binnenpluralismus erwähnt wird. '42 Vgl. etwa die Legaldefinition in § 2 Abs. 7 LRG NW. '43 Vgl. BVerfDE 74, 297, 329 - Baden-Württemberg-Beschluß; ansatzweise schon BVerfDE 73, 118, 185 - Niedersachsen-Urteil. '44 Insbesondere eh. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 200. '45 Vgl. insbesondere § 26 Abs. 1 S. Ba.-Wü.LMedienG. '46 Besonders instruktiv zur geringen Verläßlichkeit der Programmschemata sind die Äußerungen des Direktors der Landesmedienanstalt in Hamburg, wiedergegeben bei Hoffmann-RiemlZiethen, Rundfunkaufsicht Bd. 1, S. 215, 258 f.; allgemein zusammenfassend Reese, aaO., S. I, XIX f.; HellsterniReese, Rundfunkaufsicht Bd. 3, S. 3,44; Hoffmann-Riem aaO. S. 209, 250 f. Daran kann auch nichts ändern, wenn, wie Hoffmann-Riem, Hmb. Staats- u. VerwR, S. 470, 491 f. vorschlägt, "zur Optimierung zwischen Vielfaltsmehrung und Flexibilität" Zusagen nur über einen "unabdingbaren Programmkern" gegeben werden, ergänzt durch einen "flexibel ausgestalteten Programrnrahmen". '47 Mit dem Antrag: vgl. § 8 Abs. 5 Nr. 3 BremLMG; § 20 Abs. 1 S. 2 HmbMedienG, im lokalen Bereich iVm § 33 HmbMedienG; § 5 Abs. 5 Hess.PRG; § 11 Abs. 1 S. 2RGMeckl.Vorp.; § 10 Abs. 2 Nr. 3 Nieders.LRG; § 10 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 Schl.-H.LRG; § 6 Abs. 5
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§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung
Bewerbers wenigstens auf ihre fmanzielle Realisierbarkeit überprüfen zu können l48 • Im übrigen ergibt sich eine Vorlagepflicht auch ohne ausdrückliche Regelung schon aus den allgemeinen Bestimmungen, da die regelmäßig geforderte ausreichende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit kaum ohne Finanzplan beurteilt werden kann149 • Um die veranstalterbezogene Vielfalt beurteilen und unzulässige intra- und intermediäre Konzentration verhindern zu können, werden ferner regelmäßig detaillierte Angaben über die Binnenstruktur der Antragsteller gefordert l50 • Die Einhaltung kartellrechtlicher Vorschriften muß vielfach auf Verlangen durch ein Anmeldeverfahren beim Bundeskartellamt nachgewiesen werden I51 • Freilich sind die gesellschaftsrechtlichen Verschachtelungs- und Verschleierungsmöglichkeiten so groß und etwaige "Geheimvereinbarungen" derart schwer aufzuspüren, daß Informationsgehalt und Verläßlichkeit der geforderten Informationen als gering einzustufen sind. Schließlich bedarf es im Zusammenhang mit dem Zulassungsantrag noch all jener Informationen, die später in die Zulassung aufgenommen werden müssen. Als Inhalt des Zulassungsantrages werden dabei teilweise die gewünschte Programmart, Programmkategorie, Programmdauer, Verbreitungsgebiet und Verbreitungsart 1S2 sowie die Zulassungsdauerl53 genannt. Fehlt eine solche gesetzliche Regelung, unterfallen diese Angaben insoweit der allgemeinen Mit-
Thür.PRG; ähnlich auch Art. 27 Abs. I S. 1 Bay.MG; Vorlagepflicht ohne ausdrückliche Verknüpfung mit dem Zulassungsantrag: § 26 Abs. I S. I Ba.-Wü.LMedienG; § 50 Abs. 3 Saarl.LRG. Keine Erwähnung findet ein Finanzplan in Berlin-Brandenburg, NRW, Sachsen und Sachsen-Anhalt. I" Vgl. eh. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 200 mit dortiger Fn. 191. I" SO verlangt etwa § 5 Abs. I S. 3 LRG NW, daß der Antragsteller wirtschaftlich in der Lage ist, die Rundfunkveranstaltung antragsgemäß durchzuführen. Dies kann kaum ohne Vorlage eines Finanzplanes nachgewiesen werden, so daß er zu den zur Prüfung des Zulassungsantrages erforderlichen Unterlagen iSv § 9 Abs. 1 LRG NW gehört. ISO Vgl. Art. 27 Abs. 1 S. 1 Bay.MG; § 8 Abs. 6 BremLMG; § 10 Abs. 2 Nr. 1 Nieders.LRG; § 5 Abs. 3 Nr. 3 LRG NW; § 5 Abs. 7 GPR Sachs.-A.; § 9 Abs. 1 S. 2 u. 3 Sächs.PRG; § 10 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 Schl.-H.LRG; § 6 Abs. 3 S. 1 u. 2 Thür.PRG. ISI Vgl. § 25 Abs. 4 Ba.-Wü.LMedienG; § 20 Abs. 2 HmbMedienG, im lokalen Bereich iVm § 33 HmbMedienG; § 15 Abs. 3 Hess.PRG; § 10 Abs. 3 S. 2 Nieders.LRG; § 5 Abs. 7 GPR Sachs.-A.; § 10 Abs. 3 Schl.-H.LRG. lS2 § 8 Abs. 5 Nr. 1 BremLMG (ohne "Verbreitungsgebiet"); § 5 Abs. 3 Nr. 1 LRG NW, im lokalen Bereich iVm § 23 Abs. 2 LRG NW; § 6 Abs. I Nr. 6 Rh.-Pf.LRG; außerdem noch die Finanzierungsform gemäß § 5 Abs. 4 Nr. I bis 4 Hess.PRG; § 6 Nr. 4 Thür.PRG. lS3 § 10 Abs. 1 Nieders.LRG; § 5 Abs. 6 S. 1 bzw. § 6 Abs. I S. 2 Nr. 1 GPR Sachs.-A.
11. Der Ablauf des Zulassungsverfahrens
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wirkungsobliegenheit l54, als der Inhalt sich nicht bereits zwingend aus dem Gesetz oder der Ausschreibung ergibt. 5. Prüfung der allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen
In einem ersten Schritt prüft die Landesmedienanstalt, ob die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind, die jeder Bewerber unabhängig von einer Konkurrenzsituation einhalten muß. Dabei handelt es sich um einen zur Sicherung der Rundfunkfreiheit erforderlichen Mindeststandard von Antragsteller und geplantem Programm, deren präventive Überprüfung gerade mit Hilfe des Erlaubnisvorbehalts ennöglicht werden soll ISS •
a) Rechts/orm der Veranstalter Hier geht es zunächst darum, Stabilität, Transparenz und klare Verantwortlichkeiten auch im Hinblick auf spätere Aufsichtsmaßnahmen zu gewährleisten. Nichtrechtsfähige Personenvereinigungen müssen daher zumindest auf Dauer angelegt sein1S6 , sofern sie neben natürlichen oder juristischen Personen überhaupt als Rundfunkveranstalter zugelassen werden 1S7 • Manche Landesmediengesetze nutzen das streng formale und griffige Kriterium der Rechtsfonn privater Rundfunkveranstalter außerdem als ersten An-
154 Für die Zulassungsdauer wird dies besonders deutlich, wenn für den Inhalt der Zulassung im Gesetz auf den Antrag Bezug genommen wird, vgl. § 30 Abs. 4 S. I BerlinBrandenb.StaatsV; § 11 Abs. I BremLMG; § 16 Abs. 3 S. I HmbMedienG, im lokalen Bereich iVm § 33 HmbMedienG; § 6 Abs. 2 Hess.PRG; § 8 Abs. I LRG NW, im lokalen Bereich iVm § 23 Abs. 2 LRG NW; § 49 Abs. 4 S. I SaarI.LRG. 155 Vgl. BVerfDE 57,295,326 - FRAG-Urteil. 156 Art. 26 Abs. I Nr. 2 Bay.MG; § 8 Abs. I Nr. 2 u.3 BremLMG; § 17 Abs. I S. I Nr. 2 u. 3 HmbMedienG, im lokalen Bereich iVm § 33 HmbMedienG; § 9 Abs. I S. 2 RGMeckl.-Vorp.; § 7 Abs. I Nr. 3 Nieders.LRG; § 5 Abs. I S. I LRG NW; § 50 Abs. I S. 2 Saarl.LRG; § 6 Abs. I Sächs.PRG; § 5 Abs. I S. I GPR Sachs.-A.; § 7 Abs. I S. I Schl.-H.LRG. § 6 Abs. I Nr. I d) Rh.-Pf.LRG fordert aus den gleichen Gründen außerdem einen "geschlossenen Mitgliederbestand" sowie bereits im Zusammenhang mit der Rechtsform die Benennung eines für den Inhalt Verantwortlichen.Auf die Formulierung "auf Dauer angelegt" verzichten dagegen § 25 Abs. I S. 2 Ba.-Wü.LMedienG und § 5 Abs. I S. 2 Hess.PRG, doch wird bei instabiler VeranstaIterstruktur dort wohl die allgemeine Zuverlässigkeit der Antragsteller zu verneinen sein. Ebenfalls der Sicherung von Transparenz dient § 29 Berlin-Brandenb.StaatsV, wonach Aktiengesellschaften nur bei Ausgabe von Namensaktien zugelassen werden dürfen. 157 Ausschließlich juristische Personen werden anscheinend zugelassen nach § 6 Abs. I S. 2 Thür.PRG.
5 Fehling
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§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung
knüpfungspunkt für mittelbare Sicherungen von Pluralität und Staatsfreiheit der Veranstalter. Schleswig-Holstein sucht wie früher auch Nordrhein-Westfalen sein binnenplurales Konzept dadurch abzusichern, daß nur Veranstaltergemeinschaften zugelassen werden I58 • Zahlenmäßige Pluralität bei der Zusammensetzung des Veranstalters soll, so hofft der Gesetzgeber, auch entsprechende Meinungsvielfalt der Beteiligten und schließlich sogar programmliche Vielfalt befördern I59 • Im lokalen Rundfunk dürfen in Hamburg und ähnlich nun auch in Niedersachsen nur gemeinnützige Veranstalter zugelassen werden, um durch Förderung ortsbezogener kultureller Sendungen ein Gegengewicht gegen den gewinnorientierten Privatfunk zu schaffen l60 • Nach dem nordrheinwestfälischen Zwei-Säulen-Modell steht der zwingend als eingetragener Verein organisierten Veranstaltergemeinschaft (§ 25 Abs. 1 S. 2 LRG NW) eine gewinnorientierte Betriebsgesellschaft zur Seite, die den beteiligten Zeitungsverlegern etwaige Werbeverluste im Printbereich kompensieren soll, ohne lokale Doppelmonopole zu ermöglichen. In den übrigen Bundesländern können ohne Einschränkung auch Einzelanbieter privaten Rundfunk veranstalten l61 • Im Interesse der Staatsfreiheit des Rundfunks sind nach manchen Landesmediengesetzen juristische Personen des öffentlichen Rechts bereits von ihrer Rechtsform her grundsätzlich als Rundfunkveranstalter ausgeschlossen l62 • Von dieser Beschränkung ausgenommen sind meist die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften 163 und teilweise auch andere nicht unmittelbar staatlichem Einfluß unterliegende öffentlich-rechtliche Institutionen164. ISI § 7 Abs. I S. I Schl.-H.LRG ; die entsprechende Vorschrift § 6 Abs. I S. I LRG NW a.F. wurde durch das 5. Rundfunkänderungsgesetz v. 22.9.1992 (GVBI S. 346) gestrichen. IS9 eh. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 192. 160 § 32 Abs. I u. 2 HmbMedienG, vgl. dazu die "Begründung Hamburg" (§ 2, Fn. 111) zu § 32 (abgedruckt bei Bauer/DetjeniMriller-Römer/Posewang, Die neuen Medien, 17.5.3, S. 23); nichtkommerzieller lokaler Rundfunk als Betriebsversuch gemäß §§ 37 Abs. I, 42 Abs. I S. I Nieders.LRG. 161 Vgl. § 23 Abs. I S. 2 Ba.-Wü.LMedienG; Art 26 Abs. I Nr. I Bay.MG; § 29 Abs. I Berlin-Brandenb.StaatsV; § 8 Abs. I BremLMG; § 17 Abs. I HmbMedienG; § 5 Abs. I S. 2 Hess.PRG; § 9 Abs. I S. 2 RGMeckl.-Vorp.; § 5 Abs. I Nieders.LRG; § 6 Abs. I Nr. I e) Rh.Pf.LRG; § 50 Abs. 1 S. 2 SaarI.LRG; § 6 Abs. I Nr. 3 u. Abs. 2 S. 2 Sächs.PRG; § 5 Abs. I S. I GPR Sachs.-A.; § 6 Abs. 2 S. 2 Thür.PRG. 162 Ohne Ausnahmen gemäß § 8 Abs. I Nr. 2 u. 3 BremLMG; § 17 Abs. I S. I Nr. 2 u. 3 HmbMedienG, im lokalen Bereich iVm § 33 HmbMedienG; § 7 Abs. I S. I Schl.-H.LRG. 163 Vgl. § 9 Abs. I S. 2, Abs. 2 Nr. I RG Meckl.-Vorp.; § 5 Abs. I S. I Nieders.LRG; § 5 Abs. 1 S. 1 GPR Sachs.-A.; § 6 Abs. 2 Nr. 1 TPRG sowie die in der nächsten Fußnote genannten Gesetzesstellen. 164 Juristische Personen des öff. Rechts, soweit sie nicht einer Fachaufsicht oder sonstigem staatlichen oder kommunalen Einfluß unterliegen oder wenn sie bei Wahrnehmung ihrer Auf-
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b) Zusammensetzung des Veranstalters Neben Aussagen zur Rechtsform enthalten alle Landesmediengesetze ausführliche Bestimmungen darüber, wer von der Veranstaltung privaten Rundfunks allein oder als Beteiligter an einer Veranstaltergemeinschaft ausgeschlossen ist. So sollen eine verfassungsrechtlich verbotene Beherrschung des Rundfunks durch den Staat oder einzelne gesellschaftliche Gruppen 165 verhindert und veranstalterbezogene Pluralität organisatorisch gesichert werden. Gesellschafterstrukturen sind zwar weniger transparent als die Rechtsform eines Veranstalters, sie sind aber immer noch leichter überprütbar als die zukünftige Programmgestaltung. Dahinter verbirgt sich erneut die Hoffnung, Vielfalt (innerhalb) der Veranstalter werde auch Vielfalt der Programme nach sich ziehen. Aus dem Rahmen fallen allerdings auch hier die Regelungen für den nordrhein-westfälischen Lokalfunk. Dort werden nicht Auschlußtatbestände normiert, sondern der Kreis der an einer Veranstaltergemeinschaft Beteiligungsfähigen 1st umgekehrt bereits durch das Gesetz festgelegtl66. Daraus ergibt sich eine ähnliche Struktur wie die der Rundfunkräte öffentlich-rechtlicher
gaben im privatwirtschaftlichen Wettbewerb stehen: Art. 26 Abs. I Nr. 4 Bay.MG; sofern sie im Rahmen einer besonderen AufgabensteIlung handeln und die Gefahr staatlicher Einflußnahme ausgeschlossen ist: § 29 Berlin-Brandenb.StaatsV, ähnlich auch § 6 Abs. I Nr. I Rh.-Pf.LRG; Hochschulen des Landes ebenso wie öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften bei regionalen und landesweiten Vollprogrammen nur als Zulieferer, bei lokalen Vollprogrammen auch als Veranstalter: § 6 Abs. I Nr. 4 Sächs.PRG. Insbesondere die Kirchen, aber auch die Hochschulen können eben nicht dem Staat im Sinne der Staatsfreiheit des Rundfunks zugeordnet werden, vgl. Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 110 f. (Hochschulen) und S. l11 f. (Kirchen); ähnlich auch StenderVorwachs, Staatsferne und Gruppenferne, S. 195 ff. 16S Grundlegend BVerfGE 12, 205, 263 - Fersehurteil, seitdem in ständiger Rechtsprechung wiederholt: etwa BVerfGE 31, 314, 325 - Mehrwertsteuer-Beschluß; BVerfGE 60, 53, 65 Rundfunkrat-Beschluß; zuletzt erneut BVerfGE 83,238, 330 - NRW-Urteil. 166 Vgl. § 26 LRG NW. Trotz der umfangreichen gesetzlichen Regelung können sich freilich große praktische Probleme ergeben, wenn Organisationen mit divergierenden Interessen (etwa bei den Umwelt- oder Wohlfahrtsverbänden) sich auf einen gemeinsamen Vertreter einigen müssen sowie zusätzlich ein Geschlechts- und Parteiproporz angestrebt wird, gegebenenfalls gar noch eine gleichmäßige örtliche Repräsentation gesichert werden muß, vgl. ausfiihrIich zu diesen Problemen im Verbreitungsgebiet Solingen-Remscheid Ronge/Arndt RuF 1991, 193 ff. Bei der Betriebsgesellschaft, mit der die Veranstaltergemeinschaft im Rahmen des Zwei-Säulen-Modells [dazu siehe bereits oben § 1, Fn. 14, sowie unten (dd) (2)] zusammenarbeiten muß, gibt es zwar keine zwingende Beteiligungsliste, doch enthält das Gesetz auch insoweit eine gewisse Festlcgung, als Verleger von Tageszeitungen mit Lokalausgaben im Verbreitungsgebiet zu 75% (§ 29 Abs. 4 LRG NW) sowie die Kommunen zu 25% (§ 29 Abs. 6 LRG NW) vorrangige Beteiligungsrechte besitzen. S·
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§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung
Anstalten 167 , nämlich eine binnenplurale Zusammensetzung aus Vertretern bestimmter gesellschaftlich relevanter Gruppen. Bei der folgenden Darstellung der Ausschlußtatbestände zur Sicherung von Staats- und Gruppenferne kann daher der lokale Bereich in Nordrhein-Westfalen weitgehend außer Betracht bleiben. (aa) Beschränkungen zur Sicherung der Staatsfreiheit Um zu verhindern, daß juristische Personen des öffentlichen Rechts im Gewande des Privatrechts Rundfunk veranstalten, indem sie sich etwa an privatrechtlich organisierten Veranstaltern beteiligenl68 , enthalten alle Gesetze über Bestimmungen zur Rechtsform der Veranstalter hinaus weitere Beschränkungen. Entweder ist "staatlichen Stellen" die Beteiligung an Anbietergemeinschaften verboten169 oder der Gesetzgeber knüpft, mit den bekannten Ausnahmen, an die Eigenschaft als juristische Person des öffentlichen Rechts an. Das Beteiligungsverbot wird dabei regelmäßig auf leitende Bedienstete der ausgeschlossenen juristischen Personen des öffentlichen Rechts ausgedehnt, damit diese Bediensteten nicht als Strohmänner für ihre Institution auftreten können170 • Die Sicherung der Staatsferne mittels formaler und damit leicht kontrollierbarer Kriterien stößt aber dann an ihre Grenzen, wenn auch mittelbare Beteiligungen und sonstige Abhängigkeiten von staatlichen Stellen erfaßt werden sollen. Teilweise versucht der Gesetzgeber dieses Problem hier wie auch in anderen Bereichen durch Verweis auf § 17 AktG oder durch ein globales Abhängig-
Darauf weist auch BVerfGE 83, 238, 331 hin. Diese Motivation verdeutlicht insbesondere die "Begründung Rh.-Pf." (§ 2, Fn. 82) zu § 5 a.F. (abgedruckt bei Bauer/Detjen/Mu'lIer-Römer/Posewang, Die neuen Medien, 17.9.3, S. 7); die "Begründung Thüringen" (§ 2, Fn. 48, aaO. S. 247, 255) zu § 6. Vgl. BVerfGE 73, 118, 190 Niedersachsen-Urteil, wonach der Ausschluß sämtlicher juristischer Personen des öffentlichen Rechts von der Rundfunkveranstaltung vom Grundsatz der Staatsfeme gedeckt ist. 169 § 29 Abs. 3 Berlin-Brandenb.StaatsV; § 8 Abs. 4 Nr. I BremLMG; § 17 Abs. I S. 2 HmbMedienG, im lokalen Bereich iVm § 33 HmbMedienG; § 6 Abs. 3 Nr. I Sächs.PRG; vgl. auch Art. 28 Abs. I Nr. 7 Bay.MG. 170 Vgl. im einzelnen § 29 Abs. 2 Berlin-Brandenb.StaatsV; § 8 Abs. 4 Nr. 2 u 3 BremLMG; § 5 Abs. 2 Nr. I u. 2 Hess.PRG; § 9 Abs. 2 Nr. I u. 2 RG Meckl.-Vorp.; § 7 Abs. 3 Nr. I Nieders.LRG; § 5 Abs. 2 Nr. I u 2 LRG NW; § 7 Abs. 3 Nr. 1,2 u. 6 Schl.-H.LRG; § 6 Abs. I u. 2 Thür.PRG (wobei dort allerdings nur die Zulassung als Einzelanbieter ausgeschlossen, die Beteiligung an eine~ Veranstaltergemeinschaft ohne beherrschenden Einfluß auf diese aber mangels entgegenstehender Bestimmung zulässig sein soll, VG Weimar AfP 1993, 515, 517). 167 163
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keitsverbot!7! ZU lösen, doch werden solchennaßen verbotene Abhängigkeiten in der Praxis schwer aufzudecken sein. Neben oder an Stelle solcher globalen Regelungen enthalten einige Gesetze noch spezielle Beschränkungen für die Beteiligung von Gebietskörperschaften, deren gesetzliche Vertreter und leitende Bedienstete. Nach manchen Gesetzen sind sie von der Veranstaltung privaten Rundfunks gänzlich ausgeschlossen l12 oder dürfen nur kulturelle Veranstaltungen anbieten!73, anderswo ist der Umfang der Beteiligung in der einen oder anderen Fonn gesetzlich begrenzt!74. Die Verfassungsrechtsprechung hat die entsprechenden Regelungen in Nordrhein-Westfalen und Bayern gebilligt!75, vernachlässigt jedoch, ähnlich wie bei der Zusammensetzung der Gremien der Landesmedienanstalten, auch hier weitergehende finanzielle und infonnelle Einfluß- und gegebenenfalls gar Einschüchterungsmöglichkeiten, wie sie auch von einer Minderheitsbeteiligung ausgehen können. Daher sollte jegliche Beteiligung der Kommunen an Ver-
171 Ersteres in § 8 Abs. 4 Nr. 6 BremLMG; § 5 Abs. 2 Nr. 6 LRG NW; letzteres gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 6 Schl.-H.LRG; beides in §§ 7 Abs. 3 Nr. I, 8, Abs. 2 S. 3, Abs. 6 Nieders.LRG (25%-Grenze). 172 Vgl. im einzelnen § 25 Abs. 2 Nr. I u. 2 Ba.-Wü.LMedienG; § 7 Abs. 3 Nr. 5 Nieders.LRG; § 6 Abs. 2 Rh.-Pf.LRG. 173 Vgl. Art. 26 Abs. I S. 2 u. 3 Bay.MG. 174 Im Saarland gestattet § 50 Abs. 2 Nr. I Saarl.LRG den Gebietskörperschaften anscheinend eine Beteiligung von bis zu 50% an einem Rundfunkunternehmen, womit allerdings § 52 Abs. 3 S. I Saarl.LRG schwer in Einklang zu bringen ist. In Nordrhein-Westfalen steht den Gemeinden ein entsprechendes Beteiligungsrecht an der Betriebsgesellschaft sowie die Entsendung eines Vertreters in die Veranstaltergemeinschaft zu (§§ 29 Abs. 6, 26 Abs. I Nr. 4 LRG NW). In Bayern dürfen sich die Gemeinden an den programmorganisatorische Aufgaben besitzenden Medienbetriebsgesellschaften "angemessen", jedoch höchstens mit 1/3 der Kapital- oder Stimmrechtsanteile beteiligen [Art. 23 Abs. 3 Nr. I Bay.MG. Die "Begründung Bayern" (§ I, Fn. 13) zu Art. 22 MEG a.F. - abgedruckt bei BaueriDeljeniMliller-RömerIPosewang, Die neuen Medien, 17.2.3. S. 18 - rechtfertigt diese Regelung wenig überzeugend mit Verweis auf die kommunale Selbstverwaltungsgarantie.]. 17l Die nordrhein-westfälischen Regelungen hat das Bundesverfassungsgericht mit der Erwägung gerechtfertigt, es handele sich jeweils um eine bloße Minderheitsbeteiligung. Bei der Veranstaltergemeinschaft entspreche sie vergleichbaren und verfassungsrechtlich ebenfalls unbedenklichen Regelungen fiir die Rundfunkräte, während die Betriebsgesellschaft ohnehin keinen Einfluß auf das Programm nehmen dürfe. Zudem werde so bei der Betriebsgesellschaft ein öffentIich-gemeinwirtschaftliches Gegengewicht zur Pressebeteiligung geschaffen (BVerfGE 83, 238, 330 f. - NRW-Urteil; ähnlich zuvor bereits Stock, Neues Privatrundfunkrecht, S. 47 f. u. 78 ff., der dabei auch die Parallele zu den bayerischen Kabelgesellschaften zieht). Der bayerische Verfassungsgerichthof verweist auf "besondere Kenntnisse (der Kommunen) der lokalen Gegebenheiten" sowie deren "Verwaltungserfahrungen" und erklärte die Bestimmungen deshalb fiir der Bayerischen Verfassung gemäß, sofern der Anteil der kommunalen Vertreter ein Drittel nicht übersteigt (BayVerfGH BayVBL 1987, 110, 114).
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§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung
anstaltem oder Financiers privaten Rundfunks als Verstoß gegen die Staatsfreiheit angesehen werden 176 , Weitere konkrete Ausschlußtatbestände finden sich in manchen Landesmediengesetzen für Einzelpersonen, die in einer besonders engen Beziehung zum Staat stehen, so Regierungs- und ParlamentsmitgliederIn, teilweise sogar sämtliche im öffentlichen Dienst hauptamtlich beschäftigte Personen178 , (bb) Beschränkungen zur Sicherung der Parteienfeme Der gefährlichste Staatseinfluß im weiteren Sinne droht dem privaten nicht anders als dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk durch die politischen Parteien, die, wenngleich formal der gesellschaftlichen Sphäre zuzuordnen, doch eng mit dem Staat verflochten sind, jedenfalls soweit es sich um aktuelle oder potentielle Regierungsparteien handelt, Daher enthalten fast alle Landesmediengesetze verfassungsrechtlich unbedenkliche 179 Bestimmungen, nach denen politische Parteien und Wählergruppen nicht als Rundfunkveranstalter oder Mitglieder einer Veranstaltergemeinschaft zugelassen werden dürfen l80 , Eine entspre-
176 Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 108 f.; Degenhart BK Art. 5 Abs. I u. 2 GG Rn. 667; etwas großzügiger Stender-Vorwachs, Staatsferne und Gruppenferne, S. 198 ff., vgl. zum Entwurf des LRG NW auch Grawert AfP 1986,277,281. 177 § 25 Abs. 2 Nr. 3 Ba.-Wü.LMedienG: § 5 Abs. 2 Nr. 3 Hess.PRG; § 9 Abs. 2 Nr. 3 RG Meckl.-Vorp.; § 7 Abs. 3 Nr. 2 Nieders.LRG; § 50 Abs. 2 Nr. 2 SaarI.LRG; § 6 Abs. 2 Nr. 3 Thür.PRG; ausdrücklich auch auf eine Mitgliedschaft in einer Veranstaltergemeinschaft bezogen nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 Schl.-H.LRG. Nur Regierungsmitglieder sind als Mitglied einer Veranstaltergemeinschaft ausgeschlossen nach § 8 Abs. 4 Nr. 5 BremLMG sowie § 5 Abs. 2 Nr. 3 LRG NW, im lokalen Bereich iVm § 5 Abs. 2 Nr. 3 LRG NW. 17. § 7 Abs. I Nr. 4 Nieders.LRG; § 5 Abs. I Nr. 4 GPR Sachs.-A. 179 BVerfGE 73, 118, 190. Die gegen einen Ausschluß der politischen Parteien vorgebrachten Bedenken (etwa Bethge, Rundfunkfreiheit, S. 36 ff.; Ricker, Privatrundfunkgesetze, S. 53 ff.; Stender-Vorwachs, Staatsferne und Gruppenferne, S. 194 f.) stellen zu formal darauf ab, daß die Parteien theoretisch dem Bereich der Gesellschaft zugehören. Eine Differenzierung danach, ob Parteivertreter als Amtsträger auf den Meinungsbildungsprozeß Einfluß nehmen oder dies außerhalb ihrer amtlichen Funktion als Parteigänger tun (so Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 106 ff., insbes. S. 107) erscheint ebenfalls wirklichkeitsfremd. Auch eine Ausnahme für (kleinere) Oppositionsparteien scheiterte wohl daran, daß sich der Einfluß von Parteien auf die Regierungen schnell ändern kann. IBO Art. 26 Abs. 3 S. 1 Bay.MG; § 29 Abs. 3 Berlin-Brandenb.StaatV; § 8 Abs. 4 Nr. 4 u. 6 BremLMG; § 17 Abs. 1 S. 2 HmbMedienG, im lokalen Bereich iVm § 33 HmbMedienG; § 5 Abs. 2 Nr. 4 Hess.LRG; § 5 Abs. 2 Nr. 4 u. 6 LRG NW; § 9 Abs. 2 Nr. 4 RG Meckl.-Vorp.; § 7 Abs. 3 Nr. 3 Nieders.LRG; § 50 Abs. 2 Nr. 3 SaarI.LRG; § 6 Abs. 3 Nr. 2 Sächs.PRG; § 5 Abs. 1 S. 2 GPR Sachs.-A.; § 7 Abs. 3 Nr. 4 u. 6 Schl.-H.LRG; § 6 Abs. 2 Nr. 4 Thür.PRG (die indirekte Beteiligung über eine Beteiligung an einem Gesellschafter der Veranstaltergemeinschaft
11. Der Ablauf des Zulassungsverfahrens
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chende Vorschrift fehlt nur in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Parteipolitisch festgelegte Antragsteller werden jedoch meist ein parteipolitisch einseitiges Programm und damit eine Gefahr für die auch nach diesen Gesetzen zu gewährleistende Meinungsvielfalt l81 befürchten lassen. Das Fehlen eines ausdrücklichen Ausschlußtatbestandes in diesen Ländern fällt demnach praktisch nicht so sehr ins Gewicht. Größere Schwierigkeiten bereitet es auch hier, mittelbaren und erst recht informellen parteipolitischen Abhängigkeiten von Rundfunkveranstaltern vorzubeugen. Viele der genannten Bestimmungen enthalten zwar, teils unter Verweis auf § 17 AktG, entsprechende Abhängigkeitsverbote1 82 ; im übrigen führten solche Abhängigkeiten regelmäßig zu einer unzulässigen Verkürzung der Meinungsvielfalt. Dieses rechtliche Instrumentarium kann jedoch erst greifen, wenn es gelingt, entsprechende Abhängigkeiten aufzudecken und nachzuweisen. (ce) Beschränkungen der Beteiligung des öffentlich-rechtlichen am privaten Rundfunk Ging es bei den zuvor erörterten Ausschlußtatbeständen um die Sicherung der Staatsfreiheit des Rundfunks, so ist eine Beteiligung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an privaten Veranstaltern unter anderen Gesichtspunkten bedenklich. Zum einen droht eine Wettbewerbsverzerrung, wenn im dualen Rundfunksystem nicht beide Seiten ähnlich den Tarifparteien "gegnerfrei" organisiert sind. Allerdings ist Modellkonsistenz von Verfassungs wegen nicht gefordert, der Landesgesetzgeber darf im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit auch öffentlich-rechtliche und private Modelle mischen, solange privater
soll dagegen mangels einer Ausschlußklausel zulässig sein, wenn sie nur marginal ist und daher keinen beherrschenden Einfluß befürchten lässt, VG Weimar Atp 1993,515,517). 181 Dies gilt selbst dann, wenn außenplurale Vielfalt angestrebt wird, wie sie beiden Gesetzen als Leitbild zugrunde liegt. Ein einzelnes in hohem Maße einseitiges Programm (was in Rheinland-Pfalz ohnedies nach § 12 Abs. 5 LRG unzulässig wäre) läßt sich nämlich durch andere nur maßvoll unausgewogene Programme kaum kompensieren (dies vernachlässigt Bethge, Rundfunkfreiheit und privater Rundfunk, S. 38 f.). Erst recht chancenlos wären parteipolitisch geprägte Programme bei gefordertem Binnenpluralismus, der gesetzestechnisch zwar nur als Auffanglösung vorgesehen ist, praktisch aber den Regelfall bildet. Zu den Bestimmungen über die Meinungsvielfalt siehe im einzelnen unten e). 182 Ausdrückliche Abhängigkeitsverbote fehlen nur in Bayern, Hamburg und Hessen. § 17 AktG nehmen Berlin-Brandenburg, Bremen und Nordrhein-Westfalen in Bezug. Zum Nachweis der einzelnen Vorschriften siehe oben Fußnote 180.
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Rundfunk dadurch nicht in hohem Maße erschwert oder unmöglich gemacht wird 183 • Jedenfalls muß aber verhindert werden, daß sich öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten ihrer spezifischen gesetzlichen Bindungen dadurch entledigen, daß sie sich am privaten Rundfunkgeschäft beteiligen und dies durch Rundfunkgebühren finanzieren, die sie gerade wegen ihrer besonderen gesetzlichen Verpflichtungen erhalten. Das Bundesverfassungsgericht hat daher zu Recht gefordert, daß die Verantwortungsbereiche bei einer Beteiligung öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter, wie etwa der des WDR am HörfunkMantelprogramm in Nordrhein-Westfalen, eindeutig und transparent voneinander abgegrenzt werden müssen l84 • Dieses Abgrenzungsgebot hat bisher nur in § 19 Abs. 5 BremLMG Eingang gefunden. In den übrigen Gesetzen finden sich unterschiedlich weitgehende Ausschlußtatbestände185 oder quantitative Beteiligungsbeschränkungen186 ,
Vgl. BVerfGE 83, 238, 306. BVerfGE 83,238,305 fT., insbes. 309. Zustimmend Stock MP 1991, 133, 138 f., der aaO. S. 139 mit Fn. 41 auch den sich daraus fiir Nordrhein-Westfalen ergebenden Handlungsbedarf aufzeigt; insoweit zwar ebenfalls zustimmend, gleichzeitig aber die praktische Wirksamkeit dieser Restriktion bezweifelnd Degenhart DVBI 1991, 510, 516 f.; angemessen kritische Analyse der WDR-Beteiligung an "Radio-NRW" bei Ricker ZUM 1993,219. Das BVerfG hat aaO. letztlich unter Hinweis auf die gemäß § 6 Abs. 2 LRG NW ausdrücklich fortbestehenden Bindungen des WDR die nordrhein-westfälischen Regelungen gebilligt; dagegen sah etwa Grawert, AfP 1986, 277, 281 ff. durch die nordrhein-westfälischen Regelungen einen "system- und verfassungswidrigen Mischkomplex" begründet. 185 Vgl. im einzelnen § 25 Abs. 2 Nr. 4 u. 5 Ba.-Wü.LMedienG; § 9 Abs. 2 Nr. 5 u. 6 RG Meckl.-Vorp.; § 6 Abs. 2 Rh.-Pf.LRG; § 6 Abs. 3 Nr. 3 iVm Abs. I Sächs.PRG; § 7 Abs. 3 Nr. 5 Schl.-H.LRG; § 6 Abs. 2 Nr. 6 u. 7 Thür.PRG, wobei dort eine möglicherweise zukunftsweisende Ausnahme für Programme mit internationalem Zuschnitt und Beteiligung zu beachten ist. Ausgeschlossen sind auch gesetzliche Vertreter und Mitglieder der Organe von Rundfunkanstalten, oftmals auch deren (leitende) Bedienstete. Sämtliche Bedienstete sind ausgeschlossen in Bayern (vgl. Art. 24 Abs. 5 Bay.MG), Baden-Württemberg, Hessen, Sachsen, Meckl.-Vorp, NRW, Thüringen und Bremen, leitende Bedienstete im Saarland, Rheinland-Pfalz (Nachweise siehe oben und in der folgenden Fußnote). 186 Maximal 25% Beteiligung: §§ 50 Abs. 2 Nr. 5, 52 Abs. 3 Saarl.LRG (wobei § 3 Abs. 4 Saarl.LRG noch einmal klarstellt, daß die besonderen Bindungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch bei einer Kooperation mit privaten Veranstaltern aufrechterhalten bleiben); maximal 1/3 Beteiligung: § 5 Abs. 2 Nr. 5 u. 6 Hess.PRG; § 7 Abs. 3 Nr. 6 Nieders.LRG; §§ 5 Abs. 2 Nr. 5, 6 Abs. 4 LRG NW, im lokalen Bereich abweichend vollständiger Ausschluß gemäß § 26 Abs. 7 Nr. 3 iVm § 5 Abs. 2 Nr. 5 LRG NW; §§ 8 Abs. 4 Nr. 7,9 Abs. 3 S. I BremLMG, wobei allerdings nach S. 2 der letztgenannten Vorschrift eine sonstige Zusammenarbeit einschließlich gemeinsamer Programmgestaltung ohne Beteiligung unbeschränkt zulässig ist. Dagegen gibt es in Bayern anscheinend keine Beschränkung mehr, da die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten "nicht einer Fachaufsicht ... unterliegen" und somit von Art. 26 Abs. 1 Nr. 4 Bay.MG erfaßt sind. IR3
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die meist das Ziel gleicher Wettbewerbschancen und der Gewährleistung von Modellkonsistenz verfolgen187 • Schließlich versucht man oftmals auch hier, mittelbare Beteiligungen und sonstige erhebliche Einflußmöglichkeiten mit zu erfassen 188 • Wenn Beteiligungsbeschränkungen im Privatrundfunkrecht fehlen, stellt sich immer noch die Frage, ob der jeweilige Staatsvertrag oder das Gesetz für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine solche Beteiligung zuläßt. In Hamburg, dessen Landesmediengesetze keine entsprechende Regelung enthält, wäre eine Beteiligung des NDR wohl aufgrund von § 10 NDR-StaatsV möglich, während etwa für Berlin eine Ermächtigung des SFB zur Beteiligung fehlt. (dd) Konzentrationsbeschränkungen Konzentrationstendenzen innerhalb des privaten Rundfunks (intramediär), aber auch medienübergreifende Verflechtungen von Presse und privatem Rundfunk (intermediär) stellen eines der größten Probleme des privaten Rundfunks dar. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen verpflichtet, der damit verbundenen Gefahr des Entstehens vorherrschender Meinungsmacht vorbeugend wirksam entgegenzutreten, da Fehlentwicklungen gerade in diesem Bereich nachträglich kaum korrigierbar sind 189 • Alle Landesmediengesetze und der Rundfunkstaatsvertrag enthalten daher ausführliche Konzentrationsbeschränkungen, deren Umfang mit jeder Novellierung als Reaktion auf praktische Probleme und Umgehungsmöglichkeiten weiter anwächst 190. Schließlich ist auch noch das Kartellrecht zu beachten. Auf europäischer Ebene werden ebenfalls
187 So allgemein Grundmann, Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, S. 31 ff., insbes. S. 32; vgl. im einzelnen etwa die "Begründung Ba.-Wü. a.F." (§ 2, Fn. 87) zu § 23 a.F. (abgedruckt bei Bullinger/Go·del, § 23 LMedienG) und die "Begründung Thüringen" zu § 6 (§ 2, Fn. 48, aaO. S. 247, 255); dagegen stellt die Kommentierung BullingerlGödel § 23 LMedienG Rn. 5 auf die Gefabr ab, daß ansonsten die gesetzlichen Bindungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unterlaufen werden könnten; ähnlich auch A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 185. 188 In Baden-Württemberg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommem, Sachsen und Thüringen; Nachweise siehe oben in Fußnote 189. 189 So BVerfGE 73, 118, 172 f.; allgemein bereits BVerfGE 57,295,323; auf diese Rechtsprechung nimmt etwa auch die Begründung zum neuen Rundfunkstaatsvertrag zu § 21 (abgedruckt etwa in Ba.-Wü.LT-Drucks. 10/5930, S. 74 f.) Bezug. 190 Symptomatisch etwa der Vergleich zwischen dem alten und neuen Rundfunkstaatsvertrag, wo die Regelungen zur Konzentrationsbeschränkung in § 21 Abs. 1 bis 5 RuStaV 1991 (dazu, die Verworrenheit der Regelung illustrierend, Platho ZUM 1993, 278) gegenüber Art. 8 Abs. 5 RuStaV 1987 auf etwa den vierfachen (!) Umfang angewachsen sind.
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§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung
Maßnahmen zur Eindämmung der Medienkonzentration erwogen, ohne jedoch wesentlich neue Ansätze zu bringen l91 • (1) Zur Eindämmung intramediärer Konzentration enthalten alle Gesetze ein
verfassungsrechtlich gefordertes l92 Verbot mehrfacher Programmträgerschaft, so daß ein Veranstalter nur jeweils ein Voll- und ein Spartenprogramm injeder Programmart (Rundfunk und Fernsehen) veranstalten darf. Davon erfaßt werden nicht nur im jeweiligen Verbreitungsgebiet zugelassene, sondern auch dort weiterverbreitete oder ortsüblich empfangbare Programme 193. Die neueren Vorschriften stellen dabei Spartenprogramme mit Schwerpunkt Information Vollprogrammen gleich l94 , weil beide gleichermaßen meinungsrelevant sind. Im übrigen wird die Kummulation von einem Voll- und einem Spartenprogramm zugelassen, damit der Veranstalter mit einem kostengünstigen und besonders massenattraktiven Spartenprogramm (im Hörfunk vorzugsweise Musikprogramm) sein für die öffentliche Meinungsbildung wertvolleres, aber zugleich teures und weniger publikumswirksames Vollprogramm mitfinanzieren kann l95 • In Sachsen wird schließlich vom Verbot mehrfacher Programmveranstaltung noch eine Ausnahme gemacht, "wenn gewährleistet ist, daß der
191 Zu den Harmonisierungsbemühungen auf der Basis des Crünbuchs der EG-Kommission "Pluralismus und Medienkonzentration im Binnenmarkt" siehe bereits oben § I 11. I. Neu ist lediglich der Vorschlag, ein europäisches Gremium zur Kontrolle der Einhaltung von Konzentrationsbeschränkungen zu schaffen, das dem deutschen Ratsmodell entsprechend zusammengesetzt sein soll (vgl. Crünbuch, S. 113). 192 Vgl. BVerfGE 73, 118, 172. In der ursplÜnglichen Gesetzesfassung in Niedersachsen war gemäß § 5 Abs. 2 S. I Nieders.LRG einern Veranstalter neben je einern Vollprogramm eine unbegrenzte Zahl vorn Spartenprogrammen gestattet, was als verfassungswidrig verworfen wurde. 19] Im einzelnen vgl. §§ 25 Abs. 2 Nr. 6,22 Ba.-Wü.LMedienG; Art. 27 Abs. 6 Bay.MG; § 19 Abs. I HrnbMedienG, im lokalen Bereich § 34 Abs. I HrnbMedienG; §§ 5 Abs. 2 Nr. 7, 15 Abs. I Nr. I HessPRG; § 5 Abs. 2 GPR Sachs.-A.; §§ 17 Abs. I Nr. I, 6 Abs. 2 Nr. 8 Thür.PRG. Beschränkt auf Programme in deutscher Sprache: § 21 Abs. I RuStaV rur den bundesweiten Rundfunk und in Anlehnung daran § 10 Abs. I BremLMG; § 8 Abs. 2 Nieders.LRG; § 6a Abs. I LRG NW n. F.; § 13 Abs. I S. 2 Rh.-Pf.LRG; § 51 Abs. I u. 6 SaarI.LRG; etwas anders § 10 Abs. 3 RG Meckl.-Vorp.; § 8 Abs. 2 Schl.-H. LRG.; §§ 21, 22 Berlin-Brandenb.StaatsV . (dabei nach § 21 Abs. 2 weitergehende Beschränkungen für den Fall, daß Außenpluralität nicht erreicht wird). Zwingende Versagung der Zulassung nur, wenn das andere Programm nach dem Landesmediengesetz zugelassen oder ortsüblich empfangbar ist, Ausschluß dagegen im Ermessen, wenn das andere Programm in Sachsen nur weiterverbreitet oder über Satellit empfangbar ist: § 7 Abs. I SächS.PRG. 1" Vgl. § 21 Abs. I S. I RuStaV (bundesweiter Rundfunk) und in Anlehnung daran § 10 Abs. 1 BremLMG; § 8 Abs. 2 S. 2 Nieders.LRG; § 13 Abs. I S. I Rh.-Pf.LRG; § 51 Abs. I SaarI.LRG. Etwas anders § 21 Abs. I Berlin-Brandenb.StaatsV. 195 Instruktiv der Berliner Kabelrat, Zwischenbericht, S. 90 u. 100; Bullinger, FS Uiffler, S. 593, 594, 604 f. u. 607 f.
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Veranstalter keinen vorherrschenden oder in hohem Maße ungleichgewichtigen Einfluß" auf die Meinungsbildung erhält l96 • Anwendungsschwierigkeiten bereitet schon die Abgrenzung von Voll- und Spartenprogramm, bleibt doch offen, ab welchen Anteilen von "im wesentlichen gleichartigen (Programm)Inhalten" und damit von einem Spartenprogramm gesprochen werden muß 197 • Die entscheidenden Schwierigkeiten entstehen jedoch bei der Frage, wann Veranstalter als identisch im Sinne dieser Vorschriften anzusehen sind. Die Landesmediengesetze operieren dabei in einer an § 15 AktG angelehnten "Konzernklausel" mit den Begriffen von "abhängigen", "herrschenden" und "verbundenen Unternehmen". Ein einheitliches Unternehmen ist dabei nach einer Auffangklausel auch anzunehmen, wenn eines auf das andere einen "in sonstiger Weise beherrschenden Einfluß" ausüben kann198 • Zur Konkretisierung dieses höchstgradig unbestimmten Rechtsbegriffs werden vielfach bestimmte Beteiligungsgrenzen als nicht wesentlich eingestuft, die sich je nach Gesetz zwischen 1/4 und 1/10 bewegen l99 • In Schleswig-Holstein wird außerdem umgekehrt eine Beteiligung mit mehr als 1/2 der Kapital- und Stimmrechtsanteile als wesentlich fingiert (§ 8 Abs. 2 S. 4 Schl.-H.LRG). Regelmäßig auftauchende praktische Probleme wie die Überschneidung von Verbreitungsgebieten, Gesellschafterwechsel und insbesondere Programm-
§ 7 Abs. 3 Sächs.PRG; früher auch § 5 Abs. 3 Nieders.LRG a.F. Bei Anlegung eines strengen Maßstabes wären etwa zahlreiche als Vollprograrnme firmierende Hörfunkprograrnme, auch solche öffentlich-rechtlicher Anstalten, als Spartenprograrnme einzustufen; für eine "laufende Überprüfung" der "schwierig(en)" "Zuordnung" Bullinger FS Lerche, S. 593, 594 mit dortiger Fn. 3. Zur Einordnung des "Deutschen-Sportfemsehens" als Spartenprograrnm siehe VG Harnburg AfP 1993,513, ohne indes griffige Kriterien (etwa prozentuale Anteile der einzelnen Sparten) für die Abgrenzung zu entwickeln. 198 Vgl. im einzelnen § 21 Abs. I S. 3 u. 4, Abs. 5 RuStaV (bundesweiter Rundfunk); in Anlehnung daran § 10 Abs. I S. 3 u. 4, Abs. 5 BremLMG; § 8 Abs. 2 S. 3 u. 4, Abs. 5 u. 6 Nieders.LRG; § 6 a Abs. I S. 3 ff., Abs. 4 LRG NW; § 13 Abs. I S. 3 u. 4, Abs. 5 Rh.-Pf.LRG; § 51 Abs. I S. 3 u. 4, Abs. 5 SaarI.LRG. Insoweit gleich, aber etwas andere Gesarntregelung: § 22 Abs. 2 Ba.-Wü.LMedienG; Art. 27 Abs. 6 S. 3 BayMG; § 22 Abs. I S. 2 ff., Abs. 2 BerlinBrandenb. StaatsV; § 19 Abs. 5 HmbMedienG, im lokalen Bereich iVm § 34 Abs. 4 HmbMedienG; § 15 Abs. I Nr. 2 Hess.PRG; § 10 Abs. 3 S. 2 u. 3 RG Meckl.-Vorp.; § 7 Abs. 2 Sächs.PRG; § 5 Abs. 2 S. 3 GPR Sachs.-A.; § 8 Abs. 2 S. 2-4 Schl.-H.LRG; § 17 Abs. I Nr. 2 Thür.PRG. 199 Im einzelnen gelten folgende Anteile als nicht wesentlich: 1/10 des Stimmgewichts oder des Programms. teilweise auch der Anteils- und Mitgliedsrechte: § 22 Abs. 2 Ba.-Wü.LMedienG; § 15 Abs. I Nr. 2 Hess.PRG; § 17 Abs. I Nr. 2 Thür.PRG. 114 der Kapital- und Stimmrechtsanteile oder des Programms. sofern kein maßgeblicher Einfluß aus sonstigen Gründen: § 10 Abs. 3 S. 3 RG MeckI.Vorp.; § 6 Abs. 3 S. 4 LRG NW; § 8 Abs. 2 S. 3 Schl.-H.LRG. 196 197
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zulieferungen200 lassen sich allerdings mit der genannten Auffangklausel kaum befriedigend bewältigen. Auch immer detailliertere Gesetzesfassungen201 müssen angesichts der unerschöpflichen gesellschaftsrechtlichen und sonstigen vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten stets lückenhaft bleiben und der tatsächlichen Entwicklung hinterherhinken. Ein "Zurechnungsdurchgriff" auf weitere Normen des Wirtschaftsrechts zur Konkretisierung der obigen AuffangklauseI202 , wie ihn bereits der Verweis auf § 15 AktG nahelegt, ist zwar dogmatisch überzeugend, vermag aber ebenfalls nicht zu helfen, wenn es darum geht, undurchsichtige Verflechtungs-Sachverhalte erst einmal aufzuklären. Ungenügende Transparenz der Beteiligungsverhältnisse wird auch von der EG-Kommission beklagt203 • Deshalb scheint sich eine gesetzliche Erweiterung der Befugnisse der Landesmedienanstalten anzubieten, etwa in Anlehnung an § 46 GWB durch Einräumung des Rechts, auch vertrauliche geschäftliche Unterlagen einzusehen und gegebenenfalls mit Hilfe von Wirtschaftsprüfern zu bewerten. Wegen des zu gewährleistenden Geheimnisschutzes bliebe freilich die Gerichtsverwertbarkeit daraus gewonnener Erkenntnisse zweifelhaft. Gewisse Verbesserungen könnte am ehesten noch eine verschärfte Handhabung der Darlegungs- und Beweislast der Antragsteller bringen, so daß Zulassungsanträge schon abzulehnen wären, wenn noch irgendwelche Zweifel an der Einhaltung von Konzentrationsbeschränkungen verbleiben204 •
200 Vgl. zu diesen Problemen ausführlich unter besonderer Berücksichtigung von Baden-Württemberg und Bayern A. Huber, Öffentliches Medienrecht, S. 56 ff. m.w.N.; für Hamburg will Hoffmann-Riem, Hmb. Staats- u. VerwR, S. 470, 489, Programmzulieferung als "sonstigen Einfluß" gemäß § 19 Abs. 4 HmbMedienG bzw. - bei Zulieferung durch marktbeherrschende Zeitungsunternehmen - nach § 19 Abs. 2 S. 3 HmbMedienG werten. 201 Vgl. etwa die neuen Bestimmungen, insbesondere zur Programmzulieferung, in § 21 Abs. I S. 4 RuStaV - wörtlich übernommen in § 10 Abs. I S. 4 BremLMG; § 8 Abs. 2 S. 4 Nieders.LRG; § 6 a Abs. I S. 4 LRG NW; § 13 Abs. I S. 4 Rh.-Pf.LRG; § 51 Abs. I S. 4 Saarl.LRG -, die nach der amtlichen Begründung zu § 21 (abgedruckt etwa in Ba.-Wü.LT-Drucks. 10/5930, S. 74 f.) zwar die Auffangklausel durch Hervorhebung besonders typischer Abhängigkeitsverhältnisse konkretisieren sollen, aber nicht abschließend sind; detallierte ZulieferungsRegelungen finden sich ansonsten vor allem in der Neufassung von § 22 Abs. 3 Ba.-Wü.LMedienG, siehe dazu die "Begründung 2. Änderung Ba-Wü." (§ I, Fn. 11), LT.-Drucks. 10/5420 zu Nr. 13 - § 19 des Entwurfs, S. 55; für Berlin-Brandenburg findet sich eine knappere Regelung in § 22 Abs. I Nr. 2 StaatsV. Das Fehlen derartiger Regelungen in den übrigen neuen Bundesländern rügt Schuler-Harms, in: Das Rundfunkrecht der neuen Bundesländer, S. 59, 63. 202 Ausführlich A. Huber, Öffentliches Medienrecht, S. 68 ff., zusammenfassend S. 116 ff. 203 Allgemein Grünbuch, Anhang S. 3; speziell für Deutschland aaO. Anhang S. 30. 20. Ähnlich und gegen jeden Geheimnisschutz VGH München BayVBI 1993, 340, 343, aber auf der Basis der bayerischen Sondersituation; zum Ganzen von Wallenberg ZUM 1993, 276, 277 unter Hinweis auf eine Große Anfrage der SPD-Fraktion im Bundestag, BT-Drucks. 12/4622; eine Anlehnung an § 46 GWB wird auch im Grünbuch, Anhang S. 30, befürwortet. Der
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Für bundesweite Programme sowie in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz werden die genannten Bestimmungen dadurch ergänzt, daß jeder an einer Veranstaltergemeinschaft Beteiligte, auch wenn er nur an einem einzigen Veranstalter beteiligt ist, (grundsätzlich) nicht mehr als die Hälfte der Kapital- und Stimmrechtsanteile besitzen darf205. In SchleswigHolstein muß die Veranstaltergemeinschaft außerdem aus mindestens drei Beteiligten bestehen (§ 8 Abs. 1 S. 1 Schl.-H.LRG). In Bayern darf kein Gesellschafter ein Viertel oder mehr der Kapital- oder Stimmrechtsanteile an einer Medienbetriebsgesellschaft innehaben (Art. 23 Abs. 3 S. 2 Bay.MG). All die genannten Umsetzungsschwierigkeiten haben mit dazu beigetragen, daß wohl fast alle privaten Fernsehsender entweder vom Medienkonzern Bertelsmann oder häufiger noch vom MÜDchener Filmhändler Leo Kirch mehr oder minder wirtschaftlich beherrscht werden206 • Immerhin sollen die Direktoren der Landesmedienanstalten Presseberichten zur Folge nunmehr zu schär-
weitere Vorschlag, das Instrument eidesstattlicher Versicherungen zu verwenden, ist nun verwirklicht in § 50 Abs. 4 S. 3 Saarl.LRG u. § 10 Abs. 3 S. I Nieders.LRG. 20S Vgl. § 21 Abs. 2 RuStaV - übernommen und auf landesweite Programme ausgedehnt in § 10 Abs. 2 BremLMG; § 8 Abs. 3 Nieders.LRG; § 6 a Abs. 2 LRG NW; § 13 Abs. 2 u. 6 Rh.Pf.-LRG; § 51 Abs. 2, Abi>. 6 Saarl.LRG -, wonach auch ein sonstiger beherrschender Einfluß eines Beteiligten auf die Veranstaltergemeinschaft ausgeschlossen sein muß; eine hälftige Beteiligung als starre Obergrenze sieht dagegen § 8 Abs. I S. 2 Schl.-H.LRG vor. 206 Verlässliche Angaben sind aus den angegebenen Gründen freilich schwer zu machen. Nach einer Aufstellung über die "Besitzverhältnisse bei den privaten Fernssehsendern" im SPIEGEL 4111992 vom 5.10.1992 ist Bertelsmann über die Vfa Film- und Fernseh-GmbH maßgeblich an RTL-Plus (38,9%), VOX (45%), RTL 2 (17,5%- nach Röper MP 1993, 56, 59 nun 7,9 %) sowie am Pay-TV-Sender Premiere (37,5%) beteiligt, Leo Kirch im Rahmen der Programmgesellschaft fiir Kabel- und Satellitenrundfunk an SAT 1 (43%), über Thomas Kirch an PRO 7 (48 %), am DSF (24,5 %), über die Pro 7 Television GmbH am Kabelkanal (45 %) und schließlich ebenfalls an Premiere (25 %). Ähnliche Zahlen liefern Heinrich MP 1992, 338, 350 (Tabelle 10, noch ohne Berücksichtigung von RTL 2) und noch detaillierter aufgegliedert Röper MP 1993,56,59 u. 64; fiir Kirch auch Vif Brychcy, Süddeutsche Zeitung v. 27/28.2.1993, S. 23. Der tatsächliche Einfluß dürfte freilich über die formalen Beteiligungsquoten hinausgehen, weil Bertelsmann seine Erfahrungen im Pressebereich sowie Leo Kirch seine Beherrschung des Spielfilmmarktes einsetzen können; vgl. dazu vor allem Heinrich MP 1992, 338, 348 ff. und zu Kirch Vif Brychcy, Süddeutsche Zeitung (SZ), aaO., aber etwa auch die umfangreiche Berichterstattung in der SZ im Zusammenhang mit der Diskussion um die Rundfunkerlaubnis für DSF und VOX: Klaus Ott, SZ vom 19.12.1992, S. 20 ("So niedlich ist das Problem nicht") sowie I10na Marenbach, SZ vom 16.2.1993, S. 21 ("Nun trifft es auch Sat 1"); zum Einfluß von Leo Kirch außerdem etwa Klaus Ott, SZ vom 17.12.1992, S. 18 ("King Kirch"); ders., SZ vom 15.2.1993, S. 30 ("Fünfter TVKanal - wieder mit Kirch?"); ders. SZ v. 27/28.2.1993 ("Neue Dokumente über eine alte Beziehung"); zu Bertelsmann ders., SZ vom 10.2.1993, S. 23 ("Die magischen 24,9%").
