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German Pages 336 Year 1996
FRANK OTTO
Die Keynesianische Revolution in Großbritannien (1929 -1948)
Volkswirtschaftliche Schriften Begründet von Prof. Dr. Dr. h. c. J, Broermann t
Heft 469
Die Keynesianische Revolution in Großbritannien (1929-1948) Zur Entwicklung der Finanzpolitik im Spannungsfeld von wirtschaftswissenschaftlicher Herausforderung, politischem Reformwillen und institutioneller Beharrungskraft
Von
Frank Otto
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Otto, Frank: Die Keynesianische Revolution in Grossbritannien ( 1929 - 1948) : zur Entwicklung der Finanzpolitik im Spannungsfeld von wirtschaftswissenschaftlicher Herausforderung, politischem Reformwillen und institutioneller Beharrungskraft I von Frank Otto.- Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Volkswirtschaftliche Schriften ; H. 469) Zugl.: Hamburg, Univ., Diss., 1996 ISBN 3-428-08888-3 NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0505-9372 ISBN 3-428-08888-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 9
Inhaltsverzeichnis Einleitung..... ... ........... ... . ......... .... ...... .............. ... ....... ............. .... ....... ...... .... ... ...
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I. Thematische Eingrenzung . . ..... .. ...... ..... . .. . ....... .............. ........ ....... ... ........ II. Leitfragen und Darstellungsgang der Untersuchung.. .............................. lli. Forschungsstand und Quellenlage .. ....... ... .. .. .. .................. ..... .. .... .. .... ... ...
11 14 20
A. Die erste Herausforderung der traditionellen Finanzpolitik: Massenarbeitslosigkeit nach dem Ersten Weltkrieg und die beginnende "Keynesianische Revolution".................................................. .... .... ..... .. ..... .
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I.
II.
Stadien der Krise: Wirtschaft und Bedingungen der Wirtschaftspolitik nach dem Ersten Weltkrieg ................................................ ................... 1. Die Entstehung der Massenarbeitslosigkeit in der Wirtschaftskrise nach dem Ersten Weltkrieg................................................................. 2. Die Rückkehr zum Goldstandard .. . ... ...... .... .. ..... ........... ......... ... ..... .. ... 3. Drei Säulen der klassischen Wirtschaftspolitik: Freihandel, Goldstandard, ausgeglichene Staatshaushalte............................................. 4. Die Position der Treasury im administrativen Gefüge: Treasury Contra! durch Ausgabenkontrolle in Zeiten strikter öffentlicher Sparsamkeit ................................................................................................... Kritik der Grundlagen der traditionellen Finanzpolitik durch Wirtschaftswissenschaften und Politik ............. .... .. .. .. .......... ... ......... ..... ... ...... 1. Liberale Angriffe auf die traditionelle Finanzpolitik im Wahlkampf von 1929: Lloyd George und Keynes. ................................................. 2. Keynesianische Kritik bis 1931 . .........................................................
lli. Die Herausbildung des Treasury View als Reaktion des Schatzamtes: Verteidigungsstrategie einer administrativen Institution.......................... 1. Die Entstehung des Treasury View.. ..... ... ... .. ........................ .... ..... ..... 2. Intellektuelle Herausforderung gegen administrative Beharrungskraft Keynes versus Treasury und Bank of England vor dem MacmillanCommittee .. ....................................................................................... IV. Wirtschafts- und Finanzpolitik unter den Bedingungen von Weltwirtschaftskrise und konjunktureller Erholung der 1930er Jahre . ...................
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Inhaltsverzeichnis
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1. Finanzpolitik in der Zwischenkriegszeit zwischen Sparkurs und durch die Wiederbewaffnung erzwungenem Deficit spending ... ....... .. ....... ... 2. Die Marginalisierung der Arbeitslosigkeit in der Politik im Verlauf der 1930er Jahre................................................................................. V. Charakter und Entwicklung des Treasury View der 1930er Jahre . ........... 1. Die Weiterentwicklung des Treasury View als Reaktion auf die keynesianische Kritik .. . .............. ............. ........... .............. ........ .... ...... 2. Interpretationsmuster zur Entwicklung, Bedeutung und Ausprägung des Treasury View: Auseinandersetzung mit der Forschungsdiskussion . ................................................................................................... 3. Motivation, Entstehung und Entwicklung des Treasury View- Ergebnisse . ... ............ ..... ................. .. ...................... ......................... .....
82 90 93 93 106 115
B. Die zweite Herausforderung: Das Ringen um die Zukunft der Finanzpolitik im Zweiten Weltkrieg- Kriegsfinanzierung und Reconstruction-Debatte................................................................................................................ 121 I.
Die Finanzierung des Krieges.............. ...... .. ... .... ... ..... .......... ....... ...... ...... 1. Finanzpolitik in der "Treasury-Periode": Die ersten Kriegsmonate .... 2. "How to Pay for the War": Die keynesianische Kritik an der Kriegsfinanzierung.. ..................................................................................... 3. Die Organe der Finanzpolitik im Krieg. Verlust der administrativen Führung der Treasury . ........................................................................ 4. Der Haushalt von 1941: "The First Keynesian Budget"?.....................
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II. Reconstruction: Die Debatte um den wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufbau nach dem Krieg .. . ............. ...... .. ... .. ...... ................ .. ..... .. . ......... 1. Vordenker der Reconstruction .. .......................................................... 2. Der Beginn der verwaltungsinternen Auseinandersetzungen: Die Keynesianer der Economic Section versus Treasury .. ............. .. ...... .... 3. Der Beveridge-Report: Das Grundsatzdokument eines ,,Better Britain" ... ................................................................................................ 4. Diskussionen um die Möglichkeiten einer Vollbeschäftigungspolitik in der Nachkriegszeit.......................................................................... 5. Das Weißbuch Employment Policy: Die Entstehung eines "unmöglichen Kompromisses".. ........................................................................ 6. Die Übernahme der Verantwortung für den Beschäftigungsgrad durch den Staat: Reaktionen von Parteien, Verbänden, den Reformgruppen und der Öffentlichkeit......................................................................... 7. Kriegsfinanzierung und Reconstruction - Ergebnisse.. ........................
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945 und der gescheiterte Versuch einer sozialistischen Planwirtschaft..........................
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154 154 156 160 165 173
Inhaltsverzeichnis I. Vorbereitungen auf das Kriegsende und die Regierungsübernahme durch Labour: politische und ideologische Situation 1945......................... 1. Die Vorbereitungen der Ministerien auf das Kriegsende ..................... 2. Labours wirtschaftspolitische Konzeption.......................................... 3. Planwirtschaft und ökonomische Steuerung (Economic management): Ideologien der wirtschaftlichen Machbarkeit... .. .. ........ .. ...... .... 4. Großbritannien bei Kriegsende: Ökonomische Situation.....................
ll. Die Integration von Finanzpolitik und Wirtschaftspolitik.. ..... ...... .... ..... .. 1. Wirtschaftliche Entwicklung und Wirtschaftspolitik in den ersten Nachkriegsjahren... ............................................................................. 2. Die Entstehung der Economic Surveys: Schwierigkeiten in der Prognose wirtschaftlicher Daten ... ... ...... .. ...... ...... .. ............ ....... . .... .... ...... 3. Das Scheitern der planwirtschaftliehen Strategie in Labours Krisenjahr 1947 ... ......................................................................................... 4. Institutionelle Veränderungen in der Wirtschaftspolitik als Krisenreaktion 1947......................................................................................... 5. Resümee: Gründe für das Scheitern des planwirtschaftliehen Versuches 1945-47 .. ....................................................................................
7 191 193 199 210 219 225 225 229 238 247 254
ill. Die Finanzpolitik der Labour-Schatzkanzler Dalton und Cripps .. . .... ....... 258 1. Finanzpolitik bis zum April-Budget 1947 ... ........................................ 258 2. Finanzpolitik zum Jahreswechsel 1947/48: Die keynesianische Wende ... ............................................................................................. 273 3. Der Versuch einer Lohnpolitik 1946-48.. ............................................ 277 4. Die Budgets vom November 1947 und April 1948.. ............................ 284 5. Die Budgets vom November 1947 und April 1948: "Keynesian Revolution in Policy-Making"? .. ................. ... .. . ........ ... ........... ....... .. ..... .. ... 292 Schluß und Ausblick .... .. .. ... ...... ........... .... .... ...... .. .... ........... .. ........... ..... .... ........ I.
298
Zur historischen Verortung der Keynesianischen Revolution.. .................
298
ll. Ausblick: Die "Goldenen Jahre des Kapitalismus" und die "Hinterlassenschaft des Lord Keynes". ....................................................
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Quellen- und Literaturverzeichnis... ..... ......... .............. ............. ......... ..... ... ......
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Quellen .. ............................................... .. ...... ...... ................. ....... .. ..... ..... 1. Unveröffentlichte Quellen .................................................................. 2. Veröffentlichte Quellen...................................................................... a) Publikationen der britischen Regierung ......................................... b) Autobiographien, Erinnerungen, Tagebücher... .............................. c) Periodika .. .............................................. ....................................... d) Andere...........................................................................................
309 309 314 314 315 316 316
I.
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Inhaltsverzeichnis ll. Literatur.................................................................................................. 1. Zeitgenössische Literatur bis 1950: Pamphlete und Stellungnahmen. .. 2. Literatur späteren Erscheinungsdatums... ............................................
317 317 319
Personen- und Sachwortregister .. ............ ...... .......... ........................................
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Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen Tabelle 1 Tabelle 2 Tabelle 3 Tabelle 4 Tabelle 5 Tabelle 6 Tabelle 7 Tabelle 8 Tabelle 9
Beschäftigung und Arbeitslosigkeit 1921-38................................... Ausbildung der administrativen Elite (Open Competition Entrants) .......................................................................................... Indikatoren der wirtschaftlichen Entwicklung 1946-50.................. Handelsbilanz Westeuropas mit den USA 1937-51, in Mio. $......... Jährliche Handelsbilanz UK 1937-51, in Mio. $............................. Steuerveränderungen unter den Schatzkanzlern der LabourRegierung 1945-51 und ihre Auswirkungen auf die Entwicklung der Konsum- und der Gesamtnachfrage................................. Stärke der Gewerkschaftsbewegung 1934-51, Teill..................... Stärke der Gewerkschaftsbewegung 1934-51, Tei12....................... Entwicklung der Haushalte 1944-51: reale Defizite/Überschüsse...........................................................................................
Abbildung 1 BSP/Regierungsausgaben 1890-1970............................................ Abbildung 2 Regierungsausgaben/Arbeitslosenquote 1890-1985.. ........ .. .... ..... ..
24 50 226 227 243 269 282 283 292 303 304
Abkürzungsverzeichnis CEI CEIS CEPS CoE CPO
cso
EAC EEA
EPC EPB
EPT
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FBI
GC
HoC IEP LP
LPC
LSE MEP NDE NEC
NFR.B
NHS NJAC NUGMW NUM OCED OFD OSCED P.E.P. P.P.S. PPS PR PRO TGWU TUC
Committee on Economic Information Central Economic Information Service Centrat Economic Planning Staff Chancellor of the Exchequer Chief Planning Offleer Centrat Statistical Office Economic Advisory Council Exchange Equalisation Account Economic Policy Committee Economic Planning Board Excess Profits Tax Economic Section of the Offices of the (War) Cabinet Federation of British lndustries General Council (TUC) House of Commons Official Committee on Post-War Interna! Economic Problems Lord President of the Council Lord President's Committee London School of Economics Ministerial Committee on Economic Planning National Debt Enquiry National Executive Committee (Labour Party) New Fabian Research Bureau National Health Service National Joint Advisory Council National Union of Generaland Municipal Workers National Union of Miners Official Committee on Economic Development Overseas Finance Division Official Steering Committee on Economic Development Political and Economic Planning Parliamentary Private Secretary Principal Private Secretary Committee on Reconstruction Priorities Public Record Office, Kew, England Transport and General Workers Union Trades Union Congress
Einleitung I. Thematische Eingrenzung In den Jahren nach seiner Beendigung wurde deutlich, daß der Erste Weltkrieg nicht nur bis dahin unvorstellbare menschliche Opfer und immense materielle Schäden hinterlassen, sondern daß er darüber hinaus das Fundament der Sicherheiten, auf denen die selbstbewußten bürgerlichen Gesellschaften des 19. Jahrhunderts geruht hatten, zertrümmert hatte. Die scheinbare Gewißheit eines dauerhaften Fortschritts technischer, sozialer und wirtschaftlicher Art zerstob unter dem Eindruck der Monstrosität des modernen Krieges, der Furcht vor der aus dem Osten drohenden proletarisch-bolschewistischen Revolution und unter der bald nach Kriegsende in nahezu allen Kombattantenstaaten einsetzenden 20jährigen Wirtschaftskrise. Nur wenige liberal-demokratische Staatssysteme erwiesen sich als stabil genug, dieser vereinigten materiellen und ideellen Zerrüttung zu widerstehen; in Europa war dies insbesondere Großbritannien. Dabei war es unter den Siegerstaaten gerade Großbritannien, der Prototyp einer bürgerlichen Gesellschaft, das nach dem Krieg die größten Verluste bis dahin selbstverständlicher Attribute von Macht und Selbstbewußtsein hinzunehmen gezwungen war: der Zerfallsprozeß des Empires beschleunigte sich und erreichte mit der krisenhaften Entwicklung in Irland die britischen Inseln; die Rolle einer führenden Wirtschaftsmacht ging immer stärker vom Mutterland der industriellen Revolution an die zweite angelsächsische Demokratie jenseits des Atlantiks über; symptomatisch dafür war, daß das Pfund Sterling, Symbol der finanziellen Stärke des Landes sowie der Zentralität der Londoner City und der Bank von England, im weltweiten monetären System nicht mehr dem Goldstandard angehörte und vermehrt dem Dollar als internationaler Leitwährung weichen mußte. Dazu kamen die Auswirkungen der wirtschaftlichen Krise, insbesondere die Entstehung eines Sockels von Massenarbeitslosigkeit, der sich bis in den Zweiten Weltkrieg hinein verfestigte. Auf diese tiefgreifende soziale und psychisch-emotionale Krise, deren Symptome vorwiegend ökonomischer Natur waren, versuchten unterschiedliche
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Einleitung
gesellschaftliche Gruppen mit der Propagierung jeweils spezifischer wirtschaftspolitischer Programme zu reagieren; aus der Vielzahl von Strömungen dieser Art sollten sich vor allem drei in der Folge als bedeutend erweisen: die Arbeiterbewegung, deren Partei (die Labour Party) nach dem Krieg die Liberalen als Gegenspieler der Konservativen ablöste, forderte eine weitgehende Sozialisierung der Industrie und Finanzwirtschaft, verbunden mit sozialen Reformen, zur Überwindung der grundsätzlichen Widersprüche der privatkapitalistischen ökonomischen Organisation. Liberale und konservative Reformer dagegen sahen die Zukunft im Erhalt des Systems der freien Wirtschaft, allerdings ergänzt durch einen stärker interventionistischen Staat, der über Manipulationen der Finanz-, Geld- oder Außenwirtschaftspolitik dafür sorgen sollte, daß die Krisenanfälligkeit der Wirtschaft, die sich in der Rezession nach dem "post-war boom" seit 1920 drastisch erwiesen hatte, gemindert würde und damit auch Rückwirkungen auf die soziale Stabilität abgefedert werden könnten. Das politische Establishment der in der Zwischenkriegszeit dominierenden Konservativen jedoch, und mit ihnen die entscheidenden administrativen Institutionen des Vereinigten Königreiches, orientierten sich auf den Versuch einer Wiederherstellung der Vorkriegsverhältnisse ("back to normalcy"), und das hieß für die Wirtschaftspolitik zurück zum Freihandelssystem und internationalen Goldstandard und zu einer "soliden" Finanzpolitik der ausgeglichenen, möglichst kleinen staatlichen Haushalte ("balancedbudget-rule"), den drei Säulen der Wirtschaftspolitik in der "Victorian Prosperity". Auch wenn die Verteidiger der "alten Ordnung" - deren Wiederberstellung in Wirklichkeit kein Schritt ins bekannte ,,Zurück", sondern ins unbekannte "Voraus" sein mußte, da inzwischen fundamental andere ökonomische Bedingungen herrschten, als zu der Zeit, zu der sie sozusagen das natürliche Arrangement der Dinge dargestellt hatte - hartnäckig ihre Programmatik in die Tat umzusetzen bemüht waren und dabei noch schwerere ökonomische und soziale Verwerfungen in Kauf zu nehmen bereit waren (wie bei der Restaurierung des Goldstandardes 1925), mußten sie doch der "neuen Unordnung" Tribut zollen. Unter dem kombinierten Ansturm der enormen realwirtschaftlichen Probleme und der Forderungen der Reformbewegungen begannen mit dem Goldstandard und dem Freihandel zwei der Säulen der restituierten Vorkriegswirtschaftspolitik zu wanken und fielen schließlich im Gefolge der Weltwirtscbaftskrise. Die dritte Säule der bestehenden wirtschaftspolitischen Ordnung, die "balanced-budget-rule", jedoch hielt stand, auch wenn sich gegen sie die bei weitem folgenreichste und bedeutendste Allianz der Reformer zusammenge-
I. Thematische Eingrenzung
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funden hatte, anfangs getragen vor allem von dem Nationalökonomen John Maynard Keynes und dem ehemaligen britischen Premierminister David Lloyd George, aus der heraus sich dann die .,Keynesianische Revolution" entwickelte, die Wirtschaftswissenschaften und-politiknach dem Zweiten Weltkrieg in allen Staaten der kapitalistischen Welt grundlegend veränderte. Die wesentliche Forderung dieses Bündnisses an die Politik war, daß zur Behebung der rezessiven Situation (und damit der Arbeitslosigkeit) der Staat mittels kreditfinanzierter Ausgaben die gesamtwirtschaftliche Nachfrage erhöhen sollte. Zur Verteidigung des finanzpolitischen Status quo gegen diese Herausforderung entwickelte das Schatzamt, die mit der "balanced-budget-rule" verbundene Institution, eine Abwehrstrategie, den sog. "Treasury View". Obwohl in anderen Staaten in der Zwischenkriegszeit die Alternative eines "deficit spending" zur Belebung der Konjunktur erprobt wurde (etwa im nationalsozialistischen Deutschland, in Schweden und den USA), setzte sich in Großbritannien als dem Mutterland der "Keynesianischen Revolution" die Strategie der Treasury durch und der Versuch einer bewußten Steuerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage durch das Budget unterblieb, auch wenn mit wachsenden Staatsausgaben die Finanzpolitik innerhalb des wirtschaftspolitischen Instrumentariums überragende Bedeutung und Wirksamkeit etwa gegenüber Methoden der Geld- und Außenwirtschaftspolitik gewinnen mußte. Im Rahmen dieser Untersuchung wird als Wirtschaftspolitik der Einsatz des gesamten möglichen Instrumentariums durch den Staat zur Beeinflussung der Wirtschaft bezeichnet; dazu gehören vor allem die Mittel der Geldpolitik (im wesentlichen durch die Zentralbank ausgeübt), der Außenwirtschaftspolitik (Zölle u.ä.), direkter Eingriffe in den Markt (Verstaatlichungen, Subventionen) und der Regulierung (gesetzgeberische Maßnahmen wie Arbeitsrecht, Kartellgesetze etc.). Wie sich zeigen wird, bestanden die unterschiedlichen Auffassungen, ob der Staat die Auswirkungen seines Budgets bewußt zur Intervention in wirtschaftliche Abläufe verwenden, und sie damit zum wirtschaftspolitischen Instrument machen sollte, oder ob er an einer rein kameralistischen Finanzpolitik, d.h. die Budgets allein als Mittel der Deckung der notwendigen Staatsausgaben betrachtend, festhalten sollte bis in die 1940er Jahre nebeneinander fort. Die Darstellung des Ringens um die Integration von Finanzpolitik und Wirtschaftspolitik ist Schwerpunkt der Untersuchung. Daher soll, zur begrifflichen Klarheit, die Finanzpolitik (i.e. Handeln des Staates durch die Bestimmungen des jährlichen Budgets) nicht der Wirtschaftspolitik zugerechnet werden
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Einleitung
11. Leitfragen und Darstellungsgang der Untersuchung Die offensichtliche Diskrepanz zwischen öffentlicher Aufmerksamkeit und politischer Unruhe (und der erheblichen Aufregung innerhalb des Schatzamtes) angesichts der Verbindung Keynes/Lloyd George im Wahlkampf 1929 und der Anwendung von Modellen expansionistischer Finanzpolitik in anderen Ländern mit ähnlichen wirtschaftlichen Problemen einerseits und einer bis zum Einsetzen der Wiederbewaffnung konsequent an den traditionellen Grundsätzen ausgeglichener Budgets orientierten orthodoxen Finanzpolitik in Großbritannien andererseits, muß vor allem eine Frage herausfordern: Die Notwendigkeit möglichst kleiner, vor allem jedoch ausgeglichener staatlicher Haushalte wurde, wie noch zu zeigen sein wird, aus der Überzeugung heraus begründet, daß eine solche Beschränkung gegen die natürliche Neigung von Regierungen zu verschwenderischem Ausgabeverhalten unerläßlich sei, um die gesamtwirtschaftlich negativen Folgen defizitärer Finanzpolitik zu verhindern. Dieses Argument basierte auf der Annahme der klassischen Ökonomie, nach der grundsätzlich jede staatliche Intervention in das freie Spiel der Marktkräfte, die über das Setzen eines Ordnungsrahmens hinausging, wirtschaftliche Störungen verursachen würde und aus diesem Grund abzulehnen sei. Hüterio des Zwangs zu staatlicher Sparsamkeit war das Schatzamt; diese Aufgabe beschrieb der für die Viktorianische Ethik der Wirtschaftspolitik prägende mehrfache Chancellor of the Exchequer (und Premierminister) Gladstone in einem geflügelten Wort als "looking after candle-ends". Wie nun, drängt sich die Frage auf, konnte sich eine administrative Institution mit ihrer Ideologie, die sich explizit gegen die Souveränität der gewählten Politiker richtete, so lange Jahre gegenüber drei unterschiedlichen Regierungen' mit zum Teil stark interventionistischen wirtschaftspolitischen Programmen unter sich verändernden gesamtwirtschaftlichen Umständen durchsetzen? Was waren die Bedingungen politischer und wirtschaftlicher Art sowie der administrativen Verfassung, die den Erfolg der Verteidigungsstrategie Treasury View ermöglichten? Dabei muß, als Gegenprobe zu der These von der Macht der Bürokratie, allerdings auch gefragt werden, ob die Konservierung einer konventionellen Finanzpolitik möglicherweise weniger vom Verhalten der Treasury-Hierarchie als von anderen Bestimmungsgründen abhängig war, die sich nur (mehr oder weniger zufa.Ilig) mit der Verteidigungsstrategie des Schatzamts deckten.
1 Konservative (Prime Minister: Baldwin, Chancellor of the Exchequer: Churchill) bis 1929; Labour (PM.: MacDonald, CoE: Snowden) 1929-31; National Government 1931-40 (PM.: MacDonald, Baldwin, Charnberlain, CoE.: Snowden, Charnberlain, Simon).
