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German Pages 349 Year 2016
Schriften zum Strafrechtsvergleich Band 2
Die Konkurrenzlehre im deutschen und türkischen Strafrecht Eine rechtsvergleichende Darstellung
Von
Soner Demirtas
Duncker & Humblot · Berlin
SONER DEMIRTAS
Die Konkurrenzlehre im deutschen und türkischen Strafrecht
Schriften zum Strafrechtsvergleich Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf, Würzburg und Prof. Dr. Brian Valerius, Bayreuth
Die Konkurrenzlehre im deutschen und türkischen Strafrecht Eine rechtsvergleichende Darstellung
Von
Soner Demirtas
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2015 als Dissertation angenommen.
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© 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 2364-8155 ISBN 978-3-428-15000-7 (Print) ISBN 978-3-428-55000-5 (E-Book) ISBN 978-3-428-85000-6 (Print & E-Book)
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Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2015/16 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung sind bis November 2015 berücksichtigt worden. Ein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Carl-Friedrich Stuckenberg, LL.M. (Harvard), für die umfassende und hilfreiche Betreuung. Herrn Prof. Dr. Hans-Ullrich Paeffgen habe ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens zu danken. Ein Dank schulde ich überdies dem türkischen Bildungsministerium, das die Entstehung der Arbeit mit einem Promotionsstipendium ideell wie materiell förderte. Zudem danke ich Herrn Yard. Doc. Dr. Sinan Okur, der mich im Verlauf meines Studiums stets in jeder Hinsicht geduldig unterstützt, gefördert und ermutigt hat. Außerdem danke ich all denen, die mich bei der Erstellung meiner Dissertation begleitet und unterstützt haben. Erwähnen möchte ich an dieser Stelle Ahmet Selcuk Sönmez, Cigdem Demirtas, Dursun Celik und Tahsin Tiras. Außerdem bedanke ich mich herzlich bei Herrn Volker Wanke für das mühevolle und zeitraubende Korrekturlesen des Manuskripts. Ganz besonders danke ich meiner Frau Elif Demirtas, die mich bei der Erstellung vorliegender Arbeit geduldig und aufbauend begleitet hat. Gewidmet ist diese Dissertation meinen Eltern, Mustafa und Emine Demirtas. Ihnen verdanke ich meine akademische Ausbildung. Saarbrücken, im November 2015
Soner Demirtas
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Einführung in das Thema und gestellte Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Zielsetzung und Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Erster Teil Zur Bestimmung des Handlungsbegriffs nach der deutschen und türkischen Konkurrenzlehre und Rechtsprechung
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A. Handlungsbegriff des Verbrechenssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Die Funktionen des Handlungsbegriffes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1. Handlung als Grundelement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2. Handlung als Verbindungselement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 3. Handlung als Grenzelement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 II. Handlung nach der kausalen Handlungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 III. Handlung nach der finalen Handlungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 IV. Handlung nach der sozialen Handlungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 V. Andere Handlungslehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Der negative Handlungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2. Der personale Handlungsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 VI. Eine abweichende Ansicht über die Notwendigkeit eines Handlungsbegriffes . . 30 VII. Ein Überblick über die Handlungslehre im türkischen Strafrecht . . . . . . . . . . . . . 30 B. Tat im strafprozessualen Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 C. Handlungsbegriff der Konkurrenzlehre im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 I. Die Formen der Handlungseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Handlung im natürlichen Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Tatbestandliche Handlungseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 a) Im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 b) Mehraktige und zusammengesetzte Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 c) Dauerdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 aa) Was bedeutet kurze Unterbrechung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 bb) Unterbrechung durch einen Verkehrsunfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 d) Mehrere Einzelakte erfordernde Verhaltensformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
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Inhaltsverzeichnis 3. Bewertungseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 4. Natürliche Handlungseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 a) Im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 b) Die Voraussetzungen der natürlichen Handlungseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . 43 aa) Einheitlicher Wille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 bb) Eine Mehrheit gleichartiger Handlungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 cc) Enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 dd) Die Zusammengehörigkeit der Einzelakte aus Sicht eines Dritten . . . . 48 c) Die Fallkonstellationen der natürlichen Handlungseinheit . . . . . . . . . . . . . . 49 aa) Die natürliche Handlungseinheit bei der iterativen und sukzessiven Tatbestandsverwirklichung (die die Tateinheit ausschließende natürliche Handlungseinheit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 (1) Iterative Tatbestandsverwirklichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 (2) Sukzessive Tatbestandsverwirklichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 bb) Die natürliche Handlungseinheit bei anderen Delikten – besonders umstrittene Fälle (Tateinheit begründende natürliche Handlungseinheit) 51 (1) Verwirklichung der verschiedenartigen Tatbestände; insbesondere Polizeifluchtfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 (2) Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter verschiedener Personen 54 (3) Verletzung der gleichen übertragbaren Rechtsgüter verschiedener Träger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 d) Als fünfte Voraussetzung der natürlichen Handlungseinheit: Die Begehung desselben Tatbestandstyps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 5. Zur Bestimmung der Handlungseinheit bei Unterlassungsdelikten und fahrlässigen Delikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a) Handlungseinheit bei den Unterlassungsdelikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Handlungseinheit bei fahrlässigen Delikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 II. Zusammenfassung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
D. Handlungsbegriff nach dem türkischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 I. Im Allgemeinen und Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 II. Der Begriff „Handlung“ in der türkischen Konkurrenzlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 1. Die Bestimmung des Begriffes nach den eingetretenen Erfolgen . . . . . . . . . . . 65 2. Die Bestimmung des Begriffes nach dem zugrunde liegenden Entschluss des Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3. Der Begriff der „Tat“ als Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 a) Die Handlung im natürlichen Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 b) Die Handlung im juristischen Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 aa) Die im deutschen Recht als natürliche Handlungseinheit bezeichnete Handlungskette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 (1) Wiederholende Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
Inhaltsverzeichnis
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(2) Zur Behandlung der Verletzung verschiedenartiger Tatbestände und höchstpersönlicher Rechtsgüter verschiedener Personen durch aufeinanderfolgende Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (a) Die Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Träger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (b) Die Begehung verschiedenartiger Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . 80 (c) Die Verletzung der übertragbaren Rechtsgüter verschiedener Träger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 bb) Mehraktige Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 cc) Alternativaktige Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 dd) Dauerdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (1) Kurze Unterbrechungen bei Dauerdelikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (2) Unterbrechung durch einen Unfall bei Verkehrsdelikten . . . . . . . . . 85 ee) Eine andere Form der mehraktigen Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 4. Der Begriff der Tat in anderen Konkurrenznormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 a) Artikel 42 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 b) Artikel 43 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 III. Zusammenfassung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 E. Rechtsvergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
Zweiter Teil Die geregelten Erscheinungsformen der Konkurrenz nach dem deutschen Strafrecht und die gleichen Formen im türkischen Strafrecht
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A. Idealkonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 I. Idealkonkurrenz (Tateinheit) im deutschen Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 1. Im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2. Wesen der Idealkonkurrenz und der Grund der milderen Bestrafung . . . . . . . . 94 3. Die Voraussetzungen der Tateinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 a) Verletzung mehrerer Strafgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 aa) Idealkonkurrenz zwischen gleichartigen Straftaten (gleichartige Idealkonkurrenz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 bb) Idealkonkurrenz zwischen den verschiedenen Straftaten (ungleichartige Idealkonkurrenz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 b) Die Verletzung mehrerer Strafgesetze durch dieselbe Handlung . . . . . . . . . 98 aa) Volle Identität (völlige Deckung) der Ausführungshandlungen . . . . . . . 98 bb) Teilweise Identität der Ausführungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (1) Die Begründung der Idealkonkurrenz durch die Teilidentität im Zeitraum zwischen Vollendung und Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . 99 (2) Tateinheit durch die Handlungen im Versuchsstadium . . . . . . . . . . 100
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Inhaltsverzeichnis (3) Idealkonkurrenz bei Dauerdelikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (a) Idealkonkurrenz zwischen Zustands- und Dauerdelikten . . . . . . 101 (b) Idealkonkurrenz zwischen mehreren Dauerdelikten . . . . . . . . . 104 c) Der Ausschluss der Gesetzeskonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 4. Idealkonkurrenz durch Klammerwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 5. Idealkonkurrenz zwischen Unterlassungs- und Begehungsdelikten . . . . . . . . . 107 6. Eine abweichende Ansicht: Idealkonkurrenz durch die Unrechtsverwandtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 7. Rechtsfolgen der Tateinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Für die gleichartige Tateinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Für die ungleichartige Tateinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 c) Die Ausnahmen der Strafrahmenfestsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 8. Zusammenfassung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 II. Idealkonkurrenz im türkischen Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 1. Allgemeines und Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 2. Der Grund der einmaligen Bestrafung bei der Idealkonkurrenz . . . . . . . . . . . . 115 3. Die Voraussetzungen der Idealkonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 a) Im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 b) Die Verletzung der Strafgesetze durch eine Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 aa) Volle Identität der Ausführungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 bb) Teilweise Identität der Ausführungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (1) Die Überschneidung der Handlungen im Versuchsstadium . . . . . . . 121 (2) Idealkonkurrenz bei Dauerdelikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (a) Idealkonkurrenz zwischen Zustands- und Dauerdelikten . . . . . . 122 (b) Idealkonkurrenz zwischen mehreren Dauerdelikten . . . . . . . . . 126 c) Verletzung mehrerer Strafgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 aa) Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten (Farklı Neviden Suçların Fikri I˙çtimaı) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 bb) Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten (Aynı Neviden Suçların Fikri ˙Içtimaı) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 d) Das Nichtvorhandensein der Gesetzeskonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 e) Eine abweichende Ansicht: Subjektive Voraussetzung der Idealkonkurrenz 130 4. Idealkonkurrenz bei Unterlassungs- und Begehungsdelikten . . . . . . . . . . . . . . 131 a) Idealkonkurrenz zwischen Unterlassungsdelikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b) Idealkonkurrenz zwischen Begehungs- und Unterlassungsdelikten . . . . . . . 132 5. Idealkonkurrenz bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikten . . . . . . . . . . . . . . . . 133 6. Idealkonkurrenz bei den erfolgsqualifizierten Delikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 7. Die Ausnahmen bei der Anwendung der Idealkonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . 135 a) Art. 43 Abs. 3 des TCK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 b) Die Artikel im besonderen Teil des TCK zur Anwendung der Idealkonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
Inhaltsverzeichnis
11
c) Das Verhältnis zwischen Art. 43 Abs. 3 und Art. 44 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 8. Idealkonkurrenz bei Ordnungswidrigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 9. Die Rechtsfolgen der Idealkonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 a) Die Festsetzung der Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 aa) Die Rechtsfolgen der Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten . . . 140 bb) Die Rechtsfolgen der Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten 141 b) Die Prozessvoraussetzungen, Rechtskraft, Verjährung, Amnestie . . . . . . . . 142 c) Die Anordnung der Sicherungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 III. Die Idealkonkurrenz nach dem alten türkischen Strafgesetzbuch . . . . . . . . . . . . . 144 1. Im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 2. Die gesetzlich geregelte Form der Idealkonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 a) Die Einheit der Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 b) Die Verschiedenheit der Gesetzesbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 3. Die Rechtsfolgen der Idealkonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 IV. Zusammenfassung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 V. Rechtsvergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 B. Realkonkurrenz (Tatmehrheit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 I. Realkonkurrenz im deutschen Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 1. Im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 2. Die Arten und die Voraussetzungen der Realkonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 a) Gleichartige und ungleichartige Realkonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 b) Die Voraussetzungen der Realkonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 3. Das Zusammentreffen der gleichen oder verschiedenen Strafarten . . . . . . . . . 154 a) Das Zusammentreffen mehrerer Freiheitsstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b) Das Zusammentreffen mehrerer Geldstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 c) Das Zusammentreffen der Freiheits- und Geldstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 d) Die Anordnung der Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen neben der Gesamtstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 4. Die Bildung der Gesamtstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 a) Die Feststellung der Einzelstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 b) Die Feststellung der Einsatzstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 c) Die Bildung der Gesamtstrafe durch die Erhöhung der Einsatzstrafe . . . . . 159 d) Die Strafzumessungsgründe bei der Gesamtstrafenbildung . . . . . . . . . . . . . 160 e) Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 5. Die nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 a) Im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 b) Die Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 aa) Die Begehung der Straftat(en) vor der früheren Verurteilung . . . . . . . . 164 bb) Das Vorliegen eines früheren rechtskräftigen Urteils . . . . . . . . . . . . . . . 166 cc) Die nicht vollständige Erledigung der verhängten Strafe . . . . . . . . . . . 166
12
Inhaltsverzeichnis c) Das Vorliegen mehrerer abzuurteilender Taten und früherer Verurteilung(en) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 d) Die Bildung der Gesamtstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 e) Härteausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 aa) Härteausgleich beim Vorliegen der Zäsurwirkung der früheren Verurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 bb) Härteausgleich bei der Erledigung der verhängten Strafe . . . . . . . . . . . 170 f) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 6. Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung im Beschlussverfahren . . . . . . . . . . . 172 II. Realkonkurrenz im türkischen Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 1. Im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 2. Der Regelungsort der Realkonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 3. Die Bestimmungen bezüglich der Realkonkurrenz im Vollzugsgesetz . . . . . . . 174 4. Die Voraussetzungen zur Addierung der Strafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 5. Kritik an der Nichtregelung der Realkonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 III. Realkonkurrenz nach dem alten türkischen Strafgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 1. Im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 2. Die Bestimmungen bezüglich des Zusammentreffens mehrerer Strafen . . . . . 177 a) Zusammentreffen der Freiheitsstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 b) Zusammentreffen der Geldstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 c) Zusammentreffen der Nebenstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 IV. Zusammenfassung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 V. Rechtsvergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182
Dritter Teil Die im türkischen Strafgesetz geregelten weiteren Konkurrenzformen und die Anwendung im deutschen Recht
184
A. Fortsetzungstat (Zincirleme Suç) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 I. Fortsetzungstat nach dem neuen türkischen Strafgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 1. Im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 2. Sinn und Zweck der Fortsetzungstat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 a) Wesen der Fortsetzungstat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 b) Der Grund für die Regelung der Fortsetzungstat und der einzigen Strafe 187 3. Die Voraussetzungen der Fortsetzungstat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 a) Die mehrmalige Begehung der gleichen Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 b) Die Begehung der Straftaten zu verschiedenen Zeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 c) Die Begehung der gleichen Straftat gegen dieselbe Person . . . . . . . . . . . . . 189 aa) Die Fortsetzungstat bei Straftaten gegen Personen . . . . . . . . . . . . . . . . 189
Inhaltsverzeichnis
13
bb) Die Fortsetzungstat bei anderen Straftaten (bei denen die Opfer unbestimmte Personen sind) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 cc) Die Begehung der Straftaten gegen verschiedene Personen . . . . . . . . . 192 d) Die Erfüllung aller Deliktsvoraussetzungen durch jede einzelne Handlung 194 e) Die Begehung der Tat bei der Ausführung eines Tatentschlusses . . . . . . . . 194 aa) Im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 bb) Die Kriterien für die Feststellung eines Tatentschlusses . . . . . . . . . . . . 195 (1) Die Begehungsweise der Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 (2) Der Zusammenhang der Tatorte und der Tatzeiten . . . . . . . . . . . . . 196 (3) Die Gleich- oder Verschiedenheit der Opfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (4) Das verletzte und geschützte Rechtsgut und Interesse . . . . . . . . . . . 197 cc) Besondere Probleme bei der Feststellung des Tatentschlusses . . . . . . . 197 (1) Der Einfluss des Ermittlungsverfahrens, des Hauptverfahrens und der Entscheidung des Gerichts auf den Tatentschluss . . . . . . . . . . . 197 (2) Fortsetzungstat bei fahrlässigen Delikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 (3) Fortsetzungstat bei Unterlassungsdelikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 4. Ausnahmen bei der Anwendung des Art. 43 Abs. 1 (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . 202 5. Das Zusammentreffen der Fortsetzungstat mit anderen Straftaten . . . . . . . . . . 203 6. Rechtsfolgen der Fortsetzungstat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 a) Die Festsetzung der Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 b) Der Anfang der Verfolgungsverjährung, der Gerichtsstand und die Amnestie bei der Fortsetzungstat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 c) Strafantragsfrist und Täter-Opfer-Ausgleich bei der Fortsetzungstat . . . . . . 207 d) Ne bis in idem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 e) Fortsetzungstat und Strafaussetzung zur Bewährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 f) Fortsetzungstat und die Aussetzung der Eröffnung der öffentlichen Klage 209 g) Fortsetzungstat und die Entscheidung zur Aussetzung der Urteilsverkündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 h) In dubio pro reo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 II. Fortsetzungstat nach dem alten türkischen Strafgesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 1. Im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 2. Die Voraussetzungen der Fortsetzungstat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 a) Die Tatzeit bei der Fortsetzungstat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 b) Die Identität des Opfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 3. Rechtsfolgen der Fortsetzungstat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 III. Fortgesetzte Handlung im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 1. Im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 2. Das Wesen der fortgesetzten Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 3. Der Grund zur Annahme der fortgesetzten Handlung (Ursprünglicher Zweck der fortgesetzten Handlung und Zweckwandel mit der Zeit) . . . . . . . . . . . . . . 215
14
Inhaltsverzeichnis 4. Die Voraussetzungen der fortgesetzten Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 a) Objektive Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 aa) Die Verletzung der gleichen Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 bb) Die Begehung der Delikte durch jeden Teilakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 cc) Die Gleichartigkeit der Begehungsweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 dd) Der zeitliche und räumliche Zusammenhang zwischen den Taten . . . . 219 b) Subjektive Voraussetzung der fortgesetzten Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 aa) Gesamtvorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 bb) Erweiterter Gesamtvorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 cc) Fortsetzungsvorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 dd) Die fortgesetzte Handlung bei den Fahrlässigkeitsdelikten . . . . . . . . . . 222 5. Das Zusammentreffen der Fortsetzungstat mit anderen Straftaten und mit einer anderen Fortsetzungstat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 6. Die Rechtsfolgen der fortgesetzten Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 a) Die Festsetzung der Strafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 b) Verjährung, Antragsfrist und Rechtskraftwirkung des Urteils . . . . . . . . . . . 223 c) Die Anwendbarkeit des Grundsatzes „in dubio pro reo“ . . . . . . . . . . . . . . . 224 7. Die Aufgabe des Instituts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 a) Die Auffassungen gegen die Annahme der fortgesetzten Handlung . . . . . . 225 b) Die Aufgabe der fortgesetzten Handlung durch die Entscheidung des Großen Senats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 8. Die Einflüsse der Aufgabe der fortgesetzten Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 a) Die Folgen der Aufgabe der fortgesetzten Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 b) Die Behandlung der Fälle der „fortgesetzten Tat“ nach der Entscheidung des Großen Senats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 c) Die Festsetzung der Strafe und die Berücksichtigung der verjährten Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 d) Die Erforderlichkeit der Tatfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
B. Zusammengesetzte Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 I. Zusammengesetzte Delikte nach dem türkischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 1. Im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 2. Wesen der zusammengesetzten Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 3. Die Erscheinungsformen des Instituts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 a) Eine Tat ist ein Tatbestandsmerkmal der anderen Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 b) Eine Tat ist ein erschwerender Umstand der anderen Tat . . . . . . . . . . . . . . . 235 4. Rechtsfolgen der zusammengesetzten Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 5. Kritik an der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 II. Zusammengesetzte Delikte nach dem alten Strafgesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . 238 III. Zusammengesetzte Delikte im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 C. Zusammenfassung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239
Inhaltsverzeichnis
15
D. Rechtsvergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244
Vierter Teil Die nicht geregelten Konkurrenzformen
251
A. Gesetzeskonkurrenz im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 I. Allgemeine Bemerkungen über das Wesen der Gesetzeskonkurrenz . . . . . . . . . . 251 II. Die Arten der Gesetzeskonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 1. Spezialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 a) Fälle der Spezialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 aa) Zusammengesetzte Straftat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 bb) Qualifikationen oder Privilegierungen von Straftaten . . . . . . . . . . . . . . 254 b) Abweichende Fälle wegen der Nichterfassung des Unrechtsgehalts . . . . . . 255 2. Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 a) Formelle Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 b) Materielle Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 3. Konsumtion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 a) Die typische Begleittat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 b) Mitbestrafte Nachtat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 c) Mitbestrafte Vortat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 III. Die Rechtsfolgen der Gesetzeskonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 B. Gesetzeskonkurrenz im türkischen Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 I. Allgemeines und Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 II. Die Arten der Gesetzeskonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Spezialität (Özel Normun Öncelig˘ i) (Vorrang des speziellen Gesetzes) . . . . . . 2. Konsumtion (Bir Normun Dig˘ eri Tarafından Tüketilmesi) (Ausschöpfung eines Gesetzes durch ein anderes) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Subsidiarität (Yardımcı Normun Sonralıg˘ ı) (Zurücktreten des Aushilfstatbestandes) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
270 270 271 274
III. Die Folgen der Gesetzeskonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 C. Zusammenfassende Rechtsvergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
Fünfter Teil Kritische Würdigung, Schlussbetrachtungen und Reformüberlegungen
282
A. Kritische Würdigung und Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 B. Eigener Ansatz zur Reformierung der türkischen Konkurrenzregelungen . . . . . . . . . . 288
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Inhaltsverzeichnis
Anhang 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Anhang 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
Abkürzungsverzeichnis Für die deutschen Abkürzungen wird verwiesen auf Kirchner, Hildebert, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 7. Auflage Berlin 2013. ABD AD AsY AÜHFD
Ankara Barosu Dergisi (Zeitschrift der Anwaltskammer Ankara) Adalet Dergisi (Justizzeitschrift) Militärkassationshof Ankara Üniversitesi Hukuk Fakültesi Dergisi (Zeitschrift der juristischen Fakultät der Universität Ankara) C Cilt (Band) CD Ceza Dairesi (Strafkammer) CGK Ceza Genel Kurulu (Großer Strafsenat) CGTIK Ceza ve Güvenlik Tedbirlerinin Infazı Hakkında Kanun (Gesetz über den Vollzug der Strafen und Sicherungsmaßnahmen) CHD Ceza Hukuku Dergisi (Zeitschrift des Strafrechts) CMK Ceza Muhakemesi Kanunu (Strafprozessordnung) E Esas (Rechtssache) EÜHD Erzincan Üniversitesi Hukuk Fakültesi Dergisi (Zeitschrift der juristischen Fakultät Erzincan) GÜHFD Gazi Üniversitesi Hukuk Fakültesi Dergisi (Zeitschrift der juristischen Fakultät der Universität Gazi) IHFM I˙stanbul Üniversitesi Hukuk Fakültesi Mecmuası (Zeitschrift der juristischen Fakultät der Universität ˙Istanbul) ITÜSBD I˙stanbul Ticaret Üniversitesi Sosyal Bilimler Dergisi (Zeitschrift der Sozialwissenschaften der I˙stanbul Handels-Universität) K Karar (Entscheidung, Beschluss) KTK Karayolları Trafik Kanunu (Das Straßenverkehrsgesetz) Md Madde (Artikel) MÜHFD-HAD Marmara Üniversitesi Hukuk Fakültesi Dergisi (Zeitschrift der juristischen Fakultät der Universität Marmara) – Hukuki Aras¸tırmalar Dergisi (Zeitschrift der juristischen Abhandlungen) Sy Sayı (Heft) TBBD Türkiye Barolar Birlig˘ i Dergisi (Zeitschrift der Vereinigung der türkischen Anwaltskammern) TBMM Türkiye Büyük Millet Meclisi (Große Nationalversammlung der Türkei) TCK Türk Ceza Kanunu (Das türkische Strafgesetzbuch) tOWIG Das türkische Ordnungswidrigkeitengesetz UYAP Ulusal Yargı Ag˘ ı Projesi (Das Projekt eines nationalen Justiznetzwerkes) YCGK Yargıtay Ceza Genel Kurulu (Strafsenat beim Kassationshof) YKD Yargıtay Kararları Dergisi (Entscheidungssammlung des Kassationshofs)
Einleitung I. Einführung in das Thema und gestellte Fragen „Die Konkurrenzlehre ist eines der kompliziertesten und zugleich fruchtlosesten Felder der Strafrechtsdogmatik. Wenn in den materiellrechtlichen Fragenkomplex um Ideal-, Real und Gesetzeskonkurrenz auch noch die praktisch erheblich wichtigere Frage nach der prozessualen Tat (§ 264 StPO) und dem daran hängenden Strafklageverbrauch eingewoben wird, dann bildet sich schließlich ein kaum noch zu entwirrender gordischer Knoten.“1 „Das Netz der Konkurrenzlehre ist ausgesprochen fein gestrickt, so fein, dass der intendierte Zugewinn an Gerechtigkeit durch die Komplexität neutralisiert zu werden droht.“2 „Die Regeln, die das Recht aufstellt, um das Verhältnis der Menschen zueinander zu ordnen, können naturgemäß nur auf den Durchschnittsfall ausgerichtet sein. Es gibt aber immer Grenzfälle und Fälle, in denen die Lage so eigenartig ist, dass das Rechtssatz nicht recht passen will.“3
Wie aus diesen Zitaten hervorgeht, was auch Schnitzer4 schon betont hat, ist es schwer, mathematische Formeln, die alle Fälle umfassen und für alle Fälle einwandfreie und befriedigende Lösungen anbieten, zu finden. Dies ist auch der Fall bei der Konkurrenzlehre, stellt sie doch eines der komplizierteren Themen des Strafrechts dar. Diese Feststellung beschränkt sich aber nicht nur auf das deutsche, sondern gilt auch für das türkische Strafrecht. Vor allem ist die Konkurrenzlehre deswegen kompliziert, weil in beiden Rechtsordnungen nicht klar ist, wann eine Handlungseinheit vorliegt. Diese Frage wird in beiden Rechtsordnungen sowohl in der Lehre als auch in den höchstrichterlichen Entscheidungen uneinheitlich behandelt. Insbesondere bezüglich des türkischen Strafrechts stand die Frage im Vordergrund, was überhaupt eine Handlung im konkurrenzrechtlichen Sinn ist. So sehr diese Frage heutzutage ihre Bedeutung wesentlich eingebüßt hat, spielt sie immer noch eine Rolle in der Lehre zur Feststellung des konkurrenzrechtlichen Tatbegriffes. Zur Beantwortung der Frage, was eine Handlung beinhaltet und welcher der Grundgedanke der Konkurrenzlehre des türkischen Strafrechts ist, erscheint es wichtig, den Gesetzgebungsprozess bzw. die Rezeption der italienischen und anderen Strafgesetze kurz auszuführen. Die alte Fassung des türkischen Strafgesetzes 1 2 3 4
Peters, JR 1993, 265, 265. Jung, JuS 1989, 289, 289. Schnitzer, Vergleichende Rechtslehre II, S. 415. Schnitzer, Vergleichende Rechtslehre II, S. 447.
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Einleitung
mit der Nr. 765 aus dem Jahr 1926 basierte auf dem italienischen Strafgesetzbuch5. Dieses Strafgesetz wurde bis zum Inkrafttreten der neuen Fassung des Strafgesetzes mit der Nummer 5237 im Jahr 20056 vielfach geändert. Die Väter dieser Gesetzesänderungen haben sich auch am italienischen Strafgesetz (am sogenannten Codice Rocco) angelehnt. Bis 2004, insbesondere in den 1980er- und 1990er-Jahren, wurden viele Entwürfe, die sich an das französische und italienische Strafrecht anlehnten, vorgelegt. Entgegen dieser Entwürfe, hat der Gesetzgeber jedoch in kürzester Zeit einen neuen Entwurf im Parlament vorgelegt, um die Harmonisierung des türkischen Strafrechts mit dem europäischen voranzutreiben. Bei der Entstehung dieses neuen Strafgesetzes wurden viele Rechtsordnungen berücksichtigt. Von diesen hat das deutsche Strafrecht den größten Einfluss auf den TCK7 ausgeübt.8 In der Lehre9 wird auch ausgeführt, dass das neue türkische Strafgesetz mit dem deutschen nicht ganz im Einklang stehe, obwohl das TCK sich an das StGB anlehne, weil der Gesetzgeber versuche, aus dem deutschen und der alten Fassung des TCK eine Synthese zu bilden. Als Beispiel für diese Disharmonie werden die Konkurrenzbestimmungen genannt: Im TCK seien bei der Konkurrenz die Bestimmungen des StGB als Vorbild angenommen worden, aber die Fortsetzungstat, die das StGB nicht kenne, sei auch im TCK geregelt worden; dieses Rechtsinstitut wurde nicht aufgegeben, weil es in der alten Fassung des TCK geregelt wurde. Als Folge dieser allgemeinen Erklärungen ist bezüglich des türkischen Strafrechts zu fragen, ob und inwieweit die deutsche Konkurrenzlehre auf das türkische Strafgesetz Einfluss genommen hat. Außerdem ist es wichtig, die Frage zu beantworten, ob die Ansichten der deutschen Lehre und die Anwendung der Konkurrenzbestimmungen in der Praxis beim türkischen Gesetzgebungsprozess berücksichtigt wurden. Bezüglich des türkischen Strafrechts spielt die Frage eine wichtige Rolle, was der Gesetzgeber mit dem Begriff „Tat“ oder „Handlung“ gemeint hat und welcher Begriff für die Konkurrenzlehre noch geeignet ist. Dies ist auch deswegen bedeutsam, weil davon abhängt, ob der Anwendungsbereich der Idealkonkurrenz erweitert oder begrenzt werden kann. Demzufolge lautet die entscheidende Frage der vorliegenden Dissertation, wie der Handlungsbegriff in beiden Rechtsordnungen interpretiert wird und welche Rechtsordnung diesen Begriff erweitert oder restriktiv auslegt.
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Codice Zanardelli aus dem Jahr 1889. Das neue Strafgesetz wurde am 26. 09. 2004 verabschiedet, es ist aber erst am 01. 06. 2005 in Kraft getreten. 7 TCK: Türk Ceza Kanunu (Das türkische Strafgesetz). 8 Vgl. Keçeliog˘ lu, Der Einfluss des deutschen Strafgesetzbuchs, S. 1 f.; Özbek/Kanbur/ Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 7; vgl. Sözüer, ZStW 119 (2007), S. 91 ff.; Yenisey, ZStW 96 (1984), S. 212, 213 f. 9 Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 7. 6
Einleitung
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II. Zielsetzung und Darstellung Der Einfluss des deutschen auf das türkische Strafrecht bezüglich der Konkurrenzlehre soll in der vorliegenden Arbeit untersucht werden. Eine detaillierte Darstellung über den Einfluss des deutschen Strafrechts auf das gesamte Rechtssystem kann aufgrund des Umfanges der Fragestellung hier nicht geleistet werden.10 Außerdem wurde das Thema vorrangig auf den aktuellen rechtlichen Stand begrenzt; deswegen ist eine detaillierte historische Entwicklung der deutschen Konkurrenzlehre11 und des Rechtszustands im türkischen Strafrecht vor 1926, die Konkurrenz im Osmanischen Reich und islamischen Strafrecht, nicht dargestellt. Die Antwort auf die Frage, welches Konkurrenzverhältnis zwischen den einzelnen Straftaten bzw. zwischen den einzelnen Vorschriften des besonderen Teils vorliegt, ist zwar ein Bestandteil der Konkurrenzlehre, aber eine detaillierte Darstellung würde den Rahmen der vorliegenden Dissertation überschreiten. Aus diesem Grund wird im Rahmen dieser Studie nicht auf jedes Detail des Konkurrenzverhältnisses einzelner Straftaten eingegangen. Stattdessen wird versucht, das Augenmerk auf die bekannten, diskutierten und als wichtig angesehenen Fragen der deutschen und türkischen Konkurrenzlehre zu legen. Eine solche Vorgehensweise gewinnt an Bedeutung für diese Untersuchung, weil einige der diskutierten Fragen in der deutschen Konkurrenzlehre im türkischen Strafgesetz oder in der Lehre gar nicht oder zu wenig Erwähnung gefunden hat. Von diesen sind hier die sog. natürliche Handlungseinheit, teilweise Identität der Handlungen, Idealkonkurrenz durch die Klammerwirkung und Realkonkurrenz zu betrachten. Die Fragestellung dient im türkischen Strafrecht dazu, die angenommenen Lösungen nach dem TCK darzustellen und praktikable Lösungen zu finden. Mit der Aufgabe der Fortsetzungstat durch die Entscheidung des BGH ist dieses Rechtsinstitut nicht mehr im deutschen Recht anzuwenden. Entsprechende Fälle werden im deutschen Recht durch die Anwendung anderer Institute erfasst. Dieses Rechtsinstitut findet aber seine Regelung im TCK, weswegen die Untersuchung der Fortsetzungstat für diese Arbeit von Bedeutung ist. Ein weiterer Zweck dieser Studie ist es, die Rechtsordnungen anhand der Grundprinzipien bei der Strafbemessung bezüglich der Konkurrenzlehre zu vergleichen und die zu verhängenden Strafen und ihre Härte durch die Anwendung der Konkurrenzbestimmungen in beiden Rechtsordnungen darzustellen. Aufgrund der Rezeption des italienischen Strafgesetzes bei der Gesetzgebung des alten Strafgesetzes und bedingt durch den Einfluss des deutschen Strafrechts auf das neue Strafgesetzbuch und auf die alte Literatur wurden die italienische Literatur und 10 Für die Antwort auf diese Frage wird verwiesen auf: Keçeliog˘ lu, Der Einfluss des deutschen Strafgesetzbuchs; Sözüer, ZStW 119 (2007), S. 91; Yenisey, ZStW 96 (1984), S. 212 f.; Tellenbach, Einführung in das türkische Strafrecht; vgl. Hirsch, Rezeption als sozialer Prozess. 11 Für eine historische Darstellung der Unterscheidung zwischen Ideal- und Realkonkurrenz siehe: Lang, Die Idealkonkurrenz; somit ist Lang der Ansicht, dass die „heutige Konkurrenzlehre ihre Entstehung einem grundlegenden Mißverständnis verdankt“, S. 479 ff.
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Einleitung
Rechtsprechung und die deutsche Literatur in der türkischen Lehre berücksichtigt. Vor diesem Hintergrund werden manchmal die deutschen Werke auch in Bezug auf das türkische Recht zitiert. Die Arbeit gliedert sich in fünf Teile: Im ersten Teil wird die Bedeutung des Handlungsbegriffes in der Konkurrenzlehre nach beiden Rechtsordnungen untersucht, weil dieser Begriff das Rückgrat dieses Rechtsinstituts bildet. Um einen ersten Überblick über die Handlung bereitzustellen, wird in diesem Teil der Handlungsbegriff des Verbrechenssystems kurz dargestellt. Der zweite Teil behandelt die im StGB geregelten Konkurrenzarten und die identischen Rechtsinstitute im türkischen Strafrecht. Im dritten Teil stehen die im türkischen Strafrecht geregelten anderen Konkurrenzarten, Fortsetzungstat und zusammengesetzte Straftat, im Vordergrund. Zum Schluss werden die Schlussbetrachtungen und Reformüberlegungen kurz dargestellt. Außerdem wird die Rechtsvergleichung am Ende der jeweiligen Teile vorgenommen.
Erster Teil
Zur Bestimmung des Handlungsbegriffs nach der deutschen und türkischen Konkurrenzlehre und Rechtsprechung A. Handlungsbegriff des Verbrechenssystems Zwischen dem Handlungsbegriff des Verbrechenssystems und der Konkurrenzlehre besteht eine enge und direkte Verbindung. Wenn eine Handlung im Sinne des Verbrechensystems vorliegt, kann auch von einer Handlung im konkurrenzrechtlichen Sinn gesprochen und auf diese Handlung eingegangen werden. Aber der konkurrenzrechtliche Handlungsbegriff sei nicht von jedem erfüllten Tatbestand abhängig, „da eine tatbestandsmäßige Handlung immer nur eine und nicht eine weitere Gesetzesverletzung ist“.1 Dagegen müsse der konkurrenzrechtliche Handlungsbegriff genereller interpretiert werden.2 Beim Verbrechenssystem geht es um die Frage, was eine Handlung ist. Bei der Konkurrenzlehre liegt/en die Handlung/en im Sinne des Verbrechenssystems vor. Aber wegen der besonderen Regelungen des Gesetzes muss untersucht und festgestellt werden, wie die Handlungen eine Einheit bilden, ob eine oder mehrere Handlungen vorliegen und wann mehrere Gesetze (gleichartige oder ungleichartige) durch eine Handlung verletzt werden. In diesem Punkt unterscheide sich der Handlungsbegriff der Konkurrenzlehre von dem Handlungsbegriff des Verbrechenssystems3 und der Handlungsbegriff des Verbrechenssystems trage zur Konkurrenzlehre nichts bei.4 Letztlich ist hier zu betonen, dass der Handlungsbegriff des Verbrechenssystems in der türkischen Konkurrenzlehre immer noch eine entscheidende Rolle spielt, weil ein Teil der Lehre5 unter dem
1 MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 12; vgl. Otter, Funktionen des Handlungsbegriffes, S. 193: „Trotz einer Vielzahl natürlicher Handlungen kann eine Handlungseinheit nach § 73 anzunehmen sein“. 2 MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 12. 3 Vgl. MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 12: „Der allgemeine Handlungsbegriff der Straftatlehre, der nur Minimalvoraussetzungen strafrechtlicher Handlung beschreibt, kann zur Konkurrenzfrage nichts beitragen, weil diese sich erst stellt, wenn bereits feststeht, dass der Täter in strafrechtlich relevanter Weise Straftatbestände verwirklicht hat.“; SK-Samson/Günther, vor § 52 Rn. 15; LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 7; Roxin, Strafrecht AT I, § 8 Rn. 5. 4 MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 12; LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 7. 5 Dazu unten: Erster Teil D. II. I.
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1. Teil: Handlungsbegriff nach der deutschen und türkischen Konkurrenzlehre
Einfluss der klassischen Verbrechenslehre unter dem Begriff der Tat6 den Erfolg versteht. Aufgrund dieser Gründe folgt eine kurze Erklärung des Handlungsbegriffs der Verbrechenslehre.
I. Die Funktionen des Handlungsbegriffes Um für alle Verhaltensformen bzw. alle Straftaten einen allgemeinen Handlungsbegriff herauszufinden, versuchen sowohl die ontologischen als auch die normativen Handlungslehren mit verschiedenen Kriterien einen Oberbegriff zu finden. Zur Findung eines solchen Begriffs werden dem Handlungsbegriff verschiedene Funktionen beigemessen. Jede Handlungslehre ist der Ansicht, dass ihre eigenen Kriterien die dem Handlungsbegriff beigemessenen Kriterien erfüllen. 1. Handlung als Grundelement7 Der Handlungsbegriff muss eine allgemeine Definition für alle Verhaltensformen bilden8 und die Verhaltensformen sowohl bei den fahrlässigen und vorsätzlichen Straftaten als auch bei den Unterlassungsdelikten umfassen. Deswegen dient der Handlungsbegriff als Ober- und Grundbegriff im Systemaufbau.9 Der alle Verhaltensformen umfassende Handlungsbegriff wird als Grundfunktion der Handlung bezeichnet. 2. Handlung als Verbindungselement Die zweite Funktion des Handlungsbegriffes liegt darin, dass er Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld miteinander verbindet. Die Handlung ist das Hauptelement – als Verknüpfungspunkt – des Strafrechtssystems, da bei der Bestrafung eine rechtswidrige, tatbestandsmäßige und schuldhafte Handlung erforderlich ist.10
6 In türkischen Konkurrenzbestimmungen wurde anstatt des „Handlungsbegriffs“ der Tatbegriff angewendet. 7 Von Jescheck als Klassifikationsfunktion der Handlung bezeichnet. Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 23 I 2. 8 Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 89. 9 Maihofer, Der Handlungsbegriff, S. 7; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 23 I 2; Roxin, Strafrecht AT I, § 8 Rn. 1; Gropp, Strafrecht AT, § 4 Rn. 5. 10 Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 23 I 2; Roxin, Strafrecht AT I, § 8 Rn. 2; Gropp, Strafrecht AT, § 4 Rn. 7; S/S-Eisele, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 23/24.
A. Handlungsbegriff des Verbrechenssystems
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3. Handlung als Grenzelement Der Handlungsbegriff dient auch als Begrenzung, indem er die Handlungen, die für die strafrechtliche Beurteilung irrelevant sind, ausschließt. Damit kommt dem Handlungsbegriff eine Begrenzungsfunktion zu. Die Bewegungen im Zustand der Bewusstlosigkeit, das Verhalten von Tieren, die Gedanken oder die unter Hypnose getätigten Handlungen sowie durch vis absoluta erzwungene Handlungen dürfen nicht als strafrechtlich relevante Handlungen bewertet werden.11
II. Handlung nach der kausalen Handlungslehre12 Der von dem Begründer der klassischen Verbrechenslehre entwickelte Handlungsbegriff legt ein „willensgetragenes menschliches Verhalten“13 zugrunde. Laut v. Liszt „ist Handlung willkürliches Verhalten zur Außenwelt, genauer: Veränderung der Außenwelt durch willkürliches Verhalten, sei es ein die Veränderung verursachendes Tun oder ein sie verursachendes Unterlassen.“14 Nach dieser Lehre ist die Willkürlichkeit der Handlungen oder Unterlassungen entscheidend. Was vom Täter durch diese willkürlichen Handlungen erzielt oder gewollt wird, ist nicht wichtig. Der Inhalt des Willens muss nur bei der Schuld und Rechtswidrigkeit erörtert werden; der Willensinhalt ist bei der Bestimmung der Handlung nicht entscheidend.15 Durch ein aktives Tun kommt eine Änderung, also ein Erfolg in der Außenwelt zustande, wenn z. B. der Täter durch Stiche einen Menschen tötet. Auch durch ein willkürliches Unterlassen entsteht eine Folge in der Außenwelt, wenn z. B. eine Mutter ihren Säugling nicht ernährt.16 Eine Willkürlichkeit liegt nicht mehr vor, wenn der Handelnde seine Handlungen nicht bewusst steuern kann. Darunter fallen die Reflexbewegungen17, unter Hypnose gemachte Handlungen, Bewegungen im Schlaf oder durch vis absoluta erzwungene 11 Gropp, Strafrecht AT, § 4 Rn. 6 und 10 ff.; Roxin, Strafrecht AT I, § 8 Rn. 4; Maurach/ Zipf, Strafrecht AT I, § 16 Rn. 13 ff. 12 Auch als natürliche Handlungslehre bezeichnet. LK-Walter, Vor § 13 Rn. 28. 13 Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 13 Rn. 11; für diese Lehre eingehend in: LKWalter, Vor § 13 Rn. 30 ff. 14 v. Liszt/Schmidt, Lehrbuch, § 28, S. 152: nach der vorherigen Auffassung von v. Liszt umfasste die Definition die Unterlassung nicht; in gleicher Weise, Beling, Die Lehre vom Verbrechen, S. 14. 15 Jakobs, Strafrecht AT, 6 Rn. 6; LK11-Jescheck, Vor § 13 Rn. 13 – 16, 26; Baumann/ Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 13 Rn. 37; Roxin, Strafrecht AT I, § 8 Rn. 11; Otter, Funktionen des Handlungsbegriffes, S. 35; Keyman, Suç Genel Teorisinin ˙Iki Temel Sorunu, S. 436. 16 Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 13 Rn. 23, 24. 17 Die Einordnung der Reflexbewegungen und der automatisierten Handlungen ist problematisch. vgl. NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 43; Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 13 Rn. 28, 33; darüber in: LK-Walter, Vor § 13 Rn. 37; LK11-Jescheck, Vor § 13 Rn. 41; MKFreund, Vor § 13 Rn. 144.
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1. Teil: Handlungsbegriff nach der deutschen und türkischen Konkurrenzlehre
Körperbewegungen.18 Bei diesen Handlungen kann von einem willensgetragenen Verhalten keine Rede sein. In der Lehre wird vertreten, dass die kausale Handlungslehre der Abgrenzungsfunktion der Handlung dient, indem sie die oben erwähnten Handlungen nicht als Handlungen akzeptiert und diese entsprechend von dem Handlungsbegriff ausnimmt.19 Die kausale Handlungslehre wird in der Lehre zur Bestimmung des Begriffes als nicht ausreichend angesehen und stößt auf Kritik. Der erste Grund dafür ist, dass diese Ansicht zur Erklärung der Unterlassungsdelikte (besonders bei unbewussten fahrlässigen Unterlassungsdelikten) nicht geeignet sei, da bei den Unterlassungsdelikten die Körperbewegung (Muskelanspannung) nicht beweisbar sei. Als weiterer Ablehnungsgrund wird die Kausalität angeführt, denn der Kausalzusammenhang dehne (Conditio-sine-qua-non-Formel) den Anwendungsbereich der Handlung zu weit aus.20
III. Handlung nach der finalen Handlungslehre Nach der von Welzel begründeten finalen Handlungslehre ist die Handlung „Ausübung der Zwecktätigkeit“, da jede Handlung zweckgebunden sei. Der Mensch plane seine Handlungen vorher und stelle dafür erforderliche Mittel bereit.21 Demnach handele er, um seinen Zweck zu erreichen. Laut Welzel22 ist „Finalität sehend, Kausalität blind“ und zur Bestimmung der Handlung ist nicht die Änderung in der Außenwelt durch willkürliches Verhalten, sondern die Ausübung der Zwecktätigkeit ausschlaggebend. Die finale Steuerung der Handlung bestehe aus zwei Stufen: Die erste liege in der „Vorwegnahme des Ziels“. Der Täter bestimme gedanklich sein Ziel und die dafür erforderlichen Mittel und berücksichtige die Nebenfolgen seiner Handlungen. Unter Berücksichtigung der Nebenfolgen habe er die Möglichkeit, die ungewollten Folgen zu beschränken, indem er seine Handlungen danach ausrichte. Daneben könne die Berücksichtigung der Nebenfolgen dazu führen, dass der Handlungswille die Verwirklichung der Nebenfolgen umfasse.23 Die zweite Stufe umfasse die Verwirklichung des Ziels in der realen Welt durch geplante Handlungen
18 NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 43: mit den Worten von Puppe ist der Täter „nicht Herr seines Körpers“; Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 13 Rn. 28 ff. 19 Roxin, Strafrecht AT I, § 8 Rn. 12; NK-Puppe, Vor § 13 Rn. 43; Jakobs, Strafrecht AT, 6 Rn. 7. 20 Brammsen, GA 2002, 193, 200; Roxin, Strafrecht AT I, § 8 Rn. 12, 13; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 23 II 2; gegen alle Ablehnungsgründe in: LK-Walter, Vor § 13 Rn. 30 ff. 21 Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 202. 22 Welzel, Das Deutsche Strafrecht, S. 33; in gleicher Weise: Maurach/Zipf, Strafrecht AT I, § 16 Rn. 4, 38 ff. 23 Welzel, Das Deutsche Strafrecht, S. 34, 35.
A. Handlungsbegriff des Verbrechenssystems
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mit den vorher bestimmten Mitteln. Wenn der Handelnde den geplanten Erfolg nicht erreiche, liege nur ein Versuch vor.24 Der finale Handlungsbegriff ist in der Lehre25 auf Kritik gestoßen, weil er nicht geeignet sei, alle Verhaltensformen im Strafrecht zu umfassen. Nach dieser Ansicht fehlt die Steuerung des Kausalgeschehens bei den Unterlassungsdelikten. Von Vertretern dieser Lehre wird hingegen angenommen, dass auch bei den Unterlassungsvorgängen eine zielgerichtete Handlung vorliege.26 Es sei problematisch, auch bei fahrlässigen Delikten die Handlung als finale Handlung zu bezeichnen, da der Wille des Menschen besonders bei den unbewussten Fahrlässigkeitsdelikten den Erfolg nicht beinhalte.27 Bei den automatisierten Handlungen und Kurzschlusshandlungen wird die Finalität auch bezweifelt, da der Handelnde in solchen Fällen seine Handlungen nicht bewusst steuere.28 Die Befürworter der finalen Handlungslehre haben gegen diese Meinung das Argument hervorgebracht, dass jede Handlung ein finales Element habe. So gebe es auch bei den fahrlässigen Delikten eine finale Handlung. Der vom Täter erreichte Erfolg sei für die Finalität der Handlung nicht entscheidend, sondern das vom Täter gewollte Ziel. Wenn der Täter während des Reinigens seines Gewehrs jemanden fahrlässig töte, liege eine finale Reinigungshandlung vor.29 Der Vorsatz sei ein subjektives Element der Handlung und gehöre nicht zur Schuld; im Gegensatz zur klassischen und neoklassischen Verbrechenslehre. Nach Weber hat diese Lehre „den Vorsatz aus dem Bereich der Schuld herausgenommen und der tatbestandsmäßigen Handlung zugeschlagen.“30 Danach ist der Zweck der tatbestandsmäßigen Handlungen mit dem Vorsatz identisch.31
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Welzel, Das Deutsche Strafrecht, S. 35. S/S-Eisele, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 31; Kaufmann, Die Dogmatik, S. 66 ff.; Jescheck/ Weigend, Strafrecht AT, § 23 III 2b; Roxin, Strafrecht AT I, § 8 Rn. 19. 26 Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II7, § 45 Rn. 12 ff. 24, Wenn das Kind einen Topf mit kochendem Wasser selbst herabzieht, während die Mutter völlig konzentriert die Hemden bügelt und das Verhalten des Kindes nicht bemerkt, liegt eine zielgerichtete Handlung vor, nämlich das Bügeln der Hemden; vgl. Welzel, Das Deutsche Strafrecht, S. 31. 27 Gropp, Strafrecht AT, § 4 Rn. 46 ff.; Jakobs, Strafrecht AT, 6 Rn. 15; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 84; Hirsch, ZStW 93 (1981), 831, 838; Artuk/Gökçen/Yenidünya, Ceza Hukuku, S. 226. 28 Roxin, Strafrecht AT I, § 8 Rn. 24; S/S-Eisele, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 31; Baumann/ Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 13 Rn. 69. 29 Von Niese in: Jakobs, Strafrecht AT, 6 Rn. 15; Maurach/Zipf, Strafrecht AT I, § 16 Rn. 44; Roxin, Strafrecht AT I, § 8 Rn. 21. 30 Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 12 Rn. 6. 31 Roxin, Strafrecht AT I, § 7 Rn. 18, § 8 Rn. 18; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 22 V 3; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 84. 25
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1. Teil: Handlungsbegriff nach der deutschen und türkischen Konkurrenzlehre
IV. Handlung nach der sozialen Handlungslehre Nach der sozialen Handlungslehre kann ein Tun oder Unterlassen als Handlung bewertet werden, wenn durch willkürliches Verhalten in der Außenwelt etwas verändert wird.32 Danach liegt eine Handlung vor, wenn ein vom menschlichen Willen beherrschter oder voraussehbarer sozialer Erfolg eintritt.33 Für diese Lehre ist nicht die subjektive Seite der Handlungen ausschlaggebend, sondern „der soziale Sinnzusammenhang“. Laut Jescheck „ist Handlung sozialerhebliches menschliches Verhalten.“34 Maiwald hat den Handlungsbegriff als „ein für Menschen beherrschbares Verhalten mit voraussehbarem sozialen Erfolg“ definiert. Ihm zufolge stellt die soziale Handlungslehre ein Grundelement für den Handlungsbegriff dar; dieser umfasse nämlich sowohl die fahrlässigen und vorsätzlichen Begehungsdelikte als auch die Unterlassungsdelikte.35 Die soziale Handlungslehre umfasst das Tun und Unterlassen als eine allgemeine Verhaltensnorm. Die Befürworter der sozialen Handlungslehre halten den sozialen Handlungsbegriff als Grenzelement für geeignet36, aber das Grenzelement wird von den Gegnern als ungeeignet angesehen. Dies resultiere daraus, dass auch die Handlungen im Schlaf, Akte der juristischen Personen, Reflexbewegungen oder durch vis absoluta erzwungene Körperbewegungen sozialerheblich seien.37 In der Lehre wird auch vertreten, dass die Sozialerheblichkeit zur Bestimmung der Handlung nicht geeignet sei, weil diese nicht bei der Bestimmung der Handlung, sondern als „eine wichtige Eigenschaft bei der Unrechtsbewertung“ von Bedeutung sei. Neben den sozialerheblichen Handlungen liegen also auch sozialunerhebliche Handlungen vor. Wenn eine sozialunerhebliche Handlung vorliegt, handelt es sich zwar um eine Handlung, aber ohne soziale Bedeutung.38
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v. Liszt/Schmidt, Lehrbuch, § 28, S. 154. Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 84; Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 201; Gropp, Strafrecht AT, § 4 Rn. 57. 34 Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 23 VI 1. 35 Maihofer, FS-Eb. Schmidt, S. 156, S. 181; nach seiner Definition besteht der Handlungsbegriff aus vier Elementen: „1. Die Voraussehbarkeit des Erfolges; 2. Die Beherrschbarkeit des Handlungsgeschehens; 3. der Maßstab des Menschenmöglichen; 4. Folgen für die anderen“, S. 178 ff.; Gropp, Strafrecht AT, § 4 Rn. 58; Roxin, Strafrecht AT I, § 8 Rn. 28; der soziale Handlungsbegriff sei nicht als Oberbegriff für die verschiedenen Verhaltensformen geeignet. Hirsch, ZStW (93) 1981, 831, 855; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 23 VI 1; Jescheck, FS-Eb. Schmidt, S. 139, 150 ff. 36 Maihofer, FS-Eb. Schmidt, S. 156, S. 181; über die Funktionen des sozialen Handlungsbegriffes in: Maihofer, Der Handlungsbegriff, S. 65 ff. 37 Gropp, Strafrecht AT, § 4 Rn. 59; Roxin, Strafrecht AT I, § 8 Rn. 29; dagegen: Jescheck/ Weigend, Strafrecht AT, § 23 VI 2 a. 38 Roxin, Strafrecht AT I, § 8 Rn. 32. 33
A. Handlungsbegriff des Verbrechenssystems
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V. Andere Handlungslehren 1. Der negative Handlungsbegriff Der negative Handlungsbegriff geht von einem negativen Ausdruck aus. Zur Bestimmung des Handlungsbegriffes ist die Vermeidbarkeit des Erfolges entscheidend.39 Das von Kahrs40 als Zurechnungskriterium benutzte Vermeidbarkeitsprinzip wurde in der Lehre zur Bestimmung des Handlungsbegriffes angenommen. Laut Herzberg41 ist die Handlung das vermeidbare Nichtvermeiden in Garantenstellung. Herzberg legt zur Erklärung seiner Auffassung ein Beispiel zugrunde; A verletzt den X in Tötungsabsicht mit einem Messer. Dem X wird weder von seinem Sohn B noch von C Hilfe geleistet. A, B und C hätten in diesem Fall die Tötung des X vermeiden können, aber sie haben dies nicht getan. A hätte durch das Nichtniederstechen („durch schlichte Unterlassung“) und B und C hätten durch Hilfeleistungen den Erfolg vermeiden können. Als Oberbegriff wird die unterlassene Hilfeleistung und das Niederstechen als durch aktives Tun vermeidbares Nichtvermeiden bezeichnet.42 Um es mit den Worten Herzbergs zu sagen, hat der Täter „ etwas“ nicht vermieden. Von Engisch wurde das vermeidbare Nichtvermeiden wegen seiner doppelten Negation als „Nicht-Nicht-Herbeiführung des Erfolges und Nicht-Nicht-Vornahme einer Tätigkeit“ bezeichnet und die Gleichstellung des Tuns und Unterlassens abgelehnt.43 In der Lehre wird der negative Handlungsbegriff aufgrund der Nichterfüllung der Verbindungs- und Abgrenzungsfunktion kritisiert. Daneben wird auch vertreten, dass der Grundsatz dieser Lehre keinen Handlungsbegriff bilde und mit der Zurechnungslehre in enger Beziehung stehe.44 2. Der personale Handlungsbegriff Nach dem personalen Handlungsbegriff muss unter dem Begriff der Handlung „eine Persönlichkeitsäußerung“, die durch geistige und seelische Wirkungen zustande gekommen ist, verstanden werden. Handlungen, die nicht unter der Kontrolle 39 Herzberg, Die Unterlassung, S. 169 ff.: nach Herzberg ist dieser Handlungsbegriff als negativ zu bezeichnen, weil wesentlich ist, was der Täter nicht tut, und weil „er ein Nichthandlungs-, Unterlassungsbegriff ist“, S. 177. 40 Kahrs, Das Vermeidbarkeitsprinzip, S. 34: „Dem Täter wird ein Erfolg zugerechnet, wenn er ihn nicht vermieden hat, obwohl das Recht es ihm gebot“; Herzberg, Die Unterlassung, S. 171; Roxin, Strafrecht AT II, § 8 Rn. 33. 41 Herzberg, Die Unterlassung, S. 174 ff. 42 Herzberg, Die Unterlassung, S. 170; indem Behrendt Herzbergs Auffassungen zugrunde legt, definiert er das Unterlassen als „vermeidbares Nichtvermeiden der tatbestandsmäßigen Situation“. Behrendt, Die Unterlassung im Strafrecht, S. 132. 43 Engisch, FS-Gallas, S. 163, 194; Roxin, Strafrecht AT I, § 8 Rn. 35; NK-Puppe, Vor §13 Rn. 52. 44 Roxin, Strafrecht AT I, § 8 Rn. 36 ff.; LK-Jescheck11, Vor § 13 Rn. 31.
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1. Teil: Handlungsbegriff nach der deutschen und türkischen Konkurrenzlehre
von Menschen stehen, stellen keine Persönlichkeitsäußerungen dar.45 Als Grundelement erfüllt der personale Handlungsbegriff seine Funktion, indem er alle Erscheinungsformen (fahrlässige und vorsätzliche Handlungen und Unterlassen) des Verhaltens umfasst.46 Laut Roxin stimmt der personale Handlungsbegriff mit dem sozialen und negativen Handlungsbegriff überein und stellt einen normativen Begriff dar.47
VI. Eine abweichende Ansicht über die Notwendigkeit eines Handlungsbegriffes In der Lehre wird vertreten, dass es ziemlich schwer oder gar unmöglich sei, einen bestimmten, alle Verhaltensformen des Menschen umfassenden Handlungsbegriff zu finden. Entscheidend seien für die Strafrechtsdogmatik nicht die Handlungslehren, sondern „Tatbestandsmäßigkeit und Unrecht.“ Der Handlungsbegriff spielt eine Rolle im Strafrechtsystem bei der Bestimmung des tatbestandmäßigen Tuns oder Unterlassens. Deswegen hat sich in den letzten Jahrzehnten die Bedeutung der Handlungslehren verringert.48 Dem Handlungsbegriff wurde nur eine negative Funktion beigemessen. Danach erfüllt die Handlung ihre negative Funktion, indem sie die Handlungen, die in der strafrechtlichen Ebene keine Bedeutung haben, ausschließt (Bewegungen im Zustand der Bewusstlosigkeit, durch vis absoluta hervorgerufene Handlungen usw.).49
VII. Ein Überblick über die Handlungslehre im türkischen Strafrecht Laut Keyman50 sind die Handlungslehren nicht geeignet, die ihnen beigemessene Grund- und Definitionsfunktion für alle Verhaltensnormen zu erfüllen. Um die Klassifikationsfunktion zu erfüllen, müsse der allgemeine Handlungsbegriff eine abstrakte Definition darstellen, die neben den vorsätzlichen und fahrlässigen 45 Roxin, Strafrecht AT I, § 8 Rn. 44: „… Äußerungen, die durch Willen und Bewusstsein nicht beherrscht oder beherrschbar sind und deshalb nicht als Persönlichkeitsäußerungen bezeichnet, der seelisch-geistigen Schicht der ,Person‘ nicht zugerechnet werden können.“ 46 Auch für das Verbindungs- und Grenzelement ist der personale Handlungsbegriff geeignet. Roxin, Strafrecht AT I, § 8 Rn. 51 ff.; Gegenansicht: Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 23 V. 47 Roxin, Strafrecht AT I, § 8 Rn. 74. 48 S/S-Eisele, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 23/24, 37; Kühl, Strafrecht AT, § 2 Rn. 1; vgl. Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 6 Rn. 3; Bockelmann/Volk, Strafrecht AT, S. 40 ff. 49 Eser/Burkhardt, Strafrecht I, 3 Rn. 75 ff. 50 Keyman, AÜHFD 1988, S. 121, 137 ff.; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 90; vgl. Keyman, Suç Genel Teorisinin ˙Iki Temel Sorunu, S. 429 ff.
A. Handlungsbegriff des Verbrechenssystems
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Straftaten auch Begehungs- und Unterlassungsdelikte umfasse. Der Begriff müsse so allgemein und abstrakt sein, dass er alle vom Gesetzgeber als wichtig erachteten und als Straftat geregelten Verhaltensformen umfassenden Eigenschaften zuweisen müsse. Der Handlungsbegriff müsse demnach präzise und bestimmt sagen, was Handlung ist und was nicht, und habe deshalb die Aufgabe, vorsätzliche und fahrlässige sowie Begehungs- und Unterlassungsdelikte unter einer einzigen, präzisen und bestimmten Definition einordnen. Aber eine solche umfassende Definition zu finden, sei unmöglich, da es zwischen fahrlässigen und vorsätzlichen Handlungen und auch zwischen Tun und Unterlassen einen strukturellen Unterschied gebe. Der Grund zur Ablehnung einer allgemeinen Definition für Tun und Unterlassen51 sei, dass das Tun einfach wahrgenommen werden könne, ohne auf ein anderes Merkmal hingewiesen zu werden. Aber um Unterlassen anzunehmen, müsse ein anderes Merkmal herangezogen werden. Dieses Merkmal wurde von Keyman als „Norm“ bezeichnet. Danach bestehe das Unterlassen aus zwei Merkmalen. Das eine ist „das nicht Bewegen (Bewegungslosigkeit)“ und das zweite ist „eine Norm eines Faches (religiöse, sittliche oder wissenschaftliche Normen)“. Mit dem Vorhandensein dieser Norm kann von einem Menschen ein Tun verlangt werden.52 Auch zwischen den vorsätzlichen und fahrlässigen Handlungen gebe es einen tiefgreifenden strukturellen Unterschied. Obwohl der Täter zur Begehung der vorsätzlichen Delikte einen bestimmten Zweck verfolge, könne der Erfolg bei den fahrlässigen Delikten manchmal gar nicht vorhergesehen werden; der Erfolg trete mit dem kausalen Geschehen ein. Angesichts der Grenzfunktion und der negativen Funktion haben die Handlungslehren konkrete Ergebnisse erreicht, wie Keyman betont.53 Mit der Verknüpfung einer normativen Bewertung hat ein Teil der Lehre der finalen Handlungslehre zugestimmt, indem er den strukturellen Unterschied zwischen vorsätzlichen und fahrlässigen Handlungen und zwischen Tun und Unterlassen akzeptierte. Nach dieser Auffassung gibt es bei allen Straftaten eine Handlung. Aber während bei den Begehungsdelikten und vorsätzlichen Delikten ein ontologischer Blinkwinkel ausreichend sei, sei eine solche Bewertung aus der ontologischen Perspektive bei den Unterlassungs- und Fahrlässigkeitsdelikten nicht genug. Das Tun könne ohne Vorhandensein einer Regelung festgestellt werden, während zur Feststellung der Fahrlässigkeits- und Unterlassungsdelikte eine normative Bewertung gebraucht werde, da die Unterlassungs- und Fahrlässigkeitsdelikte nicht nur eine 51
Der Grund zur Ablehnung der Klassifikationsfunktion des Handlungsbegriffes für Tun und Unterlassen sei nicht, dass das Unterlassen keine Körperbewegung wie bei Begehungsdelikten erfordere oder dass sie keine kausale Wertung und keinen Zweck hätten. Keyman, AÜHFD 1988, S. 121, 137. 52 Für das strafbare Unterlassen kommt diese Norm von rechtlichen Regelungen. Wenn eine Regelung das Unterlassen nicht unter Strafe gestellt hat, darf Unterlassen nicht bestraft werden (normative Theorie). 53 Als ein konkretes Ergebnis kann hier das folgende Beispiel ausgeführt werden: Der Handlungsbegriff schließt die Handlungen aus, die für die strafrechtliche Beurteilung irrelevant sind. (z. B. Bewegungen im Zustand der Bewusstlosigkeit) Keyman, AÜHFD 1988, S. 121, 139.
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1. Teil: Handlungsbegriff nach der deutschen und türkischen Konkurrenzlehre
ontologische Eigenschaft hätten.54 Ein anderer Teil der Lehre55 stimmt der kausalen Handlungslehre zu. Die Handlung sei das positive und negative Verhalten, das die Rechtsgüter verletze. Deswegen bestimme die kausale Handlungslehre den strafrechtlichen Handlungsbegriff bestens. Aber daneben wird auch in dieser Lehre die Wichtigkeit der normativen Auffassungen besonders in den Vordergrund gestellt. Damit eine Handlung im Strafrecht von Bedeutung ist, muss sie die Straftatbestände erfüllen. Das heißt: Die Wichtigkeit der Handlung im Strafrecht hängt von der Erfüllung der Straftatbestände ab. Aus diesem Grunde sind auch die Auffassungen, die auf die Tatbestandsmäßigkeit bei der Feststellung des Handlungsbegriffes großen Wert legen, als richtig zu bewerten.56 Laut Dönmezer/Erman57 muss die normative Auffassung im Gegensatz zu den ontologischen Handlungslehren akzeptiert werden. Es sei völlig egal, ob das Verhalten als positiv (Tun) oder als negativ (Unterlassen) in Erscheinung trete. Wichtig sei vielmehr, dass die Handlung die Straftatbestände erfülle oder nicht erfülle. Deswegen mache es keinen Unterschied, ob der Täter die Straftatbestände durch Tun oder durch Unterlassen verletze. In der türkischen Lehre wird auch vertreten, dass die Handlungslehren im modernen Strafrecht keine Bedeutung mehr hätten, da der Handlungsbegriff überflüssig geworden sei. Zwar liege es im Wesen der Handlung, dass sie einen ontologischen Charakter habe, aber das strafrechtsrelevante Verhalten müsse die gesetzliche Regelung verletzen. Dieses Verhalten könne als Tun oder Unterlassen erkennbar werden.58
54 Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 88 ff.; Artuk/Gökçen/Yenidünya, Ceza Hukuku, S. 228 f.; Özgenç, Türk Ceza Hukuku, S. 152; Demirbas¸, Ceza Hukuku, S. 211: Das Unterlassen hat eine ontologische Wahrheit, aber nicht wie bei der natürlichen Lehre. Die Basis der Rechtswidrigkeit des Unterlassens beruft sich darauf, etwas nicht zu machen, obwohl die Fähigkeit vorhanden ist, etwas zu machen,. Also das Unterlassen wird nicht vom Gesetz gebildet, aber daneben kann auch das Vorliegen eines Unterlassens ohne gesetzliche Regelung beobachtet werden. Das Gesetz hält nur ein subjektives Verhalten für wichtig. Die normative Handlungslehre übersehe diesen ontologischen Charakter des Unterlassens, vgl. Keyman, AÜHFD 1988, S. 121, 165; vgl. ders., Suç Genel Teorisinin I˙ki Temel Sorunu, S. 449 ff. 55 Önder, Ceza Hukuku, S. 161; Centel/Zafer/C¸akmut, Türk Ceza Hukukuna Giris¸, S. 243. 56 Centel/Zafer/C¸akmut, Türk Ceza Hukukuna Giris¸, S. 243. 57 Dönmezer/Erman, Nazari ve Tatbiki C I, S. 372: Die Bestrafung der den Ertrunkenen nicht gerettet habenden Person hängt von einer strafrechtlichen Regelung ab. Wenn er (für den Ertrunkenen) keine gesetzliche Verpflichtung erfüllen muss, wird nicht von einer strafrechtsrelevanten Handlung gesprochen. Deswegen muss die Rettungsaktion nicht geleistet habende Person gesetzlich verpflichtet sein, den Ertrunkenen zu retten, um eine strafrechtliche Handlung anzunehmen. 58 ˙ Içel, Ceza Hukuku, S. 54.
C. Handlungsbegriff der Konkurrenzlehre im deutschen Recht
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B. Tat im strafprozessualen Sinn Der prozessuale Tatbegriff ist nicht gleichbedeutend mit dem materiell-rechtlichen Tatbegriff, obwohl sie manchmal übereinstimmen. Im prozessrechtlichen Sinn umfasst die in der Anklage bezeichnete Tat das Verhalten des Täters, das nach der Lebensauffassung sowohl innerlich als auch äußerlich verknüpft ist. Wenn das Geschehen nach diesen Kriterien einen einheitlichen Lebensvorgang bildet, liegt eine Tat im strafprozessrechtlichen Sinn vor.59 Der enge sachliche, räumliche und zeitliche Zusammenhang kann für die Annahme einer Tat ein Indiz sein, dieser Zusammenhang ist aber nicht unerlässlich und entscheidend.60 Zur Begründung der Tatidentität können die gleichartige Begehungsweise der Straftaten, die Identität der verletzten Rechtsgüter, die einheitliche Tatsituation und Gleichzeitigkeit der Vorbereitungshandlungen als Ausgangspunkte angenommen werden61, wenn andere zwingende Voraussetzungen vorliegen. Grundsätzlich liegt auch beim Vorliegen einer Handlungseinheit im konkurrenzrechtlichen Sinn eine prozessuale Tat vor. Wenn eine Tatmehrheit gemäß § 53 StGB vorliegt, kann im Prinzip nicht von einer prozessualen Tat62 gesprochen werden.63
C. Handlungsbegriff der Konkurrenzlehre im deutschen Recht Der deutsche Gesetzgeber hat in § 52 StGB im Rahmen der Tateinheit geregelt, dass die Verletzung mehrerer Strafgesetze oder die mehrmalige Verletzung desselben Strafgesetzes durch „dieselbe Handlung“ zustande kommt. Hingegen hat er nicht abgeklärt, was eine Handlung im konkurrenzrechtlichen Sinn ist. Man kann diese Regelung dahingehend verstehen, dass der Handlungsbegriff das wichtigste Element sowohl bei der Abgrenzung zwischen Tateinheit und Tatmehrheit als auch sozusagen das Hauptthema der Konkurrenzlehre ist. Deswegen ist festzustellen, wann eine Handlung (Handlungseinheit) vorliegt oder wann mehrere Handlungen (Handlungsmehrheit) gegeben sind.64 59 Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 20 Rn. 5; Haller/Conzen, Das Strafverfahren, Kap. 2 Rn. 56; BGH NJW 1992, 2838, 2838; LR-Stuckenberg, § 264 Rn. 15; BGH JuS 2000, S. 503 f. 60 BGH NStZ 1999, S. 523 f.; LR-Stuckenberg, § 264 Rn. 16; Erb, ZStW 117 (2005), S. 37 und S. 85. 61 LR-Stuckenberg, § 264 Rn. 17, 20. 62 LR-Stuckenberg, § 264 Rn. 71 ff., 87, abweichende Fälle Rn. 88 ff.; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, § 20 Rn. 8 ff.; SK-StPO/Velten, § 264 Rn. 633; Geppert, Jura 1982, 358, 367; Klumpe, Probleme der Serienstraftat, S. 104 ff.; Erb, ZStW 117 (2005), 37, 86. 63 Für die Ausnahmen: Eschelbach, in: BeckOK StPO, § 264 Rn. 8. 64 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 6; LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 7; Jescheck/ Weigend, Strafrecht AT, § 66 I; LK10-Vogler, vor § 52 Rn. 2: Lang, Die Idealkonkurrenz,
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1. Teil: Handlungsbegriff nach der deutschen und türkischen Konkurrenzlehre
Zum Feststellen des Handlungsbegriffs im konkurrenzrechtlichen Sinn und zur Abgrenzung der Handlungseinheit von der Handlungsmehrheit werden im Schrifttum und in den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs einige Kriterien entwickelt. Diese Kriterien werden jedoch uneinheitlich bewertet.65 Es ist schwer, von einer Übereinstimmung zwischen den verschiedenen höchstrichterlichen Entscheidungen zu sprechen. Auch in der Lehre wurde bis heute keine befriedigende Lösung bzw. kein einheitlicher Handlungsbegriff, der für alle Fälle Anwendung finden kann, gefunden. Um eine umfassende Form zur Feststellung der Handlungseinheit in der Konkurrenzlehre zu finden, werden verschiedene Handlungseinheitsformen entwickelt.66 In diesem Zusammenhang spricht man von Handlung im natürlichen Sinn, von natürlicher Handlungseinheit und tatbestandlicher Handlungseinheit.
I. Die Formen der Handlungseinheit 1. Handlung im natürlichen Sinn Eine Handlung im natürlichen Sinn ist gegeben, wenn der Straftatbestand nur durch eine Körperbewegung oder deren Unterlassung67 bzw. Willensbetätigung erfüllt wird.68 Beim Vorliegen einer von einer Willensbetätigung zustande kommenden Körperbewegung muss immer eine Handlung angenommen werden. Es kommt nicht darauf an, wie viele Strafgesetze verletzt werden oder ob durch eine Handlung im natürlichen Sinn mehrere höchstpersönliche Rechtsgüter verletzt werden.69 Auch die Gleichzeitigkeit der Willensbetätigungen reicht nicht aus, um von der Handlung im natürlichen Sinn zu sprechen.70 In diesem Sinn hat der Handlungsbegriff eine ziemlich enge Bedeutung. Also ist, wenn jemand durch einen Schuss zwei Menschen tötet (bzw. einen tötet oder andere Personen verletzt) oder durch ein Schimpfwort mehrere Personen beleidigt, nur eine Handlung im natürlichen Sinn gegeben. Im umgekehrten Fall, in welchem die Tötung oder die Verletzung zweier Menschen durch zwei Schüsse verursacht wird, liegen mehrere Handlungen im natürlichen Sinn vor.71 S. 485 f.: Nach Lang ist „die Feststellung, ob ,eine Handlung‘ vorliegt, nicht sicher durchführbar und zusätzlich jederzeit veränderbar.“ 65 LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 7. 66 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 14; Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 36 Rn. 14; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 10; Warda, FS-Hirsch, S. 392, 400 ff. 67 Die Nichtverwirklichung der verbotenen oder gebotenen Handlung; die Bestimmung der sog. Unterlassungseinheit bei den Unterlassungsdelikten wird unten behandelt werden. 68 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 17; Kindhäuser, Strafrecht AT, § 45 Rn. 4; BGHSt 1, 20, 21; Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 54 Rn. 11 f. 69 BGHSt 1, 20, 20 f.; 2, 246, 246. 70 S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 11; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn 18. 71 Wessels/Beulke, Strafrecht AT, Rn. 748; BGHSt 1, 20, 20 f.
C. Handlungsbegriff der Konkurrenzlehre im deutschen Recht
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Handelt es sich um eine Handlung im natürlichen Sinn, ist es unumstritten, ob in solchen Fällen Tateinheit oder Tatmehrheit vorliegt. Wenn dieselbe Willensbetätigung nur ein Gesetz verletzt, gibt es keinen Fall, der mit §§ 52, 53 zu tun hat. Bei der Verletzung mehrerer Strafgesetze (oder bei mehrmaliger Verletzung desselben Gesetzes) durch eine Handlung im natürlichen Sinn ist es jedoch nicht mehr notwendig, die Frage zu erörtern, welche Konkurrenzform in diesem Fall gilt, weil die Handlungseinheit bzw. Tateinheit gemäß § 52 unzweifelhaft vorliegt. 2. Tatbestandliche Handlungseinheit72 a) Im Allgemeinen Die Tatbestände eines Gesetzes können vielmehr durch mehrere Handlungen im natürlichen Sinn oder durch mehrere Körperbewegungen erfüllt werden. Deswegen wäre es sinnlos und nicht gerecht, jede einzelne Willensbetätigung als eine Straftat erfüllende Handlung zu bewerten und von diesen Einzelakten eine Handlungsmehrheit zu bilden.73 Um diese mit dem Rechtsgefühl nicht vereinbare Situation zu verhindern, wird die tatbestandliche Handlungseinheit für manche Delikte akzeptiert. Anhand der tatbestandlichen Handlungseinheit werden die Nachteile der Handlungsmehrheit verringert. Die tatbestandliche Handlungseinheit wird auch als rechtliche oder normative Handlungseinheit bezeichnet. Liegen mehrere Handlungen im natürlichen Sinn vor, bilden diese Handlungen aus Rechtsgründen eine Handlung, weil einzelne Handlungen entweder ausdrücklich zu einer Tat zusammengefasst werden oder sie durch Auslegung als eine Handlung bewertet werden können.74 Bei der tatbestandlichen Handlungseinheit bilden mehrere Handlungen wegen der Fassung der Tatbestände eine Einheit und sie entsprechen dem Sinn und Zweck des Gesetzes.75 Zur Herstellung der tatbestandlichen Handlungseinheit oder zur Verbindung mehrerer Handlungen im natürlichen Sinn zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit dient der Tatbestand eines Gesetzes.76 Zu der tatbestandlichen Handlungseinheit können mehraktige Delikte, zusammengesetzte Delikte, Dauerdelikte und pauschalierende Handlungsbeschreibungen gezählt werden.
72 Die Dauerdelikte und mehraktigen Delikte werden im Schrifttum als tatbestandliche Handlungseinheit im engeren Sinn bezeichnet; Keller, Zur tatbestandlichen Handlungseinheit, S. 30 ff.; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 66 II 1 ff.; LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 20 ff. 73 MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 22. 74 Schmidhäuser, Strafrecht AT, 5 Rn. 145 f. 75 SK-Samson/Günther, vor § 52 Rn. 42; Warda, JuS 1964, 81, 84; Keller, Zur tatbestandlichen Handlungseinheit, S. 31 ff. 76 Lackner/Kühl, vor § 52 Rn. 10; Wessels/Beulke, Strafrecht AT, § 17 Rn. 759.
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1. Teil: Handlungsbegriff nach der deutschen und türkischen Konkurrenzlehre
b) Mehraktige und zusammengesetzte Delikte Mehraktige Delikte, die begrifflich mehr als einen Einzelakt erfordern, bilden eine Unterkategorie der tatbestandlichen Handlungseinheit. Der meist als Bespiel genannte Raub besteht aus zwei Einzelakten, nämlich der Drohung beziehungsweise Gewaltanwendung und der Wegnahme; dennoch bildet er nur eine Raubhandlung im Sinn der tatbestandlichen Handlungseinheit.77 Ebenso liegt eine tatbestandliche Handlungseinheit vor und der Täter begeht nur eine Straftat gemäß § 306b II Nr. 3, wenn er erst einen Brand legt und die zum Löschen des Brandes erforderlichen Löschmittel vom Tatort entfernt. Eine tatbestandliche Handlungseinheit liegt auch dann vor, wenn der zweite Akt, der nach der Tatbestandsauffassung nur beabsichtigt sein muss, tatsächlich vollzogen wird.78 Wenn jemand erst Geld verfälscht oder nachmacht und dann als echt in den Verkehr bringt, begeht er nur eine Straftat gemäß § 146 Abs. 1 Nr. 1. Das Nachmachen oder Verfälschen des Geldes und das Inverkehrbringen dieses Geldes ist nur eine Geldfälschungshandlung. Entsprechendes gilt auch für § 267 und § 242 (Wegnahme und Zueignung).79 c) Dauerdelikte Dauerdelikte haben eine eigene Besonderheit; danach können Dauerstraftaten in jedem Augenblick beendet und wieder angefangen werden. Je länger das Delikt andauert, desto höher ist der Unrechtsgehalt der Tat. Durch die tatbestandliche Handlungseinheit werden viele, die Straftat erfüllenden Momente als Dauerdelikt zusammengebracht, sodass nur eine tatbestandliche Handlung und dementsprechend eine Straftat vorliegt. Wenn man einen bestimmten Zeitraum des Dauerdelikts herausschneidet, liegt somit immer noch eine Dauerstraftat vor.80 Bei den Dauerdelikten schafft der Täter nicht nur einen rechtswidrigen Zustand, sondern erhält diesen Zustand auch aufrecht und setzt seine Tathandlung ohne Unterbrechung fort.81 Die tatbestandliche Handlungseinheit umfasst bei den Dauerdelikten Schaffung, Aufrechterhaltung und Fortsetzung des rechtswidrigen 77
Die sogenannten zusammengesetzten Delikte. Roxin, Strafrecht AT, II § 33 Rn. 20; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 26, 27. 79 Roxin, Strafrecht AT, II § 33 Rn. 20; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 14; Keller, Zur tatbestandlichen Handlungseinheit, S. 32; LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 21; Werle, Die Konkurrenz bei Dauerdelikt, S. 29; Warda, JuS 1964, 81, 84; MKv. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 27; BGHSt 35, 21, 27: „Regelmäßig bildet das Inverkehrbringen falschen Geldes mit der vorausgegangenen, gesondert unter Strafe gestellten Vorbereitungshandlung des Sichverschaffens eine einheitliche Tat.“ 80 „Man kann einen beliebigen Augenblick herausgreifen und das ganze vorhergehende und nachfolgende Verhalten des Täters hinwegdenken, und es bleibt doch noch eine strafbare Handlung übrig.“ Hafkesbring, Das Dauerverbrechen, S. 20. 81 BGHSt 42, 215, 216; 36, 255, 257; Schittenhelm, GA 1983, 310, 323; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 22; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 28. 78
C. Handlungsbegriff der Konkurrenzlehre im deutschen Recht
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Zustandes. Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, begeht gemäß § 239 nur eine Straftat, auch wenn er die Einsperrung nach längerer Zeit nicht beendet und durch neue Handlungen die Flucht des Opfers erschwert oder unmöglich macht (z. B. durch Vernageln der Tür).82 Trunkenheit im Verkehr (§ 316), Hausfriedensbruch (§ 123), Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 I Nr. 1 StVG) sind solche Delikte, die mit der Schaffung des rechtswidrigen Zustandes vollendet, aber erst durch die Beseitigung dieses Zustandes beendet werden. Die (unterlassenen)83 Handlungen, die in jedem Augenblick die Fortsetzung des rechtwidrigen Zustandes aufheben könnten, die den rechtswidrigen Zustand schaffen, begründen keine Handlungsmehrheit. Somit liegt nur eine Straftat vor und eine tatbestandliche Handlungseinheit ist gegeben.84 aa) Was bedeutet kurze Unterbrechung? Die Antwort auf die Frage, wann bei den Dauerdelikten eine Unterbrechung vorliegt oder diese Delikte ausgeschlossen sind, spielt eine wichtige Rolle bei der Feststellung der tatbestandlichen Handlungseinheit. Nach der überwiegenden Ansicht beeinflussen die kürzeren Unterbrechungen die Fortsetzung der Dauerdelikte nicht, auch in solchen Fällen liegt eine tatbestandliche Handlungseinheit vor. Fährt der Täter betrunken im Verkehr, erfüllt er die Tatbestände des Gesetzes nur ein einziges Mal; es liegt nur dann ein Dauerdelikt und somit eine tatbestandliche Handlungseinheit vor, wenn er während der Fahrt den Wagen anhält, um zu tanken, vor der Ampel zu warten oder etwas zu essen.85 In der Lehre ist etwa auch Seier der Ansicht, dass die verkehrsbedingten kürzeren Fahrtunterbrechungen der Annahme der tatbestandlichen Handlungseinheit nicht entgegenstehen. Die Unterbrechungen aus Verkehrsgründen sind beispielsweise das Warten vor der Ampel, Bahnschranken oder bei Staus. Wenn aber vorübergehende kürzere Fahrtunterbrechungen nicht aus Verkehrsgründen zustande kommen, liegt auch in solchen Fällen eine natürliche Handlungseinheit vor. In beiden Fällen ist das Ergebnis identisch, da beide Tathergänge eine Handlungseinheit darstellen. Nach dieser Ansicht liegt eine natürliche Handlungseinheit vor, wenn die Fahrt unter82
MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 28. Die Dauerdelikte können durch eine Kombination von Tun und Unterlassen begangen werden. Werle, Die Konkurrenz bei Dauerdelikt, S. 32; Struensee, Die Konkurrenz, S. 57 ff.; die Dauerstraftaten unterteilen sich in ursprünglich drei Gruppen: (1) Begehungsdauerstraftaten, (2) Unterlassungsstraftaten (echte und unechte), (3) Als Tun und Unterlassen zusammengesetze Dauerstraftaten. Riemerschmid, S. 14 ff.; Kritik an erster Gruppe: Hafkesbring, Das Dauerverbrechen, S. 19; Struensee, Die Konkurrenz, S. 57. 84 LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 49, 50; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 81; Lackner/Kühl, vor § 52 Rn. 11; Seier, NZV 1990, S. 129, 129; Geerds, Zur Lehre von der Konkurrenz, S. 266; Hruschka, GA 1968, S. 193 ff.; SK-Samson/Günther, vor § 52 Rn. 49. 85 S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 81; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 23; LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 53. 83
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1. Teil: Handlungsbegriff nach der deutschen und türkischen Konkurrenzlehre
brochen wird, um andere Personen aus- oder einsteigen zu lassen oder um in einer Gaststätte zu essen.86 Diese Ansicht soll nicht nur für Verkehrsdelikte gültig sein, sondern muss auch auf die tatbestandliche Handlungseinheit bei anderen Dauerdelikten übertragen werden. Wenn z. B. das eingesperrte Opfer es schaffen würde, das Zimmer, in dem es eingesperrt wurde, kurz zu verlassen und vom Täter gleich wieder eingesperrt würde, würden beide Einsperrvorgänge eine Handlung bilden; so wäre eine Handlungseinheit gegeben, weil „kurzfristige Unterbrechungen die tatbestandliche Handlungseinheit nicht beseitigen“87. Beim Hausfriedensbruch liege nur eine Handlung bzw. eine Handlungseinheit vor, wenn der Täter kurz die Wohnung verlasse, um zu rauchen, und dann wieder eindringe.88 Aber bei der Freiheitsberaubung unterbricht die Handlung des Täters (das Verlassen der Wohnung) das Dauerdelikt nicht, da das Opfer immer eingesperrt bleibt und das Delikt von seiner Dauereigenschaft nichts verloren hat. Um festzustellen, wann ein Dauerdelikt beendet ist oder wann ein Dauerdelikt unterbrochen wird, ist auf die Zeitspanne der Unterbrechungen abzustellen. Deswegen hat die Unterscheidung zwischen kurzen und langen Unterbrechungen eine wesentliche Bedeutung. Eine Unterbrechung, die einen Monat, eine Woche oder eine Nacht dauert, ist lang und deshalb liegen mehrere tatbestandliche Handlungen vor. Wenn also jemand nach der ersten fahruntüchtigen Fahrt eine Nacht schläft und am nächsten Tag wieder fahruntüchtig weiterfährt, liegen mehrere Handlungen und zwei selbstständige Dauerstraftaten vor.89 Die Obergerichte nehmen bei manchen Delikten, bei welchen die Fahrt eine Stunde oder über eine Stunde unterbrochen wird, an, dass solche Unterbrechungen die Einheit der Handlung oder Tat nicht berühren.90 Aber trotzdem sind die diesbezüglichen Entscheidungen nicht einheitlich. Nach einigen Entscheidungen der Obergerichte behindert eine eineinhalbstündige Fahrtunterbrechung die Einheit der Handlung oder der Tat.91 bb) Unterbrechung durch einen Verkehrsunfall Die Rechtsprechung und das Schrifttum sind sich nicht einig, ob ein Verkehrsunfall die Einheit der Fahrt unterbricht und so eine oder zwei Trunkenheitsfahrten 86 Seier, NZV 1990, 129, 131; vgl. Roxin, Strafrecht AT, II § 33 Rn. 23; Einzelheiten siehe unten: Erster Teil C. I. 4. 87 MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 29. 88 MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 29; Roxin, Strafrecht AT, II § 33 Rn. 23; Maurach/ Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 54 Rn. 26. 89 S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 Rn. 84 ff. 90 OLG Karlsruhe VRS 35, 267, 267; OLG Celle VRS 30, 196, 197. 91 Seier, NZV 1990, 129, 132; OLG Köln NStZ 1988, 568, 568; OLG Düsseldorf NJW 1967, 1768, 1768 f.
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vorliegen. Nach der Rechtsprechung ist eine Trunkenheitsfahrt durch einen Unfall unterbrochen; es mache hier keinen Unterschied, ob der Fahrer kurz anhalte oder ohne anzuhalten weiterfahre. Der BGH hat seine Entscheidung damit begründet, dass der Täter „durch den Unfall sowohl im äußeren Geschehen wie auch in seiner geistigseelischen Verfassung vor eine neue Lage gestellt sei.“92 Nach einer Entscheidung des OLG Celle gibt der Unfall dem Fahrer die Möglichkeit, über seine eigenen Handlungen nachzudenken, und so ist es ein wichtiger Anlass dafür, dass beim Fahrer ein neuer Willensentschluss zustande kommt. Deswegen sei es berechtigt, in solchen Fällen eine Handlungsmehrheit anzunehmen.93 Wie vom BGH in seinen Entscheidungen angenommen, hat auch das OLG bei dieser Entscheidung die subjektive Seite des Vorgehens als entscheidend angesehen. Aber daneben hat der BGH in ähnlichen Fällen, in denen der Betrunkene oder ohne Führerschein fahrende Täter vor Polizeikontrollen fliehen wollte, eine Handlungseinheit angenommen, ohne zu untersuchen, ob der Fahrer in seiner geistig-seelischen Verfassung vor eine neue Lage gestellt war.94 Nach dem Grundsatz des BGH95 müsste auch in diesem Fall die Handlungseinheit abgelehnt werden. In der Literatur ist die Ansicht des BGH auf Kritik gestoßen. Die Kritiker haben ihre Ansicht damit begründet, dass der Fahrer seinen Fahrentschluss nach dem Unfall weder ändere noch beseitige. Dieser Ansicht zufolge kommt eine Unterbrechung nur zustande, wenn die Fahrunterbrechung sowohl äußerlich als auch innerlich eine deutliche Zäsur darstellt. Hält der Fahrer nach dem Unfall an, um den Schaden oder die Ergebnisse des Unfalls zu besichtigen, liegen eine Fahrtunterbrechung und zwei selbstständige Dauerstraftaten vor, wenn der Täter danach weiterfährt.96 Alleine die Verursachung eines Unfalls sei nicht ausschlaggebend, um von einem neuen Fahrtentschluss zu sprechen und den Vorsatzwechsel anzunehmen.97 Mit den höchstrichterlichen Entscheidungen taucht die Frage auf, wie man mit dem Fall umgehen soll, in welchem der Täter von einem von ihm verursachten Unfall erst bei einem Telefongespräch während der Weiterfahrt erfährt, weil er den Unfall nicht bemerkt hat und in fahruntüchtigem Zustand weitergefahren ist. Nach den Entscheidungen des BGH98 sollen auch in diesem Fall zwei Handlungen (zwei Dauerdelikte) vorliegen, da der Täter nach der Kenntnisnahme geistig und seelisch vor eine neue Lage gestellt ist. Und danach ist zu sagen, dass das Dauerdelikt nicht durch den Unfall, sondern durch den neuen Willensentschluss unterbrochen wird. Nach den oben genannten Entscheidungen des BGH beginnt das zweite Dauerdelikt 92
BGHSt 21, 203, 205; 23, 141, 144; 25, 72, 75; OLG Stuttgart NJW 1964, 1913, 1913 f. OLG Celle JR 82, 79, 79; OLG Düsseldorf VRS 87, 290, 292. 94 Vgl. Seier, NZV 1990, S. 129 und S. 132 f. 95 BGHSt 21, 203, 205. 96 S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 Rn. 85 ff.; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 24; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 29; Lackner/Kühl, vor § 52 Rn. 11. 97 Seier, NZV 1990, 129, 133; Werle, Die Konkurrenz bei Dauerdelikt, S. 190 ff. 98 BGHSt 21, 203, 205; 23, 141, 144; 25, 72, 75. 93
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nicht nach dem Unfall, sondern nach der Kenntnisnahme des Unfalls. Wenn der Täter nach der Kenntnisnahme des Unfalls weiterfährt, liegen nach dem BGH zwei Handlungen vor. Es ist aber auch fraglich, ob eine oder mehrere Handlungen gegeben sind, auch wenn der Fahrer sich nach einer Stunde über den Unfall informiert und sofort seine Fahrt beendet. In dieser Konstellation muss nur eine Handlung angenommen werden, da der Täter nach der Stellung der neuen geistigen und seelischen Lage seine Fahrt sofort beendet. Nach diesen Erklärungen kann festgestellt werden, dass eine solche Vorgehensweise irreführend ist. Nach Werle ist „die Mißachtung der Warnfunktion des Verletzungsdelikts“ entscheidend. Wenn der Fahrer weiterfahre, ohne den Unfall zu bemerken, liege nur eine Dauerstraftat vor. Die konkrete und vom Fahrer bemerkte Gefährdung des Straßenverkehrs habe auch für den Fahrer eine Warnfunktion und deswegen unterbreche eine solche Gefährdung die Fahruntüchtigkeit bzw. das Dauerdelikt.99 d) Mehrere Einzelakte erfordernde Verhaltensformen100 Bei einigen Straftaten verwirklicht der Täter die Tatbestände des Gesetzes mehrmals, aber trotzdem liegt eine Straftat vor, weil der ganze Handlungskomplex wegen der Gesetzesfassung oder durch die Auslegung des Gesetzes als eine Straftat bewertet wird, während das Delikt ein länger dauerndes Verhalten nicht voraussetzt aber akzeptiert. Landesverräterische geheimdienstliche Agententätigkeit (§§ 98, 99), friedensgefährdende Beziehungen (§ 100), die Zuhälterei (§ 181a) und die Misshandlung eines Schutzbefohlenen (§ 225) sind solche Delikte, die eine bestimmte Zeit dauern und auch durch eine Einzelhandlung begangen werden können. Die Handlungen, die zur Verwirklichung solcher Straftaten dienen, stellen nur eine tatbestandliche Handlung dar; die tatbestandliche Handlungseinheit ist also gegeben, da der Tatbestand alle Einzelhandlungen umfasst.101 Wenn eine tatbestandliche Handlungseinheit angenommen wird, spielt die Begehung dieser Straftaten durch eine oder mehrere Handlungen eine Rolle bei der Strafzumessung. Die unter diese Überschrift fallenden Delikte unterscheiden sich von den Dauerdelikten dadurch, dass die Dauerdelikte die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustandes – ohne 99
Werle, Die Konkurrenz bei Dauerdelikt, S. 201 ff. Die sogenannten pauschalierenden Handlungsbeschreibungen, die von manchen als tatbestandliche Handlungseinheit im weiteren Sinne eingeordnet wurden. LK10-Vogler, Vor § 52 Rn. 30; LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 23 ff. 101 NK-Puppe, § 52 Rn. 16; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 Rn. 15 ff.; Roxin, Strafrecht AT, II § 33 Rn. 25; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 34; Lackner/Kühl, vor § 52 Rn. 10; LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 24; SK-Samson/Günther, vor §52 Rn. 48; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 17 Rn. 5; Geppert, NStZ 1996, 57, 59; Paeffgen, JR 1999, 89, 89 ff.; Kühl, Strafrecht AT, § 21 Rn. 23; BGHSt 43, 1, 2; 40, 138, 164: „Das geltende Strafrecht kennt eine Reihe von Tatbeständen, die jeweils durch eine Einzelhandlung verwirklicht sein können, die aber ihrem Sinne nach in erster Linie ein über den Einzelfall hinausreichendes, auf gleichartige Tatwiederholungen gerichtetes Verhalten, somit ganze Handlungskomplexe treffen sollen“. 100
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Unterbrechung über eine bestimmte Zeit – voraussetzen, während diese Delikte mit den Unterbrechungen in verschiedenen Zeiten verwirklicht werden können.102 Im Fall der Misshandlung eines Schutzbefohlenen durch Quälen liegt nur eine Handlung im tatbestandlichen Sinn vor, auch wenn die Handlungen des Täters monatelang dauern. Der BGH hat in einer Entscheidung festgestellt, dass das Quälen (gemäß § 223b a.F., § 225 n.F.) mehrere Handlungen voraussetzt und zur Zusammenziehung mehrerer Einzelhandlungen weder die Bewertungseinheit noch die aufgegebene Rechtsfigur der fortgesetzten Tat erforderlich ist.103 Unerwähnt blieb hierbei, ob eine pauschalierende Handlungsbeschreibung für solche Fälle anwendbar ist. Der Tatbestand des § 225 StGB hat in Bezug auf den Begriff des Quälens ausdrücklich länger dauerndes Verhalten nicht erfordert, aber durch Auslegung soll man unter diesem Begriff mehrere Handlungen verstehen.104 3. Bewertungseinheit105 Die Bewertungseinheit wird von einem Teil der Lehre106 als ein selbstständiges Rechtsinstitut angesehen, da es zur Begründung einer solchen nicht darauf ankomme, ob die Einzelakte in einem zeitlich-räumlichen Zusammenhang ständen oder ob sie durch einen gemeinsamen Willensentschluss zustande kämen. Für die Bewertungseinheit sind die objektiven Kriterien oder konkreten Anhaltspunkte maßgebend, die das Rückgrat der Bewertungseinheit bilden. Durch die Bewertungseinheit sind die selbstständigen Einzelhandlungen zu einer Handlung verbunden. Zwar erfüllen alle Einzelhandlungen die Straftatbestände, aber ein gemeinsames Bezugsobjekt bringt die verschiedenen Handlungen zusammen und auf diese Weise werden diese Handlungen mit der Formel der Bewertungseinheit als eine Handlung angesehen.107 Von einem anderen Teil der Lehre wird die Bewertungs-
102
LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 24. BGHSt 41, 113, 113 ff.; vgl. Hirsch, NStZ 1996, 35, 35; vgl. MK-Hardtung, § 225 Rn. 13 ff. 104 Brähler, Die rechtliche Behandlung, S. 52 f., 226 ff.; vgl. Warda, FS-Hirsch, S. 391, 391 ff.; Wolfslast/Schmeissner, JR 1996, 335 ff.; dagegen: Meurer, Probleme des Tatbestandes der Mißhandlung Schutzbefohlener (§ 223b StGB), S. 98 f.; vgl. NK-Paeffgen, § 225 Rn. 15; hier gehe es nicht um pauschalierende Handlungsbeschreibungen und eine einzige Handlung (eine Handlung des Quälens) liege nicht vor, wenn das Zufügen von Schmerz ein Dreivierteljahr andauere. 105 Als tatbestandliche Handlungseinheit im weiteren Sinn gesehen. Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 66 III 2. 106 Fischer, Vor § 52 Rn. 12; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 39; Brähler, Die rechtliche Behandlung, S. 53. 107 MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 38; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 27; LKRissing-van Saan, vor § 52, Rn. 44; Keller, Zur tatbestandlichen Handlungseinheit, S. 63; Zschockelt, NStZ 1997, 224, 226; BGH NStZ 2000, 207, 208; 1997,137; BGH NStZ-RR 1997, 344. 103
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einheit als Unterkategorie der tatbestandlichen Handlungseinheit angenommen.108 Von Puppe109 wird die Bewertungseinheit als eine tatbestandliche Handlungseinheit kraft Erfolgseinheit bewertet. Danach bilden die Handlungen, die der Erfüllung ein und desselben Tatbestandes dienen und die in verschiedenen Zeiten verwirklicht werden, eine tatbestandliche Handlungseinheit durch Erfolgseinheit. Nach der ständigen Rechtsprechung kommt die Bewertungseinheit erst bei Taten nach dem BtMG zur Sprache. Den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zufolge soll unter dem Begriff des Handeltreibens jede eigennützige, auf Güterumsatz gerichtete Tätigkeit, der Erwerb, die Einfuhr und Veräußerung verstanden werden. Wenn die Betäubungsmittel aus einer gleichen Gesamtmenge kommen, können die Verkäufe der Teilmengen die Einzelhandlungen zu einer Bewertungseinheit verbinden. Es geht in diesem Fall um eine Handlung im konkurrenzrechtlichen Sinn, weil hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte (z. B. in Bezug auf die Gleichheit der Vorräte) für die Annahme der Bewertungseinheit vorliegen.110 Die Rechtsprechung hat bei Verstößen gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 5 2. Alt. bzw. § 283b Abs. 1 Nr. 1 StGB eine Bewertungseinheit in Bezug auf die Buchführungspflicht angenommen, wenn die Handelsbücher durch die Einzelhandlungen oder Unterlassungen nicht pflichtgemäß geführt oder verändert wurden. In solchen Fällen bilden also dieselben Handelsbücher bzw. derselbe Vermögensstand einen gemeinsamen Bezugspunkt für jeden Einzelakt. Daneben hat der BGH zur Bildung der Bewertungseinheit einen bestimmten Zeitraum gefordert.111 Auch für noch weitere Fallgruppen werden mehrere Einzelhandlungen durch die Anwendung der Bewertungseinheit als eine Handlung im konkurrenzrechtlichen Sinn angenommen.112
108
Keller, Zur tatbestandlichen Handlungseinheit, S. 53 ff.; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 17 Rn. 5; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 Rn. 16, 17. 109 Von Puppe wird die tatbestandliche Handlungseinheit kraft Erfolgseinheit noch bei den weiteren Delikten angenommen. Darunter fallen Steuerhinterziehung, Herstellen und Inverkehrbringen von Falschgeld, Herstellung und Gebrauchmachen von Falschurkunden und z. B. auf den gleichen Erfolg gerichtete Anstiftungs- und Mittäterhandlungen. NK-Puppe, § 52 Rn. 16, 18 ff.; Puppe, ZIS 6/2007, 254 ff. 110 BGHSt 30, 28, 31; BGH NStZ-RR 1997, 144, 144 f.; BGH NStZ 1996, 93, 93 f.; LKRissing-van Saan, vor § 52 Rn. 44; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 36 ff., 39 – 42; Körner/ Patzak/Volkmer, BtMG, § 29 Teil 4 Rn. 414; BGH NStZ 1998, 360, 360 f.; vgl. Zschockelt, NStZ 1997, 224, 224 ff. 111 BGH NStZ 1995, 347; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 41. 112 BGH NJW 1996, 1973, 1973 ff.; 2000, 2118, 2118 ff.; und für die weiteren Deliktgruppen, bei denen Bewertungseinheit angenommen wurde, in: LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 28 – 34, Rn. 47 – 48; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 42 ff.
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4. Natürliche Handlungseinheit a) Im Allgemeinen Um verschiedene Einzelakte unter einer Handlung zusammenzuführen, wurde vom Reichsgericht die natürliche Handlungseinheit entwickelt und vom BGH übernommen. Nach den Entscheidungen des RG und des BGH liegt eine natürliche Handlungseinheit vor, wenn die Einzelhandlungen des Täters in engem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang stehen und bei diesen Handlungen ein einheitlicher Willensentschluss zugrunde liegt und sie von einem dritten Betrachter als einheitliche Tat gesehen werden113. Die natürliche Handlungseinheit wird in der Lehre nicht einheitlich behandelt. Überwiegend wird die natürliche Handlungseinheit als überflüssig und ablehnungsbedürftig angesehen und heftig kritisiert, weil die Gegner des natürlichen Handlungsbegriffs davon ausgehen, dass die vom BGH unter der natürlichen Handlungseinheit eingeordneten Fälle schon eine tatbestandliche Einheit bilden.114 Die Lehre erkennt zwar die iterative und sukzessive Tatbestandsverwirklichung an, aber danach sind solche Fälle von der tatbestandlichen Handlungseinheit umfasst.115 Von einigen wird in der Lehre die natürliche Handlungseinheit als eine eigenständige Rechtsfigur, aber nicht wie von der Rechtsprechung als weit gefasster Sinn angesehen.116 Laut Freund bilden die Handlungen (bei iterativen und sukzessiven Tatbestandsverwirklichungen) eine Sinneinheit, da das gesamte Geschehen eine einzige Tat bildet und keine Konkurrenzfrage entsteht.117 b) Die Voraussetzungen der natürlichen Handlungseinheit Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH und des RG setzt die natürliche Handlungseinheit vier Kriterien voraus. aa) Einheitlicher Wille Um von einer natürlichen Handlungseinheit sprechen zu können, muss das Verhalten des Täters von einem einheitlichen Willen getragen werden. Der BGH hat 113
RGSt 58, 116; BGHSt 4, 219, 219 f.; 10, 230, 231. Kindhäuser, JuS 1985, 100, 105; Jakobs, Strafrecht AT, 32 Rn. 35 – 37; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 52, 56; SK-Samson/Günther, vor §52 Rn. 22 ff.; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 29; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 22; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 17 Rn. 11; Keller, Zur tatbestandlichen Handlungseinheit, S. 23 ff.; Werle, Die Konkurrenz bei Dauerdelikt, S. 104; Schmitt, ZStW 75 (1963), 43, 58. 115 LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 35, 36; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 66 III 2; Gropp, Strafrecht AT, § 14 Rn. 35, 36, 44; Wessels/Beulke, Strafrecht AT, § 17 Rn. 763. 116 Warda, FS-Oehler, S. 241, 241 ff.; Mitsch, JuS 1993, 385, 388, 389; Otto, Strafrecht AT, § 23 Rn. 8; Maiwald, Die natürliche Handlungseinheit, S. 66 ff. 117 Freund, Strafrecht AT, § 11 Rn. 8, 30 ff. 114
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diesbezüglich keine einheitliche Erklärung gegeben, wann ein einheitlicher Wille vorliegt, und benutzt unterschiedliche Kriterien. Diese sind „der einheitliche Willensentschluss“, „gleichartiger Handlungswille“ und „ein bestimmtes Ziel zu erreichen“.118 Es ist aber klar, dass es sich hier, wie auch bei der fortgesetzten Handlung, nicht um einen Gesamtvorsatz handelt.119 Einigen Entscheidungen des BGH entsprechend, wurde in der Literatur angenommen, dass die Erneuerung des Vorsatzes kein Indiz für das Vorliegen der Handlungsmehrheit sei. Als Beispiel wurde der Übergang von der Körperverletzung zum Tötungsvorsatz während der Tat genannt.120 Es ist auch allein nicht entscheidend, ein bestimmtes Ziel zu erreichen121; das kann nur für die Annahme der natürlichen Handlungseinheit ein Indiz sein. Eine solche Annahme kann nur zur rechtlichen Unbestimmtheit für die Abgrenzung der Handlungseinheit führen, weil die verschiedenen in Tatmehrheit stehenden Handlungen auf diese Weise unter einer Handlung zusammengefasst werden können.122 Der BGH hat in einer Entscheidung das Vorliegen eines ununterbrochenen Willensentschlusses nicht als Voraussetzung gesehen, um die natürliche Handlungseinheit zu begründen. Zwei Angeklagte haben durch das Erscheinen eines Polizeiwagens erst ihren Einbruchsentschluss aufgegeben, sich aber nach dem Losfahren des Polizeiwagens wieder entschlossen, in den Kiosk einzubrechen. Der BGH hat seine Entscheidung mit den anderen Voraussetzungen verstärkt und das äußere Erscheinungsbild, wie auch bereits in den Entscheidungen des Reichsgerichts, zugrunde gelegt.123 Bei einem anderen Sachverhalt hat der Täter dem Opfer zur Tötung aufgelauert und dann zweimal auf dieses geschossen. Die Schüsse haben das Opfer verfehlt und nach einer Ladehemmung der Waffe flüchtete der Täter, worauf das Opfer ihm folgte. Danach hat der Täter erneut den Entschluss dazu gefasst, das Opfer zu töten; einer der weiteren Schüsse des Täters traf das Opfer tödlich. Der BGH hat in diesem Fall trotz der ersten Aufgabe und des erneuten Aufgreifens des Tatentschlusses eine natürliche Handlungseinheit angenommen.124 In einer anderen Entscheidung, in welcher sich der Täter erst aufgrund einer Ohrfeige des Opfers persönlich verletzt fühlt, es dann gesundheitlich schädigt und es in den Zustand der Bewusstlosigkeit bringt, diesem jedoch nach der Aufgabe dieses Entschlusses hilft, aber nach weiteren Schimpfworten das Opfer schließlich tötet, hat 118
BGH NJW 1977, 2321; BGHSt 22, 67, 76; BGH NJW 1990, 2896, 2896; BGH NStZ 1993, 234, 234 f.; BGH GA 1969, 92. 119 LK-Rissing-van Saan, vor § 52, Rn. 12; Sowada, Jura 1995, 245, 251; Wolter, StV 1986, 315, 320. 120 Mannzen, Die Handlungseinheit im Strafrecht, S. 13. 121 Geerds, Zur Lehre von der Konkurrenz, S. 287. 122 Gegen das Beispiel von Peters, in: Geerds, Zur Lehre von der Konkurrenz, S. 289, Fn. 252; z. B. Der Waffendiebstahl zur Tötung des Opfers und die Tötung kann fälschlicherweise als eine Handlung aufgefasst werden. 123 BGHSt 4, 219, 219 f. 124 Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe, Rn. 22 (BGH Urt. v. 21. 04. 1977 – StR 72/ 77).
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der BGH eine tatmehrheitliche Tatbegehung, also eine Realkonkurrenz zwischen gefährlicher Körperverletzung und Totschlag angenommen. Nach dieser Rechtsprechung sind dem Opfer geleistete Hilfehandlungen „ein augenfälliger Einschnitt“; von einem einheitlichen Willensentschluss zu sprechen, sei an dieser Stelle nicht möglich.125 Bei einer weiteren Entscheidung hat der BGH der Ansicht des Landgerichts zugestimmt, indem er die Verletzung des Opfers und darüber hinausgehende versuchte Tötungshandlungen als keine natürliche Handlungseinheit, sondern als Tatmehrheit angenommen hat. In diesem Fall hat der Täter dem Opfer, mit dem er Geschlechtsverkehr ausgeübt hat, mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Als das Opfer sich erbrach und röchelte, hat der Angeklagte es weiter, aber dieses Mal mit Flaschen geschlagen. Danach hat sich der Täter entschlossen, das Opfer zu töten, um die Kenntnisnahme der Bekannten des Opfers zu verhindern. Der Täter konnte den Eintritt des Todes jedoch nicht erreichen. Nach den Feststellungen des BGH liegt kein einheitlicher Wille vor und der Täter hat sich erst nach den Verletzungshandlungen entschlossen, das Opfer zu töten. Darüber hinaus hat der BGH in seinem Urteil erklärt, dass eine natürliche Handlungseinheit nur dann vorliegen könnte, wenn der Täter während der Begehung der Körperverletzungshandlungen den Tötungsvorsatz gefasst hätte.126 Maiwald hat in der Lehre zur Bestimmung des Begriffes des einheitlichen Willens einen anderen Maßstab angesetzt. Um eine Handlungseinheit zu begründen oder mehrere Handlungen als eine unselbstständige Handlung zu bewerten, sei ein verbrecherischer Entschluss nicht erforderlich. Wenn die Einzelakte durch die Folge ein und derselben Motivationslage des Täters zustande kämen, liege eine Handlungseinheit vor. Er spricht von der einheitlichen Motivationslage, die einen inneren Zusammenhang zwischen den Handlungen erfordere; der zeitliche Zusammenhang kann zwischen den Handlungen ein Indiz für den Motivationsprozess des Täters
125 BGH StV 1986, 293; Wolter hat in diesem Fall eine Handlungseinheit angenommen und es mit der normativen Sinneinheit begründet. Laut Wolter können zwischen beiden Straftaten kurzfristige Unterbrechungen und ein neuer Tatentschluss zustande kommen. Diese neue Lage sei kein Hindernis dafür, eine Handlungseinheit anzunehmen. Die kurzfristige Zäsur bewertet Wolter als im prozessrechtlichen Sinne. Die Annahme einer Handlungseinheit beeinträchtige ein „wiederholter Vorsatz“ nicht. Wolter, StV 1986, 315, 321. 126 BGH NJW 1984, 1568; Kindhäuser lehnt die natürliche Handlungseinheit ab und hat in diesem Fall drei selbstständige Normverletzungen (und Handlungen) angenommen, indem er zunächst die Faustschläge und die weiteren Schläge mit der Flasche und die der Tötungsabsicht dienenden Schläge und Verletzungen als Tatmehrheit bewertet. Kindhäuser, JuS 1985, 100, 105; vgl. MK-Renzikowski, § 177 Rn. 25 ff.; LK-Tatjana Hörnle, § 177 Rn. 43; gegen Kindhäusers Ansicht ist die Annahme einer „Körperverletzung wegen des ersten Faustschlags ins Gesicht“ fragwürdig. Die Körperverletzungshandlungen sind mit der Vergewaltigung zu vergleichen, da sie zur Begehung des vom Opfer ungewollten Geschlechtsverkehrs dienen. Somit kann zwischen diesen Handlungen eine tatbestandliche Handlungseinheit angenommen werden. Auf das Konkurrenzverhältnis zwischen Vergewaltigung (§ 177), Körperverletzung (§ 223) und Nötigung (§ 240) kann in dieser Arbeit nicht in allen Einzelheiten eingegangen werden.
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sein.127 Ein und dieselbe Motivationslage liege auch in dem Fall vor, in welchem der Täter bei einer sukzessiven Tatbestandsverwirklichung seine Handlungen aus Gründen der Reue aufgebe, aber nach einem Tag die Tatbestandshandlungen weiterverfolge.128 Aufgrund der Entscheidungen des BGH kann festgestellt werden, dass eine natürliche Handlungseinheit grundsätzlich dann vorliegt, wenn der Täter das gleiche Delikt begehen will, auch wenn der Täter den Tatentschluss kurzfristig aufgibt und sich danach wieder dazu entschließt, die Tat zu begehen oder zu beenden. Obwohl die Täter auf die Begehung der Tat verzichten, liegt im Fall des Einbrechens in die Verkaufsbude129 deswegen eine natürliche Handlungseinheit vor. Demgegenüber liegt in den anderen Fällen Tatmehrheit vor, weil der Täter über seinen herkömmlichen Tatentschluss hinausgeht und einen neuen Entschluss dahingehend fasst, eine andere Straftat zu begehen. Dies gilt aber nur dann, wenn der Täter diesen Entschluss nicht während der Ausübung des ersten Deliktes fasst. bb) Eine Mehrheit gleichartiger Handlungsakte Die natürliche Handlungseinheit setzt die Mehrheit von gleichgearteten Handlungen, die entweder dicht nacheinander oder mit zeitlichen Abständen verwirklicht werden, voraus. Bei der iterativen Tatbestandsverwirklichung ist die Gleichartigkeit der Tatbestandshandlungen meistens unproblematisch, weil der Täter immer die gleichen Handlungen wiederholt. Wenn der Täter das Opfer zehnmal nacheinander schlägt, liegt nur eine Handlung vor. Auch wenn der Täter durch verschiedene ungleichartige Handlungen das Ziel erreicht, liegt eine Handlungseinheit vor. Demnach schließt das Vorliegen verschiedener ungleichartiger Einzelakte die natürliche Handlungseinheit nicht aus, weil diese entscheidend sind, um das Ziel zu erreichen. Wechselt der Täter während der Tat die Tötungs- oder Verletzungsmittel, steht auch
127
Maiwald, Die natürliche Handlungseinheit, S. 90 ff.: Nach Maiwald stört die Zäsur die Annahme der natürlichen Handlungseinheit zwischen Versuch und Vollendung nicht. Wenn die Motivationslage nicht identisch sei, könne man nicht von einer Handlungseinheit sprechen. „Die Zweckvorstellung des Täters“ sei auch ein Indiz dafür, dass es um ein und dieselbe Motivationslage gehe. Nach dieser Ansicht sind ein fehlgeschlagener Versuch und ein weiteres Delikt selbstständige Taten, wenn nach dem durch die äußeren Umstände gescheiterten Versuch Ereignisse zustande kommen, die den Täter nötigen, „sich einen erneuten Anstoß zu geben“. Dass der Täter die Möglichkeit habe, über seine Handlungen nachzudenken und einen neuen Entschluss fasse, sei hier nicht allein entscheidend. 128 Maiwald, Die natürliche Handlungseinheit, S. 90 f.: Gibt der Täter seinem Opfer jeden Tag eine bestimmte Dosis des Giftes, um es zu töten, so liegt Maiwald zufolge ein und dieselbe Motivationslage auch dann vor, wenn der Täter aufgrund seiner Handlungen tiefe Reue empfindet und nur einen Tag seine Handlungen unterbricht, um diese am Folgetag wieder aufzunehmen. 129 BGHSt 4, 219, 219.
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dies dem Vorliegen der Handlungseinheit nicht entgegen.130 Die auf Verletzung des Opfers gerichteten verschiedenen Handlungen, mit dem Fuß, der Hand und mit einem Schläger, können als gleichartige Handlungen bezeichnet werden. cc) Enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang Als eine weitere Voraussetzung wird ein enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang, der auch vom BGH unterschiedlich bewertet wird, verlangt. Danach verhindern die kurzen Pausen nicht die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit. Nach einer Entscheidung des BGH wird die Einheit der Handlung durch eine kurze Unterbrechung nicht gestört. In diesem Fall hat der Täter seine Tötungsangriffe gegen die erste Zeugin aufgrund des Hinzutretens eines anderen Zeugen unterbrochen und nach der Verletzung des zweiten Zeugens hat er wieder versucht, die erste Zeugin zu töten. Die Handlungen, die gegen die erste Zeugin gerichtet werden, sind als nur eine Handlung bewertet worden. Die weiteren Handlungen, nach der Unterbrechung, sind als Fortsetzung der ersten Handlung angesehen worden.131 Zwar hat der BGH zur Begründung der natürlichen Handlungseinheit keinen bestimmten Zeitrahmen vorgesehen, aber es muss eine fallbezogene Einzelbewertung vorgenommen werden. Ein zeitlicher Zusammenhang liege beispielsweise nicht vor, wenn zwischen den (Subventionsbetrugs-)Handlungen mehrere Monate132 oder zwischen einem versuchten Diebstahl und durchgeführten weiteren Diebstahlhandlungen eineinhalb Stunden lägen133. Wegen des zeitlichen Abstands von mehreren Tagen fehle ein zeitlicher Zusammenhang zwischen den Anstiftungshandlungen.134 Nach Warda kann über den zeitlichen Zusammenhang abhängig vom einschlägigen Tatbestand entschieden werden. Aber ein zeitlicher und räumlicher Zusammenhang sei nicht wie bei der tatbestandlichen Handlungseinheit zu bewerten. Die Zeitspanne zwischen den Einzelakten bei einer tatbestandlichen Handlungseinheit müsse anders als eine natürliche Handlungseinheit bewertet werden, da die Zeitspanne bei der natürlichen Handlungseinheit noch kürzer sein müsse.135 Dieser Ansicht kann gefolgt werden, da zwischen manchen tatbestandlichen Handlungen
130 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 32, 43 ff.; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 56; Jakobs, Strafrecht AT, 32 Rn. 11: Nach Jakobs ist die Gleichartigkeit der Ausführungsakte bei dichter Sukzession nicht erforderlich. 131 BGH NStZ 1993, 234, 234 f.; weitere Beispiele in: Sowada, Jura 1995, 245, 250. 132 BGH NStZ 1995, 46, 46; in gleicher Weise: BGH NStZ 1990, 490, 490; BGHSt 26, 284, 286. 133 BGHSt 21, 319, 322. 134 BGH Beschl. 18. 02. 1997 – 1. StR 675/96; vgl. BGHSt 40, 75, 77 f.; BGH Bschl. 03. 11. 1993 – 4 StR 583/93. 135 Warda, FS-Hirsch, S. 391, 398 ff.; Werle betont auch, dass der zeitliche und räumliche Zusammenhang von dem Rechtsgut abhängig sei. Werle, Die Konkurrenz bei Dauerdelikt, S. 101.
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eine Zeitspanne von Monaten oder Jahren liegen kann, die die natürliche Handlungseinheit ausschließt.136 Der räumliche Zusammenhang zwischen den Einzelakten hat weder in Rechtsprechung137 noch in Lehre Anklang gefunden, da im Allgemeinen beim Vorliegen des zeitlichen Zusammenhangs auch von einem räumlichen Zusammenhang gesprochen werden kann. Die Einzelakte können an verschiedenen Orten verwirklicht werden; trotzdem kann die räumliche Verknüpfung zwischen den Einzelakten bejaht werden, wenn die anderen Voraussetzungen der natürlichen Handlungseinheit vorliegen. Verletzt der Täter jemanden eine halbe Stunde lang bei einer Autofahrt durch aufeinanderfolgende Handlungen, ist eine natürliche Handlungseinheit gegeben, auch wenn der Abstand zwischen den Orten, bei denen der erste und letzte Teilakt verwirklicht wurde, zehn Kilometer beträgt.138 dd) Die Zusammengehörigkeit der Einzelakte aus Sicht eines Dritten Nach den Entscheidungen des BGH müssen die Handlungen des Täters nach allgemeiner Lebensauffassung aus der Sicht eines Dritten als ein zusammengehöriges Tun bewertet werden. Diese Voraussetzung wird im Zusammenhang mit den weiteren Voraussetzungen bewertet. Dabei wird das äußere Erscheinungsbild als entscheidend angesehen. In einem oben erwähnten Fall hat der BGH zur Begründung der natürlichen Handlungseinheit „das äußere Erscheinungsbild“ der Einzelakte zugrunde gelegt.139
136
Vgl. Warda, FS-Hirsch, S. 391, 405; BGH NStZ 1995 347. Bei den Entscheidungen des BGH wurde manchmal das Fehlen des zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs festgestellt; vgl. BGH NStZ-RR 2013, 10, 12. 138 Vgl. Warda, FS-Hirsch, S. 391, 407: Hier geht es zwar um die tatbestandliche Handlungseinheit, aber diese Aussage kann auf die natürliche Handlungseinheit des BGH angewendet werden. Der Täter hat im sogenannten Dagobert-Fall seine Ausführungshandlungen in den verschiedenen Städten und Zeiten (in Bremen am 09. 09. 1992, in Hannover am 15. 09. 1992) verwirklicht, aber der BGH hat trotz des Fehlens des zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs in diesem Fall eine natürliche Handlungseinheit angenommen. Diese weite Auslegung des BGH wird in der Lehre kritisiert und als „eine übertriebene großzügige Auslegung“ bezeichnet. BGH BeckRS 3998, 35403; vgl. Beulke/Satzger, NStZ 1996, 429, 433. 139 BGHSt 4, 218, 221. 137
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c) Die Fallkonstellationen der natürlichen Handlungseinheit aa) Die natürliche Handlungseinheit bei der iterativen und sukzessiven Tatbestandsverwirklichung (die die Tateinheit ausschließende natürliche Handlungseinheit) Die Entscheidungen des BGH lassen erkennen, dass die natürliche Handlungseinheit zwei Funktionen140 hat. Bei der iterativen und sukzessiven Tatbestandsverwirklichung verwendet der BGH die natürliche Handlungseinheit, um mehrere Ausführungshandlungen als eine Handlung zu bezeichnen. In diesem Fall schließt die natürliche Handlungseinheit nicht nur die tatmehrheitliche Deliktbegehung, sondern auch die Annahme der Tateinheit gemäß § 52 aus141; auf diese Weise erfüllt die natürliche Handlungseinheit ihre erste Funktion. Durch mehrere Handlungen begeht der Täter nur eine einzige Straftat und eine Tateinheit kommt nicht infrage.142 (1) Iterative Tatbestandsverwirklichung Eine iterative Tatbestandsverwirklichung liegt vor, wenn der Täter durch die Einzelakte, die er in gleicher Weise und rasch nacheinander verwirklicht, denselben Straftatbestand erfüllt. Jeder Einzelakt erfüllt die Voraussetzungen eines Tatbestands, aber der Täter ist nicht wegen mehrfacher, sondern nur wegen einer Straftat zu bestrafen.143 Wenn der Täter gegen das Opfer zehn Schläge ausführt, die Sache eines anderen durch mehrfache Fußtritte beschädigt oder durch hintereinander folgende Schimpfworte jemanden beschimpft, begeht er nur eine Straftat.144 Diese Delikte erfordern nicht ausdrücklich mehrere Einzelakte (wie §§ 98, 99, 100, 181a) und der Gesetzeswortlaut kann nicht zu solchen Ergebnissen führen, aber trotzdem ist eine Handlungseinheit anzunehmen, die als natürliche Handlungseinheit bezeichnet wird.145 Es ist dabei gleichgültig, ob der Täter die Straftat durch einen oder durch mehrere Einzelakte verwirklicht. Es geht hier nur um eine Tatbestandsverwirkli-
140 Die erste Funktion der natürlichen Handlungseinheit wird unter der Überschrift „aa) Die natürliche Handlungseinheit bei der iterativen und sukzessiven Tatbestandsverwirklichung“ und die zweite Funktion unten unter der Überschrift „bb) Die natürliche Handlungseinheit bei anderen Delikten – besonders umstrittene Fälle (Tateinheit begründende natürliche Handlungseinheit“ behandelt. 141 Warda, FS-Oehler, S. 241, 243; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 53; LK-Rissingvan Saan, vor § 52 Rn. 18; Sowada, NZV 1995, 465, 465 ff.; Geppert, Jura 1982, 358, 362; Sowada, Jura 1995, 245, 247. 142 Mitsch, JuS 1993, 385, 389; Sowada, NZV 1995, 465, 466; ders., Jura 1995, 245, 247. 143 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 32; Freund, Strafrecht AT, § 11 Rn. 30; Sowada, Jura 1995, 245, 247. 144 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 34; BGH NStZ 1996, 493, 494. 145 Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 66 III 1; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 33; vgl. LK-Rissing-van Saan, vor § 52, Rn. 35.
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chung146 und deswegen schließt dies die Annahme der Tateinheit gemäß § 52 aus, denn die Tateinheit erfordert die Verletzung mehrerer Strafgesetze (oder die mehrmalige Verletzung eines Gesetzes). Bei der iterativen Tatbestandsverwirklichung handelt es sich um die Durchführung ein und derselben Straftat in einem engen zeitlichen Zusammenhang, und es liegt eine quantitative Steigerung des Unrechts vor.147 (2) Sukzessive Tatbestandsverwirklichung Auch bei dieser Fallkonstellation begeht der Täter nur eine Straftat durch mehrere Einzelakte. Aber die sukzessive Tatbestandsverwirklichung unterscheidet sich von der iterativen Tatbestandsverwirklichung dadurch, dass der Täter sich bei der sukzessiven Tatbestandsverwirklichung dem tatbestandlichen Erfolg schrittweise nähert und die Einzelakte nicht kurz nacheinander verwirklicht. Der Täter nähert sich seinem Ziel durch verschiedene Abschnitte. In solchen Fällen stehen die Handlungen auch in einem zeitlichen Zusammenhang, aber der zeitliche Abstand ist nicht so eng wie bei der iterativen Tatbestandsverwirklichung.148 Die die Straftat erfüllenden Handlungen stellen auch bei dieser Konstellation eine quantitative Steigerung des Unrechts dar, aber zwischen den Handlungen gibt es keine enge zeitliche Aufeinanderfolge.149 Wie bei der iterativen Tatbestandsverwirklichung werden die oben erklärten Voraussetzungen auf die sukzessive Tatbestandsverwirklichung angewendet. Aber die Voraussetzung des engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs wird bei der sukzessiven Tatausführung im Einzelfall anders bewertet und umgesetzt.150 Der BGH hat die Annahme der natürlichen Handlungseinheit (als sukzessive Tatbestandsverwirklichung) zwischen Versuch und Vollendung damit begründet, dass die Einzelakte nach der natürlichen Betrachtungsweise eine Einheit bilden.151 Durch zeitlich getrennte Handlungen versucht der Täter, sein Ziel zu erreichen, und es liegt z. B. nur ein Einbruch bzw. eine entsprechende Handlung vor, wenn die Hintertür eines Ladens in fünf aufeinanderfolgenden Nächten durch mehrere Schläge 146 Maiwald, Die natürliche Handlungseinheit, S. 71: Laut Maiwald ist die Motivationslage des Täters bei der iterativen Tatbestandsverwirklichung immer dieselbe oder fast gleich, S. 75. 147 Warda, FS-Oehler, S. 241, 244; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 33; Werle, Die Konkurrenz bei Dauerdelikt, S. 106; Maiwald, Die natürliche Handlungseinheit, S. 76; MKv. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 54. 148 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 44; Steinberg/Bergmann, Jura 2009, 905, 907; Maiwald, Die natürliche Handlungseinheit, S. 85 ff., 88; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 66 III 2. 149 BGH StV 1987, 389. 150 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 44. 151 Maiwald, Die natürliche Handlungseinheit, S. 88; BGHSt 4, 219, 219, 10, 129, 129 f.; Beulke/Satzger, NStZ 1996, 429, 431; für die Verbindung zwischen Subsidiarität und sukzessiver Tatbestandverwirklichung s. a. Sowada, Jura 1995, 245, 248; Geppert, Jura 1982, 418, 423 ff.
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mit einer Axt zerschlagen wird und am sechsten Abend die Ware mühelos aus dem Laden gestohlen wird.152 bb) Die natürliche Handlungseinheit bei anderen Delikten – besonders umstrittene Fälle (Tateinheit begründende natürliche Handlungseinheit) Als zweite Funktion wird vom BGH der natürlichen Handlungseinheit beigemessen, dass sie die Verletzung verschiedener oder mehrerer Strafgesetze zur Handlungseinheit verknüpft und auf diese Weise Idealkonkurrenz begründen kann.153 Darunter sind die Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter und die Erfüllung der verschiedenartigen Tatbestände besonders umstritten. Mit vehementer Kritik werden diese Fallkonstellationen von der herrschenden Lehre als eine unverständliche Erweiterung der natürlichen Handlungseinheit bezeichnet. (1) Verwirklichung der verschiedenartigen Tatbestände; insbesondere Polizeifluchtfälle Unter den oben genannten Voraussetzungen hat der BGH die natürliche Handlungseinheit bei der Verwirklichung der verschiedenen Tatbestände angenommen. Bei dieser Erweiterung der natürlichen Handlungseinheit geht es nicht um die Quantifizierung des Tatbestands. Nach dem BGH sind z. B. Diebstahl und darauf folgende Urkundenfälschungshandlungen durch Umfrisieren des Fahrzeugs eine Handlung, weil die Handlungen nach der natürlichen Betrachtungsweise eine Einheit bilden und die Voraussetzungen der natürlichen Handlungseinheit vorliegen154; deswegen kommt eine Tatmehrheit nicht in Betracht. In einem anderen Fall, in welchem der Täter zur Beseitigung der Spuren seines Diebstahls im Haus einen Brand legte, hat der BGH die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit dadurch begründet, dass mehrere Handlungen nach dem einheitlichen Lebensvorgang eine Einheit darstellen würden und die Aufspaltung der in einem engen Zusammenhang stehenden Diebstahl- und Brandstiftungshandlungen unmöglich sei.155 Bei den als „Polizeifluchtfällen“ bekannten Fällen wird von der Rechtsprechung durch Benutzung der Kriterien der natürlichen Handlungseinheit zwischen mehreren Straftaten eine Tateinheit angenommen, indem der BGH den einheitlichen Willen sehr weit interpretiert und mit dem Zweck gleichgesetzt hat. Danach bilden die Einzelakte, die während der Fluchtaktion des Täters verwirklicht werden und die nur den Zweck haben, der Verfolgung durch die Polizei zu entkommen, eine Handlung 152
Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 43. MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 53; LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 18; Sowada, Jura 1995, 245, 247; ders., NZV 95, 465, 466; Warda, FS-Oehler, S. 241, 248; Maiwald, Die natürliche Handlungseinheit, S. 94, 113. 154 BGH bei Holtz, MDR 1981, 452. 155 BGH NStZ 1997, 276. 153
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im konkurrenzrechtlichen Sinn. Nach einer Entscheidung des BGH bildet das gesamte Verhalten des Täters während der Flucht vor der Polizei, die von einem einheitlichen Willen getragen ist, eine natürliche Handlungseinheit bzw. Tateinheit156, ohne dass die völlige oder teilweise Identität der Ausführungshandlungen oder eine Klammerwirkung geprüft werden (eine Tateinheit liegt zwischen den in kurzer Zeit beim Fliehen vor der Polizei begangenen Straftaten vor; Sachbeschädigung, Unfallflucht, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, gefährliche Körperverletzung usw.). Für diese Fälle ist es entscheidend, dass der Täter einen einheitlichen Handlungswillen bei der Begehung verschiedener Tatbestände hat und diese Tatbestände nach natürlicher Betrachtungsweise eine Einheit darstellen.157 Entgegen dieser Rechtsprechung wird in einem anderen Polizeifluchtfall die Annahme der natürlichen Handlungseinheit und einer einzigen Tat abgelehnt.158 Die Handhabung der natürlichen Handlungseinheit bei der Flucht vor der Polizei wurde vom BGH auch auf den Fall der Flucht vor einer Privatperson angewandt. Nach dieser Entscheidung ist es zur Bestimmung der natürlichen Handlungseinheit unerheblich, ob der Täter vor der Polizei oder vor einer Privatperson fliehen will.159 Während der BGH bei einer Flucht vor der Polizei mit dem Kraftfahrzeug die natürliche Handlungseinheit angenommen hatte, wurde dagegen eine solche Handlungseinheit bei der Flucht vor der Polizei „zu Fuß“ abgelehnt. Danach dürfen die bei den Polizeifluchtfällen benutzten Entscheidungskriterien für diesen Fall nicht entscheidend sein und diese nicht verallgemeinert werden, da der Täter bei dem erstgenannten Fall von den Fähigkeiten des Kraftfahrzeugs abhängig sei und seine Handlungen von dem Fahrzeug abhängig und beschränkt seien; bei letzterem Sachverhalt könne sich der Täter hingegen unabhängig dazu entscheiden, die Flucht durch strafbare oder rechtmäßige Handlungen zu ergreifen.160 Hier liegt ein Widerspruch vor, da der BGH in diesem Urteil im Gegensatz zu anderen Entscheidungen „den einheitlichen Willen des Täters zum Entkommen vor der Polizei“ nicht als entscheidend angesehen hat. Der Grund des BGH, dass der Täter im zweiten Fall seine Handlungen unabhängig von etwas (einem Fahrzeug) selbst bestimmen kann und die Möglichkeit hat, seine Handlungen jeder Sachlage anzupassen, ist auch meistens der Fall bei einer Fluchtfahrt, weil dem Täter auch bei einer solchen Fahrt viele Möglichkeiten161 zur Verfügung stehen können. 156
BGHSt 22, 67, 76; vgl. BGH NZV 2001, 265; BGH NStZ-RR 1997, 331, 331 f.; vgl. MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 58. 157 „Es handelt sich vielmehr bei dem festgestellten Sachverhalt nach natürlicher Betrachtungsweise um ein in sich geschlossenes, zusammengehörendes, einheitliches Geschehen im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit“. BGH VRS 57, 277, 279; vgl. BGH VRS 66, 20, 20; 28, 359, 361. 158 BGH VRS 50, 94, 95; vgl. BGH NZV 1995, 196, 196. 159 BGH NJW 1989, 2550 2550 f. 160 BGH Urt. v. 5.6.1973, 1 StR 270/73: bei Dallinger, MDR 1974, 12, 13. 161 Auch wenn diese Möglichkeiten (z. B. das Entkommen durch schnelles Fahren, das Fliehen zu Fuß) von dem Auto abhängig und demzufolge begrenzt sind, hat der Täter eine
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Darüber hinaus sind die Verletzungen der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Personen auch bei den Polizeifluchtfällen nicht berücksichtigt worden. Der BGH hat in einer Entscheidung erklärt, dass alle Straftaten bei einer Polizeiflucht „– als natürliche Handlungseinheit – rechtlich eine Tat bilden, sofern nicht die Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter eine Aufspaltung in mehrere Tatkomplexe gebietet.“162 Die Annahme der natürlichen Handlungseinheit bei der Verletzung der verschiedenartigen Tatbestände wird in der Lehre heftig kritisiert, da für die natürliche Handlungseinheit keine einheitlichen und allgemeinen Entscheidungskriterien vorgegeben werden. Wie die sich widersprechenden Urteile des BGH zeigen, bringe dieses Institut „große Rechtsunsicherheit“, da es für Tatrichter einen unangemessenen, grenzenlosen Entscheidungsspielraum schaffe, obwohl der Gesetzgeber eine solche Situation nicht zugestehen wolle.163 Besonders das subjektive Element der natürlichen Handlungseinheit kann beliebig interpretiert werden, da der BGH den einheitlichen Willen in einigen Fällen mit dem Ziel gleichgesetzt hat. Eine solche Annahme ist laut Warda die „Öffnung zu einer amorphen, uferlosen natürlichen Handlungseinheit gewissermaßen quer durch das ganze Strafgesetzbuch.“164 Die wesentliche Auswahlmöglichkeit. Es ist auch hier anzumerken, dass die Anpassungsmöglichkeiten bei einer Flucht zu Fuß durch die Verfolgung wesentlich (wie bei der Flucht mit dem Fahrzeug) begrenzt sind. 162 BGH Urt v. 23. 8. 1979, 4 StR 392/79: bei Holtz, MDR 1979, 985, 987; Brähler, Die rechtliche Behandlung, S. 215: Ohne zu erwähnen, ob in diesem Fall die Verletzung mehrerer höchstpersönlichen Rechtsgüter in Betracht kommt, hat der BGH eine natürliche Handlungseinheit bejaht; Maiwald, JR 1985, 512, 515; über die natürliche Handlungseinheit bei Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter siehe unten: Erster Teil C. I. 4. c) bb) (2). 163 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 54 ff.: Die Erweiterung der natürlichen Handlungseinheit zu Lasten der Handlungsmehrheit (Tatmehrheit) sei mit dem Gedanken des Gesetzgebers nicht vereinbar, da dieser sich statt für das Einheitsstrafenprinzip wie beim Jugendstrafrecht für das Differenzierungsprinzip entschieden habe; Warda, FS-Oehler, S. 241, 252; Blei, JA 1973, 95, 95; Wessels/Beulke, Strafrecht AT, § 17 Rn. 764 ff.; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 17 Rn. 10; Kühl, Strafrecht AT, § 21 Rn. 17; Maiwald, Die natürliche Handlungseinheit, S. 101 f.; LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn 18 ff.: Eine so weite Ausdehnung der natürlichen Handlungseinheit sei „systemfremd und dogmatisch widersprüchlich“; Maurach/ Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 54 Rn. 20; Gegenansicht Frister, Strafrecht, AT § 30 Rn. 23 ff.: Er fordert für die natürliche Handungseinheit den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen den Handlungen und dem einheitlichen Handlungswillen; daneben sieht Frister die kontinuierliche Zweckverfolgung bei den Polizeifluchtfällen für die Annahme der Handlungseinheit als entscheidend an. Die Aufgabe des Tatplans zerstöre bei der iterativen Tatbestandsverwirklichung die Einheit nicht und eine kontinuierliche Zweckverfolgung begründe hier die (natürliche) Handlungseinheit. Die Aufgabe der kontinuierlichen Zweckverfolgung bei der Verletzung der verschiedenartigen Tatbestände sei ein Grund für die Ablehnung der natürlichen Handlungseinheit. Schließlich kann gesagt werden, dass die natürliche Handlungseinheit mit noch strengeren Bedingungen auch in diesen Fällen möglich ist. 164 Warda, FS-Oehler, S. 241, 252; Maiwald, Die natürliche Handlungseinheit, S. 102: Auf eine ähnliche Weise sagt auch Maiwald, dass die Erweiterung der Formel der natürlichen Handlungseinheit einen unkontrollierbaren Anwendungsbereich für die natürliche Handlungseinheit mitbringen könne; Lackner/Kühl, vor § 52 Rn. 6; Kühl, JA 1978, 475, 478; Sowada
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natürliche Handlungseinheit hat in ihrer ursprünglichen Form eine „einheitliche Funktionsbestimmung“. Deswegen seien die Annahme der natürlichen Handlungseinheit, außer bei der iterativen und sukzessiven Tatbestandverwirklichung, und eine Ausdehnung dieser Form in einem weiteren Bereich mit der Einheitlichkeit dieser Form nicht vereinbar.165 Der zur Begründung der natürlichen Handlungseinheit geforderte zeitliche und räumliche Zusammenhang nach einem Dritten wird dahingehend kritisiert, dass diese Formel auf das subjektive Element hinweise und damit die rechtliche Bestimmtheit nicht gewahrt bleibe.166 (2) Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter verschiedener Personen Auf die Frage, ob unter die natürliche Handlungseinheit auch die Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Personen einzuordnen sei, wird in Literatur und in Rechtsprechung keine klare Antwort gegeben. Der BGH hat die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit bei der Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter verschiedener Träger grundsätzlich nicht abgelehnt, aber durch die strenge Anwendung der Voraussetzung des zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs eingeschränkt. Wenn die Voraussetzungen der natürlichen Handlungseinheit erfüllt werden, liegt kein Hindernis für die Annahme der natürlichen Handlungseinheit bei der Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter verschiedener Träger vor, sofern der Täter mit einheitlichem Willen handelt. Diesen Argumenten zufolge bilden mehrere rasch aufeinanderfolgende Schüsse oder mehrere Messerstiche, die die höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Personen verletzen, eine natürliche Handlung.167 Der BGH hat in einem Fall entschieden, dass eine natürliche Handlungseinheit und eine additive Betrachtungsweise bei der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Personen (besonders das Leben des Menschen) nur ausnahmsweise in Betracht gezogen werden könnten, weil der zeitliche Zusammenhang und ein einheitlicher Tatentschluss bei der Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter verschiedener Personen keine Gründe seien, die aufeinanderfolgenden Handlungen als eine Handlung zu bewerten.168 Mit diesen NZV, 1995, 465, 468: Besonders die für die Polizeifluchtfälle benutzten Kriterien werden im Vergleich zu anderen Fällen als „Doppelstrategie“ genannt. Die ungleichartige Behandlung der verschiedenen Fälle wird kritisiert und als nicht überzeugend empfunden. 165 Warda, FS-Oehler, S. 241, 249 ff.: Warda hat diese Unvereinbarkeit mit „Zerstörung der Einheitlichkeit des Instituts“ zum Ausdruck gebracht; auch Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 58. 166 Maiwald, NJW 1978, 300, 302 ff.; Warda, FS-Oehler, S. 241, 252; LK10-Vogler, Vor § 52 Rn. 13; hier ist die unveröffentlichte Entscheidung des RG zu erwähnen. Nach dieser nicht erfolgten Entscheidung „können die verschiedenen strafrechtlichen Tatbestände, die in ihren Ausführungshandlungen auseinanderfallen, auch wenn sie demselben verbrecherischen Endzwecke dienen, keine natürliche Handlungseinheit bilden.“ in: Hartung, SJZ 1950, 326, 330. 167 Vgl. BGH NJW 1985, 1565; BGH NStZ 2001, 219, 219; BGH StV 1990, 544; BGHSt 37, 289, 289 f.; BGH NStZ-RR 2001, 82; BGH NStZ 1996, 129; demzufolge wurde eine Tateinheit angenommen; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 39; Rengier, Strafrecht AT, § 56 Rn. 71. 168 BGH StV 1994, 537, 538; vgl. BGH NStZ 1996, 129.