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feren Kontrollen und gegebenenfalls Aussichtsrnaßnahmen entschlossen sein207 • Es bleibt abzuwarten, ob diese Bemühungen zu konkreten Ergebnissen führen oder im Zuge eines verschärften Wirtschafts-Standortwettbewerbs der Bundesländer und unterschiedlicher parteipolitischer Interessen bei der Förderung bestimmter Veranstalter08 wieder versanden. Ein vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im einstweiligen Rechtsschutz bestätigter Sendestopp für das "Deutsche Sportfemsehen" wurde zwar durch einstweilige Anordnung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes wieder suspendiert, doch ist in der Rundfunkrechtsprechung nun allgemein ein größeres Problembewußtsein für Fragen der Medienkonzentration zu beobachten209 • (2) Intermediären Verflechtungen zwischen Presse und Rundfunk suchen viele Landesmediengesetze dadurch zu begegnen, daß sie Obergrenzen für Pressebeteiligungen am privaten Rundfunk festlegen21O • Diese Vorschriften beziehen sich meist auf regionale und lokale Veranstalter, wo aufgrund zahlreicher EinZeitungs-Kreise die akute Gefahr publizistischer Doppelmonopole bestehen. Im landes- und bundesweiten Bereich erscheinen derartige Konzentrations-
207 Siehe die in der vorigen Fußnote nachgewiesenen Presse artikel, die insbesondere von Aktivitäten des Direktors der Berlin-Brandenburgischen Landesmedienanstalt, Hans Hege, sowie des Präsidenten der Bayerischen Landeszentrale, Wolf-Dieter Ring, berichten; außerdem etwa Ulf Brychcy, SZ v. 9.3.1993, S. 17 ("Düsseldorf erwägt, Sat I abzuschalten") 208 Vgl. Röper MP 1993, 56, 57; von Wallenberg ZUM 1993,276,278. Eine Beeinflussung der Zulassungsentscheidung vom "Deutschen Sportfernsehen" durch Standorterwägungen vermutet VGH München BayVBI 1993,340, 344, auch mit einer Rüge der bisher allgemein zu großzügigen Handhabung der Konzentrationsbeschränkungen. Die föderalistische Kontrolle wird aufgrund dieser Erfahrungen als ineffizient kritisiert im Grünbuch, Anhang S. 30 f. 209 BayVerfGH ZUM 1993,304 unter Aufhebung von VGH München BayVBI 1993,340 (dort S. 343 zum Einfluß von Leo Kirch); dazu von Wallenberg ZUM 1993, 276; vgl. auch VG Hamburg AfP 1993, 513 zum Widerruf der Zulassung bei Wandlung von Tele 5 zum Deutschen Sportfemsehen und zum Einfluß der Kirch-Gruppe siehe VG Halle AfP 1993,518,520. 2\0 Abgestellt wird zum einen darauf, ob ein Antragsteller bei Tageszeitungen im Landes- oder jeweiligen Verbreitungsgebiet eine marktbeherrschende Stellung innehat, in manchen Bundesländern werden statt dessen auch konkrete Marktanteile genannt. Solche Zeitungsunternehmen dürfen dann als Einzelanbieter gar nicht und in einer Veranstaltergemeinschaft nur zu bestimmten Obergrenzen als Rundfunkveranstalter zugelassen werden. Im einzelnen vgl. Art. 27 Abs. 7 S. 2 ff. Bay.MG (mit der Möglichkeit, auch verbreitungsgebietsüberschreitende Beschränkungen anzuordnen); § 24 Berlin-Brandenb.StaatsV; § 10 Abs. 5 BremLMG; § 19 Abs. 2 HmbMedienG, im lokalen Bereich iVm § 34 Abs. 2 u. 3 HmbMedienG; §§ 15 Abs. 1 Nr. 3, 16 Hess.PRG; §§ 8 Abs. 7, 22 Nieders.LRG; § 13 Abs. 7 Rh.-Pf.LRG; §§ 50 Abs. 2 Nr. 6, 52 Abs. 5 S. 1 Saarl.LRG; § 8 Abs. 2 Sächs.PRG; § 23 GPR Sachs.-A.; § 8 Abs. 3 Schl.-H.LRG; §§ 2 Abs. 2 Nr. 5, 17 Abs. 1 Nr. 3, 18 Thür.PRG (zur Auslegung der Formulierung "wesentlicher Teil eines Verbreitungsgebiets" siehe VG Weimar AfP 1993,515,517). 211 BVerfGE 73, 118, 176 - Niedersachsen-Urteil; BVerfGE 83,238,324 - NRW-Urteil.
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beschränkungen angesichts einer begrenzten Vielfalt der überregionalen Presselandschaft verfassungsrechtlich (noch) entbehrlich212 • Manche Bundesländer beschränken sich dagegen auf zusätzliche binnenplurale Sicherungen bei Beteiligung marktbeherrschender Presseunternehmen2l3 • Andere verzichten gänzlich auf intermediäre Konzentrationsbeschränkungen214 , fordern in ihren Gesetzen teilweise sogar eine "professionelle" Programmgestaltung215 , was stets zu einem versteckten Presseprivileg zu werden droht, auch wenn diese Klausel in verfassungskonformer Auslegung nicht so gehandhabt werden dürfte2 16 • Das Spektrum der stark differierenden landesrechtlichen Regelungen spiegelt so immer noch ein wenig die die Startphase des privaten Rundfunks beherrschende politische Kontroverse über den Zugang der Presse zum privaten Rundfunk217 wider. Einerseits soll beherrschende multimediale Meinungsmacht verhindert, andererseits aber auch das publizistische know-how und insbesondere die Finanzkraft der Presseunternehmen genutzt werden, damit ein leistungs- und gegenüber dem öffentlichrechtlichen Rundfunk konkurrenzfähiger privater Sektor entsteht. Nicht zuletzt sollen eventuelle Verlagerungen des Werbeaufkommens vom Print- in den elektronischen Bereich durch ein Engagement der Presseunternehmen im Rundfunk kompensiert werden können, wobei manche Bundesländer die Presse vor
212 BVerfGE 73, 118, 176. Die Verflechtung zwischen Presse und bundesweitem Rundfunk ist freilich durch die Aufstockung der Beteiligung von Kirch am Springer-Konzern (nunmehr ca. 35%) deutlich gewachsen, dazu Röper MP 1993, 56, 60 ff.; SZ v. 9.3.1993, S. 32 ("Kirch hält nun mehr als ein Drittel der Springer-Aktien). Die deutschen Regelungslücken werden mit kritischer Tendenz auch im Grünbuch, Anhang S. 25, beschrieben. 213 So § 24 Abs. 4 Ba.-Wü.LMedienG, wonach dann ein Programmbeirat aus gesellschaftlich relevanten Kräften einzurichten ist; vgl. dazu, auch mit ausführlicher Schilderung der tatsächlichen Situation, den Bericht der Landesregierung zum Landesmediengesetz, S. 208 ff.; zur bei der Gesetzesnovellierung 1987 eingefügten, identischen Vorschrift § 22 Abs. 3 LMedienG a.F. siehe die "Begründung I. Änderung Ba.-Wü." (§ 2, Fn. 139), LT.-Drucks. 9/5076, Zu Nr. 13 § 22, S. 16. 214 So insbesondere ursprünglich Baden-Württemberg (zur Motivation ausführlich Bullinger/Gödel § 22 LMedienG (a.F.) Rn. 15 ff.); immer noch Mecklenburg-Vorpommern und RheinlandPfalz. 215 § 7 Abs. I S. 3 a.E. Nieders.LRG; § 6 Abs. I Nr. 3 GPR Sachs.-A.; näher dazu siehe unten d) (bb). 216 BVerfGE 73, 118, 193 ff. 217 Vgl. hierzu statt vieler einerseits Bullinger AÖR 108 (1983) 161, 181 ff., andererseits Hoffmann-Riem HdbVerfR S. 389, 430 ff. unter Berufung auf die Notwendigkeit "publizistischer Gewaltenteilung", die nach dem Niedersachsen-Urteil allerdings nur rechtspolitisches und kein verfassungsrechtliches Gewicht beanspruchen kann (BVerGE 73, 118, 175).
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derartigen Werbeverlusten auch noch durch ein weitgehendes Verbot lokalen Rundfunks zu schützen versuchen218 • Rechtlich bringt die Bewältigung intermediärer Verflechtungen ähnliche Probleme mit sich, wie sie bereits bei intramediären Konzentrationsbestimmungen erörtert wurden. Auch hier muß regelmäßig auf die Konzernklausel zuTÜckgegriffen219 und so anhand wenig aussagekräftiger Kriterien bei meist ungenügender Aufklärbarkeit des Sachverhalts beurteilt werden, ob ein Unternehmen auf das andere wesentlichen Einfluß nehmen kann. Wie sich die Vorschriften gegen intermediäre Konzentration letztlich praktisch bewähren, ist freilich schwer feststellbar, da der regionale und lokale Hörfunkmarkt angesichts der Fülle der Veranstalter und sich rasch wandelnder Verhältnisse besonders unübersichtlich ist. Immerhin wird von einer weiteren Zunahme des Presseengagements berichtet, so daß zum 30.6.1991 bei mehr als der Hälfte der Sender eine Mehrheitsbeteiligung von Presseunternehmen bestand220 • Einen Sonderweg verfolgt Nordrhein-Westfalen mit seinem bereits mehrfach angesprochenen Zwei-Säulen-Modell für den lokalen Privatfunk221 , das die Billigung des Bundesverfassungsgerichts gefunden hat222 • Die Idee der Verhinderung publizistischer Doppelmonopole bei gleichzeitiger Förderung des finanziellen Engagements der Lokalpresse im lokalen Rundfunk erscheint bestechend, zumal die oben geschilderten Schwierigkeiten bei dieser Lösung weitgehend entfallen. Es muß jedoch bezweifelt werden, ob die Trennung des publizistischen vom wirtschaftlichen Einfluß wirklich gelingen kann, zumal das
21' So früher § 12 S. 2 u. 3 Nieders.LRG a.F. (dazu BVerfGE 73, I 18, 177), abgeschwächt nun §§ 6 Abs. 2, 32 Abs. 8, 42 Abs. I Nieders.LRG n.F.; § 12 S. 2 u. 3 GPR Sachs.-A.; § 10 Abs. I RGMeckI.Vorp. 219 So ausdrücklich Art. 27 Abs. 7 S. 3 Bay.MG; § 19 Abs. 5 HmbMedienG, im lokalen Bereich iVm § 34 Abs. 2 u. 3 HmbMedienG; § 16 S. 2 u. 3 Hess.PRG; § 18 S. 2 u. 3 Thür.PRG. 220 Eine genaue Auflistung der Presse beteiligung an den einzelnen Sendern zum erwähnten Stichtag findet sich bei Jens MP 199 I, 570, 576 ff. Viele dieser Daten müssen aber als überholt gelten, zumal sie aus Baden-W ürttemberg noch aus der Zeit vor der Gesetzesnovellierung stammen. Nach Jens (aaO. S. 571) hielten bei 148 untersuchten Frequenzen bei 85 Sendern Presseverlage über 50% der Anteile, bei 28 Sendern betrug die Pressebeteiligung zwischen 25% und 50%, bei 8 Sendern bis zu 25%. 221 §§ 21 bis 26 LRG NW, dazu ausführlich Stock, Neues Privatrundfunkrecht, S. 37 ff.; Prodoehl MP 1987, 229 ff.; siehe auch oben § I, Fn. 14. Daten zur Presse beteiligung an den Betriebsgesellschaften und am landesweiten Rahmenprogramm Radio NRW (Stand: 30.6.1991) liefert Jens MP 1991,570,586 ff., resümierend S. 571. 222 BVerfDE 83, 238, 324 ff.; zustimmend Stock, MP 1991, 133, 141; ders. Jus 1992, 383, 384 ff.; für verfassungswidrig hielt das Zwei-Säulen-Modell dagegen etwa zuvor Grawert, AfP 1986, 277, 283 ff.
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Gesetz zur Sicherung der wirtschaftlichen Attraktivität eines Presseengagements selbst bereits Konzessionen wie etwa das Zustimmungserfordernis der BetriebsgeseIlschaft zur Bestellung des Chefredakteurs (§ 28 Abs. 2 LRG NW) enthält223 • (3) Angesichts der geschilderten Schwierigkeiten bei der Anwendung der medienrechtlichen intra- und intermediären Konzentrationsbeschränkungen wird vorgeschlagen, daneben224 oder sogar vorrangig22S das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen anzuwenden. Diese Auffassung hat sich in der oben bereits erwähnten226 und vom Bundesverfassungsgericht begrüßten227 Bestimmung mancher Landesmediengesetze niedergeschlagen228 , wonach die Einhaltung kartellrechtlicher Vorschriften auf Verlangen durch ein Anmeldeverfahren beim Bundeskartellamt nachzuweisen ist. Das wettbewerbsrechtliche Instrumentarium der Fusionskontrolle ist aber sowohl in Deutschland wie in der Europäischen Gemeinschaft auf Verhinderung wettbewerbsstörender wirtschaftlicher Übermacht zugeschnitten und versagt weitgehend, wenn es um die Sicherung von Meinungsvielfalt geht229 • Bundes- oder landesweite private 221 Vgl. zu diesen Problemen mit instruktiver Schilderung der Entstehungsgeschichte dieser Regelungen Stock, Neues Privatrundfunkrecht, S. 54 ff. sowie Hirsch RuF 1991, 173, 177 ff., wonach erste Erfahrungen für eine Dominanz der professioneller agierenden Betriebsgesellschaften gegenüber den ehrenamtlichen Mitgliedern der Veranstaltergemeinschaften sprechen. 224 Etwa Greiffenberg, in: Offene Rundfunkordnung, S. 311, 328 f; Oppermann ZUM 1990, 376,379 ff; Paschke ZUM 1990,209,217; Stockmann AfP 1989,634 ff.; für eine Aufgabenteilung, bei der die Kontrolle des wirtschaftlichen Wettbewerbs durch das Kartellamt mit den Mitteln des GWB, die des publizistischen Wettbewerbs durch die Landesmedienanstalten mittels Medienrechts erfolgt, von Wallenberg ZUM 1992,387,392 f Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, insbes. S. 53, will das Kartellrecht zwar grundsätzlich anwenden, aber dort zurücktreten lassen, wo es zum Konflikt mit landesrundfunkrechtlichen Normen kommt. 225 Gmach WuWIE LG/AG, 661 ff. unter Verweis auf Art. 74 Nr. 11 u. Nr. 16 GG, wobei die Vorschriften des GWB freilich im Lichte des Art. 5 Abs. I S. 2 GG anzuwenden seien. 226 Oben III. 4., Nachweise der Gesetzesstellen in Fn. 151. 227 BVerfGE 73, 118, 174, dort zu § 5 Nieders.LRG a.F. 228 Diese Bezugnahme soll die Verflechtungsproblematik nicht ausschließlich in den Bereich des Wirtschaftsrechts verlagern, sondern soll lediglich helfen, auch Bedenken aus anderen Bereichen bei der medienrechtlichen Beurteilung berücksichtigen zu können, vgl. Hoffmann-Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, S. 52; exemplarisch auch die "Begründung Hamburg" (§ 2, Fn. 111) zu § 20 (abgedruckt bei BauerlDetjenlMüller-Riimer/Posewang, Die neuen Medien, 17.5.3., S. 14 f). 229 Stock, in: Rundfunk im Wettbewerbsrecht, S. 33, insbes. S. 62 f; Bullinger AÖR 108 (1983), 161,205 ff.; ders. AfP 1983,319,326 verweist dabei auf die grundgesetzliche Kompetenzordnung, wonach eine Bundeskompetenz nur für das Recht der Wirtschaft besteht (Art. 74 Nr. II GG), während vielfaltssichernde Konzentrationsbeschränkungen nach Art. 70 Abs. I GG dem Landesgesetzgeber obliegen. Jarass, Kartellrecht und Landesrundfunkrecht, insbes. S. 38 ff, will den Kompetenzkonflikt mittels des Grundsatzes des "bundes freundlichen Verhaltens" als
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Rundfunkveranstalter können angesichts der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz nicht als marktbeherrschend gemäß § 24 Abs. 1 GWB angesehen werden. Gr"avierende Defizite bei der Meinungsvielfalt durch Konzentration im privaten Rundfunk können dagegen durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht kompensiert werden230 • Regionale oder lokale private Veranstalter mögen zwar in ihrem Bereich marktbeherrschend sein, erreichen jedoch kaum den Mindestumsatz von 500 Millionen DM, den § 23 Abs. 2 GWB voraussetzt. Für die europäische Ebene gilt entsprechendes. Gefahren für die Meinungsvielfalt können jedoch schon unterhalb dieser Umsatzschwellen entstehen. Die Konzentrationstendenzen einzudämmen und das gravierende Vollzugsdefizit abzubauen, ist eine entscheidende Bewährungsprobe für die Rundfunkrechtsordnung. Aus prozessualer Sicht stellt sich mit besonderer Schärfe die Frage, ob dies eher mit Hilfe der Gerichte, also mit verschärfter gerichtlicher Kontrolle der Zulassungsentscheidungen, oder durch Stärkung der Eigenverantwortung der Landesmedienanstalten mittels Ermessens- oder Beurteilungsspielräumen gelingen kann. Aus Sicht des geltenden Rechts soll diese Frage im dritten Teil der vorliegenden Arbeit aufgegriffen werden. (ee) Zugangsrecht bestimmter Gruppen Manche Landesmediengesetze und Staatsverträge enthalten über Ausschlußtatbestände hinaus Zugangs- oder Beteiligungsrechte für Interessenten aus dem kulturellen Bereich, teilweise auch für gemeinnützige Organisationen. In manchen Gesetzen wird eine Beteiligung solcher Gruppen an Veranstaltergemeinschaften angestrebt, wobei allerdings ein Rechtsanspruch auf Beteiligung regelmäßig ausgeschlossen ist231 • Aufgrund des fehlenden Rechtsanspruchs
Kompetenzschranke zugunsten des Landesrechts lösen. Hoffmann-Riem, Erosionen des Rundfunkrechts, S. 58 ff. kritisiert zu Recht auch die im Ausweichen auf das Wirtschaftsrecht zum Ausdruck kommende Tendenz, Rundfunk immer mehr als Wirtschaftsgut wie andere zu betrachten und seine meinungsbildende Funktion zu vernachlässigen; vgl. im übrigen zum folgenden und näher zu den Schwierigkeiten bei der Anwendung der kartellrechtlichen Vorschriften auf den Rundfunk A. Huber, Öffentliches Medienrecht, S. 20 ff. m.w.N. Zu den gleichen Problemen auf europäischer Ebene bei Anwendung von Art. 85,86 EWGV iVm der Verordnung über Konzentrationsvorgänge v. 21.12.1989 siehe das Grünbuch, S. 83 f. 230 BVerfGE 57,295,324 - FRAG-Urteil; BVerfGE 73, 118, 159 - Niedersachsen-Urteil. 23\ §§ 20 Abs. 5, 22 Abs. 1 RuStaV (dort ausdrücklich ohne Rechtsanspruch, zur Auslegung dieser Bestimmung von Wallenberg ZUM 1992,387,388 f.); § 9 Abs. 2 BremLMG; § 18 Abs. 2 S. 1 u. 2 HmbMedienG; § 9 Abs. 1 S. 3 u. 4 Nieders.LRG; § 6 Abs. 1 S. 3 LRG NW; § 12 Abs. 7 Rh.Pf.LRG. Auch für gemeinnützige Organisationen: § 8 Abs. 1 S. 3 u 4 Schl.-H.LRG
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haben diese Bestimmungen in der Praxis bisher wenig Bedeutung gewonnen, obwohl einer Veranstaltergemeinschaft eigentlich die Zulassung verweigert werden dürfte, wenn sie entsprechende zumutbare Beteiligungswünsche nicht erfüllt232 . Andere Vorschriften sehen zwar keine Beteiligung an privaten Veranstaltern, aber die Einräumung von Sendezeiten vor, besonders ausgeprägt in dem für "Bürgerfunk" zur Verfügung zu stellenden 15%igen Anteil an der Sendezeit lokalen Rundfunks in Nordrhein-Westfalen233 • Den genannten Regelungen liegt die vom Bundesverfassungsgericht gebilligte234 Vorstellung zugrunde, man dürfe sich nicht mit rein "negativen" Sicherungen gegen die Gefahr vorherrschender Meinungsmacht begnügen, sondern müsse veranstalterbezogene Vielfalt positiv fördern. Gleichzeitig soll im Sinne spartenbezogener Vielfalt der kulturelle Programmanteil gestärkt werden235 , der sich sonst unter kommerziellen Gesichtspunkten besonders schwer behaupten kann. In den Bestimmungen über die Einräumung von Sendezeiten für externe, nicht in Veranstaltergemeinschaften organisierten Gruppen lebt zudem die emanzipatorische Idee des "Offenen Kanals"236 fort, der etwa in (ausdrücklich ohne Rechtsanspruch); § 52 Abs. 4 S. I Saarl.LRG (dort insgesamt mit einem Mindestanteil von 1/20 der wöchentlichen Sendezeit). Im lokalen Rundfunk in NordrheinWestfalen muß der Veranstaltergemeinschaft eine Person aus dem Bereich Kunst und Kultur angehören (§ 26 Abs. 3 S. I LRG NW); im lokalen Rundfunk in Hamburg darf eine Anbietergemeinschaft insgesamt nur gemeinnützige Zwecke verfolgen (§ 32 Abs. 2 HmbMedienG). 232 Zur Handhabung und Problematik dieser Bestimmung siehe ausführlich Hoffmann-RiemlZiethen, Rundfunkaufsicht Bd. I, S. 215, 261 ff.: Bewerber beschränkten sich auf allgemeine Absichtserklärungen, die erst für den Fall des Lizenzerwerbs konkretisiert werden sollten. Im übrigen wurden keine Beteiligungen, sondern lediglich programmliehe Zulieferungen in Aussicht gestellt. Wegen der mit Einbeziehung kultureller Interessenten verbundenen Einschränkung des eigenen Programmkonzepts beschränkten sich die Antragsteller auf eine - vom Gesetz nicht eindeutig ausgeschlossene - passive Haltung, zumal kaum kulturelle Gruppen an Beteiligungen interessiert waren. Ähnlich zusammenfassend, auch bezogen auf Fremdbeiträge gemeinnütziger Gruppen Ziethen, Rundfunkaufsicht Bd. 3, S. 59, 97 f. 23J § 24 Abs. 4 bis 7 LRG NW gewährt ein entsprechendes Senderecht für alle nicht-kommerziellen Gruppen, insbesondere allerdings solche mit kultureller Zielsetzung; zu den damit bisher gesammelten Erfahrungen RiegerlSchenkewitz MP 1993,325. Gemäß § 18 Abs. 3 S. 1 u. 2 HmbMedienG (eine vergleichbare Bestimmung in Bremen wurde gestrichen) ist für gemeinnützige Organisationen ein Anteil von höchstens 5% der wöchentlichen Sendezeit offenzuhalten. 234 Vgl. BVerfGE 83, 238, 328 f. - NRW-Urteil. 235 Zu beiden genannten Zielen vgl. etwa die "Begründung Hamburg" (§ 2, Fn. 111) zu § 18, abgedruckt bei BauerlDetjenlMüller-R(j'merIPosewang, Die neuen Medien, 17.5.3, S. 13 ("kulturell vielfältiges Programm (soll) durch eine angemessene Beteiligung entsprechender Interessenten erreicht werden") und Hoffmann-Riem, Hmb. Staats- u. VerwR, S. 470, 493. 236 Zu den damit verbundenen Chancen, aber auch dem hohen Risiko des Mißerfolgs und der Bedeutungslosigkeit vgl. Hoffmann-Riem, HdbVerfR, S. 389,438 f.; nach den ersten Erfahrungen wegen der geringen Resonanz eher skeptisch HellsterniReese, Rundfunkaufsicht Bd. 3,
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Baden-Württemberg ursprünglich auch als Vielfaltsausgleich für rein kommerziell ausgerichteten Privatfunk vorgesehen war 237 , als solcher aber vom Bundesverfassungsgericht verworfen wurde238 • c) Anforderungen zur Sicherung der Effektivität von Aufsichtsmaßnahmen
Das Rundfunkrecht muß gewährleisten, daß die Landesmedienanstalten die gesetzlichen Anforderungen zum Schutz der Rundfunkfreiheit notfalls im Aufsichtswege effektiv durchsetzen können. Neben dem Gebot einer dauerhaften und damit aufsichtsfreundlichen Rechtsform des Veranstalters müssen gewisse weitere Voraussetzungen erfüllt sein, damit stets ein handlungsfähiger Adressat für etwaige Aufsichtsrnaßnahmen erreichbar ist239 • Dazu fordern alle Gesetze in Übereinstimmung mit dem Bundesverfassungsgericht240 , daß der Antragsteller bzw. sein gesetzlicher oder satzungsmäßiger Vertreter unbeschränkt geschäftsfähig ist. Er muß seinen Wohnsitz, Sitz oder seine Niederlassung im Inland, nach manchen neueren Gesetzen im Hinblick auf die angestrebte europäische Einigung nur innerhalb der europäischen Gemeinschaft haben. Schließlich müssen Antragsteller bzw. Vertreter auch unbeschränkt gerichtlich verfolgbar sein, was fast alle Landesmediengesetze ausdrücklich fordern, sich im übrigen aber auch aus dem Zuverlässigkeitsgebot ergibt241 • Hierbei handelt es sich um einige der wenigen Vorschriften des
S. 3,44 f.; mit zwiespältigem Fazit die umfassenden empirischen Untersuchungen von Walendy MP 1993, 306 u. Heidinger/Schwab/WinterhojJ-Spurk MP 1993, 336. 237 § 22 Abs. 3 LMedienG idF vom 16.12.1985, dazu Bullinger/Gödel § 22 LMedienG Rn. \3 und. 15 a. E. 238 BVerfGE 74, 297, 330 mit der Erwägung, ein "Offener Kanal" garantiere keineswegs, daß darin auch die Vielfalt der Meinungen in vollem Umfang zum Ausdruck kommt. Ein gewichtigeres Argument dürfte darin bestehen, daß "Offene Kanäle" mangels durchgängigem publizistischem Konzept und mangelnder Profesionalität nicht genügend Resonanz finden, um eine ernsthaftes Gegengewicht zu kommerziellen Programmen zu bilden, vgl. dazu zusammenfassend etwa A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 196 ff. mit Hinweis auf die neuere Gesetzeslage. 239 Diese Motivation wird fiir die Forderung nach Wohnsitz oder Sitz im Inland deutlich in der Begründung der Landesregierung zu § 23 des Entwurfs des baden-württembergischen Landesmediengesetzes, abgedruckt bei Bullinger/Gödel, § 23 LMedienG; ähnlich die "Begründung Bayern" (§ I, Fn. 13) zu Art. 26 MEG a.F., abgedruckt bei Bauer/Detjen/Müller-Rämer/Posewang, Die neuen Medien, 17.2.3. S. 21 (damit "der einzelne Anbieter sich nicht dem verwaltungsrechtlichen oder strafrechtlichen Zugriff entziehen kann"). 240 BVerfGE 57, 295, 326 stellt ausdrücklich fest, daß die Geschäftsfähgkeit im Zulassungsverfahren überprüft werden darf (und wohl auch muß). 24\ Im einzelnen: § 25 Abs. 1 Nr. 1 u. 5 Ba.-Wü.LMedienG; § 29 Abs. 4 Nr. I u. 2 Berlin-
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privaten Rundfunkrechts, deren Auslegung und Anwendung kaum Schwierigkeiten bereiten dürfte.
d) Zuverlässigkeit Die Zuverlässigkeit der Bewerber gehört zu den Prüfungspunkten, um derentwillen ein Zulassungsverfahren verfassungsrechtlich geboten ist242 • (aa) Spezielle fundamentale Anforderungen Die Antragsteller bzw. ihre gesetzlichen oder satzungsgemäßen Vertreter dürfen keine Grundrechte, insbesondere nicht das Grundrecht der Meinungsfreiheit verwirkt und die Fähigkeit, öffentliche Amter zu bekleiden. nicht durch Richterspruch verloren haben243 • Erfüllen sie nicht einmal diese fundamen-
Brandenb.StaatsV (Niederlassung oder Sitz in der EG ausreichend); § 8 Abs. 2 Nr. I BremLMG; § 17 Abs. 2 Nr. I HmbMedienG, im lokalen Bereich iVm § 33 HmbMedienG; § 5 Abs. I Nr. I u. 2 Hess.PRG; § 9 Abs. I Nr. I u. 2 RGMeckl.-Vorp. (Sitz oder Niederlassung in der EG ausreichend); § 7 Abs. I S. I Nr. 4 u. S. 2, Abs. 2 Nr. 3 Nieders.LRG; § 5 Abs. I S. 4 Nr. I u. 2 LRG NW, im lokalen Bereich iVm § 26 Abs. 7 Nr. I LRG NW (ein lokaler Veranstalter muß seinen Sitz schon deshalb im Inland haben, weil nur ein eingetragener Verein zugelassen werden kann); § 6 Abs. I Nr. I e) u. Nr. 2 Rh.-Pf. (das Fehlen des Merkmals "unbeschränkt" bei der Geschäftsfähigkeit ist wohl ein Redaktionsversehen); § 50 Abs. I Nr. I u. 2 SaarI.LRG; § 6 Abs. 2 S. I Nr. I u. 2 Sächs.PRG; § 5 Abs. I Nr. 4, Abs. 4 S. I GPR Sachs.-A.; § 7 Abs. I S. 2, Abs. 2 Nr. I u. 2 Schl.-H.LRG; § 6 Abs. I S. I Nr. I u. 2 Thür.PRG. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes stand - jedenfalls vor Vollendung des EG-Binnenmarktes - dem Erfordernis einer Niederlassung im Inland (noch) nicht entgegen, vgl. EuGH NJW 1975, 1095; EuGH NJW 1985, 1275; dazu Bullinger/Gödel § 23 LMedienG Rn. 3. In Hinblick auf Art. 10 EMRK hält Engel, Privater Rundfunk, S. 237 f. es hingegen zu Recht für geboten, bei natürlichen Personen aus dem Ausland einen umfassend bevollmächtigten Repräsentanten mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland ausreichen zu lassen. In Bremen und Rheinland-Pfalz kann für die Forderung nach unbeschränkter gerichtlicher Verfolgbarkeit auf das Zuverlässigkeitsgebot gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 3 BremLMG bzw. § 6 Abs. I Nr. 3 Rh.-Pf.LRG zurückgegriffen werden, da bei fehlender oder beschränkter Verfolgbarkeit ein Anreiz zu gesetzeswidrigem Verhalten bestünde. 242 BVerfGE 57, 295, 326 - FRAG-Urteil. 243 Im einzelnen: § 25 Abs. I Nr. 2 u. 3 Ba.-Wü.LMedienG; § 8 Abs. 2 Nr. I BremLMG; § 17 Abs. 2 Nr. I HmbMedienG, im lokalen Bereich iVm § 33 HmbMedienG; § 5 Abs. I Nr. I Hess.PRG (für die Verwirkung zusätzlich das Verfahren gemäß § 33 Abs. 2 Nr. 3 des Gesetzes über den Hess. Staatsgerichtshof erwähnt); § 9 Abs. I Nr. I RG Meckl.-Vorp.; § 7 Abs. 2 Nr. I u. 2 Nieders.LRG; § 5 Abs. I S. 4 Nr. I LRG NW, im lokalen Bereich iVm § 26 Abs. 7 Nr. I LRG NW; § 50 Abs. I Nr. I SaarI.LRG; § 6 Abs. 2 S. I Nr. I u. 2 Sächs.PRG; § 7 Abs. 2 Nr. I Schl.-H.LRG; § 6 Abs. I S. I Nr. I Thür.PRG. Etwas anders in Sachsen-Anhalt (§ 5 Abs. 4 S. 2 GPR), wonach auch die Verwirkung anderer Grundrechte als demjenigen der Meinungsfreiheit
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talen Anforderungen, so hat sie der Gesetzgeber von vornherein als unzuverlässig eingestuft. Selbst wo dafür eine spezielle Vorschrift fehlt244 , müßte an der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen gezweifelt werden, so daß derartig vorbelastete Bewerber auch ohne Spezialregelung nach der allgemeinen Zuverlässigkeitsklausel245 nicht als Rundfunkveranstalter in Betracht kämen. Gleiches gilt für die zusätzliche, deklaratorische Forderung Baden-Württembergs, daß ein Antragsteller als Partei oder Vereinigung nicht verboten sein darf (§ 25 Abs. 1 Nr. 4 Ba.-Wü.LMedienG). Praktische Probleme waren mit diesen Anforderungen bisher nicht verbunden; sie sind bei diesen Vorschriften, die ohnehin Selbstverständliches zum Ausdruck bringen, auch nicht zu erwarten. (bb) Ausreichendes "know how" und Finanzkraft Nur derjenige kann zuverlässig seine Verpflichtungen als Rundfunkveranstalter erfüllen, der dazu überhaupt finanziell, technisch und organisatorisch in der Lage ist. Ehrgeizige journalistische Pläne, wie sie vielfach in für die Zulassungsgremien besonders l wohlklingenden Programmschemata zum Ausdruck kommen, scheitern in ihrer praktischen Verwirklichung vorrangig an der mangelnden Finanzkraft und weniger am fehlenden guten Willen der Veranstalter. Um dem vorzubeugen, enthalten die meisten Landesmediengesetze eine spezielle Bestimmung, wonach der Antragsteller "voraussichtlich in der Lage" sein bzw. "erwarten lassen" muß, daß er sein Vorhaben finanziell, technisch und organisatorisch antragsgemäß durchführen kann246 • Fehlt eine sol-
einer Zulassung entgegensteht und der Antragsteller bzw. sein Vertreter "das Recht nicht verloren haben (darf), in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu bestimmen"; letzteres auch in § 7 Abs. 2 Nr. I Nieders.LRG. 2" So in Bayern, Berlin-Brandenburg, Hamburg (dort fehlt eine Regelung nur hinsichtlich der Verwirkung von Grundrechten) und Rheinland-Pfalz. 245 Dazu siehe unten (ce). 246 Mit ausdrücklicher Hervorhebung des finanziellen Aspektes: § 6 Abs. 2 S. I Nr. 4 Sächs.PRG; § 5 Abs. 6 S. 2 GPR Sachs.-A. Geweils "wirtschaftliche in der Lage"); § 7 Abs. 2 Nr. I Nieders.LRG; § 6 Abs. I Nr. 4 Rh.-Pf.LRG Geweils "wirtschaftlich und organisatorisch in der Lage"); § 5 Abs. I S. 3 LRG NW ("wirtschaftlich und organisatorisch", dabei zusätzliches Abstellen auf "anerkannte journalistische Grundsätze"); § 10 Abs. 2 RG Meckl.-Vorp ("organisatorischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen"); § 26 Abs. I Nr. I Ba.-Wü.LMedienG ("finanziell und organisatorisch"); § 2 Abs. 5 Thür.PRG ("personell und finanziell"); § 29 Abs. 4 Nr. 3 Berlin-Brandenb.StaatsV ("die notwendigen finanziellen, technischen und organisatorischen Vorkehrungen"). Allgemein geforderte Fähigkeit des Antragstellers, sein Programm antragsgemäß gestalten zu können, ohne daß der finanzielle Aspekt ausdrücklich erwähnt würde: § 8 Abs. 3 BremLMG; § 17 Abs. 3 HmbMedienG, im lokalen Bereich iVm § 33 HmbMedienG;
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che spezielle Vorschrift247 , ist dies in gleicher Weise aufgrund der allgemeinen Zuverlässigkeitsklausel248 zu prüfen. Der Bewerber ist regelmäßig darlegungs- und gegebenenfalls auch, wenngleich eingeschränkt, beweispflichtig. Er muß das Vorliegen der genannten Voraussetzungen, meist unter Vorlage eines Finanzplanes, glaubhaft machen249 • Die Beurteilung der Finanzkraft eines Bewerbers gestaltet sich schwierig, weil sich die Landesmedienanstalt nicht mit einer Überprüfung der aktuellen finanziellen Lage begnügen darf, sondern auch eine Prognose für den gesamten Zulassungszeitraum anstellen muß. Da der Antragsteller betriebswirtschaftlich mit Werbeeinnahmen rechnet, der~n Umfang nicht zuletzt auch von der Akzeptanz des Programms durch die Rezipienten abhängt, muß die Prognose auch diesen Aspekt mit einbeziehen. Trotz dieser Schwierigkeiten kommt ökonomischen Fragen bei der Prüfung der allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen eine besonders hohe Bedeutung zu. Finanzielle Leistungsfcihigkeit dient als Anhaltspunkt für publizistische Potenz und er~cheint immer noch leichter verifizierbar als die höchst unbestimmten Vielfaltsanforderungen. Vor allem sehen die Landesmedienanstalten finanziell gesunde und erfolgreiche Veranstalter als Voraussetzung für den Erfolg des privaten Rundfunks im Wettbewerb mit dem öffentlich-rechtlichen Sektor und speziell für den Erfolg der einheimischen Veranstalter im Wettbewerb mit denen anderer Bundesländer an2SO. Erfolg in diesem Wettbewerb wird als
§ 50 Abs. 3 SaarI.LRG. Im lokalen Bereich in Nordrhein-Westfalen muß die Veranstaltergemeinschaft nachweisen, daß "die Betriebsgesellschaft wirtschaftlich und organisatorisch die Erfiillung der mit der Veranstaltergemeinschaft vertraglich getroffenen Vereinbarung gewährleistet". Diese vertragliche Vereinbarung muß wiederum "die Verpflichtung der Betriebsgesellschaft enthalten, der Veranstaltergemeinschaft die ( ... ) erforderlichen Mittel ( ... ) zur Verfiigung zu stellen" (§ 29 Abs. 2 S. 3 Nr. 2, Abs. 3 LRG NW). 247 Dies ist der Fall in Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein. 248 Dazu siehe sogleich unten (ce) . . 249 § 26 Abs. I Nr. I Ba.-Wü.LMedienG; § 50 Abs. 3 SaarI.LRG. Zur Obliegenheit, einen Finanzplan vorzulegen, siehe außerdem bereits oben 4. und Fußnote 147. 2'0 Besonders instruktiv hierzu die Schilderung der Hamburger Erfahrungen bei HoffmannRiemlZiethen, Rundfunkaufsicht Bd. I, S. 215,247 ff., zusammenfassend S. 278 f., insbesondere auch die aaO. S. 248 f. wiedergegebenen Äußerungen des Direktors der Hamburger Medienanstalt ("Bei der Vergabe der ersten Lizenz spielte die Wettbewerbsflihigkeit gegenüber den beiden Nachbarsendem eine wesentliche Rolle. ... Wir wollten in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eine gleich starke Hamburger Größe. Das gilt auch für die publizistische Größe, damit er nicht von den anderen erdrückt wird.") sowie eines dortigen Vorstandsmitglieds ("Wir konnten es uns nicht leisten, daß der erste Veranstalter scheitert. Wenn dieser Probleme gehabt hätte, wäre dies für den gesamten Privatfunk schlecht. ... "); vgl. auch für Baden-Württemberg,
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politischer Erfolg für die Medien(standort)politik des jeweiligen Bundeslandes gewertet. Die problematische Konsequenz dieser Haltung besteht zum einen darin, daß im Zulassungsverfahren finanziell gutsituierte Medienkonzerne begünstigt werden. Zum anderen besteht die Neigung, programm1iche Anforderungen in Anpassung an behauptete oder tatsächliche Finanzierungsschwierigkeiten abzusenken. Von den Konsequenzen für die Meinungsbildung ganz abgesehen wird so privaten Veranstaltern das Risiko eines vorzeitigen finanziellen Scheiterns, wie es eigentlich mit einem privatwirtschaftlichen Rundfunk verbunden sein müßte, weitgehend abgenommen, während etwaige Gewinne allein den privaten Medienunternehmen zugute kommen. Die genannten Bedenken werden noch verstärkt, wenn einzelne Gesetze über eine zur ordnungsgemäßen Programmveranstaltung ausreichende Leistungsfähigkeit hinaus eine besondere Professionalität fordern 251 • Diese Bestimmungen müssen zwar verfassungskonform im Sinne eines bloßen Mindeststandards, wohl der nordrhein-westfälischen Regelung vergleichbar252 , interpretiert werden und dürfen nicht zu einem verdeckten Presseprivileg führen253 • Dennoch werden neben sonstigen großen Medienkonzernen gerade Presseunternehmen am leichtesten von ihrer publizistischen Potenz und Professionalität überzeugen können, während "Newcomer" von vornherein unter erheblichem Erklärungsdruck stehen. Die wirtschaftlichen Anforderungen an die Antragsteller werden auch dadurch weiter verschärft, daß die Veranstalter gezwungen werden, ein vielstündiges oder gar volles Tagesprogramm allein zu gestalten. Entweder schreibt schon das Gesetz ausdrücklich bestimmte Mindestsendezeiten pro Veranstalter vor54 , oder dies wird in den Ausschreibungen, verbunden mit
bezogen auf die Auswahlentscheidung Hellstem, aaO. S. 3, 31. Von besonderer Bedeutung ist die Finanzsituation der privaten Rundfunkveranstalter auch rur die Verfassungsmäßigkeit des gewählten Rundfunkmodells. Das Bundesverfassungsgericht fordert nämlich, daß privater Rundfunk nicht nur unter Voraussetzungen zugelassen werden darf, die ihn wirtschaftlich faktisch unmöglich machen (BVerfGE 73, 118, 157; BVerfGE 83,238,317) . Insoweit stand vor allem das Zwei-Säulen-Modell des lokalen Rundfunks in Nordrhein-Westfalen unter besonderem Rechtfertigungsdruck. Das Bundesverfassungsgericht sah hier noch keinen Grund zur Beanstandung, hat aber auf die eventuelle Notwendigkeit nachträglicher Korrekturen hingewiesen (BVerfGE 83, 238, 330). 251 § 7 Abs. I S. 3 Nieders.LRG; § 6 Abs. I Nr. 3 GPR Sachs.-A. 252 Nach § 5 Abs. I S. 3 LRG NW müssen dortige Rundfunkprogramme "anerkannten journalistischen Grundsätzen genüg(en)". 253 BVerfGE 73, 118, 193 - Niedersachsen-Urteil. 254 Vgl. § 35 Abs. 6 S. I Berlin-Brandenb.StaatsV für regionale- oder Länder-Fernsehprogram-
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einem Verzicht auf ein für den einzelnen Veranstalter kostensparendes Frequenzsplitting2SS, gefordert. Um ein einheitliches Programm und dadurch ein Mindestmaß von Zuschauer/Zuhörerakzeptanz zu erreichen, mögen derartige Mindestsendezeiten allerdings unvermeidbar sein. Schließlich können sich auch hohe programminhalt1iche Vielfaltsanforderungen2S6 zugunsten besonders finanzkräftiger Medienkonzerne auswirken. Dabei bleibt immerhin die Hoffnung, daß mit größeren finanziellen Möglichkeuten im Gegenzug auch anspruchsvollere und dadurch regelmäßig teurere Programme verwirklicht und so Gewinne für den Meinungsbildungsprozess verbucht werden. Aufgabe der Gerichtskontrolle muß es in diesem Bereich sein, den mit einer Überbewertung finanzieller Erwägungen verbundenen Konzentrationstendenzen einschließlich der dadurch bewirkten, vielfaltsfeindlichen Verdrängung unprofessionell-alternativer Anbieter entgegenzuwirken und stattdessen die ausschließlich der Rundfunkvielfalt dienende Funktion finanzieller Erwägungen im Zulassungsverfahren zu unterstreichen. Andererseits könnten die erwähnten Prognoseschwierigkeiten gerade entgegengesetzt Ermessens- und Beurteilungsspielräume der Landesmedienanstalten nahelegen, was im dritten Teil der Arbeit näher zu untersuchen sein wird. (ce) Positive Prognose hinsichtlich der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften Neben den Bestimmungen zur Meinungsvielfalt bildet die aus dem Gewerberecht bekannte257 Generalklausel zum Erfordernis der Zuverlässigkeit das Herzstück der allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen. Da, wie vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung betont, einmal eingetretene Fehlentwicklungen im Rundfunk nachträglich nur schwer oder gar nicht mehr korrigierbar sind2S8 , dürfen die Landesmedienanstalten bei der Durchsetzung
me; § 24 Abs. 2 LRG NW für den lokalen Rundfunk. 25S Siehe dazu näher unten 7. c). 256 Zu diesen im einzelnen unten e). 257 Vgl. § 35 Abs. I GewO (dazu etwa BVerwGE 65, I ff.) sowie zahlreiche Spezialvorschriften [Überblick bei Stober, Hdb. d. Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrechts, § 59 III 2. a) (aa) (I) u. § 10211 5.]. 258 Grundlegend BVerfGE 57, 295, 323 - FRAG-Urteil; mit besonderem Bezug auf Konzentrationstendenzen BVerfGE 73, ll8, 160 u. 173.