II. Leitfragen und Darstellungsgang der Untersuchung
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Aus der Frage nach der Größe und den Bedingungen bürokratischer Machtentfaltung ergibt sich ein weiteres Problem: warum sah sich die administrative Führung der Treasury genötigt, gerade gegen die keynesianisch/liberale Herausforderung so entschieden aufzutreten? Was also waren die Motive der kleinen Gruppe von Spitzenbeamten für die Errichtung und Verteidigung des Treasury View gegenüber der Öffentlichkeit, der Politik und anderen Ministerien? Gerade die Begründung der Haltung des Schatzamtes war und ist in der Forschung umstritten. Die "Keynesianische Revolution" erwies sich nach 1945 als so erfolgreich, daß sie zu einem neuen Dogma der Wirtschaftswissenschaften erstarrte, unter dessen Herrschaft die Epoche vor der Umsetzung der keynes'schen Forderungen als finstere, unaufgeklärte Zeit erschien. Der Treasury View war dementsprechend für Keynesianer ein Produkt der unwissenden Orthodoxie. Die Dauer der keynesianischen Dominanz - auch in der Wirtschaftshistoriographie - bis in die siebziger Jahre hinein zog dann jedoch eine (notwendigerweise) heftige Gegenreaktion nach sich. Im selben Maße, in dem sich das Ende des scheinbar immerwährenden Wirtschaftsaufschwunges und die Probleme des keynes-ianischen ,,Economic management" zeigten und die Gefahren einer anhaltenden inflationären Entwicklung in den Mittelpunkt der Betrachtungen rückten, wuchs auch das Verständnis für die Verteidiger der klassischen Finanzpolitik in den 1930er Jahren; der eben noch als Hindernis einer wirksamen Bekämpfung der wirtschaft-lichen Krise der Zwischenkriegszeit abqualifizierte Treasury View wurde von neo-liberaler Seite als verantwortungsbewußte, inflationsvenneidende, wenn nicht einzig mögliche finanzpolitische Strategie der Zeit gepriesen. Die vorliegende Arbeit soll in Erweiterung des bisherigen Forschungsstandes eine neue Perspektive auf die Detenninanten der finanzpolitischen Strategie der Zwischenkriegszeit eröffnen, indem sie das Schatzamt als einen selbständigen Mitgestalter dieser Strategie mit ausgeprägtem Sinn für die Verfolgung eigener Machtinteressen begreift und der Treasury damit den ihr bislang vorwiegend eingeräumten Charakter als ein reines Spiegelbild der Entwicklungen der keynesianischen Nationalökonomie nimmt. Der Analyse der Entstehung und Entwicklung des Treasury View und seiner Auswirkungen auf die Finanzpolitik sowie der Motivation der TreasuryBürokratie zur Errichtung dieser Verteidigungsstrategie widmet sich der erste Abschnitt dieser Untersuchung. Nach einem komprimierten Überblick über die wirtschaftliche Entwicklung Großbritanniens in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, über die Probleme, die sich mit der Rückkehr zum Goldstandard ergaben - dem wichtigsten Thema der britischen Wirtschaftsgeschichte der 1920er Jahre und gleichzeitig dem ersten Aufscheinen des Konfliktes zwi-
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Einleitung
sehen Keynes und der offiziellen Orientierung der Wirtschaftspolitik2 - und das Ende von Goldstandard und Freihandel im Gefolge des Einbrechens der Weltwirtschaftskrise 1931, setzt die Darstellung mit den Vorbereitungen zum Wahlkampf von 1929 ein. Die schon vorher von Keynes (und anderen Wirtschaftswissenschaftlern) geäußerte Kritik an der deflationistischen Ausrichtung der Finanzpolitik gewann zu diesem Zeitpunkt durch die Verbindung mit Lloyd Georges Comeback-Versuch an die Steuerhebel der Macht eine besondere Explosivität, die ihr nicht nur öffentliches Aufsehen, sondern auch die Aufmerksamkeit der regierenden Konservativen und der Administration sicherte. Es war diese erste Herausforderung der klassischen Finanzpolitik, die das Schatzamt zur Formulierung und Veröffentlichung der Grundsätze des Treasury View zwang. Obwohl die Allianz Keynes/Lloyd George nach der Wahl von 1929 ihrEnde fand und ihre Forderungen vom politischen Establishment einhellig abgeschmettert worden waren, gelang es Keynes durch die einzigartige Verbindung von persönlicher Popularität (die er seiner vorwiegend wirtschaftsjournalistischen Tätigkeit in den 1920er Jahren verdankte) und wissenschaftlicher Reputation seinem Ansinnen weiterbin so viel Publizität und Dynamik zu verleihen, daß auch in den 1930er Jahren das Schatzamt sich fortwährend gezwungen sah, sich intern des Treasury View immer wieder selbst zu versichern und ihn nach außen hin zu verteidigen. Der Treasury gelang es dabei, ihre Argumentation der Entwicklung der keynesianiscben Wirtschaftstheorie anzupassen, was zum einen die große Flexibilität der Schatzamtsbürokratie in der Wahrung ihrer Interessen zeigt, zum anderen jedoch die tatsächliche Motivation des Treasury View nur schwer greifbar macht. Dieses Wechselspiel zwischen intellektueller (wirtschaftstheoretischer) Provokation und institutioneller Beharrungskraft ist Untersuchungsgegenstand im weiteren Verlauf des ersten darstellenden Teils dieser Arbeit. Nach einer Auseinandersetzung mit der Forschungsdiskussion, die (wie bereits angedeutet) zu diesem Thema in mancher Hinsicht recht sonderbare Blüten trieb, beschließt eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Analyse diesen ersten Hauptabschnitt
Abgesehen von Keynes' Kritik an dem Verhalten der Siegermächte gegenüber Deutschland in den Verhandlungen um den Friedensvertrag nach dem Ersten Weltkrieg, die ihm zwar weltweite Aufmerksamkeit (und in der Treasury einen schlechten Ruf) einbrachte, sich aber vorwiegend gegen die populistische bzw. vergeltungsgeleitete außenpolitische, und weniger gegen die grundsätzliebe wirtschaftspolitische Orientierung der alliierten Mächte richtete. Siehe John Maynard Keynes: The Economic Consequences of the Peace. The Collected Writings of John Maynard Keynes Volume II, London/Basingstoke 1971 ( 1. Auflage 1919). 2
ll. Leitfragen und Darstellungsgang der Untersuchung
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Nachdem der Treasury View und mit ihm die Position des Schatzamtes in der administrativen Hierarchie die 1930er Jahre weitgehend unbeschadet überstanden hatte, stellten die Entwicklung der Finanzpolitik des totalen Krieges und die schon 1940 einsetzende Debatte um die innenpolitischen Ziele im Zweiten Weltkrieg die nächste Herausforderung der traditionellen Ausrichtung der Finanzpolitik dar. Dieser Themenkomplex ist Inhalt des zweiten Hauptabschnittes der Untersuchung. Als Treasury und politische Führung meinten, getrogen von der scheinbaren Beschränkung der Kamptbandlungen im ,,Sitzkrieg", die Kriegsfinanzierung anfangs wie "business-asusual" erledigen zu können und damit jeder tiefgreifenden Veränderung der Politikinhalte und Verwaltungsorganisation entgehen zu können, wurden sie von der eruptiven Entwicklung des Kriegsgeschehens und der folgenden Neuordnung der politischen Landschaft Großbritanniens im Mai 1940 überwältigt. Die einsetzende Konzentrierung der Volkswirtschaft auf die Erfordernisse des totalen Krieges schob die Anliegen der Finanzpolitik und mit ihnen die administrative Dominanz des Schatzamtes in den Hintergrund. Die Finanzpolitik wurde zu einem untergeordneten Mittel der Wirtschaftspolitik im Krieg, eingesetzt weniger zur Finanzierung der staatlieben Ausgaben, als zur Stabilisierung des monetären Systems. Im Zuge dieser Umorientierung gelangte Keynes, bis dato schärfster Kritiker der Kriegsfinanzierung, wie schon im Ersten Weltkrieg an entscheidender Stelle als Berater ins Schatzamt, wo er insbesondere auf die Entstehung des Budgets von 1941 maßgeblichen Einfluß nehmen konnte. Mit diesem Haushalt, der daher auch als ,,First Keynesian Budget" bezeichnet worden ist, gelang es zum ersten Mal, durch die Ausrichtung der Haushaltszahlen an den Daten der Sozialproduktsentwicklung die gesamtwirtschaftlieben Wirkungen des Budgets bewußt als wirtschaftspolitisches Steuerungsinstrument einzusetzen. Weniger Keynes selbst als die Garde seine Schüler- insbesondere aus seiner unmittelbaren Umgebung in Cambridge, aber auch herangezogen durch die Vermittlung einer neuen Generation von lehrenden Ökonomen an anderen Universitäten, die seit der Veröffentlichung der "General Tbeory" in der überwiegenden Mehrheit der keynesianiscben Wirtschaftstheorie folgten - war es, die die Möglichkeiten der Reconstruction-Debatte und ihrer Regierungstätigkeit im Krieg nutzte, um die Maximen der traditionellen Finanzpolitik, deren Grundsätze sie in den 1930er Jahren nicht hatten erschüttern können, erneut herauszufordern, wobei sie zusätzlich von der Schwäche der Treasury unter den Bedingungen der Kommandowirtschaft profitierten. In den dreißiger Jahren hatte das Schatzamt sich noch auf den Schutz der gleichgesinnten Politiker vor der keynesianischen Propaganda verlassen und die Reformbewegung außerhalb der staatlichen Sphäre halten können; im Krieg mußte sie sich mit der Herausforderung von innerhalb der Verwaltung auseinandersetzen. 2 Otto
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Einleitung
Diese neue Qualität der gegensätzlichen Positionen bedingte eine andere Art der Auseinandersetzung, die beide Seiten zu einer konziliantereD Haltung nötigte und trotz weiterbestehender Differenzen zu Kompromissen zwang. Auch der zweite, mit diesem Leitgedanken befaßte Untersuchungsabschnitt, schließt mit einer Zusammenfassung der erreichten Ergebnisse. Zur dritten Herausforderung der traditionellen Finanzpolitik sollte sich die Labour-Regierung unter C.R. Attlee entwickeln, die nach den Wahlen von 1945 mit großer Mehrheit den konservativen Kriegspremier Churchill ablösen konnte; in dem überraschenden Wahlsieg manifestierte sich der allgemeine Wunsch der Bevölkerung nach sozialer Reform und die Ablehnung der Zustände der 1930er Jahre. Diesem nach beinahe sechs harten Kriegsjahren nur allzu verständlichen Verlangen nach einer gerechteren Gesellschaft und persönlicher Prosperität stand allerdings die prekäre wirtschaftliche Situation Großbritanniens gegenüber, das einmal mehr nicht die Früchte seines Sieges ernten können sollte. Labour trat 1945 mit einem Programm an, das in seiner wirtschaftspolitischen Programmatik starke planwirtschaftliche Wesenszüge enthielt und das vor allem eine umfassende Verstaatlichung der Schlüsselindustrien und -dienstleistungen ankündigte. Der Finanzpolitik wurde unter den Bedingungen einer Planwirtschaft bestenfalls eine unterstützende Rolle zugedacht (während in der von Keynes gewollten Steuerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage der Finanzpolitik die Schlüsselrolle im wirtschaftspolitischen Instrumentarium zukommen sollte). Nur etwa zwei Jahre später war es dieselbe Regierung, die in Labours "Annus Horrendus" 1947, in dem sich die krisenhafte Hinterlassenschaft des Zweiten Weltkrieges manifestierte, an die Verwirklichung einer keynesianischen Gesamtstrategie ging, in der planwirtschaftliche und Kontrollelemente keine entscheidende Funktion mehr innehatten. Erst jetzt entstand im wesentlichen der Nachkriegskonsens ("Attlee-" oder ,,keynesianischer Konsens") der britischen Politik, mit den Inhalten ,,mixed economy", anti-zyklische Finanzpolitik, Erweiterung bzw. mindestens Aufrechterhalten der Errungenschaften des Sozialstaates. Die der Untersuchung in diesem Abschnitt zugrundeliegende Frage ist nun, welche Konstellation dafür notwendig war, daß die mit einem vergleichsweise radikalen, vor allem jedoch dezidiert planwirtschaftliehen Programm angetretene LabourRegierung eine ,,keynesianische" Wende in der Finanzpolitik vollzog, die soweit ging, daß für ihre und die Finanzpolitik ihrer konservativen Nachfolger mit "Butskellism" (aus den Namen des konservativen Schatzkanzlers Butler und seines Labour-Vorgängers Gaitskell) eine gemeinsame Bezeichnung geprägt werden konnte. Wie kam es, daß Kabinett und Treasury, die beide ideologisch dem Keynesianismus als einer liberalen Doktrin der expansionistischen Finanzpolitik fernstanden bzw. ihm lange Zeit sogar aktiv entgegentreten waren, die Implementierung der "Keynesianischen Revolution" in der
ll. Leitfragen und Darstellungsgang der Untersuchung
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Wirtschaftspolitik betreiben konnten? Die ,,keynesianische Wende" Labours war das Produkt einer zweigeteilten Entwicklung, des Scheiteros der planwirtschaftliehen Konzeption der Regierung und der Hinwendung des Schatzamtes zur Nachfragesteuerung aufgrund der inflationären Gefahr, die 1947 im Gefolge der außenwirtschaftliehen Krise akut wurde. Dieser Zweiteilung trägt die Untersuchung Rechnung, indem zunächst getrennt voneinander die Schwierigkeiten bei der Entwicklung einer demokratisch-planwirtschaftlieben Wirtschaftspolitik und der Finanzpolitik unter den Labour-Schatzkanzlern Dalton und Cripps analysiert werden, um dann anband der Budgets zum Jahreswechsel 1947/8 darzustellen, wie beide Entwicklungsstränge zusammenliefen und die Umorientierung der wirtschaftspolitischen Strategie in Großbritannien zur Folge hatten. Mit der Erörterung dieser beiden Hausbalte und der Auseinandersetzung mit der Frage, ob sie in der Tat die "Keynesian Revolution in Policy-making" konstituierten, schließt der letzte Untersuchungsabschnitt der Arbeit. Im Schlußkapitel wird, nach einer kurzen Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse, zum einen die Einordnung (bzw. historische "Verortung") der "Keynesianiscben Revolution" in den Gesamtzusammenbang der Entwicklung vom liberalen zwn interventionistischen Sozialstaat im 20. Jahrhundert vorgenommen. Damit soll dem selbstgestellten Anspruch der Arbeit, die als ein Beitrag zur Untersuchung der Konstituanten des modernen Staates gesehen werden will, Genüge geleistet werden. Zum zweiten jedoch wird in diesem Schlußkapitel ein Ausblick auf die weitere Entwicklung der Wirtschaftspolitik und den gesamtökonomischen Verlauf unter keynesianiscben Vorzeichen in der westlichen Welt, besonders aber in Großbritannien unternommen. Nahezu dreißig Jahre lang koinzidierten eine nie gekannte Prosperität und die Dominanz der keynesianiscben Lehrmeinung, bevor in den siebziger Jahren durch das Zusammentreffen von Inflation und Arbeitslosigkeit Wirtschaftspolitik und -Wissenschaft abermals wie in der Zwischenkriegszeit vor krisenhaften Entwicklungen standen, die mit dem traditionellen Instrumentarium nicht mehr zu bewältigen und somit einen erneuten Paradigmenwechsel zu erfordern schienen. Das Thema der vorliegenden Arbeit ist die Entstehungsgeschichte der "Keynesianischen Revolution": im Schlußkapitel soll die Frage aufgeworfen werden, ob und inwiefern die Krisenmomente der siebziger Jahre bereits in dieser Entstehungszeit angelegt waren.
Während die Untersuchung der Reaktion des Schatzamtes auf die erste Herausforderung darlegt, wie die Treasury im Bündnis mit den politisch Verantwortlichen der Infragestellung ihrer Position begegnete, indem sie die Verteidigungsstrategie des Treasury View entwickelte, zeigt die Analyse der Her-
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Einleitung
ausforderung des Schatzamtes und der traditionellen Konzeption der Finanzpolitik im Zweiten Weltkrieg das Agieren einer administrativen Institution in der Defensive gegenüber administrativen Konkurrenten, die sich dazu mächtiger politischer Unterstützung sicher waren und deren Reformbestrebungen sich im Gleichklang mit der allgemeinen Entwicklung der öffentlichen Meinung befanden. Die übergreifende Fragestellung dieser Arbeit nach den Determinanten Wirtschafts- und finanzpolitischer Strategien wird abermals um eine Dimension erweitert durch die Einbeziehung des dritten Untersuchungsabschnittes, der Regierungszeit Labours nach 1945. In den Jahren 1945 und folgende schuf das Aufeinandertreffen von Konflikten administrativer Organe untereinander mit konkurrierenden Auffassungen über die zukünftige Stellung des staatlieben Haushaltes (und damit der Treasury) zwischen Verwaltung und Politik und disparaten Vorstellungen über die Funktionen der Finanzpolitik innerhalb der Regierung eine Gemengelage, aus der heraus nahezu 20 Jahre nach dem ersten Anlauf der "Keynesianischen Revolution" auf die "commanding heights" der Finanzpolitik das Design eines keynesianischen ökonomischen Managements entstand, das die britische Wirtschaftspolitik bis in die siebziger Jahre hinein bestimmte.
111. Forschungsstand und Quellenlage Das Aufkommen der "Keynesianischen Revolution" in Großbritannien, die Kontroverse um eine neue Form der Finanzpolitik und schließlich ihre Implementierung nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sind in der Wirtschaftshistoriographie heftig umstrittene Themen, zu denen seit den 1950er Jahren immer wieder neue Forschungsergebnisse publiziert worden sind; allein Keynes' Leben und Wirken brachten bis heute - für einen Ökonomen wohl einzigartig - mindestens fünf größere (zum Teil mehrbändige) Biographien hervor. Deshalb muß auch die Frage erlaubt sein, warum hier noch einmal die Auseinandersetzung mit diesem Komplex gesucht wird. Dazu läßt sich zum einen generell sagen, daß der Umfang einer Forschungsdiskussion noch lange keinen Rückschluß auf die Qualität der erzielten Erträge zulassen muß; dies gilt in hervorragender Weise für die Beschäftigung mit dem Treasury View, der Keynesianischen Revolution und der Finanzpolitik Labours. Die ideologische Überfrachtung des Themas durch die Dominanz der keynesianischen Makroökonomie in den Wirtschaftswissenschaften und in der Vorstellungsweit der Wirtschaftspolitiker und deren ebenso einseitige Ablösung durch Monetaristen und Neoklassiker seit den siebziger Jahren führte dazu, daß letztlich je nach Selbsteinordnung als Keynesianer oder ,,Revisionist" auch die Wirtschaftshistoriker ihr Forschungsinteresse vor allem auf die Frage
m. Forschungsstand und Quellenlage
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richteten, ob Keynes (bzw. die Keynesianer) recht hatte. Aus dieser grundsätzlichen Festlegung leiteten sich dann die entsprechenden Fragestellungen ab: War der Treasury View Frucht einer überholten Wirtschaftstheorie oder entstammte er den praktischen Erfahrungen des Schatzamtes; wäre ein "deficit spending" gegen die Arbeitslosigkeit in der Zwischenkriegszeit überhaupt mit Erfolg möglich gewesen oder lag nicht die Treasury mit ihrer pessimistischen Einschätzung insbesondere der außenwirtschaftliehen Hinderungsgrunde und damit ihrer Verteidigung ausgeglichener Haushalte richtig; sahen die Kritiker einer Veränderung der Grundsätze der Finanzpolitik in der Reconstruction-Debatte des Zweiten Weltkrieges die Schwierigkeiten der britischen Nachkriegsentwicklung korrekt voraus oder waren sie nur halsstarrige Anhänger eines reaktionären Staatsverständnisses; fand die "Keynesian Revolution in Policy-Making" 1947 statt oder ist das nur eine Interpretation der Keynesianer zur Stützung des eigenen Lehrgebäudes? Die Mitwirkenden an dem Prozeß der Entstehung und Durchsetzung einer neuen finanzpolitischen Strategie über zwei Jahrzehnte erscheinen unter derartigen Voraussetzungen als blasse Zuträger in der großen Auseinandersetzung zweier Ideologien. Dies wird dem tatsächlichen Gewicht der Akteure jedoch nicht gerecht. Die dreifache Infragestellung bestehender politischer Grundsätze und der damit verbundenen Institutionen unter jeweils anderen Bedingungen ist eine Fundgrube administrativer, politischer und publizistischer Taktiken, die genutzt werden sollte, um deren Ausführende, die Herausforderer und Herausgeforderten, schärfer und mehrdimensional abzubilden. Eben eine solche plastische Darstellung der finanzpolitischen Akteure, des Wechselspiels von Koalitionen zwischen administrativer, politischer und publizistischer Ebene, der Motivation von Positionen, der Korrelation von ideologischen Standpunkten und machtgeleiteten Interessen und der Verknüpfung von wirtschaftspolitischen Ideen und notwendigen institutionellen Fügungen zu deren Verwirklichung soll auch Ziel dieser Arbeit sein. Im Mittelpunkt einer solchen Untersuchung muß das Schatzamt als die für den staatlichen Haushalt verantwortliche und durch die "Keynesianische Revolution" zuvorderst herausgeforderte Institution stehen. Aus dieser Festlegung ergab sich auch die Quellengrundlage, auf der die Abhandlung ruht: es sind dies vor allem die Treasury-Akten, die im britischen Public Record Office in Kew verwahrt werden. Neben den Budget Papers gehören dazu insbesondere die persönlichen Papiere der führenden Beamten des Schatzamtes und des Chancellor of the Exchequer, aber auch (für den zweiten und dritten Teil der Untersuchung) die Papiere der Economic Section, des keynesianischen "Think Tank" der Regierung, und der Planungsorganisation Central Economic
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Einleitung
Planning Staff, die 1947 respektive 1953 der Treasury eingegliedert wurden. Als eine weitere wichtige Klasse von Dokumenten, ebenfalls aus dem Public Record Office, wurden die Papiere der verschiedenen Reconstruction Committees und des Lord President's Committee, des koordinierenden Organs der Wirtschaftspolitik im Krieg und in den ersten Jahren der Labour-Regierung, hinzugezogen. Diejenigen Akten aus dem Keynes-Nachlaß, die nicht seinem Wirken in der Kriegsadministration entstammen und damit auch nicht unter die archivarische Kompetenz des Staates fallen, wurden aus der dreißigbändigen Ausgabe von Keynes' "Collected Works" erschlossen, die seine veröffentlichten wie unveröffentlichten (Korrespondenz, Memoranden, Notizen) Schriften enthalten. Weitere Kategorien von verwendeten Quellen sind offizielle Publikationen (Weißbücher), inklusive der Parlamentsdebatten des Unterhauses, zeitgenössische Periodika - Zeitungen, Zeitschriften - und Pamphlete sowie veröffentlichte Tagebücher und Autobiographien, wobei letztere, da sie fast alle der britischen Tradition politischer Autobiographien folgen, nach der möglichst viel Umfang mit möglichst geringem Aussagewert zu verbinden ist, zwar zahlreich vorhanden, jedoch von nur geringem Nutzen waren. Mit den Positionen der Forschung setzt sich die Arbeit an verschiedenen Stellen der Darstellung auseinander; bei einem so kontrovers diskutierten Thema bietet es sich an, die Konfrontation mit der Literatur anband spezifischer Fragen zu suchen, um derart Forschungsergebnisse und eigene Ergebnisse jeweils einander gegenüberzustellen und aneinander überprüfen zu können. Der Autor schuldet alljenen Dank, die an der Entstehung dieser Arbeit teilhatten. Zunächst gilt mein Dank den hervorragenden Mitarbeitern des Public Record Office in Kew, England, denen nicht genug Lob ob ihrer Effizienz und Freundlichkeit gezollt werden kann. Ich danke sehr Rupert Seutbe und Prof. Dr. Hans-Bernd Schäfer - für ihre Begleitung und Kritik der Arbeit - und meiner Familie - vor allem für ihren moralischen Beistand; insbesondere möchte ich jedoch Prof. Dr. Bernd Jürgen Wendt für die fortwährende Förderung und Unterstützung danken.
A. Die erste Herausforderung der traditionellen Finanzpolitik: Massenarbeitslosigkeit nach dem Ersten Weltkrieg und die beginnende "Keynesianische Revolution" I. Stadien der Krise: Wirtschaft und Bedingungen der Wirtschaftspolitik nach dem Ersten Weltkrieg
1. Die Entstehung der Massenarbeitslosigkeit in der Wirtschaftskrise nach dem Ersten Weltkrieg
Herausragendes Symptom der wirtschaftlichen Schwierigkeiten Großbritanniens in der Zwischenkriegszeit war die Massenarbeitslosigkeit, die sich in der kurzen und heftigen Rezession nach dem Boom der ersten Jahre nach Ende des Ersten Weltkrieges entwickelte und sich dann mit einem Sockel von über einer Million Erwerbslosen durch die 1920er Jahre festsetzte. Infolge der Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf über 3 Millionen gestiegen, sank die Zahl der Arbeitslosen nach deren Abklingen im Verlauf des Jahres 1933 nur langsam, bevor erst durch die Kriegswirtschaft 1940 praktisch Vollbeschäftigung erreicht wurde. Die hohe Zahl der Arbeitslosen, die auch in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs nicht verschwand, die damit verbundenen gesellschaftlichen Probleme, verstärkt durch die regionale Konzentration, die ganze Landstriche zu Gebieten mit einer Erwerbstätigenquote von nur noch 60% machte und die durch die Unterstützungszahlungen hervorgerufenen finanziellen Probleme ließen die Arbeitslosigkeit zu einem besonders bedeutungsvollen Thema der öffentlichen und der politischen Diskussion werden. Die Arbeitslosenquote sank zwischen 1920 und 1938 nur in zwei Jahren (1924 und 1927) knapp unter 8%, in elf Jahren der Zwischenkriegszeit lag sie dagegen deutlich über 10% (siehe Tabelle auf der folgenden Seite). Wie immer bei komplexen wirtschaftlichen Situationen spielten für die Entstehung und die Hartnäckigkeit der Arbeitslosigkeit auch hier eine ganze Reihe von Gründen eine Rolle, deren Gewichtung - wenn überhaupt - nur schwer vorzunehmen ist. Demzufolge stimmen auch die Positionen in der For-
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A. Die erste Herausforderung der traditionellen Finanzpolitik
schung nicht überein. Zum einen ist dies sicher in der angesprochenen Kornplexität des Ursachenbündels begründet, aus dem sich nur schwer einzelne Stränge isoliert betrachten und analysieren lassen. Tabelle I Beschäftigung und Arbeitslosigkeit 1921-38'
1921 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938
Gesamtbeschäftigte in tsd.
Arbeitslose Versicherte in tsd.
Arbeitslose gesamt in tsd.
15 897 15 847 16 068 16 332 16 531 16 529 17 060 17 123 17 392 17 016 16 554 16 644 17 018 17 550 17 890 18 513 19 196 19 234
1 840 1 588 1 304 1 168 1297 1463 1 142 1 278 1 250 1979 2 705 2 828 2 567 2170 2 027 1 749 1482 1 800
2 212 1909 1567 1404 1559 1 759 1 373 1 563 1 503 2 397 3 252 3 400 3 087 2 609 2 437 2100 1 776 2164
Arbeitslosen- Arbeitslosenquoteder quotealler in % Versicherten in% 17,0 12,2 14,3 10,8 11,7 8,9 10,3 7,9 11,3 8,6 12,5 9,6 9,7 7,4 10,8 8,2 10,4 8,0 16,1 12,3 21,3 16,4 22,1 17,0 19,9 15,4 16,7 12,9 15,5 12,0 13,1 10,2 10,8 8,5 12,9 10,1
Darüber hinaus ist die Gewichtung der Schwerpunkte häufig genug eine Frage der politischen Gesinnung des Beschreibenden, der mittels (vermeintlicher) historischer Beweise versucht, Argumente für die aktuelle wirtschaftswissenschaftliche wie -politische Diskussion zu finden. Besonders deutlich wird dies bei der Streitfrage, ob die Arbeitslosigkeit der Zwischenkriegszeit im wesentlichen Folge einer gesamtwirtschaftlichen Nachfrageschwäche gewesen ist und ihr damit durch eventuelle expansive staatliche Ausgabenpolitik abzuhelfen war (keynesianische Argumentation) oder ob sie begründet war in bestimmten Rigiditäten des Arbeitsmarktes und einer "freiwilligen Arbeitslo1 C.H. Feinstein: Statistkai Tables of National lncome, Expenditure and Output of the U.K. 1855-1965, Cambridge 1972, Tl28.