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Entscheidungen wollte der BGH betonen, dass bei solchen Delikten die natürliche Handlungseinheit nur unter strengen Bedingungen angenommen werden könne; sie dürfe hingegen nicht verallgemeinert werden. Die Mordversuche an zwei Opfern wurden vom BGH als zwei selbstständige Taten und Handlungen angesehen. Nach dieser Entscheidung sind die Delikte, die gegen zwei Opfer in zeitlicher Abfolge, aber mit getrennten Tatentschlüssen verwirklicht werden, von der natürlichen Handlungseinheit nicht erfasst; der zweite Tatentschluss müsse aufgrund der neuen Tatsituation als selbstständig bewertet werden. Deswegen wurde die Annahme der natürlichen Handlungseinheit aufgrund des Fehlens eines einheitlichen, zusammengehörigen Tuns abgelehnt.169 Im Ergebnis ist der Entscheidung zuzustimmen; hingegen ist die Begründung im Hinblick auf einen Vergleich mit den anderen Entscheidungsgrundsätzen widersprüchlich. Wenn der Täter am Anfang mit einem einheitlichen Willen oder mit einem einzigen Tatentschluss gegen zwei Opfer gehandelt hätte, müsste nach dieser Begründung eine natürliche Handlungseinheit trotz der Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter verschiedener Träger angenommen werden, ohne deren Verletzung zu berücksichtigen. Anstatt des einheitlichen Willens wurde in diesem Urteil der Tatentschluss zur Ablehnung der natürlichen Handlungseinheit benutzt, obwohl die Handlungen des Täters von einem einheitlichen Willen (gerichtet auf die Beseitigung der Tatzeugin) getragen wurden. Obwohl in einer Entscheidung zur Bestimmung der natürlichen Handlungseinheit mit anderen Voraussetzungen die Verletzung von Mitgliedern einer Personenmehrheit als Ausgangspunkt angenommen wurde170, hat der BGH in vielen Entscheidungen diesen Punkt nicht angesprochen. Nach einer anderen Entscheidung muss der Täter, damit eine natürliche Handlungseinheit angenommen werden kann, entweder in einem außergewöhnlich engen zeitlichen und räumlichen situativen Zusammenhang handeln oder es muss „der Angriff gegen eine aus der Sicht des Täters nicht individualisierte Personenmehrheit gerichtet werden.“171 Wenn eine dieser Voraussetzungen gegeben ist, hat die andere keine entscheidende Bedeutung. Die Entscheidungen des BGH können somit so ausgelegt werden, dass beide Vor169
BGH NStZ 1993, 234, 234 f. BGH NJW 1985, 1565: Nach dieser Entscheidung hat der Täter die Schüsse aufgrund eines einheitlichen Willensentschlusses in einem Zug abgegeben und nicht in eine bestimmte Person, sondern in eine Menschenmenge geschossen. 171 BGH StV 1994, 537, 538; „höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Personen, insbes. das Leben von Menschen, sind einer additiven Betrachtungsweise, wie sie der natürlichen Handlungseinheit zugrunde liegt, nur ausnahmsweise zugänglich … Etwas anderes kann dann gelten, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs, etwa bei Messerstichen oder Schüssen innerhalb weniger Sekunden, oder eines gegen eine aus der Sicht des Täters nicht individualisierte Personenmehrheit gerichteten Angriffs willkürlich und gekünstelt erschiene.“; vgl. BGH NStZ-RR 2001, 82: „Ein solcher Ausnahmefall kann namentlich bei mehreren Schüssen auf zwei Personen innerhalb weniger Sekunden ohne jegliche zeitliche Zäsur vorliegen.“; BGH StV 1990, 544. 170
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aussetzungen alternativ, aber nicht kumulativ überprüft werden müssen. In einer anderen Entscheidung hat der BGH hingegen trotz des Fehlens beider Kriterien im Fall der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Träger eine natürliche Handlungseinheit angenommen172 und den Anwendungsbereich der natürlichen Handlungseinheit somit erweitert. Während in den oben genannten Entscheidungen das Zustandekommen der natürlichen Handlungseinheit zugelassen worden ist, hat der BGH im Gegensatz zu diesen Entscheidungen die Annahme der natürlichen Handlungseinheit in manchen Fällen mit der Begründung offen dadurch abgelehnt, dass „mehrere Willensbetätigungen, die jeweils andere höchstpersönliche Rechtsgüter verletzen, weder durch ihre Aufeinanderfolge noch durch einen einheitlichen Tatplan und Vorsatz zu einer natürlichen Handlungseinheit zusammengefasst und damit zu einer Tat im Rechtssinne werden können.“173 Die Annahme der natürlichen Handlungseinheit bei der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Personen ist in der Lehre174 auf heftige Kritik gestoßen. Vor allem wird von der herrschenden Lehre kritisiert, dass, wie der BGH in seiner Entscheidungen erklärt hat, die Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Personen keine additive Betrachtungsweise darstelle und sie nicht als quantifizierbare Größe bewertet werden dürfe, wie z. B. im Falle der Verletzung einer Person durch mehrere Schläge oder der Beschädigung einer Sache 172 BGH NStZ 1985, 217: In diesem Fall hatten die zwei Angeklagten vor, zwei in einem Raum liegende Opfer zu verprügeln. Nach dem Betreten des Raumes haben die Angeklagten das Opfer H verprügelt und H flüchtete in einen anderen Raum, wo weiter auf ihn eingeschlagen wurde. Der Angeklagte A kehrte in den Raum, wo das zweite Opfer W ohne Wissen von den bisherigen Vorgängen schlief, zurück und verprügelte W. Später kommt der andere Angeklagte in diesen Raum und das Opfer W wurde dieses Mal von beiden Angeklagten geschlagen. Der BGH hat in diesem Fall die Tateinheit zwischen den gefährlichen Körperverletzungen angenommen, weil die Voraussetzungen der natürlichen Handlungseinheit erfüllt seien. Um die Widersprüchlichkeit genau erkennen zu können, sollen noch zwei weitere Entscheidungen des BGH beispielhaft erwähnt werden. Im Urteil vom 26. 03. 1981 – 4 StR 58/81 (BGH StV 1981, 396 f.) wurde das Fehlen der Schüsse auf eine Personengruppe oder das Fehlen unbestimmter Opfer in einer Menschenmenge für die Ablehnung der natürlichen Handlungseinheit verwendet, indem der BGH seine vorherigen Entscheidungen erwähnte. Aber in einer anderen Entscheidung (BGH NStZ-RR 2001, 82) wurde eine natürliche Handlungseinheit aufgrund aufeinanderfolgender Schüsse in wenigen Sekunden angenommen, ohne zu untersuchen, ob der Täter in eine Menschenmenge geschossen hatte. Die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit sei in derartigen Fällen dann gerechtfertigt, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs willkürlich und gekünstelt erscheine. 173 BGHSt 2, 246, 247; 16, 397, 398; BGH StV 1981, 396, 396 f.; BGH NStZ 1984, 311, 311; anders: BGH NStZ-RR 1998, 233. 174 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 41; Kindhäuser, JuS 1985, 100, 103; Mitsch, JuS 1993, 385, 388; Warda, FS-Oehler, S. 241, 247: ders., JuS 1964, 81, 84; Maiwald, NJW 1978, 300, 302; Maiwald, Die natürliche Handlungseinheit, S. 81 ff.; Keller, Zur tatbestandlichen, S. 25 ff.; vgl. Wagemann, Jura 2006, 580, 580 ff.; Lackner/Kühl, vor § 52, Rn. 7; Sowada, NZV 1995, 465, 467.
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durch mehrere Handlungen, da die höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Personen eine qualitative Eigenschaft hätten.175 Die Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Rechtsgutsträger stelle einen selbstständigen Unwertsgehalt dar und dürfe nach der natürlichen Betrachtungsweise nicht als Rechtsgutsverletzung bewertet werden.176 Über die Annahme der natürlichen Handlungseinheit im Fall von „Schüsse[n] in eine Menschenmenge“ sagt Maiwald, dass die Lösung und der Entscheidungsgrundsatz des BGH unannehmbar seien. Demnach sei derjenige Täter hier besser gestellt, der die Individualität seiner Opfer nicht bestimme und mehrere Menschen nacheinander töte oder versuche, sie zu töten, als derjenige, welcher die Individualität seiner Opfer vorher kenne. Er führt aus, dass die natürliche Handlungseinheit bei den höchstpersönlichen Rechtsgütern aufgrund eines objektiven Hindernisses abgelehnt werden müsse, weil der Täter mehrere höchstpersönliche Rechtsgüter verletze.177 Im Gegensatz dazu nimmt Wagemann178 bei der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Personen eine natürliche Handlungseinheit an und betont, dass der planvoll Handelnde gegenüber dem Täter, der die Individualität seiner Opfer nicht bestimme, nicht privilegiert sei, wenn man dem Vorhandensein der Handlungseinheit zustimme, da der Kurzentschlossene „weniger rechtsfeindliche Energie“ brauche. Wie bei einigen Entscheidungen des BGH wird auch in der Lehre bei der Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter der Annahme der Handlungseinheit zugestimmt.179 Die normativen Kriterien, die die Handlungen als tatbestandliche Einheit 175 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 41; Kindhäuser, JuS 1985, 100, 103; Maiwald, NJW 1978, 300, 301: Der Täter würgt erst seine Frau fünf Minuten lang mit Tötungswillen im Schlafzimmer. Dann kommt der Sohn des Angeklagten schreiend ins Schlafzimmer und daraufhin erwürgt der Täter auch ihn. Der BGH hat in diesem Fall eine natürliche Handlungseinheit mit der Begründung abgelehnt, dass dem Täter ein einheitlicher Tatentschluss gefehlt habe. Maiwald sagt, dass diese Entscheidung des BGH den anderen Entscheidungen widerspreche, weil der BGH in einem Fall einen einheitlichen (fortbestehenden) Tatentschluss als nicht unerlässlich angesehen habe (BGHSt 4, 219, 219 f.). Zutreffend betont Maiwald weiter, dass der Ablehnung der natürlichen Handlungseinheit aufgrund des Fehlens eines einzigen Entschlusses nicht zugestimmt werden könne, weil bei der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Personen von der natürlichen Handlungseinheit keine Rede sein könne. 176 Warda, JuS 1964, 81, 84. 177 Maiwald, JR 1985, 512, 514; jedoch hat der BGH in einer schon erwähnten Entscheidung die natürliche Handlungseinheit dort angenommen, wo der Täter seine Opfer vorher kannte (BGH NStZ 1995, 217). 178 Wagemann, Jura 2006, 580, 583; zwar ist Wagemanns Annahme in Bezug auf die Nichtprivilegierung des planvoll Handelnden gegenüber dem Kurzentschlossenen einerseits richtig, aber andererseits muss auch die Benachteiligung des planvoll Handelnden gegenüber dem Kurzentschlossenen berücksichtigt werden. Deswegen muss die Handlungseinheit bei der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter grundsätzlich abgelehnt werden. 179 Fischer, vor § 52 Rn. 7; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 66 III 1; Bockelmann/Volk, Strafrecht AT, § 34 II 1 a; Hellmer, GA 1956, 65, 68 ff.; Otto, Strafrecht AT, § 23 II 3 b aa und bb; LK10-Vogler, vor § 52 Rn. 32 ff.; Wagemann, Jura 2006, 580, 583; Sowada, Jura 1995, 245, 253.
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1. Teil: Handlungsbegriff nach der deutschen und türkischen Konkurrenzlehre
erscheinen lassen, sind bei der natürlichen Handlungseinheit bedeutsam und deswegen sei es akzeptabel, bei der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter unterschiedlicher Träger eine natürliche Handlungseinheit anzunehmen.180 Es sei widersprüchlich, bei der iterativen Tatbestandsverwirklichung eine Handlungseinheit abzulehnen, obwohl im Fall der Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter verschiedener Personen durch eine Handlung im natürlichen Sinn (Tötung mehrerer Menschen durch Zündung einer Bombe) das Vorliegen der Idealkonkurrenz oder einer Handlung angenommen werde.181 (3) Verletzung der gleichen übertragbaren Rechtsgüter verschiedener Träger In der Literatur wird bei der Verletzung von nicht höchstpersönlichen Rechtsgütern (z. B. bei der Verletzung des Eigentums) verschiedener Personen Handlungseinheit angenommen182, während sie bei der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter von verschiedenen Rechtsgutsträgern und bei der Verwirklichung der verschiedenartigen Tatbestände abgelehnt wird.183 Wenn man z. B. in mehreren Stunden mehrere Sachen wegnehme, liege eine natürliche Handlungseinheit vor, egal ob die Sachen verschiedenen Personen gehören oder nicht. Der Grund für diese Annahme ist, dass das Gesetz das Eigentum schützt; deswegen ist hier, anders als bei höchstpersönlichen Rechtsgütern, nicht entscheidend, wer Träger des Rechtsguts ist.184 In der Literatur wurde ehemals die Annahme der Handlungsmehrheit vertreten, wenn der Dieb wisse, dass die gestohlenen Sachen verschiedenen Personen gehören würden.185 Der BGH hat auch in einem Fall, in dem die Täter in einer Tiefgarage drei Wagen von verschiedenen Personen aufgebrochen hatten, eine natürliche Handlungseinheit mit der Begründung angenommen, dass die Annahme der natürlichen Handlungseinheit bei der Verletzung der Rechtsgüter verschiedener Personen auch möglich sei.186 Zur Ermöglichung des Diebstahls in einem Unternehmen wurde vor dem Diebstahl das Kraftfahrzeug eines Dritten gestohlen und zu diesem Zweck benutzt. Der BGH hat in diesem Sachverhalt die Diebstahlshandlungen, die gegen das Unternehmen und gegen das Eigentum eines Dritten gerichtet waren, als natürliche 180 SK-Samson/Günther, vor § 52 Rn. 35 ff.: „z. B. Gleichartigkeit der verletzten Tatbestände, Identität des Unrechtstyps, Schwere der Rechtgutsverletzung“. 181 Frister, Strafrecht AT, § 30 Rn. 22; SK-Samson/Günther, vor §52 Rn. 38; Deiters, Strafzumessung, S. 130, 131. 182 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 36: Wenn der Täter bei einer Flughafenkontrolle von dem Laufband die Sachen von verschiedenen Personen stehle, liege eine natürliche Handlungseinheit vor und die Beute sei Gegenstand nur eines Diebstahls; Maiwald, Die natürliche Handlungseinheit, S. 80, 82. 183 Warda, FS-Oehler, S. 242, 247 ff. 184 Werle, Die Konkurrenz bei Dauerdelikt, S. 100; Maiwald, Die natürliche Handlungseinheit, S. 80; vgl. Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 36 f. 185 Habermaas, Die ideale Konkurrenz, S. 18. 186 BGH NStZ 1996, 493, 494.
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Handlungseinheit bewertet, da die Handlungen in einem „personalen, zeitlichen und räumlichen Zusammenhang“ gestanden hätten. Der Diebstahl des Fahrzeugs habe den Einbruchsdiebstahl in dem Unternehmen ermöglicht und die beiden Handlungen würden somit eine einheitliche Tat im konkurrenzrechtlichen Sinn bilden.187 d) Als fünfte Voraussetzung der natürlichen Handlungseinheit: Die Begehung desselben Tatbestandstyps Im Allgemeinen wird in der Lehre der Anwendungsbereich der natürlichen Handlungseinheit (die tatbestandliche Handlungseinheit im weiteren Sinn) sehr eng gehalten. Die sukzessiven und iterativen Tatbestandverwirklichungshandlungen werden als eine Handlung interpretiert und die weite Ausdehnung der natürlichen Handlungseinheit bei der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Träger und bei der Verletzung der verschiedenartigen Tatbestände abgelehnt. Wenn es nicht um die Verletzung desselben Deliktstypus gehe, sei eine Handlungseinheit nicht gegeben.188 Unter demselben Deliktstypus sind qualifizierende und privilegierende Formen der Straftaten zu verstehen.189 Bei der sukzessiven und iterativen Tatbestandsverwirklichung und bei der Verletzung der gleichen übertragbaren Rechtsgüter verschiedener Träger handelt es sich immer um den gleichartigen Deliktstypus; deswegen ist hier die Handlungseinheit unproblematisch. Von der Annahme der Lehre in Bezug auf die (natürliche) Handlungseinheit soll die Verletzung desselben Tatbestandstyps als weitere Voraussetzung genannt werden. 5. Zur Bestimmung der Handlungseinheit bei Unterlassungsdelikten und fahrlässigen Delikten a) Handlungseinheit bei den Unterlassungsdelikten Unter dem Verhaltensbegriff des Verbrechenssystems fällt nicht nur das aktive Tun, sondern auch das Unterlassen. Deswegen ist darzulegen, ob eine Unterlassungseinheit im konkurrenzrechtlichen Sinn vorliegt. Wie beim aktiven Tun ist es auch möglich, durch ein Unterlassen mehrere Strafgesetze zu verletzen. In diesem Zusammenhang ist fraglich, wann eine Unterlassungseinheit oder eine Unterlassungsmehrheit vorliegt. Der BGH190 und die Literatur sind insoweit einig, dass auch 187
BGH GA 1969, 92. Warda, FS-Oehler, S. 241, 247, 256; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 59 f.; LK-Rissingvan Saan, vor § 52 Rn. 19; Sowada, NZV 1995, 465, 468; ders., Jura 1995, 245, 253; MKv. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 58; a.A.: SK-Samson/Günther, vor § 52 Rn. 35 ff.; Mitsch, JuS 1993, 385, 388. 189 Warda, FS-Oehler, S. 241, 245; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 53. 190 BGHSt 18, 376, 379: In diesem Fall überweist der Vater von drei Kindern seine Unterhaltsrenten, die gleichzeitig an die gesetzlichen Vertreter seiner Kinder überwiesen werden müssen, nicht. Wegen der Erforderlichkeit der drei verschiedenen Überweisungen lehnte der 188
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1. Teil: Handlungsbegriff nach der deutschen und türkischen Konkurrenzlehre
bei den Unterlassungsdelikten eine Handlungseinheit (Unterlassungseinheit) möglich ist, sodass eine Idealkonkurrenz durch die Annahme der Unterlassungseinheit bei der Verletzung mehrerer Unterlassungsstraftaten möglich ist. Für die Annahme der Unterlassungseinheit kommt es darauf an, ob die zustande gekommenen Unterlassungsdelikte durch eine Handlung hätten verhindert werden können. Wenn also der Unterlassungstäter zur Abwendung der Erfolge mehrmals hätte handeln müssen, liegt eine Unterlassungsmehrheit vor. Indem der Täter es unterlässt, seine beiden Kinder zu retten, die im Begriff sind, zu ertrinken, erfüllt er durch zwei Unterlassungen zwei Straftatbestände. Deswegen kommt in solchen Fällen eine Unterlassungsmehrheit zustande, weil er zwei Rettungspflichten nacheinander unterlässt, die er hätte vornehmen müssen.191 Im Schrankenwärterfall liegt eine Unterlassungseinheit vor, denn der Schrankenwärter hätte die Tötung mehrerer Personen nur durch eine Handlung verhindern können, indem er die Schranken geschlossen hätte.192 Die Unterlassungseinheit und -mehrheit wird bei den echten und unechten Unterlassungsdelikten gleich behandelt.193 Nach einer anderen Ansicht in der Lehre bilden die Unterlassungen eine (natürliche) Unterlassungseinheit, wenn zwischen den nicht gemachten Handlungen (oder nicht erfüllten Pflichten) ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht.194 b) Handlungseinheit bei fahrlässigen Delikten Eine Handlungseinheit bei fahrlässigen Delikten wird in der Lehre beim Hervortreten nur eines Erfolges angenommen, auch wenn der Täter mehrmals gegen BGH hier eine Unterlassungseinheit ab; nach Roxin ist die Entscheidung des BGH zwar grundsätzlich richtig. Sie könne jedoch in den Fällen, in denen die erforderliche Überweisung für drei Kinder an einen gesetzlichen Vertreter gemacht werden müsse, irreführen. Nach dieser Entscheidung des BGH müsse jedoch in diesem Fall eine Unterlassungseinheit angenommen werden, weil der Vater trotz des Vorliegens nur eines gesetzlichen Vertreters die Überweisungen an die eigenen Konten der Kinder machen müsste (drei getrennte Überweisungen). Und daneben muss wiederum eine Unterlassungsmehrheit angenommen werden, wenn die Kinder nur ein Konto haben, aber der Täter nur für ein Kind Geld überweist (eine Handlung, zwei Unterlassungen). Die Unterlassungen sind trennbar und deswegen kommt die Unterlassungsmehrheit zustande. Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 62; BGHSt 37, 106, 106 ff.; BGH NJW 2003, 522, 522 ff.; BGH NStZ 2009, 443, 443. 191 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 65; Struensee, Die Konkurrenz bei Unterlassungsdelikten, S. 48 ff. Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 66 IV 2; Wessels/Beulke, Strafrecht AT, Rn. 762; Kühl, Strafrecht AT, § 21 Rn. 9. 192 LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 85: Der Schrankenwärter unterlässt es, die Schranken zu schließen, während der Zug herannaht; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 71; Maiwald, Die natürliche Handlungseinheit, S. 105 ff. 193 Maiwald nimmt eine Unterlassungseinheit nur bei unechten Unterlassungsdelikten an. Maiwald, Die natürliche Handlungseinheit, S. 108 ff.; dagegen Struensee, Die Konkurrenz bei Unterlassungsdelikten, S. 54 ff. 194 Samson/Günther, vor §52 Rn. 40; Puppe, Idealkonkurrenz, S. 282 ff.; dagegen Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 64; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 28a.
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seine Sorgfaltspflichten verstößt.195 Beim Vorhandensein mehrerer Erfolge kommt es bei der Unterscheidung zwischen Handlungseinheit und -mehrheit darauf an, ob der sorgfaltswidrig Handelnde während des Eintritts verschiedener Erfolge in der Lage war, wieder sorgfaltsmäßig zu handeln und weitere Erfolge zu verhindern. Wenn z. B. der Fahrer durch ein fahrlässiges Handeln mehrere Menschen überfährt, ohne zwischenzeitlich das Auto wieder beherrschen zu können, liegt eine Handlungseinheit vor. Aber in den Fällen, in denen der Fahrer das Auto nach jedem Überfahren unter Kontrolle hätte bringen können, bilden die fahrlässigen Handlungen eine Handlungsmehrheit. Bei den fahrlässigen Tätigkeitsdelikten wird das gleiche Kriterium zur Differenzierung benutzt. Wenn also der Täter nach jedem fahrlässigen Tätigkeitsdelikt durch sorgfältige Handlung die Begehung weiterer Straftaten hätte verhindern können, liegt eine Handlungsmehrheit vor.196
II. Zusammenfassung und Stellungnahme Der am zentralen Punkt der Konkurrenzlehre stehende Handlungsbegriff wird im deutschen Strafrecht nicht einheitlich behandelt. Die Auffassungen der Lehre und des BGH weichen voneinander ab. Deswegen ist festzustellen, dass es ziemlich schwer ist, einen allgemeinen Handlungsbegriff für die Konkurrenzlehre zu finden. Dieser vom Gesetzgeber nicht genauer definierte Handlungsbegriff erscheint konkretisierungsbedürftig. Vor allem ist festzustellen, dass der Handlungsbegriff der Konkurrenzlehre nicht gleichbedeutend ist mit der Handlung des Verbrechenssystems. Beim Verbrechenssystem geht es um die Frage, „was Handlung ist“, aber bei der Konkurrenzlehre stellt sich die Frage, „wann eine oder mehrere Handlungen vorliegen“ oder „wann die Handlungen eine Einheit bilden“. Das heißt: Die Frage des Verbrechenssystems ist eine zu lösende und als gelöst akzeptierte Frage197 für die Konkurrenzlehre. Hinsichtlich des Vorhandenseins der strafbaren Handlung(en) der Verbrechenslehre gibt es keinen Zweifel bei der Bestimmung der konkurrenzrechtlichen Handlung. Beim Vorliegen einer Handlung im natürlichen Sinn tauchen keine Probleme auf, da sowohl die Rechtsprechung als auch die Lehre in diesem Fall die Annahme der Handlungseinheit und Tateinheit (wenn mehrere Gesetze verletzt werden) als unproblematisch ansehen. Zur Bestimmung der Handlungseinheit werden auch weitere Handlungseinheitsformen entwickelt. Die von der Rechtsprechung entwickelte „natürliche Handlungseinheit“ wird in der Lehre stark kritisiert und unter der na195 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 67; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 66 IV 1; MKv. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 69. 196 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 68; Struensee, Die Konkurrenz bei Unterlassungsdelikten, S. 46 ff.; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 66 IV 1; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 69; Maiwald, Die natürliche Handlungseinheit, S. 112; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 28b; LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 87. 197 Vgl. Otter, Funktionen des Handlungsbegriffes, S. 193
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1. Teil: Handlungsbegriff nach der deutschen und türkischen Konkurrenzlehre
türlichen Handlungseinheit bewertete iterative und sukzessive Tatbestandverwirklichungen werden als eine Unterkategorie der tatbestandlichen Handlungseinheit angesehen. In den anderen Fällen der natürlichen Handlungseinheit, in welchen der BGH die Annahme der natürlichen Handlungseinheit auf die Verletzung verschiedenartiger Straftatbestände und manchmal auf die Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Träger erweitert, wird die Annahme der Handlungseinheit mit den verschiedenen Argumenten abgelehnt. Vor allem ist Wardas198 Anmerkung einer „offenbar nach Belieben einsetzbaren Methode“ zu unterstreichen. Diese Auffassung kann anhand der Entscheidungen des BGH verifiziert werden, weil dieser versucht hat, jeweils unterschiedliche Einzelfalllösungen zu finden. Aber das birgt, wie in der Lehre besonders zum Ausdruck gebracht wird, eine rechtliche Unsicherheit, da so die weite Ausdehnung der natürlichen Handlungseinheit mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar ist. Durch die sich widersprechenden Entscheidungen199 des BGH kann man zum Ergebnis kommen, dass die natürliche Handlungseinheit mit dem Kriterium des einheitlichen Willens bei den Polizeifluchtfällen falsch angewendet wurde, da bei diesen Fällen der einheitliche Wille fast mit der einheitlichen Zielsetzung gleichgesetzt wird. Aus dieser Erweiterung der natürlichen Handlungseinheit ergibt sich ein fallorientierter Lösungsvorschlag, der eine rechtliche Unbestimmtheit mit sich bringen kann. Bei der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Personen wurde auch vom BGH die natürliche Handlungseinheit uneinheitlich behandelt. Aber in der Lehre wird bei diesen Fällen eine Handlungseinheit durchaus abgelehnt. Der Grund dafür ist die qualitative Eigenschaft der höchstpersönlichen Rechtsgüter. Hier ist es nicht entscheidend, ob gleiche oder verschiedene höchstpersönliche Rechtsgüter verletzt werden. Handlungseinheit bei der Verletzung der gleichen übertragbaren Rechtsgüter verschiedener Personen durch aufeinanderfolgende Handlungen muss angenommen werden, wenn die Voraussetzungen der natürlichen Handlungseinheit erfüllt werden. Hier ist besonders auszuführen, dass der zeitliche und räumliche Zusammenhang zwischen den Einzelhandlungen ziemlich eng sein sollte, um von einer Handlungseinheit sprechen zu können. Vor allem ist es richtig, dass das Gesetz bei den Eigentumsdelikten (oder bei den Vermögensdelikten) das Eigentum (oder das Vermögen) schützt. Aber die Rechtsgutsträger dürfen in solchen Fällen nicht außer Acht gelassen werden. Eine solche Annahme gibt dem Täter einen Ansporn, weitere gleiche Tatbestände zu erfüllen, da seine Strafe theoretisch nicht davon abhängt, wie viele verschiedene Rechtsgutsträger beeinträchtigt werden. Darüber hinaus wird in der Lehre die natürliche Handlungseinheit als eine Unterkategorie der tatbestandlichen Handlungseinheit angesehen und manchmal als tatbestandliche Handlungseinheit im weiteren Sinne bezeichnet. Die die Tatbestände 198
Warda, FS-Oehler, S. 241, 251; vgl. Lang, Die Idealkonkurrenz, S. 486. Flucht vor der Polizei zu Fuß oder mit dem Auto; in diesem Punkt ist die schon erwähnte Ansicht des Reichsgerichts besonders zutreffend. in: Hartung, SJZ 1950, 326, 330. 199
C. Handlungsbegriff der Konkurrenzlehre im deutschen Recht
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erfüllenden Handlungen werden im Gesetzestext nicht immer mit allen Einzelheiten ausdrücklich bestimmt. Deswegen müssen meistens die Auslegungsmethoden herangezogen werden, um die Handlungseinheit festzustellen. Ohne die natürliche Handlungseinheit zu erwähnen, kann man durch Auslegung zum Ergebnis kommen, dass bei der iterativen und sukzessiven Tatbestandsverwirklichung nur eine Handlung vorliegt. Aus diesem Grund ist es zu vertreten, anstatt der natürlichen Handlungseinheit die tatbestandliche Handlungseinheit anzuwenden. Bei der iterativen und sukzessiven Tatbestandsverwirklichung die tatbestandliche Handlungseinheit anzunehmen und auf diese Weise den Anwendungsbereich der natürlichen Handlungseinheit zu beschränken, bringt im Gegensatz zu den BGH-Entscheidungen überzeugende Falllösungen. Ein anderer problematischer Bereich bei der Feststellung der Handlungseinheit sind die unter der tatbestandlichen Handlungseinheit eingeordneten Dauerdelikte. Prinzipiell werden die Handlungen, die der Schaffung, Aufrechterhaltung und Fortsetzung des rechtswidrigen Zustandes dienen, als eine tatbestandliche Handlungseinheit bewertet. Wenn eine Unterbrechung eintritt, steht die Einheitlichkeit der Handlung bei den Dauerdelikten infrage. Kurze Unterbrechungen stören die tatbestandliche Handlungseinheit nicht. Besonders umstritten ist, ob ein Verkehrsunfall die Dauereigenschaft der Fahrt beeinflusst. Im Gegensatz zu den BGH-Entscheidungen wird in der Lehre vertreten, dass die Fahrt durch einen Verkehrsunfall nicht unterbrochen werde. Um von einer Unterbrechung sprechen zu können, müsse der Fahrer nach dem Unfall anhalten. Die bei den Entscheidungen des BGH zugrunde liegende Ansicht, die mit einer Vermutung die Änderung der psychischen Lage des Täters als entscheidend annimmt, ist fraglich. Sobald diese Ansicht als richtig angenommen wurde, musste der Grundsatz des BGH gleich für die weiteren Fälle angewendet werden. Als Beispiel können die schon erwähnten und vom BGH als das Vorliegen einer Handlung angenommenen Sachverhalte betrachtet werden. Bei diesen Sachverhalten flieht der ohne Führerschein oder betrunken fahrende Täter vor einer Polizeikontrolle. Trotz des Vorliegens einer geistig-seelischen neuen Lage des Täters hat der BGH widersprüchlich (aber richtigerweise) eine Handlungseinheit angenommen.200 Wird das Vorliegen der Änderung der geistig-seelischen Lage des Täters als entscheidend betrachtet, müsste jedoch auch bei diesen Fällen eine Handlungsmehrheit angenommen werden. Deswegen müssen in solchen Fällen anstelle der vagen Grundsätze konkrete Anhaltspunkte als entscheidend angenommen werden.
200 Es ist aber auch klar, dass der Fahrer im äußeren Geschehen auch in eine neue Lage gestellt ist.
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1. Teil: Handlungsbegriff nach der deutschen und türkischen Konkurrenzlehre
D. Handlungsbegriff nach dem türkischen Recht I. Im Allgemeinen201 und Begriffsbestimmung Sowohl im alten als auch im neuen TCK202 wurde in Bezug auf die Konkurrenz der Straftaten nicht der Begriff „Handlung“, sondern der Terminus „Tat“203 verwendet (Art. 42, 43, 44 n.F.).204 Vor allem kann festgestellt werden, dass der Begriff der „Tat (Handlung)“ von dem Gesetzgeber nachlässig gehandhabt wurde. Der Begriff wurde so verwendet, dass er verschiedene Bedeutungen haben kann. Vor allem muss klargestellt werden, was der Gesetzgeber mit dem Begriff „Tat“ gemeint hat. Die Antwort auf die Frage, wann Tateinheit vorliegt und wann die Mehrheit von Taten mehrere Gesetzesverletzungen hervorbringt, ist besonders umstritten. Anders als im deutschen Strafrecht ist das Problem im türkischen Strafrecht ein Doppeltes. Es geht nicht nur um die Frage, wann die Handlungen eine Einheit bilden und wann mehrere Handlungen vorliegen. Vielmehr geht es darum, was unter dem Begriff der „Tat“ verstanden werden muss. Zwischen der Lehre und den Entscheidungen des Kassationshofs besteht keine Einheitlichkeit im Rahmen der Begriffsbestimmung. Vielmehr sind die verschiedenen Entscheidungen des Kassationshofs uneinheitlich. Nach einem Teil der Lehre, die unter dem Einfluss des klassischen Verbrechenssystems stehen, ist nur der Erfolg entscheidend zur Bestimmung des Tatbegriffes, weil unter der Tat die Handlung (Willensbetätigung), der Erfolg und der Kausalzusammenhang zwischen der Willensbetätigung und dem Erfolg zu verstehen sei.205 Ein anderer Teil der Lehre hat als Ausgangspunkt die subjektive Seite der Straftaten angenommen. Ein wichtiger Teil der Lehre versteht unter dem Begriff der „Tat“ die „Handlung“ wie im deutschen Strafrecht. Es gilt nun zu klären, was man unter dem Begriff der „Tat“ im konkurrenzrechtlichen Sinn verstehen muss und wann die Taten (Handlungen) eine Einheit bilden.
201
Die die Handlung als Erfolg interpretierende Lehre sieht den Tatbegriff wie im Verbrechenssystem und geht von den Kriterien des Verbrechenssystems aus. 202 TCK = Türk Ceza Kanunu = Das türkische Strafgesetz. 203 Mit dem Begriff „Tat“ wird im türkischen Strafrecht und Strafgesetz „etwas, was jemand tut, getan hat“, nicht aber „Straftat“ (Vergehen oder Verbrechen) gemeint. Für beide Bedeutungen siehe URL: http://www.duden.de/rechtschreibung/Tat#Bedeutung1a (Stand: 29. 10. 2015). 204 In Art. 42: Eine als einzige Tat angesehene Straftat; Art. 43: durch eine Tat; Art: 44: durch eine begangene Tat. 205 Siehe unten: Erster Teil D. II. 1.
D. Handlungsbegriff nach dem türkischen Recht
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II. Der Begriff „Handlung“ in der türkischen Konkurrenzlehre 1. Die Bestimmung des Begriffes nach den eingetretenen Erfolgen206 Wegen der Einflüsse der klassischen Verbrechenslehre auf das türkische Strafrecht, bei der der Handlungsbegriff zugrunde gelegt wurde, versteht ein großer Teil der Lehre unter dem Begriff der „Tat“ „die Handlung, den Erfolg (die Veränderung in der Außenwelt) und die Kausalität zwischen Handlung und zustande gekommenen Erfolgen“. Dieser Teil der Lehre verwendet diesen Handlungsbegriff auch bei der Konkurrenz der Straftaten. Nach dieser Auffassung hat jede Straftat einen Erfolg.207 Deswegen müsse man, wenn es um die Tat (Handlung) gehe, darunter den Erfolg verstehen. Sei nur ein Erfolg eingetreten, sei Handlungseinheit gegeben, sonst liege beim Eintreten mehrerer Erfolge Handlungsmehrheit vor, auch wenn nur eine Körperbewegung (eine Handlung im natürlichen Sinn) mehrere Erfolge in der Außenwelt zustande gebracht habe. Die Tat bedeutet also auch bei der Konkurrenzlehre eine Veränderung in der Außenwelt; den wichtigsten Teil der Tat bildet der Erfolg. Um eine Tat annehmen zu können, muss nur ein Erfolg vorhanden sein. Wenn die Änderung in der Außenwelt mehr als eine ist, sind mehrere Taten gegeben. Verletzt der Täter z. B. durch einen kräftigen Schlag jemanden und zerbricht seine Brille, liegen zwei Veränderungen, 206 Es ist hier erwähnenswert, dass von manchen Vertretern der alten Literatur des deutschen Rechts die eingetretenen Erfolge zur Bestimmung der Handlungseinheit als entscheidend angesehen wurden. Nach Pfefferle ist „der Grund der Strafe die eingetretene Rechtsgutsverletzung.“ Es sei unrecht, in dem Fall Idealkonkurrenz anzunehmen, in dem durch einen Schuss zwei Menschen getötet werden. Der raffinierte Täter, der durch einen Schuss zwei Menschen tötet oder verletzt, profitiert davon. So kann, wenn mehrere Erfolge vorliegen, nicht mehr von Idealkonkurrenz gesprochen werden. Er macht zwischen den persönlichen und sachlichen Rechtsgütern einen Unterschied. Wenn es sich um die Verletzung der verschiedenen Arten der Rechtsgüter handelt, liege keine Erfolgs- und Handlungseinheit vor (Realkonkurrenz). Bei der Verletzung der gleichartigen persönlichen Rechtsgüter werden zwei weitere Regeln angewendet. Keine Handlungseinheit liegt vor, wenn die gleichen Rechtsgüter verschiedener Personen verletzt werden. Es liegt eine Erfolgseinheit vor, auch wenn das gleiche Rechtsgut einer Person mehrmals verletzt wird (z. B. Körperverletzung einer Person durch zwanzig Messerstiche), wenn zwischen den Handlungen ein Zusammenhang besteht. Die entscheidenden Kriterien zur Bestimmung des Zusammenhangs sind „die Willensabsicht, Einheit auf der objektiven Seite“ (Kausalkette der Handlungen). Bei der Verletzung der verschiedenen persönlichen Rechtsgüter durch fahrlässige Handlungen gehe es wieder um die Erfolgsmehrheit. Diese Auffassung macht keinen Unterschied zwischen den Erfolgs- und Tätigkeitsdelikten wie in der türkischen Erfolgslehre. Pfefferles Auffassungen in Bezug auf die sachlichen Rechtsgüter sind hiervon abweichend. Bei den sachlichen Rechtsgütern kann nur Erfolgseinheit (dementsprechend Handlungseinheit) vorliegen, wenn zwischen den Delikten ein räumlicher Zusammenhang besteht, auch wenn verschiedene sachliche Rechtsgüter verletzt sind, ohne zu untersuchen, ob ein oder mehrere Gewahrsame verletzt werden. Pfefferle, Über Ideal- und Realkonkurrenz, S. 22 ff.; von der Erfolgseinheit für den Handlungsbegriff ist heute keine Rede mehr im deutschen Strafrecht. Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 66 1 2; Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II7 § 54 Rn. 19, 44. 207 ˙ Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 28; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 472.
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1. Teil: Handlungsbegriff nach der deutschen und türkischen Konkurrenzlehre
also zwei Erfolge (die Körperverletzung und Sachbeschädigung) und dementsprechend zwei Taten in diesem Sachverhalt vor. Auch im Fall der Tötung eines Menschen und der Verletzung eines anderen durch einen Schuss liegen mehrere Erfolge (Tod und Verletzung) und mehrere Taten vor.208 Das von der den Erfolg als Tat bewertenden Lehre genannte klassische Beispiel209 war der Geschlechtsverkehr, der zwischen einer verheirateten Frau und einem fremden Mann öffentlich ausgeführt wird. In diesem Fall liege nur eine Änderung in der Außenwelt vor, aber es würden zwei Straftaten, nämlich Ehebruch und exhibitionistische Handlungen, begangen. Im Fall des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte liege wiederum nur ein Erfolg vor.210 Deswegen geht es um die Einheit der Tat nur bei derartigen Fällen, weil nur ein Erfolg eingetreten ist. Der Dreh- und Angelpunkt bei der Bestimmung des Begriffs der „Tat“ sei nicht die Handlung, sondern der Erfolg. Deswegen müssten zur Feststellung der Anzahl der Taten die konkreten Erfolge (die Änderungen in der Außenwelt) berücksichtigt werden. Demnach hänge die Einheit oder Mehrheit der Taten von der Anzahl der tatbestandsmäßigen Erfolge ab.211 In diesem Zusammenhang liegen mehrere Taten vor, wenn der Täter durch einen Schuss mehrere Menschen tötet, weil die konkreten Erfolge mehr als einer sind. Es sei gegen das Gerechtigkeitsprinzip, dieses Kriterium bei den Tätigkeitsdelikten zu verwenden, sosehr dieses Kriterium auch bei den Erfolgsdelikten verwendbar sei, weil es bei den Tätigkeitsdelikten keinen Erfolg gebe, der von der Handlung unabhängig sei.212 Zur Verhinderung dieser Ungerechtigkeit macht ˙Içel einen Unterschied zwischen der Begehung mehrerer gleichartiger und ungleichartiger Straftaten. Bei der mehrmaligen Verletzung der gleichartigen Strafgesetze müsse auf die Anzahl der verletzten Normen abgestellt werden213, um die Anzahl der Taten festzulegen. Wenn also jemand durch einen Satz 208 Hakeri, Ceza Hukuku, S. 604 ff.; Dönmezer/Erman, Nazari ve Tatbiki C II, S. 386; S¸en, Yeni Türk Ceza Kanunu Yorumu, Art. 44, S. 141; Demirbas¸, Ceza Hukuku1, S. 449; nach dem Inkrafttreten des neuen TCK hat Demirbas¸ seine Auffassung verändert und den Begriff der „Tat“ als „Handlung“ bewertet und mit dem Vorsatz kombiniert. Demirbas¸, Ceza Hukuku, S. 497; Özen, TBBD 2007, S. 132, 140; ders., Suçların ˙Içtimaı, S. 33. 209 Der Ehebruch war in der Zeit des alten TCK bis zur Entscheidung des türkischen Verfassungsgerichts im Jahr 1996 und 1998 strafbar. (aTCK Art. 419). 210 Dönmezer/Erman, Nazari ve Tatbiki C II, S. 386; Hakeri, Ceza Hukuku, S. 607 f. 211 ˙ Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 34; I˙çel, I˙HFD 1964, S. 171, 198; Hafızog˘ ulları/Özen, Türk Ceza Hukuku, S. 376; Dönmezer/Erman, Nazari ve Tatbiki C II, S. 386; Centel/Zafer/C¸akmut, Türk Ceza Hukukuna Giris¸, S. 480. 212 ˙ Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 34: „Bei der Tötung mehrerer Menschen durch einen Schuss liegen mehrere Erfolge vor, aber bei der Beleidigung mehrerer Menschen durch einen Satz liegt kein Erfolg vor und im zweiten Fall muss man zum Ergebnis kommen, dass in diesem Fall eine Handlung, dementsprechend eine Tat, vorliegt. Aber es ist mit dem Gerechtigkeitsprinzip nicht vereinbar, zwischen den Erfolgs- und Tätigkeitsdelikten einen solchen Unterschied zu machen“; vgl. Özen, TBBD 2007, S. 132, 140. 213 Bei der Beschimpfung verschiedener Menschen muss deswegen die Anzahl der Taten nach der Anzahl der Delikte bestimmt werden. Im Gegensatz zu dieser Auffassung hat der Kassationshof im Fall der Beschimpfung der zwei Polizisten durch ein gleiches Wort Ideal-
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mehrere Menschen beschimpfe, liege eine Mehrheit der Taten vor, weil ein Gesetz mehrmals verletzt worden sei. Von Idealkonkurrenz könne nicht mehr gesprochen werden. Trotzdem hat der Vertreter dieser Auffassung bei den Tätigkeitsdelikten, in welchen mehrere verschiedene Straftaten durch eine Tat begangen werden, den Begriff der „Tat“ als „Handlung“ mit der Begründung interpretiert, dass solche Fälle nicht geeignet seien, zwischen der Tat und der Handlung einen Unterschied zu machen. Die Tat müsse bei solchen Delikten als Handlung interpretiert werden.214 Auch beim Zusammentreffen von Tätigkeits- und Erfolgsdelikt könne die Tat als Handlung interpretiert werden und eine Handlungseinheit vorliegen, wenn der Erfolg zur Begehung beider Straftaten gemeinsam sei.215 Neben dieser Auffassung wird auch in der Lehre bei den Tätigkeitsdelikten der Begriff der „Tat“ als Handlung und Unterlassen verstanden, ohne zwischen gleichartigen oder ungleichartigen Straftaten einen Unterschied zu machen.216 Nach einer abweichenden Ansicht wird die Tat bei den Erfolgsdelikten nach dem Erfolg und bei den Tätigkeitsdelikten nach den Handlungen unterschieden.217 Die Anhänger dieser Auffassung sehen den Erfolg als entscheidend an, um zwischen Einheit oder Mehrheit der Taten zu differenzieren. Nach Kunter beinhaltet die Handlung ein aktives Tun und Unterlassen. Durch diese Erscheinungsformen der Handlung könnten im Gesetz vorgeschriebene Verbote übertreten und Gebote nicht erfüllt werden. Beim Totschlag benutze der Täter eine Schusswaffe oder ein Messer, er könne den Weg versperren oder in der Wohnung des Opfers das Werk vollziehen. Mit dem Tötungsdelikt wolle der Gesetzgeber solche Handlungen (Wegsperren usw.) nicht bestrafen. Handlung sei ein Verbindungselement zwischen den objektiven und subjektiven Voraussetzungen des Tatbestandes. Dagegen sei die Tat der mit der Handlung erreichte Zweck, also der Erfolg, der den Verstoß gegen das Strafgesetz enthalte. Danach sei die Tat die Veränderung in der Außenwelt und die Tat wurde mit dem Begriff „Erfolg“ gleichgesetzt.218 Nach dieser Auffassung kann ein Erfolg durch eine Handlung und daneben können auch mehrere Erfolge nur durch eine Handlung eintreten. konkurrenz angenommen. in: I˙çel, Suçların ˙Içtimaı, S. 65, Fn. 33; für die gegenteiligen Urteile siehe unten S. 70, Fn. 232 ff.; bei der Bestimmung der Handlungseinheit oder -mehrheit ist nicht die Anzahl der Handlungen (Taten), sondern die Anzahl der verletzten Delikte entscheidend. 214 ˙ Içel/Özgenç/Sözüer/Mahmutog˘ lu/Ünver, Suç Teorisi, S. 426 ff.; ˙Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 65: Bei einer falschen Verdächtigung liegt Handlungseinheit vor, wenn die Anzeige oder Aussage des Täters auch beleidigende Inhalte hat, weil es hier um zwei verschiedene Tätigkeitsdelikte geht. 215 Als Beispiel wurde von I˙çel die Verletzung des Opfers mit Beleidigungsabsicht genannt (Körperverletzung und Beleidigung). ˙Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 65, 66; ders., ˙IHFD 1964, S. 171, 187. 216 Toroslu, Ceza Hukuku, S. 326. 217 Diese Ansicht weicht von den anderen nur bei den Tätigkeitsdelikten ab. Hafızog˘ ulları/ Özen, Türk Ceza Hukuku, S. 377. 218 Kunter, I˙HFM 1948, S. 359, 365: Kunter hat seine Auffassung mit den anderen Artikeln der älteren Fassung des TCK gestützt. Er geht davon aus, dass das Gesetz auch in verschiedenen Artikeln den Begriff der „Tat“ mit dem Begriff „ Erfolg“ gleichbedeutend benutzt, z. B. Art. 45
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1. Teil: Handlungsbegriff nach der deutschen und türkischen Konkurrenzlehre
Nach Kunter219 ist es manchmal sehr schwer, bei den Tätigkeitsdelikten die Handlung von der Tat zu unterscheiden. Um diese Unterscheidung zwischen der Tat und Handlung bei den Tätigkeitsdelikten zu ermöglichen, wird der Trennbarkeitsoder Teilbarkeitsmaßstab verwendet. Wenn der Täter also in der Lage sei, mehrere Strafgesetze durch verschiedene Handlungen zu verletzen, kämen die verschiedenen Erfolge zufällig zusammen. In diesem Zusammenhang habe der Täter die Möglichkeit, mehrere Gesetzesverletzungen durch getrennte Handlungen zu verwirklichen. Obwohl nur mit einem Satz mehrere Menschen beleidigt werden könnten, könnten auch mit getrennten (verschiedenen) Sätzen mehrere Menschen gesondert beleidigt werden; und deswegen lägen in diesem Fall mehrere Taten vor, weil durch verschiedene Sätze mehrere Erfolge (mehrere Beleidigungen) eintreten könnten. Aber wenn man die Verletzungen voneinander nicht trennen könne, sei die Einheit der Tat gegeben, weil die Begehung mehrerer Straftaten durch eine Handlung unvermeidbar sei oder weil die getrennte Begehung mehrerer Straftaten durch mehrere Handlungen nicht möglich sei. Um die zweite Straftat begehen zu können, muss man auch die erste Straftat begehen. Bei dem Geschlechtsverkehr der verheirateten Frau mit einem Verwandten war die Trennbarkeit unmöglich, weil sich die Straftaten und die Handlungen zur Begehung beider Delikte in diesem Fall überschnitten, denn die verheiratete Frau kann die Straftat „Geschlechtsverkehr zwischen den Verwandten“ nicht vollziehen, ohne die Straftat „Ehebruch“ zu begehen. Außerdem wird auch betont, dass jede Straftat einen Erfolg habe. Damit die Straftatbestände erfüllt würden, müsse der Erfolg als Schaden oder als Gefahr hervortreten.220 Die Gegner dieser Auffassung gehen davon aus, dass bei dem gegebenen Beispiel „Geschlechtsverkehr zwischen den Verwandten“ die Unvermeidbarkeit nicht rechtlich, sondern vorübergehend sei, weil die die Straftat „Geschlechtsverkehr zwischen den Verwandten“ begehende Frau nicht verheiratet sein müsse. Wenn es in der Außenwelt nur eine Änderung gebe, brauche man die rechtliche Unvermeidbarkeit, die vom Gesetzgeber als Voraussetzung nicht vorgesehen wurde, nicht zu untersuchen.221 Die sogenannte Erfolgslehre liefert eine andere Begründung zur Annahme der Mehrheit der Taten. Wenn der Täter durch eine Tat aufgrund seiner Geschicklichkeit mehrere Strafgesetze verletze, sei es nicht denkbar und akzeptabel, ihn nur wegen Abs. 1: „Ist ein Vergehen ohne Vorsatz begangen, dann ist die Strafbarkeit ausgeschlossen, es sei denn, dass es sich um Fälle handelt, in denen das Gesetz die Tat als Folge einer Handlung oder Unterlassung des Täters mit Strafe bedroht.“ (Übersetzung von Ziemke, S. 31); vgl. Özen, Suçların I˙çtimaı, S. 33. 219 Kunter, I˙HFM 1948, S. 359, 366 ff. 220 Kunter, I˙HFM 1948, S. 359, 365: Alle Vorsatzdelikte haben einen Erfolg und dieser Erfolg sei der nähere Zweck des Täters. Bei den falschen Aussagen vor Gericht z. B. will der Täter lügen und er lügt. Der Erfolg sei bei diesem Delikt die Aussage, die durch die Bewegungen des Mundes und der Lunge zustande komme. 221 Dönmezer/Erman, Nazari ve Tatbiki C II, S. 387; I˙çel, Suçların ˙Içtimaı, S. 35; Özen, Suçların I˙çtimaı, S. 33.
D. Handlungsbegriff nach dem türkischen Recht
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einer Straftat zu bestrafen. Es handele sich sozusagen um eine Belohnung für den Täter, der in der Lage sei oder die Eigenschaft habe, durch eine Tat mehrere Straftatbestände zu erfüllen. Deswegen sei es unannehmbar, zwischen der Tötung zweier Menschen durch einen Schuss und der Tötung zweier Menschen durch zwei Schüsse zu unterscheiden.222 Nach Hakeri223 bilden die Regelungen in Bezug auf die Konkurrenz nur eine Ausnahme. Deswegen dürfe man diese Regelungen nicht so weit interpretieren und der Anwendungsbereich der Konkurrenz dürfe nicht ausgedehnt werden. Daneben dürfe zwar die Gesetzesbegründung224 zur Auslegung des Gesetzes angewendet werden, aber sie dürfe zur Bestimmung des Begriffs oder zur Annahme des Begriffs als Handlung nicht als entscheidendes und einziges Argument verwendet werden. In der Lehre wird vertreten, dass die Meinungsverschiedenheiten zwischen zwei Lehren225 nur bei den Delikten, die zwei oder noch mehrere verschiedene Erfolge haben, entstehen. Bei den Tätigkeitsdelikten und bei den Fällen, in denen nur ein Erfolg, aber mehrere Gesetzesverletzungen vorlägen, gebe es in der Lehre keinen Meinungsstreit.226 In dem Fall, in welchem der Täter durch eine Tat mehrere Menschen verletze, lägen zwei Erfolge und zwei Taten vor. Hier seien die Ansichten über die Tat zwischen der sogenannten Erfolgslehre und der die Tat als Handlung interpretierenden Lehre unterschiedlich. Die erste nehme in diesem Fall die Mehrheit der Taten, die zweite eine Handlungseinheit an. Aber wenn es um die Tätigkeitsdelikte oder um einen Erfolg mit mehreren Gesetzesverletzungen gehe, entstehe kein Meinungsunterschied. Nach den beiden Ansichten liegt da nur eine Tat vor, wo der Täter gegen Beamte, die zur Vollstreckung von Gesetzen oder Entscheidungen berufen sind, mit Gewalt Widerstand leistet, indem er sie verletzt. Oder bei der Beleidigung mehrerer Personen durch ein Wort sei das Ergebnis gleich und von einem Meinungsstreit könne gar keine Rede mehr sein.227 Von einem Teil der Lehre wurden der Gesetzgebungsprozess und die Entwürfe des italienischen Strafgesetzes als ausschlaggebend zur Begründung ihrer Argumente angesehen. Nach dieser Auffassung ist die Verwendung des Begriffs „Tat“ nicht zufällig. Deswegen sei der Gesetzgebungsprozess des iStGB zu untersuchen, um klarzustellen, warum der Gesetzgeber (höchstwahrscheinlich ist hier der türkische Gesetzgeber gemeint) diesen Begriff benutzt habe. In den verschiedenen Entwürfen I˙çel, Suçların ˙Içtimaı, S. 60; Hakeri, Ceza Hukuku, S. 607 f. Hakeri, Ceza Hukuku, S. 605 ff.: Wenn der Gesetzgeber mit dem Tatbegriff die Handlung meinen würde, müsste er es ausdrücklich im Gesetz normieren. Ihm zufolge liegt bei der Idealkonkurrenz nur ein Erfolg vor und der einzige Erfolg wurde in verschiedenen Gesetzen geregelt. Von Anfang an akzeptiert er die negativen Kritiken, weil nach seiner Auffassung der Anwendungsbereich des Artikels 44 zu eng ist; vgl. Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 319. 224 Nach in der Gesetzesbegründung gegebenem Beispiel soll man unter dem Begriff „Tat“ „Handlung“ verstehen. 225 Die sogenannte Erfolgslehre und die Tat als Handlung interpretierende Lehre. 226 Hakeri, Ceza Hukuku, S. 605; Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 318 f. 227 Hakeri, Ceza Hukuku, S. 605; Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 318 f. 222 223
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1. Teil: Handlungsbegriff nach der deutschen und türkischen Konkurrenzlehre
des iStGB wurde manchmal der Begriff der „Handlung“ (azione), manchmal der Begriff „Tat“ (fatto) benutzt. Mit der Begründung, dass der Begriff der „Tat“ den Zweck von dem Begriff der „Handlung“ besser erkläre, habe Zanardelli seine Entwürfe in Bezug auf Idealkonkurrenz erstellt. Dieser Entwurf sei in Kraft getreten, aber aus der Begründung des Gesetzes könne hergeleitet werden, dass der Gesetzgeber den Begriff „Tat“ mit dem Begriff „Erfolg“ gleichbedeutend benutzt habe.228 Aus diesem Grund müsse man auch den Begriff „Tat“ in der türkischen Konkurrenzlehre als „Erfolg“ verstehen. Entsprechend der Ansicht der Erfolgslehre hat der türkische Kassationshof bei den Entscheidungen manchmal die eingetretenen Erfolge zur Bestimmung des Begriffes der „Tat“ als maßgeblich angenommen. Im Fall der Verletzung mehrerer Menschen durch einen Schuss hat der Strafsenat eine Mehrheit von Taten angenommen und die Annahme der Idealkonkurrenz dadurch abgelehnt, dass der Täter durch einen Schuss mit einem Jagdgewehr mehr als eine Änderung in der Außenwelt und somit mehrere Erfolge zustande gebracht hat.229 Indem der Täter in eine Menschenmenge geschossen hatte, hat er mehrere Menschen verletzt, obwohl er hätte vorhersehen können, dass mehrere Menschen auch durch einen Schuss hätten verletzt werden können. Bei der Bestimmung des Begriffs der „Tat“ ist der Strafsenat davon ausgegangen, dass die Tat eine Änderung in der Außenwelt darstelle und der wichtigste Teil der Tat der Erfolg sei. In diesem Fall liegen mehrere Veränderungen und mehrere Erfolge vor und wegen der Mehrheit der Erfolge ist die Mehrheit der Taten gegeben.230 Der Kassationshof hat in einem ähnlichen Fall die Einheit der Taten nicht bejaht, da der Täter hätte wissen können, dass die Schrotkugeln zwei Menschen verletzen könnten. Deswegen sei es gesetzwidrig, den Täter nur wegen einer Körperverletzung zu bestrafen.231 Der Kassationshof hat, wie auch ein Teil der Erfolgslehre, auch bei den Tätigkeitsdelikten, vor allem bei den Beleidigungsfällen mehrerer Personen durch eine Tat, die Mehrheit der Straftaten und Realkonkurrenz angenommen. Einer Entscheidung zufolge ist die Anzahl der Straftaten von der Anzahl der verletzten Menschen abhängig und deswegen muss der Täter wegen mehrerer Gesetzesverletzungen (nicht nach der Bestimmung der Idealkonkurrenz) bestraft werden.232 Majno, Ceza Kanunu S¸erhi Türk ve I˙talyan Ceza Kanunları, S. 412; Kunter, ˙IHFM 1948, S. 359, 364; ˙Içel, Suçların I˙çtimaı, S. 32; Dönmezer/Erman, Nazari ve Tatbiki C II, S. 385. 229 YCGK, 18. 10. 1982 – 4 – 296/365, in: Centel/Zafer/C¸akmut, Türk Ceza Hukukuna Giris¸, S. 481, Fn. 10. 230 YCGK, 18. 10. 1982, 4 – 296/365, in: I˙çel/Özgenç/Sözüer/Mahmutog˘ lu/Ünver, Suç Teorisi, S. 425, Fn. 23; vgl. 2. CD, 5. 12. 1962, 12579/14339, in; Özgenç/S¸ahin, Uygulamalı Türk Ceza Hukuku, S. 385. 231 4. CD, 30. 01. 1995, 8487/420, in: Artuk/Gökçen/Yenidünya, Türk Ceza Kanunu S¸erhi, S. 1070, Fn. 107. 232 YCGK, 26. 11. 1996, 4 – 192/250, in:YKD, Subat 1997, S. 271: Nur in diesem Urteil hat der Strafsenat das Vorliegen mehrerer Handlungen angenommen, da mehrere höchstpersönliche Rechtsgüter verletzt wurden, obwohl nur eine Handlung vorlag (das Zerreißen des 228
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Obwohl der Täter mit einem Wort mehrere Menschen beleidigt hat und nur eine Handlung vorliegt, wird hier die Einheit oder Mehrheit der Handlungen nicht diskutiert. Das hat zur Folge, dass das Gericht stillschweigend von der Mehrheit der Handlungen ausgegangen ist. Ebenso hat der Vierte Strafsenat in einer Entscheidung die Mehrheit der Taten nach der Anzahl der Verletzten beurteilt. Die Beschimpfung mehrerer Beamten mit einem Wort wurde als Mehrheit der Taten angesehen, weil das Gericht davon ausging, dass die Straftaten von der Anzahl der Opfer abhängig sind.233 2. Die Bestimmung des Begriffes nach dem zugrunde liegenden Entschluss des Täters Nach der sogenannten Vorsatzlehre soll der im Gesetz verwandte Begriff „Tat“ als Handlung verstanden werden. Eine Handlung kann mehrere Strafgesetze verletzen, aber neben einer Handlung ist auch „der zugrunde liegende Vorsatz des Täters zur Begehung der Straftat(en)“ bei der Bestimmung der Idealkonkurrenz entscheidend.234 Wenn also der Täter durch eine Tat (oder durch eine Handlung) mehrere Strafgesetze verletzen wolle, liege in diesem Fall nur eine Handlung vor. Aber trotzdem müsse hier das Vorliegen mehrerer strafbarer Gesetzesverletzungen und dementsprechend Realkonkurrenz angenommen werden, weil der Täter mehrere Straftaten begehen wollte und entsprechend seines Vorsatzes auch mehrere Straftaten begangen hat, auch wenn er nur durch eine Handlung mehrere Gesetze verletzte. Daneben gilt, dass auch in dem Fall, dass der Täter nur ein Strafgesetz verletzen wollte und als Folge seiner Handlung mehrere Strafgesetze verletzt werden, nur ein Vorsatz und eine Handlung vorliegen und die Idealkonkurrenz gegeben ist.235 Die Bestimmung der Anzahl der Taten aufgrund der eingetretenen Erfolge sei falsch, da das Vorhandensein einer Handlung (z. B. im Fall der Verletzung mehrerer Menschen
Strafzettels und das Werfen der kleinen Stücke ins Gesicht des Polizisten); vgl. 4. CD, 28. 02. 1996, in: YKD Agustos 1996, S. 1315; YCGK, 14. 05. 1996, 4 – 92/95, in: Yas¸ar, Uygulamada Türk Ceza Yasası, S. 1206; Özgenç, Türk Ceza Hukuku, S. 562 f.: Der Kassationshof hat die Anzahl der Verbrechen durch die Anzahl der Opfer bestimmt. Wenn die Opfer eine Personenmenge bilden, hängt die Lösung der Konkurrenzprobleme davon ab, ob der Täter gegen jedes einzelne Opfer gesondert eine Straftat begehen möchte oder ob er die Gruppe als eine Einheit ansieht. Das heißt, die Opfer müssen von dem Täter als eine Gruppe bewertet und mit dieser Absicht beleidigt werden, um eine Handlungseinheit annehmen zu können (die Beleidigung einer Gruppe). Wenn der Täter die Opfer gesondert beleidigen möchte, liegen in diesem Fall mehrere Verbrechen vor und Realkonkurrenz ist gegeben. Bei einer Gesamtbetrachtung ist festzustellen, dass der Täter, der mit Beleidigungsabsicht gegen eine Gruppe handelt, gegenüber dem Täter, der nur zwei Personen beleidigt, bevorteilt wird. Diese Anwendung kommt von der vorherigen Fassung des Gesetzes, weil Art. 80 a. F. (Fortsetzungszusammenhang) des TCK die Gerichte zu einer solchen Interpretation geführt hat. 233 4. CD, 28. 02. 1996, 514/1712, in: YKD Agustos 1996, S. 1315. 234 Yüce, Ceza Hukuku Dersleri, S. 378; Taner, Ceza Hukuku Umumi Kısım, S. 481; Gündel, Yeni Türk Ceza Kanunu, S. 1257. 235 Yüce, Ceza Hukuku Dersleri, S. 377; Artuk/Gökçen/Yenidünya, Ceza Hukuku, S. 657.
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1. Teil: Handlungsbegriff nach der deutschen und türkischen Konkurrenzlehre
durch einen Schuss) für jeden ersichtlich und unumstritten sei.236 Zur Verdeutlichung, ob Ideal- oder Realkonkurrenz vorliegt, benutzen die Vertreter dieser Auffassung manchmal den Begriff „Beschluss“ und manchmal „Vorsatz“. Die Einheit der Handlung rühre von dem einheitlichen Entschluss her.237 Wenn mehrere Entschlüsse, die mehrere Gesetzesverletzungen bezwecken, durch eine Handlung zur Ausführung gebracht werden, liegen mehrere Gesetzesverletzungen in einer Handlung vor. Diene eine Handlung der Ausführung nur eines Tatentschlusses oder der Begehung nur einer Straftat, könne man von der Bestrafung der anderen Erfolge, die nicht bezweckt worden seien, absehen. In solchen Fällen könne man die Idealkonkurrenz annehmen, auch wenn durch eine Handlung mehrere Erfolge eingetreten seien; sonst müssten die Grundgedanken der Realkonkurrenz Anwendung finden.238 Diese Auffassung, die als Vorsatzlehre239 bei der Konkurrenz bezeichnet werden kann, versteht den Vorsatz als eine Voraussetzung für die Idealkonkurrenz. In der Lehre hat Yüce240 den Vorsatz als eine Voraussetzung für die Idealkonkurrenz ausdrücklich betont. Die Nachfolger241 haben diese Aussage stillschweigend akzeptiert. In der Lehre242 wird gegen diese Auffassung argumentiert, dass sie bei der Bestimmung der Anzahl der Taten (oder der Handlungen) den zugrunde liegenden Entschluss zur Begehung der Straftat als Ausgangspunkt annehme, was nicht vertretbar sei. Diese Annahme sei deswegen nicht überzeugend, weil sie den Entschluss zur Bestimmung der Anzahl der Handlungen als entscheidend ansehe. Daneben verstünden sie unter dem Begriff „Tat“ die „Handlung“. Dagegen solle aber ausgeführt werden, dass ein mehrfacher Vorsatz die Anzahl der Handlungen nicht vermehren könne und für die Annahme der Idealkonkurrenz das Vorhandensein nur eines Tatentschlusses nicht erforderlich sei. Auch wenn durch eine Handlung mehrere Strafgesetze verletzt würden, nähmen sie die Handlungsmehrheit nicht an. 236
Yüce, Ceza Hukuku Dersleri, S. 381. Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 536; Yüce, Ceza Hukuku Dersleri, S. 378. 238 Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 536. 239 Auch als subjektive Theorie bezeichnet, Göktürk, Fikri I˙çtima, S. 133. 240 Yüce, Ceza Hukuku Dersleri, S. 378. Der Kassationshof hat in einer Entscheidung deutlich gemacht: Nach dieser Entscheidung sei trotz der Einheit der Tat die Annahme der Idealkonkurrenz nicht zulässig, auch wenn die Einheit der Tat vorliege, da sich der Vorsatz auf die Begehung mehrerer Straftaten richte. YCGK, 27. 05. 2003, 5 – 133/168, in: Gündel, Yeni Türk Ceza Kanunu, S. 1262. 241 Artuk/Gökçen/Yenidünya, Ceza Hukuku, S. 656, 657; vgl. Demirbas¸, Ceza Hukuku, S. 499; Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 536. 242 Göktürk, Fikri ˙Içtima, S. 134. Zwar können manche Erklärungen dieser Lehre in diesem Sinn bewertet werden, z. B: „Die Einheit der Handlung ist eine Folge der Einheit des Vorsatzes.“ oder „Eine Handlung ist die Folge eines Vorsatzes.“ Die Gegenannahme sollte jedoch wie folgt lauten: Die Mehrheit des Vorsatzes bedeutet die Mehrheit der Handlungen. Aber bei einer Gesamtbetrachtung der Vorsatzlehre soll abgelehnt werden, dass die Einheit oder Mehrheit der Handlung von der Einheit oder Mehrheit des Vorsatzes abhängig ist. 237
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Sie gehen davon aus, dass in einem solchen Fall nur eine Handlung vorliegt. Wenn aber der Täter mehrere Strafgesetze verletzen wolle, liege trotz der Handlungseinheit keine Idealkonkurrenz vor. Das bedeutet, dass auch der zugrunde liegende Entschluss auch entscheidend und eine weitere Voraussetzung für die Annahme von Ideal- oder Realkonkurrenz ist. Ein weiterer wichtiger Grund bestehe darin, dass diese Lehre den Tatbegriff als Handlung verstehe und dass sie für die Ideal- oder Realkonkurrenz den zugrunde liegenden Entschluss als unerschütterlich annehme; dies sei die Beseitigung der Ungerechtigkeit. Der fähige und kluge Täter, der die Fähigkeit habe, durch eine Handlung mehrere Straftaten zu begehen, könne im Vergleich zu anderen, die durch mehrere Handlungen mehrere Gesetze verletzen, privilegiert werden. In diesen Sachverhalten, in denen der Täter auf der einen Seite zwei Opfer vorsätzlich durch eine Handlung töte, auf der anderen zwei Opfer vorsätzlich durch zwei getrennte Handlungen töte, zu unterschiedlichen Ergebnissen zu kommen, sei ein Verstoß gegen das Gerechtigkeitsprinzip. Durch die Verwendung des Vorsatzes als ein weiteres Kriterium zur Begründung der Idealkonkurrenz könnten der Anwendungsbereich dieses Rechtsinstituts begrenzt und so faire Ergebnisse erzielt werden.243 In den Entscheidungen des Kassationshofs ist festzustellen, dass der Beschluss und der Vorsatz manchmal als unterscheidendes Kriterium für die Ideal- und Realkonkurrenz angewendet werden, ohne dass die Einheit oder Mehrheit der Handlungen angesprochen wird. In einem Fall, in welchem der Täter mit Tötungsvorsatz in Bezug auf drei Menschen, die in einem Auto saßen, mit einer Jagdwaffe geschossen hat, hat der Kassationshof die Anwendung der Idealkonkurrenz deshalb abgelehnt, weil der Täter mit Tötungsvorsatz und bewusst zur Tötung dreier Menschen gehandelt habe. Und auch wenn der Täter nur einmal geschossen hätte, sei das Treffen von drei Menschen durch den Schuss wegen der Eigenschaft der Waffe unvermeidbar gewesen, sodass Idealkonkurrenz nicht gegeben sei.244 Die zur Begründung der Idealkonkurrenz auch den Vorsatz als entscheidend annehmende Lehre hat nicht ganz klar definiert und nur wenig diskutiert, welcher Grad des Vorsatzes in den konkreten Fällen vorliegen muss oder ob diese Auffassung 243 Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 536; vgl. Göktürk, Fikri I˙çtima, S. 255; die sogenannte Erfolgslehre hat auch mit dem gleichen Argument ihre Auffassung begründet und sie geht auch von dem Gerechtigkeitsprinzip aus, um ihre Auffassung für die Erfolgslehre zu begründen. 244 YCGK, 09. 03. 1981, 6/84, in: Centel/Zafer/C¸akmut, Türk Ceza Hukukuna Giris¸, S. 481, Fn. 11; vgl. 1. CD 26. 03. 2008, 2007/7306, 2008/2292, in: Özbek, ˙Izmir S¸erhi, S. 744: In dieser Entscheidung geht es um die Verletzung mehrerer Menschen durch die Schüsse, die nur einem Opfer gelten sollten. Einige Schüsse gegen das bestimmte Opfer sind fehlgegangen und ein anderes, an der Haltestelle wartendes Opfer wurde entweder durch diese Schüsse oder wegen des Bruchs der Glasscheibe (wieder aber durch diese Schüsse) verletzt. Der Täter habe bzgl. der Opfer, die mit dem Vorgang nichts zu tun gehabt hätten, keinen Vorsatz; deswegen ist hier Art. 44 (Idealkonkurrenz) anwendbar.
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bei den fahrlässigen Delikten Anwendung findet. Bei den mit bedingtem Vorsatz (dolus eventualis) lösbaren Fällen könne die Anwendung der Normen in Bezug auf die Idealkonkurrenz zu ungerechten Ergebnissen führen. Deswegen sei in solchen Fällen Realkonkurrenz anzunehmen (Tötung und Verletzung mehrerer Menschen durch einen Bombenangriff)245. Auch nach Yüce246 darf der Täter nicht gemäß Art. 79 aTCK (Art. 44 TCK) bestraft werden, wenn er mindestens mit bedingtem Vorsatz (für eine zweite Verletzung) handelt. Um nach dieser Auffassung den Täter wegen mehrerer Straftaten zu bestrafen, muss er mindestens mit dolus eventualis handeln. Handelt der Täter bewusst fahrlässig, sind die Voraussetzungen der Idealkonkurrenz nicht gegeben. Der Kassationshof hat auch in seiner Entscheidung die Annahme der Idealkonkurrenz abgelehnt, indem er die Voraussehbarkeit des Erfolges betonte.247 Nach der Gegenansicht ist es nicht zutreffend, den Anwendungsbereich des bedingten Vorsatzes auf die Fälle, in denen der Täter neben seinem ursprünglichen Ziel die Verletzung weiterer Rechtsgüter voraussehen kann, zu erweitern. Die Annahme der Idealkonkurrenz sei beim Vorliegen des bedingten Vorsatzes zielorientierter.248 3. Der Begriff der „Tat“ als Handlung Im Gegensatz zur Erfolgslehre wird in der Lehre vertreten, dass der Begriff der Tat als Handlung verstanden werden muss.249 Dass der Gesetzgeber mit dem Tatbegriff die Handlung gemeint hat, ist auch anhand der Gesetzesbegründung festzustellen.250 245
Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 536. Yüce, Ceza Hukuku Dersleri, S. 381; im von ihm als Beispiel gegebenen Fall schießt der Täter auf einen Menschen (A), neben dem noch jemand (B) steht. Der Täter will durch einen Schuss A töten, aber er nimmt die Verletzung des B billigend in Kauf und hält eine Verletzung für möglich. Bei der Tötung des ersten Opfers handelt er mit dolus directus, bei der Verletzung des zweiten Opfers mit dolus eventualis. Wegen des mehrfachen Vorsatzes kommt Realkonkurrenz zur Anwendung. Wenn der Täter für die Verletzung des B mit bewusster Fahrlässigkeit gehandelt hätte, wäre das gemäß Art. 79 aTCK (Art. 44 TCK) strafbar. 247 11. CD, 29. 05. 2007 – 2538/3738, in: Gündel, Yeni Türk Ceza Kanunu, S. 1268: Während der Täter mit einer Waffe auf sein Ziel, das in einer Menschenmenge (auf einem Basar) ist, schießt, muss er voraussehen, dass in solchen Situationen mehr als ein Mensch beeinträchtigt werden kann. Deswegen ist die Annahme der Idealkonkurrenz, wie in erster Instanz angenommen wurde, nicht möglich. In einer weiteren Entscheidung bei einem ähnlichen Fall hat das Gericht in Bezug auf die Verletzung eines Opfers das Vorliegen des bedingten Vorsatzes festgestellt und die Anwendung des Art. 44 abgelehnt. Daneben ist die Idealkonkurrenz bei der fahrlässigen Verletzung eines anderen Opfers angenommen worden. 1. CD, 13. 11. 2007, 5592/8365, in: Artuk/Gökçen/Yenidünya, Türk Ceza Kanunu S¸erhi, S. 1079. 248 Gündel, Yeni Türk Ceza Kanunu, S. 1257. 249 Artuk/Gökçen/Yenidünya, Ceza Hukuku, S. 655 ff.; Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/ Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 536; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 473. 250 TCK Madde Gerekceleri, S. 179, 180: Bei der Begründung des Gesetzes werden einige Beispiele vom Gesetzgeber genannt. Das eine ist das Werfen eines Knüppels, mit dem der Täter die Verletzung des Opfers beabsichtigt. Nachdem das Opfer durch diesen Knüppel verletzt wurde (oder durch Verfehlen des Knüppels nicht verletzt wurde), ist ein Schaufenster zerbrochen. In solchen Fällen begeht der Täter Körperverletzung (oder versuchte Körperverlet246
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Dementsprechend ist nicht die Anzahl der Erfolge bei der Bestimmung von Handlungseinheit oder Handlungsmehrheit, sondern die Anzahl der Handlungen ausschlaggebend.251 In der Lehre wird besonders betont, dass es für die sog. Erfolgslehre ziemlich schwer sei, für die Annahme der Idealkonkurrenz Beispiele zu finden. Das klassische Beispiel dafür ist die Vergewaltigung eines Mädchens durch ihren Vater. Es sei unvernünftig, unter dem Begriff der Tat den Erfolg zu verstehen und auf diese Weise den Anwendungsbereich der Idealkonkurrenz außerordentlich zu begrenzen.252 Abzulehnen sei, die Tat als Erfolg zu interpretieren, weil nicht bei jeder Straftat ein Erfolg gegeben sein müsse und sogar die meisten Delikte keine Erfolgsdelikte sondern Tätigkeitsdelikte seien, da hier keine Veränderung in der Außenwelt stattfinde. Deswegen müsse unter der Einheit der Taten die Handlungseinheit verstanden werden.253 Die den im Gesetz verwendete Begriff „Tat“ als Handlung annehmende Lehre unterteilt die Handlung in zwei Formen: die Handlung im natürlichen und im juristischen Sinn. a) Die Handlung im natürlichen Sinn Eine Unterkategorie der Handlungseinheit ist die Handlung im natürlichen Sinn.254 Liegt nur eine Handlung im natürlichen Sinn vor, wird das Vorliegen der Idealkonkurrenz vermutet, wenn mehrere Strafgesetze verletzt werden. Im Fall der Beleidigung mehrerer Menschen mit einem Satz255 oder bei der Verletzung oder Tötung mehrerer Menschen durch einen Schuss liegt nur eine Handlung im natürlichen Sinn vor. Durch eine Handlung im natürlichen Sinn können mehrere höchstpersönliche Rechtsgüter verletzt werden.256 Die Verletzung der höchstperzung) und Sachbeschädigung durch eine Tat (die Verletzung mehrerer Strafgesetze durch eine Tat). 251 Dass unter dem Begriff der Tat die Handlung verstanden werden muss, wird sowohl in manchen Artikeln als auch bei einigen Begründungen der Artikel erklärt. Art. 8 Abs. 1 S. 2 des TCK; im Falle, dass eine Tat teilweise oder ganz in der Türkei verwirklicht wird oder der Erfolg in der Türkei eintritt, werden die Straftaten so gesehen, als dass sie in der Türkei begangen werden. Nach dem Wortlaut dieser Artikel beinhalte der Tatbegriff den Erfolg nicht. Koca/ Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 473. 252 Artuk/Gökçen/Yenidünya, Ceza Hukuku, S. 655; Önder, Ceza Hukuku, S. 488. 253 Koca, CHD 2007, S. 197, 202; Artuk/Gökçen/Yenidünya, Ceza Hukuku, S. 655. 254 Önder, Ceza Hukuku, S. 489. 255 4. CD, 06. 02. 2008, 2007/13035, 2008/1171, in: Demirbas¸, Ceza Hukuku, S. 499, Fn. 775. 256 Es gibt auch viele Entscheidungen des Kassationshofs, in welchen bei der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Personen durch eine Handlung im natürlichen Sinn von einer Handlungseinheit ausgegangen wurde. Der Täter schießt mit einem Gewehr auf sein Ziel und neben dem Ziel gab es viele Personen, deren Verletzungen vom Täter vorausgesehen und billigend in Kauf genommen wurden. In diesem Fall hat sich der Vierte Strafsenat dazu entschlossen, dass der Täter für die anderen Verletzungen nicht bestraft werden darf. 4. CD 17. 11. 1981, 5900/6969, für die weiteren Fälle, in: Önder, Ceza Hukuku, S. 490 f.
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1. Teil: Handlungsbegriff nach der deutschen und türkischen Konkurrenzlehre
sönlichen Rechtsgüter stellt kein Hindernis zur Annahme der Handlungseinheit dar, wenn es im Gesetz nicht anders geregelt ist.257 Der Kassationshof hat auch in mehreren Fällen entschieden, dass beim Vorliegen einer Handlung im natürlichen Sinn die Handlungseinheit gegeben ist. Er hat z. B. bei der Beleidigung von zwei in einem Auto sitzenden Polizisten durch eine Handlung Handlungseinheit angenommen.258 b) Die Handlung im juristischen Sinn aa) Die im deutschen Recht als natürliche Handlungseinheit bezeichnete Handlungskette (1) Wiederholende Handlungen Im natürlichen Sinn muss nur eine Handlung vorhanden sein, aber die strafbare(n) Handlung(en) muss/müssen die Eigenschaft haben, die Tatbestände der betreffenden Straftat zu erfüllen. Das bedeutet: Wenn die Tatbestände einer Straftat durch mehrere Handlungen im natürlichen Sinn erfüllt werden, können diese Handlungen unter einer juristischen Handlungseinheit verknüpft werden.259 In solchen Fällen bilden die Handlungen eine Einheit. Wenn der Täter durch mehrere Schläge seine Feinde verletzt hat, liegen mehrere Handlungen im natürlichen Sinne vor. Diese als mehrere Handlungen im natürlichen Sinne zu bewertenden Handlungen stellen eine Handlung im juristischen Sinn dar. Somit kann die Idealkonkurrenz nicht zur Anwendung kommen, denn es liegt die Verletzung eines Strafgesetzes vor.260 Die Annahme der Handlungsmehrheit und demzufolge die Anwendung der Idealkonkurrenz müssen zwar in solchen Fällen ausgeschlossen sein, werden aber – im Gegensatz zur Auffassung von Binding261 – in einer Entscheidung des Kassationshofs im Fall der 257 Solche besonderen Regelungen, die die Anwendung der Ideal- oder Realkonkurrenz (vor allem für bestimmte höchstpersönliche Rechtsgüter) erweitern oder begrenzen, gibt es im türkischen Strafgesetzbuch; vgl. Önder, Ceza Hukuku, S. 489. 258 4. CD, 03. 12. 2008, 16155/21649, in: Artuk/Gökçen/Yenidünya, Yeni Türk Ceza Kanunu S¸erhi, S. 1306. 259 Önder, Ceza Hukuku, S. 489; vgl. Hakeri, Ceza Hukuku, S. 172. 260 Önder, Ceza Hukuku, S. 489; Artuk/Gökçen/Yenidünya, Ceza Hukuku, S. 656. 261 Binding, Handbuch des Strafrechts, S. 544 f.: Laut Binding „wird kaum ein deutscher Richter Konkurrenz annehmen, wenn A dem B eine Tracht Prügel verabreicht oder bei einer Messeraffäre wütend dieselbe Person in continenti mehrmals mit dem Dolche sticht, oder wenn der Täter eine Vase mit mehreren Stockhieben kurz und klein schlägt …“. Obwohl Bindings Aussage ziemlich eindeutig ist und bei solchen Fällen die Annahme aller Arten der Konkurrenz ausgeschlossen werden muss, hat der türkische Richter solche Fälle gelegentlich falsch interpretiert und auf diese Weise unzutreffende Entscheidungen getroffen. Beim Urteil der ersten Instanz ist es besonders bemerkenswert, dass sie die aufeinanderfolgenden Handlungen als Handlungsmehrheit bewertet hat. Obwohl der Kassationshof die falsche Annahme der ersten Instanz aufgehoben und korrigiert hatte, übersah er dieses Mal eine andere Realität (die Verletzung nur eines Gesetzes). Auf diese Weise hat sich die Lage des Täters durch diese
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Verletzung des Opfers durch mehrere Schläge auf Beine und Arme als Idealkonkurrenz interpretiert, obwohl im Fall die die Idealkonkurrenz ausschließende Handlungseinheit vorliegt. Noch erstaunlicher ist allerdings, dass die erste Instanz in diesem Fall Handlungsmehrheit angenommen hat.262 In einem Sachverhalt hat der Täter zur Bezahlung seiner Mietbeträge zwei ungedeckte Schecks in einem engen zeitlichen Zusammenhang erstellt; deswegen darf in diesem Fall von der Begehung zweier Straftaten nicht gesprochen werden. Indem der Kassationshof in dieser Entscheidung den Vorsatzzusammenhang und den Zeitpunkte zwischen den Einzelakten betonte, hat er zwischen zwei Handlungen Handlungseinheit angenommen.263 Nach einer anderen Entscheidung bilden mehrere zum Zweck der Einschüchterung und Vertreibung abgegebene Schüsse auf eine Gruppe nur eine Handlung im juristischen Sinn.264 Im Gegensatz zu diesen Entscheidungen hat der Kassationshof fälschlicherweise Handlungsmehrheit statt Handlungseinheit in anderen ähnlichen Fällen angenommen.265 In diesen Entscheidungen werden die wiederholenden Handlungen voneinander getrennt und aufgrund mehrerer Einzelakte wird das Vorliegen der Handlungseinheit durch falhöchstrichterliche Entscheidung, die besser als die erstinstanzliche Entscheidung war, verbessert; aber im Ergebnis bildet die Entscheidung einen großen Rechtsfehler. 262 4. CD, 21. 01. 1958, 5620/10934, in: Önder, Ceza Hukuku, S. 489: Nach Önder braucht man nicht die Handlungen im natürlichen Sinne, die eine juristische Handlungseinheit bilden, mit den Bestimmungen der Idealkonkurrenz zu erklären; vgl. 9. CD, 11. 12. 1981, 4271/4432, in: Önder, Ceza Hukuku, S. 490: Laut der Entscheidung, „wenn der Täter an die Wände der Schule und die Außenseite der Schule etwas schreibt, muss der Art. 79 (Idealkonkurrenz) in Erwägung gezogen werden.“ Obwohl Önder bei der vorherigen Entscheidung die Annahme der Idealkonkurrenz abgelehnt hatte, hat er diese Entscheidung als Beispiel für die Idealkonkurrenz genannt. In diesem Fall liege nur eine Handlung im juristischen Sinn vor und sie sei zur Annahme der Idealkonkurrenz entscheidend, weil es hier nur um die Verletzung zweier Tatbestände durch aufeinanderfolgende Handlungen gehe; vgl. Artuk/Gökçen/Yenidünya, Türk Ceza Kanunu S¸erhi, S. 1070. 263 YCGK,06. 02. 1989, 7 – 554/32, in: Savas¸/Mollamahmutog˘ lu, Türk Ceza Kanununun Yorumu, S. 1061. 264 YCGK, 06. 07. 2010,8 – 51/162: Abrufbar unterfolgender URL: www.kazanci.com.tr (Stand: 23. 06. 2014). 265 Der Täter hat in einem Fall mindestens fünf Schüsse abgegeben, obwohl nur einer von diesen Schüssen das Opfer getroffen hat. Diese Handlungen wurden als Handlungsmehrheit angesehen und der Täter wurde sowohl wegen der Körperverletzung als auch wegen der Gefährdung der allgemeinen Sicherheit getrennt unter Strafe gestellt, weil die Voraussetzungen der Idealkonkurrenz nicht erfüllt wurden. 1. CD, 07. 11. 2007, 2006/4194, 2007/8209; bei dieser Entscheidung wurde der getroffene Schuss als eine selbstständige Handlung von den weiteren Handlungen getrennt; zwischen den weiteren Schüssen (Handlungen) wurde Handlungseinheit angenommen, obwohl auch die getroffene Schusshandlung mit den weiteren Handlungen einen Zusammenhang bildet. Der Täter hat erst mit dem Jagdgewehr dreimal gefeuert und danach hat er mit einer Pistole einen weiteren Schuss abgegeben; durch diesen ist das Opfer ums Leben gekommen. Der Kassationshof ist auch in diesem Fall von der Mehrheit von Handlungen ausgegangen und hat die Anwendung der Idealkonkurrenz zwischen dem Totschlag und der Gefährdung der allgemeinen Sicherheit abgelehnt; vgl. 1. CD, 01. 12. 2008, 2008/3135, 2008/ 7671, beide Entscheidungen in: Göktürk, Fikri ˙Içtima, S. 109, Fn. 456.
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1. Teil: Handlungsbegriff nach der deutschen und türkischen Konkurrenzlehre
sche Interpretation abgelehnt, obwohl im Sachverhalt nur eine tatbestandliche Handlung vorliegt. Nach diesen Erläuterungen und Entscheidungen muss die Frage auch in Bezug auf das türkische Strafrecht gestellt werden, wie die im engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang stehenden Einzelhandlungen zu bewerten sind, wie die sogenannten iterativen und sukzessiven Tatbestandverwirklichungen im türkischen Strafrecht behandelt werden sollen. Obwohl der Kassationshof sich gegenseitig widersprechende Entscheidungen gefällt hat, müssen die wiederholenden und den identischen Tatbestand erfüllenden und gegen dasselbe Opfer ausgeführten Handlungen als eine juristische Handlungseinheit bewertet werden, weil die Auslegung der Tatbestände zu diesem Ergebnis führt. Als Voraussetzung zur Begehung der Tatbestände muss der Gesetzgeber die tatbestandlichen Handlungen nicht jedes Mal als alternativ oder auch mit dem Plural bezeichnen. Deswegen muss z. B. eine durch mehrere Handlungen begangene Körperverletzung als eine Handlung interpretiert werden. Bei diesen Fällen geht es um die Verletzung gleichartiger Tatbestände desselben Rechtsgutsinhabers. Zum Stützen dieser Auffassung kann eine grundlegende Entscheidung des Strafsenats beim Kassationshof angeführt werden. Nach dieser Entscheidung begeht der Täter nur einen Diebstahl durch eine Handlung, wenn er nacheinander verschiedene Sachen des identischen Opfers von verschiedenen Orten entwendet. In diesem Fall begeht der Täter nicht mehrere Straftaten und die Mehrheit der Einzeltaten stört diese Handlungseinheit nicht. Es geht hier um die Handlungseinheit in einem ununterbrochenen Vorgang.266 (2) Zur Behandlung der Verletzung verschiedenartiger Tatbestände und höchstpersönlicher Rechtsgüter verschiedener Personen durch aufeinanderfolgende Handlungen Die Frage, ob die Verletzung der verschiedenartigen Tatbestände bzw. vor allem die Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Personen durch aufeinanderfolgende Handlungen eine Handlungseinheit bildet, muss auch für das türkische Strafrecht beantwortet werden. (a) Die Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Träger Anders als in der alten Fassung des Strafgesetzes wurde in das neue türkische Strafgesetzbuch in Bezug auf die gleichartige Idealkonkurrenz eine Sonderregelung eingefügt. Nach Art. 43 Abs. 3 sind bei der vorsätzlichen Tötung, der vorsätzlichen 266 YCGK, 02. 10. 2007, 6 – 195/197: In diesem Fall hat der Täter verschiedene Sachen des Opfers aus der Wohnung und den Autoschlüssel entwendet, nach dem Verlassen der Wohnung ist er mit dem vor dem Haus stehenden Auto des Opfers weggefahren. in: Artuk/Gökçen/ Yenidünya, Türk Ceza Kanunu S¸erhi, S. 1031; vgl. 1. CD, 22. 10. 2003: Bei dieser Entscheidung wurden die wiederholenden Tötungshandlungen, die mit zeitlichen Abständen ausgeführt wurden, als eine Handlung bewertet. Die Annahme der Handlungsmehrheit der ersten Instanz wurde aufgehoben, in: Parlar/Hatipog˘ lu, Tes¸ebbüs-I˙s¸tirak, S. 321.
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Körperverletzung, Folter und beim Raub267 die Vorschriften dieses Artikels nicht anwendbar. In diesem Artikel wurden die wichtigsten höchstpersönlichen Rechtsgüter aufgezählt. Nach diesem Artikel ist die Bestrafung wegen der Verletzung dieser Tatbestände nicht von der Handlungseinheit oder -mehrheit abhängig. Für die Bestrafung nach diesen Straftaten ist es nicht ausschlaggebend, ob die Rechtsgüter durch eine Handlung im natürlichen Sinn (nur durch eine einzige Handlung) oder im juristischen Sinn oder durch mehrere Handlungen verletzt werden. Obwohl die Vorschrift positiv für die aufgezählten höchstpersönlichen Rechtsgüter erscheint, stellt sich weiter die Frage, warum diese Vorschrift bei der Verletzung dieser Rechtsgüter keine Anwendung findet und nach welchem Grundsatz diese Vorschrift geregelt wird. Wenn das entscheidende Kriterium die Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter gewesen wäre, müsste gefragt werden, warum die anderen höchstpersönlichen Rechtsgüter unter dieser Vorschrift nicht geregelt oder nach welchem Ermessen die sexuelle Nötigung und der sexuelle Missbrauch von Kindern von dieser Vorschrift ausgenommen wurden. Bei der Tötung und bei der Verletzung zweier Personen durch mehrere aufeinanderfolgende Schüsse in eine Menschenmenge wurde sowohl nach der alten Fassung als auch nach der neuen Fassung des Gesetzes die Handlungsmehrheit angenommen.268 Im Gegensatz zu diesen Entscheidungen hat der Kassationshof manchmal bei solchen Fällen Handlungseinheit angenommen. Zur Tötung des Opfers abgegebene Schüsse wurden als Handlungseinheit angenommen, obwohl außer dem Opfer noch eine weitere Person verletzt wurde.269 Trotz der sich widersprechenden Entscheidungen muss die Handlungseinheit bei der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Träger durch aufeinanderfolgende Handlungen insgesamt abgelehnt werden. Wie im deutschen Strafrecht270 zutreffend behauptet wird, dass bei der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter eine additive Betrachtungsweise unmöglich sei, ist dies nicht der 267 Einige Monate nach dem Inkrafttreten des Gesetzes wurden mit einer Änderung dieser Vorschrift die sexuelle Nötigung und der sexueller Missbrauch von Kindern ausgenommen. Nach der Begründung des Gesetzgebers sind diese Straftaten wegen der Beweisschwierigkeiten für den Tatrichter von der Vorschrift ausgenommen. Erste Fassung des Art. 43 Abs. 3: „Bei vorsätzlicher Tötung, vorsätzlicher Körperverletzung, Folter, Raub sexueller Nötigung und sexuellem Missbrauch von Kindern finden die Vorschriften dieses Artikels keine Anwendung.“ Letzte Fassung des Art. 43 Abs. 3: „Bei vorsätzlicher Tötung, vorsätzlicher Körperverletzung, Folter und Raub finden die Vorschriften dieses Artikels keine Anwendung.“ Zum Ganzen siehe Anhang, S. 234. 268 1. CD, 08. 05. 2007, 1588/3510, in: Artuk/Gökçen/Yenidünya, Türk Ceza Kanunu S¸erhi, S. 1082. 269 1. CD, 19. 10. 1982, 2771/3516, in: Önder, Ceza Hukuku, S. 491; wie bei der Erfolgslehre erwähnt, wird die Handlungseinheit bzw. Idealkonkurrenz in der Zeit des alten TCK bei solchen Fällen meistens deswegen abgelehnt, weil der Begriff „Tat“ als Erfolg verstanden wurde. 270 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 41; Kindhäuser, JuS 1985, 100, 103; Mitsch, JuS 1993, 385, 388; Warda, FS-Oehler, S. 241, 247, JuS 1964, 81, 84.
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1. Teil: Handlungsbegriff nach der deutschen und türkischen Konkurrenzlehre
einzige Grund, um bei solchen Fällen die Handlungseinheit abzulehnen. Die Gegner dieser Ansicht gehen erst von der Qualität der verletzten Rechtsgüter aus und kommen zum Ergebnis, dass die Handlungsmehrheit gegeben sei. Aber bei der Konkurrenzlehre darf nicht aufgrund der Qualität der verletzten Rechtsgüter das Vorliegen von Handlungseinheit oder -mehrheit festgestellt werden. Es muss von der Quantität der Handlungen ausgegangen werden und dabei müssen auch die Eigenschaften der Rechtsgüter berücksichtigt werden. In der türkischen Lehre gibt es auch Indizien dafür, dass die wiederholten Handlungen als Handlungsmehrheit verstanden werden können. Nach Artuk liegt nur eine Handlung und Idealkonkurrenz zwischen mehreren Freiheitsberaubungen vor, wenn der Täter die Tür des Zimmers, in dem drei Leute sitzen, schließt. Dagegen liege Handlungsmehrheit vor, wenn der Täter von außen drei Personen zwangsweise in ein Zimmer einsperre. Entsprechend einer Entscheidung des Kassationshofs271 hat auch Artuk hier Handlungsmehrheit und dementsprechend die Verhängung mehrerer Strafen aufgrund mehrerer Freiheitsberaubungen angenommen.272 (b) Die Begehung verschiedenartiger Straftaten Bei der Begehung verschiedenartiger Straftaten dürfen die aufeinanderfolgenden und nur einem Zweck dienenden Handlungen nicht unter die Handlungseinheit eingeordnet werden. Die Brandstiftungshandlung auf der einen Seite, die auf die Beseitigung der Spuren der begangenen Straftaten abzielt, und die vorherigen Handlungen auf der anderen Seite sind mehrere Handlungen im konkurrenzrechtlichen Sinn. Bei der Begehung der verschiedenartigen Straftaten kann eine Handlungseinheit nur ausnahmsweise angenommen werden, wenn zwischen den wiederholenden Handlungen eine ganz enge zeitliche und räumliche Verbindung besteht. Der Zusammenhang muss so eng sein, dass die Handlungen im jeweiligen Fall nicht voneinander getrennt bewertet werden dürfen. Als Beispiel kann für solche Fälle die Verletzung des Opfers durch kurz aufeinanderfolgende Schläge und das Zerbrechen der Brille während der Schläge angeführt werden. Die Sachbeschädigungshandlung darf in diesem Fall von den anderen Handlungen nicht getrennt bewertet werden, da sie zusammen eine Einheit bilden.273 Die Annahme einer Handlungseinheit bei den Polizeifluchtfällen, die in der türkischen Konkurrenzlehre keine Erwähnung gefunden hat, muss auch im türkischen Recht abgelehnt werden, weil die Einheitlichkeit des Zwecks oder der Wille des Täters nicht maßgeblich zur Bestimmung der Handlungseinheit Verwendung finden darf. Zutreffend wird in der deutschen Strafrechtslehre erläutert, dass eine
271
5. CD, 15. 08. 2006, 18480/5890, in: Artuk/Gökçen/Yenidünya, Türk Ceza Kanunu S¸erhi, S. 1053. 272 Artuk/Gökçen/Yenidünya, Ceza Hukuku, S. 659, Fn. 442. 273 Jede tatbestandliche Handlung ist ein wesentlicher Bestandteil der anderen. Deswegen sollen solche Handlungen als eine Handlung im konkurrenzrechtlichen Sinn bewertet werden.
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solche Handhabung nur eine mit dem Gesetz nicht vereinbare Ausdehnung274 der Handlungseinheit sei und eine solche Ausdehnung nur Ungerechtigkeiten zur Folge habe, weil die Zweck-Mittel-Beziehung oder der einheitliche Wille kein Grund für die Verknüpfung der aufeinanderfolgenden Handlungen unter eine Handlung sei. Zwischen den in einem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang stehenden Handlungen mithilfe des einheitlichen Willens des Täters eine Handlungseinheit anzunehmen, gebe dem Tatrichter einen großen Spielraum und könne die Anwendung der Handlungseinheit außerordentlich erweitern. Dies könne das Rechtsgefühl für die Minderung der Strafe des Täters (zu seinen Gunsten) verletzen.275 (c) Die Verletzung der übertragbaren Rechtsgüter verschiedener Träger Im türkischen Strafrecht wurden solche Verletzungen durch aufeinanderfolgende Handlungen unter dem Gesichtspunkt der Fortsetzungstat bewertet. Nach der alten Fassung des Gesetzes lag bei diesen Fällen eine Fortsetzungstat vor, wenn die Begehung mehrerer gleicher Straftaten bei der Ausführung eines einzigen Tatentschlusses erfolgte. Nach der neuen Fassung des Gesetzes muss die gleiche Straftat gegen dieselbe Person begangen werden, damit man von einer Fortsetzungstat sprechen kann.276 Deswegen werden bei der Verletzung der übertragbaren Rechtsgüter verschiedener Personen durch aufeinanderfolgende Handlungen Handlungsmehrheit und dementsprechend Realkonkurrenz angenommen. Wenn der Täter Radioapparate aus verschiedenen auf einem Parkplatz stehenden Autos stiehlt, indem er die Scheiben der Autos zerbricht, begeht er mehrere Straftaten, bei denen die Realkonkurrenz Anwendung finden muss, weil jeder Diebstahl gegen einzelne Eigentümer als selbstständig anzusehen ist.277 Nach dieser Begründung des Gesetzgebers in Bezug auf die fortgesetzte Handlung bilden die aufeinanderfolgenden Handlungen keine Einheit. In der Lehre wird bei diesem Fall im Gegensatz zur Ansicht des Gesetzgebers nur eine Straftat gegen eine Person angenommen, wenn das Opfer nicht jeder einzelne Autoeigentümer, sondern ein Parkplatzinhaber oder Wächter ist. Wenn aber der Parkplatzinhaber und Eigentümer Mitbesitzer sind, liegen nach dieser Ansicht mehrere Straftaten vor.278 Der Kassationshof hat auch in einem Fall Handlungsmehrheit angenommen, in dem der Täter in einem Zimmer der Sporthalle Mobiltelefone, Geld und Armbanduhren verschiedener Personen gestohlen hat, und dies damit begründet, dass die
274 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 54 ff.; LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn 18 ff; Warda, FS-Oehler, S. 241, 252; Wessels/Beulke, Strafrecht AT, § 17 Rn. 764 ff.; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 17 Rn. 10. 275 Vgl. MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 52: Er weist auf den Missbrauch des einheitlichen Willens zur Begründung der Handlungseinheit hin. 276 Einzelheiten siehe unten: Dritter Teil A. I. 277 TCK Madde Gerekceleri S. 179 f. 278 Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 487.
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1. Teil: Handlungsbegriff nach der deutschen und türkischen Konkurrenzlehre
Anzahl der Straftaten von der Anzahl der Geschädigten abhängig sei.279 Nach dieser Erklärung kann die Frage gestellt werden, wie man die Fälle, in denen der Täter geringwertige Sachen verschiedener Personen in unmittelbarem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang stiehlt, gegenüber einem anderen Fall, in dem durch eine Handlung nur eine wertvolle Sache eines Eigentümers gestohlen wird, unterscheiden soll und ob die Annahme der Handlungsmehrheit im ersten Fall eine unangemessene Strafzumessung verursacht. Sosehr der Tatrichter mit richterlichem Ermessen durch die Herabsetzung der Strafe bei dem Diebstahl geringwertiger Sachen eine angemessene Strafe für die oben genannten Fälle aussprechen kann, ist diese Lösung für die weiteren Fälle, bei denen der Täter diesmal wertvolle Sachen verschiedener Personen durch aufeinanderfolgende Handlungen stiehlt, nicht anwendbar und erscheint fraglich. Wegen der jeweiligen Diebstähle eine getrennte Strafe zu verhängen und diese Strafen zu addieren, kann nicht überzeugen und erscheint ungerecht, wenn man diese gesamte Strafe mit der Strafe des zweiten Täters, der durch eine Handlung im natürlichen oder juristischen Sinn höherwertige Sachen entwendet, vergleicht. Deswegen müssen in solchen Fällen die Normen in Bezug auf die Fortsetzungstat (Art. 43 Abs. 1) Anwendung finden, wenn die weiteren Voraussetzungen des Artikels vorliegen. Für die Anwendung der Fortsetzungstat ist aber eine Gesetzesänderung erforderlich. Wie bei der Verletzung der verschiedenartigen Straftaten dargelegt wurde, kann auch bei der Verletzung von gleichartigen übertragbaren Rechtsgütern verschiedener Personen durch aufeinanderfolgende Handlungen der Annahme einer Handlungseinheit zugestimmt werden, wenn zwischen den Handlungen ein so enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang besteht und eine getrennte Bewertung der Handlungen gar nicht möglich ist. Das von Roxin280 genannte Bespiel (Diebstahl der auf einem Laufband herumliegenden Geldbörse durch blitzschnelles Ergreifen) kann in diesem Zusammenhang genannt werden. In diesem Sinne sollte man im Gegensatz zum Kassationshof in diesem Fall, in welchem der Täter in einem Zimmer der Sporthalle die Sachen verschiedener Personen stiehlt, eine Handlungseinheit annehmen, weil die Handlungen in diesen Fälle zeitlich und räumlich (bzw. bei einem engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang) so nahestehen, dass eine getrennte Bewertung dieser Handlungen unmöglich erscheint und jede Handlung ein wesentlicher Bestandteil der anderen ist. Entsprechend dieser Auffassung hat der Kassationshof in seinen anderen Entscheidungen281 die Handlungseinheit ange279
6. CD, 09. 06. 2008, 12217/13109: Von der ersten Instanz wurden die Handlungen des Täters als Fortsetzungstat bewertet, in: Artuk/Gökçen/Yenidünya, Türk Ceza Kanunu S¸erhi, S. 1038. 280 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 36; vgl. Werle, Die Konkurrenz, S. 100. 281 YCGK, 11. 6. 2013, E 2013/13 – 303, K 2013/296, Abrufbar unter URL: http://www.adal etbiz.com/yargitay-kararlari/hirsizliksuclarin-ictimaizincirleme-sucfarkli-magdurlarzararin-gi derilmesi-halinde-kazanc-musaderesi-h11464.html (Stand:18. 03. 2015); vgl. YCGK, 16. 01. 2012, E 2011/13869, K 2012/778: Der Täter hat in diesem Fall von drei verschiedenen Moscheen während der drei verschiedenen Gebete (also mit zeitlichen Abständen) die Schuhe von 25 Personen entwendet. Die Handlungseinheit bzw. gleichartige Idealkonkurrenz wird vom
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nommen, wenn der Täter in einem Raum die Sachen verschiedener Personen durch aufeinanderfolgende Handlungen stiehlt. bb) Mehraktige Delikte Zur juristischen Handlungseinheit zählen auch die mehraktigen und alternativaktigen Delikte. Ein Beispiel für die mehraktigen Delikte ist der Raub (Art. 148 TCK)282, bei dem zur Verwirklichung der Tatbestände Gewalt oder Drohung und, als weitere Tätigkeit, die Wegnahme einer Sache vorausgesetzt worden sind. In Art. 207 TCK wird auch die Falschbeurkundung von privaten Urkunden als mehraktiges Delikt geregelt. Zur Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes muss die private Urkunde nicht nur beurkundet, sondern auch verwendet werden. Obwohl, wie anhand der Beispiele gezeigt, bei den mehraktigen Delikten die Tatbestände durch mehrere Handlungen im natürlichen Sinn verwirklicht werden, liegt nur eine Handlung im juristischen Sinn vor. cc) Alternativaktige Delikte Während bei den sog. alternativaktigen Delikten nur ein Einzelakt zur Begehung der Straftat ausreichend ist, können die Tatbestände des Delikts nach der Fassung des Gesetzes auch durch mehrere Handlungen, die als eine Handlung im juristischen Sinn zu bewerten sind, erfüllt werden.283 Die verschiedenen Handlungen müssen also nicht kumulativ, sondern alternativ zur Verwirklichung des Tatbestandes führen. Als Beispiel ist Art. 188 des TCK, der Handel mit Betäubungs- oder Aufputschmitteln und deren Produktion, zu nennen.284 dd) Dauerdelikte Nach Kunter liegen bei den Dauerdelikten meistens mehrere Handlungen vor, die zu einer Handlung zusammengefasst werden.285 Bei den Dauerdelikten liegen mehrere Handlungen, die das Dauerdelikt begründen, aufrechterhalten und fortKassationshof für jeden Einzelfall angenommen und dadurch begründet, dass die Handlungen des Täters eine Einheit bilden. 282 Laut Özen geht es um mehrere Straftaten beim zusammengesetzten Delikt. Die Einheit der Straftat wird durch das Gesetz zustande gebracht. Mit anderen Worten ist die Einheit der Straftat offensichtlich. Deswegen ist die Anzahl der Handlungen von den Delikten, die das zusammengesetzte Delikt bilden, abhängig. Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 29. 283 Koca, CHD 2007, S. 197, 205. 284 Die strafbaren Handlungen nach Art. 188 Abs. 1; Herstellung, Export und Import des Betäubungs- oder Aufputschmittels, die strafbaren Handlungen nach Art. 188 Abs. 3; Verkauf, Ankauf, Übergabe, Versendung, Transport, Lagerung usw. Als weiteres Beispiel kann die Gefährdung der Verkehrssicherheit (Art. 179) genannt werden, z. B. die Veränderung oder das Unbrauchbarmachen der Verkehrszeichen oder das Geben von falschen Zeichen im Verkehr. 285 Kunter, Suçun Maddi Unsurları Nazariyesi, S. 94.
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1. Teil: Handlungsbegriff nach der deutschen und türkischen Konkurrenzlehre
dauern lassen, vor. Diese Handlungen werden auch in der türkischen Strafrechtslehre als eine Handlung im juristischen Sinn angesehen.286 Die verschiedenen Handlungen werden bei den Dauerdelikten zusammengesetzt und als eine Handlung bewertet. Die Mehrheit der Handlungen bei solchen Delikten sei für das Zustandekommen und für die Fortdauer der Rechtswidrigkeit eine begriffliche Notwendigkeit.287 Die der Schaffung, Aufrechterhaltung und Fortdauer des rechtswidrigen Zustandes dienenden Handlungen müssen als eine Handlung im juristischen Sinn bewertet werden, weil die Dauerdelikte in ihrem Wesen die Eigenschaft haben, mit mehreren Handlungen begangen zu werden. Der Täter begeht eine Freiheitsberaubung, indem er durch sein Tun das Opfer in einem Zimmer einsperrt, aber wenn er das Opfer nicht freilässt, hält er die Tat durch ein Unterlassen aufrecht. Wegen der Umklammerungsfunktion der Dauerdelikte bilden die verschiedenen Handlungen eine juristische Handlungseinheit. (1) Kurze Unterbrechungen bei Dauerdelikten Wie bereits bei den Ausführungen zum deutschen Recht behandelt, taucht auch hier das identische und von der Lehre nicht erwähnte Problem auf, wann die Unterbrechung als kurzzeitig zu bezeichnen ist. Kurzzeitige Unterbrechungen hindern nicht die Annahme der Handlungseinheit. Verlässt z. B. das Opfer kurzzeitig die Wohnung, in der es eingesperrt ist, liegt Handlungseinheit vor, wenn das Opfer kurz nach dem Bemerken durch den Täter wieder eingesperrt wird.288 Im Fall der kurzen Unterbrechung kann von der Einheitlichkeit des Falles und des Zeitpunkts, der nach der objektiven Beobachtung eines Dritten festgestellt werden kann, ausgegangen werden. Wenn die Tat in einer Gesamtbetrachtung ihre Einheitlichkeit verliert, wird vermutet, dass eine Unterbrechung vorliegt. Wenn der fahruntüchtige Fahrer nach der ersten Fahrt anhält und eine Stunde einkauft, kann von einer Handlungseinheit nicht mehr gesprochen werden, weil die Handlung nach der objektiven Beobachtung seine Einheitlichkeit verloren hat; wenn er jedoch nur zehn Minuten zum Essen anhält, liegt eine Handlungseinheit vor. Die Einheitlichkeit der Handlungen bei den Verkehrsdelikten289 durch die verkehrsbedingten Unterbrechungen kommt nicht infrage.290 Also kann fallorientiert, anhand der Einheitlichkeit des Tatablaufes und Zeitpunkts, über die Einheit oder Mehrheit der Handlung 286 Önder, I˙HFM 1963, S. 75, 97: Die Freiheitsberaubung wird vom Täter durch ein aktives Tun begangen, aber durch ein Unterlassen hält er die Freiheitsberaubung aufrecht. Das positive Recht nimmt das Tun und Unterlassen als eine Handlung an; Özgenç, Türk Ceza Hukuku, S. 168 f. 287 Koca, CHD 2007, S. 197, 204; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 475; MKv. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 29. 288 Göktürk, Fikri I˙çtima, S. 126; Özgenç, Türk Ceza Hukuku, S. 168. 289 Über die Unterbrechung durch einen Unfall bei Verkehrsdelikten siehe unten: Erster Teil D. II. 3. b) dd) (2). 290 Vgl. Roxin, Strafrecht AT, II § 33 Rn. 23; LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 53; S/SSternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 81.
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bei den Dauerdelikten entschieden werden. Ist die Aufspaltung des Geschehens nicht möglich, ist eine Handlungseinheit gegeben. (2) Unterbrechung durch einen Unfall bei Verkehrsdelikten Auf die in der türkischen Konkurrenzlehre nicht behandelte Frage, ob bei den Verkehrsdelikten durch einen Unfall eine Unterbrechung entsteht und dadurch die Handlungseinheit beendet wird, soll im Folgenden näher eingegangen werden. Im Gegensatz zu Entscheidungen des BGH kann bei den Verkehrsdelikten (die Gefährdung des Verkehrs unter Alkohol oder anderen Betäubungsmitteln [Art. 179 Abs. 3 des TCK], oder Fahren ohne Fahrerlaubnis [Art. 36 des KTK291] nicht von einer Unterbrechung gesprochen werden, wenn der fahruntüchtige oder ohne Fahrerlaubnis Fahrende einen Unfall verursacht und ohne anzuhalten weiterfährt. Wenn der Täter nach dem Unfall anhält und danach weiterfährt, liegen zwei Handlungen und dementsprechend zwei Dauerstraftaten vor, weil die Tat ihre Einheitlichkeit mit dem „Halten“ verloren hat; mit anderen Worten tritt hier eine Aufspaltung des Geschehens ein. Im ersten Fall sagt ein dritter Beobachter „er fährt weiter“, und es liegt eine Handlung vor, aber im zweiten Fall sagt er, dass „er wieder fährt“, und es liegen somit zwei Handlungen im konkurrenzrechtlichen Sinn vor. ee) Eine andere Form der mehraktigen Delikte Zur Erfüllung des Straftatbestandes können manche Artikel292 mehrere Handlungen erfordern. Diese Handlungen müssen aber nicht in einem engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang stehen. Anders als bei Dauerdelikten ist ein ununterbrochener Vorgang und eine dauerhafte Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustandes nicht erforderlich. Diese Handlungen können als pauschalierende Handlungsbeschreibungen293 bezeichnet werden. Die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zur Begehung von Straftaten, Quälerei und Folter sind Straftaten, für deren Begehung mehrere vom Gesetz vertypte Handlungen erforderlich sind.294 Um einen Beamten wegen Folter bestrafen zu können, müssen seine Handlungen ein bestimmtes Maß erreichen. Deswegen ist eine Handlung, die jemanden beleidigt oder mit der Menschenwürde nicht vereinbar ist, zur Bestrafung des Beamten wegen Folter295 nicht ausreichend. Aus diesem Grund bilden die erforderlichen verschiedenen Handlungen für solche Straftaten eine Handlungseinheit
291
Karayollari Trafik Kanunu (KTK), Straßenverkehrsgesetz. Z. B. TCK Art. 94 Folter, Art. 96 Quälerei. 293 Vgl. Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II, § 54 Rn. 24. 294 Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 475; Koca, CHD 2007, S. 197, 204, 205; Artuk/ Gökçen/Yenidünya, Ceza Hukuku, S. 657. 295 Die Bestrafung ist wegen Beleidigung oder Körperverletzung möglich. 292
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im juristischen Sinn.296 Die hier genannten Delikte unterscheiden sich von den alternativaktigen Delikten dadurch, dass, obwohl bei den alternativaktigen Delikten nur ein Einzelakt zur Begehung der Straftat ausreichend ist, hier mehrere Einzelakte zur Bestrafung des Täters, z. B. wegen Folter, erforderlich sind. Obwohl es eigentlich auch bei den hier erwähnten Fällen um die mehraktigen Delikte geht, liegt ein Wesensunterschied zwischen beiden Delikten vor. Hier hat die Handlung eine bestimmte Dauer, die bei mehraktigen Delikten nicht erforderlich ist. 4. Der Begriff der Tat in anderen Konkurrenznormen Der Gesetzgeber hat im türkischen Strafgesetzbuch den Tatbegriff in den verschiedenen Konkurrenzbestimmungen in unterschiedlicher Bedeutung verwendet. Der Artikel über die zusammengesetzten Delikte enthält auch den Tatbegriff, der von den bisher gemachten Erklärungen (für die Ideal- und Realkonkurrenz) abweicht. a) Artikel 42 In Art. 42 des TCK ist die zusammengesetzte Straftat geregelt. Bei den zusammengesetzten Delikten sehen mehrere Handlungen, die nur eine (zusammengesetzte) Straftat bilden, nur wie eine Handlung aus. Wegen der Fassung des Straftatbestandes bilden mehrere Handlungen und darauffolgende mehrere Straftaten nur eine Straftat und, wie schon erwähnt, liegt nur eine Handlung im juristischen Sinn vor. In Art. 42 wurde der Tatbegriff verwendet. Die Übersetzung des Artikels lautet folgendermaßen: „Eine Straftat, die als eine einzige Tat angesehen wird, weil die eine Tat ein Tatbestandsmerkmal oder einen erschwerenden Umstand der anderen Tat bildet, wird als zusammengesetzte Straftat bezeichnet. Auf derartige Straftaten finden die Vorschriften über die Konkurrenzen keine Anwendung.“297 Aber nach dem Wortlaut des Artikels 42 muss unter dem Begriff „Tat“ „die Straftat“ verstanden werden, weil es in diesem Artikel um mehrere Straftaten (die die zusammengesetzte Straftat bildenden Straftaten), die als eine einzige Straftat angesehen werden müssen, geht. Der Gesetzgeber hat hier missverständlicherweise Straftat mit Tat vermischt. Hier schrieb er Tat, meinte jedoch Straftat.298 Obwohl bei den zusammengesetzten Delikten auch mehrere Handlungen vorliegen, ist für derartige Straftaten das Vorhandensein mehrerer Straftaten entscheidend. Während der Gesetzgeber mit dem Begriff „Tat“ die Straftat meinte299, war er an dieser Stelle nachlässig und verwendete den falschen Begriff der Tat.
296 Önder, Ceza Hukuku, S. 49; laut Önder sind die staatsfeindlichen Propagandahandlungen in diesem Sinn bewertet worden. 297 Tellenbach, S. 35. 298 Als einzig korrekt anzusehen ist hier nicht „Tat“, sondern „Straftat“. 299 Vgl. Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 38.
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b) Artikel 43 Abs. 1300 In Art. 43 Abs. 1 wurde die Fortsetzungstat geregelt und der Tatbegriff wurde nicht verwendet. Aber es handelt sich um die Handlungsmehrheit in Bezug auf die Fortsetzungstat. Bei den zusammengesetzten Straftaten liegen mehrere Handlungen und mehrere Straftaten vor, aber aufgrund der Fassung des Gesetzes wird auf eine einzige Strafe abgestellt. Bei derartigen Delikten geht es also nicht mehr um die juristische Handlungseinheit.301
III. Zusammenfassung und Stellungnahme Bei der Konkurrenz der Straftaten im türkischen Strafgesetzbuch wurde vom Gesetzgeber der Begriff der „Tat“ verwendet, dementsprechend eröffnet diese Wortauswahl einen anderen Diskussionsbereich. So ist die wichtigste Frage im türkischen Strafrecht, was der Gesetzgeber damit gemeint hat oder was unter diesem Begriff verstanden werden muss. Ein Teil der Lehre hat den Begriff „Tat“ mit dem „Erfolg“ gleichgesetzt. Nach dieser Ansicht ist die Anzahl der Taten von der Anzahl der eingetretenen Erfolge, also von der Anzahl der Veränderungen der Außenwelt abhängig, weil die Handlung den Eintritt einer Veränderung in der Außenwelt erfordert. Verletzt der Täter durch einen Schuss zwei Menschen, liegen zwei Veränderungen bzw. zwei Taten im konkurrenzrechtlichen Sinn vor. Ein Teil der Erfolgslehre versteht den Begriff der Tat bei den Tätigkeitsdelikten als Handlung und auf diese Weise wird das Erfolgskriterium nur auf die Erfolgsdelikte beschränkt. Dagegen wird auch vertreten, dass eine solche Annahme mit dem Gerechtigkeitsprinzip nicht vereinbar sei; deswegen müsse bei der mehrmaligen Verletzung des gleichartigen Strafgesetzes (bei Tätigkeitsdelikten) die Anzahl der verletzten Normen entscheidend sein, um die Anzahl der Taten festzustellen. Als eine weitere Begründung für die Erfolgslehre wird in der Lehre vertreten, dass der Täter, der wegen seiner Geschicklichkeit durch eine Handlung mehrere Straftaten begehen könne, privilegiert sei, wenn die Erfolgslehre abgelehnt werde. Das klassische Beispiel dafür ist die Tötung mehrerer Menschen durch einen Schuss oder einen Bombenanschlag. Nach der neuen Fassung des Gesetzes darf man diese Ansicht nicht mehr vertreten, obwohl im Gesetz weiter der Tatbegriff verwendet wird. Wenn der Gesetzgeber mit dem Begriff der „Tat“ den „Erfolg“ hätte bezeichnen wollen,
300 Art. 43 Abs. 1 S. 1: Wird bei der Ausführung eines einzigen Tatentschlusses die gleiche Straftat gegen eine Person zu verschiedenen Zeiten mehrmals begangen, so wird eine einzige Strafe verhängt. Tellenbeach, S. 35; zum ganzen Artikel siehe Anhang. 301 Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 478; Artuk/Gökçen/Yenidünya, Ceza Hukuku, S. 644 f.; die Einzelheiten siehe unten: Dritter Teil A. I. 2.
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hätte er Art. 43 Abs. 3302 nicht zu normieren brauchen. Deswegen, wenn die Artikel in Bezug auf die Idealkonkurrenz zusammen bewertet werden, muss man zum Ergebnis kommen, dass mit dem Tatbegriff die Handlung gemeint wird. Die sogenannte Erfolgslehre behauptet, dass der Gesetzgeber den Handlungsbegriff hätte offen benutzen müssen, wenn er diesen gemeint hätte. Gegen diese Ansicht ist Folgendes auszuführen: Wenn der Gesetzgeber unter dem Tatbegriff den Erfolg gemeint hätte, müsste er deutlich den Erfolgsbegriff verwenden. Außerdem hat die Erfolgslehre zur Begründung dieser Annahme der Entstehungsgeschichte und der Gesetzesbegründung des italienischen Strafgesetzbuches eine entscheidende Bedeutung beigemessen.303 In Bezug auf diese Annahme ist Folgendes auszuführen: Obwohl das TCK aus dem iStGB übernommen wurde, dürfen die Artikel nicht aus dem Blickfeld der italienischen Gesetzgeber und insbesondere nicht mit der Gesetzesbegründung (des iStGB) interpretiert werden.304 Nach einer Ansicht in der Lehre darf die Begründung des Gesetzes305 zur Bestimmung des Begriffs nicht als maßgeblich angenommen werden. Die Gesetzesbegründung könne nur bei der Auslegung in Betracht gezogen werden. Deswegen müsste der Gesetzgeber, wenn er unter „Tat“ die „Handlung“ verstände, diese nicht in die Gesetzesbegründung, sondern in den Artikel aufnehmen.306 Aber diese Ansicht hat gerade nicht kritisiert, dass die Erfolgslehre zur Begründung ihrer Annahme auf die Entstehungsgeschichte und die Gesetzesbegründung des italienischen Strafgesetzbuchs zurückgreift. Die Ansicht in der Lehre, dass die Meinungsverschiedenheiten zwischen zwei Lehren307 nur bei den Delikten, die zwei oder noch mehrere verschiedene Erfolge (Erfolgsdelikte) haben, entstehen und dass bei den Tätigkeitsdelikten beide Lehren zum gleichen Ergebnis kommen, ist nicht überzeugend. Obwohl beide Lehren in manchen Fällen zum identischen Ergebnis kommen können, liegt ein großer Wesensunterschied zwischen beiden Lehren vor. Erstens sind die theoretischen Grundlagen beider Lehren ganz unterschiedlich. Die Erfolgslehre bewertet den in den Konkurrenzbestimmungen verwendeten Begriff „Tat“ gleich wie im materiellrechtlichen Sinn, und die Tat umfasst die Handlung, den Erfolg und die Kausalität zwischen Handlung und Erfolg; demnach sei auch im Konkurrenzrecht mit der Tat 302 Nach Abs. 3 des TCK finden die Vorschriften dieses Artikels bei vorsätzlicher Tötung, vorsätzlicher Körperverletzung, Folter und Raub keine Anwendung. Der erste Absatz regelt die Fortsetzungstat, der zweite die gleichartige Idealkonkurrenz. 303 Die Lehre hat sogar auch für die Begründungen der anderen Gesetzesentwürfe zur Bejahung der Erfolgslehre diese als maßgeblich angesehen. 304 Diese Lehre folgt der Meinung des italienischen Gesetzgebers. Aber im iStGB wurde der Begriff der Tat mit einer Gesetzesänderung in Tun und Unterlassen geändert. Damit wurde die Ansicht des Gesetzgebers geändert und offensichtlich die Handlung angenommen. Nach logischer Denkweise hätte auch diese Ansicht vertreten werden müssen. 305 Die Begründung des türkischen Strafgesetzbuchs. 306 Hakeri, Ceza Hukuku, S. 605. 307 Die sogenannte Erfolgslehre und die Tat als Handlung interpretierende Lehre.
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der Erfolg gemeint. Die Handlungslehre misst diesem Begriff aber eine andere Bedeutung bei und bewertet diesen nicht gleich wie im materiellrechtlichen Sinn. Sie geht davon aus, dass die Handlung bei der Konkurrenz eine andere Bedeutung hat. Zweitens ist der Unterschied zwischen beiden Lehren nicht gering. Nicht bei allen Tätigkeitsdelikten kommen beide Lehren zu gleichen Ergebnissen. Insbesondere nimmt ein Teil der Erfolgslehre auch bei den Tätigkeitsdelikten das Vorliegen mehrerer Taten an, obwohl z. B. der Täter durch ein Wort mehrere Menschen beleidigt hat, weil die Mehrheit der verletzten Normen die Einheit der Tat verhindert. Entsprechend der die Tat als Erfolg verstehenden Lehre hat der Kassationshof auch manchmal den Tatbegriff als Erfolg interpretiert, vor allem bei den Tötungsund Verletzungsdelikten. Wie bei der Erfolgslehre hat der Kassationshof auch bei der Entscheidungsbegründung die Gesetzesbegründung des italienischen Strafgesetzes berücksichtigt. Daneben ist er manchmal, trotz der Handlungseinheit bei den Tätigkeitsdelikten, von der Mehrheit der Taten ausgegangen und hat die Bestimmungen der Realkonkurrenz angewendet, weil mehrere Gesetzesverletzungen vorlägen. Diese Anwendung zeigt auch deutlich, dass der Unterschied zwischen der Erfolgsund Handlungslehre nicht gering ist. Hingegen hat aber der Kassationshof bei den Tätigkeitsdelikten manchmal Handlungseinheit und Idealkonkurrenz angenommen. Gegen diese Ansicht wird in der Lehre argumentiert, dass unter dem Begriff der Tat die Handlung verstanden werden müsse. Obwohl die Tat als Handlung interpretiert wird, hat ein wichtiger Teil der Lehre die Bestimmung der Ideal- und Realkonkurrenz von dem Beschluss oder dem Vorsatz abhängig gemacht. Zwar gehen diese Ansichten von dem Handlungsbegriff aus, aber zur Anwendung des Artikels in Bezug auf die Ideal- und Realkonkurrenz muss neben der Handlungseinheit die Einheitlichkeit des Vorsatzes untersucht werden. Wenn der Täter durch eine Handlung mehrere Rechtsgüter verletzen wolle, sei die Vorsatzeinheit völlig ausgeschlossen und trotz des Vorliegens nur einer Handlung müsse die Idealkonkurrenz abgelehnt werden. Nach dieser Auffassung ist die Annahme der Idealkonkurrenz nur aufgrund des Kriteriums der Handlungseinheit abzulehnen, da die tüchtigen Täter auf diese Weise privilegiert werden. Diese Interpretationen und Annahmen sind mit der Gesetzesfassung nicht vereinbar. Mit der Handlungseinheit eine weitere Einheitlichkeitsform als erforderlich anzunehmen, ist weder ausdrücklich im Gesetz geregelt, noch kann die Auslegung des Artikels zu diesem Ergebnis führen. Noch ein weiteres Gegenargument muss in der gesamten Bewertung der Artikel 43 und 44 des TCK Erwähnung finden. Wenn der Gesetzgeber eine solche Anwendung hätte schaffen wollen, hätte er keine besondere Regelung308 für manche Straftaten erlassen, um den Anwendungsbereich der Realkonkurrenz zu erweitern oder (noch deutlicher) den Anwendungsbereich der Idealkonkurrenz zu begrenzen. Dass mit dem Begriff der Tat die Handlung gemeint wird, kann auch mithilfe der weiteren Artikel des besonderen Teils des TCK erkannt werden. In den Artikeln 85 (fahrlässige Tötung), 86 Abs. 2 (vorsätzliche Körper308
TCK Art. 43 Abs. 3.
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verletzung) und 89 (fahrlässige Körperverletzung) wurde entsprechend der Tatbegriff verwendet.309 Außerdem hat ein anderer Teil der Lehre den Begriff der Tat als Handlung verstanden, ohne den Erfolg oder den zugrunde liegenden Beschluss (oder Vorsatz) zu untersuchen. Wenn es nicht anders geregelt wurde, muss die Idealkonkurrenz durch eine Handlung im natürlichen Sinn akzeptiert werden. Daneben wird die Handlungseinheit bei der iterativen und sukzessiven Tatbestandsverwirklichung angenommen, obwohl der Kassationshof manchmal fälschlicherweise in solchen Fällen von der Verletzung mehrerer Gesetze ausgegangen ist. Bei der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Personen, bei der Verletzung der verschiedenartigen Straftatbestände und bei der Verletzung der übertragbaren Rechtsgüter verschiedener Träger durch aufeinanderfolgende Handlungen ist eine Handlungseinheit nicht angenommen worden. Bei den Dauerdelikten, mehr- und alternativaktigen Delikten wird das Vorhandensein der rechtlichen Handlungseinheit angenommen. Um bei Dauerdelikten und besonders bei Verkehrsdelikten die Einheitlichkeit der Handlung festzustellen, kann das Unauflösbarkeitskriterium verwendet werden. Wenn die aufeinanderfolgenden Handlungen des Täters nach der objektiven Bewertung eines Dritten in einem festen Zusammenhang stehen, kann eine Handlungseinheit angenommen werden. Hier handelt es sich nicht um eine Bewertung wie bei der natürlichen Handlungseinheit des BGH. Eine rechtliche Handlungseinheit liegt nur bei extrem nahestehenden Handlungen vor, wenn jede Handlung ein wesentlicher Bestandteil der anderen ist.
E. Rechtsvergleichung Sowohl im deutschen als auch im türkischen Recht ist zur Bestimmung der Handlungseinheit kein festes Abgrenzungskriterium gefunden worden. Deswegen gehen die Meinungen in der Lehre manchmal so weit auseinander und auch die Entscheidungen des BGH sind nicht einheitlich. Die gleiche Feststellung gilt auch für die Entscheidungen des türkischen Kassationshofs. Obwohl in der deutschen Konkurrenzlehre die Bedeutung des Handlungsbegriffs unumstritten ist, bildet der Tatbegriff wegen der Fassung des Gesetzes in der türkischen Konkurrenzlehre einen 309
Art. 85 Abs. 2: „Wenn die Tat die Tötung von mehr als einer Person oder mit der Tötung einer oder mehrerer Menschen auch die Verletzung eines oder mehrerer Menschen verursacht, wird der Täter mit Freiheitsstrafe von zwei bis zu fünfzehn Jahren bestraft“. Art. 86 Abs. 2: „Wenn die Einflüsse der vorsätzlichen Körperverletzungstat auf den Verletzten durch eine einfache medizinische Behandlung beseitigt werden können, wird durch Anzeige des Betroffenen der Täter von vier Monaten bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe bestraft“. In Art. 89 Abs. 2 geht es um die fahrlässige Körperverletzungstat. Mit dem Begriff der Tat wird in diesem Artikel die Handlung bezeichnet. Und noch zahlreiche Artikel des TCK weisen darauf hin, dass bei der Konkurrenzlehre unter dem Begriff der Tat die Handlung verstanden werden müsse, wenn die Benutzung nicht anders zu verstehen sei.