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der Anforderungen an private Rundfunkveranstalter nicht allein auf nachträgliche Aufsichtsmaßnahmen vertrauen. Vielmehr müssen sie nach allen Landesmediengesetzen schon im Zulassungsverfahren eine Prognose darüber abgeben, ob die Antragsteller als Rundfunkveranstalter zuverlässig alle gesetzlichen Vorschriften einhalten werden. filrem Wortlaut nach weisen die Landesmediengesetze allerdings Unterschiede auf, wenn es um den Grad der geforderten Prognosesicherheit geht. Nach manchen Gesetzen müssen die Antragsteller "die Gewähr" für gesetzmässiges Verhalten "bieten"259 oder dieses zumindest "erwarten lassen"260. Nach anderen Bestimmungen reicht es dagegen aus, wenn der Bewerber "nicht aufgrund von Tatsachen Anlaß zu Bedenken bietet "261 , "nicht Tatsachen Anlaß zu der Erwartung" gesetzeswidrigen Verhaltens "geben"262 oder eine entsprechende "Annahme rechtfertigen "263. Dogmatisch verliert so die Differenzierung zwischen Zulassungsvoraussetzungen sowie Programm- und sonstigen gesetzlichen Anforderungen für das Zulassungsverfahren etwas an Bedeutung. Letzlieh müßten alle gesetzlichen Anforderungen über das Bindeglied der Zuverlässigkeitsprognose insoweit auch zu Zulassungsvoraussetzungen werden, als in Übertragung der zum Gewerberecht entwickelten Grundsätze264 jedenfalls stets gefragt werden müßte, ob "ernsthafte Zweifel" daran bestehen, daß der Bewerber die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen im Falle seiner Zulassung einhalten wird. Dies würde bedeuten, daß nicht nur die noch gesondert zu betrachtenden Vorschriften zur Meinungsvielfalt, sondern auch die allgemeinen Programmgrundsätze65 , die
259 Vgl. § 23 Abs. I Nr. 6 Ba.-Wü.LMedienG; § 5 Abs. I Nr. 3 Hess.PRG; § 5 Abs. I Nr. 3 Rh.Pf.LRG; § 6 Abs. 2 S. I Nr. 3 Sächs.PRG; § 6 Abs. I S. I Nr. 3 Thür.PRG. 260 Art. 28 Abs. I Nr. 2 u. 3 Bay.MG. 26\ Vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 3 BremLMG; § 17 Abs. 2 Nr. 3 HmbMedienG, im lokalen Bereich iVm § 33 HmbMedienG; § 9 Abs. I Nr. 3 RG Meckl.-Vorp.; § 5 Abs. I S. 4 Nr. 3 LRG NW, im lokalen Bereich iVm § 26 Abs. 7 Nr. I LRG NW; § 50 Abs. I Nr. 3 SaarI.LRG; § 7 Abs. 2 Nr. 3 Schl.-HLRG. 262 § 29 Abs. 4 Nr. 4 Berlin-Brandenb.StaatsV. 263 § 7 Abs. 2 Nieders.LRG; § 5 Abs. 5 GPR Sachs.-A. 264 Zu diesem Maßstab bei der Zuverlässigkeitsprognose im Gaststättenrecht vgl. BVerwGE 49, 154, 156 f.; MichellKienzle, § 4 GastG Rn. 5; MörfellMefzner, § 4 GastG Rn. 12; vgl. auch LandmanniRohmer, § 35 GewO Rn. 32 m.w.N. 265 Das Bundesverfassungsgericht fordert insoweit "Leitgrundsätze für den Inhalt des Gesatntprogramms, die ein Mindestmaß an Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten" (BVerfGE 12, 205, 262f. - Fernsehurteil; BVerfGE 31, 314, 326 - Mehrwertsteuer-Urteil; BVerfGE 57,295, 325 f. - FRAG-Urteil; BVerfGE 73, 118, 153 - NiedersachsenUrteil). Vgl. im einzelnen § 23 Abs. I RuStaV (gemäß Abs. 4 nur für den bundesweit ver-
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Bestimmungen zu journalistischen Sorgfalts ßJ6 , zu Aufzeichnungs- und Aufbewahrungs-267 , Kennzeichnungs- und Auskunjtspjlichten268 , zur Benennung eines verantwortlichen Redakteurs269 , zum Recht auf Gegendarstellung270 , zum Datenschutz271 sowie zur Einräumung besonderer Sendezeiten272 , vor
breiteten Rundfunk anwendbar); § 54 Ba.-Wü.LMedienG; Art. 5 Abs. 1 u. 2 S. 1 Bay.MG; § 48 Abs. 1 Berlin-Brandenb.StaatsV; § 19 Abs. 1 u. 2 BremLMG; § 7 HmbMedienG; § 11 Abs. 1 Hess.PRG; § 18 Abs. 1 RG Meckl.-Vorp.; § 18 Abs. 1 u. 2 Nieders.LRG; § 12 Abs. 1 u. 2 LRG NW, für den lokalen Bereich iVm § 23 Abs. 2 LRG NW; § 14 Abs. 1 Rh.-Pf.LRG; § 4 Abs. 1 u. 2 SaarI.LRG; § 12 Sächs.PRG; § 11 GPR Sachs.-A.; § 16 Schl.-HLRG; § \3 Abs. 1 Thür.PRG. Als programminhaltliche Anforderungen müssen diese Grundsätze zur Wahrung der Rundfunkfreieit restriktiv im Sinne eines bloßen Mindeststandards ausgelegt werden (ähnlich Ch. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 62, 167) und besitzen daher vorwiegend Apellcharakter (vgl. Ch. Wagner, aaO., S. 162), dienen aber in ihrer teils mehr christdemokratischen, teils mehr sozialdemokratischen Akzentsetzung auch als "politisch-programmatische Visitenkarte" des Landesgesetzgebers. 266 Zur Fassung im einzelnen siehe §§ 9, 23 Abs. 3 RuStaV (wobei § 9 - Meinungsumfragen für alle deutschen Rundfunkprogramme gilt, während § 23 Abs. 3 nach dem dortigen Abs. 4 auf den bundesweit verbreiteten Rundfunk beschränkt ist); § 56 Ba.-Wü.LMedienG; Art. 5 Abs. 2 bis 4 Bay.MG; § 48 Abs. 2 u. 3 Berlin-Brandenb.StaatsV.; § 19 Abs. 3 BremLMG; § 9 HmbMedienG; § 11 Abs. 2 u. 3 Hess.PRG; § 18 Abs. 2 u. 3 RG Meckl.-Vorp.; § 18 Abs. 3-6 Nieders.LRG; § 12 Abs. 4 u. 5 LRG NW, in lokalen Bereich iVm § 23 Abs. 2 LRG NW; § 14 Abs. 3 u.§ 18 Rh.-Pf.LRG; § 5 Abs. 1 u. 2 SaarI.LRG; § 13 Abs. 1 bis 3 Sächs.PRG; § 13 GPR Sachs.-A.; § 17 Abs. 3 u. 4 Schl.-H.LRG; § 13 Abs. 2 u. 3 Thür.PRG. 267 Siehe im einzelnen § 60 Ba.-Wü.LMedienG; Art. 31 Abs. 2 u. 3 Bay.MG; § 55 BerlinBrandenb.StaatsV; § 22 BremLMG; § 12 HmbMedienG; § 21 Hess.PRG; § 22 RG Meckl.-Vorp.; § 25 Nieders.LRG; § 17 LRG NW, im lokalen Bereich iVm § 23 Abs. 2 LRG NW; § 23 Rh.Pf.LRG; § 11 Abs. 1 u. 2 SaarI.LRG; § 17 Sächs.PRG; § 17 GPR Sachs.-A.; § 22 Schl.-H.LRG; § 23 Thür.PRG. 268 § 59 Abs. 1 u. 2 Ba.-Wü.LMedienG; Art. 31 Abs. 1 u. 4 Bay.MG; § 59 BerlinBrandenb.StaatsV; §§ 14 Abs. 2, 20 Abs. 2, 21 BremLMG; § 11 Abs. 1 HmbMedienG; § 20 Abs. 1 Hess.PRG; § 21 Abs. 3 RG Meckl.-Vorp.; § 27 Nieders.LRG; § 16 LRG NW, im lokalen Bereich iVm § 23 Abs. 2 LRG NW; §§ 19 Abs. 3,22 Rh.-Pf.LRG; § \3 Abs. 2 u. 3 SaarI.LRG; § 20 Sächs.PRG; § 19 GPR Sachs.-A.; § 21 Schl.-H.LRG; § 22 Thür.PRG. 269 Siehe im einzelnen § 58 Ba.-Wü.LMedienG; Art. 31 Abs. 1 S. 1 Bay.MG; § 54 BerlinBrandenb.StaatsV; § 20 BremLMG; § 10 HmbMedienG; § 18 Hess.PRG; § 21 Abs. 1 u. 2 RG MeckI.Vorp.; § 24 Nieders.LRG; § 15 LRG NW, im lokalen Bereich iVm § 23 Abs. 2 LRG NW; § 19 Abs. 3 S. 2 Rh.-Pf.LRG; § 13 Abs. 1 SaarI.LRG; § 16 Sächs.PRG; § 16 GPR Sachs.-A.; § 20 Schl.-H.LRG; § 20 Thür.PRG. 270 Im einzelnen siehe § 61 Ba.-Wü.LMedienG; Art. 18 Bay.MG; § 56 Berlin-Brandenb.StaatV; § 23 BremLMG; § \3 HmbMedienG; § 22 HessPRG; § 24 RG Meckl.-Vorp.; § 26 Nieders.LRG; § 18 LRG NW, im lokalen Bereich iVm § 23 Abs. 2 LRG NW; § 24 Rh.-Pf.LRG; § 12 Saarl.LRG; § 19 Sächs.PRG; § 18 GPR Sachs.-A.; § 23 Schl.-H.LRG; § 24 Thür.PRG. 271 § 28 RuStaV, der gemäß Abs. 1 allerdings nicht abschließend ist, vielmehr bleiben ergänzend die landesmedienrechtlichen Bestimmungen sowie die allgemeinen Datenschutzgesetze anwendbar (so ausdrücklich die Begründung zu § 28 des Rundfunkstaatsvertrages, abgedruckt etwa in Ba.-Wü.LT.-Drucks 10/5930, S. 79); in den Landesmediengesetzen siehe im einzelnen §§ 80 bis 87 Ba.-Wü.LMedienG; Art. 20 Bay.MG; § 58 Berlin-Brandenb.StaatsV; §§ 43 bis 45
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allen aber die eminent bedeutsamen Regelungen zur Finanzierung273 (insbesondere Werbung 274 und Sponsorinl75 ) und zum Jugendschutz 276 bereits BremLMG; §§ 47 bis 51 HmbMedienG; §§ 50 bis 54 Hess.PRG; §§ 47, 48 RG Meckl.-Vorp.; §§ 66, 67 Nieders.LRG; §§ 46 bis 50 LRG NW; §§ 30 bis 33 Rh.-Pf.LRG; § 74 bis 76 Saarl.LRG; §§ 44, 45 Sächs.PRG; § 47 GPR Sachs.-A.; §§ 55, 56 Schl.-H.LRG; §§ 56 bis 61 Thür.PRG. Die Vorschriften orientieren sich im wesentlichen an den Vorgaben im VolkszählungsUrteil (BVerfGE 65, I ff.). 272 Vgl. im einzelnen § 24 RuStaV; § 62 Ba.-Wü.LMedienG; Art. 26 Abs. 5 Bay.MG; § 57 Berlin-Brandenb.StaatsV; § 24 BremLMG; §§ 25 Abs. I S. I, Abs. 2 bis 4, 6 HmbMedienG; §§ 23,24 Hess.PRG; §§ 25, 26 RG Meckl.-Vorp.; §§ 28, 29 Nieders.LRG; § 19 LRG NW; §§ 20, 21 Rh.-Pf.LRG; § 14 SaarI.LRG; §§ 21, 22 Sächs.PRG; §§ 20, 21 GPR Sachs.-A.; §§ 24, 25 Schl.-H.LRG; §§ 25, 26 Thür.PRG. In Hamburg und NRW werden lokale Programme von den Verweisungsvorschriften nicht erfaßt. 273 Mögliche Finanzierungsquellen privaten Rundfunks werden aufgezählt in § 25 RuStaV (zwar für alle privaten Programme ohne Beschränkung auf bundesweiten Rundfunk geltend, aber mit der salvatorischen Klausel "durch sonstige Einnahmen" versehen); § 32 Ba.-Wü.LMedienG; § 25 BremLMG; § 27 HmbMedienG, im lokalen Bereich iVm § 37 Abs. I HmbMedienG; § 25 Hess.PRG; § 30 RG MeckI.Vorp.; § 31 Nieders.LRG;§ 21 LRG NW, im lokalen Bereich iVm § 23 Abs. 2 LRG NW; § 25 Rh.-Pf.LRG; § 55 SaarI.LRG; § 23 Sächs.PRG; § 24 GPR Sachs.A.; § 33 Abs. I Schl.-H.LRG; § 27 Abs. 2 Thür.PRG. Eine landesrechtliche Bestimmung fehlt in Bayern und Berlin-Brandenburg. 274 Neben Grundsätzen wie Kennzeichnung, Trennung von Werbung und Programm sowie der Verbote von Schleichwerbung und Einsatz sublimer Techniken (§ 6 RuStaV) finden sich Bestimmungen über Dauer (§ 27 RuStaV) und Einfiigung der Werbung, insbesondere zur Zulässigkeit von Unterbrechungswerbung (§ 26 RuStaV). Teleshopping wird in Übereinstimmung mit Art. 2a der Europarats-Konvention und im Gegensatz zu Art. Ib S. 2 der EG-Richtlinie als Fall von Werbung angesehen, teilweise allerdings speziell geregelt (vgl. § 6 Abs. 4, 27 Abs. 3 RuStaV). Ergänzt wird die staatsvertragliche Regelung durch die "Gemeinsamen Richtlinien der Landesmedienanstalten zur Durchführung der Trennung von Werbung und Programm und für das Sponsoring im Fernsehen" sowie die gleichnamigen Richtlinien für den Hörfunk, jeweils vom 26.1.1993 (abgedruckt MP Dokumentation 1993/1,21 bzw. 29). Abweichende Bestimmungen in den Landesmediengesetzen, die sich zum Teil noch am alten Rundfunkstaatsvertrag von 1987 orientieren, werden insoweit vom entgegenstehenden neuen Staatsvertrages verdrängt. Als Beispiel für zulässige, die Bestimmungen des neuen Rundfunkstaatsvertrages ergänzende landesrechtliche Spezialregelungen können etwa dienen: die Begrenzung auf Werbung für das gesamte Verbreitungsgebiet mit - grundsätzlich - mindestens landesweitem Bezug in § 32 Abs. 8 Nieders.LRG, § 25 Abs. 6 GPR Sachs.-A. sowie das Gebot, Werbung nur von der Betriebsgesellschaft zu übernehmen, in § 29 Abs. 2 S. 2 LRG NW (dazu ausführlich Reidt, Rundfunkwerbung im lokalen Rundfunk, S. 160 ff.). 275 § 7 RuStaV, wobei der zentrale, in der Einhaltung aber schwer kontrollierbare Grundsatz darin besteht, daß der Sponsor auf Programmplatz und Inhalt der gesponsorten Sendung keinen Einfluß nehmen darf; abweichende landesrechtliche Regelungen sind dadurch gegenstandslos. 276 Eine bundeseinheitliche Regelung, die auch für regionale und lokale Programme gilt (so ausdrücklich die Begründung zu § 3 des Rundfunkstaatsvertrags, abgedruckt etwa in Ba.-Wü.LT.Drucks. 10/5930, S. 56) findet sich in § 3 RuStaV, ergänzt durch die "Richtlinien der Landesmedienanstalten zur Gewährleistung des Jugendschutzes" vom 14.9.1992 (abgedruckt MP Dokumentation 1993/1, 16). Abweichende landesmediengesetzliche Bestimmungen, insbesondere solche, die sich noch an dem alten Rundfunkstaatsvertrag von 1987 orientieren, sind dadurch
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in das Zulassungsverfahren einfließen müßten. Freilich wird wie im Gewerbereche77 eine Vermutung für die Zuverlässigkeit des Bewerbers sprechen, wenn keine entgegenstehenden Anhaltspunkte ersichtlich sind. Ohne Verdachtsmomente müssen die Landesmedienanstalten demnach keine weiteren Ermittlungen für die Zuverlässigkeitsprognose anstellen. Andererseits ist jedoch zu berücksichtigen, daß der Grad der geforderten Wahrscheinlichkeit zukünftiger Gesetzesverstöße nach allgemeinen Grundsätzen um so geringer sein muß, je gewichtiger die gefährdeten Rechtsgüter sind278 • Da es um den Schutz der Rundfunkfreiheit als Rechtsgut von Verfassungsrang geht, wo eingetretene Fehlentwicklungen überdies nachträglich kaum korrigierbar sind, wäre deshalb die Zuverlässigkeit eines Bewerbers bereits zu verneinen, wenn künftige Rechtsverstöße nicht ganz unwahrscheinlich sind. Viele Landesmediengesetze haben gerade deshalb auch Formulierungen gewählt, die auf eine gegenüber den gewerberechtlichen Bestimmungen strengere Zuverlässigkeitsbeurteilung hindeuten. Daß die praktische Bedeutung dieser umfassenden Zuverlässigkeitsprognose ungleich geringer ist, hat vor allem zwei Ursachen. Zum einen bereitet es große Schwierigkeiten, über bloße Vermutungen hinaus rational begründete, konkrete Vorhersagen über das zukünftige Verhalten der Bewerber als Rundfunkveranstalter zu machen. Die einer Prognose stets anhaftende Unsicherheit ist hier noch höher als im Gewerberecht, weil die gesetzlichen Regeln viele sehr detaillierte Anforderungen enthalten und dennoch in ihrer Komplexität schon bei "normaler" Anwendung im Aufsichtswege schwer handhabbar sind. Erfordert es schon problematische Wertungen, wenn im nachhinein festgestellt werden soll, ob in einer ausgestrahlten Sendung unzulässige Schleichwerbung (vgl. § 6 RuStaV) enthalten war oder ein Sponsor Einfluß auf den Inhalt der Sendung genommen hat, so ist es noch wesentlich schwieriger zu prognostizieren, ob oder in welchem Umfang ein Bewerber zukünftig solch verbotene Werbung in seinem Programm ausstrahlen oder einem Sponsor unzulässigen Einfluß einräumen wird. Bei einem Bewerber, der seine erste Rundfunkzulassung begehrt, läßt sich kaum eine Tatsachenbasis für die geforderte Prognose finden, will man nicht aus dem allgemeinen Vollzugsdefizit bei den Werbeund Sponsoringbestimmungen auf das zukünftige Verhalten eines individuellen
gegenstandslos. Vorschriften zum Schutz der Jugend hatte bereits BVerfGE 57, 295, 326 gefordert. 277 MörtellMetzner, § 4 GastG Rn. 16. 278 MichellKienzle, § 4 GastG Rn. 5.
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Antragstellers schließen. Derartige bloße Mutmaßungen dürfen indes ebensowenig wie im Gewerberecht27~ ausreichen, einem Bewerber die Zuverlässigkeit abzusprechen. So werden sich die Zulassungsgremien bei "unbekannten" Bewerbern zu Recht regelmäßig nur dann Gedanken über deren zukünftige Gesetzestreue machen, wenn ausnahmsweise Tatsachen, die in der Biographie der beim Antragsteller verantwortlichen Personen wurzeln, ernsthafte Zweifel an deren Zuverlässigkeit wecken. Eine begründete Zuverlässigkeitsprognose ist dagegen ähnlich wie im Gewerberecht2so eher möglich, wenn die Landesmedienanstalten bereits auf Erfahrungen mit einem Bewerber zurückblicken können und damit über eine zuverlässigere Prognosebasis verfügen, sei es, weil er ein länderübergreifendes Programm ausstrahlt und bereits in anderen Bundesländern als Rundfunkveranstalter zugelassen ist, sei es, weil er nach Ablauf des Zulassungszeitraumes eine neue Rundfunkerlaubnis begehrt. Angesichts vielfacher Werbeverstöße zugelassener privater Rundfunkveranstalter81 , bei denen die festgestellten Fälle in Anbetracht der äußerst lückenhaften Kontrolle möglicherweise nur die Spitze eines Eisberges ausmachen, müßte bei strenger Handhabung der Zuverlässigkeitsprognose oftmals an der zukünftigen Einhaltung der Werbe- und Sponsoringbestimmungen gezweifelt werden. Eine negative Zuverlässigkeitsprognose läge zumindest in den Fällen nahe, wo ein Bewerber oder an ihm maßgeblich beteiligte (Medien-)Unternehmen bereits in anderen Bundesländern durch massive Werbeverstöße aufgefallen sind. Die Landesmedienanstalten scheinen im Standortwettbewerb jedoch wenig Interesse daran zu haben, die finanziellen Rahmenbedingungen "ihrer" Veranstalter durch restriktive und auch präventive Aufsicht, gerade im Werbebereich, zu verschlechtern282 . Die Unterschiede zwischen den einzelnen Gesetzen in Bezug auf den Grad der
27. Michel/Kienz/e, § 4 GastG Rn. 9; vgl. auch Mörtel/Metzner, § 4 GastG Rn. 16 mit der zutreffenden Erwägung, daß andernfalls kaum noch Erlaubnisse für Tätigkeiten erteilt werden könnten, bei denen GesetzesverIetzungen besonders häufig begangen werden. 280 Vgl. OVG Bremen GewArch 1987, 334; Michel/Kienz/e, § 4 GastG, Rn. 7. 281 Zum Unterlaufen des Kennzeichnungs- und Trennungsgebots durch neue Werbeformen vgl. die empirische Studie von Baum, MP 1986, 699 ff. und die rechtliche Bewertung bei Reidt, Rundfunkwerbung im lokalen Rundfunk, S. 89 ff. Herkströter ZUM 1992,395,407 spricht zum Abschluß seiner ausfuhrlichen Schilderung der Werbebestimmungen nach dem neuen Rundfunkstaatsvertrag gar von einem "hohe(n) Gehalt an Normen bloß symbolischer Natur". 282 Symptomatisch wohl die nordrhein-westfälischen Sicht von Rödding, AfP 1989, 648,651, man dürfe "an dieser Stelle sicherlich nicht allzu kleinlich sein, denn schließlich (handele) es sich bei der Werbung um die einzige Einnahmequelle privater Veranstalter ... "; vgl. auch Kröhne, in: BLM-Rundfunkkongress, Dokumentation, S. 341 ff.; Ding/er, aaO., S. 345 ff.
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geforderten Prognosesicherheit haben, soweit ersichtlich, bisher gar keine Bedeutung erlangt. Somit ergibt sich das Dilemma, daß einerseits bloße nachträgliche Korrekturversuche an eingetretenen Fehlentwicklungen durch Aufsichtsmaßnahmen nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht hinreichend erfolgversprechend sind, andererseits aber präventive Kontrolle im Zulassungsverfahren im Rahmen der allgemeinen Zuverlässigkeitsprognose aus praktischen und politischen Gründen nur unzureichend stattfindet. Für die weitere Untersuchung stellt sich damit auch hier die Frage, ob die Landesmedienanstalten mittels schärferer gerichtlicher Kontrolle zu einer effektiveren Zuverlässigkeitsprüfung angehalten werden müssen, oder aber kontrollfreier Spielräume bedürfen, damit sie ohne Furcht vor Verpflichtungs- und Schadensersatzklagen abgewiesener Bewerber auch negative Zuverlässigkeitsprognosen wagen können. (dd) Versorgungspflicht Zu den Zuverlässigkeitsanforderungen im weiteren Sinne kann schließlich noch die in manchen Gesetzen enthaltene Versorgungspflicht gerechnet werden. Da ein Programm nur insoweit einen Beitrag zur (Meinungs)vielfalt leisten kann, wie es auch tatsächlich ausgestrahlt wird und empfangbar ist, hat der Veranstalter im Rahmen der ihm von der Bundespost zur Verfügung gestellten technischen Möglichkeiten für eine möglichst flächendeckende Empfangbarkeit seines Programms zu sorgen283 • Als Zulassungsvoraussetzung bedarf es auch hier einer positiven Prognose. So soll zum einen verhindert werden, daß ein zugelassener Veranstalter nur zwecks Ausschlusses von Konkurrenten eine Frequenz blockiert, indem er den Start seines Programmes immer weiter hinausschiebt. Zum anderen soll sichergestellt werden, daß auch kostspieligere, weil technisch aufwendigere und daher von der Bundespost TELEKOM nur gegen ein hohes Entgelt angebotene Übertragungsmöglichkeiten genutzt werden, um eine möglichst hohe technische Reichweite zu erzielen284 • 283 § 14 HmbMedienG, wobei lokale Programme absichtlich nicht einbezogen sind [vg\. die "Begründung Hamburg" (§ 2, Fn. 114) zu § 14, abgedruckt bei Bauer/DetjenlMüller-Römer/Posewang, Die neuen Medien, 17.5.3, S. 9]; § 20 RG Meckl.-Vorp.; § 30 Nieders.LRG; § 20 LRG NW, im lokalen Bereich iVm § 23 Abs. 2 LRG NW; § 22 GPR Sachs.-A.; § 19 Sch\.H.LRG. 284 Vgl. dazu die "Begründung NRW" (§ 1, Fn. 14), LT.-Drucks. 10/1440, zu § 18, S. 56: "Die Bestimmung stellt klar, daß der Veranstalter ihm zugewiesene Übertragungskapazitäten nutzen muß und nicht willkürlich bestimmte Gebiete von der Versorgung ausschließen darf'.
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e) Programmanforderungen zur Sicherung der Meinungsvielfalt In welchem Umfang programminhaltliche Meinungsvielfalt von Verfassungs wegen gefordert werden darf und muß, und welche Wege zu ihrer Realisierung dem Rundfunkgesetzgeber offenstehen, gehörte früher zu den umstrittensten Fragen der Rundfunkpolitik und des Rundfunkrechts, ist jedoch im theoretischen Konzept durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nunmehr weitgehend geklärt285 • Diese Judikatur ist bereits derart häufig nachgezeichnet worden286 , daß hier ein kurzer Überblick genügen mag: Zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit ist es unverzichtbar, daß der Gesetzgeber eine "positive Ordnung" schafft, "welche sicherstellt, daß die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet "287. Für den privaten Rundfunk, der besonders auf Werbeeinnahmen und damit massenattraktive Sendungen angewiesen ist, dürfen diese Anforderungen angesichts der öffentlich-rechtlichen Grundversorgung geringfügig reduziert werden. Zu gewährleisten ist aber auch hier zumindest ein "Grundstandard gleichgewichtiger Vielfalt", da der öffentlichrechtliche Sektor größere Ungleichgewichtigkeiten im privaten Bereich nicht zu kompensieren vermag288 • Der Gesetzgeber ist allerdings nicht verpflichtet, die Vielfaltsanforderungen für den privaten gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk dergestalt zu senken. Er darf den privaten Rundfunk zwar nicht Bedingungen unterwerfen, die ihn faktisch nahezu unmöglich machten, besitzt aber im übrigen Gestaltungsfreiheit289 • Dabei ist sowohl ein außenplurales Modell verfassungsgemäß, bei dem der private Rundfunk in seiner Gesamtheit die Vielfalt der Meinungen widerzuspiegeln hat, als auch eine binnenplurale Struktur, bei der jedes einzelne Programm entsprechend ausgewogen sein muß 290. Die Zulässigkeit einer Verpflichtung m Zum früheren Meinungsstreit vgl. nur die Literaturübersicht bei Hartstein/Ring/Kreile, Art. 8 RuStaV, Rn. 13. Schon aaO. wird allerdings diese wissenschaftliche Diskussion als durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts "teilweise überholt" angesehen. 286 Etwa bei A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 189 f.; eh. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 48 ff.; Hartstein/Ring/Kreile, Art. 8 RuStaV, Rn. 14 f.; besonders ausführlich Piette, Meinungsvielfalt, S. 19 ff. 287 BVerfGE 57, 295, 320 - FRAG-Urteil. 288 BVerfGE 73, 118, 157 ff. - Niedersachsen-Urteil; bestätigt durch BVerfGE 83,238,316NRW-Urteil - und BVerfG NJW 1992,3285,3286 - Hessen-Beschluß. 289 BVerfGE 83,238,316 f. 290 BVerfGE 57,295,325; BVerfGE 73, 118, 171; BVerfGE 83,238,315 f. Engel, Privater Rundfunk, S. 315 ff. hält dagegen eine Verpflichtung zu Binnenpluralität angesichts der großen
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zu Binnenpluralität ist dabei unabhängig von einer durch Frequenzknappheit geprägten Sondersituation des Rundfunks, die ursprünglich als Rechtfertigung diente291 . Auch Zwischenlösungen sind möglich, da kein Zwang zur Modellkonsistenz besteht, sondern allein das Ziel der Sicherung der Rundfunkfreiheit vorgegeben ist292 • Selbst bei einer außenpluralen Lösung darf ein einzelnes Programm nicht grob einseitig sein und dadurch die Bildung der öffentlichen Meinung in hohem Maße ungleichgewichtig beeinflussen293 , ein "Mindestmaß an Ausgewogenheit"294 ist stets erforderlich. Schließlich bedarf es ergänzend zu entsprechenden Zulassungsvoraussetzungen und Programmanforderungen immer organisatorischer Sicherungen295 , damit notwendig unscharfe Vielfalts- und Ausgewogenheitsanforderungen nicht leerlaufen. Diese Sicherungen müssen umso umfangreicher sein, je weiter das Rundfunksystem von einer funktionierenden Außenpluralität entfernt ist296 • Theoretisch sind nur wenige Rechtsfragen in dieser Judikatur zur Meinungsvielfaltssicherung noch offen geblieben. Dazu gehört insbesondere die Frage, ob hinsichtlich der Anforderungen zwischen Voll- und weniger meinungsrelevanten Spartenprogrammen297 sowie zwischen Hörfunk und Fernsehen differenziert werden darf. Unterschiedliche Regelungen bei lokalen und (über)-
Zahl von Übertragungsmöglichkeiten im Kabel und über Satellit für nicht mehr "notwendig in einer demokratischen Gesellschaft" und damit für unvereinbar mit Art. 10 EMRK, doch räumt er selbst ein, daß diese Auffassung nicht einmal vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geteilt wird. 291 Grundlegend BVerfGE 12, 205, 261 - Fernsehurteil. 292 BVerfGE 83,238,316. 293 BVerfGE 73, 118, 160. 294 Vgl. BVerfGE 12,205,262 f.; BVerfGE 31,314,326 - Mehrwertsteuer-Urteil; BVerfGE 57,295, 325 f.; BVerfGE 73, 118, 153. Allerdings wird in diesen Entscheidungen nicht immer deutlich, ob sich diese Formel bei Außenpluralismus etwa nur auf die Gesamtheit der Programme bezieht. Damit wäre sie jedoch sinnlos, da das Vielfaltsgebot insoweit bereits weitergehende Anforderungen beinhaltet. Richtigerweise ist diese Formel vielmehr als absolute Tendenzgrenze auch bei einer außenpluralen Struktur zu verstehen. 295 Speziell auf die Sicherung eines Grundstandards gleichgewichtiger Vielfalt bezogen BVerfGE 73, 118, 160; allgemein bezogen auf die Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit auch BVerfGE 57,295, 320; BVerfGE 74, 297, 324; BVerfGE 83,238, 296. 296 BVerfGE 73, 118, 174. 297 Vorsichtige Ansätze zu einer differenzierten Behandlung von Spartenprogrammen finden sich in BVerfGE 74, 297, 345 f.; kritisch gegenüber mangelnder Differenzierungsbereitschaft Bullinger HdB d. StaatsR. Bd. 6, § 142 Rn. 139 u. 141, auch auf die - hier ausgeblendete rundfunkähnliche Kommunikation bezogen. 7 Fehling
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§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung
regionalen Programmen wurden dagegen vom Bundsverfassungsgericht bereits gebilligt298 , wenn auch noch fraglich ist, wie stark differenziert werden darf. (aa) Binnenpluralismus Eine binnenplurale Programmstruktur fordern mit graduellen Unterschieden299 Bremen, Hamburg (dort auf regionale und überregionale Vollprogramme beschränkt), Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Dem liegt die von der sozialdemokratischen Medienpolitik geprägte Vorstellung zugrunde, Außenpluralität müsse an knappen Frequenzen und insbesondere an durch hohen fmanziellen Aufwand bedingten Konzentrationstendenzen scheitern300 • Bei der Erfüllung der verfassungsrechtlich gestellten Aufgabe, die Verwirklichung des binnenpluralen Modells auch durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, gehen diese Landesmediengesetze unterschiedliche Wege. Schleswig-Holstein läßt, wie bereits erwähnt301 , nur Veranstaltergemeinschaften zu in der Hoffnung, eine heterogene Veranstalterstruktur werde ein vielfältiges Programm hervorbringen. Darüber hinaus muß die Veranstaltergemeinschaft, wie ebenfalls schon oben geschildert302 , aus mindestens drei Beteiligten mit einer Beteiligungsobergrenze von maximal einem hälftigen Anteil bestehen. Das nordrhein-westfälische Zwei-Säulen-Modell für den lokalen Rundfunk schreibt gesetzlich sogar zwingend eine bestimmte binnenplurale Zusammensetzung der Veranstaltergemeinschaft vor303 • In Nordrhein-Westfalen (bezogen auf den landesweiten Rundfunk) und Hamburg müssen die Veranstalter bei Bedarf" geeignete (organisatorische) Vorkehrungen" zur Sicherung der Binnenpluralität treffen, was, wie im nordrhein-westfälischen Gesetz ausdrücklich klargestellt, regelmäßig die Einrichtung eines gruppenplural zusam-
Vgl. BVerfGE 83, 238, 328. Während sich die drei im Text zuerst genannten Länder damit begnügen, daß jedes Programm "die Vielfalt der Meinungen im wesentlichen zum Ausdruck (bringt)" (§ 18 BremLMG; § 6 Abs. I HmbMedienG; § 15 Abs. I Schl.-H.LRG), muß in Nordrhein-Westfalen Meinungsvielfalt ungeschmälert "in möglichster Breite und Vollständigkeit" geboten werden (§ 12 Abs. 3 LRG NW, im lokalen Bereich § 24 Abs. 4 bis 6 LRG NW). 300 Vgl. insbesondere die "Begründung NRW" (§ I, Fn. 14), LT.-Drucks. 10/1440, A. 3. b), S. 53; in der Sache ähnlich die "Begründung Hamburg" (§ 2, Fn. 114) zu § 6 (abgedruckt bei Bauer/DetjenlMri"ller-Römer/Posewang, Die neuen Medien, 17.5.3, S. 6). 301 Siehe oben a). 302 Siehe oben b) (dd) (I). 303 Siehe oben b) am Anfang. 298
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II. Der Ablauf des Zulassungsverfabrens
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mengesetzten Programmbeirates bedeuten dürfte»'. Einzig in Bremen findet sich, im Hinblick auf den Vorbehalt des Gesetzes bedenklich, keine vergleichbare spezialgesetzliche Regelung, doch sind dort entsprechende vielfaltssichernde Auflagen nach § 36 Abs. 1 LVwVfG zulässig, um die Voraussetzungen für eine Erlaubniserteilung zu schaffen305 • (bb) Angestrebter Außenpluralismus Die übrigen Bundesländer streben einen außenpluralen privaten Rundfunk an306 , wobei auf alle im jeweiligen Verbreitungsgebiet empfangbaren privaten Programme abzustellen ist, die im Geltungsbereich des Grundgesetzes in der jeweiligen Programmart veranstaltet werden307 • In Bayern müssen nach landesverfassungskonformer Auslegung dagegen schon alle von der Landeszentrale verantworteten Programme eines jeweiligen Verbreitungsgebietes in sich ausgewogen sein, weil diesem de iure öffentlich-rechtlichen Veranstalter keine
Vgl. im einzelnen § 23 Abs. I u. 2 HmbMedienG; § 6 Abs. I S. I LRG NW n.F. § 36 Abs. I LVwVfG halten bei fehlender spezialgesetzlicher Regelung allgemein, ohne konkreten Bezug auf Bremen, für anwendbar Klein, Rundfunkfreiheit, S. 81, 90 (dort allerdings mit problematischen Beispielen); Ch. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 210. Ausdrücklich eine "Vielfaltsauflage" sieht von den hier genannten Ländern [zu den Ländern mit außenpluralem Modell s.u. (bb)] nur Hamburg in § 23 Abs. 2 HmbMedienG vor (dazu ausführlich Piette, Meinungsvielfalt, S. 55 f1). Vgl. allgemein zum Instrument der vielfaltssichernden Auflage ausführlich Ch. Wagner aaO., S. 207 ff. Er stellt zutreffend fest, daß programminhaltIiche Auflagen gegen Art. 5 Abs. I S. 2 GG verstießen, allgemeine Vielfaltsverpflichtungen dagegen kaum handhabbar und daber wenig sinnvoll wären. Somit kommen nur organisatorische Vorgaben, insbesondere eben die Schaffung eines Programmbeirates, in Betracht. Eine andere denkbare Auflage, nämlich die Verpflichtung zur Aufuabme eines bestimmten Gesellschafters, hält Mook AfP 1986, 10, 12 (dort für Hamburg) zu Recht für zu weitgehend. 306 Eindeutig nach § 15 Abs. 2 Ba.-Wü.LMedienG; Art. 3 Abs. I S. I u. 2, Art. 28 Abs. I Nr. 4 Bay.MG; § 17 Abs. I RG Meckl.-Vorp.; § 12 Abs. 1 S. I, Abs. 2 Rh.-Pf.LRG; § 15 Abs. I Sächs.PRG; § 15 Abs. I GPR Sachs.-A. Die Präferenz für das außenplurale Modell kommt im Wortlaut weniger klar zum Ausdruck, doch ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang, daß Binnenpluralität nur als Not- und Auffanglösung dienen soll: vgl. § 20 Abs. 1 Berlin-Brandenb.StaatsV.; § 12 Abs. I Hess.PRG; § 20 Abs. 2 Nieders.LRG; § 10 Abs. 2 SaarI.LRG; § 14 Abs. 1 Thür.PRG. 307 Vgl. § 23 Abs. I Ba.-Wü.LMedienG; § 13 Abs. I Hess.PRG; § 17 Abs. 2 RG Meckl.Vorp.; § 15 Abs. I Nieders.LRG; § 10 Abs. 2 SaarI.LRG; § 15 Abs. I Sächs.PRG; § 15 Abs. I GPR Sachs.-A.; § 15 Abs. I Thür.PRG. Anders § 20 Abs. I Berlin-Brandenb.StaatsV, wonach nur auf die "im Geltungsbereich dieses Staatsvertrages zugelassenen privaten Rundfunkprogramme" abgestellt wird, dort nur weiterverbreitete Programme also nicht einbezogen werden. Zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben siehe BVerfGE 73, 118, 162: "Externe Ausgewogenheit läßt sich allein auf das jeweilige Übertragungssystem oder auf das jeweilige Verbreitungs gebiet derjenigen Programme beziehen, von denen angenommen wird, sie glichen sich aus". 304
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Tendenzfreiheit zustehen darf308 • Außenpluralität liegt für bundesweit verbreitete Programme als Ziel auch dem Rundfunkstaatsvertrag zugrunde309 , doch ist hier zur Überbrückung des medienpolitischen Dissenses festgelegt, daß weitergehende Anforderungen eines Bundeslandes unberührt bleiben3 \O. Ein strikt außenplurales Modell wird allerdings von keinem Landesmediengesetz mehr verfochten. Vielmehr ordnen die Gesetze hilfsweise für den Fall, daß sich Außenpluralismus noch nicht oder nicht mehr einstellt, eine binnenplurale Auffanglösung an311 • Dies entspricht den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an organisatorische Vorkehrungen dafür, daß tatsächlich Meinungsvielfalt erreicht wird312 • Wegen des Vorbehalts des Gesetzes sowie aus Gründen der Rechtssicherheit bedarf es außerdem einer klaren Schnittstelle, ab der von einem Modell in das andere übergewechselt werden darf bzw. muß313 • Funktionierender Außenpluralismus soll nach den Vorschriften regelmäßig bei einer bestimmten Anzahl konkurrierender Programme (zumeist drei) bestehen314 • Da dies jedoch im Einzelfall zu unannehmbaren Meinungsungleichgewichten führen könnte, haben die Landesmedienanstalten zusätzlich die Möglichkeit, für die Veranstalter bindend festzustellen, daß trotz dieser Mindestzahl funktionierende Außenpluralität nicht erreicht und damit jeder Veranstalter zu Binnenpluralität verpflichtet ist31S • )08 BayVerfGH BayVbl. 1987,77, 112 f.; anders dagegen noch die "Begründung Bayern" (§ I, Fn. \3) zu Art. 3 MEG a.F. (abgedruckt bei BauerlDetjenlMüller-RömeriPosewang, Die neuen Medien, 17.2.3., S. 6 f.), wonach im Sinne des außenpluralen Modells alle anderen verbreiteten inländischen Rundfunkprogramme und sogar diejenigen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mit berücksichtigt werden sollten; zum ganzen ausführlich Piette, Meinungsvielfalt, S. 174 ff., außerdem Degenhart AfP 1987,371,374; Bethge ZUM 1987, 199,207. )09 Vgl. § 20 Abs. I S. I, Abs. 2 S. 2 RuStaV. )10 § 22 Abs. 1 S. 2 RuStaV; zu der Frage, welche landesrechtlichen Regelungen gegenüber der insoweit identischen Vorgängervorschrift des Art. 8 Abs. 7 RuStaV 1987 als weitergehend anzusehen sind vgl. HartsteiniRinglKreile Art. 8 RuStaV, Rn. 6 ff. 1I1 Vgl. § 20 Abs. 2 u. 3 RuStaV; §§ 23 Abs. 1, 24 Abs. I Ba.-Wü.LMedienG; § 20 Abs. 2 Berlin-Brandenb.StaatsV; §§ 13 Abs. I u. 2,14 Abs. I Hess.PRG; § 17 Abs. 3 RG Meckl.-Vorp; § 20 Abs. 2 u. 3 Nieders.LRG; § 12 Abs. 2 u. 3 Rh.-Pf.LRG; § 10 Abs. 2 u. 3 Saarl. LRG; §§ 8 Abs. 1, 15 Abs. 3 S. 2 Sächs.PRG ; § 15 Abs. 4 GPR Sachs.-A., § 16 Abs. 1. 312 BVerfGE 73, 118, 161 f., dort zu § 15 Nieders.LRG a.F. )J3 BVerfGE 73, 118, 163 f., dort zu § 15 S. 3 Nieders.LRG a.F. 314 Drei konkurrierende Programme: § 20 Abs. 2 RuStaV; § 23 Abs. I Ba.-Wü.LMedienG; § \3 Abs. 1 Hess.PRG; § 17 Abs. 2 RG Meckl.-Vorp.; § 20 Abs. 3 Nieders.LRG; § 12 Abs. 2 Rh.-Pf.LRG; § 10 Abs. 2 Saarl.LRG; § 15 Abs. 2 Sächs.PRG; § 15 Abs. 2 GPR Sachs.-A.; § 15 Abs. 1 Thür.PRG; zwei konkurrierende Programme: § 20 Abs. 2 Berlin-Brandenb.StaatsV. 315 § 20 Abs. 3 RuStaV (durch eine Mehrheit von 3/4 der Landesmedienanstalten); § 23 Abs. 1 S. 2 Ba.-Wü.LMedienG; § 20 Abs. 2 S. 2 Berlin-Brandenb.StaatsV; § \3 Abs. 1 Hess.PRG; § 17 Abs. 2 RG Meckl.-Vorp.; § 20 Abs. 4 Nieders.LRG; § 12 Abs. 3 Rh.-Pf.LRG; § 10 Abs. 3
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Sofern demnach eine Verpflichtung zu Binnenpluralität besteht, muß diese regelmäßig wiederum durch Sicherungen wie die Einrichtung eines Programmbeirates316 oder eine besonders plurale Struktur der Veranstaltergemeinschaft317 organisatorisch abgesichert werden. Die erstgenannte Lösung ist vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich gebilligt worden318 , blieb jedoch anscheinend so wenig wirksam319 , daß die Gesetzgeber diese Programmbeiräte mit immer neuen Detailregelungen aufzuwerten trachten320 • Schließlich entsprechen die meisten Gesetze den verfassungsrechtlichen Anforderungen insoweit, als sie auch bei Außenpluralismus ein Mindestmaß an Ausgewogenheit des einzelnen Programms vorschreiben321 •
SaarI.LRG; § 15 Abs. 3 S. 2 Sächs.PRG; § 15 Abs. 2 GPR Sachs.-A.; § 15 Abs. 2 ThÜr.PRG. 116 Vgl. im einzelnen § 24 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Ba.-Wü.LMedienG; § 14 Abs. I Nr. I, Abs. 2 Hess.PRG; §§ 15 Abs. 3, 17 Abs. 3 S. 2 RG Meckl.-Vorp.; § 8 Abs. I S. I Sächs.PRG; § 16 Abs. I Nr. I, Abs. 2 Thür.PRG; nur nachträglich bei festgestellten Verstößen gemäß § 12 Abs. 6 S. 2 Rh.-Pf.LRG u, § 10 Abs. 4 SaarI.LRG. Eine entsprechende Regelung fehlt in BerlinBrandenburg, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. 117 Vgl. im einzelnen § 24 Abs. 2 Nr. I Ba.-Wü.LMedienG; § 14 Abs. I Nr. 2, Abs. 3 Hess.PRG; § 8 Abs. I S. 2 Sächs.PRG; § 16 Abs. I Nr. 2, Abs. 3 Thür.PRG. Eine entsprechende Regelung fehlt in Berlin-Brandenburg, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. In MecklenburgVorpommem, Rheinland-Pfalz und dem Saarland ist ausdrücklich zwar nur die Einrichtung eines Programmbeirats erwähnt, doch erfolgt dies nur beispielhaft (vgl. § 17 Abs. 3 S. 2 RG Meckl.Vorp.; § 12 Abs. 6 S. 2 Rh.-Pf.LRG; § 10 Abs. 4 S. I SaarI.LRG), so daß statt dessen auch Raum für die Sicherung durch eine besonders plural strukturierte Veranstaltergemeinschaft besteht. 318 BVerfGE 73, 118, 175; BVerfGE 74,297, 330, jeweils zu § 22 Abs. 2 Ba.-Wü.LMedienG a.F. 319 So räumt die "Begründung 2. Änderung Ba.-Wü." (§ I, Fn. 11), LT.-Drucks. 10/5420, zu Nr. 15 - § 22 des Entwurfs, S. 57, ein, daß "in der Praxis in Einzelfällen Mitglieder eines Programmbeirats von Veranstaltern ohne Legitimation durch die entsprechenden gesellschaftlichen Gruppen bestellt worden (sind)". Mit anderen Worten haben sich Veranstalter also die ihnen genehmen willfährigen Kräfte ausgesucht. Zu Problemen in Berlin vgl. Hellstem, Rundfunkaufsicht Bd. I, S. 115, 186 und den Berliner Kabelrat, Zwischenbericht S. 91 f.; in Baden-Württemberg siehe außerdem den Bericht der Landesregierung, S. 158 ff.; allgemein zu oftmals unzureichend konkreten Vorgaben über Besetzung und Arbeit solcher Programmbeiräte Ziethen, Rundfunkaufsicht Bd. 3, S. 59, 100 ff. und Vahrenhold, Die Stellung der Privatfunkaufsicht, S. 127 ff. 320 So wurde etwa in Baden-Württemberg die Vorschrift § 22 Abs. 2 Nr. 2 LMedienG a.F durch die mehr als doppelt so umfangreiche Regelung in § 24 Abs. 2 Nr. 2, S. 2 u. Abs. 3 LMedienG n.F. ersetzt; zur gesetzgeberischen Motivation siehe die "Begründung 2. Änderung Ba.-Wü." (§ I, Fn. 11), LT.-Drucks. 10/5420, zu Nr. 15 - § 22 des Entwurfs, S. 57. 121 § 20 Abs. 4 RuStaV; § 20 Abs. 3 Berlin-Brandenb.StaatsV; § 12 Abs. 3 Hess.PRG; § 20 Abs. 2 Nieders.LRG; § 12 Abs. 5 Rh.-Pf.LRG. Bei § 14 Abs. 3 Thür.PRG bleibt unklar, ob diese Forderung auf jedes einzelne Programm oder die Programme in ihrer Gesamtheit bezogen ist; eindeutig auf die Programme insgesamt bezogen dagegen § 2 Abs. 2 S. 3 Sächs.PRG.
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§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung
(ce) Zusammenfassung und Bewertung Durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind pointiert außenplurale Lösungen verschwunden. Vielmehr herrschen Mischmodelle vor, bei denen je nach den tatsächlichen Gegebenheiten Außenpluralität gestattet oder binnenplurale Sicherungen verlangt werden. Um für jeden Fall gerüstet zu sein und auch im Auswahlverfahren gute Chancen zu besitzen, sind somit die Bewerber gezwungen, zumindest annähernd binnenplural ausgewogene Programme zu präsentieren. Wirtschaftliche Gründe haben mit dazu geführt, daß der dogmatische Gegensatz zwischen Außen- und Binnenpluralität seine praktische Bedeutung weitgehend verloren hat. Um einer hohen Publikumswirksamkeit und damit hoher Werbeeinnahmen willen sind die Veranstalter bestrebt, (politisch) nirgendwo anzuecken. Dies führt zwar nicht zu Binnenpluralität, wohl aber zu profillosen Programmen, denen sich mangels unmittelbar meinungsbildender Beiträge keine unausgewogene Tendenz nachsagen läßt322 • Ungeachtet ihres hohen verfassungsrechtlichen Stellenwertes spielen die Vorschriften zur programm'inhaltlichen Meinungsvielfalt in der Zulassungspraxis nur eine geringe Rollem . Neben den oben aufgeführten Gründen ist dafür vor allem die extreme Unbestimmtheit von Begriffen wie "Meinungsvielfalt" und "Ausgewogenheit" maßgeblich. Es handelt sich um bloße "Richtund Annäherungswerte" , deren "Realisierung sich nach Bestand und Größe nicht exakt messen läßt "324. Zudem muß die zu erwartende Meinungsvielfalt
322 Siehe dazu nur die bei Hellstem, Rundfunkaufsicht Bd. I, S. 115, 189 f. mitgeteilten Erfahrungen, die in der griffigen Formel gipfeln: "Ich kann beim RSH keine Politik mehr feststellen und damit kann ich auch nicht mehr die Vielfalt drücken"; verallgemeinernd Ziethen, Rundfunkaufsicht Bd. 3, S. 59, 69. Dabei gerät allzu leicht aus dem Blickfeld, daß der Verzicht auf (kritische) Berichterstattung durchaus politische, nämlich herrschaftsstabilisierende Wirkung gewinnen kann (unnachahmlich dazu literarisch Huxley, Brave New World), und außerdem eine subtile Einseitigkeit im Sinne von Werbeverträglichkeit droht (Hoffmann-Riem, Staatswiss. u. Staatspraxis 1991, 420). Ob diese Nivellierung der Programme durch entstehende Marktlücken eine Gegenreaktion hervorzurufen vermag, bleibt abzuwarten. 323 So zutreffend A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 189; vgl. auch die entsprechende, scharfe Kritik an der Bayerischen Landeszentrale in einem Kabel-Einspeisungsfall durch VGH München ZUM 1992,378,381. Die EG-Kommission hat ganz im Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sogar beiläufig geäußert, Anforderungen an die Meinungsvielfalt im Programm dürften ohnehin nur bei der Kontrolle der Rundfunktätigkeit, nicht aber bei der Erteilung einer Lizenz eine Rolle spielen (Grünbuch, S. 109, dortige Fußnote 74). 324 BVerfGE 73, 118, 168; das Fehler von Maßstäben flir die "gesellschaftliche Relevanz" von Gruppen und Meinungen unterstreicht Hoffmann-Riem, Staatswiss. u. Staatspraxis 1991, 405, 421.
11. Der Ablauf des Zulassungsverfahrens
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im Zulassungsverfahren anband bloßer Absichtserklärungen der Veranstalter, geronnen etwa in Programmschemata, prognostiziert werden, so daß zu der begrifflichen Unschärfe noch eine große Prognoseunsicherheit hinzutritf25 • So kann es nicht verwundern, daß die Zulassungsgremien statt dessen auf die Struktur des Bewerbers abstellen sowie vermehrt auf handfestere, insbesondere ökonomische Kriterien zurückgreifen. Aus prozessualer Sicht begegnet somit erneut das bekannte Dilemma: Einerseits müßten die Gerichte darüber wachen, daß Anforderungen an die Meinungsvielfalt im Zulassungsverfahren ernst genommen, nicht zu bloßen Ausgewogenheitspostulaten abgewertet werden und nicht in den Schatten scheinbar griffigerer wirtschaftlicher Kriterien treten. Andererseits stehen die Gerichte vor dem gleichen Problem wie die Landesmedienanstalten, daß die Vorschriften aufgrund extremer Wertungsoffenheit und massiver Prognoseschwierigkeiten kaum rational handhabbar sind, was wieder einmal die Frage nach Ermessens- und Beurteilungsspielräumen der zuständigen Gremien aufwirft. j) Verbreitungsgebietsbezug und Spartenvielfalt
Damit Rundfunkprogramme überhaupt meinungsbildend wirken können, müssen sich jedenfalls Vollprogramme und informationsorientierte Spartenprogramme mit dem Geschehen aus dem räumlichen Lebensumfeld der Rezipienten auseinandersetzen326 • Bei Fehlen einer Spezialvorschrift327 kann eine entsprechende Verpflichtung daher schon dem allgemeinen Gebot der Meinungsvielfalt entnommen werden. Zur Gewährleistung räumlich-gebietsbezogener Vielfalt enthalten die meisten Landesmediengesetze sogar eine ausdrückliche Regelung, wonach zumindest in Vollprogrammen auch das öffentliche Geschehen im jeweiligen Verbreitungsgebiet darzustellen ist328 • In welchem Umfang dies zu geschehen hat, bleibt
m Vgl. Ziethen, Rundfunkaufsicht Bd. 3, S. 59, 85 f. Vgl. Bullinger/Gödel, § 24 LMedienG, Rn. 2 u. 6. 327 So in Bremen, Mecklenburg-Vorpommem, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. l28 Als Zulassungsvoraussetzung formuliert: § 26 Abs. 1 Nr. 2a Ba.-Wü.LMedienG. Als Programma'!forderung formuliert, die damit in die allgemeine Zuverlässigkeitsprognose einfließen muß: § 5 Abs. 2 HmbMedienG fiir regionale Programme; § 11 Abs. 5 S. 1 Hess.PRG für das landesweite Hörfunkvollprogramm; § 17 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 u. 3 Nieders.LRG; § 11 S. 3 LRG NW; für den lokalen Bereich § 24 Abs. I S. 2 u. 3 LRG NW; § 3 Abs. 2 S. 2 SaarI.LRG; 326
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§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung
allerdings regelmäßig offen. Nur in Hessen (§ 11 Abs. 5 S. 1 Hess.PRG) und Thüringen (§ 13 Abs. 5 S. 1 Thür.PRG) wird ausdrücklich auf "das im Zulassungsantrag angegebene Ausmaß" abgestellt. In den anderen Bundesländern besteht die Möglichkeit, den im vorgelegten Programschema ausgewiesenen Anteil mittels einer Auflage nach § 36 Abs. 1 LVwVfG zum Inhalt der Zulassung zu machen329 . Damit ist jedoch noch nichts darüber gesagt, welchen Anteil verbreitungsgebietsbezogener Information ein Bewerber mindestens anbieten muß, damit sein Zulassungsantrag erfolgreich sein kann. Die Gesetze gehen wohl davon aus, daß sich ein "angemessener Anteil"330 nur in einzelfallbezogener Abwägung zwischen meinungspolitisch Wünschbarem und wirtschaftlich Zumutbarem ermitteln läßt33 !. Bei Lokalprogrammen besteht die besondere Gefahr, daß der lokale Bezug durch Übernahme kostengünstiger , weitgehend gebietsneutraler Mantelprogramme, in geringerem Maße auch durch programmliche Zusammenarbeit mit anderen Veranstaltern, verloren geht. Deshalb bestimmen manche Gesetze mit ausgeprägtem "Lokalradiokonzept" einen Mindestanteil eigengestalteter Sendungen und begrenzen die Möglichkeiten der Programmzulieferung332 . Solch klare Begrenzungen erscheinen besser als offene und wenig "vollzugsfreundliche" Globalregelungen geeignet, in der Zulassungspraxis ernst genommen und durchgesetzt zu werden. In unmittelbarem Zusammenhang mit dem geforderten Bezug des Programms zum Verbreitungsgebiet enthalten viele Gesetze ein Gebot gegen-
§ 2 Abs. 2 S. 2 Sächs.PRG; § 6 Abs. I Nr. 2 GPR Sachs.-A.; § 14 Abs. 2 S. 2 u. 3 Schl.-H.LRG (dort sind Informationssendungen in Spartenprogrammen einbezogen); § 13 Abs. 5 S. I Thür.PRG. Die Unterschiede in der Detail-Formulierung besitzen, soweit ersichtlich, kaum praktische Bedeutung. Anscheinend (für lokale Programme) nur, sofern in der Ausschreibung gefordert: § 35 Abs. 4 S. I Berlin-Brandenb.StaatsV. 329 So für Baden-Württemberg VGH Mannheim VBIBW 1993, 335, 336; vgl. allgemein zu Auflagen zur Sicherung von Veranstalterzusagen eh. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 212 ff. iVm S. 202 (dort zur Bindungswirkung von Programmschemata). 330 So ausdrücklich § 26 Abs. I Nr. 2a Ba.-Wü.LMedienG, zur nahezu identischen Vorgängervorschrift VGH Mannheim VBIBW 1993, 335, 336. § 2 Abs. 2 S. 2 Sächs.PRG spricht von "angemessen ... zu berücksichtigen". J3\ So nun auch VGH Mannheim VBIBW 1993, 335, 336 f. (nachvollziehenden Abwägung ohne Beurteilungsspielraum). Allgemein kann insbesondere nach Programmart (Hörfunk oder Fernsehen), Konkurrenzsituation und technischer Reichweite unterschieden werden, wobei sich die Konkurrenzsituation mit der Zeit verändern kann, vgl. zu entsprechenden Differenzierungen bei Vielfaltsanforderungen allgemein Berliner Kabelrat, Zwischenbericht, S. 83 ff. 332 Vgl. insbesondere §§ 16, 17 Ba.-Wü.LMedienG (i.d.R. 1/5 des Tagesprogrammes redaktionell selbst zu gestalten, davon i.d.R. mindestens 2 Std. - regional - bzw. I Stunde - lokal - pro Tag mit Bezug auf das Verbreitungsgebiet); außerdem § 24 Abs. 2 LRG NW (8 bzw. 5 Stunden Mindestdauer eigengestalteter Sendezeit im Hörfunk, 30 Minuten im Fernsehen).
11. Der Ablauf des Zulassungsverfahrens
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ständlicher Vielfalt in den Vollprogrammen. Sie müssen "angemessene" oder "wesentliche" Anteile an Information (Unterrichtung), Bildung und Unterhaltung enthalten, auch Kultur und Beratung werden genannt333 • Fehlt eine solche Bestimmung, ergibt sich Gleiches aus der Definition des Vollprogrammes, wie sie entweder schon im Gesetz enthalten istl34 oder von diesem zumindest stillschweigend vorausgesetzt wird335 • Damit soll sichergestellt werden, daß sich Rundfunkveranstalter nicht mit massenwirksamer Unterhaltung begnügen, sondern gegenständlich umfassende Beiträge zur Meinungsbildung leisten336 • Um die Freiheit der Programmgestaltung zu wahren337 , nennen die Gesetze jedoch keine Mindestanteile für die einzelnen Sparten. Die Offenheit der Formulierungen ermöglicht einerseits eine flexible Berücksichtigung der jeweils
m Im einzelnen nennen: Information, Kultur und Bildung: § 23 Abs. 2 RuStaV; identisch für bundesweite Programme § ll Abs. 4 Nr. I Hess.PRG; § 13 Abs. 4 Thür.PRG; § 14 Abs. 2 Rh.Pf.LRG; Unterrichtung, Bildung und Unterhaltung, wobei im Anschluß auch von "kultureller Vielfalt" die Rede ist: § 2 Abs. 2 S. I u. 2 Sächs.PRG; ähnlich Art. 4 S. I Bay.MG und § 3 . Abs. 2 S. 2 SaarI.LRG, dort allerdings jeweils nur für die Gesamtheit der Rundfunkprogramme; Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung: § 18 Abs. 1 HmbMedienG, dies gilt nicht für den lokalen Rundfunk; für den lokalen Bereich § 24 Abs. I S. I LRG NW; ähnlich, unter zusätzlicher Nennung des "kulturellen Auftrag(s) des Rundfunks" § 17 S. 2 BremLMG; § 11 S. 2 LRG NW, für landesweite Hörfunkvollprogramme auch § 11 Abs. 5 S. 2 Hess.PRG und § 13 Abs. 5 S. 2 Thür.PRG; Unterhaltung, Bildung, Kunst und Beratung unter Bezug auf den "kulturellen Auftrag des Rundfunks": § 5 Abs. I HmbMedienG; Ereignisse des politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens: § 17 Abs. I Nieders.LRG (außerdem "Information, Kultur und Bildung"); § 6 Abs. I NT. 2 GPR Sachs.-A.; Unterhaltung, Bildung und Beratung, außerdem Darstellung des politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Geschehens: § 14 Abs. 2 S. 2 u. 3 Schl.-H.LRG. Die unterschiedlichen Formulierungen haben auch hier anscheined kaum praktische Bedeutung, zumal Begriffe wie "Information" und "Unterrichtung" sowie "Bildung" und "Kultur" wohl weitgehend gleichbedeutend gebraucht werden. 334 In den Bundesländern ohne sonstige Regelung zur Spartenvielfalt: § 2 Nr. 4 Ba.-Wü.LMedienG (Information, Bildung und Unterhaltung); § 2 Abs. 2 Nr. 1 Berlin-Brandenb.StaatsV (Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung); in den übrigen Bundesländern vgl. § 2 Abs. 2 HmbMedienG; § 2 Abs. I Nr. 5 Hess.PRG; § 2 Abs. 2 Nr. 4 Nieders.LRG; § 2 Abs. 3 LRG NW; § 2 Nr. 3 SaarI.LRG; § 3 Abs. 1 Sächs.PRG (nur "vielfältige Inhalte" ohne weitere Konkretisierung); § 5 Abs. 2 S. 1 GPR Sachs.-A.; § 3 Abs. 2 Schl.-H.LRG; § 2 Abs. 1 Nr. 6 Thür.PRG, wobei teilweise zusätzlich eine tägliche Programmindestdauer von fünf Stunden gefordert wird. 335 So insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern in einem Umkehrschluß aus der legaldefinition des Spartenprogramms in § 3 Abs. 4 RG Meckl.-Vorp. 336 Vgl. etwa die "Begründung Hamburg" (§ 2, Fn. 111) zu § 5 (abgedruckt bei BauerlDetjenlMüller-Ro'merIPosewang, Die neuen Medien, 17.5.3, S. 5). 337 Zur verfassungsrechtlichen Problematik unmittelbar programmbezogener Auflagen, sei es unmittelbar durch den Gesetzgeber oder durch entsprechende Auflagen der Landesmedienanstalt, siehe eh. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 212; Piette, Meinungsvielfalt, S. 56, vgl. auch bereits Lerche NJW 1982, 1676, 1681.