I. Stadien der Krise: Wirtschaft und Bedingungen der Wirtschaftspolitik
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sigkeit", d.h. nach unten unflexiblen Lohnraten etwa durch zu hohe Unterstützung der Arbeitslosen (wie es in den 1970ern/1980em von den antikeynesianischen Neoliberalen monetaristischer Denkungsart angeführt wurde).2 Vor allem eine mögliche negative Beeinflussung des Arbeitsmarktes durch aktives oder unterlassenes Handeln des Staates steht im Mittelpunkt der Diskussion; dies deutet auf die offenkundige Orientierung der Streitenden auf grundsätzliche ideologische und tagespolitische Fragen und weniger auf die Aufklärung historischer Sachverhalte hin. Da allerdings bis zu einem gewissen Grad die meisten dieser Erklärungsversuche, wenn nicht die ausschließliche, so doch einen Teil der Wahrheit korrekt zu rekonstruieren scheinen, kann die Kombination der unterschiedlichen Ansätze (auch wenn deren Protagonisten sie für unvereinbar halten mögen) sicher ein insgesamt stimmiges Bild zeichnen. Für die Zwischenkriegszeit in Großbritannien läßt sich so eine Kombination aus Problemen, die aus dem Krieg resultierten (wie im Bereich des Außenhandels der Verlust wichtiger Absatzmärkte), strukturellen Schwierigkeiten des Arbeitsmarktes und der "old staple industries" und einem nicht der Situation angemessenem wirtschaftspolitischen Handeln der Regierungen feststellen, die das Aufkommen und die Dauerhaftigkeit der Arbeitslosigkeit begünstigte.'
Zur Darstellung der unterschiedlieben Ansätze siebe W.R. Garside: Britisb Unemployment 1919-1939. A study in public policy, Cambridge 1990, S. '18-28. Beispielhaft für die keynesianische Überzeugung sind James Meades Worte anläß1icb der Verleihung des Nobelpreises (8.Dez. 1977): ,Jn the 1930s one was aware of two great evils - mass unemployment and tbe tbreat of war. I tbougbt - and still think - that the Government of tbe United Kingdom could in those days have altered tbe course of world bistory by listening to Keynes on employment policy and by backing to the bilt tbe League of Nations for tbe preservation of peace." In: Susan Howson/Donald Moggridge (Hg.): Tbe Collected Papers of James Meade. Valurne I: Employment and inflation, London 1988, S. 1-5, S. 2. In jüngster Zeit trafen die beiden Positionen im Rahmen der Economic History Review aufeinander. Siebe als Fürsprecher der Wirksamkeit staatlieber Nachfragestützung als Mittel gegen die Arbeitslosigkeit der Zwischenkriegszeit W.R. Garsideff.J. Hatton: Keynesian Policy and British Unemployment in tbe 1930s, in: Ec.Hist.Rev., 2nd ser., 38 (1985), S. 83-88 und als Antagonisten Sean Glynn/Alan Bootb: Building Counterfactual Pyramids, in: Ec.Hist.Rev., 2nd ser., 38 (1985), S. 89-94. 'Dazu: Derek H. Aldcroft: Tbe Inter-War Economy: Britain, 1919-1939, London 1970; S.N. Broadberry/N.F.R. Crafts: British macroeconomic history 1870-1939: overview and key issues, in: Dies. (Hg.): Britain in the international economy, Cambridge 1992, S. 1-27, S. 18 und 25; Barry Eichengreen: Tbe origins and tbe nature of tbe Great Slump revisited, in: EC.Hist.Rev., 2nd ser., 45 (1992), S. 213-239; Garside, s. 18. 2
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A. Die erste Herausforderung der traditionellen Finanzpolitik
Die britische Wirtschaft zeigte in der Zwischenkriegszeit jedoch kein einheitliches Bild der Stagnation oder gar des Niederganges. Neben den Problemen der traditionellen Industrien wie Stahl, Kohle, Textilien und Schiffbau sowie im Außenhandel, bei dem der Anteil Großbritanniens im sich ohnebin nur schwach entwickelnden Welthandel nach dem Krieg noch einmal sank, erfuhren die modernen Gewerbezweige etwa der Elektro-, Chemie- oder Konsumgüterindustrie eine durchaus dynamische Aufwärtsentwicklung.• Ebenso wuchs die britische Wirtschaft insgesamt sowohl im Produktionsvolumen wie in der Produktivität auch im internationalen Vergleich relativ schnell. Wichtig ist dabei, daß dieses Wachstum nicht nur bei gleichzeitiger Arbeitslosigkeit stattfand, sondern auch ungleichmäßig verteilt war im Zeitraum, zwischen den Regionen und zwischen verschiedenen Sektoren der Wirtschaft.' Ein Phänomen der wirtschaftlichen Entwicklung der Zwischenkriegszeit ist deren verzerrte Wahrnehmung aufgrund der Überbetonung der Arbeitslosigkeit vor allem in der Rückschau auf die 1930er Jahre im Zweiten Weltkrieg, als die scheinbare Untätigkeit der Regierungen bis 1940 gegenüber der wirtschaftlichen Misere und das Appeasement gegenüber dem äußeren Feind zu einem Bild der Düsternis der vergangeneo Jahre und der Unfähigkeit der führenden Politiker verschmolzen, denen das Etikett der "schuldigen Männer" angehängt wurde.'
• Vgl. H.W. Richardson: The Basis of Economic Recovery in the Nineteen-Thirties: A Review and a New Interpretation, in Ec. Hist. Rev., 2nd ser., 15 (1962-1963), S. 344-363. s Aldcroft, Inter-War Economy, S. 22 und 344-363. Allerdings ist auch die Aussage einer Produktivitätssteigerung in der Zwischenkriegszeit in Frage gestellt worden. S.N. Broadberry: The British Economy Between the Wars: A Macroeconomic Survey, Oxford 1986, S.8-9, bezieht bei seiner Analyse auch qualitative Merkmale der Arbeitskraft ein (bzw. deren Veränderung): 1) Erziehung und Ausbildung; 2) Alters-, Geschlechts- und Nationalitätsstruktur; 3) Intensität der Arbeit (Anzahl der Arbeitsstunden) und kommt dadurch bei der Total Factor Productivity auf einen durchschnittlichen jährlichen Anstieg von 1924 bis 1937 von nur 0,2%. • "Cato" (i.e. J. Owen, M.M. Foot, P. Howard]: Guilty Men, London 1940. Vgl. Peter Clarke: Keynes in History, in: History of Political Economy, 26 (1994), S. 117-135 (Minisymposium: Keynes Lives in Several Communities), S. 118: "The 1930s were retrospectively viewed as a devil' s decade, at home and abroad, with slump sliding through appeasement into war, and all presided over by a Conservative politician of the stripe of Neville Chamberlain, first at the Treasury and then at 10 Downing Street. Guilty Men! Never Again! This was the spirit of 1945, when Labour achieved its great electoral landslide."
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2. Die Rückkehr zum Goldstandard 1925 Für die Jahre nach Beendigung des Nachkriegsbooms und vor dem Beginn der Weltwirtschaftskrise in Großbritannien (1921-30) ist insbesondere der Grad des negativen Einflusses der Geldpolitik ein heftig umstrittener Gegenstand der Diskussion. Der Beginn dieser Kontroverse zum Zeitpunkt der Rückkehr Großbritanniens zum Goldstandard 1925 markiert gleichzeitig auch das erste Aufscheinen des grundsätzlichen Dissenses über die Möglichkeiten und Notwendigkeiten staatlicher Eingriffe in die Wirtschaft, der sich in den folgenden Jahren zur "Keynesianischen Revolution" ausweitete. Dieser Dissens entbrannte um die Frage, ob die Geldpolitik seit Kriegsende angemessen auf die neuen Herausforderungen reagiert hatte, indem sie auf die Wiederherstellung und den Erhalt der internationalen Währungsordnung mehr Wert gelegt hatte, als auf eine Unterstützung der Binnenwirtschaft. Dadurch, daß der Wiedereintritt in den Goldstandard zum zentralen Ziel der Geld- und Finanzpolitik erhoben wurde, unterwarf Großbritannien die Stabilität der eigenen Wirtschaft dem internationalen Währungsmechanismus, den es aufgrundder veränderten Situation nach dem Krieg nicht mehr wie vorher dominieren konnte.7 Nur einmal in der Zwischenkriegszeit fielen interne und externe Stabilitätsansprüche an die Geldpolitik zusammen, als der Boom von 1919-20, im wesentlichen ausgelöst durch die übermäßige Liquiditätsversorgung der Wirtschaft im und nach dem Krieg, und der rasch fallende Wechselkurs zum Dollar deflationierende Maßnahmen erforderten. Allerdings wurden die restriktiven Vorkehrungen erst Anfang 1920 eingeleitet, als der Boom bereits zusammenfiel; dabei war das verspätete Greifen der durch die Bank of England eingeleiteten Schritte mit auch dadurch bedingt, daß die überschüssige Liquidität der Banken und Unternehmen und die Existenz erheblicher Mengen flüssiger Staatsschuldtitel (Treasury Bills) das Instrument Leitzins 1919 weitgehend unwirksam werden ließen.• Ferner waren höhere Zinsen zu diesem Zeitpunkt nicht opportun, da sie die staatliche Kreditaufnahme, die zur Abwicklung der militärischen wie wirtschaftlichen Mobilisierung nach wie vor notwendig war, verteuert hätten. Zudem zögerte das Kabinett Lloyd George aus innenpolitischen Erwägungen mit der notwendigen finanzpolitischen Flankierung der
7 Zum Management des Goldstandardes vor dem I. Weltkrieg siehe Alec Cairncross/ Barry Eichengreen: Sterling in Decline. The Devaluations of 1931, 1949 and 1967, Oxford 1983, S. 11. 8 Vgl. Albert Feavearyear: The Pound Sterling. A History of English Money, Oxford 2 1963, S. 346 und 355.
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A. Die erste Herausforderung der traditionellen Finanzpolitik
restriktiven Geldpolitik: Das schlechte Timing, verbunden mit den Ausgabenkürzungen im Budget 1920, verstärkte noch den Abschwung. Die restriktive Politik wurde bis weit ins Jahr 1922 hinein - und damit zu lange - fortgesetzt, die Bank Rate erst im April 1921 von 7 auf 6,5% gesenkt; noch Ende 1922 lag sie bei 5%. 10 Offen angegriffen wurde die generelle Orientierung der Geldpolitik hin zur Restaurierung des Goldstandardes", auf die sich auch die erste Labour-Regierung 1924 festgelegt hatte, im Frühjahr 1925 von J.M. Keynes, mit anfänglicher Unterstützung aus industriellen Kreisen. Keynes blieb allerdings zu diesem Zeitpunkt weitgehend eine auf nur wenig Resonanz stoßende "Voice in the wilderness"1\ zumal da selbst die geringe öffentliche Unterstützung seiner Position nachließ, als der Wechselkurs des Pfundes nach dem Wahlsieg der Konservativen auf $4,80 kletterte und damit der Schritt zur angestrebten Parität von $4,86 nur noch mit geringen und tragbaren Kosten verbunden zu sein schien." Keynes' Kritik entzündete sich weniger am Goldstandard allgemein, sondern vor allem an der gewünschten Wiederherstellung der Vorkriegsparität des Pfundes zum Dollar, die er für eine Überbewertung hielt, welche nicht nur dem britischen Export schaden müßte, sondern auch weiterhin eine Politik der hohen Zinsen notwendig machen würde, um den überhöhten Wechselkurs stabilisieren und halten zu können. Der allgemeine Glaube an die Notwendigkeit des Goldstandardes und wohl auch eine sehr an Kategorien des nationalen
• Vgl. Bernd Jürgen Wendt: Aspekte der britischen Nachkriegsentwicklung zwischen Inflation und Deflation in Europa 1919 bis 1922, in: Otto Büsch/Gerald D. Feldman (Hg.): Historische Prozesse der deutschen Inflation 1914 bis 1924. Ein Tagungsbericht, Berlin 1978 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 21), S. 405-418, S. 412. 10 Aldcroft, Inter-War Economy, S. 327. " Festgelegt mit dem First Interim Report of the Committee on Currency and Foreign Excbanges after the War, Cd. 9182 (1918). Der Vorschlag des CunliffeReports zur Frage der Rückkehr zum Goldstandard wich jedoch von dem VorkriegsSystem ab: Das Gold sollte genutzt werden zum Ausgleich internationaler Bilanzen, nicht jedoch intern frei konvertibel sein ("Gold Bullion Standard", zurückgehend auf David Ricardo). Dieser Vorschlag nahm damit Rücksicht auf die relative Verknappung des Goldes im Vergleich zu 1913. 12 "[ •• • ] Keynes' was very much a voice in the wilderness, and a somewhat ambiguous one at tbat, given bis inflationary expectations and bis failure to distinguisb clearly between the short and tbe long run." D.E. Moggridge: British Monetary Policy 1924-31. The Norman Conquest of $4.86, Cambridge 1972, S. 96. " Vgl. Moggridge: British, S. 95.
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"Pride and Prestige".. orientierte Politik ließen jedoch die Rückkehr zur alten Parität als wichtigstes Ziel der Geldpolitik dominieren. ,,Believing that this one policy [Rückkehr zum Goldstandard bei Vorkriegsparität] would achieve several objectives simultaneously, the authorities elevated this policy instrument into the object of policy ...u Begründet wurde die Vorrangigkeil des Politikziels Wiedereintritt in den Goldstandard zur früheren Parität vor allem mit der Notwendigkeit, Londons zentrale Rolle im internationalen Finanzsystem wiederherzustellen, die ein essentielles Instrument des Vorkriegswohlstandes des ganzen Landes gewesen sei. 16 Darüber hinaus verlangte die Abhängigkeit Großbritanniens vom Außenhandel ein verläßliches internationales Währungssystem. Zudem erzeugte die Rückkehr wichtiger Handelspartner Großbritanniens und Mitglieder des Commonwealth zum Gold einen vor allem von der Zentralbank wahrgenommenen Druck, diesem Schritt möglichst bald nachzufolgen. 17 Der bedeutendste 14 ,,Most people, including the policy-makers of the day, were hypnotised by the only parity which bad any reality for them." Donald Winch: Economics and Policy. A Historical Study, London 1969 (Twentieth Century Studies), S. 86. Vgl. A.J.P. Taylor: English History 1914-1945, London 1965 (The Oxford History of England), S. 223. u Susan Howson: Domestic Monetary Management in Britain 1919-38, Cambridge 1975, S. 140. Vgl. K. Polanyi: The Great Transformation, Boston 1944 (ND Frank:furt/Main 1978), S. 196: ,,In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts hatte das Prestige des Wirtschaftsliberalismus seinen Höhepunkt erreicht. Hunderte Millionen von Menschen waren von der Geißel der Inflation getroffen, ganze Klassen, ganze Nationen waren enteignet worden. Die Stabilisierung der Währungen wurde zum zentralen Anliegen des politischen Denkens der Völker und Regierungen; die Wiederherstellung des Goldstandards wurde zum höchsten Ziel aller organisierten Bemühungen auf wirtschaftlichem Gebiet [... ] und kein privates Leid, keine Verletzung der Souveränität wurde als ein zu großes Opfer gewertet, wenn es um die Wiederherstellung der monetären Bonität ging." 16 Vgl.Taylor: English History, S. 223; Vgl. Sidney Pollard: Editor's Introduction, in: Ders. (Hg.): Tbe Gold Standard and Employment Palieies between the Wars, London 1970 (Debates in Economic History), S.1-26, S. 12: "Tbe decisions of the monetary authorities in this period cannot be fully intelligible until it is realized that they were dominated by a narrow section of the City, the section concerned with international finance ... and by its spokesman and representative, the Bank of England." 17 Vgl. Memorandum M. Norman an Schatzkanzler (Churchill), 2. Februar 1925: "South Africa has already announced that she will revert to the gold standard in July. Australia will probably follow suit. The United States is already on the gold standard: so are Australia and Sweden, and for practical purposes Germany. Holland will certainly revert in a few months and perhaps lndia. With this large body of traders on a stable currency, the United Kingdom cannot afford to remain fluctuating ." In PRO
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Grund für das Festhalten an der Vorkriegsparität war aber wohl die Furcht vor einer erneuten inflationären Entwicklung nach dem Preisschub von 1919, auch wenn diese Sorge im Rückblick angesichtS der damaligen Arbeitslosigkeit und leerstehender Kapazitäten irrational anmutet.'" Als wirtschaftliebideologische Grundlage der Argumente für den Goldstandard läßt sich ein Denken in langfristigen ökonomischen Zeiträumen und Theorien ausmachen, wonach das Wirtschaftssystem kurzfristige Probleme und Störungen selbst würde lösen können, wenn der Staat nur einen stabilen Rahmen für das freie Spiel der Kräfte anbieten würde. Cburcbill, als Schatzkanzler der konservativen Regierung 1925 der verantwortliebe Politiker, unterwarf sieb letztlieb der nahezu einmütigen Empfehlung seiner Ratgeber'9 , die ihre Wurzeln in "[... ] banking and financial attitudes towards gold, debt repayment and good faith, which were essentially moral, and in a deep faith in the apparent mecbanisms of the pre-war gold standard"20 hatte. Schließlieb waren die Vorteile, die sieb die beratenden Institutionen von der Rückkehr versprachen, zu groß, als daß sie eine andere Option hätten zulassen können: Die Bank of England sah die Chance, die alleinige T.171/246 Gold Standard Bill 1925. (Akten aus dem Public Record Office, Kew, England, werden bei der Erstnennung mit der vollständigen Callnumber, versehen mit dem Zusatz PRO, und dem Filename aufgeführt. Bei weiteren Nennungen erscheinen nur noch das Kennzeichen PRO und die Callnumber.) Zu der besonderen Bedeutung Südafrikas für die Entscheidungsfindung in London vgl. Russell Ally: The South African Pound Comes of Age: Sterling, the Bank of England and South Africa's Monetary Policy, 1914-25, in: The Journal of Imperial and Commonwealth History, 22 (1994), S. 109-126, S. 116 und 121ff. •• Winch vermutet, S. 89, daß dies in der damals vorherrschenden ökonomischen Doktrin von der Trennung des wirtschaftlichen Geschehens in monetäre und reale Sphären begründet lag, nach der längerfristig monetäre Entwicklungen keinen Einfluß auf das reale Geschehen haben sollten. 19 Siehe dazu vor allem, P.J. Grigg: Prejudice and Judgement, London 1948. (Grigg war Churchills Privatsekretär in dessen Amstzeit als Schatzkanzler.) Es war wohl Keynes, der für die weite Verbreitung der Legende, daß Churchill anders wollte, jedoch falsch beraten worden sei, gesorgt hat. Vgl. J.M. Keynes: The Economic Consequences of Mr Churchill, in: Ders.: Essays in Persuasion. The Collected Writings of John Maynard Keynes Volume IX, London/Basingstoke 1972 (1. Auflage 1931), S. 207-230, S. 212. Dort meint Keynes über "Why did he [Churchill] do such a silly thing?": "Partly, perhaps, because he has no instinctive judgement to prevent him from making mistakes; partly because, lacking his instinctive judgement, he was deafened by the clamorous voices of conventional finance; and, most of all, because he was gravely misled by his experts." 20 Moggridge: British, S. 97.
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Kontrolle über die inländische Geldpolitik wieder in die Hand zu bekommen, die sie im Krieg zum Teil hatte abgeben müssen; die Treasury die Gelegenheit, die Kontrolle der öffentlichen Ausgaben wieder mehr der Politik zu entziehen; und ein Großteil der Arbeitgeber sah im Goldstandard ein Mittel zur Disziplinierung der Gewerkschaften." Denn die Unterwerfung unter den Mechanismus eines internationalen Währungssystems wie dem Goldstandard bedeutete, daß das Verbalten eines jeden Landes in der Geld- und Finanzpolitik unter strenger Beobachtung der internationalen Finanzmärkte stand und jedes von diesen als unsolide aufgefaßte Verhalten, wie z.B. Budgetdefizite, aus Furcht vor Geldentwertung sofort mit Goldabzügen bestraft werden würde, gegen die dann mit höheren Zinsen reagiert werden müßte und damit die expansive Intention zunichte ginge. Die Gewerkschaften würden dagegen durch jede Lohnforderung mit den Arbeitskosten im Ausland ohne den mildemden Puffer der Wechselkurse direkt konkurrieren müssen und dabei Gefahr laufen, mit Lohnerhöhungen gleichzeitig Arbeitslosigkeit im eigenen Lande zu fördem. 22 Ob und wieweit das Pfund tatsächlich nach 1925 überbewertet war und damit die Politik der Rückkehr zum Goldstandard bei Vorkriegsparität mitverantwortlich für die Probleme, die der britischen Wirtschaft durch hohe Zinsen und verteuerte Exporte auf dem Weltmarkt erwuchsen, ist, seitdem das ,,keynesianische Paradigma" seit den 1970er Jahren auch in der Wirtschaftsgeschichte nicht mehr unangefochten steht, Thema einer Art Glaubensstreit geworden.23 Dabei wird in der Regel jedoch nur das Verhältnis der britischen
21 Vgl. Robert Skidelsky: lohn Maynard Keynes. Volume two: The Economist as Saviour, London 1992, S. 190. 22 Vgl. Peter A. Hall: Governing the Economy. The Politics of State Intervention in Britain and France, Cambridge 1986, S. 50: ,,Britain was pinned to a cross of go1d unti11931." n Moggridge: British, S. 105, spricht von einer etwa 10%igen Überbewertung, ähnlich Howson: Domestic, S. 342; Charles P. Kindleberger: A Financial History of Western Europe, London 1984, S. 338 und Pollard in: Ders. (Hg.): Goldstandard, S. 12, der der Überbewertung die Hauptverantwortung für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten 1925-1931 zuschreibt. Dagegen siehe etwa Aldcroft: Inter-War, S. 251, für den die Überbewertung nur sehr geringen Einfluß auf die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der britischen Industrie hatte. Diese habe die Preise je Export-einheit (export unit values) nur um 5,8% verteuert und 1928 seien die Unterschiede ganz verschwunden gewesen. ,Jt is true that exports still remained uncompetitive but this was due more to unfavourable cost-price relationships in British industry and possibly to slack trading methods than to the rate of exchange. lt is unlikely, for instance, that a lower rate of exchange (that is one 10 per cent lower) would have done much to boost the
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Währung zum Dollar betrachtet, der Wechselkurs zu den europäischen Währungen, vor allem zum französischen Franc, der wohl eindeutig unterbewertet war, jedoch nicht einbezogen, trotz der Bedeutung des europäischen Marktes und der dort ansässigen Mitbewerber für die britischen Exporteure."' Wichtiger als die Frage einer eventuellen "Überbewertung ist jedoch, daß 1925 der Sog der wirtschaftspolitischen Tradition für die politischen Botscheider noch größer war, als der Druck, den binnenwirtschaftliche Probleme und die stetig hohe Arbeitslosigkeit, die eben für die meisten auch noch in den dreißiger Jahren eine Angelegenheit der Sozialpolitik war, ausübten. Von Bedeutung ist darüber hinaus, daß diese Prioritätensetzung zum ersten Mal nicht mehr für die alle an der Diskussion Beteiligten galt, und daß ein vor dem Ersten Weltkrieg noch als selbstverständlich hingenommener Bestandteil der wirtschaftlichen Verfassung dem streitenden Diskurs in der Öffentlichkeit unterworfen wurde. 3. Drei Säulen der klassischen Wirtschaftspolitik: Freihandel, Goldstandard, ausgeglichene Staatshaushalte
Wirtschaftspolitik fand vor 1914 in Friedenszeiten innerhalb enger, allgemein als selbstverständlich angesehener Spielregeln statt: Freihandel, Goldstandard und ausgeglichene, möglichst kleine Budgets machten die Tradition Gladstones und der "Victorian Prosperity" aus. Ein wichtiges Ziel dieses Regelwerkes - dem zur Bewachung zwei institutionelle Hüter, Treasury und Bank of England, zugeordnet waren - war, die Finanzpolitik ,Jmave-proof', d.h. sicher vor dem auf kurzfristige Ergebnisse angelegten Eingreifen der Politiker zu machen.15 Verbunden mit dem Mißtrauen gegenüber der finanzpolitischen Kompetenz und dem Verantwortungsbewußtsein der gewählten Politiker war es vor allem die klassische ökonomische Vorstellung, daß der einzelne Marktteilnehmer nicht nur für sich am besten wisse, was mit seinem Geld anzufangen sei, sondern daß diese Verwendung auch zum Nutzen des gesamten Gemeinwesens sein würde, die die Ideologie des ,,retrenchment"
exports of the old staple trades since these were checked by a series of adverse factors including unfavourable long-run changes in demand." "'Vgl. Moggridge: British, S. 106 und Kindleberger: Financial History, S. 345. 25 Peter Clarke: The Treasury' s analytical model of the British economy between the wars, in: Mary 0. Furner, Barry Supple (Hg.): The state and economic knowledge. The American and British experiences, Cambridge 1990 (Woodrow Wilson Center Series), S. 171 -207, S. 173. Die Bezeichnung ,,knave-proof' stammt von J.S.Bradbury (Lord Bradbury), Permanent Secretary der Treasury bis 1919.