E. Rechtsvergleichung
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problematischen Bereich. Für das deutsche Recht stellen sich die Fragen, wann Handlungen eine Einheit bilden und wann Handlungsmehrheit gegeben ist. Aber die wichtigste Frage in der Konkurrenzlehre des türkischen Strafrechts ist, was unter dem Begriff der „Tat“ verstanden werden muss. Erst danach taucht die identische Frage der deutschen Konkurrenzlehre auch in der türkischen Konkurrenzlehre auf, wann nämlich eine Handlungseinheit vorliegt. Je nachdem, wie man diese Frage beantwortet, kommt man zu verschiedenen Ergebnissen. Deswegen konzentriert sich die Konkurrenzlehre im türkischen Strafrecht sozusagen nur auf die erste Frage. Infolgedessen ist auf die zweite Frage nur begrenzt eingegangen worden. Die sogenannten Erfolgs- und Vorsatzlehren haben zwar in der deutschen Konkurrenzlehre, im Gegensatz zur türkischen, keine Bedeutung, aber die subjektive Seite des Tathergangs spielt auch manchmal im deutschen Strafrecht, vielmehr bei den höchstrichterlichen Entscheidungen, eine wichtige Rolle, insbesondere bei der Feststellung der Handlungen im fahruntüchtigen Zustand im Fall der Weiterfahrt des Täters nach einem Unfall. In solchen Fällen wurde in den deutschen höchstrichterlichen Entscheidungen angenommen, dass der Vorsatzwechsel des fahruntüchtigen Täters nach dem Unfall ein Grund für die Annahme der zwei Handlungen (Unterbrechung der Fahrt) sei. In einem anderen Fall hat der BGH die Annahme der natürlichen Handlungseinheit bei mehreren Tötungsversuchen durch aufeinanderfolgende Handlungen deswegen abgelehnt, weil die Versuchshandlung für die zweite Tötung „auf einem selbstständigen, auf Grund veränderter Tatsituation neu gefassten Tatentschluss beruhe“.310 Wenn also der Täter für die Tötung beider Opfer von Anfang an mit einem einzigen Tatentschluss gehandelt hätte, hätte der BGH eine natürliche Handlungseinheit durch die Einheit des Entschlusses angenommen. Im türkischen Strafrecht würde die sog. Vorsatzlehre in diesem Fall Handlungsmehrheit annehmen, auch wenn der Täter mit einem Entschluss zwei Menschen töten möchte, weil in diesem Fall zwei Handlungen vorliegen. Zwei Tötungsversuche stehen aber im Verhältnis der Realkonkurrenz, wenn der Täter durch eine Handlung im natürlichen Sinn zwei Menschen töten möchte. Hier ist für die Vorsatzlehre entscheidend, wie viel Straftaten der Täter vorsätzlich zu begehen plant. Deswegen spielt der Entschluss des Täters in beiden Rechtsordnungen eine unterschiedliche Rolle in der Konkurrenzlehre. Nach einer gemeinsamen Bewertung der Artikel der türkischen Konkurrenzlehre ist festzustellen, dass der Gesetzgeber mit dem Begriff der Tat die Handlung gemeint hat. Auch die Tendenz in der Lehre und in den Entscheidungen des Kassationshofs geht in den letzten Jahren dahin, die Tat als Handlung zu interpretieren und die Fälle handlungsorientiert zu lösen. Während die Handlungseinheit im deutschen Strafrecht besonders bei den Entscheidungen des BGH durch die Verwendung der natürlichen Handlungseinheit weit interpretiert wird, wird sie im türkischen Strafrecht nur begrenzt verwendet. Insbesondere wird eine Handlungseinheit bei der Verletzung der gleichen übertragbaren Rechtsgüter verschiedener Personen durch aufeinan310
BGH NStZ 1993, 234, 235.
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1. Teil: Handlungsbegriff nach der deutschen und türkischen Konkurrenzlehre
derfolgende Handlungen nicht angenommen, während in der Zeit der alten Fassung des Gesetzes in solchen Fällen eine Fortsetzungstat angenommen werden konnte. Daneben wird für manche Rechtsgüter der Anwendungsbereich der Idealkonkurrenz (bzw. Handlungseinheit) völlig ausgeschlossen, auch wenn mehrere Gesetze durch nur eine Handlung im natürlichen Sinn verletzt werden. Entsprechend der deutschen Lehre wird auch im türkischen Strafrecht eine Handlungseinheit bei der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Träger und bei der Begehung ungleichartiger Straftaten durch wiederholte Handlungen abgelehnt. Von den beiden Rechtsordnungen werden die Handlungen bei den mehraktigen, alternativaktigen Delikten und Dauerdelikten als tatbestandliche Handlungseinheit bewertet. Die pauschalierenden Handlungsbeschreibungen sind auch eine Unterkategorie der tatbestandlichen Handlungseinheit in beiden Rechtsordnungen. Die Feststellung, dass der Begriff der Tat oder der Handlung in der türkischen Konkurrenzlehre im Vergleich zum deutschen Recht so eng interpretiert und auf diese Weise der Anwendungsbereich der Idealkonkurrenz begrenzt wird, ist nicht falsch. Die Lehre und die Rechtsprechung gehen davon aus, dass die Bestimmungen der Konkurrenz der Straftaten Ausnahmeregelungen sind. Deswegen dürfen diese Ausnahmeregelungen nicht zu weit ausgedehnt werden.
Zweiter Teil
Die geregelten Erscheinungsformen der Konkurrenz nach dem deutschen Strafrecht und die gleichen Formen im türkischen Strafrecht A. Idealkonkurrenz I. Idealkonkurrenz (Tateinheit) im deutschen Strafrecht 1. Im Allgemeinen Bei der Tateinheit gemäß § 52, die früher zumeist Idealkonkurrenz genannt wurde, geht es um die Verletzung mehrerer Gesetze oder um die mehrmalige Verletzung desselben Gesetzes durch dieselbe Handlung. Obwohl der Täter mehr als ein Delikt durch eine Handlung verwirklicht hat, wird er zwar wegen aller Tatbestände, aber nur mit einer Strafe bestraft. Diese Strafe ist bei der Verletzung mehrerer Tatbestände nach dem Gesetz, das die schwerste Strafe androht, zu bestimmen. Bei der Strafzumessung können die Strafen anderer Tatbestände, die nicht in die Strafe einbezogen werden dürfen, innerhalb bestimmter Grenzen berücksichtigt werden. Auf diese Weise wird der Täter mit der Anwendung der Tateinheit privilegiert, weil er bei der Anwendung der Realkonkurrenz mit einer noch höheren Strafe bestraft wird. Obwohl bei der Tateinheit nur auf eine Strafe erkannt wird, müssen im Urteilsspruch alle begangenen Straftaten genannt werden, um sich einen Überblick über die Straftaten zu verschaffen. Hier handelt es sich um die Klarstellungsfunktion der Tateinheit, die dem Unrechtsgehalt des Vorgangs eine bessere Geltung verleiht. Bei der gleichartigen Tateinheit muss die Zahl der Gesetzesverletzungen, bei der ungleichartigen Tateinheit müssen alle begangenen Straftaten zum Ausdruck gebracht werden.1
1 Vgl. LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 3; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 110; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 109.
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2. Teil: Geregelte Erscheinungsformen im deutschen und türkischen Strafrecht
2. Wesen der Idealkonkurrenz und der Grund der milderen Bestrafung Über das Wesen der Idealkonkurrenz wurden in der Lehre die Einheits- und die Mehrheitstheorie entwickelt.2 Nach der Einheitstheorie liegt bei Tateinheit nur eine Straftat vor, obwohl durch nur eine Handlung mehrere Strafgesetze verletzt werden können, da eine Handlung auch nur ein Verbrechen sein kann.3 Nach der Mehrheitstheorie liegen bei Tateinheit mehrere Gesetzesverletzungen und dementsprechend mehrere Straftaten vor, obgleich sie nur durch eine Handlung verwirklicht werden. Nach dieser Auffassung ist die Anzahl der Straftaten nicht von der Anzahl der Handlungen abhängig und für die Verbrechensmehrheit ist eine Handlungsmehrheit nicht zwingend erforderlich. Bei der Tateinheit ist die Verbrechenseinheit oder -mehrheit nicht von der Handlung, sondern von der Anzahl der verletzten Gesetze (Gesetzesverstöße) abhängig.4 Nach der Einheitstheorie ist der Grund der milderen und einmaligen Bestrafung bei der Idealkonkurrenz einfach zu erklären, weil nach dieser durch eine Handlung nur eine Straftat begangen wird, weswegen nur auf eine Strafe erkannt wird. Nach der Mehrheitstheorie liegen dagegen mehrere Gesetzesverletzungen bei der Idealkonkurrenz vor. Es ist fraglich, warum trotz mehrerer Gesetzesverletzungen nur eine Strafe zu verhängen ist. Vor allem ist hier hervorzuheben, dass bei der Regelung der Ideal- und der Realkonkurrenz die Erwägung zugrunde liegt, dass durch diese Regelungen die Härte der Addition der Strafen verhindert wird und auf diese Weise eine schuldangemessene Strafe gebildet werden kann, ohne das Schuldmaß des Täters zu übersteigen.5 Die mildere Regelung der Idealkonkurrenz gegenüber der Realkonkurrenz wird in der Lehre damit begründet, dass der Unrechts- und Schuldgehalt einer Handlung gegenüber der mehrerer Handlungen niedriger sei.6 In der Lehre7 2 Praktisch haben beide Theorien keine Bedeutung mehr. Zwischen den beiden Ansichten besteht Einigkeit darüber, dass „die Idealkonkurrenz die auf die Handlungseinheit aufbauende Bewertungseinheit ist.“ LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 6; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 5: dieser sieht die Mehrheitstheorie als vorzugswürdig an; vgl. Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 67 I 2; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 71; Puppe, Idealkonkurrenz, S. 35; Abels, Die Klarstellungsfunktion, S. 11 f. 3 v. Liszt/Schmidt, Lehrbuch, § 53, S. 335 f.; Höpfner, Einheit und Mehrheit der Verbrechen, S. 168. 4 Maiwald, Die natürliche Handlungseinheit, S. 63; Geerds, Zur Lehre von der Konkurrenz, S. 324; vgl. Jakobs, Strafrecht AT, 32 Rn. 15; vgl. MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 5; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 67 I 2; Baumgarten, FS-v. Frank, S. 188, 189 f. 5 MK-v. Heintschel-Heinegg, vor §§ 52 ff. Rn. 14; vgl. Jakobs, Strafrecht AT, 33 Rn. 11. 6 S/S-Stree/Sternberg-Lieben, § 52 Rn. 1; SK-Samson/Günther, §52 Rn. 2; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 67 I 1; dagegen: MK-v. Heintschel-Heinegg, vor §§ 52 ff. Rn. 6; Geppert, in: Geisler (Hrsg.), Zur Rechtswirklichkeit nach Wegfall der fortgesetzten Tat, S. 132; dagegen Lang, Die Idealkonkurrenz, S. 487. 7 „Idealkonkurrenz ist auf Handlungseinheit aufbauende Bewertungseinheit“, S/S-Stree/ Sternberg-Lieben, § 52 Rn. 3; LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 6; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 67 I 1.
A. Idealkonkurrenz
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wird ausgeführt und besteht darüber Einigkeit, dass „Idealkonkurrenz mehrfache Bewertung einer Handlung“ bedeutet. Außerdem hat Lang in der Lehre herausgestellt, dass der Hintergrund bei der Idealkonkurrenz (und der Gesetzeskonkurrenz) in der alten Literatur die Vermeidung der Doppelbestrafung gewesen sei.8 3. Die Voraussetzungen der Tateinheit a) Verletzung mehrerer Strafgesetze Um von Tateinheit sprechen zu können, ist das Vorliegen der Handlungseinheit nicht ausreichend. Daneben müssen mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals durch dieselbe Handlung verletzt werden.9 Wie in § 52 geregelt, kann durch eine Handlung dasselbe Strafgesetz mehrmals oder verschiedene Strafgesetze verletzt werden. Dementsprechend hat die Tateinheit zwei Erscheinungsformen, die als gleichartige und ungleichartige Tateinheit bezeichnet werden. aa) Idealkonkurrenz zwischen gleichartigen Straftaten (gleichartige Idealkonkurrenz) Gleichartige Idealkonkurrenz liegt vor, wenn dasselbe Strafgesetz durch eine Handlung im konkurrenzrechtlichen bzw. oben dargelegten Sinn mehrmals verletzt wird. Bei der Verletzung mehrerer Menschen durch einen Schuss, bei der Tötung mehrerer Menschen durch einen Bombenangriff oder bei der Beleidigung von mehr als einer Person durch dasselbe Wort wird dasselbe Strafgesetz durch eine Handlung mehrmals verletzt; deswegen handelt es sich in diesen Fällen um die gleichartige Idealkonkurrenz.10 In diesem Zusammenhang liegt keine mehrfache Verletzung desselben Strafgesetzes vor, wenn es in einem Fall um die Quantitätssteigerung des Unrechts geht. Deswegen ist die Tateinheit bei den iterativen und sukzessiven Tatbestandsverwirklichungen nicht möglich, da es hier nur um die einmalige Verletzung eines Strafgesetzes geht. Die Körperverletzung des Opfers durch aufeinanderfolgende Handlungen oder die Entwendung verschiedener Sachen aus einem Laden durch mehrere Handlungen sind Schulbeispiele für diese Konstellation. In diesem Zu8
Lang, Die Idealkonkurrenz, S. 284 f.; dagegen wird die theoretische Erklärung der Idealkonkurrenz, der das Doppelverwertungsverbot zugrunde lag, in der Lehre von Puppe abgelehnt. NK-Puppe, Vor § 52 Rn. 7a. 9 Wessels/Beulke, Strafrecht AT, § 17 Rn. 776; S/S-Stree/Sternberg-Lieben, § 52 Rn. 23; SK-Samson/Günther, §52 Rn. 23; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 67 II; Warda, FS-Oehler, S. 241, 244; LK10-Vogler, vor § 52 Rn. 43; Warda, JuS 1964, 81, 86; MK-v. HeintschelHeinegg, § 52 Rn. 104 ff.; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 18 Rn. 33; Kühl, Strafrecht AT, § 21 Rn. 43 ff. 10 Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 67 II 1; LK-Rissing-van Saan, § 52 Rn. 35; MKv. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 105; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 52 Rn. 23.
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2. Teil: Geregelte Erscheinungsformen im deutschen und türkischen Strafrecht
sammenhang bilden auch die Handlungen, die die verschiedenen Verwirklichungsformen eines Tatbestandes erfüllen, keine gleichartige Idealkonkurrenz. Wenn z. B. der Täter erst das Opfer durch eine Ohrfeige einfach verletzt (§ 223) und mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs den qualifizierten Tatbestand des Gesetzes erfüllt (§ 224) liegt nur eine Körperverletzung durch aufeinanderfolgende Handlungen vor. Zwar bilden die Handlungen des Täters eine Einheit, aber es liegt nur eine Gesetzesverletzung vor, deren Verwirklichung (durch z. B. mehrere Handlungen im natürlichen Sinn) ein größeres Unrecht darstellt, was bei der Straffestsetzung straferhöhend zu berücksichtigen ist; deswegen ist die Annahme der Idealkonkurrenz ausgeschlossen.11 „Hat der Gesetzgeber die Begehungsformen mit übereinstimmender Gesetzesüberschrift, gleicher Strafdrohung, zum Schutz desselben Rechtguts in ein und demselben gesetzlichen Tatbestand zusammengefasst“12 und verwirklicht der Täter mehrere Tatbestandsmerkmale, liegt nur eine Gesetzesverletzung und deswegen keine Idealkonkurrenz vor, weil die gleichwertigen verschiedenen Tatbestandsmodalitäten als eine Straftat zu bewerten sind. In ähnlichen Fällen hat der BGH manchmal die gleichartige Tateinheit angenommen, indem er § 52 Alt. 1 betonte. Bei einem Fall, in welchem der Täter mehrere Alternativen des § 250 StGB hinsichtlich eines Opfers verwirklicht hat, wurde eine gleichartige Tateinheit angenommen.13 Der BGH14 ist in seinen weiteren Entscheidungen bei der Verwirklichung der verschiedenen Tatmodalitäten von der einmaligen Verletzung des Gesetzes ausgegangen und hat die Tateinheit abgelehnt, weil es sich in diesen Fällen um die verschiedenen Tatmodalitäten eines Tatbestandes handelt. Bei solchen Normen hat der Gesetzgeber verschiedene Begehungsformen alternativ geregelt. Bei der Verwirklichung dieser Alternativen liegt nur eine Gesetzesverletzung vor. Bei der Bestimmung der gleichartigen Tateinheit macht die herrschende Meinung in der Lehre einen Unterschied zwischen den höchstpersönlichen und vermögensrechtlichen Rechtsgütern. Nach dieser Auffassung ist eine gleichartige Idealkonkurrenz ausgeschlossen, wenn durch eine Handlung mehrere gleiche materielle Rechtsgüter verschiedener Träger verletzt werden. Danach ist eine gleichartige Idealkonkurrenz nicht gegeben und es liegt nur eine Verletzung eines Strafgesetzes 11 S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 52 Rn. 23; LK-Rissing-van Saan, § 52 Rn. 35 ff.: Die pauschalierenden Handlungsbeschreibungen müssen auch in diesem Sinn bewertet werden. Sie müssen auch als einmalige Verletzung des Gesetzes angenommen werden. Auf diese Weise ist die zweite Voraussetzung der Idealkonkurrenz nicht erfüllt. MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 105; SK-Samson/Günther, §52 Rn. 24. 12 SK-Samson/Günther, § 52 Rn. 27; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 52 Rn. 27/28; Mitsch, JuS 1993, 385, 388; Warda, Jus 1964, 81, 87; vgl. Altenhain, ZStW 107 (1995), 381, 381 ff. 13 BGH NStZ 1994, 285 f.; BGH JR 1995, 123, 123 f.; von Hippel, JR 1995, 125, 125 f.; vgl. BGHSt 19, 107, 109; 26, 167, 173 f.; BGH bei Dallinger, MDR 1971, 363; in der Lehre bejahend für die Annahme der gleichartigen Idealkonkurrenz gemäß § 250, LK11-Herdegen, § 250 Rn. 33; Fischer, § 250 Rn. 30; dagegen LK-Vogel, § 250 Rn. 50; S/S-Eser/Bosch, § 250 Rn. 35. 14 BGH NStZ 1994, 394, 394 f.; 1994, 284, 284 f.
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vor, wenn der Täter die Sachen verschiedener Eigentümer stiehlt oder beschädigt.15 Bei der Verletzung der Rechtsgüter des Staates und der Allgemeinheit wird die gleichartige Idealkonkurrenz angenommen.16 Wenn es um die abstrakten Gefährdungsdelikte geht, liegt nur eine Straftat oder „die (quantitative) Intensivierung der einheitlichen Gefahrlage“ vor; deswegen sei eine gleichartige Idealkonkurrenz ausgeschlossen.17 Samson und Günther18 lassen in solchen Fällen die gleichartige Idealkonkurrenz zu und verweigern deren Annahme nur in dem Fall, in dem die Sachen in Miteigentum oder in Gesamthandseigentum stehen. Zutreffend wird betont, dass die Sachen „als eine fremde Sache“ in diesen Fällen bewertet werden müssen, obwohl sie im Eigentum mehrerer Personen stehen. Die Art der Rechtsgüter sei bei der Bestimmung des Instituts nicht wichtig; deswegen kann auch bei Straftaten gegen materielle Rechtsgüter eine gleichartige Idealkonkurrenz vorliegen. Jescheck und Weigend nehmen auch bei der Verletzung der gleichartigen Rechtsgüter verschiedener Personen durch eine Handlung eine gleichartige Idealkonkurrenz an, da es hier um die mehrfache Verletzung eines Strafgesetzes gehe. „Die Vermögensrechte stehen den Individualpersonen zu“ und der Täter verletzt das Rechtsgut mehrerer Personen.19 Bei der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Personen wird gleichartige Idealkonkurrenz angenommen. Bei der Beleidigung mehrerer Menschen durch ein Wort oder bei der Aufforderung zur Duldung sexueller Handlungen bei Kindern durch eine Handlung ist gleichartige Idealkonkurrenz gegeben.20 Wenn die konkrete Gefährdung der gleichen höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Personen vorliege, sei von gleichartiger Tateinheit zu sprechen.21
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LK-Rissing-van Saan, § 52 Rn. 37; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 52 Rn. 29; Jakobs, Strafrecht AT, 32 Rn. 18 ff., 23; dagegen: BGH bei Dallinger, MDR 1970, 381 f.; BGH wistra 1986, 67. 16 Es gibt aber auch Ausnahmen, bei denen die gleichartige Idealkonkurrenz nicht vorliegt. S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 52 Rn. 26; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 67 II 1; LK10Vogler, vor § 52 Rn. 35. 17 S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 52 Rn. 30, § 224 Rn. 16; S/S-Eser/Bosch, § 244 Rn. 33. 18 SK-Samson/Günther, § 52 Rn. 24, 26. 19 Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 67 II 1: „Gleichartige Idealkonkurrenz ist … möglich, auch bei Straftaten gegen Vermögensrechte. Da Vermögensrechte Individualpersonen zustehen, wird der Achtungsanspruch des in der Strafvorschrift geschützten Rechtsguts mehrfach verletzt, wenn die Tat mehrere Opfer schädigt“; vgl. BGH bei Dallinger, MDR 1970, 381 f. 20 S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 52 Rn. 26; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 67 II 1; Jescheck, ZStW 67 (1955), 529, 547; vgl. Jakobs, Strafrecht AT, 32 Rn. 18 ff.; NK-Puppe, § 52 Rn. 22; BGHSt 1, 20, 21. 21 S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 52 Rn. 30.
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bb) Idealkonkurrenz zwischen den verschiedenen Straftaten (ungleichartige Idealkonkurrenz) Wenn durch eine Handlung mehrere Gesetze verletzt werden, geht es um die ungleichartige Idealkonkurrenz im allgemeinen Sprachgebrauch. Diese Erscheinungsform der Idealkonkurrenz schließt die Fälle der gleichartigen Idealkonkurrenz aus. Bei der Verletzung und Tötung zweier verschiedener Opfer durch eine Handlung liegt eine ungleichartige Idealkonkurrenz vor. Zwischen Raub und Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung, Meineid und Verleumdung kann ungleichartige Idealkonkurrenz bestehen.22 Wer durch einen Schuss jemanden verletzt und einen anderen tötet, ist gemäß § 52 Abs. 2 zu bestrafen.23 b) Die Verletzung mehrerer Strafgesetze durch dieselbe Handlung Eine weitere Voraussetzung für die Annahme der Idealkonkurrenz ist die Verletzung mehrerer Strafgesetze oder die mehrmalige Verletzung desselben Strafgesetzes durch ein und dieselbe Handlung gemäß § 52 Abs. 1. Wann die Handlungen eine Einheit im konkurrenzrechtlichen Sinn bilden, wurde oben unter den verschiedenen Handlungseinheitsformen dargestellt. Daneben ist auch auf die teilweise oder volle Übereinstimmung der Ausführungshandlungen einzugehen. aa) Volle Identität (völlige Deckung) der Ausführungshandlungen Eine volle Identität der Ausführungshandlungen liegt vor, wenn die Ausführungshandlungen mehrerer Strafgesetze völlig übereinstimmen. Für die völlige Deckung der Handlungen können die Körperverletzung und Sachbeschädigung als Beispiele genannt werden, wenn z. B. der Täter durch einen Faustschlag jemanden verletzt und seine Brille zerstört. Bei der Tötung mehrerer Menschen durch einen Bombenanschlag, bei der Beleidigung mehrerer Menschen durch ein und dasselbe Wort liegt auch Idealkonkurrenz vor, da sich die Verwirklichungsakte mehrerer Strafgesetze völlig decken.24 Die Idealkonkurrenz könne auch vorliegen, „wenn ein Meineid sich zugleich als Verleumdung darstellt.“25
22 Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 17 Rn. 34; LK10-Vogler, § 52 Rn. 32; Jescheck/ Weigend, Strafrecht AT, § 67 II 1; Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II7, § 55 Rn. 60 ff. 23 Werle, Die Konkurrenz bei Dauerdelikt, S. 37; über die Strafzumessung siehe unten: Zweiter Teil A. I. 7. 24 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 80, 81; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 52 Rn. 8; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 67 II 1; Warda, JuS 1964, 81, 87; LK-Rissing-van Saan, § 52 Rn. 19; Geppert, Jura 1982, 358, 369. 25 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 80; vgl. Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 67 II 1.
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bb) Teilweise Identität der Ausführungshandlungen Nach der überwiegenden Ansicht ist für die Annahme der Idealkonkurrenz die teilweise Identität der Ausführungshandlungen ausreichend. In dieser Konstellation hat nur ein Teil der Ausführungshandlungen mehrerer Strafgesetze bei der Begehung beider Straftaten Wirkung. Dieser Teil spielt für die Begehung mehrerer Strafgesetze eine gemeinsame Rolle. Zwischen Körperverletzung und Raub kann Idealkonkurrenz bestehen, wenn bei der Begehung beider Straftaten ein Element gemeinsam ist oder übereinstimmt. Idealkonkurrenz liegt vor, wenn z. B. der Täter das Opfer körperlich misshandelt und sein Geld wegnimmt. In diesem Fall ist die Gewaltanwendung ein gemeinsames Element für beide Straftaten.26 Wenn der Täter eine gefälschte Urkunde zur Begehung eines Betrugs verwendet, liegt Idealkonkurrenz vor, weil sich die Ausführungshandlung des Betruges mit der Ausführungshandlung der Urkundenfälschung überschneidet. Bei der teilweisen Identität der Handlungen liegen im konkurrenzrechtlichen Sinn mehrere Handlungen vor, aber diese unterschiedlichen Handlungen haben einen gemeinsamen Punkt, der sie miteinander verbindet; die sogenannte Übereinstimmung des einen Teils mehrerer Handlungen. In der Lehre führt Kühl aus, dass es hier um die rechtliche Handlungseinheit gehe27. Auch in den Entscheidungen des Reichsgerichts und des BGH28 ist die Idealkonkurrenz durch die teilweise Identität der Ausführungshandlungen angenommen worden. (1) Die Begründung der Idealkonkurrenz durch die Teilidentität im Zeitraum zwischen Vollendung und Beendigung In Lehre29 und Rechtsprechung30 wird vertreten, dass zwischen Straftaten Idealkonkurrenz besteht, wenn sich zwei Ausführungshandlungen im Zeitraum zwischen Vollendung und Beendigung überschneiden. Verletzen z. B. die Handlungen, die zur Sicherung der Beute bei Vermögens- und Eigentumsdelikten dienen, mehrere Strafgesetze, kann Idealkonkurrenz begründet werden. Wenn der Täter zur Sicherung der Diebesbeute den ihm folgenden Eigentümer der gestohlenen Sachen durch Schüsse verletzt oder tötet, sei Idealkonkurrenz gegeben, da der Diebstahl (oder Raub usw.) mit der Sicherung der Beute beendet sei und die Schüsse der Sicherung dienen würden. Das heißt, dass die Sicherungshandlungen zu den Ausführungshandlungen des Diebstahls (oder Raubs) gehören; deswegen stimmt die Ausführungshandlung 26 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 82; LK-Vogler10, § 52 Rn. 22; Geppert, Jura 1982, 358, 369; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 52 Rn. 9; Raub = Wegnahme + Drohung oder Gewalt, Körperverletzung = Gewalt. 27 Kühl, Strafrecht AT, § 21 Rn. 33 ff.: Er hat diese Konstellation als Handlungseinheit bei partieller Handlungsidentität bezeichnet; vgl. Geerds, Zur Lehre von der Konkurrenz, S. 271 ff. 28 RGSt 52, 299, 300; 66, 359, 362; BGH NStZ 2008, 42, 43; BGH NStZ-RR 2000, 139. 29 LK-Rissing-van Saan, § 52 Rn. 21; Roxin, Strafrecht AT, § 33 Rn. 89; SK-Samson/ Günther, § 52 Rn. 12; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 52 Rn. 11 – 13; Fischer, vor § 52 Rn. 26. 30 BGHSt 26, 24, 24 ff.; Bay OLG NJW 1983, 406; BGH NJW 1975 320, 320.
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der Körperverletzung oder der Totschlag (Mord) mit den Diebstahlhandlungen bei der Vollendung überein. Nach Jescheck und Weigend ist der Anwendungsbereich der Idealkonkurrenz mithilfe der teilweisen Identität der Handlungen im Zeitraum zwischen Vollendung und Beendigung „nicht unwesentlich“ erweitert.31 Diese Annahme stellt wirklich eine wesentliche Ausweitung des Anwendungsbereichs der Idealkonkurrenz dar. In diesem Sinn muss Handlungseinheit angenommen werden, wenn der Täter zur Sicherung der Beute jemanden tötet, einen anderen verletzt, zum Entkommen vor dem Verfolger in eine Wohnung widerrechtlich eindringt und in dieser Wohnung jemanden als Geisel nimmt. In diesem Fall soll Diebstahl oder Raub zu der Tötung, der Körperverletzung, dem Hausfriedensbruch und der Geiselnahme im Verhältnis der Tateinheit stehen. Von einem Teil der Lehre wird dies bei solchen Delikten damit abgelehnt, dass das Wegfahren oder das Entkommen mit der Beute kein Beitrag für die Diebstahls- oder Raubhandlungen sei.32 In der Lehre wird aber hier kein Unterschied gemacht, ob die Handlungen, die die Teilidentität begründen könnten, vor der Vollendung, also zur Erlangung des neuen Gewahrsams, oder im Zeitraum zwischen Vollendung und Beendigung verwirklicht werden. (2) Tateinheit durch die Handlungen im Versuchsstadium Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung begründet die teilweise Identität der Handlungen im Versuchsstadium keine Tateinheit. Nach einer Entscheidung des BGH33 liegen mehrere Mordversuche vor, wenn der Täter durch aufeinanderfolgende Axthiebe versucht, seine Frau und beide Kinder nach seinem vorherigen Plan nacheinander zu töten. In diesem Fall begründen die Handlungen, die sich vor dem Angriffsstadium (beim Auflauern) überschneiden, keine Tateinheit. Die Gefährdung aller Opfer durch Auflauern sei nicht ausreichend für die Annahme der Tateinheit, weil der Täter jedes Opfer getrennt angegriffen habe; sonst könnte Tateinheit vorliegen und drei Mordversuche könnten aufgrund einer Handlung angenommen werden, wenn der Täter vor den Angriffshandlungen gegen drei Opfer gehindert worden wäre. Der Entscheidung des BGH wird in der Lehre dahingehend zugestimmt, dass die einheitliche Handlung im Versuchsstadium „die selbstständigen Ausführungshandlungen nicht zu einer Einheit verbinden können.“34 Eine gegenteilige Annahme, Überschneidung der Versuchshandlung(en), führt nur eine rechtliche Unbestimmtheit herbei, weil in anderen Fällen, in welchen der Täter nach dem Auflauern entsprechend seiner Absicht die Opfer durch aufeinanderfolgende Handlungen tötet oder verletzt (eigentlich geht es hier um die Tatmehrheit), Tat-
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Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 67 II 2. Warda, JuS 1964, 81, 87; Mitsch, JuS 1993, 385, 386; Kühl, Strafrecht AT, § 21 Rn. 40; vgl. BGH GA 1961, 346 f. 33 BGHSt 16, 397, 397 f.; vgl. BGHSt 2, 246, 246. 34 Miehe, GA 1967, 270, 278. 32
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einheit angenommen werden muss.35 Die Teilidentität der Vorbereitungshandlungen zur Begehung mehrerer Straftaten begründet keine Tateinheit.36 (3) Idealkonkurrenz bei Dauerdelikten (a) Idealkonkurrenz zwischen Zustands- und Dauerdelikten Nach überwiegender Ansicht in der Lehre37 liegt Idealkonkurrenz vor, wenn sich die Ausführungshandlungen der Zustands- und Dauerdelikte mindestens teilweise decken; nur die Gleichzeitigkeit der Ausführungshandlungen reicht nicht aus, um die Idealkonkurrenz zu begründen. Wenn man die Annahme der Tateinheit bloß auf die Gleichzeitigkeit der Ausführungshandlungen abstelle, führe das nur zu einer Erweiterung der Idealkonkurrenz, da während des Dauerdelikts viele andere Delikte verwirklicht werden könnten, ohne mit deren Ausführungshandlungen übereinzustimmen. Beim Zusammentreffen der Zustands- und Dauerdelikte kommen verschiedene Konstellationen zustande, auf die getrennt einzugehen ist. Idealkonkurrenz wird angenommen, wenn das Zustandsdelikt zur Aufrechterhaltung des Dauerdelikts begangen wird. Wenn z. B der Täter den Eingesperrten, damit er nicht entkommen kann, verletzt. In solchen Fällen überschneiden sich die Körperverletzungshandlungen und die für das Dauerdelikt erforderlichen (Aufrechterhaltungs-)Handlungen, die in solchen Fällen als Steigerung des verwirklichten Unrechts angesehen werden.38 Die Handlungen zur Aufrechterhaltung der Dauerstraftaten, die gegen Dritte (nicht gegen das Opfer) ausgeführt werden, sind auch entscheidend für die Idealkonkurrenz.39 Es ist aber fragwürdig, ob alle zum Zweck der Aufrechterhaltung gemachten Handlungen als teilweise Deckung der Handlungen bewertet werden dürfen und ob eine solche Annahme eine Erweiterung dieses Instituts darstellt. Wenn die Aufrechterhaltungshandlungen über das übliche Maß hinausgehen oder den Aufrechterhaltungszweck überschreiten, dürfen diese Handlungen nicht unter einer teilweisen Deckung als eine Handlung bewertet und zur Begründung der Idealkonkurrenz angenommen werden. Obwohl nur das Zeigen der bei sich geführten Waffe bzw. ein Schuss in die Luft zur Fortsetzung des Hausfriedensbruchs oder der Freiheitsberaubung ausreichend wäre, wäre es unzweckmäßig und nicht als Ausführungshandlung des ersten Delikts zu bewerten, wenn das Opfer durch die Schüsse schwer 35
Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 92; Miehe, GA 1967, 270, 278; LK-Rissing-van Saan, § 52 Rn. 22; gegen diese Ansicht: Struensee, Die Konkurrenz, S. 25; SK-Samson/Günther, § 52 Rn. 12; vgl. S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 52 Rn. 10. 36 MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 88. 37 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 93; Fischer, Vor § 52 Rn. 60; Werle, Die Konkurrenz bei Dauerdelikt, S. 151 ff.; Geppert, Jura 1982, 358, 369; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 90; LK-Rissing-van Saan, § 52 Rn. 23; vgl. Zieschang, FS-Rissing-van Saan, S. 787, 787 ff. 38 Zieschang, FS-Rissing-van Saan, S. 787, 793. 39 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 96; vgl. Mitsch, JuS 1993, 385, 389; Geppert, Jura 2000, 651, 652; BGH NStZ-RR 2007, 46, 47.
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verletzt würde. Von dem Tatrichter muss festgestellt werden, ob die zum Zwecke der Aufrechterhaltung des Dauerdelikts gemachten Handlungen als zweckmäßig angesehen werden können. Die das Ziel überschreitenden Handlungen sollen als selbstständige Handlungen im konkurrenzrechtlichen Sinn verstanden werden. In solchen Fälle geht es nicht um die teilweise oder völlige Identität der Handlungen, sondern diese Handlungen müssen als selbstständig und als mit den Dauerstraftathandlungen parallel laufende Handlungen bewertet werden.40 Ohne dass die mindestens teilweise Deckung der Handlungen untersucht wird, wird die Tateinheit zwischen den Dauer- und Zustandsdelikten von einem Teil der Lehre41 angenommen, wenn das Dauerdelikt der Verwirklichung eines Zustandsdelikts dient. Wenn ein Täter zur Tötung des Opfers einen Hausfriedensbruch begehe, liege somit Tateinheit vor. Nach dieser Auffassung ist auch die subjektive Seite der verwirklichten Straftaten entscheidend. Wenn der Täter sich von Anfang an auf die Begehung eines bestimmten Delikts konzentriere und nach seinem vorherigen Vorsatz das Dauerdelikt zur Erreichung seines Ziels benutze, könne man von Tateinheit sprechen. In den sonstigen Fällen sei Tatmehrheit gegeben. Wenn der Täter sich somit erst während der Begehung des Dauerdelikts dazu entschlossen habe, ein Zustandsdelikt zu begehen, oder wenn er die Art42 des beabsichtigten Delikts ändere, liege eine Tatmehrheit vor. Von der herrschenden Lehre wird die Tateinheit in den Fällen, in denen das Dauerdelikt zur Begehung eines Zustandsdelikts die erforderlichen Voraussetzungen schafft, abgelehnt. Für die Annahme der Tateinheit müssen sich die Ausführungshandlungen mindestens teilweise decken. Eine bloße Zweck-Mittel-Beziehung ist für die Tateinheit nicht ausreichend, da die Handlungen zur Verwirklichung beider Delikte beitragen müssen.43 Die Zeitgleichheit reicht auch nicht für die Tateinheit
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Synchronisierung der Handlungen. MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 33, (dagegen Rn. 93 und v. Heintschel-Heinegg, Strafgesetzbuch Kommentar, § 52 Rn. 42); Welzel, Das Deutsche Strafrecht, S. 232; Jakobs, Strafrecht AT, 33 Rn. 10; Rengier, Strafrecht AT, § 56 Rn. 59; S/S-Sternberg-Lieben, § 123 Rn. 36. 42 Hier ist es erwähnenswert, dass v. Heintschel-Heinegg besonders „die Delikte bestimmter Art“ betont. Danach kann gesagt werden, dass die Änderung des Opfers während des Dauerdelikts nicht wichtig ist, wenn es immer um die gleiche Art von Delikten geht, z. B.: Der Täter hat während des Hausfriedensbruchs bemerkt, dass der reiche Freund F des Hauseigentümers H auch in der Wohnung ist. Danach hat der Täter auf das Ausrauben des H verzichtet und seinen Vorsatz auf das Ausrauben des F gerichtet. Nach dieser Auffassung muss in diesem Fall Tateinheit vorliegen. MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 33. 43 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 95; Geppert, Jura 1989, 378, 383, ders., Jura 2000, 651, 652; Lackner/Kühl, § 52, Rn. 7; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 67 III 2; BGHSt 18, 29, 29 f.: In dieser Entscheidung geht es um eine Entführung, die zum Zweck der Unzucht verwirklicht wird. Der BGH hat in dieser Entscheidung Tateinheit angenommen, da „die Ausführungshandlungen der Unzucht und Entführung teilweise in einer Betätigung zusammenfallen.“ 41
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aus.44 In den umgekehrten Fällen, in welchen das Zustandsdelikt die Begehung des Dauerdelikts ermöglicht, wird Tateinheit angenommen45, ohne zu untersuchen, ob sich die Ausführungshandlungen mindestens teilweise überschneiden. Z. B. stehe die zur Begehung des Hausfriedensbruchs begangene Sachbeschädigung mit dem Hausfriedensbruch im Verhältnis der Tateinheit.46 Die Zweck-Mittel-Beziehung ist hier kein Ablehnungsgrund für die Annahme der Tateinheit. Wenn der Täter bei der Begehung des Zustandsdelikts die Gelegenheit des Dauerdelikts benutzt, entfällt die Tateinheit. In dieser Fallkonstellation nutzt der Täter während des Dauerdelikts die Situation des Opfers aus und die Überschneidung der Ausführungshandlungen kommt nicht in Betracht. Hierzu folgendes Beispiel: Es liegt keine teilweise Identität der Ausführungshandlungen im Fall der sexuellen Nötigung der Beifahrerin durch den fahruntüchtigen Täter vor.47 Mit anderen Worten: Es laufen in solchen Fallkonstellationen die Ausführungshandlungen des Dauerdelikts und des Zustandsdelikts parallel, ohne sich zu überschneiden. Sowohl in der Lehre als auch in der Rechtsprechung gibt es widersprechende Auffassungen und Entscheidungen im Fall des Zusammentreffens von Dauerdelikt und Zustandsdelikt. Der genannte Aspekt lässt sich durch folgende Beispiele verdeutlichen. Als Beispiel wäre zunächst zu nennen, dass im Fall „einer Vergewaltigung, die während eines Hausfriedensbruchs begangen wird“ Realkonkurrenz angenommen wird48, ohne zu untersuchen, ob der Hausfriedensbruch eine Gewaltanwendung im Sinn der Vergewaltigung enthält. In einem anderen Fall, in dem die Freiheitsberaubung zur Erzwingung sexueller Handlungen ausgenutzt wurde, wird eine Tateinheit angenommen.49 In diesem Fall sei die Gewaltanwendung für die verwirklichten Delikte ein gemeinsames Element, das die verschiedenen Straftaten verbinde. Des Weiteren ist das folgende Beispiel zu nennen: „Wenn ein Hausfrie-
44 Zieschang, FS-Rissing-van Saan, S. 787, 794 ff., 800: Nach Zieschang liegt die Tateinheit vor, wenn die Ausführungshandlungen des Dauerdelikts die Versuchshandlungen des Zustandsdelikts sind, weil sich die Versuchshandlungen des Zustandsdelikts und die Ausführungshandlungen des Dauerdelikts überschneiden. Er nimmt auch die von der h. L. als tatbestandsnahe Gefährdungen bezeichneten Handlungen als Ausführungshandlung an, indem er diese Annahme mit § 8 StGB bestärkt. 45 Geppert, Jura 1982, 358, 370; ders., Jura 1989, 379, 383; Jura 2000, 651, 652; LKRissing-van Saan, § 52 Rn. 23; dagegen Zieschang, FS-Rissing-van Saan, S. 787, 792: Nach Zieschang ist die Begründung des Dauerdelikts durch ein Zustandsdelikt allein nicht ausreichend für die Annahme der Tateinheit. 46 Geppert, Jura 1989, 379, 383; in gleicher Weise, Jura, 2000, 651, 652; S/S-SternbergLieben, § 123 Rn. 36. 47 MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 33, 90, (dort sind weitere Beispiele zu finden); Lackner/Kühl, § 52 Rn. 7; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 52 Rn. 90; LK-Rissing-van Saan, § 52 Rn. 24. 48 MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 33, 90; BGHSt 18, 29, 29 ff. 49 BGH NStZ 1999, 83; 1984, 135; gegen diese Entscheidungen OLG Koblenz NJW 1978, 716, 716 f.
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densbruch zum Zweck eines Raubes begangen wird“50, wird Tateinheit abgelehnt, da es hier um eine Mittel-Zweck-Beziehung gehe; ebenso wird die Tateinheit abgelehnt, wenn der Täter sich erst während des Hausfriedensbruchs entschlossen hat, jemanden zu berauben, da der Raub bei Gelegenheit des Dauerdelikts begangen werde.51 Aber bei der Ausnutzung des unbefugten Autofahrens zu Sexualdelikten oder Raubtaten wird eine Tateinheit angenommen, da „ein Dauerdelikt Bestandteil der Ausführungshandlung eines Zustandsdelikts sei“52 oder „die Autofahrt dem Sexualdelikt als Nötigungsmittel dient.“53 Wenn man letztere Fälle genau beobachtet, geht es eigentlich auch hier um eine Mittel-Zweck-Relation, weswegen die Tateinheit von der Lehre abgelehnt wurde. Es ist festzustellen, dass die Lösung der Rechtsprechung und der Lehre fallorientiert und die Ablehnung der Tateinheit aufgrund der Mittel-Zweck-Beziehung nicht immer entscheidend ist. (b) Idealkonkurrenz zwischen mehreren Dauerdelikten Tateinheit zwischen mehreren Dauerdelikten kann angenommen werden, wenn sich die Ausführungshandlungen mindestens teilweise decken. In diesem Sinn bildet das Fahren ohne Fahrerlaubnis im betrunkenen Zustand eine Tateinheit. Eine Tateinheit liege auch da vor, wo ein Dauerdelikt der Aufrechterhaltung des anderen Dauerdelikts diene.54 Dagegen handele es sich um Tatmehrheit, wenn die gleichzeitig verwirklichten Ausführungshandlungen verschiedener Dauerdelikte ihre Selbstständigkeit bewahren würden.55 Als Beispiel ist hier das Beisichführen einer Schusswaffe während einer Fahrt ohne Fahrerlaubnis zu nennen. c) Der Ausschluss der Gesetzeskonkurrenz Die dritte Voraussetzung für die Annahme der Tateinheit ist, dass kein Fall der Gesetzeskonkurrenz vorliegen darf. Wenn ein Fall von Spezialität, Konsumtion oder Subsidiarität vorliegt, kann von Tateinheit nicht mehr gesprochen werden. 4. Idealkonkurrenz durch Klammerwirkung Das vom Reichsgericht entwickelte und vom BGH56 übernommene Institut der Idealkonkurrenz durch Klammerwirkung fordert das Vorhandensein einer dritten Straftat mit einer Verbindungsfunktion. Nach diesem Rechtsinstitut kann Tateinheit angenommen werden, obwohl zwischen den Ausführungshandlungen zweier Delikte 50 51 52 53 54 55 56
Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 95. MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 90; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 95. MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 92; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 97. Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 98. Bohnen, NStZ 2004, 694, 694. MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 94; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 99. BGHSt 18, 66, 69; 33, 4, 4 ff.; vgl. BGH NStZ 1993, 39, 39 f.
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keine (Teil-)Identität vorliegt, wenn die Ausführungshandlungen eines weiteren Delikts mit den jeweiligen Delikten (teil-)identisch sind. Die dritte Straftat, die zu jedem Delikt getrennt in Tateinheit steht, dient als Bindeglied zwischen den in Tatmehrheit stehenden Delikten. Die Delikte, die miteinander nichts zu tun haben, werden als verklammerte Delikte und das Delikt, das zwischen diesen Straftaten die Verbindung herstellt, als Klammerdelikt (verklammerndes Delikt) bezeichnet.57 Eine Klammerwirkung liegt im folgenden Beispiel vor: Eine während der Fahrt im fahruntüchtigen Zustand begangene fahrlässige Körperverletzung und eine darauf folgende Unfallflucht stehen in Idealkonkurrenz, da die Fahrt in fahruntüchtigem Zustand die fahrlässige Körperverletzung und die Unfallflucht zu einer Tat zusammenfasst.58 Nach den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs müssen die Straftaten annähernd gleichwertig sein, um durch Klammerwirkung eine Tateinheit begründen zu können. Wenn der Unrechtsgehalt der verklammerten Straftaten schwerer wiegt als das Klammerdelikt, ist Tateinheit abzulehnen. Das heißt, das Klammerdelikt muss schwerer als oder gleich schwer sein wie die selbstständigen Delikte. Eine gegenteilige Annahme sei mit dem Grundsatz der Gerechtigkeit nicht vereinbar. Deswegen hat der BGH in einem Fall Tateinheit abgelehnt, in welchem der Täter zwei Opfer vergewaltigt hat, indem er die Freiheitsberaubung zur Vergewaltigung ausgenutzt hatte.59 Bei der Bewertung der Wertgleichheit der Straftaten war der Unrechtsgehalt nur eines verklammernden Delikts entscheidend. Wenn nur eines der verbundenen Delikte schwerer wiegt als das Klammerdelikt, wurde die Tateinheit durch Klammerwirkung verneint.60 Diese Ansicht des BGH hat sich mit der Zeit verändert, und der BGH hat auch im Fall, in welchem eine der verklammerten Straftaten schwerer wiegt als das verklammerte Delikt, Tateinheit durch Verklammerung angenommen.61 Nach diesen Entscheidungen kann die Klammerwirkung nur da ausgeschlossen werden, wo beide zu verbindenden Delikte schwerer wiegen als das
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MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 96 ff.; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 52 Rn. 14 ff.; LK-Rissing-van Saan, § 52 Rn. 28 ff.; Lackner/Kühl, § 52, Rn. 5 ff; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 101 ff.; Geppert, Jura 1997, 214, 214; Wahle, GA 1968, 97, 97 ff.; Peters, JR 1993, 265,265 ff.; Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II7, § 55 Rn. 74: Mit einer mathematischen Formel wird die Klammerwirkung folgenderweise formuliert: die verklammerten Delikte sind A1 und B1, Klammerdelikt ist C1. A1 = C1, B1 = C1, deswegen A1 = C1, Auf diese Weise komme die Klammerwirkung zwischen drei Straftaten, von denen sich zwei Straftaten (A1, B1) nicht überschneiden würden, zustande. 58 Weitere Beispiele, in; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 102; S/S-Sternberg-Lieben/ Bosch, § 52 Rn. 14; LK-Rissing-van Saan, § 52 Rn. 28. 59 BGHSt 18, 26, 28; BGH NStZ 2008, 209, 209; vgl. BGHSt 39, 390, 391 f.; dazu Peters, JR 1993, 265, 266. 60 BGHSt 3, 165, 165. 61 BGHSt 31, 29, 29 ff.; dafür: S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 52 Rn. 18; dagegen: Geerds, Zur Lehre von der Konkurrenz, S. 280; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 67 II 3.
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Klammerdelikt. Diese Anwendung bringt eine wesentliche Erweiterung des Instituts mit sich.62 Bei der Feststellung des Unrechtsgehalts der Straftaten wurde vom BGH der abstrakte Strafrahmen als maßgeblich angenommen.63 Danach wiegt ein Verbrechen schwerer als ein Vergehen. Der Strafrahmen jeder einzelnen Straftat ist beim Schwerevergleich ausschlaggebend. Aber mit der Zeit hat der BGH seine Meinung geändert, indem er beim Schwerevergleich ein Abstellen auf den abstrakten Strafrahmen aufgegeben hat und nun auf den konkreten Strafrahmen abstellt.64 Die Annahme der Tateinheit durch Klammerwirkung wird von einem Teil der Lehre65 heftig kritisiert und abgelehnt. Die Tateinheit durch Klammerwirkung von dem Schwerevergleich der Straftaten abhängig zu machen, sei nicht nachvollziehbar, da eine solche Anwendung vom Gesetz nicht vorgesehen sei. In diesem Zusammenhang hat Puppe66 betont, dass die Annahme der Tateinheit durch Klammerwirkung mit den Voraussetzungen der Tateinheit nicht vereinbar sei, da die Nichtidentität als Identität behandelt werde. Diese Ansicht wird deshalb als zutreffend angesehen, weil sich die Handlungen der verklammerten Delikte nicht überschneiden.67 Wenn die Klammerwirkung aufgrund des minderschweren Klammerdelikts verneint werde, werde das Klammerdelikt in zwei (oder mehrere) Teile zerlegt und so behandelt, als sei es zweimal verwirklicht. Auf diese Weise werde gegen das Verbot der Doppelbestrafung verstoßen.68 Daneben wird angeführt, dass die Anwendung der Klammerwirkung gegen das Gerechtigkeitsprinzip verstoße, weil der Täter, der neben zwei selbstständigen Straftaten eine weitere Straftat begangen habe, mithilfe dieses Rechtsinstituts gegenüber einem anderen Täter, der kein Klammerdelikt begangen habe, privilegiert werde.69 Letztendlich wird die völlige Aufgabe der
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Geppert, Jura 2000, 651, 653; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 106. BGHSt 3, 165, 165 ff.; Geppert, Jura 1997, 214, 215; Jura 2000, 651, 653; Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe Rn. 73; Peters, JR 1993, 265, 266. 64 BGHSt 33, 4, 7: „Die Bewertung verschiedener Taten als Verbrechen oder Vergehen sagt danach nichts darüber aus, welche Tat im konkreten Fall schwerer oder leichter wiegt … Bewertet werden kann immer nur der konkrete Fall …“; BGH NStZ 1993, 134, 134 ff.; dazu Peters, JR 1993, 265, 266 f. 65 SK-Samson/Günther, § 52, Rn. 19; Jakobs, Strafrecht AT, 33 Rn. 11 ff.; Schmidhäuser, Strafrecht AT, 14/36; vgl. LK-Vogler10, § 52 Rn. 29. 66 Puppe, Idealkonkurrenz, S. 202; vgl. auch Jakobs, Strafrecht AT, 33 Rn. 11 f. 67 Vgl. Jakobs, Strafrecht AT, 33 Rn. 12. 68 Wahle, GA 1968, 97, 106, 112: Er hat diese Annahme als „sachliche und konstruktive Inkonsequenz“ bezeichnet; Geerds, Zur Lehre von der Konkurrenz, S. 280, Fn. 210; Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe Rn. 73 ff.; SK-Samson/Günther, § 52, Rn. 19. 69 Geppert, Jura 1997, 214, 214; SK-Samson/Günther, §52, Rn. 19; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 108; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 103; auch ablehnend, LK-Vogler10, § 52 Rn. 29. 63
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Tateinheit durch Klammerwirkung empfohlen, da die Ausnahmen des Instituts häufiger als die Regelfälle seien.70 Es ist aber auch fraglich, was für ein Konkurrenzverhältnis zwischen den Straftaten angenommen wird und wie die Strafen gebildet werden, wenn die Idealkonkurrenz durch Klammerwirkung abgelehnt wird. Nach Jakobs71 soll erst für die in Tatmehrheit stehenden verklammernden Delikte eine Strafe nach § 53 gebildet und diese Strafe mit der Strafe des Klammerdelikts innerhalb der bestimmten Grenzen verschärft werden. Die möglichen Lösungen, die sowohl bei der Annahme der Klammerwirkung als auch bei der Verneinung des Instituts denkbar sind, wurden von Lippold72 ausführlich dargelegt. Jeder Lösungsvorschlag beinhalte einen Verstoß gegen die Grundsätze der Doppelverwertung und der ungerechten Verminderung der Strafe für den Täter. 5. Idealkonkurrenz zwischen Unterlassungs- und Begehungsdelikten Ob zwischen den Unterlassungs- und Begehungsdelikten eine Tateinheit vorliegt, ist in der Lehre ebenfalls umstritten. Nach der herrschenden Meinung in der Lehre73 ist die Tateinheit abzulehnen, weil das Unterlassen und positive Tun in keiner Weise (teil-)identisch sein kann; sie können nur als zeitlich parallel laufende Verhaltensweisen, die die Voraussetzungen der Idealkonkurrenz nicht erfüllen, bewertet werden. Die Unterlassungshandlungen können sich mit dem aktiven Tun nur unter der Bedingung decken, dass das Unterlassungsdelikt ein Dauerdelikt ist und das Begehungsdelikt der Aufrechterhaltung dieses Delikts dient. Der Grund dafür sei, dass das Begehungsdelikt nicht durch eine gebotene Handlung (Unterlassung) und das Unterlassungsdelikt nicht durch ein aktives Tun begangen werde.74 Nach einigen Ansichten in der Lehre muss die Tateinheit in solchen Fällen grundsätzlich abgelehnt werden, da die zeitliche Übereinstimmung des Verhaltens nicht ausreichend für die Annahme der Idealkonkurrenz ist.75 Gegen diese Auffassung wird auch in der Lehre76 Tateinheit durch die Verhaltenseinheit zwischen Unterlassungs- und Begehungs70
Schmitt, ZStW 75 (1963), 43, 48; vgl. Peters, JR 1993, 265, 268. Jakobs, Strafrecht AT, 33 Rn. 12; vgl. Geppert, Jura 1997, 214, 215. 72 Lippold, Die Konkurrenz, S. 29 ff., 50, 51. 73 Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 67 II 3; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 88; S/SSternberg-Lieben/Bosch, § 52 Rn. 19; LK-Rissing-van Saan, § 52 Rn. 14; Mitsch, JuS 1993, 385, 387. 74 Mitsch, JuS 1993, 385, 387. 75 Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 36 Rn. 31; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT, § 18 Rn. 30: Eine Tateinheit sei möglich, wenn der Täter das Rettungsgerät zerstöre. Es liege dann Tateinheit zwischen Sachbeschädigung (§ 303) und unterlassener Hilfeleistung (§ 323c) vor. 76 Jakobs, Strafrecht AT, 33 Rn. 8; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 72; einschränkend: Fischer, vor § 52 Rn. 26a: Nach Fischer können die Tätigkeitsdelikte und unechten Unterlassungsdelikte in Tateinheit stehen. 71
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delikten bejaht: „Wer an Stelle einer Gebotserfüllung einem Verbot nicht genügt, begeht und unterlässt verhaltenseinheitlich.“ Nur die bloße Gleichzeitigkeit reiche also nicht aus, um eine Verhaltenseinheit anzunehmen.77 Wenn z. B. ein Arzt einen medizinisch indizierten Körpereingriff als Folge einer fahrlässigen Verwechslung statt bei einem die Nothilfe benötigenden Patienten bei einem Gesunden vollziehe, begehe er verhaltenseinheitlich zwei Delikte.78 Jakobs nimmt Tateinheit zwischen Begehungs- und Unterlassungsdelikten an, wenn das Verhalten eines Delikts für das andere Delikt den Versuchsbeginn darstelle.79 Die Entscheidungen des BGH80 in Bezug auf die Tateinheit zwischen den Unterlassungs- und Begehungsdelikten sind ebenfalls uneinheitlich. 6. Eine abweichende Ansicht: Idealkonkurrenz durch die Unrechtsverwandtschaft Von Puppe81 wurde ein völlig anderes Kriterium zur Feststellung der Tateinheit entwickelt. Nach ihrer Meinung ist es nicht entscheidend und wichtig, ob die Handlungen eine Einheit oder Mehrheit bilden. Die Theorie der Unrechtsverwandtschaft befasse sich nicht mit der Frage, wann die völlige oder teilweise Identität der Handlungen vorliege. Um die Idealkonkurrenz annehmen zu können, habe man die Unrechtsverwandtschaft zwischen den verwirklichten Straftaten zu untersuchen. Als Beispiel gibt Puppe82 für die Bestimmung der Unrechtsverwandtschaft Folgendes an: Wenn zwei Delikte ein gemeinsames Merkmal haben, sind die Tatbestände unrechtsverwandt. Täuschung ist für Betrug und Urkundenfälschung ein gemeinsames Element, deswegen sind diese Delikte unrechtsverwandt. Wenn ein Tatbestand als Qualifikation eines anderen Delikts geregelt wurde, haben auch diese Straftaten eine Unrechtsverwandtschaft. Der Diebstahl sei mit Betrug und Erpressung unrechtsverwandt, weil alle Delikte Vermögensdelikte seien. Diese Konzeption von Puppe hat aber in der Lehre83 keine Anhänger gefunden. Die Gegner gehen davon aus, dass eine solche Annahme mit dem geltenden Recht nicht vereinbar sei, weil weder die Fassung des Gesetzes noch die historische Entwicklung des Instituts Indizien dafür seien, dass die Idealkonkurrenz die Unrechtsverwandtschaft erfordere. 77
Jakobs, Strafrecht AT, 33 Rn. 8. Jakobs, Strafrecht AT, 33 Rn. 8. 79 Jakobs, Strafrecht AT, 33 Rn. 9: Er nennt als Beispiel die Fahrt unter Alkoholeinfluss der Eltern von zu Hause, obwohl sie für ihr krankes Kind eine ärztliche Hilfe besorgen können. 80 Für die Tateinheit: BGH NStZ 2001, 101; BGH GA 56, 120, 120; gegen Tateinheit: BGHSt 9, 235, 237. 81 Puppe, GA 1982, 143, 143 ff.; Puppe, Idealkonkurrenz, S. 302 ff.; in: Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 72 ff. 82 Puppe, GA 1982, 143, 154. 83 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 75 ff.; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 66, Fn. 5; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 83; Jakobs, Strafrecht AT, 33 Fn. 18. 78
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7. Rechtsfolgen der Tateinheit a) Für die gleichartige Tateinheit Für die gleichartige Tateinheit, in der dasselbe Strafgesetz mehrmals durch dieselbe Handlung verletzt wird, wird nur auf eine Strafe erkannt. Die Feststellung des Strafrahmens bei der gleichartigen Tateinheit ist leicht, da der Täter dasselbe Strafgesetz mehrmals verletzt und deswegen nur ein Strafrahmen vorliegt. Jedoch kann die mehrfache Begehung bei der Strafzumessung als strafschärfend innerhalb des Strafrahmens (gemäß § 46 Abs. 2: Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat) berücksichtigt werden. Zu einer Strafverschärfung ist der Richter nicht verpflichtet; er darf also auch auf die gesetzliche Mindeststrafe erkennen. Außerdem darf der Tatrichter zwar die Höchststrafe nicht überschreiten, aber die mehrmalige Verletzung desselben Strafgesetzes kann in gewissen Fällen einen schweren Fall darstellen.84 Wer z. B. zwei Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, kann gemäß § 212 Abs. 2 bestraft werden.85 b) Für die ungleichartige Tateinheit Bei der ungleichartigen Tateinheit muss, wie bei der gleichartigen Tateinheit, auf eine Strafe erkannt werden. Aber anders als bei der gleichartigen Tateinheit sind die Strafrahmen der verletzten Gesetze nicht gleich, da es um die Verletzung mehrerer Strafgesetze geht. Deswegen können die Strafrahmen voneinander abweichen und der Tatrichter muss unter den verschiedenen Strafrahmen einen neuen Strafrahmen bilden und danach eine Strafe festsetzen.86 Gemäß § 52 Abs. 2 S. 1 muss bei der Festsetzung der Strafe berücksichtigt werden, dass die Strafe nach dem Gesetz bestimmt wird, das die schwerste Strafe androht.87 Hier geht es um die Festsetzung der Strafe nach dem Absorptionsprinzip, weil „das Gesetz mit der schwersten Strafdrohung die anderen Strafdrohungen absorbiere.“88 Der Gesetzgeber hat mit § 52 Abs. 2 S. 2 das Absorptionsprinzip begrenzt, da die Strafe nicht milder sein darf, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen. Diese Begrenzung wird in der Lehre 84 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 110 ff.; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 52 Rn. 33; LKRissing-van Saan, § 52 Rn. 41; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 498; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 113; vgl. BGH bei Holtz, MDR 1992, 932. 85 Vgl. BGH NJW 1981, 2310, 2310. 86 Diese Vorgehensweise, wonach aufgrund der verschiedenen Strafrahmen ein neuer Strafrahmen gebildet wird, wird Kombinationsprinzip genannt. Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 113; LK-Rissing-van Saan, § 52 Rn. 42; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 114. 87 Die Freiheitsstrafe wiegt schwerer als eine Geldstrafe. Wenn ein Gesetz eine Freiheitsstrafe und das andere nur eine Geldstrafe androht, muss auf eine Freiheitsstrafe erkannt werden. Ebenso muss auf eine Freiheitsstrafe erkannt werden, wenn ein Gesetz eine Freiheitsstrafe und ein anderes Gesetz Freiheitsstrafe oder Geldstrafe androht. Art. § 46 kann eine Ausnahme bilden. S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 52 Rn. 38 ff.; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 121. 88 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 113.
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als „Sperrwirkung milderer Gesetze“ bezeichnet. Danach muss die Obergrenze der Strafen die höchste Höchststrafe und die Untergrenze die höchste Mindeststrafe sein.89 Der neue Strafrahmen muss somit zwischen der höchsten Mindeststrafe und der höchsten Höchststrafe liegen. In der Theorie wird die Sperrwirkung milderer Gesetze damit begründet, dass der Täter mehr als eine Straftat begangen habe; deswegen dürfe er nicht bevorteilt sein.90 Die Begehung mehrerer Straftaten kann auch bei der ungleichartigen Tateinheit innerhalb des neu gebildeten Strafrahmens als straferhöhend bewertet werden.91 Bei der Feststellung der Strafrahmen muss der Tatrichter in jedem Einzelfall berücksichtigen, ob eine Versuchshandlung, ein schwerer oder minderschwerer Fall usw. vorliegt. Wenn z. B. ein Mord nur im Versuchsstadium bleibt, ist bei der Feststellung des Strafrahmens für versuchten Mord nicht nur § 211, sondern auch § 23 Abs. 2 entscheidend.92 Außerdem kann das Gericht gemäß § 52 Abs. 3 neben einer Freiheitsstrafe gesondert auf eine Geldstrafe erkennen, wenn der Täter durch die Tat bereichert wird oder sich zu bereichern versucht hat (§ 41). Daneben muss oder kann auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze sie vorschreibt oder zulässt. Diese Bestimmungen können sowohl für die gleichartige als auch ungleichartige Tateinheit angewendet werden. c) Die Ausnahmen der Strafrahmenfestsetzung Wenn eine Prozessvoraussetzung für manche verletzten Delikte fehlt, kann die Strafrahmenfestsetzung entfallen. Wenn z. B. der für die Bestrafung wegen eines Delikts erforderliche Strafantrag fehlt, ist nur ein Strafgesetz anwendbar. Wenn zwei idealkonkurrierende Straftaten vorliegen und eine verjährt ist oder amnestiert wird, ist nur ein Strafgesetz bei der Strafzumessung relevant. Die Gesetze, in denen ein Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgrund vorliegt, werden auch bei der
89 LK-Rissing-van Saan, § 52 Rn. 45; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 114, 118; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 113; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 498. 90 LK-Rissing-van Saan, § 52 Rn. 45; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 114; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 113. 91 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 115. In der Lehre wird auch vertreten, dass, wenn die verletzten Strafgesetze dasselbe Rechtsgut schützen oder „einen gleichgerichteten Unrechtsgehalt aufweisen“, die Strafschärfung entfällt. MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 125; S/SSternberg-Lieben/Bosch, § 52 Rn. 45; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 503; nach den Entscheidungen des BGH hat die Idealkonkurrenz in solchen Fälle eine klarstellende Bedeutung, die kein straferhöhendes Gewicht hat. BGH NStZ 1993, 537; BGH StV 1999, 369; vgl. BGH NStZ 1993, 434. 92 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 114; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 120.
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Strafrahmenfestsetzung nicht berücksichtigt.93 Wenn das Gericht gemäß § 60 von einer Strafe absieht, wird die Strafe nach den anderen Gesetzen bestimmt. Aber das Absehen von Strafe muss neben den Strafzumessungsgründen auch im Urteilstenor betont werden.94 8. Zusammenfassung und Stellungnahme Nach der Feststellung, ob dieselbe Handlung dasselbe Strafgesetz mehrmals oder mehrere Strafgesetze verletzt, ist die Frage zu beantworten, welche Arten der Idealkonkurrenz vorliegen. Zunächst geht es um die gleichartige Idealkonkurrenz, wenn ein Strafgesetz durch eine Handlung mehrmals verletzt wird. Hier ist auch wieder auszuführen, dass bei der iterativen und sukzessiven Tatbestandverwirklichung und bei der Verwirklichung verschiedener Formen einer Straftat Idealkonkurrenz ausgeschlossen ist, da es sich hier nur um eine einmalige Gesetzesverletzung handelt. Für die Bestimmung der gleichartigen Idealkonkurrenz unterscheidet ein Teil der Lehre zwischen den höchstpersönlichen und den vermögensrechtlichen Rechtsgütern. Danach liege kein Fall der Idealkonkurrenz vor, wenn durch eine Handlung das vermögensrechtliche Rechtsgut verschiedener Träger verletzt werde. Dem ist nicht zuzustimmen, weil das vermögensrechtliche Rechtsgut unabhängig von dem Rechtsgutsträger nicht getrennt bewertet wird. Bei der Feststellung der verletzten Gesetze soll die Anzahl der Rechtsgutsträger berücksichtigt werden. Eine gegenteilige Annahme kann eine wesentliche Begrenzung für die Anwendung der Idealkonkurrenz mit sich bringen, weil es fraglich ist, ob diese Annahme auch im Fall der Verletzung der verschiedenen materiellen Rechtsgüter verschiedener Träger (bei der ungleichartigen Idealkonkurrenz) angewendet werden kann. Die Gesetzesverletzungen stehen im Verhältnis der Idealkonkurrenz, wenn die Ausführungshandlungen der Straftaten sich mindestens teilweise überschneiden. Durch die Teilidentität der Ausführungshandlungen wird die Idealkonkurrenz begründet, wenn sich die Handlungen zwischen Vollendungs- und Beendigungsphase überschneiden. Dieses Institut wird insbesondere zur Verbindung von Diebstahl (oder Raub) und darauffolgende Straftaten, die zur Sicherung der Beute dienen, verwendet. Für die teilweise Identität wird zu Recht ausgeführt, dass eine teilweise Identität der Handlungen nur im Versuchsstadium keine Idealkonkurrenz begründen kann. Entscheidend ist, ob sich die strafbaren Handlungen nicht im Versuchsstadium, sondern im Ausführungsstadium überschneiden. Eine gegenteilige Annahme kann zu einer wesentlichen Erweiterung der Tateinheit führen, da sich die Versuchshandlungen mehrerer Straftaten im Versuchsstadium überschneiden können, obwohl die Ausführungshandlungen selbstständig sein können.
93 MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 116, 117; LK-Rissing-van Saan, § 52 Rn. 49; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 116. 94 S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 52 Rn. 46; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 117.
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Die Tateinheit durch die teilweise Identität der Ausführungshandlungen hat auch bei den Dauerdelikten eine wesentliche Bedeutung. Die Idealkonkurrenz wird abgelehnt, wenn das Zustandsdelikt durch das Ausnutzen der Gelegenheit des Dauerdelikts begangen wird. Wenn aber das Zustandsdelikt der Aufrechterhaltung des Dauerdelikts oder das Zustandsdelikt der Steigerung des Unrechts des Dauerdelikts dient, wird Tateinheit angenommen, da sich die Ausführungshandlungen teilweise decken. Aber, wie schon erwähnt, dürfen hier die Handlungen, die den Aufrechterhaltungszweck überschreiten, nicht überschneidend bewertet werden. Obwohl in der deutschen Strafrechtslehre und in den Entscheidungen des BGH abweichende Ansichten vertreten werden, sollte die Tateinheit abgelehnt werden, wenn das Dauerdelikt der Verwirklichung des Zustandsdelikts oder das Zustandsdelikt der Begehung des Dauerdelikts dient und sich die Ausführungshandlungen nicht mindestens teilweise decken. Also erscheint eine bloße Zweck-Mittel-Relation als nicht ausreichend, um Tateinheit anzunehmen. Der Anwendungsbereich der Idealkonkurrenz wird im deutschen Strafrecht durch das Prinzip der Klammerwirkung der dritten Straftat wesentlich erweitert. Danach ist die Idealkonkurrenz zu bejahen, wenn zwei an sich selbstständige Handlungen, die sich nicht überschneiden, mit einer dritten Handlung in Idealkonkurrenz stehen. Eigentlich ist hier die Voraussetzung der Idealkonkurrenz („dieselbe Handlung“) für die selbstständigen Taten nicht erfüllt. Aber durch die dritte Handlung, die sich mit den jeweiligen Handlungen mindestens teilweise deckt, wird die Idealkonkurrenz hergestellt. Für die Klammerwirkung wurde durch die Entklammerung eine Ausnahme gebildet und der Anwendungsbereich begrenzt. Danach kann durch die Klammerwirkung einer dritten Straftat die Idealkonkurrenz nur begründet werden, wenn die dritte (verklammernde) Straftat schwerer wiegt als die anderen Straftaten. Aber mit der Zeit wurde diese Begrenzung wieder gelockert und Idealkonkurrenz angenommen, „wenn eine der verklammerten Straftaten schwerer wiegt als das verklammernde Delikt“95. Die Klammerwirkung wurde zunächst nur in dem Fall angenommen, in dem zwischen den Straftaten eine annähernde Wertgleichheit besteht und das verklammernde Delikt das schwerste ist. Eine gegenteilige Annahme wäre mit dem Gerechtigkeitsprinzip nicht vereinbar, aber vor allem bildete dieses Institut anfänglich einen Verstoß gegen dieses Prinzip, weil der Täter weniger bestraft werden muss, obwohl er eine weitere Straftat neben den verklammernden Delikten begangen hat und der Schuldgehalt des Täters im Vergleich zu einem anderen Täter, der das verbindende Delikt nicht begangen hat, höher ist. Überdies ist die Annahme der Idealkonkurrenz zwischen den Straftaten, deren Ausführungshandlungen sich gar nicht überschneiden, nicht überzeugend, weil § 52 Abs. 1 „dieselbe Handlung“ für die Tateinheit als eine unerlässliche Voraussetzung vorsieht. Die Frage, ob die Begehungs- und Unterlassungsdelikte im Verhältnis der Idealkonkurrenz stehen können, ist umstritten. Nach einer Ansicht wird die Idealkon95
BGHSt 31, 29, 29 ff.
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kurrenz zwischen den Begehungs- und Unterlassungsdelikten verneint, da Unterlassen und Tun sich nicht teilweise decken und die Gleichzeitigkeit nicht ausreichend sei, die Tateinheit zu begründen. Dem ist mit der Gegenansicht zu widersprechen, weil durch ein positives Tun sowohl ein Unterlassungs- als auch ein Begehungsdelikt begangen werden kann und Idealkonkurrenz vorliegt, wenn sich das Ausführungsverhalten mindestens teilweise deckt. Dafür sei auf das von Jakobs96 gegebene Beispiel hingewiesen. Bei diesem Sachverhalt begeht der Arzt fahrlässig zwei Straftaten, die miteinander in Verbindung stehen. Hier kann man die Grundsätze, die zur Feststellung von Handlungseinheit oder -mehrheit bei Fahrlässigkeit und bei Unterlassen angewendet werden, zusammenbringen und auf diese Weise eine exakte Lösung finden. Wenn der Arzt gerade nicht sorgfältig gehandelt hätte, könnte er die beiden Erfolge nur durch eine Handlung abwenden, da er nur einmal sorgfaltswidrig gehandelt hat; deswegen ist der Verhaltenseinheit in diesem Fall zuzustimmen und die Ansicht, dass sich Unterlassen und positives Tun nicht decken, nicht überzeugend. Außerdem ist nur die bloße Zeitgleichheit nicht ausreichend, um bei solchen Delikten durch eine Verhaltenseinheit die Idealkonkurrenz anzunehmen. Die Festsetzung der Strafe bei der Idealkonkurrenz richtet sich nach dem Absorptionsprinzip, wonach der Täter nach dem Gesetz, das die schwerste Strafe androht, bestraft wird. Bei der gleichartigen Tateinheit bildet das Gesetz, das mehrfach verletzt wird, den Strafrahmen und in diesem Strafrahmen darf die mehrmalige Verletzung als strafverschärfend berücksichtigt werden. Aber bei den ungleichartigen Straftaten wird der Strafrahmen bzw. das Absorptionsprinzip dadurch begrenzt, dass die Strafe nicht milder sein darf, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen. Darin liegt auch der Grundgedanke, dass der Täter nicht besser gestellt sein soll, obwohl er mehr als ein Strafgesetz verletzt hat. Wenn eine solche Einhaltungspflicht dem Richter nicht vorgeschrieben würde, könnte manchmal die mildere Bestrafung des Täters einen Verstoß gegen das Gerechtigkeitsprinzip darstellen.
II. Idealkonkurrenz im türkischen Strafrecht 1. Allgemeines und Begriffsbestimmung Im türkischen Strafgesetzbuch wurde das Zusammentreffen der Straftaten im fünften Abschnitt des zweiten Teils des allgemeinen Teils geregelt und unter diesem Abschnitt des TCK wurden drei Arten des „Zusammentreffens der Straftaten“97 behandelt. Der mit „Fikri Ictima“ (Idealkonkurrenz) überschriebene Art. 44 ist auch eine dieser Arten. Es geht in diesem Artikel nur um die ungleichartige Idealkon96 Jakobs, Strafrecht AT, 33 Rn. 8: Ein Arzt vollzieht einen indizierten Körpereingriff als Folge einer fahrlässigen Verwechslung statt bei einem Patienten, der eine Nothilfe braucht, bei einem Gesunden; er begeht verhaltenseinheitlich zwei Delikte. 97 Außer Idealkonkurrenz wurde auch unter diesem Abschnitt in Art. 42 die zusammengesetzte Straftat, in Art. 43 Abs. 1 das fortgesetzte Delikt geregelt.
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kurrenz (farkli neviden fikri içtima)98. Das arabischstämmige Wort „Içtima“ bedeutet Zusammentreffen oder Kumulation. Sowohl bei der Abschnittüberschrift des fünften Abschnitts (Zusammentreffen oder Kumulation der Straftaten) als auch bei der Artikelüberschrift des Artikels 44 wurde derselbe Begriff „içtima“ benutzt. Die richtige Übersetzung des Begriffs „fikri içtima“ wäre „das ideelle Zusammentreffen“. Aber wegen der geläufigen Benutzung wird anstatt „das ideelle Zusammentreffen“ der Begriff „Idealkonkurrenz“ verwendet. In der Lehre99 wird vertreten, dass die Bezeichnung Idealkonkurrenz für dieses Rechtsinstitut nicht zutreffend sei, da hier die Konkurrenz (Zusammentreffen) nicht ideal sei, sondern eine echte Konkurrenz des Gesetzes vorliege. Durch eine Tat werde bei dieser Konkurrenzart mehr als eine Norm des Gesetzes verletzt und obwohl über den Täter wegen aller verletzten Gesetze getrennte Strafen zu verhängen , d. h. die Bestimmungen über die Realkonkurrenz anzuwenden seien, habe der Gesetzgeber sich durch seine Regelungen damit begnügt, den Täter nur mit der Strafe eines Gesetzes, das die schwerste Strafe androhe, zu bestrafen. Die Idealkonkurrenz sei also ein Rechtsinstitut, wodurch die getrennte Bestrafung des Täters aufgrund mehrerer Gesetze, also die Anwendung der Realkonkurrenz, verhindert werde.100 Über das Wesen der Idealkonkurrenz herrscht insoweit Einigkeit in der Lehre, dass die Verbrechensmehrheit bei der Idealkonkurrenz nicht infrage gestellt werden kann. Bei dem Zusammentreffen der Straftaten von einer Verbrechenseinheit zu sprechen, sei nicht mit dem Gesetz vereinbar, weil der Gesetzgeber in Art. 44 betone, dass mehr als eine verschiedenartige Straftat begangen werden müsse. Für die Bestimmung der Verbrechenseinheit oder Verbrechensmehrheit sei nicht die Anzahl der Handlungen, sondern die Anzahl der verletzten Normen entscheidend.101 Nach ˙Içel liegt bei der Idealkonkurrenz Verbrechensmehrheit vor und mehrere Straftaten werden als ideal und fiktiv verbunden.102 Nach den Entscheidungen des türkischen Kassationshofs ist bei der Feststellung der Verbrechenseinheit oder -mehrheit nicht die Anzahl der Taten oder Handlungen, sondern die Anzahl der verletzten Normen entscheidend.103 98 In diesem Artikel wurde nur die ungleichartige Idealkonkurrenz geregelt. Die gleichartige Idealkonkurrenz findet ihre Regelung in Art. 43 Abs. 2. 99 Önder, Ceza Hukuku, S. 486; Artuk/Gökçen/Yenidünya, Türk Ceza Kanunu S¸erhi, S. 1067. 100 „Das Zusammentreffende ist bei der Idealkonkurrenz ,die Idee‘. Die Ansicht des Täters war, nur eine Straftat zu begehen. Die Idee ist der Eintritt eines Erfolgs, aber mehrere Erfolge sind eingetreten und deswegen komme eine solche Konkurrenz zustande.“ Özbek, ˙Izmir S¸erhi, S. 732 f. 101 Koca, CHD 2007, S. 197, 199 f.; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 491; Artuk/ Gökçen/Yenidünya, Ceza Hukuku, S. 654; Özbek, ˙Izmir S¸erhi, S. 733. 102 ˙ Içel, ˙IHFD 1964, S. 171, 175; ˙Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 59. 103 YCGK, 14. 1. 1985, E 1984/1 – 491, K. 1985/8; YCGK, 12. 3. 1984, E 1983/1 – 176, K 1984/87, in: Göktürk, Fikri I˙çtima, S. 52, Fn. 227: Nach diesen Entscheidungen des Kassationshofs kann eine Handlung oder Tat mehrere Strafgesetze verletzen und ein Strafgesetz kann durch mehrere Handlungen oder Taten begangen werden.
A. Idealkonkurrenz
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2. Der Grund der einmaligen Bestrafung bei der Idealkonkurrenz Nach der Annahme der Verbrechensmehrheit stellt sich die Frage, warum der Täter nur einmal bestraft werden darf, obwohl mehrere Strafgesetze oder ein Strafgesetz mehrmals verletzt werden. Bei der Idealkonkurrenz werden mehrere Bestimmungen bei einer Tat verletzt und wegen der gesetzlichen Regelung kann gegen den Täter nur eine Strafe verhängt werden. Wenn im Gesetz eine einmalige Bestrafung nach dem schwersten Gesetz nicht vorgeschrieben wäre, müsste der Täter über die Realkonkurrenz bestraft werden.104 Dönmezer und Erman105 haben die einmalige Bestrafung des Täters damit begründet, dass der Wille des Täters sowohl bei dem Verstoß gegen die Rechtsordnung als auch bei der Zerstörung des sozialen Friedens eine Einheit bilde. Aufgrund dieser Willenseinheit sei es mit dem Zweck der Strafe nicht vereinbar, gegen den Täter mehr als eine Strafe zu verhängen. Der Gesetzgeber hat die einmalige Bestrafung des Täters im Fall der Idealkonkurrenz in seiner Gesetzesbegründung mit dem „ne bis in idem“-Prinzip begründet. Dies lautet folgendermaßen: Man kann durch eine begangene Tat mehr als eine verschiedene Straftat begehen. Jedoch wird der Täter wegen des Prinzips „ne bis in idem“ nur einmal bestraft. Im Falle der Verletzung mehrerer verschiedenartiger Gesetze durch eine Tat muss der Täter nach dem Gesetz, das die schwerste Strafe androht, bestraft werden. Auf diese Weise werde bezweckt, eine mehrmalige Bestrafung des Täters aufgrund der Ausübung einer Tat zu verhindern.106 Wie Göktürk107 richtig herausstellt, kann die einmalige Bestrafung des Täters bei der Idealkonkurrenz nicht mit „ne bis in idem“ begründet werden. Die Bedeutung dieses Prinzips liegt darin, dass der Täter aufgrund derselben Tat nicht mehrmals bestraft werden darf. Daneben wird in der Lehre aufgeführt, dass die Handlungseinheit den Grund der einmaligen Bestrafung bilden kann.108
104 ˙ Içel, ˙IHFD 1964, S. 171, 175 f.; ˙Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 59: ˙Içel ist der Meinung, dass es nicht richtig sei, zwischen der Handlungseinheit und der Handlungsmehrheit einen Unterschied zu machen. Der Täter müsse auf jeden Fall (bei Tateinheit und Tatmehrheit) nach der Bestimmung der Realkonkurrenz bestraft werden. Für die einmalige Bestrafung des Täters, der mehrere Normen verletzt habe, seien die subjektiven Eigenschaften, die die einmalige Bestrafung als gerecht erscheinen lassen würden, nicht erforderlich. Und auch die Einheit der Tat sei nicht ausreichend, um die Tateinheit anders als die Tatmehrheit zu behandeln. 105 Dönmezer/Erman, Nazari ve Tatbiki C II, S. 382; vgl. Toroslu, Ceza Hukuku, S. 325 f. 106 TCK Madde Gerekceleri, S. 179. 107 Göktürk, Fikri I˙çtima, S. 66. 108 Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 492 f.
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2. Teil: Geregelte Erscheinungsformen im deutschen und türkischen Strafrecht
3. Die Voraussetzungen der Idealkonkurrenz a) Im Allgemeinen Gemäß Art. 44 des TCK müssen für die Annahme der Idealkonkurrenz durch eine begangene Tat mehrere verschiedene Straftaten vorhanden sein. In Art. 44 geht es nur um die ungleichartige Idealkonkurrenz, in welcher eine begangene Tat mehrere verschiedene Strafgesetze verletzt. In dieser Norm hat die gleichartige Idealkonkurrenz hingegen keine Regelung gefunden. Obwohl in Artikel 43 die Fortsetzungstat geregelt wurde, beinhaltet Art. 43 Abs. 2 eine Regelung in Bezug auf die gleichartige Idealkonkurrenz. Hier wird die mehrmalige Verletzung eines Strafgesetzes durch eine begangene Tat normiert. Diese Regelung entspricht nicht dem Sinn und Zweck des Gesetzes, da die gleichen Rechtsinstitute unter der gleichen Überschrift geregelt werden müssen. Folgendes ist hier zu empfehlen: Wenn der Gesetzgeber die gleichartige Idealkonkurrenz nicht in demselben Artikel mit der ungleichartigen Idealkonkurrenz regeln und nur für die gleichartige Idealkonkurrenz Ausnahmen und eine Strafschärfung wie bei der Fortsetzungstat festsetzen möchte, muss er diese Regelung nicht in Art. 43 (Fortsetzungstat), sondern in einem anderen, eigenen Artikel (z. B. als Art. 44a, oder Art. 45) regeln. Sowohl in Art. 44 als auch in Art. 43 Abs. 2 wurde der Begriff „Tat“109 verwendet; deswegen ist die erste Voraussetzung der Idealkonkurrenz die Verletzung der Strafgesetze durch eine Tat. Auf die Frage, was unter dem Begriff „Tat“ verstanden werden muss, wurde im ersten Teil der Arbeit eingegangen. Selbstverständlich müssen durch eine Tat mehrere verschiedene Strafgesetze oder ein Strafgesetz mehrmals verletzt werden, sonst fehlt eine Voraussetzung der Idealkonkurrenz. Wenn nur eine einmalige Verletzung des Gesetzes vorliegt, ist die Existenz dieses Rechtsinstituts nicht mehr zu diskutieren und Idealkonkurrenz kommt überhaupt nicht infrage. b) Die Verletzung der Strafgesetze durch eine Tat Die erste Voraussetzung der Idealkonkurrenz ist das Vorhandensein mehrerer Gesetzesverletzungen durch eine Tat (Handlung). Unter dem Begriff „Tat“ wird in der türkischen Strafrechtslehre und in den ständigen Rechtsprechungen „die Handlung“ verstanden; beim Vorliegen einer Handlung wird die erste Voraussetzung der Idealkonkurrenz als erfüllt angenommen.110 Außerdem können aber mehrere Straftaten durch mehrere Ausführungshandlungen oder durch eine dauernde Handlung, die im konkurrenzrechtlichen Sinn eine Einheit bilden, verletzt werden. In 109 Bei den Bestimmungen über die Idealkonkurrenz (Art. 43 Abs. 2, Art. 44) wurde der Begriff „Tat“ anstatt „Handlung“ verwendet. Gemäß Art. 44 müssen mehrere Strafgesetze „durch eine begangene Tat“, und gemäß Art. 43 Abs. 2 muss ein Gesetz mehrmals „durch eine einzige Tat“ verletzt werden. 110 Siehe oben: Erster Teil D. II. 3.
A. Idealkonkurrenz
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diesem Zusammenhang muss untersucht werden, ob die Ausführungshandlungen identisch sind. Die Identität der Handlungen lässt sich in zwei Unterformen aufteilen. aa) Volle Identität der Ausführungshandlungen Bei dieser Erscheinungsform sind die Ausführungshandlungen für alle begangenen Straftaten völlig identisch und es liegt nur eine Handlung vor. Sofern die Ausführungshandlungen vollkommen gleich sind, ist die Feststellung der Idealkonkurrenz ganz einfach. Bei den folgenden Beispielen sind die Ausführungshandlungen für die verletzten Straftaten identisch. Körperverletzung und Sachbeschädigung können miteinander in Idealkonkurrenz stehen, wenn beide Straftaten durch einen Schuss begangen werden. Zwischen dem Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und einer Körperverletzung (die Verletzung der Vollstreckungsbeamten zur Verhinderung der Diensthandlung)111, Meineid und Verleumdung (durch einen falschen Schwur) kann ungleichartige Idealkonkurrenz bestehen. Bei der Tötung durch einen Unfall aufgrund eines fahruntüchtigen Zustands liegt auch eine Handlung vor, wodurch ein Totschlag und die Gefährdung der Verkehrssicherheit verwirklicht werden. In allen diesen Fällen sind die Ausführungshandlungen für die verletzten Straftaten identisch und es handelt sich um Idealkonkurrenz. Bei manchen Straftaten, auch wenn sie durch eine Handlung begangen werden oder sich die Ausführungshandlungen völlig decken, ist Idealkonkurrenz zu verneinen, weil der Gesetzgeber für diese Straftaten Ausnahmeregelungen festgesetzt hat. Eine solche Regelung enthält Art. 223 TCK. Während der Entführung oder des Festhaltens des Verkehrsmittels nach Art. 223 des TCK kann der Täter dem sich im Verkehrsmittel befindenden Menschen die Freiheit entziehen. In diesem Fall liegt eigentlich nur eine Handlung, also die volle Identität der Ausführungshandlung, und demzufolge Idealkonkurrenz vor, weil der Täter durch eine Handlung beide Gesetze verletzt hat. Aber Art. 223 Abs. 4 des TCK hat eine Sonderregelung für die zwischenzeitlich verwirklichte Freiheitsberaubung. Nach diesem Absatz muss der Täter wegen der Freiheitsberaubung gesondert bestraft werden und die Regelungen in Bezug auf die Idealkonkurrenz finden hier keine Anwendung, obwohl die Voraussetzungen der Idealkonkurrenz erfüllt sind.112 Die Lehre, die den Begriff „Tat“ als Erfolg versteht, ist der Ansicht, dass auch wenn die Übereinstimmung der Ausführungshandlungen vorliegt, erst festgestellt werden muss, wie viele Erfolge eingetreten sind. Wenn mehrere Veränderungen (Erfolge) in der Außenwelt in Erscheinung träten, sei die Idealkonkurrenz abzulehnen, ohne zu untersuchen, ob die Ausführungshandlungen identisch seien oder nicht, da für die Idealkonkurrenz nicht die Handlung, sondern der Erfolg entschei111
1. CD, 12. 04. 2002, 166/1337, abrufbar unter folgender URL: www.kazanci.com.tr (Stand: 23. 04. 2015). 112 Koca, CHD 2007, S. 197, 209; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 495: Göktürk, Fikri ˙Içtima, S. 140.
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2. Teil: Geregelte Erscheinungsformen im deutschen und türkischen Strafrecht
dend sei. Nach dieser Auffassung muss die Idealkonkurrenz im Fall abgelehnt werden, wo ein Erfolg vorliegt, wenn aber die Ausführungshandlungen nicht völlig identisch sind.113 Wenn die Anzeige eine Beleidigung beinhaltet, obwohl der Beschwerdeführer schon weiß, dass der Angeklagte unschuldig ist, sind die Ausführungshandlungen nach dieser Ansicht völlig identisch für die Beleidigung und falsche Verdächtigung.114 bb) Teilweise Identität der Ausführungshandlungen Die teilweise Identität der Ausführungshandlungen wird in der türkischen Strafrechtslehre wenig behandelt, teilweise jedoch abgelehnt. Nach Koca und Üzülmez115 ist die teilweise Identität der Ausführungshandlungen ausreichend, um Idealkonkurrenz zu bejahen. Mindestens ein Teil der Ausführungshandlungen muss bei der Begehung mehrerer Straftaten fortwirken. Wenn also der Räuber das Opfer verletze und sein Geld nehme, verletze er zwei Strafgesetze durch zwei Handlungen. Aber die Ausführungshandlungen würden sich teilweise überlagern, nämlich nur bei der Ausübung der Gewalt, da die Ausübung der Gewalt in diesem Fall für die Begehung beider Straftaten (Körperverletzung und Raub) identisch sei und fortwirke. In der Zeit der alten Fassung des Gesetzes wurde die Idealkonkurrenz vom Kassationshof in Fällen der teilweisen Identität angenommen, ohne die teilweise Identität überhaupt zu erwähnen. Das Herstellen und Benutzen einer falschen Urkunde war gemäß Art. 345 a.TCK strafbar. Wenn der Täter durch eine gefälschte Urkunde jemanden betrügt, begeht er zwei Straftaten durch zwei Handlungen. Aber die betrügerische Benutzung der falschen Urkunde ist identisch bei der Begehung beider Straftaten. In solchen Fälle wurde in ständiger Rechtsprechung, bis zur Einführung des neuen Strafgesetzbuches, die Idealkonkurrenz bejaht. In einem Fall hat der Täter Sitzplatzkarten für ein Fußballspiel hergestellt und diese Karten verkauft. Auf diese Weise hat er sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil verschafft und die Leute betrogen. Der Kassationshof hat zwischen dem Betrug (Art. 503 a.TCK) und der Urkundenfälschung (Art. 345 a.TCK) Idealkonkurrenz angenommen.116 Der Kassationshof ist im Fall des Betrugs durch die gefälschte Urkunde von einer Handlungseinheit117 ausgegangen. 113
S. 66.
˙Içel/Özgenç/Sözüer/Mahmutog˘ lu/Ünver, Suç Teorisi, S. 427; ˙Içel, Suçların ˙Içtimaı,
I˙çel, Suçların ˙Içtimaı, S. 67. Koca, CHD 2007, S. 197, 210, 211; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 496: Um die Frau zu küssen, zieht der Täter sie gewaltsam an sich und entwendet dabei die wertvolle Uhr von ihrem Arm. Hier ist die Gewaltanwendung für beide Straftaten ein gemeinsames Element und deswegen stehen Raub (Art. 148) und sexueller Angriff (Art. 102) in Idealkonkurrenz durch teilweise Identität der Ausführungshandlungen. 116 6. CD, 15. 12. 2003, E 2002/20304, K 2003/9869, in: UYAP. 117 YCGK, 30. 04. 2002, E 2002/6 – 111, K 2002/237: Wenn die falsch hergestellte und verwendete Urkunde eines der Tatbestandsmerkmale des Betruges ist, sind zwei Strafgesetze 114 115
A. Idealkonkurrenz
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Der Gesetzgeber hat im neuen Strafgesetzbuch für die Verwendung einer falschen öffentlichen und privaten Urkunde eine besondere Regelung in Art. 212 TCK118 unter der Überschrift „Konkurrenz“ (ictima) geregelt. Nach dieser Vorschrift muss der Täter sowohl wegen der Fälschung als auch wegen der begangenen anderen Straftaten gesondert bestraft werden, wenn er die (gefälschte) Urkunde während der Begehung anderer Straftaten verwendet hat. Als Ergebnis kann der Täter von der Privilegierung der Idealkonkurrenz nicht profitieren und die Strafen müssen nach den einschlägigen Bestimmungen addiert werden. Die Regelungen in Bezug auf die Urkundenfälschung sind im alten und neuen Strafgesetzbuch fast gleich. Aber für die Konkurrenz dieser Straftaten hat der Gesetzgeber im neuen Strafgesetzbuch eine Ausnahmeregelung vorgesehen, die die bisherige Anwendung und Rechtsprechung verändert hat. Durch diesen Änderungsprozess aufgrund der verschiedenen Entscheidungen des Kassationshofs kann man zum Ergebnis kommen, dass die Ausführungshandlungen bei der Begehung dieser Straftaten teilweise identisch sein können und auf diese Weise Idealkonkurrenz begründet werden kann. Aber der Gesetzgeber bildet manchmal für die allgemeinen Regelungen auch viele Ausnahmen. Der Gesetzgeber hat bei diesen Delikten die Anwendung der Idealkonkurrenz durch teilweise Identität der Ausführungshandlungen nicht akzeptiert und hat für diese Delikte, die auch normalerweise von der Regel (Idealkonkurrenz durch die teilweise Identität der Ausführungshandlungen) abgedeckt ist, eine Ausnahme gebildet und zuungunsten des Täters eine Erschwerung vorgesehen. Bei der Begehung der anderen Delikte, deren Ausführungshandlungen sich teilweise decken und für die die Anwendung der Idealkonkurrenz wegen der Ausnahmeregelungen nicht ausgeschlossen ist, soll Idealkonkurrenz durch die teilweise Identität der Ausführungshandlungen angenommen werden. Die bloße Gleichzeitigkeit der Ausführungshandlungen, die Zweck-Mittel-Beziehung, eine Einheitlichkeit der subjektiven Tatbestände, die Verfolgung eines gemeinsamen Endzwecks und Ursache-Folge-Beziehungen sind nicht ausreichend, um die teilweise Identität der Ausführungshandlungen zu begründen.119 Als Beispiel ist das Mitführen des Betäubungsmittels während einer Fahrt unter alkoholischem verletzt. Aber wegen der Einheit der Tat darf der Täter nicht wegen zwei Straftaten, sondern muss gemäß Art. 79 nur wegen einer Straftat bestraft werden; in einem Sachverhalt hat der Täter von einem Geldinstitut mithilfe einer gefälschten Urkunde Geld abgehoben. Er hat bei der Geldabhebung die ihm vom Geschäftsherrn erteilte Befugnis missbräuchlich ausgenutzt. Nach der Entscheidung muss der Täter gemäß Art. 79 nur wegen einer Straftat bestraft werden, auch wenn durch zwei Handlungen zwei Erfolge eingetreten sind, da die Urkundenfälschungstat erst mit der Benutzung verwirklicht werden kann. Deswegen muss der Täter wegen Untreue (Art. 510 aTCK), die die schwerste Strafe androht, bestraft werden. YCGK, 30. 05. 1994, E 1994/154, in: Göktürk, Fikri ˙Içtima, S. 146, Fn. 590. 118 Art. 212 des TCK: Im Falle der Verwendung der gefälschten echten oder unechten Urkunden während der Begehung anderer Straftaten muss der Täter sowohl wegen der Fälschung als auch wegen anderer Straftaten gesondert bestraft werden. 119 Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 496; Göktürk, Fikri I˙çtima, S. 147 ff.; Koca, CHD 2007, S. 197, 208.
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2. Teil: Geregelte Erscheinungsformen im deutschen und türkischen Strafrecht
Zustand zu nennen. In diesem Fall liegen zwei Straftaten, die nicht in Idealkonkurrenz stehen, vor. Die Gleichzeitigkeit der Ausführungshandlungen ist auch für die Überschneidung der Ausführungshandlungen nicht ausschlaggebend. Wenn z. B. der Täter zum Verkauf Betäubungs- oder Aufputschmittel ohne Befugnis importiert (TCK Art. 188 Abs. 1) und diese Mittel in der Türkei verkauft (TCK Art. 188 Abs. 3), begeht er zwei Straftaten durch zwei Handlungen, die sich nicht völlig oder teilweise überschneiden. Die Zweck-Mittel-Beziehung sei in diesem Fall nicht ausreichend für die Annahme der Idealkonkurrenz, auch wenn diese Straftaten in demselben Artikel geregelt wurden.120,121 Von einem Teil der Lehre122 wurde die Annahme der Idealkonkurrenz durch teilweise Identität der Ausführungshandlungen abgelehnt. Wenn die Ausführungshandlungen eines Delikts die Ausführungshandlungen eines anderen Delikts umfassen oder wenn sich die Ausführungshandlungen beider Straftaten (teilweise) überschneiden würden, sei die Voraussetzung „Identität der Ausführungshandlungen“ nicht erfüllt. Die Befürworter dieser Auffassung gehen davon aus, dass zur Annahme der Idealkonkurrenz die Ausführungshandlungen völlig identisch sein müssen. Als Beispiel führen sie aus, dass die Identität der Ausführungshandlungen in einem Fall, in dem der verheiratete Mann mit einem 16-jährigen Mädchen zusammenlebe und während des Zusammenlebens einmal mit dem Mädchen Geschlechtsverkehr ausübe, aufgrund des Fehlens der völligen Identität nicht vorliege.123 Laut Göktürk besteht zwischen mehreren Straftaten aufgrund der teilweisen Identität keine Idealkonkurrenz, da „alle Ausführungshandlungen für alle Straftaten völlig identisch“ sein müssen. Bei der teilweisen Identität liegen mehrere Handlungen vor und manche Handlungen im natürlichen Sinn sind ein gemeinsames 120 Göktürk, Fikri ˙Içtima, S. 149 ff.: Laut Göktürk begeht der Täter in einem Fall, in welchem er zur Herstellung des Betäubungsmittels Hanf anbaut und danach aus dessen Blättern Betäubungsmittel herstellt, zwei Straftaten (TCK Art. 188 Abs. 1 und 188 Abs. 7), die nicht in Idealkonkurrenz stehen. Die Herstellung der gefälschten Bank- oder Kreditkarten (TCK Art. 245 Abs. 2) und das Benutzen dieser gefälschten Karten (TCK Art. 245 Abs. 3) sind zwei Straftaten, die nicht in Idealkonkurrenz stehen. Wenn der Täter eine von ihm gefälschte Karte benutzt, begeht er dadurch zwei Handlungen und zwei Straftaten; in ähnlicher Weise, vgl. 11. CD, 29. 05. 2007, E 2007/2538, K 2007/3738. 121 Der Kassationshof hat auch Entscheidungen gefällt, in welchen er bei solchen Fällen von der Handlungsmehrheit ausgegangen ist und die Annahme der Idealkonkurrenz abgelehnt hat. In einem Fall hat der Täter Ecstasy-Drogen illegal eingeführt und in der Türkei verkauft. Die erste Instanz ist davon ausgegangen, dass der Täter zwei Straftaten (Einfuhr gemäß 403 Abs. 2 aTCK und Verkauf gemäß Art. 403 Abs. 5 aTCK) begangen hat. Er müsse wegen der schweren Straftat gemäß Art. 79 bestraft werden. Der zehnte Strafsenat hat dieses Urteil aufgehoben und die Bestimmungen in Bezug auf die Realkonkurrenz angewandt. 10. CD, 3. 4. 2001, E 2000/ 19555, K. 2001/10927, in: Parlar/Hatipog˘ lu, Tes¸ebbüs-I˙s¸tirak, S. 321; vgl. 10. CD, 27. 06. 2007, E 2007/7112, K 2007/8029 (Handeltreiben mit Betäubungsmittel und unerlaubter Anbau des Hanfs), in: Göktürk, Fikri I˙çtima, S. 149, Fn. 601, 602. 122 ˙ Içel/Özgenç/Sözüer/Mahmutog˘ lu/Ünver, Suç Teorisi, S. 427; I˙çel, Suçların ˙Içtimaı, S. 67; Göktürk, Fikri ˙Içtima, S. 157 ff. 123 ˙ Içel, ˙IHFD 1964, S. 171, 183; I˙çel/Özgenç/Sözüer/Mahmutog˘ lu/Ünver, Suç Teorisi, S. 427.
A. Idealkonkurrenz
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Element aller Straftaten. Aber die teilweise Identität kann nicht als Grund für die Annahme der Idealkonkurrenz vorgebracht werden. Göktürk betont weiter, dass zwar in solchen Fällen die Bestimmungen der Realkonkurrenz Anwendung finden müssten, aber die teilweise Identität der Ausführungshandlungen bei der Strafzumessung berücksichtigt werden müsse. Bei der Strafzumessung dürfe die Handlung, die bei der Begehung mehrerer Straftaten teilweise identisch sei, nicht mehrmals bewertet werden, sonst liege ein Verstoß gegen das Prinzip des Doppelverwertungsverbotes vor.124 (1) Die Überschneidung der Handlungen im Versuchsstadium Im Fall der völligen oder teilweisen Überschneidung der Ausführungshandlungen mehrerer Straftaten nur im Versuchsstadium wird eine Idealkonkurrenz nicht begründet, wenn sich die späteren Ausführungshandlungen nicht mindestens teilweise überschneiden. Wie im deutschen Recht befürwortet125, kann die Idealkonkurrenz angenommen werden, wenn die Handlungen im Versuchsstadium bleiben126 und sich die Versuchshandlungen mindestens teilweise überschneiden. Sonst wäre die Annahme der Idealkonkurrenz durch die Überschneidung der Handlungen im Versuchsstadium nur eine nicht unwesentliche Erweiterung des Instituts. Über Idealkonkurrenz durch die Handlungen im Versuchsstadium führt I˙çel127 aus, dass, wenn alle Straftaten im Versuchsstadium bleiben, die Straftaten im Verhältnis von Idealkonkurrenz stehen können. Wenn aber eine der Straftaten im Versuchsstadium bleibe und die andere begangen werde, könne man von Idealkonkurrenz nicht sprechen. Der Täter wollte z. B. den A durch einen Schuss töten und versehentlich ist der Schuss fehlgegangen und hat den B verletzt. Nach ˙Içel liegen in diesem Fall zwei Straftaten (fahrlässige Körperverletzung und versuchte Tötung) vor und diese stehen nicht im Verhältnis von Idealkonkurrenz. Dagegen hat der Kassationshof in einem Fall entschieden, dass zwischen einer Körperverletzung und einer versuchten Tötung Idealkonkurrenz bestehe. Dieser Entscheidung ist deswegen zuzustimmen, da in diesem Fall eine Handlung mehrere Stafgesetze verletzt und alle Voraussetzungen des Art. 44 TCK erfüllt sind.128
Göktürk, Fikri I˙çtima, S. 157 ff.: Damit hat Göktürk gemeint, dass die teilweise Identität der Ausführungshandlungen bei der Strafzumessung als strafmildernd berücksichtigt werden müsse; auf diese Weise sei es zu vermeiden, die Handlungen, die beim Schuldgehalt aller Straftaten mitwirken würden, bei der Bestrafung mehrmals zu bewerten. 125 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 92; Miehe, GA 1967, 270, 278; LK-Rissing-van Saan, § 52 Rn. 22. 126 Vgl. ˙Içel/Özgenç/Sözüer/Mahmutog˘ lu/Ünver, Suç Teorisi, S. 429. 127 ˙ Içel/Özgenç/Sözüer/Mahmutog˘ lu/Ünver, Suç Teorisi, S. 429. 128 Y. 2. CD, 18. 04. 2007, E. 200/1063, K. 2007/5590: In einem Fall, in dem der Täter mit einem Messer auf den O losgeht und er den dazwischentretenden A an der Hand verletzt hat, ist die getrennte Bestrafung wegen der Körperverletzung und der versuchten Körperverletzung nicht akzeptabel. Die erstinstanzliche Entscheidung soll aufgehoben werden, weil der Täter 124
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(2) Idealkonkurrenz bei Dauerdelikten (a) Idealkonkurrenz zwischen Zustands- und Dauerdelikten Damit von einer Idealkonkurrenz zwischen den Zustands- und Dauerdelikten gesprochen werden kann, müssen sich die Ausführungshandlungen mindestens teilweise überschneiden. Das heißt, es ist nicht möglich, die Idealkonkurrenz mit anderen Kriterien zu begründen. Wenn z. B. der Fahrer während der Fahrt unter Alkohol- oder Betäubungsmitteleinfluss den Straßenverkehr gefährdet und einen Unfall verursacht, bei dem ein Passant verletzt wird oder stirbt, begeht der Fahrer ein Zustandsdelikt – vorsätzliche (TCK Art. 86) oder fahrlässige (TCK Art. 89) Körperverletzung oder Totschlag (TCK Art. 81) – während eines Dauerdelikts (Gefährdung des Straßenverkehrs [TCK Art. 179 Abs. 3]).129 Obwohl sich die Ausführungshandlungen beider Delikte nicht von Anfang an überschneiden, bilden sie eine identische Ausführungshandlung zum Zeitpunkt der Unfallverursachung. Die Entscheidungen des Kassationshofs folgen dieser Auffassung. In einem Fall hat der Täter während der Fahrt den Straßenverkehr gefährdet und dabei jemanden fahrlässig verletzt. Die erste Instanz hat in diesem Fall den Täter neben fährlässiger Körperverletzung (TCK Art. 89 Abs. 2) zusätzlich wegen Gefährdung des Straßenverkehrs (TCK Art. 179 Abs. 2) bestraft. Der Neunte Strafsenat des Kassationshofs hat das falsche Urteil der ersten Instanz aufgehoben, da der Täter gemäß Art. 44 des TCK wegen der schwersten Strafe bestraft werden musste.130 Diese Entscheidung ist deswegen zutreffend, weil sich in diesem Fall die Ausführungshandlungen überschneiden. Gegen diese Auffassung wird in der Lehre angenommen, dass der Täter in diesem Fall zwei Straftaten nicht durch eine Handlung begehe und der Täter wegen beider Delikte bestraft werden müsse.131 Die zur Aufrechterhaltung der Dauerdelikte begangenen Handlungen können gleichzeitig ein Zustandsdelikt verwirklichen. In solchen Fällen muss untersucht werden, ob die Ausführungshandlungen (teil-)identisch sind. Wenn jemand die Freiheit eines anderen entzieht oder in die Wohnung eines anderen widerrechtlich nach Art. 44 TCK wegen der Straftat, die mit der höchsten Strafe bedroht ist, bestraft werden muss, in: Demirbas¸, Ceza Hukuku, S. 500. 129 Polat, Trafik Güvenlig˘ ini Kasten Tehlikeye Sokmak, S. 120 ff.; Koca, CHD 2007, S. 197, 209. 130 Y. 9. CD, 13. 11. 2007, 9982/8317, in: Polat, Trafik Güvenlig˘ ini Kasten Tehlikeye Sokmak S. 124; vgl. Y. 9. CD, 3. 7. 2006, E. 2006/2746, K. 2006/3881; Y. 9. CD, 26. 11. 2007, 4493/8619, in: Artuk/Gökçen/Yenidünya, Türk Ceza Kanunu S¸erhi, S. 1083: Die Strafe des Täters muss nach dem Artikel der fahrlässigen Tötung, der die schwerste Strafe androht, bestimmt werden. 131 S¸en, Yeni Türk Ceza Kanunu Yorumu, Art. 44, S. 142 f.; Göktürk, Fikri ˙Içtima, S. 205; nach einer anderen Ansicht in der Lehre findet die Idealkonkurrenz in solchen Fällen keine Anwendung; hier liege ein Fall der Gesetzeskonkurrenz (Subsidiarität) vor. Göktürk folgt hier der Auffassung, dass zwischen Gefährdungs- und Verletzungsdelikten die Idealkonkurrenz nicht angenommen wird, es sei denn, dass die Straftaten verschiedene rechtliche Interessen schützen. Göktürk, Fikri ˙Içtima, S. 214 ff.
A. Idealkonkurrenz
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eindringt, begeht er eine Freiheitsberaubung oder einen Hausfriedensbruch. Während dieser Dauerstraftaten begangene Zustandsdelikte, die der Aufrechterhaltung des Dauerdelikts dienen, können mit dem Dauerdelikt in Tateinheit stehen. In diesem Zusammenhang steht die Körperverletzung des Wohnungseigentümers mit dem Hausfriedensbruch in Idealkonkurrenz, wenn die Verletzungshandlung der Aufrechterhaltung dient.132 Aber daneben muss die Frage gestellt werden, ob jede Aufrechterhaltungshandlung die Identität begründen kann und auf diese Weise Idealkonkurrenz bejaht wird (z. B. die schwere Verletzung des Opfers zur Aufrechterhaltung der Freiheitsberaubung oder des Hausfriedensbruchs). Diese Frage muss verneint werden. Andernfalls wäre es eine Erweiterung des Instituts. Hier fehlt die (Teil-)Identität der Ausführungshandlungen, da die bestimmte Maße überschreitenden Handlungen nicht als Aufrechterhaltungshandlung bewertet werden können. Deswegen muss man die Idealkonkurrenz ablehnen. Der Gesetzgeber hat entsprechend dieser Erklärungen im besonderen Teil des TCK einige Bestimmungen erlassen. Nach Art. 109 Abs. 6 des TCK muss der Täter auch wegen der vorsätzlichen Körperverletzung gesondert bestraft werden, wenn eine schwere Körperverletzung zur Begehung oder während der Begehung der Freiheitsberaubung begangen wird.133 Eine ähnliche Regelung enthält Art. 119 Abs. 2 des TCK in Bezug auf den Hausfriedensbruch. Danach muss der Täter auch wegen der vorsätzlichen Körperverletzung gesondert bestraft werden, wenn der Täter während der Begehung der Freiheitsberaubung eine schwere Körperverletzung verursacht. Mit diesen Regelungen weist der Gesetzgeber darauf hin, dass bei der Begehung einer schweren Körperverletzung die Bestimmungen der Realkonkurrenz Anwendung finden müssen. Aber wenn eine einfache Körperverletzung verursacht wird, finden allgemeine Regelungen, also die Idealkonkurrenz, Anwendung. Wegen des Unrechtsgehalts der schweren Körperverletzung hat der Gesetzgeber wegen dieser Straftat eine gesonderte Bestrafung normiert. Aber wenn der Gesetzgeber diesen Absatz nicht geregelt hätte, könnte man auch durch die Anwendung des Instituts der Identität zum selben Ergebnis kommen. Das Dauerdelikt steht mit dem Zustandsdelikt nicht in Idealkonkurrenz, wenn das Zustandsdelikt bei der Gelegenheit des Dauerdelikts verwirklicht wird. Die oben genannten Handlungen, die den Aufrechterhaltungszweck überholen, können in diesem Sinn bewertet werden. Ebenso kann die Idealkonkurrenz nicht begründet werden, wenn das Dauerdelikt der Begehung des Zustandsdelikts dient. Dieser Grundsatz gilt auch im umgekehrten Fall, wo das Zustandsdelikt der Verwirklichung des Dauerdelikts dient. Der Ablehnungsgrund ist hier nur die bloße Zweck-MittelBeziehung. Die (Teil-)Identität der Ausführungshandlungen ist für die Annahme der Idealkonkurrenz ausreichend, auch wenn zwischen den Straftaten eine Zweck-
132 133
Vgl. Koca, CHD 2007, S. 197, 212. Anders als im deutschen Strafrecht § 239 Abs. 3 S. 2.
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2. Teil: Geregelte Erscheinungsformen im deutschen und türkischen Strafrecht
Mittel-Beziehung vorliegt. In der Lehre134 findet die Anwendung der Idealkonkurrenz zwischen den Dauer- und Zustandsdelikten, insbesondere bei der Freiheitsberaubung und dem Hausfriedensbruch, nur ein geringes Maß an Zustimmung. Es liege eine Idealkonkurrenz zwischen Freiheitsberaubung und sexuellem Angriff nur dann vor, wenn die Freiheit des Opfers nur während des sexuellen Angriffs geraubt werde. Hier wird die Freiheitsberaubung zur Erzwingung der sexuellen Handlungen ausgenutzt und geht über das für die sexuelle Nötigung Erforderliche nicht hinaus. Um das Opfer zu vergewaltigen oder sexuell anzugreifen, muss die Straftat der Freiheitsberaubung begangen werden. Aber wenn der Täter über das Erforderliche hinausgeht, muss er wegen beider Straftaten im Rahmen der Realkonkurrenz bestraft werden. Danach muss der Täter nicht nur wegen des sexuellen Angriffs, sondern auch wegen der Freiheitsberaubung bestraft werden, wenn die Freiheitsberaubung vor oder nach dem sexuellen Angriff fortdauert.135 In der Lehre wurde nicht diskutiert, ob hier ein Fall der Gesetzeskonkurrenz (Subsidiarität) vorliegen kann. Das Ausnutzen der Freiheitsberaubung zur Erzwingung sexueller Nötigung stellt eine Gewaltanwendung i. S. der Art. 102, 103 des TCK dar. Hier liegt ein Fall der Gesetzeskonkurrenz vor und deswegen kommt die ungleichartige Idealkonkurrenz nicht zur Anwendung. In der Zeit des alten Strafgesetzes hat sich der fünfte Senat des Kassationshofs bei einem ähnlichen Fall, in welchem der Täter eine Frau entführt und versucht hat, sie zu vergewaltigen, entschieden, dass die Straftat der Entführung nicht vorliegt.136 Der Annahme der Idealkonkurrenz der Straftaten zwischen Dauer- und Zustandsdelikten ist zuzustimmen, wenn der für das Zustandsdelikt erforderliche Zeitabschnitt nicht überschritten wird. Wenn jemand durch Gewalt widerrechtlich in eine Wohnung eindringt und gleich mit dem sexuellen Angriff beginnt, begeht er drei Straftaten (TCK Art. 116 Abs. 4 Hausfriedensbruch, Art. 102 sexueller Angriff, Art. 109 Freiheitberaubung). Hier steht der Hausfriedensbruch mit dem sexuellen Angriff im Verhältnis der Idealkonkurrenz137, da die Gewaltanwendung für alle Straftaten einen gemeinsamen Punkt bildet. Aber wenn der Hausfriedensbruch oder die Freiheitsberaubung den für das Zustandsdelikt erforderlichen Zeitabschnitt (vor oder nach dem Zustandsdelikt) überschreitet, liegt Idealkonkurrenz nicht vor.
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Tezcan/Erdem/Önok, Teorik ve Pratik Ceza Özel Hukuku, S. 401; Üzülmez, GÜHFD 2007, S. 1183, 1208. 135 Tezcan/Erdem/Önok, Teorik ve Pratik Ceza Özel Hukuku, S. 309, 401; Üzülmez, GÜHFD 2007, S. 1183, 1207; C¸akmut, MÜHD-HAD 2013, S. 587, 599; Artuk/Gökçen/Yenidünya, Ceza Hukuku Özel Hükümler, S. 225. 136 Y. 5. CD, 2. 11. 1983, 3028/3567; laut Koca/Üzülmez ist die Entscheidung des Senats richtig, aber die Begründung ist falsch, da auch die Straftat der Entführung begangen wurde, aber mit der Anwendung der Idealkonkurrenz wird der Täter wegen der Entführung nicht bestraft. Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 496, Fn. 1736. 137 Hier stehen der sexuelle Angriff und die Freiheitsberaubung im Verhältnis einer Gesetzeskonkurrenz.
A. Idealkonkurrenz
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Der Kassationshof hat ebenfalls gegen eine Annahme der Idealkonkurrenz, mit der Begründung der Zweck-Mittel-Beziehung, entschieden.138 Bei der Entführung des Opfers zur Vergewaltigung oder beim Hausfriedensbruch zur Begehung des Ehebruchs wird der Täter sowohl wegen der Zweckstraftat als auch wegen der als Mittel dienenden Straftat gesondert bestraft, da in diesem Fall die Taten in den verschiedenen Normen als Straftat vorgeschrieben sind und die Bestimmungen der Gesetzeskonkurrenz nicht angewendet werden.139 In Hinblick auf die Dauerstraftaten, insbesondere bei dem Hausfriedensbruch und der Freiheitsberaubung, wird sowohl in der Lehre als auch in der Rechtsprechung die Identität der Handlungen gar nicht berücksichtigt und untersucht. Wenn jemand während der Begehung dieser Straftaten eine andere Straftat begeht, muss er nach beiden Gesetzen bestraft werden, ohne dass die Identität berücksichtigt wird. Die Freiheitsberaubung und eine während dieser Straftat verwirklichte Vergewaltigung stehen nicht im Verhältnis der Idealkonkurrenz. Der Kassationshof untersucht erst, ob die Tatbestände der Freiheitsberaubung erfüllt wurden, und, wenn beide Straftaten verwirklicht wurden, muss der Täter nach den Bestimmungen der Realkonkurrenz bestraft werden. In diesem Zusammenhang ist es nicht wichtig, ob die Freiheit des Opfers nur während des sexuellen Angriffs oder der Vergewaltigung geraubt wird oder ob der Tatbestand der Freiheitsberaubung als subsidiär hinter der Vergewaltigung oder sexuellen Nötigung zurücktritt.140 Auf den Hausfriedensbruch, den sexuellen Angriff und die Freiheitsberaubung hat der Kassationshof die Bestimmungen der Realkonkurrenz angewendet.141 In der Lehre wird von Göktürk142 vertreten, dass die gleichzeitig begangenen Zustands- und Dauerdelikte nicht im Verhältnis der Idealkonkurrenz stehen können,
Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 497; Göktürk, Fikri I˙çtima, S. 147 ff.; Koca, CHD 2007, S. 197, 208. 139 YCGK, 12. 3. 1984, E 1983/1 – 176, K 1984/87; vgl. für die Entscheidungen gegen die Annahme der Idealkonkurrenz in den Fällen, in denen mit dem Dauerdelikt gleichzeitig andere Straftaten begangen wurden (besonders beim Mitführen einer Waffe und bei mit dieser Waffe verwirklichten Delikten): 1. CD, 11. 06. 2008, E 2008/1421, K 2008/4929; 1. CD, 01. 12. 2008, E 2008/3135, K 2008/7671, in: Göktürk, Fikri I˙çtima, S. 148 ff. 140 In einem Fall der sexuellen Nötigung hat der Täter das Opfer auf der Straße festgenommen und es an einen Platz in der Nähe mitgenommen und versucht, es dort zu vergewaltigen. Nach dem fünften Strafsenat hatte das Opfer keine Möglichkeit, seinen Platz zu ändern, da es daran gehindert wurde. Deswegen sind die Tatbestände der Freiheitsberaubung (und der versuchten Vergewaltigung) erfüllt. Der Täter wurde aufgrund beider Straftaten bestraft; die Bestimmungen der Idealkonkurrenz fanden keine Anwendung. Y. 5. CD, 05. 07. 2010, E. 2010/203, K 2010/5929; vgl. YCGK, 05. 02. 2013, E 2012/14 – 1409, K 2013/37; Y. 5. CD, 25. 11. 2009, E 2009/11331, K 2009/13303. 141 Y. 5. CD, 20. 12. 2010, E 2010/8586, K 2010/9844; YCGK, 16. 04. 2013, E 2013/14 – 49, K 2013/146. 142 Göktürk, Fikri I˙çtima, S. 200 ff., 205: Mit der Identität hat Göktürk die volle Identität der Ausführungshandlungen gemeint, da nach seiner Auffassung die teilweise Identität der Ausführungshandlungen zur Begründung der Idealkonkurrenz nicht ausreichend ist und die volle 138
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2. Teil: Geregelte Erscheinungsformen im deutschen und türkischen Strafrecht
sogar wenn die Ausführungshandlungen teilidentisch sind. Für die Annahme der Idealkonkurrenz ist die gleichzeitige Begehung der Straftaten oder die ZweckMittel-Relation zwischen diesen Straftaten nicht entscheidend. Ebenso wenig sind auch die zur Aufrechterhaltung des Dauerdelikts gemachten Handlungen für die Begründung der Idealkonkurrenz ausschlaggebend. Sofern der Täter eines Hausfriedensbruchs zur Beseitigung des Widerstands dem Opfer einen Faustschlag versetzt, begeht er zwei Straftaten und muss nach den Bestimmungen der Realkonkurrenz bestraft werden. Nach Göktürks Auffassung können die Zustandsdelikte als Ausführungshandlungen des Dauerdelikts in Erscheinung treten. Folter sei in diesem Sinn ein Dauerdelikt, mit dem die mit der Menschenwürde nicht zu vereinbarende und den Menschen psychisch und physisch quälende, demütigende Handlung bestraft werden sollte. Durch diese Handlungen begehe der folternde Täter gleichzeitig auch andere Straftaten (Körperverletzung, sexuelle Nötigung und Drohung). Aber in dieser Konstellation (oder dem Zusammentreffen) der Straftaten komme nicht die Idealkonkurrenz zur Anwendung, sondern es liege ein Fall der Gesetzeskonkurrenz, also Konsumtion vor.143 (b) Idealkonkurrenz zwischen mehreren Dauerdelikten Idealkonkurrenz zwischen mehreren Dauerdelikten wird angenommen, wenn sich die Ausführungshandlungen mehrerer Dauerdelikte mindestens teilweise decken.144 Die bloße Gleichzeitigkeit der Dauerdelikte ist nicht ausreichend für die Annahme der Idealkonkurrenz. In den Fällen des Mitführens einer Waffe während einer Alkoholfahrt oder dem Transport der Betäubungsmittel ohne Führerschein überschneiden sich die Ausführungshandlungen nicht; hier geht es nur um parallel laufende Handlungen im selben Zeitabschnitt. Danach liegt Idealkonkurrenz vor und die Ausführungshandlungen der zwei Straftaten überschneiden sich, wenn z. B. der Täter während des Hausfriedensbruchs oder während der Alkoholfahrt eine Freiheitsberaubung begeht. Der Kassationshof145 hat aber die Idealkonkurrenz zwischen Identität unerlässlich ist. Die teilweise Identität müsse nur bei der Straffestsetzung berücksichtigt werden; vgl. I˙çel/Özgenç/Sözüer/Mahmutog˘ lu/Ünver, Suç Teorisi, S. 427. 143 Göktürk, Fikri I˙çtima, S. 205. 144 Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 505; vgl. I˙çel, Suçların ˙Içtimaı, S. 67; vgl. Artuk/ Gökçen/Yenidünya, Ceza Hukuku, S. 659, Fn. 442; Tezcan/Erdem/Önok, Teorik ve Pratik Ceza Özel Hukuku, S. 401; dagegen vertritt Göktürk in der Lehre eine andere Ansicht. Nach seiner Ansicht kann die Idealkonkurrenz zwischen den gleichartigen Dauerdelikten angenommen werden. Wenn z. B. jemand durch eine Handlung mehrere Personen einsperre, liege die gleichartige Idealkonkurrenz vor. Dagegen dürfe man jedoch zwischen den verschiedenartigen Dauerdelikten Idealkonkurrenz nicht akzeptieren. Wenn der Täter ohne Führerschein mit dem Auto fahre und ein Opfer durch diese Fahrt seiner Freiheit beraube, begehe er zwei Straftaten, die in Realkonkurrenz bestraft werden sollten. Ebenso fänden die Regelungen der Realkonkurrenz Anwendung, wenn während einer Alkoholfahrt eine Waffe ohne Waffenschein mitgeführt werde. Göktürk, Fikri I˙çtima, S. 206. 145 YCGK, 16. 04. 2013, E 2013/14 – 49, K 2010/1114: In dieser Entscheidung hat der Kassationshof die Aburteilung wegen des Hausfriedensbruchs aufgehoben, da wegen dieser Straftat keine Anklage erhoben wurde; vgl. 5. CD, 20. 12. 2010, E. 2010/8586, K 2010/9844.
A. Idealkonkurrenz
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Freiheitsberaubung und Hausfriedensbruch nicht angenommen und zwischen Hausfriedensbruch, sexuellem Angriff, der während des Hausfriedensbruchs begangen wird, und der Freiheitsberaubung (während des sexuellen Angriffs begangen) die Bestimmungen der Realkonkurrenz angewendet. Ebenso liege keine Idealkonkurrenz der gleichartigen Dauerdelikte nach den Entscheidungen des Kassationshofs vor, auch wenn die Freiheitsberaubung durch eine Handlung gegen mehrere Personen begangen werde.146 Mit diesen Entscheidungen hat der Kassationshof den Anwendungsbereich der Realkonkurrenz nicht unwesentlich erweitert, ohne die teilweise oder völlige Überschneidung der Ausführungshandlungen zu untersuchen. Insbesondere bei der Freiheitsberaubung durch eine Handlung gegen mehrere Menschen ist der Kassationshof unzutreffend nicht von der Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten ausgegangen, obwohl die Straftat der Freiheitsberaubung in Art. 43 Abs. 3 nicht als eine Ausnahme für die Anwendung des Artikels 43 Abs. 1 und Abs. 2 aufgezählt wird. Außerdem ist es hervorzuheben, dass in diesem Fall durch eine Handlung dasselbe Strafgesetz bzw. Freiheitsberaubung mehrmals begangen wurde, und es handelt sich hier um die völlige Identität der Ausführungshandlungen. c) Verletzung mehrerer Strafgesetze Die zweite Voraussetzung der Idealkonkurrenz ist die Verletzung verschiedener Gesetze oder die mehrmalige Verletzung eines Gesetzes. Im ersten Fall geht es um die Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten, im zweiten Fall liegt die Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten vor. Hier wird sprachlich die Überschrift „Idealkonkurrenz der gleichartigen und ungleichartigen Straftaten“ gegenüber „gleichartige und ungleichartige Idealkonkurrenz“ bevorzugt, weil hier der Ausgangspunkt nicht „(Un-)Gleichartigkeit der Idealkonkurrenz“, sondern „die Gleichartigkeit oder Ungleichartigkeit der Gesetze“ ist.147 aa) Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten (Farklı Neviden Suçların Fikri ˙Içtimaı) Die ungleichartige Idealkonkurrenz wurde in Art. 44 des TCK unter der Überschrift Idealkonkurrenz geregelt. Gemäß diesem Artikel wird, wer durch eine Tat verschiedenartige Straftaten begeht, nach dem Gesetz bestraft, das die schwerste Strafe androht. Bei diesem Zusammentreffen der Straftaten muss die Tat verschiedenartige Strafgesetze verletzen. In Art. 43 Abs. 1 S. 3 wird geregelt, was unter dem 146
Y. 4. CD, 06. 03. 2007, 270/2211; vgl. Y. 5. CD, 15. 08. 2006, 6484/6738, in: Artuk/ Gökçen/Yenidünya, Türk Ceza Kanunu S¸erhi, S. 1053. 147 Der türkische Kassationshof hat auch in seinen Entscheidungen den Begriff „gleichartige Idealkonkurrenz“ für den Art. 43 Abs. 2 des TCK und den Begriff „ungleichartige Idealkonkurrenz“ für den Art. 44 verwendet. YCGK, 08. 07. 2008, E 2008/1 – 99, K 2008/185, in: Göktürk, Fikri ˙Içtima, S. 160, Fn. 644.
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2. Teil: Geregelte Erscheinungsformen im deutschen und türkischen Strafrecht
Begriff der verschiedenartigen Straftat verstanden werden muss. Der Gesetzgeber hat in diesem Artikel erklärt, was dieselbe Straftat ist. Ein Grundtatbestand und seine qualifizierten oder privilegierten Formen gelten als dieselbe Straftat.148 Die Straftaten, die außerhalb dieses Artikels bleiben, sind als verschiedenartige Straftat zu bewerten. Bei der Begehung der verschiedenen Formen der Straftaten, die als dieselbe Straftat gelten, kommen die Bestimmungen der Idealkonkurrenz nicht zur Anwendung. Die Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten gilt für alle Straftaten, die im gleichen Gesetz oder in den verschiedenen Gesetzen geregelt werden.149 Manchmal kann eine Bestimmung verschiedene Straftaten beinhalten; in diesem Fall kann die Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten vorliegen, wenn der Täter durch eine begangene Tat eine der in diesem Artikel geregelten Straftaten begeht.150 Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten liegt z. B. vor, wenn der Täter durch eine Brandstiftung jemanden verletzt oder tötet. Auf diese Weise begeht der Täter zwei ungleichartige Straftaten (TCK Art. 170 (vorsätzliche Gefährdung der allgemeinen Sicherheit), TCK Art. 81 (vorsätzliche Tötung) oder Art. 86 (vorsätzliche Körperverletzung)) im Verhältnis der Idealkonkurrenz. Nach einer Entscheidung des Kassationshofs steht die Freilassung eines Tiers in gefährdender Weise mit der Verletzung des Opfers in einem Fall in Tateinheit gemäß Art. 44 des TCK, in welchem der Tierhalter es unterlässt, das Tier wieder zu befestigen und auf diese Weise die Verletzung des Opfers nicht zu beseitigen.151 bb) Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten (Aynı Neviden Suçların Fikri ˙Içtimaı) Diese im alten Strafgesetzbuch nicht geregelte Form der Idealkonkurrenz wurde im neuen Strafgesetzbuch unter der Überschrift „Fortsetzungstat“ in Art. 43 Abs. 2 geregelt. Zutreffend wurde die Regelung dieses Rechtsinstituts unter der Fortsetzungstat in der Lehre152 deswegen kritisiert, weil die Regelung zwei verschiedenartiger Institute im gleichen Artikel sowohl gegen die Gesetzestechnik verstößt als auch unsinnig ist. Die Gemeinsamkeit der Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten und der Fortsetzungstat ist nur bei der Straffestsetzung gegeben. Der Gesetzgeber hat auch auf diesen Punkt hingewiesen, und die Regelung der Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten damit begründet.153 Tatsächlich ist die 148
Übersetzung von Tellenbach, S. 35. Koca, CHD 2007, S. 197, 214; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 497; vgl. ˙Içel, Suçların I˙çtimaı, S. 75 ff. Artuk/Gökçen/Yenidünya, Ceza Hukuku, S. 661; Özbek, ˙Izmir S¸erhi, S. 736. 150 ˙ Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 75. 151 Y. 8. CD, E 2011/12803, K 2011/16532, 19. 12. 2011; vgl. Y. 8. CD, E 2010/3320, K 2012/12317, 12. 04. 2012, in: UYAP. 152 Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 497. 153 Der Gesetzgeber ist auch eigentlich der Meinung, dass es hier um die Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten gehe. Bei einem Änderungsprozess des Art. 125 (Beleidigung) hat 149
A. Idealkonkurrenz
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Straffestsetzung der einzige gemeinsame Punkt zwischen Art. 43 Abs. 1 und Abs. 2. Bei der Fortsetzungstat (TCK Art. 43 Abs. 1) müssen mehrere Taten vorliegen und jede Tat muss dasselbe Gesetz verletzen. Daneben muss die Straftat in verschiedenen Zeiten gegen dasselbe Opfer begangen werden. Aber bei der Idealkonkurrenz (TCK Art. 43 Abs. 2) der gleichartigen Straftaten muss ein und dieselbe Straftat in der derselben Zeit durch eine Tat gegen verschiedene Opfer begangen werden.154 Die Beleidigung mehrerer Menschen durch einen Satz oder die Freiheitsberaubung mehrerer Menschen durch Schließen der Tür, der Betrug mehrerer Personen durch eine Betrugshandlung können als Beispiele für die Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten genannt werden. Die gleichartige Idealkonkurrenz liegt also in den Fällen vor, in welchen der Täter durch eine Handlung dasselbe Strafgesetz mehrmals verletzt. Der Gesetzgeber hat aber durch Art. 43 Abs. 3 für manche Delikte die Anwendung der Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten begrenzt. Darüber hinaus hat der Kassationshof bei der Freiheitsberaubung mehrerer Menschen durch eine Handlung die Idealkonkurrenz nicht angenommen und er geht davon aus, dass der Artikel der Freiheitsberaubung nach der Anzahl der Betroffenen Anwendung findet. Die Anzahl der Betroffenen müsse berücksichtigt werden und Realkonkurrenz angewendet werden.155 In der Lehre156 wird in diesem Fall hingegen die Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten angenommen. Ein Teil der Lehre157 ist der Ansicht, dass bei der mehrmaligen Verletzung desselben Gesetzes Idealkonkurrenz nicht in Betracht komme. Nach dieser Lehre kann eine Handlung eigentlich ein und dasselbe Gesetz nicht mehrmals verletzen; wenn die Justizkommission den Begriff „Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten“ verwendet. Art. 125 Abs. 5 wurde ein Satz hinzugefügt. Nach diesem Absatz muss der Täter nach der Vorschrift der Fortsetzungstat bestraft werden, wenn er die Amtsträger, die als Kollegialorgan arbeiten, beleidigt. Die Gesetzesbegründung lautet folgendermaßen: „In Art. 43 Abs. 2 des neuen Strafgesetzbuchs wurde die gleichartige Idealkonkurrenz geregelt. Bei der gleichartigen Idealkonkurrenz begeht der Täter dieselbe Straftat gegen mehr als eine Person. Das klassische Beispiel dafür ist die Beleidigung von mehr als einer Person durch eine Tat. Im Fall der gleichartigen Idealkonkurrenz liegt eine Straftat vor und über den Täter wird nur eine Strafe verhängt. Aber diese Strafe wird nach der Bestimmung der Fortsetzungstat erhöht.“ Abrufbar unter folgender URL: http://www.tbmm.gov.tr/sirasayi/donem22/yil01/ss901m.htm (Stand: 03. 11. 2015) 154 Koca, CHD 2007, S. 197, 215; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 498 f. 155 Y. 6. CD, 17. 04. 2007, E 2006/23122, K 2007/4864, in: UYAP; vgl. Y. 5. CD, 15. 08. 2006, 6484/6738, in: Artuk/Gökçen/Yenidünya, Türk Ceza Kanunu S¸erhi, S. 1053. 156 Tezcan/Erdem/Önok, Teorik ve Pratik Ceza Özel Hukuku, S. 401; Üzülmez, GÜHFD 2007, S. 1183, 1208. 157 ˙ Içel/Özgenç/Sözüer/Mahmutog˘ lu/Ünver, Suç Teorisi, S. 432; ˙Içel, ˙IHFD 1964, S. 171, 184; Hakeri, Ceza Hukuku, S. 603; Toroslu, Ceza Hukuku, S. 328; Hafızog˘ ulları/Özen, Türk Ceza Hukuku, S. 380: Laut Hafızog˘ ulları gibt es keine ungleichartige Idealkonkurrenz, weswegen es nicht denkbar ist, dass die gleichartige Idealkonkurrenz geregelt wird; die den Begriff der „Tat“ als Erfolg bewertende Lehre akzeptiert keine Idealkonkurrenz zwischen den ungleichartigen Straftaten. Als weiterer Ablehnungsgrund kann die Nichtregelung dieses Rechtsinstituts im alten Strafgesetzbuch genannt werden.