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§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung
spezifischen wirtschaftlichen Gegebenheiten. Andererseits begünstigt diese definitorische Unschärfe jedoch auch eine schleichende Entwicklung zu "verdeckten" Spartenprogrammen (insbesondere Musikprogramme im Hörfunk), bei denen die übrigen Sparten nur noch in Form eines (erweiterten) Annexes (Nachrichten u.ä.) vertreten sind, wie es gleichermaßen bei den öffentlichrechtlichen Hörfunkprogrammen zu beobachten ist. g) Quotenregelungen
In Umsetzung der europäischen Vorgaben338 wurden für das Fernsehen in § 5 des neuen Rundfunkstaatsvertrages Quotenregelungen aufgenommen. Dabei geht es am Rande auch um die Wahrung der nationalen und europäischen kulturellen Identität und Vielfalt, in erster Linie aber um handfeste wirtschaftliche Interessen der europäischen Filmindustrie139 • Im Gegensatz zu den europäischen Bestimmungen wurde im Rundfunkstaatsvertrag allerdings auf konkrete, stufenweise zu erreichende Quoten verzichtet und statt dessen um der größeren Flexibilität willen eine "Soll"-Bestimmung gewählt, in der vom "Hauptteil der Sendezeit" (europäischer Werke bei bestimmten Sparten) bzw. "wesentlicher Anteil" (bei Eigen- und Auftragsproduktionen aus dem europäischen Raum) die Rede ist. Manche Landesgesetze enthalten vergleichbare, gegenüber dem Rundfunkstaatsvertrag nun nur noch deklaratorische Bestimmungen340 , andere dehnen den Anwendungsbereich auch auf den Hörfunk aus 341 •
3J8 Art. 4 bis 9 EG-Richtlinie, Art. 10 Abs. 1 Europarats-Konvention; siehe dazu oben § 1 11. 1., insbesondere dort auch die Fußnote 22. m Diese Prioritäten werden in der Begründung zu § 5 des Rundfunkstaatsvertrag (abgedruckt etwa in Ba.-Wü.LT.-Drucks. 10/5930, S. 63) etwas schönfarberisch dahingehend umschrieben, daß "die Stärkung der europäischen Produzenten" "eine wichtige Voraussetzung" fiir "kulturelle Vielfalt in Deutschland und Europa" sei. 140 § 12 Abs. 6 LRG NW; § 12 Thür.PRG, wobei jeweils von "überwiegendem Anteil" die Rede ist, insoweit geht jedoch der Rundfunkstaatsvertrag gemäß § 1 Abs. 2 RuStaV vor; wortgleich mit dem RuStaV § 21 Nieders.LRG; § 17 Rh.-Pf.LRG und § 7 SaarI.LRG; vgl. auch Art. 11 Nr. 11 Bay.MG, der sich jedoch nicht auf den einzelnen Anbieter, sondern auf das aus Beiträgen verschiedener Anbieter zusammengesetzte Programm bezieht. 34. Als Zulassungsvoraussetzung formuliert: § 26 Abs. 1 Nr. 2 b Ba.-Wü.LMedien; als Programmanforderung gefaßt, deren Beachtung im Rahmen der allgemeinen ZuverlässigkeitspTÜfung prognostiziert werden muß: § 18 Abs. 4 HmbMedienG; § 5 Abs. 3 S. 2 Saarl.LRG ("angemessener Anteil"). Soweit sie vom Rundfunkstaatsvertrag abweichen, werden sie fiir das Fernsehen von diesem verdrängt, bleiben jedoch fiir den Hörfunk wirksam.
H. Der Ablauf des Zulassungsverfahrens
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Umsetzungsschwierigkeiten ergeben sich zum einen auch hier aus der höchst unbestimmten Formulierung. Hier hat jedoch die Rechtsprechung gezeigt, daß sie auch im Rundfunkrecht durchaus flihig ist, derartig vage Begriffe zu konkretisieren. Nach Auffassung der Bremer Verwaltungsgerichtsbarkeit ist jedenfalls ein im Verhältnis zur Gesamtsendezeit marginaler Anteil von unter 10% selbst in der Startphase eines Programmes, in der tendenziell geringere Anforderungen gestellt werden können, nicht mehr angemessen342 • Allerdings kann der Sinn der Bestimmungen immer noch leicht durch kostengünstige Wiederholungen zu unattraktiven Sendezeiten unterlaufen werden, da die Regelungen nicht für bestimmte Sendezeiten spezifiziert sind (keine "Prime-Time-Regelung"). Auch die Bildung europäischer Tochtergesellschaften zur Verwertung amerikanischer Produkte ist möglich343 •
h) Programmherstellung im Lande Einen räumlichen Bezug zum Verbreitungsgebiet besonderer Art fordern Rheinland-Pfalz und Thüringen. Danach muß der Antragsteller "die studiotechnische Abwicklung des Programms" im jeweiligen Bundesland "durchführen", Ausnahmen für Satellitenprogramme bzw. bundesweit verbreitete Programme sind allerdings möglich344 • Diese Bestimmungen sind gerechtfertigt, wenn sie ausschließlich dazu genutzt werden, durch ein Studio im jeweiligen Land den Bezug des Programms zur Region zu erleichtern. Wie noch weiter verbreitete vergleichbare Auswahlkriterien34s dienen sie indes oftmals auch dazu, mit Hilfe des Rundfunkrechts Wirtschafts-Standortpolitik zu betreiben. Derartige Auswüchse eines kompetitiven Föderalismus müssen nicht nur rechtspolitisch 346 , sondern mangels Rechtfertigung durch die Rundfunkfreiheit oder
342 OVG Bremen DVBI 1991, 1270, 1271 ff.; ähnlich schon die Vorinstanz VG Bremen AfP 1991, 664, 666 (jeweils zum numehr gestrichenen § 7 Abs. 2 BremLMG a.F.). 343 Zur Kritik an der europäischen Quotenregelung auch wegen ihrer mangelnden Effektivität siehe etwa Bullinger, in: Eine Rundfunkordnung rur Europa, S. 97 ff.; Mestmäcker, in: Der Einfluß des europäischen Gemeinschaftsrechts, S. 17 ff.; Möwes/Schmitt-Vockenhausen EuGRZ 1990, 121, 122 f; Delbrück ZUM 1989, 373, 376 f Für unvereinbar mit Art. 10 EMRK hält diese Regelungen Engel, Privater Rundfunk, S. 329 ff., allerdings von einem besonders engen Verständnis der Schrankenregelung des Art. 10 Abs. 2 EMRK ausgehend. 344 Siehe im einzelnen § 6 Abs. I Nr. 5 Rh.-PfLRG; § 6 Abs. I S. 1 Nr. 4 Thür.PRG. J4S Siehe dazu unten 7. b) (ee). 346 Vehemente rechtspolitische Bedenken gegen derartige Regelungen äußert zurecht der Berliner Kabelrat, Zwischenbericht, S. 66 ff., insbes. S. 68 ("Eintrittspreise", "die mitunter weniger den verfassungsrechtlichen Zielen der Vielfalt und des Meinungswettbewerbs entspre-
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§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung
durch Grundrechtsschranken auch verfassungsrechtlich als bedenklich eingestuft werden347 • Es wäre Aufgabe der Gerichtskontrolle zu gewährleisten, daß standortpolitische Gesichtspunkte kein derart überproportionales Gewicht erhalten. 6. Einigungsbemühungen
Diejenigen Antragsteller, die sämtliche allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen erfüllen, haben damit die Hürde des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt genommen und hätten grundsätzlich einen einfachgesetzlichen Zulassungsanspruch348 • Im Regelfall reichen bei den besonders begehrten terrestrischen Frequenzen die vorhandenen Übertragungskapazitäten jedoch nicht aus, um alle übriggebliebenen Bewerber antragsgemäß zulassen zu können. Bei derartigem Kapazitätsmangel muß sich an die Prüfung der allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen ein weiterer Verfahrens schritt anschließen, in dem die vorhandenen Kapazitäten zwischen den verbliebenen Bewerbern aufgeteilt werden oder eine Auswahl zwischen diesen Antragstellern vorgenommen wird. Bevor die Landesmedienanstalt nach neuen gesetzlichen Kriterien eine eigene Entscheidung trifft, sehen fast alle Gesetze ein Koordinierungsverfahren vor, in dem versucht wird, eine Einigung zwischen den verbliebenen Antragstellern über eine Aufteilung der Sendezeiten oder Bildung einer gemeinsamen Veranstaltergemeinschaft zu erzielen349 • Durch Privilegierung einer freiwil-
chen als partikularen Interessen der einzelnen Bundesländer"). 347 Eine zulässige Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit kann bei extensiver Auslegung darin kaum gesehen werden, weil dann mangels inhaltlichen Bezugs zum Programm oder zur Struktur des Veranstalters nicht der Schutz der Rundfunkfreiheit, sondern wirtschaftliche Interessen des Bundeslandes im Vordergrund stehen. Auf die Grundrechtsschranke des Art. 5 Abs. 2 GG können derartig weit verstandene Regelungen ebenfalls kaum gestützt werden, da sie zielgerichtet die Rundfunkfreiheit beschränken, ohne daß dies zum Schutz eines höherrangigen Rechtsgutes erforderlich wäre; ausführlich zum Ganzen, ohne allerdings den legitimen Kern solcher Bestimmungen zu berücksichtigen Ricker ZUM 1991, 478, 482 (dort konkret auf § 41 Saarl.LRG-Änderungsentwurf bezogen, wo ein entsprechendes Auswahlkriterium vorgesehen war, das so jedoch nicht Gesetz geworden ist.). Bedenken auch hinsichtlich der Vereinbarkeit standortpolitischer Regelungen mit Art. 10 EMRK bei Engel, Privater Rundfunk, S. 355 ff. 348 Zur Frage des Zulassungsanspruchs siehe näher § 3 V. I. c). 34. Zu den Bundesländern, die nach dem Vorbild Baden-Württembergs in allen Fällen ein Koordinierungsverfahren vorschreiben, siehe im einzelnen unten. Gänzlich auf ein Koordinierungsverfahren bei terrestrischen Frequenzen verzichtet nur Rheinland-Pfalz. In SachsenAnhalt ist es nur für "sonstige" und nicht für vorrangige vier bzw. drei Hörfunk- und zwei Femsehvollprogramme vorgesehen, vgl. § 6 Abs. 2 GPR Sachs.-A. In Nordrhein-Westfalen ist die
11. Der Ablauf des Zulassungsverfahrens
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ligen Einigung erhoffen sich die Gesetzgeber eine größere Akzeptanz der Zulassungsentscheidung und damit ein geringeres Prozeßrisiko, vor allem jedoch eine Förderung veranstalterinterner Pluralität durch Einbinden verschiedener Antragsteller in ein Gesamtprogramm oder eine Anbietergemeinschaft. Haben die Einigungsbemühungen Erfolg, werden die Zulassungsanträge auf freiwilliger Basis entsprechend koordiniert geändert3so • Zwar sind nach Ablauf der gesetzlich als Ausschlußfrist konzipierten Antragsfrist3S1 Antragsänderungen grundsätzlich nicht mehr möglich. Eine nachträgliche Einigung der Bewerber im Koordinierungsverfahren ist jedoch gesetzlich erwünscht, so daß die entsprechenden Vorschriften konkludent eine Ausnahme von der Ausschlußfrist enthalten3S2 • Nur sofern eine gesetzliche Ermächtigung für ein Einigungsverfahren fehlt oder deren gesetzliche Voraussetzungen nicht vorliegen3S3 , müßte eine solche nachträgliche Antragsänderung an der Ausschlußfrist scheitern. In der Praxis waren allerdings die Einigungsbemühungen bisher selten von Erfolg gekrönt3S4 • Sowohl ein Frequenzsplitting als auch die Bildung einer heterogenen Veranstaltergemeinschaft gefährden nämlich das für Publikum und Werbekunden unerläßliche, durchgängig einheitliche Profil eines Senders.
Frequenzkette rur die Fernsehdrittfrequenz (vgl. § 7 Abs. 4 LRG NW n.F.), in Thüringen sind Fernseh- und Satellitenfrequenzen (vgl. § 9 Abs. 3 Thür.PRG) vom Einigungsverfahren ausgenommen. In Hamburg setzt ein Koordinierungsverfahren voraus, daß die Pluralität der konkurrierenden Anbietergemeinschaften gleich zu bewerten ist (§§ 21, 22 Abs. 1 HmbMedienG), in Berlin-Brandenburg müssen Verständigungsbemühungen "aussichtsreich" sein (§ 34 Abs. 3 S. 2 u. 3 Berlin-Brandenb.StaatsV), damit ein Koordinierungsverfahren eingeleitet wird. Eine vollkommen andere Rechtslage findet sich in Bayern. Dort knüpft die Genehmigung der Landeszentrale ohnehin an eine Einigung zwischen Anbietern und Medienbetriebsgesellschaft an (vgl. Art. 28 Bay.MG), so daß für ein zusätzliches Einigungsverfahren kein Raum ist. 3S0 Dry, Freiheit der Massenkommunikation, S. 83; eh. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 180. 351 Siehe dazu oben 3. mit den Nachweisen in den Fußnoten 120-123. m eh. Wagner, Die LandesmedienanstaIten, S. 180. 3S3 Nachweise entsprechender gesetzlicher Regelungen siehe oben in Fußnote 349. In Hamburg findet ein Koordinierungsverfahren gemäß § 22 Abs. 1 HmbMedienG nur statt, wenn keine der konkurrierenden Antragsteller im Hinblick auf seine besonders plurale Zusammensetzung vorzugswürdig ist. Deshalb war es konsequent, daß die Hamburger LandesmedienanstaIt bei fehlender Gleichrangigkeit Antragsänderungen unter Berufung auf die Ausschlußfrist zurückgewiesen hat (vgl. Hoffmann-RiemiZiethen, Rundfunkaufsicht Bd. 1, S. 215, 245; dies übersieht anscheinend eh. Wagner, Die LandesmedienanstaIten, S. 180, Fußnote 103). 3S. Vgl. Hellstem, Rundfunkaufsicht Bd. 1, S. 3, 30, wonach in Baden-Württemberg nur bei 10 bis 13 von insgesamt 73 ausgeschriebenen Frequenzen eine Einigung erfolgte; rur Probleme bei der Sendezeitaufteilung in Bayern vgl. Merten, in: Beiträge zum Medienprozeßrecht, S. 59,60 f.; rur NRW vgl. die positiveren Erfahrungen von Rödding AfP 1989, 648, 649.
llO
§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung
a) Verjahrensjragen Die Vorschriften der einzelnen Bundesländer unterscheiden sich zunächst danach, welche Rolle der Landesmedienanstalt bei den Einigungsbemühungen zugewiesen ist. Nach einigen Gesetzen muß die Landesmedienanstalt selbst aktiv auf eine Einigung der verbliebenen Bewerber hinwirken355 , was regelmäßig einen eigenen Einigungsvorschlag beinhaltet356 • Andere Gesetze räumen der Medienanstalt insoweit ein (eingeschränktes) Ermessen ein357 • Eine dritte Gruppe von Gesetzen sieht schließlich gar kein aktives Eingreifen der Landesmedienanstalt vor358 , so daß sie den Bewerbern nur Freiraum für eigene Einigungsbemühungen gewähren, aber nicht selbst einen Kooperationsvorschlag unterbreiten muß. Unterschiede zwischen den einzelnen Landesmediengestzen bestehen scheinbar auch im Hinblick auf die Bemessung des für Einigungsbemühungen zur Verfügung gestellten Zeitraumes. Ein Teil der Gesetze sieht vor, daß die Landesmedienanstalt eine (angemessene) Frist setzt359 , in anderen Gesetzen ist von einer bestimmten Frist keine Rede 360 oder wird der Medienanstalt zumindest nicht ausdrücklich eine Befugnis zur Fristsetzung eingeräumt361 • Die
35S § 21 Abs. 1 S. 1 Ba.-Wü.LMedienG; § 22 Abs. 1 HmbMedienG; § 8 Abs. 1 S. 1 Hess.PRG; § 9 Abs. 1 S. 1 Nieders.LRG; § 7 Abs. 1 LRG NW; § 53 Abs. 1 S. 1 SaarI.LRG; § 9 Abs. 1 S. 1 Thür.PRG. 3560VG Lüneburg DVBI 1986, 11l2, 1114 sah dagegen auf der Basis von § 9 Abs. 1 Schl.H.LRG a.F (wonach die Landesmedienanstalt aktiv auf eine Einigung hinwirken mußte) zumindest in einer "ersten Phase des Einigungsverfahrens" keine Notwendigkeit für die Medienanstalt, einen eigenen Entscheidungsvorschlag zu unterbreiten. Dann wäre aber nicht ersichtlich, worin überhaupt die aktive Rolle der Medienanstalt bei den Einigungsbemühungen bestehen sollte. Sie darf daher auf einen eigenen Vorschlag nur verzichten, wenn die Kontrahenten bereits selbst realistische Vorschläge unterbreiten oder aber gar kein erfolgversprechendes Einigungskonzept ersichtlich ist. 357 § 13 Abs. 4 BremLMG ("kann"); im lokalen Bereich § 35 Abs. 2 S. 1 HmbMedienG ("soll"). 358 § 12 Abs. I S. 1 RG MeckI.Vorp.; § 10 Abs. I S. 2 Sächs.PRG; § II Abs. 1 S. 1 Schl.H.LRG; beschränkt auf nicht nach Abs. 1 der Vorschrift privilegierte Programme in § 6 Abs. 3 S. 4 GPR Sachs.-A. 35. Vgl. § 22 Abs. 2 S. 1 HmbMedienG, im lokalen Bereich § 35 Abs. 2 S. 2 HmbMedienG; § 7 Abs. 2 S. 1 LRG NW; § 10 Abs. 1 S. 2 Sächs.PRG (zwar jeweils ohne das Wort "angemessen", doch ergibt sich diese Anforderung bereits aus dem Willkürverbot); § 53 Abs. 2 S. 1 SaarI.LRG. 360 Vgl. § 34 Abs. 3 S. 3 Berlin-Brandenb.StaatsV; § 13 Abs. 4 BremLMG; § 8 Abs. 1 S. 3 Hess.PRG; § 12 Abs. 1 S. I RG Meckl.-Vorp.; § 9 Abs. 1 S. 2 Nieders.LRG; § 6 Abs. 3 S. 4 GPR Sachs.-A. 36\ Vgl. § 21 Abs. 1 S. I Ba.-Wü.LMedienG; § 11 Abs. 1 S. 2 Schl.-H.LRG.
11. Der Ablauf des Zulassungsverfahrens
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Landesmedienanstalt kann jedoch auch ohne ausdrückliche Ermächtigung im Rahmen ihres allgemeinen Verfahrensermessens, § 10 LVwVfG, eine solche Frist setzen, was aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Vermeidung einer Überfallentscheidung regelmäßig naheliegt, im Einzelfall im Wege der Ermessensreduzierung sogar geboten sein mag. Der Ablauf der Frist hat in allen Fällen lediglich zur Folge, daß die Medienanstalt dann ermächtigt ist, eine eigene Auswahl- bzw. Verteilungsentscheidung zu treffen. Solange eine solche Entscheidung noch nicht ergangen ist, können sich die Antragsteller auch nach Fristablauf noch einigen~ Die Annahme einer Präklusionswirkung wäre mangels ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung (keine Bezeichnung als Ausschlußfrist) mit dem Vorbehalt des Gesetzes nicht vereinbar und liefe auch dem Sinn der Einigungsvorschriften, eine streitige Entscheidung möglichst zu vermeiden, zuwider. Ungeachtet der einzelnen Unterschiede besitzen somit alle Landesmedienanstalten sowohl hinsichtlich ihrer Rolle bei den Einigungsbemühungen als auch bezüglich des Zeitraumes ein weites Verfahrensermessen, dessen sachgerechte Handhabung nur schwer überprütbar ist. Dies wird zu berücksichtigen sein, wenn im dritten Teil der Arbeit Ermessens- und Beurteilungsspielräume bei Anwendung des materiellen Rechts zur Diskussion stehen. b) Verbindlichkeit der Einigung
Ist eine Einigung zwischen den verbliebenen Bewerbern erzielt, stellt sich die Frage, ob die Landesmedienanstalt bei ihrer Zulassungsentscheidung dieser Vereinbarung folgen kann und muß. Einige Gesetze ordnen ausdrücklich an, daß die Einigung den Vielfaltserfordernissen oder allgemein den Auswahlgrundsätzen mehr oder minder ausgeprägt Rechnung tragen muß, damit die Zulassungsentscheidung auf ihrer Grundlage getroffen werden kann362 • Damit wirft die Zulassungsentscheidung
362 Einigung "unter Berücksichtigung der Auswahlgrundsätze": § 10 Abs. I S. 2 Sächs.PRG; § 6 Abs. 3 GPR Sachs.-A. (bei nicht privilegierten Programmen); § 11 Abs. I S. 3 Schl.-H.LRG; Einigung, "die den Auswahlgrundsätzen Rechnung trägt": § 8 Abs. I HessPRG; § 9 Abs. I S. I Nieders.LRG; § 9 Abs. I S. I Thür.PRG; Aufteilung oder Kooperation, "die den Grundsätzen der Meinungsvielfalt Rechnung trägt": § 21 Abs. 1 Ba.-Wü.LMedienG. Wie schon der Wortlaut andeutet, ist eine begrenzte Abweichung der Einigung von den Auswahlgrundsätzen in allen genannten Ländern unschädlich. Bestünde gar kein Spielraum, wäre eine Vereinbarung ohnehin sinnlos.
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§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung
trotz Einigung der Kontrahenten in etwas vermindertem Umfang strukturell ähnliche Rechtsanwendungs- und Kontrollprobleme auf wie eine streitige Auswahlentscheidung. Andere Gesetze verzichten dagegen auf eine derartige Rückkoppelung der Vereinbarung an die Auswahlgrundsätze3 63 • Verfassungsrechtlich ist auch die letztgenannte Lösung unbedenklich364 , so daß für eine verfassungskonfonn korrigierende Auslegung kein Raum bleibt. Die Verwirklichung der Rundfunkfreiheit darf zwar nicht dem Belieben der Antragsteller überantwortet werden. Bewerbern, die die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen erfüllen, ist damit jedoch bereits ihre Zulassungsfähigkeit bescheinigt, so daß bei weitergehenden Anforderungen im Rahmen der Auswahl zwischen mehreren grundsätzlich geeigneten Bewerbern für den Gesetzgeber ein größerer Spielraum besteht. Im übrigen geht der jeweilige Gesetzgeber in nicht zu beanstandender Weise davon aus, daß ein im Abweichen von den Auswahlgrundsätzen möglicherweise begründetes Defizit durch den in der Einbindung mehrerer Bewerber erzielten Gewinn an veranstalterbezogener Pluralität mindestens aufgewogen wird. Ist nach den genannten Vorschriften eine Einigung berücksichtigungsfähig, muß sie die Landesmedienanstalt nach fast allen Gesetzen ihrer Zulassungsentscheidung auch zugrunde legen. Ein Abweichen davon in atypischen Sonderfällen gestatten freilich Sachsen und Schleswig-Holstein, auch die sprachlich unklare Bremer Regelung ist entsprechend zu verstehen365 •
J6J § 13 Abs. 4 BremLMG; § 7 Abs. I LRG NW. Nur scheinbar eine Rückkoppelung an die Auswahlgrundsätze erfolgt dagegen im Saarland. Dort ist eine Einigung verbindlich, wenn nach den vorgelegten Unterlagen erwartet werden kann, daß sich "Außenpluralität einstellt, doch wird damit nur eine allgemeine Zulassungsvoraussetzung wiederholt. In Berlin-Brandenburg werden von vornherein nur diejenigen Antragsteller in Einigungsbemühungen einbezogen, "die nach den Auswahlgrundsätzen am aussichtsreichsten erscheinen" (§ 34 Abs. 3 S. 2 u. 3 StaatsV). In Hamburg findet ein Koordinierungsverfahren nur statt, wenn Bewerber in ihrer binnenpluralen Zusammensetzung als nahezu gleichwertig erscheinen (vgl. § 22 Abs. I HmbMedienG). Damit bedurfte es in diesen beiden Ländern keiner weiteren, zusätzlichen Anbindung der Vereinbarung an die Auswahlgrundsätze. J6< BVerfGE 73, 118, 195. Zur Begründung wird dort nur darauf abgestellt, daß "die Gefahr einer manipulierten Vereinbarung gering (erscheint)" und etwaigen Gefahren für die Meinungsvielfalt durch auf die allgemeinen Vielfaltsvorschriften gestützte Aufsichtsmaßnahmen begegnet werden kann. J6S Nach § 10 Abs. I S. 2 Sächs.PRG und § 11 Abs. I S. 3 Schl.-H.LRG "soll" die Anstalt der Einigung folgen. In Bremen könnte nach der Formulierung des Gesetzes aus dem Ermessen bei Anstreben einer Vereinbarung auch auf ein Ermessen bei der Berücksichtigung einer erzielten Einigung geschlossen werden. Wenn die Landesmedienanstalt aktiv auf eine Einigung hinwirkt, müßte es im Regelfall jedoch als widersprüchlich angesehen werden, wenn sie eine erzielte Einigung nicht umsetzte. Daher kann auch in Bremen ein Berücksichtigungsermessen allenfalls
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7. Zulassungsentscheidung bei Kapazitätsmangel
Für den Fall, daß eine freiwillige Einigung gesetzlich nicht vorgesehen oder trotz entsprechender Bemühungen nicht zu erzielen ist, muß der Gesetzgeber entweder eine gleichmäßige Aufteilung der Frequenzen unter die verbliebenen Bewerber anordnen oder sachgerechte und individuell zumutbare Auswahlgrundsätze festlegen 366 •
a) Normstruktur der Auswahlvorschrijten Obwohl verfassungsrechtlich beide Möglichkeiten gleichermaßen zulässig sind, ein Sendezeitsplitting dem Ideal einer Gleichbehandlung aller zulassungsfähigen Bewerber sogar näher kommt, wird nunmehr doch fast überall das Auswahlmodell bevorzugt. Im Laufe der Entwicklung hat sich nämlich herausgestellt, daß eine (zwangsweise) Aufteilung der Sendezeiten die für Zuschauerakzeptanz und Werbekunden wichtige Homogenität des Programms und damit dessen finanzielle Grundlagen gefährdet367 • Bei der Normierung von Auswahlkriterien sind zwei verschiedene Regelungsmodelle sowie eine Zwischenlösung zu beobachten, deren Unterschiede vor allem für den im dritten Teil dieser Arbeit zu erörternden Umfang gerichtlicher Kontrolle bedeutsam sind.
in atypischen Sonderfallen anerkannt werden. 366 Zur Wahlmöglichkeit zwischen diesen beiden Lösungen siehe BVerfOE 57, 295, 327 f. FRAG-Urteil; BVerfOE 83, 238, 319 - NRW-Urteil; zu den Anforderungen an die Auswahlgrundsätze siehe außerdem BVerfOE 73, 118, 153 f- Niedersachsen-Urteil. 361 Besonders gut läßt sich diese Entwicklung anhand des baden-württembergischen Landesmediengesetzes verfolgen. Der erste Entwurf sah noch eine schematische Aufteilung der Sendezeiten im turnusmäßigen Wechsel vor, die Gesetz gewordene Fassung ordnete statt dessen eine Aufteilung nach wertenden Kriterien an, zu denen u.a. die zu erwartende Zuschauerakzeptanz und Finanzierbarkeit gehörten (vgl. § 18 Abs. 2 LMedienG a.F.; zu dieser Änderung der Zielvorstellungen siehe Bullinger/G(j"del § 18 LMedienG, Rn. 2 ff.). Bei der Gesetzesänderung von 1987 wurde dann vorrangig eine Auswahlentscheidung angeordnet, um der "Gefahr schwerwiegender Akzeptanz- und Finanzierungsprobleme" zu begegnen. Ein Frequenzsplitting blieb allerdings ausnahmsweise möglich. (vgl. LT.-Drucks. 9/5076, zu Nr. 10 - § 18, S. 15). Bei der neuerlichen Gesetzesänderung von 1991 wurde schließlich in § 21 LMedienG n.F .ein zwangsweises Frequenzsplitting für den Hörfunk gänzlich ausgeschlossen, da bei einer solchen Aufteilung eine "wirtschaftlich leistungsfähige Rundfunkveranstaltung" nicht möglich sei (vgl. LT-Drucks. 10/5420, zu Nr. 12 - § 18, S. 54 Ziffer f., unter Berufung auf den Bericht der Landesregierung, S. 33 ff.). Auf diese wirtschaftlichen Gründe weist auch die "Begründung Thüringen" zu § 9 (§ 2, Fn. 51, aaO. S. 247, 257) hin, um den Verzicht auf eine zwangsweise Aufteilung von Frequenzen zu begründen. 8 Fe/tling
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§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung
(aa) Katalog gleichrangiger Kriterien ~Einige Landesmediengesetze enthalten einen Katalog von Auswahlgrundsätzen, ohne Angaben darüber zu machen, wie diese untereinander zu gewichten sind und welche der genannten Kriterien im Konfliktfall den Ausschlag geben sollen368 • Ein Beispiel mag dies verdeutlichen. Das Landesrundfunkgesetz von Mecklenburg-Vorpommern nennt als Auswahlkriterien unter anderem den Landesbezug des Programms (vgl. § 12 Abs. 2 Nr. 3 RG Meckl.-Vorp.) und die Pluralität der Veranstaltergemeinschaft (vgl. § 12 Abs. 2 Nr. 7 RG Meckl.Vorp.). Welchem von zwei im übrigen gleichwertigen Bewerbern der Vorzug gebührt, wenn einer von ihnen ein Programm mit stärkerem Bezug zum Geschehen in Mecklenburg-Vorpommern anbietet, der andere dagegen als Veranstaltergemeinschaft plural er zusammengesetzt ist, bleibt im Gesetz offen. Es muß jeweils im Einzelfall abgewogen werden, welcher Gesichtspunkt als wichtiger einzustufen ist. In manchen Fällen wird zwar eine verfassungskonforme Auslegung dazu führen, daß den vorhandenen Auswahlkriterien von vornherein schon abstrakt unterschiedliches Gewicht zukommt. So wäre es etwa in Anbetracht der zentralen Bedeutung des Vielfaltsgebots sachwidrig, die nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 und 6 RG Meckl.-Vorp. berücksichtigungsfähigen standortpolitischen Vorteile höher zu bewerten als vielfaltsbezogene Vorzüge gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 7 RG Meckl.-Vorp. Selbst massivste standortpolitische Zusagen eines Bewerbers könnten spürbare Nachteile im Bereich der Meinungsvielfalt nicht auf-, geschweige denn überwiegen. Regelmäßig müssen die Unterschiede zwischen den Bewerbern jedoch im Einzelfall quantitativ und qualitativ bewertet werden. So mag zwar die programmliche Meinungsvielfalt gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 RG Meckl.-Vorp. bei abstrakter Betrachtungsweise am wichtigsten erscheinen, im Einzelfall können aber quantitativ geringe Unterschiede in diesem Bereich durchaus gegenüber quantitativ gewichtigeren Differenzen bei anderen Kriterien, etwa hinsichtlich der Zusammensetzung der Veranstaltergemeinschaft, in der Abwägung zurücktreten. Noch deutlicher wird die Notwendigkeit einer einzelfallbezogenden Abwägung, wenn Konkurrenten
368 § 35 Berlin-Brandenb.-StaatsV ("legt ... Auswahlkriterien ... zugrunde"); § 12 Abs. I S. 2, Abs. 2 RG Meckl.-Vorp ("Auswahlgrundsätze zu berücksichtigen"); wohl auch § 53 Abs. 2 SaarI.LRG. In Bayern dient der Katalog gleichwertiger Kriterien nicht dazu, einen einzelner Anbieter zur Alleinnutzung der Frequenz auszuwählen, sondern nur dazu, die Zahl derjenigen, unter denen die Sendezeiten aufgeteilt werden, zu begrenzen, vgl. Art. 27 Abs. 3 Bay.MG. Dabei sollen in Bayern die in Satz 3 genannten Kriterien die in Satz 2 genannte "inhaltliche Ausrichtung des Angebots" näher erläutern.
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sich nicht nur bei zwei, wie im Rahmen der obigen Beispiele, sondern bei vielen Auswahlkriterien in unterschiedlicher Richtung voneinander unterscheiden. In Sachsen und Schleswig-Holstein steht der Katalog von Auswahlkriterien nicht allein, sondern dient dazu, den übergreifenden Aspekt größerer (Meinungs-) Vielfalt in einer fallbezogenen Abwägung zu konlcretisieren369 • Dort ist die Gewichtung der einzelnen Auswahlgrundsätze also ausdrücklich danach vorzunehmen, welche Bedeutung sie im Einzelfall für den Umfang der (Meinungs-)Vielfalt besitzen. Aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes in seiner vom Bundesverfassungsgericht aus Art. 5 Abs. 1 GG hergeleiteten Ausprägung370 könnten gegen eine fehlende gesetzliche Gewichtung der Auswahlkriterien Bedenken bestehen. Dem Defizit an Rechtssicherheit und vom Gesetzgeber selbst verantworteter Entscheidung steht jedoch ein Gewinn an Flexibilität und möglicher Einzelfallgerechtigkeit gegenüber. Insbesondere können auch die unterschiedlichen Situationen bei Hörfunk und Fernsehen, bei lokalem und (über)regionalem Rundfunk besser berücksichtigt werden. Auch in anderen Rechtsbereichen, insbesondere im Wirtschaftsverwaltungsrecht, ist anerkannt, daß der Gesetzgeber nicht für jede denkbare Situation eine Detailregelung schaffen muß, sondern sich gerade bei komplexen Zusammenhängen mit abstrakten, im Einzelfall ausfüllungsbedürftigen Regelungen begnügen darr71 • Somit ist die Regelungstechnik mittels eines Katalogs potentiell gleichwertiger Auswahlkriterien als noch "sachgerecht" im Sinne des Bundesverfassungsgerichts einzustufen und damit als verfassungsgemäß zu beurteilen. Aus prozessualem Blickwinkel wird zu prüfen sein, ob Landesmedienanstalten oder Gerichte im Einzelfallletztverbindlich die im Gesetz offengelassene Gewichtung vorzunehmen haben.
369 Vgl. § 10 Abs. 2 Sächs.PRG: Vorrang, wer "einen größeren Beitrag zur Meinungsvielfalt im Sendegebiet und zur Gesamtheit der Programme ... erwarten läßt", wobei "auch folgende Auswahlkriterien heranzuziehen (sind)"; § ll Abs. 2 Schl.-H.LRG: Vorrang, wer "die umfassendere Vielfalt im Programm erwarten läßt", wobei "folgende Bewertungskriterien fiir eine Rangordnung der Antragsteller heranzuziehen (sind)". Zu einer ähnlichen Konstruktion in Bayern siehe die vorige Fußnote. 370 Dazu näher oben § I II. 3. J7I Ausführlicher dazu unten § 3 111. I. c).
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(bb) Feste Rangfolge von Auswahlgrundsätzen In Sachsen-Anhalt sind die Auswahlkriterien für die vorrangigen Vollprogramme strikt hierarchisch angeordnet, so daß die jeweils nächste Vorrangregel nur zum Zuge kommt, wenn die verbliebenen Bewerber hinsichtlich des vorangehenden Kriteriums keine oder nur geringfügige Unterschiede aufweisen372 • So ist etwa die Verbreitung regionaler oder lokaler Fensterprogramme nur bedeutsam, wenn der Beitrag der Konkurrenten zu außenpluraler Vielfalt etwa gleich zu bewerten ist. Eine derartige feste Rangfolge von Auswahlgrundsätzen bietet weniger Auslegungsspielraum und ist daher unter dem Aspekt der Rechtssicherheit zu begrüßen. Dafür macht es ein solch starres Korsett schwieriger, die unterschiedlichen Gegebenheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen und jeweils sachangemessene Entscheidungen zu erzielen. Prozessual kommen hier Ermessens- oder Beurteilungsspielräume der Landesmedienanstalten allenfalls bei Auslegung und Anwendung der einzelnen Auswahlkriterien, nicht jedoch bei deren Gewichtung in Betracht. (cc) Mischformen Die meisten Landesmediengesetze sehen zwar als Grundgerüst eine starre Rangfolge von Auswahlkriterien vor, auf einzelnen Stufen werden jedoch verschiedene Aspekte ohne weitere Rangordnung nebeneinandergestellt, so daß insoweit auch hier eine gesetzlich nicht programmierte Abwägung notwendig wird373 •
372 Vgl.§ 6 Abs. 2 GPR Sachs.-A., hilfsweise auch fiir nicht-privilegierte Programme gemäß Abs. 3 S. 2 GPR Sachs.-A. m Vgl. im einzelnen § 21 Ba.-Wü.LMedienG (beim Hörfunk Abs. 2 und 3, dazu siehe sogleich unten im Text; beim Fernsehen Abs. 4 Nr. I "und" Nr. 2); § 13 Abs. 2 u. 3 BremLMG (ein erstrangiger und ein nachrangiger Katalog von Kriterien); §§ 21, 22 HmbMedienG (§ 22 Abs. 2: Programmaufgabe "und" Meinungsvielfalt); § 9 Abs. 2 u. 3 Thür.PRG (Abs. 3: Meinungsvielfalt "und" landesspezifisches Programmbild). Manche Gesetze enthalten solche gleichwertigen Kriterien zur Konkretisierung des Oberbegriffs der (Meinungs-)Vielfalt (vgl. im einzelnen § 9 Abs. 2 Nieders.LRG: Katalog gleichrangiger Kriterien in S. 2, nachrangig standortpolitische Gesichtspunkte in S. 3; § 7 Abs. 2 LRG NW, insbesondere S. 2 n.F.: Zusammensetzung der Veranstaltergemeinschaft "und" sonstige, der Sicherung der Meinungsvielfalt dienende organisatorische Regelungen; § 8 Rh.-Pf.LRG, insbesondere Abs. I S. 4: Gruppenzugehörigkeit von Mitgliedern "sowie" Erfahrungen und Tätigkeiten im publizistischen Bereich,
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So erfolgt etwa in Baden-Württemberg im Hörfunkbereich die Auswahl zwischen konkurrierenden Antragstellern nach einem grundsätzlich dreistufigen, hierarchisch gegliederten System von Auswahlgrundsätzen. Auf der ersten Stufe ist derjenige vorrangig zu berücksichtigen, der sein Programm für das gesamte ausgeschriebene Verbreitungsgebiet veranstalten will (§ 21 Abs. 2 Ba.Wü.LMedienG). Auf der zweiten Stufe ist § 21 Abs. 3 S. 1 u. 2 Ba.-Wü.LMedienG anzuwenden. Sind die Konkurrenten auch insoweit gleichrangig, ist auf einer dritten Stufe derjenige vorzuziehen, der noch nicht in einem anderen Verbreitungsgebiet zugelassen oder an einem Veranstalter mit mehr als zehn Prozent beteiligt ist (§ 21 Abs. 3 S. 3 Ba.-Wü.LMedienG). Im Rahmen des § 21 Abs. 3 S. 1 Ba.-Wü.LMedienG, also auf der zweiten Stufe, werden jedoch zwei Auswahlkriterien ohne gesetzlich vorgegebene Gewichtung nebeneinander genannt, nämlich zum einen die größere Meinungsvielfalt im Programm und zum anderen ein größerer Anteil von eigengestalteten Sendungen mit Bezug zum Verbreitungsgebiet. Grammatikalisch könnte das Gesetz angesichts der Verknüpfung mit "und" so verstanden werden, daß auf dieser zweiten Stufe nur dann eine Vorrangentscheidung getroffen werden soll, wenn ein Bewerber kumulativ sowohl in der einen als auch in der anderen Hinsicht besser abschneidet. Eine solche Auslegung würde aber weder den Gesetzesmaterialien374 noch dem hohen Rang der genannten Vielfaltsaspekte und damit der besonderen Bedeutung dieser Auswahlstufe gerecht. Vielmehr müssen Konflikte zwischen diesen beiden Auswahlkriterien auch hier dadurch gelöst werden, daß jeweils in einer wertenden Abwägung ermittelt wird, welcher von beiden Aspekten im Einzelfall größeres Gewicht besitzt. Schneidet etwa ein Bewerber bei der Berücksichtigung des Geschehens im Verbreitungsgebiet (quantitativ) gravierend besser ab, während der Konkurrent hinsichtlich der programmlichen Meinungsvielfalt nur geringfügig vorzugswürdig erscheint, wird in der Gesamtabwägung der Erstgenannte nach § 21 Abs. 3 S. 1 u. 2 Ba.WÜ.LMedienG den Vorzug verdienen, so daß es auf die dritte Auswahlstufe nach § 21 Abs. 3 S. 3 Ba.-Wü.LMedienG nicht mehr ankommt.
dabei "einzubeziehen" das Maß "innerer Rundfunkfreiheit"), ähnlich wie dies in anderen Gesetzen sogar ausschließlich anzutreffen ist (siehe oben (aa». J74 Nur, "falls Antragsteller hinsichtlich der Anforderungen der Meinungsvielfalt und des Anteils von Sendungen mit Bezug zum Verbreitungsgebiet gleichrangig sind, soll - auf der nächsten Stufe -derjenige den Vorrang erhalten, der noch in keinem anderen Verbreitungsgebiet die Möglichkeit hat, seine Auffassungen und Interessen in einem eigenen Rundfunkprogramm zu vertreten" ("Begründung 2. Änderung Ba.-Wü." (§ 1, Fn. 11), LT.-Druck. 1015420, zu Nr. 12§ 18, S. 54 Ziffer d).
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Zum Teil wird das hierarchische Gerüst der Vorrangregeln auch dadurch aufgeweicht, daß zusätzlich ein weiteres Auswahlkriterium "zu berücksichtigen" ist375 , ohne daß das Gesetz eine Aussage darüber enthielte, auf welcher Stufe dies zu geschehen hat376 • Soweit auch eine verfassungskonforme Auslegung nicht weiterhilft377 , muß wiederum im Einzelfall abwägend ermittelt werden, welche Bedeutung etwa der inneren Rundfunkfreiheit oder der Bereitschaft zur Ausstrahlung von Fensterprogrammen zukommt. Bei dieser Fallgruppe legt allerdings das beharrliche Schweigen der Gesetzesmaterialien die Annahme nahe, daß es sich weniger um gewollte Flexibilität als um gesetzestechnische Ungenauigkeiten handelt. An der Verbindlichkeit des objektiven Gesetzesinhalts kann diese Vermutung jedoch nichts ändern. Diese Mischformen verbinden die Vor- und Nachteile eines starren Konzepts mit denen einer flexiblen Aufzählung von Auswahlkriterien. Die rechtsstaatlich etwas "anrüchigen", für die Gesetzesanwendung aber oftmals hilfreichen Abwägungsspielräume sind in ihrem Ausmaß begrenzter, aber dennoch spürbar vorhanden. Entsprechende Ermessensspielräume der Landesmedienanstalten müssen daher wie bei offenen Kriterienkatalogen in Betracht gezogen werden, wenn auch in eingeschränkterem Umfang. b) Die Auswahlkriterien im einzelnen Wenn die Auswahlgrundsätze auch keine zwingenden Anforderungen an die Antragsteller enthalten, vielmehr nur im Falle der Frequenzknappheit relevant werden und auch dann für diese keine Rechtspflicht beinhalten, binden sie doch m Vgl. gegenüber §§ 21, 22 HmbMedienG die Bestimmung des § 18 Abs. 5 HmbMedienG, wonach das Ausmaß der inneren Rundfunkfreiheit "bei der Zulassung zu berücksichtigen (ist)"; § 8 Abs. 2 u. 3 Hess.PRG, wobei gemäß Abs. 3 S. 2 "bei der Auswahl des Veranstalters des landesweiten Hörfunkprogramms auch die Bereitschaft zu ( ... ) Fensterprogrammen (... ) zu berücksichtigen (ist)"; ähnlich auch § 8 Abs. 3 S. 2 Rh.-Pf.LRG, wonach die studiotechnische Abwicklung des Programms im Lande "in die Abwägung" "einzubeziehen" ist. 376 Vgl. Hoffmann-RiemlZiethen, Rundfunkaufsicht Bd. 1, S. 215, 268, wonach der Hamburger Gesetzgeber "Aspekte redaktioneller Eigenständigkeit zwar positiv bewertete (§ 18 Abs. 5), den Stellenwert entsprechender Absicherungen aber offen ließ"; ähnlich Hoffmann-Riem, Hmb. Staats- u. VerwR, S. 470, 495. 317 Nachdem das Bundesverfassungsgericht im NRW-Urteil die Berücksichtigung des Ausmaßes innerer Rundfuunkfreiheit bei der Auswahlentscheidung nicht zuletzt deswegen gebilligt hat, weil dieses Kriterium "erst das letzte einer Stufenfolge" ist (BVerfDE 83, 238, 318 ff., insbes. 319), darf diesem Kriterium nach verfassungskonformer Auslegung wohl immer nur eine nachrangige Bedeutung zukommen, auch ~enn das Gesetz keine ausdrückliche Einordnung enthält.
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die Landesmedienanstalt bei ihrer Auswahlentscheidung und bestimmen so in derartigem Ausmaß die Zulassungschancen der Bewerber, daß sie ebenfalls an Art. 5 Abs. 1 u. 2 GG zu messen sincf178 • Dementsprechend kehren bei den Auswahlkriterien die gleichen Gesichtspunkte wieder, die bereits im Rahmen der allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen von Bedeutung waren. Während jedoch die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen nur einen zur Sicherung der Rundfunkfreiheit unabdingbaren Mindeststandard fordern, wird bei den Auswahlgrundsätzen der Wettbewerb der Konkurrenten genutzt, um im Rahmen der Bestenauslese möglichst weitgehende Anforderungen durchzusetzen379 • (aa) Programmliche Meinungsvielfalt Sämtliche Landesmediengesetze mit Ausnahme Bremens nennen unter den Auswahlgrundsätzen die zu erwartende programminhaltliche Meinungsvielfalt. Der Rang dieses Gesichtspunktes im Geflecht der Auswahlgrundsätze ist je nach Mode1l380 und konkreter gesetzlicher Ausgestaltung verschieden381 • Unterschiede bestehen außerdem zwischen binnen- oder außenpluralem Bezugspunkt sowie hinsichtlich des Grades der angestrebten Meinungsvielfalt.
378 BVerfGE 83,238,319 - NRW-Urteil; plastisch fonnuliert Ronellenfitsch, VerwArch 1992, 119, 136 fiir das Auswablkriterium der binnenpluralen Zusammensetzung des Veranstalters: "In der Praxis läuft dies darauf hinaus, daß jeder potentielle Veranstalter sich schon von Anfang an um eine plurale Mitgliederstruktur ... bemühen muß, da er vorab nicht unbedingt weiß, ob er Mitkonkurrenten haben wird und wie plural diese strukturiert sein werden. De facto wird so unabhängig vom eigentlichen Kapazitätsmangel ein Zulassungskriterium eingeführt, das den Bewerber, um notfalls konkurrenzfähig zu sein, immer zu einer binnenpluralistischen Organisationsstruktur zwingt". 379 Vgl. etwa Hoffmann-Riem, Staatswiss. u. Staatspraxis 1991,405,417 f. 380 Zu den drei unterschiedlichen Konzeptionen bei der gesetzlichen Regelung der Auswablentscheidung siehe zuvor oben a). 381 Programmliche Meinungsvielfalt hat in den einzelnen Gesetzen folgenden Stellenwert: Eingebettet in einen Katalog gleichrangiger Auswablkriterien in Bayern, Berlin-Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und wohl auch im Saarland; als übergreifender Gesichtspunkt eines derartigen Katalogs in Sachsen und Schleswig-Holstein; erstrangig in Hessen, NRW und Thüringen; gleichrangig mit Bereitschaft zu Fensterprogrammen (Fernsehen) bzw. Vollversorgung und Anteil selbstgestalteter, verbreitungsgebietsbezogener Beiträge (Hörfunk) in Baden-Württemberg; zweitrangig in Sachsen-Anhalt (nach weitestgehender Ausnutzung der Sendezeit); zweitrangig hinter Bevorzugung von Gemeinschaften, dabei gleichrangig mit Aufnabmebereitschaft gegenüber Dritten in Rheinland-Pfalz; zweitrangig hinter pluraler Zusamensetzung der Veranstaltergemeinschaft, dabei gleichrangig mit Erfüllung der Programmaufgabe in Hamburg.
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Bei strikt binnenpluralen Systemen kommt es natürlich auch bei den Auswahlkriterien auf das Programm des einzelnen Antragstellers an382 • In den Rundfunkordnungen, die dem außenpluralen Modell folgen, wird dementsprechend zwar meist auch bei den Vorrangregelungen auf die Gesamtheit der privaten Veranstalter Bezug genommen383 , teilweise jedoch abweichend ein binnenpluraler Maßstab angelegt384 • Da die Rundfunkfreiheit kein Gebot der Modellkonsistenz enthält38S , ist dieser Wechsel des Bezugspunktes zwischen Zulassungsvoraussetzung und Auswahlkriterium verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden386 • Die Antragsteller werden ohnehin nicht unverhältnismäßig, in einer den privaten Rundfunk unzumutbar erschwerenden Weise belastet, da auch in Außenpluralität anstrebenden Systemen meist binnenplurale Strukturen vorherrschen, weil nicht genügend konkurrierende Programme vorhanden sind. Rechtspolitisch liegt die durchaus fragwürdige Vorstellung zugrunde, Binnenpluralität biete gegenüber Außenpluralität eine bessere, optimale Gewähr für Meinungsvielfalt387 • Bezugspunkt der Regelungen bleibt jedenfalls immer allein der Rundfunksektor, seien es die Programme einzeln oder in ihrer Gesamtheit. Medienübergreifende, die Auswirkungen auf die Presse einbeziehende
3.2 § 7 Abs. 2 S. 2 LRG NW; § 22 Abs. 2 S. 1 HmbMedienG, im lokalen Bereich § 35 Abs. 2 S. 2 HmbMedienG; § 11 Abs. 2 S. 1 Schl.-H.LRG. )81 So ausdrücklich Art. 27 Abs. 3 S. 3 Bay.MG; § 10 Abs. 2 S. 1 Sächs.PRG; § 6 Abs. 2 S. 2 GPR Sachs.-A.; zumindest vorrangig gemäß § 35 Abs. 2 Nr. 1 Berlin-Brandenb.StaatsV, wo nachrangig auch auf Binnenpluralität abgestellt wird; ohne ausdrückliche Anordnung, aber aus dem Ziel einer außenpluralen Ordnung zu folgern gemäß § 8 Abs. 2 Hess.PRG; § 9 Abs. 2 S. 1 u. Abs. 3 Thür.PRG. 384 § 21 Abs. 3 u. 4 Ba.-Wü.LMedienG; § 9 Abs. 2 S. 1 Nieders.LRG; § 8 Abs. 1 S. 2 Rh.Pf.LRG; § 53 Abs. 2 S. 1 SaarI.LRG. § 35 Abs. 2 Nr. 1 Berlin-Brandenb. StaatsV legt zwar zunächst einen außenpluralen Maßstab an, bei Gleichwertigkeit mehrerer Vollprogramme wird auf einer weiteren Stufe jedoch auf die Meinungsvielfalt im einzelnen Programm abgestellt. 385 BVerfGE 83,238,315 ff. - NRW-Urteil. 386 Der Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit wird in mit dem NRW-Urteil unvereinbarer Weise überbewertet von Ronellenfitsch VerwArch 1992, 119, 134 ff., wenn er die rheinland-pfälzische Regelung auch - neben Bedenken hinsichtlich ausreichender Bestimmtheit - deshalb für verfassungsrechtlich bedenklich hält, weil trotz eigentlich angestrebter Außenpluralität im Auswahlverfahren binnenplural strukturierte Bewerber bevorzugt werden. Der Gestaltungsspielraum des demokratisch legitimierten Gesetzgebers würde unzulässig verkürzt, wenn allein aufgrund nachvollziehbarer rechtspolitischer Bedenken gegen eine Regelung auf deren Verfassungswidrigkeit geschlossen werden könnte. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich eben nicht verpflichtet, stets die beste Lösung zu finden. 387 Eine derartige Sichtweise klingt auch im Niedersachsen-Urteil BVerfGE 73, 118, 171 an, wonach eine binnenpluralistische Organisation (... ) in höherem Maße geeignet (ist), gleichgewichtige Meinungsvielfalt zu gewährleisten".