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trug." Staatliche Eingriffe, auch wenn sie manchmal theoretisch wünschenswert wären, würden in der Realität des freien Spieles der Kräfte nur unnötige Störungen verursachen: ,,Even as human nature is, an infinitely wise virtuous and powerful Government could, I will admit, rid us of many of our worst economic evils. But human nature is, unfortunately, to be found in Government as elsewhere; and in consequence Government management, even if perfectly virtuous, is very far from being infinitely wise [...] Whatever tends tobring money into politics Ieads to great loss to all, particularly to tbe working classes. " 27 Daß im Gegenzug zur absichtsvollen Einschränkung politischen Managements der Wirtschaft die regelüberwachenden Institutionen von dieser Struktur profitierten und somit auch ein Eigeninteresse an ihrem Erhalt entwickelten und welche Bedeutung dies hatte, wird im folgenden noch zu diskutieren sein. Die drei Grundgesetze staatlichen Handeins in der Wirtschaft waren in ihren Auswirkungen eng miteinander verflochten. Die erste der drei Säulen der traditionellen Politik war der Freihandel, der insofern eirie Ausnahme bildete, als er bereits in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg im Grundsatz in der politischen Diskussion durch die Tariff Reform-Bewegung (u.a. des früheren liberalen Kolonialstaatssekretärs Joseph Chamberlain) in Frage gestellt worden war. Freihandel, d.h. von nationalen protektionistischen Eingriffen und Handelshemmnissen freier internationaler Waren- und Diensteaustausch, sollte auch im überstaatlichen Bereich das freie Walten der Marktkräfte garantieren. Großbritannien ließ dann trotz des Einflusses und der Massenbasis der Tariff Reform-Bewegung allerdings erst im Ersten Weltkrieg mit den McKenna Duties von 1915, erweitert mit dem Safeguarding of Industries Act 1921, vom Freihandel ab. Auch diese nicht sehr umfangreichen Schutzzölle wurden nach einem Wahlkampf, in dem die Konservativen eine allgemeine Ausweitung der protektionistischen Maßnahmen forderten, 1924 mit einer der ersten Amtshandlungen der kurzlebigen Labour-Regierung fast alle wieder abgeschafft (im Jahr darauf von der nachfolgenden konservativen Regierung jedoch wieder in Kraft gesetzt.) Damit blieb Großbritannien, als eines der wenigen Länder - im großen und ganzen - ohne protektionistische Maßnahmen, offen für die Versuche anderer Staaten, ihre wirtschaftlieben Probleme etwa über Dumping-Aktionen auf ihre freihändlerischen Nachbarn abzuwäl-
26 Vgl. das berühmte Gladstone-Wort, den größten Nutzen habe Geld .,to fructify in the packet of the taxpayer". v Alfred Marshall: lndustrial Remuneration Conference, Report of Proceedings and Papers, 1885, S. 174/5, zit. nach: T.W. Hutchison: The Politics and Philosophy of Economics. Marxians, Keynesians and Austrians, Oxford 1981, S.60.
3 Otto
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zen ("beggar-thy-neigbbour-policy").2" Auch das zweite Labour-Kabinett von 1929, als das Thema Protektionismus bzw. ,,Empire Free Trade" - der Versuch einer Verbindung von Zöllen mit einer Art Wiederbelebung des britischen Empire als Freihandelszone, propagiert vor allem von einem Teil der Konservativen und der Pressemacht Lord Beaverbrooks - mit Kraft wieder auf die politische Tagesordnung strebte, vertrat noch einhellig die Position, daß Zölle in ihren Auswirkungen einer zusätzlichen Besteuerung der kleineren (Arbeiter-)Einkommen gleichkommen würden und sie deshalb abzulehnen seien. Freihandel dagegen stand für Internationalismus und die Zurückweisung nationalistischer Abschottung. Erst unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise wandelte sieb diese Überzeugung, wohl auch beeinflußt von der keynes'schen Argumentation vor dem Macmillan-Komitee und im Economic Advisory Council.29 Die treibende Kraft hinter den protektionistischen Forderungen war seit 1929 aber wieder die konservative Partei, unterstützt von den industriellen Interessenverbänden.:l() Das von den Konservativen dominierte "National Govemment" MacDonald zögerte dann auch keinen Moment, die nach dem Ausscheren Großbritanniens aus dem Goldstandard im September 1931 notwendige Stabilisierung der Wechselkurse mittels des Notgesetzes Abnormal Importations Act (November 1931) und dann des Import Duties Act (Februar 1932) durch die Einführung eines allgemeinen Zolles auf Importe von Industrieprodukten vorzunehmen zu versuchen. Insbesondere für den Schatzkanzler Neville Chamberlain, Nachfolger des über die Frage einer zukünftigen protektionistischen Politik ausgeschiedenen Labour-Mannes Snowden und schon bald dominierende Kraft der Regierung", waren Schutzzölle und Empire Free Trade zentrale Punkte seines Programmes für die wirtschaftliche Erholung von den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise. 32 Zugleich gelang es ihm damit in einem persönlichen Triumph, das politische Vermächtnis seines Vaters Joseph zu erfüllen.
2 ' Michael Kitson/Solomos Solomou: Protectionism and economic revival: tbe Britisb interwar economy, Cambridge 1990, S. 5. 29 Barry Eicbengreen: Elusive stability. Essays in the history of international finance, 1919-1939, Cambridge 1990, S. 183/4. 30 Vgl. Jim Tomlinson: Public Policy and the Economy since 1900, Oxford 1990, S. 106; Robert W.D. Boyce: British Capitalism at the Crossroads. A study in politics, economics, and international relations, Cambridge 1987, S. 250ff. 31 Zu Cbamberlains überragender Position im National Govemment siebe lain Macleod: Neville Chamberlain, London 1961, S. 163ff. 32 Vgl. Winch, S. 204. Zur Motivation der Imperial Economic Policy der britischen Regierung vgl. I an M. Drummond: Imperial Economic Policy 1917-1939. Studies in Expansion and Protection, London 1974, S. 422ff.
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Der internationale Goldstandard bildete die zweite grundsätzliche Festlegung und Eingrenzung staatlichen Handeins in der Wirtschaft. Ein monetäres System eines Goldstandardes bedeutet grundsätzlich, daß (1) die teilnehmenden Staaten sich zur Einlösung ihrer Währung gegen einen bestimmten festgelegten Kurs in Gold verpflichten; (2) Freiheit besteht für jedes Individuum, Gold zu exportieren oder zu importieren; (3) bestimmte Regeln bestehen für die Relation der inländischen Geldmenge zur Größe der Goldreserven eines Landes. Für die einzelnen Nationalökonomien hieß das konkret, daß der Wechselkurs der eigenen Währung gegenüber anderen Währungen im Goldstandard - und damit ein wesentliches Kriterium der internationalen wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit - nicht manipulierbar war und sich auch nicht, wie es bei einem System freier Wechselkurse der Fall ist, der wirtschaftlichen Lage eines Landes anpaßte. Darüber hinaus bedeutete es, daß die interne Geldmenge wegen der Goldeinlösepflicht und das interne Zinsniveau wesentlich - wenn nicht vollständig - dem Mechanismus des internationalen Währungssystems unterworfen waren, indem die interne Geldmenge eine Funktion der eigenen Goldreserven wurde, die wiederum von der Entwicklung der Zahlungsbilanz abhängig waren (ein negativer Saldo bedeutete Goldabfluß, ein positiver Goldzufluß). In Verbindung mit dem Freihandel garantierte der Goldstandard so eine internationale Wirtschaftsstruktur, die dem beeinflussenden Eingriff der Politik weitgehend entzogen war und in der die Allbieter von Gütern und Diensten sich nur durch höhere Produktivität einen Vorteil auf dem Markt würden erarbeiten können, was in der Situation Großbritanniens 1925 zu einem allgemeinen Druck auf die Produktionskosten führen mußte. 33 Diese Darstellung ist in ihrer gebotenen Kürze allerdings idealtypisch: gerade die Bank of England hatte intern wie international als "Hüterin" der weltweit bedeutendsten Währung vor dem Ersten Weltkrieg einige Möglichkeiten der manipulativen Eingriffe in das Währungssystem. 34 Es bleibt 33 In seiner Argumentation gegen die Wiedereinführung des Goldstandardes zur Vorkriegsparität in "The Economic Consequences of Mr Churchill" (1925) wählte Keynes den Kohlebergbau als Beispiel; der Preis der britischen Kohle würde sich durch die Herstellung der alten Parität um 10% verteuern, bei etwa gleichen Produktionskosten. Die einzige Lösung dafür, wie die britischen Bergwerke ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten könnten sei eine Reduktion ihrer Kosten, von denen die Löhne den größten Teil ausmachten. "On grounds of social justice no case can be made out for reducing the wages of the miners. They are the victims of the economic juggernaut. They represent in the flesh the 'fundamental adjustments' engineered by the Treasury and the Bank of England to satisfy the impatience of the City fathers to bridge the 'moderate gap' between $4.40 and $4.86." In: J.M. Keynes: Essays, S. 223. 34 Vgl. David Williams: The Evolution of the Sterling System, in: C.R. Whittlesey/ J.S.G. Wilson (Hg.): Essays in Money and Banking. In Honour of R.S .Sayers, Ox.ford 1968, S. 266-297, S. 280.
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jedoch festzuhalten, daß die Eingriffsmöglichkeiten der Politik (also der Regierung) Großbritanniens im Goldstandard, auch durch die Haltung der Bank of England, die sehr auf ihre Unabhängigkeit achtete, auf die eigene Währung äußerst begrenzt waren. Der Goldstandard der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg wich allerdings in einem wesentlichen Punkt von seinem Vorgänger ab: das Gold blieb Mittel zur internationalen Abgleichung von Zahlungsbilanzungleichgewichten, es bestand jedoch keine interne Einlösepflicht der eigenen Währungen mehr gegen Gold (sog. "Gold BuHion Standard" nach David Ricardo). Der Goldstandard erwies sich schon bald nach seiner umstrittenen Wiedereinführung in Großbritannien als im Gegensatz zur Vorkriegszeit in seinen Fundamenten brüchig und nur durch heftige internationale Verrenkungen und Abwehrkämpfe der Bank of England im Inneren gegen die Begehrlichkeit der Wirtschaftspolitik mühsam aufrechtzuerhalten. Dies widersprach vollkommen der Wunschvorstellung nach einem Automatismus der internationalen Währungsbeziehungen, der die Grundlage für das Wiedererstarken des Welthandels bilden sollte. International litt der Goldstandard vor allem daran, daß er kaum auf die nach dem Weltkrieg gegenüber der Zeit vor 1914 so sehr veränderten weltweiten wirtschaftlichen und finanziellen Bedingungen eingestellt war, sondern aus nostalgischem Sentiment, politischer Phantasielosigkeit und fehlender überstaatlicher Zusammenarbeit versucht wurde, ihn in die alten Regeln einzupassen, an die sich jedoch außer Großbritannien kaum einer der Mitspieler zu halten bemühte.3' Während London bereit gewesen war, dem Druck nachzugeben und das Pfund überbewertet in das Währungssystem einzubringen und auch im folgenden Stabilitätsinteressen vor mögliche Schutzmaßnahmen der eigenen Wirtschaft zu stellen, ließen vor allem die USA und Frankreich, die zu neuen Zentren des internationalen Kapitalverkehrs aufgestiegen waren, keine Bereitschaft zu einem internationalen Management des Goldstandardes erkennen. Vor dem Krieg war die Bank of England nahezu allein für das Funktionieren des Währungssystems verantwortlich gewesen (eine Funktion, von der sicher auch Großbritannien insgesamt, vor allem jedoch die Londoner City, profitiert hatte): die Verwerfungen der internationalen Finanzstrukturen nach 1918, insbesondere die notorisch knappe kurzfristige Liquidität, verbunden mit einer viel höheren weltweiten Beweglichkeit des Kapitals, ließen eine derartige Dominanz der britischen Zentralbank nicht mehr zu, deren Rolle als 35 Zu den Gründen des Scheiteros des Goldstandardes siehe Aldcroft: Inter-War, S. 272-6; Eichengreen: Origins, S. 218.
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internationale Liquiditätssicherungstelle aber weder Paris noch New York willens waren zu übernehmen. National führten die Konstruktionsfehler des internationalen Währungssystems, das die Bank of England für die Sicherung des notwendigen Kapitalflusses nach Großbritannien zur Beibehaltung eines hohen Leitzinses zwang der wiederum binnenwirtschaftlich restriktiv wirkte -, zu einer zunehmenden Politisierung der Entscheidungen der Bank und wachsendem Druck auf die Geldpolitik von Seiten der Regierung. Auch wenn die Bank ihre Unabhängigkeit gegenüber den Institutionen der Finanzpolitik (vor allem Treasury und Schatzkanzler) und ihre grundsätzlich alleinige Kompetenz in der Zins- und Geldmengensteuerung (durch die "Bank Rate", den Leitzins, und Offenmarktpolitik) verteidigen konnte36, versuchte vor allem Churchill als Schatzkanzler bei jeder anvisierten Zinserhöhung über informelle Kanäle zu intervenieren und Druck auszuüben. Die Bank konnte sich in diesen Fällen zwar stets durchsetzen; sie hielt jedoch aufgrund der Kombination von öffentlichem und administrations-internem Drängen die Zinsen relativ stabil und wahrscheinlich unter der für die Aufrechterhaltung der internationalen Position notwendigen Rate: "The resulting rates were never high enough to effect adjustment or low enough to avoid criticism and the Bank ended up, in a sense, falling between two stools."n Verstärkt wurde dieser immer offensichtlichere Gegensatz zwischen internen und externen Stabilitätsansprüchen an die Geldpolitik durch das Aufeinandertreffen zweier sehr unterschiedlicher Personen an der Spitze der jeweiligen Institutionen, Chorchilis und des Gouverneurs der Bank, Montagu Norman." Während die Beziehungen zwischen den "Treasury Knights" 36 Die Autonomie der Bank ging in Fragen der Zinspolitik soweit, daß für die Zeit nach 1925 bis zum Ende des Goldstandardes galt, daß nicht einmal eine formale Unterrichtungspflicht über etwaige Leitzinsveränderungen gegenüber dem Schatzkanzler bestand. Dazu: Niemeyer an Phillips, Testimony of former Permanent Secretaries and Controllers of Finance, 18. Februar 1929, in PRO T.176/13 Relations between the Treasury and the Bank of England. Vgl. Moggridge: British, S. 160. 37 Moggridge: British, S. 165. 38 Vgl. Grigg, S. 193: "The events of 1925 and 1926 undoubtedly led to something very like an estrangement between the Chancellor and the Governor of the Bank of England. These two had some things in common - a profound sense of public duty, great vision, a pronounced obstinacy and desire to have their own way, jealous pride of position and so on. But they were totally unlike in others. Winston was a magnificent rhetorician. He also had a sense of mischief which kept creeping through his rhetoric. Norman was no talker. He found it difficult to assign reasons for the faith that was in him and he was no believer in admitting anything in the nature of levity into the serious business of pub1ic finance. Of course they met frequently - they had to - and this gave the Chancellor of the Exchequer abundant opportunity to make
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(i.e. die administrative Spitze des Schatzamtes) Niemeyer, Hopkins und Leitb-Ross und der Führung der Bank eng und reibungslos professionell waren, bedingt durch den einheitlichen Willen zum Erhalt der traditionellen Politikstrukturen und eine allgemein übereinstimmende Vorstellungswelt39 - geprägt von der Ideologie der Londoner City -, stand Chorebill als ausgewiesener Nichtfachmann und durchaus populistischer Parteipolitiker für eine neue Zeit, in der durch Interaktion zwischen Wahlvolk und Gewählten die Regierung immer neue Verantwortungen im Wirtschaftsgeschehen auf sich lud bzw. sich aufladen ließ und so die Grenzen des Staates mehr und mehr hinaustrieb. Während das dogmatische Streben des Gouverneurs nach der Restitution des Goldstandardes als "Norman Conquest" bezeichnet worden ist"", war der Eroberungsdrang des Schatzkanzlers Churchill, der sich nicht damit abfinden konnte, daß seine eigene Entscheidung zur Rückkehr zum Gold bestimmte Politikoptionen expansiver Art ausgeschlossen hatte, auf die Kompetenzen der Zentralbank gerichtet. Dieser "Conquest of the Old Lady"., wurde nach dem Abgehen Großbritanniens vom Goldstandard, mit dem sich Norman nur schwer abfinden konnte und das die Bank ohne ein Konzept zur Binnen-Geldpolitik nahezu hilflos erschienen ließ, im September 1931 mit der Übernahme zentraler Kompetenzen der Geldpolitik in die politische Hand des Schatzkanzlers (dann P. Snowden, später N. Chamberlain) im wesentlichen abgeschlossen.'2
speeches about the evil effects of the Gold Standard - partly abusive, partly derisory and not entirely unmeant. The Governor retired more and more into his carapace, and so the necessary relations of confidence and candour ceased to exist. Moreover, Winston sought to exercise more pressure in the matter of Bank Rate policy than was in the bond in those days of private enterprise. On one occasion he actually ordered the Governor to suspend a rise in the rate which the Treasury Committee of the Bank had decided to recommend to the Court. Mr. Norman stood on his legal right and refused, and for a long time after this there were no fu in Winston' s references to the Governor." 39 Vgl. Peter Clarke: The Keynesian Revolution in the Making 1924-1936, Oxford 1988, S. 36. 40 Siehe den Titel von Moggridge: British. Der Ausdruck wurde erstmals verwendet in einem Artikel in The Nation and Athenaeum, 8.11.1924, S.230. Nach ebd, S. 228. 41 Der Spitzname der Bank of England ist, ihrem ehrwürdige Alter angemessen, "Old Lady ofThreadneedle Street". 42 Sieh etwa PRO CAB 581169 Economic Advisory Council, Financial Qu~stions Committee, 4th meeting, 29. September 1931, auf dem festgestellt wurde, daß mit dem Abgehen vom Goldstandard die Formulierung von langfristiger Geldpolitik nicht mehr bei der Bank, sondern bei der Regierung liege. William Ashworth: An Economic History of England 1870-1939, London/New York 1960, S. 401/2, hält die Übernahme der Kontrollinstrumente der Bank of England durch die Treasury durch die Manipula-
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Der Druck auf die internationale Liquidität begann sich Ende der 1920er Jahre mit Zahlungsbilanzproblemen der Rohstoffproduzenten aufgrund sinkender Primärgüter-Preise zu verstärken. Gleichzeitig stockte der Kreditfluß aus den Hauptkreditoren-Ländern USA und Frankreich. In der Folge waren viele Rohstoffproduzenten gezwungen, vom Goldstandard abzugehen und ihre Währungen abzuwerten (1930 sechs lateinamerikanische Länder, dazu Kanada, Australien, Neuseeland). Im Frühjahr 1930 erreichte der deflationäre Prozeß die USA und Europa und löste eine noch ausgeprägter deflationistische Politik der dortigen Regierungen aus, die den Vorgang verschärfte und beschleunigte." Zum selben Zeitpunkt begannen erste Nachrichten über die fehlenden Möglichkeiten Großbritanniens aufzukommen, den Wechselkurs des Pfundes zu halten. Derartige Gerüchte, die allerdings durch eine tatsächlich schwache Position Großbritanniens im kurzfristigen Kapitalmarkt begründet waren, mußten bei einer internationalen Reservewährung wie dem Pfund Sterling zu einem Run aus dieser Währung führen. Die für den Zusammenbruch des Goldstandardes notwendige Explosivität erlangte die Situation durch die Verbindung der internationalen Finanzkrise mit den Auswirkungen der realwirtschaftlichen Krise seit 1930, nicht nur in Großbritannien. Der Rückgang der Wirtschaftsleistung führte zu geringeren Steuereinnahmen, was den Ausgleich des Haushaltes, weltweit für die Kapitalmärkte noch immer wichtigstes Merkmal einer geordneten Finanzpolitik, zusehends erschwerte. Als dann die Schockwellen der Bankenkrise im Sommer 1931 voll auf Großbritannien durchschlugen und den Abfluß von Liquidität aus London noch einmal drastisch verstärkten, und gleichzeitig dem Vertrauensvertust in das Pfund durch die pessimistischen Annahmen über ein zu erwartendes Budgetdefizit im Report des May-Committees.. Vorschub geleistet wurde, entwickelte sich unter dem Druck, bei sinkenden Einnahmen und durch die steigende Arbeitslosigkeit wachsenden Ausgaben das Budget als tionsmöglichkeiten der öffentlichen Schuld für die bedeutendste Entwicklung der Wirtschaftspolitik der Zwischenkriegszeit "Zur einsetzenden Weltwirtschaftskrise vgl. Aldcroft: Inter-War, S. 269f.; Eichengreen: Origins, S. 216ff. und 221ff. 44 Committee on National Expenditure, Report Cmd.3920 (1931). Dieses von Snowden auf Verlangen der Liberalen Partei eingesetzte Komitee unter dem Vorsitz von Sir George May schätzte das zu erwartende Budgetdefizit auf i120 Mio. und machte eine Reihe von äußerst drastischen Einsparungsvorschlägen (Kürzung von Gehältern im öffentlichen Dienst, Kürzung der Ausgaben für die Arbeitslosenunterstützung u.ä.). Die psychologische Wirkung des Reports, der die am gleichen Tag erfolgte Ankündigung eines Stützungskredites für das Pfund von der amerikanischen Federal Reserve Bank und der Bank von Frankreich konterkarierte, darf bei der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Unruhe, ja Panik, auf den Finanzmärkten nicht unterschätzt werden.
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vertrauensbildende Maßnahme auszugleichen, die Finanzkrise zur politischen Krise. Nach mäßig einschneidenden Budgets 1930 und im Frühjahr 1931 verlangte Snowden von seinen Kabinettskollegen im August 1931 spürbare Kürzungen (vor allem der Arbeitslosenunterstützung um 10%). Unter dem kombinierten Druck der Opposition, der Wirtschaftspresse sowie britischer Bankenkreise" für die Kürzungen und der Gewerkschaftsvertreter und der Kabinettsmehrheit dagegen.. zerbrach nach tagelangen Verhandlungen am 23. August die Labour-Regierung, um am folgenden Tag von einem "National Government" unter Beteiligung der Konservativen, eines Teils der Liberalen und Labours unter dem bisherigen Labour-Premierminister MacDonald und dem bisherigen Labour-Schatzkanzler Snowden abgelöst zu werden." Eine der ersten Maßnahmen der neuen Nationalen Regierung war ein zweites Budget ., Diese Beteiligung der Bankenkreise war es, die die Linke später davon sprechen ließ, daß die Regierung durch eine ,,Banker' s Ramp" gestürzt worden war. Diese Legende entstand bereits unmittelbar nach dem Rücktritt der dissentierenden LabourMinister und wurde anfangs vor allem verbreitet, um die neuen Oppositionsführer von ihrer Verantwortung für das Scheitern der Regierung reinzuwaschen. Die These von der wesentlichen Mitschuld der Bankiers an der politischen Krise von 1931 läßt sich heute nicht mehr halten. Vgl. Philip Williamson: A 'Banker's Ramp'? Financiers and the British Political Crisis of August 1931, in: English Historical Review 99 (1984), S. 770-806. Allerdings bleibt festzuhalten, daß vor allem die New Yorker Bank J.P.Morgan, bei der Großbritannien um einen Stützungskredit für das Pfund nachgesucht hatte, mit dem Rückhalt der Banken der City die Regierung vor die Wahl stellte, entweder eine Kürzung der Arbeitslosenhilfe vorzunehmen, um die internationalen Finanzmärkte von ihrem Sparwillen zu überzeugen, oder auf den Kredit verzichten zu müssen. Der Kredit floß dann ohne Verzögerung an das National Government, blieb aber gegen den wieder einsetzenden Run auf das Pfund ohne Wirkung. Vgl. Bentley B. Gilbert: British Social Policy 1914-1939, London 1970, S. 172; Winch, S. 132. •• MacDona1d hielt die Weigerung der TIJC-Delegation, die Kürzungen der Unemployment Assistance mitzutragen (in einem Gespräch am 20. August 1931) für eine "[ ... ] declaration of war." MacDonald Tagebuch, Eintrag 2l.Aug.1931, zit. nach David Marquand: Ramsay MacDonald, London 1977, S. 620. Snowden berichtete, daß nach seiner dramatischen Darstellung der Situation der Staatsfinanzen und der Notwendigkeit von drastischen Einsparungen am 11.Feb.1931 im Unterhaus eines der Mitglieder des linken Flügels der Partei in der Lobby ihm gesagt habe: "'lt' s bigger, not smaller, Budgets we want! ' They showed not the least appreciation of the national situation, nor of the fact that the decline in revenue and in trade made it impossible to carry out a policy of increased expenditure which might have been possible when trade was booming and revenue was expanding." Philip (Viscount) Snowden: An Autobiography. Volume Two 1919-1934, London 1934, S. 896. 47 R. Bassett: Nineteen Thirty-One. Political Crisis, London 1958, beschreibt die Krise der Labour-Regierung und die Entstehung des National Government minutiös, die Tage vom 20. bis 24. August jeweils in eigenen Kapiteln.