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2. Teil: Geregelte Erscheinungsformen im deutschen und türkischen Strafrecht
z. B. durch einen Schuss zwei Menschen getötet werden, wird gegen die Norm in Bezug auf den Totschlag zweimal verstoßen. Hier werde dasselbe Strafgesetz verletzt, aber die Handlungseinheit liege nicht vor, da die Veränderung in der Außenwelt (der Erfolg) mehr als eine sei. Diese Lehre hat entsprechend der Gesetzesfassung die Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten unter der Fortsetzungstat bewertet und eine Ausnahme für die Gleichheit des Opfers bei der Fortsetzungstat angesehen.158 Der Kassationshof hat bei der Anwendung des Art. 43 Abs. 2 meistens entsprechend der Überschrift des Artikels den Begriff „Fortsetzungstat“, manchmal den Begriff „gleichartige Idealkonkurrenz verwendet. Bei der Beleidigung von zwei Polizisten durch eine Handlung muss der Täter aufgrund des Artikels der Fortsetzungstat bestraft werden.159 Nach einer Entscheidung des Kassationshofs160 erfüllen die Handlungen des Täters die Voraussetzungen der gleichartigen Idealkonkurrenz; deswegen muss Art. 43 Abs. 2 angewendet werden. d) Das Nichtvorhandensein der Gesetzeskonkurrenz Wenn ein Fall der Gesetzeskonkurrenz (Subsidiarität, Konsumtion oder Spezialität) vorliegt, darf die Idealkonkurrenz nicht in Betracht gezogen werden. Deswegen ist in einem Sachverhalt erst zu prüfen, ob die Gesetzeskonkurrenz vorliegt. Das Vorliegen der Gesetzeskonkurrenz schließt die Idealkonkurrenz aus. e) Eine abweichende Ansicht: Subjektive Voraussetzung der Idealkonkurrenz Ein Teil der Lehre vertritt, dass, damit die Idealkonkurrenzregelung eingreifen könne, auch die Einheitlichkeit des Vorsatzes als eine weitere Voraussetzung gegeben sein müsse.161 Wolle der Täter durch eine Handlung mehrere Strafgesetze 158
Centel/Zafer/C¸akmut, Türk Ceza Hukukuna Giris¸, S. 489. Y. 4. CD, 06. 03. 2007, 260/2211; vgl. Y. 2. CD, 21. 01. 2008, E 2007/18611, K 2008/607; Y. 4. CD, 03. 12. 2008, 16155/21649, in: Artuk/Gökçen/Yenidünya, Türk Ceza Kanunu S¸erhi, S. 1037, 1047, 1050. 160 YCGK, 02. 03. 2010, E 2009/9 – 259, K 2010/47: In diesem Fall, über den der Kassationshof entschieden hat, hat der Täter gegen den Polizisten durch Drohung mit Gewalt Widerstand geleistet. Nach dieser Entscheidung verletzt der Täter den Art. 265 des TCK durch eine Handlung sechsmal, da Widerstand gegen sechs Polizisten geleistet wurde. Deswegen sind die Voraussetzungen der gleichartigen Idealkonkurrenz erfüllt. Aber manche Mitglieder des Strafsenats haben gegen die Annahme der gleichartigen Idealkonkurrenz gestimmt. Nach dieser Mindermeinung liegen die Voraussetzungen der gleichartigen Idealkonkurrenz nicht vor. Diese Straftat wurde als eine Straftat gegen die Vertrauenswürdigkeit und Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung geregelt und die Betroffenen sind nicht die Amtsträger (die Polizisten). Deswegen sei der Widerstand gegen sechs Polizisten kein Grund dafür, in diesem Fall Art. 43 Abs. 2 anzuwenden. 161 Artuk/Gökçen/Yenidünya, Ceza Hukuku, S. 657; Taner, Ceza Hukuku Umumi Kısım, S. 481; Gündel, Yeni Türk Ceza Kanunu, S. 1257; Yüce, Ceza Hukuku Dersleri, S. 378; vgl. 159
A. Idealkonkurrenz
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verletzen, lägen in diesem Fall nur eine Handlung, aber mehrere strafbare Gesetzesverletzungen vor; es müsse dementsprechend Realkonkurrenz angenommen werden, obwohl der Täter nur durch eine Handlung mehrere Gesetze verletzt habe. Daneben gelte, dass, wenn der Täter nur ein Gesetz verletzen wolle und als Folge seiner Handlung mehrere Strafgesetze verletzt würden, in diesem Fall nur ein Vorsatz und eine Handlung vorlägen, sodass Idealkonkurrenz gegeben sei. Fraglich ist aber, ob etwas, das im Gesetz ausdrücklich nicht vorgeschrieben wird, als eine unverzichtbare Voraussetzung angenommen und auf diese Weise der Anwendungsbereich der Idealkonkurrenz begrenzt werden darf. Es gibt eigentlich keine gesetzliche Regelung, die darauf hindeutet, dass die Vorsatzeinheit für die Idealkonkurrenz eine Voraussetzung ist. Beim Zusammentreffen der Straftaten hat der Gesetzgeber „einen einzigen Tatentschluss“ nur in Art. 43 Abs. 1 für die Fortsetzungstat als erforderlich vorgeschrieben. Die Anwendung dieser Voraussetzung auch bei der gleichartigen Idealkonkurrenz (weil diese Idealkonkurrenzart unter diesem Artikel geregelt ist) wäre ein Verstoß gegen das Gesetzlichkeitsprinzip, also gegen das Analogieverbot, da eine solche Annahme eine Straferweiterung zuungunsten des Täters mit sich bringt. Auch in Art. 44 des TCK hat der Gesetzgeber zur Anwendung der Idealkonkurrenz keinen Tatentschluss vorgeschrieben. Jedoch kann Art. 43 Abs. 3 gegen diese Annahme angeführt werden. Nach diesem Absatz finden die Vorschriften dieses Artikels (Abs. 1: Fortsetzungstat, Abs. 2: die sog. gleichartige Idealkonkurrenz) bei vorsätzlicher Tötung, vorsätzlicher Körperverletzung, Folter und Raub keine Anwendung. Wenn somit die Vorsatzeinheit vom Gesetzgeber als erforderlich hätte angesehen werden wollen, bedürfte es einer solchen Ausnahme für manche Delikte nicht, da die allgemeine Regelung auch diese Ausnahmedelikte umfasst hätte. 4. Idealkonkurrenz bei Unterlassungs- und Begehungsdelikten a) Idealkonkurrenz zwischen Unterlassungsdelikten Zwischen mehreren Unterlassungsdelikten kann Idealkonkurrenz bestehen, wenn sie durch eine Handlung (Unterlassung) begangen werden. Für die Feststellung der Idealkonkurrenz bei den Unterlassungsdelikten soll auch im türkischen Strafrecht die identische Formel wie im deutschen Recht benutzt werden162 ; erst ist die Unterlassungseinheit festzustellen. Für die Annahme der Unterlassungseinheit kommt es darauf an, ob die zustande gekommenen Unterlassungsdelikte durch eine Handlung hätten verhindert werden können. Indem die Mutter es unterlässt, ihre beiden Kinder zu retten, die im Begriff sind, zu ertrinken, erfüllt sie durch zwei Unterlassungen zwei Straftatbestände. Deswegen stehen die Unterlassungsdelikte in diesem Fall zueinÖzbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 527; ablehnend: ˙Içel/Özgenç/ Sözüer/Mahmutog˘ lu/Ünver, Suç Teorisi, S. 429. 162 Vgl. Göktürk, Fikri I˙çtima, S. 190 ff.
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ander nicht im Verhältnis der Idealkonkurrenz163, weil die Mutter zwei Rettungshilfen nacheinander unterlässt, die sie hätte erfüllen müssen. Die Lehre, die unter dem Begriff der Tat den Erfolg versteht, lehnt auch in diesem Fall die Annahme der Idealkonkurrenz ab, da es sich um mehr als einen Erfolg handele.164 b) Idealkonkurrenz zwischen Begehungsund Unterlassungsdelikten Die Frage, ob die Begehungs- und Unterlassungsdelikte zueinander im Verhältnis der Idealkonkurrenz stehen können, wird in der Lehre verneint, da eine Tat nicht gleichzeitig sowohl in der Form eines Tuns als auch eines Unterlassens begangen werden könne. Auch die Koinzidenz der Verhaltensformen stelle keinen Grund dafür dar, zwischen diesen Delikten Idealkonkurrenz anzunehmen.165 Göktürk166 stellt heraus, dass die Idealkonkurrenz auch dann nicht vorliege, wenn das Begehungsdelikt der Aufrechterhaltung des Unterlassungsdauerdelikts diene. In diesem Fall müsse die Realkonkurrenz Anwendung finden, weil hier zwei Taten (ein Tun und ein Unterlassen) und somit zwei Straftaten vorlägen, wenn z. B. der Täter zur Aufrechterhaltung des Hausfriedensbruchs dem Opfer einen Faustschlag versetze. Außerdem führt Göktürk an, dass die Begehungsdelikte mit den Unterlassungsdelikten nicht in Idealkonkurrenz stehen könnten, sondern in solchen Fälle die Subsidiarität vorliege. Nach dieser Ansicht muss im Arztbeispiel167 die Subsidiarität Anwendung finden. Das Unterlassen müsse hinter dem Tun zurücktreten, da der Unrechtsgehalt des Tuns schwerer als der des Unterlassens wiege. Als weiteres Beispiel für die Ablehnung der Idealkonkurrenz zwischen Begehungs- und Unterlassungsdelikten kann hier der Fall genannt werden, in denen die Mutter ihr Kind verlässt. Durch das Verlassen hat die Mutter zwei Straftaten begangen. Das Verlassen des Kindes (TCK Art. 97 Abs. 1), das wegen seines Alter nicht für sich selbst aufkommen kann, und die Vernachlässigung der familienrechtlichen Pflichten (TCK Art. 233 Abs. 1). Um die Mutter gemäß Art. 233 Abs. 1 zu bestrafen, darf der Tatbestand des Art. 97 Abs. 1, also das Verlassen, nicht erfüllt sein.168 Sonst muss die Mutter wegen des Verlassens 163 Dieser Fall wurde nur als Beispiel genannt. Im türkischen Strafrecht sieht Art. 43 Abs. 3 für die Tötung mehrerer Personen eine Ausnahme zur Anwendung der Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten vor. Deswegen finden die Regelungen der Realkonkurrenz in diesem Fall Anwendung. 164 Özen, Suçların I˙çtimaı, S. 346; I˙çel/Özgenç/Sözüer/Mahmutog˘ lu/Ünver, Suç Teorisi, S. 429. 165 Koca, CHD 2007, S. 197, 213; ˙Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 70; Göktürk, Fikri I˙çtima, S. 199; vgl. Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 348. 166 Göktürk, Fikri ˙Içtima, S. 200. 167 Der Arzt vollzieht einen medizinisch indizierten Körpereingriff als Folge einer fahrlässigen Verwechslung statt bei dem die Nothilfe benötigenden Patienten bei einem Gesunden; er begeht zwei Delikte. 168 TCK Kanun Gerekçesi, S. 260: Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung besonders ausgedrückt, dass die Bestrafung wegen Art. 233 von der Nichterfüllung der Tatbe-
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bestraft werden, da Art. 233 hinter Art. 97 zurücktritt. Der Gesetzgeber habe auch mit diesen Regelungen darauf hingewiesen, dass zwischen solchen Begehungs- und Unterlassungsdelikten nicht die Idealkonkurrenz, sondern die Subsidiarität bestehe. Die Annahme und Verallgemeinerung, dass alle Begehungs- und Unterlassungsdelikte nicht im Verhältnis einer Idealkonkurrenz ständen, ist jedoch nicht überzeugend. Denn hier ist nicht umstritten, ob in diesem Beispiel (zwischen TCK Art. 233 Abs. 1 und TCK 97 Abs. 1) Idealkonkurrenz oder Gesetzeskonkurrenz vorliegt. Eine Voraussetzung für die Annahme der Idealkonkurrenz ist das Nichtvorhandensein eines Falles der Gesetzeskonkurrenz. Weder das Vorliegen der Subsidiarität in diesem Fall noch ein Rückgriff auf die Gesetzesbegründung können hier als Ablehnungsgrund für die Idealkonkurrenz zwischen Begehungs- und Unterlassungsdelikten verwendet werden. Die Feststellung, dass Begehungs- und Unterlassungsdelikt in diesem Fall nicht im Verhältnis der Idealkonkurrenz stehen, kann also nicht für alle Begehungs- und Unterlassungsdelikte verallgemeinert werden. Außerdem ist auszuführen, dass bei dem Arztbeispiel der Grundsatz für die Feststellung der Handlungseinheit bei den Unterlassungsdelikten Verwendung finden sollte. Liegt nach diesem Prinzip Handlungseinheit (Verhaltenseinheit) vor, sollte Idealkonkurrenz angenommen werden. Wenn somit der Arzt imstande wäre, nur durch eine Handlung alle Erfolge (oder die Begehung aller Straftaten) zu verhindern, dann läge Verhaltenseinheit und somit Idealkonkurrenz vor; deswegen handelt es sich in diesem Fall um die Idealkonkurrenz zwischen Begehungs- und Unterlassungsdelikt. 5. Idealkonkurrenz bei Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikten Die Idealkonkurrenz besteht sowohl zwischen den vorsätzlichen als auch zwischen den fahrlässigen Delikten, solange im Gesetz keine Ausnahme geregelt ist. In diesem Sinn bildet Art. 43 Abs. 3 TCK eine Ausnahme für einige Vorsatzdelikte und Art. 85 Abs. 2 TCK für die fahrlässige Tötung. Nach Art. 85 Abs. 2 TCK wird der Täter mit mindestens zwei bis zu fünfzehn Jahren Gefängnis bestraft, wenn die (fahrlässige) Tat den Tod von mehr als einem Menschen oder den Tod von einem oder mehr als einem Menschen und dazu die Verletzung von einem oder mehr als einem Menschen verursacht. Özen169 vertritt die Meinung, dass, wenn man diesen Artikel genau lese, man zum Ergebnis komme, dass der Gesetzgeber bei den fahrlässigen Delikten die Idealkonkurrenz nicht annehme, weil der Täter gemäß Art. 44 TCK nach dem die schwerste Strafe androhenden Gesetz bestraft werde. Aber in Art. 85 Abs. 2 TCK wird anstatt der Anwendung von Art. 44 TCK ausdrücklich ein bestimmter Strafrahmen vorgeschrieben. Dieser Aussage kann nicht gefolgt werden, stände des Art. 97 abhängig sei. Wenn das Verlassen vorliege, finde Art. 97 des TCK Anwendung. 169 Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 340: Özen lehnt die Idealkonkurrenz bei den Fahrlässigkeitsdelikten, bei denen mehrere Erfolge verwirklicht wurden, ab.
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denn sonst würden die Ausnahmeregelungen als allgemeiner Grundsatz interpretiert. Wenn der Gesetzgeber die Anwendung der Idealkonkurrenz für die Fahrlässigkeitsdelikte begrenzen würden wollte, hätte er diesen Grundsatz im allgemeinen Teil des Gesetzes geregelt. Aber die Bestimmungen der „Konkurrenz der Straftaten“ (TCK Art. 42 – 45) beinhalten weder für alle Vorsatzdelikte noch für alle Fahrlässigkeitsdelikte Ausnahmeregelungen. Das heißt, wenn eine Handlung im konkurrenzrechtlichen Sinn vorliegt, kann die Idealkonkurrenz bei allen Delikten bejaht werden, es sei denn, im Gesetz ist eine Ausnahme wie Art. 43 Abs. 3 TCK oder Art. 85. Abs. 2 TCK zu finden. Demzufolge kann man durch Artikel 85. Abs. 2 TCK nicht zum Ergebnis kommen, dass die Idealkonkurrenz bei den fahrlässigen Delikten keine Anwendung finden darf. Dieser Artikel kann nicht als ein Ablehnungsgrund, sondern als ein Grund zur Annahme der Idealkonkurrenz für die Fahrlässigkeitsdelikte benutzt und interpretiert werden, weil diese Ausnahmebestimmungen sind. Eine weitere Frage ist, ob vorsätzliche und fahrlässige Straftaten nach dem türkischen Strafrecht im Verhältnis der Idealkonkurrenz stehen können. Darüber sind sich Rechtsprechung170 und Schrifttum171 dann fast einig, wenn sie durch eine Tat begangen werden. Zwischen der Gefährdung des Verkehrs in alkoholisiertem Zustand und der fahrlässigen Tötung oder Verletzung eines anderen während dieser Fahrt, liegt Idealkonkurrenz vor. Als weitere Beispiele können die vorsätzliche und fahrlässige Tötung, oder die vorsätzliche Tötung und fahrlässige Körperverletzung genannt werden, die zueinander im Verhältnis der Idealkonkurrenz stehen können.172 Eine der wichtigsten Erscheinungsformen der Idealkonkurrenz zwischen fahrlässigen und vorsätzlichen Straftaten liegt im Fall der aberratio ictus vor. Bei der aberratio ictus trifft die Handlung nicht das Objekt, das der Täter treffen wollte, sondern ein anderes Objekt. Der Gesetzgeber hat auch in seiner Gesetzesbegründung173 betont, dass im Falle der aberratio ictus die Bestimmungen der Idealkonkurrenz angewendet werden müssen. Wenn durch Schießen des Täters nicht das gewollte Opfer, sondern ein neben diesem stehendes Opfer verletzt oder getötet wird, liegt Idealkonkurrenz zwischen der fährlässigen Körperverletzung (oder Tötung) und der versuchten Tötung (oder versuchten Körperverletzung) vor.174 Nach den 170
Y. 4. CD, 29. 09. 1981, 5034/5559. Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 504; Özgenç, Türk Ceza Hukuku, S. 563 ff.; a.A. Die sogenannte Erfolgslehre, nach der der Begriff der Tat mit dem Begriff „Erfolg“ gleichsteht und die Veränderung in der Außenwelt zur Bestimmung der Tat als entscheidend angenommen werden muss, nimmt auch zwischen den Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikten keine Idealkonkurrenz an, wenn mehrere Erfolge eintreten werden. I˙çel, Suçların ˙Içtimaı, S. 71 ff. 172 Vgl. Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 504. 173 TCK Madde Gerekçeleri, S. 179. 174 Artuk/Gökçen/Yenidünya, Ceza Hukuku, S. 662; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 504; Özgenç, Türk Ceza Hukuku, S. 563 ff.; a.A. Die Erfolgslehre nimmt bei der aberratio ictus mit mehreren Erfolgen die Idealkonkurrenz nicht an, da die Erfolgseinheit eine unabdingbare Voraussetzung der Idealkonkurrenz sei. Wenn mehrere Erfolge eintreten, kommen die Bestimmungen der Realkonkurrenz zur Anwendung. Özen, Suçların ˙Içtimaı, s. 339 ff.; I˙çel, ˙IHFD 1964, S. 171, 179 ff. 171
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Entscheidungen des Kassationshofs175 müssen die Fälle der aberratio ictus nach den Bestimmungen der Idealkonkurrenz behandelt werden. 6. Idealkonkurrenz bei den erfolgsqualifizierten Delikten Die Frage, ob Grundtatbestand und erfolgsqualifiziertes Delikt zueinander im Verhältnis der Idealkonkurrenz stehen, stellt sich auch im türkischen Strafrecht. Wenn das qualifizierende Delikt nur fahrlässig begangen werden kann, liegt ein Fall der Gesetzeskonkurrenz vor. Wenn z. B. durch die vorsätzliche Körperverletzung der Tod der verletzten Person176 verursacht wird, liegt Idealkonkurrenz nicht vor, weil das erfolgsqualifizierte Delikt den Fahrlässigkeitstatbestand umfasst; deswegen kommt Spezialität in Betracht. Wird aber das qualifizierte Delikt nicht nur fahrlässig, sondern auch vorsätzlich begangen, dann können die Delikte zueinander im Verhältnis der Idealkonkurrenz stehen. Fällt das Opfer als Folge des sexuellen Angriffs in ein Dauerkoma oder stirbt es, ist die Strafe des Täters nach den Bestimmungen der Idealkonkurrenz zu bestimmen. Für diese Anwendung kann die qualifizierende Folge fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt werden. Im Fall der vorsätzlichen Verursachung der qualifizierenden Folge durch den sexuellen Angriff, kommt Idealkonkurrenz zwischen der vorsätzlichen Tötung und dem sexuellen Angriff in Betracht. Ebenso stehen die vorsätzliche und fahrlässige Tötung (TCK Art. 82 oder TCK Art. 85) und die Fremdabtreibung (TCK Art. 99 Abs. 3 und 4) zueinander im Verhältnis der Idealkonkurrenz, wenn der die Abtreibung Durchführende bei der Tötung mindestens fahrlässig handelt.177 7. Die Ausnahmen bei der Anwendung der Idealkonkurrenz a) Art. 43 Abs. 3 des TCK Art. 43 Abs. 3 des TCK ist eine Regelung im allgemeinen Teil des TCK, die für manche Delikte die Anwendbarkeit der Bestimmungen der Idealkonkurrenz ausschließt. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber vorgeschrieben, dass die Bestimmung der Fortsetzungstat bei den Straftaten „vorsätzliche Tötung, vorsätzliche Körperverletzung, Raub und Folter“ nicht angewendet wird. Die Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten wurde auch unter der Fortsetzungstat geregelt, weswegen 175 In der Zeit des alten Strafgesetzes sind die Entscheidungen des Kassationshofs uneinheitlich. Gegen die Annahme der Idealkonkurrenz: YCGK, 01. 10. 1984, E 9/404, K 291; YCGK, 09. 08. 1981, E 6, K 84; für die Annahme der Idealkonkurrenz: Y. 1. CD, 01. 02. 1983, 208/208; Y. 1. CD, 22. 12. 1983, 3933/4255; Y. 1. CD, 13. 11. 2007. 176 TCK Art. 87 Abs. 4: Hat die vorsätzliche Körperverletzung den Tod verursacht, wird in den Fällen des Abs. 1 des o. g. Artikels eine Strafe von acht bis zwölf Jahre Gefängnis, in den Fällen des Abs. 2 jedoch zwölf bis sechszehn Jahre Gefängnis verhängt. Tellenbach, S. 71. 177 Artuk/Gökçen/Yenidünya, Ceza Hukuku, S. 362; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 506; Koca, CHD 2007, S. 197, 213; gegen diese Ansicht: Göktürk, Fikri ˙Içtima, S. 207 ff.
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dieser Absatz auch bei der Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten gilt. Aber der Gesetzgeber hat nicht erklärt, warum die Anwendbarkeit der Idealkonkurrenz (Art. 43 Abs. 2) nur für diese vier Straftaten entfällt. Die wichtigste Gemeinsamkeit zwischen den aufgezählten Delikten ist die Eigenschaft dieser Rechtsgüter, denn alle Regelungen dienen dem Schutz der höchstpersönlichen Rechtsgüter. Daneben war noch ein weiteres wichtiges, höchstpersönliches Rechtsgut (sexuelle Integrität) in der ersten Fassung des Artikels zu finden. Die Verletzung dieser Straftaten bildet einen höheren Unrechtsgehalt. Deswegen wollte der Gesetzgeber den möglichen Täter dieser Straftaten mit einer höheren Strafe belegen und diese Rechtsgüter besonders schützen. In der Zeit des alten Strafgesetzes wurde für die Fortsetzungstat (a.TCK Art. 80) weder eine Ausnahme geregelt noch zwischen den Straftaten ein Unterschied gemacht. Aber auf die Straftaten gegen das Leben und gegen die körperliche und sexuelle Integrität wurden die Bestimmungen der Fortsetzungstat nicht angewendet, obwohl das Gesetz eine solche Vorgehensweise nicht vorsah. Auch in der Lehre wurden die Entscheidungen des Kassationshofs178 als richtig angesehen. In der Lehre179 wird ausgeführt, dass diese „mit dem Wort und Geist des Gesetzes nicht zu vereinbarende, aber das Gerechtigkeitsgefühl erfüllende Anwendung“ mit dieser Regelung beseitigt und auf diese Weise die Anwendung der Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten durch Art. 43 Abs. 3 für manche Delikte verhindert werde. Außerdem hat der Kassationshof den Anwendungsbereich der Idealkonkurrenz weiter begrenzt. Obwohl weder Art. 43 Abs. 3 TCK noch Artikel 109 TCK (Freiheitsberaubung) eine Ausnahme für die Freiheitsberaubung vorschreibt, hat der Kassationshof auch für dieses Delikt den Grundsatz der Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten nicht angewendet und die Idealkonkurrenz abgelehnt. Nach den Entscheidungen des Kassationshofs180 liegen auch dann mehrere Freiheitsberaubungen vor, wenn der Täter durch eine Handlung die Freiheit mehrerer Opfer beraubt. Hier hänge die Anzahl der Straftaten von der Anzahl der Opfer ab; deswegen sei die Anwendung der Idealkonkurrenz (bzw. Fortsetzungstat) falsch. Zwar hat der Kassationshof die Anzahl der begangenen Straftaten richtigerweise von der Anzahl der Opfer abhängig gemacht, aber er hat hierbei außer Acht gelassen, dass ein Gesetz mehrmals nur durch eine Handlung, die für die Annahme der Idealkonkurrenz erforderlich ist, verletzt wird.
178 Y. 2. CD, 05. 12. 1962, 12579/5345; YCGK, 26. 04. 1982, 99/167; YCGK, 09. 03. 1981, 6/84, Entscheidungen in: Savas¸/Mollamahmutog˘ lu, Türk Ceza Kanununun Yorumu, S. 1114, 1103, 1108. 179 Özbek, I˙zmir S¸erhi, S. 717; Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 527. 180 Y. 5. CD, 15. 08. 2006, 6484/6738; Y. 5. CD, 25. 09. 2006, 8683/7139, in: UYAP.
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b) Die Artikel im besonderen Teil des TCK zur Anwendung der Idealkonkurrenz Außer durch Art. 43 Abs. 3 des TCK hat der Gesetzgeber die Anwendung der Idealkonkurrenz für manche Delikte durch den jeweiligen Artikel im besonderen Teil des Gesetzes begrenzt. Art. 106 Abs. 3 TCK ist hierfür als Beispiel zu nennen. Nach dieser Regelung muss, wenn durch die zum Zweck der Bedrohung gemachten Handlungen die Straftaten „vorsätzliche Tötung, vorsätzliche Körperverletzung oder Sachbeschädigung“ begangen werden, der Täter außerdem aufgrund dieser Straftaten bestraft werden. Ebenso muss gemäß Art. 149 Abs. 2 des TCK neben der Strafe des Raubes die Strafe für eine schwere vorsätzliche Körperverletzung verhängt werden, wenn bei der Begehung des Raubes eine schwere Körperverletzung begangen wird.181 Auch beim Verwenden privater und öffentlicher Urkunden bei der Begehung einer weiteren Straftat hat der Gesetzgeber die Anwendung der Realkonkurrenz angenommen. Eine weitere Ausnahme beinhaltet Art. 223 Abs. 4 des TCK (die Entführung oder das Festhalten von Verkehrsmitteln). Nach diesem Artikel wird neben Art. 223 eine Strafe wegen Freiheitsberaubung, die bei der Begehung dieser Straftaten begangen wird, verhängt. Wenn diese Sonderregelungen mit den Entscheidungen des Kassationshofs über die Freiheitsberaubung mehrerer Personen zusammen bewertet werden, kommt man zum Ergebnis, dass der Anwendungsbereich der Realkonkurrenz einerseits vom Gesetzgeber, andererseits vom Kassationshof wesentlich erweitert wird, da der Kassationshof der Meinung ist, dass bei der Freiheitsberaubung mehrerer Menschen durch eine Handlung die Bestimmungen der Realkonkurrenz angewendet werden müssten.182 Bei der Bestrafung mancher Delikte, bei denen Idealkonkurrenz vorliegt und die durch eine Handlung begangen werden, hat der Gesetzgeber anstatt der Anwendung der Idealkonkurrenz eine bestimmte Strafe vorgesehen. Obwohl die Bestimmungen der Idealkonkurrenz zur Feststellung der Strafe bei fahrlässiger Tötung (TCK Art. 85) Anwendung finden können, hat der Gesetzgeber eine Strafe von zwei bis fünfzehn Jahren festgelegt, wenn die (fahrlässige) Tat den Tod von mehr als einem Menschen oder den Tod von einem oder mehr als einem Menschen und dazu die Verletzung von einem oder mehr als einem Menschen verursacht. Ebenso findet die
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Eine ähnliche Regelung beinhaltet Art. 265 Abs. 5 des TCK (Widerstand gegen die Beamten): „Wird bei der Begehung dieser Tat einer der Fälle der schweren vorsätzlichen Körperverletzung begangen, so werden außerdem die Vorschriften über die vorsätzliche Körperverletzung angewendet.“; Tellenbach, S. 169; der ähnliche Fall wurde im TCK als Form des schweren Raubs (Art. 149 Abs. 2) geregelt. 182 Also wenn z. B. jemand ein Verkehrsmittel, in dem fünf Leute fahren, entführt oder festhält, begeht er sechs Straftaten, deren Strafe nach den Bestimmungen der Realkonkurrenz gebildet werden muss. Entführung oder Festhalten von Verkehrsmitteln steht mit der Freiheitsberaubung nicht im Verhältnis der Idealkonkurrenz wegen Art. 223 Abs. 4; und die Freiheitsberaubungen mehrerer Personen stehen auch nicht im Verhältnis der Idealkonkurrenz (der gleichartigen Straftaten) nach den Entscheidungen des Kassationshofs.
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Idealkonkurrenz in dem Fall keine Anwendung, wenn die Tat mehrere Personen verletzt.183 Im besonderen Teil des TCK wurde in manchen Artikeln zur Verhinderung falscher Anwendungen184 und Auslegungen des Artikels die Anwendungspflicht der Idealkonkurrenz (Fortsetzungstat) besonders kodifiziert. Die erste Fassung des Artikels 125 beinhaltet in seinem fünften Absatz eine Regelung zur Bestrafung des Täters, der die als Kollegium arbeitenden Amtsträger beleidigt. Danach „wird die Tat als gegen sämtliche Mitglieder des Kollegiums gerichtet angesehen, wenn die Ehre von Amtsträgern, die als Kollegium arbeiten, wegen ihrer Amtspflichten verletzt wird“185. Dieser Absatz wurde falsch verstanden und die Strafe des Täters wurde von der Anzahl der Amtsträger abhängig gemacht und die Bestimmung der Idealkonkurrenz nicht angewendet. Zur Verhinderung dieser Interpretation hat der Gesetzgeber mit einem Änderungsgesetz in diesen Absatz noch einen Satz eingefügt.186 Nach diesem Satz wird der Täter in diesem Fall nach den Bestimmungen der Fortsetzungstat (Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten) bestraft. c) Das Verhältnis zwischen Art. 43 Abs. 3 und Art. 44 Nach den Erklärungen zu den Ausnahmeregelungen stellt sich die Frage, ob die Regelung des Art. 43 Abs. 3 des TCK auch für die „Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten“ (TCK Art. 44) angewendet wird. In der Lehre erwähnt Özgenç187 diesen Punkt und macht darauf aufmerksam, dass Art. 43 Abs. 3 auch für Art. 44 gültig sei. Wird also durch eine Handlung eine Person getötet und eine andere 183
TCK Art. 89 Abs. 4: „Hat die Tat die Verletzung von mehr als einer Person verursacht, so wird eine Strafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren Gefängnis verhängt.“; vgl. TCK Art. 172 (Strahlungsverbrechen) Abs. 2: „Wird die Tat des Abs. 1 gegenüber einer unbestimmten Anzahl von Personen begangen, so wird eine Strafe von mindestens fünf Jahren Gefängnis verhängt.“; Übersetzungen von Tellenbach, S. 72, 118; in der Lehre wird auch der Art. 179 Abs. 4 TCK als eine Sonderregelung für die Idealkonkurrenz angesehen. TCK Art. 294 (Verschaffen der Möglichkeit zum Entfliehen) Abs. 2 lautet folgendermaßen: „Beträgt die Zahl der Personen, deren Entweichen ermöglicht wird, mehr als eine, so wird die zu verhängende Strafe unter Berücksichtigung dieser Zahl um ein Drittel bis auf das Doppelte erhöht.“; Artuk/Gökçen/ Yenidünya, Ceza Hukuku, S. 660; zutreffend betont Özgenç, dass im Art. 294 TCK kein Fall der Idealkonkurrenz vorliege, da die Opfer nicht die Verhafteten oder die Häftlinge seien. Die Mehrheit der Gefangenen sei nur ein strafverschärfender qualifizierter Fall. Özgenç, Türk Ceza Hukuku, S. 569, Fn. 1128. 184 Vgl. Y. 4. CD, 18. 01. 2010, 2008/7416, 2010/809, in: Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/ Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 529, Fn. 33. 185 Tellenbach, S. 96. 186 Gesetzesbegründung, in: Özgenç, TCK Gazi Serhi, S. 573. 187 Özgenç, Türk Ceza Hukuku, S. 563 ff.: Für die folgende Fallkonstellationen finden die Bestimmungen der Realkonkurrenz Anwendung: 1. Die Verletzung einer Person und die Tötung von mehr als einer Person; 2. Die Tötung von mehr als einer Person und die Verletzung einer Person; 3. Die Tötung einer Person und die Verletzung einer Person; 4. Die Tötung von mehr als einer Person.
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verletzt, sind die Bestimmungen der Realkonkurrenz anzuwenden. Jedoch sei für die Anwendung der Ausnahmeregelung bei der Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten eine Regelung in Art. 44 nicht erforderlich. Das Problem könne durch die Rechtsprechung gelöst werden, ohne in Art. 44 einen Absatz einzufügen. Entgegen Özgençs Ansicht hat der Kassationshof188 in einem Fall, in welchem der Täter durch Schrotkugeln jemanden tötet und zwei Menschen verletzt, entschieden, dass die Bestrafung des Täters auch wegen der bedingt vorsätzlichen Körperverletzungen neben der vorsätzlichen Tötung nach den Bestimmungen der Realkonkurrenz nicht richtig sei. Dieser Meinung kann nicht zugestimmt werden. Denn der Gesetzgeber hätte den identischen Absatz auch in Art. 44 einfügen müssen, wenn er diese Ausnahmeregelung auch für Art. 44 als gültig angesehen hätte. Das Gegenteil führt nur zu einer Erweiterung der Realkonkurrenz zuungunsten des Täters und diese Annahme ist mit dem Gesetzlichkeitsprinzip (TCK Art. 2) nicht vereinbar. Gemäß Art. 2 Abs. 3 des TCK darf bei der Anwendung von Gesetzen, die Vorschriften über Straftaten und Strafen enthalten, keine Analogie zugrunde gelegt werden. Ebenso hat der türkische Kassationshof189 in einer Entscheidung darauf hingewiesen, dass die Anwendung des Art. 43 Abs. 3 bei der Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten einen Verstoß gegen das Analogieverbot bzw. Gesetzlichkeitsprinzip darstellt. Die Anwendung des Absatzes auch bei der Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten ist also ein Verstoß gegen das Analogieverbot. Jedoch kann eine Regelung in Art. 44 die mögliche Rechtswidrigkeit und diese Missverständnisse beseitigen. 8. Idealkonkurrenz bei Ordnungswidrigkeiten Das Zusammentreffen der Ordnungswidrigkeiten wurde in Art. 15 des Gesetzes über die Ordnungswidrigkeiten geregelt. Verletzt eine Tat mehr als einen Tatbestand190, nach dem sie als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann, so wird nur die schwerste Geldbuße festgesetzt. Wenn aber in diesem Fall außer einem Bußgeld andere Sanktionen vorgeschrieben sind, wird jede Sanktion angewendet. Wird durch eine Tat sowohl eine Straftat als auch eine Ordnungswidrigkeit begangen, wird der Täter nur wegen der Straftat bestraft. Jedoch kann wegen der Ordnungswidrigkeit 188 Y. 1. CD, 02. 10. 2013, 1957/5405, in: Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 503, Fn. 1766; der Nichtanwendung der Bestimmungen der Realkonkurrenz (also Addieren der Strafen) und der Annahme, dass die vorsätzliche Körperverletzung und vorsätzliche Tötung gemäß Art. 44 TCK zueinander im Verhältnis der Idealkonkurrenz stehen, ist zwar zuzustimmen, aber die Begründung des Kassationshofs ist deswegen problematisch, weil der Kassationshof der Meinung ist, dass die erste Instanz anstatt der Anwendung der Bestimmungen der Realkonkurrenz aufgrund der vorsätzlichen Körperverletzungen den „Beschluss über die Nichtverhängung der Strafe“ fällen müsse. 189 Vgl. Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 502 f.; Y. 1. CD, 29. 04. 2014, 2013 – 4663/ 2014 – 2722, in: Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 503, Fn. 1767. 190 Wird ein Gesetz, nachdem es als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann, mehrmals verletzt, sind mehrere Geldbußen zu erkennen.
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sanktioniert werden, wenn aufgrund der Straftat keine Strafe verhängt werden kann.191 9. Die Rechtsfolgen der Idealkonkurrenz a) Die Festsetzung der Strafe Im türkischen Strafgesetz wurde die Idealkonkurrenz der gleichartigen und ungleichartigen Straftaten unter den verschiedenen Artikeln geregelt und verschiedene Strafzumessungsregeln für die einzelnen Formen vorgeschrieben. Deswegen sind die Rechtsfolgen der Idealkonkurrenz bei gleichartigen und ungleichartigen Straftaten zu unterscheiden und unter getrennten Überschriften zu behandeln. aa) Die Rechtsfolgen der Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten Im Falle der Verletzung gleichartiger Straftaten durch eine Tat wird der Täter gemäß Art. 43 Abs. 2 nach der Bestimmung der Fortsetzungstat (TCK Art. 43 Abs. 1) bestraft. Bei der Fortsetzungstat wird nur eine einzige Strafe verhängt, aber diese Strafe kann um ein Viertel bis zu drei Viertel erhöht werden. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber auch für die gleichartigen Straftaten eine Strafverschärfung vorgesehen. Nach der Gesetzesbegründung192 zu Art. 43 Abs. 1 des TCK liegt eine subjektive Beziehung zwischen den Straftaten, die eine Fortsetzungstat bilden, vor. Wegen dieser subjektiven Beziehung muss nur eine einzige Strafe verhängt und die Strafe erhöht werden. Der Grund der einmaligen Bestrafung und der Verschärfung dieser Strafe ist also dieses subjektive Verhältnis zwischen den Straftaten. Für die Annahme der Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten ist ein subjektives Verhältnis zwischen den Straftaten, wie in der Fortsetzungstat (die mehrmalige Begehung der gleichen Straftat Ausführung eines einzigen Tatentschlusses), nicht erforderlich; deswegen wäre es unzutreffend, die einmalige Bestrafung und insbesondere die Strafverschärfung mit dem subjektiven Verhältnis zu begründen. Der Grund der einmaligen Bestrafung kann die mehrmalige Verletzung desselben Gesetzes „durch eine Tat“ sein, und die Strafverschärfung kann damit begründet werden, dass eine Handlung ein Strafgesetz mehrmals oder mehrere Strafgesetze verletzt. Nach diesen Erklärungen ist es fragwürdig, ob der Tatrichter berechtigt ist, außer der Strafschärfung des Art. 43 Abs. 1 S. 2 die mehrmalige Verletzung des Gesetzes im Sinne des Art. 61 I als strafverschärfend zu berücksichtigen, und die (sog. Einsatz-)Strafe innerhalb des Strafrahmens höher zu bemessen. Diese Frage muss mit „Nein“ beantwortet werden. Ansonsten wäre es ein Verstoß gegen das Doppelver191 192
Vgl. Akbulut, S. 447 ff.: Koca, CHD 2007, S. 197, 214. TCK Madde Gerekçeleri, S. 179.
A. Idealkonkurrenz
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wertungsverbot, da „die mehrmalige Verletzung desselben Gesetzes durch eine Tat“ durch Art. 43 Abs. S. 2 als strafverschärfend vorgeschrieben ist. Wie schon erwähnt, hat der Gesetzgeber in Art. 43 Abs. 1 S. 3 definiert, was dieselbe Straftat ist. Danach gelten ein Grundtatbestand und seine qualifizierten oder privilegierten Formen als dieselbe Straftat. Wird durch eine Tat sowohl die Grundform eines Delikts, als auch die qualifizierte Form des gleichen Delikts begangen, ist die Grundstrafe innerhalb des Strafrahmens nach der qualifizierten Form festzustellen und danach gemäß Art. 43 Abs. 1 S. 2 die Strafe zu schärfen.193 Bei der Feststellung der Strafe innerhalb des Strafrahmens der qualifizierten Form darf die Verletzung des Grundtatbestands nicht berücksichtigt werden, da sie bei der Strafschärfung gemäß Art. 43 Abs. 1 S. 2 schon berücksichtigt wird. Die mehrmalige Gesetzesverletzung, also die anderen gleichartigen Gesetze, die bei der Festsetzung der Grundstrafe nicht berücksichtigt werden, der Unrechtsgehalt und die Folgen der Tat, können bei der Feststellung der Höhe der Strafschärfung berücksichtigt werden.194 bb) Die Rechtsfolgen der Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten Werden durch eine Tat mehrere verschiedenartige Straftaten begangen, wird der Täter gemäß Art. 44 TCK wegen der Straftat bestraft, die die schwerste Strafe androht. Nach dem Wortlaut dieses Artikels ist der Täter wegen der anderen, milderen Gesetze nicht zu bestrafen. Jedoch ist er mit dem Wesen der Idealkonkurrenz nicht vereinbar, weil der Täter bei der Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten nicht nur wegen der Straftat, die mit der höchsten Strafe bedroht ist, sondern auch wegen der mitverwirklichten milderen Gesetze zu bestrafen ist; die Strafe wird aber nach dem Gesetz, das die schwerste Strafe androht, bestimmt. Trotz dieser falschen Fassung des Artikels ist anzunehmen, dass bei dieser Art der Idealkonkurrenz die Strafe nach dem Absorptionsprinzip festgesetzt wird. Bei der Feststellung des Gesetzes, welches die schwerste Strafe androht, ist die abstrakte Strafe maßgeblich, jedoch müssen die qualifizierten Fälle der Straftaten auch berücksichtigt werden.195 In der Lehre196 wird auch vertreten, dass bei der Feststellung der schwersten Strafe die konkrete Strafe entscheidend ist. Theoretisch 193 Wird durch eine Tat sowohl die Grundform eines Delikts als auch die privilegierte Form des Delikts begangen, ist die Strafe nach der Grundform festzustellen und danach zu verschärfen. D. h.: Nach der schwersten Form muss die Strafe festgesetzt werden, ohne die anderen Formen zu berücksichtigen. Die Verletzung der anderen Formen kommen erst bei der Strafschärfung als Strafschärfungsgrund zur Anwendung; vgl. Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 638. 194 Göktürk, Fikri ˙Içtima, S. 236. 195 Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 538; Dönmezer/Erman, Nazari ve Tatbiki C II, S. 388; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 507; Demirbas¸, Ceza Hukuku, S. 502. 196 Toroslu, Ceza Hukuku, S. 328; Özbek, I˙zmir S¸erhi, S. 737; Alacakaptan, Suçun Unsurları, S. 61.
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2. Teil: Geregelte Erscheinungsformen im deutschen und türkischen Strafrecht
ist die Regelung der „Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten (Art. 44)“ noch günstiger als die „Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten (Art. 43 Abs. 2)“, weil Art. 44 weder eine Strafverschärfung noch eine Regelung zur Anwendung des begrenzten Absorptionsprinzips enthält. Deswegen ist festzustellen, dass es keinen Unterschied macht, ob der Täter durch eine Tat nur ein Strafgesetz einmal oder mehrere verschiedenartige Strafgesetze verletzt hat. Deswegen wäre es noch sinnvoll und entspräche dem Gerechtigkeitsprinzip, wenn im Gesetz die sog. Sperrwirkung milderer Gesetze oder eine Strafverschärfung für die Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten geregelt wäre.197 Es kann jedoch die Verletzung mehrerer verschiedenartiger Straftaten innerhalb des Strafrahmens des schwersten Gesetzes als strafschärfend berücksichtigt werden, und auf diese Weise kann der Tatrichter die Strafe gemäß Art. 61 Abs. 1 höher bemessen198 ; jedoch ergibt sich hieraus keinerlei Verpflichtung zu einer solchen Strafverschärfung für den Tatrichter. b) Die Prozessvoraussetzungen, Rechtskraft, Verjährung, Amnestie Bei der Idealkonkurrenz muss für alle Straftaten geprüft werden, ob die für die Verfolgung erforderlichen Prozessvoraussetzungen vorliegen oder ob eine Straftat verjährt oder amnestiert ist. Bevor das Gericht eine Entscheidung trifft, muss für die jeweiligen Delikte untersucht werden, ob für sie die erforderlichen Verfolgungsvoraussetzungen erfüllt sind. Wenn z. B. zur Verfolgung einer Straftat ein erforderlicher Strafantrag (Ermächtigung oder Strafverlangen199) fehlt, ist diese Straftat bei der Straffestsetzung nicht mehr zu berücksichtigen, und der Täter muss wegen der anderen Gesetze nach den Bestimmungen der Idealkonkurrenz bestraft werden, wenn mehrere Delikte begangen wurden.200 Ist die Verfolgung der schwersten Straftat von einem Strafantrag abhängig, wird bis zum Ablauf der Antragsfrist abgewartet. Nach Ablaufen der Antragsfrist und sofern kein Antrag gestellt wurde, soll eine Klage eingereicht werden und der Täter nach dem Gesetz, das die einfachste 197 Vgl. ˙Içel/Özgenç/Sözüer/Mahmutog˘ lu/Ünver, Suç Teorisi, S. 433; I˙çel, Suçların ˙Içtimaı, S. 81; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 507; Göktürk, Fikri I˙çtima, S. 238. 198 ˙ Içel/Özgenç/Sözüer/Mahmutog˘ lu/Ünver, Suç Teorisi, S. 436; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 507. 199 Im türkischen Strafgesetzbuch wurde anstatt des Begriffs „Strafverlangen“ der Begriff „Strafantrag“ (als gleichbedeutend) benutzt. Als Beispiel dafür ist der Art. 341 des TCK und § 104a StGB zu nennen. Yenisey/Plagemann, Alman Ceza Kanunu-Strafgesetzbuch, S. 127, Fn. 18. 200 Die Regelungen der Idealkonkurrenz finden keine Anwendung, wenn die Verfolgung nur einer Straftat vom Strafantrag nicht abhängig ist und der Strafantrag für die anderen Straftaten fehlt. Diese Ansicht teilt auch der Kassationshof in einem Urteil. Diesem Urteil zufolge sind die Bestrafung des Täters nach Art. 170 TCK (die vorsätzliche Gefährdung der allgemeinen Sicherheit) und die Einstellung des Verfahrens in Bezug auf die Sachbeschädigung wegen des Fehlens des erforderlichen Strafantrags nicht unzutreffend. Y. 8. CD, 18. 03. 2009, E 2007/8028, K 2009/4148.
A. Idealkonkurrenz
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Strafe androht, bestraft werden.201 Wird die Erforderlichkeit des Strafantrags erst nach dem Ermittlungsverfahren und während der Hauptverhandlung bemerkt, muss das Verfahren nach Art. 158 Abs. 6 des CMK202 fortgesetzt werden, wenn das Opfer auf den Strafantrag ausdrücklich nicht verzichtet. Daneben muss auch untersucht werden, ob eine im Verhältnis der Idealkonkurrenz stehende Straftat verjährt (Verfolgungsverjährung) ist, amnestiert wurde oder ob ein Fall der Verfahrenseinstellung gegen Zahlung einer Auflage vorliegt. Wenn z. B. eine oder mehrere dieser Straftaten verjährt sind, darf dieses Delikt bei der Straffestsetzung nicht mehr berücksichtigt werden. Bezüglich der Prozessordnung taucht zusätzlich die Frage auf, welches Gericht im Fall der Idealkonkurrenz sachlich und örtlich zuständig ist. Die sachliche Zuständigkeit der Gerichte wird durch das Gesetz, das die schwerste Strafe androht, bestimmt. Der Gerichtsstand ist bei dem Gericht begründet, bei dem diese Straftat begangen wurde. In der türkischen Strafrechtslehre203 wird auch vertreten, dass die Delikte bei der Idealkonkurrenz eine einzige Tat im prozessrechtlichen Sinne bilden. Deswegen darf gegen den Täter nach einem rechtskräftigen Urteil wegen der anderen Straftat(en), die mit der bestraften Straftat in Idealkonkurrenz stehen und bei der Bestrafung nicht berücksichtigt werden, keine Anklage erhoben werden. Der Grundsatz „ne bis in idem“ verhindert eine weitere Klage wegen derselben Tat und die mehrmalige Bestrafung des Täters. Der Kassationshof hat jedoch in der Zeit der alten Fassung des Gesetzes anders entschieden. In den Jahren 1976 und 1980 hatte der Kassationshof204 über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Der Täter hat die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt und dadurch hat er jemanden verletzt. Der Täter wurde wegen der Gefährdung des Straßenverkehrs (aTCK Art. 565) bestraft und das Opfer hat nach dem rechtskräftigen Urteil innerhalb der Anklagefrist zur Bestrafung des Täters wegen fährlässiger Körperverletzung (aTCK Art. 459) einen Strafantrag gestellt. Der Kassationshof205 hat entschieden, dass die Rechtskraft wegen der Gefährdung des Straßenverkehrs einer Verurteilung wegen der fährlässigen Körperverletzung nicht entgegensteht. 201
Soyaslan, Ceza Hukuku, S. 277; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 503 f.; vgl. Özen, Suçların I˙çtimaı, S. 340. 202 Ceza Muhakemesi Kanunu (CMK): Strafverfahrensgesetz. 203 Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 508; Koca, CHD 2007, S. 197, 220; Göktürk, Fikri ˙Içtima, S. 243; ˙Içel/Özgenç/Sözüer/Mahmutog˘ lu/Ünver, Suç Teorisi, S. 437; ˙Içel, Suçların I˙çtimaı, S. 83; Özen, GÜHFD 2010, S. 389, 408; dagegen: Önder, Ceza Hukuku Dersleri, S. 464. 204 YCGK, 02. 02. 1976, 2 – 18/32; Y. 2. CD, 28. 11. 1980, 8145/8597, in: Önder, Ceza Hukuku Dersleri, S. 464 f.; dagegen hat der Militärkassationshof im Jahr 1967 in einem Fall, in welchem die Idealkonkurrenz vorlag, die Bestrafung des Täters wegen einer weiteren Straftat, die im ersten Verfahren nicht abgeurteilt wurde, wegen des rechtskräftigen Urteils abgelehnt, da die Tat des Täters schon verurteilt sei und er deswegen nicht wegen derselben Tat noch einmal verurteilt werden dürfe. AsY., 2. CD, 14. 09. 1967, E 340, K 348, in: ˙Içel/Özgenç/Sözüer/ Mahmutog˘ lu/Ünver, Suç Teorisi, S. 437, Fn. 69. 205 YCGK, 02. 02. 1976, 2 – 18/32.
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2. Teil: Geregelte Erscheinungsformen im deutschen und türkischen Strafrecht
c) Die Anordnung der Sicherungsmaßnahmen206 Im türkischen Strafrecht ist auch die Frage zu stellen, ob auf eine Sicherungsmaßnahme erkannt werden kann, wenn eines der anwendbaren Gesetze sie vorschreibt oder zulässt. In der Lehre207 wird angenommen, dass der Entzug bestimmter Rechte nur angeordnet werden könne, wenn das Gesetz, nach dem die schwerste Strafe zu bestimmen sei, es vorschreibe oder zulasse. Wenn aber die anderen anwendbaren Gesetze den Entzug bestimmter Rechte vorschreiben oder zulassen würden, könnten diese nicht angeordnet werden, weil vom Gesetzeswortlaut nicht zu verstehen sei, ob diese Maßnahmen anzuordnen seien; deswegen sei die Anordnung der Maßnahmen nach anderen anwendbaren Gesetzen ausgeschlossen, um gegen das Gesetzlichkeitsprinzip nicht zu verstoßen. Dieser Annahme ist zwar nicht zuzustimmen, aber sie ist deswegen verständlich, weil der Täter nach dem Wortlaut des Art. 44 nur wegen der Straftat, die die schwerste Strafe androht, bestraft wird. Die Regelung kann also so interpretiert werden, dass der Täter sozusagen wegen der anwendbaren anderen Straftat(en) nicht bestraft wird und deswegen ist die Anordnung des Entzuges bestimmter Rechte wegen dieser Straftaten nicht zulässig.
III. Die Idealkonkurrenz nach dem alten türkischen Strafgesetzbuch 1. Im Allgemeinen Im TCK von 1926 Gesetz Nr. 765 wurde die Idealkonkurrenz in Art. 79 und damit unter der Abschnittsüberschrift „Zusammentreffen der Strafen und Straftaten“ im siebten Abschnitt des allgemeinen Teils geregelt. In diesem Gesetz wurde nur die Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten geregelt und der Gesetzeswortlaut dieser Norm war mit Art. 44 des neuen TCK fast identisch. Das heißt: Die Änderung bezüglich der Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten war nur eine sprachliche Vereinfachung und brachte keine inhaltlichen Änderungen.
206
Die im türkischen Strafgesetz geregelte Sicherungsmaßnahmen: 1. Entzug bestimmter Rechte (Art. 53), 2. Einziehung (Art. 54), 3. Verfall (Art. 55), 4. Sicherungsmaßnahmen für Jugendliche (Art. 56), 5. Sicherungsmaßnahmen für Geisteskranke (Art. 57), 6. Rückfall und besonders gefährliche Täter (Art. 58), 7. Ausweisung (Art. 59), 8. Sicherungsmaßnahmen gegen juristische Personen (Art. 60). 207 Aksan, Ceza Mahkumiyetine Bag˘ li Hak Yoksunlukları, S. 258 und S. 322.
A. Idealkonkurrenz
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2. Die gesetzlich geregelte Form der Idealkonkurrenz Im alten TCK wurde nur die Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten geregelt. Um von der Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten zu sprechen, mussten nach dem alten TCK zwei Voraussetzungen erfüllt sein. a) Die Einheit der Tat Wie schon im ersten Teil dieser Arbeit dargestellt, wurde in der Zeit des alten Strafgesetzes von einem erheblichen Teil der Lehre der Begriff „Tat“ mit dem Begriff „Erfolg“ gleichgesetzt. Entsprechend dieser Auffassung hat auch der Kassationshof in zahlreichen Entscheidungen maßgeblich auf den „Erfolg“ abgestellt. Aber daneben hatte der Kassationshof in manchen Entscheidungen den Begriff „Tat“ im Sinne von „Handlung“ verstanden und eingetretene Erfolge als unwichtig für die Annahme der Idealkonkurrenz angesehen. Manche Entscheidungen des Kassationshofs208 gaben einen Hinweis darauf, dass die teilweise Identität der Handlungen für die Annahme der Idealkonkurrenz, insbesondere im Fall des Betrugs mit gefälschter Urkunde, zur Bestimmung der Handlungseinheit entscheidend sein soll. b) Die Verschiedenheit der Gesetzesbestimmungen Nach der herrschenden Lehre209 war die Verletzung der verschiedenen Gesetzesbestimmungen eine unabdingbare Voraussetzung für die Idealkonkurrenz. Die Verletzung der gleichartigen Gesetze durch eine Tat (Erfolg) sei in derselben Zeit unmöglich, weswegen die Annahme der Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten nicht vertretbar sei. Im Falle der mehrmaligen Verletzung der gleichartigen Gesetze wurde die Anwendung der Bestimmungen der Fortsetzungstat empfohlen.210 Nach dieser Ansicht konnte der Täter nach den Bestimmungen der Fortsetzungstat bestraft werden, wenn er bei der Ausführung nach dem identischen Tatentschluss handelt. Verletze der Täter bei der Ausführung des gleichen Tatentschlusses dasselbe Gesetz mehrmals, fand die Vorschrift über die Fortsetzungstat Anwendung. In der Lehre wurde diese Ansicht vertreten, weil die Fortsetzungstat (aTCK Art. 80) nach dem alten Gesetz auch zur selben Zeit begangen werden kann.211 Der Kassationshof
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Y. 4. CD, 03. 02. 1995, E 1994/9626. K 1995/690. Kunter, ˙IHFM 1948, S. 359, 367; I˙çel, ˙IHFD 1964, S. 171, 184; Dönmezer/Erman, Nazari ve Tatbiki C II, S. 382; I˙çel/Özgenç/Sözüer/Mahmutog˘ lu/Ünver, Suç Teorisi, S. 432; Savas¸/Mollamahmutog˘ lu, Türk Ceza Kanununun Yorumu, S. 1057; diese Ansicht wird auch heute in der Lehre vertreten. vgl. Toroslu, Ceza Hukuku, S. 328; Hafızog˘ ulları/Özen, Türk Ceza Hukuku, S. 380. 210 ˙ Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 80; vgl. Hakeri, Ceza Hukukunda ˙Ihmal Kavramı, S. 302. 211 Eine unabdingbare Voraussetzung nach dem neuen Strafgesetz für die Fortsetzungstat (TCK Art. 43 I) ist die Begehung der gleichen Straftat zu verschiedenen Zeiten. 209
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teilte auch in manchen seiner Entscheidungen diese Auffassung.212 Jedoch gab es auch Entscheidungen, in welchem die Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten angenommen wurde. Nach einer Entscheidung standen die Verletzungen zweier Personen im Verhältnis der Idealkonkurrenz.213 3. Die Rechtsfolgen der Idealkonkurrenz Die Festsetzung der Strafe bei der Idealkonkurrenz der verschiedenartigen Straftaten entsprach dem heutigen Gesetz. Der Täter wurde nach dem Gesetz, das die schwerste Strafe festsetzt, bestraft. Eine Strafverschärfung beim Vorliegen der Idealkonkurrenz war im Gesetz nicht vorgeschrieben worden. Außerdem wurde im besonderen Teil des Gesetzes der Anwendungsbereich der Idealkonkurrenz begrenzt. Ein Beispiel für eine solche Regelung bildet Art. 450 Nr. 5 des aTCK. Nach diesem wurde der Täter mit erschwerter Zuchthausstrafe bestraft, wenn mehr als eine Person getötet wurde. Für die fahrlässige Tötung sah das Gesetz noch eine besondere Bestimmung bei der Tötung mehrerer Personen vor: „Wer durch Fahrlässigkeit, durch Unerfahrenheit (…) den Tod mehrerer Personen oder daneben die Körperverletzung einer Person oder mehrerer Personen verursacht und handelt es sich dabei um eine Körperverletzung im Sinne des Art. 456 Abs. 2, so ist die Strafe Gefängnis von vier bis zu zehn Jahren nebst schwerer Geldstrafe nicht unter einhundert türkischen Lira.“214
IV. Zusammenfassung und Stellungnahme Die Idealkonkurrenz der Straftaten wurde in Art. 43 Abs. 3 (Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten) und 44 (Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten) geregelt. Ob es bei der Idealkonkurrenz um die Verbrechenseinheit oder Verbrechensmehrheit geht, ist im türkischen Strafrecht unumstritten. Zu Recht wird das Vorliegen der Verbrechensmehrheit angenommen, weil im Gesetz ausdrücklich geregelt wird, dass für die Idealkonkurrenz die Verletzung mehrerer Strafgesetze erforderlich ist. Überdies sei die Annahme der Verbrechenseinheit mit dem Zweck des Gesetzes nicht vereinbar, da bei der Verbrechenseinheit kein Fall der Idealkonkurrenz vorliege. Trotz der Verbrechensmehrheit wird die einmalige Bestrafung
212 Der Militärkassationshof hat bei einem Fall, in welchem zwei Soldaten beschimpft wurden, die Ablehnung der Anwendung der Fortsetzungstat damit begründet, dass bei der Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter die Bestimmungen der Fortsetzungstat nicht angewendet würden. AsY, 5. CD, 20. 06. 1990, 337/333. 213 YCGK, 17. 01. 1994, 16/12; vgl. Y. 4. CD, 05. 04. 1988, E 1988/2038; YCGK, 04. 05. 1987, 9 – 127/253, in: Artuk/Gökçen/Yenidünya, Türk Ceza Kanunu S¸erhi, S. 1037. 214 Übersetzung von Ziemke, S. 110; in der ersten Fassung des Gesetzes betrug die Freiheitsstrafe zwei bis zu acht Jahre und die Geldstrafe nicht unter zweihundert türkische Lira.
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des Täters damit begründet, dass nur eine Handlung vorliege und im Gesetz die einmalige Bestrafung vorgeschrieben wurde. Die erste Voraussetzung für die Tateinheit im türkischen Strafrecht ist die Verletzung der Strafgesetze durch eine Handlung. Wenn die Ausführungshandlungen der Straftaten völlig identisch sind, ist Idealkonkurrenz anzunehmen, es sei denn, dass das Gesetz eine Sonderregelung gegen die Anwendung der Idealkonkurrenz beinhaltet. Idealkonkurrenz durch die teilweise Identität der Ausführungshandlungen wird im türkischen Strafrecht wenig behandelt. Die Idealkonkurrenz wird bei der teilweisen Identität der Ausführungshandlungen von einem Teil der Lehre abgelehnt, da für die Annahme der Idealkonkurrenz die Ausführungshandlungen völlig identisch sein sollten. Obwohl Göktürk215 auch dieser Meinung ist, führt dieser aus, dass die teilweise Identität bei der Straffestsetzung (bei der Anwendung der Realkonkurrenz) berücksichtigt werden solle und die teilweise identische Ausführungshandlung nicht mehrmals bewertet werden dürfe. Dem ist nicht zuzustimmen, weil eine solche Vorgehensweise bei der Addition der Straftaten nicht vorgeschrieben wurde. Es ist auch fraglich, in welchem Maße oder bei welcher Strafe der Tatrichter diese Identität berücksichtigen muss.216 Die zweite Voraussetzung der Idealkonkurrenz im türkischen Strafrecht ist die Verletzung mehrerer Strafgesetze. Die mehrmalige Verletzung desselben Gesetzes durch eine Handlung wird in Art. 43. Abs. 2 unter der Überschrift „Fortsetzungstat“ geregelt. Zwar ist diese Regelung im Vergleich zur alten Fassung des TCK zutreffend, weil das alte Gesetz eine Regelung über die Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten nicht enthalten hat. Aber der Regelungsort ist unverständlich, da zwei verschiedene Konkurrenzformen unter einem Artikel geregelt wurden. Wegen des Regelungsorts dieses Instituts wird in Lehre und Rechtsprechung keine Einheit bei der Begriffsbildung gefunden und die Fälle der Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten werden als Fortsetzungstat behandelt. Die Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten findet ihre Regelung in Art. 44. Nach einer Mindermeinung in der türkischen Konkurrenzlehre wird die Vorsatzeinheit als eine weitere Voraussetzung für die Annahme der Idealkonkurrenz angesehen. Diese Ansicht ist deswegen unzutreffend, weil der Gesetzgeber die Vorsatzeinheit zur Begründung der Idealkonkurrenz nicht vorgeschrieben hat. Die Annahme der Vorsatzeinheit ist deswegen auch unverständlich, weil das Gesetz für manche Vorsatzdelikte eine Ausnahme bildet und den Anwendungsbereich der Idealkonkurrenz begrenzt. Wenn der Gesetzgeber die Vorsatzeinheit als eine Voraussetzung regeln möchte, bedarf es einer solchen Ausnahmeregelung (TCK 43 Abs. 3) nicht, da die allgemeine Regelung auch diese Ausnahmedelikte umfasst. Dagegen kann angeführt werden, dass, obwohl der Gesetzgeber die Vorsatzeinheit Göktürk, Fikri I˙çtima, S. 157 ff. Nach dieser Auffassung soll der Tatrichter bei der Straffestsetzung so urteilen, als ob die teilweise identische Handlung z. B. bei der zweiten (oder ersten) Straftat nicht ausgeführt worden wäre. 215
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2. Teil: Geregelte Erscheinungsformen im deutschen und türkischen Strafrecht
ausdrücklich nicht geregelt hat, er sie durch Art. 43 Abs. 3 stillschweigend abgelehnt hat. Im türkischen Strafgesetzbuch wurde der Anwendungsbereich der Idealkonkurrenz durch Ausnahmeregelungen wesentlich begrenzt. Als erste Begrenzung gilt Art. 43 Abs. 3 für die Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten. Danach findet die Regelung in Bezug auf die Idealkonkurrenz bei den ungleichartigen Straftaten bei vorsätzlicher Tötung, vorsätzlicher Körperverletzung, Raub und Folter keine Anwendung. Der Gesetzgeber hat jedoch nicht begründet, warum er bei der Begehung dieser Straftaten die Anwendung der Idealkonkurrenz verhindert. Diese Norm kann damit begründet werden, dass der Schuldgehalt dieser Delikte hoch ist und die Rechtsgüter wegen ihres höchstpersönlichen Charakters gegen die rechtswidrigen Angriffe besonders schutzwürdig sind. Warum die anderen höchstpersönlichen Rechtsgüter in diesem Absatz nicht genannt wurden, ist eine offene Frage. Auch der Kassationshof hat die Idealkonkurrenz in dem Fall nicht angewendet, in welchem der Täter durch eine Handlung mehrere Personen der Freiheit beraubt hat und den Anwendungsbereich der Idealkonkurrenz gesetzeswidrig begrenzt, weil in Art. 43 Abs. 3 für die Freiheitsberaubung keine Ausnahme gebildet wurde. Neben diesem Absatz und höchstrichterlichen Entscheidungen hat der Gesetzgeber im besonderen Teil des TCK für manche Straftaten anstatt der Anwendung der Idealkonkurrenz eine gesonderte Bestrafung vorgeschrieben. Überdies hat der Gesetzgeber in manchen Fällen, in welchen Idealkonkurrenz vorliegt, einen bestimmten Strafrahmen festgesetzt, und manchmal die Anwendungspflicht der Idealkonkurrenz besonders ausgedrückt. Die Rechtsfolgen der Idealkonkurrenz werden bei der Begehung gleichartiger und ungleichartiger Straftaten anders geregelt. Zwar muss beim Vorliegen der Idealkonkurrenz der gleichartigen und ungleichartigen Straftaten auf eine Strafe erkannt werden, aber wenn eine Straftat durch eine Tat gegen mehr als eine Person begangen wird, ist die Strafe jedoch um ein Viertel bis zu drei Viertel zu verschärfen. Obwohl das Gesetz für die Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten eine Strafschärfung vorgeschrieben hat, enthält das Gesetz eine solche Verschärfung für die ungleichartigen Straftaten nicht, und auch die Gesetzesbegründung gibt keinen Hinweis darauf, warum für die gleichartigen Straftaten eine Strafschärfung vorgesehen wird, die bei der Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten nicht erforderlich ist.
V. Rechtsvergleichung Die Idealkonkurrenz der Straftaten wurde sowohl im türkischen als auch im deutschen Strafgesetzbuch ausdrücklich geregelt. Während die Idealkonkurrenz der (gleichartigen und ungleichartigen) Straftaten im StGB in demselben Artikel geregelt wurde, wurde die Idealkonkurrenz der Straftaten im TCK in verschiedenen Artikeln geregelt. In Art. 43 Abs. 2 geht es um die Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten, obwohl in diesem Artikel die Fortsetzungstat geregelt wird. Der Rege-
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lungsort der Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten im türkischen Strafrecht ist deswegen nicht angebracht, weil es mit der Gesetzessystematik unvereinbar ist und die Verständigung der Regelungen erschwert, zwei im Wesen unterschiedliche Rechtsinstitute unter einem Artikel und zwar unter dem Überschrift „Fortsetzungstat“ zu erfassen. Die Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten findet ihre Regelung in Artikel 44 des TCK. In beiden Rechtsordnungen muss zwar beim Vorliegen der Idealkonkurrenz auf eine Strafe erkannt werden, aber anders als im türkischen Strafrecht sind die Rechtsfolgen der Idealkonkurrenz der gleichartigen und ungleichartigen Straftaten im deutschen Strafrecht gleich, und der Täter wird nach dem Gesetz, das die schwerste Strafe androht, bestraft. Im deutschen Strafrecht spielen die verletzten milderen Gesetze (bei der ungleichartigen Idealkonkurrenz) und die mehrfach verletzten Gesetze (bei der gleichartigen Idealkonkurrenz) eine wichtige Rolle. Und zwar darf die festgestellte (Einzel-)Strafe innerhalb des Strafrahmens dieses Gesetzes höher bemessen werden. Auf diese Weise darf der Richter bei der Strafzumessung mehrere verletzte Gesetze oder die mehrmalige Verletzung desselben Gesetzes und deren Unrechts- und Schuldgehalt berücksichtigen. Trotz dieser Strafschärfungsmöglichkeit ist aber eine Straferhöhung nicht obligatorisch. Letztendlich wird eine angemessene Ahndung des tateinheitlichen Verhaltens im deutschen Strafrecht durch die „Sperrwirkung des milderen Gesetzes“ und durch die „(fakultative) Straferhöhung innerhalb des bestimmten Strafrahmens“ gewährt. Im türkischen Strafrecht ist die Strafzumessung bei der gleichartigen und ungleichartigen Idealkonkurrenz unterschiedlich geregelt. Bei der Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten wird zwar eine einzige Strafe verhängt, aber diese Strafe muss, wie bei der Fortsetzungstat, um ein Viertel bis um drei Viertel verschärft werden. Welcher Grundgedanke dahinter steht, ist aus der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen. Diese Strafzumessungsregel kann damit begründet werden, dass der durch ein Verhalten mehrere Gesetze verletzende Täter gegenüber dem Täter, der nur ein Strafgesetz verletzt hat, nicht privilegiert sein soll. Deswegen ist eine Straferhöhung zur Verhinderung dieser ungerechten Bestrafung erforderlich. Außerdem sind eine angemessene Berücksichtigung des Schuld- und Unrechtsgehalts des Gesamtgeschehens und die Ahndung des tateinheitlichen Verhaltens durch diese Strafzumessungsregel sicherzustellen. Die Regelung der Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten hat einen mit dem Wesen der Idealkonkurrenz nicht zu vereinbarenden Inhalt. Durch die grammatische Auslegung kommt man zum Ergebnis, dass der Täter bei dieser Art der Idealkonkurrenz nur wegen einer Straftat, die die schwerste Strafe androht, und nicht wegen der mitverwirklichten milderen Gesetze bestraft wird. Allerdings kann die Strafe des Täters innerhalb des Strafrahmens strafschärfend gewertet werden. Für diese Strafschärfung bildet der Art. 61, wonach „der entstandene Schaden“, „Art und Weise der Tatbegehung“, „die Wichtigkeit und der Wert des Gegenstands der Straftat“ als strafzumessungsrelevant sind, die rechtlichen Grundlagen. Der Grundgedanke der Strafzumessungsregeln der Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten geht aus dem Gesetzestext und aus der
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Gesetzesbegründung nicht hervor, wenn man aber beide Arten der Idealkonkurrenz betrachtet, ist anzunehmen, dass der Schuld- und Unrechtsgehalt der Straftaten bei der Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten im Vergleich zu Idealkonkurrenz der gleichartigen Idealkonkurrenz nicht genug berücksichtigt wird. Sowohl in der türkischen als auch in der deutschen Konkurrenzlehre ist der Grundgedanke der Strafzumessungsregeln der Idealkonkurrenz, den Täter entsprechend seiner Schuld zu bestrafen und den Unrechts- und Schuldgehalt des Tathergangs angemessen bei der Bestrafung zu berücksichtigen. Dazu dienen im deutschen Recht das „beschränkte Absorbtionsprinzip“ und „die Berücksichtigung des milderen Gesetze innerhalb der bestimmten Strafrahmen als straferhöhend“. Für die angemessene Ahndung kommt aber im türkischen Recht für die Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten nur die Strafschärfung innerhalb der Strafrahmen des Gesetzes, das die schwerste Strafe androht, in Betracht. Für die Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten dient die in Art. 43 Abs. 1 S. 2217 vorgeschriebene Strafverschärfung zur Bildung einer angemessenen Strafe. Einen weiteren Unterschied zwischen der deutschen und der türkischen Konkurrenzlehre bildet Art. 43 Abs. 3 des TCK und die Artikel im besonderen Teil des TCK, die den Anwendungsbereich der Idealkonkurrenz wesentlich begrenzen. Wie schon im ersten Teil der Arbeit ausgeführt, geht sowohl die türkische Lehre als auch die Rechtsprechung davon aus, dass „die Regelungen der Idealkonkurrenz“ Ausnahmeregelungen sind und deswegen diese Bestimmungen möglichst wenig angewendet werden sollen. Dementsprechend hat der Gesetzgeber die Anwendung der Idealkonkurrenz gleichartiger Straftaten bei vorsätzlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Tötung, Folter und Raub ausgeschlossen. Zur Begrenzung der Idealkonkurrenz beinhaltet das TCK noch weitere Bestimmungen in seinem besonderen Teil. Idealkonkurrenz wird im deutschen Strafrecht angenommen, wenn sich die Ausführungshandlungen mindestens teilweise überschneiden. Obwohl die teilweise Überschneidung der Ausführungshandlungen im türkischen Strafrecht wenig Erwähnung gefunden hat, nimmt ein Teil der Lehre in solchen Fälle die Idealkonkurrenz an und der Kassationshof hat auch in manchen Fällen, in welchen sich die Ausführungshandlungen teilweise überschneiden, die Idealkonkurrenz angenommen, ohne diese Annahme durch die teilweise Identität zu begründen. Idealkonkurrenz durch die Klammerwirkung einer dritten Straftat wird sowohl in der deutschen Konkurrenzlehre als auch in der Rechtsprechung angenommen. Die Gegner der Klammerwirkung sind der Meinung, dass durch die Klammerwirkung dem Täter ungerechtfertigt Privilegien gewährt werden. Aber im türkischen Strafrecht hat die Idealkonkurrenz durch Klammerwirkung keine Zustimmung gefunden.
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Die einzige Strafe (Einzelstrafe) wird um ein Viertel bis um drei Viertel verschärft.
B. Realkonkurrenz (Tatmehrheit)
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Nach einer genauen Betrachtung dieses Rechtsinstituts ist hier Folgendes hervorzuheben; die Idealkonkurrenz verfolgt in beiden Rechtsordnungen218 den Zweck, die zu entstehende Härte durch die Anwendung des Kumulationsprinzips abzumildern und auf diese Weise entsprechend dem Maß der Schuld des Täters eine angemessene Strafe zu verhängen. Um diesen Zweck zu erfüllen, haben beide Rechtsordnungen eigene Lösungsmodelle. Dazu dienen im deutschen Recht die Sperrwirkung des milderen Gesetzes und die Berücksichtigung der verletzten anderen Gesetze innerhalb des Strafrahmens des schwersten Delikts. Im türkischen Strafrecht wird für die Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten eine Strafverschärfung „um ein Viertel bis um drei Viertel“ vorgeschrieben. Durch diese Prinzipien wird der mehrere Strafgesetze verletzende Täter gegenüber dem Täter, der nur eine einzige Straftat begangen hat, nicht ungerecht privilegiert. In diesem Zusammenhang ist auszuführen, dass die Regelung des türkischen Strafrechts plausibel ist, um das Maß der Schuld des Täters besser zu berücksichtigen, weil durch eine solche begrenzte Verschärfungsmöglichkeit dem Richter die Möglichkeit zusteht, den Tathergang mit allen seinen Besonderheiten zu berücksichtigen. Diese Regelung ist auch bei der Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten zu begrüßen, jedoch ist er änderungsbedürftig, da die Strafschärfung nicht obligatorisch sein darf, weil durch eine solche Verschärfung das Maß der Schuld des Täters überschritten werden kann.
B. Realkonkurrenz (Tatmehrheit) I. Realkonkurrenz im deutschen Strafrecht 1. Im Allgemeinen Nach der im deutschen Strafgesetzbuch in §§ 53, 54 und 55 geregelten Realkonkurrenz begeht der Täter mehrere Straftaten, die gleichzeitig abgeurteilt werden oder hätten abgeurteilt werden können. Die Realkonkurrenz unterscheidet sich von der Idealkonkurrenz dadurch, dass bei der Realkonkurrenz der Täter mehrere Strafgesetze durch mehrere Handlungen verletzt, die keine Handlungseinheit im konkurrenzrechtlichen Sinn bilden. Wie schon im ersten Teil dargestellt, geht es um die Tateinheit gemäß § 52 im Fall der Verletzung mehrerer Strafgesetze durch eine Handlung. Wegen dieses strukturellen Unterschieds zwischen Tateinheit und Tatmehrheit wurde die Festsetzung der Strafe auch für die beiden Rechtsinstitute anders geregelt. Nach den Bestimmungen der Realkonkurrenz soll die Strafe des Täters grundsätzlich nach dem Asperationsprinzip (Verschärfung der schwersten Strafe) 218
Im deutschen Recht: Pfefferle, Über Ideal- und Realkonkurrenz, S. 11 ff.; MKv. Heintschel-Heinegg, Vor §§ 52 Rn. 14; in der türkischen Konkurrenzlehre wird zwar diese Annahme nicht ausdrücklich erwähnt, aber die historische Entwicklung dieses Rechtsinstituts und die Beeinflussungen durch ausländische Rechsordnungen auf das türkische sind ein Hinweis dafür, dass diese Erwägungen auch dem türkischen Recht zugrunde liegen.
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2. Teil: Geregelte Erscheinungsformen im deutschen und türkischen Strafrecht
festgesetzt werden. Danach müssen erst die Einzelstrafen für jede Straftat festgestellt werden und nach der Ermittlung der schwersten Einzelstrafe wird diese verschärft. Durch die Anwendung des Asperationsprinzips statt des Kumulationsprinzips wird der Täter privilegiert, da sonst, nach dem Kumulationsprinzip, die Einzelstrafen zusammengerechnet werden sollten und somit auf eine höhere Strafe erkannt werden müsste. Nach dieser Erläuterung ist es fraglich und in der Lehre umstritten, worin der Grundgedanke der Gesamtstrafenbildung besteht bzw. warum die verhängten Strafen nicht addiert werden dürfen. Es herrscht die Annahme vor, dass die Addition der Einzelstrafen eine unverhältnismäßige Strafhöhe zustande bringen könne, da das Strafübel mit der Strafhöhe nicht linear, sondern progressiv zunehme219. Deswegen verhalte sich hier die durch die Addierung verhängte Strafe nicht proportional zur Schuld. Des Weiteren könne durch die Anwendung des Kumulationsprinzips die zeitige Freiheitsstrafe ihre Bedeutung verlieren, da die zeitige Freiheitsstrafe sich durch die Addition der Strafen in eine lebenslange Freiheitsstrafe verwandeln könne.220 Daneben sei die Nichtanwendung des Kumulationsprinzips deswegen verständlich, weil mit der Begehung weiterer Straftaten nach der ersten die Tatschuld geringer geworden sei. Der Grund für die Minderung der Tatschuld liege darin, dass die Begehung weiterer Straftaten für den Täter nach der Begehung der ersten Tat leichter geworden sei, wenn für den Täter keine Strafe verhängt worden sei.221 Die eben gemachten Begründungsversuche für das Asperationsprinzip wurden in der Lehre kritisiert und für fehlerhaft befunden, da diese Ansichten keine Überzeugungskraft hätten. Die Annahme, dass durch die Erhöhung der Strafe auch das Strafleiden progressiv erhöht werde, habe keine reale Grundlage, da diese eine nicht beweisbare Begründung sei. Nach Jakobs222 ist der Grund des Verzichts auf die Anwendung der Addition die (expressive) Missbilligung aller Einzelstrafen durch die Gesamtstrafe. Daneben sei es fraglich, dass die zeitige Freiheitsstrafe durch das Kumulationsprinzip ihre Bedeutung verliere, da diese Annahme für die Anwendung des Asperationsprinzips bei der Geldstrafe nicht geeignet sei; und es sei fragwürdig, warum die zeitigen Strafen innerhalb der festgesetzten Grenze (15 Jahre gemäß § 54 Abs. 2 S. 2) nicht addiert werden könnten.223 Die Abnahme der Tatschuld bei den 219 SK-Samson/Günther, §53 Rn. 2: LK-Rissing-van Saan, § 53 Rn. 2; S/S-SternbergLieben/Bosch, vor § 52 Rn. 4; Meier, JuS 2005, 879, 881; Schoreit, FS-Rebmann, S. 443, 454 ff.; Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe, Rn. 183; für die progressive Zunahme bei der Geldstrafe, in: Jescheck, ZStW 67 (1955), 529, 530; dagegen wird ausgeführt, dass die ständige Abnahme der Schuld der Einzeltat zwar ein Grund für die Milderung der Einzelstrafen, nicht jedoch für die Gesamtstrafen sei. Bohnert, ZStW 105 (1993), 846, 851 ff. 220 S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, vor § 52 Rn. 4; Montenbruck, JZ 1988, 332 f. 221 Schoreit, FS-Rebmann, S. 443, 453 ff.; (die Begehung der ersten Tat vereinfacht die Begehung weiterer Taten); Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II7, § 56 Rn. 57. 222 Jakobs, Strafrecht AT, 33 Rn. 14. 223 Jakobs, Strafrecht AT, 33 Rn. 14; Deiters, Strafzumessung, S. 20 ff.: Deiters weist über die progressive Zunahme des Strafübels darauf hin, dass die progressive Zunahme des Strafübels bei der Freiheitsstrafe nicht beweisbar ist, da nach der allgemeinen Erfahrung die Anpassung an das Gefängnis in der ersten Zeit schwer ist und der Häftling sich mit der Zeit an die
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weiteren Straftaten224 sei auch für das Asperationsprinzip kein einleuchtendes Kriterium, da die Einzeltatschuld bei der Feststellung der Einzelstrafen eine wichtige Rolle spiele, nicht aber bei der Gesamtstrafenbildung.225 Außerdem wird in der Lehre226 die Strafmilderung durch Gesamtstrafenbildung als ungerecht angesehen, weil eine solche Milderung für den Mehrfachtäter im Vergleich zum Einzeltäter nicht schuldangemessen sei. Dagegen hat Frister227 ausgeführt, dass nach dieser Ansicht der Unrechtswert der Taten von der Rechtsgutsverletzung abhängig sei. Seiner Auffassung nach ist das Unrecht des Täters, der mehrere Straftaten begangen hat, nicht genauso hoch wie das Unrecht der Einzeltaten, die von mehreren Tätern begangen werden. Die Rechtsgutsverletzung, die für die Feststellung des Unrechtgehalts erforderlich sei, spiele zwar bei der Feststellung der Unrechtshöhe eine bedeutende Rolle, aber sie sei nicht die einzige wichtige Größe. Demzufolge hat Frister vertreten, dass jede Straftat mit der Geltung der Normen auch die Geltung des Rechts beeinträchtige und diese Beeinträchtigung eine Gemeinsamkeit („eine partielle Identität des Unrechts“) bilde, die die Anwendung des Asperationsprinzip begründe. 2. Die Arten und die Voraussetzungen der Realkonkurrenz a) Gleichartige und ungleichartige Realkonkurrenz Die gleichartige Realkonkurrenz liegt vor, wenn durch mehrere Handlungen dasselbe Strafgesetz mehrmals verletzt wird. Für die gleichartige Realkonkurrenz können folgende Bespiele genannt werden: Die Diebstähle an verschiedenen Tagen, die Tötung mehrerer Menschen durch mehrere Handlungen oder sexuelle Angriffe gegen mehrere Opfer durch mehrere Handlungen. Bei der Verletzung der verschiedenen Strafgesetze durch mehrere Handlungen geht es um die ungleichartige Realkonkurrenz. Wenn der Täter an einem Tag eine Körperverletzung begeht; am darauffolgenden Tag einen Menschen tötet, liegt somit eine ungleichartige Realkonkurrenz vor.
Umstände und Gegebenheiten gewöhnt. Eine progressive Zunahme bei der Geldstrafe ist auch fraglich, da der Gesetzgeber für die Geldstrafe eine bestimmte Höchstgrenze (720 Tage, § 54 Abs. 2 S. 2) und für die Minderung der Härte der Geldstrafe eine Ratenzahlung vorgesehen hat; vgl. Montenbruck, JZ 1988, 332, 333; Bohnert, ZStW 105 (1993), 846, 848. 224 s. o. S. 152, Fn. 221. 225 Vgl. Bohnert, ZStW 105 (1993), 846, 851 f. 226 Bohnert, ZStW 105 (1993), 846, 851. 227 NK-Frister, § 53 Rn. 5, 6: Das Verhalten des Mehrfachtäters verletze einerseits die Rechtsordnung und andererseits die geltende Norm und deswegen liege hier eine „partielle Identität des Unrechts“ vor, die bei der Gesamtstrafenbildung berücksichtigt und mindernd bewertet werden müsse; vgl. Erb, ZStW 105 (2005), 37, 51 ff.
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b) Die Voraussetzungen der Realkonkurrenz Die erste Voraussetzung zur Begründung der Realkonkurrenz ist das Vorliegen mehrerer Gesetzesverletzungen. Diese Voraussetzung kann die Begehung verschiedener Straftaten oder die mehrmalige Verletzung desselben Gesetzes sein. Diese Gesetze müssen durch mehrere Handlungen, die keine Handlungseinheit im konkurrenzrechtlichen Sinn bilden, verletzt werden.228 Die gleichzeitige Aburteilung der verletzten Gesetze ist eine weitere Voraussetzung für die Tatmehrheit gemäß § 53. Außerdem darf kein Fall der Gesetzeskonkurrenz vorliegen; die letzte Voraussetzung für die Tatmehrheit ist also der Ausschluss der Gesetzeskonkurrenz.229 3. Das Zusammentreffen der gleichen oder verschiedenen Strafarten Je nachdem, ob gegen den Täter mehrere Freiheitsstrafen, mehrere Geldstrafen oder neben einer Freiheitsstrafe auch eine Geldstrafe verhängt werden, kann die obligatorische oder fakultative Gesamtstrafenbildung zwischen den Strafkonstellationen zur Anwendung kommen. a) Das Zusammentreffen mehrerer Freiheitsstrafen Beim Zusammentreffen mehrerer Freiheitsstrafen muss von den Einzelfreiheitsstrafen eine gesamte Freiheitsstrafe „als Gesamtstrafe“ gemäß § 53 Abs. 1 gebildet werden (obligatorische Gesamtfreiheitsstrafe). Wenn eines der verletzten Gesetze eine lebenslange Freiheitsstrafe vorgeschrieben hat, muss in diesem Fall auf eine lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe erkannt werden (§ 54 Abs. 1 S. 1). Der Täter muss somit nur mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe bestraft werden, auch wenn er als Mörder durch mehrere Handlungen „mehrere Menschen“ getötet hat.230 Beim Zusammentreffen der Freiheitsstrafe mit dem nach dem Wehrstrafrecht verhängten Strafarrest kann grundsätzlich auf eine Gesamtfreiheitsstrafe erkannt 228
Das heißt: Zur Bejahung der Tatmehrheit darf kein Fall der Idealkonkurrenz vorliegen; für die Handlungseinheit im konkurrenzrechtlichen Sinn siehe die Ausführungen im ersten Teil der Arbeit. 229 NK-Frister, § 53 Rn. 13; LK-Rissing-van Saan, § 53 Rn. 5 ff.; S/S-Sternberg-Lieben/ Bosch, § 53 Rn. 3 ff.; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 53 Rn. 8; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 119 ff.; SK-Samson/Günther, § 53 Rn. 3 ff.; Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe, Rn. 10 ff.; Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 36 Rn. 33. 230 Nach der alten Fassung der §§ 53 Abs. I, II; 54 Abs. I und II, S. 2 durfte beim Zusammentreffen der lebenslangen Freiheitsstrafe mit einer lebenslangen oder zeitigen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe nicht erkannt werden. Beim Vorliegen mehrerer lebenslanger Freiheitsstrafen musste auf mehrere lebenslange Freiheitsstrafen erkannt werden. Wenn eine lebenslange Freiheitsstrafe mit mehreren zeitigen Freiheitsstrafen zusammentraf, war auf eine lebenslange Freiheitsstrafe und auf eine Gesamtstrafe von mehreren zeitigen Freiheitsstrafen zu erkennen. Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe, Rn. 111 f.
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werden.231 Für den Fall, dass mehrere Strafarreste zusammentreffen, kann eine Gesamtstrafe gebildet werden.232 Im Jugendstrafrecht kommt eine Gesamtstrafenbildung nicht in Betracht, weil im Jugendstrafrecht gemäß § 31 JGG das Prinzip der Einheitsstrafe gilt. Eine Gesamtstrafenbildung im Jugendstrafrecht kommt nur infrage, wenn mehrere gleichzeitig abzuurteilende Straftaten vorliegen, auf die teils Jugendstrafecht und teils allgemeines Strafrecht anzuwenden wäre. In solchen Fällen finden die allgemeinen Regelungen Anwendung, wenn das Schwergewicht bei den Straftaten liegt, die nach dem allgemeinen Strafrecht beurteilt werden müssen. Sonst muss der Täter nach dem Jugendstrafrecht gemäß § 32 JGG, also nach dem Prinzip der Einheitsstrafe verurteilt werden. b) Das Zusammentreffen mehrerer Geldstrafen Die Geldstrafen nach dem deutschen Strafrecht sind nach §§ 47, 41233 und nach den Paragrafen des besonderen Teils, die die Geldstrafe neben der Freiheitsstrafe als alternativ vorschreiben, zu verhängen. Werden nach § 47 und/oder nach den Paragrafen des besonderen Teils mehrere Geldstrafen als Einzelstrafen verhängt, obliegt dem Tatrichter eine obligatorische Gesamtstrafenbildung. Die Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe aus den einzelnen Geldstrafen ist nicht zulässig. Es muss demnach aus den Einzelgeldstrafen eine Gesamtgeldstrafe gemäß § 53 Abs. 1 nach dem Asperationsprinzip gebildet werden.234 Die Kumulation der Einzelgeldstrafen wird in der Lehre als mit dem Schuldprinzip unvereinbar bezeichnet, weil bei der Gesamtgeldstrafe mit der Gesamtgeldstrafenhöhe das Strafübel progressiv zunehme.235 Daneben ist die Bildung einer Gesamtgeldstrafe zwischen den Geldstrafen und Geldbußen nach dem OWiG nicht möglich, weil die Geldbußen keine Geldstrafen sind.236 Hier gilt das Kumulationsprinzip der Geldstrafen und Geldbußen. In der Lehre wird vertreten, dass die Nichtanwendung des Asperationsprinzips beim Zusammentreffen von Geldstrafe und Geldbuße mit dem Grundgedanken der Gesamtstrafenbildung nicht vereinbar sei.237
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NK-Frister, § 53 Rn. 15, Ausnahme §§ 13 Abs. 2 S. 2 WStG, i. V. m. 14a WStG; MKv. Heintschel-Heinegg, § 53 Rn. 14; LK-Rissing-van Saan, § 53 Rn. 11, 12; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 124 ff.; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 53 Rn. 14. 232 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 124 ff. 233 Neben Freiheits- oder Geldstrafen ist eine gesonderte Verhängung der Geldstrafe gemäß § 41 möglich: dazu siehe unten: Zweiter Teil B. I. 3. c). 234 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 129; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 53 Rn. 15; LKRissing-van Saan, § 53 Rn. 13. 235 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 128; vgl. Jescheck, ZStW 67 (1955), 529, 530. 236 Vgl. BGH NStZ-RR 1999, 138. 237 S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 53 Rn. 16; NK-Frister, § 53 Rn. 17; Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe, Rn. 114; vgl. LG Verden NJW 1975, 127.
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c) Das Zusammentreffen der Freiheits- und Geldstrafen Nach § 53 Abs. 2 S. 1 wird auf eine Gesamtstrafe erkannt, wenn eine Freiheitsstrafe mit einer Geldstrafe zusammentrifft. Daneben gibt das Gesetz (§ 53 Abs. 2 S. 2 Hs. 1) dem Richter die Möglichkeit, neben einer Freiheitsstrafe gesondert auf eine Geldstrafe zu erkennen. Aber die Regelung enthält keine Erklärung darüber, wann der Tatrichter diese Regelung verwenden soll. Es ist fraglich, wie der Tatrichter von dieser Regelung Gebrauch machen soll. Deswegen ist diese fakultative Gesamtstrafenbildung in der Lehre umstritten. Ein Teil der Lehre238 sieht hier die Kumulation von Freiheits- und Geldstrafen als Ausnahme an. Die Bildung einer Gesamtstrafe zwischen Freiheits- und Geldstrafen sei der Regelfall, weil vom Gesetzeswortlaut festzustellen sei, dass die Gesamtstrafenbildung den Regelfall darstelle. Gegen diese Ansicht wird auch angeführt, dass in solchen Situationen nicht die Gesamtstrafenbildung, sondern ein gesondertes Erkennen auf Freiheits- und Geldstrafen die Regel sei, da im Fall der Gesamtstrafenbildung gegenüber dem Täter eine noch höhere und schwerere Freiheitsstrafe verhängt und er auf diese Weise benachteiligt werde.239 Nach einer anderen Ansicht ist es keine richtige Lösung, weder eine Gesamtstrafenbildung noch eine gesonderte Strafverhängung als Regelfall anzunehmen. Im Einzelfall solle der Tatrichter mit der Berücksichtigung der Einflüsse der Strafen gegenüber dem Täter „eine angemessene Lösung“ finden.240 Sosehr der BGH in seinen Entscheidungen betont, dass beim Zusammentreffen von Freiheits- und Geldstrafen grundsätzlich eine Gesamtstrafe gebildet werden soll241, wird aber auch verlangt, dass sowohl die Gesamtstrafenbildung als auch das gesonderte Erkennen auf Geld- und Freiheitsstrafen begründet werden soll242. Damit liefert die Ansicht des BGH eine angemessene Lösung. Wenn also die Gesamtstrafenbildung für den Täter ein schwerwiegendes Übel darstellt, da der Täter wegen dieser Strafe die Bewährungsmöglichkeit verliert, kann das Gericht gesondert auf Geldstrafe erkennen.243
238 MK-v. Heintschel-Heinegg, § 53 Rn. 17; Fischer, § 53 Rn. 5; vgl. NK-Frister, § 53 Rn. 18 ff. 239 S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 53 Rn. 17: Sternberg-Lieben und Bosch begründen ihre Ansicht dadurch, dass eine Gesamtstrafenbildung mit dem Grundgedanken des § 47 nicht vereinbar sei, da in § 47 für die nicht schweren Straftaten das Erkennen auf die Geldstrafe als Regelfall vorgeschrieben werde. Durch die Gesamtstrafenbildung könne § 47 seine Bedeutung verlieren; dagegen sagt Roxin, dass § 47 keine überzeugende Begründung für die Annahme der gesonderten Strafverhängung als Regelfall bilde, da § 53 kein Indiz dafür enthalte. Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 134. 240 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 134 („eine verschärfte Freiheitsstrafe oder eine Kumulation“); Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 68 II 2. 241 BGHSt 23, 260, 260 f. 242 BGH VRS 43, 422, 422 f.; BGH NStZ 2009, 27. 243 BGH NJW 1990, 2897; BGH StV 2007, 129; BGH NStZ-RR 2002, 264; BGH NStZ 1989, 572.
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Beim Zusammentreffen der Freiheitsstrafe mit mehreren Einzelgeldstrafen kann das Gericht gesondert auf Geldstrafe erkennen. Aber bei mehreren Einzelgeldstrafen muss eine Gesamtgeldstrafe gebildet werden. Daneben hat das Gericht die Möglichkeit, aus den Freiheits- und einem Teil der Geldstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden, und daneben auf die Geldstrafe gesondert zu erkennen bzw. neben einer Gesamtfreiheitsstrafe aus sonstigen Geldstrafen eine Gesamtgeldstrafe zu bilden.244 Aus den Freiheits- und Geldstrafen darf keine Gesamtstrafe gebildet werden, wenn auf die Geldstrafe für ein und dieselbe Straftat gemäß § 41 als zweite Hauptstrafe neben Freiheitsstrafe erkannt wird. Ebenso kann auf die Geldstrafe als zweite Hauptstrafe neben einer Gesamtstrafe erkannt werden, die aus Geld- und Freiheitsstrafen gebildet wird. Eine gegenteilige Annahme wäre mit dem kriminalpolitischen Zweck des § 41 nicht vereinbar.245 Aus den als zweite Hauptstrafe verhängten Geldstrafen nach § 41 und den für weitere Taten verhängten Geldstrafen wird auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt. Beim Zusammentreffen mehrerer Geldstrafen, die nach § 41 für die unterschiedlichen Taten verhängt worden sind, ist auf eine Gesamtgeldstrafe zu erkennen.246 d) Die Anordnung der Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen neben der Gesamtstrafe Es ist auch fraglich, ob über den Täter neben einer Gesamtstrafe Nebenstrafen, Nebenfolgen oder Maßnahmen verhängt werden können. In diesem Zusammenhang weist § 53 Abs. 4 auf § 52 Abs. 4 hin. Nach § 52 Abs. 4 S. 2 kann oder muss auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze sie vorschreibt oder zulässt. Mit dieser Regelung behalten die Einzelstrafen ihre eigene Bedeutung und bei der Bestimmung der Nebenstrafen usw. spielen sie eine entscheidende Rolle. Demnach ist die Verhängung von Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen neben der Gesamtstrafe nicht von der Gesamtstrafe, sondern von den Einzeltaten abhängig. Wenn für die Einzeltaten gleiche Maßnahmen oder Nebenstrafen verhängt werden müssen oder können, ist nur auf eine Rechtsfolge mit der Berücksichtigung der bestimmten Höchstgrenzen zu verhängen, sonst sind auf diese gesondert zu erkennen.247 244
MK-v. Heintschel-Heinegg, § 53 Rn. 20; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 53 Rn. 20; vgl. BGHSt 25, 382, 382 f. 245 Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 68 II 2; LK-Rissing-van Saan, § 53 Rn. 18; S/SSternberg-Lieben/Bosch, § 53 Rn. 20; NK-Frister, § 53 Rn. 25; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 137; vgl. BGHSt 23, 260. 246 BGHSt 25, 380, 380 ff.; 23, 260, 260 f.; BGH StV 1999, 598. 247 Die bestimmten Höchstgrenzen dürfen zwar nicht überschritten werden, aber innerhalb der gesetzlichen Grenzen können z. B die Fristen höher bemessen werden. LK-Rissing-van Saan, § 53 Rn. 20 ff.; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 139; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 53 Rn. 20; NK-Frister, § 53 Rn. 25; vgl. BGHSt 12, 85, 85 ff.; 30, 305, 305 ff.; BGH NJW 1958, 2025.
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4. Die Bildung der Gesamtstrafe In § 54 Abs. 1 wird zur Bildung der Gesamtstrafe eine dreistufige Vorgehensweise vorgeschrieben. Zuerst muss für jede Einzeltat eine Strafe festgesetzt werden. Danach muss von diesen Einzelstrafen die höchste Einzelstrafe ermittelt werden. Nach der Ermittlung ist auf die Gesamtstrafe durch Erhöhung der höchsten Einzelstrafe (das sog. Asperationsprinzip) zu erkennen. a) Die Feststellung der Einzelstrafen Für jede begangene Straftat muss zuerst die jeweilige Einzelstrafe mit der Berücksichtigung der Grundsätze der Strafzumessung gemäß § 46 festgesetzt werden. Danach sind für die Feststellung der Einzelstrafen der Schuld- und Unrechtsgehalt der Einzeltaten und die in § 46 Abs. 2 aufgezählten Umstände zu bewerten. Hier taucht die Frage auf, ob der Tatrichter die anderen begangenen Straftaten bei der Festsetzung der Einzelstrafen in Betracht ziehen darf. Zwar wird in Rechtsprechung248 und Lehre249 angenommen, dass die Festsetzung der Einzelstrafen für die Einzeltaten von den anderen Taten unabhängig sei oder die Begehung anderer Straftaten unberücksichtigt bleiben solle, aber diese Annahme gilt nicht ausnahmslos. Wenn die Begehung anderer Straftaten zur Festsetzung der Einzelstrafen relevant ist, können sie nicht außer Acht gelassen werden. Eine Gesamtbetrachtung kann zum Ergebnis führen, dass die Freiheitsstrafe erforderlich ist, aber durch die Einzeltatbetrachtung kann der Täter von der Härte der Freiheitsstrafe mit einer milderen Strafe davonkommen, wenn für jede Einzeltat ohne Berücksichtigung anderer Delikte auf Geldstrafen erkannt wird. Deswegen sollen auch alle Straftaten bei der Feststellung der Einzelstrafen mitberücksichtigt werden.250 Der Tatrichter muss die Strafzumessungsgründe bei der Festsetzung der Einzelstrafen für jede einzelne Tat im Urteil darstellen und begründen. Diese Begründung ist notwendig, da die Einzelstrafen bei der Gesamtstrafenbildung eine entscheidende Rolle spielen.251 Aus der fehlerhaften Feststellung der Einzelstrafen resultiert eine fehlerhafte Gesamtstrafe; deswegen müssen die Einzelstrafen so ausführlich begründet werden, als ob sie allein abgeurteilt würden. 248
BGH NStZ-RR 1998, 107, 107; BGHSt 24, 268, 271. Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 68 III 1 a: Die Strafzumessung ist so vorzunehmen, als ob der Täter nur die abzuurteilende Straftat begangen hätte; vgl. Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 140. 250 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 140; vgl. Bruns, Strafzumessungsrecht, S. 473 ff.; BGHSt 24, 268, 271: „… kann es erforderlich sein, etwa die Tatsache der Häufung von Straftaten bereits bei der Festsetzung der Einzelstrafen zu berücksichtigen.“ Dagegen weist Frister darauf hin, dass die prozessuale Selbstständigkeit der Einzelstrafen mitberücksichtigt wird. Wenn also eine der Einzeltaten, die sich bei der Einzel- und Gesamtstrafenbildung auswirkt, fehlerhaft ist, müssen nicht nur die Gesamtstrafe, sondern auch die Einzelstrafen aufgehoben werden. NK-Frister, § 54 Rn. 8. 251 Vgl. Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 141. 249
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b) Die Feststellung der Einsatzstrafe Nach der Feststellung der Einzelstrafen muss die schwerste Einzelstrafe, die als Einsatzstrafe bezeichnet wird, aus den Einzelstrafen ermittelt werden. Die schwerste Einzelstrafe ist bei den Freiheitsstrafen diejenige, die den längsten Freiheitsentzug zur Folge hat. Wenn eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe ist, ist die lebenslange Freiheitsstrafe als Einsatzstrafe zu verwenden. Die höchste Geldstrafe ist nicht von der Höhe des Tagessatzes, sondern von der Anzahl der Tagessätze abhängig, weil das Gericht gemäß § 40 den zu zahlenden Tagessatz unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters unterschiedlich bestimmen kann, und ein Tagessatz zwischen einem und höchstens 30 000 Euro festgesetzt werden kann.252 Bei der Verwirkung der gleichartigen Straftaten ist eine quantitative Betrachtungsweise erforderlich.253 Wenn die gleichartigen Einzelstrafen gleich hoch sind, ist eine dieser Einzelstrafen als Einsatzstrafe zu bestimmen. Die Einsatzstrafe bei den verschiedenartigen Einzelstrafen ist die nach ihrer Art schwerste Einzelstrafe. Die Freiheitsstrafe ist die nach ihrer Art schwerste Einzelstrafe zwischen Freiheits-, Geldstrafe und Strafarrest. Auch wenn die Anzahl der Tagessätze gegenüber der Freiheitsstrafe noch höher wären, ist die Freiheitsstrafe als Einsatzstrafe zu bestimmen, da der Freiheitsentzug seiner Art nach immer schwerer als eine Geldstrafe wiegt. Darauf weisen auch §§ 46, 54 Abs. 3 hin.254 Der Strafarrest ist auch nach seiner Art milder als die Freiheitsstrafe. Eine Reihenfolge von der schwersten zu der milderen Strafe lautet folgendermaßen: Freiheitsstrafe, Strafarrest, Geldstrafe.255 c) Die Bildung der Gesamtstrafe durch die Erhöhung der Einsatzstrafe Als Letztes muss die festgestellte Einzelstrafe innerhalb der bestimmten Grenzen verschärft werden (§ 54 Abs. 1 S. 2). Eine Untergrenze hat der Gesetzgeber ausdrücklich (oder wörtlich) nicht geregelt, aber mithilfe des § 54 Abs. 1 S. 2 kommt man zum Ergebnis, dass eine Untergrenze vorliegt, da die festgestellte höchste 252 NK-Frister, § 54 Rn. 10; Lackner/Kühl, § 54, Rn. 3; vgl. BGH NJW 1986, 1117; 10 000 E können schwerer wiegen als 15 000 E, wenn z. B. die erste Geldstrafe für 100 Tagessätze und die letzte für 90 Tagessätze bestimmt wird. 253 S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 54 Rn. 4; Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe, Rn. 161. 254 Z. B. gemäß § 54 Abs. 3 bei der Gesamtstrafenbildung aus Freiheits- und Geldstrafen entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe. Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe, Rn. 161; NK-Frister, § 54 Rn. 10; S/SSternberg-Lieben/Bosch, § 54 Rn. 5; vgl. Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 141; BGHSt 37, 106, 133. 255 NK-Frister, § 54 Rn. 10; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 54 Rn. 5 ff.; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 54 Rn. 10 f.
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Einzelstrafe erhöht werden muss. Also soll die Gesamtstrafe eine Strafeinheit256 höher als die höchste Einzelstrafe sein. In manchen Fällen hat der Gesetzgeber absolute Höchstgrenzen, die nicht überschritten werden dürfen, vorgeschrieben. Gemäß § 54 Abs. 1 darf die Gesamtstrafe die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Danach soll die zu verhängende Gesamtstrafe von der Summe der Einzelstrafen mindestens eine Strafeinheit niedriger sein. Beim Zusammentreffen von Einzelstrafen in Höhe von einem Jahr und in Höhe von einem Monat soll der Tatrichter auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und einer Woche erkennen; außerdem darf er höchstens eine Strafe in Höhe von einem Jahr und drei Wochen verhängen.257 Und nach Abs. 2 darf die Gesamtstrafe bei zeitigen Freiheitsstrafen 15 Jahre, bei einer Geldstrafe 720 Tagessätze nicht übersteigen. Demnach beträgt die Höchstgrenze für die zeitige Freiheitsstrafe 15 Jahre. Deswegen darf eine Einsatzstrafe wegen der absoluten Höchstgrenze nicht mehr erhöht werden, wenn sie 15 Jahre beträgt. Bei mehreren Geldstrafen darf die Gesamtgeldstrafe die absolute Höchstgrenze von 720 Tagessätzen nicht überschreiten. Auch wenn neben einer Freiheitsstrafe eine Einzel- oder Gesamtgeldstrafe verhängt wird, muss die im Gesetz vorgeschriebene Grenze eingehalten werden.258 Beim Vorliegen einer oder mehrerer lebenslangen Freiheitsstrafe(n) wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt.259 Der Tatrichter kann im Fall der Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe die besondere Schwere der Schuld des Täters aufgrund anderer Taten berücksichtigen.260 d) Die Strafzumessungsgründe bei der Gesamtstrafenbildung Bei der Gesamtstrafenbildung ist darauf einzugehen, welche Strafzumessungsgründe in Betracht gezogen werden und inwieweit die Begehung anderer Straftaten vom Tatrichter berücksichtigt werden muss. Vor allem sei es bei der Gesamtstrafenbildung nicht zulässig, erst die Einzelstrafen zu addieren und danach diese Strafe 256 Das Ausmaß der Strafeinheit kann nach § 39 bestimmt werden. Nach diesem Paragrafen wird eine Freiheitsstrafe unter einem Jahr nach vollen Wochen und Monaten bestimmt. Wenn die Freiheitsstrafe mehr als ein Jahr beträgt, wird die Freiheitsstrafe nach vollen Monaten und Jahren bestimmt. Bei den Geldstrafen beträgt das Ausmaß der Strafeinheit mindestens einen Tagessatz. 257 Obwohl in diesem Fall die Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr liegt, darf der Tatrichter die Freiheitsstrafe nicht nach vollen Monaten, sondern nach vollen Wochen bemessen, sonst können die Unter- und Höchstgrenzen nicht eingehalten werden; vgl. BGH NStZ-RR 2004, 137; vgl. BGHSt 12, 244, 244. 258 NK-Frister, § 54 Rn. 13 ff.; Bringewat, NStZ 1993, 316, 319. 259 Auch beim Vorliegen der lebenslangen Freiheitsstrafe(n) und weiteren zeitigen Freiheitsstrafen oder Einzelgeldstrafen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen. 260 Stree, NStZ 1997, 277, 277: Der BGH hat in dieser Entscheidung die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld des Täters als nicht erforderlich angesehen. Dagegen ist Stree der Meinung, dass der Tatrichter diese Feststellung machen muss und er erwartet eine solche Anwendungspflicht durch die Entscheidungen des BGH; vgl. LK-Rissing-van Saan, § 54 Rn. 5.
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zu verringern oder die Einsatzstrafe in bestimmtem Maß zu erhöhen.261 Dementsprechend hat der BGH bei einer Entscheidung das Urteil des Landgerichts deswegen als unzulässig verworfen, weil das Landgericht die Einsatzstrafe um die Hälfte der anderen Einzelstrafen erhöht habe.262 Vor allem hat das Zusammenzählen der Strafen eine wichtige Bedeutung zur Feststellung der Höchstgrenzen bei der Gesamtstrafenbildung, es ist aber zur Feststellung der Gesamtstrafe nicht entscheidend. Eine Vorgehensweise, nach der erst die Einzelstrafen zu addieren und danach die durch die Addition entstandene Strafe zu verringern oder die Einsatzstrafe in bestimmtem Maße zu erhöhen ist, sei nicht akzeptabel, weil die Tatrichter „die Strafe durch eine zusammenfassende Würdigung der Person des Täters und der einzelnen Straftaten bestimmen263; deswegen müsse der Tatrichter gemäß § 54 Abs. 1 S. 3 innerhalb der festgestellten Grenzen mit der zusammenfassenden Berücksichtigung der Person des Täters und der einzelnen Straftaten eine Gesamtstrafe bilden. Bei der Erhöhung der Einsatzstrafe spielt das Verhältnis zwischen den Einzeltaten eine wichtige Rolle. Zur Feststellung dieses Verhältnisses ist nach den Entscheidungen des BGH264 „der Zusammenhang, ihre größere oder geringere Selbstständigkeit der Taten, die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter, der Begehungsweisen und das Gesamtgewicht der abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen“.265 Auch der zeitliche, sachliche und situative Zusammenhang zwischen mehreren Taten gegen dasselbe Opfer könne als ein Grund für die geringfügige Erhöhung berücksichtigt werden.266 Nach diesen Grundsätzen ist bei der Gesamtstrafenbildung eine Gesamtbetrachtung aller Taten mit der Täterpersönlichkeit ausschlaggebend.267 Neben der Gesamtbetrachtung aller Taten ist also auch die Täterpersönlichkeit ein wichtiges Kriterium bei der Gesamtstrafenbildung. Hier sind die Strafempfänglichkeit des Täters, Schuld- und Unrechtsgehalt der Taten, die Einflüsse der Strafe für das künftige Leben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
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NK-Frister, § 54 Rn. 17; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 54 Rn. 14; MK-v. HeintschelHeinegg, § 54 Rn. 19; Bohnert, ZStW 105 (1993), 846, 867; BGH NStZ 2001, 365, 365 f.: Nach dieser Entscheidung ist eine Rechenformel bei der Gesamtstrafenbildung falsch. Jeder Schematismus ist der Gesamtstrafenbildung fremd; BGH StV 1994, 424. 262 BGH NStZ-RR 2009, 200. 263 NK-Frister, § 54 Rn. 17; vgl. S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 54 Rn. 14. 264 BGHSt 24, 268, 269 f.; BGH NStZ-RR 1997, 228; BGH NJW 1995, 2234, 2234 f. 265 NK-Frister, § 54 Rn. 18 ff.; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 54 Rn. 15 ff.; MKv. Heintschel-Heinegg, § 54 Rn. 19 ff.; LK-Rissing-van Saan, § 54 Rn. 12 ff.; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 150 ff.; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 1208 ff.; Schweling, GA 1955, 289, 291 ff.; vgl. Reichenbach, JR 2012, 9, 9 ff. 266 BGH NStZ 1995, 77; 2001, 365, 366; vgl. Theune, NStZ 1986, 153, 158; vgl. BGH NStZ 2001, 365 f.; hier ist die Begehung mehrerer Straftaten gegen dasselbe Opfer nicht zwingend erforderlich, um den Täter von der milderen Erhöhung profitieren zu lassen. 267 BGH NStZ-RR 1997, 131.
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sowie sein Verhalten nach der Tat (§ 47) zu berücksichtigen.268 Die Begehung mehrerer Straftaten kann als strafverschärfend bewertet werden, wenn der Täter mit einer solchen Gesinnung handelt, dass über ihn wegen der weiteren Taten keine Strafe verhängt wird oder dass die Einsatzstrafe nur geringfügig erhöht wird.269 Bei der Gesamtstrafenbildung soll der Tatrichter jeden einzelnen Umstand im jeweiligen Tatgeschehen selbstständig bewerten, weil, obwohl ein Umstand in einem Fall strafmildernd bewertet werden kann, ein ähnlicher Umstand in einem anderen Fall als strafschärfend interpretiert werden könnte.270 Es ist fragwürdig, ob und inwieweit der Tatrichter die Strafzumessungsgründe, die schon bei der Feststellung der Einzelstrafen berücksichtigt wurden, bei der Gesamtstrafenbildung in Betracht ziehen darf. Ein Teil der Lehre271 und die Rechtsprechung272 gehen davon aus, dass eine gesonderte Berücksichtigung der gleichen Strafzumessungsgründe bei der Einzel- und Gesamstrafenbildung nicht durchführbar sei. Deswegen dürfen die für die Strafzumessung relevanten Tatsachen sowohl bei der Feststellung der Einzelstrafen als auch bei der Erhöhung dieser Einsatzstrafe bewertet werden. Obwohl die Gegenansicht eine mehrfache Bewertung der Strafzumessungsgründe bei der Gesamtstrafenbildung als unzulässig annimmt, weil dies mit dem Doppelverwertungsverbot nicht vereinbar sei273, ist dieser Gesichtspunkt nicht ausnahmslos verwendbar. Die täterbezogenen Straftatbestände können doppelt verwendet werden, da die Trennung dieser Umstände bei den Straffestsetzungen (Einzel- und Gesamtstrafe) unmöglich ist.274 Ein weiterer bei der Strafzumessung zu berücksichtigender Umstand ist die Verfahrensdauer (Verfahrensverzögerung). Wenn das Verfahren gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK nicht in angemessener Zeit zum Ende gebracht wird, soll der Tatrichter sowohl für die Einzelstrafen, deren Beurteilung verzögert wird, als auch für die Gesamtstrafe den Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Betracht ziehen und die Gesamtstrafe mildern bzw. einen Teil der Gesamtstrafe für vollstreckt erklären.275 Ebenso, wie eine ausführliche Begründung bei der Feststellung der Einzelstrafen erforderlich ist276, müssen auch für die Gesamtstrafenbildung als relevant ange268 NK-Frister, § 54 Rn. 21; vgl. BGH NStZ-RR 1997, 130, 130 f.; vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 1215. 269 BGHSt 24, 268, 270. 270 Vgl. Schweling, GA 1955, 289, 296; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, Rn. 1213. 271 Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe, Rn. 184; LK-Rissing-van Saan, § 54 Rn. 12; Bruns, FS-H. Mayer, S. 374, 374 f. 272 BGHSt 8, 205, 210; BGH NStZ-RR 1998, 236, 236 f. 273 S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 54 Rn. 15; Jakobs, Strafrecht AT, 33 Rn. 18: Nicht die Taten, sondern die Strafen bilden die Erhöhungsgründe. 274 S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 54 Rn. 15. 275 LK-Rissing-van Saan, § 54 Rn. 15; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 54 Rn. 24 ff.; BGH NStZ 2002, 589, 589 f.; BGHSt 52, 124, 124 ff.; StV 2008, 299, 299 f.; BVerfG NStZ 1997, 591. 276 BGH JR 2012, 35, 36; BGHSt 24, 268, 271.
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nommene Strafzumessungsgründe im Urteil näher ausgeführt werden. Nach den Entscheidungen des BGH277 ist eine eingehendere Begründung grundsätzlich besonders dann erforderlich, wenn die Gesamtstrafe sehr nahe an der Grenze zur Summe der Einzelstrafen liegt oder das Ausmaß der Erhöhung der Einsatzstrafe ziemlich niedrig ausfällt. Wenn dies nicht der Fall sei, brauche der Tatrichter in einfach gelagerten Fällen seine Entscheidung nicht detailliert zu begründen, um Wiederholungen vermeiden zu können.278 e) Verfahrensrecht Nach der Verhängung der Gesamtstrafe muss im Urteilstenor nur die Gesamtstrafe erwähnt werden, die Einzelstrafen sind nur bei den Entscheidungsgründen auszuführen. Für die Bestimmung der Verjährungsfrist, die Strafaussetzung zur Bewährung und die Verwarnung mit Strafvorbehalt sind nicht die Einzelstrafen, sondern ist die erkannte Gesamtstrafe entscheidend. Und mit der Verbüßung der Gesamtstrafe gelten auch die Einzelstrafen als vollstreckt. Wird ein Teil der Einzelstrafen oder die Gesamtstrafe im Rechtsmittelverfahren aufgehoben, bleiben andere Einzelstrafen bestehen. Das zeigt die Selbstständigkeit der Einzelstrafen. Im Fall der Aufhebung der Einzelstrafe(n) muss eine neue Gesamtstrafe gebildet werden, aber als neue Gesamtstrafe kann der Tatrichter auf die alte Gesamtstrafe279 oder beim Nichteingreifen des Verschlechterungsverbots auf eine höhere Gesamtstrafe erkennen. Daneben bleiben die Einzelstrafen bestehen, auch wenn nur die Gesamtstrafe aufgehoben wird.280 Nur die Gesamtstrafe kann aufgehoben werden, wenn z. B. die Strafe die festgestellten Grenzen unter- oder überschreitet oder die Gesamtstrafe nicht genug begründet wird. Nach der Aufhebung des Urteils darf der Tatrichter eine höhere Gesamtstrafe wegen des Verschlechterungsverbots nicht bestimmen, wenn die Revision nur von dem Angeklagten eingelegt wird. Die neu gebildete Gesamtstrafe darf demnach nicht die alte Gesamtstrafe übersteigen. Aber darf die neue Gesamtstrafe grundsätzlich die alte Strafe in dem Fall überschreiten, wenn eine neue Einzeltat hinzukommt. Das Verbot der reformatio in peius gilt auch in solchen Fällen für die alte Gesamtstrafe; deswegen hat die Feststellung einer neuen einzubeziehenden Einzelstrafe auf alte Ge-
277 BGH StV 1996, 263; BGHSt 8, 205, 219; 24, 268, 271; BGH JR 2012, 35, 36; vgl. BGHSt 5, 57, 57 ff. 278 BGHSt 24, 268, 271; vgl. LK-Rissing-van Saan, § 54 Rn. 13; MK-v. HeintschelHeinegg, § 54 Rn. 23; a.A. NK-Frister, § 54 Rn. 25. 279 Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe, Rn. 186; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 54 Rn. 22; vgl. BGH NStZ-RR 2003, 272. 280 BGH NJW 1951, 611; vgl. LK-Rissing-van Saan, § 54 Rn. 2; MK-v. HeintschelHeinegg, § 54 Rn. 31.
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samtstrafen keinen Einfluss. Der neue Strafrahmen sei die Summe der alten Gesamtstrafe und der neuen Einzelstrafe.281 5. Die nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe a) Im Allgemeinen In §§ 53, 54 geht es um die Gesamtstrafenbildung für mehrere Straftaten, die in einem Verfahren abgeurteilt werden. Aber wegen verschiedener Gründe282 können manchmal die Taten, die einheitlich hätten abgeurteilt werden müssen, nicht in einem Verfahren abgeurteilt werden. Durch die Anwendung des § 55 wird die Bestrafung der nicht abgeurteilten Taten nachgeholt und die Härte der gesonderten Bestrafung gemindert. Der Zweck des § 55 ist die Bestrafung des Angeklagten, wie er bestraft werden müsste, wenn alle Taten bei der gleichzeitigen Aburteilung in Betracht kämen. Auf diese Weise erhält der Täter keine Vorteile, auf die er kein Recht hätte. Aber bei der Nichtanwendung der nachträglichen Gesamtstrafenbildung könnte der Angeklagte schlechter gestellt werden, da neben der ersten Gesamtstrafenbildung noch eine andere Gesamtstrafe wegen weiterer, im ersten Urteil nicht einbezogener Taten gebildet werden muss, deren Strafe schon im ersten Urteil mit anderen Taten festgestellt und in die ersten Gesamtstrafe hätte einbezogen werden können.283 b) Die Voraussetzungen Damit die Vorschrift in Bezug auf die nachträgliche Gesamtstrafenbildung (§ 55) angewendet werden kann, müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein. aa) Die Begehung der Straftat(en) vor der früheren Verurteilung Die Straftaten, die in die nachträgliche Gesamtstrafenbildung einbezogen werden können, müssen vor der früheren Verurteilung begangen worden sein. Nach § 55 Abs. 1 S. 2 gilt als frühere Verurteilung das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten. Darüber ist die letzte tatrichterliche Entscheidung, in der sich nicht nur mit 281 LK-Rissing-van Saan, § 54 Rn. 19; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 54 Rn. 34; BGH NStZ 2005, 210; NK-Frister, § 54 Rn. 32. 282 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 168: Wenn z. B. das frühere Urteil dem späteren Richter nicht bekannt ist. 283 LK-Rissing-van Saan, § 55 Rn. 1, 2; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 55 Rn. 2, 3; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 156; Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe, Rn. 186; vgl. BGHSt 32, 190, 193; 35, 208, 211; Frister sieht die Regelung in Bezug auf die nachträgliche Gesamtstrafenbildung als problematisch. Das Verbot der nachträglichen Gesamtstrafenbildung mit den Taten, deren Strafen schon vollstreckt seien und mit den Taten, die in die alte Gesamtstrafe hätten einbezogen werden können, sei mit dem Zweck des § 55 nicht vereinbar. NKFrister, § 55 Rn. 2.
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der Straffrage, sondern auch mit der Schuldfrage befasst wird, entscheidend. Zu den letzten tatrichterlichen Entscheidungen sind das erstinstanzliche Urteil oder eine ihm gleichstehende Entscheidung, das Berufungsurteil, die Entscheidung nach Zurückverweisung durch das Revisionsgericht oder die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung zu zählen. Aber die Entscheidung über eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach § 460 StPO, die Berufung als unzulässig verwerfendes Urteil nach § 319 StPO und ein Berufungsurteil nach § 329 StPO dürfen nicht als frühere Verurteilung bewertet werden.284 Ein Strafbefehl kann auch als frühere Verurteilung im Sinn des § 55 bewertet werden, wenn gegen ihn nach § 410 Abs. 1 StPO nicht rechtzeitig Einspruch erhoben worden ist. Maßgeblich sei beim Strafbefehl nicht der Zeitpunkt der Zustellung, sondern der Zeitpunkt des Erlasses.285 Eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 kommt nur in Betracht, wenn die frühere Verurteilung von einem deutschen Gericht stammt. Die ausländischen Strafen dürfen nicht in die Gesamtstrafe einbezogen werden.286 Zur Beantwortung der Frage, ob die Taten vor der früheren Verurteilung begangen worden sind, ist nach einem Teil der Lehre287 und der Rechtsprechung288 die Beendigung der Tat entscheidend. Diese Annahme gelte auch für die fortgesetzte Handlung, die tatbestandliche Handlungseinheit und die Bewertungseinheit, die mit dem letzten Teilakt beendet werden könne. Ebenso dürfe eine Dauerstraftat in die nachträgliche Gesamtstrafenbildung einbezogen werden, wenn der rechtswidrige Zustand vor der früheren Verurteilung aufgehoben wird, da die Dauerdelikte mit der Aufhebung des rechtswidrigen Zustandes beendet werden.289 Die Gegenmeinung290 geht davon aus, dass diese Meinung mit dem Grundgedanken des § 55 nicht vereinbar und zur Feststellung des Zeitpunkts die Anwendung des § 8 nicht entscheidend sei. Mit der Vollendung der Tat hätte die abzuurteilende Tat in die Gesamtstrafe einbezogen werden können; deswegen sei der Zeitpunkt der Vollendung der Tat maßgeblich. Für die Teilnehmer kommt es auf die Vollendung der Haupttat an.291
284 LK-Rissing-van Saan, § 55 Rn. 6; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 55 Rn. 10; NK-Frister, § 55 Rn. 4; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 55 Rn. 6 ff.; LK10-Vogler, § 55 Rn. 4. 285 LK-Rissing-van Saan, § 55 Rn. 9; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 55 Rn. 10; NK-Frister, § 55 Rn. 5; vgl. BGH NStZ-RR 2009, 74; BGH NStZ 2002, 590. 286 LK-Rissing-van Saan, § 55 Rn. 5; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 55 Rn. 11; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 55 Rn. 4; BGH NStZ-RR 2000, 105. Die Entscheidungen durch die Gerichte der ehemaligen DDR sind auch als (nachträglich) gesamtstrafenfähig zu berücksichtigen. 287 LK-Rissing-van Saan, § 55 Rn. 9; Fischer, § 55 Rn. 7; Detter, NStZ 2000, 578, 580. 288 BGH NJW 1999, 1344, 1346; BGH NStZ 1994, 482, 482 f. 289 SK-Samson/Günther, § 55 Rn. 6; LK-Rissing-van Saan, § 55 Rn. 9. 290 MK-v. Heintschel-Heinegg, § 55 Rn. 7; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 159; NKFrister, § 55 Rn. 6; Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe, Rn. 10. 291 S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 55 Rn. 12; NK-Frister, § 55 Rn. 6; Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe, Rn. 217.
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Bei Antragsdelikten ist nicht der Zeitpunkt der Antragsstellung, sondern der Zeitpunkt der Beendigung der Tat maßgeblich. Wenn die Strafbarkeit eines Delikts von einer objektiven Bedingung abhängig ist, ist strittig, ob für die Anwendung der Gesamtstrafenbildung der Zeitpunkt der Tatbeendigung oder der Zeitpunkt des Eintritts der objektiven Bedingung der Strafbarkeit maßgeblich ist. In der Lehre wird vertreten, dass in solchen Fällen der Zeitpunkt der Tatbeendigung entscheidend ist, „da über die Gesamtstrafenfähigkeit nicht die verfahrensrechtliche, sondern sachlich-rechtliche Lage entscheidet.“292 Dagegen führen Sternberg-Lieben und Bosch aus, dass, wenn die Bedingung nicht eintreten würde, der Tatrichter aus sachlichrechtlichen Gründen eine Gesamtstrafe nicht hätte bilden können. Deswegen sei hier der Zeitpunkt des Bedingungseintritts maßgeblich.293 bb) Das Vorliegen eines früheren rechtskräftigen Urteils Um die frühere Verurteilung in eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung einbeziehen zu können, soll die frühere Verurteilung rechtskräftig sein. Sonst könne durch die Aufhebung der früheren Verurteilung auch die nachträgliche Gesamtstrafe aufgehoben werden. Eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung mit der Strafe der früheren Verurteilung, die nicht rechtskräftig ist, mache keinen Sinn. Die frühere Verurteilung muss bis zur Entscheidung der nachträglichen Gesamtstrafenbildung rechtskräftig sein: Auf diese Weise wird die Gefahr der Doppelbestrafung durch die nachträgliche Gesamtstrafenbildung verhindert.294 cc) Die nicht vollständige Erledigung der verhängten Strafe Die Einbeziehung einer früheren Strafe in die nachträgliche Gesamtstrafe ist nicht erlaubt und ausgeschlossen, wenn die frühere Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist. Die Freiheitsstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe gelten mit der Verbüßung, die Geldstrafe gilt mit der Bezahlung als vollstreckt und erledigt. Nach § 79 gilt auch die verhängte Strafe als erledigt, wenn die Verjährungsfrist abgelaufen ist. Die Verjährungsfrist richtet sich nicht nach den Einzelstrafen, sondern nach der Höhe der Gesamtstrafe. Die (Gesamt-)Strafe gilt auch als vollstreckt, wenn sie endgültig erlassen wurde. Hierfür kommen Amnestie und Begnadigung in Betracht. Für den Erlass ist eine bedingte Begnadigung nicht ausreichend, da es sich in diesem Fall nicht um einen endgültigen Erlass handelt. Außerdem ist nach der überwiegenden Meinung der Lehre die Strafe nicht nach dem Ablauf der Bewährungszeit, sondern nach dem Erlass gemäß § 56 g Abs. 1 erledigt, wenn die Vollstreckung einer Strafe 292
LK-Rissing-van Saan, § 55 Rn. 10; vgl. BGHSt 32, 190, 193. S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 55 Rn. 12; in gleicher Weise, NK-Frister, § 55 Rn. 7; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 55 Rn. 8. 294 BGHSt 23, 98, 100; LK-Rissing-van Saan, § 55 Rn. 4; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 55 Rn. 21; NK-Frister, § 55 Rn. 20 f.; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 55 Rn. 32 f. 293
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zur Bewährung ausgesetzt wurde.295 Dagegen führt Frister aus, dass der Zeitpunkt des Ablaufs der Bewährungszeit entscheidend sei, da erst mit dem Ablauf der Bewährungszeit die Strafe materiell erledigt sei.296 Die teilweise Vollstreckung der früheren Strafe hindert die Einbeziehung der alten Strafe in die neu zu bildende (nachträgliche) Gesamtstrafe nicht. Nach der Bildung der neuen Gesamtstrafe muss die Vollstreckungsbehörde den schon vollstreckten Teil der alten Strafe als einen vollstreckten Teil der nachträglichen Gesamtstrafe ansehen. Wenn aber ein Teil der früheren Strafe erlassen wurde, ist der andere Teil in die nachträgliche Gesamtstrafe einzubeziehen.297 c) Das Vorliegen mehrerer abzuurteilender Taten und früherer Verurteilung(en) Es ist fraglich, wie man die Fälle behandeln soll, bei denen die Taten teils vor und teils nach der Verurteilung begangen werden oder wenn zwischen den abzuurteilenden Taten mehrere Verurteilungen vorliegen. Diese Problematik kann durch folgendes Beispiel verdeutlicht werden: (1) am 1. Januar Begehung der ersten Tat, (2) am 1. Februar Begehung der zweiten Tat, (3) am 1. März Verurteilung wegen der ersten Tat, (4) am 1. April Begehung der dritten Tat, (5) am 1. Mai Verurteilung wegen der zweiten Tat.298 Die wörtliche Anwendung der §§ 53, 55 bringt Widersprüchlichkeiten mit sich. Einerseits muss gemäß § 53 von den Taten 2 und 3 eine Gesamtstrafe gebildet werden, weil beide Taten gleichzeitig abgeurteilt werden, aber andererseits verhindert § 55 diese Vorgehensweise, weil die Tat 3 nach der (ersten) Verurteilung begangen wurde. Um diese Widersprüchlichkeit beseitigen zu können, wird in der Lehre299 und Rechtsprechung300 die Zäsurwirkung der früheren Verurteilung ange295
LK-Rissing-van Saan, § 55 Rn. 23; S/S-Stree/Sternberg-Lieben, § 55 Rn. 24. NK-Frister, § 55 Rn. 23: Wenn ein Widerrufsgrund nach dem Ablauf der Bewährungszeit festgestellt wird, kann die Strafe nach § 460 StPO nachträglich gebildet werden. Vgl. MK-v. Heintschel-Heinegg, § 55 Rn. 23. 297 LK-Rissing-van Saan, § 55 Rn. 26; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 55 Rn. 27; NKFrister, § 55 Rn. 226; BGH NStZ-RR 2007, 232; anders Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe, Rn. 264: Bringewat nimmt auch die Einbeziehung der ganzen früheren Strafe in die nachträgliche Gesamtstrafe an, auch wenn die frühere Strafe teilweise erlassen wurde. 298 MK-v. Heintschel-Heinegg, § 55 Rn. 12. 299 MK-v. Heintschel-Heinegg, § 55 Rn. 12 ff.; NK-Frister, § 55 Rn. 9 ff.; S/S-SternbergLieben/Bosch, § 55 Rn. 14 ff.; dagegen, SK-Samson/Günther, § 53 Rn. 9; Sacksofski, NJW 1963, 894, 895: Sacksofski sowie Samson und Günther gehen davon aus, dass die nachträgliche Gesamtstrafenbildung in solchen Fälle möglich sei. Eine sonstige Anwendung wäre ein Verstoß 296
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führt. Danach bildet die frühere Verurteilung eine Zäsur; nach der Verurteilung abzuurteilende Taten sind somit keinesfalls mit den vor der Verurteilung begangenen Straftaten gesamtstrafenfähig, auch wenn sie gleichzeitig abgeurteilt werden. Im geschilderten Beispiel darf von Tat 2 und Tat 3 wegen der Zäsurwirkung der ersten Verurteilung keine Gesamtstrafe gebildet werden. Entsprechend dem Zweck des Gesetzes müsse hier eine Gesamtstrafe für die Tat 1 und 2 gebildet werden.301,302 In der Lehre nimmt Stree303 grundsätzlich die Zäsurwirkung der früheren Verurteilung an, macht aber daneben darauf aufmerksam, dass diese zustande komme, wenn die Verurteilung für die weiteren Taten eine Warnfunktion erfülle. Dagegen führt der BGH304 aus, dass es für die nachträgliche Gesamtstrafenbildung nicht auf die Appelloder Warnfunktion der früheren Verurteilung, sondern auf die materielle Rechtslage ankomme. Die Zäsurwirkung liegt auch dann vor, wenn bei der früheren Verurteilung auf eine Freiheitsstrafe und eine Geldstrafe gesondert erkannt wurde.305 Ebenso bildet auch die frühere Verurteilung eine Zäsur, wenn bei der Urteilsbegründung die Einzelstrafen nicht festgestellt wurden.306 Wird die Strafe, die in die nachträgliche Gesamtstrafe einbezogen werden darf, vor der früheren Verurteilung vollstreckt, entfällt die Zäsurwirkung der früheren Verurteilung. Jedoch kommt in solchen Fällen ein Härteausgleich in Betracht.307 Wenn mehrere selbstständige Gesamtstrafen beim Vorliegen mehrerer abzuurteilender Taten und früherer Verurteilung(en) zustande kommen, darf keine Gesamtstrafe von diesen Gesamtstrafen gebildet werden. Auch in diesem Fall soll der Tatrichter durch einen Härteausgleich eine angemessene Strafe festsetzen.308 gegen § 55 und mit dem Zweck des Gesetzes nicht vereinbar, da der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift den Anwendungsbereich der Gesamtstrafenbildung erweitern wolle; gegen diese Ansicht: Bender, NJW 1964, 807, 807. 300 BGH NStZ-RR 2001, 368,369; 2011, 307; vgl. BGH NStZ 2007, 28. 301 S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 55 Rn. 15; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 55 Rn. 13; NK-Frister, § 55 Rn. 13; Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe Rn. 223; vgl. LK-Rissingvan Saan, § 55 Rn. 14 ff. 302 Die Vorgehensweise: 1. Chronologische Ordnung der begangenen Taten und früherer Verurteilungen, 2. Gesamtstrafenbildung für die vor der ersten Verurteilung begangenen Taten, 3. im zweiten Schritt abgeurteilte Taten und die erste Verurteilung zu streichen, 4. Die gleiche Methode wiederholen, bis alle Taten und Verurteilungen gestrichen werden, 5. Wenn noch nicht abzuurteilende Tat(en) verbleiben, soll aus dieser/diesen Tat(en) eine Gesamtstrafe (oder Einsatzstrafe) gebildet werden. MK-v. Heintschel-Heinegg, § 55 Rn. 17; NK-Frister, § 55 Rn. 15. 303 Stree, NStZ 1999, 185, 185. 304 BGH NStZ-RR 2001, 368, 369; 2004, 137, 137 f.; BGH NStZ 1998, 35; BGHSt 32, 190, 193. 305 BGH NStZ-RR 2012, 170; BGHSt 32, 190, 194. 306 BGHSt 42, 179, 179 ff.; Bringewat, JR 1999, 514, 514. 307 BGHSt 32, 190, 193; vgl. S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 55 Rn. 16; MK-v. HeintschelHeinegg, § 55 Rn. 14. 308 Dazu siehe unten: Zweiter Teil B. I. 5. e).