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Vielfalt nennt nur Berlin-Brandenburg in § 35 Abs. 2 Nr. 4 StaatsVals zusätzliches Auswahlkriterium. Die meisten Gesetze bevorzugen den Bewerber, der die größere Meinungsvielfalt erwarten läßt388 , eröffnen also einen theoretisch unbeschränkten Wettbewerb zwischen den Antragstellern um eine bestmögliche Gestaltung. Nur wenige Vorschriften beschränken sich auch im Rahmen der Auswahlgrundsätze auf einen Grundstandard gleichgewichtiger Vielfaltl89, so daß schon bei Erfüllung dieses Standards durch mehrere Konkurrenten andere Auswahlkriterien entscheiden müssen. Bei der Anwendung des Auswahlkriteriums programmlicher Meinungsvielfalt stellen sich in verstärktem Maße die gleichen, aus der extremem Unbestimmtheit des Begriffs gepaart mit Prognoseunsicherheiten folgenden Probleme, wie sie schon bei den allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen erörtert wurden. Zusätzlich muß nämlich ein Vergleich zwischen verschiedenen Bewerbern angestellt werden, obwohl Meinungsvielfalt nur als Ziel wert und nicht als exakt meßbare Größe verstanden werden darfl90 • So kann es nicht verwundern, daß regelmäßig aus griffigeren Indizien wie insbesondere einer (zahlen-
388 § 21 Abs. 3 u. Abs. 4 Nr. I Ba.-Wü.LMedienG; Art. 27 Abs. 3 S. 3 Bay.MG; § 35 Abs. 2 Nr. I Berlin-Brandenb.StaatsV; § 22 Abs. 2 S. I HmbMedienG; im lokalen Bereich § 35 Abs. 2 S. 2 HmbMedienG; § 8 Abs. 2 Hess.PRG; § 12 Abs. 2 Nr. I RG Meckl.-Vorp.; § 9 Abs. 2 S. I Nieders.LRG; § 7 Abs. 2 S. 2 LRG NW ; § 10 Abs. 2 S. I Sächs.PRG; § II Abs. 2 S. I Schl.-H.LRG; § 9 Abs. 2 S. I u. Abs. 3 Thür.PRG. Zu § 8 Abs. I S. 2 Rh.-Pf.LRG (damals § 7 Abs. I S. I a.F.) hat OVG Koblenz v. 25.6.1990 - 2 B 11300/90.0VG - Umdruck S. 8 ff. entschieden, daß diese Bestimmung nur im Sinne eines Grundstandards an Pluralität verstanden werden dürfte (zustimmend Ronellenfitsch VerwArch 1992, 119, 143 f.). Zum einen wird dies mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründet, wonach für den privaten Rundfunk ein Grundstandard gleichgewichtiger Vielfalt ausreicht. Bei dieser Argumentation wird jedoch übersehen, daß, wie im NRW-Urteil ausdrücklich klargestellt (BVerfGE 83,238,316 f.), es sich dabei nur um das verfassungsrechtlich unabdingbare Minimum handelt, der Gesetzgeber also frei ist, schärfere Anforderungen und erst recht Auswahlgrunds ätze aufzustellen. Ferner argumentiert das OVG mit § 7 Abs. 2 S. 3 Rh.Pf.LRG a.F., wonach die Pluralität der Gemeinschaft nochmals, nach Ansicht des Gerichts hier in umfassenderem Sinne zu verstehen, bei der Aufteilung der Sendezeiten zu berücksichtigen war. Diese Bestimmung wurde jedoch bei der Gesetzesänderung vom 8.4.1991 aufgehoben. Schließlich wird noch auf den Wortlaut der strittigen Vorschrift hingewiesen, doch deutet dieser entgegen der Auffassung des Gerichts gerade in die andere Richtung ("bessere Gewähr fiir eine größere Meinungsvielfalt"). Demnach muß § 7 Abs. I S. 2 Rh.-Pf.LRG wie die oben aufgezählten Vorschriften im Sinne eines unbeschränkten Wettbewerbs um größere Meinungsvielfalt verstanden werden. 389 Insbesondere § 6 Abs. 2 S. 2 GPR Sachs.-A., wonach es nur darauf ankommt, daß einzelne Gruppen oder Richtungen nicht einseitig begünstigt werden; außerdem § 53 Abs. 2 S. I Saarl.LRG, wonach alle bedeutsamen Gruppen zu Wort kommen müssen. 390 Zu Letzterem vgl. BVerfGE 73, 118, 168 - Niedersachsen-Urteil.
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mäßig) pluralen Zusammensetzung der Veranstaltergemeinschaft auf den Grad der Meinungsvielfaltgeschlossen wird, eine Argumentationsweise, die teilweise schon die Gesetzesfassung nahelegt391 • Dagegen ist es mit der Bindung an Gesetz und Recht, Art. 20 Abs. 3 GG, nicht mehr vereinbar, wenn Verwaltung oder Gerichte das schwierige Auswahlkriterium programmlicher Meinungsvielfalt einfach gänzlich ignorieren, wie es bereits vorgekommen sein so11392 • Welche Folgerungen daraus für die Anerkennung etwaiger Ermessens- oder Beurteilungsspielräume zu ziehen sind, muß im dritten Teil dieser Arbeit untersucht werden. (bb) Veranstalterbezogene Vielfalt Wird die plurale Struktur der Veranstaltergemeinschaft im Gesetz nicht ausdrücklich als Indiz für programminhaltliche Meinungsvielfalt genannt393 , fmdet sie sich meist als eigenständiges Auswahlkriterium. Der Stellenwert innerhalb der Auswahlgrundsätze differiert auch hier nach Strukturmodell und konkreter gesetzlicher Ausgestaltung394. In manchen Ländern hat der Gesetzgeber versucht, den gleichen Gesichtspunkt einer binnenpluralen Veranstalterstruktur gesetzlich (ergänzend) konkreter unzusetzen, indem er auf die Auf-
391 Vgl. insbesondere § 35 Abs. 2 Nr. I Berlin-Brandenb.StaatsV (" aufgrund des eingereichten Programmschemas und der Zusammensetzung des Veranstalters"); § 53 Abs. 2 S. I Saarl.LRG ("nach ihrer kapitalmäßigen Zusammensetzung, ihrer Organisationsstruktur und ihrem Programmscherna"); § 9 Abs. 2 Nr. I Nieders.LRG u. § 11 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 Schl.-H.LRG, wo jeweils die Zusammensetzung der Veranstaltergemeinschaft als ein Kriterium für Meinungsvielfalt genannt wird; insoweit ähnlich auch § 7 Abs. 2 S. 3 LRG NW. Ein enger Zusammenhang zwischen programminhaltlicher Meinungsvielfalt und Zusammensetzung des Veranstalters wird auch in § 8 Abs. I Rh.-Pf.LRG hergestellt, siehe dazu näher in der folgenden Fußnote. 392 Über die Handhabung von § 7 Abs. 1 Rh.-Pf.LRG a.F.in einem Auswahlverfahren berichtet Ronellenfitsch VerwArch 1992, 119, 139: "Die LPR zog für die Vorrangentscheidung nur das zweite Kriterium", also die Struktur des Veranstalters, "... heran." Er hält dies sogar für "sinnvoll, . da das erste", programmliehe Meinungsvielfalt, "und das dritte Kriterium nicht aussagekräftig sind". Hält ein Gericht Vorschriften aufgrund ihrer Unbestimmtheit einer sinnvollen Anwendung nicht fiir fähig, so muß es nach Art. 100 GG vorlegen. Ansonsten dürfen weder Verwaltung noch Gerichte Anwendungsschwierigkeiten aus dem Wege gehen. Es ist vielmehr gerade ihre Aufgabe, den Gesetzesinhalt von Fall zu Fall weiter zu konkretisieren und so zur Rechtsklarheit beizutragen. J.3 Nachweise siehe oben Fußnote 391. J94 Als eines von gleichwertigen Auswahlkriterien: § 12 Abs. 2 Nr. 7 Meckl.-Vorp.; erstrangig: § 21 Abs. 1 S. 2 HmbMedienG, im lokalen Bereich § 35 Abs. I Nr. 1 HmbMedienG; erstrangig als eines von gleichwertigen Kriterien § 13 Abs. 2 Nr. 2 BremLMG.
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nahmebereitschaft gegenüber Dritten binnen eines Monats abstellt395 • Andere Landesmediengesetze räumen zusätzlich Veranstaltergemeinschaften den Vorrang vor Einzelanbietern ein, auch wenn sich diese Vorrangregel bereits aus der allgemeinen Privilegierung pluraler Veranstalterstrukturen ergibt396 • Wird die Struktur der Veranstaltergemeinschaft im Rahmen der Auswahlgrundsätze gar nicht angesprochen, kann sie dennoch als Indiz für prograrnminhaltliche Meinungsvielfalt herangezogen werden, was auch regelmäßig geschieht. So zeigt sich auch bei der Auswahlentscheidung, daß strukturelle und organisatorische Sicherungen für die Praxis bedeutsamer sind als inhaltliche Anforderungen. Dabei muß freilich einer gesetzeswidrigen Überbetonung äußerer Gesellschafterstrukturen entgegengewirkt werden. Wieder ist im dritten Teil der Arbeit zu fragen, ob dies prozessual mit verstärkter gerichtlicher Kontrolle oder durch Stärkung der "Entscheidungsfreude" der Landesmedienanstalten mittels kontroll freier Spielräume zu geschehen hat. (cc) Spartenvielfalt und Bezug zum Verbreitungsgebiet, Fensterprograrnme Um ein gegenständlich umfassendes Programmangebot zu fördern, räumen einige Landesmediengesetze Vollprogrammen generell Vorrang vor Spartenprograrnmen ein397 • Dem gleichen Zweck dienen in anderen Gesetzen die Vorschriften über vorrangige Frequenznutzung398; der Unterschied besteht nur darin, daß im letztgenannten Fall eine Festlegung auf ein Vollprograrnm bereits in der Ausschreibung der entsprechenden Frequenzen erfolgt, während im
'" Zweitrangig nach programminhaltlicher Meinungsvielfalt: § 8 Abs. 2 Hess.PRG; § 9 Abs. 2 S. I Thür.PRG (bei landesweiten Hörfunkprogammen). 396 Die zusätzliche Nennung dient entweder zur gesetzlichen Spezifizierung und Bekräftigung des allgemeinen Vorrangs binnenplural strukturierter Veranstalter (so nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BremLMG) oder dazu, die Veranstalterstruktur abgestuft berücksichtigen zu können (so gemäß § 8 Abs. I S. I Rh.-Pf.LRG: zunächst Vorang von Gemeinschaften vor Einzelanbietern, auf einer zweiten Stufe eine plurale Veranstalterstruktur allgemein als entscheidendes Indiz für programminhaltliche Meinungsvielfalt). 397 § 35 Abs. 2 Nr. I S. 2 Berlin-Brandenb.StaatsV, wobei unklar bleibt, ob dieses Kriterium so wie die übrigen in einer Gesamtabwägung überwindbar ist; früher auch der durch das 5. Rundfunkänderungsgesetz v. 22.9.1992 (GVBI S. 346) gestrichene § 7 Abs. S. I LRG NW n.F .Geweils erstrangig). 398 Vgl. § 7 Abs. 4 Berlin-Brandenb.StaatsV (dort zusätzlich zur Privilegierung von Vollprogrammen bei der Auswahlentscheidung); § 10 Hess.PRG; § 6 Abs. 2 Nieders.LRG; § 7 Abs. 2 Rh.-Pf.LRG (dort allerdings auch ein Hörfunkspartenprogramm privilegiert, siehe dazu unten im Text); § 3 Abs. 3 Sächs.LRG; § 6 Abs. I; § II Abs. 1 bis 3 Thür.PRG; wohl auch § 48 Abs. 3 SaarI.LRG.
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§ 2 ZulassungsveIfahren und -entscheidung
anderen Fall Vollprogramme sich erst bei der Auswahlentscheidung durchsetzen. Bayern, Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein nennen, etwas flexibler und im einzelnen unterschiedlich ausgestaltet, die Einbeziehung der verschiedenen Programmsparten als eines von gleichwertigen Auswahlkriterien399 • Sofern die Anteile der verschiedenen Sparten am geplanten Programm bei den Auswahlgrundsätzen nicht ausdrücklich genannt werden, kann dieser Gesichtspunkt, wie schon bei den allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen, wenigstens als eine Voraussetzung für programminhaltliche Meinungsvielfalt herangezogen werden. Nur wenn ein Programm nämlich auch die besonders meinungsrelevanten Sparten wie Information, Bildung und Beratung in ausreichendem Umfang abdeckt und sich nicht fast ausschließlich auf Unterhaltung beschränkt, kann es einen wichtigen, im Auswahlverfahren konkurrenzfähigen Beitrag zur Meinungsvielfalt leisten400 • Indem so in allen beschriebenen Varianten auf das jeweils einzelne Programm und nicht auf das Gesamtangebot abgestellt wird, zeigt sich auch bei der Spartenvielfalt eine vorrangig binnenplurale Orientierung der Landesmediengesetze. Einen teilweise entgegengesetzten, möglicherweise aber zukunftsweisenden Weg beschreitet nur Rheinland-Pfalz. Dort ist nach einem landesweiten Hörfunkvollprogramm ein entsprechendes Hörfunkspartenprogramm vorgesehen. Dabei wird der Veranstalter des Vollprogramms in der Neufassung zwar nicht mehr ausdrücklich privilegiert, mit dem Abstellen auf die "programmliche und wirtschaftliche Leistungsfähig(keit)" des Hörfunks in Rheinland Pfalz aber weiterhin bei der Auswahl des Spartenprogrammveranstalters faktisch bevorzugt, um seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mittels Einnahmen durch das
199 Dabei wird in Bremen, Niedersachsen und in Schieswig-Hoistein ein Wettbewerb der Konkurrenten um eine bessere Verteilung der Programmanteile auf die verschiedenen Sparten eröffnet wird (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 BremLMG, § 9 Abs. 2 Nr. 2 Nieders.LRG, § II Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Schl.-H.LRG: jeweils .. Umfang des Angebots an ..... ). In Bremen werden außerdem kulturelle Programmbeiträge, vorzugsweise aus Bremen, in einem weiteren Auswahlgrundsatz noch gesondert herausgehoben (§ 13 Abs. 3 Nr. 3 BremLMG). In Art. 27 Abs. 3 S. 3 Bay.MG sind von vornherein nur einige meist unterrepräsentierte Sparten genannt ("kulturelle, kirchliche, soziale oder wirtschaftliche Inhalte"), wohl weil davon ausgegangen wird, daß Politik und vor allem Unterhaltung ohnehin ausreichend vertreten sind. Dort ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht ganz klar, ob eventuell nur auf das Vorhandensein eines Mindestanteiles derartiger Programmbestandteile abgestellt werden darf. 400 Dies machen erneut § 9 Abs. 2 Nr. 2 Nieders.LRG u. § II Abs. 2 Schl.-H.LRG am besten deutlich, indem der Bezug des Programms zum Verbreitungsgebiet dort als eine von mehreren Dimensionen des übergeordneten Vielfaltsbegriffs genannt wird.
11. Der Ablauf des Zulassungsverfahrens
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Spartenprogramm ZU verbessern 401 • Ob sich so eine anspruchsvollere Gestaltung des Vollprogramms durchsetzen läßt oder aber mit dem Spartenprogramm nur höhere Gewinne im Rundfunkgeschäft erzielt werden, bleibt abzuwarten. Als weiteres Auswahlkriterium findet sich vielfach das Ausmaß, in dem sich ein Programm dem Geschehen im Verbreitungsgebiet widmetm. Dieser Gesichtspunkt steht nicht nur in engem regelungstechnischen403 , sondern auch inhaltlichen Zusammenhang mit dem Kriterium der Spartenvielfalt. Um das politische, kulturelle, soziale und wirtschaftliche Leben im Verbreitungsgebiet in das Programm einbeziehen zu können, bedarf es Sendungen aus den Sparten "Information" und "Kultur", so daß durch den Bezug zum Verbreitungsgebiet auch einer einseitigen Progammfixierung auf Unterhaltung vorgebeugt wird. Dadurch bildet der Verbreitungsgebietsbezug gleichzeitig eine wichtige Voraussetzung für programmliche Meinungsvielfalt, so daß zumindest in diesem Rahmen der Umfang verbreitungsgebietsbezogener Beiträge bei der Auswahlentscheidung auch dann zu berücksichtigen ist, wenn er im Gesetz nicht als eigenständiger Auswahlgrundsatz auftaucht. Wie schon bei den allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen fungiert die programmliche Meinungsvielfalt eben auch bei den Auswahlgrundsätzen als Auffangtatbestand für in manchen Landesmediengesetzen nicht ausdrücklich genannte, speziellere Vielfaltsdimensionen (plurale Zusammensetzung des Veranstalters, Spartenvielfalt und räumlichverbreitungsgebietsbezogene Vielfalt). Der Förderung räumlich-verbreitungsgebietsbezogener Vielfalt dient auch der vielfach anzutreffende Auswahlgrundsatz, wonach derjenige Bewerber den Vorzug verdient, der besonders umfangreich lokale und regionale Information im allgemeinen Programm anbietef04 oder - häufiger - die Verbreitung ent-
401 Die "strenge" Privilegierung durch die Fiktion größerer Leistungsfähigkeit des Vollprogrammveranstalters gemäß § 7 Abs. 2 S. I Nr. 3, S. 2 Rh.-Pf.LRG a.F. wurde allerdings wegen verfassungsrechtlicher Bedenken (siehe Bullinger FS Lerche, S. 593, 607 ff., der die Regelung letztlich fiir verfassungsgem äß hielt) nach dem Regierungswechsels gestrichen. 402 Als eines von gleichwertigen Kriterien: Art. 27 Abs. 3 S. 3 Bay.MG; § 12 Abs. 2 Nr. 3 G Meckl.-Vorp.; zur Beurteilung programminhaltlicher Meinungsvielfalt als eines von gleichwertigen Kriterien heranzuziehen: § 9 Abs. 2 Nr. 2 Nieders.LRG; § 11 Abs. 2 S. 2 Nr. I Schl.H.LRG; gleichrangig mit programminhaltlicher Vielfalt: §21 Abs. 3 Ba.-Wü.LMedienG (fiir Fernsehprogramme, außerdem müssen die Beiträge "eigengestaltet" sein); drittrangig hinter programminhaltlicher und veranstalterbezogener Vielfalt: § 8 Abs. 3 S. 1 Hess.PRG, § 9 Abs. 2 S. 2 Thür.PRG; fiir den Hörfunk drittrangig hinter Privilegierung von Vollprogrammen und veranstalterstruktureller Pluralität: § 8 Abs. 2 Nr. 2 Rh.-Pf.LRG. 403 Insbesondere in Schleswig-Holstein in § 11 Abs. 2 S. 2 Nr. I LRG. '04 § 13 Abs. 3 Nr. 1 BremLMG: als eines innerhalb einer Gruppe zweitrangiger Auswahl-
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sprechender Fensterprogramme vorsieht405 • Besondere Bedeutung besitzen regionale Fensterprogramme beim Fernsehen, weil sie die einzige Möglichkeit darstellen, einen gewissen Landesbezug der ausnahmslos (mindestens) bundesweiten Programme zu sichern. In Niedersachsen und Sachsen-Anhalt müssen Fensterprogramme zudem beim Hörfunk einen gewissen Ausgleich für die aufgrund des gesetzlichen Verbotes fehlenden eigenständigen Lokalprogramme bieten. (dd) Innere Rundfunkfreiheit Die sozialdemokratisch geprägten Landesmediengesetze stellen bei der Bewertung des Beitrages zur programminhaltlichen Meinungsfreiheit schließlich noch darauf ab, im welchem Maße, etwa durch ein Redakteurstatut, der Antragsteller seinen Rundfunkmitarbeitern Einfluß auf die Programmgestaltung einräumt406 • Parallel zur "Inneren Pressefreiheit" wird hier von "Innerer Rundfunkfreiheit" gesprochen. Entsprechend verliefen auch die Argumentationslinienzwischen einer Betonung der Rundfunkunternehmerfreiheit einerseits und partizipatorischer Stärkung der Arbeitnehmerrechte andererseits 407 • Das Bundesverfassungsgericht hat dagegen die Berücksichtigung der Redakteursbeteiligung bei der Auswahlentscheidung unter einem anderen Gesichtspunkt, der Stärkung von Meinungsvielfalt, gebilligt. Unter dem gesetzgeberischen
kriterien. 40' Ohne Einordnung in di.e sonstige Rangfolge der Auswahlkriterien: § 8 Abs. 3 S. 2 Hess.PRG (beim landesweiten Hörfunkprogramm); als eines von gleichwertigen Kriterien zur Beurteilung programmlicher Meinungsvielfalt: § 9 Abs. 2 Nr. 3 Nieders.LRG; § 10 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 Sächs.PRG (bei bundesweiten Rundfunkprogrammen); gleichrangig mit programminhaltlicher Meinungsvie1falt: § 9 Abs. 3 Thür.PRG (bei terrestrischen Fernseh- und bei Satellitenfrequenzen); zweitrangig nach programminhaltlicher Meinungsvielfalt: § 21 Abs. 4 Nr. 1 Ba.Wü.LMedienG (beim Fernsehen); letztrangig, mit weiterer Differenzierung nach Veranstaltung der Fenster durch einen Dritten oder den Hauptveranstalter selbst: § 8 Abs. 2 Nr. 1 Rh.-Pf.LRG (bei Fernsehprogramm auf einem Satellitenkanal); letztrangig: § 6 Abs. 2 S. 3 GPR Sachs.-A. (für beide Programmarten). '06 § 13 Abs. 3 Nr. 4 BremLMG; § 18 Abs. 5 HmbMedienG, im lokalen Bereich § 35 Abs. I Nr. 2 HrnbMedienG; § 9 Abs. 2 Nr. 4 Nieders.LRG; § 7 Abs. 2 S. 3 LRG NW; § 8 Abs. I S. 4 Rh.-Pf.LRG; § 53 Abs. 2 S. I SaarI.LG; § 11 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 Schl.-H.LRG; zum jeweiligen Rang dieses Auswahlkriteriums siehe unten. 407 Zur "Inneren Pressefreiheit" siehe etwa einerseits, sich auf die Unternehmerfreiheit stützend, Degenhart BK Art. 5 Abs. I u. 2 Rn. 384 f. und andererseits Hoffmann-Riem, Innere Pressefreiheit als politische Aufgabe, S. I passim. Zur nun überholten verfassungsrechtIichen Diskussion über die "innere Rundfunkfreiheit" siehe etwa Degenhart aaO. Rn. 687 ff. einerseits und Bethge, AfP 1989, 525 ff. andererseits.
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Leitgesichtspunkt der Meinungsvielfalt dürfe es nicht um eine Selbstverwirklichung der Arbeitnehmer gehen, sondern allein um eine Verstärkung der Binnenpluralität, bei der die Redakteure nur eine Vennittlerposition besäßen408 • Die Argumentation leuchtet ein, doch bleibt offen, wie diese schwierige Unterscheidung in der Praxis gelingen kann409 • Jedenfalls muß das Ausmaß der inneren Rundfunkfreiheit stets an das Vielfaltsgebot rückgebunden bleiben, darf also bei der Auswahlentscheidung keine davon losgelöste, womöglich gar vorrangige Bedeutung erlangen. Soweit notwendig, müssen die Vorschriften dergestalt verfassungskonform ausgelegt werden41O • Unabhängig von etwaigen sonstigen Ermessens- und Beurteilungsspielräumen bedarf es daher jedenfalls einer gerichtlichen Kontrolle, die einem Mißbrauch des Auswahlkriteriums der "inneren Rundfunkfreiheit" wirksam entgegentreten kann. Da die Schaffung eines Redakteurstatuts oder andere Mitwirkungsgarantien ähnlich wie die Einrichtung eines Programmbeirats zu einer besonders pluralen Binnenstruktur des Antragstellers beitragen und damit die Meinungsvielfalt erhöhen können, kann die Einräumung "Innerer Rundfunkfreiheit" auch bei Fehlen eines entsprechenden Auswahlkriteriums die Chancen eines Bewerbers im Auswahlverfahren verbessern. Entscheidend sind dabei allerdings die Umstände des Einzelfalls.
408 BVerfGE 83,238, 319 ff.; zustimmend etwa Stock JUS 1992,383, 385, ders. MP; 1991, 133, 140 f., zuvor bereits ähnlich Hoffmann-Riem, Hmb. Staats- u. VerwR, S. 470, 495; als Annäherung an ein "Professionalitäts"-Kriterium verstanden von Dry AfP 1991,402,404. 409 Zweifelnd insoweit Degenhart DVBI 1991, 510, 518. 410 Keine Probleme entstehen insoweit in Nordrhein-Westfalen, wo das Ausmaß innerer Rundfunkfreiheit schon nach dem Wortlaut nur letztrangig Bedeutung gewinnen kann. In Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, dem Saarland und Hamburg (regional und überregional) sowie mit Einschränkungen in Bremen (innerhalb einer Gruppe zweitrangiger Auswahlgrundsätze) ist dieses Kriterium gesetzlich nicht gewichtet, so daß einer verfassungskonformen Auslegung nichts entgegensteht [zu Hamburg siehe insoweit bereits oben a) (aa)]. Schwieriger gestaltet es sich im lokalen Bereich in Hamburg, da dort das Gesetz die "Innere Rundfunkfreiheit" wenigstens formal an erster Stelle nennt. Dort wäre die Grenze verfassungskonformer Auslegug erreicht, wenn auch angesichts der recht unklaren Gesetzesfassung (wenig ergiebig auch die "Begründung Hamburg" (§ 2, Fn. 114) zu § 35, abgedruckt bei BauerlDetjen/Müller-Riimer/Posewang, Die neuen Medien, 17.5.3, S. 24 f.) wohl noch nicht überschritten.
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(ee) Anteil an Eigen- und Auftragsproduktionen, Quote von Inlandsproduktionen, Standortzusagen Einige Landesmediengesetze nennen als weiteres Auswahlkriterium den Programmanteil von Eigen- und Aujtragsproduktionen411 • Dieser Auswahlgrundsatz hat insoweit einen Bezug zum Vielfaltsgebot, als damit die journalistische Eigenständigkeit der Programme gefördert weden soll. Er dient jedoch mittelbar auch der Förderung der heimischen Programmproduktion und damit wirtschaftlichen Interessen. Eindeutig wirtschaftliche Interessen stehen im Vordergrund, wenn die Produktionsbereitschajt im jeweiligen Bundesland bei der Auswahl zu berücksichtigen ist412 • Hier geht es in der praktischen Handhabung vorrangig um den Aufbau wirtschaftlich attraktiver Medienstandorte und nicht mehr um die Sicherung der Rundfunkfreiheit doch Förderung eines Gebietsbezugs im Programm. Gegen diese vorherrschende Überbetonung eines solches Auswahlkriterium bestehen die gleichen verfassungsrechtlichen Bedenken, wie sie schon gegenüber vergleichbaren allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen vorzubringen waren413 • Zwar handelt es sich im Rahmen der Auswahlgrundsätze theoretisch um "freiwillige" Zusagen. Faktisch müssen die Antragsteller in der Konkurrenzsituation indes ihr Verhalten an den Auswahlkriterien genau wie an den allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen ausrichten, so daß die Auswahlregein gleichermaßen an Art. 5 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG zu messen sind.
4JI Als eines von gleichwertigen Auswahlkriterien: § 35 Abs. 2 Nr. 3 Berlin-Brandenb.StaatsV; § 13 Abs. 2 Nr. 3 BremLMG (innerhalb einer erstrangigen Gruppe von Kriterien); als eines von gleichwertigen Kriterien zur Beurteilung programmlicher Meinungsvielfalt: § 9 Abs. 2 Nr. 5 Nieders.LRG; § 11 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 Schl.-H.LRG. ähnlich auch § \0 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 Sächs.PRG. 412 Vgl. im einzelnen § 35 Abs. 2 Nr. 2 Berlin-Brandenb.StaatsV; § \3 Abs. 2 Nr. 2 BremLMG; § 12 Abs. 2 Nr. 4 u. 7 RG Meckl.-Vorp.; § 9 Abs. 2 S. 3 Nieders.LRG; § 7 Abs. 3 u. 4 LRG NW n.F.; § 8 Abs. 3 S. 2 Rh.-Pf.LRG; § 53 Abs. 2 S. 2 Saarl.LRG (oder Bereitschaft zur Filmförderung); § 10 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 Sächs.PRG. 413 Siehe oben 5. h).
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(ff) Größere journalistische und finanzielle Leistungsfähigkeit Einige Landesmediengesetze stellen bei der Auswahlentscheidung auch auf die finanzielle und organisatorische Leistungsfähigkeit der Bewerber414 oder auf größere Professionalität (§ 12 Abs. 2 Nr. 5 RG Meckl.-Vorp.) ab. Die Forderung eines bloßen Mindeststandards an journalistischer Professionalität im Rahmen der allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen ließ sich damit begründen, daß ohne diese Voraussetzungen die Realisierung der programmlichen Vorstellungen nicht gesichert erscheint. Bei einem auf Optimierung angelegten Auswahlgrundsatz verstärken sich jedoch die Bedenken, die hinter derartigen Kriterien ein verbotenes verstecktes Presseprivileg und damit eine Förderung der Medienkonzentration vermuten41S • (gg) Sonstige, gesetzlich vorgegebene Auswahlkriterien Zur Verhinderung vielfaltsfeindlicher Mehrfachnutzung von Sendemöglichkeiten dient § 35 Abs. 2 Nr. 5 Berlin-Brandenb.StaatsV, wonach Bewerber nachrangig zu berücksichtigen sind, deren Programm(e) den Bürgern des Landes bereits durch andere Übertragungsmöglichkeiten zugänglich sind. Allerdings stellt sich die Frage, ab welchem Versorgungsgrad der Bevölkerung andere Übertragungswege, insbesondere durch Kabel, relevant werden. Sachgerecht dürfte eine flexible Handhabung sein, bei der die Verfügung über andere Übertragungswege im Geflecht der Auswahlkriteien um so gewichtiger wird, je größer der damit technisch erreichbare Anteil der Bevölkerung ist. Länderübergreifende intramediäre Konzentration soll dort (vgl. § 21 Abs. 3 S. 3 Berlin-Brandenb.StaatsV) dadurch bekämft werden, daß nur nachrangig zugelassen wird, wer bereits an einem anderen Veranstalter in einem anderen Verbreitungsgebiet im Land mit mehr als 10% beteiligt ist. In den Bundes-
414 Vgl. Art. 27 Abs. 3 S. 2 Bay.MG (als eines von gleichwertigen Kriterien); § 8 Abs. 2 Nr. 3 Rh.-Pf.LRG (dort für das privilegierte Hörfunkspartenprogramm, wobei die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auf den privaten Hörfunk im Lande allgemein bezogen ist). Damit wird der Vollprogrammveranstalter bei der Auswahl des Veranstalters des Spartenprogramms faktisch bevorzugt. 415 Siehe bereits oben 5. d) (bb). In Rheinland-Pfalz wird eine intramediäre Konzentation im Hörfunkbereich zwar nicht mehr ausdrücklich angestrebt (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 3 S. 2 Rh.-Pf.LRG a.F.), aber durch die Klausel zur "Leistungsfähigkeit" jedenfalls hingenommen, um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Vollprogramm-Veranstalters zu verbessern (siehe oben 7. b) (ce».
9 Fehling
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ländern ohne eine entsprechende gesetzliche Regelung können diese Gesichtspunkte in die Beurteilung der außenpluralen Vielfalt einfließen. Allgemein ergibt sich allerdings bei beiden Regelungen das Problem, daß zur Bestimmung der (Teil-)Identität von Veranstaltern erneut auf die höchst unbestimmte Konzernklausel zurückgegriffen werden muß. Damit drängt sich auch hier die Frage nach dem Umfang der gerichtlichen Kontrolle dieser schwierigen Wertungen auf. Vereinzelt finden sich in den Landesmediengesetzen noch weitere Auswahlkriterien416 , deren Bedeutung allerdings gering erscheint, so daß sich eine ausführlichere Darstellung erübrigt. (hh) "Bekannt und bewährt" als zulässiges Argument bei der Neuerteilung einer Zulassung? Bei einer Neuerteilung einer Zulassung sieht sich der bisherige Erlaubnisinhaber , anders als bei der nach manchen Landesmediengesetzen beschränkt zulässigen Erlaubnis-Verlängerung417 , in einern völlig neuen Erlaubnisver-
416 Damit technisch vorhandene Sendemöglichkeiten möglichst optimal eingesetzt werden und nicht teilweise ungenutzt bleiben, privilegiert Sachsen-Anhalt sogar vorrangig Antragsteller, die die nutzbare Sendezeit weitestgehend ausnutzen wollen (§ 6 Abs. 2 S. I GPR Sachs.-A.). Ähnliche Erwägungen liegen § 21 Abs. 2 Ba.-Wü.LMedienG zugrunde, wonach im Hörfunk Bewerber vorrangig zugelassen werden, die ein Programm für das gesamte Verbreitungsgebiet veranstalten wollen, selbst wenn dafür notwendige Übertragungskapazitäten noch sukzessive geschaffen werden müssen. Beide Gesichtspunkte können im übrigen auch in die Bewertung des Beitrages zur Meinungsvielfalt einbezogen werden. In Bayern wird wegen der Aufteilung der Sendezeit unter mehrere Anbieter noch die Bereitschaft des Bewerbers zur Zusammenarbeit genannt (vgl. Art. 27 Abs. 3 S. 2 Bay.MG). § 53 Abs. 2 S. 3 Saarl.LRG erwähnt "die Bereitschaft zur Förderung des interregionalen Bewußtseins im Großraum Saar-Lor-Lux" und trägt so der geographischen Lage des Saarlands Rechnung. Abschließend ist noch auf § 7 Abs. 4 S. 2 LRG NW hinzuweisen, worin fiir die Vergabe der Femsehdrittfrequenz ausschließlich auf die Kanalbelegung nach dem Satellitenfernsehstaatsvertrag abgestellt wird. m Verlängerungsmöglichkeit um fiinf Jahre: § 6 Abs. 2 Hess.PRG; § 13 Abs. 2 S. 2 RG Meckl.-Vorp.; § 6 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 Rh.-Pf.LRG; § 9 Abs. 3 S. 3 Schl.-H.LRG (wobei ausdrücklich die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sein müssen) § 7 Abs. 2 Thür.PRG; bis zu sieben Jahre: § 31 Berlin-Brandenb.StaatsV (bei ausreichenden Kapazitäten sogar Anspruch auf Verlängerung); ohne ausdrückliche zeitliche Eingrenzung, wobei aber jedenfalls die gesetzliche Zulassungshöchstdauer die Obergrenze sein muß [vgl. auch die "Begründung Hamburg" (§ 2, Fn. 114) zu § 16, abgedruckt bei Bauer/Detjen/Müller-Rö'mer/Posewang, Die neuen Medien, 17.5.3, S. 11], damit der Zugang für Neubewerber nicht verfassungswidrig erschwert wird: Art. 28 Abs. I S. 3 u. Abs. 2 S. 2 Bay.MG; § 11 Abs. I BremLMG; § 16 Abs. 3 S. I HmbMedienG, im lokalen Bereich iVm § 33 HmbMedienG; § 49 Abs. 4 S. 2 Saarl.LRG; § 11 Abs. 2
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fahren wiederum der Konkurrenz anderer Bewerber ausgesetzt. In manchen Bereichen des Wirtschaftsverwaltungsrechts, insbesondere bei der Marktzulassung und teilweise auch bei der Vergabe von Güterfernverkehrsgenehmigungen, werden bewährte "Altkonzessionäre" besonders berücksichtigrl18 • Schon dort ist diese Praxis jedoch nicht unumstritten und wird in der neueren Rechtsprechung dahingehend eingeschränkt, daß dadurch für Neubewerber keine unzumutbaren Zulassungshürden errichtet werden dürfen419 . Im Rundfunkrecht jedenfalls wäre eine rechtliche Privilegierung der alten Erlaubnisinhaber mit der verfassungsrechtlich geforderten Offenheit der Medien unvereinba.I"'20. Die Bewährung eines Veranstalters im Rahmen einer früheren Zulassung kann und muß allerdings in die für das neue Zulassungsverfahren erforderliche Prognose seines zukünftigen Verhaltens einfließen. Diese gegenüber unbekannten Bewerbern sicherere Prognosebasis wird ihm einen nicht zu unterschätzenden faktischen Vorteil einräumen421 . Nur in diesem Umfang darf auch das Gesetz auf bisherige Erfahrungen mit einem Zulassungsinhaber abstellen, so daß § 21 Abs. 3 S. 2 Ba.-Wü.LMedienG im Einklang mit den Gesetzesmaterialien422 verfassungskonform entsprechend auszulegen ist. Das Zulassungsgremium muß auch Zulassungsanträge unbekannter Bewerber vorurteilsfrei prüfen, darf ihnen also weder mit besonderem Mißtrauen begegnen noch umgekehrt allein aufgrund fehlender Erfahrungen automatisch von der Glaubwürdigkeit aller ihrer Versprechungen ausgehen. Im übrigen muß es das bisherige
S. 2 Sächs.PRG. Keine Verlängerungsmöglichkeit ist in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt vorgesehen. 418 Vgl. zur Marktzulassung grundlegend BVerwG GewAreh 1965, 30; bestätigt etwa durch BVerwG NVwZ 1982, 194, und den Überblick bei Schalt GewAreh 1991,409 ff.; zur Güterkraftverkehrsgenehmigung vgl. BVerwG DVBI 1989, 557, 558 u. 560 . 419 Vgl. jüngst etwa OVG Münster GewAreh 1991, 229 und den Überblick bei Schalt GewArch 1991,409, 411 ff. unter Berufung auf die Marktfreiheit; ähnlich auch Stober, Handbuch des Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrechts, § 104 V. 2. 420 Vgl. mit Bezug auf die amerikanischen Erfahrungen Hoffmann-Riem AÖR 110 (1985),528, 563; ausführlich hierzu und zum folgenden eh. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 218. 421 Vgl. die von Hellstem, Rundfunkaufsicht Bd. 1, S. 55, 92 f. mitgeteilten Erfahrungen bei der Neuverteilung der Münchener Hörfunkfrequenzen; verallgemeinert von Ziethen, Rundfunkaufsicht Bd. 3, S. 59, 135. m Die "Erfahrungen in der Rundfunkberichterstattung über das Geschehen in dem Verbreitungsgebiet" sollen nur "als ein wesentliches Kriterium dafür gewertet (werden), welcher Antragsteller die größeren Anteile an redaktionell selbst gestalteten Beiträgen über die (... ) Ereignisse im Verbreitungsgebiet erwarten läßt". Dies "darf jedoch nicht als Bestandsschutzgarantie mißverstanden werden". "Das Gesetz gibt vielmehr der Offenheit und Anpassungsfähigkeit des privaten Rundfunks den Vorrang vor einem Investitions- und Bestandsschutz" ["Begründung 2. Änderung Ba.-Wü." (§ 1, Fn. 11), LT.-Drucks. 10/5420, zu Nr. 12 - § 18, c), S. 53]. 9·
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Verhalten des Zulassungsinhabers kritisch würdigen und auch negative Erfahrungen ausreichend berücksichtigen, darf also nicht aus bloßer Bequemlichkeit oder aus Rücksichtnahme auf dessen wirtschaftliche Interessen den bekannten Antragsteller favorisieren. Der Ruf nach Sicherung der Zugangsoffenheit durch gerichtliche Kontrolle scheint nahezuliegen, doch muß auch hier gefragt werden, ob Ermessens- oder Beurteilungsspielräume bestehen. c) Zwangsweise Aufteilung der Sendezeiten
Wie bereits erwähnt423 , ist eine zwangsweise, also nicht auf einer Vereinbarung der Konkurrenten untereinander beruhende Aufteilung der Sendezeiten auf einer gemeinsam genutzten Frequenz aus wirtschaftlichen Erwägungen nur noch in wenigen 'Landesgesetzen vorgesehen. Allein in Bayern bilden mehrere Anbieter auf einer Frequenz im Hörfunk gesetzestechnisch den Regelfall. Es handelt sich jedoch nicht um ein Frequenzsplitting im engeren Sinne, vielmehr muß die Medienbetriebsgesellschaft aus den Beiträgen ein Gesamtprogramm bilden, wobei sie zur Sicherung der Wirtschaftlichkeit auch eine Auswahl zwischen den Anbietern vornehmen kann (vgl. Art. 27 Abs. 3 S. 1 Bay.MG). In den anderen Bundesländern ist ein zwangsweises Frequenzsplitting, wenn überhaupt, nur bei nachrangigen Frequenzen oder Programmen vorgesehen424 oder aber auf nicht-kommerzielle Programme 425 sowie die Einbeziehung von Fensterprogrammen426 beschränkt. An solche Fallgruppen ist wohl auch in der berlin-brandenburgischen Regelung gedacht, wonach Hörfunkfrequenzen "grundsätzlich" nicht aufgeteilt werden "sollen" (vgl. § 35 Abs. 7 StaatsV), im Gegenschluß demnach in at~pi sehen Fällen ein Frequenzsplitting möglich bleibt.
m Siehe oben 7. a) am Anfang. Für weitere Programme über je ein landesweites Vollprogramm in Hörfunk und Fernsehen hinaus: § 53 Abs.3 SaarI.LRG.; früher ähnlich § 6 Abs. 3 S. I u. 4 Nieders.LRG a.F. 425 Als neben einer Auswahlentscheidung gleichrangige Möglichkeit gemäß § 27 Abs. 2 Ba.WÜ.LMedienG. Bei nicht erwerbswirtschaftlich orientierten Veranstaltern spielen Schwierigkeiten bei der Werbeaquisition nur eine geringere Rolle; im übrigen wollen derartige Veranstalter oftmals gar kein 24 Stunden-Programm veranstalten [vgl. die "Begründung 2. Änderung Ba.WÜ." (§ I, Fn. 11), LT.-Drucks. 10/5420, zu Nr. 18 - § 25, c), S. 60]. 426 So ausdrücklich § 21 Abs. 4 S. 3 Ba.-Wü.LMedienG. Ohne eine derartige Spezialregelung beinhalten bereits die gesetzlichen Regelungen über Fensterprogramme konkludent eine Ermächtigung zum dafür erforderlichen Frequenzsplitting. 424
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Eine Aufteilung der Sendezeiten bietet gegenüber einer Auswahlentscheidung den Vorteil, daß anstelle einer "Alles oder Nichts-Lösung" mehrere verbliebene Bewerber gleichbehandelt werden können. Allerdings kann auf wertende Kriterien auch dabei kaum verzichtet werden. Zum einen wird ein Frequenzsplitting kaum unter allen generell zulassungsfähigen Bewerbern möglich und sinnvoll sein. Vielmehr muß regelmäßig eine Auswahl geeigneter Kanndidaten für ein halbwegs homogenes Programm vorausgehen, so daß Auswahl- und Aufteilungsentscheidung kombiniert werden427 • Zum anderen ist zu berücksichtigen, daß die verschiedenen Zeiten des Tages ganz unterschiedlich attraktiv sind, so daß bei einer Aufteilung nach Tageszeiten doch wieder eine Bewertung der Antragsteller vorgenommen werden muß, ohne daß dafür gesetzliche Kriterien vorhanden sind428 • Eine vollkommene, schematische Gleichbehandlung läßt sich nur mittels einer Aufteilung nach Wochen oder noch größeren Zeiträumen (bei täglichem Wechsel stellt sich das Problem der Aufteilung des besonders attraktiven Wochenendes) erzielen. Dennoch legen sich die Landesmediengesetze nicht auf ein bestimmtes System fest429 und überlassen den Aufteilungsmodus der Entscheidung im Einzelfall. Soweit demnach inhaltliche Wertungen erforderlich bleiben, die zudem gesetzlich nicht eindeutig gesteuert sind, drängt sich wiederum die Frage nach dem Umfang gerichtlicher Kontrolle auf. 8. Zulassungsentscheidung und deren Inhalt
Den Abschluß des Zulassungsverfahrens bildet der Verwaltungsakt der Rundfunkzulassung, gegebenenfalls zusammen mit der Ablehnung weiterer Bewerber430 • Von besonderem Interesse ist hierbei die erforderliche Mehrheit im Zulassungs gremium, erscheint die Gefahr sachwidriger Beeinflussung doch umso größer, je geringer die erforderliche Zustimmungsquote ist. Die Anfäl-
427 So für Baden-Württemberg VGH Mannheim VBIBW 1989,214; VGH Mannheim ESVGH 42, 185, 190; für die dortige neue Gesetzesfassung Breunig VBIBW 1993,45,47. m Die einzige Ausnahme macht § 27 Abs. 2 S. 3 Ba.-Wü.LMedienG, wonach das Ausmaß der redaktionell selbst gestalteten Beiträge und die kulturelle Vielfalt im Verbreitungs gebiet ausschlaggebend sind. 429 § 53 Abs. 3 S. 2 Saar1.LRG läßt eine Aufteilung nach Tageszeiten nur auf freiwilliger Basis zu, ansonsten ist ein "tumusgemäßer Wechsel" vorgeschrieben. Einen wöchentlichen Wechsel sah früher § 6 Abs. 3 Nr. 4 Nieders.LRG a.F. vor. Die übrigen Landesmediengesetze, die ein Frequenzsplitting zulassen, enthalten keine nähere Regelung. 430 Zur umstrittenen Frage, ob Zulassungs- und ablehnende Bescheide eine rechtliche Einheit bilden oder getrennt zu betrachten sind, siehe unten § 4 11. 2. a) (bb).
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§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung
ligkeit für sachwidrige, insbesondere parteipolitische Einflüsse kann wiederum nicht unberücksichtigt bleiben, wenn Ennessens- oder Beurteilungsspielräume in Rede stehen. Angesichts der besonderen Bedeutung der Zulassungsentscheidung fordern einige Landesmediengesetze eine qualifizierte Mehrheit im Zulassungsgremium (zwischen absoluter Mehrheit und 5/7-Mehrheit je nach konkreter gesetzlicher Ausgestaltung differierend431 ), andere begnügen sich dagegen mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen432 • Der Gegenstand der Zulassung muß in der Entscheidung möglichst genau bezeichnet werden. Was dazu als Mindestinhalt erforderlich ist, wird fast überall im Gesetz aufgezählt. Genannt werden insbesondere Verbreitungsart, Verbreitungsgebiet, Programmart, Programmkategorie, Übertragungskapazität und Programmdauet33 • Manche Gesetze erwähnen auch programminhaltliche Vorgaben, insbesondere das Programmschema434 • Auch ohne ausdrückliche m Mehrheit der Mitglieder (absolute Mehrheit): § 38 Abs. 4 S. 2 BremLMG; §§ 59 Abs. 3 S. 2, 53 Abs. 2 Nr. la) HmbMedienG; §§ 60 Abs. 3, 58 Abs. 2 Nr. 4 u. 7 Nieders.LRG; § 59 Abs. 5 S. 2 LRG NW; §§ 48 Abs. I S. 3, 47 Nr. 9 Rh.-Pf.LRG; § 49 Abs. 2 S. 2 SaarI.LRG; §§ 43 Abs. 2 S. 2, 40 Abs. I Nr. 2 u. 3 RG MeckI.Vorp.; §§ 38 Abs. 3 Nr. I, 4 Abs. I GPR Sachs.-A.; 2/3-Mehrheit: § 46 Abs. 3 Nr. I Schl.-H.LRG; Zustimmung von mindestens 5 der 7 Mitglieder: § 13 Abs. 4 S. 2 Berlin-Brandenb.StaatsV. 432 § 40 Abs. I S. I Hess.PRG; § 32 Abs. 5 S. I Sächs.PRG; § 46 Abs. I S. I Thür.PRG; nach § 76 Abs. 3 Ba.-Wü.LMedienG genügt grundsätzlich zwar auch eine einfache Mehrheit, doch müssen mindestens zehn Mitglieder des Medienrats zustimmen. Zur Freiheit bei der Gestaltung des Abstimmungsverfahrens siehe OVG Bautzen LKV 1993,388,389. m Vgl. im einzelnen § 20 Abs. I Ba.-Wü.LMedienG; § 30 Abs. 3 Berlin-Brandenb.StaatsV; § I lAbs. 2 iVm § 2 Abs. 3 bis 7 BremLMG; § 16 Abs. I HmbMedienG, im lokalen Bereich iVm § 33 HmbMedienG; § 6 Abs. I iVm § 2 Abs. 2 Hess.PRG; § 13 Abs. I iVm § 3 Abs. 8 RG Meckl.-Vorp.; § II Abs. I Nieders.LRG; § 8 Abs. 2 iVm § 2 Abs. 8 LRG NW, im lokalen Bereich iVm § 23 Abs. 2 LRG NW; § 9 Rh.-Pf.LRG; § 49 Abs. 3 SaarI.LRG; § I I Abs. I Sächs.PRG; § 7 Abs. I GPR Sachs.-A.; § 9 Abs. I iVm § 3 Abs. 9 Nr. 2 Schl.-H.LRG; § 7 Abs. I iVm § 2 Abs. 2 Thür.PRG. Als "Verbreitungsart", teilweise auch als "Übertragungstechnik" bezeichnet, kommt "drahtlos" oder "durch Kabel" in Betracht, wobei bei drahtloser Verbreitung teilweise noch zwischen erdgebundenen Sendern und (Rundfunk- oder Fernmelde)SateIIit unterschieden wird; unter "Programmart" wird Hörfunk oder Fernsehen verstanden; "Programmkategorie" meint Voll- oder Spartenprogramm; als "Übertragungskapazität" müssen (konkrete) Frequenzen oder Kanäle bezeichnet werden. Neben den im Text aufgeführten Inhalten werden teilweise noch genannt: "Sendezeit" (§ 20 Abs. I Nr. 5 Ba.-Wü.LMedienG; § 8 Nr. 2 Rh.-Pf.LRG; § 9 Abs. I Nr. 4 Schl.-H.LRG (dort als "zeitliche Lage des Programms" bezeichnet); "technische Übertragungseinrichtungen": § 7 Abs. I GPR Sachs.-A.; "Sendeumfang": § I I Abs. I Nieders.LRG. Eine gesetzliche Festlegung des Mindestinhalts der Zulassung fehlt nur in Bayern. 04 § II Abs. 2 BremLMG; § II Abs. I Nieders.LRG; § 8 Abs. 2 S. I LRG NW, im lokalen Bereich iVm § 23 Abs. 2 LRG NW; § 9 Nr. 6 Rh.-Pf.LRG; § 9 Abs. I Nr. 5 Schl.-H.LRG. § 30 Abs. 3 Nr. I u. 3 Berlin-Brandenb.StaatsV nennt darüber hinaus den "Veranstalter und seine Zusammensetzung" sowie "die wesentlichen Merkmale des Programms".
II. Der Ablauf des Zulassungsverfahrens
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Anordnung können aber für Erteilung und Bestand der Zulassung essentielle Anforderungen, insbesondere solche zur Sicherung der Staatsfreiheit und Förderung von Vielfalt, mittels eine Auflage nach § 36 Abs. 1 LVwVfG zum Inhalt der Zulassung gemacht werden. Zur Absicherung von Veranstalterzusagen kann außerdem auch ein Widerrufsvorbehalt in Betracht kommen43s • Die Zulassungsdauer ist von Gesetz zu Gesetz unterschiedlich zwischen einem und zehn Jahren festgelegt, wobei die einzelnen Vorschriften meist einen gewissen Spielraum eröffnen, sich dabei oft auch am Zulassungsantrag orientieren436 • Während die Zugangsoffenheit des Rundfunksystems kürzere Fristen erfordert, bedarf es zur Sicherung der Wirtschaftlichkeit einer längeren Zulassungsdauer . Gesetzgeber und - bei gesetzlich eröffnetem Spielraum - Landesmedienanstalt müssen jeweils eine zwischen diesen divergierenden Interessen vermittelnde Lösung finden437 , wobei sich nach Ende der Erprobungsphase nun ein Trend zu längeren, meist zehnjährigen Zulassungszeiträumen abzeichnet.
435 Zum ganzen siehe Ch. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 205 ff., zur Anwendbarkeit von § 36 Abs. I LVwVfG siehe außerdem oben 5. e) (aa) - Vielfaltsauflagen - u. f.) - Bezug zum Verbreitungsgebiet. Ausdrückliche Ermächtigung zu Nebenbestimmungen, die die Erfüllung der bei der Auswahlentscheidung berücksichtigten Bewertungskriterien sicherstellen, in § ll Abs. 3 Nieders.LRG. 436 I bis (normalerweise) 8 Jahre: § 28 Abs. I Ba.-Wü.LMedienG; in der Regel 8 Jahre, bei terrestrisch verbreiteten Programmen bundesweiter Anbieter dagegen längstens 4 Jahre: Art. 28 Abs. I S. 2 und Abs. 3 Bay.MG; antragsgemäß bis zu 7 Jahre: § 30 Abs. 4 S. I Berlin-Brandenb.StaatsV; bis zu 10 Jahre: § 49 Abs. 4 S. I SaarI.LRG; antragsgemäß I bis 10 Jahre, bei vorrangigen Femseh- und Hörfunkvollprogrammen zwingend IO Jahre: § 7 Abs. 2 S. I iVm § 5 Abs. 6 S. I bzw. § 6 Abs. I S. 2 Nr. I GPR Sachs.-A.; antragsgemäß 2 bis 10 Jahre: § 11 Abs. I BremLMG; antragsgemäß 4 bis 10 Jahre: § 8 Abs. I LRG NW, im lokalen Bereich iVm § 23 Abs. 2 LRG NW; antragsgemäß 5 bis IO Jahre: § 16 Abs. 3 S. I HmbMedienG, im lokalen Bereich iVm § 33 HrnbMedienG; § 11 Abs. 2 S. I Sächs.PRG; 5 bis (normalerweise) IO Jahre: § 6 Abs. 3 S. I u. S. 2 Nr. 2 Rh.-Pf.LRG; antragsgemäß 8 bis IO Jahre: § 6 Abs. 2 Hess.PRG; § 7 Abs. 2 Thür.PRG; antragsgemäß bis zu 10 Jahre: § 11 Abs. 2 Nieders.LRG; normalerweise 10 Jahre, ausnahmsweise kürzer: § 13 Abs. 2 RG Meckl.-Vorp.; zwingend IO Jahre: § 9 Abs. 3 S. I Schl.-H.LRG. 437 Vgl. Ch. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 215 ff.; Stender-Vorwachs, Staatsfeme und Gruppenfeme, S. 147, Fn. 53; zur Kontrolle mittels Befristung siehe außerdem Jarass, Gutachten, Rn. 110, Klein, Rundfunkfreiheit, S. 86.
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§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung
ill. Zusammenfassung: Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Landesmediengesetze
Dem eigentlichen Zulassungsverfahren vorgelagert ist die Frequenzverteilung zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk438 , die als Vorfrage auch in verschiedenen Fonnen von Konkurrentenstreitigkeiten von Bedeutung sein kann. Die einzelnen landesrechtlichen Regelungen weisen hier noch beträchtliche Unterschiede sowohl hinsichtlich der Zuständigkeit als auch hinsichtlich der Dichte der materiellen Vorgaben auf. Zum einen liegt dies daran, daß ältere Gesetze die diesbezüglichen Vorgaben des NRW-Urteils abstrakte gesetzliche Regelung und staatsfreie Organisation - noch nicht verarbeitet haben; zum anderen sind die Staatskanzleien daran interessiert, ihren Einfluß auf diese politisch wichtige Weichenstellung zu wahren. Das Zulassungsverfahren im engeren Sinne ist in allen Landesgesetzen dreistufig aufgebaut. Nach Ausschreibung und Antragstellung überprüft die Landesmedienanstalt zunächst, ob die Bewerber die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen einhalten. Zwischen den verbliebenen Bewerbern wird sodann versucht, eine Einigung über eine Aufteilung der Sendezeiten oder Bildung einer Veranstaltergemeinschaft zu erzielen. Gelingt dies - wie meist - nicht, so muß auf der dritten Stufe eine Auswahlentscheidung getroffen werden, selten ist gesetzlich auch ein zwangsweises Frequenzsplitting möglich. Wesentliche Unterschiede bestehen bei der Zusammensetzung der entscheidenden Gremien439 • Teilweise sind sie aus Vertretern gesellschaftlich relevanter Gruppen gebildet (Versammlungs modell) , andere bestehen aus einer kleineren Zahl möglichst unabhängiger Persönlichkeiten (Ratsmodell), auch Mischmodelle sind zu finden. Ein Problem bildet bei allen Modellen die parteipolitische Abhängigkeit der Gremien-Mitglieder, die sich in der - im einzelnen unterschiedlich hohen - Staats quote , mehr aber noch in informellen Abhängigkeiten und "Freundeskreisen" niederschlägt. Zulassungsverfahren und Zusammensetzung der Gremien müssen mit berücksichtigt werden, wenn Ermessens- oder Beurteilungsspielräume bei Anwendung des materiellen Rechts untersucht werden. Die allgemeinen Zulassungsvoraussetzen gleichen sich überall weitgehend. Sie sind, den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts entsprechend, von den Leitideen der Staatsfreiheit und der (Meinungs-)Vielfalt beherrscht und
438 439
Dazu und zum folgenden siehe ausfiihrIich oben 11. I. Hierzu siehe ausfiihrIich oben 11. 2. b).