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(10. September, verbunden mit einer Economy Bill am folgenden Tag), das ganz im Zeichen der Ausgabenkürzung stand: Verringerter Sinking Fund, Kürzung der Gehälter von Ministern, Beamten, Lehrern, Polizisten und Armee, keine weiteren Ausleibungen für Arbeitslosen- und Straßenbaufonds, lOprozentige Kürzung der Arbeitslosenunterstützung und Erhöhung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung nebst der Einführung eines Bedürftigkeitstests. Genau 12 Tage konnten diese Maßnahmen den Goldabfluß stoppen, bevor die "Meuterei" der britischen Flotte in Iovergordon zu einem panikartigen Abzug von weiterem Kapital führte. Am Freitag, dem 18. September, mußte die Regierung einsehen, daß ein Abgeben von der Parität und vom Goldstandard nicht mehr zu vermeiden war: die Entscheidung erlangte Gesetzesform am folgenden Montag. Snowden befand in der Rückschau uneinsichtig, das Notbudget habe seine Aufgabe der Wiederherstellung des Vertrauens im Ausland sofort erfüllt. Gescheitert sei dies dann an der unverantwortlichen Propagierung inflationärer Maßnahmen durch prominente Leute und durch die Opposition Labours, die im Ausland das Bild einer uneinigen Nation erscheinen lies:• Die dritte Säule des wirtschaftlichen Systems vor dem Krieg war die ,,Regel des ausgeglichenen staatlichen Hauhaltes (Balanced Budget Rule)". Sie besagte, daß der Staat in Friedenszeiten nur soviel ausgeben dürfe, wie er an ordentlichen Einnahmen - Steuern und Abgaben - auch im selben Jahr wieder einnehme, wenn möglich sogar mit einem kleinen Überschuß, um eventuell aus Kriegszeiten aufgelaufene Schulden zu tilgen. Wenn aber die gewählten Politiker meinten, die Ausgaben erhöhen zu müssen, etwa um sieb bei bestimmten Wählergruppen Vorteile im Meinungsbild zu verschaffen, sollten auch sie mit ihrer politischen Zukunft dafür geradestehen müssen, indem sie gezwungen waren, sich die zusätzlichen Ausgaben im selben Zeitraum bei ihren Wählern durch Steuern oder Abgaben zu finanzieren. Dieser enge Spielraum durfte nicht dadurch erweitert werden, daß die zu verteilenden Wobitaten und deren Bezahlung zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgen könnten, wenn der Staat in normalen Zeiten die Möglichkeit zur großzügigen Kreditfinanzierung gewann:9 Dem lag neben einem grundsätzlieben Mißtrauen geSnowden, S. 975. Vgl. Jim Tomlinson: Employment Policy. The Crucial Years, 1939-1955, Oxford 1987, S. 10: "a central concern was to narrow the room for manoeuvre by politiciansto Iimit the scope for deliberate political management of the economy." Vgl. auch Clarke, in: Furner/Supple (Hg.), S. 173; Ders.: Keynesian Revolution, S. 29; Roger Middleton: Towards the Managed Economy. Keynes, the Treasury and the fiscal policy debate of the 1930s, London/New York 1985, S. 83; Henry Roseveare: The Treasury. The Evolution of a British Institution, London 1969, S. 9. 48 49
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genüber staatlichen Eingriffen in den Markt auch die Vorstellung zugrunde, daß mit der Kreditfinanzierung öffentlicher Ausgaben deren Bezahlung ungerechtfertigterweise auf die nachfolgenden Generationen übergewälzt würde. Analog zum Verhalten eines "guten Hausvaters" sollte auch der Staat Sparsamkeit zeigen, nicht mehr ausgeben als er einnahm und dabei etwas für schlechtere Zeiten zurücklegen. Diese Konvention zeigte auch nach dem Ersten Weltkrieg eine enorme Bindungskraft Selbst wenn in den 1920er Jahren vor allem Churchill einen laxen Umgang mit der Verpflichtung zum Budgetausgleich zeigte, verteidigte er sie in der Öffentlichkeit als Grundsatz doch vehement, und Snowden, Schatzkanzler 1924 und 1929-31, stellte sie ausdrücklich in den Mittelpunkt seiner Finanzpolitik.
4. Die Position der Treasury im administrativen Gefüge: Treasury Control durch Ausgabenkontrolle in Zeiten strikter öffentlicher Sparsamkeit Das Schatzamt war die zur Verteidigung der dritten Säule der klassischen Wirtschaftspolitik vorgesehene Institution, die in der Zwischenkriegszeit für die gesamte Politik und Verwaltung durch die Kontrollmöglichkeiten der Finanzmittel der einzelnen Ministerialbehörden und die Aufsicht über die Budgeterstellung eine bestimmende Position einnahm. Anders als es die Whitehall-fJberlieferung sagt, war die Viktorianische Treasury noch nicht die dominierende Kraft der Administration gewesen. Auch wenn die Einstellung der Treasury hin zu Sparsamkeit, Laissez-faire und ausgeglichenen Budgets der allgemeinen wirtschaftlichen Linie der Zeit entgegenkam, hatte sie doch nicht den institutionellen Apparat, um diese Leitbilder in kontinuierlichen Einfluß oder Kontrolle umzumünzen. .,Victorian Treasury offleials were unable to exercise any generat guidance or initiative in improving administrative machinery except when there were special political circumstances."'0 Die Macht der Treasury, wie sie in der Zwischenkriegszeit erscheint, ist aus den Veränderungen des Ersten Weltkrieges bzw. der unmittelbaren Nachkriegsjahre entstanden. Auf die besonderen Anforderungen des Ersten Weltkrieges (vor allem die Probleme der Überseeanleihen) reagierte die Treasury mit einigen organisatorischen Veränderungen: Insbesondere um besseres Datenmaterial zu erlangen, wurde im März 1915 eine neue statistische Einheit zur Koordinierung der Informationen über ausländische Währungen, Wechselkurse, Bankensysteme, so Richard A. Chapman/J.R. Greenaway: The Dynamics of Administrative Reform, London 1980, S. 100.
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Kapitalbewegungen und die Ausgaben und Ausleibungen anderer Regierungen unter einem Director of Financial Enquiries gegriindet. Auch Keynes ruckte als "temporary civil servant" in die Treasury ein (6. Januar 1915) - "the beginning of a livelong love-hate relationship", wie Clarke anmerkt'' - und wurde zeitweise zum "acting first-class clerk" in der für die Finanzen zuständigen Division 1D, wo er schnell entscheidende Autorität als Organisator der Überseefinanzen gewinnen konnte, nachdem er vorher Assistent des offiziellen Treasury-Ratgebers George Paish gewesen war. 1917 wurde Keynes' ganze Einheit aus 1D ausgelagert und zur eigenständigen "A" Division mit weitreichenden Kompetenzen bezüglich der Überseeflnanzen." Die andere Seite der Medaille einer expandierenden und Autorität gewinnenden Treasury war die dadurch heraufziehende Gegnerschaft zur Bank of England, bedingt durch deren Sorge, in der eigenen Kompetenz eingeschränkt zu werden. Insbesondere die Beziehungen zum Gouverneur der Bank, Cunliffe, arteten 1917 in einen offenen Kriegszustand aus: "Cunliffe treated the Treasury offtcials, with the possible exception of Bradbury [Permanent Secretary], as mere minions of the Chancellor. His conduct worsened over the four years and became so bad - many thought him mad - that the Bank eased him out of the Governorship in April 1918."" Die Situation der Kriegsjahre zeichnete hier schon einen Konflikt vor, der sich insbesondere mit der Rückkehr zum Goldstandard als prägend für die Beziehungen zwischen der (mehr politischen) Treasury und der (sich als regierungsunabhängige Institution begreifenden) Zentralbank erweisen sollte. Die Entscheidungen der Bank zogen erhebliche Nachwirkungen auf das gesamtwirtschaftliche Geschehen nach sich, die etwa zu Zeiten von Churchills Kanzlerschaft den wirtschaftspolitischen Zielen der Regierung durchaus zuwiderlaufen konnten. Es war daher nur eine Frage der Zeit, daß ein mehr und mehr zum Interventionismus neigender Staat sich auch des Instrumentes der Geldpolitik bemächtigen würde. Auch wenn es Cunliffes Nachfolger Norman gelang, mit der Wiedereinführung des Goldstandardes die Bank zumindest in die Nähe des alten Status zuriickzuführen und allem Verlangen der Politik hartnäckig zu widerstehen, läutete die Abkehr vom Gold 1931 dann doch einen Prozeß der Beschränkung der Kompetenzen der Bank ein. Dieser fand mit der Verstaatlichung der Bank 1946, die zu diesem Zeitpunkt bei keiner der politischen Parteien auf Ablehnung stieß, seinen Höhe" Peter Clarke: A Question of Leadership. Gladstone to Thatcher, London 1992, S. 149. " Zu Keynes in der Treasury im I. Weltkrieg siehe vor allem: Robert Skide1sky: John Maynard Keynes. Valurne one: Hopes betrayed 1883-1920, London/Basingstoke 1983, S. 297-315 und 333-348. " Kathleen Burk: The Treasury: from Impotence to Power, in: Dies. (Hg.): War and the State. The Transformation of British Government, 1914-1919, London 1982, S. 84-107, s. 94.
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punkt. Ebenso wie die Auseinandersetzung um das traditionelle Prinzip des ausgeglichenen Budgets war die Verlagerung von Kompetenzen aus der Zentralbank in den von der Politik kontrollierten Raum ein Symptom der generellen Politisierung des staatlichen Handeins in der Wirtschaft. Das allgemeine Wahlrecht und damit die politische Partizipation von sozialen Schichten, die sich in wirtschaftlich unsicherer Lage befanden, als die Wählergruppen vor dem Ersten Weltkrieg, sozialreformerische Bewegungen und die größere Krisenanfälligkeit des kapitalistischen Systems bedeuteten tatsächlich "The End of Laissez-faire"54 : galt es vordem noch als allen gleichermaßen zuträglich, wenn politische und wirtschaftliche Sphäre so weit wie möglich voneinander getrennt waren, wies nach 1918 die Tendenz in Richtung einer immer engeren Verzahnung. Noch bedeutender als der Kompetenzenstreit zwischen Schatzamt (bzw. genauer: dem Schatzkanzler) und der Bank war für die Entwicklung der Nachkriegszeit, daß es der Treasury im Krieg nicht gelang, eine funktionierende Kontrolle über die staatlichen Ausgaben und den Aufbau und die Besetzung der sog. ,,mushroom"-Ministerien (i.e. Produktions- und Ausrüstungsministerien für den Kriegsbedarf) aufrecht zu erhalten, eine Folge der personellen Unterbesetzung des Schatzamtes mit nur 38 Mitarbeitern in der administrativen Hierarchie und der schädlichen Auseinandersetzungen zwischen Lloyd George als Kriegspremier und gleichzeitigem Vorsteher des größten der ,,mushroom"-Ministerien, dem Ministry of Munitions, und dem Schatzkanzler McKenna. 55 Die Resultate wurden in der Treasury und in der informierten Öffentlichkeit als derartig besorgniserregend wahrgenommen, daß 1917 und 1918 mehrere Untersuchungskommissionen die Restituierung einer starken Treasury-Kontrolle über staatlichen Ausgaben und die Entwicklung des Civil Service forderten. Vor allem der Report des Haldane-Committeess• (und die diversen Untersuchungen des Select Committee on National Expenditure57) brachten eine Treasury-interne "Inquiry into the Organisation and Staffing of Government Offices" unter Bradbury, einem der drei Joint Permanent Secretaries, in Gang, auf deren Grundlage die Reform der Treasury Control vorgenommen wurde. Diese Neuorganisation wurde per Treasury Minute am 4. s• Keynes: The End of Laissez-Faire, in: Ders.: Essays, S. 272-293 (zuerst 1926). Vgl. Gottfried Niedhart: Geschichte Englands im 19. und 20. Jahrhundert, München 1987, S. 160f.; Artbur Marwick: The Explosion of the British Society 1914-1970, London/Basingstoke 2 1971, S. 2, bezeichnet die sozialen und ökonomischen Veränderungen zwischen 1914 und 1920 anschaulich als soziale Explosion. ss Vgl. Burk, in: Burk (Hg.), S. 94; Roseveare, S. 243. so Committee on the Machinery of Government, Report, (1919) Cmd. 9230. 51 Reports of the Select Committee on National Expenditure, 1919.
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September 1919 in die Wege geleitet und begründete die Dominanz des Schatzamtes im Wbiteball der Zwiscbenkriegszeit. Die Treasury wurde in drei funktionale Departments unterteilt - Finance, Supply, Establishments -, mit jeweils einem Controller an der Spitze, der den Permanent Secretaries (den höchsten Beamten) der anderen Ministerien gleichgeordnet war. Das Schatzamt übernahm damit nicht nur die (traditionell) alleinige Kompetenz über die Planung des (Einnahme-)Budgets (in Finance) und der Ausgabenkontrolle eines jeden Ministeriums (Supply), sondern darüber binaus auch noch die Überwachung von Einstellungen und Laufbahnen im gesamten öffentlichen Dienst. Gleichzeitig wurde der Civil Service vereinheitlicht, indem die alten, nach Departments unterschiedlichen Hierarchiegrade des öffentlichen Dienstes allgemein in drei Kategorien umgeformt wurden (Administrative, Executive und Clerical Class). Ebenso wurden die Gehälter angeglichen und Tarifverbandlungen auch im öffentlichen Dienst zugelässen." Dazu wurde mit dem erneuerten System der Ausgabenkontrolle mehr Macht in die Treasury verlagert als je zuvor. Im Krieg waren die Ausgaben der einzelnen Ressorts nicht wie vorher durch genau von Unterbaus und Schatzamt geprüfte ,,Estimates" festgelegt worden, sondern vielmehr wurden kriegsbedingte Ausgaben vom Parlament durch große "Votes of Credit" garantiert, über die die Treasury nur noch grobe Lenkungsaufsiebt führte. Normalerweise lautete das Konzept, daß politische Entscheidungen und finanzielle Überlegungen untrennbar miteinander verbunden sein sollten. Seit 1872 galt das Prinzip, daß "Accounting Officers" - die verantwortlieben Beamten der Departments für deren Effizienz und Ökonomie und ihre Zahlungsanforderungen an den Comptroller and Auditor-General (C.& A.-G.) - in Personalunion die "permanent beads of department" sein sollten. Im Krieg war vor allem in den großen "Ausgabeministerien" (Spending Departments) davon abgewichen worden. 1920 wurde dieses Prinzip wieder fest installiert als eine Maßnahme der Selbstkontrolle der Behörden. So trugen mit den Permanent Secretaries die Verwaltungschefs der Departments die volle Verantwortung für das finanzielle Verbalten ihrer Ministerien. "Seperately promulgated, tbese measures were weil designed to form an interlocking wbole, and tbey acbieved for tbe Treasury, at long last, what tbe Excbequer and Audit Departments Act bad achieved for tbe House of Commons - a complete circle of control. ..,. Die ,. Zur Umorganisation der Treasury: Treasury Circular, 15. September 1919 in PRO T.243/13 Treasury Circulars 1916-19. Vgl. A.J. Brown: The Use of Advisory Bodies by the Treasury, in: R.V. Vemon/N. Mansergh (Hg.): Advisory Bodies. A Study of their Uses in Relation to CentraLGovernment 1919-1939, London 1940, S. 86-125, S. 87; Burk, in: Burk (Hg.), S. 99ff; Middleton: Towards, S. 32; Roseveare, S. 246ff. 59 Roseveare, S. 247.
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Autorität der Treasury ruhte im folgenden auf ihrer institutionellen Position im finanziellen und politischen Zentrum der Regierungsmaschinerie. Diese Position hielt sie durch ihre Kontrollfunktion über die Ausgaben der Ministerien und wurde so zum ,,most politically conscious of all the departments..... Der Permanent Secretary der Treasury wurde mit der Neuorganisation der Treasury Control 1919 zu einem besonderen Rang innerhalb des Civil Service erhoben, zum "Permanent Head of the Horne Civil Service". Als solcher wurde er auch zum Verbindungsmann zwischen öffentlichem Dienst und Premierminister und zu dessen engstem Berater in Fragen der Besetzung und Organisation des Civil Service. Dadurch, daß 1920 die Order erging, nach der keine Neubesetzung einer höheren Position im öffentlichen Dienst ohne die Zustimmung des Premiers erfolgen durfte, dieser aber in der Regel ohne genauere Kenntnis der auszuübenden Tätigkeit wie auch der Bewerber und daher auf den Rat aus der Verwaltung angewiesen war, bekam der Permanent Secretary der Treasury ein einzigartiges Machtmittel zur Formung des öffentlichen Dienstes in seinem Sinne in die Hand. "Tbe Bradbury inquiry and its outcome present a crucial moment - one of the true bencbmarks - in the history of the modern Civil Service and a locus classicus for those wbo deligbt in tracing the imprint of the alleged dead-hand of Treasury orthodoxy ..... Die Treasury Control begleitete jede geplante Ausgabe von der Entstehung bis zur erfolgten Verwendung. Das beißt, daß nicht nur die bereits erstellten Estimates genau untersucht wurden; Ausgabenprogramme auf dieser Stufe waren bereits vom Parlament oder dem Kabinett generell gebilligt worden und konnten in ihrer Form bzw. ihrem Umfang durch die Treasury nur noch mißbilligt und geringfügig verändert werden. Schon "[...] from the very frrst moment that a Department begins to think of the amount to insert in Estimates for any item of expenditure", war das Schatzamt auf verschiedenen Verwaltungsebenen an der Planung der Ausgabenprogramme beteiligt. "As a general rule the figures which finally appear in the Estimates are agreed between the Treasury and the Departments bot, in the event of disagreement, the last word
60 Middleton: Towards, S. 33. •• Peter Hennessy: Whitehall, London 1990, S. 69170. Thomas Balogh, einer der schärfsten Kritiker der Entwicklung des britischen öffentlichen Dienstes, schrieb dazu: "The power of the Head of the Civil Service, through the patronage he wields, is far beyond the wildest dreams of the territorial oligarchs of the 18th century." Thomas Balogh: The Apotheosis of the Dilettante: The Establishment of Mandarins, in: Hugh Thomas (Hg.): Crisis in the Civil Service, London 1968, S. 11-59, S. 18.
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clearly lies with the Treasury."62 Bei ihrer Bewertung gehe die Treasury, heißt es an anderer Stelle des zitierten Memorandums, sehr viel mehr von"[ ... ] past experience and common sense than upon the technical knowledge in connection with any particular proposal" aus. Gerade diese aus der Erfahrung und dem Bewußtsein traditioneller Vorgehensweisen gespeiste Methodik konstituierte auch ein zusätzliches Moment dafür, daß Veränderungen von vomherein ablehnend (zumindest skeptisch) beurteilt wurden. "Old-established practice" war, daß kein Vorschlag, der neue Ausgaben vorsah, dem Kabinett (also der Institution, die im Zweifelsfalle Treasury und Schatzkanzler überstimmen konnte) vorgelegt wurde, bevor er nicht im Schatzamt geprüft worden war!3 Erst bei größeren Meinungsverschiedenheiten und bei erheblichem politischen Gewicht eines Ministers war auf Kabinettsebene die Stärke der Treasury allein eine Funktion der Position des Schatzkanzlers. Daß Bridges und Heath, beide frühere Permanent Secretaries des Schatzamtes und Autoren der Standardwerke über die Organisation der Treasury, die Macht der Treasury allein vom Gewicht des Schatzkanzlers im Kabinett abhängig sehen.., ist eine verständliche Haltung von Spitzenbeamten - zumal in Großbritannien, wo die Souveränität des Parlaments und der Regierung ein jederzeit beschworenes 62 H. Wilson Smith, Memorandum "Difference between Treasury control over Civil Departments and over Service Departments", 14. Juni 1935, in PRO T.l60/580/ F.l4227, S.l/2. Dazu auch PRO T.160/373/F.287911 British Treasury. Organisation of Control over National Expenditure, etc. (1928) 63 Memorandum der Treasury "The Functions of the Treasury in Relation to General Financial Control and to the Control and Management of the Civil Service", 27. August 1943, Para. 10, in PRO CAB 87172 Official Committee on the Machinery of Government, M.G.O. Series, Memoranda. Ebd. wird die Treasury Control als eine "[ ...] early, close and continuous consultation with the Treasury" beschrieben. 64 Vgl. Thomas L. Heath: The Treasury, London/New York 1927 (The Whitehall Series), S. 63: ,,It has often been remarked that the strength of the Treasury is the strength of the Chancellor of the Exchequer for the time being. This is largely true, for the Chancellor of the Exchequer is the corner-stone of Treasury authority. But however strong a Chancellor of the Exchequer may be in himself, he needs to have effective support in the Cabinet: otherwise, when he proposes restrictions of expenditure in the teeth of the opposition of the Minister representing the scrvice which is to be restricted, the only weapon he can, in the last resort, use in order to get his way is a threat of resignation which he is prepared to carry out." Ebenso Lord (Edward E.) Bridges: The Treasury, London/New York 1964 (The New Whitehall Series No. 12), S. 40: "The Chancellor of the Exchequer himself, although a Minister who carries great authority in thc Cabinet, has to obtain the assent of bis colleagues to a decision on expenditure if the spending Minister concerned appeals against him to the Cabinet. lt follows that the authority of the Treasury is not an overriding one but depends on the acceptance by other Cabinet Ministers of the views of the Chancellor of the Exchequer."
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Gut ist -, die nicht zugeben dürfen, daß administrative Strukturen über die Entscheidungen gewählter Politiker bestimmen (und nicht andersherum). Andererseits zeigt der Ablauf der Budgeterstellung, welches Verhinderungspotential die Treasury auf allen dem Kabinett untergeordneten Ebenen hatte, das selbst ein starker Minister eines Spending Departments nur in einem langwierigen und mühevollen Prozeß hätte überwinden können. Das wichtigste Gremium innerhalb der Treasury zur Planung der "High Finance" war (und ist) das Budget Committee, das auf Beamtenebene organisiert ist- auch wenn die beiden ministeriellen Vertreter des Schatzamtes, der Chancellor of the Exchequer und der Financial Secretary (1947 bis 1950 dazu noch der Economic Secretary) bei Gelegenheit, insbesondere in den entscheidenden Phasen der Budgetberatungen, teilnahmen -, mit dem Permanent Secretary als Vorsitzendem und als weiteren Mitgliedern den "Treasury Knights", einem hochrangigen Vertreter der Bank ofEngland sowie den wichtigsten Beratern des Schatzkanzlers (im 2. Weltkrieg beispielsweise Keynes und Henderson). Dazu kamen die Leiter der Finance Departments Board of Inland Revenue und Board of Customs and Ex eise.'' Die Mitgliedschaft im Budget Committee, das nur zur unmittelbaren Budgetvorbereitung zwischen Juli und März, dann aber regelmäßig, zusammentraf, war streng geheim, d.h. selbst in der Treasury war es untergeordneten Ebenen nicht bekannt, wer genau zu diesem Gremium gehörte. Das Komitee führte auch keine Sitzungsprotokolle, so daß etwaige Unterschiede in den Meinungen der Berater des Schatzkanzlers nicht zu erkennen waren; die Empfehlungen des Budget Committees waren stets einmütig und wurden als die "Ansicht der Treasury (Treasury View)" verkündet. Douglas Jay (der im Dezember 1947 Economic Secretary to the Treasury wurde) charakterisierte die Geheimniskrämerei um das Komitee in seinen Erinnerungen: "Then there was the Budget Committee - so hallowed and secret in 1945-51, that, like the mysteries of the Vestal Virgins in classical Rome, it was not allowed by tradition to be even mentioned to the uninitiated. "'' Prinzipiell ist der Grundsatz des absoluten Budgetgeheimnisses ein wesentliches Machtmittel des Schatzamtes, so wie aller Bürokratien: "Stets ist die Machtstellung der vollentwickelten Bürokratie eine sehr große, unter normalen Verhältnissen eine überragende [... ] [Die] Überlegenheit des berufsmäßig Wissenden sucht jede Bürokratie noch durch das Mittel der Geheimhaltung " Vgl. Gerhart Berger: Die Grundzüge der englischen Finanzverfassung. Ein Beitrag zum Verfassungsverständnis Großbritanniens, Frankfurt/Main 1977, S. 152. •• Douglas Jay: Change and Fortune. A Political Record, London 1980, S . 175.
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ihrer Kenntnisse und Absichten zu steigern. Bürokratische Verwaltung ist ihrer Tendenz nach stets Verwaltung mit Ausschluß der Öffentlichkeit. Die Bürokratie verbirgt ihr Wissen und Tun vor der Kritik, soweit sie irgend kann [...] Allein weit über [die] Gebiete rein sachlich motivierter Geheimhaltung wirkt das reine Machtinteresse der Bürokratie als solches. Der Begriff des 'Amtsgeheimnisses' ist ihre spezifische Erfindung und nichts wird von ihr mit solchem Fanatismus verteidigt wie eben diese ... Attitude."67 Ausdrücklich soll das Budgetgeheimnis gewährleisten, daß kein Außenstehender durch vorzeitige Kenntnis von einzelnen Bestimmungen des Haushaltes sich Vorteile verschaffen kann, und es wird im Zweifelsfalle rigoros durchgesetzt, wie der Rücktritt Daltons als Schatzkanzler zeigt. Eine nur wenige Minuten vor der offiziellen Präsentation des Budgets geführte Plauderei mit einem der Finanzkorrespondenten in der Lobby des Unterhauses, in der der Schatzkanzler einige Steuerveränderungen preisgab, deren Inhalt der Journalist sofort an seine Zeitung weiterreichte, zwang nach Bekanntwerden Dalton bereits am folgenden Tag (13. November 1947) zum Rücktritt. Über den Umfang und genaue Inhalte des Gesamthaushaltes waren neben den Angehörigen des Budget Committee in der Planungsphase nur noch wenige Mitglieder des Kabinetts orientiert (in der Zwischenkriegszeit, soweit das überhaupt nachzuvollziehen ist, nur der Premierminister, nach dem II. Weltkrieg in Attlees Regierung -bis Ende 1947 - neben dem Premier und dem Schatzkanzler noch der Rest der "Big Five": Morrison als Lord President, Cripps als Handelsminister und Bevin als Außenminister und stärkster Minister der Regierung"). Dem Gesamtkabinett, das immerhin als Regierung kollektiv die politische Verantwortung tragen mußte, wurde der Inhalt des Budgets in aller Regel erst einen Tag vor dessen Präsentation im Parlament vorgelegt, so daß eine ernsthafte Diskussion oder gar eine Veränderung nicht mehr möglich war."" Die 1919 vervollständigte Vereinheitlichung des öffentlichen Dienstes, vor allem der Gruppe der führenden Beamten, der Administrative Class, und der entstandene esprit de corps bildeten ein erhebliches Einflußpotential für die Treasury, ein Netz an Verbindungen und gemeinsamen Einstellungen, in des-
67 Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie. Studienausgabe hgg. von Johannes Winckelmann, Köln/Berlin 1964, S. 730. 61 Vgl. Dalton: The Fateful Years. Memoirs 1931-1945, London 1957, S. 24. 69 Vgl. Berger, S. 138: "Somit bleibt festzuhalten, daß heute eine auch nur teilweise Haushaltskontrolle im Kabinett nicht stattfindet, sondern daß dieser gesamte Aufgabenkomplex dem Schatzkanzler unter Mithilfe des Premiers überlassen bleibt."