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d) Die Bildung der Gesamtstrafe Beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 muss nachträglich eine Gesamtstrafe gebildet werden; dies darf nicht einem Beschlussverfahren überlassen werden. Dies gilt nicht, wenn die Ermittlungen bis zur Fällung der Abschlussentscheidung viel Zeit benötigen, „weil die Unterlagen für eine möglicherweise gebotene Gesamtstrafenbildung nicht vollständig vorliegen und die Hauptverhandlung allein wegen deshalb noch notwendiger Erhebungen mit weiterem erheblichem Zeitaufwand belastet werden würde.“309 Zur Bildung der nachträglichen Gesamtstrafe soll zuerst die alte Gesamtstrafe aufgehoben werden. Die in die alte Gesamtstrafe einbezogenen Einzelstrafen bleiben jedoch bestehen und der Tatrichter ist an die Strafzumessungsgründe der alten Einzelstrafen gebunden. Die in der ersten Verurteilung nicht festgesetzte oder versäumte Einzelstrafenfestsetzung darf im neuen Verfahren nicht nachgeholt werden, da die Einbeziehung der alten Verurteilung unzulässig ist.310 Danach soll nach den allgemeinen Prinzipien der §§ 53, 54 mit den alten und neuen Einzelstrafen eine neue Gesamtstrafe gebildet werden. Bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung darf der Richter die Umstände, die bei der alten Gesamtstrafenbildung nicht in Betracht gezogen werden konnten oder die erst nach der Gesamtstrafenbildung zustande gekommen sind, berücksichtigen.311 Eine Gesamtstrafenbildung durch die Einbeziehung der neu abzuurteilenden Taten in die alte Gesamtstrafe ist jedoch unzulässig. In Lehre312 und Rechtsprechung313 wird ausgeführt, dass die alte Gesamtstrafe bei der Feststellung der unteren und oberen Grenze der nachträglichen Gesamtstrafe entscheidend zu berücksichtigen sei. Einerseits bildet die aufgehobene Gesamtstrafe für die neue Gesamtstrafe eine Grenze, die nicht unterschritten werden darf und andererseits darf die neue Gesamtstrafe bzgl. der Summe der alten Gesamtstrafe und neuen Einzelstrafe(n) nicht höher sein. Zutreffend wird dagegen in der Lehre314 angeführt, dass es nicht zulässig und mit dem Zweck des Gesetzes unvereinbar sei, der alten Gesamtstrafe eine solche Begrenzungsfunktion zuzumessen. Erstens liege hinter § 55 der Gedanke, den Täter so zu bestrafen, wie er hätte bestraft werden müssen, wenn alle Taten gleichzeitig abgeurteilt worden wären. Mit der Aufhebung 309
BGH NStZ 2005, 32. S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 55 Rn. 38; Lackner/Kühl, § 55, Rn. 5; BGH NStZ-RR 1998, 296; 2004, 106, 106 f.; BGH NStZ 1999, 185, 185 f.; Frister ist der Meinung, dass die Entscheidung des 3. Strafsenats annehmbar ist. Nach dieser Entscheidung soll die alte Gesamtstrafe wie eine Einzelstrafe behandelt werden, wenn die Einzelstrafen nicht festgesetzt wurden. NK-Frister, § 55 Rn. 47; BGH NStZ-RR 1999, 137, 137 f. 311 BGHSt 12, 99, 99; S/S-Stree/Sternberg-Lieben, § 55 Rn. 38; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 55 Rn. 36; LK-Rissing-van Saan, § 55 Rn. 29. 312 MK-v. Heintschel-Heinegg, § 55 Rn. 37; Lackner/Kühl, § 55, Rn. 6; NK-Frister, § 55 Rn. 44. 313 BGHSt 15, 164, 166; BGH NStZ 2005, 210. 314 S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 55 Rn. 40, 41; Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe, Rn. 273 ff.; vgl Schulz, MDR 1964, 559, 559 f. 310
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der Gesamtstrafe sei eine gleichzeitige Aburteilung gewährleistet und auf diese Weise erhalte der Täter einen Vorteil, den er durch die getrennte Aburteilung verlieren könnte. Eine darüber hinausgehende Anwendung werde von § 55 nicht vorgesehen. Daneben wird in § 55 ausdrücklich auf die Anwendung der §§ 53, 54 hingewiesen; deswegen ist die Annahme einer solchen Grenze durch die Anwendung der alten Gesamtstrafe ein Verstoß gegen § 54. Überdies sei die Sperrwirkung der früheren Gesamtstrafe deswegen auch bedenklich, weil der Tatrichter im Falle der Annahme dieser Sperrwirkung gehindert sei, die ihm unbekannten oder später entstandenen Umstände, die im ersten Urteil nicht in Betracht gezogen werden konnten, im neuen Urteil zu berücksichtigen. Durch die Berücksichtigung später bemerkter oder entstandener Umstände könnte der Richter die Gesamtstrafe niedriger als die frühere Gesamtstrafe oder höher als die Summe der alten Gesamtstrafe und der neue(n) Einzelstrafe(n) bemessen.315 e) Härteausgleich aa) Härteausgleich beim Vorliegen der Zäsurwirkung der früheren Verurteilung Wenn durch die Zäsurwirkung der früheren Verurteilung keine Gesamtstrafe gebildet werden kann und deswegen gegenüber dem Täter mehrere Gesamtstrafen verhängt werden, kann das Gericht durch den Härteausgleich die entstandenen Nachteile der Gesamtstrafen ausgleichen, weil die getrennten Gesamtstrafenbildungen dazu führen würden, dass der Täter schuldunangemessen bestraft würde.316 Zu einer angemessenen Bestrafung soll die Summe der Gesamtstrafen bewertet und die Härte der Kumulation der Gesamtstrafen schuldangemessen gemindert werden. Die Strafe kann jedoch die in § 54 Abs. 2 S. 2 festgestellte Obergrenze überschreiten. Die Obergrenze in Höhe von 15 Jahren gilt nur für die einzelnen Gesamtstrafen, nicht für deren Summe.317 bb) Härteausgleich bei der Erledigung der verhängten Strafe Wenn die Strafe, die im früheren Verfahren verhängt wurde, erledigt ist, schließt § 55 Abs. 1 die nachträgliche Gesamtstrafenbildung aus. Aufgrund dieses Hinder315 S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 55 Rn. 41; Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe, Rn. 277; vgl. Schulz, MDR 1964, 559, 559. 316 BGHSt 41, 310, 310 ff.; dazu Peters, NStZ 1996, 383, 383; vgl. S/S-Sternberg-Lieben/ Bosch, § 55 Rn. 16a; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 55 Rn. 16; LK-Rissing-van Saan, § 55 Rn. 35; NK-Frister, § 55 Rn. 34. 317 BGH NStZ 2000, 84, 84; BGHSt 43, 216, 218; vgl. Detter, NStZ 1998, 182, 184; BGH NStZ 2000, 137, 137 f.: „Der Aspekt des Gesamtstrafenübels gewinnt gesteigerte Bedeutung bei einer voraussichtlichen Gesamtstrafenvollstreckungsdauer, die diejenige einer lebenslangen Freiheitsstrafe erreicht oder überschreitet.“
B. Realkonkurrenz (Tatmehrheit)
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nisses darf der Richter keine Gesamtstrafe bilden, und auf diese Weise kann der Täter die Milderungsmöglichkeit, die ihm durch die nachträgliche Gesamtstrafenbildung wegen des Asperationsprinzips gewährt wird, verlieren. Um den zuungunsten des Täters entstandenen Nachteil zu beseitigen, muss die Härte der neuen Strafe abgemildert werden. Die zu beantwortende Frage ist, in welcher Weise die Strafe des Angeklagten in ein angemessenes Maß gebracht werden kann. Nach der Rechtsprechung bleibt die Feststellung, wie und inwieweit die Härte der getrennten Bestrafung ausgeglichen werden soll, dem Ermessen des Richters überlassen. Der Tatrichter muss zum Ausgleich der Härte keine fiktive Strafe bestimmen, um danach die vollstreckte Strafe auf die fiktive anzurechnen. Die vollstreckte Strafe kann auch bei der Feststellung der neuen Strafe berücksichtigt werden; auf diese Weise darf die neue Strafe die in § 54 Abs. 1 S. 1 bestimmte Untergrenze unterschreiten.318 Dagegen wird von einem Teil der Lehre vertreten, dass durch diese Vorgehensweise des BGH die vollstreckte Strafe und die daraus resultierende Härte nicht „angemessen“ berücksichtigt werden könne. Deswegen sei die Anwendung der §§ 53, 54 unerlässlich, um die Härte angemessen zu bewerten und auszugleichen. Erst solle eine fiktive Gesamtstrafe von der vollstreckten Strafe und der neuen Strafe gebildet werden, damit die Wirkungen der Nichtanwendung des § 55 gefunden werden könnten. Die neue Strafe dürfe nicht höher als die Differenz zwischen der vollstreckten und fiktiven Gesamtstrafe liegen.319 Ebenso hat der BGH in seinen Entscheidungen ausgeführt, dass durch die Vollstreckungslösung, die die Anrechnung der vollstrecken Strafe auf die fiktive Gesamtstrafe erfordert, eine angemessene Strafe gefunden werden kann.320 Indes kann bei der Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe die vollstreckte Strafe durch die Vollstreckungslösung auf die Mindestverbüßungsdauer angerechnet werden. Der Annahme, dass die Härte der Nichtanwendbarkeit des § 55 durch die fiktive Gesamtstrafenbildung ausgeglichen werden soll, ist zuzustimmen. Vor allem muss betont werden, dass die (fiktive) Gesamtstrafe keine richtige nachträgliche Gesamtstrafenbildung im Sinn des § 55, sondern eine Methode darstellt, die zur Feststellung der wegen der Nichtanwendung des § 55 entstehenden Härte dient.321 Durch die Bildung der fiktiven Gesamtstrafe kann der Richter das Ausmaß der Benachteiligung des Täters besser feststellen und danach innerhalb der oben genannten Grenze mit der Berücksichtigung der Person des Täters und der einzelnen Strafen auf eine angemessene Strafe erkennen. 318
BGHSt 31, 102, 102 f.; BGH NJW 1982, 2510; OLG Zweibücken NJW 1980, 2265; vgl. Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe, Rn. 251 ff. 319 MK-v. Heintschel-Heinegg, § 55 Rn. 25; NK-Frister, § 55 Rn. 31; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 55 Rn. 28; Loos, NStZ 1983, 260, 261; Bringewat führt gegen die fiktive Gesamtstrafenbildung aus, dass diese Vorgehensweise gesetzeswidrig und mit § 55 unvereinbar sei, weil § 55 die Gesamtstrafenbildung im Fall der Erledigung der früheren Strafe ausschließe. M. w. N. Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe, Rn. 254 f. 320 BGH NStZ 2010, 386, 386 f.; 210, 387; vgl. BGH NJW 1985, 1231. 321 Vgl. Deiters, Strafzummessung, S. 78 ff.; NK-Frister, § 55 Rn. 31.
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Wenn die früher verhängte Strafe erlassen oder amnestiert ist, liegt grundsätzlich kein Nachteil für den Täter vor, der ausgeglichen werden muss; aber wenn wegen der getrennten Verurteilung dem Täter ein Nachteil erwächst, kann dieser Nachteil durch den Härteausgleich beseitigt werden.322 Im Fall der Verjährung der früher verhängten Strafe bilde die Nichtanwendung des § 55 keine Härte für den Täter; deswegen sei der Härteausgleich hier ausgeschlossen.323 f) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung Nach § 55 Abs. 2 können die Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen, auf welche in der früheren Entscheidung erkannt wird, bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung aufrechterhalten werden, es sei denn, sie werden durch die neue Entscheidung nicht gegenstandslos. Wenn für die neu abzuurteilenden Taten keine Nebenstrafen usw. erforderlich sind, kann die Anordnung der Nebenfolgen wegen der alten Taten aufrechterhalten werden. Die Nebenstrafe, die mit der früheren Gesamtstrafe verhängt wurde, kann verschärft werden, wenn auch für die neuen Taten die Anordnung der Nebenstrafe geboten ist.324 6. Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung im Beschlussverfahren Liegen die Voraussetzungen der nachträglichen Gesamtstrafenbildung vor, ist die Anwendung des § 55 grundsätzlich zwingend. Deswegen darf die Gesamtstrafenbildung nicht dem Beschlussverfahren (§ 460 StPO) überlassen werden. Jedoch kann der Richter in manchen Fällen die Anwendung des § 55 versäumen, weil ihm z. B. das frühere Urteil unbekannt ist325. Wenn aber der Tatrichter die Anwendung der nachträglichen Gesamtstrafenbildung geprüft und rechtsirrtümlich abgelehnt hat, ist die nachträgliche Gesamtstrafe nicht durch ein Beschlussverfahren, sondern im Rechtsmittelzug zu bilden. Indes darf der Tatrichter nach h. M.326 die Gesamtstrafenbildung dem Beschlussverfahren überlassen, wenn das frühere Urteil noch nicht rechtskräftig ist oder wenn z. B. eine sichere Entscheidung trotz der vorliegenden Erkenntnisse nicht gefällt werden kann und auf diese Weise die Hauptverhandlung 322
MK-v. Heintschel-Heinegg, § 55 Rn. 28; NK-Frister, § 55 Rn. 33. MK-v. Heintschel-Heinegg, § 55 Rn. 30; NK-Frister, § 55 Rn. 33. Dagegen nimmt ein Teil der Lehre den Härteausgleich auch bei der Verjährung an. Vgl. S/S-Sternberg-Lieben/ Bosch, § 55 Rn. 30. 324 S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, § 55 Rn. 53 ff.; MK-v. Heintschel-Heinegg, § 55 Rn. 45 ff.; NK-Frister, § 55 Rn. 53 ff. 325 Für weitere Beispiele in: Meyer-Goßner, § 460 Rn. 2; LR-Grallman-Scheerer, § 460 Rn. 4. 326 KK-Appl, § 460 Rn. 6; LR-Grallman-Scheerer, § 460 Rn. 3; Meyer-Goßner, § 460 Rn. 2; BGH NStZ 2005, 32; BGH NStZ-RR 2008, 73; g.A. SK-StPO-Paeffegen, § 460 Rn. 7. 323
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entgegen dem Gebot der Verfahrensbeschleunigung für die neuen Ermittlungen verzögert werden muss. Das zuständige Gericht richtet sich für die nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach § 462a Abs. 3 StPO. Danach ist nicht die Strafvollstreckungskammer, sondern das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Wurden nach § 462a Abs. 3 S. 2 StPO die Urteile von verschiedenen Gerichten gefällt, ist das Gericht zuständig, das auf die schwerste Strafe oder bei gleich schweren Strafen auf die höchste Einzelstrafe erkannt hat. Wenn auch nach dieser Differenzierung mehrere Gerichte zuständig sind, ist das Gericht, dessen Urteil zuletzt ergangen ist, zuständig.
II. Realkonkurrenz im türkischen Strafrecht 1. Im Allgemeinen Im neuen TCK wurden unter der Überschrift der „Konkurrenz der Straftaten“ u. a. „Fortsetzungstat, zusammengesetzte Straftat und Idealkonkurrenz der gleichartigen und ungleichartigen Straftaten“ geregelt. Obwohl der erste Entwurf des TCK bezüglich der Konkurrenz der Strafen einige Bestimmungen enthielt327, wurde im Gesetz anders als in der alten Fassung des TCK die Konkurrenz der Strafen nicht geregelt. 2. Der Regelungsort der Realkonkurrenz Die Nichtregelung der Realkonkurrenz im TCK wurde von einer Justizkommission in ihrem Report in Bezug auf den Entwurf des TCK folgendermaßen begründet: Bei jeder Tat bestehe dementsprechend eine Straftat und jede Straftat erfordere eine Strafe, und dies sei eine der Grundregeln des Strafrechts. Eine Konkurrenz der Straftaten328 bilde Ausnahmen für diesen Grundsatz. In allen Regelfällen muss wegen jeder Straftat getrennt die Strafe verhängt werden. Auf diese Weise wird die Eigenständigkeit jeder Strafe bewahrt. Die Nichtregelung der Konkurrenz der Strafen (Realkonkurrenz) im TCK wurde von der Justizkommission für richtig befunden. Dahinter stehe der Gedanke, dass es im Vollstreckungsgesetz geregelt werden müsse, wie mehrere gleiche oder ungleichartige verhängte Strafen vollstreckt werden könnten. Deswegen wurden die Bestimmungen bezüglich der Konkurrenz der Strafen vom Gesetzentwurf ausgenommen.329 Nach dem Inkrafttreten des neuen TCK hat der Kassationshof330 hinsichtlich der Konkurrenz der Strafen entschieden, dass diese Konkurrenz ein Rechtsinstitut der 327 328 329 330
Dog˘ an, ABD 2011, S. 86, 87. Also TCK Art. 42 – 44. TBMM Adalet Komisyonu Raporu, S. 7. YCGK, 06. 11. 2007, E 2007/6 – 190, K 2007/228, in: UYAP.
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2. Teil: Geregelte Erscheinungsformen im deutschen und türkischen Strafrecht
Vollstreckung sei und mit dem Vollstreckungsprozess der Strafen zu tun habe. In einer anderen Entscheidung hat der Kassationshof331 betont, dass der Gesetzgeber, indem er die Konkurrenz der Strafen im Vollstreckungsgesetz (nicht im TCK) regele , es geschafft habe, dem Vollstreckungsrecht klare und richtige gesetzliche Grundlagen zu verschaffen. Dementsprechend hat der Kassationshof in einer Entscheidung die Anwendung des Rechtsinstituts der Konkurrenz der Strafen als Aufhebungsgrund des Urteils des erstinstanzlichen Gerichts, das die Strafen des Täters addiert, angenommen, da die Konkurrenz der Strafen im TCK nicht geregelt werde.332 3. Die Bestimmungen bezüglich der Realkonkurrenz im Vollzugsgesetz333 Wie erwähnt, enthält das türkische Strafgesetzbuch hinsichtlich der Konkurrenz der Strafen keine Regelung. Deswegen ist die Frage zu beantworten, wie die verhängten Strafen aus demselben oder verschiedenen Verfahren addiert und vollstreckt werden können. Diesbezüglich finden sich Regelungen im „Gesetz über den Vollzug der Strafen und Sicherungsmaßnahmen“. Art. 99 regelt die Addierung mehrerer Strafen. Nach diesem Artikel ist jede gegen den Täter verhängte Strafe selbstständig und bewahrt ihre Eigenständigkeit. Wenn aber gegen den Täter mehrere rechtskräftige Urteile vorliegen, wird von dem Gericht eine Entscheidung zur Addierung der Strafen gefordert, um Art. 107334 des tStVollzG anzuwenden. Nach Art. 101 Abs. 2 des tStVollzG ist das Gericht für die Addierung der Strafen zuständig, das die höchste Strafe verhängt hat. Wenn in diesem Fall mehrere Gerichte zuständig sind, ist das Gericht zuständig, welches das letzte Urteil gefällt hat. Wenn aber eines der Urteile von dem Regionalgericht gefällt wurde, so ist dieses zuständig. Wenn eines der Urteile vom Kassationshof gefällt wurde, ist der Kassationshof zur Addierung der Strafen zuständig. Bei dieser Urteilsfällung ist das Gericht nur dafür zuständig, die Strafen zu addieren, es darf also nicht die Höhe oder die Art der Strafen ändern. Indem der Gesetzgeber die Realkonkurrenz im TCK nicht regelt und in Art. 99 des tStVollzG die Addierung der Strafen ausdrücklich aufgenommen hat, hat er das Kumulationsprinzip der Strafen dem Asperationsprinzip oder Absorbtionsprinzip vorgezogen.335 Durch die Anwendung des Kumulationsprinzips kann der Täter mit 331
YCGK, 19. 06. 2007, E 2007/1 – 122, K 2007/153, in: UYAP. Der Kassationshof hat in dieser Entscheidung ausgedrückt, dass die verhängten mehreren Strafen erst im Stadium des Vollzugs addiert werden können. Die erste Instanz, die die Entscheidung gefällt hat, darf die Strafen nicht addieren. Y. 11. CD, 13. 06. 2007, E 2007/2649, K 2007/4142, in: UYAP; vgl. Y. 1. CD, 03. 11. 2006, E 2006/2074, K 2006/4686. 333 Wörtlich: Gesetz über den Vollzug der Strafen und Sicherungsmaßnahmen (tStVollzG); türkisch: Ceza ve Güvenlik Tedbirlerinin Infazi Hakkinda Kanun (CGTIK). 334 tStVollzG Art. 107: Bedingte Entlassung. 335 Vgl. 6. CD, 17. 05. 2007, E 2006/16727, K 2007/6057, in: UYAP. 332
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100-jähriger Freiheitsstrafe oder mit mehrfacher erschwerter lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft werden. Die Addition der Strafen dient nach Art. 99 tStVollzG dazu, die Höhe der zu verbüßenden Haftstrafe für die bedingte Entlassung nach Art. 107 tStVollzG zu finden. Hier ist erwähnenswert, wie lange der Täter bei guter Führung (zur bedingten Entlassung) im Gefängnis bleiben muss. Um wegen guter Führung vorzeitig entlassen zu werden, soll der Täter eine bestimmte Zeit im Gefängnis verbringen (Art. 107 Abs. 1). Der Täter kann vorzeitig entlassen werden, wenn bei erschwerter lebenslanger Freiheitsstrafe 30 Jahre, bei lebenslanger Freiheitsstrafe 24 Jahre, bei anderen zeitigen Freiheitsstrafen drei Viertel der verhängten Strafen verbüßt werden (Art. 107 Abs. 2). Der Täter soll bei mehreren erschwerten lebenslangen Freiheitsstrafen oder bei erschwerter lebenslanger Freiheitsstrafe und lebenslanger Freiheitsstrafe 36 Jahre, bei mehr als einer lebenslangen Freiheitsstrafe 30 Jahre, bei einer erschwerten lebenslangen Freiheitsstrafe und zeitiger Freiheitsstrafe maximal 36 Jahre, bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe und zeitiger Freiheitsstrafe maximal 30 Jahre, bei mehreren zeitigen Freiheitsstrafen maximal 28 Jahre im Gefängnis verbringen, um vorzeitig entlassen zu werden. (Art. 107 Abs. 3) Bei Verurteilungen wegen der Gründung oder Leitung einer Vereinigung mit dem Ziel der Begehung von Straftaten oder Straftaten im Rahmen der Tätigkeit der Organisation hat das Gesetz eine noch höhere Verbüßungszeit vorgesehen. Die Verbüßungszeit zur bedingten Entlassung beträgt bei erschwerter lebenslanger Freiheitsstrafe 36 Jahre, bei lebenslangen Freiheitsstrafen 30 Jahre, bei zeitiger Freiheitsstrafe drei Viertel der verhängten Strafe. Aber diese Zeit sei bei mehr als einer erschwerten lebenslangen Freiheitsstrafen oder bei einer erschwerten Freiheitsstrafe und lebenslangen Freiheitsstrafe 40 Jahre, bei mehreren lebenslangen Freiheitsstrafen 34 Jahre, bei einer erschwerten lebenslangen Freiheitsstrafe und zeitigen Freiheitsstrafe maximal 40, bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe und zeitigen Freiheitsstrafe maximal 34, bei mehreren zeitigen Freiheitsstrafen maximal 32 Jahre (Art. 107 Abs. 4). Außerdem hat der Gesetzgeber für manche Straftaten keine bedingte Entlassung vorgesehen. Nach Art. 107 Abs. 16 finden die Regelungen der bedingten Entlassung keine Anwendung, wenn die Straftaten, die im vierten336, fünften337 und sechsten338 Abschnitt des vierten Teils des zweiten Buchs des TCK geregelt wurden, im Rahmen der Tätigkeit einer Organisation begangen werden und aufgrund dieser Straftaten eine erschwerte lebenslange Freiheitsstrafe verhängt wird.
336
Straftaten gegen die Sicherheit des Staates (Art. 302 – 308 TCK), in: Tellenbach, S. 191. Straftaten gegen die Verfassungsordnung und ihr Funktionieren (Art. 309 – 316 TCK), in: Tellenbach, S. 197. 338 Straftaten gegen die nationale Verteidigung (Art. 317 – 325 TCK), in: Tellenbach, S. 200. 337
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4. Die Voraussetzungen zur Addierung der Strafen Um die Strafen zu addieren, muss der Täter mehrere Gesetze oder dasselbe Gesetz mehrmals verletzen. Diese Gesetzesverletzungen dürfen nicht zueinander im Verhältnis der Konkurrenz der Straftaten stehen, die Idealkonkurrenz, Fortsetzungstat und zusammengesetzte Straftat müssen somit ausgeschlossen sein. Letztendlich müssen die verhängten Strafen vollstreckbar sein. Wenn z. B. die Strafen gelöscht, verjährt oder amnestiert werden, dürfen sie nicht mehr vollstreckt und bei der Addierung in Betracht gezogen werden.339 5. Kritik an der Nichtregelung der Realkonkurrenz In der Lehre340 wird die Nichtregelung der Realkonkurrenz damit kritisiert, dass die Addierung der Strafen mit dem Zweck der Strafe nicht vereinbar sei. Außerdem sei die durch eine Addierung zustande gekommene Strafe bei zeitigen Strafen unverhältnismäßig zur lebenslangen Freiheitsstrafe umzuwandeln, weil durch die Kumulation der Strafen auf 200-, 300-jährige oder noch länger andauernde Freiheitsstrafen erkannt werden könne. Die Todesstrafe wurde zwar abgeschafft, aber diese Änderung hat zur Erweiterung der Verhängung der langjährigen Freiheitsstrafen geführt. Die Nichtregelung der Realkonkurrenz, die bei der Strafverhängung die Überschreitung einer bestimmten Obergrenze verhindert, ist mit dem Zweck der Strafen und des Vollzugs unvereinbar.341 Die Nichtregelung der Realkonkurrenz ist auch deswegen zu kritisieren, weil der bedingt entlassene Täter, der nach der Entlassung eine vorsätzliche Straftat begeht oder ihm auferlegten Verpflichtungen trotz richterlicher Mahnung nicht nachkommt, nicht wieder entlassen werden darf, bis alle Strafen vollständig verbüßt sind. Im Fall, in welchem über den Täter eine zeitige Freiheitsstrafe in Höhe von 80 Jahren verhängt wird und der Täter nach 28 Jahre bedingt entlassen wird, ist die Strafe nicht eine „zeitige“, sondern lebenslange Freiheitsstrafe, wenn der Täter nach der bedingten Entlassung vorsätzlich eine Straftat begeht. Ebenso muss der Täter lebenslang im Gefängnis bleiben, verliert also die Chance einer nochmaligen Freilassung, wenn über ihn eine oder mehrere lebenslange Freiheitsstrafen verhängt werden und er während der Bewährungszeit eine vorsätzliche Straftat begeht.342 Die Nichtregelung der Realkonkurrenz wird damit begründet, dass der Gesetzgeber die Bestimmungen über die Realkonkurrenz als ein Rechtsinstitut der Strafzumessungslehre gesehen343 und deswegen angenommen habe, dass alle Strafen ihre Selbstständigkeit bewahren und deshalb getrennt vollstreckt werden müssten. 339 Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 634; Dog˘ an, ABD 2011, S. 86, 88. 340 Feyziog˘ lu/Güngör, TBBD 2007, S. 51, 53 f.; Dog˘ an, ABD 2011, S. 87, 98 ff. 341 Dog˘ an, ABD 2011, S. 86, 99. 342 Feyziog˘ lu/Güngör, TBBD 2007, S. 51, 54. 343 Özbek, I˙nfaz Hukuku, S. 265 f.
B. Realkonkurrenz (Tatmehrheit)
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Um die Härte der verhängten Strafen zu verdeutlichen, sind der Art. 49 und Art 61 Abs. 7 des TCK hier auszuführen. Nach Art. 49 Abs. 1 darf die zeitige Gefängnisstrafe nicht unter einem Monat liegen und nicht höher als 20 Jahre sein, wenn im Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Nach diesem Artikel war es fraglich, ob diese Obergrenze von 20 Jahren bei der Festsetzung der Grund- oder Endstrafe gilt. Zur Beseitigung dieser möglichen Missverständnisse wurde dem Art. 61 der Abs. 7344 beigefügt, nach dem die zu verhängende Endstrafe des Täters wegen nur einer Straftat nicht mehr als 30 Jahre betragen darf. Beim Vorliegen nur einer Straftat kann also der Tatrichter auf eine Strafe in Höhe von 30 Jahren345 erkennen. Als Folge dieser gesamten Erklärungen ist der folgenden Ansicht der Lehre zuzustimmen: Die Nichtregelung der Realkonkurrenz kann die Verhängung von unverhältnismäßigen, nicht vollstreckbaren und lebensfremden Strafen verursachen. Außerdem ist es auch eine wichtige Frage, ob und inwieweit solche Strafen mit dem Resozialisierungszweck der Strafe vereinbar sind.
III. Realkonkurrenz nach dem alten türkischen Strafgesetz 1. Im Allgemeinen Nach Art. 68 des alten türkischen Strafgesetzbuchs werden die Strafen nach den Bestimmungen dieses Teils zusammengerechnet, wenn jemand wegen mehrerer Strafen durch Urteil oder Strafverfügung verurteilt wird.346 Im aTCK mit der Nummer 765 wurde auch das Zusammentreffen der Strafen geregelt. Das alte Strafgesetzbuch hat beim Zusammentreffen mehrerer Strafen (bei der Verletzung mehrerer Strafgesetze durch mehrere Handlungen) das Kumulationsprinzip angenommen. Danach sollen die Strafen gehäuft werden. Wie eine solche Häufung zu erfolgen hat, wird in den Art. 69 – 79 ausführlich geregelt. 2. Die Bestimmungen bezüglich des Zusammentreffens mehrerer Strafen a) Zusammentreffen der Freiheitsstrafen Anders als das neue TCK enthält das aTCK Regelungen, in denen für die Strafenbildung eine bestimmte Höchstgrenze vorgesehen wurde. Art. 70 des aTCK lautet 344 TCK Art. 61 Abs. 6: (Nur) Wegen einer Straftat, für die eine zeitige Gefängnisstrafe zu verhängen ist, darf die nach diesem Artikel festgestellte endgültige Strafe nicht mehr als 30 Jahre betragen; für eine alternative Übersetzung von Tellenbach siehe Anhang. 345 Zur bedingten Entlassung sollen zwei Drittel dieser 30-jährigen Strafe, nämlich genau 20 Jahre, verbüßt werden. 346 Übersetzung von: S¸ensoy/Tolun, S. 18.
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2. Teil: Geregelte Erscheinungsformen im deutschen und türkischen Strafrecht
sinngemäß folgendermaßen: Bei Verurteilung zu mehreren erschwerten lebenslänglichen Zuchthausstrafen wird die erschwerte lebenslängliche Zuchthausstrafe vollstreckt, deren Teil von einem Jahr bis zu sechs Jahren bei Tag und Nacht in der Zelle zu verbüßen ist. Ist eine der Strafen eine erschwerte lebenslängliche Zuchthausstrafe und eine andere lebenslängliche Zuchthausstrafe, so wird die erschwerte lebenslängliche Freiheitsstrafe vollstreckt, deren Teil von neun Monaten bis zu fünf Jahren bei Tag und Nacht in der Zelle zu verbüßen ist. Bei Verurteilung zu mehreren lebenslänglichen Zuchthausstrafen soll die lebenslängliche Zuchthausstrafe vollzogen werden, deren Teil von sechs Monaten bis zu drei Jahren bei Tag und Nacht in der Zelle zu verbüßen ist. Diese Regelung weist darauf hin, dass auf eine (erschwerte lebenslängliche Zuchthausstrafe oder lebenslängliche Freiheitsstrafe) Strafe erkannt werden muss und für einen bestimmten Teil dieser Strafen eine besondere Vollzugsart vorgesehen wurde. Nach Art. 71 des aTCK „wurde der Gesamtbetrag der Strafen bei Verurteilung zu zeitlichen Freiheitsstrafen gleicher Art vollstreckt. (Abs. 1). Bei Verurteilung zu mindestens zwei Zuchthausstrafen von nicht unter 24 Jahren wird auf lebenslängliches Zuchthaus erkannt (Abs. 2)“.347 Aber wenn gegen den Täter zeitliche Freiheitsstrafen ungleicher Art verhängt wurden, werden diese Strafen getrennt und vollständig angewendet (aTCK Art. 74 Abs. 1). Nach Art. 73 Abs. 1 wird, wenn eine der Strafen erschwertes lebenslängliches Zuchthaus und eine andere eine zeitige Freiheitsstrafe ist, die erschwerte lebenslängliche Zuchthausstrafe vollstreckt, wobei entsprechend der Art und Dauer der hinzutretenden Strafe Zellenhaft bei Tag und Nacht von 20 Tagen bis zu sechs Jahren zu verbüßen ist.348 Des Weiteren wurde in Art. 73 Abs. 2 Folgendes geregelt: „Ist eine der Strafen lebenslängliche Zuchthausstrafe und eine andere eine zeitliche Freiheitsstrafe, so wird die lebenslängliche Zuchthaus vollstreckt, wobei entsprechend der Art und Dauer der hinzutretenden Strafe Zellenhaft bei Tag und Nacht von zehn Tagen bis zu drei Jahren zu verbüßen ist.“349 Außerdem enthielt das aTCK noch eine wichtige Regelung (Art. 77 aTCK), die beim Zusammentreffen zeitiger Freiheitsstrafen eine Höchstgrenze vorgeschrieben hat: „Beim Zusammentreffen zeitiger Freiheitsstrafen gleicher Art darf die verhängte Strafe bei Zuchthaus 36, bei Gefängnis 25, bei Verbannung 15, bei Haft 10 Jahre nicht überschreiten. (Abs. 1) Der Gesamtbetrag zeitlicher Freiheitsstrafen ungleicher Art darf 30 Jahre nicht überschreiten. Der Strafbetrag, der diese Grenze überschreitet, wird in der Reihenfolge Verbannung, Haft, Gefängnis und Zuchthaus von diesen Strafen abgesetzt.“350 Diese vorgeschriebene Höchstgrenze wurde für manche Fälle durch Art. 77 Abs. 6 aTCK aufgehoben. Normalerweise finden die Regelungen des Zusammentreffens der Strafen Anwendung, wenn der Täter wegen der Straftaten, 347 348 349 350
Übersetzung von: S¸ensoy/Tolun, S. 18. Dieser Absatz wurde dem Artikel im Jahr 2004 hinzugefügt. Übersetzung von: S¸ensoy/Tolun, S. 18. Übersetzung von: S¸ensoy/Tolun, S. 18.
B. Realkonkurrenz (Tatmehrheit)
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die vor oder nach einer Verurteilung begangen worden sind, verurteilt wurde (aTCK Art. 69). Aber nach Art. 77 Abs. 6 muss die Strafe vollgestreckt werden, wenn die verhängte Strafe wegen vorheriger Straftaten die in den obigen Absätzen festgestellte Höchstgrenze erreicht und der Täter nach der endgültigen Verurteilung (wegen der vorherigen Straftaten) weitere Straftaten begangen hat.351 Diese Regelung, die die Anwendung der Bestimmungen des Zusammentreffens der Strafen in bestimmten Fällen ausschließt, wurde in der Lehre als plausibel eingestuft. Wenn die Strafe des Täters wegen vorheriger Straftaten die festgesetzte Höchstgrenze erreiche, sei der Täter nicht gehindert, weitere Straftaten zu begehen, weil seine Strafe schon die Höchstgrenze erreiche und die Strafe des Täters wegen weiterer Straftaten nicht mehr erhöht werden könne.352 b) Zusammentreffen der Geldstrafen Nach Art. 72 „wird bei Verurteilung zu gleichartigen Geldstrafen auf die Gesamtsumme dieser Strafen erkannt“353. Bei Verurteilung zu ungleichartigen Geldstrafen wird auf alle Strafen getrennt und vollständig erkannt (Art. 75 Abs. 1). Auch beim Zusammentreffen der Geldstrafen mit anderen Strafen werden alle Strafen (Geld- oder Freiheitsstrafen usw.) getrennt und vollständig vollstreckt (Art. 75 Abs. 2). Nach Art. 77 Abs. 3 wird beim Zusammentreffen der schweren Geldstrafe mit leichter Geldstrafe die Geldstrafe in Gefängnis umgewandelt, wenn diese nicht bezahlt wird.354 Außerdem hatte der Gesetzgeber für die Geldstrafen keine Höchstgrenze festgesetzt. Aber im dem Fall, in welchem die Geldstrafen nicht bezahlt und in Freiheitsstrafe umgewandelt wurden, durfte die Freiheitsstrafe nach Art. 75 Abs. 4 fünf Jahre nicht überschreiten.355 c) Zusammentreffen der Nebenstrafen Nach Art. 76 werden die Nebenstrafen und die strafrechtlichen Folgen der Verurteilung für jede Strafe getrennt festgesetzt und vollstreckt. Für manche Nebenstrafen wurde im aTCK eine Höchstgrenze festgesetzt. Nach Art. 77 Abs. 5 dürfen die als Folge des Zusammentreffens anzuwendenden zeitlichen Nebenstrafen bei Aberkennung zur Bekleidung öffentlicher Ämter zehn Jahre, bei Untersagung der Ausübung eines bestimmten Berufs oder Gewerbes vier Jahre nicht überschreiten.
351 „Die zu verhängenden Strafen wegen solcher Straftaten, die nach der endgültigen Verurteilung mit den Strafen, die sich auf die in obigen Absätzen festgesetzten Höchstgrenzen belaufen, begangen werden, finden entsprechende Anwendung.“ Eine alternative Übersetzung ist zu finden bei: S¸ensoy/Tolun, S. 19. 352 Dönmezer/Erman, Nazari ve Tatbiki C III, S. 110. 353 Übersetzung von: S¸ensoy/Tolun, S. 18. 354 Dönmezer/Erman, Nazari ve Tatbiki C III, S. 117. 355 Dönmezer/Erman, Nazari ve Tatbiki C III, S. 119.
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2. Teil: Geregelte Erscheinungsformen im deutschen und türkischen Strafrecht
IV. Zusammenfassung und Stellungnahme Die Realkonkurrenz wurde im StGB in den §§ 53, 54, 55 geregelt. Wenn durch mehrere Handlungen, die keine einheitliche Handlung darstellen, mehrere Strafgesetze verletzt werden oder dasselbe Strafgesetz mehrmals verletzt wird, finden die Bestimmungen zur Tatmehrheit Anwendung. Nach diesen soll die Strafe des Täters nach dem Asperationsprinzip festgestellt werden. Danach soll die schwerste Strafe statt „der Addition der Strafen“ in bestimmten Grenzen verschärft werden. Wie in der Lehre befürwortet, ist die Anwendung des Asperationsprinzips statt des Kumulationsprinzips überzeugend, da durch die Anwendung des Kumulationsprinzips die Gefahr besteht, überlange Freiheitsstrafen zu verhängen. Auf diese Weise könnte die zeitige Freiheitsstrafe ihre Bedeutung verlieren und in eine echte lebenslange Freiheitsstrafe verwandelt werden. In einem solchen Fall wäre es fraglich, ob eine solche Strafe mit dem Resozialisierungszweck der Strafe vereinbar ist und ob eine solche Strafverhängung, die überhaupt nicht vollstreckbar ist, noch sinnvoll ist. Nach den Tatmehrheitsbestimmungen des StGB ist die Gesamtstrafenbildung in dem Fall obligatorisch, in welchem mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen zusammentreffen. Wenn also mehrere Freiheitsstrafen oder Geldstrafen zusammentreffen, wird auf eine Freiheitsstrafe oder Geldstrafe erkannt. Wenn eine der verhängten Strafen eine lebenslange Freiheitsstrafe darstellt, ist auf eine solche zu erkennen. Bei der Verhängung mehrerer Geldstrafen ist auf eine Geldstrafe zu erkennen: Die Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe aus den einzelnen Geldstrafen ist unzulässig. Dagegen kann sowohl auf Geldstrafe als auch auf Freiheitsstrafe gesondert erkannt werden, wenn beide Strafarten zusammentreffen. Der Tatrichter darf neben Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen, ebenso kann auf eine Gesamtstrafe erkannt werden (fakultative Gesamtstrafenbildung). Es ist fraglich, ob die getrennte Strafverhängung oder die Gesamtstrafenbildung den Regelfall darstellt. Hier ist zu vertreten, dass keine der beiden Anwendungsmöglichkeiten Vorrang hat. Als die richtige Lösung erscheint demnach, den Täter nach der Bestimmung zu bestrafen, die zu seinen Gunsten ausfällt. Nach dem deutschen Strafrecht muss für die Bildung der Gesamtstrafe zuerst die Einzelstrafe für jede Tat gesondert festgesetzt werden. Hier kann der Tatrichter bei der Feststellung der Art der Strafe die Verletzung anderer Gesetze mitberücksichtigen. Nach der Festsetzung der Einzelstrafen wird die Einsatzstrafe ermittelt, die die schwerste Einzelstrafe ist. Die Einsatzstrafe ist die höchste Einzelstrafe, wenn die Art der Strafen gleich ist. Bei ungleichartigen Strafen ist die Freiheitsstrafe die schwerste, darauf folgen der Strafarrest und die Geldstrafe. Anschließend wird die Einsatzstrafe innerhalb der im Gesetz festgesetzten Grenzen verschärft und die Gesamtstrafe gebildet. Eine bestimmte Höchstgrenze ist sowohl für die Freiheitsstrafen als auch für die Geldstrafen vorgeschrieben. Bei der Bildung der Gesamtstrafe ist es nicht zulässig, erst die Einzelstrafen zu addieren und danach zu verringern, oder die Einsatzstrafe in bestimmtem Maß zu erhöhen. Deswegen muss gemäß § 54
B. Realkonkurrenz (Tatmehrheit)
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Abs. 1 S. 3 innerhalb der bestimmten Grenzen unter Berücksichtigung der Person des Täters und der einzelnen Straftaten auf eine Gesamtstrafe erkannt werden. Bei der Gesamtstrafenbildung spielen die anderen begangenen Straftaten und ihr Zusammenhang usw. eine wichtige Rolle. Im deutschen Strafrecht wurde für die Straftaten, die gleichzeitig hätten abgeurteilt werden müssen, aber nicht abgeurteilt wurden, die nachträgliche Gesamtstrafenbildung geregelt. Deren Zweck ist es, den Täter so zu bestrafen, wie er bei gleichzeitiger Aburteilung bestraft werden würde. Auf diese Weise wird der Täter nicht privilegiert, aber er wird vor der Härte der Nichtanwendung der Gesamtstrafenbildung geschützt. Zur Einbeziehung in die nachträgliche Gesamtstrafenbildung müssen die Straftaten vor der früheren Verurteilung begangen worden sein und diese Verurteilung muss rechtskräftig sein. Die letzte Voraussetzung der nachträglichen Gesamtstrafenbildung ist die nicht vollständige Erledigung der früher verhängten Strafe. Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, soll die Gesamtstrafe nachträglich gebildet werden. Dafür muss zuerst die alte Gesamtstrafe aufgehoben und nach §§ 53, 54 aus den alten und neuen Einzelstrafen eine neue Gesamtstrafe gebildet werden. Beim Vorliegen der Zäsurwirkung der früheren Verurteilung und bei der Erledigung der verhängten Strafe wird im deutschen Strafrecht ein Härteausgleich durchgeführt. Bei der Zäsurwirkung der früheren Strafe muss auf mehrere (Gesamt-) Strafen erkannt werden und es kann dazu führen, dass die getrennten (Gesamt-) Strafen addiert werden müssen. Auf diese Weise kann der Täter schuldunangemessen bestraft werden. Durch den Härteausgleich wird die Strafe entsprechend der Schuld des Täters gemindert. Eine solche schuldunangemessene Strafe kommt auch bei der Erledigung der verhängten Strafe vor der früheren Verurteilung zustande, weil die Erledigung der Strafe die nachträgliche Gesamtstrafenbildung ausschließt. Der Härteausgleich verhindert in diesem Fall nicht nur die schuldunangemessene Bestrafung, sondern auch die höhere Bestrafung des Täters wegen der Nichtanwendung des § 55. Hier ist zu empfehlen, dass der Härteausgleich durch die Bildung einer fiktiven Gesamtstrafe erfolgen sollte, weil der Richter auf diese Weise die Härte der erledigten Strafe besser einschätzen kann. Entgegen dem deutschen Strafrecht wurde die Realkonkurrenz im türkischen Strafrecht nicht geregelt, weil diese von der Justizkommission als ein Thema des Vollstreckungsrechts angesehen wurde. Dementsprechend enthält das Vollstreckungsgesetz die Regelungen, wie die Strafe des Täters beim Vorliegen der Realkonkurrenz (Tatmehrheit) gebildet werden soll. Nach diesem Gesetz ist jede Strafe selbstständig und getrennt vollstreckbar und muss getrennt vollstreckt werden. Weder das TCK noch das tStVollzG enthalten eine Höchstgrenze für die Gesamtstrafe. Im tStVollzG wurde nur die Strafvollstreckungsdauer für die bedingte Entlassung geregelt. Anders als das neue TCK wurde die Realkonkurrenz im aTCK geregelt. Obwohl auch im aTCK das Kumulationsprinzip normiert wurde, wurde bei der Addition der Strafen eine Höchstgrenze festgesetzt und für einen bestimmten Teil
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2. Teil: Geregelte Erscheinungsformen im deutschen und türkischen Strafrecht
dieser Strafen eine besondere Vollzugsart vorgeschrieben.356 Daneben wurde in der Zeit des alten Strafgesetzbuchs im (alten) Strafvollstreckungsgesetz in Art. 19 zur Anwendung der bedingten Entlassung für die zu verbüßende Haftstrafe eine besondere Strafhöhe geregelt. Nach Art. 19 des aStVollzG357 kann der Häftling wegen guter Führung bedingt entlasst werden, wenn 25 Jahre der verhängten erschwerten lebenslangen Freiheitsstrafe, 20 Jahre der verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe oder die Hälfte der zeitigen Freiheitsstrafe verbüßt sind.
V. Rechtsvergleichung Anders als im deutschen und im alten türkischen Strafgesetzbuch wurde die Tatmehrheit im neuen türkischen Strafgesetzbuch nicht geregelt und das Zusammentreffen mehrerer Strafen als ein Thema des Vollstreckungsgesetzes aufgefasst. Im tStVollzG wird ausdrücklich geregelt, dass jede Strafe beim Zusammentreffen mehrerer Strafen (Realkonkurrenz) ihre Selbstständigkeit bewahrt und die verhängte Strafe kumuliert werden muss. Mithin stellt die Straffestsetzung im Falle der Realkonkurrenz nur eine rechnerische Aufgabe dar. Das türkische Strafgesetzbuch hat das Kumulationsprinzip den anderen Prinzipen vorgezogen; somit ist die verhängte und dementsprechend bis zur bedingten Entlassung zu verbüßende Strafe viel höher als im deutschen Strafrecht, weil im deutschen Strafrecht die Tatmehrheit geregelt wurde und bei der Bildung der Gesamtstrafe das Asperationsprinzip, nach dem die schwerste Strafe verschärft werden muss, Anwendung findet. Obwohl auch in der alten Fassung des türkischen Strafgesetzbuchs das Kumulationsprinzip angewendet wurde, hatte der Gesetzgeber (beim Zusammentreffen der zeitigen Freiheitsstrafen) für die Gesamtstrafen eine Höchstgrenze festgelegt. Anders als im deutschen Strafgesetzbuch wurde im neuen türkischen Strafgesetzbuch weder für die Freiheitsstrafen noch für die Geldstrafen eine Höchstgrenze vorgeschrieben. Bei einer Geldstrafe nach dem deutschen Strafrecht beträgt der Strafrahmen z. B. von mindestens fünf bis höchstens 360 Tagessätze (wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt), aber als Gesamtgeldstrafe dürfen 720 Tagessätze nicht überschritten werden. Für eine Geldstrafe gelten nach den türkischen Strafen die Strafrahmen von mindestens fünf bis maximal 730 Tagessätze (wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt). Aber eine Höchstgrenze für die Gesamtgeldstrafe wurde weder im TCK noch im tStVollzG bestimmt. Ebenso wenig enthalten das TCK und tStVollzG eine Höchstgrenze für die Freiheitsstrafen. Im Allgemeinen liegt der Regelung der Tatmehrheit im deutschen Recht die Erwägung zugrunde, dass die Addition der Strafen zu einer hohen und dem Maß der Schuld des Täters nicht entsprechenden Strafe führen kann. Die Addition der Strafen 356 Im neuen Strafvollzugsgesetz wird auch für die erschwerten lebenslangen Freiheitsstrafen eine besondere Vollzugsart im Art. 25 des tStVollzG vorgeschrieben. 357 Altes Strafvollzugsgesetz.
B. Realkonkurrenz (Tatmehrheit)
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ist also wegen ihrer Höhe unproportional zur Schuld. Außerdem kann die zeitige Freiheitsstrafe durch die Addition ihren Charakter verlieren, indem sie zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe umgewandelt wird. Deswegen erscheint es angebracht, anstatt des Kumulationsprinzips das Asperationsprinzip anzuwenden. Im Gegensatz zum deutschen Strafrecht findet im türkischen Strafrecht das Kumulationsprinzip Anwendung. Es wird in der Konkurrenzlehre nicht diskutiert, welche Folgen die Anwendung des Asperationsprinzips haben könnte oder ob es im türkischen Strafrecht überhaupt anwendbar wäre. Hier ist deutlich hervorzuheben, dass die im deutschen Recht der Realkonkurrenz zugrunde liegenden Erwägungen auch im türkischen Strafrecht gelten, weil durch die Anwendung des Kumulationsprinzips nicht vollstreckbare Freiheits- und Geldstrafen verhängt und die zeitigen zu lebenslangen Freiheitsstrafen werden. Aus diesen Gründen ist die Rechtsrealität der durch die Addition entstehenden Strafen mehr als fragwürdig. Auch die Regelung der bedingten Entlassung im tStVollzG beseitigt diese Bedenken nicht, weil es theoretisch sehr schwer ist, unter den strengen Voraussetzungen des tStVollzG wieder entlassen zu werden. Aufgrund dieser Erklärungen kann die Regelung der Tatmehrheit im deutschen Recht für die türkische Konkurrenzlehre unter der Berücksichtigung der nationalen Ordnung als Vorbild dienen.
Dritter Teil
Die im türkischen Strafgesetz geregelten weiteren Konkurrenzformen und die Anwendung im deutschen Recht A. Fortsetzungstat (Zincirleme Suç1) I. Fortsetzungstat nach dem neuen türkischen Strafgesetz 1. Im Allgemeinen Die Fortsetzungstat wurde von dem italienischen Strafgesetz übernommen und im alten türkischen Strafgesetzbuch von 1927 in Art. 80 verankert. Bis zum Inkrafttreten des neuen Strafgesetzes im Jahr 2005 wurde dieses Institut wenig geändert. Mit der umfangreichen Reform des Strafgesetzes wurden die Voraussetzungen der Fortsetzungstat teilweise geändert und der Anwendungsbereich der Fortsetzungstat im Vergleich zum alten Strafgesetz wesentlich begrenzt. Die Fortsetzungstat wird im neuen Strafgesetzbuch in Art. 43 des zweiten Teils des ersten Buchs geregelt. Hiernach handelt es sich um eine Fortsetzungstat, wenn jemand bei der Ausführung eines Tatentschlusses die gleiche Straftat gegen eine Person zu verschiedenen Zeiten begangen hat. Beim Vorliegen einer Fortsetzungstat wird auf eine Strafe erkannt. Diese Strafe muss aber in einem bestimmten Maße erhöht werden. 2. Sinn und Zweck der Fortsetzungstat a) Wesen der Fortsetzungstat In der türkischen Strafrechtslehre herrscht beinahe Einigkeit über das Wesen der Fortsetzungstat. In der Lehre wurde die Einheitstheorie, die bei der Fortsetzungstat das Vorliegen einer Straftat annimmt, stark kritisiert und das Vorliegen mehrerer Straftaten (Mehrheitstheorie) angenommen. Zutreffend wurde von Içel2 gegen die Einheitstheorie angeführt, dass es ein Dilemma darstelle, auf der einen Seite bei der Fortsetzungstat die Deliktseinheit anzunehmen und auf der anderen Seite die Er1 2
Im alten Strafgesetzbuch als „Müteselsil Suç“ bezeichnet. ˙Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 95; vgl. im deutschen Recht: S/S-Stree24, Vorbem. §§ 52 Rn. 32.
A. Fortsetzungstat (Zincirleme Suç)
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füllung der Deliktsvoraussetzungen durch jeden Einzelakt für unerlässlich zu halten. Bei der Feststellung der Anzahl der Delikte sei die Übertretung der Normen entscheidend. Der Täter begehe bei der Fortsetzungstat mehrere Straftaten durch mehrere Handlungen, deswegen handele es sich hier um Deliktsmehrheit.3 Kunter4 vertritt in der Lehre eine andere Meinung. Er ist der Ansicht, dass für das Wesen der Fortsetzungstat nicht die (fiktive) Einheit oder (echte) Mehrheit der Straftaten entscheidend sei. Um herauszufinden, ob es sich bei der Fortsetzungstat um Deliktseinheit oder -mehrheit handelt, soll zuerst die Frage beantwortet werden, ob die Fortsetzungstat teilbar ist. Nach Kunters Analyse ist die Fortsetzungstat aus den folgenden Gründen unteilbar; es liege somit eine Deliktseinheit vor: – Der einzige Grund für die Deliktseinheit ist nicht nur die Regelung der Fortsetzungstat unter der Überschrift „Konkurrenz der Straftaten“ im aStGB, sondern es existieren auch andere Vorschriften5, die die Fortsetzungstat als eine Einheit behandeln.6 – Die Annahme, dass die Fortsetzungstat nur bei der Bestrafung, bei der Feststellung des Beginns der Verfolgungsverjährung und des Gerichtsstands eine Einheit bilde und die Straftaten in den sonstigen Fällen ihre Selbstständigkeit bewahren würden, sei nicht richtig, weil die Gesetze unvollkommen oder fehlerhaft sein könnten. Es liegen hier viele offene Fragen vor; z. B. wie man die Fälle behandeln soll, wenn ein Teil der Straftaten nur auf Strafantrag verfolgt werden kann, oder welches Strafgesetz anzuwenden ist, wenn ein Teil der fortgesetzten Handlungen im Ausland verwirklicht wurden. Das TCK enthalte zu diesen Fragen keine Information und die Nichtregelung weise nicht darauf hin, dass bei diesen Fällen die Straftaten eine Mehrheit bilden würden.7
˙Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 96. Kunter, I˙HFM 1951, S. 884, 896 ff.; vgl. Özek, ˙IHFM 1959, S. 118, 168. 5 Die Bestimmungen über die Feststellung des Verjährungsbeginns und des Gerichtsstands. 6 Die Regelung der Fortsetzungstat unter der Überschrift „Konkurrenz der Straftaten“ weist eigentlich nicht darauf hin und ist kein Anzeichen dafür, dass es bei der Fortsetzungstat oder bei den anderen Bestimmungen der Konkurrenz (Idealkonkurrenz oder zusammengesetzte Straftat) prinzipiell um Deliktseinheit geht. Daneben hat der Gesetzgeber mit der Regelung des Beginns der Verfolgungsverjährung und des Gerichtsstandes nicht bezweckt, die Fortsetzungstat als Deliktseinheit zu bezeichnen. Bei der Gesetzesbegründung (Art. 66 des TCK, Verfolgungsverjährung) hat der Gesetzgeber nicht erklärt, warum die Verjährungsfrist bei Fortsetzungstaten mit dem Tag der letzten Tat beginnt. Für die Regelung des Gerichtsstandes bei der Fortsetzungstat (Art. 12 Abs. 2 tStPO) enthält auch die Gesetzesbegründung keine Erklärung. Im Allgemeinen hat der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung betont, dass der Artikel über den Gerichtsstand „einem unbeschränkten und ununterbrochenen Strafverfahren dient“. Beide Artikel werden also nur für die Erleichterung des Strafverfahrens geregelt und besonders im Fall der Verjährung wird die Auslegungsmöglichkeit des Richters begrenzt, weil er nicht diskutieren muss, wann die Verjährungsfrist beim Vorliegen der Fortsetzungstat beginnt. CMK Madde Gerekçeleri, Madde 13. 7 Kunter, I˙HFM 1951, S. 894, 898. 3 4
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3. Teil: Im türkischen Strafgesetz weitere geregelte Konkurrenzformen
– Die Regelung der Fortsetzungstat diene nicht dem Zweck der Milderung der Härte der Realkonkurrenz. Bei der Fortsetzungstat habe der Täter mit der ersten Handlung sein Werk nicht beendet und er sei der Meinung, dass die Tat durch die weiteren Handlungen fortgesetzt und beendet werden könne. Deswegen lägen hier nicht mehrere, sondern nur eine Straftat vor und jede Straftat sei nur ein Teil eines Ganzen. Zwar könne jede Handlung als eine Straftat bezeichnet werden, aber der Gesetzgeber wolle hier nicht jede einzelne Handlung, sondern alle Handlungen als eine Straftat behandeln. Das fortgesetzte Delikt (z. B. fortgesetzter Diebstahl) solle hingegen von dem einmaligen Diebstahl unterschieden und bei der Bestrafung als strafverschärfend berücksichtigt werden. Deswegen sei die Fortsetzungstat eine qualifizierte Straftat.8 Ein wichtiger Teil der Lehre9 vertritt auch die Meinung, dass bei der Fortsetzungstat mehr als ein Delikt und mehr als eine Handlung vorliegen. Deren Vertreter begründen ihre Meinung jedoch nicht mit dem Kriterium der „Normübertretung“. Nach dieser Lehre bildet die Fortsetzungstat nur in bestimmten Fällen eine fiktive (Delikts-)Einheit. Wenn es im Gesetz nicht anders geregelt worden sei, bewahre jede Straftat ihre Selbstständigkeit. Bei der Bestrafung, bei der Feststellung des Verjährungsbeginns und des Gerichtsstands bildeten die Straftaten eine (fiktive) Einheit. Nach dem Gesetzeswortlaut ist auch festzustellen, dass bei der Fortsetzungstat mehr als ein Delikt vorliegt und die Mehrheitstheorie (das Vorliegen mehrerer Straftaten) bezüglich der Fortsetzungstat im türkischen Strafrecht gilt, weil gemäß Art. 43 Abs. 1 S. 1 die „mehrmalige Begehung“ der gleichen Straftat eine zwingende Voraussetzung für die Fortsetzungstat ist. Zwar habe der Gesetzgeber bei der Bestrafung die Verhängung einer einzigen Strafe vorgeschrieben10, das sei jedoch kein Grund für die Annahme der Deliktseinheit, weil die Begehung weiterer Straftaten bei der Bestrafung berücksichtigt werden müsse. Die Ausführung eines einzigen Tatentschlusses sei auch kein Grund für die Annahme der Deliktseinheit und jede Straftat bewahre ihre eigene Selbstständigkeit, weil mehrere getrennte Straftaten durch die Ausführung eines einzigen Tatentschlusses nicht als ein untrennbares Ganzes verbunden würden.11 Nach Hakeri handelt es sich bei der Fortsetzungstat um die Zusammenfassung der Handlungen, die jede den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklichen, zu einer Handlung. Diese an sich selbstständigen und getrennt zu bestrafenden Handlungen 8
Kunter, IHFM 1951, S. 894, 899. Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 479 f.; Sancar, TBBD, 2007, S. 244, 248; Önder, Ceza Hukuku, S. 498; Centel/Zafer/C¸akmut, Türk Ceza Hukukuna Giris¸, S. 485; Demirbas¸, Ceza Hukuku, S. 491; Dönmezer/Erman, Nazari ve Tatbiki C I, S. 394; Özbek/Kanbur/Dog˘ an/ Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 520; Sancar, Müteselsil Suç, S. 60; vgl. Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 182 ff.: Özen führt aus, dass die Fortsetzungstat eine vom Gesetzgeber gebildete rechtliche Einheit sei. Hakeri, Ceza Hukuku, S. 579 f. 10 Und dadurch hat er die sog. fiktive Deliktseinheit stillschweigend akzeptiert. 11 ˙ Içel, Suçların I˙çtimaı, S. 97; Sancar, Müteselsil Suç, S. 60. 9
A. Fortsetzungstat (Zincirleme Suç)
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würden zu einer Handlung im Rechtssinn zusammengefasst. Die Fortsetzungstat sei also eine vom Gesetzgeber gebildete rechtliche Einheit.12 b) Der Grund für die Regelung der Fortsetzungstat und der einzigen Strafe Mit der Regelung der Fortsetzungstat hat der Gesetzgeber versucht, entsprechend der historischen Entwicklung des Instituts die Härte des Kumulationsprinzips abzumildern und mit der Berücksichtigung des Gerechtigkeitsgefühls13 auf eine angemessene Strafe zu erkennen.14 Sonst müssten die Strafen wegen jeder Straftat nach dem Kumulationsprinzip addiert und über den Täter eine höhere Strafe verhängt werden, obwohl zwischen den Straftaten (und Handlungen) eine subjektive Verbindung vorliegt.15 Der Gesetzgeber hat die Verhängung einer einzigen Strafe damit begründet, dass es bei der Fortsetzungstat zwar um die Begehung von mehr als einer Straftat gehe, aber diese Straftaten bei der Ausführung eines einzigen Tatentschlusses begangen würden. Zwischen diesen Straftaten liege also eine subjektive Verbindung vor und wegen dieser subjektiven Verbindung werde nicht für jede Straftat gesondert, sondern nur eine einzige Strafe verhängt.16 In der Lehre wird auch angeführt, dass die Fortsetzungstat wegen der subjektiven Verbindung mehrerer Straftaten anders als Realkonkurrenz behandelt werden müsse und diese subjektive Eigenschaft diese Regelung rechtfertige.17 3. Die Voraussetzungen der Fortsetzungstat a) Die mehrmalige Begehung der gleichen Straftat Für die Annahme der Fortsetzungstat muss eine gleichartige Straftat mehrmals begangen werden.18 Der Gesetzgeber hat in Art. 43 Abs. 1 S. 3 erklärt, was unter dem Begriff „dieselbe Straftat“ verstanden werden muss. Danach gelten ein Grundtatbestand und seine privilegierenden und qualifizierenden Formen als die gleiche Straftat. Um von einer Fortsetzungstat sprechen zu können, müssen die Straftaten Hakeri, Ceza Hukuku, S. 579, 581; vgl. Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 182 f. Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 183. 14 Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 520; Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 183; Kunter, ˙IHFM 1948, S. 359, 368. 15 Vgl. Kunter, ˙IHFM 1948, S. 359, 368. 16 TCK Madde Gerekçeleri, S. 179. 17 ˙ Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 96; vgl. Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 520. 18 Der Kassationshof hat in einem Fall, in welchem der Täter einem Opfer die von ihm gefälschte öffentliche Urkunde (aTCK Art. 342 Abs. 1), einem anderen eine von ihm gefälschte Privaturkunde (aTCK Art. 345) gibt, entschieden, dass er zwei Straftaten begeht, die keine Fortsetzungstat bilden. Y. 6. CD, 12. 09. 2005, E 2004/10884, K 2005/7299, in: Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 213, Fn. 591. 12
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3. Teil: Im türkischen Strafgesetz weitere geregelte Konkurrenzformen
nicht im selben Artikel geregelt sein. Die qualifizierenden und privilegierenden Tatbestände können in verschiedenen Artikeln geregelt sein. Für die Feststellung der gleichen Straftat ist das geschützte Rechtsgut nicht entscheidend. Die Diebstahl- und Unterschlagungshandlungen bilden keine Fortsetzungstat, obwohl beide Straftaten unter der Überschrift „Straftaten gegen das Vermögen“ geregelt sind und ein und dasselbe Rechtsgut schützen, da verschiedene Straftaten begangen werden.19 Diese Artikel finden auch dann Anwendung, wenn die gleiche Straftat in verschiedenen Strafgesetzen geregelt wird. Wenn also die gleiche Straftat sowohl im TCK als auch in anderen besonderen Strafgesetzen geregelt und diese Straftat mehrmals begangen wird, kann eine Fortsetzungstat vorliegen.20 Die Fortsetzungstat ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil manche oder alle Straftaten im Versuchsstadium bleiben. Für die Annahme der Fortsetzungstat muss die gleiche Straftat mehrmals begangen werden. Wird z. B. durch aufeinanderfolgende Einzelakte ein Strafgesetz nur ein einziges Mal21 verletzt, liegt die Fortsetzungstat nicht vor, weil jede Einzeltat alle Deliktsvoraussetzungen erfüllen muss. Der Kassationshof hat in manchen Entscheidungen das Urteil der ersten Instanz aufgehoben, weil die erste Instanz fälschlicherweise von dem Vorliegen mehrerer Straftaten ausging, obwohl nur eine Straftat begangen wurde.22 Ebenso bildet die einmalige Begehung eines mehraktiven Delikts keinen Grund für die Anwendung des Art. 43 Abs. 1, weil auch in diesem Fall nur die Begehung einer Straftat vorliegt und diese Delikte mehrere Handlungen erfordern oder zulassen.23 Wenn aber die Handlungen zu verschiedenen Zeiten verwirklicht würden, könnte die Fortsetzungstat unter der Bedingung angenommen werden24, dass auch die anderen Voraussetzungen der Fortsetzungstat vorlägen.
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Vgl. Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 521; Hakeri, Ceza Hukuku, S. 580; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 484. 20 Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 221; Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 520; ˙Içel/Özgenç/Sözüer/Mahmutog˘ lu/Ünver, Suç Teorisi S. 446; g.A. Hakeri, Ceza Hukuku, S. 582; Sancar, TBBD, 2007, S. 244, 253. 21 Dies ist der Fall z. B. bei der iterativen Tatbestandsverwirklichung. 22 Die Erhöhung der Strafe durch die Anwendung des Art. 80 aTCK (Fortsetzungstat) sei falsch, weil der Täter einmal zwei gefälschte Schecks bei seinen Kauf abgegeben habe und seine Handlungen nur ein Strafgesetz (Betrug) verletzt. Y. 11. CD, 02. 02. 2006, 384/445, in: Artuk/ Gökçen/Yenidünya, Ceza Hukuku, S. 644, Fn. 376. Die nochmalige Bedrohung des Opfers während der Flucht im Anschluss an die Bedrohung vor der Wohnung bilde nur eine Straftat, weil der Täter seinen Vorsatz nicht erneuert habe und die in kurzer Zeitspanne verwirklichten Bedrohungshandlungen nur eine Straftat bilden würden. Deswegen sei die Erhöhung der Strafe nach Art. 43 gesetzeswidrig. Y. 4. CD, 06. 12. 2006, 2006/7013, 2006/17359, in: Özen, Suçların I˙çtimaı, S. 214, Fn. 595. 23 Vgl. Y. 5. CD, 02. 12. 2008, 2008/11972, 2008/10675: Die erste Instanz hatte die Strafe des Täters, der sein Glied und Finger in die weiblichen Geschlechtsorgane eingeführt hat, nach der Bestimmung der Fortsetzungstat anerkannt, weil das Einführen des Fingers und Glieds zwei Straftaten seien. Der Kassationshof hat diese Entscheidung zutreffend aufgehoben, weil durch diese Einzelakte nur eine Straftat begangen wurde. In: UYAP. 24 Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 217.
A. Fortsetzungstat (Zincirleme Suç)
189
b) Die Begehung der Straftaten zu verschiedenen Zeiten Die zweite Voraussetzung der Fortsetzungstat ist die Begehung der Straftaten zu verschiedenen Zeiten. Aus dem Gesetzestext ist nicht zu entnehmen, was mit „zu verschiedenen Zeiten“ gemeint ist und wann die Handlungen als „die Begehung der Straftaten zu verschiedenen Zeiten“ gelten. Nach den Entscheidungen des Kassationshofs sind die Straftaten zur selben Zeit begangen, wenn die Einzelakte im selben Zeitabschnitt verwirklicht wurden. Nach einer Entscheidung des Kassationshofs sind die Straftaten nicht zu verschiedenen Zeiten begangen worden, weil die Abgabe zweier gefälschter Schecks bei einem Einkauf im selben Zeitabschnitt stattgefunden hat.25 Die Straftaten müssen zwar zu verschiedenen Zeiten begangen werden, aber die Zeitabschnitte zwischen den Straftaten dürfen nicht sehr lang sein. Ein Zeitabschnitt von einem oder mehr als einem Jahr ist sehr lang in diesem Sinne und in solchen Fällen kann man nicht mehr von einem einzigen Tatentschluss sprechen. Zur Feststellung, ob der Zeitabschnitt zwischen den Straftaten kurz oder lang ist, soll der Richter den Zeitabschnitt mit den anderen Besonderheiten des Tathergangs im jeden Einzelfall vorsichtig bewerten.26 c) Die Begehung der gleichen Straftat gegen dieselbe Person aa) Die Fortsetzungstat bei Straftaten gegen Personen Anders als aTCK (Art. 80) ist die Begehung der gleichen Straftat gegen eine Person eine weitere Voraussetzung für die Fortsetzungstat. Mit „eine Person“ hat der Gesetzgeber „dieselbe Person“ gemeint und in seiner Gesetzesbegründung erklärt, dass die Fortsetzungstat im Fall der mehrmaligen Begehung der gleichen Straftat gegen verschiedene Personen nicht angenommen werden darf, auch wenn die Straftaten bei der Ausführung eines einzigen Tatentschlusses begangen werden.27 Danach ist die Fortsetzungstat nicht gegeben, wenn der Betroffene nicht dieselbe Person ist. Der Kassationshof entschied in einem Fall, in welchem der Täter die Mobiltelefone, Geld und Armbanduhren mehrerer Opfer in der Umkleidekabine einer Sporthalle gestohlen hat, dass die Fortsetzungstat nicht vorliege, weil die Straftaten gegen verschiedene Personen gerichtet gewesen seien.28 In einer anderen 25 Y. 11. CD, 21. 02. 2007, 2006/7980, 2007/1002, in: UYAP; vgl. Y. 11. CD, 29. 11. 2007, 7718/8624, in: Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 522. 26 Einzelheiten siehe unten: Dritter Teil A. I. 3. e) bb) (2). 27 Mit einem Beispiel hat der Gesetzgeber die Nichtanwendung des Art. 43 erklärt: „Wenn der Täter Radioapparate aus verschiedenen auf einem Parkplatz stehenden Autos stiehlt, indem er die Scheiben der Autos zerbricht, begeht er mehrere Straftaten, bei denen die Bestimmungen der Realkonkurrenz Anwendung finden müssen, weil jeder Diebstahl gegen einzelne Eigentümer ihre Selbstständigkeit bewahrt.“ TCK Madde Gerekçeleri, S. 179. 28 Y. 6. CD, 09. 06. 2008, 12217/13109, in: Artuk/Gökçen/Yenidünya, Türk Ceza Kanunu S¸erhi, S. 1038.
190
3. Teil: Im türkischen Strafgesetz weitere geregelte Konkurrenzformen
Entscheidung lehnte der Kassationshof die Anwendung von Art. 43 Abs. 1 ab, weil der Täter bei der Überweisung von Arbeitsentgelten mehrerer Angestellter rechtswidrig Beträge abgezogen hat und auf diese Weise mehrere Personen benachteiligt wurden.29 Die Fortsetzungstat ist beim Betrug nicht anzuwenden, wenn sich die Betrugshandlungen gegen verschiedene Personen richten. bb) Die Fortsetzungstat bei anderen Straftaten (bei denen die Opfer unbestimmte Personen sind) Mit einem Änderungsgesetz30 nach dem Inkrafttreten des neuen TCK wird Art. 43 Abs. 1 ein neuer Satz (S. 4) angefügt. Hiernach findet die Fortsetzungstat auch Anwendung bei den Straftaten, bei denen das Opfer keine bestimmte Person ist. Dies wird vom Gesetzgeber damit begründet, dass bei manchen Straftaten, wie z. B. Bestechung und vorsätzlicher Umweltverschmutzung, das Opfer keine bestimmte Person, sondern die Allgemeinheit sei. Bei diesen Straftaten müsse die Regelung der Fortsetzungstat angewendet werden; auf diese Weise werde der Zweifel31 bei dem Rechtanwender beseitigt.32 Nach dieser Regelung findet die Fortsetzungstat auch bei den Straftaten gegen die Allgemeinheit, gegen Nation und Staat usw. Anwendung, wenn diese Straftaten bei der Ausführung eines Tatentschlusses mehrmals begangen werden. Wenn jemand z. B. bei der Ausführung eines Tatentschlusses mehrmals die Umwelt vorsätzlich schädigt, bilden seine Handlungen und die Straftaten eine Fortsetzungstat und es wird eine Strafe verhängt.33 In der Lehre hat Özbek34 richtig herausgestellt: Der Gesetzgeber habe durch die Verwendung „gegen eine Person“ den Eindruck erweckt, dass die Fortsetzungstat nur bei Straftaten gegen Personen möglich sei. Außerdem sei die Regelung über die Straftaten, bei denen die Anwendung der Fortsetzungstat gemäß Art. 43 Abs. 3 ausgeschlossen sei, unter „Straftaten gegen die Personen“ auch ein Grund für eine solche Interpretation und bestärke diese Annahme. Daneben könne man Art. 43 Abs. 1 S. 1 in der Weise interpretieren, dass die Anwendung der Fortsetzungstat nur bei den Straftaten ausgeschlossen sei, bei denen die Opfer verschiedene Personen seien; bei den Straftaten gegen die Allgemeinheit sei diese hingegen möglich. Beides seien mögliche Auslegungen des Gesetzes. Der Gesetzgeber habe aber durch die Regelung des S. 4 des Abs. 1 ausgedrückt, dass die Fortsetzungstat auch bei den 29 Y. 11. CD, 25. 05. 2006, 1859/4708, in: Artuk/Gökçen/Yenidünya, Türk Ceza Kanunu S¸erhi, S. 1039. 30 Türk Ceza Kanununda Des¸iklik Yapılmasına Dair Kanun Art. 6, abrufbar unter folgender URL: http://www.ceza-bb.adalet.gov.tr/mevzuat/5377.htm (Stand: 06. 11. 2015). 31 Es handelt sich um den Zweifel, ob bei diesen Straftaten die Fortsetzungstat angewendet werden soll oder nicht. 32 Die Begründung dieses Satzes in: Artuk/Gökçen/Yenidünya, Türk Ceza Kanunu S¸erhi, S. 1023. 33 Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 487; Demirbas¸, Ceza Hukuku, S. 491. 34 Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 526.
A. Fortsetzungstat (Zincirleme Suç)
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Straftaten, bei denen das Opfer keine bestimmte Person sei, Geltung erfahre. Auf diese Weise werde die Diskussion somit beendet. Im Gegensatz zu Özbek vertritt ein Teil der Lehre die Ansicht, dass durch diesen Satz die Diskussion gerade nicht beendet wird. Im Gegenteil werde durch diesen Absatz eine neue Debatte eröffnet. In der Lehre wird diese Regelung anders interpretiert und als mit dem Charakter der Fortsetzungstat unvereinbar gefunden. Ein Teil der Lehre35 ist der Meinung, dass der Gesetzgeber mit diesem Satz das Vorliegen der Fortsetzungstat auch im Fall der Begehung nur einer einzigen Straftat angenommen hat. Nach dieser Annahme liegt auch bei den Straftaten, bei denen das Opfer keine bestimmte Person ist, eine Fortsetzungstat vor. Bei der einmaligen Bestechlichkeit oder bei der einmaligen vorsätzlichen Umweltverschmutzung liege die Fortsetzungstat vor, weil es mehr als ein Opfer (die Allgemeinheit) gebe. Sancar führt aus, dass unter „die Straftaten, bei denen das Opfer keine bestimmte Person ist“ nicht „Straftaten gegen die Gesellschaft“, sondern „gegen eine Personengruppe begangene Straftaten“ verstanden werden. Wenn jemand also jede Person einer Gruppe einmal (durch eine Handlung) beleidige, sei das Opfer keine bestimmte Person und es solle die Bestimmung der Fortsetzungstat Anwendung finden.36 Durch diesen Satz werde eine Ausnahme für den Satz 1 gebildet, die die Regel im ersten Satz wesentlich begrenze und den Anwendungsbereich der Fortsetzungstat erweitere. Auf diese Weise werde das Opfer als Merkmal für die Fortsetzungstat abgelehnt.37 Diese Annahme ist deswegen nicht überzeugend, weil für die Annahme der Fortsetzungstat bei solchen Delikten auch die anderen Voraussetzungen, die im ersten Satz des Art. 43 Abs. 1 des TCK vorgeschrieben werden, erfüllt sein müssen. Diese Auffassung übersieht, dass der Gesetzgeber im vierten Satz auf den ersten verweist und auch die Begehung mehrerer Straftaten bei der Ausführung eines Tatentschlusses als erforderlich ansieht, auch wenn das Opfer keine bestimmte Person ist. Wenn also manche Straftaten mehrmals gegenüber einer unbestimmten Anzahl von Personen bei der Ausführung eines Tatentschlusses zu verschiedenen Zeiten begangen werden, liegt eine Fortsetzungstat vor. Mit „Straftaten, bei denen das Opfer keine bestimmte Personen ist“ will der Gesetzgeber eine Eigenschaft dieser Straftaten ausdrücken. Bei diesen Straftaten ist jeder die Allgemeinheit bildende Mensch Opfer oder Betroffener und die Mehrheit der Betroffenen steht einer Annahme einer Fortsetzungstat nicht entgegen. Die Auffassung, dass S. 4 eine Ausnahme des S. 1 sei, erscheint nicht plausibel. Durch diesen Absatz wird eine Gesetzeslücke gefüllt, weil der Gesetzgeber mit dieser Regelung betonen wollte, dass die Fortsetzungstat auch bei den Straftaten gegen die Allgemeinheit, Nation und Staat anwendbar ist, obwohl hier eben kein bestimmtes Opfer vorliegt. 35 Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 244 ff.; Sancar, TBBD, 2007, S. 244, 257; vgl. Hafızog˘ ulları, Sulhi Dönmezer Armag˘ anı, S. 859 ff. 36 Sancar, TBBD, 2007, S. 244, 257. 37 Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 244.
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3. Teil: Im türkischen Strafgesetz weitere geregelte Konkurrenzformen
Aber daneben ist des Weiteren festzustellen, dass der Gesetzgeber eindeutig für diese (Fehl-)Interpretation in der Lehre verantwortlich ist. Vor allem hat der Gesetzgeber „die Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten“ auch unter diesem Artikel geregelt und hat auf diese Weise die Gelegenheit geschaffen, die Idealkonkurrenz als Fortsetzungstat zu verstehen. Daneben ist auch der Wortlaut des Gesetzes ein Grund für diese Verwechslung, weil der Gesetzgeber bei der Regelung der Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten in Art. 43 Abs. 2 den Ausdruck „gegen mehr als eine Person“ verwendet, den er gar nicht fassen bzw. verwenden müsste. Aufgrund dieser Verwendung wird angenommen, dass dieser Absatz eine Ausnahme darstellt, weil es im ersten Absatz um eine und im zweiten um mehrere Personen geht, und der zweite deshalb als eine Ausnahme des ersten (miss-)verstanden wurde. Demzufolge können Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 als Ausnahmen der Fortsetzungstat interpretiert werden, weil in Abs. 1 S. 1 die Begehung der Straftaten „gegen eine Person“ als Grundfall und in Abs. 1 S. 4 und Abs. 2 als Ausnahmen der Fortsetzungstat dargestellt werden. Sowohl in Abs. 2 als auch in Abs. 1 S. 4 wird normiert, dass auch bei beiden Fällen Abs. 1 Anwendung findet. cc) Die Begehung der Straftaten gegen verschiedene Personen In Art. 43 Abs. 1 S. 1 wird ausdrücklich geregelt, dass die Begehung der gleichen Straftat gegen eine Person eine unerlässliche Voraussetzung für die Fortsetzungstat ist. Wer bei der Ausführung eines Tatentschlusses die gleiche Straftat gegen verschiedene Personen begangen hat, ist nach den Bestimmungen der Realkonkurrenz zu bestrafen. Durch diese Voraussetzung wird der Anwendungsbereich der Fortsetzungstat wesentlich begrenzt. Daneben bildet auch Art. 43 Abs. 3 eine zusätzliche Begrenzung; denn die Regelung der Fortsetzungstat findet für die in diesem Absatz genannten Straftaten keine Anwendung, auch wenn diese Straftaten gegen eine Person mehrmals begangen werden. In der Lehre38 wird vertreten, dass die Regelung und die Notwendigkeit des Merkmals des Opfers als ein Bestandteil der Fortsetzungstat mit der historischen Entwicklung des Instituts nicht vereinbar seien. Für die Annahme der Fortsetzungstat sei unwichtig, ob das Opfer ein Einzelner oder mehrere, dieselbe Person oder verschiedene Personen ist/sind. Deswegen sollte der Ausdruck „gegen eine Person“ vom Gesetz gestrichen werden. Im alten Strafgesetzbuch (aTCK) war „die Begehung der Straftaten gegen eine Person“ keine Voraussetzung für die Fortsetzungstat. Deswegen fand die Fortsetzungstat Anwendung, auch wenn die Straftaten gegen verschiedene Personen gerichtet waren. Der in der italienischen Lehre und Rechtsprechung39 vertretene Gesichtspunkt, nach dem die Fortsetzungstat im Fall der Begehung der Straftaten gegen verschiedene Personen ausgeschlossen ist, da beim Vorliegen mehrerer Opfer von einem einzigen Tatentschluss nicht mehr gesprochen werden kann, wurde in der 38 39
Hafızog˘ ulları, Sulhi Dönmezer Armag˘ anı, S. 860. Dafür in: Tosun, ˙IHFM 1957, S. 124, 136 ff.
A. Fortsetzungstat (Zincirleme Suç)
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türkischen Lehre40 kritisiert, weil im Gesetz eine solche Voraussetzung nicht geregelt werde. Die Forderung einer solchen Voraussetzung für die Fortsetzungstat sei gesetzeswidrig. Die Einschränkung, dass die Fortsetzungstat bei der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Opfer nicht möglich sei, fand in der türkischen Lehre41 keine Zustimmung, weil auch bei der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter die Voraussetzungen der Fortsetzungstat vorlägen und eine gegenteilige Annahme gesetzeswidrig sei. Der Kassationshof hat in der Zeit des alten Strafgesetzes im Fall der Begehung der Straftaten gegen verschiedene Personen und der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Träger unterschiedliche Entscheidungen getroffen; hier ist jedoch keine einheitliche Anwendung zu erkennen. Der Große Strafsenat entschied im Jahr 1929, dass die mehrmalige Begehung der Straftaten gegen die höchstpersönlichen Rechtsgüter mehrerer Rechtsträger keine Fortsetzungstat bilde.42 Der Große Strafsenat hat im Jahr 1995 in einem Fall, in welchem der Täter durch Folter zwei Menschen zu Geständnissen gezwungen hat, entschieden, dass Art. 80 (aTCK) in diesem Fall keine Anwendung finde, wobei das Urteil auf der Entscheidung des großen Senats aus 1929 beruhte.43 In einer anderen Entscheidung hat der Dritte Strafsenat die Fortsetzungstat bei der Begehung mehrerer Straftaten gegen mehrere Opfer mit einer anderen Begründung nicht angenommen, weil sich mit der Vermehrung der Opfer auch der Vorsatz vermehre und deswegen hier Art 80 (aTCK) keine Anwendung finde.44 Bei manchen Entscheidungen45 hat der Kassationshof angenommen, dass die Begehung der Straftaten gegen mehrere Rechtsgutsträger einer Anwendung der Fortsetzungstat nicht entgegenstehe. In einem Fall, in welchem der Täter bei der Ausführung eines einzigen Tatentschlusses zwei Menschen die Zähne zu verschiedenen Zeiten zieht, hat der Kassationshof entschieden, dass die Bestimmung der Fortsetzungstat gemäß Art. 80 aTCK (TCK Art. 43 Abs. 1) Anwendung finden sollte.46
Sancar, Müteselsil Suç, S. 109; Tosun, ˙IHFM 1957, S. 124, 137; Erem, Türk Ceza Kanunu Yorumu C II, S. 650. 41 ˙ Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 151; Sancar, Müteselsil Suç, S. 109; Tosun, I˙HFM 1957, S. 124, 137. 42 YCGK, Haziran 1929 26/10, in: Dönmezer/Erman, Nazari ve Tatbiki C I, S. 400. In dieser Zeit war der Ausdruck in Art. 80 (Fortsetzungstat) des aTCK nicht „Entschluss“ sondern „Vorsatz“. 43 YCGK, 27. 03. 1995, 1995/8 – 58, 1995/86, in: Dönmezer/Erman, Nazari ve Tatbiki C I, S. 400. 44 Y. 3. CD, 06. 03. 1953, 286/2110, in: I˙çel, Suçların ˙Içtimaı, S. 151. 45 Y. 3. CD, 21. 03. 1956, 5074/6304, in: ˙Içel, Suçların I˙çtimaı, S. 151, Fn. 293. 46 Y. 4. CD, 03. 03. 1959, 11380/3038, in: ˙Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 151, Fn. 293. 40
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3. Teil: Im türkischen Strafgesetz weitere geregelte Konkurrenzformen
d) Die Erfüllung aller Deliktsvoraussetzungen durch jede einzelne Handlung Darüber hinaus müssen zur Annahme der Fortsetzungstat alle Deliktsvoraussetzungen durch jede Handlung erfüllt werden. Jede Handlung muss also tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft sein. Wenn einer der Einzelakte während seiner Begehung nicht tatbestandsmäßig sei, bleibe er bei der Feststellung der Fortsetzungstat und bei der Bestrafung unberücksichtigt. Ebenso stehen die Einzelakte mit den anderen nicht im Verhältnis der Fortsetzungstat, wenn der Täter bei der Begehung nicht schuldhaft handelt oder die Handlungen des Täters durch einen Rechtfertigungsgrund gedeckt werden.47 Wenn das Gesetz für den Beteiligten einen Strafausschließungsgrund bestimme und dieser bei manchen Handlungen vorliege, würden diese Handlungen auch unberücksichtigt bleiben. Der Kassationshof hat in einem weiteren Urteil ausgeführt, dass zur Anwendung der Bestimmung der Fortsetzungstat mehr als eine Straftat begangen werden und jede von diesen Straftaten strafbar sein müsse.48 e) Die Begehung der Tat bei der Ausführung eines Tatentschlusses aa) Im Allgemeinen Nach Art. 43 Abs. 1 ist die Begehung der Straftaten „bei der Ausführung eines Tatentschlusses“ eine subjektive Voraussetzung. Der einzige Tatentschluss bildet das subjektive Verbindungselement zwischen mehreren Handlungen und mehreren Straftaten. Beim Fehlen dieses subjektiven Verbindungselementes ist die Fortsetzungstat ausgeschlossen und der Täter mehrerer Straftaten ist nach den Bestimmungen der Realkonkurrenz, also nach dem Kumulationsprinzip, zu bestrafen. Hier ist zu betonen, dass der Tatentschluss mit dem Vorsatz nicht gleichbedeutend ist. Vorsatz liegt vor, wenn der Täter bei der Tatbestandsverwirklichung mit Wissen und Wollen handelt. Der Entschluss umfasst auch den Vorsatz. Bei der Begehung jeder Straftat muss der Täter vorsätzlich handeln und der Tatentschluss hat eine Verbindungsfunktion zwischen den selbstständigen Straftaten. In der Lehre vertreten Dönmezer und Erman die Ansicht, dass sich der Tatentschluss zur Begehung der Straftaten aus einem vorher gemachten Plan und einer allgemeinen Absicht ergebe. Der Täter habe vorher etwas geplant und habe die Durchführung dieses Plans in mehrere Teile zerlegt, statt ihn als ein zusammenhängendes Ganzes zu verwirklichen. Mehrere Straftaten würden eine Fortsetzungstat bilden, weil der Täter nach seinem vorherigen Plan handele.49 In der Lehre50 wird ˙Içel, Suç Teorisi, S. 441 ff.; Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 218. Y. 10. CD, 17. 04. 2008, 27117/6310, in: UYAP. 49 Dönmezer/Erman, Nazari ve Tatbiki C I S. 398; vgl. Özbek, ˙Izmir S¸erhi, S. 714. 50 ˙ Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 136; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 489; Demirbas¸, Ceza Hukuku, S. 494; ˙Içel, Suç Teorisi, S. 449. 47
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A. Fortsetzungstat (Zincirleme Suç)
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auch angenommen, dass ein Tatentschluss auch im Fall, in dem der Täter über die Fortführung der Straftaten später während der Tatausführung entscheide, vorliege. Wenn die Handlungen als die Fortführung der vorherigen Ausführungshandlungen anzusehen seien, sei die subjektive Verbindung zwischen den Straftaten begründet, und es liege die Fortsetzungstat vor. Also ist für die Annahme der Fortsetzungstat neben einem anfänglichen Entschluss auch eine später während der Tat getroffene Entscheidung ausreichend.51 Die Anzahl der zu begehenden Straftaten müsse nicht von Anfang an bestimmt werden. Ebenso müsse der Entschluss nicht alle Einzelheiten der Tatbestandsverwirklichung umfassen. Die Fortsetzungstat liege nicht vor, wenn der Täter in der Gesinnung handele, bei sich bietender Möglichkeit Straftaten zu begehen. Nach den höchstrichterlichen Entscheidungen liegt die subjektive Voraussetzung „die Ausführung eines Tatentschlusses“ zwischen den Straftaten beim letztgenannten Beispiel nicht vor, weil die Täter mit der Absicht gehandelt hätten, entsprechend ihres allgemeinen und konkreten Entschlusses bei jeder passenden Gelegenheit Straftaten zu begehen.52 bb) Die Kriterien für die Feststellung eines Tatentschlusses Die Feststellung, ob der Täter bei der Ausführung eines einzigen Tatentschlusses handelt, ist nicht einfach. Es fehlt bei jedem theoretischen Grundsatz eine einwandfreie Erklärung für die subjektive Voraussetzung. Zur Vereinfachung der Feststellung des Tatentschlusses hat sowohl der Kassationshof als auch die Lehre manche Eigenschaften der Tatserien als Ausgangspunkt angenommen. Nach zahlreichen höchstrichterlichen Entscheidungen53 kann das Vorliegen eines Tatentschlusses festgestellt werden, indem der Tatrichter die Begehungsweise der Straftaten, den Tatort und die Tatzeit der begangenen Handlungen, den Zeitabschnitt zwischen den Straftaten, das verletzte und geschützte Rechtsgut und Interesse und den Tathergang zusammen bewertet. Der Tatrichter kann also durch die Verwendung folgender Kriterien nach jeder konkreten Tat entscheiden, ob es zwischen den Straftaten eine subjektive Verbindung (einen einzigen Tatentschluss) gibt. (1) Die Begehungsweise der Straftaten Die Gleichartigkeit oder Ähnlichkeit der Einzelakte kann ein Hinweis für das Vorliegen eines Tatentschlusses sein. Dieses Kriterium führt nicht immer zu einem richtigen Ergebnis, weil die Straftaten durch verschiedenartige Handlungen, z. B. durch verschiedene Tatmodalitäten, begangen werden. Die Fortsetzungstat ist wegen der Verschiedenheit der Einzelakte nicht immer ausgeschlossen, z. B.: Mehrere ˙Içel, Suçların I˙çtimaı, S. 136; Hakeri, Ceza Hukuku, S. 587. YCGK, 28. 09. 1987, 6 – 12/421; vgl. YCGK, 26. 01. 1959, 2/4 – 4, in: ˙Içel, Suç Teorisi, S. 144 ff., Fn. 114, 117. 53 YCGK, 27. 03. 1995, 8 – 58/86, in: Artuk/Gökçen/Yenidünya, Türk Ceza Kanunu S¸erhi, S. 1035; YCGK, 01. 06. 1999, 6 – 122/145, in: Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 489, Fn. 1700; YCGK, 08. 07. 2003, E 2003/5 – 189, K 2003/207, in: UYAP. 51
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3. Teil: Im türkischen Strafgesetz weitere geregelte Konkurrenzformen
Diebstähle können durch verschiedene Tatmodalitäten begangen werden. Im Gegensatz dazu ist die Fortsetzungstat dann nicht möglich, auch wenn die Begehungsweise der Straftaten völlig identisch ist, wenn der Täter bei der Ausführung nicht nach einem Tatentschluss handelt.54 (2) Der Zusammenhang der Tatorte und der Tatzeiten Die Zeitabschnitte zwischen den begangenen Straftaten können auch einen Hinweis für die Annahme des einzigen Tatentschlusses bilden. Der Entschluss ist zum Zeitabschnitt umgekehrt proportional. Je länger also die Zeitabschnitte zwischen den Straftaten sind, desto weniger hat der Tatrichter die Möglichkeit, vom Vorliegen eines einzigen Tatentschlusses auszugehen.55 Die Abschnitte sind keine absoluten Kriterien zur Feststellung des Tatentschlusses. Der einzige Tatentschluss kann auch dann nicht vorliegen, wenn die Zeitabschnitte zwischen den Straftaten sehr kurz (z. B. ein paar Stunden oder ein Tag) sind. Deswegen kann die Bewertung der Zeitabschnitte nicht immer zu einem richtigen Ergebnis führen und nicht immer bedenkenfrei Anwendung finden; aber die Kürze oder Länge der Zeitabschnitte kann mit anderen Besonderheiten des ganzen Tathergangs bewertet werden. Der Kassationshof hat auch den zeitlichen Zusammenhang in jedem Einzelfall mit anderen Besonderheiten bewertet. Im Jahr 2003, in dieser Zeit dauerte der Wehrdienst 18 Monate, hat der türkische Kassationshof entschieden, dass „die Unterbrechung des Tathergangs durch die Ableistung des Wehrdienstes“ einen großen Zeitraum zwischen beiden Straftaten bilde und ein einziger Tatentschluss wegen des großen Zeitraums und der faktischen Unterbrechung nicht vorliege.56 Außerdem wurde der Zeitraum von zwei bis drei Monaten in den verschiedenen Entscheidungen des Kassationshofs manchmal als kurz und den Tatentschluss nicht störend, manchmal als zu lang und ein Grund für die Ablehnung des einzigen Tatentschlusses bewertet.57 Die Begehung der Straftaten an demselben Ort kann für das Vorliegen des einzigen Tatentschlusses sprechen. Der Diebstahl von verschiedenen Autos auf derselben Straße kann ein Hinweis dafür sein, dass der Täter bei der Ausführung nach einem Tatentschluss gehandelt hat. Dieses Kriterium muss auch wie die anderen berücksichtigt werden, weil mehrere Tatentschlüsse vorliegen können, obwohl die Einzelakte an demselben Ort verwirklicht werden.58
54 Vgl. ˙Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 139 ff.; Özen, Suçların I˙çtimaı, S. 196; Sancar, TBBD, 2007, S. 244, 255. 55 Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 199; Sancar, TBBD 2007, S. 244, 255. 56 Y. 11. CD, 20. 12. 2005, E 2003/14269, K 2005/14079. 57 Ein Zeitraum von drei Monaten kann nicht als kurzer Zeitraum bewertet werden. YCGK, 17. 04. 1995, 97/122, in: Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 525, Fn. 21; 9. CD, 01. 06. 2010, E 2008/10402, K 2010/6653, in: UYAP. 58 Sancar, TBBD 2007, S. 244, 256; Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 200.
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(3) Die Gleich- oder Verschiedenheit der Opfer Die Gleich- oder Verschiedenheit des Opfers war in der Zeit des alten Strafgesetzes ein Kriterium zur Feststellung des einzigen Tatentschlusses. Es ist festzustellen, dass die Begehung der Straftaten gegen verschiedene Opfer ein Ablehnungsgrund für die Fortsetzungstat war, weil in solchen Fällen (die Straftaten gegen verschiedene Opfer) die für die Fortsetzungstat unverzichtbare Voraussetzung „ein einziger Tatentschluss“ nicht vorliege, weil der Täter bei der Ausführung mit mehreren Tatentschlüssen gegen mehrere Personen gehandelt habe.59 Für die Anwendung des neuen Strafgesetzes spielt dieses Kriterium keine entscheidende Rolle, weil für die Annahme der Fortsetzungstat die Straftaten gegen dieselbe Person begangen werden müssen. (4) Das verletzte und geschützte Rechtsgut und Interesse Wie bereits erwähnt, hat der Kassationshof in der Zeit des alten Strafgesetzes bei der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter manchmal die Anwendung der Fortsetzungstat abgelehnt. Bei diesen höchstrichterlichen Entscheidungen wurde ein großer Wert auf den Charakter der Rechtsgüter gelegt. Der Gesetzgeber hat aber durch das neue Strafgesetz die Auslegungsmöglichkeit, nach dem die Fortsetzungstat bei der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Träger nicht möglich ist, gesperrt. Vor allem gilt die Fortsetzungstat nur bei den Straftaten gegen ein und dieselbe Person. Außerdem ist die Fortsetzungstat bei manchen Straftaten gemäß Art. 43 Abs. 3 völlig ausgeschlossen, auch wenn das Opfer dieselbe Person ist. Alle in Abs. 3 des Art. 43 aufgezählten Straftaten haben einen höchstpersönlichen Charakter. cc) Besondere Probleme bei der Feststellung des Tatentschlusses (1) Der Einfluss des Ermittlungsverfahrens, des Hauptverfahrens und der Entscheidung des Gerichts auf den Tatentschluss Es ist fraglich, ob die vor dem Ermittlungsverfahren, vor dem Hauptverfahren und vor einer Aburteilung begangenen Straftaten mit den Straftaten, die nach diesen Verfahrensabschnitten begangen werden, im Verhältnis einer Fortsetzungstat stehen und ob in solchen Fälle ein einziger Tatentschluss vorliegt. Nach der herrschenden Meinung60 im türkischen Strafrecht wird ein Tatentschluss auch dann nicht unterbrochen, wenn eine Straftat vor, eine Straftat nach der Erstellung des Ermittlungsverfahrens oder nach der Eröffnung des Hauptverfahrens begangen wird. Eine gegenteilige Annahme wäre eine Begrenzung der subjektiven Voraussetzung der Fortsetzungstat durch die objektiven Kriterien, die im Gesetz nicht vorgeschrieben Vgl. Y. 3. CD, 06. 03. 1953, E 286, K 2110, in: ˙Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 151, Fn. 293. I˙çel, Suçların I˙çtimaı, S. 144; Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 202 ff.; Sancar, Müteselsil Suç, S. 112; ˙Içel, I˙HFM 1967, S. 315, 325. 59
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wurden. Daneben wird in der Lehre zu Recht angeführt, dass der Tatrichter mit den anderen Besonderheiten des Tathergangs über das Vorliegen des Tatentschlusses in solchen Fallkonstellationen entscheiden soll, ob der Tatentschluss unterbrochen wird61, weil diese Verfahrensabschnitte keine eindeutigen Beweise für das Vorliegen mehrerer Tatentschlüsse bilden. Wenn also der Täter nach dem Ermittlungs- oder nach der Eröffnung des Hauptverfahrens seinen Tatentschluss aufgibt und danach einen neuen Tatentschluss gefasst hat, ist der Tatentschluss unterbrochen. Deswegen liegt die Bewertung im jeweiligen Fall im Ermessen des Richters, aber grundsätzlich unterbrechen die Ermittlungsverfahren und die Eröffnung des Hauptverfahrens den einzigen Tatentschluss nicht. Nach den verschiedenen Entscheidungen des Kassationshofs62 stellt aber der Eröffnungsbeschluss eine rechtliche Unterbrechung für den Tatentschluss dar; so liegt ein einziger Tatentschluss dann nicht mehr vor, weil der Tatentschluss durch die Eröffnung des Hauptverfahrens unterbrochen wird. Die vor der Eröffnung begangenen Straftaten können hingegen eine neue Fortsetzungstat bilden. In der Lehre ist Hakeri der Ansicht, dass die Eröffnung des Hauptverfahrens eine rechtliche Unterbrechung bilde und die nach der Eröffnung begangenen Straftaten nicht in die Fortsetzungstat einbezogen werden dürften, auch wenn der Täter vor und nach der Eröffnung des Hauptverfahrens innerhalb eines Tatentschlusses gehandelt habe.63 Erem vertritt die Ansicht, dass ein einziger Tatentschluss nicht mehr vorliege oder ein Tatentschluss unterbrochen werde, wenn der Täter sich über das Ermittlungs- oder Hauptverfahren informiert. Wer also von einem Ermittlungs- oder Hauptverfahren Kenntnis habe, begehe bei der Ausführung eines Tatentschlusses keine weitere Straftaten, weil er nach der Kenntnisnahme der Eröffnung auf die Begehung weiterer Straftaten verzichten müsse. Außerdem werde nach der Kenntnisnahme der Schuldgehalt des Täters erhöht.64 Önder ist der Ansicht, dass die Fortsetzungstat auf jeden Fall durch die Eröffnung des Hauptverfahrens unterbrochen wird, egal ob der Täter sich über die Eröffnung informiert oder nicht.65 Nach herrschender Ansicht im türkischen Strafrecht kann ein einziger Tatentschluss auch in den Fällen, in welchen der Beschuldigte vorläufig festgenommen oder gegen ihn die Untersuchungshaft angeordnet oder er in Polizeihaft genommen I˙çel, Suçların I˙çtimaı, S. 144; vgl. Tosun, ˙IHFM 1957, S. 124, 139. Y. 8. CD, 08. 03. 2007, E 2006/9205, K 2007/1829, in: UYAP; vgl. Y. 9. CD, 01. 06. 2010, E 2008/10402, K 2010/6653, in: UYAP. Im Fall der Begehung einer Straftat nach der Eröffnung des Hauptverfahrens (nach der rechtlichen Unterbrechung) findet der Art. 80 (aTCK) keine Anwendung. YCGK, 21. 04. 1974, E 80, K 81, in: Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 203, Fn. 560; der einzige Tatentschluss wird nach dem Eröffnungsbeschluss beendet und die nach dem Eröffnungsbeschluss begangene Straftat bewahrt ihre Selbstständigkeit. Deswegen darf diese Straftat in die Fortsetzungstat nicht einbezogen werden. Y. 3. CD, 29. 11. 1951, E 13034, K 7797, in: I˙çel, Suçların ˙Içtimaı, S. 143, Fn. 255. 63 Hakeri, Ceza Hukuku, S. 589; vgl. Önder, Ceza Hukuku, S. 505. 64 Erem, AÜHFD 1963, S. 37, 49. 65 Önder, Ceza Hukuku, S. 505. 61
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wird, vorliegen. Durch diese Zwangsmaßnahmen werde die Einheitlichkeit des Tatentschlusses nicht in allen Fällen beeinträchtigt. Deswegen solle der Tatrichter in jedem Einzelfall untersuchen, ob die Zwangsmaßnahmen den Tatentschluss unterbrochen haben.66 Grundsätzlich sei die Annahme nicht überzeugend, dass der Täter aufgrund von Polizei- oder Untersuchungshaft von seinem Tatentschluss ablasse und hier zwei Tatentschlüsse vorlägen, was wiederum gegen eine Fortsetzungstat spreche. Denn trotz dieser Maßnahmen könnte der Täter bei der Ausführung eines Tatentschlusses weitere Straftaten begehen. Hier ist aber zu beachten und bei der Feststellung eines einzigen Tatentschlusses zu berücksichtigen, wie lange der Täter in Polizei- oder Untersuchungshaft bleibt. Die Polizeihaft darf nach der Festnahme 24 Stunden nicht überschreiten67 (tStPO Art. 91 Abs. 1). Bei Straftaten, an denen mehrere Personen beteiligt sind, kann die Haft bis zu drei Tagen verlängert werden. Die Verlängerung darf jeweils einen Tag nicht überschreiten (tStPO Art. 91 Abs. 3). Die Polizeihaft kann also bis zu vier Tage dauern. Dieser Zeitabschnitt ist wegen seiner Kürze kein Hinweis dafür, dass mehrere Tatentschlüsse vorliegen.68 Nach dem tStPO kann die Untersuchungshaft bis zu fünf Jahre betragen. Deswegen soll der Tatrichter durch die Bewertung der Haftzeit in jedem Einzelfall entscheiden, ob ein einziger Tatentschluss vorliegt.69 Auf die Frage, ob das Urteil eine Unterbrechung für den Tatentschluss bildet oder ob trotz des Urteils die vor und nach dem Urteil begangenen Straftaten als Fortsetzungstat bewertet werden können, ist auch im türkischen Strafrecht einzugehen. In der türkischen Strafrechtslehre sagt Tosun70, dass die Annahme falsch sei; die Strafverfolgung oder das rechtskräftige Urteil seien auf jeden Fall als Änderungen des Tatentschlusses zu bewerten. Der Täter erneuere meistens nach einer Strafverfolgung oder einem rechtskräftigen Urteil seinen Tatentschluss, aber trotzdem könne er auch nach der Strafverfolgung oder dem Urteil an seinem vorherigen Tatentschluss festhalten. Die Begehung weiterer Straftaten bei der Ausführung eines einzigen Tatentschlusses sei deswegen nicht immer ausgeschlossen. Nach herrschender Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 202. Ausgenommen ist hier die Zeit, die für die Überbringung der Beschuldigten zur richterlichen Vernehmung dem nächsten Richter oder Gericht erforderlich ist. Diese Zeit darf 12 Stunden nicht übersteigen. 68 Vgl. oben: Dritter Teil A. I. 3. e) bb) (2). 69 Ein Zeitraum von fünf Jahren soll als groß bezeichnet werden. Aber die Untersuchungshaft kann auch ein paar Tage oder Wochen usw. dauern, deswegen soll der Tatrichter in jedem Einzelfall entscheiden, ob der Zeitraum den einheitlichen Tatentschluss unterbricht; tStPO Art. 102: (1) Bei den Straftaten, die von der großen Strafkammer nicht zu behandeln sind, beträgt die Untersuchungshaft höchstens ein Jahr. Diese Zeit kann in zwingenden Fällen um sechs Monate verlängert werden. Die Verlängerung muss begründet werden. (2) Bei den Straftaten, für deren Aburteilung die große Strafkammer zuständig ist, beträgt die Untersuchungshaft höchstens zwei Jahre. Diese Zeit kann in zwingenden Fällen durch die Erklärung des Verlängerungsgrunds verlängert werden. Die Verlängerung darf insgesamt drei Jahre nicht übersteigen. 70 Tosun, ˙IHFM 1957, S. 124, 139. 66
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Meinung71 bildet das Urteil eine Unterbrechung für den Tatentschluss und nach dem Urteil begangene Straftaten müssen als bei der Ausführung eines neuen Tatentschlusses begangene Straftaten bewertet werden. Hier ist aber zu betonen, dass für eine Unterbrechung kein rechtskräftiges Urteil, sondern das Urteil des erstinstanzlichen Gerichts ausreichend ist. Derjenige, der nach dem erstinstanzlichen Urteil weitere Straftaten begehe, sei so zu behandeln, als ob diese bei der Ausführung eines neuen Tatentschlusses begangen würden.72 I˙çel73 ist der Ansicht, dass der Täter bis zum rechtskräftigen Urteil mit Ausführung eines einzigen Tatentschlusses handeln könne, weil der Täter dank des Urteils die Möglichkeit habe, über seine eigenen Handlungen nachzudenken; so sei es ein wichtiger Anlass dafür, dass nach dem Urteil ein neuer Tatentschluss zustande kommen könnte. Nach den Erklärungen von I˙çel kann man zum Ergebnis kommen, dass das Urteil erst dann eine Unterbrechung bildet, wenn das Urteil rechtskräftig ist. Nach den Entscheidungen des Kassationshofs bilden aber bereits die Ausfertigungen der Anklageschrift, das Strafurteil, die Einstellung des Strafverfahrens wegen Rücknahme des Strafantrags und das Inkrafttreten eines Ablassgesetzes eine rechtliche Unterbrechung.74 Durch ein erstinstanzliches Urteil (bzw. durch das letzte tatrichterliche Urteil) wird der Täter eigentlich genug gewarnt, dass seine Handlung(en) rechtswidrig sind. Zugleich wird auf diese Weise versucht, den Täter von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten. Wenn jemand trotz dieser Erkenntnisse weitere Straftaten begeht, ist anzunehmen, dass er im Zuge der Ausführung eines neuen Tatentschlusses weitere Straftat(en) begangen hat. Deswegen bildet das erstinstanzliche Urteil eine Unterbrechung. (2) Fortsetzungstat bei fahrlässigen Delikten Nach der herrschenden Meinung in der türkischen Lehre ist die Fortsetzungstat bei fahrlässig begangenen Delikten nicht möglich, weil bei den fahrlässigen Delikten ein vorher gefasster Tatentschluss fehlt. Deswegen ist die Begehung der Straftaten bei der Ausführung eines Tatentschlusses ausgeschlossen. Wenn aber ein Entschluss zur Begehung der Straftaten vorliegt, handelt es sich nicht um „Fahrlässigkeit“, sondern um „Vorsatz“.75 Der türkische Kassationshof hat auch in einem Fall, in welchem der Täter durch seine sorgfaltswidrigen und unachtsamen Handlungen Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 205; Sancar, Müteselsil Suç, S. 113 f. Erem, Türk Ceza Kanunu Yorumu C II, S. 653; Sancar, Müteselsil Suç, S. 113; Özen, Suçların I˙çtimaı, S. 205. 73 Die Ausstellung eines Blankoschecks für den Täter bedeute jedoch die Ablehnung der Unterbrechungswirkung des Urteils. ˙Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 144; vgl. ˙Içel, I˙HFM 1967, S. 315, 325; I˙çel/Özgenç/Sözüer/Mahmutog˘ lu/Ünver, Suç Teorisi S. 454 f. 74 YCGK, 12. 03. 1996, E 6/24, K 24, in: Demirbas¸, Ceza Hukuku, S. 492, Fn. 753. 75 Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 525; Hakeri, Ceza Hukuku, S. 588; Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 252; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 489; Dönmezer/ Erman, Nazari ve Tatbiki C I, S. 396. 71
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Brände verursacht hat, die Anwendung der Fortsetzungstat abgelehnt.76 In der Lehre ist ˙Içel77 der Ansicht, dass die Fortsetzungstat auch bei den fahrlässigen Delikten möglich sei. Der Entschluss des Täters, sorgfaltswidrige und nachlässige Handlungen vorzunehmen, ohne einen auf den Erfolg gerichteten Willen zu haben, sei ein Grund für die Annahme, dass diese Handlungen von der Ausführung eines Tatentschlusses abhängig sei.78 Wenn also zwischen den fahrlässigen Handlungen eine solche subjektive Verbindung festgestellt wird, kann die fortgesetzte Fahrlässigkeitstat vorliegen. Wer durch wiederholte fahrlässige Handlungen mehrere Brände verursache, könne aufgrund der Fortsetzungstat bestraft werden.79 Daneben hat I˙çel herausgestellt, dass die Anwendung der Fortsetzungstat nur bei vorsätzlichen Delikten und gerade nicht bei fahrlässigen Delikten mit dem Gerechtigkeitsprinzip unvereinbar sei. Durch die Anwendung der Fortsetzungstat wird die Unproportionalität zwischen den fahrlässigen und vorsätzlichen Straftaten verhindert.80 Die Annahme, dass die Nichtanwendung der Fortsetzungstat bei fahrlässigen Delikten zu ungerechten Ergebnissen führen kann, ist zwar zutreffend, aber die Anwendung des Art. 43 Abs. 1 des TCK auch auf die fahrlässigen Delikte wäre mit dem Gesetzeswortlaut nicht zu vereinbaren. Das Gesetz fordert das Vorliegen eines Tatentschlusses. Der Entschluss des Täters, (fahrlässige) Handlungen zu verwirklichen, ist nicht einem Tatentschluss gleichzusetzen. Der im Artikel verwendete Begriff „Entschluss“ bezieht sich auf die Straftat, nicht auf die Handlungen. Wenn also kein Entschluss vorliegt, um eine Straftat zu begehen, ist die Anwendung der Fortsetzungstat zu verneinen. Deswegen ist die Fortsetzungstat bei den fahrlässigen Delikten ausgeschlossen. (3) Fortsetzungstat bei Unterlassungsdelikten Mehrere (echte und unechte) Unterlassungsdelikte können auch eine Fortsetzungstat bilden, wenn sie bei der Ausführung eines Tatentschlusses (gegen eine Person) begangen werden: „Wenn z. B. ein Polizist als ein Amtsträger bei der Ausführung eines Tatentschlusses die Erfüllung seiner Pflichten unterlässt (TCK Art. 257 Abs. 2), indem er wegen seines vorherigen Entschlusses bei der Begehung mehrerer Diebstähle in einer Woche nicht eingreift, bilden seine Unterlassungen eine
Y. 9. CD, 19. 02. 1999, 2091/960, in: Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 197, Fn. 707. ˙Içel, Suçların I˙çtimaı, S. 145 ff. 78 ˙ Içel verknüpft hier eigentlich den Willen mit dem Fahrlässigkeitsdelikt und fordert einen „Entschluss des Täters nicht direkt zur Fahrlässigkeit“, sondern zur Verwirklichung der sorgfaltswidrigen und nachlässigen Handlungen. 79 ˙ Içel, Suçların I˙çtimaı, S. 146. 80 ˙ Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 146; vgl. in der Lehre hat Hakeri ausgeführt, dass die Nichtanwendung der Fortsetzungstat bei fahrlässigen Straftaten, bei denen die Schuld im Vergleich zu vorsätzlichen Delikten als gering anzusehen ist, ungerecht sei. Hakeri, Ceza Hukuku, S. 588. 76 77
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3. Teil: Im türkischen Strafgesetz weitere geregelte Konkurrenzformen
Fortsetzungstat.“81 Der Kassationshof hat bei den Unterlassungsdelikten ebenfalls für die Fortsetzungstat votiert. Nach einer Entscheidung bilden die bei der Ausführung eines Tatentschlusses begangenen Unterlassungen des Täters, der einige Unterlagen in den Prozessakten nicht ablegt und die Revisionsanträge nicht bearbeitet, in den Jahren 1991 – 1992 eine Fortsetzungstat.82 Es ist auch fraglich, ob die mehrmalige Begehung der gleichen Straftat einmal durch ein Tun und ein anders Mal durch ein Unterlassen eine Fortsetzungstat im türkischen Strafrecht bilden kann. Zwar ist die Gleichartigkeit der Begehungsweise ein wichtiger Hinweis zur Begründung der Annahme eines einzigen Tatentschlusses, aber die Identität der Ausführungshandlungen ist nicht zwingend erforderlich. Somit ist die Annahme der Fortsetzungstat auch in dem Fall möglich, in welchem der Täter die gleiche Straftat ein Mal durch ein Unterlassen und ein anderes Mal durch ein Tun begangen hat.83 Dies ist selbstverständlich mit der Voraussetzung verbunden, dass er bei der Ausführung eines Tatentschlusses handelt. Wie bereits erwähnt, können die Straftaten durch verschiedene Tatmodalitäten begangen werden und diese Begehungsweise steht einer Annahme der Fortsetzungstat nicht entgegen. Viele Straftaten können sowohl durch Tun als auch durch Unterlassen begangen werden, und beide Begehungsweisen können als verschiedene Tatmodalitäten berücksichtigt werden. 4. Ausnahmen bei der Anwendung des Art. 43 Abs. 1 (Abs. 3) Nach Art. 43 Abs. 3 finden Abs. 1 und Abs. 2 bei vorsätzlicher Tötung, vorsätzlicher Körperverletzung, Folter und Raub keine Anwendung. Durch diesen Artikel wurde der Anwendungsbereich der Fortsetzungstat weiter begrenzt. Die Begehung der Straftaten gegen eine Person ist eine Voraussetzung für die Fortsetzungstat. Wenn also die Straftaten gegen verschiedene Personen begangen werden, ist die Fortsetzungstat ausgeschlossen. Durch Abs. 3 hat der Gesetzgeber festgelegt, dass die Fortsetzungstat auch bei den im Gesetz aufgezählten Straftaten ausgeschlossen ist, auch wenn der Betroffene die gleiche Person ist. Wer bei der Ausführung eines Tatentschlusses die gleiche Straftat „vorsätzliche Tötung, vorsätzliche Körperverletzung, Folter und Raub“ gegen eine Person zu verschiedenen Zeiten mehrmals begangen hat, muss nach den Bestimmungen der Realkonkurrenz also nach dem Kumulationsprinzip bestraft werden. Wenn z. B. der Täter bei der Ausführung eines Tatentschlusses zu verschiedenen Zeiten mehrmals versucht, seinen Feind zu töten, muss er wegen der mehrmaligen versuchten Tötung bestraft werden. 81 Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 483; vgl. Hakeri, Ceza Hukuku, S. 586; Özen, Suçların I˙çtimaı, S. 197: ˙Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 139; Dönmezer/Erman, Nazari ve Tatbiki C I, S. 396. 82 Y. 4. CD, 03. 05. 1994, 942/3887, in: Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 483, Fn. 1689. 83 Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 197; I˙çel, Suçların ˙Içtimaı, S. 113; Sancar, Müteselsil Suç, S. 70.
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Der Gesetzesbegründung ist nicht zu entnehmen, warum der Gesetzgeber nur für diese Straftaten eine Ausnahmeregelung normiert hat. In Abs. 3 handelt es sich um Delikte gegen höchstpersönliche Rechtsgüter. Der Gesetzgeber wollte diese Rechtsgüter wahrscheinlich, wegen ihres höchstpersönlichen Charakters, als besonders schutzwürdig geschützt wissen. Daneben ist es aber fraglich und unerklärlich, warum andere höchstpersönliche Rechtsgüter von dem Schutz dieses Absatzes nicht profitieren. Wie in der Lehre84 herausgestellt wird, ist es nicht hinnehmbar, z. B. bei Folter die Fortsetzungstat auszuschließen, aber bei Quälerei für möglich zu halten. Dasselbe gilt auch bei der Verletzung anderer höchstpersönlicher Rechtsgüter, z. B. bei Straftaten gegen die sexuelle Integrität. Wenn man die in Abs. 3 aufgezählten Straftaten mit den verschiedenen Delikten, bei denen die höchstpersönlichen Rechtsgüter geschützt werden, vergleicht, ist festzustellen, dass diesem Absatz jede theoretische Grundlage fehlt. 5. Das Zusammentreffen der Fortsetzungstat mit anderen Straftaten Das Zusammentreffen der Fortsetzungstat mit den anderen Straftaten wird im türkischen Recht ganz wenig und nur beispielsweise erwähnt. Hakeri ist der Meinung, dass der Art. 43 Abs. 2 TCK angewendet, jede Handlung als eine Straftat bewertet und mehrere Strafen (also für jede Handlungen) anerkannt werden müssten, weil die Straftat nicht gegen eine Person begangen werde, wenn z. B. der Täter bei jedem Vorbeikommen an einem Geschäft alle Mitarbeiter beschimpfe, indem er beispielsweise sage: „Alle Arbeiter dieses Geschäftes sind Betrüger“. Jede einzelne Beleidigung mehrerer Leute durch eine Handlung bilde eine gleichartige Idealkonkurrenz gemäß Art. 43 Abs. 2 TCK; beleidige der Täter fünfmal die Arbeiter, sei er wegen der fünfmaligen Beleidigung zu bestrafen.85 Nach einer anderen Meinung ist die Strafe nach der gleichartigen Idealkonkurrenz zu bestimmen; bei der Straffestsetzung solle der Richter von der Untergrenze abgehen, wenn ein Einzelakt der fortgesetzten Handlung gleichzeitig dasselbe Rechtsgut eines Anderen verletze.86 Die Handlungen bzw. die Einzelakte der Fortsetzungstat werden im türkischen Strafrecht als selbstständig bewertet. Dieses verankerte Rechtsinstitut erscheint im türkischen Strafrecht nur bei der Strafbildung als eine Einheit; deswegen liegen bei Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 225. Für jede Beleidigungshandlung soll also eine Strafe nach der Bestimmung der gleichartigen Idealkonkurrenz festgestellt und danach diese Strafen addiert werden. Die Bestimmung der Fortsetzungstat bleibt unerwähnt. Hakeri, Ceza Hukuku, S. 591. 86 Der Täter kommt an der Wohnung des B vorbei und bedroht ihn bei dessen Abwesenheit, weil nur die Frau von B in der Wohnung war. Am nächsten Tag kommt der Täter wieder vorbei und bedroht diesmal B und seine Frau. Der Täter sei nur wegen der zweiten Handlung nach der Bestimmung der gleichartigen Idealkonkurrenz zu bestrafen; die erste Drohung müsse bei der Straffestsetzung als strafschärfend berücksichtigt werden. Bayar, Adalet Dergisi 2012, S. 110, 127. 84
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der Fortsetzungstat mehrere Handlungen und mehrere selbstständige Straftaten im konkurrenzrechtlichen Sinn vor. Zwischen diesen selbstständigen (mehreren) Straftaten und einer anderen Straftat, deren Handlungen mit einem Einzelakt der Fortsetzungstat mindestens teilidentisch sind, kann die Idealkonkurrenz nicht angenommen werden, weil sich alle Einzelakte mit den Begehungshandlungen anderer Straftaten nicht überschneiden. Aus diesem Grund kann nur zwischen dem Einzelakt der Fortsetzungstat und einem anderen Delikt die Idealkonkurrenz angenommen werden, wenn die Handlung für beide Straftaten mindestens teilweise identisch ist. Erfüllt also ein Einzelakt zugleich den Tatbestand eines anderen Delikts, steht dieses nicht in Idealkonkurrenz zur Fortsetzungstat, weil zwischen den anderen Einzelakten und diesem Delikt keine (mindestens teilweise) Identität vorliegt. Nach diesen Erklärungen soll der Tatrichter zuerst alle Einzelakte feststellen und herausfinden, ob jeder Einzelakt mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals verletzt. Wenn dies der Fall ist, sind diese Einzelakte gesondert zu behandeln und die Bestimmung über die Idealkonkurrenz nur für diese Einzelakte zu verwenden. Danach soll der Richter zwischen den restlichen Einzelakten die Bestimmung über die Fortsetzungstat anwenden und die Strafe der Fortsetzungstat erkennen, ohne die Einzelakte, die bei der Idealkonkurrenz schon bestraft werden, zu berücksichtigen, um die Doppelverwertung eines Einzelakts zu vermeiden.87 Auf diese Weise werden alle Einzelakte bzw. alle begangenen Straftaten bestraft, ohne gegen das Doppelverwertungsverbot zu verstoßen. 6. Rechtsfolgen der Fortsetzungstat a) Die Festsetzung der Strafe Nach der Feststellung, dass die Voraussetzungen der Fortsetzungstat erfüllt werden, ist gemäß Art. 43 Abs. 1 S. 1 nur auf eine einzige Strafe zu erkennen. Wenn ein Grundtatbestand und seine qualifizierten oder privilegierten Formen als Fortsetzungstat begangen werden, wird die Strafe nach dem Gesetz, das die schwerste Strafe androht, bestimmt.88 Wenn, bei mehreren Tätern, einer die Straftaten beendet und die anderen im Versuchsstadium bleiben, ist die Strafe nach der beendeten Straftat zu bestimmen. Verwirklicht der Täter einen Grundtatbestand und bleibt daneben die qualifizierte Form dieser Straftat im Versuchsstadium stecken, ist die Grundstrafe nach der qualifizierten Form zu bestimmen, wenn der Versuch der 87
Z. B.: Begeht der Täter bei der Ausführung eines Tatentschlusses die gleiche Straftat gegen eine Person zu verschiedenen Zeiten fünfmal und stehen der 2. Teilakt mit einem anderen Delikt (x) und der 4. Teilakt mit einem anderen Delikt (y) in Idealkonkurrenz, ist auf zwei Strafen gemäß Art. 44 TCK für diese Einzelakte zu erkennen. Die restlichen Einzelakte, also 1., 3. und 5. bilden eine Fortsetzungstat und die Strafe ist gemäß Art. 43 TCK zu bestimmen. 88 Die Grundform und die qualifizierte Form einer Straftat können eine Fortsetzungstat bilden. In diesem Fall wird die Strafe nach dem Gesetz, das die schwerste Strafe androht, bestimmt; diese Strafe muss aufgrund der Fortsetzung verschärft werden. YCGK, 20. 03. 1973, 6/388 – 265, in: Sancar, Müteselsil Suç, S. 127, Fn. 20.
A. Fortsetzungstat (Zincirleme Suç)
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qualifizierten Form höher bestraft wird.89 Wie in der Lehre90 richtig herausgestellt wird, muss die Strafe der Fortsetzungstat geringer sein, als wenn die Strafe nach dem Kumulationsprinzip festgestellt würde, weil die Fortsetzungstat eine Ausnahme bei der Bestrafung bildet. Daneben muss die Strafe des Täters im Vergleich zu der Strafe eines anderen, der nur eine Straftat begangen hat, höher sein;91 denn bei der Fortsetzungstat ist der Schuldgehalt des Täters größer als bei dem Täter, der nur eine einzige Straftat begangen hat. Auch der Unrechtsgehalt der Fortsetzungstat ist höher als bei einer einmaligen Tatbegehung. Um diesen Schuld- und Unrechtsgehalt besser zu berücksichtigen, ist eine Strafschärfung vorgeschrieben. Ein zwischen den Straftaten vorliegendes subjektives Verhältnis bildet aber den Grund der einmaligen Bestrafung.92 Gemäß Art. 43 Abs. 1 S. 2 wird die festgesetzte Grundstrafe um ein Viertel bis um zu drei Viertel erhöht. Also die konkret ausgesprochene Strafe muss verschärft werden.93 Die Frage, ob bei der Festsetzung der Grundstrafe die begangenen weiteren Straftaten berücksichtigt werden oder ob diese Straftaten erst bei der Strafschärfung berücksichtigt werden müssen, wird in der türkischen Lehre nicht diskutiert. Die Begehung weiterer Straftaten muss erst bei der Straferhöhung berücksichtigt werden. Würde hier das Gegenteil angenommen, könnte dies zu einer doppelten Bewertung mancher Straftaten führen, weil die selbstständigen Straftaten sowohl bei der Feststellung der Grundstrafe als strafschärfend als auch bei der Straferhöhung bewertet werden können. Dies wäre jedoch zu beanstanden, weil im Gesetz stillschweigend akzeptiert würde, dass die Begehung mehrerer Straftaten bei der Straferhöhung eine wichtige Rolle spiele und nicht bei der Feststellung der Grundstrafe.
Vgl. ˙Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 153. Tosun, ˙IHFM 1957, S. 124, 142; I˙çel, Suçların ˙Içtimaı, S. 152. 91 ˙ Içel, Suçların I˙çtimaı, S. 152. 92 Vgl. ˙Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 154. 93 Die Grundstrafe ist im türkischen Strafrecht gemäß Art. 61 zu bestimmen. Art. 61: Abs. 1) Der Richter bestimmt die Grundstrafe im konkreten Fall zwischen der Unter- und der Obergrenze der Strafe, die in dem gesetzlichen Straftatbestand vorgesehen ist. Dabei berücksichtigt er a) die Art und Weise der Tatbegehung, b) die bei der Tat eingesetzten Mittel, c) die Zeit und den Ort der Tat, d) die Wichtigkeit und den Wert des Gegenstands der Tat, e) den entstandenen Schaden und die Größe der Gefahr, f) die Schwere der auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit beruhenden Schuld des Täters, g) die Ziele und Motive des Täters. … Abs. 5: An der Strafe, wie sie gemäß den obigen Absätzen bestimmt worden ist, werden die Vorschriften über Versuch, Teilnahme, Fortsetzungstat, Provokation, Minderjährigkeit, Geisteskrankheit und persönliche Strafmilderungsgründe in dieser Reihenfolge angewendet und so die endgültige Strafe bestimmt. Übersetzung von Tellenbach, S. 51; für den Artikel siehe: Anhang 1. 89
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3. Teil: Im türkischen Strafgesetz weitere geregelte Konkurrenzformen
b) Der Anfang der Verfolgungsverjährung, der Gerichtsstand und die Amnestie bei der Fortsetzungstat Im TCK wurde ausdrücklich geregelt, wann die Verfolgungsverjährung beginnt. Nach Art. 66 Abs. 6 beginnt die Verjährung bei der Fortsetzungstat mit der Begehung des letzten Teilakts. Also fängt die Verjährungsfrist erst an dem Tag an zu laufen, an dem der Täter die letzte Straftat begangen hat. In dieser Hinsicht handelt es sich bei der Fortsetzungstat um eine Straftat, weil die selbstständigen Straftaten bei der Verjährung als eine Straftat behandelt werden. Deswegen muss der Tatrichter nicht untersuchen, ob jedes Einzeldelikt schon verjährt ist. Der Gerichtstand bei der Fortsetzungstat wurde ebenfalls gesetzlich bestimmt. Nach Art. 12 Abs. 2 des tStPO ist der Gerichtsstand bei dem Gericht begründet, in dessen Bezirk die letzte Straftat begangen wurde. Bezüglich der Feststellung des Gerichtsstandes gelten die selbstständigen Straftaten (also die Fortsetzungstat) als eine Straftat. Im türkischen Strafrecht wird diskutiert, welchen Einfluss die Amnestie auf die Fortsetzungstat hat. Nach einer Mindermeinung in der Lehre94 bildet die Fortsetzungstat eine unteilbare Einheit. Deswegen bilden vor und nach dem Amnestiegesetz begangene Straftaten eine Einheit. Demzufolge seien alle Straftaten, die vor oder nach Inkrafttreten des Gesetzes begangen würden, nicht amnestiefähig. Zutreffend stellt die Gegenansicht95 demgegenüber fest, dass es bei der Fortsetzungstat um die Handlungs- und Deliktsmehrheit (selbstständige Handlungen und selbstständige Straftaten) geht. Es muss sodann untersucht werden, ob das Gesetz auch für alle vor Inkrafttreten des Gesetzes begangenen selbstständigen Straftaten gültig ist, oder ob jede einzelne Straftat amnestiefähig ist. Wenn das Gesetz alle Straftaten umfasst, dürfen die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes begangenen Straftaten nicht in die Fortsetzungstat einbezogen werden. Begeht der Täter nach Inkrafttreten des Gesetzes nur eine oder mehrere Straftaten, liegt im ersten Fall keine Fortsetzungstat vor, und im zweiten Fall können die Straftaten eine Fortsetzungstat bilden. Zu der Frage, ob das Amnestiegesetz die vor und nach dem Inkrafttreten des Gesetzes begangenen Straftaten umfasst, sind die Entscheidungen des Kassationshofs uneinheitlich. Bei einem Urteil hat der Kassationshof festgestellt, dass das Amnestiegesetz in dem Fall nicht angewendet werden darf, in dem die Begehung der Straftaten vor dem Inkrafttreten des Gesetzes angefangen und nach dem Inkrafttreten fortgesetzt wurde.96
Kunter, ˙IHFM 1951, S. 884, 905; Özek, I˙HFM 1969, S. 118, 168. ˙Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 122 ff.; Sancar, Müteselsil Suç, S. 131 ff.; Tosun, I˙HFM 1957, S. 124, 145; Hakeri, Ceza Hukuku, S. 599; Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 275. 96 5. CD, 07. 11. 1952, E 2944, K 2984. In einem anderen Fall hat der Kassationshof anders entschieden. Nach dieser Entscheidung bilden die nach dem Inkrafttreten des Amnestiegesetzes begangenen Straftaten eine Fortsetzungstat und für diese Straftaten findet das Amnestiegesetz keine Anwendung. Aber die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes begangenen Straftaten werden amnestiert. Y. 6. CD, 13. 04. 1961, E 960, K 971, in: Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 274, Fn. 722. 94
95
A. Fortsetzungstat (Zincirleme Suç)
207
c) Strafantragsfrist und Täter-Opfer-Ausgleich bei der Fortsetzungstat Im türkischen Strafgesetz ist nicht geregelt, wann die Strafantragsfrist bei der Fortsetzungstat zu laufen beginnt. Die Straftaten bei der Fortsetzungstat bewahren ihre Selbstständigkeit, wenn es im Gesetz nicht anders geregelt ist. Deswegen beginnt die Strafantragsfrist bei fortgesetzten Taten nicht mit dem Abschluss des letzten Teilakts zu laufen, sondern es soll für jede nur auf Antrag verfolgbare Straftat getrennt bewertet werden, ob für diese Delikte der erforderliche Strafantrag gestellt worden ist. Wenn zur Verfolgung mancher Straftaten kein Strafantrag gestellt wird, werden diese Taten in die Fortsetzungstat nicht einbezogen.97 Ebenso können die Strafanträge entweder bezüglich nur mancher Straftaten oder aller Straftaten zurückgezogen werden.98 Begeht der Täter mehrere Straftaten bei der Ausführung eines Tatentschlusses, ist zu untersuchen, ob diese Straftaten für den Täter-Opfer-Ausgleich geeignet sind. Hier ist zu betonen, dass überprüft werden muss, ob jede Straftat ausgleichsfähig ist. Es ist eine Gesamtbewertung aller Straftaten und der zu verhängenden Strafe ausgeschlossen. Wenn für alle Straftaten ein Täter-Opfer-Ausgleich möglich ist, muss erst für jede Straftat die Möglichkeit geprüft werden, zwischen Täter und Opfer einen Ausgleich zu erreichen. Wenn ein Ausgleich für jede selbstständige Straftat stattfindet, wird das Strafverfahren eingestellt. Ist dagegen nur für manche Straftaten ein Täter-Opfer-Ausgleich möglich, soll versucht werden, nur für diese Straftaten einen Ausgleich zu erreichen. Liegen trotz des Ausgleichs mehrere nicht ausgleichsfähige Straftaten vor oder findet trotz der Ausgleichsbemühungen für manche Straftaten kein Ausgleich statt, findet die Bestimmung der Fortsetzungstat für diese Straftaten Anwendung.99 d) Ne bis in idem Im türkischen Strafrecht drängt sich die Frage auf, ob die Straftaten, die bei der Verurteilung nicht beachtet wurden und erst nach dem rechtskräftigen Urteil festgestellt wurden, noch abgeurteilt werden können, oder ob sie wegen des Rechtsinstituts des „ne bis in idem“ als verbraucht verstanden werden müssen. Nach der vorherrschenden Meinung100 gelten die Einzeltaten, die vor dem rechtskräftigen Urteil begangen wurden und bei der Verurteilung nicht berücksichtigt werden, nicht als verbraucht. Bezüglich des Rechtsinstituts „ne bis in idem“ müsse bei der Fortsetzungstat die Mehrheit der Delikte und Handlungen angenommen werden. Wie schon erläutert, bewahrt jede Straftat ihre Selbstständigkeit, wenn es im Gesetz nicht 97 Vgl. Hakeri, Ceza Hukuku, S. 598; Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 277 ff.; I˙çel, Suçların ˙Içtimaı, S. 119 ff.; Gegenansicht: Dönmezer/Erman, Nazari ve Tatbiki C I, S. 390. 98 ˙ Içel, Suçların I˙çtimaı, S. 120. 99 Vgl. Hakeri, Ceza Hukuku, S. 599; Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 282 ff. 100 Hakeri, Ceza Hukuku, S. 599; Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 292 ff.; I˙çel, Suçların ˙Içtimaı, S. 164; Sancar, Müteselsil Suç, S. 145 ff.
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3. Teil: Im türkischen Strafgesetz weitere geregelte Konkurrenzformen
anders (wie etwa bei der Verjährung oder der Feststellung der Strafe und des Gerichtsstandes) geregelt wird. Für die Rechtskraftwirkung des Urteils bildet das Gesetz keine Ausnahme, nach dem eine (fiktive) Einheit der Straftaten angenommen wird; bei der Fortsetzungstat geht es nicht um die gleiche Handlung, deswegen muss der Täter wegen der Straftaten, die bei der Verurteilung nicht berücksichtigt wurden, wieder verurteilt werden.101 In diesem Fall dürfen alte und neue Strafe nicht addiert werden. Der Tatrichter bewertet erst alle Straftaten zusammen und nach der Feststellung der schwersten Strafe erhöht er die schwerste Strafe innerhalb der im Gesetz vorgeschriebenen Grenzen. Ist die neu festgestellte Straftat die schwerste, stellt diese die Grundstrafe dar und sie ist sodann zu verschärfen.102 In der Lehre hat Yurtcan103 ausgeführt, dass eine Handlung als verbraucht gelte, wenn sie in der Strafklageschrift erwähnt worden sei. Sei also eine Handlung in der Strafklageschrift erwähnt, umfasse das Urteil alle Einzelakte bzw. alle Straftaten der Fortsetzungstat. e) Fortsetzungstat und Strafaussetzung zur Bewährung Gemäß Art. 51 des TCK kann die Strafe einer Person, die wegen ihrer Straftat zu maximal zwei Jahren Gefängnisstrafe verurteilt wurde, zur Bewährung ausgesetzt werden. Hierbei stellt sich die Frage, ob dieser Artikel für jede die Fortsetzungstat bildende Straftaten gesondert oder auf die Strafe der Fortsetzungstat angewendet werden muss. Özen104 vertritt die Meinung, dass dieser Artikel getrennt für jede einzelne Straftat Anwendung finden müsse, weil eine solche Vorgehensweise den Täter begünstige. Seiner Ansicht nach ist die Gegenansicht eine Abweichung von dem Grundsatz, nach dem es bei der Fortsetzungstat um die Mehrheit der Straftaten geht105. Dieser Ansicht ist aber nicht zuzustimmen und es fehlt ihr jegliche Grundlage. Vor allem ist hier wieder auszuführen, dass es bei der Fortsetzungstat dann um eine Mehrheit der Delikte geht, wenn es im Gesetz nicht anders geregelt wurde. Wenn es im Gesetz anders geregelt wurde (z. B. Verjährung, Festsetzung der Strafe und Gerichtsstand), sind diese Straftaten als eine (fiktive) Einheit zu behandeln. Bei genauer Betrachtung ist festzustellen, dass es in Art. 51 des TCK um eine Phase, die erst nach der Festsetzung der Strafe kommt, geht. Für die Strafaussetzung zur Bewährung ist eine Verurteilung erforderlich und die bloße Feststellung der Einzelstrafen gerade nicht ausreichend. Also hat die Strafaussetzung zur Bewährung eine enge Verbindung zur Straffestsetzung. Deswegen wäre es falsch, alle Straftaten getrennt zu bewerten und zu prüfen, ob die Strafe jeder selbstständigen Straftat zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Eine gegenteilige Annahme ist mit dem Gesetz nicht vereinbar, weil die Entscheidung über die „Strafaussetzung zur Bewährung“ erst nach der endgültigen Strafe zu bestimmen ist. Wie die Strafe zu bestimmen ist, 101 102 103 104 105
I˙çel, Suçların ˙Içtimaı, S. 164. Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 294. Yurtcan, Ceza Yargılamasında Kesin Hüküm, S. 92 ff. Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 287. Wenn im Gesetz nicht anders geregelt.