III. Zusammenfassung
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suchen insoweit präventiv einen Mindeststandard zu sichern. Dazu dienen insbesondere Anforderungen an Rechtsfonn und Zusammensetzung der Antragsteller, an programminhaltliche Vielfalt in ihren verschiedenen Ausprägungen sowie - gewerberechtsähnlich - an die Zuverlässigkeit der Bewerber hinsichtlich der Einhaltung (sonstiger) gesetzlicher Bestimmungen440 • Über die Zuverlässigkeitsprognose, die sich auf die zukünftige Einhaltung sämtlicher Anforderungen an den privaten Rundfunk erstrecken muß, müßten eigentlich sämtliche (Programm-)Anforderungen schon in die Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen einbezogen werden, so daß die gesetzliche Unterscheidung zwischen beiden Kategorien für das Zulassungsverfahren theoretisch an Bedeutung verliert. Faktisch tritt jedoch an die Stelle eigentlich notwendiger präventiver Steuerung im Zulassungsverfahren die Hoffnung, später sichtbar werdende Verstöße der Veranstalter im Aufsichtswege bekämpfen und so bereits eingetretene Fehlentwicklungen noch nachträglich korrigieren zu können. Dies gilt insbesondere für Programmgrundsätze und Bestimmungen zu Jugend- und Datenschutz, vor allem aber für die Regelungen über die Finanzierung privaten Rundfunks, die wie die Quotenregelungen bundeseinheitlich im Rundfunkstaatsvertrag geregelt sinct'l, der in vielen Teilen wiederum auf europäischen Vorgaben in der EG-Richtlinie und der Europarats-Konvention basiert442 • Scheinbare Unterschiede zwischen den einzelnen Landesmediengesetzen verringern sich bei näherem Hinsehen beträchtlich auch dadurch, daß das Fehlen bestimmter Spezialvorschriften oftmals durch die Anwendung allgemeinerer Bestimmungen kompensiert wird. So setzen die Anforderungen an programminhaltliche Meinungsvielfalt Spartenvielfalt, Verbreitungsgebietsbezug sowie die Eindämmung intra- und intennediärer Konzentration voraus. Eine positive Prognose hinsichtlich der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften ist auch ohne ausdrückliche Regelung nur bei ausreichender Finanzkraft möglich. Der idealtypische Unterschied zwischen binnen- und außenpluralern Modell443 verschwindet weitgehend dadurch, daß auch bei Gesetzen, die als Leitbild eine außenplurale Ordnung anstreben, binnenplurale Auffanglösungen vorgesehen sind, die bei (venneintlicher) Frequenzknappheit faktisch den Regelfall darstellen. Hinzu kommt, daß auch viele außenplural strukturierte Gesetze bei einer - fast immer notwendigen - Auswahlentscheidung binnen-
Zu den einzelnen al1gemeinen Zulassungsvoraussetzungen siehe oben H. 5. Näher siehe oben § 1 H. 2. 442 Dazu siehe oben § 1 H. 1. m Zum ganzen siehe oben H. 5. e). 440 441
138
§ 2 Zulassungsverfahren und -entscheidung
plural strukturierte Veranstalter bevorzugen, weil Binnenpluralität als Optimierung der Vielfaltssicherung angesehen wird. Signifikante Unterschiede bei den allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen gibt es, von den etwas aus dem Rahmen fallenden Systemen in Bayern und im nordrhein-westfaIischen Lokalfunk einmal abgesehen, fast nur noch bei den Beteiligungsmöglichkeiten des öffentlich-rechtlichen- am privaten Rundfunk444 sowie bei der Strenge intermediärer Konzentrationsbeschränkungen445 • Außerdem unterscheiden sich die Landesmediengesetze nach einer entweder landesweiten oder lokalen Hörfunk favorisierenden Konzeption446 , die sich meist in gesetzlichen Vorschriften über vorrangige Programme und damit bereits in der Ausschreibung freier Frequenzen widerspiegelt. Während sich die Landesgesetze bei den Einigungsbemühungen nur geringfügig dadurch unterscheiden, welche Rolle sie dabei den Medienanstalten zuweisen447 , finden sich bei der Struktur der Auswahlkriterien grundverschiedene Lösungen. Teilweise enthalten die Gesetze einen Katalog untereinander nicht gewichteter Auswahlkriterien, teilweise ein System abgestufter Vorrangregelungen. Mischmodelle sind besonders häufig anzutreffen448 • Wo die Gesetze den Rang einzelner oder aller Auswahlkriterien offen- und der Abwägung im Einzelfall überlassen, ist die Frage nach Ermessens- und Beurteilungsspielräumen der Landesmedienanstalten besonders naheliegend. Inhaltlich spiegeln die Auswahlgrundsätze die gleichen Gesichtspunkte wie die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen wider. Während die zuletzt genannten Vorschriften aber nur einen Mindeststandard fordern, eröffnen die Auswahlgrundsätze regelmäßig einen Wettbewerb um die bessere, vorzugswürdige Lösung449 • Auf dem Papier erwecken die gesetzlichen Regelungen trotz einiger formulierungstechnischer und gesetzessystematischer Schwächen den Eindruck eines ausdifferenzierten Systems zur umfassenden Sicherung der verfassungsrechtlich geforderten Staatsfreiheit und Vielfalt der Rundfunklandschaft. Angesichts der Unbestimmtheit fast aller Regelungen, der Notwendigkeit weitreichender
Siehe oben 11. 5. b) (ce). Siehe oben 11. 5. b) (dd) (I). 446 Siehe oben 11. 3. 447 Siehe oben 11. 6. 448 Zu diesen unterschiedlichen Modellen siehe oben 11. 7. a). 449 Siehe hierzu, auch zu den Auswahlgrundsätzen und deren Gewichtung im einzelnen, oben 11. 7. b). 444
445
III. Zusammenfassung
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Prognosen auf äußerst unsicherer Basis sowie der personell und kompetenzieIl beschränkten eigenen Ermittlungsmöglichkeiten der Landesmedienanstalten bestehen jedoch fast unüberwindbare Anwendungsprobleme. Deshalb tendiert die Praxis dahin, scheinbar handfesteren Kriterien wie wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Zusammensetzung der Veranstalter in gesetzlich oftmals schwer zu rechtfertigender Weise den Vorrang vor unmittelbar programmbezogenen Erwägungen einzuräumen. Die von Verfassungs wegen geforderte gesetzliche Ausgestaltung der Rundfunkordnung droht so auf der Vollzugsebene weitgehend wirkungslos zu bleiben, zumal der Standortwettbewerb um den Wirtschaftsfaktor "Rundfunk" die Landesmedienanstalten zu Großzügigkeit gegenüber Bewerbern und Veranstaltern verleitet, nicht zuletzt auch bei der Handhabung der Konzentrationsbeschränkungen. Dabei stellt sich die Frage, ob dem Vollzugsdefizit durch verschärfte gerichtliche Kontrolle begegnet werden muß, oder ob im Gegenteil die Landesmedienanstalten größere gerichtsfreie Spielräume benötigen, um ohne Furcht vor (Amtshaftungs-)Klagen negative Zuverlässigkeitsprognosen wagen und sich auch hochgradig unbestimmter gesetzlicher Vorgaben bedienen zu können. Welche Bedeutung derartige Überlegungen für die Auslegung des geltenden Rechts haben und in welchem Umfang Zulassungsentscheidungen derzeit gerichtlicher Kontrolle unterliegen, ist Gegenstand des folgenden Teils der Arbeit. Welche prozessualen Möglichkeiten bestehen, eine Zulassungsentscheidung überhaupt zum Gegenstand gerichtlicher Überprüfung zu machen, ist im darauffolgenden Abschnitt zu erörtern.
§ 3 Die gerichtliche Kontrolle der Zulassungsentscheidung -
Ermessen und Beurteilungsspielraum
Die Erfolgsaussichten einer Konkurrentenklage werden wesentlich davon beeinflußt, in welchem Umfang eine gerichtliche Kontrolle der Zulassungsentscheidung möglich ist. Hat das Gericht sich etwa auf eine Kontrolle der Vertretbarkeit der Verteilungs- oder Auswahlentscheidung zu beschränken, so wird der im Zulassungsverfahren unterlegene Konkurrent die behördliche Entscheidung regelmäßig als zumindest noch vertretbar hinzunehmen haben. Hat das Gericht dagegen die behördliche Vergabeentscheidung umfassend nachzuprüfen, gar eine als vorgegeben gedachte einzig richtige Vergabeentscheidung zu ermitteln, so wird die Auffassung des Gerichts in komplizierten Fällen oftmals von der Einschätzung des Zulassungsgremiums abweichen und damit der Konkurrent zumindest eine Neubescheidung seines Zulassungsantrages erreichen können. Die Frage nach dem Umfang gerichtlicher Kontrolldichte stellt sich bereits bei der Prüfung der allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen, in noch stärkerem Maße jedoch bei der Anwendung der gesetzlich oft besonders schwach programmierten Sendezeitenverteilungs- oder Auswahlkriterien. I. Die Rundfunkrechtsprechung 1. Frequenzsplitting- bzw. Auswahlentscheidung
Die Verwaltungsgerichte nehmen nahezu ausnahmslos! an, daß die Verteilungs- bzw. Auswahlentscheidung bei der Zulassung eines privaten Rundfunkveranstalters nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist. Nach dieser Rechtsprechung hat der jeweilige Landesgesetzgeber die Gremien der jeweiligen Landesmedienanstalt ermächtigt, die Vergabeentscheidung grundsätzlich letztverbindlich zu treffen, ohne daß eine volle gerichtliche Kon-
I
Als nicht entscheidungserheblich offengelassen nur von ova Koblenz, Entsch. v. 30.5.1990
- 2 B 11182/90.0Va - Umdruck S. 6.
I. Die Rundfunkrechtsprechung
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trolle möglich wäre2 • Die Gerichte hätten ihre Überprüfung darauf zu beschränken, ob das entscheidende Gremium von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, die den unbestimmten Rechtsbegriffen zugrundeliegenden Wertmaßstäbe beachtet und die Entscheidung frei von Willkür und sachfremden Erwägungen getroffen hat3 . Der Sache nach knüpfen die Entscheidungen an die "normative Ermächtigungslehre"4 an, wonach aus der jeweiligen gesetzlichen Regelung zu entnehmen sei, ob die Verwaltung zur verbindlicher Letztentscheidung ermächtigt ist. Maßgeblich ist also das der jeweiligen Entscheidung zugrundeliegende materielle Recht, nicht allgemeine prozessuale, rechtsmethodische, funktionellrechtliche oder normtheoretische Erwägungen5 . Wie in fast allen Bereichen des Verwaltungsrechts zu beobachten, hat sich der Gesetzgeber freilich in keinem der Landesmediengesetze selbst klar für einen Beurteilungsspielraum ausgesprochen6 • Der Wille des Gesetzgebers muß vielmehr erst noch eine umfassende Auslegung der einschlägigen Vorschriften ermittelt werden. Dabei kann allenfalls in seltenen Fällen schon aus den Gesetzesmaterialien auf die Einräumung eines Beurteilungsspielraumes geschlos-
2 So erstmalig OVG Lüneburg DVBI 1986, 1112, 1114; VGH Mannheim, Entsch. v. 15.6.1989 - 10 S 867/89 - Umdruck S. 9; auf diese Entscheidungen Bezug nehmend VG Saarlouis, Entsch. v. 11.10. 1989 - I F 94/89 - Umdruck S. 21 ff.; VGH Mannheim N1W 1990,340,341; OVG Berlin DVBI 1991, 1265, 1268 und im Anschluß daran VG Berlin, Entsch. v. 28.8.1991 - VG I A 231.91 - Umdruck S. 6; OVG Koblenz, Entsch. v. 25.6.1990 - 2 B 11300/90.0VG - Umdruck S. 10 f.; VG NeustadtlWeinstraße, Entsch. v. 10.5.1990 - 3 L 1199/90 - Umdruck S. 6; VGH Mannheim ESVGH 42, 182, 192 f.; OVG Bautzen LKV 1993, 388, 389; insoweit auch VGH München BayVBI 1990, 179, 182 trotz des im übrigen grundsätzlich anderen Ansatzes (s.u.). lOVG Lüneburg DVBI 1986, 1112, 1114; VG Saarlouis, Entsch. v. 11.10.1989 - I F 94/89 Umdruck S. 23; VGH Mannheim N1W 1990,340,341; OVG Berlin DVBI 1991, 1265, 1268; VG Berlin, Entsch. v. 28.8.1991 - VG I A 231.91 - Umdruck S. 6; VGH Mannheim ESVGH 42, 185, 192 f.; VG Berlin ZUM 1993,243,251, VG Halle AfP 1993,518,519; OVG Bautzen LKV 1993,388,389; ähnlich auch VG Weimar AfP 1993,515,517. • Begriffsprägend Schmidt-Aßmann M/D Art. 19 IV GO Rn. 185. Auf eine gesetzliche Delegation der Letztentscheidungskompetenz an die Verwaltung stellte freilich auch schon F. Fleiner, Instititionen des deutschen Verwaltungsrechts, S. 142 f. ab; vgl. dazu Bullinger lZ 1984, 1001, 1002. S Ähnliche Unterscheidung der Ansätze bei Papier DÖV 1986, 621, 624 und Ossenbühl FS Redeker S. 55, 60 ff.; vgl. auch Bullinger lZ 1984, 1001, 1002, 1004 u. 1006. Auf alternative Ansätze, insbesondere die generalisierende Vertretbarkeitslehre, wird später noch zurückzukommen sein, s.u. III. I. a) (bb). 6 Dies betonen allgemein Ossenbühl FS Redeker, S. 55, 63 f.; Franßen FS Zeidler S. 429, 442 (allerdings mit dem unzutreffenden Schluß, die Einräumung eines Entscheidungsspielraumes der Verwaltung dürfe nicht vom Willen des Gesetzgebers abhängig gemacht werden). Klarstellungen durch den Gesetzgeber verlangt deshalb zu Recht Redeker DÖV 1993, 10, 12, 16.
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§ 3 Die gerichtliche Kontrolle
sen werden, wie dies etwa das OVG Koblenz für die Auswahlentscheidung nach § 7 Abs. 2 LRG Rh.-Pf. a.F. getan haf, und wie es gleichermaßen in Thüringen, vielleicht auch in Sachsen möglich wäre 8 • Selbst bei einem eindeutigen genetischen Befund ist aber die Frage nach Vorliegen einer Beurteilungsermächtigung noch nicht abschließend beantwortet. Neben dem Willen des historischen Gesetzgebers sind nämlich (vorrangig) objektiv-teleologische Kriterien zur Erforschung des Sinngehalts einer Norm heranzuziehen. Dabei muß gegebenenfalls auch eine einen Spielraum verneinende verfassungskonforme Auslegung erwogen werden9 • Ist wie bei allen Landesmediengesetzen der Gesetzeswortlaut für das Vorliegen eines Beurteilungsspielraumes unergiebig, entfernt sich die Auslegung somit zwangsläufig von der Erforschung des (subjektiven) gesetzgeberischen Willens und führt zu der Frage hin, was nach den Gesamtumständen objektiv als Wille eines "vernünftigen" Gesetzgebers unterstellt werden kann lO • Bei dieser Auslegung stellen die VerwaltungsgerichteIl mit Zustimmung nahezu der gesamten rundfunkrechtlichen Literatur l2 vorrangig darauf ab, daß 70VG Koblenz, Entsch. v. 25.6.1990 - 2 B 1130090.0VG - Umdruck S. 10 f. mit Bezug auf Rh.-Pf.LT.-Drs. 10/1861 S. 28. B Die "Begründung Thüringen" zu § 9 (§ 2, Fn. 48, aaO. S. 247, 256) spricht eindeutig von einem Beurteilungsspielraum bei der Anwendung der Kriterien für die Auswahlentscheidung; die "Begründung Sachsen" zu § 5 (§ 2, Fn. 51, aaO. S. 208, 211) statuiert weniger klar, die Landesmedienanstalt müsse "bei ihren Entscheidungen wesentlich freier gestellt sein als in den bisher bekannten Fällen des Ermessens oder von Beurteilungsspielräumen", wobei dies im einzelnen "der Klärung durch die künftige Praxis überlassen bleiben" könne. 9 Dies betont Greipl, Unabhängige Sachverständigenausschüsse, S. 107, allerdings ohne Bezug auf das rheinland-pfälzische Beispiel. 10 Somit kann durchaus von einer "fiktiven Grundlage gesetzlicher Ermächtigung" gesprochen werden (Koenig VerwArch 83 (1992), 351, 367), "wenn sich die Anhaltspunkte für eine zurückgenommene richterliche Kontrolldichte kaum mehr dem gesetzlichen Wortlaut und Kontext entnehmen lassen". Dabei muß dann eben auf teleologische Argumente zurückgegriffen werden, wie sie auch bei der hier diskutierten Fallgruppe von Entscheidungen "pluralistisch-sachverständig" zusammengesetzter Gremien zugrunde gelegt werden, vgl. auch Herzog NJW 1992, 2601,2604; Schmidt-AßmanniGroß NVwZ 1993,617,622 f. Ein gutes Beispiel für eine derartige Auslegung bietet BVerfU DÖV 1993, 525, 527 f. - private Grundschule. 11 OVG Lüneburg DVBI 1986, 1112, 1114; VG Saarlouis, Entsch. v. 11.10. 1989 - I F 94/89 Umdruck S. 21 ff.; VGH Mannheim NJW 1990,340,341; OVG Berlin DVBI 1991, 1265, 1268 und im Anschluß daran VG Berlin, Entsch. v. 28.8.1991 - VG I A 231.91 - Umdruck S. 6; VG NeustadtlWeinstraße, Entsch. v. 10.5.1990 - 3 L 1199/90 - Umdruck S. 6.; VG Weimar AfP 1993,515,517. 12 HartsteiniRingiKreiie Einf. zu Art. 12 RuStaV Rn. 32; A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 224 mit Fn. 24; M Wagner, Presse und Rundfunk, Rn. 73; Bethge, Rundfunkfreiheit, S.65 f.; HoffmannRiem ZUM 1992, I, 8 f.; vgl. auch Jarass, Die Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 65 und, ausgehend von den Werbebestimmungen, Herkströter ZUM 1992, 395, 397; Breunig VBIBW
I. Die Rundfunkrechtsprechung
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die Zulassungsentscheidung einem pluralistisch zusammengesetzten, staatsunabhängigen und weisungsfreien Gremium anvertraut sei. Diese Argumentation knüpft demnach an organisatorische Vorgaben in den einzelnen Gesetzen an und läßt die - landesspezifisch unterschiedlichen - gesetzlichen Regelungen der Auswahlentscheidung weitgehend außer Betracht. Selbst auf die Struktur des entscheidenden Gremiums wird nur oberflächlich eingegangen: Die Argumentation unterscheidet sich bei dem nach dem Ratsmodell13 gebildeten Berliner Kabelrat (§ 13 ff. KPPG, mittlerweile ersetzt durch den vergleichbaren BerlinBrandenburgischen Medienrat, §§ 10 ff. StaatsV) nicht wesentlich von derjenigen bei den übrigen, nach dem Versammlungsmodell gebildeten Gremien in Niedersachsen, dem Saarland, Rheinland-Pfalz und dem, zwar nicht als entscheidendes, jedoch als zustimmendes Gremium konzipierten Medien(bei)rat in Baden-Württemberg. Gewissermaßen flankierend wird vielfach weiter darauf hingewiesen, daß bei der Vergabeentscheidung unbestimmte Rechtsbegriffe eine Vielzahl inhaltlicher Wertungen und Prognosen erfordern l4 • Insbesondere der Beitrag verschiedener Bewerber zur (Meinungs)-Vielfalt läßt sich nicht arithmetisch ermitteln und vergleichen, sondern muß bewertet werden. Da es um die Gestaltung eines für die Zukunft geplanten Programmes geht, bedarf es vielfach Prognosen, in welcher Weise die zunächst notwendig abstrakten Konzeptionen Wirklichkeit werden können und inwieweit der Bewerber überhaupt willens und (finanziell) in der Lage sein wird, seine Versprechungen zu erfüllen. Die skizzierte Argumentation verweist dabei zwar regelmäßig auf die die Vorrangentscheidung
1993,45,47; Bullinger/Gödel § 18 Rn. 7 u. § 65 Rn. 2, allerdings mit der Forderung nach "restriktiver" Handhabung; mit Beschränkung auf vielfaltsbezogene Wertungen zustimmend auch Ch. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 168 ff. u. S. 188; einen Spielraum ablehnend dagegen Rüggeberg, in: Beiträge zum Medienprozeßrecht, S. 109, 128 ff. Zur Kritik im einzelnen s. u. 11. 2 d). \3 Zur Unterscheidung zwischen Rats- und Versammlungsmodell siehe oben § 2 11. 2. b). 14 OVG Lüneburg DVBI 1986, II 12, 11l4; VG Saarlouis, Entsch. v. I l.l 0.1 989 - I F 94/89 Umdruck S. 21 ff.; OVG Berlin DVBI 1991, 1265, 1268 und im Anschluß daran VG Berlin, Entsch. v. 28.8.1991 - VG 1 A 231.91 - Umdruck S. 6; VG Berlin ZUM 1993,242,251; VGH Mannheim ESVGH 42,185,192 f.; VG Weimar AfP 1993,515,517; VG Halle AfP 1993,518, 519; OVG Bautzen LKV 1993,388,389; allein die Notwendigkeit von Wertungen, nicht jedoch von Prognosen hervorhebend VGH Mannheim NJW 1990, 340, 341. Die rundfunkrechtliche Literatur hat sich auch dieser Argumentation weitgehend angeschlossen, insbes. Ch. Wagner, Die LandesmedienanstaIten, S. 187 ff.; A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 224 mit Fn. 24; Breunig VBIBW 1993,45,47; wohl auch Hoffmann-Riem Hmb. Staats- u. VerwR, S. 470, 498 u. Schmidt-Preuss, Kollidierende Privatinteressen, S. 403.
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§ 3 Die gerichtliche Kontrolle
regelnden Normen, eine Auseinandersetzung mit der jeweils (landes)spezifisehen Normstruktur 15 findet jedoch nicht statt. Wenn der VGH Mannheim schließlich zur Abrundung noch auf die rechtliche Vertretbarkeit verschiedener Lösungen bei der Aufteilung der Sendezeit hinweist 16, so zieht er damit nur die Schlußfolgerung aus den zuvor genannten Argumenten. Eigenständige Bedeutung kommt diesem Ansatz nicht zu. Eine Hinwendung zur "Vertretbarkeitslehre" Ules 17 kann darin nicht erblickt werden, denn auch diese Entscheidung geht von einer gesetzgeberischen Ermächtigung aus, statt allein auf das Vorliegen eines Grenzfalles bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe abzustellen. Terminologisch wird die solchermaßen begründete Letztentscheidungskompetenz des Zulassungsgremiums im Zusammenhang mit der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe regelmäßig als "Beurteilungsspielraum" bezeichnet. Dies steht im Einklang mit der auch sonst weiterhin die Rechtsprechung beherrschenden Differenzierung nach Ermessen und Beurteilungsspielraum18 . Allein das VG Neustadt spricht bei im übrigen nahezu identischer Argumentation von "Ermessen"19, konnte sich damit, wenn auch in einem anderen Fall, gegenüber der Rechtsmittelinstanz jedoch nicht durchsetzen2o • Die Frage nach dem Umfang der gerichtlichen Kontrolle stellt die Rundfunkrechtsprechung ausschließlich bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe. Nicht erörtert wird, ob und inwieweit dem Zulassungsgremium (auch) bei der Gewichtung verschiedener Auswahlkriterien, deren Rangfolge nicht
Siehe dazu oben § 2 11. 7. a). VGH Mannheim NJW 1990,340,341. 17 Grundlegend Ule GS Jellinek S. 309, 326 ff. Daß es in allen Rechtsgebieten bei unbestimmten Rechtsbegriffen Grenzfalle geben kann, bei denen verschiedene Wertungen als rechtlich vertretbar anzusehen sind, wird besonders betont bei Ule, Verw.proz.recht S. 11 (§ 2 I 2) und ders. DVBI 1973, 756, 760. Zur Vertretbarkeitslehre siehe näher unten III. I. a) (bb). 18 Die Beschränkung von "Ermessen" auf die Rechtsfolgenseite der Normen gegenüber einem nur ausnahmsweise anzuerkennenden "Beurteilungsspielraum" bei der Subsumtion unter unbestimmte Rechtsbegriffe geht auf Reus DVBI 1953, 585 ff., Bachof JZ 1955,97 ff., insbes. 98 u. 102 ff. sowie Ule GS Jellinek S. 309, 311 ff. zurück. Zur Verankerung dieser Unterscheidung in der Rechtsprechung siehe etwa den Überblick bei Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 35 ff. Zu Ansätzen einer einheitlichen oder auf gleitende Übergänge abstellenden Theorie eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle siehe unten V. 2. a) und Fn. 455. 19 VG NeustadtlWeinstraße, Entsch. v. 10.5.1990 - 3 L 1199/90 - Umdruck S. 6. 20 OVG Koblenz, Entsch. v. 30.5.1990 - 2 B 11182/90.0VG - Umdruck S. 6, wonach mit Verweis auf BVerfGE 57,295,327 ein Ermessen bei der Zulassungsentscheidung generell nicht zulässig sein soll. Darauf ist noch zurückzukommen (unten V. I. b). IS
16
I. Die Rundfunkrechtsprechung
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bereits durch das Gesetz vorgegeben ist, ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Spielraum zuzubilligen ist. Einen anderen Weg beschreitet nur der VGH MÜDchen21 : Er problematisiert nicht die Frage, ob der bayrischen Landeszentrale für neue Medien überhaupt ein kontrollfreier Spielraum zukommt, sondern begründet, warum dieser als selbstverständlich vorausgesetzte Spielraum nicht uferlos ist, vielmehr als "Ermessen" seine Schranken in der allgemeinen Ermessensfehlerlehre findet. Dieser Ansatz ist mit den Besonderheiten des bayrischen Rechts 22 zu erklären: Da nach Art. 111 a Abs. 2 S. 1 der bayrischen Verfassung privater Rundfunk unzulässig ist, ist - zumindest formal - die öffentlich-rechtlich organisierte Landeszentrale selbst Veranstalter der Programme (Art. 2 Abs. 1 Bay.MG) und nicht bloße Zulassungsbehörde. Als Träger der Programmverantwortung ist sie natürlich auch ermächtigt, über die Verbreitung von Programmen durch Abschluß von Anbieterverträgen innerhalb der durch Art. 5 GG gesteckten Grenzen frei zu entscheiden. Die einfachgesetzlichen Regelungen, insbesondere in der Hörfunksatzung, sind daher als rechtlicher Rahmen und Einschränkung des Programmgestaltungsspielraums der Zentrale zu verstehen und müssen eine Letztentscheidungsbefugnis der Landeszentrale nicht erst konstituieren. Dieser Ansatz wurde vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof bestätigt und noch schärfer dahingehend akzentuiert, daß gerade zur Wahrung der Rundfunkfreiheit hier der Landeszentrale ein sehr weiter Ermessensspielraum zustehe3 • Von allgemeinerem Interesse ist jedoch die rechtliche Einordnung des Auswahlvorganges zwischen verschiedenen Programmangeboten. Dieser Vorgang wird vom Verwaltungsgerichtshofals Abwägung zwischen denjeweiligen Vor- und Nachteilen der Angebote charakterisiert. Inwieweit die Notwen-
21
VGH München BayVBI 1990, 179, 182; VGH München AfP 1988,292,293; zustimmend
Wilhelmi ZUM 1992, 229, 230 u. 233; ebenso zum neuen Bay.MG VGH München BayVBI
1993, 340, 342. 22 Siehe dazu näher oben § 1 11. mit dortiger Fn. 13 und § 2 11. 2. a). 23 BayVerfGH JZ 1991,663,666 im Anschluß an BayVerfGHE 39,96, 159 u. BayVerfGHE 40, 69, 76; dazu insoweit wohl zustimmend, wenngleich generell kritisch gegenüber der als Scheinkonstruktion angesehenen bayrischen Regelung Stock JZ 1991, 645, 647 f.; grundsätzlich kritisch gegenüber der Rundfunkrechtsprechung des Bay.VerfGH, bezüglich des weiten Ermessensspielraums der Landeszentrale jedoch zustimmend Wilhelmi ZUM 1992, 229, 230 u. 236. Gegen eine Bezeichnung des Freiraumes als Ermessen, weil dies ihnen zu eng erscheinende Ermessensschranken impliziert, Bornemann ZUM 1992,483,487 und Stettner ZUM 1992, 457, 472, doch lassen sie eine befriedigende andere dogmatische Einordnung vermissen und vernachlässigen im übrigen, daß Ermessenspielräume in verschiedenen Sachgebieten unterschiedlich weit sein können. \0 Fehling
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§ 3 Die gerichtliche Kontrolle
ligen Vor- und Nachteilen der Angebote charakterisiert. Inwieweit die Notwendigkeit einer Abwägung auch ohne die bayerischen Besonderheiten einen EIltscheidungsspielraum zu begründen vermag, ist im folgenden noch näher zu untersuchen. 2. Allgemeine Zulassungsvoraussetzungen
In scharfem Kontrast zur Anerkennung umfangreicher Spielräume der Verwaltung bei den Sendezeitverteilungs- oder Auswahlentscheidungen wird in den Gerichtsentscheidungen, die sich mit der Erfüllung einer allgemeinen Zulassungsvoraussetzung befassen, ein Beurteilungsspielraum des Zulassungsgremiums verneint24 • Die Feststellung eines "angemessenen Anteils" an Eigen- und Auftragsproduktionen gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 BremLMG a.F. setze "keine - von subjektiven Vorstellungen beeinflußte - Bewertung der Programmqualität, sondern in erster Linie eine quantitative Einordnung voraus"25. Der Terminus einer "Tageszeitung mit Lokalausgabe im Verbreitungsgebiet" nach § 31 LRG NW sei "als unbestimmter Rechtsbegriff einer umfassenden Kontrolle unterworfen"26, die Entscheidung nach § 24 Abs. 1 Nr. 2a Ba.-Wü.LMedienG a.F. "über den Umfang einer lokalen Fensterauflage (erfordere) im wesentlichen eine nachvollziehende Abwägung zwischen den gesetzlichen Forderungen nach einem Beitrag der privaten Rundfunkveranstalter zur Meinungsvielfalt und kulturellen Vielfalt im Sendegebiet einerseits und ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit andererseits "27. Bei diesen Entscheidungen überrascht, daß eine Auseinandersetzung mit der oben dargestellten Rechtsprechung fast immer unterbleibt, obwohl auch hier ein pluralistisch zusammengesetztes Gremium eine Wertung vorzunehmen hatte, ob der anvisierte Anteil an Eigen- und Auftragsproduktionen noch als "angemessen" bezeichnet werden konnte, bzw. wieviel Lokalberichterstattung welcher Art erforderlich ist, um von einer "Lokalausgabe" sprechen zu können. Die einzige ansatzweise Begründung für die unterschiedliche Kontrolldichte bei allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen und Auswahlkriterien stellt auf die
24 So neben den im folgenden näher betrachteten Entscheidungen inzident wohl auch va Hamburg AfP 1993,513,514 fiir die Abgrenzung zwischen Voll- und Spartenprogramm. 25 ova Bremen DVB1 1991, 1270, 1271 im Anschluß an die Vorinstanz va Bremen AfP 1991, 664, 666. 26 va Düsseldorf NWVBI 1992,412. 21 VGH Mannheim VBIBW 1993,335,336.
I. Die Rundfunkrechtsprechung
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"größere Komplexität und Fülle von Wertungen" bei der Auswahlentscheidung ab28 • Dabei bleibt jedoch die Abgrenzung von einfacheren und komplexeren Wertungen unscharf und die Struktur des entscheidenden Gremiums als wesentliches Element der Begründung von Auswahlspielräumen unerwähnt. In dem Bremer Fall bestand zwar ausnahmsweise eine sicherere Basis für die Prognose über die zukünftige Programmgestaltung, da bei dem Bewerber statt auf höchst unsichere Absichtserklärungen auf sein bereits in anderen Bundesländern ausgestrahltes bundesweites Programm abgestellt werden konnte29 • Dennoch mußte nach dem Berufungsurteil aber auch die zukünftige Programmentwicklung berücksichtigt werden und durfte nicht allein das tatsächliche, gegenwärtige Programm herangezogen werden30 • In erster Linie scheint daher bei diesen Entscheidungen die fragwürdige Unterscheidung von qualitativen und rein quantitativen Programmanforderungen ausschlaggebend gewesen zu sein. Nur bei qualitativen Programmanforderungen scheinen nach Auffassung der Bremer Gerichte derart komplexe Wertungen und Prognosen erforderlich zu sein, daß die Einräumung eines Beurteilungsspielraumes gerechtfertigt ist. Das VG Düsseldorf schließlich setzt sich nicht einmal mit der Möglichkeit eines Beurteilungsspielraumes auseinander, so daß gänzlich unklar bleibt, warum dort kein solcher Spielraum der Landesmedienanstalt anerkannt wurde. 3. Folgerungen für den Gang der weiteren Untersuchung
Die skizzierte Rechtsprechung wirft die Frage auf, welche tieferen Überlegungen den verwendeten Argumentationsmustern des "pluralistisch und staatsfern zusammengesetzten Gremiums" sowie der "Wertungs- und Prognosabhängigkeit" zugrundeliegen und inwieweit sie eine Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle rechtfertigen. Da die Rundfunkurteile die Annahme eines Beurteilungsspielraumes nicht näher begründen, sondern an einer in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Fallgruppe anknüpfen, kann die Rundfunkrechtsprechung auch nur anhand der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Beurteilungsspielraum bei pluralistisch zusammengesetzten Gremien verstanden und analysiert werden.
VGH Mannheim VBIBW 1993, 335, 336. VG Bremen AfP 1991,664,666. 300VG Bremen DVBI 1991, 1270, 1271 f. 28 29
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§ 3 Die gerichtliche Kontrolle
Vor diesem Hintergrund ist danach zu fragen, ob diese Begründung von Beurteilungsspielräumen auf rundfunkrechtliche Zulassungsentscheidungen übertragbar und verfassungsrechtlich zu rechtfertigen ist. Dabei verdienen die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Ermessen und Beurteilungsspielraum und die daraus vom Bundesverwaltungsgericht gezogenen Konsequenzen besondere Beachtung. Mit der Rechtsprechung soll zunächst allein erörtert werden, ob bei unbestimmten Rechtsbegriffen ein Beurteilungsspielraum besteht. Erst im Anschluß daran soll untersucht werden, inwieweit sonstige kontrollfreie Spielräume bestehen, etwa bei der Gewichtung von Auswahlkriterien. Die Arbeit knüpft so terminologisch an die geläufige Unterscheidung von Ermessen auf der einen, unbestimmten Rechtsbegriffen mit eventuellem Beurteilungsspielraum auf der anderen Seite an. Dies geschieht indes allein aus darstellungstechnischen Gründen in Auseinandersetzung mit einer Rechtsprechung, die von dieser Differenzierung ausgeht. Eine Stellungnahme im Streit um einen einheitlichen Ermessensbegriff an Stelle einer Differenzierung zwischen Entscheidungsspielräumen auf der Rechtsfolge- oder Tatbestandsseite der Normen ist damit nicht verbunden. Erst die Ausführungen zu den verfassungsrechtlichen Problemen enthalten auch einige Überlegungen zu Unterschieden und Gemeinsamkeiten von Ermessen und Beurteilungsspielraum. Eine allgemeine Erörterung dieser verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Grundfragen kann und will diese auf konkrete rundfunkrechtliche Fragestellungen zugeschnittene Untersuchung indes nicht leisten. Anschließend muß das Vergabeverfahren unter dem Aspekt betrachtet werden, inwieweit eine Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle des Entscheidungsinhalts durch Anforderungen an das Verwaltungsverfahren kompensiert werden kann. Den Abschluß bildet ein Blick auf rechtliche Ansatzpunkte, die zwar dogmatisch keine Letztentscheidungskompetenz der Verwaltung beinhalten, dieser aber praktisch nahe kommen und so geeignet erscheinen, den scheinbar krassen Gegensatz zwischen einer Letztentscheidungskompetenz der Landesmedienanstalten auf der einen und voller gerichtlicher Kontrolle auf der anderen Seite abzumildern.
11. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
149
D. Wertende Entscheidungen pluralistisch zusammengesetzter Gremien in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
Die rundfunkrechtlichen Entscheidungen knüpfen ausdrücklich3 ! oder zumindest der Sache nach an das Indizierungsurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.12.1971 an. Darin hatte das Gericht unter Aufgabe seiner früheren Indizierungsrechtsprechung32 , allerdings in Fortführung eines ähnlichen Ansatzes aus seiner Entscheidung zum Personalgutachterausschuß für die Bundeswehr33 , der Bundesprüfstelle als weisungsfreiem, sachkundigem und pluralistisch zusammengesetztem Gremium bei der prognostisch-wertenden Entscheidung darüber, ob bestimmte Schriften als jugendgefährdend einzustufen seien, einen Beurteilungsspielraum zugebilligt34 • Im Anschluß an das Indizierungsurteil hat das Bundesverwaltungsgericht seine Argumentation in einer Kette weiterer Entscheidungen auf verschiedene andere Greminen übertragen und auch für die Bundesprüfstelle noch einmal weitgehend bestätigt3s • So
31 VG Saarlouis, Entsch. v. 11.10.1989 - I F 94/89 - Umdruck S. 23; -VGH Mannheim NJW 1990, 340, 341. 32 BVerwGE 23, 112, 114; BVerwGE 28, 223, 224. 33 Der Personalgutachterausschuß für die Bundeswehr hatte als ebenfalls pluralistischrepräsentativ zusammengesetztes Gremium über die Eignung ehemaliger Wehrmachtsoffiziere fiir die neue Armee zu befinden. Allerdings ist in dieser Entscheidung noch nicht ausdrücklich von Ermessen oder Beurteilungsspielraum die Rede, die spezifische Organisation des entscheidenden Gremiums dient vielmehr in erster Linie dazu, das Absehen von einer Begründung der Ausschußentscheidung zu rechtfertigen (BVerwGE 12, 20, 26 f.) Auf den dem Indizierungsurteil vergleichbaren Ansatz weist inbesondere Kellner DÖV 1972, 801, 806 hin; vgl. auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 40. 34 BVerwGE 39, 197, 203 ff. 35 So hat das Bundesverwaltungsgericht auch dem fiir die Eintragung in die Architektenliste zuständigen Ausschuß (BVerwGE 59,213 ff.), den Sortenausschüssen des Bundessortenamtes bei ihrer Feststellung des landeskulturellen Wertes einer angemeldeten Saatgutsorte (BVerwGE 62, 330 ff.) sowie dem Börsenvorstand bei der Entscheidung über die Eignung eines Bewerbers fiir die Börsenzulassung (BVerwGE 72, 195 ff.) einen Beurteilungsspielraum zugestanden, in BVerwGE 77, 195 ff. schließlich seine Rechtsprechung zum Beurteilungsspielraum der Bundesprüfstelle für die Indizierung jugendgefährdender Schriften mit einigen Klarstellungen noch einmal bekräftigt. Ohne ausdrücklichen Bezug auf das Indizierungsurteil und daher wenig beachtet, jedoch ebenfalls auf die Struktur des entscheidenden Gremiums abstellend, wurden auch die Entscheidungen der Prüfungs- und Bewertungsaussch üsse über Prämien fiir Verbesserungsausschüsse in der Bundesverwaltung als gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbar angesehen (BVerwG Buchholz 230 § 126 BRRG Nr. 16). Schließlich muß noch eine Entscheidung des VG Berlin erwähnt werden, in der im Anschluß an das Indizierungsurteil, aber entgegen einer frühen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nun auch der Filmförderungsanstalt ein Beurteilungsspielraum bei der Frage eingeräumt wurde, ob es sich um einen "guten Unterhaltungsfilm" handelt (VG Berlin DVBl 1974, 375, 377).
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§ 3 Die gerichtliche Kontrolle
konnte man bis 1991 von einer gefestigten Rechtsprechung ausgehen, nach der die pluralistisch-sachkundige Struktur eines entscheidenden Gremiums bei in besonderem Maße wertungs- und prognoseabhängigen Entscheidungen einen Beurteilungsspielraum nach sich zieht36 • Die Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle bezieht sich bei diesen wie auch bei den rundfunkrechtlichen Entscheidungen allein auf die Subsumtion unter unbestimmte Rechtsbegriffe. Insoweit wird die Verwaltungsentscheidung nur auf Verstöße gegen allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe37 , sachfremde Erwägungen38 und Willkür39 überprüft. Die abstrakte Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe40 soll dagegen ebenso wie die Ermittlung des Sachverhaltes41 und die Einhaltung der Verfahrensvorschriften42 unbeschränkt gerichtlich überprütbar bleiben. Wie auch die Rundfunkrechtsprechung leiten diese Entscheidungen allesamt ihre Annahme eines Beurteilungsspielraumes aus einer normativen Ermächtigung durch den Gesetzgeber13 her, die durch Auslegung des zugrundeliegenden materiellen Rechts44 zu ermitteln ist. Dies gilt auch für das Indizierungsurteil4S • Wenn mit Bezug auf Ule die Entscheidung der Prüfstelle als
Siehe statt aller Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 40. BVerwGE 59,213,218; BVerwGE 62,330,340; etwas anders formuliert in BVerwGE 39, 197, 204: Einhaltung der Grenzen der Einschätzungsprärogative. 38 BVerwG Buchholz 230 § 126 BRRG Nr. 16, S. 8; BVerwGE 59,213,218; BVerwGE 62, 330,340; BVerwGE 72, 195,201. 39 BVerwG Buchholz 230 § 126 BRRG Nr. 16 S. 8 f.; BVerwGE 77, 75, 78 u. 85. 40 In Präzisierung der älteren Rechtsprechung besonders klar BVerwGE 77, 75, 78 u. 85; vgl. auch BVerfG DÖV 1993,525,527 - private Grundschule. Zuvor wurde von der "Anwendung der richtigen Wertmaßstäbe" (BVerwGE 39, 197,204; BVerwGE 62,330,346; BVerwGE 72, 195, 201; VG Berlin DVBI 1974,375,376) gesprochen. Die Beschränkung des Spielraumes auf die Subsumtion in Abgrenzung von der gerichtlich voll überprüfbaren Auslegung geht zurück auf Bachof JZ 1955,97,98 f. u. 101 f.; zustimmend etwa Ule DVBI 1973,756,758 u. 762; Papier DÖV 1986,621,623 f.= FS Ule S. 235, 242 f.; ders., Hdb. d. StaatsR Bd. VI, § 154 Rn. 59 f. u. 64 = S. 1233, 1257 f. u. 1260. Es ist jedoch zweifelhaft, ob die zugrundeliegende Prämisse einer klaren Trennbarkeit von Subsumtion und Auslegung zutrifft, siehe dazu unten I. 41 BVerwGE 39, 197,204; BVerwGE 62,330,340; BVerwGE 72, 195,201; BVerwGE 77, 75,78 u. 85; ähnlich auch BVerwGE 59,213,218; VG Berlin DVBI 1974,375,376. '2 BVerwGE 59, 213, 218; ähnlich BVerwGE 72, 195, 201. 43 Besonders dezidiert auf den Willen des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers abstellend dabei BVerwG Buchholz 230 § 126 BRRG Nr. 16: "gewinnt aber nach dem Willen des Vorschriftengebers" ( S. 6); "Es entspricht augenscheinlich dem Willen der Beklagten" (S. 7); BVerwGE 62, 330,338: "hat der Gesetzgeber (... ) zum Ausdruck gebracht". '4 Besonders prägnant insoweit BVerwGE 59,213,215 - Architektenliste - und BVerwGE 72, 195, 199 - Börsenzulassung. •s Dies betont Schmidt-Aßmann MID Art. 19 IV GO Rn. 196. 36 37
11. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
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"im Kern unvertretbar" bezeichnet wird, so daß eine "Bandbreite der Entscheidungsmöglichkeiten" als rechtlich "in gleicher Weise als vertretbar" anzusehen sei46 , so kann darin doch auch hiet7 in der Zusammenschau mit der weiteren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts"'8 "nur eine verbale Hinwendung zur Vertretbarkeitslehre"49 gesehen werden. Angeknüpft wird nämlich auch in dieser Entscheidung nicht abstrakt an das Vorliegen eines Grenzfalles bei der Subsumtion unter unbestimmte Rechtsbegriffe, sondern an die Besetzung der Prüfstelle als im konkreten Fall entscheidendes Indiz für die Einräumung einer Letztentscheidungskompetenz der Verwaltung. Der Mutzenbacher-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts hat nun freilich diese gesichert scheinende Fallgruppe von Beurteilungsspielräumen ins Wanken gebracht. Danach "(dürfen) die Gerichte ihre Prüfung, ob die Indizierung mit der Kunstfreiheit vereinbar ist, nicht dadurch schmälern, daß sie der Bundesprüfstelle insoweit einen nur eingeschränkt nachprüfbaren Beurteilungsspielraum einräumen "50. Am Ende der Entscheidung wird indes die Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Beurteilungsspielräumen bei der Indizierungsentscheidung pauschal5 \ und nach der prozessualen Vorgeschichte auch zu Recht52 als nicht entscheidungserheblich offengelassen. Zudem hebt der Beschluß gerade die besondere Eignung der plural und sachverständig zusammengesetzten Bundesprüfstelle zur Erzielung einer alle Gesichtspunkte einschließlich der Kunstfreiheit berücksichtigenden, sachgerechten Entscheidung hervor 3 , allerdings ohne daraus konkrete Folgerungen zu ziehen. Auf 46 BVerwGE 39, 197,203; die Vertretbarkeit mehrerer Entscheidungen wird wieder aufgegriffen in BVerwGE 62, 330, 338 u. 340 sowie BVerwGE 77, 75, 84. 41 Wie auch bei der rundfunkrechtlichen Entscheidung VGH Mannheim NJW 1990,340,341, siehe dazu oben I. 1. 48 Vgl. hierzu die ausführliche Rechtsprechungsanalyse bei Ule Verw.proz.recht § 2 I 2 = S. 13 ff. 49 So auch Ules eigene Einschätzung in Verw.proz.recht S. 12 f. (§ 2 12) und DVBI 1973,756 sowie VerwArch 76 (1985) 1, 17. 50 BVerfGE 83, 130, 148. 51 BVerfDE 83, 130, 155, jedenfalls fiir einen Restbereich außerhalb der Abwägung von Kunstfreiheit und Jugendschutz auch S. 148. 52 In der angegriffenen Entscheidung BVerwG NJW 1987, 1435, 1436 heißt es nämlich: "Da nach den tatsächlichen Feststellungen die rechtliche Wertung der Bundesprüfstelle, der indizierte Roman gehöre zu den schwer jugendgefährdenden Schriften i.S. des § 6 GjS zwingend ist, kann offenbleiben, ob der Entscheidungsspielraum, weIcher der Bundesprüfstelle für die Beurteilung der Jugendgefahrdung i.S. des § 1 I GjS zusteht (... ), sich auch auf die Feststellung der besonderen Merkmale des § 6 GjS bezieht oder nicht." 53 BVerfGE 83, 130, 150 f.; darin zu Recht einen gewissen Widerspruch zur Ablehnung jeglichen Beurteilungsspielraums erblickend Gusy JZ 1993, 796, 797 f.
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§ 3 Oie gerichtliche Kontrolle
die verfassungs rechtlichen Konsequenzen dieser Entscheidung im Kontext der gesamten neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Beurteilungssielraum wird noch zurückzukommen sein54 • An dieser Stelle genügt es festzustellen, daß das Gericht die Anerkennung von Beurteilungsspielräumen in der hier interessierenden Fallgruppe zwar in Zweifel gezogen, derartige Spielräume aber in beschränkterem Umfang nicht endgültig ausgeschlossen hat55 • So hat auch die neue Indizierungsrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.11.1992 in Reaktion auf den Mutzenbacher-Beschluß zwar die "Eignung zur Jugendgefährdung" und die Gewichtung der Kunstfreiheit voller gerichtlicher Kontrolle unterstellt, für den Bereich der Abwägung dieser widerstreitenden Belange im Einzelfall jedoch einen als "Entscheidungsvorrang" bezeichneten Beurteilungsspielraum der Bundesprüfstelle aufrechterhalten56 • Ob diese Grenzziehung dem Mutzenbacher-Beschluß voll gerecht wird, muß bezweifelt werden, da die Reichweite des Schutzes der Kunstfreiheit immer erst in der Abwägung mit dem Jugendschutz bestimmt werden kann57 • Letztlich kann dies hier jedoch offen bleiben. Für die vorliegende Untersuchung ist entscheidend, daß das Gericht weiter die pluralistisch-sachverständige und weisungsfreie Zusammensetzung der Prüfstelle mit dem diesbezüglichen Hinweis des Bundesverfassungsgerichts zum Anlaß nimmt für eine Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle. Wo sich das Bundesverwaltungsgericht gehindert sieht, weiter einen Beurteilungsspielraum anzuerkennen, will es der besonderen Struktur des entscheidenden Gremiums wenigstens auf der Beweisebene Rechnung tragen, indem es die Gremienentscheidung als Sachverständigengutachten wertet58 • Demnach hat sich zwar die Reichweite des Beurteilungsspielraums, nicht aber dessen Begründung geändert. Zur Analyse der Argumentationsmuster kann daher weiterhin auch die "alte" Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts herangezogen werden, zumal die Rundfunkrechtsprechung die Siehe dazu unten III. 2. So auch vor der neuen Indizierungsrechtsprechung die Einschätzung von Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 759 und Redeker OÖV 1993, 10, 16. 56 BVerwG NJW 1993, 1491 - Opus pistorum; darauf bezugnehmend BVerwG NJW 1993, 1492, 1494 - Cold steel; dazu WürknerIKerst-WIi"rkner NJW 1993, 1446. Die Rechtsprechung der unteren Verwaltungsgerichte war zuvor uneinheitlich: gegen jeden Beurteilungsspielraum der BundespTÜfstellen OVG Münster NVwZ 1992,396,397 (deswegen kritisiert von Gusy JZ 1993, 796, 797); dagegen differenzierend, wenn auch im einzelnen unklar, VG Köln NVwZ 1992, 402, 403. 57 Entsprechende Bedenken bei Geis JZ 1993, 792, 793 f. 5. BVerwG NJW 1993, 1491, 1492. 54
55
11. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
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neue Indizierungsrechtsprechung des Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgerichts bisher nicht einmal zur Kenntnis genommen haf9 • 1. Wertende Entscheidungen prognostischer Natur
a) Geringe gesetzliche Regelungsdichte als Voraussetzung eingeschränkter gerichtlicher Kontrolldichte Enthält das Gesetz eine (relativ) eindeutige, zumindest nach objektivierbaren (Auslegungs-)Kriterien problemlos feststellbare Regelung, kommt ein Beurteilungsspielraum auch für das Bundesverwaltungsgericht, selbst bei Entscheidungen besonders strukturierter Gremien wie der Sortenausschüsse, nicht in Betracht60 • Nur wenn die maßgeblichen Vorschriften tendenziell offener, wertausfüllungsbedürftiger sind und daher die Entscheidung nur unvollständig zu steuern und vorzuprogrammieren vermögen, stellt sich die Frage, ob das Gericht oder die Verwaltung letztverbindlich entscheiden so1l61. Nur in letzte-
59 Dies gilt auch fiir die rundfunkrechtliche Literatur mit Ausnahme von Birkert, LMedienG Ba.-Wü., § 21 Rn. 5, wo Zweifel geäußert werden, ob sich der Beurteilungsspielraum bei Zulassungsentscheidungen unverändert aufrechterhalten läßt "angesichts der Tendenz des BVerfG zu mehr Kontrolldichte" . 60 Dementsprechend hat das BundesverwaItungsgericht den Sortenausschüssen nur bei ihrer wertend-prognostischen Entscheidung darüber, ob einer neuen Sorte "landeskultureller Wert" zukommt, einen Beurteilungsspielraum zugebilligt (BVerwGE 62, 330, 338). Demgegenüber wurde gerichtlich voll überprü ft, ob der Sortenausschuß diese Bewertung auf der zutreffenden Vergleichsgrundlage vorgenommen hatte. Hierzu bestimmt nämlich das Gesetz als "feste Bezugsgröße", daß alle zum jeweiligen Zeitpunkt in der Sortenliste eingetragenen Sorten vergleichbarer Art fiir den Wertvergleich heranzuziehen sind (BVerwG Buchholz 451.11 Nr. 3 mit Bezug auf § 42 SaatVG i.d.F.v. 23.6.1975 (BGBI. I S. 1453) und der Begründung zur Vorgängervorschrift im entsprechenden Regierungsentwurf (BT.-Drucks. V/1630 S. 1I 0); bestätigt und von der Bewertung des "landeskulturellen Wertes" der Sorte abgehoben von BVerwGE 62, 330, 334). Insoweit ist eben nur eine statische Subsumtion unter feststehende Tatsachen erforderlich, keine vorausschauend-dynamische Wertung. 61 Zutreffend Koch, Unbestimmte Rechtsbegriffe, S. 84: "Wenn das Gesetz zumindest teilweise präzise Angaben darüber enthielte, die Darstellung welcher Vorgänge alsjugendgefahrdend anzusehen sei, so würde man doch insoweit sicher eine volle gerichtliche ÜberpTÜfbarkeit der Verwaltungsentscheidung anerkennen". Zur Beschreibung der normativen Struktur weisen die Unterscheidung zwischen "deskriptiven" und "normativen" Begriffen bei U1e, GS Jellinek 309, 318, diejenige von "Begriffskern" und "Begriffshof" bei Jesch AÖR 82 (1957) S. 163, 172 ff. sowie das "Drei-Bereiche-Bild" mit positiven, negativen und neutralen Kandidaten von Koch, aaO., S. 33 ff., insbes. S. 41 f., das dieser im Anschluß an Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, S. 37 f. entwickelt, in die gleiche Richtung, wenn auch mit unterschiedlicher Akzentuierung. Gerade diese Unterscheidungen machen allerdings auch deutlich, daß es sich um gleitende Übergänge handelt, vgl. dazu nur Greipl, Unabhängige Sach-
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§ 3 Die gerichtliche Kontrolle
rem Fall kann von einem - tendenzie1l 62 - unbestimmten Rechtsbegriff gesprochen werden, der gerade den Ausgangspunkt der Lehre vom Beurteilungsspielraum bildet. Deshalb hebt das Bundesverwaltungsgericht in den genannten Urteilen neben der Struktur des entscheidenden Gremiums regelmäßig die besondere Struktur der zu treffenden Entscheidungen hervor. Es handele sich nicht nur um eine quasi statische Subsumtion unter feststehende Tatsachen63 • Vielmehr seien vielfältige subjektive Wertungen erforderlich64 , die zudem in die Zukunft gerichtet, prognostischer Natur seien65 • Wertungen und Prognosen66 beinhalten typischerweise ein gewisses Defizit an Rationalität und entziehen sich deshalb regelmäßig einer umfassenden gesetzlichen Vorprogrammierung. Dann gerät aucht die Rechtsanwendung mehr
verständigenausschüsse, S. 88 f. und Schenke BK Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 336 sowie die Nachweise in der folgenden Fußnote. 62 Daß es keine festen Grenzen gibt, jenseits derer ein Begriff als "bestimmt" oder "unbestimmt" einzustufen wäre, es sich vielmehr um gleitende Übergänge handelt, wird auch von den Verfechtern der Lehre vom Beurteilungsspielraum allseits betont; etwa Bachof JZ 1955,97, 99; U/e GS Jellinek S. 309, 315; Jesch AÖR 82 (1957) S. 163, 167; ähnlich auch Koch, Unbestimmte Rechtsbegriffe, S. 39, der allerdings noch einmal zwischen "unbestimmten" und "vagen" Begriffen unterscheidet. 63 So besonders deutlich im Indizierungsurteil BVerfGE 39, 197,203. ,,.. BVerwGE 39, 197,203, bestätigt durch BVerwGE 77,75,78 - Indizierungsurteile; BVerGE 59,213,217 - Architektenliste; BVerwGE 62, 330, 338 - Sortenausschüsse; BVerwGE 72, 195, 200 u. 206 - Börsenzulassung; VG Berlin DVBI 1974, 375, 376 f.; angedeutet bereits in BVerwGE 12, 20, 22 - Personalgutachterausschuß; beiläufig nun auch in BVerwG. NJW 1992, 1491, 1492 - Opus pistorum. In BVerwG Buchholz 230 § 126 BRRG Nr. 16 wird dieser Aspekt zwar nicht ausdrücklich erwähnt, doch kommt auch eine Auswahl besonders geeigneter Verbesserungsvorschläge für den öffentlichen Dienst nicht ohne subjektive Wertungen aus, wie auch schon der Name "Prüfung und BewerlUngsausschuß für das Vorschlagswesen" deutlich macht. 65 BVerwGE 39, 197, 207 u. BVerwGE 77, 75, 78 - Indizierungsurteile; BVerwGE 62, 330, 338 - Sortenausschüsse; BVerwGE 72, 195,200 u. 206 - Börsenzulassung. Wenn dies auch nicht ausdrücklich angesprochen wird, so waren doch auch in den übrigen Fällen Prognosen erforderlich: Das Urteil darüber, ob jemand auch ohne die erforderliche Ausbildung die Berufsbefähigung eines Architekten erworben hat (BVerwGE 59,213,214), erfordert neben einer Bewertung seiner bisherigen Berufserfahrung auch eine Prognose darüber, ob er damit den Anforderungen an einen Architekten gewachsen sein wird. Bei der Prämierung von Verbesserungsvorschi ägen (BVerwG Buchholz 230 § 126 BRRG Nr. 16) kommt es entscheidend darauf an, in welchem Umfang durch deren Realisierung Einsparungen zu erzielen sein werden (s. den Sachverhalt aaO. S. 2). Schließlich setzt die Bewertung als "guter Unterhaltungsfilm" (VG Berlin DVBI 1974, 375 ff.) eine Prognose über die Wirkung des Films auf Kinobesucher voraus. 66 Eine ausführliche nonntheoretische Untersuchung zu diesen Begriffen liefert Koch, Unbestimmte Rechtsbegriffe, S. 18 ff., der das Charakteristische einer Prognose in dem zu fällenden Wahrscheinlichkeitsurteil sieht (aaO. S. 20 f.) und das Kennzeichnende einer Wertung in einer positiven oder negativen Stellungnahme (aaO. S. 25 f.) erblickt.
11. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
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und mehr von einem kognitiven zu einem nur noch beschränkt rationalisierbaren subjektiven Vorgang67 • Nichts anderes meint letztlich auch das alte Indizierungsurteil mit dem freilich mißverständlichen68 Hinweis, daß es keine einzig richtige Entscheidung, sondern eine Bandbreite rechtlich vertretbarer Entscheidungsmöglichkeiten gäbe69 • Selbst wenn logisch nur eine einzige Entscheidung richtig sein könnte70 , besteht bei zukunftsgerichteten Wertungen das entscheidende Problem immer noch darin, die richtige Entscheidung anband objektiver Kriterien beweisbar auszumachen7l • Da diese Rationalitätsdefizite der gerichtlichen Kontrolle gleichermaßen anbaften72 , kann durchaus
67 Vgl. Erichsen VerwArch 1972,337,342 f. u. ders. Lehrbuch § 1211 I; Schmidt-Sa/zer, Der Beurteilungsspielraum, S. 45. 68 Nach Ossenbühl DÖV 1972,401,402 f.; ders. DVBI 1974,309,310; Kellner DÖV 1972, 800, 803; Schenke BK Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 337; allgemeiner bereits vor dem Indizierungsurteil Ossenbühl DÖV 1968, 618, 620 u. Schmidt-Sa/zer, Der Beurteilungsspielraum, S. 45, beinhaltet die zitierte Aussage wörtlich genommen einen sachlogischen Widerspruch. Die gleiche Schrift könne nämlich nicht gleichzeitig jugendgefährdend und nicht jugendgefährdend sein, die gleiche Entscheidung nicht gleichzeitig rechtmäßig und rechtswidrig. Diese Argumentation geht zurück auf von Laun, Das freie Ermessen und seine Grenzen, S. 59 f., der sich damit in der Ermessensdiskussion gegen eine Wahlfreiheit aus Opportunitätsgriinden wandte. 69 BVerfGE 39, 197,203 mit der heftig umstrittenen Formulierung: "Die Vorstellung, daß ( ... ) nur eine richtige Lösung möglich sei, erweist sich als Fiktion". 70 Ob aus logischer, rechtsphilosophischer und normtheoretischer Sicht eine stirkte "Ja oder Nein-Alternativita·t" im Sinne eines "tertium non datur" besteht, braucht hier nicht erörtert zu werden. Ausreichend erscheint, daß die Parteien in einer juristischen Kontroverse unabhängig davon, ob eine einzig richtige Antwort existiert, den Anspruch erheben werden und müssen, allein ihre Antwort sei richtig. Die These von der logisch "einzig richtigen Entscheidung" hat damit zumindest als "regulative Idee" ihre Berechtigung; vgl. Alexy JZ 1986, 701, 715 m.w.N. und ihm folgend wohl auch Schoch, Die Verwaltung 1992,21,46 f. sowie Redeker NVwZ 1992, 305, 306 mit Fn. 14: Grundsatz von der einen richtigen Entscheidung als "Axiom" unseres Rechtssystems. Dabei kann und soll sich der einzelne Rechtsanwender durchaus bewußt sein, daß seine Erkenntnismöglichkeiten begrenzt sind und ihm letztlich nur ein "Annäherungswissen" möglich ist. Trotz der Unsicherheiten muß er sich jedoch letztlich zu einer Entscheidung durchringen und diese als "richtig" vertreten (vgl. Ossenbühl DÖV 1972,401, 402 f.; von Ohlshausen Jus 1973,217,218 f.; Kellner DÖV 1972,800,803 f.; ähnlich schon ders. NJW 1966, 857, 860 f.; Erichsen Lehrbuch § 12 11 I). Dies vernachlässigt Franßen, FS Zeidler S. 429, 436, wenn er durch Alexys Überlegungen Rechthaberei und autoritäres Gehabe gefördert sieht. Gerade das von Franßen zu Recht geforderte "komparative Urteilen" setzt schließlich die Bewertung einer Alternative als "richtiger" als die andere voraus. 71 Weyreuther BauR 1977, 293, 307; ders. UPR 1986, 120, 122; Alexy JZ 1986, 701, 715. Entsprechend ist auch - weniger mißverständlich als im Indizierungsurteil - in den F olgeentscheidungen vom "Fehlen eindeutiger objektiver Kriterien" (BVerwGE 77,75,84) die Rede bzw. davon, daß die Entscheidung "keine eindeutige Lösung", sondern "unterschiedliche Auffassungen zuläßt" (BVerwGE 62, 330, 338 u. 340). 72 Hoppe, FS BVerwG S. 295, 308 betont mit Verweis auf Ossenbühl FS BVerfDE S. 458, 501 zu Recht, daß die "Problematik gerichtlicher Prognosekontrolle" "in ihrem Defizit an Rationali-
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§ 3 Die gerichtliche Kontrolle
bezweifelt werden, ob "es Aufgabe der Gerichte sein" kann, "ihre eigene Wertung an die Stelle derjenigen des Gremiums zu setzen "73. Dies macht verständlich, warum gerade prognostisch-wertende Entscheidungen die Frage nach der Reichweite gerichtlicher Kontrollbefugnisse aufwerfen. Eine besondere Struktur des entscheidenden Gremiums wird demnach auch in der Literatur allein nicht für ausreichend erachtet, um einen Beurteilungsspielraum zu begründen74 . Es müssen die zuvor genannten Faktoren als weitere Indizien hinzutreten75 .
b) Besondere Abhängigkeit rundfunkrechtlicher Zulassungsentscheidungen von Wertungen und Prognosen Gerade rundfunkrechtliche Zulassungsentscheidungen erfordern regelmäßig vielfältige Wertungen und Prognosen, wie bereits im zweiten Teil der Arbeit im einzelnen aufgezeigt wurde. Offensichtlich ist die Wertausfüllungsbedürftigkeit etwa bei Fragen der "Meinungsvielfalt"76, "angemessenen" oder "wesentlichen" Anteilen verschiedener Programmsparten oder an Eigen- und Auftragsproduktionen sowie hinsichtlich der "Professionalität" der Programmgestaltung . Gleiches gilt für die inter- und intramediären Konzentrationsbeschränkungen, soweit dort ohne feste Bindung an Anteile letztlich auf "(markt)beherrschenden Einfluß" abgestellt wird. Eine Unterscheidung zwischen wertungsbedürftigeren qualitativen und objektivierbareren quantitativen Anforderungen, wie sie die Bremer Verwaltungs gerichte vorgenommen haben77 , erscheint vor diesem Hintergrund kaum möglich.
tät" wurzelt. 7J SO - verneinend - die Fonnulierung in BVerwGE 77, 75, 85. 74 Hoppe DVBI 1975,684,688 mit Fn. 50. 7S Papier DÖV 1986,621,626 f. = FS Ule S. 235, 246; ders. Hdb. d. StaatsR. § 154 Rn. 66, wobei als "weitere Faktoren" auch die hier bereits in die Erörterung der Struktur des Gremiums einbezogenen Kriterien der "Weisungsfreiheit" und des "justizähnlichen Verfahrens" genannt werden; Badura FS Bachof S. 168, 182; "Wertungen" als zusätzliches Indiz besonders betonend Kellner DÖV 1972, 800, 806 f. mit Fn. 42; ausschließlich "Prognosecharakter" als zusätzliches Indiz demgegenüber bei Tettinger DVBI 1982,421,427 u. 430. 76 Vgl. auch die ausführliche Analyse der Auswahlnonn § 7 Abs. 1 Rh.-Pf.LRG a.F., die sich aus "einer Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe", gerade im Zusammenhang mit der Meinungsvielfalt, zusammensetzt, bei Ronellenjitsch VerwArch 1992, 119, 123. 770VG Bremen DVBI 1991, 1270, 1271, wie schon die Vorinstanz VG Bremen AfP 1991, 664, 666; siehe dazu bereits oben I. 2.
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Auch dort, wo das Gesetz scheinbar feste Bezugsgrößen vorgibt, ist die Entscheidung vielfach durch im Vorfeld gelegene Wertungen geprägt. Soweit feste Programm- oder Gesellschaftsanteile genannt oder bestimmte Gruppen und juristische Personen vom privaten Rundfunk gänzlich ausgeschlossen werden, ist für Zuordnungen regelmäßig auf die wertende Konzernklausel zurückzugreifen. Kaum jemals werden nämlich unzulässige Beteiligungen offen zu Tage treten; Bewerber werden vielmehr unzulässige Einflüsse hinter wenig aussagekräftigen gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen zu verbergen suchen. Selbst bei der scheinbar "griffigeren" und deshalb für die Zulassungspraxis besonders bedeutsamen Forderung nach "ausreichender" Finanzkraft eines Bewerbers für sein beantragtes Programm wäre es wirklichkeitsfremd anzunehmen, daß sich dabei die Beurteilung allein aufgrund mathematischer Berechnungen vornehmen ließe. Die Kosten bestimmter Vorhaben sind nämlich in der Regel ebensowenig klar wie die reale Finanzausstattung des potentiellen Veranstalters. Nur ganz wenige, recht unbedeutende Anforderungen, wie etwa die Rechtsform des Antragstellers und die Geschäftsflihigkeit seiner (satzungsmäßigen) Vertreter, sind weitgehend wertungsfrei festzustellen. All dies gilt bereits für die Prüfung der allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen. Bei Auswahlentscheidungen sind in noch stärkerem Maße Wertungen erforderlich. Zum einen muß dort nicht nur jeweils ein Programm(veranstalter) isoliert, sondern müssen sämtliche Bewerber und deren Programme gleichzeitig vergleichend bewertet werden. Zum anderen müssen verschiedene Auswahlkriterien untereinander wertend gewichtet werden, soweit das Gesetz keine feste Rangfolge vorgibt. Nahezu sämtliche Anforderungen sind zudem ganz oder teilweise auf die Zukunft gerichtet, da es fast immer um ein erst geplantes Programm gehf8 • Dies gilt sogar, wenn auch in geringerem Maße, wenn die Zulassung für ein in anderen Bundesländern bereits verbreitetes Programm oder die Verlängerung einer bereits vorhandenen Erlaubnis beantragt wird. Auch in diesen Fällen darf sich das Zulassungsgremium nicht allein auf das vorhandene Programm beschränken, sondern muß eine Prognose für die beantrage gesamte (erneute) Zulassungsdauer abgeben79 • Dies liegt in der Konsequenz der Erkenntnis, daß
Siehe dazu bereits oben I. I. ova Bremen DVBI 1991, 1270, 1271 f,; dies vernachlässigte anscheinend noch die Vorinstanz va Bremen AfP 1991,664,666, weil sie in dieser Entscheidung fiir ein auf bundesweite Verbreitung angelegtes Programm ausschließlich auf dessen bereits in anderen Bundesländern ausgestrahlte Version abstellt. Die Notwendigkeit einer Prognose auch i!l diesen Fällen schließt 78 79
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§ 3 Die gerichtliche Kontrolle
einmal eingetretene Fehlentwicklungen nur schwer korrigierbar sind80 , das Zulassungsverfahren mithin auch der präventiven Programmkontrolle dienen muß 81 •
Betrachtet man isoliert den Bedarf an Wertungen und Prognosen, so drängt sich demnach die Annahme weitreichender Beurteilungsspielräume bei rundfunkrechtlichen Zulassungsentscheidungen geradezu auf. Die in den maßgeblichen Normen verwendeten Begriffe sind indes fast ausnahmslos durch so extreme Wertungs- und Prognoseabhängigkeit gekennzeichnet, daß eine Begrenzung der Spielräume kaum mehr möglich wäre. Die Beurteilungsspielräume tendierten vielmehr zur Uferlosigkeit, so daß sogar gefragt werden müßte, welche Ansatzpunkte für eine Rechtsanwendungskontrolle eigentlich noch verblieben.
c) Wertungs- und Prognoseabhängigkeit allein nicht ausreichend Wenn auch Beurteilungsspielräume nur bei prognostisch-wertenden Entscheidungen auf der Basis wenig aussagekräftiger gesetzlicher Normierungen in Betracht kommen, hat das Bundesverwaltungsgericht der Verwaltung umgekehrt aber niemals allein deshalb einen Beurteilungsspielraum zugesprochen, weil Wertungen oder Prognosen erforderlich waren 82 • Im Hinblick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes, Art. 19 Abs. 4 GG83 , hat es stets daran festgehalten, daß Auslegung und Subsumtion auch bei unbestimmten Rechts-
allerdings nicht aus, daß sich die behördliche oder richterliche Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung wesentlich auf das bereits ausgestrahlte Programm stützt, wie dies fiir die Hörfunk-Auswahlentscheidung in Baden-Württemberg nun ausdrücklich § 21 Abs. 38.2 LMedienG n.F. anordnet. Auf dieser Ebene hat das Gericht zu Recht das bisherige Erscheinungsbild des Programms höher gewichtet als Versprechungen der Antragstellers. 80 BVerfGE 57, 295, 323 - FRAG-Urteil; speziell auf Konzentrationstendenzen bezogen vgl. BVerfGE 73, 118, 160 u. 173 - Niedersachsen-Urteil; siehe im übrigen bereits oben § 2 I. I. 81 Zur "präventiven Kontrollfunktion" des Zulassungsverfahrens siehe eh. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 177 und oben § 2 11. 2. a). 82 Charakteristisch etwa BVerwGE 2, 172, 176 f. - "Verunstaltung" im Baurecht; BVerwGE 15, 207, 208 - "wichtiger Grund" im Namensänderungsrecht; BVerwGE 24, 60, 63 f. Denkmalwürdigkeit eines Gebäudes; aus jüngster Zeit ausführlich BVerwG DVBI 1991,46,48 f. - Körentscheidung nach dem Tierzuchtgesetz; BVerwGE DVBI 1991, 49; vgl. im übrigen die Übersichten bei Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 35; Schmidt-Aßmann MID Art. 19 IV GO Rn. 198; Tettinger DVBI 1982,421,425. 8' Zur Bedeutung der Rechtsweggarantie, Art. 19 Abs. 4 GO, fiir den Umfang gerichtlicher Kontrolle siehe im einzelnen unten III. I. a) und 111. 2. b) sowie IV. am Anfang.
11. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
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begriffen grundsätzlich gerichtlich voll überprüfbar sind und nur in Ausnahmefällen ein Beurteilungsspielraum angenommen werden kann84 • Wertungen, aber auch zukunftsgerichtete Entscheidungen, sind in der Rechtspraxis derart häufig, daß das Verhältnis von Regel und Ausnahme umgekehrt würde 8S , wollte man allein den wertend-prognostischen Gehalt einer Entscheidung als Indiz für die Einräumung einer administrativen Letztentscheidungsbefugnis ausreichen lassen86 • Wie gerade oben festgestellt, gilt dies in besonders hohem Maße für die rundfunkrechtlichen Zulassungsentscheidungen. Wertungen gehören außerdem zum Alltagsgeschäft der Gerichte, die hierfür grundSätzlich ebenso qualifiziert sind wie die Behörden87 • Unter diesem Gesichtpunkt allein ist daher schon gar kein Bedürfnis nach Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle vorhanden88 • Das Bedüfnis einer zusätzlichen Rechtfertigung von Beurteilungsspielräumen erscheint noch dadurch vergrößert, daß sich der Spielraum kaum auf die Subsumtion beschränken ließe, wie es die Rechtsprechung fordert. Die konkretisie:-ende Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe erfolgt vielmehr schrittweise mit Blick auf die jeweils zur Entscheidung stehenden Lebenssachverhalte, so daß die Subsumtion nur im theoretischen Modell scharf von der Auslegung zu trennen ist89 • Als einen zum wertend-prognostischen Charakter hinzutretenden und damit einen Beurteilungsspielraum90 legitimierenden Gesichtspunkt hat die Rechtspre-
84 Hierzu zunächst nur aus der neuesten Rechtsprechung BVerwG OVBI 1991, 46, 47 f.; BVerwG OVBI 1991, 49. 8S SO ausdrücklich Tettinger OVBI 1982,421,425. 86 So für Prognosen neben Tettinger auch Weyreuther BauR 1977, 293, 304 f.; Schenke BK Art. 19 IV GG Rn. 353; Ramsauer, Die Assessorprüfung im Öffentlichen Recht, S. 334 u. 348; für Wertungen Schmidt-Salzer, Der Beurteilungsspielraum, S. 69. Auch Bullinger FS Jahrreiß S. 19, 21, warnt in Bezug auf diese Argumentation im Indizierungsurteil vor "unzulässiger Pauschalierung". Wenig überzeugend daher Ipsen AÖR 107 (1982), 259, 291, der allein auf die fehlende Objektivierbarkeit der Indizierungsentscheidung abstellt. 87 BVerwGE 35, 69, 75; Greipl, Unabhängige Sachverständigenausschüsse, S. 110. 88 Vgl. Bullinger JZ 1984, 1001 1002 mit dem Hinweis, daß eine Fixierung aufWertungsspielräume bei relativ unbestimmtem Norminhalt an Stelle einer umfassenden Ermessenslehre wesentlich dazu beigeträgt, Handlungsspielräume der Verwaltung immer eingeschränkter anzuerkennen. 89 Ausführlich Sendler FS Ule S. 337, 339 ff., insbes. S. 342 f.; Herdegen JZ 1991, 747, 749; Bullinger FS Jahrreiß S. 19, 33; Schenke, Verwaitungsprozeßrecht, Rn. 750; auch schon Jesch AÖR 82 (1957) 163, 188 f. u. 222; vgl. auch Franßen FS Zeidler S. 429, 434 und Redeker DÖV 1993, 10, 11. 90 Die Begriftlichkeit ist hier nicht einheitlich. So spricht etwa Schmidt-Aßmann MJD Art. 19 IV GG Rn. 197 im Zusammenhang mit politischen Entscheidungen von
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§ 3 Die gerichtliche Kontrolle
chung neben weiteren, im vorliegenden Zusammenhang aber nicht näher interessierenden Fallgruppen91 , gerade eine besonders plurale oder fachkundige Struktur des entscheidenden Gremiums anerkannt. Die einzelnen Voraussetzungen bedürfen nun näherer Betrachtung. 2. SpezuJSche Organisation des entscheidenden GrerniuDJS
Wie nun auch in den rundfunkrechtlichen Entscheidungen werden in der Indizierungsrechtsprechung Zusammensetzung, Organisation und Verfahren des jeweils entscheidenden Gremiums als wichtigstes Indiz dafür angesehen, daß dessen Entscheidung nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegen soll.
"Einschätzungsprärogative" . Demgegenüber weisen Richter/Schuppert, Casebook VerwaItungsrecht S. 25 zu Recht darauf hin, daß es sich der Sache nach (Spielraum bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe aufgrund bereichsspezifischer Erwägungen) um einen Beurteilungsspielraum handelt. 91 Ein Beurteilungsspielraum wurde etwa, der Situation im Rundfunkrecht noch am ehesten vergleichbar, bei Entscheidungen mit besonderem (wirtschafts-)politischen Einschlag anerkannt (etwa BVerwG DVBI 1972,895 - Einfuhrgenehmigung; BVerwG DVBI 1982,301,302 - Kraftdroschkengenehmigung). Maßgeblich ist dafür die Erkenntnis, daß funktionell allein die unmittelbar (Gesetzgeber) oder wenigstens mittelbar (Verwaltung) demokratisch legitimierten Staatsgewalten zu derartigen originär politisch-konzeptionellen Vorgaben autorisiert sind (Vgl. ausführlich Tettinger, Rechtsanwendung, S. 439 ff. mit der Analyse vieler einzelner Bestimmungen; Richter/Schuppert, Casebook Verwaltungsrecht, S. 29; Breuer, Der Staat 16 (1977) 21, 51; Schenke BK Art. 19 Abs. 4 GO Rn. 311, dort als "Ermessen" bezeichnet; stärker differenzierend Bullinger JZ 1984, 1001, 1007 ff., der wirtschaftspolitische Motive teilweise dem Bereich des "taktischen Ermessens", dem "Managementermessen" sowie "planungsähnlicher Gestaltung" zuordnen will). Die Rechtsprechung ist hier allerdings nicht einheitlich, worauf Bullinger JZ 1984, 1001, 1004 u. Schmidt-Aßmann MID Art 19 Abs. 4 GO Rn. 197 m.w.N zutreffend hinweisen. Auf das Rundfunkrecht lassen sich diese Erwägungen jedenfalls nicht übertragen. Zwar besitzen Zulassungen zum privaten Rundfunk erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Dies zeigen bereits die bei rundfunkrechtlichen Konkurrentenklagen festgesetzten Streitwerte von bis zu 600.000 DM. [Ein Streitwertkatalog von einer aus Verwaltungsrichtern zusammengesetzten Arbeitsgruppe (abgedruckt NVwZ 1991, 1156, 1159) nennt folgende Summen: 300.000 DM für eine Hörfunkkonzession, 500.000 DM für eine Fernsehkonzession, 20.000 DM für Einräumung von Sendezeit. Die vorliegenden Entscheidungen, die, soweit ersichtlich, ausschließlich den einstweiligen Rechtsschutz betrafen, setzten je nach konkreter Verfahrensgestaltung Streitwerte zwischen 3.000 DM (OVG Münster, Entsch. v. 12.6.1991 - 5 B 280191 -, Umdruck S. 2) und 300.000 DM (VG NeustadtlWeinstraße, Entsch. v. 11.2.1992 - 3 L 66/ 92) fest. In einem Hauptsachenverfahren wäre das OVG Koblenz aber sogar in einem Hörfunk-Prätendentenstreit von einem Streitwert von 600.000 DM ausgegangen (OVG Koblenz, Entsch. v. 25. 6. 1990 - 2 B I \300/90.0VG -, Umdruck S. \3).] Die hohe politische Bedeutung der Vergabeentscheidungen liegt jedoch nicht in diesem wirtschaftlichen Aspekt begründet, sondern folgt aus der Funktion des Rundfunks als "Medium und Faktor öffentlicher Meinungsbildung".
11. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
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a) Repräsentation und Sachkompetenz Diese Gremien setzen sich aus Vertretern verschiedenster Gruppen der pluralistischen Gesellschaft zusammen. Sie repräsentieren regelmäßig entweder ein breites gesellschaftliches Spektrum92 oder93 doch zumindest die in besonderem Bezug zum Aufgabenbereich des Gremiums stehenden Gruppen94 • Bei der vielköpfigen Zusammensetzung9S dieser Gremien seien, so wird argumentiert, die Mitglieder gezwungen, sich im Austausch der vielfältigen Argumente zu einer Mehrheitsentscheidung durchzuringen. 96 Ein derartiges Verfahren soll sachfremden Erwägungen besonders effektiv entgegenwirken97 • Diese Vorstellung liegt anscheinend selbst dem gegenüber Beurteilungsspielräumen der Bundesprüfstelle kritischen Mutzenbacher-Beschluß zugrunde, wenn das Bundesverfassungsgericht dort ausführt, "die Beteiligung von Gruppenvertretern (solle) dabei gerade im Interesse der Kunstfreiheit sicherstellen, daß alle
92 BVerwGE 39, 197, 204; BVerwGE 77, 75, 78; ähnlich auch BVerwG NJW 1993, 1491, 1492 - jeweils Bundesprüfstelle für die Indizierung jugendgefährdender Schriften. Zur Zusammensetzung der Bundesprüfstelle vg!. § 9 GjS (insbes. Abs. 2) u. siehe Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien, S. 32 ff. mit einer genauen Auflistung der dort im Jahr 1980 vertretenen Verbände. Demgegenüber sieht wenig überzeugend BVerfGE 83, 130, 151 Josefine Mutzenbacher - (ähnlich zuvor schon Greipl, Unabhängige Sachverständigenausschüsse, S. 220 f.) auch bei den in der Bundesprüfstelle vertretenen Gruppen ihre fachliche Nähe zum Entscheidungsgegenstand als maßgeblich an (nach Greipl bei der Kirche etwa "ethische Erfahrung"). 93 Zur Unterscheidung von gesamtgesellschaftlicher Relevanz und Sachinteresse als Rekrutierungskriterien bei der Zusammensetzung derartiger Gremien siehe Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien, S. 92 ff. 94 So insbesondere BVerwGE 72, 195, 201 - Börsenvorstand, zusammengesetzt aus den am Börsengeschehen beteiligten Gruppen. Die Mitglieder des Personalgutachterausschusses wurden zwar nicht von besonderen gesellschaftlichen Gruppen entsandt, sondern wurden auf Vorschlag der Bundesregierung durch den Bundespräsidenten berufen. Der Vorschlag bedurfte jedoch der Bestätigung durch den Bundestag (§ 2 PersonalgutachterausschußG v. 23.7.1955, BGB!. I S. 451), wodurch in Verbindung mit der hohen Mitgliederzahl (30-40) eine gewisse plurale Zusammensetzung gesichert war (vg!. auch die Gesetzesbegründung BT-Drs. Nr. 1620 v. 14.7.1955, wonach die Mitglieder von einzelnen gesellschaftlichen Kräften getragen werden, aber sich unzweifelhafter allgemeiner Wertschätzung erfreuen sollten). Demgegenüber steht bei den Sortenund Architektenausschüssen sowie den Gremien der Filmförderungsanstalt weniger deren plurale als deren fachkundige Zusammensetzung im Vordergrund, siehe unten. 95 BVerwGE 12, 20, 27 - Personalgutachterausschuß; BVerwGE 39, 197, 203 - Bundesprüfstelle; VG Berlin DVBI 1974,375,377 - Filmbewertungsstelle. 96 BVerwGE 59,213,217; BVerwGE 62,330,339; BVerwGE 72, 195,201; diesem Aspekt zustimmend, obwohl das Indizierungsurteil im übrigen ablehnend \Ion Olshausen Jus 1973, 217, 220. 91 BVerwGE 72, 195,201.
11 Fehling
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§ 3 Die gerichtliche Kontrolle
für die Indizierungsentscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte gesammelt, die hierbei tragenden Werte ermittelt und zu einem Ausgleich gebracht werden "98. Auch durch Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit sowohl des Gremiums als Ganzem99 als auch seiner einzelnen Mitglieder 100 sollen sachfremde externe, insbesondere parteipolitische Einflüsse gebannt werden. Als neben dem Hinweis auf die weisungsfreie und pluralistisch-repräsentative Organisation wichtigstes Argument wird regelmäßig die sachverständige Zusammensetzung der Gremien, die besondere Fachkunde ihrer Mitglieder, hervorgehoben lOl • Damit wird nicht im Abrede gestellt, daß jede Behörde über den für ihre Arbeit erforderlichen Sachverstand verfügen muß 102 ; als entscheidend wird vielmehr angesehen, daß im entsprechenden wirtschaftlichen Bereich selber praktisch tätige oder zumindest doch über ihre Verwaltungstätigkeit hinaus damit spezifisch verbundene Personen entscheiden. Sind demnach nach dieser Auffassung bereits die entscheidenden Gremien selbst fachkundig besetzt, wird es als widersinnig angesehen, wenn deren Entscheidung
9. BVerfGE 83, 130, ISO; an eine ähnliche Fonnulierung anknüpfend BVerwG NJW 1993, 1491, 1492. 99 BVerwGE 59,213,217; BVerwGE 77, 75, 78; BVerwG Buchholz 230 § 126 BRRG Nr. 16; VG Berlin DVBI 1974, 375, 377; BVerwG NJW 1993, 1491, 1492; eher beiläufiger Hinweis darauf schon in BVerwGE 12, 20, 28; die besondere Bedeutung dieser Komponente betonen Kellner DÖV 1972,800,806; Ossenbühl DÖV 1972,401,404 (mit Hinweis darauf, daß dieses Argument im ersten Indizierungsurteil verschenkt wurde); ders. DVBI 1974,309,313; ders. FS Ule S. 731, 743; Schenke BK Art. 19 Abs. 4 GO Rn. 350. Während die Mitglieder des Börsenvorstandes auch ohne ausdrückliche Nonnierung weisungsfrei handeln, weil es sich um das leitende Organ einer SelbstverwaItungskörperschaft handelt (so Greipl, Unabhängige Sachverständigenausschüsse, S. 239 u. ders. DVBI 1989,746, 752), ist die Weisungsfreiheit der Sortenausschüüsse dagegen zweifelhaft, vgl. dazu ausfiihrIich Greipl, aaO., S. 233 ff. 100 Auf diese quasi "Doppelspurigkeit" der Weisungsfreiheit weist zu Recht Greipl, Unabhängige Sachverständigenausschüsse, S. 191 f. hin. 101 BVerwGE 39, 197,204 u. BVerwGE 77,75, 78, 84 f. sowie BVerfGE 83, 130, 151 f. u. BVerwG NJW 1993, 1491, 1492 - Bundesprüfstelle; BVerwGE 59,213,217 f. - Eintragungsausschüsse, denen neben einem Volljuristen vier Architekten angehören; BVerwGE 62, 330,340 Sortenausschüsse, denen gemäß § 48 S. 2 SaatVG i.V.m. § 24 Abs. 2 SortenschutzG mehrheitlich fachkundige Mitglieder angehören müssen; BVerwGE 72, 195, 200 ff. - Börsenvorstand, besetzt mit Vertretern der am Börsengeschäft Beteiligten; VG Berlin DVBI 1974,375,377 - Gremien der Filmf6rderungsanstalt, eine genaue Auflistung der dort im Jahr 1980 vertretenen Verbände findet sich bei Schreyer S. 36 ff. Aus der Literatur auf die Fachkunde (mit) abstellend Redeker DÖV 1971, 757, 760; Ossenbühl DÖV 1972,401,404; ders. DVBI 1974,308, 312; SchmidtAßmann VVDStRL 34 (1976) 221, 266; Bul/inger JZ 1984, 1001, 1008; Starck FS Sendler S. 167, 171; wohl auch Badura FS Bachof S. 168, 182; vgl. auch Scholz VVDStRL 34 (1976) 145, 214 mit Fn. 268. 102 So die Kritik von von Ohlshausen Jus 1973, 213, 220.
11. Oie Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
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durch eine von gerichtlich bestellten Sachverständigen vorgeprägte Gerichtsentscheidung ersetzt werden könntelO3 . Dabei würde nach weit verbreiteter Auffassung letztlich doch nur ein Sachverständigenurteil durch ein anderes ersetzt, ohne daß ersichtlich wäre, warum die vom Gericht hinzugezogenen Sachverständigen kompetenter sein sollten als die dem Gremium angehörenden Fachleute lO4 . Externen Gutachtern fehlten im Gegenteil die nur aus einer ständigen Entscheidungspraxis zu gewinnenden Vergleichsmöglichkeitenlos. Die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens kommt nach der neuen Indizierungsrechtsprechung daher nur in Betracht, wenn es dem Kläger ausnahmsweise gelingt, den sachverständigen Charkter der Gremienentscheidung in Zweifel zu ziehen lO6 .
b) Erhoffte prozedurale Sicherung einer "optimalen" Entscheidung durch Fachkunde und Interessenpluralität Die Berufung auf die pluralistische Zusammensetzung dieser Gremien, auf die Weisungsfreiheit und Fachkunde ihrer Mitglieder, soll letztlich nur untermauern, daß gerade solche Gremien in ihrer spezifischen Zusammensetzung, in Organisation und Verfahren eine erhöhte Gewähr für Rechtmäßigkeit und Sachgerechtigkeit ihrer Entscheidungen böten lO7 . So betont auch der Mutzenbacher-Beschluß, daß "das rechtssatzförmig festzulegende Verfahren dem Interesse an einer möglichst umfassenden Ermittlung aller bei der Indizierungsentscheidung zu beachtenden Gesichtspunkte Rechnung tragen
103 BVerwGE 39, 197,204; BVerwGE 62, 330, 339; vgl auch BVerwGE 77, 75, 85 und VG Berlin OVBI 1974, 375, 377. 104 Besonders prägnant Ossenbühl OÖV 1968, 618, 626 f. mit dem Beispiel des Hamburger Oenkmalschutzrates. Vgl. auch Redeker OÖV 1971,757,760; ders. NVwZ 1992,305,308; Reidt OÖV 1992, 916, 920, jeweils als Kritik an der neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (dazu unten IV. 2.). lOS Bachof JZ 1972, 208, 209. Gerade dieses Argument wird vom Bundesverfassungsgericht als allein ausschlaggebend dafür angesehen, daß Prüfern bei der Bewertung von Prüfungsleistungen ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist, BVerfU NJW 1991,2006,2007. 106 BVerwG NJW 1993, 1491, 1492. 107 Vgl. BVerwG NJW 1993, 1491, 1492 ("institutionelle Grundrechtsabsicherung"); BVerwG NJW 1993, 1492, 1493 ("zum Zwecke der Grundrechtsoptimierung vorgeschriebenen pluralistischen Meinungsbildung"); zustimmend WürknerIKerst-Wu'rknerNlW 1993, 1446, 1447. So schon zur alten Indizierungsrechtsprechung Ossenbühl OÖV 1972, 401, 404 ("optimale Sachentscheidung in Grenzfällen"); Kellner DÖV 1972, 800, 806 mit Fn. 42 im Anschluß an ders. OÖV 1962, 572, 578; ähnlich auch Tettinger, Rechtsanwendung, S. 427.
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§ 3 Die gerichtliche Kontrolle
(muß) "\08. Derartige prozedurale Sicherungen gewinnen gerade dort besondere Bedeutung, wo das materielle Recht die Entscheidung nicht ausreichend zu steuern vermag lO9 und daher, in der Sprache des Indizierungsurteils, eine "Bandbreite von Entscheidungsmöglichkeiten "1\0 besteht, die allesamt vertretbar erscheinen. Durch die Beteiligung von Vertretern verschiedenster Gruppen soll gewährleistet werden, daß die legitimen Anliegen aller von der jeweiligen Entscheidung Betroffenen eingebracht werden können; der Zwang zur mehrheitsbeschaffenden Einigung soll dabei den notwendigen Interessenausgleich sichern heifen lll • In Verbindung mit der Weisungsfreiheit der Auschußmitglieder hofft man, durch dieses Verfahren auch sachfremde Einflüße weitestgehend auszuschalten und eine unparteiische Entscheidung garantieren zu könnenll2 • Schließlich soll die besondere Sachkunde der Beteiligten ergänzend ll3 eine hohe professionelle Qualität der Entscheidung garantieren. Da durch die Besetzung dieser Gremien auch eine gewisse Partizipation der Betroffenen an der Verwaltungsentscheidung erreicht wird ll4, mag sich da-
BVerfGE 83, 130, 153. So allgemein BVerfGE 33,303,341 - Nummerus-Clausus-Urteil; ebenso BVerfGE 41,251, 265; vgl. auch BVerwG NJW 1993, 1491, 1492 ("das die Kunstfreiheit in einem rechtlich nur schwer faßbaren und daher besonders sensiblen Bereich optimiert"); außerdem etwa SchulzeFielitz JZ 1993, 772, 776 f.; Geis DÖV 1993,22,29; Ossenbühl FS Redeker S. 55,67; Schach, Die Verwaltung 1992,21,28 mit Fn. 40 und S. 47 mit Fn. 151; Häberle, Öffentliches Interesse, S. 659; zusammenfassend Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien, S. 76 ff., insbes. S. 77. Grundlegend Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 203 f., der freilich die Legitimationskraft des Verwaltungs-)Verfahrens nicht vorrangig in einer Förderung materiell richtiger Entscheidungen, sondern im schrittweisen Abbau von Komplexität und in Akzeptanzsicherung sieht (allgemein aaO. S. 1 ff.). 110 BVerwGE 39, 197,203 mit Verweis auf Redeker DÖV 1971,757,762. 111 Vgl. Gusy DVBI 1987, 497, 504 fiir technische Norrnierungsgremien; allgemein Greipl, Unabhängige Sachverständigenausschüsse, S. 182; fiir den Rundfunkbereich pronounciert auch Gersdarf, Staatsfreiheit, S. 195 f. 112 So mit besonderer Betonung der Weisungsfreiheit Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien, S. 167. m Demgegenüber rückt Greipl einseitig den Sachverstand in den Vordergrund und sieht Pluralismus und Interessenrepr äsentanz lediglich als "Vehikel zur Einbeziehung möglichst allen in der Gesellschaft vorhandenen Sachverstands" an (Unabhängige Sachverständigenausschüsse, S. 183; vgl. auch ders. DVBI 1989, 746, 750. Dabei orientiert er sich jedoch zu sehr an technischen Genehmigungsverfahren und vernachlässigt, daß ein notwendiger Ausgleich zwischen verschiedenen - auch fachlichen - Richtungen nur durch Pluralität erreicht werden kann, während Sachverstand i.e.S zumindest im kulturellen Bereich in den Hintergrund tritt. 114 Vgl. OssenbühlDÖV 1972,401,404. In diese Richtung auch BVerwG NJW 1993, 1491, 1492 ("Element der Selbstverwaltung"). 108
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H. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
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durch sogar die Akzeptanz der Entscheidung l15 , wenn auch nicht unbedingt deren demokratische Legitimation l16, verbessern lassen. c) Mangelnde Sicherung justiZähnlicher Unabhängigkeit und Objektivität
So plausibel diese Überlegungen auf den ersten Blick erscheinen mögen, so deutlich spiegeln sie doch auch die ihnen immanenten Grenzen wider. Es muß jeweils genau untersucht werden, ob genügend institutionelle Sicherungen vorhanden sind, um das Defizit an gerichtlicher Kontrolle auszugleichenll7 • Hierbei ist zu berücksichtigen, daß gerade das gerichtliche Verfahren mit seinen ausgefeilten Verfahrensordnungen, der verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 GG) und ihrem regelmäßig fehlenden Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens funktionell ll8 normalerweise besonders geeignet ist, Streitfragen letztverbindlich zu entscheidenll9 . Dabei sollen innere Unabhängigkeit und Objektivität bei der richterlichen Entscheidungsfindung keineswegs idealtypisch überhöht l20 und auch nicht dem Richter eine übermäßige "Fähigkeit zur kritischen Reflexion des eigenen Geschäfts"121 unterstellt werden. Zumindest (partei)politisch wird jedoch ein Richter in aller Regel graduell unabhängiger sein, als dies einem stärker von der politischen Leitungsebene abhängigen, wenn auch nicht immer formal weisungsabhängigen Verwaltungsorgan möglich ist. Durch die formalisiertere
I" Die "Akzeptanz durch Verwaltungsverfahren" gewinnt gerade auch im Rahmen der gegenwärtigen Beschleunigungs-Diskussion wieder stärkere Bedeutung, vgl. Würtenberger NJW 1991, 257 ff. 116 Dazu ausführlich Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien, S. 113 ff. m. vielen N.; vgl. auch Greipl, Unabhängige Sachverständigenausschüsse, S. 165. 117 Besonders deutlich Schwarze, Der funktionale Zusammenhang, S. 25 f: Es "stellt sich jetzt sofort die weitere Frage, mit welchen Garantien das Verwaltungsverfahren ausgestattet sein muß, in dem über die Auswahl der Prüfer, deren Sachkunde und gesellschaftliche Repräsentanz entschieden wird, damit eine Einschränkung des richterlichen Kontrollumfanges sich rechtfertigen läßt". 118 Zur Bedeutung funktionell-rechtlicher Argumente für die Abgrenzung der Kompetenzbereiche von Verwaltung und Gerichtsbarkeit siehe ausführlicher unten III. 1. a). 119 Vgl. Beckmann DÖV 1986,505,507 f.; Greipl, Unabhängige Sachverständigenausschüsse, S. 144; ausführlich zu den institutionellen Sicherungen richterlicher Unabhängigkeit Lorenz, Rechtsweggarantie, S. 185 ff. und S. 203 ff. 120 So die Befürchtung von Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien, S. 164, die demgegenüber ihrerseits übermäßig optimistisch auf das durch die pluralistische Struktur bedingte "Informations- und Wertberücksichtigungspotential" der genannten Gremien hinweist (aaO.). 121 Scharpf, Die politischen Kosten des Rechtsstaats, S. 42.
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§ 3 Die gerichtliche Kontrolle
und transparentere Gestaltung des Gerichtsverfahrens wird es dem Gericht außerdem etwas schwerer gemacht, sachfremde Erwägungen zu verschleiem 122 • Ob einem pluralistisch und fachkundig zusammengesetzten Gremium ein (Beurteilungs-)Spielraum eingeräumt ist, hängt demnach entscheidend davon ab, ob sich ein solches Gremium in Unparteilichkeit und Verfahrensgerechtigkeit mit einem Gericht messen kann, so daß mit der Gremienentscheidung der verfassungsrechtlich garantierte Rechtsschutz (Art. 19 IV GG 123) gleichsam teilweise vorweggenommen wird l24 • Zwar macht "die Justizförmigkeit der Verwaltung" "die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht entbehrlich" 125. Gerichtsschutz und antizipierter Rechtschutz in Verwaltungsverfahren sind nicht ohne weiteres austauschbar. Ein justizähnliches Verfahren 126 vermag aber Bedenken dagegen auszuräumen, einen Beurteilungsspielraum anzuerkennen, den das materielle Recht aus anderen Gründen, etwa angesichts der besonderen Struktur des Entscheidungsträgers, nahelegt127 • Auch das Bundesverwaltungsgericht hat keineswegs automatisch von der pluralistisch-repräsentativen Zusammensetzung eines Gremiums auf eine nur eingeschränkte gerichtliche Kontrolle deren prognostisch-wertender Entscheidungen geschlossen. Das Gericht hat etwa dem Gemeinderat bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials und der Auslegung der in § 1 Abs. 5 BBauG (heute BauGB) enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe keinerlei
Vgl. Weyreuther UPR 1986, 121, 125. Zur Bedeutung der Rechtschutzgarantie fiir den Umfang gerichtlicher Kontrolle siehe im einzelnen unten III. I. A) und 2. b) sowie IV. am Anfang. 124 Den Aspekt antizipatorischen Rechtsschutzes und die justizielle Verfahrensfonn bei der Entscheidung eines solchen Gremiums betonen besonders Scholz VVDStRL 34, (1976) 145,213 und Ossenbühl FS Redeker S. 55, 68; skeptischer dagegen Schmidt-Aßmann VVDStRL 34 (1976) S. 145, 266. 121 Bettermann VVDStRL 17 (1959), 118, 169 ; der Sache nach ebenso Lorenz AÖR 105 (1980) 623,626; Weyreuther UPR 1986, 121, 125; Schoch, Die Verwaltung 1992,21,28 f: kein "Substituierungsmodell". Dies war auch eines der entscheidenden Argumente, mit denen das Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 23, 194,201) einen Beurteilungsspielraum der Filmbewertungsstelle verneint hatte. 126 So ausdrücklich BVerwGE 62, 330, 339 - Sortenausschüsse. 127 Greipl, Unabhängige Sachverständigenausschüsse, S. 143 f., vgl. auch S. 186. Daher erscheint kaum nachvollziebar, warum Greipl, aaO., S. 144 unmittelbar darauf doch zu dem Schluß kommt, der Gedanke kompensatorischen Rechtsschutzes böte "keinen oder jedenfalls keinen hinreichenden verfassungsrechtlichen Ansatz" fiir eine Restriktion der Gerichtskontrolle. 122 123
11. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
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Ennessen oder Beurteilungsspielraum zuerkannt, weil die planende Gemeinde eben "im guten wie im schlechten Sinne parteiisch ( ... )" sei 128 • Daß es entscheidend auf rechtliche und tatsächliche Sicherungen eines unparteiischen und justizähnlich ausgestalteten Verfahrens ankommt, ist keine modeme Erkenntnis. Schon 1864 postulierte Otto Bähr bei seiner Unterscheidungvon "Justizfragen" und "Verwaltungs-(Zweckmäßigkeits-)fragen", daß das Urteil spezifisch sachverständiger Behörden gerade deshalb als eine nicht justiziable Verwaltungsfrage anzusehen sei, weil es sich bei diesen Behörden in Wahrheit um "Sachverständigen-Collegien von richterlicher129 Natur" handele, deren "Unabhängigkeit" der Gesetzgeber "als selbstverständlich voraussetzt. ,,130 Vor diesem Hintergrund muß gerade die Argumentation mit einer angeblich besonderen Sachkunde pluralistisch-fachkundig zusammengesetzter Gremien kritisch betrachtet werden. Ist hierbei oft schon nicht sicher, ob es sich bei der behaupteten Fachkunde nicht nur um eine Fiktion handelt l31 , so vennag Sachverstand zumindest weder automatisch die Rationalität der Entschei-
128 BVerwGE 45, 309, 324 - Flachglasurteil; diese Passage des Urteils wird besonders hervorgehoben von Weyreuther BauR 1977, 293, 304 mit Fn. 81, Blümel OVBI 1975, 695, 700, Paefgen BaxVBI 1986,551 sowie von Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien, S. 29, dort allerdings mit noch stärkerem Akzent auf dem Sachkunde-Argument. Kritisch zur zitierten Aussage Hoppe OVBI 1975, 684, 688 mit Fn. 50, der die "unbeteiligte Fachkunde" keineswegs für allein ausschlaggebend hält. 129 Hervorhebung vom Verfasser. 130 Bähr, Der Rechtsstaat, S. 65 f. Dabei sah Bähr, insoweit ähnlich Bernatzik (Rechtsprechung und materielle Rechtskraft, S. 42 f1), die Einräumung von Ermessen wegen der Kompliziertheit von in weiterem Sinne "technischen" Fragen als unumgänglich an, da eine objektive Rechtskontrolle angesichts der Komplexität der notwendigen Schlußketten sowieso nicht möglich sei. Zur entsprechenden Einordnung Bähr's in die damalige Ermessensdiskussion siehe Ehmke, Ermessen, S. 12 f. Wenn Bähr heute vielfach zum Urahn der Indizierungsrechtsprechung proklamiert wird (Ossenbühl OÖV 1972,401,404 mit Fn. 64; Nierhaus OVBI 1977, 19,20; Schenke BK Art. 19 IV GG Rn. 349), so trifft dies indes kaum zu, da von einer repräsentativ-pluralistischen Zusammensetzung der sachverständigen Behörden bei Bähr keine Rede ist. Bullinger NJW 1974, 769 spricht insoweit allgemein vom "alte(n) Gedankengut einer Justizförmigkeit des Verwaltungsverfahrens als Ausgleich für verringerte Justizkontrolle" . 131 So im Hinblick auf die Bundesprüfstelle Olt NJW 1972, 1219, 1221 mit Fn. 15, da die Mitglieder allein von den Spitzenverbänden ausgewählt und ihre Qualifikation und Fachkunde nirgendwo nachgeprüft wird. Es erscheint wenig einleuchtend, wenn BVerfGE 83, 130, 152 Josefine Mutzenbacher - die besondere Sachkunde der Mitglieder bereits aus ihrer Verbandszugehörigkeit ableitet und folgert, "es (fehle) jeder durchgreifende Grund, den einzelnen Gruppenbeisitzern einen über ihre Verbandszugehörigkeit hinausgehenden Qualifikationsnachweis abzuverlangen" .
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§ 3 Die gerichtliche Kontrolle
dungsfindung 132 noch die Unparteilichkeit der Entscheidungsträger133 zu garantieren. Die Gerichte sind nicht deshalb prinzipiell zur Letztentscheidung berufen, weil sie an bereichsspezifischen Fachkenntnissen den Verfahrensbeteiligten überlegen wären, sondern aufgrund der institutionellen Sicherungen ihrer Unabhängigkeit und Unparteilichkeit l34 • Auch hinsichtlich der pluralistisch-repräsentativen Zusammensetzung derartiger Gremien ist Skepsis angebracht, ob diese wirklich eine abgewogene und unparteiische Entscheidungsfindung zu garantieren vennag 135 • Zum einen fehlt es an hinreichend rationalen und konsens fähigen Kriterien für die Auswahl der Gruppen, die in dem jeweiligen Gremium vertreten sein müßten136 • Hier kann allein auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das darin enthaltene Verbot sachwidriger Differenzierung zurückgegriffen werden, doch läßt dies dem Gesetzgeber einen derart weiten Spielraum, daß damit die Gefahr einer "Schieflage" der vertretenen Interessen nicht gebannt werden kann 137 • Die jeweilige politische Machtkonstellation droht dann die Zusammensetzung derartiger Gremien maßgeblich zu beeinflussen138 • Ist das vertretene Interessenspektrum nicht annähernd ausbalanciert, besteht für die
112 Vgl. Tettinger DVBI 1982,421,430 u. Ossenbühl FS Redeker S. 55,67. Dies unterschätzt Greipl, Unabhängige Sachverständigenausschüsse, S. 171 ff.; insbes. S. 183 und ders. DVBI 1989, 746, 749 f., wenn er dem Sachkunde-Argument in Gestalt "metajuristischer Entscheidungsverantwortung" alles überragende Bedeutung beimißt. 133 Geis DÖV 1993, 22, 28. \34 So dezidiert Weyreuther BauR 1977,293,309, der zutreffend darauf hinweist, daß deshalb auch die vom Bundesverwaltungsgericht einmal aufgeworfene Frage, ob die planende Gemeinde "eine ausschließliche oder doch wenigstens hervorragende Sachkunde" besitzt (BVerwGE 34, 301, 308), neben der Sache liegt; im Anschluß daran auch Greipl, aaO., S. 171; vgl. auch Schmidt-Salzer, Der Beurteilungsspielraum, S. 72 f. u. Tettinger, Rechtsanwendung, S. 435 sowie ders. DVBI 1982,421,424. \3S Ossenbühl DÖV 1972,401,404 und Ott NJW 1972, 1219, 1221 mit Fn. 15 befiirchten auch insoweit, daß mit "Fiktionen" gearbeitet wird. 116 Zu den verschiedenen Versuchen, etwa auf die Zahl der organisierten Mitglieder, den Grad des Betroffenseins von Mitgliederinteressen, dem Gemeinwohlbezug der Verbandstätigkeit oder auf das Maß innerverbandlicher Demokratie abzustellen, siehe ausfiihrIich Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien, S. 94 ff. 137 Vgl. Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien, S. 96 f. Greipl, Unabhängige Sachverständigenausschüsse, S. 184 ff. versucht zwar zunächst Kriterien zur Besetzung derartiger Gremien zu entwickeln - wobei er sich wiederum zu einseitig am Sachverstand orientiert -, kommt dabei aber über äußerst vage Leitlinien nicht hinaus, so daß auch er letztlich einen "gewissen Gestaltungsspielraum" konzidieren muß (aaO. S. 186). Auf den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum bei der Besetzung der Bundesprüfstelle weist nun auch BVerfDE 83, 130, 151 - Josefine Mutzenbacher - hin. 138 Nachdenklich insoweit auch Ossenbühl DVBI 1974,309,312.
11. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
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vorherrschende Richtung keine Notwendigkeit mehr, weitere Gremienmitglieder argumentativ zu überzeugen. Zum anderen neigen Gruppenvertreter natürlicherweise dazu, ihre eigenen Verbandsinteressen zu verfechten, statt sich als Mittler des Gemeinwohles zu begreifen und argumentativ um eine sachangemessene Entscheidung zu ringen 139 • Es bilden sich dann leicht Interessenkoalitionen, wenn nicht gar Seilschaften, deren Kompromisse allein die (zahlenmäßigen) Machtverhältnisse widerspiegeln und oft auf einem rein numerischen Proporz basieren l40 • Weisungsfreiheit der Mitglieder vermag diesen Tendenzen schon deshalb nicht hinreichend entgegenzuwirken, weil die Abhängigkeiten informeller Natur sind. Schließlich müssen die Interessenvertreter der eigenen Klientel eine Erfolgsbilanz ihrer Tätigkeit präsentieren, die über ihre eigene weitere Karriere mitentscheidet 141 • Diese Gefahren erscheinen umso größer, je politisch sensibler die zu treffenden Entscheidungen sind, können aber auch bei scheinbar unpolitischeren Gremien nicht völlig von der Hand gewiesen werden.