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sen Mitte das Schatzamt rubte.70 Die Homogenität der Adminstrative Class, vorrangige Zielvorstellung des den Charakter des öffentlichen Dienstes Großbritanniens in der Zwischenkriegszeit prägenden Permanent Secretary der Treasury Warren Fisher (1919-1939), wurde gefördert durch die Übereinstimmung der schulischen und universitären Ausbildung (Dominanz der PubHe Schools und von "Oxbridge"), forciert noch dadurch, daß die sehr schwierigen Eingangsprüfungen zu den höheren Graden der Verwaltung in ihrem Stoff auf die traditionellen Studiengänge von Oxford und Cambridge zugeschnitten waren. Tabelle 2 Ausbildung der administrativen Elite (Open Competition Entrants) 71
Eintrittsdatum 1899-1908 1906-1910 1925-1936 1948-1956 1956-1960
Schulische Ausbildung in Universitätsausbildung in Oxford oder Cambridge Public Schools (in %) 82 42 82 90 62 72 25 80 29
Zur besonderen Art der Sozialisation in den Behörden trug eine weitere Maßnahme zur Einpassung des Anfängers in die Homogenität seiner Berufsklasse bei. Der Anfänger lernte seinen Tätigkeit "on tbe job", d.h. "[a]s a rule 70 Vgl. Max Beloff: The Whitehall Factor: The RoJe of the Higher Civil Service 1919-39, in: Chris Cook/Gillian Peele (Hg.): The Politics of Reappraisal 1918-1939, London/Basingstoke 1975, S. 209-231, S. 210. 71 Tabelle nach: John A. Armstrong: The European Administrative Elite, Princeton 1973, S. 155. (Open Competition ist das Eingangsexamen für den höheren Civil Service, das über Einstellung und die Verwendung des Prüflings entscheidet.) Corelli Barnett The Collapse of British Power, London 1972, S. 36, macht zu einem erheblichen Teil die Erziehung der Public Schools für die vermeintliche Führungsschwäche der Elite, die in den 1920ern und 30ern das Ruder übernahm, verantwortlich. Die Angehörigen dieser Elite seien gewesen " ... the products of the public school at this period of greatest regimentation, stuffiest self-satisfaction and conformity, the most torpid intellectuallife [ ... ] Theseboys werein fact the frrst future ruling class in British history to be subjected to a powerful and uniform moulding process at all. This in itself was of the utmost significance, dooming the variety, spontaneity and openmindedness that bad hitherto been the saving-graces of the British upper classes, while the pattern on which these boys were moulded compounded the harmful consequences of uniform moulding in itself."
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the inductee spent bis time reading files and composing minutes on them, with the hope that in doing so he would learn the affairs of the department." Bei Problemen wandte er sich an andere Junior Officials, was die Bedeutung der Gruppenloyalität erhöhte. "This process also reinforced the habits of thoroughness, accuracy, attention to detail, discretion, and loyalty which school sports and classics bad already instilled. "72 Bedeutender als für das Lernen der Tätigkeit und der dazu notwendigen Fertigkeiten ist diese Art der Berufseinführung für den Integrationsprozeß in den "Geist", die Regeln und Verhaltensformen, einer Institution." Die aus der Konformität der Administrative Class resultierende starke Tendenz zur konsensualen Entscheidung zog, wie Middleton ausführt, nach sich, daß politische Vorschläge, bei denen mit Schwierigkeiten in der Verwaltung zu rechnen war, von vomherein im gesamten öffentlichen Dienst abgelehnt wurden.'• Während die Aufgaben des Staates im Zwischenkrieg immer spezifischer und komplizierter wurden, entwickelte sich die Administrative Class des Civil Service erst jetzt vollständig, wie von den Erstellern des Northcote-Trevelyan-Reports (dem "Gründungsdokument" des modernen öffentlichen Dienstes Großbritanniens) - dann allerdings unter ganz anderen Zeitumständen- schon 1854 gefordert, zu einer Gruppe von Verwaltungs-Generalisten." Innerhalb dieser Elite des Civil Service bildeten die Treasury-Mitarbeiter noch einmal so etwas wie eine Auslese. Traditionell besetzte das Schatzamt freiwerdende Stellen mit den besten des Eintrittsexamens zum höheren Civil Service- so mußte sich auch Keynes, der 1906 zweitbester Kandidat war, mit Armstrong, S. 212. Richard A. Chapman: The Higher Civil Service in Britain, London 1970, S. 73. Hugh Heclo/Aaron Wildavsky: The Private Government of Public Money. Cornmunity and Policy inside British Politics, Berkeley/Los Angeles 1974, zeigen in ihrer Untersuchung (die sich allerdings auf die Treasury zwischen 1970 und 1973 bezieht), wie sich die allgemeine Einstellung, der "Treasury Spirit", praktisch mit dem ersten Arbeitstag auf die neuen Beamten überträgt und von diesen vollkommen verinnerlicht wird. Dieser "Geist" bedeutet nun, daß sich die Treasury-Beamten vor allem als Bremser der ihrer Natur folgenden Ausgabeministerien sehen, die immer forderten und daher zurückgehalten werden müßten. Legitimation für dieses Vorgehen meinen die Treasury-Beamten daraus ziehen zu können, daß sie sich als die einzigen Administratoren mit Gesamtüberblick im Gegensatz zur departmentellen Tunnelsicht der Kollegen aus den Ministerien verstehen. ,. Middleton, S. 36, meint daher auch, daß die Ablehnung von Public works eher eine Sache eines "Whitehall View" als eines "Treasury View" war. " Vgl. Geoffrey Kingdon Fry: Statesmen in Disguise. The Changing RoJe of the Adminstrative Class of the British Horne Civil Service 1853-1966, London 1969, S. 36. 72
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dem India Office zufr;iedengeben, während der beste Examinand, O.E. Niemeyer, in die Treasury kam. (Keynes war Bester in den Bereichen Logik, Psychologie, Englisb Essay und Politikwissenscbaften; Zweiter in Moral- und Metaphysiseber Philosophie; heruntergestuft wurde er durch die eher schlechten Ergebnisse in Mathematik und politischer Ökonomie!76) Das Bewußtsein der eigenen Stellung schuf einen "Treasury spirit", der nicht selten auch in Überlegenheitsgefühlen und Arroganz gegenüber den politischen Vorgesetzten und Vertretern anderer Ministerien ausartete.77 Bei T. Heath, dem ehemaligen Permanent Secretary des Schatzamtes, ist geradezu Stolz auf die eigene Unbeliebtheit zu spüren: "[ ...] in essence it [die Treasury] is the one permanent institution wbicb stands between the country and national bankruptcy. It follows that the Treasury as a Department, if it faithfully discbarges the duties entrusted to it, can never be popular; conversely, if at any moment it sbould become popular, that fact itself would be conclusive proof that it was not properly fulfilling the purpose for wbicb it exists [...] But even the view taken of the Treasury as a bugbear or bogey is not without its advantages in practice. The administrative staff of the Treasury, by means of their specialised knowledge and experience, acquired as a rule by long training, are often able to offer advice to the Chancellor of the Exchequer which secures the rejection of a proposal for increased expenditure received from some public department, institution or individual; but it is save to say that there is still greater nurober of proposals whicb the mere existence of the Treasury prevents from coming forward at all."78
Vgl. Moggridge: Maynard Keynes, S. 108. Hennessy zitiert ein charakteristisches Beispiel einer Entgegnung der Treasury gegenüber dem Kolonialminister Leo Amery 1929: ,,Mr Amery' s financial philosophy is based on the assumptiolis that idle funds are available in the market for Colonial Investments, and that the Exchequer has surplus cash for subsidies to attract them into enterprises which offer no early return. From these assumptions it follows that if Mr Amery is given a free band, the land will flow with milk and honey." (T.161/291, Minute of 7 January 1929), zit. nach Hennessy: Whitehall, S. 78. 78 Heath, S. 1. Die veränderte Rolle der Treasury in der Nachkriegszeit reflektierend überliefert Bridges das Wort eines Schatzamt-Offiziellen um 1950: "Quite recently a colleague said to me, nostalgically, 'I wish we [that is the Treasury] could be really unpopular again."' Lord Bridges: Treasury Control, London 1950 (The Stamp Memorial Lecture), S. 30. Samuel Brittan: Steering the Economy. The British Experience, New York 1971, S. 51, beschreibt als eine Schwäche der Treasury deren Organisation als eine kleine Gruppe hochintelligenter und sensibler Individuen. Mitglieder solcher Organisationen neigten dazu, untereinander äußerst loyal zu sein, d.h. Vorschlägen und Empfehlungen anderer Mitglieder nicht zu widersprechen und eine instinktive Abneigung gegen Beiträge von außen zu haben. 76
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Die Homogenität, das Sicherheitsdenken und der "Generalistenkult" der Administrative Class und die Dominanz der Treasury im Civil Service, die aus der Neuorganisation in der Zwischenkriegszeit erwuchsen, sind häufig angegriffen und als eine Erklärung für die spezifischen Schwächen der britischen Wirtschaftsentwicklung im Vergleich mit anderen europäischen Staaten allgemein, insbesondere aber für die vermeintliche wirtschaftspolitische Untätigkeit der Regierungen in der Zwischenkriegszeif• herangezogen worden. Um noch einmal Balogh zu zitieren, der sich besonders pointiert äußert: " ... a new corporation arose, vastly more important in the life of the nation than any other, while at the same time some of the safeguards wisely introduced by the Victorian Reformers . .. to avoid the creation of nepotistic privileged castes were surreptitiously weakened. As the bureaucrats grew stronger they grew holder. Yet, by that time the problems and needs of the nation had completely altered, leaving it with an outdated and rather unsuitable bureaucratic organisation. It became a vast, completely centralised service facing its ever-growing responsibilities with increasing insistence on a Iack of expert knowledge." Balogh schreibt weiter: ,,From the decision to elevate the general administrator, the mandarin, and grant to bis corporation supreme influence, much of the present discomfiture of the country has followed. Hardly ever has so anachronistic a change occurred in a vital organ of a great empire at a worse moment. " 80 Die Kritik an der Rolle der Treasury im wirtschaftlichen Modernisierungsprozeß ist nur ein Thema unter vielen in der facettenreichen Auseinandersetzung mit den vermeintlichen Ursachen für "Britain's decline", zu denen das Schul- und Universitätssystem genauso gehören soll wie eine dadurch 79 Vgl. Margaret Weir: ldeas and Politics: The Acceptance of Keynesianism in Britain and the United States, in: Peter A. Hall (Hg.): The Political Power of Economic ldeas: Keynesianism across Nations, Princeton 1989, S. 53-86, S. 60: ,)n Britain the most critical factor accounting for the resistance to innovation in economic policy during the 1930s was the closed and hierarchical character of the British bureaucracy, and, in particular, the central control exercised by the Treasury." Ebenso dies.ffheda Skocpol: State Structures and the Possibilities for "Keynesian" Responses to the Great Depression in Sweden, Britain, and the United States, in: Peter B. Evans/Dietrich Rueschemeyer/Theda Skocpol (Hg.): Bringing the State Back In, Cambridge 1985, S. 107-163, S. 127: "The key to bureaucratic inertia in the 1920s and l930s can be found in the organizational and intellectual siranglehold that one ministry, the Treasury, had gained over all other government departments inside the British civil service." 80 Balogh, in: Hugh Thomas (Hg.), S. 14 und 17. Vgl. Chapman/Greenaway, S. 72; Fry, S. 56; H.R.G. Greaves: The Civil Service in aChanging State: A Survey of Civil Service Reform and the lmplications of a Planned Economy on Public Administration in England, London 1947, S. 46-55; Adrian Harn: Treasury Rules. Recurrent Themes in British Economic Policy, London 1981; Colin Thain: The Treasury and Britain's Decline, in: Political Studies 32 (1984), S. 581-595.
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geförderte "Gentleman-Mentalität", der Einfluß von "Producer Groups" (Gewerkschaften und Untemehmerverbände) wie eine vorwiegend auf die Erhöhung des Konsumpotentials und nicht auf verstärkte Investitionen gerichtete Wirtschaftspolitik, zu hohe und dann wieder zu geringe Staatsausgaben und Wirtschaftsplanung." Ganz allgemein zeigen sich Journalismus und Wirtschaftshistoriographie fasziniert von den Erscheinungen des Niederganges und Verfalls; speziell scheint sich der Mythos Treasury (wer hätte je von einer derartigen Verantwortung der Finanzministerien anderer Länder gehört?) besonders für Schuldzuweisungen aller Art zu eignen - angefangen mit dem Vorwurf des Premierministers Salisbury von 1900, durch ihre Tätigkeit sei Großbritannien schlecht für den Burenkrieg ausgerüstet gewesen"\ über ähnliche Anschuldigungen aufgrund der vermeintlich behinderten Wiederbewaffnung in den 1930er Jahren, um einmal nicht von den nahezu permanenten Attacken auf den wirtschaftlichen Einfluß der Finanzpolitik zu reden. Ebenso wie viele andere dieser Erklärungsmuster leidet die Verurteilung der Treasury daran, daß je nach ideologischer Grundlage widersprüchliche Begründungen für den unheilvollen Einfluß des Schatzamtes vorgebracht werden: Für die Linke (wie etwa Balogh) verhinderte die Obstruktion der Treasury eine durchgreifende Wirtschaftsplanung, die zur Überwindung der strukturellen Defizite der britischen Wirtschaft und Gesellschaft notwendig gewesen sei. Der neoliberalen Rechten (Buchanan, Tullock, Wagner et al.; Brittan) hingegen stand die keynesianische Treasury nach dem Zweiten Weltkrieg für zuviel Intervention und die Förderung der "Stop-and-go"-Wirtschaftspolitik, die das Wirken der Marktkräfte unterdrückt habe.
II. Kritik der Grundlagen der traditionellen Finanzpolitik durch Wirtschaftswissenschaften und Politik 1. Liberale Angriffe auf die traditionelle Finanzpolitik im Wahlkampf von 1929: Lloyd George und Keynes
Als nun einer der bestehenden Pfeiler wirtschaftstheoretischen und -politischen Denkens nach dem anderen sich als nicht mehr tragfähig erwies und in sich zusammenstürzte, wurde damit auch die Position der ihnen verbundenen Institutionen in Frage gestellt. Das Ende des Goldstandardes bedeutete für die Bank von England das Zurücksinken zu einer nur zweitklassigen, untergeord•• Vgl. Hall: Governing, S. 34ff., der einen Überblick über die verschiedenen Erklärungsmodelle gibt. 02 Roseveare, S. 184.
ll. Kritik der Grundlagen der traditionellen Finanzpolitik
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neten Macht im Gefüge der Wirtschaftspolitik." Ebenso entwickelte sich der Angriff auf die Maximen der traditionellen staatlichen Haushaltsführung zur Herausforderung an die Position der Treasury in der Politik und in der administrativen Struktur des Vereinigten Königreiches. Für den Wahlkampf 1929 konnte David Lloyd George seine Liberal Party, die enorm an den schon seit Anfang des Jahrhunderts schwärenden inneren Gegensätzen zwischen den sozialpolitisch progressiven "New Liberals" und den mehr traditionell orientierten "Old Liberals" litt, zu einer Art Schwanengesang vereinen. Lloyd George, vor dem Ersten Weltkrieg Vorkämpfer der so-zialreformerischen Kräfte in der liberalen Regierung Asquith, gelang es damit für kurze Zeit, die seit 1918 andauernde Spaltung der Partei noch einmal zu überwinden. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges war das bis dahin dominierende Zweiparteiensystem aus Liberalen "Whigs" und Konservativen "Tor-ies" alsbald von dem neuen Gegensatz zwischen Konservativen und Labour abgelöst worden, der mit Labours Sozialismus erheblich mehr ideologische Trennschärfe in die Auseinandersetzung brachte"\ und so die Partei Gladstones, als kleinste der drei um Wahlbezirke konkurrierenden Kräfte zusätzlich benachteiligt durch das Mehrheitswahlrecht, in die politische Bedeutungslo-sigkeit zurücksinken ließ. Um diesen Fall abzuwenden und sich selbst noch einmal in die Nähe der Regierungsverantwortung zu bringen, mußte Lloyd George dem Wahlvolk eine politische Programmatik präsentieren, die sich deutlich von der der größeren Parteien abhob, die andererseits jedoch nicht zu radikal sein durfte, um einmal nicht den nur mühsam bewahrten innerparteilichen Burgfrieden zu gefabrden, aber auch - da eine alleinige Mehrheit der Liberalen sehr unwahrscheinlich war - um möglichen Koalitionspartnern die Bindung an ihn nicht von vornherein unmöglich zu machen. Profilierungsgelegenheiten dieser Art konnte ein Programm bieten, das die beständige Arbeitslosigkeit und Mittel zu deren Abhilfe zum zentralen Thema
83 M. Normansagte 1937 auf einer Sitzung der Zentralbank-Gouverneure des Commonwealth: ,) am proud to think that I am a central banker, but I would also ask you to remernher that I am an instrument of the Treasury [...) When the goldstandardwas abandoned, there took place an immediate redistribution of authority and responsibility which deprived the Bank of some of its essential functions. Foreign exchange became a Treasury matter, and perhaps it still remains to be seen what other responsibilities pass with it from Threadneedle Street to Whitehall." Zit. nach Andrew BoyJe: Montagu Norman. A Biography, London 1967, S. 287. 84 Vgl. Alfred F. Havighurst: Britain in Transition. The Twentieth Century, ChicagalLondon 1979, S. 163ff.
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des Wahlkampfes machte: "The central domestic issue which confronts us is unemployment" ." Verkünden ließ Lloyd George das Programm in einem Pamphlet mit dem selbstbewußten Titel "We Can Conquer Unemployment".•• Darin hieß es, daß das Problem der Arbeitslosigkeit zu lösen sei, wenn es nur entschlossen und im selben Geist, mit dem Großbritannien auch die Probleme des Weltkrieges angepackt habe87, und mit dem Willen zur politischen Lösung angegangen werde. Es ist deutlich zu erkennen, daß Lloyd George darum bemüht war, beim Wähler positive Anklänge an seine Regierungszeit im Krieg hervorzurufen, als er erst als Schatzkanzler, als Minister of Munitions (eine Art ökonomischer Superminister), dann ab 1916 schließlich als Premier verantwortlich für die kriegsmäßige Organisation der Wirtschaft gewesen war, und nicht an seine Weiterführung der Kriegskoalition bis 1922, mit der er sich durch seinen autokratischen und wechselhaften Regierungsstil gründlich diskreditiert hatte... Während Lloyd Georges längerfristige Vorstellungen eher konventionell anmuteten (Freihandel, Friedenspolitik, Effizienzsteigerung der britischen Industrie), d.h. so oder ähnlich schon in früheren Wahlkämpfen und von anderen Parteien als Notwendigkeiten einer Reform der britischen Wirtschaft formuliert worden waren, brachte die Beteuerung einer effizienten kurzfristigen Möglichkeit zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit einen ganz neuen und zu " Liberal Manifesto [Lloyd Georges W ablaufruf für seinen Wahlkreis Caernarvon Boroughs] (,,Mr. Lloyd George's Election Address"), in: F.W.S. Craig (Hg.): British General Election Manifestos 1900-1974, London/Basingstoke 2 1975, S. 86-88, S. 87. •• Liberal Summer School: We Can Conquer Unemployment. Mr. Lloyd George's Pledge, London 1929. Die Vorschläge entsprangen der Zusammenarbeit zwischen Politikern, Industriellen und Ökonomen auf Einladung Lloyd Georges wie z.B. in der Liberal lndustrial Enquiry 1925 (Teilnehmer unter anderem: W.T. Layton, Hubert Henderson, Philip Kerr, Keynes, Ramsey Muir, B.S. Rowntree, Herbert Samuel, John Simon) und der Liberal Summer School. Vgl. Robert Skidelsky: Politicians and the Slump. The Labour Government of 1929-1931, London 1967, S. 51. Grundlage des Wahlprogrammes der vereinten Liberalen war die Publikation ,,Britain's lndustrial Future" von 1928, die bekannt wurde als "Yellow Book", für die das Executive Committee der Liberal lndustrial Inquiry verantwortlich zeichnete. Das Yellow Book beschrieb eingehend die Notwendigkeit wirtschaftlicher Reformen und begrenzter staatlicher Interventionen in die Wirtschaft bei Beibehaltung der privatwirtschaftliehen Organisation; Liberal Summer School: Britain's Industrial Future being the Report of the Liberal lndustrial Inquiry, London 1929. 87 We Can Conquer, S. 5: "The second essentialisthat the problern should be faced in the same spirit as the emergencies of the war. The suffering and waste caused by unemployment are as important as was the provision of munitions during the war." .. Vgl. Marwick: Britain, S. 193:"... Lloyd George remained in office long enough to discredit anything that might be described as dynamic leadership."