A. Fortsetzungstat (Zincirleme Suç)
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wird in Art. 61 TCK106 geregelt. Demnach muss der Tatrichter bei der Bestimmung der Strafe die in Art. 61 TCK vorgeschriebene Reihenfolge einhalten. Die Reihenfolge bei der Bestimmung der Strafe nach Art. 61 TCK ist nicht dem Ermessen des Gerichts anheimgestellt, sondern obligatorisch. Deswegen muss die Vorschrift über die Fortsetzungstat angewendet werden, und auf diese Weise ist die endgültige Strafe, nach dem über die Strafaussetzung zur Bewährung entschieden wird, anzuerkennen.107 f) Fortsetzungstat und die Aussetzung der Eröffnung der öffentlichen Klage In Art. 171 des tStPO wurde unter der Überschrift „Ermessungsbefugnis bei der Erhebung der öffentlichen Klage“ die Aussetzung der Erhebung der öffentlichen Klage (im Abs. 2) geregelt. Nach diesem Absatz kann der Staatsanwalt bei Antragsdelikten, deren Obergrenze maximal zwei Jahre beträgt, trotz des Vorliegens eines hinreichenden Tatverdachts entscheiden, die Erhebung der öffentlichen Klage für fünf Jahre auszusetzen. Hier stellt sich die Frage, ob die Staatsanwaltschaft für die Aussetzung der Erhebung der öffentlichen Klage jede Straftat getrennt bewerten muss oder ob das ganze Geschehen also die Fortsetzungstat als eine Einheit berücksichtigt werden muss. Anders als die Strafaussetzung zur Bewährung sind in diesem Fall eine/mehrere schon verurteilte Straftaten nicht erforderlich. Über die Aussetzung der Erhebung der öffentlichen Klage muss die Staatsanwaltschaft vor der Verurteilung entscheiden. Deswegen ist zu untersuchen, ob jede Straftat aussetzungsfähig ist. Wenn ja, dann darf die Staatsanwaltschaft die Eröffnung der öffentlichen Klage für fünf Jahre aussetzen, muss sie aber nicht. Wenn aber diese Regelung für einen Teil der Straftaten unanwendbar108 und für einen anderen Teil anwendbar109 ist, sei die öffentliche Klage nur für den ersten Fall zu erheben.110 Die Erhebung der öffentlichen Klage kann für die weiteren Straftaten für fünf Jahre ausgesetzt werden. Wenn aber der Täter innerhalb der Aussetzungszeit vorsätzlich eine Straftat begeht, ist die öffentliche Klage auch wegen der vorherigen Straftaten zu erheben. In diesem Fall müssen wegen der Straftaten, deren Verurteilung wegen der Aussetzung nicht stattgefunden hat, die Einzelstrafen festgestellt werden und die
106
Siehe oben: S. 205, Fn. 93. Die nicht richtige Anwendung der im Gesetz vorgeschriebenen Reihenfolge ist ein absoluter Revisionsgrund nach Art. 298 Abs. 1 g tStPO. Nach Art. 298 Abs. 1 g liegt ein absoluter Revisionsgrund vor und eine absolute Rechtwidrigkeit ist dann gegeben, wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe gemäß Art. 230 tStPO enthält. Nach Art. 230 Abs. 1 c tStPO muss das Urteil enthalten, dass die Strafe des Täters nach der Reihenfolge, die in den Artikeln 61, 62 des TCK normiert wird, anerkannt wird; vgl. Üzülmez, EÜHFD 2006, S. 203, 206. 108 Weil das Gesetz für sie eine Strafe von mehr als zwei Jahren vorgeschrieben hat. 109 Weil alle Voraussetzungen des Art. 171 des tStVollzG erfüllt werden. 110 Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 287. 107
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3. Teil: Im türkischen Strafgesetz weitere geregelte Konkurrenzformen
schwerste Strafe (Einsatzstrafe)111 innerhalb der bestimmten Grenze ist zu verschärfen. Ist die neue Strafe höher als die vorherige Strafe, wird die alte von der neuen Strafe abgezogen, natürlich nur, wenn die vorherige Strafe schon verbüßt wurde. Hier stellt sich auch die Frage, ob die Aussetzung der Eröffnung der öffentlichen Klage bei der Fortsetzungstat den Tatentschluss unterbricht oder ob die nach dem Entschluss der Staatsanwaltschaft begangenen Straftaten in die Fortsetzungstat einbezogen werden können, wenn sie bei der Ausführung eines Tatentschlusses begangen werden. Es liegt zwar in diesem Fall keine gerichtliche Entscheidung vor und der Entschluss der Staatsanwaltschaft wird von einem Gericht nicht überprüft, es sei denn, der Verletzte erhebt gegen den Entschluss zur Aussetzung gemäß Art. 171 Abs. 2 S. 1 i. V. m. Art. 173 des tStPO eine Beschwerde. Der Entschluss der Staatsanwaltschaft über die Aussetzung der Eröffnung der öffentlichen Klage ist nicht wie der Entschluss des erstinstanzlichen Gerichts zu behandeln. Es ist nicht anzunehmen, dass der Entschluss der Staatsanwaltschaft eine Unterbrechung für den Tatentschluss bildet, weil dieser staatsanwaltliche Entschluss den Tatentschluss des Täters nicht beeinflussen kann und eine gegenteilige Annahme eine nicht unwesentliche Begrenzung der Fortsetzungstat mit sich bringen kann.112 Daneben steht der Täter unter hinreichendem Tatverdacht und trotz dieses Verdachts setzt die Staatsanwaltschaft die Eröffnung der öffentlichen Klage zugunsten des Täters aus, obwohl gegen ihn die Klage erhoben werden kann. Dieser Entschluss muss aber für den Täter keine Warnung bilden und die Unterbrechungswirkung des Entschlusses muss nicht angenommen werden, weil der Täter trotz der Entscheidung der Staatsanwaltsschaft bei der Ausführung eines einzigen Tatentschlusses weitere Straftaten begehen kann. Zwar kann der Täter durch die Begehung weiterer Straftaten den Entschluss der Staatsanwaltschaft ausnutzen, aber in einem solchen Fall verliert er die ihm durch dieses Rechtsinstitut gewährten Vorteile. g) Fortsetzungstat und die Entscheidung zur Aussetzung der Urteilsverkündung113 In Art. 231 Abs. 5 – 14 des tStPO wurde die Entscheidung zur Aussetzung der Urteilsverkündung geregelt. Gemäß Art. 231 Abs. 5 kann das Gericht über die 111 Der Täter wurde wegen der anderen, d. h. wegen der schweren Straftaten schon verurteilt; deswegen wurde die schwerste Strafe schon bei der vorherigen Verurteilung festgestellt. 112 Wenn sich z. B. die Staatsanwaltschaft von den mehrmaligen Gesetzesverletzung des Täters nach dem Entschluss der Aussetzung der Erhebung der öffentlichen Klage erst im vierten Jahr der Aussetzung informiert. 113 Hier kann zwar die im deutschen Strafrecht vorhandene Bezeichnung „Bewährung“ verwendet werden, weil sich beide Rechtsinstitute ähneln, aber die wörtliche Übersetzung lautet; „Entscheidung zur Aussetzung der Urteilsverkündung“. Dieses Rechtinstitut ist mit „Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe“ im deutschen Strafrecht vergleichbar. Obwohl dieses Rechtinstitut vor 2006 nur für Jugendliche im Jugendschutzgesetz (im Art. 23) mit Nr. 5395 geregelt wurde, wird der Anwendungsbereich durch den Art. 231 Abs. 5 ff. tStPO erweitert; auf diese Weise wird normiert, dass dieses Rechtsinstitut auch für Erwachsene an-
A. Fortsetzungstat (Zincirleme Suç)
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Aussetzung der Urteilsverkündung entscheiden, wenn die am Schluss der Verhandlung wegen der Straftat über den Täter verhängte Strafe zwei Jahre oder noch weniger Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe ist. Nach S. 2 bleiben die Bestimmungen über den Täter-Opfer-Ausgleich vorbehalten. In S. 3 hat der Gesetzgeber normiert, welche Funktion diese Regelung hat. Nach diesem Satz bedeutet die Entscheidung zur Aussetzung der Urteilsverkündung, dass das Urteil über den Angeklagten keine rechtlichen Folgen hat. Im Fall der Aussetzung der Urteilsverkündung wird über den Angeklagten eine Maßnahme der kontrollierten Freiheit von fünf Jahren114 bestimmt. Wenn der Angeklagte innerhalb der Kontrollzeit keine vorsätzliche Straftat begeht und entsprechend der ihm auferlegten Verpflichtungen handelt, entscheidet das Gericht, das Verfahren einzustellen. Es stellt sich die Frage, ob für die Anwendung des Art. 231 Abs. 5 – 14 des tStPO bei der Feststellung der Strafe auf die Einzeltaten oder die Strafe der Fortsetzungstat abgestellt werden muss. In der Lehre vertritt Özen115 die Meinung, dass für die Anwendung dieses Artikels nicht die Strafe wegen der Fortsetzungstat berücksichtigt werde; denn dies habe zur Folge, dass dies für den Täter noch günstiger sei. Wenn also die einzelnen Strafen die im Artikel festgestellte Obergrenze nicht überschreiten würden, könne das Gericht über die Aussetzung der Urteilsverkündung entscheiden. Überschreiten aber manche Strafen die Obergrenze, ist das Urteil nur für diese Straftaten zu verkünden. Dieser Ansicht ist nicht überzeugend. Im Gesetz wurde ausdrücklich geregelt, dass für die Anwendung dieses Artikels auf die am Schluss der Verhandlung verhängte Strafe abgestellt wird. Für die Anwendung des Artikels ist also nicht jede Einzelstrafe, sondern die am Schluss des Verfahrens verhängte endgültige Strafe entscheidend. h) In dubio pro reo Daneben stellt sich im türkischen Strafrecht die Frage, ob der Grundsatz „in dubio pro reo“ dann Anwendung finden soll, wenn der Tatrichter nicht ohne Zweifel darüber entscheiden kann, ob die objektiven und besonders die subjektiven Voraussetzungen der Fortsetzungstat vorliegen. Nach herrschender Meinung116 ist dieser Grundsatz sowohl bei der Feststellung der objektiven als auch bei der Feststellung
zuwenden ist. Dieses Rechtsinstitut unterscheidet sich von der Strafaussetzung zur Bewährung dadurch, dass, wenn der Angeklagte innerhalb der Kontrollzeit keine vorsätzliche Straftat begeht und entsprechend der ihm auferlegten Verpflichtungen handelt, das Gericht entscheidet, das Verfahren einzustellen, obwohl bei der Strafaussetzung zur Bewährung die Strafe des Täters als verbüßt angesehen wird und die Rechtfolgen der Strafe für den Täter bestehen bleiben. 114 Die Dauer der Maßnahme der kontrollierten Freiheit beträgt für die Jugendlichen drei Jahre nach dem Art. 23 des Jugendschutzgesetzes. 115 Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 289. 116 ˙ Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 144, 145; Sancar, Müteselsil Suç, S. 114, 115; der Kassationshof hat auch entschieden, wenn etwas zweifelhaft und nicht genau zu bestimmen ist, muss das in diesem Fall zugunsten des Täters interpretiert werden. Y. 8. CD, 08. 12. 1992, 12312/ 14716, in: Sancar, Müteselsil Suç, S. 115, Fn. 194
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3. Teil: Im türkischen Strafgesetz weitere geregelte Konkurrenzformen
der subjektiven Voraussetzungen anzuwenden. Es gibt keinen Grund, diesen für den Täter günstigen Grundsatz nicht anzuwenden.117
II. Fortsetzungstat nach dem alten türkischen Strafgesetzbuch 1. Im Allgemeinen Die Fortsetzungstat wurde in Art. 80 des alten türkischen Strafgesetzes geregelt. Nach diesem Artikel gilt die mehrmalige Übertretung der gleichen Bestimmung des Gesetzes bei der Ausführung eines Tatentschlusses als eine Straftat, auch wenn diese Straftaten zu verschiedenen Zeiten begangen werden. Jedoch wird die wegen dieser Straftat verhängte Strafe um ein Sechstel bis um die Hälfte verschärft.118 Im neuen Strafgesetz wurde diese Regelung geändert. Hier werden nur die davon unterschiedlichen Punkte des alten Strafgesetzes erwähnt. Die Begehung der gleichen Straftat gegen eine Person und die Begehung der Straftaten zu verschiedenen Zeiten waren keine zwingenden Voraussetzungen für die Fortsetzungstat. 2. Die Voraussetzungen der Fortsetzungstat a) Die Tatzeit bei der Fortsetzungstat Nach dem alten Strafgesetzbuch mit der Nummer 765 war die Begehung der Straftaten zu verschiedenen Zeiten keine zwingende Voraussetzung für die Fortsetzungstat. Nach Art. 80 des aTCK kann die Fortsetzungstat sowohl bei der Begehung der Straftaten zu verschiedenen Zeiten als auch bei der Begehung zur selben gleichen Zeit vorliegen. In der Lehre war aber umstritten, ob mehrere Straftaten (durch mehrere Handlungen) zur selben gleichen Zeit begangen werden können und was der Gesetzgeber mit „auch wenn diese Straftaten zu verschiedenen Zeiten be-
117 Der Kassationshof hat in einer Entscheidung ausdrücklich betont, dass bei nicht genauer Feststellung der Tatzeiten das Vorliegen des zeitlichen Zusammenhangs angenommen werden müsse, weil der Grundsatz „in dubio pro reo“ es erfordere. YCGK, 28. 05. 2013, E 2012/14 – 1396, K 2013/268, in: UYAP. 118 Eine alternative Übersetzung: „Wird dieselbe gesetzliche Bestimmung im Rahmen der Ausführung des Entschlusses, eine Straftat zu begehen, wiederholt verletzt, liegt nur eine Straftat vor, auch wenn die Verletzung zu verschiedenen Zeiten erfolgt ist. Jedoch wird die deswegen zu verhängende Strafe um ein Sechstel bis um die Hälfte erhöht.“, S¸ensoy/Tolun, Das türkische Strafgesetzbuch, S. 19; diese Übersetzung ist deswegen missverständlich, weil der Gesetzgeber vom Vorliegen mehrerer Straftaten ausgegangen ist. Aber für die Bestrafung hat er diese Straftaten als eine angesehen. Deswegen ist die Übersetzung „liegt nur eine Straftat vor“ unzutreffend.
A. Fortsetzungstat (Zincirleme Suç)
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gangen werden“ gemeint hat. Ein Großteil der Lehre119 war der Meinung, dass nur die Unterlassungsdelikte zur selben Zeit begangen werden könnten. Den Ausdruck „zu verschiedenen Zeiten“ habe der Gesetzgeber für die Begehungsdelikte verwendet.120 Daneben können die Begehungsdelikte zur selben Zeit nicht durch mehrere Handlungen begangen werden. Wenn also mehrere Straftaten zur selben Zeit begangen werden, handelt es sich hierbei nicht um ein Problem der Fortsetzungstat, sondern um eines der Idealkonkurrenz. In dem Fall, in welchem die Strafvollzugsbehörde bei der Ausführung eines Tatentschlusses trotz des Befehls des Richters zur Aufhebung der Untersuchungshaft den Beschuldigten nicht entlässt, liegen mehrere Unterlassungsdelikte vor, die zur selben Zeit begangen werden.121 Gegen diese Ansicht wurde in der Lehre122 angeführt, dass sowohl mehrere Begehungsdelikte als auch mehrere Unterlassungsdelikte gleichzeitig begangen werden. Wer z. B. durch einen Bombenanschlag zehn Menschen töte, begehe zehn Straftaten zur selben Zeit. Nach dieser Auffassung ist davon auszugehen, dass in diesem Fall die Bestimmungen der Idealkonkurrenz nicht angewendet werden können, weil mehrere Handlungen (oder Taten) vorliegen.123 Ebenso lagen mehrere Handlungen und die Begehung mehrerer Straftaten zur selben Zeit vor und es fand die Vorschrift über die Fortsetzungstat Anwendung, wenn der Täter durch einen Bombenanschlag mehrere Menschen verletzt.124 b) Die Identität des Opfers Anders als im neuen Strafgesetzbuch war die Begehung der Straftaten gegen eine Person keine Voraussetzung für die Fortsetzungstat. Im Gesetz dazu wurde gerade nicht vorgeschrieben, ob als Verletzter eine oder mehrere Person(en) gelten können. Deswegen fand die Fortsetzungstat Anwendung, auch wenn die Straftaten gegen verschiedene Personen begangen wurden. Die Annahme, nach der die Fortsetzungstat bei der Begehung der Straftaten gegen verschiedene Personen unmöglich ist, wurde in der Lehre125 kritisiert, weil eine solche Voraussetzung im Gesetz nicht Alacakaptan, Suçun Unsurları, S. 58; Tosun, ˙IHFM 1957, S. 124, 134; Erem, Türk Ceza Kanunu Yorumu C II, S. 658; Malkoç/Güler, Türk Ceza Kanunu Yorumu Genel Hükümler – I, S. 592. 120 Dönmezer/Erman, Nazari ve Tatbiki C I, S. 396. 121 Tosun, ˙IHFM 1957, S. 124, 134; Dönmezer/Erman, Nazari ve Tatbiki C I, S. 396. 122 ˙ Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 130; wie im ersten Teil dargestellt, vertritt ˙Içel die Meinung, dass die Anzahl der Handlungen von der Anzahl der Erfolge (der Anzahl der Änderungen in der Außenwelt) abhängig ist; vgl. Sancar, Müteselsil Suç, S. 74 ff. 123 Hier findet die Bestimmung der Fortsetzungstat keine Anwendung, weil in Artikel 450 Abs. 5 des aTCK für den Fall der Tötung mehrerer Menschen eine besondere Strafe festgesetzt wird. 124 ˙ Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 130. 125 Sancar, Müteselsil Suç, S. 109; Tosun, ˙IHFM 1957, S. 124, 137; Erem, Türk Ceza Kanunu Yorumu C II, S. 650; Malkoç/Güler, Türk Ceza Kanunu Yorumu Genel Hükümler – I, S. 597. 119
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3. Teil: Im türkischen Strafgesetz weitere geregelte Konkurrenzformen
normiert wurde. Deswegen sei die Forderung einer solchen Voraussetzung für die Fortsetzungstat gesetzeswidrig. Daneben wurde angeführt, dass die Verschiedenheit der Opfer bei der Feststellung des einzigen Tatentschlusses als ein Indiz angenommen werden könne. Das heißt aber nicht, dass der einzige Tatentschluss nicht mehr vorliegt, wenn die Opfer verschieden sind. Der Tatrichter soll nach jedem Einzelfall entscheiden, ob die Verschiedenheit der Opfer den einzigen Tatentschluss ausgeschlossen hat. Die Entscheidungen des Kassationshofs sind auch uneinheitlich. In der Zeit des alten Strafgesetzbuches wurde angenommen126, dass die Fortsetzungstat im Fall der Unbestimmtheit des Opfers bzw. bei den Straftaten gegen die Gesellschaft oder Nation usw. nicht ausgeschlossen sei. Nach einer Entscheidung des Kassationshofs127 bildete die mehrmalige Theateraufführung, die die Eigenschaft hatte, die Bevölkerung zu Hass und Feindschaft aufzuhetzen, eine Fortsetzungstat. 3. Rechtsfolgen der Fortsetzungstat Die Feststellung der Strafe wegen der Fortsetzungstat wurde in Art. 80 des aTCK nicht geregelt. Die wegen einer Straftat verhängte Strafe muss aber gemäß Art. 80 S. 2 um ein Sechstel bis um die Hälfte verschärft werden. Die Strafe, die nach diesem Satz erhöht wird, war die nach der Norm, die die höchste Strafe androhte. Deswegen sind erst die Strafen wegen jeder selbstständigen Straftat festzustellen und danach die schwerste Strafe (Einsatzstrafe) um ein Sechstel bis um die Hälfte zu erhöhen.128 Im aTCK wurde auch ausdrücklich geregelt, wann die Verfolgungsverjährung beginnt. Nach Art. 103 beginnt die Verjährung bei der Fortsetzungstat mit der Begehung des letzten Teilakts. Also fängt die Verjährungsfrist erst an dem Tag, an dem der Täter die letzte Straftat begangen hat, an, zu laufen. Auch in der Zeit des alten Strafgesetzbuches wurde angenommen, dass es sich um eine (fiktive) Straftat bei der Feststellung der Verjährung der Fortsetzungstat handelt, weil die selbstständigen Straftaten bei der Verjährung als eine Straftat behandelt werden.129
I˙çel/Özgenç/Sözüer/Mahmutog˘ lu/Ünver, Suç Teorisi S. 446; Hakeri, Ceza Hukuku, S. 590 f.; ˙Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 150. 127 Y. 9. CD, 22. 02. 1999, 3052/1027; aTCK Art. 312 Abs. 2 – 3: die mehrmalige Begehung der Straftat „Aufhetzen der Bevölkerung zu Hass und Feindschaft“. 128 Vgl. Tosun, ˙IHFM 1957, S. 124, 141; ˙Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 152 ff. 129 Önder, Ceza Hukuku, S. 498. 126
A. Fortsetzungstat (Zincirleme Suç)
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III. Fortgesetzte Handlung im deutschen Recht 1. Im Allgemeinen Fortgesetzte Handlung in diesem Sinne meint die in der mittelalterlichen italienischen Jurisprudenz erwähnte130 Rechtsfigur, die dann Anwendung findet, wenn mehrere gleichartige Rechtsgüter durch gleichartige Ausführungshandlungen in einem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit einem Vorsatz verletzt werden.131 Die fortgesetzte Handlung, die im deutschen Recht auch als Fortsetzungszusammenhang, Fortsetzungstat oder fortgesetztes Delikt bezeichnet wird, wurde weder im RStGB von 1871 noch im StGB geregelt. Ebenso wenig fand dieses Rechtsinstitut im gemeinen Recht des 17. und 18. Jahrhundert eine Regelung; es war aber zu jener Zeit schon anerkannt und diente dazu, die Härte der Strafen abzumildern.132 Die fortgesetzte Handlung wurde erst im bayerischen StGB von 1813 in Art. 110 geregelt; und die weiteren Partikulargesetzbücher folgten ihm.133 2. Das Wesen der fortgesetzten Handlung Im Allgemeinen wurde im deutschen Strafrecht angenommen, dass es bei der fortgesetzten Handlung um die rechtliche Handlungseinheit gehe. Nach dieser Annahme bilden also alle Einzelakte, sofern jeder von ihnen alle Deliktsvoraussetzungen erfüllt, eine Handlung.134 Die durch die fortgesetzten Teilakte begangenen Straftaten wurden im deutschen Strafrecht135 als eine Einheit behandelt und es wurde angenommen, dass es sich bei der fortgesetzten Handlung um eine Verbrechenseinheit handele. 3. Der Grund zur Annahme der fortgesetzten Handlung (Ursprünglicher Zweck der fortgesetzten Handlung und Zweckwandel mit der Zeit) Wie schon erwähnt, wurde die fortgesetzte Handlung weder im RStGB und auch bis heute noch nicht hinreichend geregelt. Dieses Institut war aber schon bei dem 130
Brähler, Die rechtliche Behandlung, S. 73. Detaillierte Erklärungen siehe unten: Dritter Teil A. III. 4. a) und b). 132 Brähler, Die rechtliche Behandlung, S. 72 ff.; für die detaillierte historische Entwicklung der fortgesetzten Handlung siehe: Miller, Neuere Entwicklungen, S. 33 ff. 133 Miller, Neuere Entwicklungen, S. 33. 134 Roxin, Strafrecht AT II § 33 Rn. 248; Kühl, Strafrecht AT, § 21 Rn. 26; Brähler, Die rechtliche Behandlung, S. 85 ff.; S/S-Stree24, Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 30. 135 Geerds, Zur Lehre von der Konkurrenz, S. 294 ff.; vgl. Schmirmeyer, Wesen und Voraussetzungen, S. 37 ff.; Stree betont, dass es ein Dilemma sei, einerseits die Fortsetzungstat als eine einzige Tat zu behandeln und andererseits selbstständige und tatbestandmäßige Handlungen als erforderlich anzusehen. S/S-Stree24, Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 32. 131
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3. Teil: Im türkischen Strafgesetz weitere geregelte Konkurrenzformen
Gemeinen Recht und dem Partikularrecht anerkannt. In dieser Zeit war der Grund für die Annahme der fortgesetzten Handlung, die wegen des Kumulationsprinzips entstehende Härte der Gesamtstrafe abzumildern136. Obwohl im RStGB bei der Bildung der Gesamtstrafe das Kumulationsprinzip durch das Asperationsprinzip ersetzt wurde und auf diese Weise der ursprüngliche Zweck dieses Instituts fast gegenstandslos wurde, hielten Lehre und Rechtsprechung die fortgesetzte Handlung aufrecht. Auf diese Weise hat sich der ursprüngliche Zweck der fortgesetzten Handlung wesentlich geändert. Das Institut der fortgesetzten Handlung wurde damit begründet, dass auch durch die Anwendung des Asperationsprinzips vor allem bei den zeitlich gestreckten Delikten unverhältnismäßig hohe Strafen verhängt werden könnten und dass wegen der gewohnheitsrechtlichen Gründe an diesem Institut festgehalten werden solle; des Weiteren gab es die Annahme, dass das Institut der fortgesetzten Handlung arbeitserleichternd sei.137 Das Reichsgericht hat bei einer Entscheidung für die Annahme der fortgesetzten Handlung darauf hingewiesen, dass es „eine lästige, überflüssige und wunderlich anmutende Arbeit“ sei, wenn der Tatrichter in jeder Entscheidung (nach dem Asperationsprinzip) erst für jede Straftat eine Einzelstrafe festsetzen und danach eine Gesamtstrafe bilden müsse. Die Anwendung der fortgesetzten Handlung sei „bei Straftaten dieser Art für das allgemeine Rechtsgefühl erträglich“.138 Bei dieser Entscheidung ist festzustellen, dass dieses Rechtsinstitut als ein Instrument der Vereinfachung der Rechtsanwendung dienen, aber auch eine Strafmilderungsfunktion haben sollte. Auch der Bundesgerichtshof hat bei seinen Entscheidungen an diesem Rechtsinstitut festgehalten und es fortentwickelt, obwohl viele Änderungsgesetze die fortgesetzte Handlung nicht enthielten. Der Gesetzgeber hat in seinem Gesetzesentwurf im Jahr 1962139 ausdrücklich betont, dass die fortgesetzte Handlung nicht geregelt worden sei, auch wenn die fortgesetzte Handlung von der Tatmehrheit nicht „eindeutig und einhellig“ abgegrenzt werden könne. Aber trotzdem wurde die Fortbildung dieses Rechtsinstituts der Rechtsprechung und der Lehre überlassen, da es gar nicht möglich sei, der fortgesetzten Handlung eine gesetzliche Grenze zu ziehen; eine gesetzliche Regelung könne zudem dazu führen, den Anwendungsbereich des Instituts zu erweitern. Letztlich ist die fortgesetzte Tat aus „Billigkeitsgründen“ geboren, mit der Zeit aber ist insbesondere durch die Regelung der Tatmehrheit (bzw. des Asperationsprinzips) der Zweck der fortgesetzten Handlung geändert worden. Der Vierte Strafsenat hat in einer Entscheidung darauf hingewiesen, dass „das Institut der 136
Fischer, NStZ 1992, 415, 420; Geppert, Jura 1993, 649, 649; Jähnke, GA 1989, 376, 380; vgl. Ruping, GA 1985, 437, 439 ff. 137 Brähler, Die rechtliche Behandlung, S. 85; v. Heintschel-Heinegg, JA 1993, 136, 136; Jung, GS-Schultz, S. 183, 186; Fischer, NStZ 1992, 415, 420. 138 RGSt 70, 243, 244. 139 E 1962, 191.
A. Fortsetzungstat (Zincirleme Suç)
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Fortsetzungstat von der Rechtsprechung im Wesentlichen aus Gründen der Vereinfachung der Rechtsanwendung entwickelt worden ist“140. Diese Entscheidung wies darauf hin, dass die fortgesetzte Handlung aus prozessualen Gründen angenommen worden sei.141 4. Die Voraussetzungen der fortgesetzten Handlung Um mehrere Handlungen des Täters als fortgesetzte Handlung bewerten zu können, mussten die folgenden Voraussetzungen erfüllt werden. a) Objektive Voraussetzungen aa) Die Verletzung der gleichen Rechtsgüter Die erste Voraussetzung für die Annahme der fortgesetzten Handlung war die Verletzung derselben Rechtsgüter. Jeder Teilakt der fortgesetzten Handlung musste also gegen dieselben Rechtsgüter gerichtet sein. Die Verwirklichung der qualifizierenden und privilegierenden Tatbestände stand einer Annahme der fortgesetzten Handlung nicht entgegen.142 Ein Rechtsgut konnte also in den verschiedenen Normen geregelt werden und die Erfüllung dieser Tatbestände schloss die Annahme der fortgesetzten Handlung nicht aus. Wenn die Normen dasselbe Rechtsgut gegen verschiedene Begehungsweisen schützen, kam die fortgesetzte Handlung nicht in Betracht.143 Die fortgesetzte Handlung lag auch dann vor, wenn manche Teilakte der fortgesetzten Handlung im Versuchsstadium blieben. Für die Annahme der fortgesetzten Handlung war es nicht erforderlich, dass die gleiche Straftat gegen eine Person begangen wurde. Jeder Teilakt der fortgesetzten Handlung konnte verschiedene Rechtsgutsträger beeinträchtigen. Hier ist aber zwischen den höchstpersönlichen und materiellen Rechtsgütern zu unterscheiden.144 Um eine fortgesetzte Handlung bei der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter annehmen zu können, mussten die Teilakte das Rechtsgut derselben Person verletzen. Die Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter von mehr als einer Person war ein Grund für die Ablehnung der fortgesetzten Handlung. Der Grund für die Ablehnung der fortgesetzten Handlung bei den höchstpersönlichen Rechtsgütern verschiedener Rechtsträger sei gewesen, dass der höchstpersönliche Charakter dieser
140
BGHSt 35, 318, 323. Geppert, Jura 1993, 649, 650; Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II7, § 54 Rn. 65. 142 Roxin, Strafrecht AT II § 33 Rn. 250; Geppert, Jura 1993, 649, 651. 143 v. Heintschel-Heinegg, JA 1993, 136, 138; Jakobs, Strafrecht AT, 33 Rn. 40. 144 S/S-Stree24, Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 43; LK-Vogler10, Vor § 52 Rn. 55; Geppert, Jura 1993, 649, 651. 141
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3. Teil: Im türkischen Strafgesetz weitere geregelte Konkurrenzformen
Rechtsgüter verhindert habe, die Handlungen zu einer Einheit zusammenzufassen.145 Wenn der Täter also an aufeinanderfolgenden Tagen mehrere Kinder sexuell missbraucht hatte, lag keine fortgesetzte Handlung, sondern Tatmehrheit vor. Bei Raub, Körperverletzung, Tötung, Nötigung und dem sexuellen Missbrauch mehrerer Personen146 handelte es sich nicht um eine fortgesetzte Handlung.147 Wurde aber ein Diebstahl gegen mehrere Opfer begangen, konnte man von einer fortgesetzten Handlung sprechen, wenn die anderen Voraussetzungen vorlagen, weil die fortgesetzte Handlung bei der Begehung der Vermögensdelikte gegen mehrere Personen vorliegen konnte. Die fortgesetzte Handlung wurde auch bei den konkreten Gefährdungsdelikten ausgeschlossen, wenn durch die Einzelakte der fortgesetzten Handlung das höchstpersönliche Rechtsgut verschiedener Personen gefährdet wurde. Dagegen konnte die fortgesetzte Handlung bei den abstrakten Gefährdungsdelikten angenommen werden, auch wenn das höchstpersönliche Rechtsgut verschiedener Personen gefährdet wurde.148 bb) Die Begehung der Delikte durch jeden Teilakt Zur Annahme der fortgesetzten Handlung war es zwingend erforderlich, dass jeder Teilakt die Tatbestände der Straftaten erfüllen muss. Auf diese Weise muss also jeder Teilakt tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft und dementsprechend verfolgbar sein.149 cc) Die Gleichartigkeit der Begehungsweisen Um die fortgesetzte Handlung zu bejahen, sollten die Einzelakte im Wesentlichen gleichartig sein. Hier war die Identität der Einzelakte nicht unerlässlich. Wenn die Handlungen im äußeren Erscheinungsbild gleichartig zu qualifizieren waren, war diese Voraussetzung gegeben. Wegen dieses schwammigen Abgrenzungskriteriums der Feststellung der Gleichartigkeit der Begehungsweisen hat Jakobs150 diese Vorgehensweise als „äußerlich und ohne rechtliche Relevanz“ bezeichnet. 145 S/S-Stree24, Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 44; vgl. Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II7, § 54 Rn. 86; Jung, JuS 1989, 289, 291; mit den Worten von Geppert ist „eine buchhalterische Verrechnung“ bei den höchstpersönlichen Rechtsgütern nicht zulässig. Geppert, Jura 1993,649, 652; vgl. Brähler, Die rechtliche Behandlung, S. 105 f.: Diese Ausnahme bringe nicht nur eine sinnvolle Abgrenzung des Anwendungsbereichs der fortgesetzten Handlung, sondern sie sei auch ein Ergebnis der verfassungsrechtlichen Prinzipien (materielle Gerechtigkeit). 146 Vgl. BGHSt 18, 26, 27. 147 S/S-Stree24, Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 43; LK-Vogler10, Vor § 52 Rn. 55; Roxin, Strafrecht AT II § 33 Rn. 253; Geppert, Jura 1993,649, 651; vgl. RGSt 53, 274, 275. 148 S/S-Stree24, Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 45a. 149 Vgl. Geppert, Jura 1993, 649, 651; Brähler, Die rechtliche Behandlung, S. 99. 150 Jakobs, Strafrecht AT, 33 Rn. 41.
A. Fortsetzungstat (Zincirleme Suç)
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Die Begehung der qualifizierenden oder privilegierenden Tatbestände verhinderte nicht die Gleichartigkeit der Einzelakte. Ebenso war die Gleichartigkeit auch dann gegeben, wenn einer der Einzelakte im Versuchsstadium blieb.151 Die fortgesetzte Handlung war nicht ausgeschlossen, wenn die Tatbestände durch die alternative Begehungsweise erfüllt wurden (z. B. mehrmaliger Betrug durch verschiedene Methoden). Es war nicht ausschlaggebend, was oder zu welchem Zweck der Täter stiehlt.152 Zwischen mehreren Unterlassungen konnte ein Fortsetzungszusammenhang bestehen, wenn sie als gleichartig eingestuft werden konnten. Zwischen aktivem Tun und Unterlassen wurde der Fortsetzungszusammenhang ausgeschlossen, weil aktives Tun und Unterlassen nicht gleichartig sein könnten.153 Der BGH ist aber in einer Entscheidung von der Gleichartigkeit des aktiven Tuns und Unterlassens ausgegangen, da „bei der Steuerhinterziehung beiden Begehungsformen die gleiche Bedeutung zukäme“.154 dd) Der zeitliche und räumliche Zusammenhang zwischen den Taten Eine weitere Voraussetzung für die fortgesetzte Handlung war der zeitliche und räumliche Zusammenhang zwischen den Einzelakten. Vor allem wurde in der Lehre angeführt, dass der Fortsetzungszusammenhang beim Vorliegen besonders großer räumlicher und zeitlicher Zwischenräume ausgeschlossen war. Es war aber auch schwer, für den zeitlichen und räumlichen Zusammenhang eine bestimmte Grenze zu ziehen. Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs führten zu keinem klaren und bestimmten Ergebnis. So wurde etwa entschieden, dass der Fortsetzungszusammenhang durch langjährig andauernde Handlungen begründet werden könne, obwohl der zeitliche Abstand zwischen den Einzelakten ein Jahr betrug.155 b) Subjektive Voraussetzung der fortgesetzten Handlung Für die Annahme der fortgesetzten Handlung war ein einheitlicher Vorsatz erforderlich. Was jedoch unter dem „einheitlichen Vorsatz“ beim Fortsetzungszusammenhang zu verstehen ist oder in welchem Umfang diese Voraussetzung als erfüllt angesehen werden muss, wurde uneinheitlich behandelt. Obwohl der BGH vorher einen Gesamtvorsatz verlangte, ist er von dieser Annahme abgewichen und hat manchmal einen erweiterten Gesamtvorsatz als ausreichend angesehen.
151
v. Heintschel-Heinegg, JA 1993, 136, 138; LK-Vogler10, Vor § 52 Rn. 53. S/S-Stree24, Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 41. 153 LK-Vogler10, Vor § 52 Rn. 53; Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II7, § 54 Rn. 83; S/SStree24, Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 41, 58. 154 BGHSt 30, 207, 212. 155 Brähler, Die rechtliche Behandlung, S. 100. 152
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3. Teil: Im türkischen Strafgesetz weitere geregelte Konkurrenzformen
aa) Gesamtvorsatz Von der Rechtsprechung wurde für die Annahme der fortgesetzten Handlung zuerst ein Gesamtvorsatz, der „von Anfang an den Gesamterfolg der Tat in seinen wesentlichen Grundzügen nach Ort, Zeit, Person des Verletzten und Begehungsweise umfassen“ musste, für erforderlich gehalten.156 Der Gesamtvorsatz musste gerade nicht alle Einzelheiten des Tathergangs umfassen. Normalerweise ist jeder Teilakt selbstständig, und jedes Delikt ist nach den Bestimmungen der Realkonkurrenz zu bestrafen. Durch diesen Gesamtvorsatz waren hingegen alle Teilakte, die alle Straftatbestände erfüllten, ein Teil eines Ganzen und deswegen war die fortgesetzte Handlung gegeben. Für die Annahme der fortgesetzten Handlung mussten das zeitliche Ende der Teilakte und der Gesamterfolg nicht vorher in allen Einzelheiten erfasst sein. In dem Fall aber, in welchem der Täter in der Absicht gehandelt hat, bei einer sich bietenden Möglichkeit Straftaten zu begehen, fand die fortgesetzte Handlung keine Anwendung.157 Nur die Bestimmung eines einheitlichen Ziels oder nur der Entschluss, sich eine bestimmte Geldsumme zu verschaffen oder mehrere Straftaten zu begehen, reichten nicht für die Annahme der fortgesetzten Handlung aus, ohne die Zeit, den Ort oder die Begehungsweise der Teilakte vorher festzulegen.158 Wenn die Einzelakte von Bedingungen abhängig gemacht wurden, konnte die fortgesetzte Handlung angenommen werden. Wenn aber der Täter zwischendurch die Durchführung weiterer Einzelakte aufgegeben hatte, durften alle Einzelakte vor und nach dem Abbruch des Vorsatzes nicht als fortgesetzte Handlung bewertet werden.159 Der BGH160 hat in seinen Entscheidungen betont, dass die fortgesetzte Handlung nicht ausgeschlossen sei, auch wenn das zeitliche Ende der Tat bei der Verwirklichung des ersten Teilakts nicht bestimmt gewesen sei. Für die Annahme der fortgesetzten Handlung sei entscheidend, dass zwischen den Einzelakten ein enger zeitlicher Zusammenhang bestehe. Das zeitliche Ende müsse deswegen nicht bereits bei Beginn der Tat festgelegt werden.
156
BGHSt 1, 313, 315; Brähler, Die rechtliche Behandlung, S. 109; LK-Vogler10, vor § 52 Rn. 57; Geppert, Jura 1993, 649, 652. 157 v. Heintschel-Heinegg, JA 1993, 136, 139; S/S-Stree24, Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 49; von dieser Annahme wurde manchmal abgewichen; vgl. Brähler, Die rechtliche Behandlung, S. 109, Fn. 224; der BGH hat sich aber in einem Fall, in welchem ein Vater bei jeder passenden Gelegenheit mit seiner Tochter Beischlaf vollzogen hat, gegen diese Aussage entschieden. BGH NStZ 1983, 326. 158 Vgl. BGH NStZ 1988, 25. 159 LK-Vogler10, vor § 52 Rn. 64, 65. 160 BGHSt 26, 4, 7.
A. Fortsetzungstat (Zincirleme Suç)
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bb) Erweiterter Gesamtvorsatz Das Verständnis des BGH bezüglich des Gesamtvorsatzes hat sich mit der Zeit verändert und die fortgesetzte Handlung wurde auch dann angenommen, wenn der Täter seinen Vorsatz während der Tat bis zur Beendigung des letzten Einzelaktes erweiterte. Obwohl in BGHSt 19, 23 angenommen wurde, dass der Vorsatz bis zur Beendigung des ersten Teilaktes erweitert werden kann, wurde mit anderen Entscheidungen diese Annahme weiter gelockert und die fortgesetzte Handlung selbst dann zur Anwendung gebracht, wenn der Täter seinen Vorsatz bis zur Beendigung des letzten Teilakts (nicht des ersten) erweitert hat.161 Nach der Annahme des erweiterten Gesamtvorsatzes hat der BGH (oder verschiedene Senate) auch diese Formel uneinheitlich angewendet und von Fall zu Fall wurden uneinheitlichere Entscheidungen über den (erweiterten) Gesamtvorsatz gefällt.162 Manche höchstrichterlichen Entscheidungen haben die Annahme des erweiterten Gesamtvorsatzes hingegen beschränkt.163 Die Vorsatzerweiterung wurde in der Lehre164 kritisiert, und es wurde betont, dass der Gesamtvorsatz im ursprünglichen Sinn angenommen werden musste. Die Annahme eines Gesamtvorsatzes sei gegenüber dem erweiterten Gesamtvorsatz mehr geeignet gewesen, die fortgesetzte Handlung von der Tatmehrheit abzugrenzen. Eine gegenteilige Ansicht konnte dazu führen, dass der Anwendungsbereich der fortgesetzten Handlung wesentlich erweitert wurde. Letztlich wäre die Anwendung des erweiterten Gesamtvorsatzes wegen der Höhe des Schuldgehalts des Täters und des Unwertgehalts des Gesamtgeschehens nicht überzeugend, da Schuld- und Unwertgehalt bei dem erweiterten Gesamtvorsatz in der Regel noch höher gewesen seien. cc) Fortsetzungsvorsatz Als Alternative zum Gesamtvorsatz wurde in der Lehre der Fortsetzungsvorsatz eingeführt. Danach war für die Annahme der fortgesetzten Handlung das Vorliegen eines Fortsetzungsvorsatzes, für den eine „fortlaufende psychische Linie“ bei der Verwirklichung der Einzelakte ausschlaggebend war, erforderlich. Nach dieser Ansicht war die fortgesetzte Handlung nicht von einem vorher bestimmten Gesamterfolg abhängig. Wenn also die Einzelakte nach dem ersten Teilakt als Fort161
BGHSt 19, 323: Hier ist noch ein Satz von dieser Entscheidung erwähnenswert: „Solange für den Täter noch die Möglichkeit besteht, den Tatumfang des ersten Teilaktes der in Betracht kommenden Handlungsreihe durch Hinzufügung eines neuen Teilstücks im Sinne natürlicher Handlungseinheit zu erweitern, muss es ihm auch möglich sein, die Hinzufügung eines solchen Teilstücks für einen späteren Zeitpunkt ins Auge fassend, einen Gesamtvorsatz zu begründen.“ Vgl. BGHSt 23, 33, 33 ff.; vgl. BGH NStZ 1992, 189, 189 ff.; Geppert, Jura 1993, 649, 653; S/S-Stree24, Vorbem. §§ 52 ff. Rn. 53; Timpe, JA 1991, 12, 15; Jähnke, GA 1989, 376, 386. 162 Verschiedene Entscheidungen bei: Fischer, NStZ 1992, 415, 417 ff. 163 BGHSt 36, 105, 105 ff.; dazu: Miller, Neuere Entwicklungen, S. 67 ff. 164 Brähler, Die rechtliche Behandlung, S. 111 f.
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3. Teil: Im türkischen Strafgesetz weitere geregelte Konkurrenzformen
setzung des vorherigen Vorsatzes erschienen, lag ein Fortsetzungsvorsatz bzw. eine fortgesetzte Handlung vor.165 Die Anwendung des Fortsetzungsvorsatzes brachte eine wesentliche Erweiterung des Fortsetzungszusammenhanges mit sich und auf diese Weise konnte die fortgesetzte Handlung auch für den Augenblickstäter Anwendung finden. Sonst wäre der vorplanende Täter gegenüber dem Augenblickstäter, der bei jedem Teilakt (Straftat) seinen Vorsatz erneuert, durch die Anwendung des Gesamtvorsatzes privilegiert.166 In der Lehre wurde vertreten, dass die Rechtsprechung sich durch die Anwendung des erweiterten Gesamtvorsatzes dem Fortsetzungsvorsatz angenähert habe167 und in manchen Fällen wurde sogar der Fortsetzungsvorsatz zur Begründung der fortgesetzten Handlung aus Arbeitserleichterungs- und Zweckmäßigkeitsgründen angenommen.168 dd) Die fortgesetzte Handlung bei den Fahrlässigkeitsdelikten Die Frage, ob die fortgesetzte Handlung bei Fahrlässigkeitstaten angewendet werden könne, wurde in der Lehre169 und Rechtsprechung170 verneint. Begründet wurde dies damit, dass ein Gesamtvorsatz nur bei den Vorsatzdelikten vorliegen könne und die fortgesetzte Handlung deswegen bei Fahrlässigkeitstaten ausgeschlossen sei. Stree war der Meinung, dass die fortgesetzte Handlung bei Fahrlässigkeitstaten vorliegen könnte, wenn der Täter in einer fortlaufenden psychischen Linie gehandelt hätte.171 5. Das Zusammentreffen der Fortsetzungstat mit anderen Straftaten und mit einer anderen Fortsetzungstat Im deutschen Strafrecht wurde die Idealkonkurrenz zwischen der fortgesetzten Handlung und einer weiteren Straftat, die durch einen Teilakt der fortgesetzten Handlung verwirklicht wurde, dann angenommen, wenn die selbstständigen Straftaten nicht schwerer als die Fortsetzungstat wiegen. Waren also selbstständige Straftaten gleich schwer oder weniger schwer als die Fortsetzungstat, standen die selbstständigen Straftaten und die Fortsetzungstat im Verhältnis der Idealkonkur165
Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II7, § 54 Rn. 78; S/S-Stree24, Vorbem. §§ 52 Rn. 52; Roth-Stielow, NJW 1955,450, 451; Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe, Rn. 43. 166 Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II7, § 54 Rn. 78; S/S-Stree24, Vorbem. §§ 52 Rn. 52: Jung, JuS 1989, 289, 291; dagegen, Brähler, Die rechtliche Behandlung, S. 123 ff.; Miller, Neuere Entwicklungen, S. 91. 167 S/S-Stree24, Vorbem. §§ 52 Rn. 53; Geppert, Jura 1993, 649, 653. 168 Brähler, Die rechtliche Behandlung, S. 134 ff.; Jähnke, GA 1989, 376, 385. 169 LK-Vogler10, Vor § 52 Rn. 70; v. Heintschel-Heinegg, JA 1993, 136, 140. 170 BGHSt 5, 371, 376; 22, 67, 71. 171 S/S-Stree24, Vorbem. §§ 52 Rn. 55; vgl. für die Annahme der fortgesetzten Handlung bei Fahrlässigkeitstaten: Koch, NJW 1956, 1267, 1268; Miller, Neuere Entwicklungen, S. 93; Schmoller, Bedeutung und Grenzen, S. 84 ff.; Geerds, Zur Lehre von der Konkurrenz, S. 312.
A. Fortsetzungstat (Zincirleme Suç)
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renz.172 Im umgekehrten Fall standen die schwerwiegenden selbstständigen Straftaten im Verhältnis der Realkonkurrenz und jeweils hierzu in Idealkonkurrenz zur Fortsetzungstat.173 Zwischen mehreren Fortsetzungstaten konnte Idealkonkurrenz angenommen werden, wenn mindestens ein Einzelakt dieser Fortsetzungstaten zusammentraf. Der höchstpersönliche Charakter der verletzten Rechtsgüter spielte in solchen Fällen keine Rolle.174 6. Die Rechtsfolgen der fortgesetzten Handlung a) Die Festsetzung der Strafe Bei der Annahme der fortgesetzten Handlung beging der Täter mehrere Einzeltaten, die als eine Tat bewertet wurden. Wegen dieser Annahme kann die fortgesetzte Handlung wie eine Handlungseinheit verstanden werden.175 Durch verschiedene Einzelakte konnten vom Täter verschiedene Formen der Delikte (qualifizierte oder privilegierte Formen, Versuch oder Vollendung) verwirklicht werden. In solchen Fällen richtete sich die Feststellung des Strafrahmens nach dem schwersten Delikt. Wenn also einige der Einzelakte den Grundtatbestand und einige die qualifizierte Form verwirklichten, war der Strafrahmen nach der qualifizierten Form zu bestimmen. Die mehrmalige Erfüllung der Tatbestände und dementsprechend die Annahme der fortgesetzten Handlung konnte innerhalb des Strafrahmens als strafschärfend bewertet werden. Eine darüber hinausgehende Bewertung war unzulässig (z. B. nach § 54).176 b) Verjährung, Antragsfrist und Rechtskraftwirkung des Urteils Der Fortsetzungszusammenhang wurde als eine Tat verstanden; deswegen begann die Verjährung (zuungunsten des Täters) nach der Beendigung des letzten Teilaktes. Ebenso begann die Antragsfrist einer Ansicht nach auch mit der Been-
172 Die sogenannte Klammerwirkung fand auch hier Anwendung. S/S-Stree24, Vorbem., §§ 52 Rn. 78; v. Heintschel-Heinegg, JA 1993, 136, 141. 173 S/S-Stree24, Vorbem. §§ 52 Rn. 78; darüber in: Kriesten, Der Fortsetzungszusammenhang, S. 136 ff. 174 v. Heintschel-Heinegg, JA 1993, 136, 141; S/S-Stree24, Vorbem. §§ 52 Rn. 78; BGHSt 6, 81, 82. 175 Hier ist die fortgesetzte Handlung von der Idealkonkurrenz zu unterscheiden. Bei der Idealkonkurrenz liegen eine Handlung, aber mehrere Gesetzesverletzungen oder mehrmalige Verletzungen eines Gesetzes vor. Obwohl bei der fortgesetzten Handlung auch mehrere Handlungen vorliegen, gelten die Einzelakte als Teil eines Ganzen und sie sind als eine Straftat zu bewerten. Mehrere Handlungen wurden also als eine rechtliche Handlungseinheit bewertet. vgl. v. Heintschel-Heinegg, JA 1993, 136, 141. 176 Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II7, § 54 Rn. 94; S/S-Stree24, Vorbem. §§ 52 Rn. 65 f.; Jescheck4, Strafrecht AT, § 66 V 3.
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digung der letzten Handlung177, weil es bei der fortgesetzten Handlung nur um ein Verbrechen ging. Deswegen begann die Strafantragsfrist mit dem letzten Einzelakt zu laufen.178 Dagegen wurde in der Lehre179 angeführt, dass für jede auf Antrag verfolgbare Straftat, bzw. Einzelakte, der Strafantrag gesondert gestellt werden müsste. Wenn also der Strafantrag bezüglich mancher Einzelakte fehlte, durften diese Einzelakte bei der Strafverfolgung und Bestrafung nicht in Betracht gezogen werden.180 Wegen der Rechtskraftwirkung der Verurteilung umfasste das letzte tatrichterliche Urteil alle Einzeltaten, die vor der Verurteilung verwirklicht wurden. Deswegen durften die Einzelakte, die nachträglich festgestellt wurden, nicht wieder verurteilt werden, egal, ob ein Einzelakt oder hunderte Einzelakte in eine fortgesetzte Handlung nicht einbezogen werden konnten.181 Das tatrichterliche Urteil bildete eine Zäsur und unterbrach den Gesamtvorsatz. Nach dem Urteil verwirklichte Einzeltaten konnten also nur als eine weitere fortgesetzte Handlung bewertet werden.182 c) Die Anwendbarkeit des Grundsatzes „in dubio pro reo“ Nach den höchstrichterlichen Entscheidungen galt der Grundsatz „in dubio pro reo“ bei der fortgesetzten Handlung nicht, wenn es um die Feststellung des Gesamtvorsatzes ging. Konnte der Tatrichter also nicht ohne Zweifel entscheiden, dass der Gesamtvorsatz vorliegt, war Tatmehrheit anstatt einer fortgesetzten Handlung anzunehmen, weil beim Vorliegen mehrerer Handlungen die Annahme der Tatmehrheit die Regel, die Anwendung der fortgesetzten Handlung die Ausnahme bildete. Wenn sich der Richter also nicht vom Vorliegen einer Fortsetzungstat völlig überzeugte, war dieser Grundsatz nicht anzuwenden.183 Der Grundsatz in dubio pro reo konnte aber nach der zweifellosen Feststellung des Gesamtvorsatzes für die tatsächlichen Feststellungen angewendet werden. In einer Entscheidung hat der BGH ausdrücklich erläutert, dass die Anwendung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ nur bei der Feststellung des Gesamtvorsatzes unanwendbar gewesen und dieser für die 177 Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II7, § 54 Rn. 93; BGH NJW 1980, 2821, 2822; BGHSt 27, 18, 20; dagegen: Schumann, StV 1992, 392, 392 ff.; Jung, GS-Schultz, S. 183, 189 ff. 178 Geerds, Zur Lehre von der Konkurrenz, S. 295. 179 S/S-Stree24, Vorbem. §§ 52 Rn. 33. 180 BGHSt 17, 157, 157 ff. 181 Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II7, § 54 Rn. 92; S/S-Stree24, Vorbem. §§ 52 Rn. 69 ff.; Jescheck4, Strafrecht AT, § 66 V 3; Stratenwerth, JuS 1962 220, 220 ff. 182 LK-Vogler10, vor § 52 Rn. 94; S/S-Stree24, Vorbem. §§ 52 Rn. 74; BGH StV 1984, 366. 183 BGH Urt. v. 13. 06. 1990, Az. 3 StR 7/90: Abrufbar unter folgender URL: https://www.ju rion.de/Urteile/BGH/1990 - 06 - 13/3-StR-7_90 (Stand: 04. 08. 2015); OLG Hamm, NJW 1953, 1724; BGHSt 23, 33, 35; 35, 322, 324; vgl. Montenbruck, In dubio pro reo, S. 115 ff.; dagegen in der Lehre; Bringewat, JuS 1970, 329, 331; Jescheck4, Strafrecht AT, § 66 V 2 c, Fn. 36; Brähler, Die rechtliche Behandlung, S. 123 ff.
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tatsächlichen Feststellungen uneingeschränkt anwendbar sei. Wenn also danach z. B. der Beendigungszeitpunkt oder der Zeitpunkt des Erfolgseintritts usw. nicht genau festzustellen sei, sei er anwendbar.184 7. Die Aufgabe des Instituts Das als Fortsetzungszusammenhang bezeichnete, ohne gesetzliche Regelung von dem Reichsgericht verwendete und von dem Bundesgerichtshof übernommene Rechtsinstitut wurde trotz seiner mehr als 100-jährigen Anwendung durch die Entscheidung des großen Senats für die Strafsachen für bestimmte Fälle aufgegeben. Die Annahme der fortgesetzten Handlung wurde während seiner Anwendung aus verschiedenen Gründen kritisiert. a) Die Auffassungen gegen die Annahme der fortgesetzten Handlung An der fortgesetzten Handlung wurde zuerst deswegen Kritik geübt, weil der fortgesetzten Handlung die gesetzliche Grundlage fehlte. Deswegen war es nicht so einfach, die fortgesetzte Handlung zu begrenzen oder ihr genaue Grenzen zu ziehen. Daneben konnte die fortgesetzte Handlung zu unbilligen Ergebnissen führen, weil der umsichtig planende Täter gegenüber dem Augenblickstäter privilegiert war; auf diese Weise wurde über den Augenblickstäter eine noch höhere Strafen verhängt, weil die Handlungen des Augenblickstäters keine fortgesetzte Handlung bildeten und deswegen seine Strafe gemäß § 53 ff. zu bestimmen war. Der Täter war wegen der Anwendung dieses Rechtsinstituts weiter privilegiert, weil er wegen der Einzelakte, die erst nach der Verurteilung wegen des Fortsetzungszusammenhangs entdeckt wurden, nicht mehr bestraft wurde. Die fortgesetzte Handlung brachte für den Täter nicht nur Vorteile mit sich, sondern auch manche Nachteile. Die Anwendung des Fortsetzungszusammenhangs führte zu Schwierigkeiten bei der Verteidigung, wenn alle dem Täter vorgeworfenen Einzelakte bei der Anklageschrift nicht festgestellt wurden. Der Verjährungsbeginn hat auch einen gravierenden Nachteil für den Täter mit sich gebracht.185 b) Die Aufgabe der fortgesetzten Handlung durch die Entscheidung des Großen Senats Obwohl die Strafsenate den Begriff der fortgesetzten Handlung fast gleich definierten, waren die Entscheidungen der verschiedenen Strafsenate (bis zur Entscheidung des Großen Senats) über die fortgesetzte Handlung uneinheitlich. Der
184
BGH StV 1994, 242, 242 f. Zusammenfassend bei: Roxin, Strafrecht AT II § 33 Rn. 256 ff.; dazu siehe unten: Dritter Teil A. III. 5. b). 185
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3. Teil: Im türkischen Strafgesetz weitere geregelte Konkurrenzformen
Große Strafsenat hat die Annahme der fortgesetzten Handlung aus folgenden Gründen aufgegeben: – Die Tatgerichte haben das Rechtsinstitut der fortgesetzten Handlung großzügig angewendet und den Anwendungsbereich erweitert. Bei manchen Fällen wurden also bis zu 16, 17 Jahre andauernde Sachverhalte als eine einzige Straftat angesehen. Das hat dazu geführt, dass die Tatgerichte den Tathergang und Schuldumfang pauschal bewertet haben und auf diese Weise die Verteidigungsmöglichkeiten des Täters geschwächt wurden.186 – Die Anwendung der fortgesetzten Handlung brachte sowohl Vorteile als auch Nachteile für den Täter, die mit dem Gerechtigkeitsgefühl nicht vereinbar waren. Für die Bekämpfung der Serienstraftaten war die fortgesetzte Handlung ein Hindernis wegen ihrer Rechtskraftwirkung. Daneben war es für den Täter nachteilig, wenn das Tatgericht den gesamten Tathergang pauschal bewertete und wenn der Angeklagte die gegen ihn vorgeworfenen Teilakte nicht genau aus der Anklageschrift erfahren konnte.187 – Wie von der Lehre besonders ausgeführt, hat der Große Strafsenat auch darauf hingewiesen, dass die Annahme der fortgesetzten Handlung bei der Bestimmung der (Strafverfolgungs-)Verjährung für den Täter nachteilig war. Jeder neue Teilakt unterbrach die Verjährung, und deswegen begann die Verjährung nach jedem Einzelakt erneut. Die Ausdehnung der fortgesetzten Handlung bis zum letzten Teilakt hatte also dazu geführt, dass die Verjährungsfrist faktisch außer Kraft gesetzt wurde. Eine Tat, die vor 15 oder 20 Jahren begangen wurde, verjährte nicht, wenn diese Tat mit den weiteren Taten (Einzelakte) im Verhältnis der fortgesetzten Handlung stand.188 – Der Große Strafsenat hat gegen die Annahme der fortgesetzten Handlung ausgeführt, dass auch der Gesetzgeber eine gesetzliche Regelung dieses Instituts vermieden hat, weil es nicht möglich war, eine abgrenzbare und von Schwächen freie Formulierung zu finden. Und die getroffenen Entscheidungen unterstützten diese Aussage, weil in den Entscheidungen der Gerichte die Voraussetzungen der fortgesetzten Handlung uneinheitlich behandelt wurden und die anfänglichen Voraussetzungen mit der Zeit stark gelockert wurden.189 – Der Sprachgebrauch der §§ 174, 174b, 175, 176, 178, 179 genügt nicht, um mehrere Einzelakte des Täters als fortgesetzte Handlung zu bewerten (mehrere Handlungen können als eine Handlung bewertet werden, wenn eine natürliche Handlungseinheit vorliegt. Das war aber bei diesem Institut nicht der Fall). Eine 186
BGHSt 40, 138, 147. BGHSt 40, 138, 149 f., „Die Relativierung der Informationsfunktion der Anklage“. 188 BGHSt 40, 138 153; vgl. Geisler, Jura 1995, 74, 74. 189 BGHSt 40, 138, 155 ff.; diese uneinheitlichen und von Fall zu Fall geänderten Lösungswege wurden von Geisler richtigerweise als „case law“-System bezeichnet. Geisler, Jura 1995,74, 75. 187
A. Fortsetzungstat (Zincirleme Suç)
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solche Annahme kann fälschlicherweise dazu führen, diese Straftaten als Dauerdelikt zu behandeln. Eine gerechte Strafe kann bei diesen Delikten durch die Anwendung der Tatmehrheit verhängt werden.190 – Letztlich hat der Große Senat immer wieder betont, dass für die fortgesetzte Handlung von Anfang an keine einheitliche Anwendung gefunden wurde und die Grenzen der fortgesetzten Handlung von Fall zu Fall unterschiedlich und fließend waren. Trotz der langjährigen Anwendung hatte die fortgesetzte Handlung keinen klaren und begrifflichen Inhalt.191 Daneben führte der Große Senat192 aus, dass die fortgesetzte Handlung nicht mit Gewohnheitsrecht begründet und daran festgehalten werden könne, weil der fortgesetzten Handlung wegen ihrer unbestimmbaren Grenzen und aufgrund der voneinander abweichenden höchstrichterlichen Entscheidungen jede gewohnheitsrechtliche Grundlage fehle.193 Mit dieser Entscheidung hat der Große Senat das Institut der fortgesetzten Handlung nicht gänzlich abgeschafft, jedoch wesentlich begrenzt. Die fortgesetzte Handlung könne dann noch angenommen werden, „wenn es zur sachgerechten Erfassung des verwirklichten Unrechts und der Schuld notwendig“ sei. Daneben hat sich der Große Senat entschlossen, dass bei den Straftaten, die in der Urteilsbegründung betont werden, die Annahme der fortgesetzten Handlung ganz ausgeschlossen ist, weil die Anwendung der fortgesetzten Handlung bei diesen Delikten nicht sachgerecht ist.194 Nach der faktischen Aufgabe dieses Instituts haben die Strafsenate die Aufgabe der fortgesetzten Handlung auf andere Vorschriften übertragen. Der Fünfte Strafsenat hat in einem Fall, in welchem es um Steuerhinterziehung ging, die Anwendung der fortgesetzten Handlung abgelehnt, indem er sich auf die Ablehnungsgründe des Großen Senats berufen hatte.195 Ebenso wurde die fortgesetzte Handlung für Fälle des Betäubungsmittelhandels abgelehnt.196 8. Die Einflüsse der Aufgabe der fortgesetzten Tat a) Die Folgen der Aufgabe der fortgesetzten Handlung Wie schon erwähnt, hat der BGH in seiner Entscheidung ausdrücklich erklärt, dass er die fortgesetzte Handlung für bestimmte Fälle (§§ 173, 174, 176 und 276) 190
BGHSt 40, 138, 166. BGHSt 40, 138, 167. 192 BGHSt 40, 138, 167. 193 Brähler erklärt die fortgesetzte Handlung wegen seiner täternachteiligen Anwendung als verfassungswidrig, weil die Anwendung dieses Rechtsinstituts mit den Grundsätzen „Bestimmtheitsgebot und Analogieverbot“ gemäß Art. 103 II GG nicht vereinbar sei. Brähler, Die rechtliche Behandlung, S. 289 f. 194 BGHSt 40, 138, 166. 195 BGHSt 40, 195 ff.; für weitere Beispiele: Geppert, NStZ 1996, 57, 60. 196 NStZ 1994, 494 f.; vgl. Zschockelt, JA 1997, 411, 414. 191
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3. Teil: Im türkischen Strafgesetz weitere geregelte Konkurrenzformen
aufgegeben hat. Daneben hat der BGH betont, dass die fortgesetzte Handlung immer noch möglich sei, wenn die Anwendung der fortgesetzten Handlung „zur sachgerechten Erfassung des verwirklichten Unrechts und der Schuld unumgänglich“ sei.197 Anhand dieses Satzes des BGH kommt man zum Ergebnis, dass die fortgesetzte Handlung grundsätzlich aufgehoben wurde, aber dieses Rechtsinstitut noch in Ausnahmefällen Anwendung finden kann.198 Der BGH hat auch in seiner Entscheidung erwähnt, dass „die materielle Rechtfertigung von Fortsetzungszusammenhang aus tatbestandsbezogenen Gründen sachgerechter Würdigung des Gesamtunwerts nur eine Ausnahme sein“ könne199. Nach der Entscheidung des Großen Senats wurden für die Fälle, bei denen früher das Rechtsinstitut „fortgesetzte Tat“ Anwendung fand, andere Rechtinstitute, die nicht immer zur Tatmehrheit führen200, angewendet. Daneben ist anzumerken, dass auch bei weiteren Straftaten, die nicht ausdrücklich in der Entscheidung des Großen Senats Erwähnung gefunden haben, die Anwendung der fortgesetzten Tat für ausgeschlossen gehalten wurde. Ohne eine detaillierte Begründung für die Nichtanwendung des Fortsetzungszusammenhangs zu liefern, haben die verschiedenen Senate des BGH die Anwendung des Fortsetzungszusammenhangs für weitere Delikte, insbesondere für Sexualdelikte201, Körperverletzung202, Vermögensdelikte203, Betäubungsmittelstrafrecht204, Steuerhinterziehung205 usw., für unmöglich gehalten.206 Bei den höchstrichterlichen Entscheidungen wurde also nicht darauf eingegangen, ob die Anwendung der fortgesetzten Handlung „zur sachgerechten Erfassung des verwirklichten Unrechts und der Schuld unumgänglich“ ist.207 Durch die Entscheidungen der verschiedenen Senate kommt man zum Ergebnis, dass der Fortsetzungszusammenhang nach der Entscheidung des Großen Senats nicht mehr angewendet und praktisch, vielleicht nicht aber theoretisch, ganz abgeschafft wurde.208 Zwar wurde in der Lehre209 angeführt, dass die fortgesetzte Handlung bei 197
BGHSt 40, 138 ff. Vgl. Rissing-van Saan, FS-50 Jahre BGH, S. 475, 476; Geppert, NStZ 1996, 57, 58. 199 BGHSt 40, 138, 165. 200 Zieschang, GA 1997, 457, 460. 201 BGH NStZ 1995, 200. 202 BGH NJW 1995, 3131, 3133: Die Annahme der fortgesetzten Körperverletzung sei mit der Entscheidung des Großen Senats nicht vereinbar. 203 BGH NStZ 1995, 347: Nach dieser Entscheidung bilden die mehrmaligen Verstöße gegen die Buchführungspflicht eine Bewertungseinheit und deswegen liegt eine einzige Tat vor. Einen Rückgriff auf die fortgesetzte Tat brauche man nicht. 204 BGH NStZ 1994, 547 f. 205 BGHSt 40, 195 ff. 206 Vgl. Zieschang, GA 1997, 457, 458 ff.; Altvater, FS-50 Jahre BGH, S. 495 ff.; Roxin, Strafrecht AT II § 33 Rn. 264. 207 Zieschang, GA 1997, 457, 459. 208 Geppert, NStZ 1996, 57, 59; vgl. Roxin, Strafrecht AT II § 33 Rn. 264; vgl. Arzt, JZ 1994, 1000; Bittmann/Dreier, NStZ 1995, 105 ff.; Altvater, FS-50 Jahre BGH, S. 495, 496; 198
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ihren klassischen Fällen210 immer noch angenommen werden könne, weil die Würdigung des Gesamtunwerts die Annahme rechtfertige, die einzelnen Taten als eine Tat zu bewerten, aber in der Praxis wurde bis jetzt kein Fall durch die Anwendung der fortgesetzten Handlung gelöst.211 b) Die Behandlung der Fälle der „fortgesetzten Tat“ nach der Entscheidung des Großen Senats Nach der Entscheidung des Großen Senats wurden für die Fälle, in denen bis zu dieser Entscheidung die Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung angewendet wurde, verschiedene Rechtsinstitute angewendet. Nach der Bewertung der Tatbestandsverwirklichungen und des Wortlauts des Gesetzes wurden diese Fälle unterschiedlich behandelt. Vor allem ist die Anwendung der fortgesetzten Handlung für die im Urteil festgestellten Straftaten völlig ausgeschlossen. Zwar können die (fortgesetzten) Handlungen wegen des Wortlauts des Gesetzes als natürliche Handlungseinheit bewertet werden, aber die Annahme einer fortgesetzten Handlung sei bei diesen Straftaten durch eine darüber hinausgehende Wertung ausgeschlossen.212 Bei den höchstrichterlichen Entscheidungen wurde angenommen, dass eine genaue Überprüfung der Tatmodalitäten in verschiedenen Fällen zur Annahme einer Handlungseinheit führen könne und man auf diese Weise nicht mehr zur Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung zurückkehren müsse. Nach einer Entscheidung des ersten Senats213 können die Bestechungshandlungen eine Handlung bilden, wenn sie „auf ein und dieselbe Unrechtsvereinbarung zurückgehen“. Bisher könnten diese Handlungen in diesem Sinne bewertet werden, aber die Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung habe diese Annahme und die Bewertung der Tatmodalitäten verhindert. Ebenso seien für den Begriff „Qualen“ i. S. v. § 223b a. F.214 mehrere Einzelhandlungen erforderlich und deswegen bilden mehrere, monatelang ausgeführte Handlungen in der Form von Schlägen und Tritten usw. eine Handlung; man müsse diese Fälle nicht als fortgesetzte Handlung oder i. S. v. einer Bewertungseinheit betrachten.215 Hamm, NJW 1994, 1636; dagegen hatte Zschockelt immer noch Hoffnung, dass die fortgesetzte Handlung angewendet werden könnte. Er sagt, dass „die fortgesetzte Handlung zwar nicht ganz, aber fast ganz abgeschafft worden ist.“ Zschockelt, NStZ 1994, 361, 361. 209 Zieschang, GA 1997, 457, 460; Rissing-van Saan, FS-50 Jahre BGH, S. 475, 478. 210 Mehrmaliges Entwenden der Waren aus einem Warenlager in kleinen Mengen zu verschiedenen Zeiten. 211 Fischer, § Vor 52 Rn. 49; Roxin, Strafrecht AT II § 33 Rn. 262; Meurer, NJW 2000, 2936, 2940. 212 BGHSt 40, 138, 165 ff. 213 BGH NStZ 1995, 92. 214 Alte Fassung 223b, heute im § 225. 215 BGHSt 40, 113 ff.; dagegen bezeichnet Zieschang diese Begehungsweise von BGH als einen Etikettenschwindel. Zieschang, GA 1997, 457, 461.
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Außerdem findet die Rechtsfigur der Bewertungseinheit nach den Entscheidungen des BGH, die er schon vor der Entscheidung des Großen Senats im Betäubungsmittelstrafrecht angewendet hatte, für weitere Straftaten Anwendung.216 Die Nichterfüllung der Buchführungspflicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums wurde vom BGH als Bewertungseinheit verstanden und mehrere Verstöße wurden als eine einheitliche Tat bewertet, weil die Handlungen in ihrer Gesamtheit eine Tat bilden.217 Daneben ist festzustellen, dass nicht für alle als fortgesetzte Handlung behandelten Fälle die Bewertungs- oder tatbestandliche Handlungseinheit angewendet wird. Es gibt auch zahlreiche Fallkonstellationen, bei denen Tatmehrheit angenommen wird.218 c) Die Festsetzung der Strafe und die Berücksichtigung der verjährten Straftaten Strafzumessungsrechtlich war es fraglich, ob die Aufgabe der fortgesetzten Handlung zu höheren Strafen führen wird.219 Wenn die Gerichte das Vorliegen der fortgesetzten Tat (Serienstraftat) feststellen und kein Fall der Bewertungseinheit oder Handlungseinheit (durch die Auslegung der Tatmodalitäten) vorliegt, ist die Strafe nach den §§ 53, 54 zu verhängen.220 Der Große Strafsenat hat durch seine Entscheidung nicht nur die fortgesetzte Handlung praktisch abgeschafft, er hat auch für die Strafzumessung darauf hingewiesen, dass der Übergang von der fortgesetzten Tat zur Tatmehrheit nicht die Folge haben muss, dass das allgemeine Strafniveau der Fälle der fortgesetzten Handlung durch die Anwendung der §§ 53, 54 erhöht wird.221 In den verschiedenen Entscheidungen wurde auch betont, dass die Strafe ein wenig 216
Roxin, Strafrecht AT II § 33 Rn. 265. BGH NStZ 1995, 347. 218 BGH NStZ 1994, 393 f.; BGH NStZ 1995, 200; vgl. MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 63; Zieschang, GA 1997, 457, 461. 219 Geisler, Jura 1995, 74, 82; Geppert, NStZ 1996, 118, 118; Geisler berichtet von den Erfahrungen von Zschockelt über das neue Strafniveau der Fälle, die früher als fortgesetzte Handlung behandelt wurden. Nach Zschockelt ist das Strafniveau bei den Sexualstraftaten höher geworden. Daneben führt Zschockelt aus, dass die Feststellung der einzelnen Taten und die dafür erforderlichen Strafen die kriminelle Energie deutlich machen würden und die genaue Feststellung der Taten das Unrecht besser andeute. Daneben sei ausgeführt worden, dass die Tendenz für die Erhöhung des Strafniveaus im Bereich der Sexualstraftaten auch von dem „gesellschaftlichen Klima“ abhängig sei. Geisler, in: Geisler (Hrsg.), Zur Rechtswirklichkeit nach Wegfall der fortgesetzten Tat, S. 149 ff. Dagegen führt in der Lehre Rohleder aus, dass die Aufgabe der fortgesetzten Handlung bei sexuellem Missbrauch nicht zu einer höheren Bestrafung geführt habe. Durch seine statistischen Untersuchungen wird festgestellt, dass das Strafniveau sich nach der Aufgabe der fortgesetzten Handlung wegen des sexuellen Missbrauchs nicht wesentlich geändert hat. Rohleder, Die Folgen des Wegfalls der fortgesetzten Tat, S. 503 ff.; vgl. Reckewell, in: Geisler (Hrsg.), Zur Rechtswirklichkeit nach Wegfall der fortgesetzten Tat, S. 62. 220 LK-Rissing-van Saan, vor § 52, Rn. 76. 221 BGHSt 40, 138, 162. 217
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erhöht werden kann, wenn zwischen den Einzelhandlungen ein enger zeitlicher räumlicher und situativer Zusammenhang besteht222, oder bei der Gesamtstrafenbildung nicht die Summe der Einzelstrafen, sondern das Gesamtgewicht des Geschehens berücksichtigt werden soll.223 Hier führt Geppert aus, dass die Gerichte zwei Möglichkeiten hätten. Die Gerichte könnten die Begehung mehrerer Straftaten als straferhöhend berücksichtigen, weil die Begehung mehrerer Straftaten eine höhere kriminelle Energie benötige und deswegen der (Serien-)Täter noch härter zu bestrafen sei. Als Zweites könne die Begehung mehrerer Straftaten „als ein Zeichen einer insgesamt niedrigeren Hemmschwelle“ bewertet werden und deswegen eine mildere Strafe verhängt werden. Trotz dieser Neigung zur milderen Bestrafung haben aber die Gerichte immer noch die Möglichkeit, die Strafe des Täters wegen der höheren kriminellen Energie höher zu bemessen.224 Wie schon erwähnt, begann die Verjährung bei den fortgesetzten Handlungen als Folge der Annahme einer einzigen Tat nach der Beendigung des letzten Teilaktes. Nach der Aufgabe dieses Rechtsinstituts, was zur Annahme der Tatmehrheit, abgesehen von einigen Ausnahmen wie Bewertungseinheit usw., führt, ist die Frage zu stellen, ob die einzelnen Straftaten unabhängig von dem letzten Teilakt selbst verjähren können oder ob die verjährten Straftaten bei der Strafzumessung berücksichtigt werden sollen.225 Bei den höchstrichterlichen Entscheidungen wurde entschieden, dass die verjährten Straftaten bei der Festsetzung der Strafe als strafverschärfend bewertet werden können226, wenn die verjährten Taten hinreichend konkret festgestellt wurden.227
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BGH NJW 1995, 2234, 2234; BGH NStZ 1995, 77; BGH NStZ 1996, 187, 187, 188. BGH StV 1999, 599; BGH NJW 1995, 2234. 224 Geppert, NStZ 1996, 118, 118. 225 Durch den Wegfall der fortgesetzten Handlung wurde zwar angenommen, dass jede einzelne Handlung der fortgesetzten Handlungen eine einzelne Tat bilde und die Verjährungsfrist nach jedem Einzelakt zu laufen beginne. Aber die Regelung am 30. 06. 1994 hatte zur Folge, dass die Verjährungsregeln für die Straftaten §§ 176 – 179 faktisch aufgehoben wurden und bei diesen Straftaten zum alten Zustand zurückkehrt worden ist. In der Lehre wird angenommen, dass durch diese Regelung eine neue Rechtslage, die der Große Senat mit seiner Entscheidung (BGHSt 40, S. 138 ff.) beseitigen wollte, hergestellt wurde. Geppert, NStZ 1996, 57, 62; vgl. MK-v. Heinschel-Heinegg, § 52 Rn. 67; Zieschang, GA 1997, 457, 464; Bohnert, NStZ 1995,460, 461 f.; kritisch: Klumpe, Probleme der Serienstraftat, S. 95. 226 BGH NJW 1994, 2966, 2967; BGH NStZ 1995, 439. 227 BGH NStZ 1995, 439; vgl. Geppert, NStZ 1996, 57, 62; Zschockelt, in: Geisler (Hrsg.), Zur Rechtswirklichkeit nach dem Wegfall der fortgesetzten Tat, S. 52 f.; Foth, NStZ 1995, 375, 375 f.; Rohleder, Die Folgen des Wegfalls der fortgesetzten Tat, S. 520. 223
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d) Die Erforderlichkeit der Tatfeststellung228 Bei den fortgesetzten Handlungen und der nach der Aufgabe dieser Rechtsfigur darauf folgenden Annahme der Tatmehrheit ist umstritten, ob in diesen Fällen die genaue Feststellung jeder Einzeltat bzw. die Zahl der Taten erforderlich ist oder ob es ausreichend ist, über die Mindestzahl der in einem bestimmten Zeitraum begangenen Einzelakte zu erkennen. Nach den höchstrichterlichen Entscheidungen muss jede Einzeltat von einer Serienstraftat (oder fortgesetzten Handlung) nicht mit all ihren Einzelheiten festgestellt und individualisiert werden, obwohl grundsätzlich jede dem Angeklagten zur Last gelegte Tat gerichtlich festgestellt werden muss.229 Nach diesen Entscheidungen230 ist die Feststellung „des Opfers, der Grundzüge der Art und Weise der Tatbegehung, des bestimmten Zeitraums und der Höchstzahl der vorgeworfenen Straftaten“ ausreichend. Außerdem ist es bei der Feststellung der Zahl der Einzeltaten zulässig, über die Mindestzahl der Taten in einem bestimmten Zeitraum zur richterlichen Überzeugung zu kommen.231 Hinsichtlich der Individualisierung der Einzeltaten weichen die Entscheidungen des Dritten Strafsenats von den Entscheidungen der anderen Senate ab.232 Der Dritte Strafsenat hat ausgeführt, dass der Tatrichter „von der Tatbestandserfüllung und dem konkreten Schuldumfang bei jeder individuellen Straftat überzeugt sein“ müsse233, weil eine gegenteilige Annahme die Verteidigungsmöglichkeit des Angeklagten wesentlich erschwere, was wiederum zu einem mit rechtstaatlichen Prinzipien nicht zu vereinbarenden Ergebnis führe.234 In den späteren Entscheidungen des dritten Senats235 wurde angenommen, dass bei sexuellen Missbrauchshandlungen an Kin228 Für die Erforderlichkeit der Tatfeststellung u. a.: LR-Stuckenberg, § 200 Rn. 20 ff.; Brähler, Die rechtliche Behandlung, S. 148 ff., 402 ff.: Die Anforderung an die Erforderlichkeit der Tatfeststellungen wird insbesondere bei Sexualdelikten gemildert, weil alle Einzelakte wegen der physischen Lage des Opfers nicht genau festzustellen und zu beweisen sind: Deswegen ist bei solchen Straftaten die Feststellung der genauen Einzelakte und deren Zeit, Ort und Intensität nicht immer unabdingbar. Daneben ist aber die Feststellung der Mindestzahl, des Beginns und des Endes und der Dauer der Einzelakte erforderlich; bezüglich des Wirtschaftsstrafrechts: vgl. Lindemann, Voraussetzungen und Grenzen, S. 237 f., 271 f.; Niemeyer, in: Müller-Gugenberger/Bieneck (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht, § 20 Rn. 29 ff., 32. 229 MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 66; dies ist insbesondere der Fall bei Serienfällen sexuellen Kindesmissbrauchs. 230 BGHSt 40, 44, 46; vgl. MK-v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 66. 231 BGH NStZ 1995, 78; vgl. BGH NStZ 1994, 586; BGH StV 1995, 342, 342 f.; dagegen, Zschockelt, NStZ 1994, 361, 363 f. 232 Geppert, NStZ 1996, 57, 61. 233 BGH NStZ 1994, 352, 352 ff.: „Im Vordergrund der Sachverhaltsermittlung stehen nicht die Tatfrequenzen …, sondern konkrete Lebenssachverhalte“. BGH NStZ 1994, 393. 234 Vgl. Geisler, in: Geisler (Hrsg.), Zur Rechtswirklichkeit nach Wegfall der fortgesetzten Tat, S. 143; Geppert, NStZ 1996, 57, 61; Zschockelt, NStZ 1994, 361, 364; Zschockelt, in: Geisler (Hrsg.), Zur Rechtswirklichkeit nach Wegfall der fortgesetzten Tat, S. 38. 235 BGH StV 2002, 523, 523 f.; BGH NStZ-RR 2005, 320; BGH NStZ 1998, 208, 208 f.; BGHSt42, 107, 109 ff.; BGH StV 2001, 450.
B. Zusammengesetzte Straftat
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dern von der Einzeltatindividualisierung abgesehen werden könne, um die entstehenden Strafbarkeitslücken zu verhindern. Aber trotzdem solle der Tatrichter versuchen, die Einzeltaten, soweit wie möglich, zu konkretisieren, und er solle zur Überzeugung kommen, dass im festgestellten Zeitraum eine bestimmte Mindestzahl der Straftaten begangen wurde.236 Eine Schätzung der Einzeltaten ist also abgeschlossen und der Richter muss von jeder einzelnen individuellen Straftat überzeugt sein.237
B. Zusammengesetzte Straftat I. Zusammengesetzte Delikte nach dem türkischen Recht 1. Im Allgemeinen Die zusammengesetzte Straftat wurde in Art. 42 des türkischen Strafgesetzes geregelt, bzw. der Gesetzgeber hat erklärt, was unter der „zusammengesetzten Straftat“ zu verstehen ist. Nach Art. 42 S. 1 „wird eine Straftat, die als eine einzige Tat angesehen wird, weil sie eine Tat, ein Tatbestandsmerkmal oder einen erschwerenden Umstand238 der anderen Tat bildet“ als zusammengesetzte Straftat bezeichnet und auf derartige Straftaten finden die Vorschriften über die Konkurrenzen keine Anwendung.239 Der Gesetzgeber hat die Fassung dieses Artikels in seiner Gesetzesbegründung folgendermaßen begründet: In diesem Artikel wurde die 236 Andere Strafsenate haben auch manchmal für andere Straftaten die Einzeltatkonkretisierung nicht strikt angenommen; BGH NJW 2011, 1687, 1688, (BGH NJW 2010 1386, 1386 ff.): In diesem Fall hat der BGH die Einzeltatkonkretisierung als erforderlich angesehen, weil hier in allen Einzelheiten feststellbare Wirtschaftstraftaten vorliegen. Wenn dies nicht der Fall wäre, könnte man auf die Individualisierung der Einzeltaten verzichten; vgl. BGH BeckRS 2011, 16209; BGH NStZ-RR 2008, 338; 2006, 649, 650. 237 Wenn die Gerichte von jeder einzelnen individuellen Straftat nicht überzeugt sind, müssen sie nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ entscheiden. Vgl. BGH NStZ 1994, 586; BGH NStZ 1997, 280; vgl. Fischer, vor 52 Rn. 56b; Kritik an der Entscheidung BGH NStZ 1994, 586: Brähler, Die rechtliche Behandlung, S. 412 f. 238 In der Lehre wird die Anwendung des Begriffes „erschwerender Umstand“ kritisiert. Diese Anwendung sei mit dem Sprachgebrauch des Gesetzes unvereinbar, weil der Gesetzgeber für die Umstände, die eine mildere oder schärfere Strafe erforderlich machen würden, den Begriff „qualifizierte Fälle“ verwende und mit dem Begriff „erschwerender Umstand“ die qualifizierten Fälle, die eine schärfere Strafe erforderlich machen würden, gemeint seien; deswegen sei diese Anwendung mit der Gesetzessprache nicht vereinbar. Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 511; Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 517: Dieser Ansicht ist zuzustimmen, weil der Gesetzgeber in den verschiedenen Artikeln für Umstände, die eine schärfere oder mildere Strafe erforderlich machen, den Begriff „qualifizierte Fälle“ verwendet. Zwar ist zu verstehen, was der Gesetzgeber mit diesem Begriff gemeint hat, es wäre aber noch sinnvoller, einen mit der Gesetzessprache zu vereinbarenden und einheitlichen Fachausdruck zu verwenden; vgl. Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 99. 239 Tellenbach, S. 35.
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3. Teil: Im türkischen Strafgesetz weitere geregelte Konkurrenzformen
schon von der Lehre als zusammengesetzte Straftat bezeichnete Tat definiert, die als eine einzige Tat angesehen wird, weil sie eine Tat, ein Tatbestandsmerkmal oder einen erschwerenden Umstand der anderen Tat bildet. Indem in diesem Artikel geregelt wird, dass bei solchen Straftaten der Angeklagte wegen der Mittelstraftat nicht gesondert bestraft wird und die Bestimmungen der Realkonkurrenz bei der zusammengesetzten Straftat keine Anwendung finden, wird die Beseitigung der falschen Anwendung bezweckt.240 2. Wesen der zusammengesetzten Straftat Über das Wesen der zusammengesetzten Straftat vertritt Özen241 in der Lehre die Meinung, dass es bei der zusammengesetzten Straftat um mehrere Straftaten gehe. Diese einzelnen Straftaten verlören aber ihre eigene Selbstständigkeit und würden eine eigenständige Straftat bilden. Wäre die zusammengesetzte Straftat im Gesetz (im besonderen Teil des Gesetzes) nicht ausdrücklich geregelt worden, würde der Täter der zusammengesetzten Straftat wegen der Gesetze, die die zusammengesetzte Straftat bilden, gesondert bestraft werden. Durch diese besonderen Regelungen sei der Täter nur wegen der zusammengesetzten Straftat zu bestrafen. Deswegen würden die zusammengesetzten Straftaten eine rechtliche Echtheit bilden.242 3. Die Erscheinungsformen des Instituts Die zusammengesetzte Straftat hat nach der gesetzlichen Regelung zwei Formen. Wie bereits bei der Definition der zusammengesetzten Straftat betont, kann eine Straftat ein erschwerender Umstand der anderen Straftat sein. Als zweite Erscheinungsform kann der Gesetzgeber von zwei Straftaten eine neue Straftat bilden. Um von einer zusammengesetzten Straftat sprechen zu können, müssen beide Erscheinungsformen im besonderen Teil ausdrücklich geregelt sein. Es muss also klar und offenkundig sein, welche Straftat für welche andere Straftat den Bestandteil oder den erschwerenden Umstand einer anderen Straftat darstellt. Die Begehung der vorsätzlichen Tötung zur Begehung einer Straftat, zur Beseitigung der Nachweise einer begangenen Straftat, zur Erleichterung der Begehung einer Straftat oder zum Entgehen der Festnahme bildet einen qualifizierten Fall der Tötung. Wer also zur Begehung des Diebstahls den den Tathergang beobachtenden Nachbarn tötet, begeht zwei Straftaten. Es liegt jedoch in diesem Fall keine zusammengesetzte Straftat vor,
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TCK Madde Gerekçeleri, S. 179. Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 55. 242 Özen vertritt hier die Meinung von Massari von der italienischen Rechtslehre. Massari führte aus, dass „die zusammengesetzte Straftat eine rechtliche Echtheit sei, weil die zusammengesetzte Straftat durch das Gesetz gebildet wird“. Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 51 ff. 241
B. Zusammengesetzte Straftat
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weil in Art. 82 nicht ausdrücklich geregelt ist, welche Straftaten für die Tötung einen erschwerenden Umstand bilden.243 a) Eine Tat ist ein Tatbestandsmerkmal der anderen Tat Bei der ersten Erscheinungsform der zusammengesetzten Straftat wird von zwei Straftaten eine neue Straftat unter einem anderen Artikel mit einer anderen Überschrift gebildet244 und die die zusammengesetzte Straftat bildenden Straftaten verlieren ihre Selbstständigkeit245. Für eine solche Regelung ist der Raub ein klassisches Beispiel. Durch Zusammensetzung des Diebstahls und der Drohung oder Gewalt (oder Zwang) wird eine neue selbstständige Straftat gebildet und sie wird als Raub bezeichnet. Hier ist der Zwang bzw. die Drohung ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal des Diebstahls.246 b) Eine Tat ist ein erschwerender Umstand der anderen Tat In der zweiten Erscheinungsform der zusammengesetzten Straftat bildet eine Straftat einen erschwerenden Umstand für eine andere Straftat. Hier geht es nicht um eine neue selbstständige Straftat, und der Grundtatbestand bewahrt seine Selbstständigkeit.247 Nur der erschwerende Umstand verliert in diesem Fall seine Selbstständigkeit. Eine zusammengesetzte Straftat liege vor, wenn der Täter die Straftat Folter (TCK Art. 94) durch sexuell belästigende Handlungen begehe.248 Hier ist Art. 105 des TCK (sexuelle Belästigung) ein erschwerender Umstand für die Folter. Nach Art. 99 Abs. 3249 bildet die Tötung einer schwangeren Frau einen erschwerenden Umstand der Fremdabtreibung, wenn die Abtreibungshandlungen eines Dritten den Tod verursachen. Die Begehung der Freiheitsberaubung und des Hausfriedensbruchs durch die Anwendung von Drohung oder Gewalt bilden zusammengesetzte Straftaten, weil Drohung (TCK Art. 106) und Gewalt (TCK Art. 108) erschwerende Gründe für Freiheitsberaubung (TCK Art. 109 Abs. 2) und Hausfriedensbruch (TCK Art. 116 Abs. 4) sind.250 Als ein weiteres Beispiel für die zusammengesetzte Straftat kann Hausfriedensbruch während des Raubs genannt werden. Gemäß Art. 149 Abs. 1 d des TCK ist die Begehung des Raubs in der Zafer, Ceza Hukuku, S. 415; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 511 ff.; I˙çel, Suçların ˙Içtimaı, S. 206 ff.; vgl. Centel/Zafer/C¸akmut, Türk Ceza Hukukuna Giris¸, S. 495; Savas¸/ Mollamahmutog˘ lu, Türk Ceza Kanununun Yorumu, S. 1048 f. 244 Hakeri, Ceza Hukuku, S. 573 f. 245 Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 511. 246 Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 517. 247 Hakeri, Ceza Hukuku, S. 574. 248 Hakeri, Ceza Hukuku, S. 573 f. 249 In Art. 99 wurde der Schwangerschaftsabbruch durch einen Dritten (Fremdabtreibung) geregelt. Zum ganzen Art. siehe Anhang. 250 Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 512. 243
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3. Teil: Im türkischen Strafgesetz weitere geregelte Konkurrenzformen
Wohnung oder am Arbeitsplatz als qualifizierter Raub geregelt. Nach dem Gesetzeswortlaut ist der Hausfriedensbruch in solchen Fällen ein erschwerender Umstand für den Raub.251 4. Rechtsfolgen der zusammengesetzten Straftat Bei der zusammengesetzten Straftat ist der Täter nur wegen einer Straftat zu bestrafen. Die Bestrafung des Täters wegen der Straftaten, die die zusammengesetzte Straftat bilden und ihre Selbstständigkeit verlieren, ist ausgeschlossen. In Art. 42 S. 2 wird geregelt, dass bei diesen Straftaten die Bestimmungen der Konkurrenz (oder des Zusammentreffens) keine Anwendung finden. Der Gesetzgeber hat in seiner Gesetzesbegründung erklärt, dass im Artikel ausdrücklich geregelt wurde, dass bei zusammengesetzten Straftaten die Bestimmungen über das Zusammentreffen der Strafen keine Anwendung finden solle.252 Erstens ist festzustellen, dass aus dem Gesetzeswortlaut nicht zu verstehen ist, was mit der „Nichtanwendung der Realkonkurrenz“ gemeint wird. Zweitens ist eine solche Begründung deswegen auch nicht überzeugend und unverständlich, weil im Gesetz (weder im TCK noch im tStVollzG253) das Zusammentreffen der Straftaten nicht geregelt wurde. In der Lehre sind Koca und Üzülmez254 der Meinung, dass unter dem Begriff „die Vorschriften der Konkurrenz“ in Art. 42 des TCK sowohl das Zusammentreffen der Strafen als auch das Zusammentreffen der Straftaten zu verstehen ist. Hier geht Özen255 von der systematischen Auslegung aus und führt an, dass der Gesetzgeber mit der Verwendung des Begriffs „Vorschriften der Konkurrenz“ in diesem Satz „die Nichtanwendung der Realkonkurrenz“ gemeint hat. Durch diese systematische Auslegung kommt er zum Ergebnis, dass es sich bei der zusammengesetzten Straftat um eine
251 „Die Begehung des Raubes in der Wohnung ist nach Art. 149 Abs. 1 d ein qualifizierter Fall des Raubes. Deswegen ist das Urteil der ersten Instanz aufgehoben worden, weil die Täter neben dem qualifizierten Raub auch wegen des Hausfriedensbruches nicht bestraft werden dürfen.“ Y. 6. CD, 21. 06. 2006, 13785/6447; bei einem ähnlichen Fall hat der sechste Senat des Kassationshofs das Urteil der ersten Instanz aufgehoben, weil die Begehung des Raubes in der Wohnung einen qualifizierten Fall des Raubes nach Art. 149 Abs. 1 d bilde, und die Bestrafung auch wegen des Hausfriedensbruchs ein Verstoß gegen den Art. 42 sei. Y. 6. CD, 10. 12. 2007, 97/13859, beide Entscheidungen, in: Artuk/Gökçen/Yenidünya, Ceza Hukuku, S. 639, Fn. 360. 252 TCK Madde Gerekçeleri, S. 179. 253 Nur im aTCK wurde das Zusammentreffen der Strafen geregelt. 254 Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 513: „Es kann ausgeführt werden, dass die Realkonkurrenz im Gesetz nicht geregelt wurde; deswegen soll man unter der Verwendung „die Vorschriften der Konkurrenz“ das Zusammentreffen der Straftaten verstehen. Auf diese Weise hat der Gesetzgeber zutreffend betont, dass die zusammengesetzte Straftat keine Erscheinungsform des Zusammentreffens der Straftaten ist, obwohl sie unter dem Abschnitt des Zusammentreffens der Straftaten geregelt wurde.“ 255 Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 130.
B. Zusammengesetzte Straftat
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Erscheinungsform des Zusammentreffens der Straftaten handele; deswegen sei hier die Nichtanwendung der Realkonkurrenz gemeint.256 5. Kritik an der Regelung In der türkischen Lehre wird die Regelung der zusammengesetzten Straftaten stark kritisiert. Vor allem wurde ausgeführt, dass die Regelung der zusammengesetzten Straftat im allgemeinen Teil bzw. unter dem Zusammentreffen der Straftaten (oder Konkurrenz der Straftaten) nicht erforderlich sei, weil die zusammengesetzte Straftat keine Erscheinungsform der Konkurrenz der Straftaten, sondern eine Erscheinungsform der Gesetzeskonkurrenz sei.257 Auch wenn der Gesetzgeber die zusammengesetzte Straftat in Art. 42 nicht geregelt hätte258, würde der Täter nur wegen einer Straftat (wegen der Straftat, die im besonderen Teil des TCK als zusammengesetzte Straftat geregelt wurde) bestraft.259 Aus diesem Grund müsse die zusammengesetzte Straftat nicht geregelt sein. Für die Bestrafung wegen der zusammengesetzten Straftaten sei die Regelung der zusammengesetzten Straftaten im besonderen Teil erforderlich und ausreichend. Den Täter wegen der die zusammengesetzte Straftat bildenden Straftaten gesondert zu bestrafen, wäre gesetzeswidrig, auch wenn es den Artikel 42 nicht gäbe. In der Lehre ist Özen260 der Ansicht, dass man bezüglich des türkischen Strafrechts nicht zu untersuchen brauche, ob bei der zusammengesetzten Straftat die Gesetzeskonkurrenz oder Konkurrenz der Straftaten zutreffe, weil die zusammengesetzte Straftat im Gesetz ausdrücklich als ein Fall der Konkurrenz der Straftaten geregelt sei. Neben der Kritik an der Erforderlichkeit wird auch die Definition der zusammengesetzten Straftat bzw. der Wortlaut des Gesetzes als problematisch erachtet. Hafızog˘ ulları261 führt aus, dass in der Lehre262 für die Definition der zusammengesetzten Straftat der Begriff „Straftat“ als entscheidend angenommen wurde. Im Artikel aber wurde der Begriff „Tat“ verwendet. Diese zwei Begriffe seien nicht 256 Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 130: Die zusammengesetzte Straftat sei eine Form des Zusammentreffens der Straftaten, weil dieses Institut unter dem Abschnitt „das Zusammentreffen der Straftaten“ geregelt wurde. Deswegen seien die Diskussionen bezüglich des türkischen Rechts, ob die zusammengesetzte Straftat einen Form der Gesetzeskonkurrenz oder des Zusammentreffens der Straftaten sei, unerheblich. 257 Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 510 ff.; Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 519; Demirbas¸, Ceza Hukuku, S. 487; ˙Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 204. 258 Besser: nicht definiert hätte. 259 Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 519; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 511; Özbek, ˙Izmir S¸erhi, S. 706; Toroslu, Ceza Hukuku, S. 317; Özgenç, Türk Ceza Hukuku, S. 541; I˙çel, Suçların ˙Içtimaı, S. 169. 260 Özen, Suçların ˙Içtimaı, S. 125. 261 Hafızog˘ ulları, ABD 2007, S. 56, 59 ff. 262 „Die zusammengesetzte Straftat besteht aus zwei Straftaten.“ Hakeri, Ceza Hukuku, S. 573: „Indem ein Strafgesetz ein anderes Strafgesetz einbegreift, verliert das Einbegriffene seine Selbstständigkeit.“ Demirbas¸, Ceza Hukuku, S. 487.
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3. Teil: Im türkischen Strafgesetz weitere geregelte Konkurrenzformen
gleichbedeutend; deswegen sei die Verwendung dieses Begriffes mit den Ansichten in der Lehre und mit der Anwendung in der Rechtsprechung nicht vereinbar. Dieser Meinung ist zuzustimmen, weil nach dem Wortlaut des Artikels 42 unter dem Begriff „Tat“ „die Straftat“ verstanden werden soll. Bei den zusammengesetzten Straftaten werden normalerweise mehrere Gesetze verletzt, der Täter begeht also mehrere Straftaten. Aber wegen der besonderen Regelungen (im besonderen Teil des Gesetzes) ist nur eine Strafe wegen einer Straftat zu verhängen, die aus mehreren Straftaten bestehen. Bei der Gesetzgebung hat der Gesetzgeber in diesem Artikel missverständlicherweise Straftat mit Tat verwischt. Hier wurde der Begriff „Tat“ verwendet, gemeint ist jedoch Straftat.263 Daneben ist wiederum zu betonen, dass bei der zusammengesetzten Straftat nur eine Handlung im juristischen Sinn vorliegt und jede Handlung verschiedene Rechtsgüter verletzt264, aber durch die besonderen Regelungen werden diese Rechtsgutsverletzungen nur als eine einzige Normübertretung wahrgenommen und behandelt.
II. Zusammengesetzte Delikte nach dem alten Strafgesetzbuch Im alten Strafgesetz wurde die zusammengesetzte Straftat in Art. 78 geregelt. Anders als im neuen Strafgesetz wurde in Art. 78 des aTCK die zusammengesetzte Straftat nicht definiert. Art. 78 des aTCK lautet folgendermaßen: „Wer zur Begehung einer Straftat oder zur Verdeckung einer begangenen Straftat eine weitere Straftat begeht, oder wer aus Anlass einer Straftat eine im Gesetz als Straftat geregelte Tat begeht, wird nach den Bestimmungen der vorherigen Artikel bestraft, wenn die obengenannten Taten gesetzlich kein Bestandteil oder kein erschwerender Umstand einer anderen Straftat sind.“265 Der Gesetzgeber hat in diesem Artikel ausdrücklich vorgeschrieben, in welchen Fällen der Täter nach den Bestimmungen der Realkonkurrenz bestraft werden soll und in welchen Fällen die Anwendung der Realkonkurrenz ausgeschlossen ist. Zwar wurde der Begriff „zusammengesetzte Straftat“ in diesem Artikel nicht verwendet, aber dem letzten Satz, in dem die Anwendung der Realkonkurrenz ausgeschlossen wurde, ist zu entnehmen, dass es hier um die zusammengesetzte Straftat geht.
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Als einzig angesehen ist nicht „Tat“, sondern „Straftat“. Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 510. 265 Eine alternative Übersetzung von Ziemke, S. 32: Wer, um ein Vergehen zu begehen oder um ein bereits begangenes Vergehen zu verheimlichen ein anderes Vergehen verübt, oder wer während der Begehung eines Vergehens noch eine Tat begeht, die nach dem Gesetz ebenfalls ein Vergehen ist, wird, sofern die Straftaten nicht zu den gesetzlichen Bestandteilen des Vergehens selbst gehören oder als strafverschärfende Umstände in Betracht gezogen werden müssen, nach den Bestimmungen der vorhergehenden Paragrafen bestraft. 264
C. Zusammenfassung und Stellungnahme
239
III. Zusammengesetzte Delikte im deutschen Recht Wie die Fortsetzungstat wurde die zusammengesetzte Straftat im deutschen Strafrecht gesetzlich nicht geregelt. Daneben ist dieses Rechtsinstitut als eine Form der Gesetzeskonkurrenz in der Lehre schon anerkannt und es wird im Allgemeinen in der Form der Spezialität zugerechnet.266
C. Zusammenfassung und Stellungnahme Sowohl im alten als auch im neuen türkischen Strafgesetz wurde die fortgesetzte Handlung geregelt. In beiden Fassungen des Gesetzes wurde „die mehrmalige Begehung der gleichen Straftat“ als eine wichtige Voraussetzung der Fortsetzungstat ausdrücklich vorgeschrieben. Wegen der Fassung des Gesetzes wurde in der Lehre mit weiteren Gründen angenommen, dass es bei der Fortsetzungstat um die Mehrheitstheorie (das Vorliegen mehrerer Gesetzesverletzungen) geht. Zutreffend wird angenommen, dass die Einzelakte der Fortsetzungstat nur in bestimmten Fällen ihre Selbstständigkeit verlieren und das ganze Geschehen nur in diesen Fällen eine (fiktive) Einheit bildet. Die Begehung mehrerer Straftaten bilde nur bei der Feststellung des Verjährungsbeginns und des Gerichtsstandes eine Einheit, weil das Gesetz eine gegenteilige Annahme ausschließe. Wenn also das Gesetz über die Verjährung usw. keine Regelung getroffen hätte, müsste angenommen werden, dass mehrere Straftaten (die die Fortsetzungstat bildenden Straftaten) auch bei der Feststellung der Verjährung oder des Gerichtsstands keine (fiktive) Einheit bilden würden. Entgegen dieser Bestimmung über die Verjährung ist es zu empfehlen, diese Regelung abzuschaffen. Auch bei der Verjährung sollten demnach alle Einzelakte selbstständig bewertet werden.267 Der Zweck der Regelung der Fortsetzungstat wird im türkischen Strafrecht dadurch begründet, dass durch die Anwendung des Kumulationsprinzips härtere Strafen zustande kämen und wegen der subjektiven Verbindung zwischen den fortgesetzten Straftaten nur auf eine Strafe erkannt werden sollte. Auf diese Weise könne die Härte des Kumulationsprinzips gemildert und eine sachgerechte Strafe gebildet werden. Aber diese Annahme bzw. die Verhängung nur einer einzigen Strafe wegen einer Straftat268 könnte im Vergleich zu anderen Fällen, in welchen das
266 Die Erklärungen über die zusammengesetzte Straftat siehe unten: Vierter Teil A. II. 1. und B. II. 1. 267 Wenn dies der Fall wäre, könnten die verjährten Einzelakte bei Strafzumessung nicht als strafschärfend berücksichtigt werden, weil bei der Bestimmung der Strafe gemäß Art. 61 TCK das „Vorleben des Täters“ nicht berücksichtigt werden dürfte. Demgegenüber ist das Vorleben des Täters gemäß Art. 62 TCK als ein Strafmilderungsgrund geregelt und es liegt im Ermessen des Richters. 268 Die Bestrafung nach dem Gesetz, das die schwerste Strafe androht.
240
3. Teil: Im türkischen Strafgesetz weitere geregelte Konkurrenzformen
Kumulationsprinzip269 Anwendung findet, zu ungerechten Ergebnissen führen. Der Täter, der jeden Tag in einem Monat bei der Ausführung eines Tatentschlusses die gleiche Straftat mehrmals begeht, ist gegenüber einem anderen Täter, der auch jeden Tag in einem Monat, aber durch getrennte Tatentschlüsse die gleiche Straftat mehrmals begeht, ungerechtfertigt privilegiert. Außerdem ist auch darauf zu achten, dass der Täter, der nur einmal eine Straftat begeht, gegenüber dem Mehrfachtäter unverhältnismäßig benachteiligt ist. Die Regelung des Art. 43 Abs. 1 S. 2270 dient der Beseitigung dieser unverhältnismäßigen Privilegierung und Benachteiligung. Die mehrmalige Begehung der gleichen Straftat, die Begehung dieser Straftaten zu verschiedenen Zeiten und gegen eine Person und die Begehung der Straftaten bei der Ausführung eines Tatentschlusses sind die Voraussetzungen der Fortsetzungstat im türkischen Strafrecht. Von diesen Voraussetzungen ist „die Begehung der Fortsetzungstat gegen eine Person“ besonders hervorzuheben. Obwohl eine solche Voraussetzung im aTCK nicht vorgeschrieben wurde, ist sie in der neuen Fassung des TCK enthalten. Nach dieser Voraussetzung ist die Fortsetzungstat ausgeschlossen, wenn die gleiche Straftat gegen verschiedene Personen begangen wird. Wie in der Lehre271 befürwortet, ist dieser Regelung nicht zuzustimmen, weil die wichtigste Besonderheit der Fortsetzungstat die Begehung der Straftaten bei der Ausführung eines Tatentschlusses ist. Die Gleichheit oder Verschiedenheit des Opfers kann bei der Feststellung des einen einzigen Tatentschlusses eine Rolle spielen, aber sie muss nicht als eine zwingende und unverzichtbare Voraussetzung geregelt werden. Wenn das Opfer nicht dieselbe Person ist, kann das ein Indiz dafür sein, dass der einzige Tatentschluss nicht vorliegt. Trotzdem kann aber ein Tatentschluss vorliegen; deswegen muss der Tatrichter in jedem Einzelfall vorsichtig untersuchen, ob die Tatsache, dass es mehrere Opfer gibt, der Annahme des einzigen Tatentschlusses entgegensteht. Diesbezüglich waren die Entscheidungen des Kassationshofs in der Zeit des alten Strafgesetzes uneinheitlich; manchmal wurde die Fortsetzungstat im Fall der Begehung der Straftaten gegen verschiedene Personen nicht angenommen, aber manchmal wurde das Vorliegen der Fortsetzungstat akzeptiert. Daneben ist auch besonders zum Ausdruck zu bringen, dass der Kassationshof in der Zeit des alten Strafgesetzes bei der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Träger durch fortgesetzte Handlungen wegen des höchstpersönlichen Charakters dieser Rechtsgüter manchmal272 die Fortsetzungstat nicht angewendet hat. Eine solche Möglichkeit steht heute für die Gerichte nicht mehr zur Verfügung, weil das Opfer personenidentisch sein muss. Daneben ist der Gesetzgeber noch einen Schritt weitergegangen und hat den begrenzten Anwendungsbe269 Tatmehrheit wurde zwar im türkischen Strafgesetz nicht geregelt, aber im tStVollzG wird vorgeschrieben, dass die Strafen addiert werden. Anders als im deutschen Strafrecht, wo das Asperationsprinzip gilt, erreicht der Angeklagte durch die Anwendung des Kumulationsprinzips kaum eine Strafmilderung. 270 Die einzige Strafe wird um ein Viertel bis um drei Viertel verschärft. 271 Hafızog˘ ulları, Sulhi Dönmezer Armag˘ anı, S. 860. 272 Der türkische Kassationshof hat auch abweichende Urteile gefällt.
C. Zusammenfassung und Stellungnahme
241
reich der Fortsetzungstat durch Art. 43 Abs. 3 wiederum begrenzt, indem er die Anwendung der Fortsetzungstat bei vorsätzlicher Tötung, vorsätzlicher Körperverletzung, Folter und Raub ausgeschlossen hat. Es ist fragwürdig und nicht annehmbar, warum die Fortsetzungstat bei diesen Straftaten keine Anwendung finden sollte oder warum eine solche Begrenzung nur bei diesen Straftaten gilt. Des Weiteren erscheint es seltsam, mit welchen Gründen bei den anderen (vielen) gleich schweren Straftaten gegen die höchstpersönlichen Rechtsgüter die Fortsetzungstat angenommen wird, obwohl der Betroffene dieselbe Person ist. Wenn man sowohl die alte Regelung als auch ihre Anwendung in der Praxis mit der neuen Regelung und den höchstrichterlichen Entscheidungen273 ab 2004 vergleicht, kommt man zum Ergebnis, dass die neue Fassung des Gesetzes den Anwendungsbereich der fortgesetzten Tat nicht unwesentlich begrenzt. Um Missverständnisse zu beseitigen und die Nichtanwendung der Fortsetzungstat bei den Straftaten, deren Opfer keine bestimmten Personen sind, nicht zu erweitern, hat der Gesetzgeber außerdem geregelt, dass die Fortsetzungstat auch bei der Begehung von Straftaten gegen unbestimmte Opfer Anwendung finden kann. Darunter werden die Straftaten, bei denen das Opfer keine bestimmte Person ist, z. B. Straftaten gegen die Gesellschaft, verstanden. Letztendlich soll ausgeführt werden, dass die Erforderlichkeit der Gleichheit der Person und der Abs. 3 des Art. 43 im Gesetz gestrichen und die Verschiedenheit der Opfer bei der Feststellung des einzigen Tatentschlusses berücksichtigt werden soll. Hier ist zu fragen, ob die in einem engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang stehenden und im deutschen Strafrecht mit weiteren Voraussetzungen unter der natürlichen Handlungseinheit als eine Handlung bewerteten Handlungen (und die darauf folgenden Straftaten) als Fortsetzungstat bewertet werden können. Für die in einem engen Zusammenhang stehenden Handlungen wird die Annahme der Handlungseinheit empfohlen, wenn jede Handlung ein wesentlicher Bestandteil der anderen Handlung ist und wegen dieser engen Verbindung die Trennung der Handlungen voneinander unmöglich ist. In den abweichenden Fällen kann die Bestimmung der Fortsetzungstat Anwendung finden, wenn die gleiche Straftat bei der Ausführung eines einzigen Tatentschlusses in einem engen, aber im Vergleich zur natürlichen Handlungseinheit noch loseren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mehrmals begangen wird. Hier soll die Gleichheit oder Verschiedenheit des Opfers keine Rolle spielen. Zwar ist eine solche Ansicht plausibel, sie ist jedoch mit der heutigen Fassung des Gesetzes schwerlich vereinbar. Um eine solche Ansicht zu ermöglichen, ist eine Gesetzesänderung erforderlich und wünschenswert. Wie in der Zeit des alten Gesetzes in der Praxis bei manchen Urteilen angenommen wurde, sollte die Fortsetzungstat bei der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Träger nicht angewendet werden. Wird also das gleiche höchstpersönliche Rechtsgut verschiedener Träger durch fortgesetzte Handlungen verletzt, ist 273 Selbstverständlich haben die Gerichte keine Möglichkeit, den Anwendungsbereich der Fortsetzungstat trotz des Wortlauts des Gesetzes zu erweitern.
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3. Teil: Im türkischen Strafgesetz weitere geregelte Konkurrenzformen
auf die Strafe nach dem Kumulationsprinzip zu erkennen. Im Falle der mehrmaligen Verletzung des gleichen Rechtsguts einer Person soll das Vorliegen der Fortsetzungstat angenommen werden. Für die Feststellung des einzigen Tatentschlusses werden in der türkischen Lehre zwei Ansichten vertreten. Einer Ansicht nach ist für die Fortsetzungstat ein anfänglicher Tatentschluss erforderlich. Fasse der Täter vorher einen Plan und führe er seinen Plan aus, liege ein einziger Tatentschluss vor. Nach einer anderen Ansicht kann der einzige Tatentschluss auch in dem Fall vorliegen, in welchem der Täter sich für die Begehung weiterer Straftaten erst während des Tathergangs entscheidet. Nach beiden Auffassungen muss der Entschluss des Täters nicht jede Einzelheit und die Anzahl der zu begehenden Straftaten umfassen. Obwohl beide Auffassungen sich theoretisch wesentlich voneinander unterscheiden, verwenden beide Auffassungen und auch die Rechtsprechung zur Feststellung des „einzigen Tatentschlusses“ identische Kriterien. Die Begehungsweise der Straftaten, der zeitliche und räumliche Zusammenhang zwischen den Straftaten und die verletzten und geschützten Rechtsgüter sind einige dieser Kriterien. Trotz der verschiedenen Ansichten in der Lehre soll bezüglich des türkischen Strafrechts ausgeführt werden, dass ein Ermittlungsverfahren und die Eröffnung des Hauptverfahrens das Vorliegen eines einzigen Tatentschlusses nicht verhindern. Die Fortsetzungstat kann angenommen werden, wenn auch die anderen Voraussetzungen vorliegen. Den Einfluss der Polizei- oder Untersuchungshaft auf die Fortsetzungstat soll der Tatrichter in jedem Einzelfall untersuchen und feststellen, ob die Haft den einzigen Tatentschluss unterbricht. Es ist also nicht anzunehmen, dass die Polizeioder Untersuchungshaft den Tatentschluss automatisch unterbricht. Für diese Feststellung sind die Dauer der Haft und andere Eigenschaften des Tathergangs zu berücksichtigen. Im türkischen Strafrecht ist die Fortsetzungstat bei den fährlässigen Delikten nicht möglich, weil für die Fortsetzungstat ein Entschluss erforderlich ist, der bei den fahrlässigen Delikten fehlt. Aber bei Unterlassungsdelikten kann die Fortsetzungstat vorliegen, wenn der Unterlassungstäter bei der Ausführung eines Tatentschlusses handelt. Daneben ist wieder hervorzuheben, dass die Fortsetzungstat vorliegen kann, auch wenn die gleiche Straftat mehrmals durch ein Unterlassen und durch ein Tun begangen wird. Auf diese Weise können die Verhaltensweisen des Täters und die darauf folgenden Straftaten eine Fortsetzungstat bilden. Die scheinbare Verschiedenheit der Begehungsweisen (einmal Tun und einmal Unterlassen) spielt hier keine Rolle und steht der Annahme der Fortsetzungstat nicht entgegen, weil das Vorliegen des einzigen Tatentschlusses entscheidend ist. Nach der Feststellung der Fortsetzungstat wird die Strafe des Täters nach dem Gesetz, das die schwerste Strafe androht, bestimmt. Diese Strafe ist aber gemäß Art. 43 Abs. 1 S. 1 um ein Viertel bis um drei Viertel zu erhöhen. Auf diese Weise kann der Tatrichter eine Strafe verhängen, die im Vergleich zur Strafe des Einzeltäters und zur Strafe des nach dem Kumulationsprinzip zu bestrafenden Täters
C. Zusammenfassung und Stellungnahme
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sachgerecht ist. Auf die Frage, ob der Täter wegen der verjährten Einzeltaten bestraft werden soll, wird im türkischen Strafgesetz folgendermaßen geantwortet: Nach Art. 66 Abs. 6 des TCK beginnt die Verfolgungsverjährung bei der Fortsetzungstat mit der Begehung der letzten Straftat. Letztendlich ist bezüglich der Straffestsetzung auszuführen, dass die Erhöhung der Strafe im alten Strafgesetz um ein Sechstel bis um drei Sechstel war, im neuen Gesetz auf um ein Viertel bis um drei Viertel geändert wurde. Also wurde das Straferhöhungsmaß durch diese Regelung wesentlich erhöht. Im deutschen Strafgesetzbuch wurde zwar die fortgesetzte Handlung nicht geregelt, aber in der Lehre war sie durchaus anerkannt. Auch bei den höchstrichterlichen Entscheidungen fand sie über 100 Jahre lang Anwendung, bis sie schließlich im Jahr 1994 durch den Großen Strafsenat aufgehoben wurde. Der Grund der Anwendung der Fortsetzungstat war zunächst, die Härte des Kumulationsprinzips abzumildern. Im Zuge der Regelung der Tatmehrheit und demzufolge durch die Bestrafung des Täters nach dem Asperationsprinzip wurde die Verhängung der höheren Strafen verhindert. Diesmal wurde aber die Anwendung dieses Rechtsinstituts damit begründet, dass die fortgesetzte Handlung für den Tatrichter arbeitserleichternd und daneben trotz des Asperationsprinzips strafmildernd gewesen sei. Die Voraussetzungen der Fortsetzungstat wurden unter objektiven und subjektiven Voraussetzungen behandelt. Als objektive Voraussetzungen waren die Verwirklichung derselben Tatbestände, die Gleichartigkeit der Begehungsweisen, der zeitliche und räumliche Zusammenhang zwischen den Taten und die Erfüllung der Straftaten durch jeden Einzelakt zu nennen. Eine subjektive Voraussetzung für die fortgesetzte Handlung war ein einheitlicher Vorsatz. Der Umfang dieser subjektiven Voraussetzung war aber fragwürdig und wurde uneinheitlich behandelt. Von der Rechtsprechung wurde grundsätzlich der Gesamtvorsatz, der von Anfang an den Gesamterfolg der Tat und seine wesentlichen Grundzüge (z. B. Ort, Zeit, Opfer und Begehungsweisen), aber nicht alle Einzelheiten umfassen musste, als erforderlich angesehen. Mit der Zeit hatte sich diese Annahme geändert und ein erweiterter Gesamtvorsatz, nach dem der Täter seinen Vorsatz bis zur Beendigung des letzten Einzelaktes erweitern konnte, ist für die fortgesetzte Handlung als ausreichend angenommen worden. Neben diesen Vorsatzformen wurde in der Lehre für die fortgesetzte Handlung der Fortsetzungsvorsatz, nach dem die Einzelakte des Täters eine „fortlaufende psychische Linie“ bildeten, als ausreichend angesehen. Nach dieser Ansicht war sozusagen das äußere Erscheinungsbild des Tathergangs zur Feststellung des einheitlichen Vorsatzes erforderlich. Die Anwendung der fortgesetzten Handlung wurde in der Lehre kritisiert, da diese zu ungerechten Ergebnissen zwischen den Strafen des Augenblickstäters und des vorher planenden Täters führte. Sowohl in der Lehre als auch bei der Entscheidung des Großen Senats wurde ausgeführt, dass die Grenzen der fortgesetzten Handlung nicht genau feststellbar waren und durch die pauschalen Bewertungen des Schuldumfangs und Tathergangs die Verteidigungsmöglichkeiten des Täters wesentlich beschränkt waren. Der Beginn der Verjährungsfrist brachte einen Nachteil für den
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3. Teil: Im türkischen Strafgesetz weitere geregelte Konkurrenzformen
Täter mit sich, weil die Verjährungsfrist mit der Beendigung des letzten Teilaktes begann. Das führte praktisch zur Verfolgung und Bestrafung von eigentlich schon verjährten Einzeltaten. Durch die Entscheidung des Großen Senats wurde die Anwendung der fortgesetzten Handlung für die im Urteil erwähnten Straftaten völlig ausgeschlossen und die Anwendung dieses Rechtsinstituts war nur dann noch möglich, wenn eine sachgerechte Erfassung des Unrechts und der Schuld die Anwendung ermöglichte. Mit der Zeit aber hat die fortgesetzte Handlung auch bei anderen Straftaten keine weitere Anwendung mehr gefunden. Nach der Entscheidung des Großen Senats wurde die (fortgesetzte) Handlung als eine Handlung durch die Bewertung der Tatmodalitäten oder als eine Handlung durch die Bewertungseinheit oder manchmal als Tatmehrheit bewertet. Trotz der Abschaffung der fortgesetzten Handlung hat der Große Strafsenat für die Feststellung der Strafen bei der Tatmehrheit ausgeführt, dass die Annahme der Tatmehrheit nicht zu einer höheren Strafe führen müsse. Nach dieser Erläuterung soll also die Strafe des Täters, wie vor der Entscheidung, nach dem Gesetz, das die schwerste Strafe androht, bestimmt werden und die mehrmalige Begehung der gleichen Straftat kann innerhalb der Strafe dieses Gesetzes als strafschärfend berücksichtigt werden.
D. Rechtsvergleichung – Vor allem ist wieder hervorzuheben, dass die fortgesetzte Handlung im deutschen Strafrecht nicht geregelt wurde. Und trotz des Fehlens einer gesetzlichen Regelung hat sie bis zur Entscheidung des Großen Senats im Jahr 1994 Anwendung gefunden. Im türkischen Strafrecht wurde die Fortsetzungstat im Jahr 1927 in der alten Fassung des Gesetzes geregelt und in der am 01. 06. 2005 in Kraft getretenen Fassung beibehalten. Deswegen fehlt der Fortsetzungstat im Gegensatz zum deutschen Recht keine gesetzliche Grundlage im TCK. – Vergleicht man die Ansichten in der deutschen Strafrechtslehre und der Rechtspraxis des BGH mit dem türkischen Strafrecht, kommt man zum Ergebnis, dass die Fortsetzungstat im türkischen Strafrecht restriktiv behandelt und der Anwendungsbereich der Fortsetzungstat, soweit wie möglich, begrenzt ist. Obwohl die Begehung der Straftaten „gegen eine Person“ nur bei den höchstpersönlichen Rechtsgütern274 im deutschen Recht erforderlich war, gilt das im türkischen Strafrecht nicht, weil die Voraussetzung „die Begehung der Straftaten gegen eine Person“ bei allen Straftaten erfüllt sein muss. Im TCK ist jedoch die Fortsetzungstat bei manchen Straftaten völlig ausgeschlossen, auch wenn das Opfer personenidentisch ist.
274 Bei anderen Straftaten, z. B. Straftaten gegen Vermögenswerte, war die fortgesetzte Handlung möglich, auch wenn das Opfer nicht dieselbe Person ist.
D. Rechtsvergleichung
245
– Bei der Straffestsetzung unterscheidet sich die Fortsetzungstat im türkischen Strafrecht vom deutschen Strafrecht darin, dass die Strafe des Täters, die nach dem die schwerste Strafe androhenden Gesetz zu bestimmen ist, in einem bestimmten Maße zu verschärfen ist. Sowohl im türkischen als auch im deutschen Strafrecht wurde ausgeführt, dass die Strafe des Täters der Fortsetzungstat zu der Strafe des Täters, der nur eine Straftat begangen hat, höher sein muss. Besonders bei der deutschen Lehre wurde die Anwendung der fortgesetzten Handlung deswegen kritisiert, weil umsichtig planende Täter gegenüber dem Augenblickstäter privilegiert seien. Die Regelung in Bezug auf die Straferhöhung in Art. 43 des TCK dient vor allem dazu, diese ungerechte Bestrafung zwischen den Tätern zu beseitigen. Gemäß Art. 43 Abs. 1 S. 2 obliegt es dem Richter, die Strafe des Täter zu verschärfen. Aber bei der Verschärfung steht dem Gericht ein Spielraum für die Straferhöhung zu; es geht hier somit um ein begrenztes richterliches Ermessen. Hier ist es bemerkenswert, dass die Ansicht von Geppert275 über die Straffestsetzung bei der fortgesetzten Handlung mit der Regelung des Art. 43 des TCK vereinbar ist. Seiner Ansicht nach können die Gerichte mehrmalige Begehungen der gleichen Straftat wegen der höheren kriminellen Energie als straferhöhend bewerten276. Bezüglich des türkischen Strafrechts kann bei der Verschärfung277 der einzigen Strafe diese höhere kriminelle Energie durch Art. 43 Abs. 1 S. 2 besser berücksichtigt werden; auf diese Weise kann der Tatrichter innerhalb der festgestellten Grenzen eine gerechte Strafe verhängen. Zweitens führt Geppert aus, dass die Begehung mehrerer Straftaten „als ein Zeichen einer insgesamt niedrigeren Hemmschwelle“ bewertet werden kann.278 Mit dieser Ansicht ist auch die Regelung des TCK deswegen vereinbar, weil man davon ausgehen kann, dass die Begehung mehrerer Straftaten bei der Ausführung eines einzigen Tatentschlusses „eine niedrigere Hemmschwelle“ gegenüber dem Täter, dessen Strafe nach dem Kumulationsprinzip gebildet werden soll279, bedeutet. Durch die Fassung dieses Artikels unter die Konkurrenzregelungen wird es möglich, verschiedene Begehungsweisen sachgerecht und unterschiedlich zu bestrafen. Die Bestrafung des Täters nach dem Gesetz, das die schwerste Strafe androht, und die Berücksichtigung der anderen Einzelakte innerhalb des Strafrahmens dieses Gesetzes führen nicht immer zu einer gerechten Bestrafung, weil die Art und Schwere der Taten erforderlich machen, eine höhere Strafe zu verhängen. Deswegen ist die Bestrafung des Täters innerhalb der Strafgrenze des schwersten Tatbestands nicht immer ausreichend, um eine für alle Einzelakte umfassende Strafe zu finden. 275
Geppert, NStZ 1996, 118, 118: Geppert ist der Meinung, dass der Tatrichter nach der Aufgabe der fortgesetzten Handlung zwei Möglichkeiten habe. 276 Geppert, NStZ 1996, 118, 118. 277 Um ein Viertel bis zu drei Viertel. 278 Geppert, NStZ 1996, 118, 118. 279 Also der Fall, in dem die Anwendung der Bestimmungen der Fortsetzungstat nicht möglich ist.
246
3. Teil: Im türkischen Strafgesetz weitere geregelte Konkurrenzformen
Letztlich ist festzustellen, dass die Bestimmung der Strafe des Täters wegen der Fortsetzungstat nach dem TCK im Wesentlichen zutreffend ist. Durch eine solche Begehungsweise können der Unrechtsgehalt der Tat und der Schuldgehalt des Täters besser berücksichtigt werden. Dem Richter bei der Verschärfung der Strafe einen beschränkten Ermessensspielraum einzuräumen, dient zwar der sachgerechten Berücksichtigung des Schuld- und Unrechtsgehalts. Aber für die Verschärfung der Strafe eine Untergrenze (mindestens ein Viertel der einzigen Strafe) festzustellen und dem Tatrichter eine darunterliegende Erhöhungsmöglichkeit280 nicht zu gewähren, erscheint unpassend, weil die Art und Schwere der Tat oder die Anzahl der Einzelakte es teilweise erforderlich machen; es wäre deshalb vielleicht zukünftig noch sachgerechter, in manchen Fälle eine darunterliegende Strafe zu verhängen. – Obwohl im deutschen Strafrecht die Anwendung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ bei der Feststellung des (Gesamt-)Vorsatzes ausgeschlossen war, ist seine Anwendung im türkischen Strafrecht sowohl bei der Feststellung der objektiven als auch subjektiven Voraussetzungen der Fortsetzungstat möglich. Wenn also das Vorliegen eines einzigen Tatentschlusses nicht genau festgestellt werden kann, ist anzunehmen, dass die subjektiven sowie objektiven Voraussetzungen vorliegen. – Die vor dem Urteil begangenen, aber nicht entdeckten und deswegen bei der Verurteilung nicht berücksichtigten Straftaten können nach dem türkischen Strafrecht verfolgt werden, auch wenn sie erst nach der Verurteilung entdeckt werden. Im türkischen Strafrecht wird angenommen, dass jeder Einzelakt seine Selbstständigkeit bewahrt, es sei denn, es wird im Gesetz nicht anders geregelt. Für diese Fälle wird im Gesetz nichts anderes geregelt; deswegen sind alle nicht entdeckten Straftaten auch nach der Verurteilung verfolgbar und können abgeurteilt werden. Also gilt der Grundsatz „ne bis in idem“ für die Einzelakte, deren Bestrafung unterblieben ist, nicht und diese neu aufgetauchten Straftaten können später in die Fortsetzungstat einbezogen werden. Im deutschen Strafrecht galt „ne bis in idem“ auch in diesem Fall und die Verurteilung umfasste alle vorher verwirklichten Einzelakte und eine erneute Verurteilung war ausgeschlossen. – Nach beiden Rechtsordnungen beginnt die Verjährung bei der Fortsetzungstat mit dem Tag des letzten Teilaktes. Ebenso stimmen beide Rechtsordnungen bezüglich des Strafantrags überein. Bei Antragsdelikten soll der Berechtigte zur Verfolgung für jeden Einzelakt getrennt seinen Strafantrag stellen. Die Strafantragsfrist beginnt also für die Fortsetzungstat nicht mit dem Tag des letzten Einzelaktes, sondern für jeden Einzelakt muss innerhalb der im Gesetz vorgeschriebenen Frist ein Strafantrag gestellt werden. – Ob die Einzeltatkonkretisierung bei den Serienstraftaten (oder bei der Fortsetzungstat) erforderlich ist, wurde im deutschen Strafrecht uneinheitlich behandelt. 280 Oder die Berücksichtigung der mehrmaligen Begehung einer Straftat innerhalb der Grenzen des die schwerste Strafe androhenden Gesetzes.
D. Rechtsvergleichung
247
In der Lehre und Rechtsprechung wird manchmal angenommen, dass die Feststellung der Mindestzahl der vorgeworfenen Straftaten, besonders bei Verurteilungen wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen, ausreichend sei. Die Frage wird aber im türkischen Recht bezüglich der fortgesetzten Handlungen gar nicht erwähnt. Hier ist auszuführen, dass grundsätzlich die Einzelakte der fortgesetzten Handlungen individualisiert werden sollten. Auf diese Weise wird die Verteidigungsmöglichkeit des Täters nicht eingeschränkt. Daneben ist bezüglich des türkischen Strafrechts auszuführen, dass jeder Einzelakt seine Selbstständigkeit bei der fortgesetzten Handlung bewahrt und dies dazu führt, dass der Grundsatz „ne bis in idem“ bei der Fortsetzungstat für die vor der Beurteilung begangenen und bei der Verurteilung nicht berücksichtigten Taten nicht gilt. Diese Taten gelten also nicht als verbraucht. Aus diesen Gründen sollen alle selbstständigen Akte individualisiert werden. Die auch im deutschen Recht uneinheitlich behandelte Frage, wie man die Fälle, in welchen die Konkretisierung der Einzeltaten wegen der umfangreichen Einzeltaten fast unmöglich ist, behandeln soll, taucht aber auch im türkischen Recht auf,. Hier ist auszuführen, dass von der Einzeltatkonkretisierung bzw. von der Individualisierung des Datums und Orts dieser Einzeltaten bei solchen Straftaten, insbesondere „bei Sexualstraftaten gegen Minderjährige“, abgesehen wird und die Feststellung der ungefähren Zahl (oder Mindestzahl) der Einzelakte als ausreichend angenommen werden kann. Der Tatrichter soll aber auf jeden Fall von der Begehung jeder einzelnen Straftat überzeugt sein.281 Als Ergebnis dieser Annahme muss die Anwendung des Grundsatzes „ne bis in idem“ in solchen Fällen verdeutlicht werden. Wenn also die Einzelfallkonkretisierung nicht möglich ist und von dieser Erforderlichkeit abgesehen wird, soll der Grundsatz „ne bis in idem“ gelten und es müssen alle vor der Verurteilung begangenen und erst nach der Verurteilung festgestellten Taten durch die Verurteilung als Verbrauch angenommen werden. – „Der Gesamtvorsatz“ war anfangs die subjektive Voraussetzung für die fortgesetzte Handlung im deutschen Strafrecht, aber mit der Zeit wurde diese Annahme gelockert und ein erweiterter Gesamtvorsatz wurde als ausreichend angesehen. Im türkischen Strafrecht ähnelt Dönmezers282 Ansicht dem Gesamtvorsatz im deutschen Strafrecht, weil der Täter nach seinem vorherigen Plan handelt und die Durchführung dieses Plans vorher in die Einzelteile zerlegt. Die vorherrschende Meinung283 im türkischen Strafrecht geht aber von einem Fortsetzungsvorsatz aus, weil die Entscheidung über die Fortführung der Straftaten während der Tat für die subjektive Voraussetzung ausreichend sei. Wenn die Ausführungshandlungen als Fortführung der vorherigen Handlungen erscheinen, ist die subjektive Voraussetzung gegeben. Daneben aber hat sich im türkischen Strafrecht weder der Kassationshof noch die Lehre zur Feststellung des einzigen Tatentschlusses an 281 282 283
Vgl. Brähler, Die rechtliche Behandlung, S. 405 ff., 409. Siehe oben: S. 194, Fn. 49. Siehe oben: Dritter Teil A. I. 3. e).
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3. Teil: Im türkischen Strafgesetz weitere geregelte Konkurrenzformen
strenge Voraussetzungen gebunden. Bei der Feststellung der Fortsetzungstat werden die objektiven Voraussetzungen im türkischen Strafrecht zweifach thematisiert und bewertet. Erstens wird festgestellt, dass die Fortsetzungstat ausgeschlossen ist, wenn keine objektiven Voraussetzungen vorliegen,.284 Und zweitens werden die objektiven Voraussetzungen bei der Feststellung der subjektiven Voraussetzungen berücksichtigt und für die subjektive Voraussetzung als ein Indiz angenommen. – Im Allgemeinen wurde dieses aus Billigkeitsgründen entstandene Rechtsinstitut dogmatisch im deutschen Strafrecht damit begründet, dass es bei der fortgesetzten Handlung um eine rechtliche Handlungseinheit und um die Verbrechenseinheit geht.285 Dieser Zweck wurde zwar mit der Zeit durch die Annahme des Asperationsprinzips geschwächt, aber aus anderen Gründen bis zu dessen Aufgabe an diesem Rechtsinstitut festgehalten. Trotz dieses Zweckwandels und der Aufgabe ist bei der Entscheidung des Großen Senats festzustellen, dass er den anfänglichen Zweck des Instituts nicht völlig aufgegeben hat, indem er betont, dass „die Anwendung der Bestimmungen der Tatmehrheit nicht zur Erhöhung des allgemeinen Strafniveaus zu führen brauche“286. Nach diesen Erklärungen ist es hervorzuheben, dass dieser (historische) Zweck im deutschen Recht nicht völlig aufgegeben wurde und im türkischen Strafrecht, insbesondere wegen der Anwendung des Kumulationsprinzips, für die fortgesetzten Handlungen eine entscheidende Rolle spielt. Zur Verhinderung höherer Strafen wird im TCK die Fortsetzungstat geregelt, aber ihr fehlt eine plausible dogmatische Grundlage. Im türkischen Recht wurde/wird entsprechend der Annahme im deutschen Recht nach der Aufgabe dieses Rechtsinstituts angenommen, dass bei der Fortsetzungstat mehrere Handlungen und mehrere Straftaten vorliegen. Nur bei der Strafzumessung hat die Fortsetzungstat eine Besonderheit. So sehr der Gesetzgeber und ein Teil der Lehre die Regelung und die Strafzumessung bei der Fortsetzungstat mit der „subjektiven Verbindung zwischen den Einzelakten“ erklären, haben sie sich nicht detailliert mit der Frage beschäftigt, was für eine dogmatische Grundlage hinter dieser Annahme steht und ob diese subjektive Verbindung den Schuld- oder Unrechtsgehalt des Geschehens im Vergleich zu den Fällen der Realkonkurrenz bei der Fortsetzungstat mildert. In der türkischen Konkurrenzlehre dient also die Fortsetzungstat zur Verhinderung der Verhängung der durch das Kumulationsprinzip 284
Die Begehung der Straftaten gegen verschiedene Personen oder das Nichtvorliegen des zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs zwischen den Handlungen. 285 Hier führt Jung aus, dass bei der fortgesetzten Handlung die dogmatische Begründung sekundär ist. Jung, JuS 1989, 289, 290. 286 BGHSt 40, 138, 162: Ob diese Erklärung die Erhöhung der allgemeinen Strafniveaus verhindert, ist aber fraglich. Zschockelt, in: Geisler (Hrsg.), Zur Rechtswirklichkeit nach dem Wegfall der fortgesetzten Tat, S. 51 f.; vgl. Geisler, in: Geisler (Hrsg.), Zur Rechtswirklichkeit nach Wegfall der fortgesetzten Tat, S. 149 f.; dagegen Rohleder, Die Folgen des Wegfalls der fortgesetzten Tat, S. 503 ff., 507; vgl. Reckewell, in: Geisler (Hrsg.), Zur Rechtswirklichkeit nach Wegfall der fortgesetzten Tat, S. 62.
D. Rechtsvergleichung
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entstehenden höheren Strafen; und diese Regelung erscheint hierfür auch zweckgemäß. – Die Regelung der Fortsetzungstat im TCK überwindet einige im deutschen Recht gegen die Annahme dieses Rechtsinstituts erhobenen Bedenken287. Erstens fehlt diesem Institut keine gesetzliche Grundlage. Zwar fehlt ihr eine plausible dogmatische Grundlage, aber der Zweck der Regelung rechtfertigt sie. Im deutschen Strafrecht wurde auch ausgeführt, dass der Täter der fortgesetzten Handlung gegenüber dem Täter, dessen Strafe nach dem Kumulationsprinzip zu verhängen ist, ungerecht privilegiert sei. Diese Bedenken gelten auch bezüglich des türkischen Rechts. Diese ungerechte Privilegierung wird zwar durch die Erhöhung der Strafe bei der Fortsetzungstat ein wenig relativiert, aber die Nichtregelung der Realkonkurrenz, also die Zusammenrechnung der Strafen, ist auch ein wichtiger Grund für die ungerechte Schlechterstellung des Täters, dessen Strafe addiert werden muss. Die Rechtskraftwirkung bildet für den Täter im türkischen Recht keinen Vorteil. Durch die Anwendung der Bestimmungen der Fortsetzungstat ist der Täter nicht privilegiert, wenn nach der Verurteilung weitere Einzelakte entdeckt werden. Die Einzelakte und jede Straftat bewahren im türkischen Strafrecht ihre Selbstständigkeit, deswegen bildet die Rechtskraftwirkung für den Täter keine Vorteile, weil der Täter wegen dieser nach der Verurteilung entdeckten, aber vor ihr begangenen Straftaten verurteilt wird. Im deutschen Recht wurde auch ausgeführt, dass die Fortsetzungstat manchmal den Täter benachteiligt, indem z. B. der Tatrichter den Tathergang pauschal bewertet und die Einzeltaten nicht individualisiert hat. Aufgrund der Selbstständigkeit der Einzelakte und aller Straftaten sollen im türkischen Strafrecht alle Einzelakte individualisiert werden. Außerdem bildete im deutschen Strafrecht die Verjährung der fortgesetzten Handlungen für den Täter einen schweren Nachteil. Dies ist auch im türkischen Strafrecht der Fall, weil die Verjährung bei der Fortsetzungstat gemäß Art. 66 Abs. 6 TCK mit dem letzten Einzelaktakt anfängt. Dieser Regelung ist aber nicht zuzustimmen, weil im türkischen Strafrecht die Selbstständigkeit der Einzeltaten und Straftaten bei der Fortsetzungstat angenommen wird; deswegen soll die Verjährung mit der Beendigung des jeweiligen Einzelakts beginnen; es muss gesondert und im Einzelfall überprüft werden, ob die jeweiligen Einzelakte verjährt sind. Dafür ist aber eine Gesetzesänderung erforderlich. Außerdem ist bezüglich des deutschen Strafrechts hervorzuheben, dass die Aufgabe der Fortsetzungstat nicht alle erhobenen Bedenken überwunden hat. Die Verjährungsproblematik besteht im Grunde z. B. bei den Fällen weiter, , bei denen die Bewertungseinheit angenommen wird. Dafür bildet die Berücksichtigung der verjährten Straftaten bei der Strafzumessung ein weiteres Bespiel.288 Dagegen werden die verjährten Straftaten im türkischen Strafrecht bei der Strafzumessung nicht straferschwerend berücksichtigt, weil das Vorleben des Täters in Art. 61 TCK (die 287 288
Für diese Bedenken in: Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 256 ff. MK-v. Heinschel-Heinegg, § 52 Rn. 67.