139 Vgl. etwa Greipl, Unabhängige Sachverständigenausschüsse, S. 181 u. ders. DVB1 1989, 746, 750. Damit soll keineswegs ein neutraler, konfliktfreier Gemeinwohlbegriff propagiert werden, hinter dem allzu leicht pluralismus- und damit letztendlich auch demokratiefeindliche Tendenzen auszumachen sind, wie Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien, S. 43 ff. im Zusammenhang mit pluralistischen Gremien darlegt. Es geht hier ausschließlich um die Notwendigkeit gerichtlicher Kontrolle. 140 Vgl. Schmidt-Aßmann M/D Art. 19 IV GO Rn. 196, der eine derartige "Gefahr unsachlicher Interessenverquickungen " sieht. 141 Vgl. Greipl, Unabhängige Sachverständigenausschüsse, S. 144 mit dem Hinweis, daß trotz Weisungsfreiheit "hinter den Gremienmitgliedern bestimmte wirtschaftliche und verbandsmäßige Interessen derjenigen Gruppierungen (stehen), von denen sie ... entsandt werden bzw. denen sie entstammen", ähnliche Erwägungen auch aaO. S. 181, demgegenüber zeigt er sich aber auf S. 192 äußerst optimistisch, daß sich durch Weisungsfreiheit die "erforderliche Sachkunde im Entscheidungsprozeß und -ergebnis realisiert". Zu Recht weist Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien, S. 39 f. außerdem darauf hin, daß etwa auch die Abgeordneten des Deutschen Bundestages nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GO an Weisungen nicht gebunden sind, aber dennoch - im Grenzen legitimerweise - parteipolitisch definierte Gemeinwohlinteressen vertreten und, so ist hinzuzufügen, mit Rücksicht auf ihre Wiederaufstellung auch vertreten müssen. Schreyer kritisiert mit diesem Beispiel jedoch nur die Einordnung als Sachverständigengremien, ohne zu erkennen, daß damit auch die für eine Letztentscheidungskompetenz bei der Rechtsanwendung erforderliche quasi justizielle Unabhängigkeit und Unparteilichkeit in Frage gestellt ist.
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§ 3 Die gerichtliche Kontrolle
d) Die Situation im Rundfunkrecht
Ist demnach schon die in der Rechtsprechung vorherrschende optimistische Einschätzung der Arbeit der genannten Gremien bedenklich, weil im Spannungsfeld von Partei- und Verbandsegoismen hinreichende Verfahrensrationalität keineswegs gesichert erscheint 142, so verdient die Übertragung dieser Rechtsprechung auf die für die Zulassungsentscheidung zuständigen Gremien der Landesmedienanstalten eine besonders kritische Betrachtung. Allerdings stellen sich einige Probleme bei den Landesmedienanstalten nicht in der Weise wie bei den oben untersuchten Gremien. So stellt sich bei pluralistischen Gremien der oben besprochenen Art regelmäßig die Frage nach der verfassungsrechtlichen Legitimation ministerialfreier Räume, da diese Gremien aufgrund ihrer Weisungs freiheit gerade aus dem herkömmlichen hierarchischen Verwaltungsaufbau mit einer parlamentarisch-demokratisch verantwortlichen Verwaltungsspitze ausgegliedert sind143 • Die Rundfunkgremien sind dagegen gerade von Verfassungs wegen eigentlich staatsfern konzipiert l44 • Bei der Frage, ob ausreichende Sicherungen einer unparteiischen und sachgerechten Entscheidung vorhanden sind, darf indes gerade bei den Rundfunk(aufsichts)gremien nicht auf die theoretisch garantierte Staatsfreiheit abgestellt werden, sondern müssen die tatsächlichen Verhältnisse in den Blick genommen werden 145 •
142 Vgl. die Befiirchtung von Schmidt-Aßmann VVDStRL 34 (1976) 221, 266 mit Fn. 156 unter Verweis auf VG Berlin DVBI 1974, 375 ff. 143 Bei der Bundesprüfstelle hatte BVerfGE 83, 130, 150 - Josefine Mutzenbacher - angesichts der relativ geringen politischen Tragweite der Indizierungsentscheidung letztlich keine Bedenken; ausfiihrIich zu diesem Problem allgemein bei derartigen Gremien Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien, S. 108 ff. u. Greipl, Unabhängige Sachverständigenausschüsse, S. 193 ff.; außerdem auch ders. DVBI 1989, 746, 750; Ossenbühl DVBI 1974, 309, 312; Schenke BK Art. 19 Abs. 4 GG Rn. 352. 144 Grundlegend fiir die internen Aufsichtsgremien der öff.-rechtl. Rundfunkanstalten BVerfUE 12, 205, 263 - I. Rundfunkurteil; fiir die Zulassungsentscheidung zum privaten Rundfunk vgl. BVerfGE 57, 295, 320 ff.; zur zulässigen Staats quote in den Gremien vgl. BVerfGE 73, 118, 165; ausfiihrIich zum Gebot der Staatsferne der externen Zulassungs- und Aufsichtsgremien Stender-Vorwachs, Staatsferne und Gruppenferne, S. 151 ff. m.w.N. Vgl. auch oben § 2 H. 2. b). Auf den genannten Unterschied zwischen Rundfunk- und sonstigen Gremien weisen Tettinger, Rechtsanwendung, S. 429 sowie Greipl, Unabhängige Sachverständigenausschüsse, S. 198 hin. 14S SO fiir die Staatsfreiheit besonders deutlich Ring, FS Lerche, S. 707, 713.
11. Die Rechtsprechung des BundesvelWaltungsgerichts
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Aufgrund der bestehenden landesspezifischen Unterschiede muß bei der weiteren Untersuchung zwischen Gremien nach dem Versammlungs- und solchen nach dem Rats- oder einem Mischmodell l46 differenziert werden. Dabei sei insbesondere für das Versammlungsmodell auf den zweiten Teil der Arbeit verwiesen, soweit es um zwar weniger gewichtige, aber dennoch spürbar vorhandenen Abhängigkeiten geht, die in manchen Ländern in inkonsequenter rechtlicher Ausgestaltung des Grundmodells (staatliche Auswahl der Gremienmitglieder, Abberufungsmöglichkeit) begründet sind. Gleiches gilt für die strukturelle Staatsabhängigkeit, die sich aus staatlichen Genehmigungsvorbehalten für den Haushalt der Landesmedienanstalten ergibt. Hier soll vielmehr der Schwerpunkt auf den typischen infonnellen (parteipolitischen) Verstrickungen liegen. (aa) Zulassungsgremien nach dem Versammlungsmodell Sofern sich die Rundfunkgremien nach dem Versammlungsmodell aus Vertretern gesellschaftlicher Gruppen zusammensetzen, müssen diese nicht wie meist bei den oben betrachteten Gremien nach ihrem spezifischen Sachbezug ausgewählt werden, sondern nach ihrer gesamtgesellschaftlichen Relevanz 147 • Durch den zuletzt genannten Unterschied wird das Problem, die relevanten Gruppen zu ermitteln, im Rundfunkrecht jedoch keineswegs kleiner. Mangels objektivierbarer Kriterien 148 besitzt auch hier der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum, der erst dann überschritten ist, wenn der Gesetzgeber "eine relevante Kraft oder eine dafür offensichtlich repräsentative Gruppe bei 146 Zu dieser Unterscheidung im einzelnen s.o. § 2 11. 2. b). Dabei wird die badenwürttembergische Gesetzeslage im folgenden dem Versammlungsmodell zugeordnet, da die Zulassung privater Rundfunkveranstalter zwar durch den nach dem Ratsmodell zusammengesetzten Vorstand beschlossen wird, jedoch regelmäßig (vgl. zu § 66 Abs. I Nr. 4 LMedienG a.F. BVerfGE 74,297,328 f.) nach § 73 Abs. 2 Nr. 4 LMedienG der Zustimmung des pluralistisch-repr äsentativ zusammengesetzten Medienrates bedarf. 147 Diesen Unterschied betont besonders Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien, S. 92 f. u. S. 97, was sogar dazu fiihrt, daß sie die Rundfunkgremien aus ihrer Untersuchung über "Pluralistische Entscheidungsgremien im Bereich sozialer und kultureller Staatsaufgaben" gänzlich ausblendet. Dabei wird jedoch vernachlässigt, daß durchaus gleitende Übergänge bestehen, wie gerade das Beispiel der Bundesprüfstelle zeigt. Zur Forderung nach der Vertretung aller maßgeblichen Gruppen s. zuletzt BVerfGE 83, 238, 334; zuvor BVerfGE 57,295, 325. 148 Vgl. Degenhart BK Art. 5 Abs. I u. 2 GG Rn. 547, zu Versuchen der Konkretisierung aaO. Rn. 549 t1; Starck, Rundfunkfreiheit, S. 38 f., der deshalb empfiehlt, "an die überkommene Auswahl anzuknüpfen" und nur "Randkorrekturen vorzunehmen"; Piette, Meinungsvielfalt, S. 16 f.
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§ 3 Die gerichtliche Kontrolle
der Zusammensetzung der Kontrollgremien des Rundfunks übergangen hat" und dies auch "aus der Sache der Rundfunkkontrolle " nicht zu rechtfertigen ist l49 • Für die jeweilige Regierungsmehrheit besteht zumindest die Versuchung, diesen Gestaltungsspielraum zur Schaffung eines eigenen parteipolitischen Übergewichts in den Gremien zu nutzen, zumal in Politikerkreisen die - sozialwissenschaftlieh umstrittene ISO - Ansicht vorherrscht, eine willfährige Hofberichterstattung in den Medien könne die öffentliche Meinung wesentlich beeinflussen und damit auch ihre (Wieder-)Wahlchancen entscheidend verbessern. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist die parteipolitische Vereinnahmung der Aufsichtsgremien bereits vielfach ebenso lautstark wie folgenlos beklagt worden 1s1 • Da die Gremien der Landesmedienanstalten im Gegensatz zu den Rundfunkräten der öffentlich-rechtlichen Anstalten keinen direkten Einfluß auf Programmgestaltung und Personalpolitik der privaten Sender haben 1s2 , könnte man denken, sie seien für die politischen Parteien weniger interessant l53 • Die wenigen bekannten Fakten deuten jedoch in eine andere Richtung. So ist in den CDU- oder CSU-regierten Bundesländern ein gewisses Übergewicht der als konservativ eingeschätzten Interessengruppen, insbesondere der Arbeitgeber, Freiberufler und Vertriebenenverbände festzustellen. Umgekehrt scheinen in den SPD-regierten Ländern etwa Gewerkschaftler, Naturschutz-, Verbraucher- und Frauenverbände stärker vertreten zu sein 1s4 •
BVerIDE 83, 238, 336 f. - NRW-Urteil. Die These von einer wahlentscheidenden Wirkung des Fernsehens wurde im Anschluß an die Bundestagswahl 1976 aufgestellt, insbes. Noelle-Neumann, Die Schweigespirale, S. 1 passim; dagegen aber etwa Schönbach, Das unterschätzte Medium, S. 1 passim. ISI Aus der Perspektive früherer Intendanten Barsig, Die öffentlich-rechtliche Illusion, S. 177 f. u. Bausch, Rundfunk in Deutschland, Bd. 4 S. 762 ff.; aus der juristischen Literatur etwa Starck, Rundfunkfreiheit, S. 27 ff. mit für sich selbst sprechenden "Fakten aus dem Rundfunkleben"; aus jüngerer Zeit vgl. nur Jarass, Gutachten Rn. 79 f.; Wie land, Die Freiheit des Rundfunks, S. 244 und mit einer Analyse der damaligen (1984) Rundfunkgesetze und -staatsverträge S. 245 ff.; Bullinger Hdb.d. StaatsR Bd. VI, § 142 Rn. 92; Degenhart BK Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 538. IS2 Auf diesen Unterschied hinweisend BVerIDE 73, 118, 170 und im Anschluß daran Hoffmann-Riem, Rundfunkaufsicht Bd. 3 S. 209, 221; vgl. auch eh. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 125 f. ISl So die Vermutung von Hoffmann-Riem, Rundfunkaufsicht Bd. 3 S. 209, 221. IS. Vgl. Hellstern/Reese, Rundfunkaufsicht Bd. 3, S. 3, 26 f. ("Architekten der Mediengesetze" konnten "durch die Auswahl der in den Versammlungen zu repräsentierenden gesellschaftlichen Gruppen die Kräfteverhältnisse der Parteien in den Versammlungen vorstrukturieren"). Konkret beschränken sie sich allerdings auf das Beispiel, daß der 40-köpfigen Versammlung in Rhein1and-Pfalz ursprünglich 21 CDU-Mitglieder angehören haben sollen, da sich "angesichts der 1.9 ISO
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Nach dem Regierungswechsel im Saarland nutzte die neue Mehrheit, vor diesem Hintergrund durchaus folgerichtig, die Gelegenheit, die Zusammensetzung des Landesrundfunkausschusses zu ihren Gunsten zu verändern 155. Gleiches geschah nun auch in Rheinland-Pfalz I56 • In welchem Umfang sich der Einfluß der Parteien auch in der Zulassungspraxis der Gremien niederschlägt, ist dagegen (noch) schwer zu beurteilen I57 • Zwar sollen sich gerade in den größeren Gremien oft politische "Freundeskreise" bilden, die sich vor anstehenden Entscheidungen intern untereinander abstimmen I58 • Auch die anfänglichen Vergabeentscheidungen für die Fernseh-
bestehenden Sensibilität parteipolitische Affinitäten nicht flächendeckend abfragen" ließen. Für Sachsen-Anhalt befürchtet Schuler-Harms, in: Das Rundfunkrecht der neuen Bundesländer, S. 59, 69, daß zumindest bei der Auswahl der im Gesetz offengelassenen Gruppen die politischen Interessen der Parlamentsmehrheit den Ausschlag geben werden; Schuler-Harms beklagt dies aaO. außerdem bei der gesetzlich vorgegebenen Zusammensetzung der Versammlung in Mecklenburg-Vorpommem. '55 Im Landesrundfunkausschuß sind aufgrund des Gesetzes vom 11.8.1987 (Amtsblatt des Saarlandes Nr. 40 1987, S. 1005 f.) nicht mehr vertreten: die "Vereinigung der Arbeitgeberverbände des Saarlandes", der "Deutsche Beamtenbund Saar", der "Christliche Gewerkschaftsbund" sowie der "Deutsche Familienverband" . Statt dessen wurde ein Entsendungsrecht eingeräumt: dem "Landesfrauenausschuß im Deutschen Gewerkschaftsbund", dem "Frauenrat Saarland", der "Synagogengemeinde Saar", den "Behindertenverbänden", der "Verbraucherzentrale", dem "Verband Deutscher Schriftsteller" sowie den "saarländischen Journalistenverbänden"; zur politischen Auseinandersetzung um diese Änderungen vgl. Reese, Rundfunkaufsicht Bd. I, S. 399, 405 t1, der konstatiert, daß "sich die Einflußsicherung der Mehrheitsfraktion" nach dem Niedersachsen-Urteil "nun verstärkt auf dessen" (des Landesrundfunkausschusses) "Zusammensetzung richtet". '56 In der Versammlung sind nach § 45 Rh.-Pf.LRG v. 28.7.1992 nicht mehr vertreten: der "Christliche Gewerkschaftsbund" (§ 26 Nr. 5 a.F.); der "Bundesverband Deutscher Industrie", der "Deutsche Industrie- und Handelstag" sowie die "Spitzenorganisation der Deutschen Filmwirtschaft" üeweils § 26 Nr. 6 a.F.) und der "Bund der Vertriebenen" (§ 26 Nr. 20 a.F.). Stattdessen sind u.a. nun vertreten: die "IG Medien" (Nr.l2 n.F.); die "Verbraucherzentrale" (Nr. 19 n.F.) sowie der "Deutsche Kinderschutzbund" (Nr. 21 n.F.). '57 Zwiespältig auch das Resümee von Hoffmann-Riem, Rundfunkaufsicht Bd. 3, S. 209, 220 f. '58 So in Nordrhein Westfalen nach der von Reese, Rundfunkaufsicht Bd. I, S. 347, 357 wiedergegebenen Auskunft des Direktors der UR, wobei allerdings daneben unabhängige "Graue" ebenfalls eine Rolle spielen sollen; in Rheinland-Pfalz nach Einschätzung dortiger Versammlungsmitglieder sogar ohne jeden Einfluß Unabhängiger, ganz im Gegensatz zur Auffassung des dortigen Direktors, der das "Fehlen ausgehobener Gräben" konstatierte, siehe Reese, aaO. S. 375, 384 f. Allgemein Vahrenhold, Die Stellung der Privatfunkaufsicht, S. 104; Hoffmann-Riem, Rundfunkaufsicht Bd. 3 S. 209, 220 f. u. 229; Hellstern/Reese, Rundfunkaufsicht Bd. 3 S. 3, 18 f., wonach allerdings die Bedeutung der "Freundeskreise" mit der Zeit abgenommen haben soll. Maßgeblichen Einfluß parteipolitischer "Freundeskreise" in nach dem Versammlungsmodell gebildeten Gremien sieht schließlich auch der Berliner Kabelrat, Zwischenbericht S. 180. Demgegen über soll im Saarland (im ursprünglichen Landesrundfunkausschuß), vgl. Reese, Rundfunkaufsicht Bd. I S. 399, 406, sowie in Schleswig-Holstein,
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Erstfrequenzen, die in den zum Vergabezeitpunkt CDU-regierten Bundesländern durchweg zugunsten von SATl, in den SPD-regierten Ländern meist zugunsten von RTL-Plus ausgefallen sind, nähren den Verdacht parteipolitischer Motive1S9 • Andererseits sind auch Fälle bekannt, in denen Zulassungsentscheidungen entgegen den Vorstellungen der Staatskanzlei ausfielen l60 , sich Gremien zumindest vorübergehend konkreten Einflußversuchen der Landesregierung widersetzten 161. Wie hoch man letztlich den parteipolitischen Einfluß auf die externen Rundfunkgremien auch immer einschätzt, so fehlt es zumindest doch an den geforderten 162 effektiven Sicherungen unparteiischer Entscheidungsfindung. Das Bundesverfassungsgericht hat allein auf die "originären" Staats- und (Mehrheits-)Parteivertreter in den Gremien abgestellt und deren Zahl für unbedenklich erachtet l63 , die darüber hinausgehende parteipolitische Affinität sonstiger
vgl. Reese aaO. S. 417, 425 ff., die parteipolitische Polarisierung geringer gewesen sein. Evidenter als in der Zulassungspraxis schlagen sich die parteipolitischen Frontstellungen bei Personalentscheidungen nieder; besonders instruktiv dazu die Schilderung von Hellstern, Rundfunkaufsicht Bd. I S. 55, 71, über die Wahl des Vorsitzenden des bayrischen Medienrates, wonach die Stimmenzahl fiir den siegreichen ehemaligen CSU-Geschäftsführer fast identisch war mit der Zahl derjenigen Mitglieder, denen zuvor bei einem Mittagessen vom Staatssekretär im Innenministerium "die Wahl des Kandidaten erläutert wurde"; vgl. auch zur Wahl des Direktors der UR und des Vorsitzenden des Rundfunkausschusses in NRW erneut Reese, Rundfunkaufsicht Bd. I, S. 347, 357. 1S9 Lange MP 1989,268,271 f. mit den Beispielen aus Rheinland-Pfalz und Niedersachsen; außerdem HellsterniReese, Rundfunkaufsicht Bd. 3 S. 3, 32 f., auch mit einer Tabelle zu den bis zum damaligen Zeitpunkt (1989) vorliegenden Entscheidungen; zur damaligen Zulassung von SAT I in Bayern siehe auch rückblickend Klaus On, Süddeutsche Zeitung v. 27/28.2.1993 ("Neue Dokumente über eine alte Beziehung"). Eine neuere Aufstellung (7/1992) der ausgestrahlten und demnach im jeweiligen Bundesland zugelassenen Programme findet sich bei Bauer/DetjenlMü'ller-RömeriPosewang, Die Neuen Medien - Technik, Anwendungen, Marketing, Bd. 2, 11.J u. 11.2.; zur Zulasuungspraxis im Jahr 1992 Matzen RuF 1993, 287, 302 ff. Gerade das im Text genannte Beispiel zeigt freilich auch die Grenzen parteipolitischer Steuerungsmöglichkeiten der Meinungsbildung auf, denn es kann bezweifelt werden, ob zwischen den Programmen von SAT I und RTL-Plus wirlieh signifikante parteipolitische Unterschiede bestehen. \60 Vgl. etwa den beiläufigen Hinweis auf das Lizenzierungsverfahren des "Radio Z" in Nürnberg bei Hellstern, Rundfunkaufsicht Bd. I, S. 55, 71 f. \6\ Vgl. etwa in jüngerer Zeit das Zögern der Bayerischen Landeszentrale bei der Lizensierung von DSF (Klaus On, Süddeutsche Zeitung v. 19.12.1992, S. 20 "So niedlich ist das Problem nicht"); früher etwa die Auseinandesetzung zwischen der niedersächsischen Staatskanzlei und dem Landesrundfunkausschuß um die Vergabe der Fernseherstfrequenz an SAT I, dargestellt bei Reese, Rundfunkaufsicht Bd. I, S. 323, 337 ff. \62 Siehe oben b) u. c). \63 BVerIDE 73, 118, 165 - Niedersachsen-Urteil.
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Mitglieder jedoch gänzlich ignoriertl64 . Wenn das Verfassungsgericht im übrigen betont, daß sich die Gremienmitglieder nicht als Lobbyisten, sondern als "Sachwalter der Allgemeinheit" zu betätigen häUen l6S, so fügt es selbst beinahe resignierend hinzu, daß dies "eine schwierige Rollendifferenzierung verlangt, die sich rechtlich allenfalls begünstigen, aber nicht garantieren läßt" 166. Sicherlich lassen sich "politische Machtfragen - und um solche handelt es sich bei der Kontrolle des Rundfunks - nicht einfach durch Verfahren in neutrale Sachfragen umwandeln", so daß es von Verfassungs wegen nur darum gehen kann, "den politischen Parteien und dem Staat den Zugriff auf den Rundfunk so schwer wie möglich zu machen"167. Die realen Gegebenheiten einer Parteiendemokratie sollen keinesfalls in einer gefährlich-illusionistischen Weise pauschal verdammt und mit dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit belegt werden. Auf einer ganz anderen Ebene bewegt sich jedoch die hier zu beantwortende Frage, in welchem Umfang parteipolitische Einflüsse bei der Zulassungsentscheidung des Korrektivs einer Kontrolle durch unabhängige Gerichte bedürfen. Weiter ist zu berücksichtigen, daß die Gremienentscheidungen bereits regelmäßig durch die "Exekutive" der Landesmedienanstalten so vorstrukturiert sind, daß diese vermutlich in der Praxis das eigentliche Leitungsorgan darstelltl68 . Dies liegt zum einen an der Größe und der dadurch bedingten
164 So auch die Kritik von Bullinger, Hdb. d. StaatsR. Bd. VI, § 142 Rn. 92; ähnlich auch Degenhart DVBI 1991,5\0,520, vgl. auch ders. BK Art. 5 Abs. I u. 2 GG Rn. 538; fiir BerlinBrandenburg Rossen ZUM 1992, 408, 413. Reese, Rundfunkaufsicht Bd. 3, S. 3, 27 formuliert eingängig: "Im Laufe unserer Untersuchung haben sich aber zahlreiche Indizien dafiir ergeben, daß der Einfluß der Parteien weit über die von ihnen entsandten Vertreter hinausreicht. Formale Mitgliedschaft ist dafür nur ein unzureichender Indikator, auch wenn es die Ausdehnung parteipolitischer Einflußsphären erleichtert, wenn ein großer Teil der von den sogenannten gesellschaftlich relevanten Gruppen in die Gremien entsandten Funktionäre zugleich parteipolitisch engagiert ist. Teils durch Interessenparallelen, teils durch ausgeprägte parteiliche organisierte Subkulturen lassen sich sogar viele dieser gesellschaftlich relevanten Gruppen eindeutig nach dem Parteienspektrum sortieren." 165 BVerfDE 83, 238, 33 f. - NRW-Urteil; fiir den öff.-rechtl Rundfunk bereits BVerfDE 60, 53, 66 - Rundfunkrats-Beschluß. 166 BVerfDE 83, 238, 334 f.; hervorgehoben auch von Degenhart DVBI 1991, 510, 520; fiir den öff.-rechtl. Rundfunk vgl. schon Wie land, Die Freiheit des Rundfunks, S. 244: "Es verwundert nicht, daß diese gesetzlich angeordnete Metamorphose nicht immer gelingt." 161 Wie land, Die Freiheit des Rundfunks, S. 256 f. 168 eh. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 119; Hoffmann-Riem, Staatswiss. u. Staatspraxis 1991,405,415; so auch schon fiiiher die Prognose von Jarass, Gutachten, Rn. 149; exemplarisch die plastische Darstellung der Situation in Schleswig-Holstein bei Reese, Rundfunkaufsicht Bd. I, S. 417, 422 ff.; allgemein äußern HellsterniReese, Rundfunkaufsicht Bd. 3,
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SchwerfaIligkeit und eingeschränkten Arbeitsfcihigkeit dieser Gremien!69. Zum anderen fehlt den ehrenamtlichen Mitgliedern oft auch die erforderliche Sachkunde, um die vielfältigen technischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Probleme durchschauen zu können!7o. Ist auch noch die gewährte Aufwandsentschädigung gering!7!, wird dies die Bereitschaft zur Einarbeitung in die komplexe Materie ebenfalls kaum fördern 172 und werden sich nur schwer hochkarätige Persönlichkeiten als Gremienmitglieder gewinnen lassen!73.
S. 3, 55 zudem die Vennutung, "daß in kritischen Fällen die Rolle der Direktoren als Konsensmanager an Bedeutung zunimmt"; vgl. auch Lange MP 1989, 268, 273 f. Vgl. außerdem die Schilderung von VGH München BayVBI 1993, 340, 343, wonach für die Konzentrationsbeschränkungen relevante Unterlagen nur dem Präsidenten und dem Geschäftsführer zugänglich waren, nicht aber dem Medienrat. 169 Vgl. Jarass, Gutachten Rn. 149 u. 151; Degenhart BK Art. 5 Abs. I u. 2 GO Rn. 598; eh. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 131; Berliner Kabelrat, Zwischenbericht S. 183 f.; vgl. auch die Einschätzung des Direktors der saarländischen Landesmedienanstalt nach Reese, Rundfunkaufsicht Bd. I S. 399, 406 f.; Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 195 f. (mit allerdings übertrieben optimistischer Einschätzung der Realisierbarkeit einer "sinnvollen Abgrenzung der Tätigkeitsbereiche"). Diese Erkenntnis führte dazu, daß in Baden-Württemberg ein kleinerer Vorstand als Hauptgremium vorgesehen ist, siehe die amtliche Begründung zum Regierungsentwurf zu § 58 LMedienG a.F. und zustimmend BullingerlGo'del § 58 LMedienG Rn. 3. Beim pluralistisch-repräsentativ zusammengesetzten Medien(bei)rat zeigte sich in Baden-Württemberg aber die gleiche Tendenz wie bei den großen Hauptorganen in den anderen Bundesländern, siehe Hellstem, Rundfunkaufsicht Bd. I, S. 3, 69. Eine gewisse Ausnahme bildet der Landesrundfunkausschuß in Mecklenburg-Vorpommern, der nur aus elf Mitgliedern besteht (§ 39 Nr. I RGMV). Bei diesem relativ kleinen Gremium ist dafür jedoch fragwürdig, wie vollständig darin noch die gesellschaftlich relevanten Gruppen repräsentiert werden können. eh. Wagner, aaO., S. 116 weist zu Recht besonders auf die Bedeutung der Sitzungshäufigkeit für den Einfluß eines solchen Gremiums gegenüber dem Exekutivorgan hin. 170 Hel/sterniReese, Rundfunkaufsicht Bd. 3 S. 3, 20; Hoffmann-Riem, Rundfunkaufsicht, Bd. 3, S. 209, 232 f., der besonders auf die Verrechtlichung der Rundfunkordnung hinweist; vgl. auch eh. Wagner, aaO., S. 131 Fn. 178; speziell für Niedersachsen Reese, Rundfunkaufsicht Bd. I, S. 323, 330; für Schleswig-Holstein vgl. die von Reese aaO. S. 417, 422 wiedergegebenen Aussagen des dortigen Direktors. Nicht überzeugend daher Starek, FS Sendler S. 167, 191 (Ennessen wegen besonderen Sachverstands auf dem Gebiet der Ausgewogenheit von Rundfunkprogrammen); Baehof VVDStRl 30 (1972) 193, 234 (Rundfunkräte als besonders sachverständiger Personenkreis); Herkströter ZUM 1992, 395, 397 (besondere Sachkompetenz bei gesellschaftlich kontovers diskutierten Fragen). 171 Die Entschädigung für die Verwaltungsräte der öff.-rechtl. Anstalten ist in zum Teil wesentlich höher als bei den Landesmedienanstalten, siehe Hel/sterniReese, Rundfunkaufsicht Bd. 3, S. 3, 22. 172 Allerdings ist hier eine differenzierte Betrachtung gefordert, denn auf der anderen Seite wird wenigstens für die Anfangsphase teilweise über ein hohes Engagement der Mitglieder berichtet, vgl. Hel/sterniReese, Rundfunkaufsicht Bd. 3, S. 3, 23 u. Hoffmann-Riem, Rundfunkaufsicht Bd. 3, S. 209, 225 f. 113 So befürchtet auch Hoffmann-Riem, Rundfunkaufsicht, Bd. 3, S. 209, 226, daß "nach Ablauf der ersten Amtszeit verstärkt Vertreter aus dem zweiten Glied der Verbände und Organisationen
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Demgegenüber ist beim hauptamtlichen Personal der Landesmedienanstalten das gesamte "Herrschaftswissen" konzentriert, das so dosiert an die Gremienmitglieder weitergegeben werden kann, wie es den eigenen Intentionen förderlich erscheint. Gewicht und Informationsvorsprung der Anstaltsverwaltung werden noch dadurch verstärkt, daß wichtige Vorgaben schon durch die Direktorenkonferenzen der Landesmedienanstalten erfolgen und überregional ähnliche Probleme dort vordiskutiert werden 174 • Die Direktoren oder andere führende Mitarbeiter der Landesmedienanstalten waren zudem oft zuvor bereits als Medienreferenten in den Staatskanzleien tätig175 und verfügen daher sowohl über einen beträchtlichen Informationsvorsprung als auch über einschlägige (partei-)politische Kontakte 176. Besonders stark ist die Machtstellung des Direktors, gleichzeitig aber auch seine Staatsabhängigkeit in MecklenburgVorpommem, weil der Ministerpräsident sein Dienstvorgesetzter ist und der Versammlung jede Möglichkeit fehlt, die Amtszeit des Direktors vor Ablauf von zwölf Jahren zu beenden 177 • Das skizzierte Gefälle zwischen Gremium und Verwaltung soll regelmäßig dadurch vermindert werden, daß kleinere und damit arbeitsfähigere Ausschüsse
in die Gremien kommen". 174 V gl. hierzu exemplarisch die Befürchtungen eines Hamburger Vorstandsmitgliedes, mitgeteilt und kommentiert bei HoJfmannn-RiemiZiethen, Rundfunkaufsicht Bd. 1 S. 215, 228 (wobei der Hamburger Vorstand allerdings nicht nach dem Versammlungs-, sondern einem Mischmodell konzipiert ist, zu den sich daraus hier ergebenden Unterschieden s.u. (ce»; verallgemeinernd Lange MP 1989,268,273 u. HoJfmann-Riem, Staatswiss. u. Staatspraxis 1991,
405,415. 175 So in Baden-Württemberg der anfängliche Geschäftsführer Schurig (Hellstern, Rundfunkaufsicht Bd. I, S. 3, 12); in Bayern der Geschäftsführer Ring (Hellstern, Rundfunkaufsicht Bd. 1, S. 55,69); verallgemeinernd HoJfmann-Riem, Staatswiss. u. Staatspraxis 1991,405,434. Umgekehrt sah Reese (Rundfunkaufsicht Bd. I, S. 323,328 f.) in Niedersachen die Unabhängigkeit des Landesrundfunkausschusses dadurch gestärkt, daß dort der frühere Geschäftsführer nicht aus der Staatskanzlei, sondern aus der Landtagsverwaltung kam. Auflistung der Direktoren und des übrigen Personals der Landesmedienanstalten auf dem Stand von 1991 im Handbuch für Rundfunk und Fernsehen 1992/93, B 145 fI. 176 Polemisch überspitzt formulierte Klaus Ott, Süddeutsche Zeitung v. 19.12.1992, S. 20 zu den aus entsprechenden Kontakten sich ergebenden parteipolitischen Abhängigkeiten: "Andere Privatfunkkontrolleure bestärkt das", die terrestrische Rundfunkerlaubnis fiir VOX, "nur in ihrem Eindruck, Direktor Klaus Schütz (ehedem SPD-Politiker) und seine fiihrenden Mitarbeiter seien lediglich Marionetten des Düsseldorfer Staatskanzleichefs Wolfgang element". 177 Schuler-Harms, in: Das Rundfunkrecht der neuen Bundesländer, S. 59, 69 f.; zur Eingliederung des Direktors in den hierarchischen Verwaltungsaufbau vgl. § 44 Abs. 3 RG Meckl.Vorp. 12 Fehling
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gebildet werden, die die Entscheidungen vorbereiten l78 • Diese Ausschüsse sind dann jedoch nicht mehr in gleicher Weise repräsentativ besetzt wie das Entscheidungsgremium, so daß die Gefahr einer Verzerrung des Meinungsspektrums weiter verstärkt wird179 • Besitzen demnach den entscheidende Einfluß regelmäßig gar nicht die pluralistisch und ihrem Anspruch nach repräsentativ und ausgewogen besetzten Gremien, sondern Fachausschüsse und vor allem das jeweilige Exekutivorgan der Landesmedienanstalt, so kann von einer wie auch immer gearteten Förderung einer "optimalen" Entscheidung durch pluralistische Besetzung der Hauptorgane erst recht nicht gesprochen werden. Bei weitgehender faktischer Entmachtung der Hauptorgane droht auch das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit in der Versammlung leerzulaufen. Die Gewähr für eine unparteiische Entscheidung über Parteigrenzen hinweg vermag die regelmäßig gesetzlich geforderte absolute MehrheitiSO ohnehin nicht zu geben; insoweit könnte allenfalls die in Schleswig-Holstein für Zulassungsentscheidungen verlangte Zwei-Drittel-Mehrheit (§ 46 Abs. 3 Nr. 1 Schl.-H.LRG) wirksam werden, doch zeigt die Wahl der Bundesverfassungsrichter, daß sich der Parteieneinfluß selbst bei solchen Mehrheitserfordernissen durch parteipoltische "Kompensationsgeschäfte" Bahn brechen kann. (bb) Der nach dem Ratsmodell gebildete Berlin-Brandenburgische Medienrat als Nachfolger des Berliner Kabelrats Hier ermöglicht die geringe Mitgliederzahl von 5 Personen (Berliner Kabelrat) bzw. nun 7 Personen (Medienrat) eine effizientere und sachkompetentere Arbeitsweise l81 • So war in Berlin im Gegensatz zu den oben untersuchten Bundesländern anscheinend auch keine faktische Kompetenzverlagerung auf 178 Vgl. Ch. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 119; HellsterniReese, Rundfunkaufsicht Bd. 3, S. 3, 20 ("Vor allem bei den größeren Versammlungen wie in Bayern haben sich die wichtigsten Aufgaben zunehmend in die Ausschüsse verlagert"); Berliner Kabelrat, Zwischenbericht S. 184; für Bayern näher Hellstem, Rundfunkaufsicht Bd. I, S. 55, 72 f.; auch Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 196 sieht diese Aufgabenverlagerung, negiert aber deren Gefahren für eine ausgewogene Meinungsstruktur. 179 Vgl. Berliner Kabelrat, Zwischenbericht S. 184 ("widerspricht dem Sinn der Gruppenbeteiligung und vergrößert die Gefahr von Fremdeinflüssen"). 180 Siehe oben § 2 Ir. 8. mit dortiger Fußnote 431. ISI Zum Kabelrat ausführlich Berliner Kabelrat, Zwischenbericht S. 178 ff.; Ch. Wagner, Die Landesmedienantsalten, S. 131 f.; A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 170; Vahrenhold, Die Stellung der Privatfunkaufsicht, S. 103.
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den Direktor zu beobachten l82 • Auch soll durch die Wahl allseits angesehener Persönlichkeiten und durch Inkompatibilitätsvorschriften183 eine größere Unabhängigkeit von Fremdeinflüssen erreicht werden l84 • Parteipolitische Abhängigkeiten sind allerdings auf Grund der Wahl der Mitglieder durch das Abgeordnetenhaus bzw. den Landtag naheliegend185 und könnten angesichts möglicher "Kompensationsgeschäfte" allenfalls notdürftig dadurch in Grenzen zu halten sein, daß die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit eine Einigung jedenfalls der großen Parteien über die Parteifronten hinweg erforderlich macht 186 • Gleiches gilt hinsichtlich der für Zulassungsentscheidungen geforderten 517Mehrheit (§ 13 Abs. 4 S. 2 Berlin-Brandenb.StaatsV). Mag demnach auch die (verfassungs-)gerichtsähnliche Gestaltung des Gremiums l87 eine wichtige Voraussetzung für "optimale" Entscheidungsfindung liefern, so bleibt doch das Problem, daß bei einem so kleinen Gremium eine Abbildung des gesellschaftlichen Meinungsspektrums kaum möglich ist. Gerade die pluralistisch-repräsentative Zusammensetzung eines Gremiums bildet aber nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts den entscheidenden Eckpfeiler für die notwendige prozedurale Sicherung einer abgewogenen Entscheidung und legitimiert damit eine Veringerung der gerichtlichen Kontrolle l88 • Selbst wenn der sich aus dem Wahl modus ergebende Fraktionspro'82 Zum Berliner Kabelrat vgl. Hoffmann-Riem, Rundfunkaufsicht Bd. 3, S. 229. ,., § 12 Berlin.-Brandenb.StaatsV, früher § 16 KPPG. '8' Zum Berliner Kabelrat ausfiihrIich Hellstem, Rundfunkaufsicht Bd. 1, S. 115, 132 ff. '85 A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 171 zweifelt deshalb an der ausreichenden "Staatsfreiheit"; sehr kritisch auch Piette, Meinungsvielfalt, S. 148 und Gersdorj, Staatsfreiheit, S. 193 (jeweils: "maßgeschneiderte Regierungsmehrheit"); Rossen ZUM 1992, 408, 413. Nach Auffassung von HellsterniReese, Rundfunkaufsicht Bd. 3, S. 3, 56 "belegen" "die Entscheidung zugunsten von Sat 1 ebenso wie fiir Radio 100", "daß auch ein unabhängiger Kabelrat sich politischen Notwendigkeiten und Kriterien zu unterwerfen hat". ,.6 Optimistisch insoweit der Berliner Kabelrat selbst (Zwischenbericht S. 180 f.); letztlich wohl auch Ch. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 130, wobei allerdings seine Schlußfolgerung, diese Gremien seien "nicht apriori anfälliger fiir politische Einfl üsse als gruppenplurale Entscheidungsgremien" angesichts des obigen Befundes fiir das Versammlungsmodell (aa) allzu großen Optimismus schwer zu rechtfertigen vermag. Rossen ZUM 1992, 408, 413 weist im übrigens zutreffend darauf hin, daß fiir die 2/3-Mehrheit nicht benötigte Minderheiten kaum Chancen auf Repräsentanz besitzen. '.7 Ch. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 126; vgl. auch A. Hesse, Rundfunkrecht, S. 170. Hellstem, Rundfunkaufsicht Bd. 1 S. 115, 135 spricht denn auch von einem "quasirichterlichen kollegialen Entscheidungsstil" . ,.8 Siehe oben b). Eine Ausnahme bildet nur die Entscheidung BVerwG Buchholz 230 § 126 BRRG Nr. 16, wo allein die Weisungsfreiheit des fiir die Gewichtung der Verbesserungsvorschläge zuständigen Ausschusses fiir die Einräumung einer Letztentscheidungskompetenz durch den Verordnungsgeber fiir ausreichend erachtet wurde. Diese
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porz l89 die notwendige Staatsunabhängigkeit nicht entscheidend in Zweifel zu ziehen vermöchte, weil bei der Besetzung der Verfassungsgerichte schließlich ebenso verfahren wird l90 , so kann es doch nicht schon die Wahrung dieses Mindeststandards rechtfertigen, die Entscheidungen des Medienrates weitgehend von gerichtlicher Überprüfung freizustellen. (cc) Das Hamburger Mischmodell Das Hamburger Modell versucht, Gruppenrepräsentanz mit einem kleineren und damit arbeitsfähigeren Gremium zu verbinden l91 • Nach Selbsteinschätzungen soll das Gremium seine Aufgaben tatsächlich auch effektiv und mit großem Fleiß erfüllen l92 sowie gegenüber dem Direktor eine relativ starke Stellung innehaben l93 • Allerdings ist schon fraglich, inwieweit bei nur elf Mitgliedern noch von einer das gesamte gesellschaftliche Spektrum widerspiegelnden Besetzung des Vorstandes, von "Pluralität" im engeren Sinne gesprochen werden kann. Dies gilt auch für die ebenfalls elfköpfige Versammlung in Mecklenburg-Vorpommern, die auch hinsichtlich der - dort gesetzlich allerdings nur als ultima ratio vorgesehenen - Wahl der Vertreter durch den Landtag gewisse Parallelen zum Hamburger Vorstand aufweist l94 •
Prämierungsentscheidungen sind jedoch politisch viel weniger brisant und vor allem weniger grundrechtsrelevant (s. dazu im einzelnen u. III. 3.) als die rundfunkrechtlichen Zulassungsentscheidungen. Auch eh. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 128 f. sieht einen "grundsätzlichen Unterschied" zwischen der Bundesprüfstelle sowie vergleichbaren pluralistischen Gremien auf der einen und den nach dem Ratsmodell gebildeten Gremien auf der anderen Seite. 189 eh. Wagner, aaO., S. 120; Pietle, Meinungsvielfalt, S. 148 f.; Rossen ZUM 1992,408,413. 190 eh. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 130. Das letztgenannte Argument übersieht Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 197, der die Besetzung des Berliner Kabelrates für verfassungswidrig erachtet. 191 eh. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 122. 192 So die übereinstimmenden Aussagen des Direktors und eines Vorstandsmitgliedes, zustimmend mitgeteilt und wesentlich auf die Begrenzung der Mitgliederzahl zurückgeführt von Hoffmann-RiemlZiethen, Rundfunkaufsicht Bd. I, S. 215, 223 f. 19l Hoffmann-RiemlZiethen, Rundfunkaufsicht Bd. I, S. 215, 224: "Insgesamt kann davon ausgegangen werden, daß der Vorstand in seiner gegenwärtigen Besetzung nicht nur rechtlich, sondern auch faktisch die maßgebliche Entscheidungskompetenz innehat". 194 Siehe dazu oben § 2 11. 2. b) (ce).
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Die verbleibenden Vorteile werden zudem durch einen massiven Einfluß der politischen Parteien auf die Zusammensetzung des Gremiums erkauft 195 • Indem die Auswahl der im Vorstand vertretenen gesellschaftlichen Gruppen und ihrer Vertreter durch die Hamburger Bürgerschaft nach Fraktionsstärke erfolgt l96 , wird die parteipolitische Ausrichtung der Repräsentanten nicht nur hingenommen, sondern sogar von Gesetzes wegen institutionalisiert. Die Mehrheitsverhältnisse im Vorstand werden daher regelmäßig denen in der Bürgerschaft entsprechen, das Gremium wird also mehrheitlich regierungskonform ausgerichtet sein. Da anders als in Berlin auch keine qualifizierten Mehrheiten verlangt werden, ist eine parteiübergreifende Einigung auf allseits akzeptierte Persönlichkeiten nicht erforderlich. Wenn auch die Fraktionen an Wahlvorschläge der gesellschaftlichen Gruppen gebunden sind, verbleibt den Politikern doch eine so große Auswahl 197 , daß von wirksamen Sicherungen gegen eine Entsendung "blinder" Parteigänger nicht die Rede sein kann. Schließlich ist auch zu befürchten, daß die Organisationen zur Verbesserung ihrer Durchsetzungschancen vorzugsweise parteipolitisch "genehme" Kandidaten nominieren 198 • Zumindest für die Anfangsphase wird dementsprechend auch von "Versuchen massiver politischer Einflußnahme" auf die Tätigkeit des Gremiums berichtetl99 • In welchem Umfang sich der parteipolitische Einfluß letztlich auf die Zulassungspraxis auswirkt, ist allerdings nicht eindeutig feststellbaroo .
195 Hierzu und zum folgenden ausführlich eh. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 122 ff. u. Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 197 f. 196 § 55 Abs. 3 u. 4 HmbMedienG; zum Wahlverfahren und der konkreten Besetzung des ersten Vorstandes der Anstalt siehe Hoffmann-RiemlZiethen, Rundfunkaufsicht Bd. 1 S. 215, 219 ff., zum Konflikt bei der Neuwahl zwischen SPD und FDP um die Auslegung des § 55 HmbMedienG anläßlich der Wahl eines Frauenvertreters Gersdorff AfP 1992,225. 197 Hoffmann-RiemlZiethen, Rundfunkaufsicht Bd. 1 S. 215, 219 weisen zutreffend darauf hin, daß die Vorschläge der in § 55 Abs. 2 S. 1 HmbMedienG genannten 18 Organisationen nach Satz 2 dieser Vorschrift mindestens je 4 Personen umfassen müssen, so daß, wenn alle Organisationen ihr Vorschlagsrecht ausüben, 11 Mitglieder aus mindestens 72 Personen ausgewählt werden können. Auch die aus der Gruppenbildung nach § 55 Abs. 4 HmbMedienG folgenden Restriktionen können die Wahlmöglichkeiten nach zutreffender Einschätzung der genannten Autoren nicht entscheidend einengen. 198 Hoffmann-RiemlZiethen, Rundfunkaufsicht Bd. 1 S. 215, 220; Hoffmann-Riem, Hmb. Staatsu. VerwR, S. 470, 523; Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 197. 199 Vgl. die bei Hoffmann-RiemlZiethen, Rundfunkaufsicht Bd. 1, S. 215, 222 wiedergegebene Äußerung eines Vorstandsmitgliedes. 200 Hoffmann-RiemlZiethen, Rundfunkaufsicht Bd.1 S. 215, 221 f. ("schwer einzuschätzen"). Nach den aaO. S. 222 f. zitierten Stellungnahmen des Direktors und von Vorstandsmitgliedern soll sich das Gremium in seiner Arbeit parteipolitisch emanzipiert haben. Solchen reinen
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Prozedurale Sicherungen gegen einen solchen Einfluß, den die Zusammensetzung des Vorstandes immerhin nahelegt, sind jedenfalls nicht vorhanden. Bestehen demnach schon begründete Zweifel an der verfassungsrechtlich erforderlichen Staatsunabhängigkeit des Vorstandes201 , so kann erst recht nicht aus gerade dieser bedenklichen Zusammensetzung des Gremiums auf die Einräumung eines Beurteilungsspielraumes geschlossen werden. 3. Zwischenergebnis
Rundfunkrechtliehe Zulassungsentscheidungen sind zwar regelmäßig in einem so hohen Maße von Wertungen und Prognosen abhängig, daß dabei die Annahme eines Beurteilungsspielraumes der zuständigen Gremien naheliegend erscheine02 • Wertungen und Prognosen werfen nach der Rechtsprechung indes nur die Frage nach Beurteilungsspielräumen auf, ohne sie schon zu beantworten203 • Als notwendiges weiteres Indiz für das Vorliegen einer Beurteilungsermächtigung könnte auf die Struktur der entscheidenden Gremien der Landesmedienanstalten abgestellt werden. Ihre vordergründig pluralistische Zusammensetzung vermag jedoch nicht ausreichend gegen sachfremde, insbesondere parteipolitische Einflüsse zu schützen und eine sachangemessene, gerechte Entscheidung zu fördern. Wie eine Analyse der Hintergründe der Indizierungsund damit auch der Rundfunkrechtsprechung zeigt, sollen aber gerade in Verfahren und Struktur der Gremien liegende Sicherungen einer sachangemessenen Entscheidung zur Annahme einer Beurteilungsermächtigung führen. Die Bedenken, die bereits gegenüber der oben dargestellten204 , optimistischen Einschätzung derartiger Gremien durch das Bundesverwaltungsgerichts anzumelden waren205 , gewinnen bei der Übertragung dieser Rechtsprechung auf das Rundfunkrecht noch beträchtlich an Gewicht. Parteipolitische und damit
Selbsteinschätzungen ist jedoch mit Skepsis zu begegnen. Eindeutig parteipolitisch hat sich das Gremium jedenfalls bei der Wahl des Direktors formiert, siehe aaO. S. 222. 201 Die Zusammensetzung des Hamburger Vorstandes halten deshalb rur verfassungswidrig eh. Wagner, Die Landesmedienanstalten, S. 123 f.; Gersdorf, Staatsfreiheit, S. 197; Jarass, Gutachten Rn. 152. 202 Siehe oben 1. b). 203 Siehe oben 1. a). 2001 Siehe oben 2. a). 20S Siehe oben 2. c).
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sachfremde Einflüsse sind allen Modellen immanenf06, mögen sie in der einen Variante auch etwas mehr oder weniger gravierend sein als in einer anderen. Ganz im Gegensatz zu der Vorstellung, Entscheidungen pluralistisch zusammengesetzter Gremien böten regelmäßig eine besondere Gewähr für eine argumentativ abgewogene und qualitativ hochwertige Entscheidung207, beinhalten die Zulassungsentscheidungen der Rundfunkgremien von vornherein ein gewichtiges Rationalitätsdefizit. Damit vergrößert sich das Bedüfnis nach gerichtlicher Kontrolle. Von einer besonderen Fachkunde der Entscheidungsträger kann ebenfalls, mit Ausnahme vielleicht des Berliner Kabelrates und nun des Berlin-Brandenburg ischen Medienrats208 , kaum gesprochen werden209 • Vielmehr führt das Bedürfnis nach effizienter und fachkundiger Aufgabenerledigung dazu, daß die faktische Entscheidungsmacht den großen ehrenamtlichen Versammlungen zunehmend aus der Hand gleitet und einer parteipolitisch noch stärker gebundenen Anstaltsverwaltung, zu einem kleineren Teil auch eher zufällig zusammengesetzten Ausschüssen zuwächst. Bei den kleineren und damit effizienteren Gremien wird durch den Wahl modus eine fraktionsproportionale Zusammensetzung institutionalisiert, insbesondere beim Hamburger Vorstand, in etwas abgeschwächter Form jedoch auch beim Berlin-Brandenburgischen Medienrat. Zudem fehlt es bei ihnen angesichts ihrer geringeren Mitgliederzahl - verstärkt beim Berlin-Brandenburgischen Medienrat, aber weitgehend auch beim Hamburger Vorstand - an einer das gesamte Meinungsspektrum abdeckenden pluralistischen Zusammensetzung. Eine solche Zusammensetzung wäre aber erforderlich, um im Bereich des Rundfunks, der gerade alle gesellschaftlichen Gruppen angeht, in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon ausgehen zu können, daß ein den Belangen aller Betroffenen gerecht werdender Entscheidungsprozeß im Gremium stattfindet. Zulassungsverfahren und -entscheidung können zwar durch verschärfte Dokumentationsobliegenheiten und eine Pflicht zu gerichtsähnlicher Entscheidungsbegründung ein Stück transparenter gemacht, die gerichtlichen Kontroll206 So hinsichtlich der Zusammensetzung der Gremien pauschal auch Greipl, Unabhängige Sachverständigenausschüsse, S. 229. 207 Siehe oben 2. b). 20. Beim Medienrat fordert gar § 10 Abs. 1 Berlin-Brandenb.StaatsV "Mitglieder, die aufgrund ihrer Erfahrung und ihrer Sachkunde in besonderer Weise befahigt sein sollen, die Aufgaben nach diesem Staatsvertrag wahrzunehmen". Allerdings erscheint es zweifelhaft, ob diese Bestimmung mehr als nur programmatischen Charakter gewinnen kann. 20. So pauschal auch Greipl, Unabhängige Sachverständigenausschüsse, S. 229.
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möglichkeiten dadurch etwas verbessert werden21O • Dies reicht jedoch nicht aus, um einen fast völligen Verzicht auf die Kontrolle des Zulassungsergebnisses zu rechtfertigen, wie er mit der Anerkennung von Beurteilungsspielräumen bei den das Rundfunkrecht beherrschenden unbestimmten Rechtsbegriffen verbunden wäre. Die Rechtsprechung bei rundfunkrechtlichen Konkurrentenklagen, die sich in ihrer Annahme eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle weitgehend an das alte Indizierungsurteil anlehnt, vermag nach alledem nicht zu überzeugen211 • Eine Legitimation von Ermessens- oder Beurteilungsspielräumen bei der rundfunkrechtlichen Vergabeentscheidung kann daher, wenn überhaupt, nur außerhalb der eingefahrenen Gleise der Rechtsprechung gefunden werden.
llI. Verfassungsrechtliche Legitimation und Grenzen von Beurteilungsspielräumen bei der rundfunkrechtlichen Zulassungsentscheidung Wie schon bei der Erörterung des Stellenwertes von Wertungen und Prognosen für den Umfang gerichtlicher Kontrolle angedeutet, mündet eine Auseinandersetzung über Beurteilungsspielräume regelmäßig in verfassungsrechtlichen Erwägungen. Dies verwundert nicht, geht es doch um die Kompetenzabgrenzung zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit. Diese Grenzziehung kann letzlieh nur mit Rückgriff auf die Verfassung vorgenommen werden. Im folgenden bedürfen deshalb die zuvor in Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur gewonnenen Einsichten einer verfassungsrechtlichen Überprüfung und Vertiefung. Zu klären ist demnach, inwieweit die Verfassung, insbesondere Art. 19 Abs. 4 GG, einer großzügigeren Anerkennung von Beurteilungsspielräumen entgegensteht und welche verfassungsrechtliche Bedeutung institutionelle Sicherungen einer unabhängigen und sachgerechten Verwaltungsentscheidung für die Anerkennung eines Beurteilungsspielraumes besitzen. Vor diesem Hintergrund sollen
Dazu siehe ausführlich unten VI. So i.E. auch Greipl, Unabhängige Sachverständigenausschüsse, S. 230, der seine Auffassung aber - neben den auch von ihm betonten parteipolitischen Einflüssen - entscheidend darauf stützt, daß es sich nicht um eine "metajuristische Entscheidungsmaterie" handele (aaO. S. 229), und daher hier Beurteilungsspielräume grundsätzlich ablehnt. Damit überschätzt er jedoch die Rolle des Sachverstandes zur Legitimation von Beurteilungsspielräumen solcher Gremien, siehe dazu oben 2.c) sowie zusammenfassend unten III. 3. 210
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auch andere, grundsätzlichere Ansätze in der Literatur zur Begründung von Beurteilungsspielräumen wenigstens kurz gestreift und in ihrer Tauglichkeit für das Rundfunkrecht überprüft werden. 1. Das herkömmliche Verständnis
Die traditionelle verfassungsrechtliche Debatte um die Anerkennung von Beurteilungsspielräumen ist von bemerkenswerter Eindimensionalität gekennzeichnet. Sie kreist um Art. 19 Abs. 4 GG und dessen eventuelle Einschränkung durch das Gewaltenteilungsprinzip. Sonstiges Verfassungsrecht, insbesondere die Grundrechte und der Vorbehalt des Gesetzes, spielen nur am Rande eine Rolle. Vor allem werden die verschiedenen Gesichtspunkte kaum miteinander verknüpft, ganz im Gegensatz zur hohen Bedeutung, die dem Auslegungsgrundsatz der "Einheit der Verfassung" ansonsten beigemessen wir