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diesem Zeitpunkt sensationellen Aspekt in den Wahlkampf: Lloyd George forderte zur raschen Schaffung neuer Arbeitsplätze ein großes, im wesentlichen durch staatliche Kreditaufnahmen finanziertes Programm (vor allem durch eine Road Loan von !:200 Mio.) öffentlicher Arbeiten (Straßenbau, Elektrifizierung, Landmeliorationen etc.). Durch zusätzliche staatliche Ausgaben von f145 Mio. in zwei Jahren sollten 350 000 Arbeitsplätze im ersten, 375 000 im zweiten Jahr entstehen. "In short, we advocate a simple policy of common sense and wise economy, which ... can be carried out without inflation and without increasing the scale of taxation." Die Kreditfinanzierung sollte dafür sorgen, daß keine Steuererhöhungen notwendig würden; auf längere Sicht sollte eine kostenneutrale Finanzierung durch die Einsparungen bei der Unterstützung der Arbeitslosen und zusätzliche Steuereinnahmen aufgrund der vermehrten Beschäftigung gewährleistet sein. Im Wahlkampf von 1929 mußte dieses Programm vor allem deshalb so viel Staub aufwirbeln, da sowohl die Konservativen als auch Labour mit einer Art ,,keine Experimente"Strategie'•- insbesondere im finanzpolitischen Bereich - vor den Wähler traten, erstere wohl aus programmatischer Unsicherheit zu einer Zeit des heftigen innerparteilichen Streites um die Zukunft der Wirtschaftspolitik und aus der Furcht des regierenden Premiers Baldwin heraus, sich auf eine der streitenden Gruppierungen festlegen zu müssen (etwa in der Frage von Empire Free Trade).90 Labour hingegen vermied in einem seltsam uninspirierten Wahlprogramm, das in seinen Forderungen zur Wirtschaftspolitik in Allgemeinplätzen verharrte, peinlich jeden Anstrich des Unsoliden oder gar Revolutionären; mit einem utopischen Vergesellschaftungswunsch im Hinterkopf war die Partei um MacDonald und Snowden in ihren konkreten Politikvorstellungen zur Abhilfe der drängenden Probleme der Arbeitslosigkeit deutlich erkennbar in eine Sackgasse geraten:• Die Reaktion auf das Wahlprogramm der Liberalen ließ es dann auch auf keiner Seite an deutlicher Ablehnung fehlen. Während etwa die Gewerkschaften des TUC zumindest in Teilen begannen, die Auswirkungen einer expansiveren Haushaltspolitik positiver einzuschätzen... läßt sich aus dem Gegen•• [... ] die Wahl vom Mai 1929 [wurde] die am wenigsten dramatische des 20. Jahrhunderts [ ... ] Die Hauptparole 'Safety first!' war ohnhin nicht dazu angetan, Leidenschaften zu erregen." Kurt Kluxen: Geschichte Englands. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Stuttgart '1985, S. 773. 90 Vgl. Keith Middlemas/John Barnes: Baldwin. A Biography, London 1969, S. 545. 91 Vgl. Marquand: MacDonald, S. 520. 92 Auf der Parteikonferenz Labours im Herbst 1929 in Brighton versuchte Bevin auf J.H. Thomas, Lord Privy Seal der Regierung mit besonderer Verantwortung für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, einzuwirken und ihm die Vorteile eines großen
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pamphlet "How to Conquer Unemployment" Labours gegen Lloyd Georges Wahlkampfschrift die ultra-orthodoxe Handschrift des früheren Schatzkanzlers Snowden erkennen: "Madcap Finance" sei das Programm und die Vorstellung, es ohne zusätzliche Kosten finanzieren zu können, schiere "financial lunacy"!' MacDonald meinte, der Lloyd-George-Plan erinnere ihn an"[ ...] a religious tract subedited by Satan"94, eine Äußerung, die Bände spricht über die Einstellung der politischen Klasse gegenüber Lloyd George Ende der 1920er Jahre. Man wird bei allen Äußerungen führender Labour-Politiker zur Geld- oder Finanzpolitik sicher in Rechnung stellen müssen, daß diese aus dem vermeintlich sicheren Wissen um die Furcht internationaler Anleger vor einer sozialistischen Regierung heraus in ihrer Wortwahl besonders vorsichtig waren und wohl übertrieben solide erscheinen wollten, um den Weltfinanzplatz London und vor allem den Bestand ausländischer Geldanlagen in der ohnehin prekären Situation der Finanzmärkte nicht zu gefährden. Andererseits war es nicht nur Churchill als Nachfolger und Vorgänger Snowdeos als Schatzkanzler, dem dieser geradezu wie ein Hohepriester der finanziellen Orthodoxie erschien, so daß neben einer auf äußere Zwänge reagierenden Vorsicht zumindest bei Snowden auch tiefste innere Überzeugung in der Ablehnung "unsolider" Finanzpolitik zum Vorschein kam!' Auch Baldwin, als Straßenbau- und Häfenmodernisierungsprogrammes darzulegen. Ebenso legte er Snowden nahe, eine Untersuchung über das Bankensystem und den Zusammenhang von Finanzpolitik, Löhnen und Arbeitslosigkeit einzusetzen. Alan Bullock: The Life and Times of Ernest Bevin. Volume 1: Trade Union Leader 1881-1940, London 1960, s. 418. •> Labour Party: How to Conquer Unemployment. Labour's Reply to Lloyd George, London 1929, S. 9/10. .. Zit. nach Robert Skidelsky: Oswald Mosley, London/Basingstoke 1975, S. 175. •> "We must imagine with whatjoy Mr. Snowden was welcomed at the Treasury by the permanent officials. All British Chancellors of the Exchequer have yielded themselves, some spontaneously, some unconsciously, some reluctantly tothat compulsive intellectual atmosphere. But here was the High Priest entering the sanctuary." Winston S. Churchill: Great Contemporaries, London 1937, S. 293. Snowden charakterisierte seine Auffassung von den Aufgaben des Schatzkanzlers 1924 so: ,,It is not part of my job as the Chancellor of the Exchequer to put before the House of Commons proposals for the expenditure of public money. The function of the Chancellor of the Exchequer, as I understand it, is to resist all demands for expenditure made by bis colleagues and, when he can no Ionger resist, to Iimit the concessions to the barest point of acceptance." HoC Deb. 176, 30. Juli 1924, cols. 2091-2. Vgl. Clarke: Keynesian Revolution, S. 33: "Philip Snowden ... would no more have dreamt of budgeting for a deficit than of going into a public house; Churchill was constantly taking the pledge because he knew to bimselftobe so susceptible to temptation. Niemeyer' s aim was to paint the Chancellor into a corner with ineluctable commitments. If the balanced budget convention was ultimately an ideological constraint rather than a finan-
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Führer der Konservativen, lehnte ein großes Programm öffentlicher Arbeiten zur Linderung der Arbeitslosigkeit rundheraus ab, brachte jedoch neben dem Unverständnis für die dahinterliegende ökonomische Theorie ein neues Argument vor, das in der Folgezeit immer wieder gegen derartige Vorschläge verwendet wurde (und dessen Bedeutung später noch zu analysieren sein wird). Ein derartiges Programm sei nicht praktikabel, da ohne längere Vorausplanung eine solche Menge an Investitionsprojekten nicht zu finden sei und die Erfahrung aus dem Krieg gezeigt habe, daß es nichts unwirtschaftlicheres gebe, als die hastige Erfüllung von Staatsaufträgen durch die Privatwirtschaft... 2. Keynesianische Kritik bis 1931
Während die finanzpolitisch expansive Stimmung in der Liberalen Partei den Wahlkampf von 1929 nicht überlebte97 , bekamen die Forderungen nach cial discipline, it was one to which the Treasury fll1l1ly clung in the late 1920s and with which they periodically chastised their profligate master." 96 Baldwin in einer Wahlkampfrede in Leicester am 21.3.1929: (Über das Straßenbauprogramm) ,.To suggest that such a sum as ;(145 millians ... can be spend - and is of no use for employment if it is merely allotted - in one or two years is absolutely impracticable [... ] There is nothing more uneconomical, as we learned necessari1y in the war, than to rush large programmes of contract work. Plant of a costly type, redundant to normal needs, has to be bought or hired. The demand for material rapidly outruns supply, competition in contracts is largely eliminated, and prices are forced up. These objections apply ... most forcibly in road and engineering contract work. In work of that kind the most important feature is the making of surveys, the passing of plans, and the making of calculations for all the engineering contingencies which may arise. Aceeieration can only be possible if wartime expedients are adopted and the whole matter taken out of the hands of local authorities and done by direct action [ ... ]" Die Kredite zur Finanzierung des Schemas müßten kommen aus .,[ ... ]resources that are in existence lying idle; and do you know anybody that has got one hundred million doing nothing at the present moment because I do not." Zit. nach Middlemas, Barnes, S. 185. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang jedoch die abweichende Äußerung Beaverbrooks (Brief an Robert Borden, 26.3.1929): ,.Lloyd George' s unemployment scheme is sound and has raised a Iot of enthusiasm." Zit. nach A.J.P. Taylor: Beaverbrook, London 1972, S. 259. 97 Im Wahlkampf von 1931 hoben beide liberale Parteien (die National Liberals unter der Führung John Simons, die sich dem National Government angeschlossen hatten, und die oppositionellen Liberalen um Herber! Samuel) die Bedeutung einer soliden Finanzpolitik inklusive ausgeglichener Budgets hervor. Vgl. National Liberal Manifesto (,.A National Call to Liberals: Sir John Sirnon on the Need for National Unity"), in: Craig (Hg.): Manifestos, S. 93-94 und Liberal Manifesto (,.Liberal Address to the Nation"), ebd. S. 99-100.
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einem staatlichen Eingreifen in den konjunkturellen Verlauf durch kreditfinanzierte erhöhte Ausgaben aufgrund der Verbindung mit einer Ende der 1920er Jahre an Boden gewinnenden neuen Entwicklung des Denkens in der Ökonomie über die Grenzen des freien Marktes eine Eigendynamik, die sie in der öffentlichen Diskussion durch die 30er Jahre hinweg am Leben erhielten. Vor allem Keynes war der Protagonist dieserneuen Wirtschaftswissenschaft, die an den alten Dogmen zu rütteln begann, bis sie sie zum Einstürzen brachte und ein neues Gedankengebäude an die Stelle des alten setzte. Diese sogenannte "Keynesianische Revolution" ist indes getrennt für zwei unterschiedliche - wenn auch verbundene - Sphären zu analysieren: da ist einmal die wissenschaftliche Umwälzung, d.h. die Überwindung wesentlicher Elemente der klassischen Ökonomie (deren revolutionärer Charakter weitgehend unbestritten ist). Das zweite Stadium der ,,Revolution", um das es im Rahmen dieser Untersuchung im wesentlichen geht, ist das Einfließen der wissenschaftlichen Neuerung in den (wirtschafts-) politischen Bereich. Dieser zweite Punkt ist nun allerdings binsiebtlieb seiner revolutionären Ausprägung höchst umstritten (mit der Frage, ob die Veränderungen von Finanzpolitik und Wirtschaftspolitik zwischen etwa 1930 und 1950 eine Revolution und gar eine solche keynesianischer Art darstellten), ebenso wie bezüglich seines Entwicklungsprozesses und seines Zeitpunktes." •• Zu den Charakteristika einer wissenschaftlichen Revolution siehe Thomas S. Kuhn: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, Frankfurt/Main 1973 und John Hicks: 'Revolutions' in economics, in: Spiro Latsis (Hg.): Method and Appraisa1 in Economics, Cambridge 1976, S. 207-218, für den die .,Keynesianische Revolution" eine der wenigen großen Veränderungen der Ökonomie darstellt. Zu Keynes und der von ihm ausgelösten wissenschaftlichen Revolution siehe etwa J.C. Gilbert: Keynes's impact on monetary economics, London 1982, S. 24-33 (Kapitel 3); T.W. Hutchison: On revolutions and progress in economic knowledge, Cambridge 1978, S. 121. Die Rolle Keynes' in der wirtschaftswissenschaftlichen Umwälzung stellen jedoch Elisabeth S. Johnson/Harry G. Johnson.: The Shadow of Keynes. Understanding Keynes, Cambridge and Keynesian Economics, Oxford 1978, S. 242 und Axel Leijonhufvud: Über Keynes und den Keynesianismus. Eine Studie zur monetären Theorie, hgg. von Gerard Gäfgen, Köln 1973 (S. 395ff.), in Frage. Zur Trennung der .,Keynesianischen Revolution" in zwei Bereiche siehe James Meade: The Keynesian Revolution, in: Milo Keynes (Hg.): Essays on John Maynard Keynes, London 1975, S. 82-88, der gleichzeitig vehement auch für das Diktum einer politischen Revolution eintritt (S. 87). Ähnlich Clarke: Keynesian Revolution; Peter Oppenheimer: Muddling Through: The Economy, 1951-1964, in: Vernon Bogdanor/Robert Skide1sky (Hg.): The Age of Affluence 1951-1964, London 1970, S. 117-167; D.E. Moggridge: Economic Policy in the Second World War, in: Milo Keynes (Hg.), S. 177-201, S. 187f.; Winch. Das Wirken einer .,Keynesianischen Revolution" in der Wirtschaftspolitik überhaupt bezweifeln hingegen Alan Booth: British Economic Policy, 1939-49. Was There a Keynesian Revolution? London 1989; Jim Tomlinson: Problems of British Economic
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Keynes' Argumente gegen die Wiedereinführung des Goldstandardes hatten sieb noch vollständig von einer klassischen wirtschaftswissenschaftlieben Basis ausgehend entwickelt; im Umfeld der Diskussionen um das liberale Wahlprogramm beganner-anfangs noch vorsichtig - sieb von dieser zu entfernen. Gemeinsam mit dem Oxford-Ökonomen Hubert Henderson verfaßte er zur Unterstützung des liberalen Wahlkampfes die Schrift "Can Lloyd George Do It?"99, deren im Titel gestellte Frage die Autoren positiv beantworteten. Nach der anschließenden Wahlniederlage der Liberalen 1929"10 setzte Keynes die Werbung für seine Positionen im Macmillan-Committee fort. das er zeitweise in eine Art ökonomisches Seminar umfunktionierte, um dort seine wirtschaftstheoretischen Standpunkte und die daraus zu ziehenden politischen Schlußfolgerungen zu präsentieren, die er im selben Jahr 1930 in der "Treatise on Money" 101 veröffentlichte. Die Treatise bildet den Abschluß eines Denkprozesses, während dessen Keynes seinen Kollegen der ökonomischen Profession (vor allem aus Cambridge) noch eng verbunden blieb: "His exposition of the theory of the Treatise to the Macmillan Committee in 1930 marks the birth of the Keynesian economics and the start of the Keynesian revolution in policy-making."102 Die Jahre nach der Finanzkrise und der Abkehr vom Goldstandard wiesen dann schon auf das theoretische Hauptwerk Keynes', die "General Theory" hin, mit dem er ganz und gar mit der wirtschaftswissenschaftlichen Orthodoxie brach. Zwischen 1931 und 1933, unmittelbar nach der Finanzkrise, hielt sich Keynes für etwa 18 Monate auffällig aus der öffentlichen Diskussion fern, einmal sicher, um die Kritik an der Treatise für seine Wirtschaftstheorie zu verarbeiten, dann, weil mit dem Zusammenbruch des Goldstandardes die wesentliche Grundlage seiner Argumentation bis zu diesem Zeitpunkt entfallen war, aber auch, da nach dem Regierungsantritt des National Government und den vernichtenden Wahlniederlagen der Liberalen
Policy 1870-1945, London, New York 1981; Ders.: Why was there never a Keynesian Revolution in economic policy? in: Economy and Society, 10 1981, 72-87. Siehe dazu im Abschnitt C. dieser Arbeit Kapitellll. 5. 99 In: Keynes: Essays, S. 86-125. 100 Die Liberalen erreichten zwar 5 308 738 Stimmen (gegenüber 8,6 Mio. für die Konservativen und 8,3 Mio. für Labour), aber nur 59 Sitze im Unterhaus, obwohl sie für jeden Wahlkreis einen Kandidaten nominiert hatten. 101 John Maynard Keynes: A Treatise on Money, in Two Volumes. 1 The Pure Theory of Money. The Collected Writings of John Maynard Keynes, Volume V. London/Basingstoke 1971 (!.Auflage 1930); Ders.: A Treatise on Money, in Two Volumes. 2 The Applied Theory of Money. The Collected Writings of John Maynard Keynes, Volume VI. London/Basingstoke 1971 (!.Auflage 1930). 102 Skidelsky: Keynes Vol. ll, S. xxvi.
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und Labours 1931 ihm jedes politische Vehikel fehlte 103, um gegen die konservative Dominanz anzugehen. Im übrigen schadete Keynes in den dreißiger Jahren seine enge Bindung an den politisch mit dem Ruf der äußersten Unzuverlässigkeit behafteten Lloyd George, die ihm vor allem in der Treasury übelgenommen wurde. 104 Keynes' Äußerungen in der Zwischenkriegszeit wurden dennoch seitens der Treasury stets auffallend ernst genommen, nicht nur, da er durch seinen Dienst im Ersten Weltkrieg an führender Position Insiderlos und dadurch mit den internen Abläufen der Finanzpolitik vertraut war. Zudem hatte Keynes einige persönliche Verbindungen in das Schatzamt, mit Hawtrey und seinem "friend and admirer" Basil Blackett, der dort bis 1922 Controller of Finance war106, und stand der Treasury (vor allem in Wechselkurs- und Devisenfragen) häufiger als eine Art inoffizieller Ratgeber zur Seite. Darüber hinaus stießen Keynes' scharfe Attacken - so auf die Reparationsforderungen bei den Friedensverhandlungen in "The Economic Consequences of the Peace" und auf die Folgen der Rückkehr zum Goldstandard in "The Economic Consequences of Mr Churchill" - in der Öffentlichkeit auf große Resonanz und spielten überdies in der politischen Kontroverse eine Rolle, so daß auch das Schatzamt sie nicht ignorieren konnte. Keynes war dabei als überzeugtem Liberalen gerade am Erhalt des bestehenden marktwirtschaftliehen Systems durch dessen Verbesserung gelegen, so daß seine Reformvorschläge nicht als gefahrliehe Utopien eines Radikalen oder Umstürzlers abzutun waren. Aus den Treasury-Akten im Public Record Office ist deutlich zu ersehen, wieviel Zeit das Schatzamt der internen Diskussion der Schriften Keynes' widmete, der in der Zwischenkriegszeit dort allem Anschein nach als eine Art permanenter Stachel im eigenen Fleisch empfunden wurde. Das Macmillan-Committee (Committee on Finance and Industry) traf sich nach seiner Ernennung (am 5. 11. 1929) zum ersten Mal am 21. November. Nach Keynes' Aufzeichnungen fanden 100 Sitzungen statt. Im Zuge seiner Bemühungen, die Ergebnisse der Arbeit des Komitees zu beeinflussen, legte Keynes in 5 "private meetings" im Februar und März 1930 seine theoretischen und praktischen Erkenntnisse zur Geldpolitik dar, die den Gedanken der 103 Vgl. Philip Williamson: National Crisis and National Government. British politics, the economy and Empire, 1926-1932, Cambridge 1992, S. 470. 104 Vgl. Derek H Aldcroft: The British Economy. Volume 1: The Years of Turmoil 1920-1951, Brighton 1986, S. 102; Clarke: Keynesian Revolution, S. 100. los Keynes leitete im Krieg die Devisenabteilung des Schatzamtes. 106 Skidelsky: Keynes, Vol. II, S. 19.
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Treatise entsprachen. Die Darlegungen Keynes' in den "private meetings" sind die erste Äußerung einer (nicht-sozialistischen) fundamentalen Kritik an der orthodoxen Geld- und Finanzpolitik und ihren theoretischen Grundlagen. 107 Dadurch kam ihnen in der Entwicklung des Treasury View, der Abwehrstrategie des Schatzamtes gegen diese Kritik, eine besondere Bedeutung zu: während die Forderung nach höheren Staatsausgaben in der Art Lloyd Georges noch wirksam als Wahlkampfgetöse eines unsoliden Politikers abgetan werden konnte, erwuchs der Treasury hier ein Gegner, der die Grundlagen nicht nur ihrer Politik, sondern darüber binaus ihrer Position als "Hüterin" der nationalen Finanzen in Frage stellte. Im ersten "private meeting" am 20. 2. 193010' stellte Keynes den anderen Mitgliedern des Komitees den Mechanismus dar, durch den die Bank von England Zahlungsbilanzungleichgewichte ausgleichen konnte. Das einzige Mittel dazu sei die Bank Rate, der Refinanzierungszins der Banken bei der Zentralbank. Durch Veränderungen der Bank Rate (in diesem Falle durch eine Erhöhung) sollten zum einen ausländische Gelder angezogen werden (zum Ausgleich kurzfristiger Schwankungen), vor allem aber eine Reaktion der Preise nach unten erreicht werden, um so die Wettbewerbsfabigkeit der Exportindustrie zu erhöben. Es gebe zwei Wege, so Keynes, das Preisniveau zu senken: Einmal könne die Effizienz (Produktivität) erhöht werden, mit der Folge sinkender Produktionskosten. Eine gewisse Zeit könne die Industrie allerdings ibre Produkte auch zu einem nicht-rentablen Preis (sogar unterhalb der Produktionskosten) verkaufen. Im Prinzip jedoch seien die "Wages" (eine weitgefaßte Definition, die etwa auch die Unternehmergewinne enthielt) die einzige Variable, die der Unternehmer zur Kostensenkung verändern könne, und auf die die Bank somit Einfluß nehmen müsse. Mit der Erhöhung der Bank Rate verteuerten sich die Investitionen des Unternehmens, bei normaler Reaktion würden die Gewinne sinken, es erfolge ein Anpassungsprozeß, bei dem die Nachfrage nach Arbeit zum gegenwärtigen Preis sinke: Arbeits107 Laut Lord Kaldor: Keynes as an Economic Adviser, in: A.P. Thirlwall (Hg.): Keynes as a Policy Adviser. The Fifth Keynes Seminar held at the University of Kent at Canterbury 1980, London/Basingstoke 1982, S. 2-27, S. 8, ist das makroökonomische Modell, das Keynes in seinen Ausführungen vor dem Macmillan-Komitte vorstellte, dem der Treatise und in mancher Hinsicht gar dem der General Theory überlegen. 108 Committee on Finance and lndustry, Note of discussion on Thursday, 20 February 1930, in: The Collected Writings of John Maynard Keynes. Valurne XX: Activities 1929-1931. Rethinking Employment and Unemployment Policies, hgg. von Donald Moggridge, London/Basingstoke 1981 (im folgenden zitiert als: JMK XX), S. 38-66.
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losigkeit würde entstehen. Die bisherige Vorstellung sei nun davon ausgegangen, daß als Anpassung auf die nachlassende Arbeitsnachfrage deren Anbieter ihren Preis senken würden und so das Gleichgewicht bei niedrigeren Geldlöhnen (da das gesamte Preisniveau sinkt, entwickeln sich die Reallöhne anders) und damit niedrigeren Produktionskosten sich einstellen würde. Historische Evidenz habe allerdings gezeigt, daß die Geldlöhne kaum nachgaben (kaum eine Flexibilität nach unten zeigten), anders als es die klassische Theorie wollte, und anders, als sich die Autoritäten bei der Wiedereinführung des Goldstandardes und der dafür notwendigen Hochzinspolitik vorgestellt hatten. " ...the use of the Bank rate to bring us to the true equilibrium rests on the assumption that money wages are not fixed, that they are reasonable fluid and responsive to unemployment. Since 1924 money wages have remained for all practical purposes fixed. "'09 Am folgenden Tag110 begann Keynes dann, seine eigentlich innovativen theoretischen Überlegungen zu den Ursachen der wirtschaftlichen Misere vorzutragen: die Größe der gesamtwirtschaftlichen Sparmenge ("amount of savings") und der gesamtwirtschaftlichen Investitionsmenge ("amount of investment") würde nicht automatisch durch das Wirken des Zinsmechanismus ausgeglichen, d.b., daß es sog. "idle balances" - brachliegende Spargelder geben könne, die nicht zur Finanzierung neuer Investitionen genutzt würden. Dadurch werde gesamtwirtschaftlieb zu wenig investiert, um eine ausreichend hohe Wirtschaftsleistung zu erreichen und auf diese Weise zu einem Zustand der Vollbeschäftigung zu gelangen. Keynes zweifelte damit das Wirken des Say'schen Theorems an, nach dem Sparen und Investitionen immer gleich sein müssen' 11 , einen bis dahin in der Ökonomie kaum in Frage gestellten Zusammenhang. "There is no reason in the world" erklärte Keynes, "why those two things, the net amount of our export balance, plus the cost of production of bricks and mortar at home [i.e. die Investitionen], should add up to 109 Committee on Finance and lndustry, Note of discussion on Thursday, 20 February 1930, in: JMK XX, S. 64. 11° Committee on Finance and lndustry, Note of discussion on Friday, 21 February 1930, in: JMK XX, S. 66-93. m Das Say'sche Theorem läßt sich folgendermaßen ableiten: Der Gesamtwert der Wirtschaftsleistungen in einer Zeitperiode ist gleich dem daraus entstehenden Einkommen, das den Wert darstellt, diese Wirtschaftsleistung (Output) zu kaufen. Da Einkommen nur entweder für Konswn oder Investitionen ausgegeben werden kann, ergibt sich, daß Output gleich Einkommen gleich Konsum plus Investitionen ist; diese Gleichung wiederum anders aufgelöst liest sich so: Investitionen sind gleich dem Einkommen weniger dem Konsum. Dies ist nun wieder die gleiche Definition wie für das Sparen.