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3. Teil: Im türkischen Strafgesetz weitere geregelte Konkurrenzformen
Bestimmung der Strafen) nicht berücksichtigt wird. Im Gegensatz dazu kann das Vorleben des Täters gemäß Art. 62 Abs. 2 TCK jedoch als strafmildernd angerechnet werden.
Vierter Teil
Die nicht geregelten Konkurrenzformen A. Gesetzeskonkurrenz im deutschen Recht I. Allgemeine Bemerkungen über das Wesen der Gesetzeskonkurrenz Die Gesetzeskonkurrenz wird im deutschen Strafrecht, sowohl in der Lehre als auch in der Rechtsprechung, als eine ungeregelte Konkurrenzform1 behandelt. Bei der Gesetzeskonkurrenz erscheinen mehrere Gesetze anwendbar, aber trotzdem ist nur ein Gesetz anzuwenden.2 Dabei tritt eines von diesen Gesetzen durch die Anwendung anderer Gesetze zurück, wobei das zurücktretende bei der Bestrafung nicht mehr in Betracht gezogen wird. Die Bestrafung nur eines Gesetzes wegen schöpft den Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat aus.3 Der Grund für diese Ausschöpfung oder Überschneidung der verschiedenen Gesetze ist die Methode des Gesetzgebers.4 Bei der Gesetzgebung versucht der Gesetzgeber, alle möglichen Fälle so genau wie möglich zu erfassen und verschiedene Tatbestandsverwirklichungen durch die Typenbildung voneinander zu differenzieren. Zutreffend führt Vogler5 aus, dass die Verwendung der spezifischen Allgemeinbegriffe die Überschneidung der Tatbestände nicht ganz vermeiden könne. Manchmal verursache der Gesetzgeber solche Überschneidungen bewusst, „um einzelne Rechtsgüter schon gegen die Gefährdungen (Gefährdungsdelikte) und gegen Verletzungen in den verschiedenen 1
S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 Rn. 102; in der Lehre vertreten Jescheck und Weigend die Ansicht, dass eine Regelung der Gesetzeskonkurrenz wegen der Unübersehbarkeit der verschiedenen Modalitäten unmöglich ist, weil es fast nicht gelungen ist, eine allgemeine und alle Tatmodalitäten umfassende Regelung zu finden. Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 69 I 1; vgl.: Die Frage, ob ein Strafgesetz ein anderes Strafgesetz enthalte, könne nur durch die Auslegung der Normen im besonderen Teil beantwortet werden. Roxin, Strafrecht AT II § 33 Rn. 172. 2 Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 69 I 1. 3 MK-v. Heintschel-Heinegg, Vor § 52 Rn. 18 ff.; LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 89; SSW-StGB/Eschelbach, § 52 Rn. 7; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 Rn. 102; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 170; bei der Gesetzeskonkurrenz wird das Verhalten des Täters in mehreren Gesetzen formuliert. Jakobs, Strafrecht AT, 31 Rn. 2; vgl. MK-v. HeintschelHeinegg, Vor § 52 Rn. 18. 4 Vogler, FS-Bockelmann, S. 715, 718; vgl. MK-v. Heintschel-Heinegg, Vor § 52 Rn. 19. 5 Vogler, FS-Bockelmann, S. 715, 718.
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4. Teil: Die nicht geregelten Konkurrenzformen
Stadien (selbstständige Vorbereitungshandlungen, Versuch und Vollendung) zu schützen.“6 Bei der Gesetzeskonkurrenz verwirklicht also der Täter faktisch mehrere Tatbestände. Er wird aber nur wegen eines Tatbestands bestraft.7 Nach der ständigen Rechtsprechung liegt Gesetzeskonkurrenz vor, „wenn der Unrechtsgehalt einer Handlung durch einen von mehreren, dem Wortlaut nach anwendbaren Straftatbeständen erschöpfend erfasst wird.“8 Der BGH führt aus, dass eines von den Gesetzen „ein Begriffsmerkmal oder mehrere in engerer Begrenzung oder besonderer Gestaltung enthält“9. Das verdrängende Gesetz enthält also gegenüber dem verdrängten Gesetz ein weiteres Merkmal, durch das es sich von dem anderen unterscheidet10. Aber dieses Gesetz erschöpft den Unrechtsgehalt des verdrängten Gesetzes. Die Verwendung des Begriffes „Gesetzeskonkurrenz“ wird in der Lehre kritisiert. Die Ansichten in der Lehre gehen davon aus, dass es in solchen Fällen nicht um eine Konkurrenz geht, weil bei der Verurteilung nur ein Gesetz berücksichtigt werden muss, und es stattdessen nur um ein anwendbares Gesetz geht.11 Geerds12 führt aus, dass die unanwendbaren Gesetze im materiellen Sinne nicht verletzt würden; deswegen liege hier eine scheinbare Gesetzeskonkurrenz vor. In den Entscheidungen des BGH und in der Lehre wird manchmal der Begriff „Gesetzeseinheit“13 verwendet, wobei ein Teil der Lehre diesen Streit um die Begriffe als überflüssig und sekundär bezeichnet hat.14 Der Rechtsgrund der Gesetzeskonkurrenz wird in der Lehre diskutiert. Es wurde versucht, die Bestrafung des Täters nur wegen einer Straftat theoretisch zu begründen. Es wird vertreten, dass die Bestrafung des Täters wegen einer Straftat den Unrechts- und Schuldgehalt des Täters ausschöpfe und die Bestrafung des Täters nur wegen des vorrangigen Gesetzes mit dem Mehrfachverwertungsverbot und mit dem Schuldprinzip vereinbar sei.15 Daneben wird die Nichtbestrafung aufgrund der 6
Vogler, FS-Bockelmann, S. 715, 718. Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 170. 8 BGHSt 25, 373. 9 BGHSt 11,15, 17. 10 BGHSt 25, 373, 373; 39, 100, 108. 11 Roxin, Strafrecht AT II § 33 Rn. 173; Geerds, Zur Lehre von der Konkurrenz, S. 166; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 69 I 1. 12 Geerds, Zur Lehre von der Konkurrenz, S. 166; dagegen sagt Schmitt, dass der Ausdruck „scheinbare Gesetzeskonkurrenz“ nicht richtig sei, weil es hier um die Verwirklichung mehrerer Straftatbestände gehe, Schmitt, ZStW 75 (1963), 43, 45. 13 BGH NStZ 2002, 150, 150 ff.; BGHSt 39, 100, 108; LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 89; Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 36 Rn. 6 f.; Vogler, FS-Bockelmann, S. 715, 715. 14 MK-v. Heintschel-Heinegg, Vor § 52 Rn. 21; Roxin, Strafrecht AT II § 33 Rn. 173. 15 MK-v. Heintschel-Heinegg, Vor § 52 Rn. 16, 22 ff.; vgl. Fahl, ZStW 111 (1999), 156, 164 f.; Wegscheider, Echte und Scheinbare Konkurrenz, S. 211; BGHSt 44, 196, 201: „… dass 7
A. Gesetzeskonkurrenz im deutschen Recht
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verdrängten Gesetze bei der Gesetzeskonkurrenz mit dem Prinzip „Regeltatbild“, nach dem das nicht anwendbare Gesetz neben dem verdrängten Gesetz „regelmäßig oder typischerweise“ in Erscheinung trete, begründet.16 Von einem Teil der Lehre17 wird die Verdrängung eines Gesetzes mit den prozessualen Kriterien legitimiert. Nach dieser von Puppe vertretenen Ansicht kann das Gericht auf die Bestrafung wegen der im Unrecht geringfügigen Tatbestände gemäß § 154a StPO verzichten. Wenn z. B. der Täter jemanden tötet und durch diese Tötungshandlungen die Kleidung des Opfers beschädigt, wird über den Täter neben einer Freiheitsstrafe keine weitere Strafe wegen der Sachbeschädigung verhängt.
II. Die Arten der Gesetzeskonkurrenz Durch die Auslegung der Normen des besonderen Teils ist zu bestimmen, wann ein Strafgesetz ein weiteres Merkmal enthält oder ein Gesetz den Unrechts- und Schuldgehalt eines anderen Gesetzes erschöpft. Durch die Auslegung der Gesetze wird die Erschöpfung eines Gesetzes durch ein anderes und das verdrängte und verdrängende Gesetz festgestellt. Im Allgemeinen wird die Gesetzeskonkurrenz unter den drei Formen Spezialität, Subsidiarität und Konsumtion behandelt.18 Über diese Unterscheidungen der Gesetzeskonkurrenz herrscht in der Lehre fast keine Einigkeit. Hier sind insbesondere die unter der Konsumtion und der Subsidiarität behandelten Fälle umstritten.19 1. Spezialität Spezialität ist in der Lehre die am wenigsten umstrittene Art der Gesetzeskonkurrenz. Von Jakobs20 werden alle Arten der Gesetzeskonkurrenz unter den verschiedenen Fallgruppen als Spezialität bezeichnet. Die unter dieser Überschrift dargelegten Fälle nennt er Spezialität kraft Beschreibungsintensität. Bei der Spezialität enthält ein Gesetz alle Merkmale eines anderen und die Handlungen des Täters erfüllen alle Voraussetzungen beider Strafvorschriften. Wenn also die Handlungen des Täters alle Voraussetzungen des speziellen Gesetzes erfüllen,
dem Täter das in den Bereich tatbestandlicher Überschneidung fallende Unrecht nur einmal angelastet werden kann“. 16 MK-v. Heintschel-Heinegg, Vor § 52 Rn. 25; Fahl, ZStW 111 (1999), 156, 166 ff. 17 Puppe, GA 1982, 143, 159; Kargl/Rüdiger, NStZ 2002, 202, 203; vgl. von Krog, Die straflosen Vor- und Nachtaten, S. 26 f.; dagegen, MK-v. Heintschel-Heinegg, Vor § 52 Rn. 28; vgl. Geerds, Zur Lehre von der Konkurrenz, S. 233, Fn. 496. 18 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 173; LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 92. 19 Dazu unten unter den jeweiligen Formen. 20 Jakobs, Strafrecht AT, 31 Rn. 16 ff.
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4. Teil: Die nicht geregelten Konkurrenzformen
weisen sie auch alle Merkmale des Grundtatbestandes auf.21 Das gelte aber für den umgekehrten Fall nicht, weil die Erfüllung des Grundtatbestandes die Erfüllung des speziellen Tatbestandes nicht erfordere. Für die Spezialität ist es entscheidend, dass das spezielle Gesetz noch mindestens ein weiteres Merkmal enthält22 und der Unrechtsgehalt des allgemeineren Gesetzes von dem speziellen Gesetz umfasst wird.23 a) Fälle der Spezialität aa) Zusammengesetzte Straftat Bei dieser Erscheinungsform der Spezialität wird von mehreren selbstständigen Delikten ein neues Delikt gebildet. Die neu gebildete Straftat schließt dann alle Tatbestandsmerkmale anderer Straftaten ein. Wie auch im türkischen Strafrecht ist der Raub gemäß § 249 das klassische Beispiel für die zusammengesetzte Straftat. Der Raub wurde durch die Zusammensetzung des Diebstahls (§ 242) und der Nötigung (§ 240) gebildet.24 Die Bestrafung des Täters wegen des Raubes erschöpft auch den Unrechts- und Schuldgehalt des Diebstahls und der Nötigung. bb) Qualifikationen oder Privilegierungen von Straftaten Qualifizierte und privilegierte Tatbestände sind weitere Erscheinungsformen der Spezialität. Diese umfassen alle Merkmale des Grundtatbestandes und dessen Unrechtsgehalt; deswegen verdrängen diese Formen den Grundtatbestand und es liegt Spezialität vor. §§ 244 und 244a verdrängen den § 242, weil diese schweren Fälle des Diebstahls auch den Grundtatbestand des § 242 einschließen. Ebenso liegt zwischen § 252 und § 242 und zwischen § 227 und § 222 ein Spezialitätsverhältnis vor, weil das verdrängende Gesetz alle Merkmale und den Unrechtsgehalt des allgemeineren Gesetzes enthält.25 Hier ist auch hervorzuheben, dass die besonderen Tätermerkmale ein Spezialitätsverhältnis begründen. In diesem Sinne verdrängt § 340 als lex specialis §§ 223, 224.26 Privilegierende Tatbestände verdrängen auch den Grundtatbestand. Deswegen liegt ein Spezialitätsverhältnis zwischen diesen Tatbeständen vor. Der privilegierende Tatbestand § 216 schließt wegen des Spezialitätsverhältnisses die Anwendung der §§ 211, 212 aus. Die Nichtanwendung der Spezialität kann in 21
MK-v. Heintschel-Heinegg, Vor § 52 Rn. 35; Klug, ZStW 68 (1956), 399, 405; Wegscheider, Echte und Scheinbare Konkurrenz, S. 222. 22 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 177; MK-v. Heintschel-Heinegg, Vor § 52 Rn. 35; LKRissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 98; Geerds, Zur Lehre von der Konkurrenz, S. 193. 23 Geerds, Zur Lehre von der Konkurrenz, S. 193. 24 LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 102; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 186; MKv. Heintschel-Heinegg, Vor § 52 Rn. 39; BGHSt 20, 235, 235 ff.; dagegen: Vogler, FSBockelmann, S. 715, 723. 25 LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 108 ff.; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 Rn. 105; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 180; MK-v. Heintschel-Heinegg, Vor § 52 Rn. 39. 26 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 189; LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 109.
A. Gesetzeskonkurrenz im deutschen Recht
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solchen Fällen eine tätergünstige Wirkung des speziellen Gesetzes rechtswidrig beseitigen.27 In der Lehre und Rechtsprechung ist uneinheitlich behandelt worden, ob zwischen den verschiedenen Qualifikationen des gleichen Tatbestandes die Gesetzeskonkurrenz bzw. Spezialität oder die Idealkonkurrenz angenommen werden muss. In der Rechtsprechung wird angenommen, dass die verschiedenen Qualifikationen des gleichen Grundtatbestandes im Verhältnis der Gesetzeskonkurrenz (Spezialität) ständen, weil die schwerste Qualifikation die anderen Modalitäten bzw. das Gesamtbild der Tat aufzehre.28 Entsprechend der Annahme der Rechtsprechung wird auch in der Lehre vertreten, dass beim Zusammentreffen der verschiedenen Qualifikationen eines Delikts die Erfüllung der minderschweren Bestimmungen für die Strafzumessung relevant sei.29 Nach der allgemeinen Ansicht ist aber Tateinheit zwischen den verschiedenen Qualifikationen möglich, wenn diese Qualifikationstatbestände gegenüber den anderen ein weiteres Unrecht beinhalten und die Anwendung der Gesetzeskonkurrenz den Schuld- und Unrechtsgehalt nicht ausschöpft.30 Dementsprechend ist also die Anwendung der Gesetzeskonkurrenz zwischen den verschiedenen Qualifikationen nicht völlig ausgeschlossen.31 Unter den verschiedenen Alternativen eines Qualifikationstatbestands sei weder die Gesetzeskonkurrenz noch die Idealkonkurrenz möglich. Diese verschiedenen Erschwerungsgründe unter einem Absatz sind relevant für die Strafzumessung. „Die gleichzeitige Erfüllung mehrerer in die gleiche Schutzrichtung zielende lediglich Tatmodalitäten darstellende Erschwerungsgründe rechtfertigt nicht die Annahme von Tateinheit“; und ebenso sei die Annahme der Gesetzeseinheit ausgeschlossen.32 b) Abweichende Fälle wegen der Nichterfassung des Unrechtsgehalts In manchen Fällen wird in der Lehre33 und Rechtsprechung34 wegen der Nichterfassung des Unrechtsgehalts die Tateinheit statt der Gesetzeskonkurrenz angenommen. Zwischen dem versuchten qualifizierten Tatbestand und dem vollendeten Grunddelikt wurde die Idealkonkurrenz angenommen. Auf diese Weise werden
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Geerds, Zur Lehre von der Konkurrenz, S. 198; LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 115; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 Rn. 106. 28 BGHSt 21, 183, 183, 185; OGH JR 1950, 561 f.; vgl. BGH NJW 1970, 1279, 1280. 29 Welzel, Das Deutsche Strafrecht, S. 236. 30 NK-Puppe, vor § 52 Rn. 15; LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 112 f.; SSW-StGB/ Eschelbach, § 52 Rn. 11. 31 MK-v. Heintschel-Heinegg, Vor § 52 Rn. 40; NK-Puppe, vor § 52 Rn. 15; SSW-StGB/ Eschelbach, § 52 Rn. 11; Beispiele dazu unten Vierter Teil A. II. 1. b). 32 LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 111; vgl. Altenhain, ZStW 107 (1995), 381, 388 f. 33 LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 113; Roxin, Strafrecht AT II § 33 Rn. 183 ff. 34 BGHSt 21, 78, 80; BGH StV 2005, 88.
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4. Teil: Die nicht geregelten Konkurrenzformen
beide Begehungsweisen berücksichtigt.35 Das Verhältnis der Idealkonkurrenz besteht z. B. zwischen dem versuchten Raub und dem vollendeten schweren Diebstahl, ebenso zwischen versuchtem schweren Diebstahl und vollendetem einfachen Diebstahl.36 In einer Entscheidung hat der BGH37 zwischen versuchter schwerer Körperverletzung (§ 226 Abs. 1 Nr. 1 Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit) und vollendeter gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 Körperverletzung mittels einer Waffe) Idealkonkurrenz angenommen, weil „der Unrechtsgehalt der Tat durch die Bestrafung des Täters nur wegen einer Straftat (das versuchte qualifizierte Delikt) nicht erschöpft wäre und außerdem sowohl die versuchte schwere Körperverletzung als auch der vollendete Tatbestand im Schuldspruch zum Ausdruck kommen soll“.38 Ebenso wurde die Idealkonkurrenz zwischen § 224 Abs. 1 Nr. 5 und § 226 Abs. 1 Nr. 3 angenommen, wenn die schwere Körperverletzung mittels einer lebensgefährdenden Behandlung (bzw. durch eine gefährliche Körperverletzung) begangen wird. Durch die Annahme der Gesetzeskonkurrenz werde das Unrecht, das bei der lebensgefährlichen Behandlung vorliege, nicht berücksichtigt.39 Wie schon dargestellt, können verschiedene Qualifikationstatbestände zueinander im Verhältnis von Gesetzeskonkurrenz stehen, wenn ein Qualifikationstatbestand noch einen weiteren speziellen Tatbestand enthält. Dementsprechend ist § 250 Abs. 2 Nr. 1 gegenüber § 250 Abs. 1 Nr. 1 a spezieller, sowie § 250 Abs. 2 Nr. 3 b spezieller gegenüber § 250 Abs. 1 Nr. 1 c.40 Dagegen ist § 251 nur gegenüber § 250 Abs. 1 Nr. 1 c und § 250 Abs. 1 Nr. 3b spezieller. Zwischen den anderen Formen der §§ 250 und 251 bestehe das Verhältnis der Idealkonkurrenz.41 2. Subsidiarität Die Subsidiarität wird als eine weitere Form der Gesetzeskonkurrenz bezeichnet. Nach der herrschenden Meinung42 und nach der Rechtsprechung43 geht es um Subsidiarität, wenn die Handlungen des Täters mehrere Tatbestände erfüllen, aber der Täter nur wegen eines Tatbestands zu bestrafen ist, weil der andere nur hilfsweise eingreift. Bei der Subsidiarität werden also mehrere Strafgesetze verletzt, der Täter wird jedoch nur wegen eines Gesetzes bestraft. Dabei ist das andere Strafgesetz nur 35
Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 183. BGHSt 10, 230, 230 f.; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 Rn. 106; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 183. 37 BGHSt 21, 194, 194 ff. 38 BGHSt 21, 194, 195; vgl. BGHSt 53, 23, 24. 39 BGH NJW 2009, 863, 863; vgl. MK-v. Heintschel-Heinegg, Vor § 52 Rn. 39. 40 NK-Kindhäuser, § 250 Rn. 27; MK-v. Heintschel-Heinegg, Vor § 52 Rn. 40. 41 MK-v. Heintschel-Heinegg, Vor § 52 Rn. 40; NK-Kindhäuser, § 251 Rn. 12. 42 MK-v. Heintschel-Heinegg, Vor § 52 Rn. 42; Roxin, Strafrecht AT II § 33 Rn. 190; LKRissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 121; Geerds, Zur Lehre von der Konkurrenz, S. 179; Jescheck/ Weigend, Strafrecht AT, § 69 II 2. 43 BGHSt 6, 297, 297, 298. 36
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anwendbar, „wenn kein weiterer Tatbestand mit einer schwereren Strafe eingreift“44. In der Lehre betont Klug, dass es hier um die Interferenz mehrerer Tatbestände gehe, weil sich bei der Subsidiarität der Aushilfstatbestand und das anzuwendende Gesetz überschneiden.45 Wann ein subsidiäres Strafgesetz hinter dem vorrangigen Gesetz zurücktreten soll oder welches Gesetz gegenüber dem subsidiären Gesetz Vorrang hat, wird in manchen Normen des StGB ausdrücklich geregelt. Darüber hinaus sind manche Subsidiaritätsklauseln durch Auslegung zu bestimmen. Deswegen ist zwischen der formellen und materiellen Subsidiarität zu unterscheiden. a) Formelle Subsidiarität Bei der formellen Subsidiarität tritt ein Strafgesetz wegen des Gesetzeswortlauts gegenüber dem Gesetz, das die schwerste Strafe androht, oder gegenüber einem im Gesetz vorgeschriebenen Gesetz zurück und ist als subsidiär anwendbar, wenn das andere Gesetz nicht anzuwenden ist. Im ersten Fall geht es um die allgemeine formelle Subsidiarität und im zweiten um die spezielle formelle Subsidiarität. Schmitt nennt die Vorschriften, bei denen die formelle Subsidiarität anzunehmen ist, „gesetzgeberische Verlegenheit“. Mit den Subsidiaritätsklauseln werden die Strafbarkeitslücken beseitigt, die durch bestimmte gesetzliche Formulierungen nicht behoben werden konnten. Die in diese Lücken fallenden Fälle sind nicht ausreichend erfasst. Aus diesem Grunde wurden Subsidiaritätsklauseln geschaffen.46 Bei der allgemeinen Subsidiarität tritt das subsidiäre Gesetz gegenüber dem anderen Gesetz zurück. Das subsidiäre Gesetz ist nicht anzuwenden, wenn die Tat in anderen Vorschriften mit schwerer Strafe bedroht ist. (z. B. §§ 107b Abs. 1, 109e Abs. 5, 248b Abs. 1, 265a Abs. 1, 125 Abs. 1) Eine spezielle Subsidiarität liegt vor und das subsidiäre Gesetz ist anzuwenden, wenn die Tat gemäß den im subsidiären Gesetz benannten Gesetzen nicht mit Strafe bedroht ist. (z. B. §§ 95 Abs. 1, 99 Abs. 1, 145 Abs. 2, 145d Abs. 1, 316 Abs. 1) Bei der formellen Subsidiarität ist fraglich, was für ein Verhältnis zwischen den verdrängten und den verdrängenden Gesetzen bestehen soll. Mit anderen Worten, ob diese Gesetze gleiche Rechtsgüter schützen sollen. In den alten Entscheidungen des BGH wurden die Subsidiaritätsklauseln mit Einschränkungen angenommen. Und zwar müssen Zweck und Schutzrichtung der Tatbestände dahingehend untersucht werden, ob der Auffangtatbestand anzuwenden ist.47 Der BGH hat seine vorherigen Entscheidungen bezüglich der einschränkenden Subsidiaritätsklauseln nicht fortgeführt und geht bei einer Entscheidung in Bezug auf § 246 davon aus, dass „eine Einschränkung der Subsidiaritätsklauseln mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht 44
Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 190. Klug, ZStW 68 (1956), 399, 406; vgl. Fahl, JA 1995, 654, 655. 46 Schmitt, ZStW 75 (1963), 43, 50 f.; vgl. SK-Samson/Günther, vor § 52 Rn. 86; MKv. Heintschel-Heinegg, Vor § 52 Rn. 44. 47 BGHSt 6, 297, 298; 8, 191, 192; vgl. Duttge/Sotelsek, NJW 2002, 3756, 3756 ff. 45
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vereinbar wäre … Daher gilt die Subsidiaritätsklausel des § 246 StGB für alle Delikte mit höherer Strafdrohung.“48 Diese Annahme des BGH wird in der Lehre49 kritisch betrachtet und abgelehnt. Im Allgemeinen wird ausgeführt, dass die einschränkende Auslegung der Subsidiaritätsklauseln, wie die Verletzung der gleichartigen Rechtsgüter oder „Handlungen gleicher krimineller Angriffsrichtung“50, keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG bildet, der strafbarkeitsbegründende, strafschärfende und strafbarkeitseinschränkende Wirkung hat, weil die Subsidiaritätsklauseln keine strafbarkeitseinschränkende Wirkung haben. Im § 246 geht es um die Handlungen, die der Zueignung einer beweglichen Sache dienen. Diese Norm ist subsidiär, wenn diese Zueignungshandlungen in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht sind. Das verdrängende Gesetz muss also mit den Zueignungshandlungen verbunden sein. Darüber hinausgehende Taten bzw. Taten im prozessualen Sinne dürfen also nicht zur Begründung der Subsidiarität angenommen werden.51 Außerdem wird in der Lehre52 eine Mittelmeinung vertreten, dass die allgemeine Subsidiarität angenommen werden könne, wenn die Gesetze „mindestens teilweise dasselbe Rechtsgut schützen“ oder „typische Verknüpfung zwischen den Tatbeständen vorliege“. Das sei zwischen den §§ 125 und 224 der Fall, weil die Gewalttätigkeit als Tatbestandsmerkmal zu beiden Gesetzen gehöre. Die Subsidiarität tritt also nicht ein, wenn die Gesetze ganz andere Rechtsgüter schützen (z. B. ist die Subsidiarität zwischen § 125 und § 103 ausgeschlossen).53 b) Materielle Subsidiarität Die Bestimmungen der materiellen Subsidiarität werden im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Materielle Subsidiarität liegt vor, wenn ein Rechtsgut in mehreren Gesetzen erfasst wird, die dieses Rechtsgut in den verschiedenen Stadien und von unterschiedlich intensiven Arten von Angriffen schützen.54 Hier sind die aufeinanderfolgenden Deliktsstadien, selbstständige Vorbereitungshandlungen und die verschieden intensiven Angriffsarten zu untersuchen.55 Die Vorbereitungshandlun48 BGHSt 47, 243, 244; BGHSt 43, 237, 237 f.: Nach dieser Entscheidung stehen Landfriedensbruch und die gefährliche Körperverletzung im Subsidiaritätsverhältnis; vgl. Cantzler/ Zauner, Jura 2003, 483, 483 ff.; dagegen in älteren Entscheidungen: BGHSt 8, 191, 192; BGH NJW 1954, 1614. 49 MK-v. Heintschel-Heinegg, Vor § 52 Rn. 45; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 193 ff.; LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 127 ff.; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 69 II 2; Freund/ Putz, NStZ 2003, 242, 245; Cantzler/Zauner, Jura 2003, 483, 484. 50 Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 69 II 2. 51 LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 128; Freund/Putz, NStZ 2003, 242, 245. 52 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 195 f.; Rudolphi, JZ 1998, 471, 472. 53 Rudolphi, JZ 1998, 471, 472. 54 MK-v. Heintschel-Heinegg, Vor § 52 Rn. 46; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 Rn. 109; SK-Samson/Günther, vor § 52 Rn. 92. 55 Roxin, Strafrecht AT II § 33 Rn. 199 ff.; MK-v. Heintschel-Heinegg, Vor § 52 Rn. 46 ff.
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gen mancher Straftaten56 werden besonders im Gesetz geregelt und unter Strafe gestellt (§§ 84, 149 und 310). Die Vorbereitung der Fälschung von Geld- und Wertzeichen gemäß § 149 ist subsidiär gegenüber den §§ 146, 148. Daneben tritt auch § 83 hinter §§ 81, 82 zurück, wenn die verdrängenden Tatbestände verwirklicht wurden.57 Zwischen den verschiedenen Erscheinungsformen des § 30 und versuchten oder vollendeten Taten kann ein Subsidiaritätsverhältnis vorliegen. Wenn die Ausführung der Tat im Stadium des Versuchs stecken bleibt oder die Tat vollendet wird, ist der Anstifter nicht wegen der versuchten Anstiftung gemäß § 30, sondern wegen der Anstiftung zu einer versuchten oder vollendeten Straftat strafbar. § 30 tritt also gegenüber dem versuchten oder vollendeten Delikt als subsidiär zurück.58 Zwischen der versuchten Anstiftung der schweren Form und der verwirklichten einfachen Form ist aber Idealkonkurrenz anzunehmen.59 Dieselben Kriterien gelten auch bei der Verabredung und dem Sich-bereit-Erklären gemäß § 30 Abs. 2.60 Gegen diese Ansichten ist Puppe in der Lehre der Meinung, dass die Vollendung eines Delikts gegenüber seinem Versuch ein Spezialfall sei; deswegen müsse man solche Fälle nicht im Rahmen der Subsidiarität behandeln.61 In der Lehre62 und in der Rechtsprechung wird angenommen, dass die Körperverletzung gegenüber dem Tötungsdelikt subsidiär sei, wenn sie als Durchgangsdelikt der Tötung in Erscheinung trete. Demnach sei die Körperverletzung ein notwendiges Durchgangsstadium für das Tötungsdelikt und trete als subsidiär63 zurück. Hiervon seien die Fälle zu unterscheiden, in welchen die Körperverletzung nicht als bloßes Durchgangsstadium erscheine.64 Dagegen wird in der Lehre65 vertreten, dass die Idealkonkurrenz angenommen werden müsse, wenn „die Tötung mit Verletzung im Überschuss, also auf die besonders schmerzhafte oder auf intensiv 56
Vorbereitungsdelikte. MK-v. Heintschel-Heinegg, Vor § 52 Rn. 47; Roxin, Strafrecht AT II § 33 Rn. 200; LKRissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 132. 58 Roxin, Strafrecht AT II, § 28 Rn. 37 f., § 33 Rn. 201; BGH NStZ 2000, 197, 199; vgl. MK-v. Heintschel-Heinegg, Vor § 52 Rn. 48; LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 132. 59 Roxin, Strafrecht AT II, § 28 Rn. 38; vgl. LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 133 f.; BGHSt 9, 131, 131, 132 ff. 60 Roxin, Strafrecht AT II, § 28 Rn. 74 ff., 81; BGHSt 14, 378, 378 ff. 61 NK-Puppe, vor § 52 Rn. 10. 62 LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 134 ff.; vgl. Roxin, Strafrecht AT II, § 28 Rn. 204; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 2 Rn. 21. 63 Das Verhältnis von Körperverletzungs- und Tötungsdelikten wird in der Lehre unterschiedlich behandelt. Dieser Fall der Subsidiarität nähert sich der Spezialität, weil „die Tötung mit begrifflicher Notwendigkeit das Durchgangsstadium der Körperverletzung durchläuft.“ Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 204. 64 Roxin, Strafrecht AT II, § 28 Rn. 205, 206. 65 MK-v. Heintschel-Heinegg, Vor § 52 Rn. 52; Jakobs, Die Konkurrenz von Tötungsdelikten, S. 110 ff.; Jakobs, NJW 1969, 437, 437 ff.; dagegen: LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 136; von einem Teil der Lehre wird dieser Fall als Spezialität angesehen: S/S-Eser, § 212 Rn. 18; Puppe, AT Bd. 2 § 52 Rn. 6. 57
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4. Teil: Die nicht geregelten Konkurrenzformen
verletzende Weise“ begangen werde. Jedoch sei das Konsumtionsverhältnis zwischen der Tötung und der Körperverletzung anzunehmen, wenn die Körperverletzung bei dem Tötungsunrecht typischerweise begangen werde. Subsidiär sind die Gefährdungsdelikte gegenüber den Verletzungsdelikten sowie die abstrakten Gefährdungs- gegenüber den konkreten Gefährdungsdelikten. § 316 ist subsidiär gegenüber den §§ 315a und 315c. Als konkretes Gefährdungsdelikt ist § 306f gegenüber den Verletzungsdelikten §§ 306 – 306d subsidiär. Für die Annahme der Subsidiarität zwischen den abstrakten und konkreten Gefährdungsdelikten und zwischen den Gefährdungsdelikten und Verletzungsdelikten muss dasselbe Rechtsgut geschützt werden.66 Gegen die h. L. hat Puppe die Annahme des Subsidiaritätsverhältnisses zwischen den Gefährdungs- und Verletzungsdelikten abgelehnt, weil die Gefährdungsdelikte für die Verletzungsdelikte ein Vorstadium bilden würden und für ihre Erfüllung notwendig seien.67 Zwischen verschieden intensiven Angriffsarten kommen die Subsidiaritätsklauseln ebenfalls zum Tragen. Beim Vorliegen der schwerwiegenden Angriffsarten ist die Anwendung des Gesetzes, das die schwächere Angriffsart beinhaltet, ausgeschlossen. Z. B. sind die Anstiftung und die Beihilfe gegenüber der Täterschaft und die Beihilfe gegenüber der Anstiftung subsidiär.68 Ebenso sind das fahrlässige Delikt gegenüber dem vorsätzlichen Delikt und das Unterlassungsdelikt gegenüber dem Begehungsdelikt subsidiär.69 3. Konsumtion Konsumtion wird nach einem Teil der Lehre70 als eine eigenständige Form der Gesetzeskonkurrenz behandelt. Es wird angenommen, dass es sich bei der Konsumtion um eine „wertende Betrachtungsweise“ handele, wohingegen sich das Spezialitätsverhältnis nach den Regeln der Logik richte.71 Die Erscheinungsformen der Konsumtion sind „die typische Begleittat“ und „mitbestrafte Nachtat“. In der Lehre wurde dagegen angenommen, dass die Konsumtion keine selbstständige Form der Gesetzeskonkurrenz sei und die Fälle der Konsumtion als Spezialität oder Subsidiarität untergeordnet würden. Die Konsumtion liege der Interferenz zugrunde; 66
MK-v. Heintschel-Heinegg, vor § 52 Rn. 47; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 207 ff.; LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 130; SK-Samson/Günther, vor § 52 Rn. 93; BGHSt 8, 243, 244. 67 NK-Puppe, vor § 52 Rn. 10, 38 ff. 68 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 212; LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 137; MKv. Heintschel-Heinegg, Vor § 52 Rn. 47; BGHSt 30, 28, 30; BGH NStZ 1994, 29, 29 f. 69 LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 138; MK-v. Heintschel-Heinegg, Vor § 52 Rn. 48; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 211. 70 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 213 ff.; LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 144 ff.; MKv. Heintschel-Heinegg, Vor § 52 Rn. 49 ff. 71 Fahl, GA 1996, 476, 483; vgl. LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 144.
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deswegen sei diese Form der Gesetzeskonkurrenz entbehrlich.72 Puppe führt aus, dass es sich hier um die Tateinheit kraft Erfolgseinheit handele.73 a) Die typische Begleittat Die erste Erscheinungsform der Konsumtion bilden die typischen Begleittaten, die die Verletzung „anderer Rechtsgüter oder Tatobjekte konsumieren“.74 Bei der Verwirklichung eines Tatbestandes begeht der Täter zugleich andere Straftaten, die typischerweise miteinander verbunden sind. Die Bestrafung wegen der Begleittaten sei absurd und unnötig, weil die Bestrafung wegen der Haupttat die typischen oder regelmäßigen Begleittaten umfasst. Demnach sei die Annahme der Idealkonkurrenz zwischen der Tötung und Sachbeschädigung, die durch den Schuss des Täters herbeigeführt werde, falsch.75 § 244 Abs. 1 Nr. 3 konsumiert die Tatbestände Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung. Dasselbe gilt auch für § 243 Abs. 1 Nr. 1. Diesbezüglich sind die Entscheidungen des BGH uneinheitlich. Der BGH hat in einer Entscheidung76 ausdrücklich die Annahme des Konsumtionsverhältnisses zwischen § 243 Abs. 1 Nr. 1 und § 123 abgelehnt, da es hier nur um die Regelbeispiele des schweren Diebstahls und um die Strafzumessungsregeln gehe. Dagegen hat der BGH in einer anderen Entscheidung die Strafzumessungsregeln als tatbestandsähnlich bewertet und wie ein Tatbestandsmerkmal behandelt; demzufolge wurde die Gesetzeskonkurrenz (Konsumtion) hier angenommen.77 Schwangerschaftsabbruch gemäß § 218 konsumiert die damit verbundene Körperverletzung. Durch die Bestrafung gemäß § 218 wird auch die Körperverletzung mit abgegolten. Die Körperverletzung ist also eine Begleittat neben der Haupttat § 218. Ebenso wird § 164 durch § 344 konsumiert.78 Das konsumierende Delikt braucht hierbei nicht schwerer als das konsumierte Delikt zu sein. Das minder schwere Delikt, z. B. „Unbefugter Gebrauch eines Fahrzeugs § 248b“, konsumiert in diesem Sinne das Delikt „Diebstahl § 242“, das die schwerste Strafe androht, wenn, wie in aller Regel, der Gebrauch des Fahrzeugs den Kraftstoff im Auto verbraucht. In diesem Fall ist der Kraftstoffverbrauch eine typische Begleittat. Wenn hier kein Konsumtionsverhältnis angenommen würde, könnte § 248b wegen der Subsidiari72
Klug, ZStW 68 (1956), 399, 415; vgl. Schmitt, ZStW 75 (1963), 43, 55. NK-Puppe, vor § 52 Rn. 25 ff. 74 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 215; LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 145; Geerds, Zur Lehre von der Konkurrenz, S. 217. 75 Geerds, Zur Lehre von der Konkurrenz, S. 217; vgl. Fahl, GA 1996, 476, 483. 76 BGH NJW 2002, 150, 150 ff. 77 BGHSt 33, 370, 374; differenzierend in der Lehre, konsumiert § 243 Abs. 1 Nr. 1 den § 303 und 123, LK-Vogel, § 243 Rn. 79; S/S-Eser/Bosch, § 243 Rn. 59; es wird angenommen, dass § 243 nur den § 123 konsumiere, weil Hausfriedensbruch eine typische Begleittat sei. Dagegen müsse eine Sachbeschädigung nicht notwendigerweise mit der Haupttat in Erscheinung treten. Dies gelte auch für den § 244. MK-Schmitz, § 243 Rn. 93, § 244 Rn. 69. 78 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 217; LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 146. 73
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tätsklausel gemäß § 248b Abs. 1 keine Anwendung finden.79 Daneben ist festzustellen, dass die Bestrafung der Haupttat auch den Unrechtsgehalt der anderen Taten umfasst. Die Bestrafung wegen der anderen Taten findet nicht mehr statt, weil der Gesetzgeber bei der Feststellung der Strafrahmen die konsumierten Taten berücksichtigt hat.80 Ein Konsumtionsverhältnis zwischen den Haupt- und Begleittaten wird nicht angenommen, wenn die Begleittat bei der Begehung der Haupttat über das erforderliche Maß hinausgeht und dem typischen oder regelmäßigen Verlauf der Tat nicht entspricht. Konsumtion ist hier abzulehnen, weil der Unrechts- und Schuldgehalt der Begleittaten durch die Bestrafung der Haupttat nicht abgegolten ist.81 Begeht der Täter einen Wohnungseinbruchdiebstahl durch die Zerstörung der ganzen Wand einer Wohnung statt der Zerstörung eines Fensters, ist die Sachbeschädigung nicht mehr als eine typische Begleittat zu bewerten. Ebenso liegt keine Konsumtion, sondern Idealkonkurrenz zwischen dem Schwangerschaftsabbruch und der Körperverletzung vor, wenn der Täter die Frau neben den Abbruchshandlungen zusätzlich verletzt hat. Demnach liege in solchen Fällen Idealkonkurrenz vor.82 b) Mitbestrafte Nachtat Von einem Großteil der Lehre83 wird die mitbestrafte Nachtat oder straflose Nachtat als Erscheinungsform der Konsumtion bewertet. Der mitbestraften Nachtat liegt der Gedanke zugrunde, dass der Täter nach der Begehung einer Straftat weitere Handlungen, die auch tatbestandsmäßig und selbstständig strafbar sind, verwirklicht, um durch die vorherige Tat (hier: Haupttat) den herbeigeführten Zustand zu sichern, auszuwerten oder zu verwerten. Daneben wird durch die Bestrafung der Haupttat der 79
Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 217; NK-Kindhäuser, § 248b Rn. 13. S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 Rn. 125; LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 145; vgl. MK-v. Heintschel-Heinegg, vor § 52 Rn. 78; Geerds, Zur Lehre von der Konkurrenz, S. 216 ff. 81 LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 147; MK-v. Heintschel-Heinegg, vor § 52 Rn. 51; vgl. BGH NJW 2002, 150, 152. 82 LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 147; Jakobs, Strafrecht AT, 31 Rn. 30; MKv. Heintschel-Heinegg, Vor § 52 Rn. 51; Fahl, GA 1996, 476, 483; S/S-Sternberg-Lieben/ Bosch, Vorbem. §§ 52 Rn. 126. 83 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 219; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 69 II 2 a; LKVogler10, vor § 52 Rn. 137; SK-Samson/Günther, vor § 52 Rn. 99 ff.: wonach die Vor- und Nachtat als Konsumtion bei der Handlungsmehrheit bezeichnet wird, Geerds, Zur Lehre von der Konkurrenz, S. 205 ff.; dagegen führt v. Heintschel-Heinegg aus, dass es zwischen der materiellen Subsidiarität und Konsumtion keinen normativen Unterschied gebe. Für die Annahme der Subsidiarität in der Lehre: Schmitt geht davon aus, dass bei der unechten Realkonkurrenz (da bei dem Gesamtkomplex des Tatgeschehens, die Haupt- und Vor- oder Nachtaten, Handlungsmehrheit im konkurrenzrechtlichen Sinn vorliege) statt der Annahme der Konsumtion die Subsidiarität angemessen sei. Schmitt, ZStW 75 (1963), 43, 55. Für die Annahme der Bewertungseinheit der Vor- und Nachtaten in der Lehre: Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe, Rn. 87; vgl. Lackner/Kühl, vor § 52 Rn. 31. 80
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Unrechts- und Schuldgehalt der Nachtaten abgegolten. Durch die Bestrafung der Haupttat ist also die Nachtat nicht mehr strafbedürftig.84 Die mitbestrafte Nachtat wird als die „typisch“ nachträgliche Begleittat bezeichnet, weil zur Sicherung oder Auswertung des durch die Haupttat gewonnenen Zustands die Begehung der Nachtaten erforderlich ist.85 Für die Annahme der mitbestraften Nachtat bzw. für die Nichtbestrafung der Nachtat darf die Nachtat jedoch kein neues Rechtsgut verletzen. Zweitens muss der Geschädigte derselbe sein. Drittens darf durch die Nachtat kein neuer Schaden verursacht werden, sondern der alte kann vertieft werden.86 Dagegen wird in der Lehre87 vertreten, dass der durch die Haupt- und Nachtat Geschädigte nicht immer identisch sein muss. Wenn z. B. der Rechtsgutsinhaber seine Sache nach dem Diebstahl an einen Dritten nach § 931 BGB übergibt und der Täter die Sache, deren Eigentum durch die Abtretung des Herausgabeanspruchs auf einen Dritten übergegangen ist, beschädigt, liegt trotz der Ungleichheit des Geschädigten eine mitbestrafte Nachtat vor. Dagegen ist aber die mitbestrafte Nachtat ausgeschlossen, wenn z. B. der Täter die gestohlene Sache an einen gutgläubigen Erwerber übergibt, weil ein anderes Rechtsgut verletzt wurde.88 Die zur Verwertung oder Sicherung der Vorteile aus vorangegangenen Taten begangenen Straftaten seien straflos, wenn durch die späteren Handlungen kein neues Rechtsgut verletzt werde und die Geschädigten identisch seien.89 Für die Annahme der mitbestraften Nachtat müssen die späteren Handlungen einen weiteren Tatbestand erfüllen. Der dem Diebstahl folgende Betrug kann eine mitbestrafte Nachtat sein, wenn er zur Sicherung der durch den Diebstahl erworbenen Sache dient. Das gilt auch für die falsche Angabe der Umsatzsteuerjahreserklärung, die zur Sicherung des durch das vorherige Unterlassen der Umsatzsteueranmeldung erlangten Vorteils dient.90 Ein Teil der Lehre ist der Ansicht, dass die Zerstörung der entwendeten Sache eine straflose Nachtat sei.91 Dagegen geht ein anderer Teil der Lehre davon aus, dass in diesem Fall der Diebstahl und die Sachbeschädigung im 84
Vgl. LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 152. Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 219; vgl. Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 69 II 2 a; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, Rn. 795; Geerds, Zur Lehre von der Konkurrenz, S. 205 ff. 86 LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 153; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 220; SKSamson/Günther, vor § 52 Rn. 101; BGH NStZ 1987, 23; BGH NStZ 2008, 396, 396 f. 87 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 220; Jakobs, Strafrecht AT, 31 Rn. 36; S/S-Stree26, Vorbem. §§ 52 Rn. 114; dagegen: Maurach/Gössel/Zipf, Strafrecht AT II7, § 56 Rn. 32 ff. 88 Jakobs, Strafrecht AT, 31 Rn. 36; S/S-Stree26, Vorbem. §§ 52 Rn. 114; Roxin, Strafrecht AT II § 33 Rn. 222; BGHSt 16, 280, 281, 282. 89 S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 Rn. 131. 90 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 223; LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 156; BGHSt 38, 366, 368. 91 S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 Rn. 131; LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 154 ff.; MK-Wieck-Noodt, § 303 Rn. 70; BGH NStZ-RR 1998, 294 ff. 85
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4. Teil: Die nicht geregelten Konkurrenzformen
Verhältnis der Realkonkurrenz zueinander ständen, weil die Sachbeschädigung das Eigentum auf eine andere Art und Weise verletze. Der Rechtsgutsinhaber habe nach dem Diebstahl immer die Möglichkeit, sein Eigentum über die gestohlene Sache wiederzuerlangen.92 Durch die Beschädigung oder Zerstörung wird diese Möglichkeit ganz oder teilweise beseitigt. c) Mitbestrafte Vortat Unter der Konsumtion werden die Vortaten, die zur Verwirklichung der nachfolgenden Straftaten dienen, behandelt. Die Vortaten bzw. Vorbereitungshandlungen sind weniger intensive Angriffsarten auf dasselbe Rechtsgut. Die Unterschlagung des Schlüssels eines Fahrzeugs ist eine mitbestrafte Vortat, wenn der Täter später das Fahrzeug mithilfe dieses Schlüssels entwendet.93 Für die Annahme der mitbestraften Vortat muss es sich beim Rechtsgutsinhaber um dieselbe Person handeln. Im Falle der Verschiedenheit der Rechtsgutsinhaber dagegen liegt Tatmehrheit vor. Der Diebstahl einer EC-Karte und der damit begangene Computerbetrug ist im Verhältnis als Realkonkurrenz zu bezeichnen, weil die Rechtsgutsinhaber verschiedene sind.94
III. Die Rechtsfolgen der Gesetzeskonkurrenz Nach der Feststellung, dass eine Gesetzeskonkurrenz besteht, ist die Strafe nach dem verdrängenden Gesetz zu bestimmen. Das verdrängte Gesetz bleibt im Urteilstenor unerwähnt, weil der Unrechts- und Schuldgehalt des verdrängten Gesetzes durch die Bestrafung des Täters wegen des verdrängenden Tatbestandes vollständig erschöpft ist. Das verdrängte Gesetz wird aber manchmal bei der Bestrafung berücksichtigt; auf diese Weise wird der Unterschied zwischen der Tateinheit und Gesetzeskonkurrenz gemindert. Diese Annäherung wurde in der Lehre so bezeichnet, dass die Unterscheidung nahezu „bedeutungslos gemacht“95 sei und die „Bedeutung der Unterscheidung zwischen diesen Instituten weitgehend eingeebnet“96 werde:
92 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 224; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 69 II 2 a; nur beim Vorliegen ist der bestimmungsgemäße Verbrauch als mitbestrafte Nachtat zu berücksichtigen. NK-Zaczyk, § 303 Rn. 19; vgl. Stratenwerth/Kuhlen, § 18 Rn. 17. 93 LK-Rissing-van Saan, Vor § 52 Rn. 150; MK-v. Heintschel-Heinegg, vor § 52 Rn. 59; Fuchs, Gesetzeskonkurrenz und mitbestrafte Vortaten, S. 118 f.; vgl. Kühl, Strafrecht AT, § 21 Rn. 67. 94 S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 Rn. 127; Kühl, Strafrecht AT, § 21 Rn. 67; MK-Wohlers/Mühlbauer, § 263a Rn. 84, 86; NK-Kindhäuser, § 263a Rn. 64; vgl. Wohlers, NStZ 2001, 539 ff.; BGH NJW 2001, 1508 f. 95 LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 95; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 69 I 2. 96 S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 Rn. 103.
A. Gesetzeskonkurrenz im deutschen Recht
265
– Die Bestrafung des Täters wegen des verdrängten Gesetzes: Bei der Gesetzeskonkurrenz ist die Strafe des Täters nach dem vorrangigen Gesetz zu bestimmen. Das verdrängte Gesetz kommt dabei nicht zur Anwendung, es sei denn, die Bestrafung des Täters ist wegen dem vorrangigen Gesetz aus materiell-rechtlichen oder prozessualen Gründen unmöglich.97 Bei einem Wohnungseinbruchdiebstahl ist der Täter nur gemäß § 244 I Nr. 3 zu bestrafen, weil dieser Tatbestand die Sachbeschädigung und den Hausfriedensbruch konsumiert. Der Täter ist aber nach §§ 123, 303 zu bestrafen, wenn er in die Wohnung einbricht, sie betritt und sogleich freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt.98 Ebenso ist ein Täter (der Sohn), der bei seinen Eltern einbricht, nur nach den §§ 123, 303 zu bestrafen, wenn die Eltern nur wegen dieser Straftat, aber nicht wegen Diebstahls einen Strafantrag stellen. Der Rücktritt von einem schweren Delikt ist kein Hindernis für die Bestrafung des Täters wegen des einfachen Tatbestands. Wenn der Täter von einer Geld- oder Wertzeichenfälschung (§§ 146, 148) zurücktritt, ist er wegen des subsidiären Delikts (§ 149) strafbar, weil der Rücktritt von der Tat die Fälschungsmöglichkeiten nicht beseitigt.99 Es ist aber nicht immer so, dass der Täter beim Rücktritt wegen des verdrängten Gesetzes strafbar ist. Wenn das primär anwendbare Gesetz für den Täter noch günstiger ist, bleibt der Täter beim freiwilligen Rücktritt straflos. Bei einer versuchten Tötung auf Verlangen ist der Täter nicht wegen der schweren Körperverletzung strafbar, weil er sonst schlechter gestellt werden könnte.100 Die Vorbereitungshandlung gemäß § 30 bleibt nicht strafbar, wenn der Täter von der Begehung der Haupttat freiwillig zurückgetreten ist, weil das Rücktrittsprivileg verloren gehen kann. Dasselbe gilt auch bei den versuchten Straftaten, die „an Schwere hinter dem geplanten Verbrechen zurückbleiben“.101 Ob ein freiwilliger Rücktritt von einem Brandstiftungsversuch (§§ 306, 24) und tätige Reue (§ 306e) die Bestrafung des Täters wegen des Herbeiführens einer Brandgefahr nach § 306 f verhindern, ist umstritten. Nach h. M. ist der Täter hier auch wegen des Gefährdungsdelikts nicht strafbar, weil der Rücktritt alle bis dahin
97
MK-v. Heintschel-Heinegg, vor § 52 Rn. 66; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 229 ff. Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 229; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 Rn. 140: Bei qualifizierender Spezialität kann auf das allgemeine Gesetz zurückgegriffen werden. Beim Zurücktreten eines Vergewaltigungsversuches ist der Täter wegen der sexuellen Nötigung strafbar. 99 S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 Rn. 142/143; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 234; LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 141. 100 S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 Rn. 142/143. 101 „Straflosigkeit muss alle bis zum Rücktritt verwirklichten Handlungen erfassen.“ Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 231 ff.: Wenn die Täter einen Raub verabreden, aber versuchen, das Geld durch einen Diebstahl, von dem sie freiwillig zurücktreten sind, an sich zu nehmen. Das Wiederaufleben des subsidiären Gesetzes (§ 30 Abs. 2) sei auch hier nicht der Fall, LK-Rissingvan Saan, vor § 52 Rn. 142. 98
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4. Teil: Die nicht geregelten Konkurrenzformen
verwirklichten Handlungen und Stufen umfasse.102 Ebenso ist auch die Frage uneinheitlich beantwortet worden, ob der Täter wegen der eigentlich straflosen Nachtat doch strafbar sein könnte, wenn die Vortat aus prozessualen Gründen nicht strafbar ist. Nach der Rechtsprechung und der überwiegenden Ansicht in der Lehre ist der Täter wegen der konsumierten Nachtat strafbar, wenn der Unrechts- und Schuldgehalt der Nachtat nicht abgegolten werde. Dies ist der Fall, wenn die Bestrafung der Haupttat nicht erfolgt und somit der Unrechts- und Schuldgehalt einer Nachtat nicht berücksichtigt werden konnte. Deswegen liegt kein Grund für die Straflosigkeit der Nachtat vor; die Strafbarkeit der Nachtat lebt wieder auf.103 – Sperrwirkung des milderen Gesetzes: Nach der Rechtsprechung und h. L. darf die Strafe des Täters die Mindeststrafe des verdrängten Gesetzes nicht unterschreiten. Der neben dem schweren Tatbestand noch einen vorrangig weniger schweren Tatbestand verwirklichende Täter darf nicht davon profitieren, weil er (im Vergleich zum Täter, der nur den schweren Tatbestand verwirklicht) noch einen weiteren Tatbestand verwirklicht hat104. Somit muss also die Mindeststrafe des verdrängten Gesetzes bei der Strafrahmenbildung berücksichtigt werden. Begeht der Täter einen (schweren) Schwangerschaftsabbruch (§ 218) und verliert demzufolge die Schwangere ihre Fortpflanzungsfähigkeit, verdrängt der Schwangerschaftsabbruch die schwere Körperverletzung (§ 226 Abs. 1) und § 218 Abs. 2 findet Anwendung. Bei der Bestrafung wegen des Schwangerschaftsabbruchs, dessen Mindeststrafe sechs Monate ist, darf die Mindeststrafe der schweren Körperverletzung (ein Jahr) nicht unterschritten werden.105 Eine Berücksichtigung der Höchststrafe des verdrängenden Gesetzes besteht jedoch nicht.106 102
Roxin, Strafrecht AT II § 33 Rn. 233; LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 143; S/SSternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 Rn. 143; dagegen: BGHSt 39, 128, 128. 103 BGHSt 38, 366, 368; Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 237 ff.; LK-Rissing-van Saan, vor § 52 Rn. 163; MK-v. Heintschel-Heinegg, vor § 52 Rn. 73; dagegen: SK-Samson/Günther, vor § 52 Rn. 102; differenzierend: S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 Rn. 136. 104 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 243 ff.; MK-v. Heintschel-Heinegg, vor § 52 Rn. 63; S/ S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 Rn. 144; Warda, JuS 1964, 81, 92; BGHSt 10, 312, 312, 315; 30, 166, 167; BGH NStZ 2003, 440, 440. 105 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 243; BGHSt 10, 312, 315; 15, 345, 345, 346. Die Ansicht, dass zwischen der schweren Körperverletzung und dem Schwangerschaftsabbruch Gesetzeskonkurrenz bestehe, wird in der Lehre und Rechtsprechungen nach dem 6. StrRG nicht mehr vertreten, weil Schwangerschaftsabbruch nach der Gesetzesänderung als ein Vergehen zu bewerten ist, und §§ 226, 227 als Verbrechen von einem Vergehen (§ 218) nicht verdrängt werden kann. Obwohl § 218 und § 224 Vergehen sind, kann nach dem 6. StrRG zwischen Schwangerschaftsabbruch und gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5) Tateinheit bestehen, weil die Strafe der gefährlichen Körperverletzung verdoppelt wird. Dieser neue Strafrahmen soll zur Wiederbewertung des Unrechtsgehaltes beider Straftaten führen und daraus resultiert die Annahme der Idealkonkurrenz zwischen diesen Straftaten. Arzt/Weber/ Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht BT, § 5 Rn. 94 ff.; Wessels/Hettinger, Strafrecht BT I, § 4 Rn. 242 f.; NK-Merkel, § 218 Rn. 153; BGH NStZ 2008, 32, 32; vgl. Maurach/Schroeder/ Maiwald, Strafrecht BT I, § 6 Rn. 14; BGHSt 28, 11, 16 ff. 106 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 245; MK-v. Heintschel-Heinegg, vor § 52 Rn. 63.
B. Gesetzeskonkurrenz im türkischen Strafrecht
267
– Berücksichtigung des verdrängten Gesetzes bei der Strafzumessung: Nach der überwiegenden Meinung in der Lehre darf das verdrängte Gesetz bei der Strafzumessung berücksichtigt werden, sofern die Umstände des verdrängten Gesetzes nicht zum Tatbestand des vorrangigen Gesetzes gehören.107 Bei der Strafzumessung darf ein Umstand, der schon Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes ist, nach § 46 Abs. 3 nicht berücksichtigt werden. Eine strafschärfende Berücksichtigung bei der Strafzumessung darf mithin nur stattfinden, wenn es sich nicht um die doppelte Verwertung eines Tatumstandes handelt. Die Strafe eines Räubers darf beispielsweise nicht deshalb erhöht werden, weil er die Tatbestände des Diebstahls und der Nötigung erfüllt hat. – Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen wegen des verdrängten Gesetzes: Nach den Rechtsprechungen108 können die vom verdrängten Gesetz vorgeschriebenen Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen verhängt werden. Dem liegt zugrunde, dass der Täter nicht privilegiert werden darf, wenn er noch ein zusätzliches Unrecht verwirklicht hat.109 – Die Strafbarkeit wegen des verdrängten Gesetzes kann für die Beteiligten aufleben, wenn sie an der Verwirklichung des verdrängenden Tatbestands nicht beteiligt sind. Der Beteiligte, der sich nicht an der Begehung des Diebstahls, sondern an den daran anschließenden, zur Sicherung der Beute dienenden Betrugshandlungen beteiligt hat, ist nur wegen des Betruges zu bestrafen.110
B. Gesetzeskonkurrenz im türkischen Strafrecht I. Allgemeines und Begriffsbestimmung Im türkischen Strafgesetz wurden Fortsetzungstat und Idealkonkurrenz als Formen des Zusammentreffens der Straftaten geregelt.111 Daneben können aber eine oder mehrere Handlungen mehrere Strafgesetze verletzen und die Bestrafung wegen nur einer Straftat kann den Unrechts- und Schuldgehalt aller Handlungen umfassen. Die Anwendung einer Straftat tritt also gegenüber den anderen zurück. Diese Fälle, bei denen nur ein Tatbestand Anwendung findet, werden in der türkischen Lehre „scheinbare Konkurrenz oder Gesetzeskonkurrenz“ (Görünüs¸te ˙Içtima oder Ka107 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 242; MK-v. Heintschel-Heinegg, vor § 52 Rn. 64; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 69 III 3; nicht differenzierend bei den höchstrichterlichen Entscheidungen; S/S-Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52 Rn. 144; BGHSt 1, 153, 155; 19, 188, 189. 108 BGHSt 7, 307, 312; 8, 46, 52; BGH NJW 1964, 559. 109 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 247; MK-v. Heintschel-Heinegg, vor § 52 Rn. 65. 110 Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 246; BGH NJW 1994, 2703, 2707. 111 Zwar wurde auch die zusammengesetzte Straftat unter dem „ Zusammentreffen der Straftaten“ geregelt, es handelt sich aber bei diesem Rechtsinstitut um die Gesetzeskonkurrenz.
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4. Teil: Die nicht geregelten Konkurrenzformen
nunlarin ˙Içtimaı) genannt.112 ˙Içel vertritt in der Lehre die Ansicht, dass die Bezeichnung „Gesetzeskonkurrenz“ irreführend sei, weil nur eines von mehreren Gesetzen, die die Tatbestandshandlungen umfassen, ausreichend sei, den Unrechtsgehalt der Handlung zu erschöpfen. In solchen Fällen gehe es nicht mehr um das Zusammentreffen der Straftaten oder Gesetze und es liege kein Fall des Zusammentreffens im eigentlichen Sinn vor; deswegen sei die Bezeichnung „scheinbare Konkurrenz“ (oder scheinbares Zusammentreffen) zutreffend.113 Bei der Gesetzeskonkurrenz sind die Mehrheit der verletzten Normen und die Mehrheit der Straftaten nur scheinbar. Es liegt eigentlich nur eine anwendbare Norm für die verwirklichten Handlungen des Täters vor.114 Die Frage, die schon bei der Idealkonkurrenz und der Fortsetzungstat gestellt wurde, warum die Strafe des Täters nur nach einem Gesetz zu bestimmen ist, sei bei der Gesetzeskonkurrenz nicht zu stellen, weil nur ein anwendbares Gesetz vorliege. Anders als die Idealkonkurrenz, bei der für die Bestrafung einer Handlung mehrere anzuwendende Gesetze vorliegen, liegt bei der Gesetzeskonkurrenz nur ein anwendbares Gesetz vor und dieses Gesetz muss durch die Auslegung mehrerer Gesetze herausgefunden werden.115 Durch die Auslegung des Gesetzes kommt man also zum Ergebnis, dass nur eines von diesen Gesetzen anwendbar ist; es muss festgestellt werden, welches Gesetz zurücktritt. Es kann z. B. bei der Spezialität durch die Auslegung ganz einfach festgestellt werden, dass nur das spezielle Gesetz im konkreten Fall angewendet werden muss.116 Entsprechend dem deutschen Strafrecht wird im türkischen Strafrecht überwiegend die Gesetzeskonkurrenz hinsichtlich dreier Formen behandelt. Die Erscheinungsformen der Gesetzeskonkurrenz werden „Vorrang des speziellen Gesetzes“, „das Verhältnis des speziellen und allgemeinen Gesetzes“ (Spezialität) (Özel Normun Öncelig˘ i), „Erschöpfen eines Gesetzes durch das andere“ oder „das Verhältnis der erschöpfenden und erschöpften Gesetzes“ (Konsumtion) (Bir Normun Dig˘ eri Tarafından Tüketilmesi) und „Zurücktreten des Aushilfstatbestandes“ oder „das Verhältnis des vorrangigen und subsidiären Gesetzes“ (Subsidiarität) (Yardımcı Normun Sonralıg˘ ı) genannt.117 112 Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 430; ˙Içel/Özgenç/Sözüer/Mahmutog˘ lu/Ünver, Suç Teorisi, S. 460 ff.; Önder, Ceza Hukuku, S. 480 ff.; in der Lehre wird auch der Begriff „Einheit der Gesetze“ verwendet. Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 539; Hakeri, Ceza Hukuku, S. 610 ff.; YCGK, 12. 03. 1984, 1 – 176/87, in: ˙Içel, I˙TÜSBD 2008, S. 35 f., 36. 113 ˙ Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 168; 114 ˙ Içel/Özgenç/Sözüer/Mahmutog˘ lu/Ünver, Suç Teorisi, S. 460; Hakeri, Ceza Hukuku, S. 611. 115 ˙ Içel/Özgenç/Sözüer/Mahmutog˘ lu/Ünver, Suç Teorisi, S. 460; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 430. 116 ˙ Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 171; ˙Içel, ˙ITÜSBD, 2008, S. 35, 36. 117 Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 430 ff.; ˙Içel/Özgenç/Sözüer/Mahmutog˘ lu/ Ünver, Suç Teorisi, S. 460 ff.; Önder, Ceza Hukuku, S. 480 ff.; Özbek/Kanbur/Dog˘ an/ Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 539 ff.; Hakeri, Ceza Hukuku, S. 611 ff.; I˙çel, Suçların ˙Içtimaı, S. 168 ff.
B. Gesetzeskonkurrenz im türkischen Strafrecht
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In der Lehre ist Toroslu118 der Ansicht, dass in manchen Fällen einem Gesetz die Anwendung eines anderen entgegenstehe. In solchen Fälle handele es sich um „den scheinbaren Normenkonflikt“. Der scheinbare Normenkonflikt liege in den Fällen vor, in welchen zwei oder mehrere Normen für einen Fall als anwendbar erscheinen würden, aber in der Tat nur eine davon anzuwenden sei. Wenn aber das Gesetz die Nichtanwendung eines Strafgesetzes vorschreibe, liege kein scheinbarer Normenkonflikt vor. Dies sei der Fall, wenn im Gesetz bestimmte Ausdrücke, wie z. B. „wenn die Tat keine schwerere Straftat darstellt“, verwendet würden, weil in solchen Fällen das anzuwendende Gesetz ausdrücklich bezeichnet werde. Das Prinzip „der Vorrang des speziellen Gesetzes“ sei hier ausreichend, um die Probleme bei den Normenkonflikten zu lösen. Gegen die Ansicht von Toroslu wird in der Lehre119 angeführt, dass drei verschiedene Formen der Gesetzeskonkurrenz vorlägen und nur die Annahme der Spezialität als einzige Form nicht ausreichend sei, die Unterschiede zwischen diesen Formen darzustellen. Bei der Spezialität umfasse ein Gesetz alle Merkmale eines anderen; darüber hinaus enthalte dieses Gesetz noch weitere Merkmale oder Eigenschaften.120 Zwischen den einfachen und qualifizierten Fällen des Diebstahls liege ein Spezialitätsverhältnis vor. Bei der Konsumtion sei es aber anders, weil hier eine Norm alle Rechtsgüter, die von einer anderen Norm geschützt würden, gemeinsam schütze.121 Darüber hinaus liegen auch Gesetze vor, um die Strafbarkeitslücken, die durch eine bestimmte gesetzliche Formulierung nicht zu schließen sind, zu füllen. In diesem Fall taucht ein Tatbestand als Aushilfstatbestand auf. Dieser ist nur anzuwenden, wenn ein anderes Gesetz nicht eingreift. Die Feststellung der Subsidiaritätsklauseln sei aber nicht einfach und es sei verwechslungsanfällig, ob es sich um Subsidiarität oder um Konsumtion handele, wenn die Subsidiaritätsklausel im Gesetz nicht geregelt sei. In diesem Fall sei im Verhältnis zwischen den Straftaten zu untersuchen, ob ein Notwendigkeitsverhältnis vorliege. Wenn die Begehung einer Straftat für die Begehung einer anderen Straftat notwendig sei und diese Notwendigkeit nicht deswegen entstehe, weil ein Gesetz ein Tatbestandsmerkmal eines anderen sei, sei dieses Gesetz Aushilfstatbestand. Wenn aber dagegen eine Straftat ein Tatbestandsmerkmal eines anderen sei und zwischen den Straftaten kein Notwendigkeitsverhältnis vorliege, gehe es um die Konsumtion.122 118
Toroslu, Ceza Hukuku, S. 83 ff. ˙Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 181; ˙Içel/Özgenç/Sözüer/Mahmutog˘ lu/Ünver, Suç Teorisi, S. 461; Önder, Ceza Hukuku, S. 480; Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 539; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 430; Hakeri, Ceza Hukuku, S. 612. 120 ˙ Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 181. 121 ˙ Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 181. 122 ˙ Içel, Suçlarin I˙çtimaı, S. 182: Mit einem Beispiel kann man diese Auffassung folgendermaßen erklären: Körperverletzung ist ein Durchgangsdelikt für die Tötung und die Körperverletzung ist für die Tötung notwendig. Der Grund dieser Notwendigkeit ist aber nicht wegen des Gesetzes, weil für die Tötung eine Körperverletzung ohne gesetzliche Regelung erforderlich ist. Deswegen ist die Körperverletzung gegenüber der Tötung subsidiär. 119
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4. Teil: Die nicht geregelten Konkurrenzformen
II. Die Arten der Gesetzeskonkurrenz 1. Spezialität (Özel Normun Öncelig˘ i) (Vorrang des speziellen Gesetzes) Beim Spezialitätsverhältnis wird zwar formal sowohl das spezielle als auch das allgemeine Gesetz verwirklicht, aber es findet nur das spezielle Gesetz Anwendung, weil es alle Merkmale des allgemeinen Gesetzes aufweist und daneben noch mindestens ein weiteres Merkmal enthält. Wenn ein Gesetz gegenüber dem anderen ein spezielles ist, ist das spezielle Gesetz anzuwenden. Hierbei spielt es keine Rolle, ob beim speziellen Gesetz eine höhere oder mildere Strafe vorgesehen wird.123 Um von dem Spezialitätsverhältnis sprechen zu können, müssen die Straftatbestände dasselbe Rechtsgut schützen124 : – Nach der allgemeinen Ansicht125 im türkischen Strafrecht umfasst die erste Gruppe der Spezialität die qualifizierten und privilegierten Tatbestände. Zwischen dem Grundtatbestand und den qualifizierten und privilegierten Formen dieses Tatbestands ist das Spezialitätsverhältnis gegeben, weil die qualifizierten und privilegierten Formen ein weiteres Merkmal enthalten. Die Art. 142 (Qualifizierte Fälle des Diebstahls), 143 (Begehung des Diebstahls in der Nachtzeit) und 144 (eine geringere Strafe erfordernde Fälle)126 sind Spezialtatbestände im Verhältnis zum Grundtatbestand des Diebstahls (Art. 141 TCK). Art. 314 TCK (Bewaffnete Organisation)127 ist lex specialis im Verhältnis zu Art. 220 TCK (Gründung einer Organisation mit dem Ziel der Begehung der Straftaten).128 – Eine weitere Form der Spezialität wird als „qualifizierte Tätermerkmale“ bezeichnet. Zwischen den Art. 247 (Unterschlagung im Amt) und 155 TCK (Veruntreuende Unterschlagung) liegt ein solches Verhältnis vor. Art. 247 ist gegenüber dem Art. 155 ein spezielles Gesetz, weil Unterschlagung im Amt nur von einem Amtsträger begangen werden kann. Von ˙Içel129 werden auch privilegierte Tätermerkmale darunter gefasst. Art. 144 TCK (eine geringere Strafe erfordernde Fälle beim Diebstahl) ist gegenüber dem Art. 141 TCK (Diebstahl) Spezialtatbestand. Dies ist der Fall, wenn der Täter den Diebstahl an einem Gegenstand, der 123 ˙ Içel/Özgenç/Sözüer/Mahmutog˘ lu/Ünver, Suç Teorisi, S. 468; Demirbas¸, Ceza Hukuku, S. 485. 124 ˙ Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 185; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 430; Hakeri, Ceza Hukuku, S. 611; Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 539. 125 Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 430; Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 539; ˙Içel, Suçların Ictimaı, S. 188: Im aTCK wurde der Grundtatbestand des Diebstahls in Art. 491 Abs. 1 und die qualifizierten Fälle wurden in Art. 491 Abs. 2, 492 und 493 geregelt; vgl. Önder, Ceza Hukuku, S. 481. 126 Privilegierter Tatbestand. 127 Die Gründung einer bewaffneten Organisation mit dem Ziel der Begehung mancher Straftaten. 128 Hakeri, Ceza Hukuku, S. 611. 129 ˙ Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 190.
B. Gesetzeskonkurrenz im türkischen Strafrecht
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im Miteigentum oder Gesamthandeigentum steht, begeht. Die Opfermerkmale können auch manchmal ein Spezialitätsverhältnis zwischen den Straftaten begründen. Art. 299 TCK (Beleidigung des Präsidenten der Republik) stellt ein solches Verhältnis dar, weil diese Straftat alle Merkmale des Art. 125 TCK (Beleidigung) enthält und sich von dieser Straftat dadurch unterscheidet, dass der Beleidigte der Präsident der Republik sein muss. Die Eigenschaft der beleidigten Person ist ein weiteres Merkmal gegenüber dem Art. 125 TCK. – Die allgemeinen und speziellen Strafgesetze können im Verhältnis der Spezialität stehen. Art. 1 Abs. 2 des „Gesetzes über die strafbaren Handlungen gegen Atatürk“ ist lex specialis im Verhältnis zu Art. 151 TCK (Sachbeschädigung), weil Abs. 2 Zerstörung, Zerbrechen, Beschädigung oder Verschmutzung der Atatürk darstellenden Statuen, Büsten und Denkmäler oder des Grabes unter Strafe stellt.130
2. Konsumtion (Bir Normun Dig˘ eri Tarafından Tüketilmesi) (Ausschöpfung eines Gesetzes durch ein anderes) Ein Konsumtionsverhältnis zwischen den Gesetzen sei gegeben, wenn ein Gesetz verschiedene Rechtsgüter, die auch von anderen Gesetzen geschützt würden, schütze.131 Die Verletzung verschiedener Rechtsgüter wurde in einem Gesetz unter Strafe gestellt; durch die Anwendung des konsumierenden Gesetzes werde der Unrechtsgehalt der Handlungen vollständig erschöpft.132 Das Konsumtionsverhältnis wird in der türkischen Lehre bei zusammengesetzter Straftat, mitbestraften Vor- und Nachtaten und bei den Durchgangsdelikten angenommen: – Wenn eine Straftat ein Tatbestandsmerkmal oder ein erschwerender Umstand der anderen Straftat sei, lägen scheinbar mehrere Gesetzesverletzungen vor, aber in der Tat konsumiere diese zusammengesetzte Straftat die Straftaten, die ihr Tatbestandsmerkmal oder ihre erschwerenden Umstände seien.133 In der Lehre führt ˙Içel134 an, dass die Bewertung der zusammengesetzten Straftat als ein Unterfall der Spezialität nicht vertretbar sei. Zwar weise die zusammengesetzte Straftat alle 130
Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 431; Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 540; ˙Içel, Suçların Ictimaı, S. 192. 131 ˙ Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 193; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 431. 132 Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 540; ˙Içel/Özgenç/Sözüer/ Mahmutog˘ lu/Ünver, Suç Teorisi, S. 471 ff. 133 ˙ Içel, Suçların I˙çtimaı, S. 204; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 431 ff.; Önder, Ceza Hukuku Dersleri, S. 453; ein Teil der Lehre ist der Ansicht, dass die zusammengesetzte Straftat als eine Form der Konsumtion bewertet werden kann, aber ein und dasselbe Ergebnis kann mit der Annahme des Spezialitätsverhältnisses erreicht werden. Özbek/Kanbur/Dog˘ an/ Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 541. 134 Gegen die Annahme der zusammengesetzten Straftat als ein Unterfall der Spezialität im deutschen Strafrecht. ˙Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 204 ff.
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4. Teil: Die nicht geregelten Konkurrenzformen
Merkmale anderer Straftaten auf und enthalte noch ein weiteres Merkmal. Aber die Gemeinsamkeit der zusammengesetzten Straftat mit anderen Straftaten sei, dass die erste die anderen als Tatbestandsmerkmal oder als erschwerenden Umstand umfasse. Auf diese Weise sei die die verschiedenen Rechtsgüter schützende Norm eine konsumierende Norm. Nach der Ansicht von ˙Içel liegt bei der Feststellung der Art der Gesetzeskonkurrenz kein Unterschied zwischen den Straftaten „Raub“ und „Wohnungsdiebstahl“ vor und beide sollen unter der Konsumtion behandelt werden. Wie beim Wohnungsdiebstahl, müsse auch beim Raub Konsumtion angenommen werden, weil bei Raub eine Straftat ein Tatbestandsmerkmal (Diebstahl und Gewalt) und bei dem Wohnungsdiebstahl ein erschwerender Umstand (Hausfriedensbruch) der anderen sei und auf diese Weise entweder das Tatbestandsmerkmal oder der erschwerende Umstand konsumiert werde.135 Letztlich wäre es noch verständlicher und es könnte die Ungewissheit beseitigt werden, wenn diese beiden Fälle unter der Konsumtion behandelt würden.136 Die Begehung eines Raubes in der Wohnung wird in Art. 149 Abs. 1d TCK als qualifizierter Raub geregelt. Der Hausfriedensbruch ist ein erschwerender Umstand für den Raub und wird von ihm konsumiert. Das gilt aber nicht für den Wohnungsdiebstahl, obwohl in Art. 142 Abs. 1b TCK der Diebstahl an den Gegenständen, die in einem Gebäude oder Nebengebäude aufbewahrt werden, als qualifizierter Fall des Diebstahls normiert wird. Nach einer Entscheidung des Kassationshofs137 bildet der Diebstahl (in einer Wohnung) von einem in dem Gebäude aufbewahrten Gegenstand einen qualifizierten Fall, aber der Täter müsse neben dem Diebstahl gemäß Art. 141 Abs. 1b auch wegen des Hausfriedensbruchs bestraft werden. Diese Entscheidung ist aber unzutreffend nach dem damaligen Gesetzestext, weil der Hausfriedensbruch ein Tatbestandsmerkmal des Diebstahls war.138 Nach solchen Entscheidungen des Kassationshofs hat der Gesetzgeber den Gesetzestext an die höchstrichterlichen Entscheidungen angepasst. Im Jahr 2006 wurde dem Art. 142 TCK (Qualifizierter Diebstahl) ein neuer Absatz eingefügt. Nach diesem Absatz (Abs. 4) muss zur Verfolgung des Hausfriedensbruchs und der Sachbeschädigung kein Strafantrag gestellt werden, wenn zur Begehung des Diebstahls die Straftaten „Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung“ begangen werden. Auf diese Weise hat der Gesetzgeber normiert, dass der Täter eines Diebstahls auch wegen des Hausfriedensbruchs bestraft werden muss, wenn der Diebstahl in einem Gebäude stattfindet. Der Kassationshof hat in einer Entscheidung139 ausgeführt, dass zur Begehung 135 136 137
10370.
˙Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 194. ˙Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 194. Y. 6. CD, 16. 02. 2006, 2005/14805 – 2006/1297; vgl. Y. 6. CD, 31. 10. 2006, 18370/
138 Vgl. Tezcan/Erdem/Önok, Teorik ve Pratik Ceza Hukuku, S. 537; Özbek, TCK ˙Izmir S¸erhi C. II, S. 1011; Feyziog˘ lu/Güngör, AÜHFD 2007, S. 139, 143; Soyaslan, Ceza Hukuku Özel Hükümler, S. 300: Begehe der Täter einen Wohnungsdiebstahl, sei er sowohl wegen des Diebstahls als auch wegen des Hausfriedensbruchs zu bestrafen. 139 Y. 6. CD, 17. 04. 2008, 1604/9010; vgl. Y. 6. CD, 19. 09. 2006, 1087/8255.
B. Gesetzeskonkurrenz im türkischen Strafrecht
273
eines Diebstahls an einem Gegenstand, der in einem Gebäude oder Nebengebäude aufbewahrt werde, das Eindringen in das Gebäude oder Nebengebäude nicht zwingend erforderlich sei. Deswegen sei hier der Hausfriedensbruch eine „getrennte und selbstständige Straftat“, wegen der der Täter getrennt bestraft werden müsse; der Diebstahl konsumiere hier den Hausfriedensbruch nicht. Art. 285 des TCK (Verletzung der Vertraulichkeit) ist noch ein weiteres Beispiel für die zusammengesetzte Straftat bzw. für das Konsumtionsverhältnis. Nach diesem Artikel wird die öffentliche Verletzung der Vertraulichkeit der Ermittlungsverfahren mit einem Jahr bis zu drei Jahren Gefängnis oder mit Geldstrafe bestraft. Zur Begehung dieser Straftat muss der Grundsatz der Unschuldsvermutung, die Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen den Personen oder die Vertraulichkeit des Privatlebens verletzt werden, indem Verfahrenshandlungen aus dem Ermittlungsverfahren enthüllt werden (Art. 285 Abs. 1 TCK). In diesem Absatz sind die Verletzung der Vertraulichkeit der Kommunikation (Art. 132 TCK) sowie die Verletzung der Vertraulichkeit des Privatlebens (Art. 134 TCK) (alternative) Tatbestandsmerkmale für die Verletzung der Vertraulichkeit. – Straflose Nachtaten werden auch in der türkischen Strafrechtslehre unter der Konsumtion behandelt. Eine straflose Nachtat liegt vor, wenn die Nachtaten zur Auswertung oder Verwertung der mit der Haupttat erhaltenen Vorteile dienen. Bei solchen Fällen gelten die Nachtaten als mit der Bestrafung der Haupttat bestraft und auf diese Weise konsumiert die Haupttat die Nachtat. Die Benutzung der gestohlenen Sachen oder ihre Beschädigung sind straflose Nachtaten.140 Um die Straflosigkeit der Nachtaten annehmen zu können, muss der Geschädigte derselbe sein und es darf kein neuer Schaden herbeigeführt werden. Im Fall des Wiederverkaufs der gestohlenen Sachen an dasselbe Opfer durch Betrug muss der Täter sowohl wegen des Diebstahls als auch wegen des Betrugs bestraft werden.
I˙çel, Suçların ˙Içtimaı, S. 196; Önder, Ceza Hukuku, S. 483; Hakeri, Ceza Hukuku, S. 616; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 431. Der türkische Kassationshof ist auch der Ansicht, dass die Bestrafung des Täters wegen der Beschädigung an der gestohlenen Sache unzutreffend ist, weil die Beschädigungshandlungen des Täters an der Sache, deren Besitz schon von ihm erworben wurde, stattfindet. YCGK, 2009/9 – 155, 2009/192, in: UYAP; YCGK, 21. 01. 2014, 2013/2 – 686, 2014/19. Abrufbar unter folgender URL: http://www.kararara.com/ forum/viewtopic.php?t=21242&p=41882 (Stand: 31. 03. 2015): Beschädigt der Täter die gestohlene Sache, wird er wegen der Sachbeschädigung nicht gesondert bestraft, weil nicht eine andere, sondern die gestohlene Sache beschädigt wird. Sozusagen werden die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale der Sachbeschädigung bei den Diebstahlshandlungen aufgezehrt. Die Beschädigung der Sache während dem Diebstahl, die auch Gegenstand des Diebstahls ist, kann bei der Bestimmung der Strafe gemäß 61 TCK berücksichtigt werden; dagegen: Wenn der Täter die gestohlene Sache beschädige, sei er auch wegen der Sachbeschädigung zu bestrafen, weil der Eigentümer immer die Möglichkeit habe, den Besitz der Sache wiederzuerlangen. Özbek/Kanbur/Dog˘ an/Bacaksız/Tepe, Türk Ceza Hukuku, S. 540. 140
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4. Teil: Die nicht geregelten Konkurrenzformen
3. Subsidiarität (Yardımcı Normun Sonralıg˘ ı) (Zurücktreten des Aushilfstatbestandes) Ein Subsidiaritätsverhältnis zwischen den Gesetzen wird im türkischen Strafrecht als gegeben angenommen, wenn ein Gesetz nur bei der Nichtanwendung eines anderen zur Anwendung kommt und nur hilfsweise (sekundär) anwendbar ist. Daneben wird in der Lehre141 ausgeführt, dass bei der Subsidiarität zwischen den verschiedenen Gesetzen ein Notwendigkeitsverhältnis existiere. Bei der Subsidiarität sei die Begehung des Aushilfstatbestandes für die Verwirklichung des vorrangigen Tatbestands notwendig.142 Diese Notwendigkeit beruhe nicht darauf, dass ein Gesetz ein Tatbestandsmerkmal oder ein erschwerender Umstand des anderen sei; wenn dies der Fall sei, handele es sich um die Konsumtion. – Bei der Subsidiarität ist die ausdrückliche von der materiellen Subsidiarität zu unterscheiden. Ausdrückliche Subsidiaritätsklauseln sind dem Gesetzestext zu entnehmen. Bei diesen Formen der Subsidiarität ist das subsidiäre Gesetz nur anzuwenden, wenn ein anderes Gesetz nicht eingreift. Manche Gesetze enthalten Ausdrücke, die die ausdrückliche Subsidiarität darstellen (wie z. B. „wenn die Tat keine schwerere Straftat darstellt“ (Art. 245 Abs. 3 TCK) oder „wenn die Tat keine andere Straftat erfüllt“(Art. 244 Abs. 4 TCK). – Zwischen einer Straftat und ihrem Versuch liegt das (materielle) Subsidiaritätsverhältnis vor und die vollendete Tat (primär) geht der Versuchsstrafbarkeit (subsidiär) vor. Tatbestandlich verselbständigte Vorbereitungshandlungen sind auch gegenüber der Vollendung dieser Straftaten subsidiär.143 Dementsprechend ist der Art. 200, der z. B. die Herstellung der Werkzeuge oder Geräte, die für die Herstellung von Geld und Wertzeichnen benutzt werden, unter Strafe gestellt. Dieser Artikel ist gegenüber Art. 197 (Geldfälschung) und 199 (Fälschung der Wertzeichnen) TCK subsidiär. Diese Fälle wurden von ˙Içel als Subsidiarität unter den mitbestraften Vortaten behandelt.144 Eine weitere Erscheinungsform der Subsidiarität bildet das Verhältnis zwischen den verschiedenen Varianten der Beteiligung an einer Straftat. Wenn z. B. der Anstifter an der Begehung der Straftat teilgenommen hat, ist er als Täter strafbar.145 – Die sogenannten Durchgangsdelikte werden auch unter die mitbestraften Vortaten gefasst und als Fälle der Subsidiarität angesehen. Danach sind die Durchgangsdelikte, die als ein zu durchlaufendes Zwischenstadium für auf einen bestimmten 141 ˙ Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 196, 210; Önder, Ceza Hukuku, S. 484; vgl. Hakeri, Ceza Hukuku, S. 612. 142 Mit diesen Erklärungen wird gemeint, dass die Verletzung des subsidiären Gesetzes unerlässlich ist, wenn das primäre Gesetz verletzt wird. Das subsidiäre Gesetz kann aber verletzt werden, ohne dass das primäre Gesetz verletzt wird. 143 ˙ Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 223 ff. 144 ˙ Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 222. 145 ˙ Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 214; Önder, Ceza Hukuku, S. 485; Hakeri, Ceza Hukuku, S. 612 f.; Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 435.
B. Gesetzeskonkurrenz im türkischen Strafrecht
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Erfolg gerichtete Handlungen erforderlich sind, subsidiär gegenüber den Endstraftaten; so ist z. B. die Körperverletzung als Durchgangsdelikt gegenüber den Tötungsdelikten subsidiär. ˙Içel ist hier der Ansicht, dass es unerheblich sei, ob das Tötungsdelikt im Stadium des Versuchs bleibe. Auch wenn die Verletzungen eingetreten seien, sei der Täter nur wegen der versuchten Tötung zu bestrafen, weil die Körperverletzung in diesem Fall eine mitbestrafte Vortat sei.146 Der Kassationshof hat auch in verschiedenen Entscheidungen betont, dass der Täter nicht wegen der vorsätzlichen Körperverletzung, sondern wegen versuchter Tötung strafbar ist, wenn die Tötungsdelikte im Stadium des Versuches bleiben.147 – Erweitert der Täter bei Begehung der Tat seinen Vorsatz und entscheidet er sich bewusst für die Verwirklichung einer weiteren Tat, liegt in solchen Fällen das Subsidiaritätsverhältnis zwischen den Straftaten vor, wenn die Taten gleiche Rechtsgüter verletzen. Entscheide sich der Täter jedoch bei der Begehung der Körperverletzung für die Begehung der Tötung, sei hier die Körperverletzung eine mitbestrafte Vortat und gegenüber der Tötung subsidiär. Ebenso sei das Subsidiaritätsverhältnis gegeben, wenn das Tötungsdelikt im Stadium des Versuches bleibe.148 Ebenso sei zu verfahren, wenn der Täter erst fahrlässig, aber dann vorsätzlich handele. Fährt der Täter den B fahrlässig an, fährt er aber weiter, ohne ihm zu helfen, und stirbt demzufolge B an den Verletzungen, sei hier die fahrlässige Körperverletzung gegenüber der vorsätzlichen Tötung subsidiär. Wenn aber der Täter jemanden durch Anfahren fahrlässig verletzt und trotz seinem Nichthelfen das Opfer an den Verletzungen nicht stirbt, ist der Täter sowohl wegen der fahrlässigen Körperverletzung als auch wegen der versuchten Tötung zu bestrafen.149 Diese nichtbestraften Vortaten werden von Hakeri als ein Fall der Konsumtion behandelt. Nach seiner Meinung handelt es sich nicht um die mitbestraften Vortaten im oben genannten Beispiel (fahrlässige Körperverletzung des Täters durch Anfahren und vorsätzliche Tötung durch unterlassene Hilfeleistung); die Konsumtion sei zwischen der fahrlässigen Körperverletzung und der vorsätzlichen Tötung nicht gegeben.150
146 Auf jeden Fall müsse der Täter wegen der Tötung oder versuchten Tötung bestraft werden, weil die Körperverletzung ein Durchgangsdelikt und dementsprechend eine mitbestrafte Vortat sei. I˙çel, Suçların ˙Içtimaı, S. 237 ff. 147 Y. 1. CD, 25. 05. 2012, 2012/119, 2012/4263, in: UYAP; vgl. YCGK, 02. 03. 2010, 2009/ 1 – 252, 2010/46; Y.1. CD, 19. 03. 2012, 2012/543, 20121923, in: S¸en/Aksüt, TBBD 2013, S. 335, 342 f. 148 ˙ Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 220. 149 ˙ Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 222 f. 150 Hakeri, Ceza Hukuku, S. 612.
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4. Teil: Die nicht geregelten Konkurrenzformen
III. Die Folgen der Gesetzeskonkurrenz Die allgemeinen, subsidiären und konsumierten Gesetze haben keine Wirkung bei der Bestrafung, weil sie keine Anwendungsmöglichkeit finden; deswegen dürfen sie nicht in den Schuldspruch aufgenommen werden.151 Die Frage, ob das ausgeschlossene Gesetz bei der Strafzumessung berücksichtigt werden soll und die Mindeststrafe des nicht anzuwendenden Gesetzes nicht unterschritten werden darf, ist im türkischen Strafrecht wenig untersucht und überwiegend abgelehnt worden. I˙çel ist der Ansicht, dass bei der Gesetzeskonkurrenz, anders als bei der Idealkonkurrenz, die Anwendung des Gesetzes, das die schwerste Strafe androht, nicht zwingend erforderlich sei, weil z. B. das spezielle Gesetz bei der Spezialität als milderes Gesetz hervorgehen kann. Deswegen spiele die Mindeststrafe des verdrängten Gesetzes bei der Strafrahmenfeststellung keine Rolle.152 Diese Annahme ist deswegen überzeugend, weil der Täter, anders als bei der Idealkonkurrenz, beim Vorliegen einer Form der Gesetzeskonkurrenz nur wegen einer Straftat zu bestrafen ist und der Gesetzgeber für diese Straftat einen bestimmten Strafrahmen mit der Berücksichtigung all seiner Umstände und Tatbestandsmerkmale feststellt. Deswegen ist es nicht annehmbar, die sog. Sperrwirkung des milderen Gesetzes auf die Gesetzeskonkurrenz zu übertragen. Das ausgeschlossene Gesetz kann jedoch im Strafrahmen des anzuwendenden Gesetzes berücksichtigt werden, wenn die strafschärfenden Umstände nicht zu einer Doppelverwertung führen. Die Strafrahmen der Straftaten werden vom Gesetzgeber bestimmt. Wenn die Untergrenze des ausgeschlossenen Gesetzes höher als die des anwendbaren (schwereren) Gesetzes ist, ist das einerseits eine Folge der gesetzgeberischen Oberflächlichkeit, weil der Gesetzgeber bei der Strafrahmenbildung des Unrechts- und Schuldgehalts die anderen Straftaten berücksichtigen sollte. Aber andererseits sind die Strafvorschriften keine mathematischen Regeln; deswegen ist es schwer, immer einen sachgerechten Strafrahmen zu bilden; und diese können zu einer ungerechten Bestrafung führen. Um diese ungerechte Bestrafung zu vermeiden, kann der Tatrichter durch die Auslegung der ausgeschlossenen und anzuwendenden Gesetze die Strafe innerhalb der Strafrahmen des vorrangigen Gesetzes höher festsetzen. Auf diese Weise kann eine sachgerechte Strafe gefunden werden, ohne dass die sog. Sperrwirkung des milderen Gesetzes angewendet wird. Die Frage, ob das verdrängte Gesetz im Fall der Nichtbestrafung des Täters wegen des vorrangigen Gesetzes wieder auflebt, ist auch wenig behandelt. ˙Içel153 unterscheidet hier die straflosen Vor- und Nachtaten von den anderen Erscheinungsformen der Gesetzeskonkurrenz. Er ist der Ansicht, dass ein allgemeiner Grundsatz für diese Fälle nicht gebildet werden könne. Indem man das Verhältnis zwischen den Normen und den Besonderheiten der Straftaten berücksichtige, könne man auf diese Weise 151 152 153
I˙çel, Suçların ˙Içtimaı, S. 239. ˙Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 239. ˙Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 240 ff.
C. Zusammenfassende Rechtsvergleichung
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herausfinden, ob das verdrängte Gesetz wieder anwendbar sei. Wenn z. B. der Täter von der Begehung einer zusammengesetzten Straftat freiwillig zurücktritt, können die bis zu diesem Zeitpunkt begangenen Taten geahndet werden.154 Die straflosen Vor- und Nachtaten seien nicht wieder strafbar, wenn die Bestrafung wegen der prozessualen Hindernisse sowie der Nichterfüllung der Bedingungen des Ermittlungsverfahrens, der Verjährung, des Erlasses oder wegen der persönlichen Strafausschließungsgründe nicht erfolge. In sonstigen Fällen könne das Wiederaufleben der straflosen Vor- und Nachtaten grundsätzlich angenommen werden. Wenn die Begehung des vorrangigen Tatbestands nicht nachgewiesen werde, sei der Täter besonders wegen der Nachtaten zu bestrafen. Beschädige oder zerstöre der Täter die von ihm gestohlene oder unterschlagene Sache, sei die straflose Nachtat (Sachbeschädigung) strafbar, wenn die Vortat (Diebstahl oder Unterschlagung) nicht nachgewiesen werde.155 Tritt der Täter von der Begehung der vorrangigen Straftat freiwillig zurück, kann er wegen der verdrängten Gesetze bestraft werden. Wegen der verselbstständigten Vorbereitungshandlungen ist der Täter strafbar, wenn er von der Begehung der Tat zurücktritt. Ebenso sind die straflosen Vor- und Nachtaten wieder strafbar, wenn bei der Begehung des vorrangigen Tatbestands ein Rechtfertigungsgrund, der die Vorund Nachtaten nicht erfasst, eingreift.156 Beim Vorliegen eines Entschuldigungsgrunds ist ebenso zu verfahren.157
C. Zusammenfassende Rechtsvergleichung Die Gesetzeskonkurrenz wird in beiden Rechtsordnungen angenommen, wenn zwar formal mehrere Tatbestände verwirklicht werden, aber in einem solchen Fall letztlich nur ein Strafgesetz anzuwenden ist, weil das anzuwendende Gesetz andere Gesetze verdrängt und durch die Bestrafung aus dem verdrängenden Gesetz der Unrechts- und Schuldgehalt aller Delikte erschöpft wird. Schließlich liegen also lediglich scheinbar mehrere Gesetzesverletzungen vor; es ist aber von diesen Gesetzen nur eines anwendbar und die Bestimmungen über das „Zusammentreffen der Straftaten“ (Art. 42 – 44 TCK)158 und die „Strafbemessung bei mehreren Gesetzesverletzungen“ (§§ 52 – 55 StGB) greifen nicht. Wie schon dargestellt, hat der türkische Gesetzgeber im TCK zwar auch die zusammengesetzte Straftat darunter normiert bzw. definiert, brauchte aber dieses Rechtsinstitut nicht zu regeln, weil man 154 155 156 157 158
˙Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 241. ˙Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 242. I˙çel, Suçların ˙Içtimaı, S. 242. I˙çel, Suçların ˙Içtimaı, S. 233.
Ausnahme: Zusammengesetzte Straftat, Art. 42 TCK. In zwei Fällen handelt es sich um die zusammengesetzte Straftat nach dem türkischen Strafrecht. Im ersten Fall wird von mindestens zwei Straftaten eine neue Straftat (z. B. Raub) gebildet. Das ist aber nicht immer der Fall, weil eine Straftat ein Tatbestandsmerkmal der anderen Straftat sein kann. Im zweiten Fall ist eine Straftat ein (erschwerender) Umstand der anderen Straftat.
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4. Teil: Die nicht geregelten Konkurrenzformen
ohne gesetzliche Regelung zu dem Ergebnis kommen kann, dass die Bestimmungen über das „Zusammentreffen der Straftaten“ bei der zusammengesetzten Straftat nicht anwendbar sind und es ein Unterfall der Gesetzeskonkurrenz ist. Im Allgemeinen werden die Fallgruppen der Gesetzeseinheit im deutschen und türkischen Strafrecht unter den Abschnitten „Spezialität, Subsidiarität und Konsumtion“ behandelt und mit diesen Begriffen gekennzeichnet. Trotz dieser einheitlichen Begriffsbildung herrscht aber keine Einigkeit über die Unterkategorien der jeweiligen Rechtsinstitute, weder in der deutschen noch in der türkischen Strafrechtslehre, und zwischen beiden Rechtsordnungen. Wenn ein Gesetz erstens alle Merkmale des allgemeinen Gesetzes und daneben mindestens noch ein weiteres Merkmal enthält, liegt das Spezialitätsverhältnis vor. Unter der Spezialität werden die qualifizierten und privilegierten Tatbestände einer Straftat in beiden Rechtsordnungen behandelt. Anders als im türkischen Strafrecht wird im deutschen Recht die zusammengesetzte Straftat als ein Fall der Gesetzeskonkurrenz unter der Spezialität, im türkischen Recht aber unter der Konsumtion behandelt. Wenn also eine Straftat ein Tatbestandsmerkmal oder ein erschwerender Umstand einer anderen Straftat ist, liegt zwischen diesen Straftaten nach der türkischen Strafrechtslehre ein Konsumtionsverhältnis vor, weil die Bestrafung der zusammengesetzten Straftat den Unrechts- und Schuldgehalt anderer Taten völlig erschöpft und die zusammengesetzte Straftat andere Straftaten konsumiert. Diese Annahme ist deswegen überzeugend, weil die Straftaten, die ein Tatbestandsmerkmal oder ein erschwerender Umstand der anderen Straftat sind, ihre Selbstständigkeit in diesen Straftaten verlieren. Im Gegensatz zur Spezialität geht es hier um zwei wesensverschiedene Straftaten; eine von denen umfasst die andere vollständig. Eine genaue Betrachtung zeigt, dass zwar beide Rechtsinstitute einander ähneln. Es liegt aber ein Unterschied in der Weise vor, dass das spezielle Gesetz gegenüber seiner Grundform, aber das konsumierte Gesetz ein anderes Gesetz verdrängt. Auf diese Weise konsumiert die zusammengesetzte Straftat andere Straftat(en) und umfasst ihre sämtlichen Merkmale. Ebenso liegt ein Konsumtionsverhältnis beim Wohnungseinbruchdiebstahl gemäß § 244 I Nr. 3 vor, weil § 244 I Nr. 3 die Straftaten „Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung“ konsumiert. Aber ein Spezialitätsverhältnis zwischen § 244 und § 242 liegt vor, weil § 244 ein weiteres Merkmal gegenüber seiner Grundform enthält. Die straflosen Nachtaten werden sowohl im deutschen als auch im türkischen Recht als eine Unterkategorie der Konsumtion bewertet. Die Nachtaten, die zur Auswertung oder Verwertung der mit der Haupttat (Vortat) erhaltenen Vorteile dienen, sind dann nach beiden Rechtsordnungen straflos (oder mitbestraft), wenn sie kein neues Rechtsgut verletzten, keinen neuen Schaden verursachen und der Geschädigte dieselbe Person ist. Die typischen Begleittaten, die im deutschen Recht ausdrücklich unter der Konsumtion behandelt werden, sind im türkischen Recht namentlich nicht genannt. Aber bei manchen Fällen, die unter diese Kategorie fallen, wird das Konsumtionsverhältnis angenommen. Bei der Begehung eines Raubes in der Wohnung ist der Hausfriedensbruch eine typische Begleittat. Ebenso wäre der Hausfriedensbruch eine typische Begleittat bei einem Wohnungsdiebstahl, wenn das
C. Zusammenfassende Rechtsvergleichung
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TCK entgegenstehende Regelungen enthalten würde. Diese Fälle werden aber im türkischen Strafrecht als zusammengesetzte Straftat bewertet, weil die Begehung des Raubes in einer Wohnung ein erschwerender Umstand des Raubes ist.159 Für die typische Begleittat ist im türkischen Strafrecht Gebrauchsdiebstahl gemäß Art. 146160 TCK das beste Beispiel. Beim Diebstahl eines Fahrzeugs ist der Verbrauch des Benzins bzw. der Diebstahl des Benzins eine typische bzw. konsumierte Begleittat. Darüber hinaus ist aber zu betonen, dass Gebrauchsdiebstahl ein spezielles Gesetz gegenüber dem Diebstahl ist, weil Art. 146 TCK alle Merkmale des Diebstahls und daneben noch ein weiteres spezielles (privilegierendes) Merkmal enthält.161 Werden mehrere Strafgesetze verletzt, ist aber eines von diesen nur hilfsweise in dem Fall anwendbar, in welchem das andere nicht greift, liegt das Subsidiaritätsverhältnis zwischen den Gesetzen nach den beiden Rechtsordnungen vor. Wann es sich um das formelle Subsidiaritätsverhältnis handelt, ist aus dem Gesetzestext zu verstehen. Unter der materiellen Subsidiarität werden in beiden Rechtsordnungen verschiedene intensive Arten des Angriffs (Versuch und Vollendung), verselbstständigte Vorbereitungshandlungen gegenüber den Vollendungen, die Durchgangsdelikte, abstrakte gegenüber den konkreten Gefährdungsdelikten und beide gegenüber den Verletzungsdelikten behandelt. Die Subsidiarität wurde in der türkischen Lehre besonders von I˙çel162 damit begründet, dass bei der Subsidiarität zwischen den Gesetzen ein Notwendigkeitsverhältnis vorliege und dieses Verhältnis nicht dadurch entstehen dürfe, dass ein Gesetz ein Tatbestandsmerkmal oder erschwerender Umstand der anderen Tat sei.163 Die Ansicht im deutschen Strafrecht, dass bei der Straffestsetzung die Sperrwirkung des milderen Gesetzes nicht unterschritten werden dürfe, findet bei der türkischen Strafrechtslehre und der Rechtsprechung keinen Anklang. Um eine sachgerechte Strafe zu finden, wird zwar von einigen Autoren diese Sperrwirkung des milderen Gesetzes angenommen. Aber diese Annahme steht mit dem Gesetz nicht im Einklang, weil im Fall der Anwendung des vorrangigen Gesetzes das andere Gesetz zurücktritt. Die Mindeststrafe des zurückgetretenen Gesetzes darf nicht berücksichtigt werden, weil das vorrangige Gesetz alle Tatbestandsmerkmale des anderen Gesetzes und seinen Schuld- und Unrechtsgehalt umfassen soll und der Gesetzgeber durch die Bildung eines neuen Strafrahmens diese Unrechts- und 159
Koca/Üzülmez, Türk Ceza Hukuku, S. 433. Art. 146 TCK: Wird der Diebstahl in der Absicht begangen, den Gegenstand nach kurzem Gebrauch seinem Besitzer zurückzugeben, so wird die auf Antrag verhängte Strafe bis um die Hälfte herabsetzt. Tellenbach, S. 104 f. 161 Die Annahme des Spezialitätsverhältnisses ist deswegen sinnvoll, weil der Gebrauchsdiebstahl an allen verwendbaren Sachen, also nicht nur an Kraftfahrzeugen usw., möglich ist. 162 ˙ Içel, Suçların ˙Içtimaı, S. 196; vgl. Önder, Ceza Hukuku, S. 616. 163 Wenn also ein Gesetz ein Tatbestandsmerkmal oder erschwerender Umstand der anderen Tat ist, liegt in diesem Fall Konsumtion vor. 160
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4. Teil: Die nicht geregelten Konkurrenzformen
Schuldunterschiede berücksichtigen soll. Wenn dies jedoch nicht der Fall ist, ist dies eine Folge der gesetzgeberischen Oberflächlichkeit. Hier ist das Verhältnis des Schwangerschaftsabbruchs mit der Körperverletzung als Musterbeispiel anzuführen. Wegen des hier genannten Strafrahmenunterschieds wird im deutschen Strafrecht beim Zusammentreffen des Schwangerschaftsabbruchs mit der gefährlichen Körperverletzung164 (einerseits) zutreffend Tateinheit angenommen, weil die Annahme der Gesetzeseinheit zu einem ungerechten Ergebnis führen und dadurch der Unrechts- und Schuldgehalt des verdrängten Gesetzes nicht vollständig abgegolten würde. Bezüglich des türkischen Strafrechts kann man durch die Bewertung der Tatbestandsmerkmale und des Strafrahmens beider Straftaten zum Schluss kommen, dass bei der Regelung des Schwangerschaftsabbruchs dieser den Unrechts- und Schuldgehalt aller Arten der Körperverletzung mitberücksichtigt. Nach Art. 99 Abs. 1 TCK ist der Täter eines Schwangerschaftsabbruchs mit fünf Jahren bis zu zehn Jahren Gefängnis zu bestrafen, wenn er ohne die Einwilligung der Schwangeren ihre Schwangerschaft abbricht. Wenn aber der Abbruch der Schwangerschaft die geistige oder körperliche Gesundheit der Schwangeren verletzt, wird der Täter nach Art. 99 Abs. 3 S. 1 TCK mit einer Freiheitsstrafe von sechs bis zu zwölf Jahren bestraft. Verursacht der Täter durch den Schwangerschaftsabbruch den Tod der Schwangeren, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von fünfzehn bis zu 20 Jahren (Art. 99 Abs. 2 S. 2 TCK). Demzufolge ist durch Auslegung festzustellen, dass die „einfache Körperverletzung“ als typische Begleittat, „schwere Körperverletzung“ und „Schwangerschaftsabbruch mit Todesfolge“ als erschwerender Umstand (zusammengesetzte Straftat) durch die Ahndung des Schwangerschaftsabbruchs mitbestraft. Der Unrechts- und Schuldgehalt der (einfachen und schweren) Körperverletzung wird dadurch vollständig abgegolten, dass die Strafrahmen von Körperverletzung und Schwangerschaftsabbruch dergestalt voneinander wesentlich abweichen, dass dieser bei der zweiten Tat viel höher ist.165 Schließlich ist wieder hervorzuheben, dass die Nichtberücksichtigung der Tatmodalitäten des verdrängten und vorrangigen Gesetzes nicht zuungunsten des Täters wirken dürfen. Jedoch kann der Tatrichter auf eine höhere Strafe innerhalb des Strafrahmens des vorrangigen Gesetzes erkennen; auf diese Weise kann das verdrängte Gesetz bei der Straffestsetzung berücksichtigt werden, es sei denn, dass diese Vorgehensweise zu einer Doppelverwertung führt. Hier liegt die Berücksichtigung des verdrängten Gesetzes bei der Strafzumessung im richterlichen Ermessen. Wenn der Strafrahmen des vorrangigen Gesetzes darauf hinweist, dass auch die Verletzung eines anderen Gesetzes bei diesem Strafrahmen berücksichtigt wird, ist das verdrängte Gesetz nicht mehr als strafschärfend zu bewerten. Wenn dies nicht der Fall ist, kann eine höhere Strafe innerhalb des vorgeschriebenen Strafrahmens mit der Bedingung anerkannt werden, dass dieses gegen das Doppelverwertungsverbot verstoßen würde. Der türkische Kassationshof hat auch in seinen Entscheidungen am Beispiel einer 164 Auch mit der schweren Körperverletzung, weil § 218 als Vergehen, § 226 als Verbrechen normiert wird. 165 Siehe oben S. 273: auch das Verhältnis zwischen Art. 285, 132 und 134 TCK.
C. Zusammenfassende Rechtsvergleichung
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straflosen Nachtat (Beschädigung der gestohlenen Sache) angeführt, dass die straflose Nachtat bei der Bestimmung der Strafe gemäß Art. 61 TCK berücksichtigt werden muss.166 Die Bestrafungsmöglichkeit des Täters nach dem verdrängten Gesetz bzw. Wiederaufleben des verdrängten Gesetzes wird im türkischen Strafrecht wenig behandelt. Beim freiwilligen Zurücktreten des Täters ist er nach beiden Rechtsordnungen wegen des verdrängten Gesetzes zu bestrafen. Ebenso ist der Täter wegen des verdrängten Gesetzes zu bestrafen, wenn das vorrangige Gesetz nicht geahndet wird. Die Bestrafung wegen der straflosen Nachtat ist in der türkischen Lehre von I˙çel anders als von der h. L. und Rechtsprechung im deutschen Strafrecht abgelehnt worden, wenn der Bestrafung der Haupttat prozessuale Hindernisse entgegenstehen. Nach den Ansichten im türkischen Strafrecht ist die Strafe des Täters beim Vorliegen der Gesetzeskonkurrenz nur nach dem vorrangigen Gesetz zu bestimmen. Dies führt dazu, dass die Vorschriften des verdrängten Gesetzes über die Nebenfolgen, Nebenstrafen und Maßnahmen nicht anwendbar sind. Im deutschen Strafrecht wird in manchen Fällen wegen der Nichterfassung des Unrechtsgehalts die Tateinheit statt der Gesetzeskonkurrenz angenommen. Die Idealkonkurrenz wurde z. B. zwischen dem versuchten qualifizierten Tatbestand und dem vollendeten Grunddelikt angenommen. Diese Fälle werden im türkischen Strafrecht auch nicht erwähnt. Wie schon oben ausgeführt, kann ein sachgerechter Strafrahmen in einigen Fällen wegen der Oberflächlichkeit des Gesetzgebers oder auch aufgrund der Schwierigkeit der Bildung einer Regelung, die jeglichen Schuldund Unrechtsgehalt des Tathergangs umfasst, nicht gestaltet werden; deswegen kann bei solchen Fällen die Idealkonkurrenz angenommen werden, um den Schuld- und Unrechtsgehalt des Tathergangs berücksichtigen zu können.
166 Gemäß Art. 61 Abs. 1d-e kann der Richter die Strafe im konkreten Fall innerhalb der oberen und unteren Grenze mit der Berücksichtigung „der Wichtigkeit und des Wertes des Gegenstandes“ (d) und „des entstandenen Schadens“ bestimmen.
Fünfter Teil
Kritische Würdigung, Schlussbetrachtungen und Reformüberlegungen A. Kritische Würdigung und Schlussbetrachtungen In der vorliegenden Dissertation sollen die Grundprobleme der Konkurrenzlehre des türkischen Strafrechts im Lichte des deutschen Strafrechts dargestellt werden. Aufgrund der Vielgestaltigkeit der diskutierten Fragen im deutschen Recht gewinnt die Stellung dieser Fragen auch im türkischen Strafrecht eine besondere Bedeutung. Als Ergebnis dieser Darstellungen sind folgende Punkte festzustellen: – Hinsichtlich des Hauptproblems im türkischen Strafrecht, was man unter dem Begriff der „Tat“ verstehen soll, ist auszuführen, dass nach den ständigen Entscheidungen des türkischen Kassationshofs und nach der herrschenden Lehre unter diesem Begriff „die Handlung“ verstanden werden muss. Aber trotzdem fehlt in der türkischen Konkurrenzlehre immer noch ein einheitlicher Begriff. – Bezüglich der türkischen Konkurrenzbestimmungen ist hervorzuheben, dass das TCK systematische Fehler enthält. Erstens wurden die Idealkonkurrenz der Straftaten und die Fortsetzungstat im selben Artikel unter der Überschrift „Fortsetzungstat“ geregelt; deswegen wurden manchmal die Fälle der Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten als Fortsetzungstat behandelt. Zwar haben die beiden Rechtsinstitute gleiche Rechtsfolgen bezüglich der Bestimmung der Strafe, aber es wäre dennoch sachgerechter, diese zwei wesensverschiedenen Rechtsinstitute unter verschiedenen Artikeln zu normieren. Zweitens ist es auch nicht überzeugend, für die Idealkonkurrenz der gleichartigen und ungleichartigen Straftaten verschiedene Strafzumessungsregeln vorzuschreiben, da die theoretische Grundlage beider Arten der Idealkonkurrenz identisch ist; aus diesem Grund wäre es auch noch sachgerechter, für die Idealkonkurrenz der gleichartigen und ungleichartigen Straftaten gleiche Strafzumessungsregeln zu normieren. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, ist zwar die Regelung der Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten nicht ganz zutreffend, sie sollte aber in einem Absatz dem Art. 44 zur Ermöglichung einer Strafschärfung in bestimmten Grenzen hinzugefügt werden. Wenn ein solcher Absatz diesem Artikel hinzugefügt und eine Strafschärfung vorgeschrieben würde, müsste der Gesetzgeber
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nicht mehr in manchen Artikeln im besonderen Teil1 das Vorliegen der Idealkonkurrenz als Strafschärfungsgrund anordnen. – Neben diesen systematischen Fehlern enthält das türkische Strafgesetz noch inhaltliche Fehler. Bei der Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten ist es maßgeblich, dass die Strafe des Täters nach dem Gesetz, das die schwerste Strafe androht, bestimmt wird. Hier geht es nicht darum, dass der Täter nur wegen des Gesetzes, das die schwerste Strafe androht, zu bestrafen ist. Im Gegensatz dazu ist der Täter wegen aller verletzten Gesetze strafbar, aber seine Strafe wird nach dem Gesetz, das die schwerste Strafe androht, bestimmt. Die Regelung bezüglich der gleichartigen Idealkonkurrenz im Art. 43 TCK ist mit dem Wesen der Idealkonkurrenz nicht vereinbar, und die Auslegung dieses Artikels nach dem Wortlaut führt dazu, dass die Strafe, die nach dem mit der höchsten Strafe bedrohten Gesetz erkannt wird, auch innerhalb der Strafrahmen dieses Gesetzes nicht strafschärfend berücksichtigt werden kann. Wird die Regelung der Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten (TCK Art. 43 Abs. 2) genau betrachtet, ist der inhaltliche Fehler dieser Norm noch erkennbar. Nach dem Art. 43 Abs. 2 begeht der Täter durch eine Handlung eine gleiche Straftat gegen mehrere Personen und Art. 43 Abs. 1 findet Anwendung. Nach diesem Absatz wird beim Vorliegen der Fortsetzungstat bzw. Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten auf eine Strafe erkannt. Diese Regelung weist also nicht darauf hin, dass der Täter nur wegen einer Straftat bestraft wird. – Außerdem taucht das Problem in der türkischen Konkurrenzlehre auf, ob die im TCK Art. 43 Abs. 3 normierte Ausnahme auch für den TCK Art. 44 anwendbar sei. Entgegen manchen Ansichten in der Lehre ist auszuführen, dass einer solche Auslegung, die zuungunsten des Täters wirkt, nicht zuzustimmen ist, weil eine gegenteilige Annahme einen Verstoß gegen das Gesetzlichkeitsprinzip darstellt. Wenn der Gesetzgeber diesbezüglich die gegenteiligen Annahmen beseitigen und die Anwendung auch für die Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten ermöglichen möchte, soll er durch Hinzufügung eines neuen Absatzes im Art. 44 die Lösung finden. – Bei der Konkurrenz der Straftaten, insbesondere bei der Idealkonkurrenz, liegt auch in beiden Rechtsordnungen zugrunde, dass der Täter, der mehrere Straftaten begangen hat, durch die Regelungen der Idealkonkurrenz und durch die Regelung der Fortsetzungstat im türkischen Strafrecht gegenüber dem Einfachtäter privilegiert wird. Eine solche Anwendung kann das Gerechtigkeitsgefühl verletzen. Um dies zu verhindern, wird im deutschen Strafrecht bei der Idealkonkurrenz die Sperrwirkung des milderen Gesetzes und im türkischen Strafrecht bei der Fortsetzungstat und der Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten die Erhöhung der Strafe in einem bestimmten Maße vorgeschrieben, weil der Täter, dessen Handlung mehrere Strafgesetze verletzt hat, nicht besser gestellt sein darf als der Täter, der nur eine einzige Straftat begangen hat. Durch diese Möglichkeiten kann so1
Z. B. TCK Art. 277 und Art. 297.
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wohl die Besserstellung des Mehrfachtäters verhindert als auch der Schuld- und Unrechtsgehalt des Täters innerhalb bestimmter Grenzen fallorientiert besser berücksichtigt werden. Letztendlich ist es auszuführen, dass bei der Straffestsetzung die tätergünstige Rechtsfolge der Idealkonkurrenz nicht entfallen darf; deswegen muss der Tatrichter den Grund der Straffestsetzung und der Strafverschärfung im Urteil ausdrücklich erklären. – Für die Fortsetzungstat und Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten gemäß Art. 43 Abs. 1 S. 2 des TCK eine Strafschärfung vorzuschreiben und auf diese Weise dem Richter einen beschränkten Ermessungsspielraum einzuräumen, ist einerseits wegen der oben genannten Gründe angebracht. Andererseits ist aber diese obligatorische Regelung deswegen änderungsbedürftig, weil der Tatrichter auch die Möglichkeit haben sollte, die im Art. 43 Abs. 1 S. 2 festgestellte Grenze zu unterschreiten. Der Grund dafür ist, dass der Tatrichter in jedem Einzelfall bewerten können soll, ob die mehrmalige Verletzung desselben Gesetzes eine Strafschärfung erfordert. Wenn dies nicht der Fall wäre, dürfte er nicht daran gehindert werden, auch die gesetzliche Mindeststrafe (ohne Strafschärfung) zu verhängen. – Es ist festzustellen, dass der Anwendungsbereich der Idealkonkurrenz im deutschen Strafrecht im Gegensatz zum türkischen so weit wie möglich ausgedehnt wird. Dazu dient erstens die Rechtsfigur der natürlichen Handlungseinheit. Zweitens ist die Handlungseinheit im deutschen Strafrecht durch die teilweise Identität der Handlungen begründet. Daneben werden auch zwei realkonkurrierende Handlungen als eine Handlung durch die Klammerwirkung behandelt und der Anwendungsbereich der Idealkonkurrenz mit der Begründung erweitert, dass die verklammernde dritte Handlung sich mit den jeweiligen verklammerten Handlungen überschneide. Obwohl früher für die Annahme der Klammwirkung eine annähernde Gleichwertigkeit der Straftaten für erforderlich gehalten wurde, wird diese Anforderung durch die neue Rechtsprechung wieder gelockert und die Klammerwirkung der dritten Straftat wird auch dann angenommen, „wenn eine der verklammerten Straftaten schwerer wiegt als die verklammernde“2. – Obwohl im deutschen Strafrecht der Anwendungsbereich der Idealkonkurrenz wesentlich erweitert wird, wird aber manchmal durch die Begrenzung der Handlungseinheit bei manchen Straftaten die Realkonkurrenz angenommen. Ein wichtiges Beispiel dafür ist die Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Träger durch aufeinanderfolgende Handlungen. In dieser Konstellation wird grundsätzlich die natürliche Handlungseinheit deswegen abgelehnt, weil die höchstpersönlichen Rechtsgüter eine qualitative Eigenschaft haben und sie nicht als quantifizierbare Größe bewertet werden. Wie diese Erklärungen zeigen, ist es zu begrüßen, dass im deutschen Strafrecht keine mathematischen Formeln und starren Regeln die Konkurrenzlehre beherrschen. 2
Roxin, Strafrecht AT II, § 33 Rn. 106.
A. Kritische Würdigung und Schlussbetrachtungen
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– Im Vergleich zur deutschen Konkurrenzlehre ist es im türkischen Recht so, dass der Anwendungsbereich der Idealkonkurrenz und Fortsetzungstat wesentlich begrenzt wird. Vor allem dienten dazu die von der Lehre entwickelten sog. Erfolgs- und Vorsatzlehren, die zwar auch vom Kassationshof manchmal als entscheidend angenommen wurden, aber heute wenig Zustimmung finden. Der Art. 43 Abs. 3 bildet für die Anwendung der gleichartigen Idealkonkurrenz und der Fortsetzungstat eine weitere Begrenzung. Außerdem kommen namhafte Begrenzungen durch die Artikel im besonderen Teil und durch die Entscheidungen des Kassationshofs dazu. – Beim Vorliegen der Tatmehrheit unterscheidet sich das türkische Strafrecht von dem deutschen wesentlich, da im türkischen Strafrecht für das Zusammentreffen mehrerer Strafen keine Höchstgrenze vorgeschrieben wird. Deswegen kann auf eine nicht vollstreckbare Strafe erkannt werden. Aber im deutschen Strafrecht wird durch die Regelung der Tatmehrheit das Überschreiten bestimmter Grenzen verhindert. In diesem Zusammenhang erscheint es klar, dass das deutsche Strafrecht bezüglich der Tatmehrheit auf die neue Fassung des türkischen Strafgesetzes keinen Einfluss hatte. Demzufolge ist hier die Frage zu stellen, ob die verhängten Strafen im türkischen Recht eine Rechtsrealität haben. – Es ist auch bemerkenswert, dass die im deutschen Strafrecht angewendeten Regeln und die für diese Regeln festgestellten Ausnahmen ein nicht zu unterschätzendes Regel-Ausnahme-Verhältnis3 zustande gebracht haben. Außerdem wird durch die Aufgabe der Fortsetzungstat eine alte Debatte wieder eröffnet. Diese Rechtslage4 hat dazu geführt, für die Strafbemessung bei mehreren Gesetzesverletzungen verschiedene Prinzipien zu überdenken. In Bezug auf die Strafbemessung bei mehreren Gesetzesverletzungen geht die Tendenz des deutschen Strafrechts dahin, das Einheitsstrafenprinzip einzuführen. Das Einheitsstrafensystem, welches schon beim Jugendstrafrecht Anwendung findet, ist ein seit langem diskutiertes Prinzip zur Verhinderung der unterschiedlichen Behandlung der Ideal- und Realkonkurrenz und zur Verhängung einer einheitlichen Strafe, deren Festsetzung wieder gemäß § 46 zu erfolgen hat. Nach diesen Erklärungen ist es fraglich, ob das Einheitsstrafenprinzip in der türkischen Konkurrenzlehre Anwendung finden kann oder ob in der heutigen Rechtslage die Diskussion dieses Rechtsinstituts möglich ist. Bei der genauen Betrachtung der Konkurrenzbestimmungen und der Nichtregelung der Realkonkurrenz kommt man zum Ergebnis, dass sowohl die Einführung einer Einheitsstrafe als auch die
3 Beispiele dafür: Die Annahme der natürlichen Handlungseinheit und die Nichtanwendung oder begrenzten Anwendung der natürlichen Handlungseinheit bei höchstpersönlichen Rechtsgütern, die Erweiterung der Annahme der Tateinheit durch Klammerwirkung und deren Lockerung mit der Zeit, die Anwendung der Fortsetzungstat bis 1994 und die uneinheitliche und den Anwendungsbereich dieses Rechtinstituts erweiternde Auslegung des Gesamtvorsatzes, die Aufgabe dieses Rechtsinstituts usw. 4 MK-v. Heintschel-Heinegg, vor §§ 52 Rn. 3 ff.
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5. Teil: Kritische Würdigung, Schlussbetrachtungen und Reformüberlegungen
Diskussion über dieses Rechtsinstitut im türkischen Strafrecht noch in weiter Ferne liegen. – Es ist wieder hervorzuheben, dass durch die Anwendung der Konkurrenzbestimmungen die zu verhängenden Strafen im türkischen Strafrecht wesentlich höher als im deutschen Strafrecht sind. Ein wichtiger Grund dafür ist die Nichtregelung der Realkonkurrenz und ein weiterer Grund ist die erweiterte Auslegung des Handlungsbegriffes in der deutschen Konkurrenzlehre. – Die in der Einleitung gestellten Fragen sind an dieser Stelle erneut zu verhandeln bzw. abschließend zu beantworten: Bei der Neuregelung des Zusammentreffens der Straftaten findet das im deutschen Recht geregelte Rechtsinstitut „gleichartige Idealkonkurrenz“, das zwar im alten TCK nicht geregelt, aber in der Lehre vertreten und bei manchen Entscheidungen des Kassationshofs angewendet wurde, Berücksichtigung. Bei der Feststellung des Begriffes der „Tat“ wurden die Ansichten der deutschen Konkurrenzlehre schon früher berücksichtigt und durch die Neuregelung wurde zwar die alte Diskussion nicht beendet, aber der Gesetzgeber hat bei seiner Gesetzesbegründung deutlich gemacht, dass der Begriff „Handlung“ für die Konkurrenzlehre entscheidend ist. Nach der h. L. und den Entscheidungen des Kassationshofs wird der Tatbegriff als „Handlung“ interpretiert. Dies ist einer der wichtigsten Einflüsse des deutschen Rechts auf das türkische. Trotz dieses Einflusses wird die Antwort auf die Frage, was aber man unter dem Begriff der Handlung verstehen solle, im türkischen Strafrecht anders als im deutschen begrenzend interpretiert. Bei der Fortsetzungstat und Realkonkurrenz ist aber kein Einfluss der deutschen Konkurrenzlehre auf die türkische zu erkennen. – Außerdem sind folgende Ergebnisse durch eine allgemeine Gesamtbewertung der deutschen und türkischen Konkurrenzlehre zu betonen; sowohl im deutschen als auch im türkischen Strafrecht ist eines der wichtigsten Ziele der Konkurrenzbestimmungen, die Härte der Strafenkumulation abzumildern und den Täter so zu bestrafen, ohne das Maß seiner Schuld zu überschreiten. Bei der Erfüllung dieses Zwecks darf jedoch nicht übersehen werden, dass der Unrechts- und Schuldgehalt des Tathergangs genug berücksichtigt und ausgeschöpft werden muss. Als Folge dieser Erwägungen muss eine gerechte Strafe gebildet werden. Aus diesen Gründen ist es unerlässlich, bei der Bestrafung bzw. bei der Strafbemessung die Begehung einer Straftat, die Tateinheit, die Tatmehrheit und die Fortsetzungstat unterschiedlich zu bewerten. Für eine solche Bestrafung wird im deutschen Strafrecht eine dreistufige Bestrafung vorgeschrieben. Die Strafe bei der Tateinheit ist höher als die Strafe des Täters, der nur einmal ein Gesetz verletzt hat. Ebenso ist die Strafe bei der Tatmehrheit theoretisch höher als die Strafe bei der Tateinheit. Entsprechend der deutschen Konkurrenzlehre existiert auch im türkischen Strafrecht ein solches Stufenverhältnis. Die Strafe im Fall der Tateinheit, insbesondere bei der Idealkonkurrenz der gleichartigen Straftaten, ist durch eine Erhöhung im bestimmten Maße höher als die Strafe des Täters, der nur ein einziges Gesetz verletzt hat. Ebenso ist die Strafe bei der Fortsetzungstat höher als die
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Strafe bei der Idealkonkurrenz der ungleichartigen Straftaten. Jedoch verliert das Stufenverhältnis zwischen den Rechtsinstituten der Konkurrenzlehre durch die Nichtregelung der Realkonkurrenz im türkischen Recht seine Bedeutung. Durch die Regelung der Realkonkurrenz im TCK könnte eine ungehinderte Strafenkumulation verhindert und das wünschenswerte Stufenverhältnis gestützt werden. Außerdem könnte auf diese Weise auf eine Strafe, die Rechtsrealität hätte und vollstreckbar wäre, entsprechend der Schuld des Täters erkannt werden. Die Strafrahmen bei der Realkonkurrenz könnten aber dem deutschen Recht entgegen zur genügenden Berücksichtigung des Unrechts- und Schuldgehalts noch höher bestimmt werden. Eine solche Erhöhung würde zu einer sachgerechten Sanktionierung führen. Außerdem ist hier bezüglich des türkischen Strafrechts hervorzuheben – obwohl es nicht das Thema dieser Studie ist –, dass die Anwendung des Kumulationsprinzips mit der spezial- und generalpräventiven Wirkung der Strafe nicht vereinbar ist. Durch die langjährigen Strafen und die zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe umgewandelten zeitigen Freiheitsstrafen verliert die Strafe ihre spezialpräventive Wirkung. Folgendes ist auch hier bemerkenswert: Die Statistiken5 über die Anzahl der „Strafgefangenen und Untersuchungshäftlinge“ zeigen, dass das heutige Sanktionssystem seiner generalpräventiven Wirkung nicht nachkommt. – Wie von Schnitzer6 ausgeführt, „sind die Regeln keine mathematischen Regeln“. Es ist auch im Strafrecht sehr schwer, solche Regeln und Lösungen zu finden, um allen entstehenden Problemen adäquat zu begegnen. Diese Feststellung gilt vor allem auch bei der Konkurrenzlehre, weil einerseits eine angemessene Strafe festgestellt und andererseits der Unrechts- und Schuldgehalt des Tathergangs dergestalt berücksichtigt werden muss, dass dieser Gehalt ausgeschöpft werden muss und gleichzeitig das Maß der Schuld des Täters nicht überstiegen werden darf. Bezüglich der beiden Rechtsordnungen ist festzustellen, dass es fast unmöglich ist, eine solche Regelung, die alle diese Eigenschaften hat, zu formulieren. Deswegen beinhalten beide Rechtsordnungen neben den Regeln auch viele Ausnahmen, um durch die Regeln und ihre Modifikationen auf eine gerechte Strafe zu erkennen. Der genannte Aspekt und das Regel-Ausnahme-Verhältnis lassen sich durch folgende Beispiele bekräftigen: die Annahme der Klammerwirkung im deutschen Recht und seine Lockerung mit der Zeit, die Nichtanwendung der Idealkonkurrenz bei manchen Straftaten gemäß Art. 43 Abs. 3 des TCK. Als Folge dieser Erläuterungen ist auszuführen, dass es auch bei der Konkurrenzlehre ziemlich schwer ist, für alle Fälle umfassende und diese befriedigend lösende Prinzipien zu finden. Durch die begrenzte Ratio kann der Mensch nur bezwecken und versuchen, hervorragende Regelungen oder Definitionen zu bilden. Aufgrund dieses begrenzten menschlichen Vermögens kommen
5 6
Dazu siehe Anhang 2. Schnitzer, Vergleichende Rechtslehre II, S. 447.
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die Regelungen, die nicht alle Probleme lösen, und gleichzeitig auch die Modifikationen zustande; und dies ist leider nicht vermeidbar.
B. Eigener Ansatz zur Reformierung der türkischen Konkurrenzregelungen Die Probleme der türkischen Konkurrenzlehre werden im Lichte des deutschen Strafrechts unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Entscheidungen dargestellt. Die rechtsvergleichende Darstellung hat gezeigt, dass das türkische Strafrecht im Wesentlichen vom deutschen Strafrecht abweicht, aber trotzdem ähneln sich beide Rechtsordnungen in manchen Fällen. Mit der Berücksichtigung dieser Ähnlichkeiten, Unterschiede und in der Arbeit ausgeführten Kritiken ist festzustellen, dass das „Zusammentreffen der Straftaten“ im TCK reformbedürftig ist; demzufolge können folgende Bestimmungen vorgeschlagen und entsprechende Anregungen zu einer Gesetzesänderung gegeben werden: 1. Zusammengesetzte Straftat: Wie schon ausgeführt, ist die zusammengesetzte Straftat eine Unterkategorie der Gesetzeskonkurrenz; deswegen ist hier der vorherrschenden Ansicht in der Lehre zu folgen und dementsprechend der Art. 42 abzuschaffen. 2. Fortsetzungstat: Die Bestimmung über die Fortsetzungstat soll ihre Regelung im Gesetz erhalten, um hohe Strafen wegen der bei der Ausführung eines einzigen Tatentschlusses begangenen Straftaten zu verhindern. Im Gegensatz zur heutigen Fassung des Gesetzes, sollte aber unter diesem Artikel zukünftig nur noch dieses Rechtsinstitut geregelt werden. Um dieses Rechtsinstitut entsprechend seinem Wesen zu normieren und die Voraussetzung „die Begehung der gleichen Straftat bei der Ausführung eines einzigen Tatentschlusses“ in den Vordergrund zu stellen, sollte die Voraussetzung „die Begehung der Straftat gegen eine Person“ aufgehoben werden. Die Fortsetzungstat sollte also auch angenommen werden, wenn sich die Einzeltaten gegen verschiedene Rechtsgutsträger richten. Außerdem sollte die Strafverschärfung keine zwingende Rechtsfolge der Fortsetzungstat sein und sie müsste im Ermessen des Gerichts mit dem Vorbehalt der höchsten und mit der Abschaffung der unteren Grenze liegen. Eine solche fakultative Strafschärfung kann damit begründet werden, dass sie bei Straftaten gegen die Vermögenswerte, z. B. wegen der Geringwertigkeit gestohlener Sachen, nicht erforderlich sein könnte. „Wird bei der Ausführung eines einzigen Tatentschlusses die gleiche Straftat zu verschiedenen Zeiten begangen, so wird nur auf eine einzige Strafe erkannt. Diese Strafe kann jedoch bis auf das doppelte verschärft werden.“
Wie in den alten Entscheidungen zu sehen ist, soll der Anwendungsbereich der Fortsetzungstat bei der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiede-
B. Eigener Ansatz zur Reformierung der türkischen Konkurrenzregelungen
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ner Träger begrenzt werden. Um auch bei der Verletzung des höchstpersönlichen Rechtsguts derselben Personen durch fortgesetzte Handlungen die Fortsetzungstat anzunehmen, sollte Abs. 3 dieses Artikels aufgehoben werden. Um diese Begrenzung deutlich zu machen, kann ein weiterer Absatz zu diesem Artikel hinzugefügt werden. Dieser Absatz könnte folgendermaßen verfasst werden: „Bei der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Träger finden die Vorschriften dieses Artikels keine Anwendung.“ Der Gesetzgeber kann aber die Straftaten hier ausdrücklich aufzählen. Eine Begrenzung, wie im Art. 43 Abs. 3, muss der Gesetzgeber nicht normieren, weil auch ein höchstpersönliches Rechtsgut eines einzigen Rechtgutsträgers bei der Ausführung eines einzigen Tatentschlusses mehrmals verletzt werden kann. Der Richter sollte aber in solchen Fällen besonders auf die Frage eingehen, ob wirklich ein einziger Tatentschluss vorliegt. Es wurde schon ausgeführt, dass die Einzelakte der Fortsetzungstat und jede Straftat bei diesem Rechtsinstitut im türkischen Strafrecht ihre Selbstständigkeit bewahren, wenn es im Gesetz nicht anders geregelt wurde. Bezüglich der Verfolgungsverjährung enthält TCK eine Regelung, nach der der Lauf der Verjährungsfrist mit dem Tag der letzten Straftat beginnt. Diese Regelung ist mit dem Grundgedanken der Fortsetzungstat nicht vereinbar und bringt einen gravierenden Nachteil für den Angeklagten mit sich. Deswegen sollte die Mehrheitlichkeit der Einzelakte auch bei der Verjährung berücksichtigt werden und dementsprechend diese Regelung abgeschafft werden. 3. Idealkonkurrenz: Vor allem soll die Idealkonkurrenz der gleichartigen und ungleichartigen Straftaten unter demselben Artikel geregelt werden. Um die in der Lehre stattgefundene alte Diskussion zu beenden und die Unklarheit bzgl. der Begriffe zu vermeiden, ist es zu empfehlen, den Begriff „Handlung“ anzuwenden. Es ist hier erneut besonders hervorzuheben, dass die Anwendung „die Bestrafung des Täters wegen der Straftat“ unzutreffend ist; deswegen ist eine entsprechende Regelung zu begrüßen. Außerdem sollte auch bei der Idealkonkurrenz eine Strafschärfung in bestimmtem Maße vorgeschrieben werden, damit der Schuldund Unrechtsgehalt des Tathergangs besser berücksichtigt werden kann. Wie bereits bei der Fortsetzungstat angeregt, wäre auch hier eine fakultative Strafschärfung ohne Feststellung einer Untergrenze wünschenswert: „Wer durch eine Handlung mehr als eine verschiedenartige Straftat oder durch eine Handlung dieselbe Straftat mehrmals begeht, so wird nur auf eine Strafe erkannt. Jedoch kann diese Strafe bis um drei viertel verschärft werden.“
4. Realkonkurrenz: Bezüglich der türkischen Konkurrenzlehre muss diskutiert werden, ob die Realkonkurrenz geregelt werden soll oder ob diese nur als ein Rechtsinstitut des Strafvollzugs angenommen und das Kumulationsprinzip beibehalten wird. Wenn die Strafen nach diesem Prinzip zusammengerechnet werden, kommt es zur Verhängung ziemlich hoher, lebensfremder und meistens nicht vollstreckbarer Strafen. Dies wird daran deutlich, dass manche Strafen
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keine Rechtsrealität haben, wenn z. B. die zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe umgewandelten zeitigen Freiheitsstrafen berücksichtigt werden. Deswegen ist es zukünftig zu begrüßen, die Nichtregelung der Realkonkurrenz mit all ihren Rechtsfolgen infrage zu stellen. Daneben ist auch zu beachten, dass zwischen der Ideal- und Realkonkurrenz ein Wesensunterschied vorliegt; deswegen erscheint ein Bestrafungssystem, durch dessen Anwendung der Unrechts- und Schuldgehalt des Mehrfachtäters genug berücksichtigt und eine angemessene und vollstreckbare Strafe verhängt werden kann, sinnvoll.
Anhang 1 Gesetzesmaterialien1 Madde 8 – Yer bakımından uygulama (1) Türkiye’de is¸lenen suçlar hakkında Türk kanunları uygulanır. Fiilin kısmen veya tamamen Türkiye’de is¸lenmesi veya neticenin Türkiye’de gerçekles¸mesi halinde suç, Türkiye’de is¸lenmis¸ sayılır. (2) Suç; a) Türk kara ve hava sahaları ile Türk karasularında, b) Açık denizde ve bunun üzerindeki hava sahasında, Türk deniz ve hava araçlarında veya bu araçlarla, c) Türk deniz ve hava savas¸ araçlarında veya bu araçlarla, d) Türkiye’nin kıt’a sahanlıg˘ ında veya münhasır ekonomik bölgesinde tesis edilmis¸ sabit platformlarda veya bunlara kars¸ı, ˙Is¸lendig˘ inde Türkiye’de is¸lenmis¸ sayılır. Artikel 8 – Räumliche Geltung (1) Auf Straftaten, die in der Türkei begangen werden, werden die türkischen Gesetze angewendet. Wird die Tat ganz oder teilweise in der Türkei begangen oder tritt der Erfolg in der Türkei ein, so gilt die Straftat als in der Türkei begangen. (2) Wird die Straftat; a) im türkischen Land- oder Luftraum oder in den türkischen Küstengewässern, b) auf hoher See oder dem darüber befindlichen Luftraum auf oder mit türkischen Schiffen oder Luftfahrzeugen, c) auf oder mit türkischen Kriegsschiffen oder Luftfahrzeugen, d) auf oder gegen feste Plattformen, die auf dem Festlandssockel oder in besonderen Wirtschaftszonen errichtet worden sind, begangen, so gilt sie als in der Türkei begangen.
1
Die Vorschriften wurden von Silvia Tellenbach übersetzt. in: Tellenbach, Das türkische Strafgesetzbuch Gesetz Nr. 5237 vom 26. 09. 2004 nach dem Stand vom 15. 11. 2008. Tellenbach hat also die Änderungen bis zur Veröffentlichung dieses Werkes berücksichtigt. Ab diesem Datum wurden manche Artikel wieder geändert. Diese Änderungen werden hier berücksichtigt, und diese und eigene Übersetzungen werden kursiv geschrieben.
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Anhang 1
Madde 42 – Biles¸ik Suç (1) Biri dig˘ erinin unsurunu veya ag˘ ırlas¸tırıcı nedenini olus¸turması dolayısıyla tek fiil sayılan suça biles¸ik suç denir. Bu tür suçlarda içtima hükümleri uygulanmaz. Artikel 42 – Zusammengesetzte Straftat (1) Eine Straftat, die als eine einzige Tat angesehen wird, weil die eine Tat ein Tatbestandsmerkmal oder einen erschwerenden Umstand der anderen Tat bildet, wird als zusammengesetzte Straftat bezeichnet. Auf derartige Straftaten finden die Vorschriften über die Konkurrenzen keine Anwendung. Madde 43 – Zincirleme suç (1) Bir suç is¸leme kararının icrası kapsamında, deg˘ is¸ik zamanlarda bir kis¸iye kars¸ı aynı suçun birden fazla is¸lenmesi durumunda, bir cezaya hükmedilir. Ancak bu ceza, dörtte birinden dörtte üçüne kadar artırılır. Bir suçun temel s¸ekli ile daha ag˘ ır veya daha az cezayı gerektiren nitelikli s¸ekilleri, aynı suç sayılır. Mag˘ duru belli bir kis¸i olmayan suçlarda da bu fıkra hükmü uygulanır. (2) Aynı suçun birden fazla kis¸iye kars¸ı tek bir fiille is¸lenmesi durumunda da, birinci fıkra hükmü uygulanır. (3) Kasten öldürme, kasten yaralama, is¸kence ve yag˘ ma suçlarında bu madde hükümleri uygulanmaz. Artikel 43 – Fortsetzungstat (1) Wird bei der Ausführung eines einzigen Tatentschlusses die gleiche Straftat gegen eine Person zu verschiedenen Zeiten mehrmals begangen, so wird eine einzige Strafe verhängt. Jedoch wird diese Strafe um ein Viertel bis um drei Viertel verschärft. Ein Grundtatbestand und seine privilegierten oder qualifizierten Formen gelten als dieselbe Straftat. Die Vorschrift dieses Absatzes wird auch auf Straftaten angewendet, bei denen das Opfer keine bestimmte Person ist. (2) Wird eine Straftat durch eine einzige Handlung gegen mehr als eine Person begangen, so findet Abs. 1 Anwendung. (3) Bei vorsätzlicher Tötung, vorsätzlicher Körperverletzung, Folter und Raub finden die Vorschriften dieses Artikels keine Anwendung. Madde 44 – Fikri içtima (1) ˙Is¸ledig˘ i bir fiil ile birden fazla farklı suçun olus¸masına sebebiyet veren kis¸i, bunlardan en ag˘ ır cezayı gerektiren suçtan dolayı cezalandırılır. Artikel 44 – Idealkonkurrenz (1) Wer durch eine Handlung mehr als eine verschiedenartige Straftat begeht, wird wegen der Straftat bestraft, die mit der höchsten Strafe bedroht ist.
Anhang 1
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Madde 49 – Süreli hapis cezası (1) Süreli hapis cezası, kanunda aksi belirtilmeyen hallerde bir aydan az, yirmi yıldan fazla olamaz. (2) Hükmedilen bir yıl veya daha az süreli hapis cezası, kısa süreli hapis cezasıdır. Artikel 49 – Zeitige Gefängnisstrafe (1) Die zeitige Gefängnisstrafe dauert nicht weniger als einen Monat und nicht länger als 20 Jahre, sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. (2) Eine für ein Jahr oder weniger ausgesprochene Gefängnisstrafe ist eine kurzzeitige Gefängnisstrafe. Madde 61 – Cezanın belirlenmesi (1) Hakim, somut olayda; a) Suçun is¸lenis¸ biçimini, b) Suçun is¸lenmesinde kullanılan araçları, c) Suçun is¸lendig˘ i zaman ve yeri, d) Suçun konusunun önem ve deg˘ erini, e) Meydana gelen zarar veya tehlikenin ag˘ ırlıg˘ ını, f) Failin kast veya taksire dayalı kusurunun ag˘ ırlıg˘ ını, g) Failin güttüg˘ ü amaç ve saiki, Göz önünde bulundurarak, is¸lenen suçun kanuni tanımında öngörülen cezanın alt ve üst sınırı arasında temel cezayı belirler. (2)
Suçun olası kastla ya da bilinçli taksirle is¸lenmesi nedeniyle indirim veya artırım, birinci fıkra hükmüne göre belirlenen cezaüzerinden yapılır.
(3)
Birinci fıkrada belirtilen hususların suçun unsurunu olus¸turdug˘ u hallerde, bunlar temel cezanın belirlenmesinde ayrıca göz önünde bulundurulmaz.
(4)
Bir suçun temel s¸ekline nazaran daha ag˘ ır veya daha az cezayı gerektiren birden fazla nitelikli hallerin gerçekles¸mesi durumunda; temel cezada önce artırma sonra indirme yapılır.
(5)
Yukarıdaki fıkralara göre belirlenen ceza üzerinden sırasıyla tes¸ebbüs, is¸tirak, zincirleme suç, haksız tahrik, yas¸ küçüklüg˘ ü, akıl hastalıg˘ ı ve cezada indirim yapılmasını gerektiren s¸ahsi sebeplere ilis¸kin hükümler ile takdiri indirim nedenleri uygulanarak sonuç ceza belirlenir.
(6)
Hapis cezasının süresi gün, ay ve yıl hesabıyla belirlenir. Bir gün, yirmidört saat; bir ay, otuz gündür. Yıl, resmi takvime göre hesap edilir. Hapis cezası için bir günün, adlî para cezası için bir Türk Lirasının artakalanı hesaba katılmaz ve bu cezalar infaz edilmez.
(7)
Süreli hapis cezasını gerektiren bir suçtan dolayı bu madde hükümlerine göre belirlenen sonuç ceza, otuz yıldan fazla olamaz.
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Anhang 1
(8)
Adlî para cezası hesaplanırken, bu madde hükmüne göre cezanın belirlenmesi ve bireyselles¸tirilmesine yönelik artırma ve indirimler, gün üzerinden yapılır. Adlî para cezası, belirlenen sonuç gün ile kis¸inin bir gün kars¸ılıg˘ ı ödeyebileceg˘ i miktarın çarpılması suretiyle bulunur.
(9)
Adlî para cezasının seçimlik ceza olarak öngörüldüg˘ ü suçlarda bu cezaya ilis¸kin gün biriminin alt sınırı, o suç tanımındaki hapis cezasının alt sınırından az; üst sınırı da, hapis cezasının üst sınırından fazla olamaz.
(10) Kanunda açıkça yazılmıs¸ olmadıkça cezalar ne artırılabilir, ne eksiltilebilir, ne de deg˘ is¸tirilebilir. Artikel 61 – Bestimmung der Strafen (1)
Der Richter bestimmt die Grundstrafe im konkreten Fall zwischen der Unter- und Obergrenze der Strafe, die in dem gesetzlichen Straftatbestand vorgesehen ist. Dabei berücksichtigt er a) die Art und Weise der Tatbegehung, b) die bei der Tat eingesetzten Mittel, c) die Zeit und den Ort der Tat, d) die Wichtigkeit und den Wert des Gegenstands der Tat, e) den entstandenen Schaden und die Größe der Gefahr, f) die Schwere der auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit beruhenden Schuld des Täters, g) die Ziele und Motive des Täters.
(2)
Strafmilderungen oder Strafschärfungen wegen Eventualvorsatzes oder bewusster Fahrlässigkeit erfolgen an der gemäß Abs. 1 festgelegten Strafe.
(3)
Bilden die in Abs. 1 festgelegten Umstände ein Merkmal des Tatbestands, so werden sie bei der Festlegung der Grundstrafe nicht noch ein weiteres Mal berücksichtigt.
(4)
Liegt beim Grundtatbestand einer Straftat mehr als ein Umstand vor, der eine schärfere oder mildere Strafe erforderlich macht, so werden an der Grundstrafe zunächst die Strafschärfungen und dann Strafmilderungen vorgenommen.
(5)
An der Strafe, wie sie gemäß den obigen Absätzen bestimmt worden ist, werden die Vorschriften über Versuch, Teilnahme, Fortsetzungstat, Provokation, Minderjährigkeit, Geisteskrankheit und persönliche strafmildernde Gründe sowie unbenannte Strafmilderungsgründe in dieser Reihenfolge angewendet und so die endgültige Strafe bestimmt.
(6)
Die Dauer der Gefängnisstrafe wird nach Tagen, Monaten und Jahren bestimmt. Ein Tag hat 24 Stunden; ein Monat hat 30 Tage. Das Jahr wird nach dem amtlichen Kalender gerechnet. Bei Gefängnisstrafen wird der Rest eines Tages, bei Geldstrafen der Rest einer Türkischen Lira nicht gerechnet und diese Strafen nicht vollstreckt.
(7)
Die endgültige Strafe, die für eine mit zeitiger Freiheitsstrafe bedrohte Tat gemäß den Vorschriften dieses Artikels zu verhängen ist, darf nicht mehr als 30 Jahre betragen.
(8)
Bei der Festsetzung einer Geldstrafe werden die gemäß diesem Artikel zur Bestimmung und Individualisierung der Strafe vorzunehmenden Strafschärfungen und Strafmilde-
Anhang 1
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rungen in Tagen berechnet. Die Geldstrafe wird ermittelt, indem die Zahl der sich ergebenden Tage mit dem als Tagessatz zu zahlenden Betrag multipliziert wird. (9)
Bei den Straftaten, bei denen Geldstrafe als wahlweise angedrohte Strafe vorgesehen ist, darf die Untergrenze der Tageszahl die Untergrenze der Gefängnisstrafe nicht unterschreiten, die Obergrenze jedoch die Obergrenze der Gefängnisstrafe nicht überschreiten.
(10) Sofern es nicht ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist, können Strafen weder verschärft noch gemildert noch geändert werden. Madde 62 – Takdiri indirim nedenleri (1) Fail yararına cezayı hafifletecek takdiri nedenlerin varlıg˘ ı halinde, ag˘ ırlas¸tırılmıs¸ müebbet hapis cezası yerine, müebbet hapis; müebbet hapis cezası yerine, yirmibes¸ yıl hapis cezası verilir. Dig˘ er cezaların altıda birine kadarı indirilir. (2) Takdiri indirim nedeni olarak, failin geçmis¸i, sosyal ilis¸kileri, fiilden sonraki ve yargılama sürecindeki davranıs¸ları, cezanın failin geleceg˘ i üzerindeki olası etkileri gibi hususlar göz önünde bulundurulabilir. Takdiri indirim nedenleri kararda gösterilir. Artikel 62 – Strafmilderungsgründe nach Ermessen (1) Liegen zugunsten des Täters Ermessungsgründe für eine Strafmilderung vor, so tritt an die Stelle von erschwerter lebenslanger Freiheitsstrafe eine lebenslange Freiheitsstrafe, an die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe treten 25 Jahre Gefängnisstrafe. (2) Als Grund für die Milderung nach Ermessen können Umstände wie das Vorleben des Täters, seine sozialen Bindungen, sein Verhalten nach der Tat und während des Verfahrens, die möglichen Auswirkungen der Strafe auf seine Zukunft berücksichtigt werden. Die Gründe für die Strafmilderung nach Ermessen werden im Urteil dargelegt. Madde 66 – Dava Zamanas¸ımı (1) Kanunda bas¸ka türlü yazılmıs¸ olan haller dıs¸ında kamu davası; a) Ag˘ ırlas¸tırılmıs¸ müebbet hapis cezasını gerektiren suçlarda otuz yıl, b) Müebbet hapis cezasını gerektiren suçlarda yirmibes¸ yıl, c) Yirmi yıldan as¸ag˘ ı olmamak üzere hapis cezasını gerektiren suçlarda yirmi yıl, d) Bes¸ yıldan fazla ve yirmi yıldan az hapis cezasını gerektiren suçlarda onbes¸ yıl, e) Bes¸ yıldan fazla olmamak üzere hapis veya adlî para cezasını gerektiren suçlarda sekiz yıl geçmesiyle düs¸er. (2) Fiili is¸ledig˘ i sırada oniki yas¸ını doldurmus¸ olup da onbes¸ yas¸ını doldurmamıs¸ olanlar hakkında, bu sürelerin yarısının; onbes¸ yas¸ını doldurmus¸ olup da onsekiz yas¸ını doldurmamıs¸ olan kis¸iler hakkında ise, üçte ikisinin geçmesiyle kamu davası düs¸er. (3) Dava zamanas¸ımı süresinin belirlenmesinde dosyadaki mevcut deliller itibarıyla suçun daha ag˘ ır cezayı gerektiren nitelikli halleri de göz önünde bulundurulur. (4) Yukarıdaki fıkralarda yer alan sürelerin belirlenmesinde suçun kanunda yer alan cezasının yukarı sınırı göz önünde bulundurulur; seçimlik cezaları gerektiren suçlarda zamanas¸ımı bakımından hapis cezası esas alınır.
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(5) Aynı fiilden dolayı tekrar yargılamayı gerektiren hallerde, mahkemece bu husustaki talebin kabul edildig˘ i tarihten itibaren fiile ilis¸kin zamanas¸ımı süresi yeni bas¸tan is¸lemeye bas¸lar. (6) Zamanas¸ımı, tamamlanmıs¸ suçlarda suçun is¸lendig˘ i günden, tes¸ebbüs halinde kalan suçlarda son hareketin yapıldıg˘ ı günden, kesintisiz suçlarda kesintinin gerçekles¸tig˘ i ve zincirleme suçlarda son suçun is¸lendig˘ i günden, çocuklara kars¸ı üstsoy veya bunlar üzerinde hüküm ve nüfuzu olan kimseler tarafından is¸lenen suçlarda çocug˘ un onsekiz yas¸ını bitirdig˘ i günden itibaren is¸lemeye bas¸lar. (7) Bu Kanunun I˙kinci Kitabının Dördüncü Kısmında yazılı ag˘ ırlas¸tırılmıs¸ müebbet veya müebbet veya on yıldan fazla hapis cezalarını gerektiren suçların yurt dıs¸ında is¸lenmesi halinde dava zamanas¸ımı uygulanmaz. Artikel 66 – Verfolgungsverjährung (1) Soweit im Gesetz nichts anderes bestimmt ist, erlischt die öffentliche Klage a) bei Straftaten, die mit erschwertem lebenslangem Gefängnis bedroht sind, nach 30 Jahren, b) bei Straftaten, die mit lebenslangem Gefängnis bedroht sind, nach 25 Jahren, c) bei Straftaten, die mit Gefängnis von mindestens 20 Jahren bedroht sind, nach 20 Jahren, d) bei Straftaten, die mit Gefängnis von über fünf und unter 20 Jahren bedroht sind, nach 15 Jahren, e) bei Straftaten, die mit Gefängnis von nicht über fünf Jahren oder Geldstrafe bedroht sind, nach 8 Jahren. (2) Bei Personen, die zur Tatzeit das zwölfte, aber noch nicht das 15. Lebensjahr vollendet haben, erlischt die öffentliche Klage nach der Hälfte dieser Fristen, bei Personen, die das 15., aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben, erlischt die öffentliche Klage nach zwei Dritteln dieser Fristen. (3) Bei der Feststellung der Verfolgungsfrist werden qualifizierte Formen der Straftat berücksichtigt, die nach den in den Akten vorhandenen Beweismitteln eine schwerere Strafe für die Tat nach sich ziehen. (4) Bei der Bestimmung der in den obigen Absätzen genannten Verjährungsfristen wird die im Tatbestand genannte Obergrenze der Strafe berücksichtigt; bei Straftaten, die wahlweise angedrohte Strafen nach sich ziehen, wird für die Verjährung die Freiheitsstrafe berücksichtigt. (5) Bei einem Verurteilten, der wegen derselben Tat ein zweites Mal vor Gericht zu stellen ist, beginnt die Verjährungsfrist mit dem Tag, an dem das Gericht dem diesbezüglichen Antrag stattgegeben hat, erneut zu laufen. (6) Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt bei vollendeten Straftaten mit dem Tag der Tatbegehung, bei versuchten Straftaten mit dem Tag der letzten Handlung, bei Dauerdelikten mit dem Tag der Beendigung, bei Fortsetzungstaten mit dem Tag der letzten Tat und bei Taten gegen Kinder durch Verwandte aufsteigender Linie und durch Personen, die über sie Autorität und Einfluss haben, mit dem Tag, an dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat.
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(7) Werden die im 4. Teil des 2. Buchs dieses Gesetzes genannten Straftaten, die mit erschwertem lebenslangem, lebenslangem und mit Gefängnis über 10 Jahren bedroht sind, im Ausland begangen, so verjähren sie nicht. Madde 81 – Kasten Öldürme (1) Bir insani kasten öldüren kisi, müebbet hapis cezasi ile cezalandirilir. Artikel 81 – Vorsätzliche Tötung (1) Wer einen Menschen vorsätzlich tötet, wird mit lebenslangem Gefängnis bestraft. Madde 85 – Taksirle Öldürme (1) Taksirle bir insanın ölümüne neden olan kis¸i, iki yıldan altı yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. (2) Fiil, birden fazla insanın ölümüne ya da bir veya birden fazla kis¸inin ölümü ile birlikte bir veya birden fazla kis¸inin yaralanmasına neden olmus¸ ise, kis¸i iki yıldan onbes¸ yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. Artikel 85 – Fahrlässige Tötung (1) Wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht, wird mit zwei bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft. (2) Hat die Tat den Tod von mehr als einem Menschen oder den Tod von einem oder mehreren Menschen und dazu die Verletzung eines oder mehrerer Menschen verursacht, so wird der Täter mit zwei bis zu 15 Jahren Gefängnis bestraft. Madde 86 – Kasten yaralama (1) Kasten bas¸kasının vücuduna acı veren veya sag˘ lıg˘ ının ya da algılama yeteneg˘ inin bozulmasına neden olan kis¸i, bir yıldan üç yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. (2) Kasten yaralama fiilinin kis¸i üzerindeki etkisinin basit bir tıbbî müdahaleyle giderilebilecek ölçüde hafif olması hâlinde, mag˘ durun s¸ikâyeti üzerine, dört aydan bir yıla kadar hapis veya adlî para cezasına hükmolunur. (3) Kasten yaralama suçunun; a) Üstsoya, altsoya, es¸e veya kardes¸e kars¸ı, b) Beden veya ruh bakımından kendisini savunamayacak durumda bulunan kis¸iye kars¸ı, c) Kis¸inin yerine getirdig˘ i kamu görevi nedeniyle, d) Kamu görevlisinin sahip bulundug˘ u nüfuz kötüye kullanılmak suretiyle, e) Silahla, ˙Is¸lenmesi halinde, s¸ikâyet aranmaksızın, verilecek ceza yarı oranında artırılır.
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Artikel 86 – Vorsätzliche Körperverletzung (1) Wer einem anderen vorsätzlich Schmerzen oder einen Schaden an seiner Gesundheit oder Einsichtsvermögen zufügt, wird mit einem Jahr bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft. (2) Hat die vorsätzliche Körperverletzung bei einer Person Auswirkungen, die so leicht sind, dass sie mit einem einfachen ärztlichen Eingriff beseitigt werden können, so wird auf Antrag des Opfers eine Strafe von vier Monaten bis zu einem Jahr Gefängnis oder Geldstrafe verhängt. (3) Wird die vorsätzliche Körperverletzung a) gegen einen Verwandten aufsteigender oder absteigender Linie, gegen den Ehegatten, Bruder oder Schwester, b) gegen eine Person, die wegen ihres körperlichen oder geistigen Zustands wehrlos ist, c) gegen eine Person wegen der Erfüllung ihrer Amtspflicht, d) unter Missbrauch des Einflusses eines Amtsträgers, e) mit Waffen begangen, so wird die Strafe um die Hälfte erhöht. Eines Strafantrags bedarf es nicht. Madde 89 – Taksirle yaralama (1) Taksirle bas¸kasının vücuduna acı veren veya sag˘ lıg˘ ının ya da algılama yeteneg˘ inin bozulmasına neden olan kis¸i, üç aydan bir yıla kadar hapis veya adlî para cezası ile cezalandırılır. (2) Taksirle yaralama fiili, mag˘ durun; a) Duyularından veya organlarından birinin is¸levinin sürekli zayıflamasına, b) Vücudunda kemik kırılmasına, c) Konus¸masında sürekli zorlug˘ a, d) Yüzünde sabit ize, e) Yas¸amını tehlikeye sokan bir duruma, f) Gebe bir kadının çocug˘ unun vaktinden önce dog˘ masına, Neden olmus¸sa, birinci fıkraya göre belirlenen ceza, yarısı oranında artırılır. (3) Taksirle yaralama fiili, mag˘ durun; a) ˙Iyiles¸mesi olanag˘ ı bulunmayan bir hastalıg˘ a veya bitkisel hayata girmesine, b) Duyularından veya organlarından birinin is¸levinin yitirilmesine, c) Konus¸ma ya da çocuk yapma yeteneklerinin kaybolmasına, d) Yüzünün sürekli deg˘ is¸iklig˘ ine, e) Gebe bir kadının çocug˘ unun düs¸mesine, Neden olmus¸sa, birinci fıkraya göre belirlenen ceza, bir kat artırılır. (4) Fiilin birden fazla kis¸inin yaralanmasına neden olması halinde, altı aydan üç yıla kadar hapis cezasına hükmolunur.
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(5) Taksirle yaralama suçunun sorus¸turulması ve kovus¸turulması s¸ikâyete bag˘ lıdır. Ancak, birinci fıkra kapsamına giren yaralama hariç, suçun bilinçli taksirle is¸lenmesi halinde s¸ikâyet aranmaz. Artikel 89 – Fahrlässige Körperverletzung (1) Wer einem anderen fahrlässig Schmerzen oder einen Schaden an seiner Gesundheit oder Einsichtsvermögen zufügt, wird mit einem Jahr bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft. (2) Hat die fahrlässige Körperverletzung bei dem Opfer a) eine dauernde Schwächung der Funktion eines Sinnes oder Organs, b) einen Knochenbruch, c) einen dauernden Sprachfehler, d) eine nachhaltige Spur im Gesicht, e) einen lebensgefährdenden Zustand, f) bei Begehung gegen eine Schwangere eine Frühgeburt zur Folge gehabt, so wird die in Abs. 1 bestimmte Strafe um die Hälfte erhöht. (3) Hat die fahrlässige Körperverletzung bei dem Opfer a) eine unmittelbare Krankheit oder ein Dauerkoma, b) den Verlust der Funktion eines Sinnes oder Organs, c) den Verlust des Sprech- oder Zeugungsvermögens, d) eine dauernde Entstellung des Gesichts, e) bei Begehung gegen eine Schwangere den Verlust des Kindes zur Folge gehabt, so wird die in Abs. 1 bestimmte Strafe verdoppelt. (4) Hat die Tat die Verletzung von mehr als einer Person verursacht, so wird eine Strafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren Gefängnis verhängt. (5) Die Verfolgung der fahrlässigen Körperverletzung hängt von einem Strafantrag ab. Bei bewusster Fahrlässigkeit ist jedoch mit Ausnahme einer Körperverletzung gemäß Abs. 1 kein Strafantrag erforderlich. Madde 97 – Terk (1) Yas¸ı veya hastalıg˘ ı dolayısıyla kendini idare edemeyecek durumda olan ve bu nedenle koruma ve gözetim yükümlülüg˘ ü altında bulunan bir kimseyi kendi haline terk eden kis¸i, üç aydan iki yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. (2) Terk dolayısıyla mag˘ dur bir hastalıg˘ a yakalanmıs¸, yaralanmıs¸ veya ölmüs¸se, neticesi sebebiyle ag˘ ırlas¸mıs¸ suç hükümlerine göre cezaya hükmolunur.
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Artikel 97 – Verlassen (1) Wer einen anderen sich selbst überlässt, der wegen seines Alters oder wegen Krankheit nicht für sich aufkommen kann und zu dessen Schutz und Aufsicht er aus diesem Grund verpflichtet ist, wird mit drei Monaten bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft. (2) Zieht sich das Opfer wegen des Verlassenwerdens eine Krankheit oder Verletzung zu oder stirbt es, so wird die Strafe gemäß den Vorschriften über erfolgsqualifizierte Delikte verhängt. Madde 99 – C ¸ ocuk Düs¸ürtme (1) Rızası olmaksızın bir kadının çocug˘ unu düs¸ürten kis¸i, bes¸ yıldan on yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. (2) Tıbbi zorunluluk bulunmadıg˘ ı halde, rızaya dayalı olsa bile, gebelik süresi on haftadan fazla olan bir kadının çocug˘ unu düs¸ürten kis¸i, iki yıldan dört yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. Bu durumda, çocug˘ unun düs¸ürtülmesine rıza gösteren kadın hakkında bir yıla kadar hapis veya adlî para cezasına hükmolunur. (3) Birinci fıkrada yazılı fiil kadının beden veya ruh sag˘ lıg˘ ı bakımından bir zarara ug˘ ramasına neden olmus¸sa, kis¸i altı yıldan oniki yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır; fiilin kadının ölümüne neden olması halinde, onbes¸ yıldan yirmi yıla kadar hapis cezasına hükmolunur. (4) I˙kinci fıkrada yazılı fiil kadının beden veya ruh sag˘ lıg˘ ı bakımından bir zarara ug˘ ramasına neden olmus¸sa, kis¸i üç yıldan altı yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır; fiilin kadının ölümüne neden olması halinde, dört yıldan sekiz yıla kadar hapis cezasına hükmolunur. (5) Rızaya dayalı olsa bile, gebelik süresi on haftayı doldurmamıs¸ olan bir kadının çocug˘ unun yetkili olmayan bir kis¸i tarafından düs¸ürtülmesi halinde; iki yıldan dört yıla kadar hapis cezasına hükmolunur. Yukarıdaki fıkralarda tanımlanan dig˘ er fiiller yetkili olmayan bir kis¸i tarafından is¸lendig˘ i takdirde, bu fıkralara göre verilecek ceza, yarı oranında artırılarak hükmolunur. (6) Kadının mag˘ duru oldug˘ u bir suç sonucu gebe kalması halinde, süresi yirmi haftadan fazla olmamak ve kadının rızası olmak kos¸uluyla, gebelig˘ i sona erdirene ceza verilmez. Ancak, bunun için gebelig˘ in uzman hekimler tarafından hastane ortamında sona erdirilmesi gerekir. Artikel 99 – Fremdabtreibung (1) Wer ohne ihre Zustimmung das Kind einer Frau abtreibt, wird mit fünf bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft. (2) Wer ohne medizinische Notwendigkeit, auch wenn eine Einwilligung vorliegt, das Kind einer Frau abtreibt, deren Schwangerschaft mehr als zehn Wochen besteht, wird mit zwei bis zu vier Jahren Gefängnis bestraft. In diesem Fall wird die Frau, welche die Einwilligung zur Abtreibung des Kindes gibt, mit bis zu einem Jahr Gefängnis oder Geldstrafe bestraft. (3) Hat die in Abs. 1 umschriebene Tat die körperliche oder geistige Gesundheit der Frau verletzt, so wird der Täter mit sechs bis zu zwölf Jahren Gefängnis bestraft; hat die Tat den Tod der Frau zur Folge gehabt, so wird eine Strafe von 15 bis 20 Jahren Gefängnis verhängt.
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(4) Hat die in Abs. 2 umschriebene Tat die körperliche oder geistige Gesundheit der Frau verletzt, so wird der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Jahren Gefängnis bestraft; hat die Tat den Tod der Frau zur Folge gehabt, so wird eine Strafe von vier bis zu acht Jahren Gefängnis verhängt. (5) Wird das Kind einer Frau, deren Schwangerschaft noch keine zehn Wochen dauert, und sei es mit ihrer Einwilligung, von einer Person abgetrieben, die nicht dazu befugt ist, so wird eine Strafe von zwei bis zu vier Jahren Gefängnis verhängt. Werden die sonstigen in den obigen Absätzen genannten Taten von einer unbefugten Person begangen, so wird die gemäß diesen Absätzen zu verhängende Strafe um die Hälfte erhöht. (6) Wird die Frau als Opfer einer Straftat schwanger, so wird derjenige, der die Schwangerschaft abbricht, nicht bestraft, wenn diese nicht länger als 20 Wochen besteht und die Einwilligung der Frau vorliegt. Jedoch muss dann die Schwangerschaft durch einen Facharzt in einem Krankenhaus abgebrochen werden. Madde 102 – Cinsel Saldırı (1) Cinsel davranıs¸larla bir kimsenin vücut dokunulmazlıg˘ ını ihlal eden kis¸i mag˘ durun s¸ikayeti üzerine, bes¸ yıldan on yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. Cinsel davranıs¸ın sarkıntılık düzeyinde kalması hâlinde iki yıldan bes¸ yıla kadar hapis cezası verilir. (2) Fiilin vücuda organ veya sair bir cisim sokulması suretiyle is¸lenmesi durumunda, oniki yıldan az olmamak üzere hapis cezasına hükmolunur. Bu fiilin es¸e kars¸ı is¸lenmesi halinde, sorus¸turma ve kovus¸turmanın yapılması mag˘ durun s¸ikayetine bag˘ lıdır. (3) Suçun; a) Beden veya ruh bakımından kendisini savunamayacak durumda bulunan kis¸iye kars¸ı, b) Kamu görevinin, vesayet veya hizmet ilis¸kisinin sag˘ ladıg˘ ı nüfuz kötüye kullanılmak suretiyle, c) Üçüncü derece dahil kan veya kayın hısımlıg˘ ı ilis¸kisi içinde bulunan bir kis¸iye kars¸ı, ya da üvey baba, üvey ana, üvey kardes¸, evlat edinen veya evlatlık tarafından, d) Silahla veya birden fazla kis¸i tarafından birlikte, e) I˙nsanların toplu olarak bir arada yas¸ama zorunlulug˘ unda bulundug˘ u ortamların sag˘ ladıg˘ ı kolaylıktan faydalanmak suretiyle, I˙s¸lenmesi halinde, yukarıdaki fıkralara göre verilen cezalar yarı oranında artırılır. (4) Suçun is¸lenmesi sırasında mag˘ durun direncinin kırılmasını sag˘ layacak ölçünün ötesinde cebir kullanılması durumunda kis¸i ayrıca kasten yaralama suçundan dolayı cezalandırılır. (5) Suçun sonucunda mag˘ durun beden veya ruh sag˘ lıg˘ ının bozulması halinde, on yıldan az olmamak üzere hapis cezasına hükmolunur. (6) Suç sonucu mag˘ durun bitkisel hayata girmesi veya ölümü halinde, ag˘ ırlas¸tırılmıs¸ müebbet hapis cezasına hükmolunur. Artikel 102 – Sexueller Angriff (1) Wer die körperliche Integrität eines anderen durch sexuelle Handlungen verletzt, wird auf Antrag des Opfers mit fünf bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft. Bleibt die sexuelle
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Anhang 1 Handlung im Stadium der Belästigung, wird eine Strafe von zwei bis zu fünf Jahren Gefängnis verhängt.
(2) Wird die Tat durch Einführen des Glieds oder eines anderen Gegenstands in den Körper des Opfers begangen, wird eine Strafe von nicht unter zwölf Jahren Gefängnis verhängt. Wird diese Tat gegen den Ehegatten begangen, hängt die Verfolgung der Tat von einem Antrag des Opfers ab. (3) Wird die Tat a) gegen eine Person, die aufgrund ihres körperlichen oder geistigen Zustands wehrlos ist, b) unter Missbrauch des Einflusses aufgrund einer öffentlichen Funktion, einer Arbeitsoder Bevormundungsbeziehung, c) gegen eine Person, die bis zum dritten Grad einschließlich verwandt oder verschwägert ist, oder von Stiefvater, Stiefmutter, Stiefgeschwister, einem Adoptivelternteil oder vom Adoptivkind, d) mit Waffen oder von mehr als einer Person gemeinsam, e) unter Ausnutzung der Erleichterungen, die ein Ort, an denen die Leute aus Notwendigkeit zusammenleben müssen, bietet, begangen, so werden die Strafen, die nach den obigen Absätzen zu verhängen sind, um die Hälfte erhöht. (4) Wird bei der Begehung der Tat in einem Maße Gewalt angewendet, das über das hinausgeht, was zur Überwindung des Widerstands des Opfers erforderlich ist, so erfolgt außerdem eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Körperverletzung. (5) Wird als Folge der Straftat die körperliche oder geistige Gesundheit des Opfers zerstört, so beträgt die Strafe mindestens zehn Jahre Gefängnis. (6) Fällt das Opfer als Folge der Straftat in ein Dauerkoma oder stirbt es, so wird erschwertes lebenslanges Geängnis verhängt. Madde 103 – (Deg˘ is¸ik 18/6/2014) C¸ocukların cinsel istismarı (1) C¸ocug˘ u cinsel yönden istismar eden kis¸i, sekiz yıldan on bes¸ yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. Cinsel istismarın sarkıntılık düzeyinde kalması hâlinde üç yıldan sekiz yıla kadar hapis cezası verilir. Sarkıntılık düzeyinde kalmıs¸ suçun failinin çocuk olması hâlinde sorus¸turma ve kovus¸turma yapılması mag˘ durun, velisinin veya vasisinin s¸ikâyetine bag˘ lıdır. Cinsel istismar deyiminden; a) On bes¸ yas¸ını tamamlamamıs¸ veya tamamlamıs¸ olmakla birlikte fiilin hukuki anlam ve sonuçlarını algılama yeteneg˘ i gelis¸memis¸ olan çocuklara kars¸ı gerçekles¸tirilen her türlü cinsel davranıs¸, b) Dig˘ er çocuklara kars¸ı sadece cebir, tehdit, hile veya iradeyi etkileyen bas¸ka bir nedene dayalı olarak gerçekles¸tirilen cinsel davranıs¸lar, anlas¸ılır. (3) Suçun; a) Birden fazla kis¸i tarafından birlikte,
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b) ˙Insanların toplu olarak bir arada yas¸ama zorunlulug˘ unda bulundug˘ u ortamların sag˘ ladıg˘ ı kolaylıktan faydalanmak suretiyle, c) Üçüncü derece dâhil kan veya kayın hısımlıg˘ ı ilis¸kisi içinde bulunan bir kis¸iye kars¸ı ya da üvey baba, üvey ana, üvey kardes¸ veya evlat edinen tarafından, d) Vasi, eg˘ itici, ög˘ retici, bakıcı, koruyucu aile veya sag˘ lık hizmeti veren ya da koruma, bakım veya gözetim yükümlülüg˘ ü bulunan kis¸iler tarafından, e) Kamu görevinin veya hizmet ilis¸kisinin sag˘ ladıg˘ ı nüfuz kötüye kullanılmak suretiyle, is¸lenmesi hâlinde, yukarıdaki fıkralara göre verilecek ceza yarı oranında artırılır. (4) Cinsel istismarın, birinci fıkranın (a) bendindeki çocuklara kars¸ı cebir veya tehditle ya da (b) bendindeki çocuklara kars¸ı silah kullanmak suretiyle gerçekles¸tirilmesi hâlinde, yukarıdaki fıkralara göre verilecek ceza yarı oranında artırılır. (5) Cinsel istismar için bas¸vurulan cebir ve s¸iddetin kasten yaralama suçunun ag˘ ır neticelerine neden olması hâlinde, ayrıca kasten yaralama suçuna ilis¸kin hükümler uygulanır. (6) Suç sonucu mag˘ durun bitkisel hayata girmesi veya ölümü hâlinde, ag˘ ırlas¸tırılmıs¸ müebbet hapis cezasına hükmolunur. Artikel 103 – (Geändert 18/6/2014) Sexueller Missbrauch von Kindern (1) Wer ein Kind sexuell missbraucht, wird mit acht bis zu fünfzehn Jahren Gefängnis bestraft. (2) Bleibt die sexuelle Handlung im Stadium der Belästigung, wird eine Strafe von drei bis zu acht Jahren Gefängnis verhängt. Ist das Opfer der sexuellen Handlung, die im Stadium der Belästigung bleibt, ein Kind, hängt die Ermittlungs- und Strafverfolgung von einem Strafantrag des Opfers, der Eltern oder des Vormunds ab. Sexueller Missbrauch bedeutet: a) jegliche sexuelle Handlung gegen Kinder, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder deren Einsichtsfähigkeit trotz Vollendung des 15. Lebensjahrs nicht ausreichend entwickelt ist, die rechtliche Bedeutung und rechtlichen Folgen der Tat nicht zu verstehen, b) eine sexuelle Handlung gegen sonstige Kinder nur dann, wenn sie mit Gewalt, Drohung, List oder auf andere Weise oder Willensbeeinflussung verübt worden ist. (3) Wird die Straftat; a) von mehr als einer Person gemeinsam, b) unter Ausnutzung der Erleichterungen, die ein Ort, an denen die Leute aus Notwendigkeit zusammenleben müssen, bietet, c) gegen eine Person, die bis zum dritten Grad einschließlich verwandt oder verschwägert ist, oder von Stiefvater, Stiefmutter, Stiefgeschwister, einem Adoptivelternteil, d) von einem Vormund, Erzieher, Lehrer, Pfleger oder einem sonstigen Angehörigen eines Heil- oder Pflegeberufs, e) unter Missbrauch des Einflusses aufgrund einer öffentlichen Funktion, einer Arbeitsbeziehung, begangen, so werden die oben genannten Strafen um die Hälfte erhöht.
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(4) Wird der sexuelle Missbrauch gegen Kinder gemäß Abs. 1 lit a) mit Gewalt oder Drohung oder gemäß Absatz 1 lit b) gegen Kinder durch die Waffen begangen, so werden die oben genannten Strafen um die Hälfte erhöht. (5) Wird bei der Begehung der Tat in einem Maße Gewalt angewendet, das über das hinausgeht, was zur Überwindung des Widerstands des Opfers erforderlich ist, so erfolgt außerdem eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Körperverletzung. (6) Fällt das Opfer als Folge der Straftat in ein Dauerkoma oder stirbt es, so wird erschwertes lebenslanges Gefängnis verhängt. Madde 106 – Tehdit (1) Bir bas¸kasını, kendisinin veya yakınının hayatına, vücut veya cinsel dokunulmazlıg˘ ına yönelik bir saldırı gerçekles¸tireceg˘ inden bahisle tehdit eden kis¸i, altı aydan iki yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. Malvarlıg˘ ı itibarıyla büyük bir zarara ug˘ ratacag˘ ından veya sair bir kötülük edeceg˘ inden bahisle tehditte ise, mag˘ durun s¸ikayeti üzerine, altı aya kadar hapis veya adlî para cezasına hükmolunur. (2) Tehdidin; a) Silahla, b) Kis¸inin kendisini tanınmayacak bir hale koyması suretiyle, imzasız mektupla veya özel is¸aretlerle, c) Birden fazla kis¸i tarafından birlikte, d) Var olan veya var sayılan suç örgütlerinin olus¸turdukları korkutucu güçten yararlanılarak, I˙s¸lenmesi halinde, fail hakkında iki yıldan bes¸ yıla kadar hapis cezasına hükmolunur. (3) Tehdit amacıyla kasten öldürme, kasten yaralama veya malvarlıg˘ ına zarar verme suçunun is¸lenmesi halinde, ayrıca bu suçlardan dolayı ceza verilir. Artikel 106 – Drohung (1) Wer einen anderen mit einem Angriff auf sein oder eines Dritten Leben, Körper oder sexuellen Integrität bedroht, wird mit sechs Monaten bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft. Wer mit der Zufügung eines großen Vermögensschadens oder eines anderen Übels droht, wird auf Antrag des Opfers mit bis zu sechs Monaten Gefängnis oder Geldstrafe bestraft. (2) Ist die Drohung a) mit Waffen, b) in Vermummung, durch einen anonymen Brief oder durch besondere Zeichen, c) von mehr als einer Person gemeinschaftlich, d) unter Ausnutzung der einschüchternden Macht von tatsächlich oder angeblich bestehenden geheimen Organisationen begangen worden, so wird der Täter mit zwei bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft.
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(3) Wird zum Zweck der Drohung eine vorsätzliche Tötung oder eine vorsätzliche Körperverletzung begangen oder das Vermögen beschädigt, so wird außerdem die Strafe für diese Taten verhängt. Madde 109 – Kis¸iyi hürriyetinden yoksun kılma (1) Bir kimseyi hukuka aykırı olarak bir yere gitmek veya bir yerde kalmak hürriyetinden yoksun bırakan kis¸iye, bir yıldan bes¸ yıla kadar hapis cezası verilir. (2) Kis¸i, fiili is¸lemek için veya is¸ledig˘ i sırada cebir, tehdit veya hile kullanırsa, iki yıldan yedi yıla kadar hapis cezasına hükmolunur. (3) Bu suçun; a) Silahla, b) Birden fazla kis¸i tarafından birlikte, c) Kis¸inin yerine getirdig˘ i kamu görevi nedeniyle, d) Kamu görevinin sag˘ ladıg˘ ı nüfuz kötüye kullanılmak suretiyle, e) Üstsoy, altsoy veya es¸e kars¸ı, f) C¸ocug˘ a ya da beden veya ruh bakımından kendini savunamayacak durumda bulunan kis¸iye kars¸ı, I˙s¸lenmesi halinde, yukarıdaki fıkralara göre verilecek ceza bir kat artırılır. (4) Bu suçun mag˘ durun ekonomik bakımdan önemli bir kaybına neden olması halinde, ayrıca bin güne kadar adlî paracezasına hükmolunur. (5) Suçun cinsel amaçla is¸lenmesi halinde, yukarıdaki fıkralara göre verilecek cezalar yarı oranında artırılır. (6) Bu suçun is¸lenmesi amacıyla veya sırasında kasten yaralama suçunun neticesi sebebiyle ag˘ ırlas¸mıs¸ hallerinin gerçekles¸mesi durumunda, ayrıca kasten yaralama suçuna ilis¸kin hükümler uygulanır. Artikel 109 – Freiheitsberaubung (1) Wer einen anderen in rechtswidriger Weise der Freiheit beraubt, sich an einen Ort zu begehen oder an einem Ort zu bleiben, wird mit einem Jahr bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft. (2) Wer zum Zweck oder bei der Begehung der Tat Gewalt, Drohung oder List anwendet, wird mit zwei bis zu sieben Jahren Gefängnis bestraft. (3) Wird die Tat a) mit Waffen, b) von mehr als einer Person gemeinschaftlich, c) wegen eines von der Person ausgeübten öffentlichen Amtes, d) unter Missbrauch des Einflusses aufgrund eines öffentlichen Amtes, e) gegen Verwandte auf- und absteigender Linie oder Ehegatten,
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Anhang 1 f) gegen ein Kind oder eine Person, die wegen ihres körperlichen oder geistigen Zustands wehrlos ist,
begangen, so wird die gemäß den obigen Absätzen zu verhängende Strafe verdoppelt. (4) Hat die Straftat für das Opfer einen erheblichen wirtschaftlichen Verlust zur Folge, so wird außerdem noch eine Geldstrafe von bis zu 1.000 Tagessätzen verhängt. (5) Wird die Straftat in sexueller Absicht begangen, so wird die Strafe gemäß den obigen Absätzen um die Häfte erhöht. (6) Werden zum Zweck oder bei der Begehung dieser Tat Fälle der vorsätzlichen schweren Körperverletzung verwirklicht, so werden außerdem die Strafvorschriften zur vorsätzlichen Körperverletzung angewandt. Madde 116 – Konut dokunulmazlıg˘ ının ihlali (1) Bir kimsenin konutuna, konutunun eklentilerine rızasına aykırı olarak giren veya rıza ile girdikten sonra buradan çıkmayan kis¸i, mag˘ durun s¸ikayeti üzerine, altı aydan iki yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. (2) Birinci fıkra kapsamına giren fiillerin, açık bir rızaya gerek duyulmaksızın girilmesi mutat olan yerler dıs¸ında kalan is¸yerleri ve eklentileri hakkında is¸lenmesi hâlinde, mag˘ durun s¸ikâyeti üzerine altı aydan bir yıla kadar hapis veya adlî para cezasına hükmolunur (3) Evlilik birlig˘ inde aile bireylerinden ya da konutun veya is¸yerinin birden fazla kis¸i tarafından ortak kullanılması durumunda, bu kis¸ilerden birinin rızası varsa, yukarıdaki fıkralar hükümleri uygulanmaz. Ancak bunun için rıza açıklamasının mes¸ru bir amaca yönelik olması gerekir. (4) Fiilin, cebir veya tehdit kullanılmak suretiyle ya da gece vakti is¸lenmesi halinde, bir yıldan üç yıla kadar hapis cezasına hükmolunur. Artikel 116 – Hausfriedensbruch (1) Wer in die Wohnung eines anderen oder in deren Nebenräume gegen dessen Willen eindringt oder sich, nachdem er sie mit dessen Einwillligung betreten hat, nicht entfernt, wird auf Antrag des Opfers mit sechs Monaten bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft. (2) Werden die von Abs. 1 erfassten Taten an Arbeitsstätten und in deren Nebenräumen begangen, außer in Räumen, die üblicherweise ohne eine ausdrückliche Erlaubnis betreten werden, so wird auf Antrag des Opfers eine Strafe von sechs Monaten bis zu einem Jahr Gefängnis oder Geldstrafe verhängt. (3) Die Vorschriften der obigen Absätze finden keine Anwendung, wenn in einem ehelichen Haushalt ein Mitglied der Familie oder wenn in einer Wohnung oder Arbeitsstätte, die von mehreren Personen benutzt wird, eine von diesen die Einwilligung erteilt hat. Jedoch muss die Einwilligung zu einem rechtmäßigen Zweck erteilt worden sein. (4) Wird die Tat unter Einsatz von Gewalt oder Drohung oder zur Nachtzeit begangen, so wird eine Strafe von einem Jahr bis zu drei Jahren Gefängnis verhängt.
Anhang 1
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Madde 119 – Ortak hüküm (1) Eg˘ itim ve ög˘ retimin engellenmesi, kamu kurumu veya kamu kurumu nitelig˘ indeki meslek kurulus¸larının faaliyetlerinin engellenmesi, siyasi hakların kullanılmasının engellenmesi, inanç, düs¸ünce ve kanaat hürriyetinin kullanılmasını engelleme, konut dokunulmazlıg˘ ının ihlali ile is¸ ve çalıs¸ma hürriyetinin ihlali suçlarının; a) Silahla, b) Kis¸inin kendisini tanınmayacak bir hale koyması suretiyle, imzasız mektupla veya özel is¸aretlerle, c) Birden fazla kis¸i tarafından birlikte, d) Var olan veya var sayılan suç örgütlerinin olus¸turdukları korkutucu güçten yararlanılarak, e) Kamu görevinin sag˘ ladıg˘ ı nüfuz kötüye kullanılmak suretiyle, I˙s¸lenmesi halinde, verilecek ceza bir kat artırılır. (2) Bu suçların is¸lenmesi sırasında kasten yaralama suçunun neticesi sebebiyle ag˘ ırlas¸mıs¸ hallerinin gerçekles¸mesi durumunda, ayrıca kasten yaralama suçuna ilis¸kin hükümler uygulanır. Artikel 119 – Gemeinsame Vorschrift (1) Werden die Hinderung von Erziehung und Unterricht, die Behinderung der Tätigkeiten von öffentlichen Einrichtungen oder beruflichen Körperschaften, die solchen gleichgestellt sind, die Hinderung an der Ausübung der Glaubens-, Gedanken- und Meinungsfreiheit, der Hausfriedensbruch und die Störung der Arbeitsfreiheit a) mit Waffen, b) in Vermummung, durch einen anonymen Brief oder mittels besonderer Zeichen, c) von mehr als einer Person gemeinschaftlich, d) unter Ausnutzung der einschüchternden Macht von tatsächlich oder angeblich bestehenden kriminellen Organisationen, e) unter Missbrauch des Einflusses aufgrund eines öffentlichen Amtes begangen, so wird die zu verhängende Strafe verdoppelt. (2) Werden bei der Begehung dieser Taten Fälle einer vorsätzlichen schweren Körperverletzung verwirklicht, so werden außerdem die Vorschriften über vorsätzliche Körperverletzung angewandt. Madde 125 – Hakaret (1) Bir kimseye onur, s¸eref ve saygınlıg˘ ını rencide edebilecek nitelikte somut bir fiil veya olgu isnat eden veya sövmek suretiyle bir kimsenin onur, s¸eref ve saygınlıg˘ ına saldıran kis¸i, üç aydan iki yıla kadar hapis veya adlî para cezası ile cezalandırılır. Mag˘ durun gıyabında hakaretin cezalandırılabilmesi için fiilin en az üç kis¸iyle ihtilat ederek is¸lenmesi gerekir.
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(2) Fiilin, mag˘ duru muhatap alan sesli, yazılı veya görüntülü bir iletiyle is¸lenmesi halinde, yukarıdaki fıkrada belirtilen cezaya hükmolunur. (3) Hakaret suçunun; a) Kamu görevlisine kars¸ı görevinden dolayı, b) Dini, siyasi, sosyal, felsefi inanç, düs¸ünce ve kanaatlerini açıklamasından, deg˘ is¸tirmesinden, yaymaya çalıs¸masından, mensup oldug˘ u dinin emir ve yasaklarına uygun davranmasından dolayı, c) Kis¸inin mensup bulundug˘ u dine göre kutsal sayılan deg˘ erlerden bahisle, ˙Is¸lenmesi halinde, cezanın alt sınırı bir yıldan az olamaz. (4) Hakaretin alenen is¸lenmesi halinde ceza altıda biri oranında artırılır. (5) Kurul hâlinde çalıs¸an kamu görevlilerine görevlerinden dolayı hakaret edilmesi hâlinde suç, kurulu olus¸turan üyelere kars¸ı is¸lenmis¸ sayılır. Ancak, bu durumda zincirleme suça ilis¸kin madde hükümleri uygulanır. Artikel 125 – Ehrverletzung (1) Wer einem anderen in einer Weise, die seine Würde, seine Ehre und sein Ansehen zu verletzen geeignet ist, eine konkrete Tatsache oder einen Vorfall zur Last legt oder die Würde, die Ehre oder das Ansehen eines anderen durch eine Beleidigung angreift, wird mit drei Monaten bis zu zwei Jahren Gefängnis oder Geldstrafe bestraft. Zur Bestrafung einer Ehrverletzung, die in Abwesenheit des Opfers geschehen ist, muss die Tat im Umgang mit mindestens drei Personen begangen worden sein. (2) Wird die Tat im Wege einer akustischen, schriftlichen oder optischen Übermittlung an das Opfer begangen, so wird die im obigen Absatz genannte Strafe verhängt. (3) Wird die Ehrverletzung a) gegen einen Amtsträger wegen seiner Amtspflichten, b) wegen der Äußerung, Änderung oder Propagierung religiöser, politischer, gesellschaftsbezogener oder philosophischer Glaubensüberzeugungen, Gedanken und Meinungen oder wegen der Befolgung der Gebote und Verbote der Religion, der jemand angehört, c) in Bezug auf einen der Werte, die in der Religion, der jemand angehört, als heilig gelten, begangen, so darf die Untergrenze der Strafe nicht unter einem Jahr liegen. (4) Wird die Ehrverletzung öffentlich begangen, so wird die Strafe um ein Sechstel erhöht. (5) Wird die Ehre von Amtsträgern, die als Kollegialorgan arbeiten, wegen ihrer Amtspflichten verletzt, so wird die Tat als gegen sämtliche Mitglieder des Kollegiums gerichtet angesehen. Jedoch sind in diesem Fall die Vorschriften über die Fortsetzungstat anzuwenden. Madde 132 – Haberles¸menin gizlilig˘ ini ihlal (1) Kis¸iler arasındaki haberles¸menin gizlilig˘ ini ihlal eden kimse, bir yıldan üç yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. Bu gizlilik ihlali haberles¸me içeriklerinin kaydı suretiyle gerçekles¸irse, verilecek ceza bir kat artırılır.
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(2) Kis¸iler arasındaki haberles¸me içeriklerini hukuka aykırı olarak ifs¸a eden kimse, iki yıldan bes¸ yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. (3) Kendisiyle yapılan haberles¸melerin içerig˘ ini dig˘ er tarafın rızası olmaksızın hukuka aykırı olarak alenen ifs¸a eden kis¸i, bir yıldan üç yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. ˙Ifs¸a edilen bu verilerin basın ve yayın yoluyla yayımlanması halinde de aynı cezaya hükmolunur. Artikel 132 – Bruch des Kommunikationsgeheimnisses (1) Wer das Kommunikationsgeheimnis zwischen Personen verletzt, wird mit einem Jahr bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft. Geschieht diese Verletzung der Vertraulichkeit durch Aufzeichnungen des Inhalts der Kommunikation, so wird die zu verhängende Strafe verdoppelt. (2) Wer den Inhalt einer Kommunikation zwischen Personen rechtswidrig bekannt macht, wird mit zwei bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft. (3) Wer den Inhalt seiner eigenen Kommunikation mit einem anderen ohne dessen Zustimmung öffentlich bekannt macht, wird mit einem Jahr bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft. Wird der Inhalt einer Kommunikation zwischen Personen mittels Presse und Publikation veröffentlicht, so ist die gleiche Strafe zu verhängen. Madde 134 – Özel hayatın gizlilig˘ ini ihlal (1) Kis¸ilerin özel hayatının gizlilig˘ ini ihlal eden kimse, bir yıldan üç yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. Gizlilig˘ in görüntü veya seslerin kayda alınması suretiyle ihlal edilmesi halinde, verilecek ceza bir kat artırılır. (2) Kis¸ilerin özel hayatına ilis¸kin görüntü veya sesleri hukuka aykırı olarak ifs¸a eden kimse iki yıldan bes¸ yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. I˙fs¸a edilen bu verilerin basın ve yayın yoluyla yayımlanması halinde de aynı cezaya hükmolunur. Artikel 134 – Verletzung der Vertraulichkeit des Privatlebens (1) Wer die Vertraulichkeit des Privatlebens des anderen verletzt, wird mit einem bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft. Geschieht der Bruch der Privatsphäre durch eine optische oder akustische Aufzeichnung, so wird die zu verhängende Strafe verdoppelt. (2) Wer optische oder akustische Aufzeichnungen über das Privatleben von Personen bekannt macht, wird mit zwei bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft. Werden die rechtswidrig bekannt gemachten Aufzeichnungen mittels Presse und Publikation veröffentlicht, so ist auch die gleiche Strafe zu verhängen. Madde 141 – Hırsızlık (1) Zilyedinin rızası olmadan bas¸kasına ait tas¸ınır bir malı, kendisine veya bas¸kasına bir yarar sag˘ lamak maksadıyla bulundug˘ u yerden alan kimseye bir yıldan üç yıla kadar hapis cezası verilir. (2) (Mülga: 2/7/2012)
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Artikel 141 – Diebstahl (1) Wer ohne Zustimmung des Besitzers die bewegliche Sache eines anderen von dem Ort, an dem sie sich befindet, wegnimmt, um sich oder einem anderen einen Vorteil zu verschaffen, wird mit einem Jahr bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft. (2) (aufgehoben) Madde 142 – Nitelikli hırsızlık (1) Hırsızlık suçunun; a) Kime ait olursa olsun kamu kurum ve kurulus¸larında veya ibadete ayrılmıs¸ yerlerde bulunan ya da kamu yararına veya hizmetine tahsis edilen es¸ya hakkında, b) (Mülga: 18/6/2014) c) Halkın yararlanmasına sunulmus¸ ulas¸ım aracı içinde veya bunların belli varıs¸ veya kalkıs¸ yerlerinde bulunan es¸ya hakkında, d) Bir afet veya genel bir felaketin meydana getirebileceg˘ i zararları önlemek veya hafifletmek maksadıyla hazırlanan es¸ya hakkında, e) Adet veya tahsis veya kullanımları gereg˘ i açıkta bırakılmıs¸ es¸ya hakkında, f) (Mülga: 2/7/2012) I˙s¸lenmesi hâlinde, üç yıldan yedi yıla kadar hapis cezasına hükmolunur.(1) (2) Suçun; a) Kis¸inin malını koruyamayacak durumda olmasından veya ölmesinden yararlanarak, b) Elde veya üstte tas¸ınan es¸yayı çekip almak suretiyle ya da özel beceriyle, c) Dog˘ al bir afetin veya sosyal olayların meydana getirdig˘ i korku veya kargas¸adan yararlanarak, d) Haksız yere elde bulundurulan veya taklit anahtarla ya da dig˘ er bir aletle kilit açmak veya kilitlenmesini engellemek suretiyle, e) Bilis¸im sistemlerinin kullanılması suretiyle, f) Tanınmamak için tedbir alarak veya yetkisi olmadıg˘ ı halde resmi sıfat takınarak, g) büyük veya küçük bas¸ hayvan hakkında, h) Herkesin girebileceg˘ i bir yerde bırakılmakla birlikte kilitlenmek suretiyle ya da bina veya eklentileri içinde muhafaza altına alınmıs¸ olan es¸ya hakkında, ˙Is¸lenmesi hâlinde, bes¸ yıldan on yıla kadar hapis cezasına hükmolunur. Suçun, bu fıkranın (b) bendinde belirtilen surette, beden veya ruh bakımından kendisini savunamayacak durumda olan kimseye kars¸ı is¸lenmesi halinde, verilecek ceza üçte biri oranına kadar artırılır. (3) Suçun, sıvı veya gaz hâlindeki enerji hakkında ve bunların nakline, is¸lenmesine veya depolanmasına ait tesislerde is¸lenmesi halinde, bes¸ yıldan oniki yıla kadar hapis cezasına hükmolunur. Bu fiilin bir örgütün faaliyeti çerçevesinde is¸lenmesi halinde, ceza yarı oranında artırılır ve onbin güne kadar adlî para cezasına hükmolunur.
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(4) Hırsızlık suçunun is¸lenmesi amacıyla konut dokunulmazlıg˘ ının ihlâli veya mala zarar verme suçunun is¸lenmesi halinde, bu suçlardan dolayı sorus¸turma ve kovus¸turma yapılabilmesi için s¸ikâyet aranmaz. (5) ( Degisik: 18/6/2014) Hırsızlık suçunun is¸lenmesi sonucunda haberles¸me, enerji ya da demiryolu veya havayolu ulas¸ımı alanında kamu hizmetinin geçici de olsa aksaması hâlinde, yukarıdaki fıkralar hükümlerine göre verilecek ceza yarısından iki katına kadar artırılır. Artikel 142 – Qualifizierter Diebstahl (1) Wurde der Diebstahl begangen a) an Gegenständen, die sich ungeachtet ihres Eigentümers in einer öffentlichen Einrichtung oder Anstalt oder an einem für einen Gottesdienst bestimmten Ort befanden, oder zum öffentlichen Nutzen oder für eine öffentliche Dienstleistung vorgesehen waren, b) (aufgehoben) c) an Gegenständen, die sich in Verkehrsmitteln, die der Bevölkerung zur Verfügung gestellt wurden, oder an Ankunfts- oder Abfahrtsplätzen derartiger Verkehrsmittel befinden, d) an Gegenständen, die bereitgehalten werden, um Schäden zu verhindern oder abzumildern, die durch Seuchen oder Katastrophen verursacht werden können, e) an Gegenständen, die gewohnheitsmäßig oder ihrer Verwendung nach allgemein zugänglich sind, f) (aufgehoben) so wird eine Strafe von drei bis zu sieben Jahren Gefängnis verhängt. (2) Wird die Straftat begangen a) unter Ausnutzung der Unfähigkeit des Bestohlenen, seinen Besitz zu schützen oder unter Ausnutzung seines Todes, b) durch Wegnahme einer Sache, die in der Hand oder am Körper getragen wird, oder durch besondere Geschicklichkeit, c) unter Ausnutzung des Schreckens oder der Verwirrung, die durch eine Naturkatastrophe oder ein gesellschaftsbezogenes Ereignis entstanden ist, d) durch das Öffnen des Schlosses mit einem unberechtigterweise im Besitz des Täters befindlichen oder einem sonstigen Instrument, oder durch Verhinderung der Schlossverriegelung, e) unter Benutzung von Computersystemen2,
2 Tellenbach hat in der deutschen Übersetzung das türkische Wort „Bilis¸im Sistemleri“ mit dem Wort „Computersystemen“ übersetzt, was allerdings dem Gesetzeswortlaut nicht ganz entspricht. Die äquivalente Übersetzung des Begriffs „Bilis¸im Sistemleri“ ist „Informationstechnisches System“.
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Anhang 1 f) in Vermummung oder unter unbefugtem Tragen amtlicher Kleidung,3 g) an Groß- oder Kleinvieh, h) an Gegenständen, die an einem allgemein zugänglichen Ort zurückgelassen, aber verschlossen waren, oder in einem Gebäude oder seinen Nebengebäuden verwahrt wurden,
so wird eine Strafe von fünf bis zu zehn Jahren Gefängnis verhängt. Wird die Straftat in der in lit. b) beschriebenen Weise an einer Person begangen, die wegen ihres körperlichen oder geistigen Zustands wehrlos ist, so wird die Strafe bis um ein Drittel erhöht. (3) Wird die Straftat an flüssiger oder gasförmiger Energie und in Anlagen begangen, die zu ihrem Transport, ihrer Verarbeitung oder Lagerung dienen, so wird von fünf bis zu zwölf Jahren Gefängnis verhängt. Wird diese Tat im Rahmen der Tätigkeit einer Organisation begangen, so wird die Strafe bis um die Hälfte verschärft und bis zu 10.000 Tagessätzen Geldstrafe verhängt. (4) Wird ein Hausfriedensbruch oder eine Sachbeschädigung begangen, um einen Diebstahl zu begehen, so ist für eine Strafverfolgung wegen dieser Taten kein Strafantrag erforderlich. (5) (Geändert: 18/6/2014) Auch wenn der öffentliche Dienst als Folge des Diebstahls im Bereich von Kommunikation, Energie oder vor Ablauf des Luft- oder Eisenbahnverkehrs vorübergehend lahmgelegt wird, wird die Strafe nach den obigen Absätzen um die Hälfte bis auf das Doppelte verschärft. Madde 143 – Suçun gece vakti is¸lenmesi (1) Hırsızlık suçunun gece vakti is¸lenmesi halinde, verilecek ceza yarı oranında artırılır. Artikel 143 – Begehung der Straftat zur Nachtzeit (1) Wird der Diebstahl zur Nachtzeit begangen, wird die zu verhängende Strafe um die Hälfte verschärft. Madde 144 – Daha az cezayı gerektiren haller (1) Hırsızlık suçunun; a) Paydas¸ veya elbirlig˘ i ile malik olunan mal üzerinde, b) Bir hukuki ilis¸kiye dayanan alacag˘ ı tahsil amacıyla, I˙s¸lenmesi halinde, s¸ikayet üzerine, fail hakkında iki aydan bir yıla kadar hapis veya adlî para cezasına hükmolunur. Artikel 144 – Fälle, die eine geringere Strafe erfordern (1) Wird der Diebstahl 3 Die äquivalente Übersetzung dieses Satzes lautet folgendermaßen: durch die Ergreifung von Maßnahmen für die Nichterkennbarkeit oder unter unbefugter Führung von Amtsbezeichnungen.
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a) an einem Gegenstand, der im Miteigentum oder Gesamthandeigentum steht, b) zur Erfüllung einer rechtlich begründeten Forderung begangen, so wird der Täter auf Antrag zu zwei Monaten bis zu einem Jahr Gefängnis oder Geldstrafe verurteilt. Madde 145 – Malın deg˘ erinin az olması (1) Hırsızlık suçunun konusunu olus¸turan malın deg˘ erinin azlıg˘ ı nedeniyle, verilecek cezada indirim yapılabileceg˘ i gibi, suçun is¸lenis¸ s¸ekli ve özellikleri de göz önünde bulundurularak, ceza vermekten de vazgeçilebilir. Artikel 145 – Geringwertige Sache (1) Wegen der Geringwertigkeit der gestohlenen Sache kann die zu verhängende Strafe herabgesetzt werden; unter Berücksichtigung der Art und Umstände der Tatbegehung kann auch ganz von einer solchen abgesehen werden. Madde 146 – Kullanma hırsızlıg˘ ı (1) Hırsızlık suçunun, malın geçici bir süre kullanılıp zilyedine iade edilmek üzere is¸lenmesi halinde, s¸ikayet üzerine, verilecek ceza yarı oranına kadar indirilir. Ancak malın suç is¸lemek için kullanılmıs¸ olması halinde bu hüküm uygulanmaz. Artikel 146 – Gebrauchsdiebstahl (1) Wird ein Diebstahl in der Absicht begangen, den Gegenstand nach kurzem Gebrauch seinem Besitzer zurückzugeben, so wird die auf Antrag verhängte Strafe bis um die Hälfte herabgesetzt. Diese Vorschrift findet jedoch keine Anwendung, wenn der Gegenstand zur Begehung einer Straftat benutzt wurde. Madde 148 – Yag˘ ma (1) Bir bas¸kasını, kendisinin veya yakınının hayatına, vücut veya cinsel dokunulmazlıg˘ ına yönelik bir saldırı gerçekles¸tireceg˘ inden ya da malvarlıg˘ ı itibarıyla büyük bir zarara ug˘ ratacag˘ ından bahisle tehdit ederek veya cebir kullanarak, bir malı teslime veya malın alınmasına kars¸ı koymamaya mecbur kılan kis¸i, altı yıldan on yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. (2) Cebir veya tehdit kullanılarak mag˘ durun, kendisini veya bas¸kasını borç altına sokabilecek bir senedi veya var olan bir senedin hükümsüz kaldıg˘ ını açıklayan bir vesikayı vermeye, böyle bir senedin alınmasına kars¸ı koymamaya, ilerde böyle bir senet haline getirilebilecek bir kag˘ ıdı imzalamaya veya var olan bir senedi imha etmeye veya imhasına kars¸ı koymamaya mecbur edilmesi halinde de aynı ceza verilir. (3) Mag˘ durun, herhangi bir vasıta ile kendisini bilmeyecek ve savunamayacak hale getirilmesi de, yag˘ ma suçunda cebir sayılır.
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Artikel 148 – Raub (1) Wer einen anderen mit dem Angriff auf sein Leben, seine körperliche Unversehrtheit oder sexuelle Integrität, auf Leben, körperliche Unversehrtheit oder sexuelle Integrität eines Angehörigen oder mit einem schweren Schaden an seinem Vermögen bedroht oder Gewalt anwendet und ihn so dazu zwingt, eine Sache zu übergeben oder ihrer Wegnahme keinen Widerstand entgegenzusetzen, wird mit sechs bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft. (2) Wer mit Gewalt oder Drohung das Opfer zwingt, ein Dokument zu übergeben, das ihn selbst oder einen anderen zum Schuldner machen kann, oder eine existierende Urkunde für wertlos erklärt, oder dieses zwingt, die Wegnahme eines solchen Dokuments zu dulden, ein Papier zu unterschreiben, aus dem in Zukunft eine derartige Urkunde hergestellt werden kann, eine bestehende Urkunde zu vernichten oder ihre Vernichtung zu dulden, wird mit derselben Strafe bestraft. (3) Als Gewalt gilt beim Raub jegliches Mittel, das geeignet ist, das Opfer in einen Zustand der Bewusstlosigkeit und Wehrlosigkeit zu versetzen. Madde 149 – Nitelikli yag˘ ma (1) Yag˘ ma suçunun; a) Silahla, b) Kis¸inin kendisini tanınmayacak bir hale koyması suretiyle, c) Birden fazla kis¸i tarafından birlikte, d) Yol kesmek suretiyle ya da konutta, is¸yerinde veya bunların eklentilerinde, e) Beden veya ruh bakımından kendisini savunamayacak durumda bulunan kis¸iye kars¸ı, f) Var olan veya var sayılan suç örgütlerinin olus¸turdukları korkutucu güçten yararlanılarak, g) Suç örgütüne yarar sag˘ lamak maksadıyla, h) Gece vaktinde, I˙s¸lenmesi halinde, fail hakkında on yıldan onbes¸ yıla kadar hapis cezasına hükmolunur. (2) Yag˘ ma suçunun is¸lenmesi sırasında kasten yaralama suçunun neticesi sebebiyle ag˘ ırlas¸mıs¸ hallerinin gerçekles¸mesi durumunda, ayrıca kasten yaralama suçuna ilis¸kin hükümler uygulanır. Artikel 149 – Qualifizierter Raub (1) Wird der Raub a) mit Waffen, b) in Vermummung, c) von mehr als einer Person gemeinschaftlich, d) durch Auflauern, in der Wohnung oder am Arbeitsplatz, oder an ihrem Nebengebäude, e) gegen eine Person, die wegen ihres körperlichen oder geistigen Zustands wehrlos ist,
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f) unter Ausnutzung der einschüchternden Macht von tatsächlich oder angeblich bestehenden geheimen Organisationen, g) um einer kriminellen Organisation einen Vorteil zu verschaffen, h) zur Nachtzeit begangen, so wird der Täter zu zehn bis zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. (2) Werden bei der Begehung des Raubes Fälle der schweren vorsätzlichen Körperverletzung verwirklicht, so werden außerdem die Vorschriften über die vorsätzliche Körperverletzung angewendet. Madde 151 – Mala zarar verme (1) Bas¸kasının tas¸ınır veya tas¸ınmaz malını kısmen veya tamamen yıkan, tahrip eden, yok eden, bozan, kullanılamaz hale getiren veya kirleten kis¸i, mag˘ durun s¸ikayeti üzerine, dört aydan üç yıla kadar hapis veya adlî para cezası ile cezalandırılır. (2) Haklı bir neden olmaksızın, sahipli hayvanı öldüren, is¸e yaramayacak hale getiren veya deg˘ erinin azalmasına neden olan kis¸i hakkında yukarıdaki fıkra hükmü uygulanır. Artikel 151 – Sachbeschädigung (1) Wer eine bewegliche oder unbewegliche Sache eines anderen teilweise oder völlig zerreißt, zerstört, vernichtet, beschädigt, unbrauchbar macht oder verschmutzt, wird auf Antrag des Geschädigten mit vier Monaten bis zu drei Jahren Gefängnis oder Geldstrafe bestraft. (2) Auf denjenigen, der ohne berechtigten Grund ein Tier tötet, das einem anderen gehört, es in einen Zustand versetzt, dass es seine Arbeit nicht mehr leisten kann, oder eine Verringerung seines Wertes verursacht, findet der obige Absatz Anwendung. Madde 155 – Güveni kötüye kullanma (1) Bas¸kasına ait olup da, muhafaza etmek veya belirli bir s¸ekilde kullanmak üzere zilyedlig˘ i kendisine devredilmis¸ olan mal üzerinde, kendisinin veya bas¸kasının yararına olarak, zilyedlig˘ in devri amacı dıs¸ında tasarrufta bulunan veya bu devir olgusunu inkar eden kis¸i, s¸ikayet üzerine, altı aydan iki yıla kadar hapis ve adlî para cezası ile cezalandırılır. (2) Suçun, meslek ve sanat, ticaret veya hizmet ilis¸kisinin ya da hangi nedenden dog˘ mus¸ olursa olsun, bas¸kasının mallarını idare etmek yetkisinin gereg˘ i olarak tevdi ve teslim edilmis¸ es¸ya hakkında is¸lenmesi halinde, bir yıldan yedi yıla kadar hapis ve üçbin güne kadar adlî para cezasına hükmolunur. Artikel 155 – Veruntreuende Unterschlagung (1) Wer über eine fremde Sache, die ihm zur Verwahrung oder zu einem bestimmten Gebrauch übergeben worden ist, zum eigenen Nutzen oder zum Nutzen eines anderen, in einer über den Zweck der Übergabe hinausgehenden Weise verfügt, oder die Tatsache der Übergabe ableugnet, wird auf Antrag mit sechs Monaten bis zu zwei Jahren Gefängnis oder Geldstrafe bestraft.
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(2) Wird die Straftat an Sachen begangen, die dem Täter aufgrund seines Berufs oder Gewerbes, Handelsgeschäfts oder Dienstes oder aus irgendeinem anderen Grund zur treuhänderischen Verwaltung anvertraut worden sind, so wird eine Strafe von einem Jahr bis zu sieben Jahren Gefängnis oder bis zu 3.000 Tagessätze Geldstrafe verhängt. Madde 170 – Genel güvenlig˘ in kasten tehlikeye sokulması (1) Kis¸ilerin hayatı, sag˘ lıg˘ ı veya malvarlıg˘ ı bakımından tehlikeli olacak biçimde ya da kis¸ilerde korku, kaygı veya panik yaratabilecek tarzda; a) Yangın çıkaran, b) Bina çökmesine, toprak kaymasına, çıg˘ düs¸mesine, sel veya tas¸kına neden olan, c) Silahla ates¸ eden veya patlayıcı madde kullanan, Kis¸i, altı aydan üç yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. (2) Yangın, bina çökmesi, toprak kayması, çıg˘ düs¸mesi, sel veya tas¸kın tehlikesine neden olan kis¸i, üç aydan bir yıla kadar hapis veya adlî para cezası ile cezalandırılır. Artikel 170 – Vorsätzliche Gefährdung der Allgemeinheit (1) Wer in einer Weise, die Leben, Gesundheit oder Vermögen von Personen gefährdet oder Personen in Angst, Schrecken oder Panik versetzen kann, a) einen Brand stiftet, b) den Einsturz eines Gebäudes, einen Erdrutsch, den Abgang einer Lawine, eine Sturzflut oder eine Überschwemmung verursacht, c) eine Waffe abfeuert oder Sprengstoff verwendet, wird mit sechs Monaten bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft. (2) Wer die Gefahr des Einsturzes eines Gebäudes, eines Erdrutsches, des Abgangs einer Lawine, einer Sturzflut oder Überschwemmung verursacht, wird mit drei Monaten bis zu einem Jahr Gefängnis oder Geldstrafe bestraft. Madde 172 – Radyasyon Yayma (1) Bir bas¸kasını, sag˘ lıg˘ ını bozmak amacıyla ve bu amacı gerçekles¸tirmeye elveris¸li olacak surette, radyasyona tabi tutan kis¸i, üç yıldan onbes¸ yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. (2) Birinci fıkradaki fiilin belirsiz sayıda kis¸ilere kars¸ı is¸lenmis¸ olması halinde, bes¸ yıldan az olmamak üzere hapis cezasına hükmolunur. (3) Bir bas¸kasının hayatı, sag˘ lıg˘ ı veya malvarlıg˘ ına önemli ölçüde zarar vermeye elveris¸li olacak biçimde radyasyon yayan veya atom çekirdeklerinin parçalanması sürecine etkide bulunan kis¸i, iki yıldan bes¸ yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. (4) Radyasyon yayılmasına veya atom çekirdeklerinin parçalanması sürecine, bir laboratuvar veya tesisin is¸letilmesi sırasında gerekli dikkat ve özen yükümlülüg˘ üne aykırı olarak neden olan kis¸i, fiilin bir bas¸kasının hayatı, sag˘ lıg˘ ı veya malvarlıg˘ ına önemli ölçüde zarar vermeye elveris¸li olması halinde, altı aydan üç yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır.
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Artikel 172 – Strahlungsverbrechen (1) Wer einen anderen, um seine Gesundheit zu zerstören und in einer Weise, die dazu geeignet ist, einer Strahlung aussetzt, wird mit drei bis zu fünfzehn Jahren Gefängnis bestraft. (2) Wird die Tat des Abs. 1 gegenüber einer unbestimmten Anzahl von Personen begangen, so wird eine Strafe von mindestens fünfzehn Jahren Gefängnis verhängt. (3) Wer in einer Weise, die geeignet ist, erhebliche Schäden für Leben, Gesundheit oder Vermögen eines anderen herbeizuführen, Strahlungen freisetzt oder den Prozess einer Kernspaltung beeinflusst, wird mit zwei bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft. (4) Wer beim Betreiben eines Laboratoriums oder einer Einrichtung durch Verstoß gegen die erforderliche Sorgfaltspflicht eine Verbreitung von Strahlungen oder eine Kernspaltung verursacht, wird, wenn die Tat geeignet ist, erhebliche Schäden für das Leben, Gesundheit oder Vermögen eines anderen herbeizuführen, mit sechs Monaten bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft. Madde 179 – Trafik güvenlig˘ ini tehlikeye sokma (1) Kara, deniz, hava veya demiryolu ulas¸ımının güven içinde akıs¸ını sag˘ lamak için konulmus¸ her türlü is¸areti deg˘ is¸tirerek, kullanılamaz hale getirerek, konuldukları yerden kaldırarak, yanlıs¸ is¸aretler vererek, geçis¸, varıs¸, kalkıs¸ veya inis¸ yolları üzerine bir s¸ey koyarak ya da teknik is¸letim sistemine müdahale ederek, bas¸kalarının hayatı, sag˘ lıg˘ ı veya malvarlıg˘ ı bakımından bir tehlikeye neden olan kis¸iye bir yıldan altı yıla kadar hapis cezası verilir. (2) Kara, deniz, hava veya demiryolu ulas¸ım araçlarını kis¸ilerin hayat, sag˘ lık veya malvarlıg˘ ı açısından tehlikeli olabilecek s¸ekilde sevk ve idare eden kis¸i, iki yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. (3) Alkol veya uyus¸turucu madde etkisiyle ya da bas¸ka bir nedenle emniyetli bir s¸ekilde araç sevk ve idare edemeyecek halde olmasına rag˘ men araç kullanan kis¸i yukarıdaki fıkra hükmüne göre cezalandırılır. Artikel 179 – Gefährdung der Verkehrssicherheit (1) Wer irgendeine Art von Zeichen, die für den sicheren Ablauf des Land-, See-, Luft- oder Eisenbahnverkehrs aufgestellt sind, ändert, unbrauchbar macht, von ihrem Platz entfernt oder falsche Zeichen aufstellt, auf Durchgangsstraßen, Einfahrtswegen, Start- oder Landebahnen einen Gegenstand legt, oder in ein technisches Betriebssystem eingreift und dadurch Leben, Gesundheit oder Vermögen anderer gefährdet, wird mit einem Jahr bis zu sechs Jahren Gefängnis bestraft. (2) Wer Verkehrsmittel des Land-, See-, Luft- oder Eisenbahnverkehrs in einer Weise führt, die Leben, Gesundheit oder Vermögen anderer in Gefahr bringen kann, wird mit bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft. (3) Wer ein Fahrzeug führt, obwohl er unter dem Einfluss von Alkohol oder Betäubungsmitteln oder aus einem anderen Grund nicht dazu im Stande ist, ein Fahrzeug sicher zu führen, wird gemäß dem obigen Absatz bestraft.
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Madde 188 – Uyus¸turucu veya uyarıcı madde imal ve ticareti (1) Uyus¸turucu veya uyarıcı maddeleri ruhsatsız veya ruhsata aykırı olarak imal, ithal veya ihraç eden kis¸i, yirmi yıldan otuz yıla kadar hapis ve yirmibin güne kadar adlî para cezası ile cezalandırılır. (2) Uyus¸turucu veya uyarıcı madde ihracı fiilinin dig˘ er ülke açısından ithal olarak nitelendirilmesi dolayısıyla bu ülkede yapılan yargılama sonucunda hükmolunan cezanın infaz edilen kısmı, Türkiye’de uyus¸turucu veya uyarıcı madde ihracı dolayısıyla yapılacak yargılama sonucunda hükmolunan cezadan mahsup edilir. (3) Uyus¸turucu veya uyarıcı maddeleri ruhsatsız veya ruhsata aykırı olarak ülke içinde satan, satıs¸a arz eden, bas¸kalarına veren, sevk eden, nakleden, depolayan, satın alan, kabul eden, bulunduran kis¸i, on yıldan az olmamak üzere hapis ve yirmibin güne kadar adlî para cezası ile cezalandırılır. (Ek: 18/6/2014) Ancak, uyus¸turucu veya uyarıcı madde verilen veya satılan kis¸inin çocuk olması hâlinde, veren veya satan kis¸iye verilecek hapis cezası on bes¸ yıldan az olamaz. (4) (Deg˘ is¸ik 27/3/2015) a) Yukarıdaki fıkralarda belirtilen uyus¸turucu veya uyarıcı maddelerin eroin, kokain, morfin, sentetik kannabinoid ve türevleri veya bazmorfin olması, b) Üçüncü fıkradaki fiillerin; okul, yurt, hastane, kıs¸la veya ibadethane gibi tedavi, eg˘ itim, askerî ve sosyal amaçla toplu bulunulan bina ve tesisler ile bunların varsa çevre duvarı, tel örgü veya benzeri engel veya is¸aretlerle belirlenen sınırlarına iki yüz metreden yakın mesafe içindeki umumi veya umuma açık yerlerde is¸lenmesi, hâlinde verilecek ceza yarı oranında artırılır. (5) ((Deg˘ is¸ik 27/3/2015) Yukarıdaki fıkralarda gösterilen suçların, üç veya daha fazla kis¸i tarafından birlikte is¸lenmesi hâlinde verilecek ceza yarı oranında, suç is¸lemek için tes¸kil edilmis¸ bir örgütün faaliyeti çerçevesinde is¸lenmesi hâlinde, verilecek ceza bir kat artırılır. (6) Üretimi resmi makamların iznine veya satıs¸ı yetkili tabip tarafından düzenlenen reçeteye bag˘ lı olan ve uyus¸turucu veya uyarıcı madde etkisi dog˘ uran her türlü madde açısından da yukarıdaki fıkralar hükümleri uygulanır. Ancak, verilecek ceza yarısına kadar indirilebilir. (7) Uyus¸turucu veya uyarıcı etki dog˘ urmamakla birlikte, uyus¸turucu veya uyarıcı madde üretiminde kullanılan ve ithal veya imali resmi makamların iznine bag˘ lı olan maddeyi ülkeye ithal eden, imal eden, satan, satın alan, sevk eden, nakleden, depolayan veya ihraç eden kis¸i, sekiz yıldan az olmamak üzere hapis ve yirmibin güne kadar adlî para cezası ile cezalandırılır. (8) Bu maddede tanımlanan suçların tabip, dis¸ tabibi, eczacı, kimyager, veteriner, sag˘ lık memuru, laborant, ebe, hems¸ire, dis¸ teknisyeni, hastabakıcı, sag˘ lık hizmeti veren, kimyacılıkla veya ecza ticareti ile is¸tigal eden kis¸i tarafından is¸lenmesi halinde, verilecek ceza yarı oranında artırılır. Artikel 188 – Produktion und Handel von Betäubungs- oder Aufputschmitteln (1) Wer Betäubungs- oder Aufputschmittel ohne oder einer Erlaubnis zuwider, herstellt, einführt oder ausführt, wird mit mindestens zwanzig bis zu dreißig Jahren Gefängnis und bis zu 20.000 Tagessätzen Geldstrafe bestraft. (2) Wird die Ausfuhr von Betäubungs- oder Aufputschmitteln aus der Sicht eines anderen Landes als Einfuhr betrachtet und deswegen in einem Strafverfahren eine Strafe verhängt,
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so wird der verbüßte Teil dieser Strafe von der Strafe abgezogen, die in der Türkei wegen der Ausfuhr von Betäubungs- oder Aufputschmitteln verhängt wird. (3) Wer Betäubungs- oder Aufputschmittel ohne Erlaubnis oder einer Erlaubnis zuwider innerhalb des Landes verkauft, zum Verkauf anbietet, anderen übergibt, versendet, transportiert, lagert, kauft, annimmt oder vorrätig hält, wird mit mindestens zehn Jahren Gefängnis und bis zu 20.000 Tagessätzen Geldstrafe bestraft. Sofern das Betäubungs- oder Aufputschmittel bei oder an Kinder abgegeben oder verkauft wird, beträgt eine zu verhängende Strafe für Verkäufer oder Geber nicht unter zehn Jahren. (4) (Geändert: 27/3/2015) a) Handelt es sich bei den Betäubungs- oder Aufputschmitteln um Heroin, Kokain, Morphin oder synthetische Cannabinoide und seiner Derivate oder Morphinbasen, b) werden die Taten im dritten Absatz in einem Umkreis bis zu 200 Metern von Schulen, Heimen, Krankenhäusern, Kasernen und Gebetshäusern sowie für medizinische, erzieherische, militärische oder zu sozialen Zwecken benutzten Gebäuden und Anlagen, die mit einer Umfassungsmauer, Drahtzaun oder mit ähnlichen Hindernissen oder Kennzeichnungen ausgestattet sind, begangen, so wird die nach den obigen Absätzen zu verhängende Strafe bis auf das Doppelte erhöht. (5) (Geändert 27/3/2015) Werden die in den obigen Absätzen genannten Straftaten von drei oder mehreren Personen gemeinschaftlich begangen, wird die zu verhängende Strafe um die Hälfte verschärft, werden diese Straftaten im Rahmen der Tätigkeit einer kriminellen Organisation begangen, so wird die zu verhängende Strafe verdoppelt. (6) Die Vorschriften der obigen Absätze werden auch auf jegliche Art von Stoffen mit der Wirkung von Betäubungs- oder Aufputschmitteln angewandt, deren Herstellung einer behördlichen Erlaubnis unterliegt oder deren Verkauf von dem Rezept eines zu seiner Ausstellung befugten Arztes abhängt. Jedoch kann die Strafe bis auf die Hälfte herabgesetzt werden. (7) Wer Stoffe, die zwar selbst keine betäubende oder aufputschende Wirkung haben, aber bei der Herstellung von Betäubungs- oder Aufputschmitteln verwendet werden, und deren Einfuhr oder Herstellung einer behördlichen Erlaubnis unterliegt, ins Land einführt, sie herstellt, verkauft, zum Verkauf anbietet, versendet, befördert, lagert oder exportiert, wird mit mindestens acht Jahren Gefängnis und bis zu 20.000 Tagessätzen Geldstrafe bestraft. (8) Werden die in diesem Artikel genannten Straftaten von einem Arzt, Zahnarzt, Apotheker, Chemiker, Tierarzt, Gesundheitsbeauftragten, Laboranten, einer Hebamme, einer Krankenschwester, einem Zahntechniker, Krankenpfleger, Angehörigen sonstiger Heil- und Pflegeberufe oder einer im pharmazeutischen Handel tätigen Person begangen, so wird die Strafe um die Hälfte erhöht. Madde 197 – Parada sahtecilik (1) Memlekette veya yabancı ülkelerde kanunen tedavülde bulunan parayı, sahte olarak üreten, ülkeye sokan, nakleden, muhafaza eden veya tedavüle koyan kis¸i, iki yıldan oniki yıla kadar hapis ve onbin güne kadar adlî para cezası ile cezalandırılır. (2) Sahte parayı bilerek kabul eden kis¸i, bir yıldan üç yıla kadar hapis ve adlî para cezası ile cezalandırılır.
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(3) Sahtelig˘ ini bilmeden kabul ettig˘ i parayı bu nitelig˘ ini bilerek tedavüle koyan kis¸i, üç aydan bir yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. Artikel 197 – Geldfälschung (1) Wer im Inland oder in fremden Staaten gesetzlich umlaufendes Geld durch Herstellung verfälscht, ins Land einschmuggelt, transportiert, aufbewahrt oder in Verkehr bringt, wird mit zwei bis zu zwölf Jahren Gefängnis und bis zu 10.000 Tagessätzen Geldstrafe bestraft. (2) Wer wissentlich gefälschtes Geld annimmt, wird mit einem Jahr bis zu drei Jahren Gefängnis und Geldstrafe bestraft. (3) Wer unwissentlich angenommenes Falschgeld in Kenntnis dieser Eigenschaft in Verkehr bringt, wird mit drei Monaten bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft. Madde 198 – Paraya es¸it sayılan deg˘ erler (1) Devlet tarafından ihraç edilip de hamiline yazılı bonolar, hisse senetleri, tahviller ve kuponlar, yetkili kurumlar tarafından çıkarılmıs¸ olup da kanunen tedavül eden senetler, tahviller ve evrak ile milli ziynet altınları, para hükmündedir. Artikel 198 – Geld gleichgestellte Werte (1) Vom Staat ausgegebene und auf den Namen des Inhabers lautende Wechsel, Anteilscheine, Obligationen, Kupons, von den zuständigen Anstalten ausgegebene und gesetzlich im Verkehr befindliche Schuldurkunden, Obligationen und Papiere sowie nationale Goldmünzen sind Geld gleichgestellt. Madde 199 – Kıymetli damgada sahtecilik (1) Kıymetli damgayı sahte olarak üreten, ülkeye sokan, nakleden, muhafaza eden veya tedavüle koyan kis¸i, bir yıldan bes¸ yıla kadar hapis ve adlî para cezası ile cezalandırılır. (2) Sahte olarak üretilmis¸ kıymetli damgayı bilerek kabul eden kis¸i, üç aydan bir yıla kadar hapis ve adlî para cezası ile cezalandırılır. (3) Sahtelig˘ ini bilmeden kabul ettig˘ i kıymetli damgayı bu nitelig˘ ini bilerek tedavüle koyan kis¸i, bir aydan altı aya kadar hapis cezası ile cezalandırılır. (4) Damgalı kag˘ ıtlar, damga ve posta pulları ve muayyen bir miktar vergi veya harcın ödendig˘ ini belgelemek amacıyla kullanılan pullar, kıymetli damga sayılır. Artikel 199 – Fälschung von Wertzeichen (1) Wer gefälschte Wertzeichen herstellt, ins Land einschmuggelt, transportiert, aufbewahrt oder in Verkehr bringt, wird mit einem bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft. (2) Wer wissentlich ein gefälschtes Wertzeichen annimmt, wird mit drei Monaten bis zu einem Jahr Gefängnis und Geldstrafe bestraft. (3) Wer ein unwissentlich angenommenes gefälschtes Wertzeichen in Kenntnis dieser Eigenschaft in Verkehr bringt, wird mit einem Monat bis zu sechs Monaten Gefängnis bestraft.
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(4) Als Wertzeichen gelten gestempeltes Papier, Stempel oder Briefmarken oder Marken, die belegen, dass ein bestimmter Betrag an Steuern oder Gebühren entrichtet wurde. Madde 200 – Para ve kıymetli damgaları yapmaya yarayan araçlar (1) Paralarla kıymetli damgaların üretiminde kullanılan alet veya malzemeyi izinsiz olarak üreten, ülkeye sokan, satan, devreden, satın alan, kabul eden veya muhafaza eden kis¸i, bir yıldan dört yıla kadar hapis ve adlî para cezası ile cezalandırılır. Artikel 200 – Geräte, die zur Herstellung von Geld und Wertzeichen benutzt wurden (1) Wer Werkzeuge und Geräte, die für die Herstellung von Geld und Wertzeichen benutzt werden, ohne Erlaubnis herstellt, ins Land einschmuggelt, verkauft, weitergibt, kauft, annimmt oder aufbewahrt, wird mit einem Jahr bis zu vier Jahren Gefängnis und Geldstrafe bestraft. Madde 212 – Içtima (1) Sahte resmi veya özel belgenin bir bas¸ka suçun is¸lenmesi sırasında kullanılması halinde, hem sahtecilik hem de ilgili suçtan dolayı ayrı ayrı cezaya hükmolunur. Artikel 212 – Konkurrenz (1) Wird eine falsche öffentliche oder private Urkunde bei der Begehung einer anderen Straftat gebraucht, so ist sowohl wegen der Fälschung wie auch wegen der betreffenden Straftat jeweils einzeln eine Strafe zu verhängen. Madde 220 – Suç is¸lemek amacıyla örgüt kurma (1) Kanunun suç saydıg˘ ı fiilleri is¸lemek amacıyla örgüt kuranlar veya yönetenler, örgütün yapısı, sahip bulundug˘ u üye sayısı ile araç ve gereç bakımından amaç suçları is¸lemeye elveris¸li olması halinde, iki yıldan altı yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. Ancak, örgütün varlıg˘ ı için üye sayısının en az üç kis¸i olması gerekir. (2) Suç is¸lemek amacıyla kurulmus¸ olan örgüte üye olanlar, bir yıldan üç yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. (3) Örgütün silahlı olması halinde, yukarıdaki fıkralara göre verilecek ceza dörtte birinden yarısına kadar artırılır. (4) Örgütün faaliyeti çerçevesinde suç is¸lenmesi halinde, ayrıca bu suçlardan dolayı da cezaya hükmolunur. (5) Örgüt yöneticileri, örgütün faaliyeti çerçevesinde is¸lenen bütün suçlardan dolayı ayrıca fail olarak cezalandırılır. (6) (Deg˘ is¸ik: 2/7/2012) Örgüte üye olmamakla birlikte örgüt adına suç is¸leyen kis¸i, ayrıca örgüte üye olmak suçundan da cezalandırılır. Örgüte üye olmak suçundan dolayı verilecek ceza yarısına kadar indirilebilir.(Ek cümle: 11/4/2013) Bu fıkra hükmü sadece silahlı örgütler hakkında uygulanır.
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(7) (Deg˘ is¸ik: 2/7/2012) Örgüt içindeki hiyerars¸ik yapıya dahil olmamakla birlikte, örgüte bilerek ve isteyerek yardım eden kis¸i, örgüt üyesi olarak cezalandırılır. Örgüt üyelig˘ inden dolayı verilecek ceza, yapılan yardımın nitelig˘ ine göre üçte birine kadar indirilebilir. (8) (Deg˘ is¸ik: 2/7/2012) Örgütün cebir, s¸iddet veya tehdit içeren yöntemlerini mes¸ru gösterecek veya övecek ya da bu yöntemlere bas¸vurmayı tes¸vik edecek s¸ekilde propagandasını yapan kis¸i, bir yıldan üç yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. Bu suçun basın ve yayın yolu ile is¸lenmesi halinde, verilecek ceza yarı oranında artırılır. Artikel 220 – Gründung einer Vereinigung mit dem Ziel der Begehung von Straftaten (1) Wer eine Organisation mit dem Ziel, Straftaten zu begehen, begründet oder leitet, wird, wenn die Organisation nach ihrem Aufbau, der Zahl ihrer Mitglieder und im Hinblick auf ihre Mittel und Ausstattung zur Begehung der geplanten Straftaten geeignet ist, mit einer Strafe von zwei bis zu sechs Jahren Gefängnis bestraft. Jedoch muss zum Vorliegen einer Organisation die Zahl der Mitglieder drei betragen. (2) Mitglieder einer kriminellen Organisation werden mit einem Jahr bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft. (3) Ist die Organisation bewaffnet, so werden gemäß den obigen Absätzen zu verhängende Strafen um ein Drittel bis um die Hälfte erhöht. (4) Werden im Rahmen der Tätigkeit der Organisation Straftaten begangen, so werden zusätzlich auch die Strafen für diese Straftaten verhängt. (5) Die Leiter der Organisation werden für alle im Rahmen der Tätigkeit der Organisation begangenen Straftaten als Täter bestraft. (6) (Geändert: 2/7/2012) Wer, ohne Mitglied der Organisation zu sein, im Namen der Organisation eine Straftat begeht, wird außerdem wegen der Straftat der Zugehörigkeit zu der Organisation bestraft. Die Strafe wegen der Straftat wegen der Zugehörigkeit zu der Organisation kann um die Hälfte herabgesetzt werden. Die Bestimmung dieses Absatzes wird nur auf die bewaffnete Organisation angewendet. (7) (Geändert: 2/7/2012) Wer, ohne in den hierarchischen Strukturen der Organisation eingebunden zu sein, der Organisation wissentlich und willentlich Hilfe leistet, wird als Mitglied der Organsation bestraft. Die Strafe wegen der Straftat wegen der Zugehörigkeit zu der Organisation kann nach der Art der geleisteten Hilfe bis um ein Drittel herabgesetzt werden. (8) (Geändert: 2/7/2012) Wer in einer Weise, die Zwang, Gewalt oder Drohung beinhaltende Methoden einer Organisation rechtmäßig anzeigen, loben oder die Anwendung dieser Methoden fordern kann, Propaganda macht, wird mit einer Strafe von einem Jahr bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft. Wird die Straftat mittels Presse und Publikation begangen, so wird die Strafe um die Hälfte erhöht. Madde 223 – Ulas¸ım araçlarının kaçırılması veya alıkonulması (1) Cebir veya tehdit kullanarak ya da hukuka aykırı bas¸ka bir davranıs¸la kara ulas¸ım aracının hareket etmesini engelleyen, bu aracı hareket halinde iken durduran veya gitmekte oldug˘ u yerden bas¸ka yere götüren kis¸i, bir yıldan üç yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır.
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(2) Suçun konusunun deniz veya demiryolu ulas¸ım aracı olması halinde, iki yıldan bes¸ yıla kadar hapis cezasına hükmolunur. (3) Cebir veya tehdit kullanarak ya da hukuka aykırı bas¸ka bir davranıs¸la hava ulas¸ım aracının hareket etmesini engelleyen veya bu aracı gitmekte oldug˘ u yerden bas¸ka yere götüren kis¸i, bes¸ yıldan on yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. (4) Bu suçların is¸lenmesi sırasında kis¸ilerin hürriyetinin tahdit edilmesi dolayısıyla ayrıca cezaya hükmolunur. (5) Bu suçların is¸lenmesi sırasında kasten yaralama suçunun neticesi sebebiyle ag˘ ırlas¸mıs¸ hallerinin gerçekles¸mesi durumunda, ayrıca kasten yaralama suçuna ilis¸kin hükümler uygulanır. Artikel 223 – Entführung und Festhalten von Verkehrsmitteln (1) Wer mit Gewalt oder Drohung oder durch ein anderes rechtswidriges Verhalten die Abfahrt eines Verkehrsmittels zu Lande verhindert, in Bewegung befindliche Verkehrsmittel anhält oder an einen anderen als den Bestimmungsort fahren lässt, wird mit einem Jahr bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft. (2) Ist das Objekt der Tat ein Verkehrsmittel zu Wasser oder auf der Schiene, so werden zwei bis zu fünf Jahre Gefängnis verhängt. (3) Wer mit Gewalt oder Drohung oder durch ein anderes rechtswidriges Verhalten den Start eines Luftverkehrsmittels verhindert oder es an einen anderen als den Bestimmungsort fliegen lässt, wird mit fünf bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft. (4) Bei der Begehung dieser Straftaten wird außerdem eine Strafe wegen Freiheitsberaubung verhängt. (5) Wird bei der Begehung dieser Straftaten eine schwere Körperverletzung begangen, so werden außerdem die Vorschriften über vorsätzliche Körperverletzung angewendet. Madde 233 – Aile hukukundan kaynaklanan yükümlülüg˘ ün ihlali (1) Aile hukukundan dog˘ an bakım, eg˘ itim veya destek olma yükümlülüg˘ ünü yerine getirmeyen kis¸i, s¸ikayet üzerine, bir yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. (2) Hamile oldug˘ unu bildig˘ i es¸ini veya sürekli birlikte yas¸adıg˘ ı ve kendisinden gebe kalmıs¸ bulundug˘ unu bildig˘ i evli olmayan bir kadını çaresiz durumda terk eden kimseye, üç aydan bir yıla kadar hapis cezası verilir. (3) Velayet hakları kaldırılmıs¸ olsa da, itiyadi sarhos¸luk, uyus¸turucu veya uyarıcı maddelerin kullanılması ya da onur kırıcı tavır ve hareketlerin sonucu maddi ve manevi özen noksanlıg˘ ı nedeniyle çocuklarının ahlak, güvenlik ve sag˘ lıg˘ ını ag˘ ır s¸ekilde tehlikeye sokan ana veya baba, üç aydan bir yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. Artikel 233 – Vernachlässigung familienrechtlicher Verpflichtungen (1) Wer die Fürsorge-, Erziehungs- oder Unterstützungspflichten nicht erfüllt, die sich aus dem Familienrecht ergeben, wird auf Antrag mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft.
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(2) Wer seine schwangere Ehefrau oder eine unverheiratete Frau, mit der er auf Dauer zusammen lebt und von der er weiß, dass die von ihm schwanger ist, in hilfloser Lage verlässt, wird mit drei Monaten bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft. (3) Die Mutter oder Väter, die, auch wenn ihnen die elterliche Gewalt entzogen wurde, durch Mangel an Sorgfalt in materieller und psychischer Hinsicht infolge gewohnheitsmäßigen Trinkens, Betäubungsmittel- oder Aufputschmittelgebrauchs oder ehrlosen Lebenswandels die Moral, Sicherheit und Gesundheit ihrer Kinder schwer gefährden, werden mit drei Monaten bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft. Madde 244 – Sistemi engelleme, bozma, verileri yok etme veya deg˘ is¸tirme (1) Bir bilis¸im sisteminin is¸leyis¸ini engelleyen veya bozan kis¸i, bir yıldan bes¸ yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. (2) Bir bilis¸im sistemindeki verileri bozan, yok eden, deg˘ is¸tiren veya eris¸ilmez kılan, sisteme veri yerles¸tiren, var olan verileri bas¸ka bir yere gönderen kis¸i, altı aydan üç yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. (3) Bu fiillerin bir banka veya kredi kurumuna ya da bir kamu kurum veya kurulus¸una ait bilis¸im sistemi üzerinde is¸lenmesi halinde, verilecek ceza yarı oranında artırılır. (4) Yukarıdaki fıkralarda tanımlanan fiillerin is¸lenmesi suretiyle kis¸inin kendisinin veya bas¸kasının yararına haksız bir çıkar sag˘ lamasının bas¸ka bir suç olus¸turmaması halinde, iki yıldan altı yıla kadar hapis ve bes¸bin güne kadar adlî para cezasına hükmolunur. Artikel 244 – Blockierung oder Zerstörung eines Systems, Löschen oder Verändern der Daten (1) Wer das Funktionieren eines Computersystems4 verhindert oder dieses zerstört, wird mit einem Jahr bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft. (2) Wer die Daten in einem System zerstört, vernichtet, ändert oder unerreichbar macht, Daten in ein System eingibt oder dort vorhandene Daten an eine andere Stelle verschiebt, wird mit sechs Monaten bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft. (3) Werden diese Straftaten in Systemen begangen, die einer Bank, Kreditanstalt, einer öffentlichen Einrichtung oder Anstalt gehören, so wird die Strafe um die Hälfte verschärft. (4) Hat jemand durch die Begehung der in den obigen Absätzen genannten Straftaten sich oder einem anderen einen rechtswidrigen Vorteil verschafft, und erfüllt dies keinen anderen Straftatbestand, so wird eine Strafe von zwei bis zu sechs Jahren Gefängnis und bis zu 5.000 Tagessätzen Geldstrafe verhängt. Madde 245 – Banka veya kredi kartlarının kötüye kullanılması (1) Bas¸kasına ait bir banka veya kredi kartını, her ne suretle olursa olsun ele geçiren veya elinde bulunduran kimse, kart sahibinin veya kartın kendisine verilmesi gereken kis¸inin rızası
4 Tellenbach hat in der deutschen Übersetzung das türkische Wort „Bilis¸im Sistemleri“ mit dem Wort „Computersystem“ übersetzt, was allerdings dem Gesetzeswortlaut nicht ganz entspricht. Die äquivalente Übersetzung des Begriffs „Bilis¸im Sistemleri“ ist „Informationstechnisches System“.
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olmaksızın bunu kullanarak veya kullandırtarak kendisine veya bas¸kasına yarar sag˘ larsa, üç yıldan altı yıla kadar hapis ve bes¸bin güne kadar adlî para cezası ile cezalandırılır. (2) Bas¸kalarına ait banka hesaplarıyla ilis¸kilendirilerek sahte banka veya kredi kartı üreten, satan, devreden, satın alan veya kabul eden kis¸i üç yıldan yedi yıla kadar hapis ve onbin güne kadar adlî para cezası ile cezalandırılır. (3) Sahte olus¸turulan veya üzerinde sahtecilik yapılan bir banka veya kredi kartını kullanmak suretiyle kendisine veya bas¸kasına yarar sag˘ layan kis¸i, fiil daha ag˘ ır cezayı gerektiren bas¸ka bir suç lus¸turmadıg˘ ı takdirde, dört yıldan sekiz yıla kadar hapi s ve bes¸bin güne kadar adlî para cezası ile cezalandırılır. (4) Birinci fıkrada yer alan suçun; a) Haklarında ayrılık kararı verilmemis¸ es¸lerden birinin, b) Üstsoy veya altsoyunun veya bu derecede kayın hısımlarından birinin veya evlat edinen veya evlâtlıg˘ ın, c) Aynı konutta beraber yas¸ayan kardes¸lerden birinin, Zararına olarak is¸lenmesi hâlinde, ilgili akraba hakkında cezaya hükmolunmaz. (5) Birinci fıkra kapsamına giren fiillerle ilgili olarak bu Kanunun malvarlıg˘ ına kars¸ı suçlara ilis¸kin etkin pis¸manlık hükümleri uygulanır. Artikel 245 – Missbrauch von Bank- und Kreditkarten (1) Wer sich, auf welche Weise auch immer, die einem anderen gehörende Bank- oder Kreditkarte verschafft oder sie in Besitz hat und ohne Bestimmung des Besitzers oder der Person, der die Karte auszuhändigen wäre, diese benutzt oder benutzen lässt und sich oder einem anderen einen Vorteil verschafft, wird mit drei bis zu sechs Jahren Gefängnis und bis zu 5.000 Tagessätzen Geldstrafe bestraft. (2) Wer falsche Bank- oder Kreditkarten herstellt, wobei sie zu fremden Bankkonten in Beziehung gesetzt werden, sie verkauft, weitergibt, kauft oder annimmt, wird mit drei bis zu sieben Jahren Gefängnis und bis zu 10.000 Tagessätzen Geldstrafe bestraft. (3) Wer durch den Gebrauch einer gefälschten oder verfälschten Bank- oder Kreditkarte sich oder einem anderen einen Vorteil verschafft, wird, sofern die Tat keine schwerere Straftat darstellt, mit vier bis zu acht Jahren Gefängnis und bis zu 5.000 Tagessätzen Geldstrafe bestraft. (4) Wurde die Straftat des Abs. 1 zum Schaden a) eines Ehegatten, wenn kein Beschluss über ein Getrenntleben vorliegt, b) eines Verwandten auf- oder absteigender Linie, eines in diesem Grad Verschwägerten, von Adoptiveltern oder eines Adoptivkinds, c) eines in der gleichen Wohnung lebenden Bruders oder einer Schwester begangen, so wird gegen den verwandten Täter keine Strafe verhängt. (5) Bei Straftaten, die unter Abs. 1 fallen, werden die Vorschriften dieses Gesetzes über die tätige Reue bei Vermögensdelikten angewendet.
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Madde 247 – Zimmet (1) Görevi nedeniyle zilyedlig˘ i kendisine devredilmis¸ olan veya koruma ve gözetimiyle yükümlü oldug˘ u malı kendisinin veya bas¸kasının zimmetine geçiren kamu görevlisi, bes¸ yıldan oniki yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. (2) Suçun, zimmetin açıg˘ a çıkmamasını sag˘ lamaya yönelik hileli davranıs¸larla is¸lenmesi halinde, verilecek ceza yarı oranında artırılır. (3) Zimmet suçunun, malın geçici bir süre kullanıldıktan sonra iade edilmek üzere is¸lenmesi halinde, verilecek ceza yarı oranına kadar indirilebilir. Artikel 247 – Unterschlagung im Amt (1) Der Amtsträger, der ihm dienstlich übergebene Gegenstände oder Gegenstände, zu deren Schutz oder Kontrolle er verpflichtet ist, zu seinem eigenen oder zum Nutzen eines anderen unterschlägt, wird mit fünf bis zu zwölf Jahren Gefängnis bestraft. (2) Wird die Straftat mit List begangen, um die Aufdeckung der Unterschlagung zu verhindern, so wird die Strafe um die Hälfte erhöht. (3) Wird die Unterschlagung begangen, indem die Sache nach kurzem Gebrauch wieder zurückgegeben wird, so kann die Strafe bis auf die Hälfte herabgesetzt werden. Madde 257 – Görevi Kötüye Kullanma (1) Kanunda ayrıca suç olarak tanımlanan haller dıs¸ında, görevinin gereklerine aykırı hareket etmek suretiyle, kis¸ilerin mag˘ duriyetine veya kamunun zararına neden olan ya da kis¸ilere haksız bir menfaat sag˘ layan kamu görevlisi, altı aydan iki yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. (2) Kanunda ayrıca suç olarak tanımlanan haller dıs¸ında, görevinin gereklerini yapmakta ihmal veya gecikme göstererek, kis¸ilerin mag˘ duriyetine veya kamunun zararına neden olan ya da kis¸ilere haksız bir menfaat sag˘ layan kamu görevlisi, üç aydan bir yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. (3) (Mülga: 2/7/2012) Artikel 257 – Amtsmissbrauch (1) Der Amtsträger, der in Fällen, die nicht gesetzlich anderweitig als Straftaten bezeichnet werden, durch pflichtwidriges Verhalten Personen oder der Allgemeinheit Schaden zufügt oder Personen einen rechtswidrigen Vorteil verschafft, wird mit sechs Monaten bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft. (2) Der Amtsträger, der in Fällen, die nicht gesetzlich anderweitig als Straftaten bezeichnet werden, die Erfüllung seiner Pflichten unterlässt oder verzögert und dadurch Personen oder der Allgemeinheit Schaden zufügt oder Personen einen rechtswidrigen Vorteil verschafft, wird mit drei Monaten bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft. (3) (Aufgehoben:2/7/2012)
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Madde 265 – Görevi yaptırmamak için direnme (1) Kamu görevlisine kars¸ı görevini yapmasını engellemek amacıyla, cebir veya tehdit kullanan kis¸i, altı aydan üç yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. (2) Suçun yargı görevi yapan kis¸ilere kars¸ı is¸lenmesi halinde, iki yıldan dört yıla kadar hapis cezasına hükmolunur. (3) Suçun, kis¸inin kendisini tanınmayacak bir hale koyması suretiyle veya birden fazla kis¸i tarafından birlikte is¸lenmesi halinde, verilecek ceza üçte biri oranında artırılır. (4) Suçun, silahla ya da var olan veya var sayılan suç örgütlerinin olus¸turdukları korkutucu güçten yararlanılarak is¸lenmesi halinde, yukarıdaki fıkralara göre verilecek ceza yarı oranında artırılır. (5) Bu suçun is¸lenmesi sırasında kasten yaralama suçunun neticesi sebebiyle ag˘ ırlas¸mıs¸ hallerinin gerçekles¸mesi durumunda, ayrıca kasten yaralama suçuna ilis¸kin hükümler uygulanır. Artikel 265 – Widerstand gegen die Staatsgewalt (1) Wer gegen einen Amtsträger Gewalt oder Drohung anwendet, um ihn an der Erfüllung seiner Dienstpflicht zu hindern, wird mit sechs Monaten bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft. (2) Wird die Tat gegen Personen begangen, die ein richterliches Amt ausüben, so wird eine Strafe von zwei bis zu vier Jahren Gefängnis verhängt. (3) Wird die Tat vermummt oder von mehr als einer Person gemeinschaftlich begangen, so wird die Strafe um ein Drittel erhöht. (4) Wird die Tat mit Waffen oder unter Ausnutzung der einschüchternden Macht von tatsächlich oder angeblich bestehenden kriminellen Organisationen begangen, so wird die nach den obigen Absätzen zu verhängende Strafe um die Hälfte erhöht. (5) Wird bei der Begehung dieser Tat einer der Fälle der schweren vorsätzlichen Körperverletzung begangen, so werden außerdem die Vorschriften über die vorsätzliche Körperverletzung angewendet. Madde 285 – (Deg˘ is¸ik: 2/7/2012) Gizlilig˘ in ihlali (1) Sorus¸turmanın gizlilig˘ ini alenen ihlal eden kis¸i, bir yıldan üç yıla kadar hapis veya adli para cezası ile cezalandırılır. Bu suçun olus¸abilmesi için; a) Sorus¸turma evresinde yapılan is¸lemin içerig˘ inin açıklanması suretiyle, suçlu sayılmama karinesinden yararlanma hakkının veya haberles¸menin gizlilig˘ inin ya da özel hayatın gizlilig˘ inin ihlal edilmesi, b) Sorus¸turma evresinde yapılan is¸lemin içerig˘ ine ilis¸kin olarak yapılan açıklamanın maddi gerçeg˘ in ortaya çıkmasını engellemeye elveris¸li olması, gerekir. (2) Sorus¸turma evresinde alınan ve sorus¸turmanın tarafı olan kis¸ilere kars¸ı gizli tutulması gereken kararların ve bunların gereg˘ i olarak yapılan is¸lemlerin gizlilig˘ ini ihlal eden kis¸i, bir yıldan üç yıla kadar hapis veya adli para cezası ile cezalandırılır.
328
Anhang 1
(3) Kanuna göre kapalı yapılması gereken veya kapalı yapılmasına karar verilen durus¸madaki açıklama veya görüntülerin gizlilig˘ ini alenen ihlal eden kis¸i, birinci fıkra hükmüne göre cezalandırılır. Ancak, bu suçun olus¸ması için, tanıg˘ ın korunmasına ilis¸kin olarak alınan gizlilik kararına aykırılık açısından aleniyetin gerçekles¸mesi aranmaz. (4) Yukarıdaki fıkralarda tanımlanan suçların kamu görevlisi tarafından görevinin sag˘ ladıg˘ ı kolaylıktan yararlanılarak is¸lenmesi halinde, ceza yarısına kadar artırılır. (5) Sorus¸turma ve kovus¸turma evresinde kis¸ilerin suçlu olarak algılanmalarına yol açacak s¸ekilde görüntülerinin yayınlanması halinde, altı aydan iki yıla kadar hapis cezasına hükmolunur. (6) Sorus¸turma ve kovus¸turma is¸lemlerinin haber verme sınırları as¸ılmaksızın haber konusu yapılması suç olus¸turmaz. Artikel 285 – (Geändert:2/7/2012) Verletzung der Vertraulichkeit (1) Wer die Vertraulichkeit der Ermittlungen öffentlich verletzt, wird mit einem Jahr bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Für die Begehung dieser Straftat, a) werden durch die Ankündigung des Inhalts der Verhandlungen im Ermittlungsverfahren das Recht der Unschuldsvermutung oder die Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen den Personen oder die Vertraulichkeit des Privatlebens verletzt, b) muss die Ankündigung des Inhalts der Verhandlungen im Ermittlungsverfahren in einer Weise sein, die dazu geeignet ist, die Entdeckung der Tatsachen zu verhindern. (2) Wer die Vertraulichkeit der Beschlüsse, die im Ermittlungsverfahren gefasst werden und für die Ermittelnden geheim sind, und der aus diesen Beschlüsse folgenden Maßnahmen verletzt, wird mit einem Jahr bis zu drei Jahren Gefängnis oder Geldstrafe bestraft. (3) Wer die Vertraulichekit der Erklärungen und Abbildungen aus Hauptverhandlungen, die von Gesetzes wegen durch Beschluss nicht öffentlich stattfinden, öffentlich verletzt, wird gemäß der Vorschrift des Abs. 1 bestraft. Jedoch ist zur Begehung dieser Tat bei einem Verstoß gegen einen Geheimhaltungsbeschluss im Zusammenhang mit dem Schutz eines Zeugen Öffentlichkeit nicht erforderlich. (4) Werden die in den obigen Absätzen genannten Straftaten von einem Amtsträger unter Ausnutzung der Erleichterungen seines Dienstes begangen, ist die Strafe bis um die Hälfte verschärft. (5) Werden während des Ermittlungs- oder Hauptverfahrens Bildaufnahmen veröffentlicht, die geeignet sind, Personen als schuldig hinzustellen, so wird eine Strafe von sechs Monaten bis zu zwei Jahren Gefängnis verhängt. (6) Sind die Verhandlungen des Ermittlungs- und Hauptverfahrens ein Thema von Bericht, stellt es keine Straftat dar, wenn die Grenze der Berichterstattung nicht überschritten wird. Madde 294 – Kaçmaya imkan sag˘ lama (1) Gözaltına alınanın veya tutuklunun kaçmasını sag˘ layan kis¸i, bir yıldan üç yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. (2) Hükümlünün kaçmasını sag˘ layan kis¸i, çekilecek olan hapis cezasının süresine göre iki yıldan bes¸ yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. Ancak, hükümlünün cezası;
Anhang 1
329
a) Müebbet hapis cezası ise, bes¸ yıldan sekiz yıla, b) Ag˘ ırlas¸tırılmıs¸ müebbet hapis cezası ise, sekiz yıldan oniki yıla, kadar hapis cezasına hükmolunur. (3) Bu suçların, cebir veya tehdit kullanılarak is¸lenmesi halinde, verilecek ceza üçte biri oranında artırılır. (4) Kaçması sag˘ lanan kis¸i sayısının birden fazla olması halinde, bu sayı göz önünde bulundurularak, verilecek ceza üçte birden bir katına kadar artırılır. (5) Bu suçların gözaltına alınan, tutuklu veya hükümlünün muhafaza veya nakli ile görevli kis¸iler tarafından is¸lenmesi halinde, verilecek ceza, üçte biri oranında artırılır. (6) Bu suçların üstsoy, altsoy, es¸ veya kardes¸ tarafından is¸lenmesi halinde, verilecek ceza üçte biri oranında indirilir. (7) Bu suçların is¸lenmesi sırasında kasten yaralama suçunun neticesi sebebiyle ag˘ ırlas¸mıs¸ hallerinin veya kasten öldürme suçunun gerçekles¸mesi ya da es¸yaya zarar verilmesi durumunda, ayrıca bu suçlara ilis¸kin hükümlere göre cezaya hükmolunur. (8) Gözaltına alınan, tutuklu veya hükümlünün, muhafaza veya nakli ile görevli kis¸inin dikkat ve özen yükümlülüg˘ üne aykırı davranmasından yararlanarak kaçması halinde, altı aydan üç yıla kadar hapis cezasına hükmolunur. Artikel 294 – Verschaffen der Möglichkeit zum Entweichen (1) Wer das Entweichen einer in Polizei- oder Untersuchungshaft befindlichen Person ermöglicht, wird mit einem Jahr bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft. (2) Wer das Entweichen eines Strafgefangenen ermöglicht, wird je nach der zu verbüßenden Strafe mit zwei bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft. Beträgt jedoch die Strafe des Strafgefangenen a) lebenslanges Gefängnis, so wird eine Strafe von fünf bis zu acht Jahren, b) erschwertes lebenslanges Gefängnis, so wird eine Strafe von acht bis zu zwölf Jahren verhängt. (3) Werden diese Straftaten unter Einsatz von Gewalt oder Drohung begangen, so wird die zu verhängende Strafe um ein Drittel erhöht. (4) Beträgt die Zahl der Personen, deren Entweichen ermöglicht wird, mehr als eine, so wird die zu verhängende Strafe unter Berücksichtigung dieser Zahl um ein Drittel bis auf das Doppelte erhöht. (5) Werden diese Straftaten von Personen begangen, die mit der Bewachung oder dem Transport der in Polizeihaft befindlichen Person, des Untersuchungshäftlings oder Strafgefangenen beauftragt sind, so wird die Strafe um ein Drittel erhöht. (6) Werden diese Straftaten von einem Verwandten aufsteigender und absteigender Linie, von einem Ehegatten, einem Bruder oder einer Schwester begangen, so wird die Strafe um ein Drittel herabgesetzt.
330
Anhang 1
(7) Wird bei der Begehung dieser Straftat einer der schweren Fälle einer vorsätzlichen Körperverletzung, eine vorsätzliche Tötung oder eine Sachbeschädigung begangen, so wird außerdem eine Strafe gemäß den Vorschriften über diese Straftaten verhängt. (8) Entweicht die in Polizeihaft befindliche Person, der Untersuchungshäftling oder Strafgefangene unter Ausnutzung einer Sorgfaltspflichtverletzung der mit ihrer Bewachung oder ihrem Transport beauftragten Personen, so wird eine Strafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren Gefängnis verhängt. Madde 299 – Cumhurbas¸kanına hakaret (1) Cumhurbas¸kanına hakaret eden kis¸i, bir yıldan dört yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. (2) Suçun alenen is¸lenmesi hâlinde, verilecek ceza altıda biri oranında artırılır. (3) Bu suçtan dolayı kovus¸turma yapılması, Adalet Bakanının iznine bag˘ lıdır. Artikel 299 – Beleidigung des Präsidenten der Republik (1) Wer den Präsidenten der Republik beleidigt, wird mit einem Jahr bis zu vier Jahren Gefängnis bestraft. (2) Wird die Tat öffentlich begangen, so wird die Strafe um ein Sechstel erhöht. (3) Die Verfolgung dieser Straftat hängt von einer Ermächtigung des Justizministers ab. Madde 314 – Silâhlı örgüt (1) Bu kısmın dördüncü ve bes¸inci bölümlerinde yer alan suçları is¸lemek amacıyla, silahlı örgüt kuran veya yöneten kis¸i, on yıldan onbes¸ yıla kadar hapis cezası ile cezalandırılır. (2) Birinci fıkrada tanımlanan örgüte üye olanlara, bes¸ yıldan on yıla kadar hapis cezası verilir. (3) Suç is¸lemek amacıyla örgüt kurma suçuna ilis¸kin dig˘ er hükümler, bu suç açısından aynen uygulanır. Artikel 314 – Bewaffnete Organisation (1) Wer zur Begehung der in Abschnitt 4 und 5 dieses Teils genannten Straftaten eine bewaffnete Organisation gründet oder leitet, wird mit zehn bis fünfzehn Jahren Gefängnis bestraft. (2) Mitglieder der in Abs. 1 beschriebenen Organisation werden mit fünf bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft. (3) Die sonstigen Vorschriften über die Gründung einer kriminellen Organisation werden auf diese Straftat gleichermaßen angewendet.
Anhang 21 Die Anzahl der Strafgefangenen und Untersuchungshäftlingen Jahre
Strafgefangene Männer Frauen Jugendliche
Untersuchungshäftlinge Insg.
Männer Frauen Jugendliche
Insg.
Insg.
31/12/ 2000
23.708
894
253
24.855
22.595
921
1141 24.657
49.512
31/12/ 2001
26.286
903
352
27.541
25.267
1136
1665 28.068
55.609
31/12/ 2002
33.079
1181
548
34.808
22.197
927
1497
24621
59.429
31/12/ 2003
35.297
1207
552
37.056
24.613
970
1657 27.240
64.296
31/12/ 2004
29.074
925
366
30.365
24.914
1023
1628 27.565
57.930
31/12/ 2005
28.420
882
143
29.445
24.089
930
1406 26.425
55.870
31/12/ 2006
34.458
1086
321
35.865
31.303
1315
1794 34.412
70.277
31/12/ 2007
50.650
1620
539
52.809
34.353
1527
2148 38.028
90.837
31/12/ 2008
60.444
1948
671
63.063
36.446
1651
2075 40.172 103.235
31/12/ 2009
73.063
2305
632
76.000
36.585
1708
2047 40.340 116.340
31/12/ 2010
83289
2748
529
86.566
31.262
1402
1584 34.248 120.814
31/12/ 2011
89.252
2955
410
92.617
32.479
1584
1924 35.987 128.604
31/12/ 100.617 2012
3278
418 104.313
28.564
1560
1583 31.707 136.020
31/12/ 113.378 2013
3956
451 117.785
24.966
1200
1527 27.293 145.478
31/12/ 131.136 2014
4855
540 136.531
19.915
1522
869 22.306 158.837
1
Aufrufbar unter: http://www.cte.adalet.gov.tr/ (am: 24. 07. 2015).
332
Anhang 2
31/01/ 133.770 2015
4902
538 139.209
19.890
861
1562 22.313 161.522
28/02/ 136.289 2015
5002
560 141.851
20.144
869
1597 22.610 164.461
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– Die Auswirkungen des Beschlusses des Großen Senats für Strafsachen (BGHSt 40, 138) auf die strafrechtliche Praxis, in: Geisler (Hrsg.), Zur Rechtswirklichkeit nach Wegfall der fortgesetzten Tat, Wiesbaden 1998, S. 35
Sachwortverzeichnis Aberratio ictus 134 f. Absorbtionsprinzip 110, 142, 150 f., 174 Agententätigkeit 40 Amnestie 110, 142 f., 166, 172, 176, 206 Analogie 131, 139,227 Asperationsprinzip 151 ff., 171, 174, 180 ff., 216, 240, 243, 248 Auffangtatbestand 257 Ausführung eines Tatentschlusses 185, 190 ff., 195, 198 ff., 212 ff., 240, 242 Aussetzung der Eröffnung der öffentlichen Klage 209 f. Aussetzung der Urteilsverkündung 210 f. Bedingte Entlassung 174 f., 181 Begehungsdelikte 28, 31, 107 f., 131 f., 213 Beleidigung 68 ff., 75 f., 95 ff., 118, 129 f., 203, 271 Beschleunigungsgebot 162, 173 Betrug 99, 108, 118, 129, 145 f., 190, 203, 219, 263 f., 273 Bewertungseinheit 41 f., 94, 165, 228 ff., 244, 249 Billigkeitsgründe 216, 248 Buchführungspflicht 41, 228, 230 Dauerdelikte – Aufrechterhaltung des Dauerdelikts 36, 40, 63, 84 f., 101 ff., 107, 112, 122 f., 126 – Fahrtunterbrechung 37 ff. – Gelegenheit des Dauerdelikts 103 f., 112, 123 – Unterbrechung bei Dauerdelikten 36 ff. – Unterbrechung durch einen Verkehrsunfall 38 ff. Die Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter 51, 54, 56 f., 62, 75, 78 f., 217, 284 Die Verletzung der übertragbaren Rechtsgüter 58 f., 62, 81 f., 90, 92 Dolus eventualis 74
Doppelbestrafung 95 f., 106 f., 121, 141, 162, 166, 204, 276, 280 Doppelverwertungsverbot siehe Doppelbestrafung Durchgangsdelikt 259, 269, 271, 274 f., 279 Ehebruch 66, 68, 125 Eigentumsdelikte 62, 99, 108, 218, 228 Einheitsstrafenprinzip 53, 155, 285 Einheitstheorie 94, 184 Einsatzstrafe 159 ff., 180, 210, 214 Einzelfreiheitsstrafe siehe Einzelstrafe Einzelstrafe 152 ff., 157 ff., 166, 169 f., 173, 180 f., 208 f., 211, 216, 231 Einzeltatindividualisierung siehe Einzeltatkonkretisierung Einzeltatkonkretisierung 233, 246 f. Erfolgseinheit – Erfolgsdelikt 66 f., 75, 87 f. – Erfolgslehre 65, 68 ff., 73 ff., 79, 87 ff., 139 – Tätigkeitsdelikte 61, 65 ff., 75, 87 ff., 107 Ermittlungsverfahren 143, 197 f., 242, 273, 277 Fahren ohne Fahrerlaubnis 37, 85, 104 Fahrlässige Delikte siehe Handlungseinheit Fiktive Gesamtstrafe 171 Folter 79, 85 ff., 126, 131, 135, 148, 150, 193, 202 f., 235, 241 Fortsetzungstat 20 ff., 81 ff., 87 f., 92, 116, 128 ff., 135 ff., 140, 145 ff., 185 ff., 240 ff., 282 ff. Fortsetzungsvorsatz 221 f., 243, 247 Freiheitsberaubung 84, 101 ff., 117, 123 ff., 129, 137, 148, 235 Gesamtfreiheitsstrafe 154 ff., 160, 180 Gesamtgeldstrafe 155, 157, 160, 182 Gesamtstrafenbildung 152 ff., 164 ff. 180 f.
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Gesamtvorsatz 45, 219 ff., 224 ff., 243, 247, 285 Gesetzlichkeitsprinzip 131, 139, 144, 283 Gleichartige Idealkonkurrenz siehe Idealkonkurrenz Gleichzeitigkeit der Ausführungshandlungen 101, 108, 113, 119 f.
Koinzidenz der Verhaltensformen 132 Kombinationsprinzip 109 Konsumtion 104, 126, 130, 253, 260 ff., 268 ff. Körperverletzung 44 f., 52,56, 65 ff., 77 ff., 95 ff., 105, 117 f., 135 ff., 150, 153, 202, 218, 228, 256
Handlungsbegriff des Verbrechenssystems 23 ff. Handlungseinheit – bei den fahrlässigen Delikten 59 f. – bei den Unterlassungsdelikten 59 f. – Handlung im juristischen Sinn 76 ff., 83 ff., 238 – Unterlassungseinheit 34, 59 f., 131 Härteausgleich 168, 170 ff., 181 Hausfriedensbruch 37 f., 100 ff., 123 ff., 132, 235 f., 261, 265, 272 f., 278
Mehraktige Delikte 35 f., 83, 85 f. Mehrheitstheorie 94, 184, 186, 239 Misshandlung des Schutzbefohlenen 40 f., 247 Mitbestrafte Nachtat 260, 262 ff. Mitbestrafte Vortat 264, 275
Idealkonkurrenz – bei den erfolgsqualifizierten Delikten 135 – bei Fahrlässigkeitsdelikten 113, 133 ff., 200 f., 222 – bei Ordnungswidrigkeiten 139 f. – zwischen den gleichartigen Straftaten 78, 82, 95 ff., 116, 126, 129 ff., 203, 286 – zwischen den ungleichartigen Straftaten 98, 113 ff., 124, 127 f. Identität der Ausführungshandlungen 52, 98 f., 103, 111 f., 117 ff., 147, 202 – teilweise Identität der Ausführungshandlungen 52, 99 ff., 103, 112, 118 ff. – volle Identität der Ausführungshandlungen 98, 117 ff., 125 – Vorbereitungshandlungen 101 In dubio pro reo 211 f., 224, 233, 246 Italienisches Strafgesetzbuch 19 ff., 69, 88 f., 185, 192, 215, 234 Jugendstrafrecht
53, 155, 285
Kausalzusammenhang 26, 64 Klammerwirkung 21, 52, 104 ff., 112, 150, 223, 284 f., 287 Klassische Verbrechenslehre 23, 25, 27, 64 f.
Nachträgliche Gesamtstrafenbildung 164 ff., 181, 263 – im Beschlussverfahren 172 Natürliche Handlungseinheit – additive Betrachtungsweise 54, 56, 79 – Einheitlicher Wille 43 ff., 51, 81 – Iterative Tatbestandverwirklichung 43, 46, 49 ff., 53 f., 58 f., 62 f., 78, 90, 95, 111 – Mehrheit gleichartiger Handlungsakte 46 f. – sukzessive Tatbestandsverwirklichung 43, 50 f. – Verletzung der gleichen übertragbaren Rechtsgüter 58 f., 62, 217 f. – zeitlich und räumlicher Zusammenhang 54, 62, 219, 242 f. – Zusammengehörigkeit der Einzelakte 48 f. Ne bis in idem 115, 143, 207, 246 f. Normative Handlungseinheit siehe tatbestandliche Handlungseinheit ff., 45, 48, 59, 63, 92, 165, 230 Objektive Beobachtung
84
Partielle Identität des Unrechts 153 Pauschalierende Handlungsbeschreibungen 35, 41, 85 Polizeifluchtfälle 51 ff., 62, 80 Quälerei 85, 203 Quantitätssteigerung des Unrechts
95
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Realkonkurrenz – im deutschen Strafrecht 151 ff. – im türkischen Strafrecht 173 ff. Rechtliche Handlungseinheit siehe tatbestandliche Handlungseinheit Rechtsmittelverfahren 163 Sachbeschädigung 52, 66, 75, 80, 98, 103, 117, 137, 253, 261 ff., 271 ff., 277 ff. Schwerevergleich 106 Sexuelle Nötigung 79, 124 f. Sexueller Missbrauch von Kindern 79 Sicherungshandlungen 99 Sperrwirkung der früheren Gesamtstrafe 170 Sperrwirkung milderer Gesetze siehe Absorptionsprinzip Spezialität 104, 130, 135, 239, 253 ff., 270 ff. Spezialpräventive Wirkung 287 Steuerhinterziehung 42, 219, 227 ff. Strafaussetzung zur Bewährung 163, 165, 208 f. Strafrahmenfestsetzung 110 f. Straftaten gegen die Allgemeinheit, Nation und Staat 190 f. Strafverschärfung 109, 140, 142, 146, 150 f., 284, 288 Strafzumessungsgründe 111, 158, 160, 162 f., 169 Subsidiarität 256 ff., 274 ff. Tat im strafprozessualen Sinn 33 Tatbestandliche Handlungseinheit 35 ff. 59, 63, 78, 90, 92, 99, 165, 215, 230, 248 Tateinheit siehe Idealkonkurrenz Täter-Opfer Ausgleich 207, 211 Tatmehrheit siehe Realkonkurrenz Teilbarkeitsmaßstab 68 Trennbarkeitsmaßstab siehe Teilbarkeitsmaßstab Typische Begleittat 260 ff., 278 ff.
Unauflösbarkeitskriterium 90 Ungleichartige Idealkonkurrenz siehe Idealkonkurrenz Unrechtsverwandtschaft 108 Unterlassungsdelikte 24, 26 ff., 59 ff., 107 f., 112 f., 131 ff., 201 f., 213, 242, 260 Unterlassungseinheit 34, 59 f., 131 Untersuchungshaft 198 f., 213, 242, 287 Urkundenfälschung 51, 108, 118 f. Verbindungsfunktion 104, 194 Verfahrensverzögerung 162 Verjährung 142 ff., 163, 166, 172, 185, 206, 208, 214, 223, 225 f., 239, 243 ff., 249, 277, 289 Verkehrsdelikte 38, 84 f., 90 Verleumdung 98, 117 Vermögensdelikte siehe Eigentumsdelikte Verschlechterungsverbot 163 Verwarnung mit Strafvorbehalt 163 Vorsatzeinheit siehe Vorsatzlehre Vorsatzlehre 71 f., 89, 91, 131, 147, 285 Vorsätzliche Körperverletzung 79, 88, 90, 123, 128, 131, 135, 137, 148, 150, 202, 241, 275 Vorsätzliche Tötung 78 f., 88, 128, 131, 134 f., 148, 150, 202, 234, 241, 275 Vorsatzwechsel 39, 91 Warnfunktion 40, 168 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte 52, 98, 117, 130, 137 Willensbetätigung 34 f., 56, 64 Zäsurwirkung 167 f., 170, 181 Zusammengesetzte Straftat 22, 86, 113, 173, 176, 233 ff., 254, 271, 277 ff. Zustandsdelikte 101 ff., 112, 122 ff., 126 Zweck-Mittel Beziehung 81, 102 f., 112, 119 f., 123, 125 f.