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tbe amount which individuals have saved [...] The decisions are made by quite different sets of people. They are made to a great extent at different moments of time[ ...] When people call for more savings what tbey ought to do is to call for more investment. What men get rieb by is not by their money savings, but by having more railways, roads and similar investments. There is no otber way of getting rieb. When tbese processes are not going on pari passu witb savings, tben somebody has to lose; and in our economic system tbe loser is tbe business man; and as he is tbe driving force of tbe machine, as soon as you put him in tbat position, unemployment will result." Das Auseinanderfallen von Sparmenge und Investitionen ergab sich für Keynes dadurch, daß er zwischen dem Vorhaben der Individuen zu sparen, zu konsumieren und zu investieren unterschied, das nur zufällig übereinstimmen könne' 12, und dem Ausgleich nach Vollzug der jeweiligen Handlungen durch den Zinsmechanismus.113 Auf die Frage Brands: "What happens to my savings?" antwortete Keynes: "The fact tbat you do not spend that money means that some business man fails to sell you sometbing he hoped to sell you and has to accept a lower price, and is, tberefore, poorer by tbe exact amount tbat you are richer."'" In der Treatise erklärte Keynes weiter, daß dieser Preisrückgang die Kaufkraft der Volkswirtschaft erhöhe, die daher um das selbe Maß mehr konsumieren könne, auf das der Sparer verzichtet habe. Wenn die anderen jedoch ebenfalls sparten, habe das nur die Folge, daß sich ihre Kaufkraft weiter erhöhe. Während die Sparer also reicher würden um das Maß ihres Sparens, verlören die Produzenten von Konsumgütern, die zu einem niedrigeren Preis verkaufen müssen, um dasselbe Maß. Wenn nun das Sparen von Investitionen im selben Umfang begleitet werde, gleiche dies den Rückgang der Konsumausgaben aus; das Gleichgewicht bleibe beim vorher bestehenden Preisniveau. "Now if tbe decisions as to tbe proportians of tbe flow of future outputtobe in available and in non-available form respectively at a given date were to be made by tbe same people who decide how much is to be 'saved' at tbat date, no trouble would arise. But if they are made - as in fact they are - by different people, then ... tbe net increment to the capital wealtb of tbe community as a whole will differ to a certain extent...from tbe aggregate of the cash savings of
" 2 "Tbere need be no feeling of paradox about this when we remernher that income does not include profits or losses, and that it is these which represent the mysterious difference between savings and the value of investment." Keynes: Treatise 1, S. 158. 113 Vgl. Michael Stewart: Keynes and Mter, London '1991, S. 85: "Tberefore what businessmen actually invest will always be equal to what families actually save. But what businessmen want to invest, and what families want to save, is quite a different matter." 114 Committee on Finance and lndustry, Note of discussion on Friday 21 February 1930, in: JMK XX, S. 80.
s Otto
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individuals ...""' Das Dilemma der derzeitigen Situation im Goldstandard sei, daß der Zins nicht wie in einer geschlossenen Wirtschaft auf ein Niveau falle, das nützliche Investitionen rentabel mache, und damit einen Ausgleich von Sparen und Investitionsnachfrage zu einem Vollbeschäftigungsgleichgewicht schaffe, sondern, daß der Zins, um ausländischen Anleger anzulocken, zu hoch gehalten werden müsse. Dies waren für Keynes die realwirtschaftlichen Konsequenzen dessen, was er theoretisch zu erklären versucht hatte. 116 Keynes stellte mit dieser Argumentation nicht nur einen der Grundsätze der klassischen Ökonomie in Frage, sondern darüber hinaus einen der allgemein-moralischen (viktorianischen) Grundsätze der Gesellschaft, nach dem Sparen das "tugendhaftere" und der Gemeinschaft wie dem einzelnen nützlichere Verhalten sei gegenüber der Ausgabe zum Konsum' 17, was seinen Aussagen um so mehr Brisanz verlieh. In der Sitzung am 28. Februar"' ging Keynes dann auf die notwendigen politischen Maßnahmen zur Bereinigung des Ungleichgewichtes ein, das nach seiner (zu dieser Zeit jedoch allgemein geteilter) Einschätzung darin bestand, daß es seit dem Krieg eine entgegengesetzte Entwicklung von steigenden bzw. nach unten unflexiblen Kosten (vor allem Löhnen) und sinkenden Preisen (also Erlösen der Unternehmer) gegeben habe. Dieses Ungleichgewicht habe zu verringerten Unternehmergewinnen und damit nicht realisierter Wirtschaftsleistung und in der Folge Arbeitslosigkeit geführt. Er stellte sieben Klassen von Lösungsmöglichkeiten vor: die erste Klasse sei eine Neubewertung der Parität vom Pfund Sterling zum Gold. Damit meinte er allerdings ausdrücklich nicht ein Abgeben vom Goldstandard, das er zu diesem Zeitpunkt nicht befürwortete, entgegen den Vorstellungen Bevins, dem zweiten politischen Schwergewicht im Macmillan-Committee."9 Selbst die Abwertung des Pfundes sei unrealistisch, da sie anders als noch 1925 mit schwerwiegenKeynes: Treatise 1, S. 156ff. Committee on Finance and Industry, Note of discussion on Friday 21 February 1930, in: JMK XX, S. 80. 117 Vgl. Harald Scherf: Marx und Keynes, Frankfurt/Main 1986, S. 72: .Jm Gegensatz zur klassischen Theorie sorgt der Zinssatz nach Keynes nicht zum Ausgleich von Ersparnis und Investition, vielmehr paßt sich das Volkseinkommen den Konsum- und Investitionsentscheidungen so an, daß Ersparnis und Investition gleich werden, auch auf Kosten der 'Vollbeschäftigung'. Sparen verliert damit viel von seinem 'Tugend'Charakter, der ihm über die individuelle Vorsorge hinaus im Aufbau des Industriestaates [...] zugeschrieben wurde; der Rentier wird zu einer fragwürdigen Gestalt, zumindest bei 'zu hohen' Zinssätzen[ ... ]" 118 Committee on Finance and lndustry. Note of discussion on Friday, 28 February 1930, in: JMK XX, S. 94-117. 119 Vgl. Bullock: Bevin, Vol. I, S. 431. 115
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den Störungen des Finanzmarktes verbunden sein würde und von der Regierung abgelehnt werde. Eine zweite Möglichkeit war für Keynes eine allgemeine Reduktion der Geldeinkommen, um so die Unternehmergewinne steigen zu lassen. Wenn er dies auch für die theoretisch ideale Lösung hielt, was seine Anhindung an die klassische Theorie zu diesem Zeitpunkt zeigt, sei sie praktisch jedoch nicht durchzusetzen. Ebensowenig praktikabel wie eine Reduktion der Geldeinkommen sei die Kostensenkung der Unternehmen durch ein System von Subventionen, die dritte Lösung. Die vierte Maßnahme, Steigerung der Produktivität, sei zwar eine sehr reale, jedoch nur langfristig wirksame Möglichkeit. Sodann vollzog Keynes einen spektakulären Rückzug von seiner bisherigen Unterstützung eines Freihandelssystems: Auch Protektionismus sei eine wirksame Maßnahme, da mittlerweile wichtige Argumente, die früher für den Freihandel sprachen, ihre Kraft verloren hätten, etwa daß Schutzzölle einer bestimmten Gruppe von Unternehmen auf Kosten der anderen helfen würden (da diese durch höhere Importpreise Kostensteigerungen zu verkraften haben), denn genau diese Hilfe sei für die Exportindustrien im Moment notwendig. Außerdem gelte für den Freihandel das gleiche wie für die Bank Rate. "[...] it works beautifully in a fluid system. But supposing we get jammed at the point of unemployment, the alternative for a time may be between producing more motor cars or producing nothing. " 120 Am 6. März121 nahm Keynes dann mit seiner Darstellung der sechsten Lösungsmöglichkeit122 das Thema des Wahlkampfes wieder auf: "The sixth remedy [... ] attempts to restore equilibrium not by increasing foreign investment but by increasing home investment. As I have already indicated, this is my own favourite remedy - the one to which I attach much the greatest importance." Es gebe vier Möglichkeiten, wie die Arbeitslosen in Beschäftigung gebracht werden könnten: indem sie zusätzliche Exportgüter (durch die Kostensituation unwahrscheinlich), Importsubstitutionsgüter (durch Protektion), zu120 Allerdings schränkte Keynes seine Befürwortung protektionistischer Maßnahmen am 6. März wieder ein: .J am frightfully afraid of protection as a long-term policy; I am sure it is radically unsound, if you take long enough view, but we cannot afford always to take long views, and I am almost equally clear that there are certain shortrun advantages in protection." 12 1 Committee on Finance and lndustry. Note of Discussion on Thursday 6 March 1930, in: JMK XX, S. 119-148. 122 Die siebte und letzte Kategorie von Lösungen war für Keynes die dringend notwendige Adaption einer Politik der internationalen Zusammenarbeit der Zentralbanken "[ ... ]not only to prevent a further fall in international prices, but I should say also to raise prices to a parity with the international Ievel of money incomes and with the international Ievel of money costs of production." Committee on Finance and lndustry, Note of Discussion on Friday 7 March 1930, in: JMK XX, S. 148-157, S. 151.
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sätzliche Konsumgüter (durch geringeres Sparen), vor allem aber zusätzliche Investitionsgüter für den Binnenmarkt produzierten. Gegen eine künstliche Stimulierung von Binneninvestitionen würden nun gemeinhin zwei Einwände vorgebracht: Zum einen durch den sogenannten Treasury View, nach dem dies nur eine Verlagerung von privaten auf staatlich geförderte, aber keine neuen Investitionen bringen würde. "I fancy that the belief that something of that kind is true, or the suspicion that it may be true, has very largely influenced the actual policy, both of the late Chancellor of the Exchequer and of the present Chancellor of the Exchequer. I believe all the same that it is a purely logical delusion, without any foundation at all in sound thinking [... ] I believe that this doctrine is fundamentally based on a failure to make the distinction which I have been trying to make between savings and investments [... ] The assumptions from which the Treasury view follows also prove that there is and can be no unemployment. The Treasury view only demonstrates that home investment is not a eure for unemployment. by ftrSt of all assuming - in effect - that there is no unemployment to eure. lt is not at all surprising that anyone should hold that view, because practically all economic treatises do assume in most of their chapters that unemployment, except of a merely transitory character of which one need take no serious account. is an impossibility. " 121 Finanzieren ließen sich die zusätzlichen Investitionen einmal durch die Einsparungen bei Zahlungen für die Arbeitslosen und deren höheren Konsum bei Beschäftigung und aus den durch Schließen der Lücke zwischen Sparen und Investitionen entstehenden Gewinnen der Unternehmen, d.h. durch die Verwendung der "idle balances" für investive Zwecke mittels staatlicher Kreditaufnahme. Allerdings könne die Bank of England durch eine weiterhin restriktive Geldpolitik dafür sorgen, daß der Treasury View sich bewahrheiten würde, denn nur bei einer reichlichen Liquiditätsversorgung der Wirtschaft würden staatliche Kredite nicht zur Verdrängung privater Kreditaufnahmen führen. Der zweite Einwand sei, daß es für derartige Investitionen keine geeigneten (lohnenden und produktiven) Objekte gebe. Dem sei zu entgegnen, daß gerade die hohe Bank Rate (zu diesem Zeitpunkt 5%) viele Investitionen nicht lohnend werden lasse, da so jede Investition, um auf dem Markt getätigt zu werden, mindestens ebenfalls fünf oder mehr Prozent abwerfen müsse. Neben einigen Möglichkeiten, den Markt dazu zu bringen, die Investitionstätigkeit zu erhöhen (etwa durch Besteuerung von Geldanlagen im Ausland), müsse vor allem der Staat seine Ausgaben erhöhen bzw. geplante Ausgaben vorziehen.
Committee on Finance and lndustry. Note of Discussion on Thursday 6 March 1930, in: JMK XX, S. 130. 121
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Keynes ging mit seinen Darstellungen vor dem Macmillan-Committee einen bedeutenden Schritt weiter, als andere Kritiker der Untätigkeit der Regierung, die ebenfalls für eine Ausweitung der Public works plädiert hatten; er formulierte eine theoretisch fundierte Begründung dafür, daß das gesamtwirtschaftliche System in seiner augenblicklichen Strukturierung nicht funktionieren könne, d.h. daß die in der klassischen Ökonomie so hochgehaltenen Selbstheilungskräfte des Marktes nicht greifen und ein Vollbeschäftigungsgleichgewicht produzieren konnten. Die daraus abgeleitete Folgerung ist eindeutig: Wenn der Staat sich nicht mit der Situation der Arbeitslosigkeit abfinden wolle, sei es seine Verantwortung, regulierend (d.h. vor allem durch erhöhte Ausgaben) in die Wirtschaft einzugreifen, um das festgefahrene Ungleichgewicht zu beheben.
111. Die Herausbildung des Treasury View als Reaktion des Schatzamtes: Verteidigungsstrategie einer administrativen Institution 1. Die Entstehung des Treasury View Als wichtigsten Gegner einer Neuorientierung der Finanzpolitik identifizierte Keynes den Treasury View, die Einstellung des Schatzamtes gegenüber öffentlichen Arbeiten (größeren Umfanges), und damit der Erhöhung staatlicher Ausgaben, zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit. Diese Haltung, die sich als Reaktion auf die zunehmend an politischer Bedeutung gewinnenden Forderungen nach einer expansionistischen Finanzpolitik zu einer Verteidigungsstrategie des Schatzamtes verdichtete und ausweitete, beruhte in den 1920er Jahren auf zwei Erkenntnissen: zum einen auf der Überzeugung von der notwendigen öffentlichen Sparsamkeit und Zurückhaltung des Staates bei Eingriffen in die Wirtschaft, zu dieser Zeit ein weitverbreitetes Staatsbild; zum zweiten aber stützte sie sich auf die wirtschaftstheoretische Annahme, daß die Menge der Investitionsmöglichkeiten in einer Volkswirtschaft begrenzt sei, und daß daher zusätzliche staatliche Ausgaben nicht mehr Investitionen (also auch mehr Beschäftigung) bringen würden, sondern nur zu einer Verlagerung aus dem (produktiveren) privatwirtschaftliehen in den staatlichen Bereich hinein führen könnten (sog. "Crowding out"). Die Einschätzung von der Begrenztheit des Kapitals im Lande war so schon 1921 von O.E. Niemeyer für die Treasury formuliert worden, blieb dann offizielle, wenn auch unausgesprochene Doktrin, bis der einzige Ökonom des Schatzamtes, R.G. Hawtrey, ihr mit einem Aufsatz in 1925 eine theoretische Basis und Publizität
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verlieh.',. Die Bedeutung der konstituierenden Elemente des Treasury View bei dessen Entstehung und Weiterentwicklung sind umstritten. Von der sog. ,,revisionistischen" Seite der Wirtschaftshistoriographie, die sich seit Beginn der 1980er Jahren verstärkt darum bemüht, den überhöhten Nimbus von Keynes und der "Keynesianischen Revolution" einer kritischen Überprüfung zu unterziehen, wird formuliert, daß das Schatzamt mit dieser Haltung auf bestimmte politische Entwicklungen im Gefolge des Ersten Weltkrieges reagierte - vor allem die drückende Schuldenlast der öffentlichen Hand und das Versagen von Public works als Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit -, der Treasury View also im wesentlichen eine Sache der praktischen Erfahrungen gewesen sei.'25 Sie setzt sich damit bewußt von der bis dahin dominierenden keynesianischen Schule der Wirtschaftsgeschichte ab, die, und darin folgte sie Keynes' eigenen Vorstellungen12•, in der Auseinandersetzung der ökonomischen Ideen mit dem Sieg der "Keynesianischen Revolution" am Ende das vorherrschende Moment der wirtschaftlichen Entwicklung der Zwischenkriegszeit sieht. 127 Zumindest für die Entstehungszeit des Treasury View in den 20er Jahren verschob hier Peter Clarke mit seinem "The Keynesian Revolution in the Making" (1988) die Akzente erneut: er konnte anband einer bis dahin unentdeckten Akte im Public Record Office12", in der mehrere Treasury-Memoranden zusammengefügt sind, die sich mit Keynes und dem ,,. Niemeyer, Sir Otto: Finance Divisionffreasury, Controller of Finance 19221927, dann Bank of England, Director 1938-52. Hawtrey, Ralph G.: Finance Divisionffreasury, Director of Financial Enquiriesffreasury. 1919-45. 125 Vertreter dieser Richtung sind vor allem Middleton: Towards, S. 93; George C. Peden: The "Treasury View" on Public Works and Employment in the Interwar Period, in: Ec.Hist.Rev., 2nd ser., 37 (1984), S. 167-181, S. 169; Tomlinson: Problems, S. 79; Ders.: Employment Policy, S. 12; Ders.: Public Policy and the Economy since 1900, Oxford 1990, S. 115~ 126 Siehe John Maynard Keynes: The General Theory of Employment, Interest and Money. The Collected Writings of John Maynard Keynes, Volume VII, London/Basingstoke 1973 (1. Auflage 1936), S. 383. 127 Insbesondere Howson: Domestic; Dies./Donald Winch: The Economic Advisory Council 1930-1939. A study in economic advice during depression and recovery, Cambridge 1977; Skidelsky: Politicians; Ders.: Keynes and the Treasury View: the Case for and against an Active Unemployment Policy in Britain 1920-1939, in: Wolfgang J. Mommsen/Wolfgang Mock (Hg.): The Emergence of the Welfare State In Britain and Germany 1850-1950, London 1981, S. 167-187; Winch. Darstellungen der gegensätzlichen Auffassungen bei Clarke: Keynes, S. 119; Sean Glynn/Alan Booth: Unemployment in Interwar Britain: A Case for Re-learning the Lessons of the 1930s? in: Ec.Hist.Rev., 2nd ser., 36 (1983), S. 329-348, S. 339; Tomlinson: Problems, S. 2f. 128 Die Akte war im Public Record Office falsch eingeordnet und damit kaum auffindbar gewesen.
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Lloyd-George-Wahlprogramm befassen, nachweisen, daß die theoretische Fundierung ihrer Argumentation für die führenden Treasury-Beamten anfangs eine wesentliche Rolle spielte. Es war vor allem F. Leith-RosS129, einer der vier "Treasury Knights""0 , der die Schriften für die interne Auseinandersetzung im Schatzamt um Keynes' neue Art der Angriffe verfaßte. Die ersten Memoranden verfertigte Leitb-Ross auf Anforderung Churchills als Antwort auf einen Artikel in Beaverbrooks Evening Standard vom 31. Juli 1928131 , in dem Keynes Treasury und Bank of England hart wegen ihrer deflationistischen Politik (und der seiner Ansicht nach falschen Annahme, daß eine Preisdeflation automatische eine Kostendeflation nach sich ziehen würde) anging und dies mit der Forderung nach Public works verband. Für die Vorstellungen Keynes' fand er nur herablassende Worte: "1 am sorry to see that Keynes is renewing the Press propaganda which has done him little credit as a politician and considerable harrn as an economist. [... ] Keynes's remedy seems to me peculiarly unsound [...] it seems to me definitely untrue to say that we have 'more savings than we are using at home'. On the contrary, we have, during the past three years, lived to a great extent on borrowings from Leith-Ross, Sir Frederick: Finance Divisionffreasury, Deputy Controller/Finance 1925-32, Chief Economic Adviser 1932-46. Treasury-Repräsentant im Finance Board der Reparationskommission 1920-25, Finanzexperte auf der Haager Konferenz 192930, Vorsitzender des International Committee on Inter-governmental Debts, Vors. des Economic Committee des Völkerbundes 1932-39, Mitglied der War Debt's Mission in Washington 1933, Verhandlungen zu Finanzabkommen mit Deutschland 1934, Italien 1935, Leiter Finanzmission in China 1935136. 130 So werden die führenden Beamten, die für das finanzpolitische Denken der Treasury entscheidend waren, bezeichnet. Dies waren neben Leitb-Ross (zu dieser Zeit Deputy Controller of Finance) dessen Nachfolger F. Phillips (Phillips, Sir Frederick: Treasury, Principal Assistant Secretary (1929), Assistant Controller of Finance 1931; Repräsentant der Treasury in den USA 1940-3), Otto Niemeyer und dessen Nachfolger als Financial Controller R. Hopkins (Hopkins, Sir Richard V.N.: Controller of Finance and Supply ab 1927, vorher Vorsitzender Board of Inland Revenue 1922-27, Second Secretary Treasury 1928-42, Permanent Secretary Treasury 1942-1945). Warren Fisher, Permanent Secretary des Schatzamtes (und damit "Head of the Horne Civil Service") von 1919-39, sah seine Rolle mehr als Chef des öffentlichen Dienstes und war somit eher Berater des Premierministers als seines unmittelbaren politischen Vorgesetzten, des Schatzkanzlers. In der Finanzpolitik spielte er kaum eine Rolle; siehe George C. Peden: Sir Warren Fisher and British rearmament against Germany, in: English Historical Review 94 (1979), S. 29-47, S. 30. 131 Keynes: "How to Organise a Wave of Prosperity", in: The Collected Writings of John Maynard Keynes, Volume XIX: Activities 1922-1929. The Return to Gold and Iudustrial Policy, Part II, hgg. von Donald Moggridge, London/Basingstoke 1981, S. 761-766 (im folgenden zitiert als JMK XIX,2). 129
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abroad. What Keynes is after, of course, isadefinite inflation of credit. But if tbe object is to reduce labour costs, tbe inflation of credit is tbe last possible tbing tbat will do what is required." 132 Richtig hingegen sei es, eine vorsichtige Kreditpolitik zu betreiben, verbunden mit einer zupackenden Konzentrierung der Industrien und, wo möglich, einer Beschneidung der exzessiven Arbeitskosten. Hawtrey machte es ganz deutlich: "Such spending can only increase employment if accompanied by tbe appropriate monetary or credit expansion [...]""' Eine Erhöhung der staatlichen Investitionen würde nur eine Verlagerung aus anderen Bereichen nach sieb ziehen, es sei denn, sie wäre mit einer monetären Expansion verbunden, d.h. einer Inflation, die nach damaliger Auffassung, geprägt von den eigenen Erfahrungen im Nachkriegsboom, vor allem aber unter dem Eindruck der kontinentalen Entwicklung, um jeden Preis zu vermeiden war. Niemeyer ging in einem Bericht an Churchill schon 1925 eindringlieb auf diese Gefahr ein: "You can by inflation (a most vicious form of subsidy) enable temporarily, spending power to cope witb large quantities of products. But unless you increase tbe dose continually, tbere comes a time wben having destroyed tbe credit of tbe country you can inflate no more, money baving ceased to be acceptable as value. Even before tbis, as your inflated spending creates demand, you have bad claims for increased wages, strikes, lock outs etc. I assume it to be admitted tbat witb Germany and Russia before us we do not tbink plenty can be found on this path. "'" Eine neue Qualität bekam die Diskussion für die Treasury, als im beginnenden Wahlkampf 1929 und in der gespannten Erwartung des groß angekündigten Lloyd George-Programmes sich prominente Minister des konservativen Kabinetts Gedanken um die Chancen für einen Wahlsiegtrotz der wirtschaftlichen Probleme zu machen begannen. Am 7. Februar 1929 ließ der Horne Secretary W. Joynson-Hicks ein Memorandum im Kabinett kursieren, in dem er auf die Gefahr hinwies, daß die Regierung im Wahlkampf von der Opposition als untätig und unfahig im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit hingestellt werden könnte. Er schlug deshalb vor, die ablehnende Haltung der Regierung gegenüber größeren Programmen öffentlicher Investitionen zu revidieren: "[...] it is my flfDl conviction that unless we are prepared to create work during tbe intervening period we sball suffer for our neglect at tbe polls. Tbis may seem to be placing tbe question on too narrow a Party basis, but if a Labour or Liberal Government is formed as the result of the General Election, 132 F. Leith-Ross, Memorandum 3. August 1928, in PRO T.172/2095 Cure for unemp1oyment memoranda of 1928 and 1929. 133 R.G. Hawtrey, Memorandum 4. August 1928, in PRO T.172/2095. '" Niemeyer an Churchill, 24. Februar 1925, in PRO T.l72/1499B, Gold Standard 1925: Treasury Memoranda.
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there is no doubt that the projects they will conceive for meeting the situation will inflict far more injury on the State than will the creation of artificial employment for 50,000 or 100,000 men. I do therefore urge my colleagues to reconsider their refusal to ernhark on road construction on a fairly large scale. It is the only work suitable for the unemployed and has the advantage that it makes a good show throughout the country. In effect I want a reply to the question which will be hurled at us on every platform, 'Where can I get work?'""' Kurze Zeit später warf der Arbeitsminister, A. Steel-Maitland, seinerseits in einem Memorandum dieselbe Frage auf, nahm jedoch in seiner sehr viel tiefergehenden Problematisierung des Themas darüber hinaus die Rolle des advocatus diaboli ein. Auch er sprach sich für ein ,,Show"-Programm an Public works aus, wenn auch von geringerem Umfang als Joynson-Hicks. Dann allerdings wurde er grundsätzlich: "Is it or is it not true that if capital be directed to such schemes it will not be forthcoming in the same abundance for more natural and more fruitful ordinary business? This questions concems a cardinal principle of finance and financial policy, on which, of course, my Department offers no opinion. The Horne Secretary's memorandum, however, has raised the question definitely. And after 8 years of financial orthodoxy and 8 years of unabating unemployment, ougbt we not to ask for a reasoned proof, for some foundations of belief that the financial policy by wbicb we guide our steps is rigbt? [...] Is it not possible to give a fillip to public confidence and thus start business on the up-grade rather sooner? Or does the strict orthodox theory of credit forbid? [...] Webave all of us supported the Chancellor of the Exchequer in bis retum to the gold standard. It was practically the last and an almost inevitable move on a course previously fixed and definitely set. But did those on wbose initiative it was commenced foresee the results of the rapid deflation occurring in a country in wbicb workers bad the will and the power to resist strenuously a reduction in the nominal rate of their eamings, even thougb the real value would remain uncbanged, a country also in which imports were free? [... ] [W]e should bave a full case stated, subjected to criticism and substantiated, for the financial policy wbicb we were asked to continue. [Die Frage sei, ob] ... the settled financial policy of the country dominated our actions unduly and prevented us from adopting ameliorative measures wbich would have reduced the numbers unemployed, and, m "Unemployment", Memorandum des Horne Secretary, 7. Februar 1929, CP27(29), in PRO T.172/2095. Im beigefügten Schreiben an Churchill (6. Feb. 1929) heißt es: ,,1 have thought over this matter for some Iittle time and have stolen L.G.'s [Lloyd George] thunder and have prepared the Memorandum because I am seriously worried as to the effect of the present position on the General Election."
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if so, is it expedient to continue to acquiesce in that domination?"',. Diese Erosion des unbedingten Willens, den Grundsätzen der traditionellen Finanzpolitik sogar den eigenen Machterbalt unterzuordnen, ließ in der Treasury die Alarmglocken schrillen, zumal der eigentliche Verteidiger des Treasury View gegenüber den Ausgabenwünschen seiner Kabinettskollegen, der Schatzkanzler Churchill, selbst schon lange Zweifel an der politischen Weisheit orthodoxer Finanzpolitik hatte erkennen lassen. 137 Um die eigenen und die Bedenken der anderen Minister zu zerstreuen, beauftragte Churchill Phillips und G.C. Upcott (Deputy Controller of Supply Services) aus der Treasury mit der Widerlegung der Vorschläge zu einer expansiveren staatlichen Ausgabenpolitik zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Das daraufbin entstandene Memorandum legte noch einmal die Vorstellungen der Treasury von einem unumgänglichen vollständigen Crowding out bei erhöhten Investitionen des Staates dar."" Nachdem die Regierung sich von der Treasury so in ihrem Glauben an die Richtigkeit des eigenen Handeins hatte bestätigen lassen - die Diskussion der Vorschläge der "Abweichler" Steel-Maitland und Joynson-Hicks im Kabinett wurde von Churchill (mit der Warnung, es sei gefahrlich, in den letzten Monaten einer Regierung rückwirkend deren ganze Wirtschaftspolitik in Frage zu
6 " Memorandum "Unemployment" des Minister of Labour, Sir Artbur SteelMaitland, CP 37(29), 16. Februar 1929, in PRO T.l72/2095. 137 Cburchill to Niemeyer, 22. Februar 1925: (Reaktion auf einen Artikel Keynes' in The Nation and Atheneaum, vom 21.2.1925) .,Tbe Treasury have never, it seems to me, faced the profound significance of what Mr. Keynes calls 'the paradox of unemployment amidst dearth' .[ ...] The community Iacks goods, and a million and a quarter Iack work. lt is certainly one of the highest functions of national finance and credit to bridge the gulf between the two. This is the only country in the world where this condition exists. Tbe Treasury and the Bank of England policy has been the only policy consistently pursued. It is a terrible responsibility for those who have shaped it, unless they can be sure that there is no connection between the unique British phenomenon of chronic unemployment and tbe long, resolute consistency of a particular financial policy." PRO T.172/1499B. Bereits im Frühjahr 1922 hatte Churchill, noch als Secretary for War, angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in seinem Wahlkreis den damaligen Schatzkanzler Horne gedrängt, zur Belebung der Wirtschaft die Steuern substantiell zu senken, auch wenn dadurch das geheiligte Prinzip der ausgeglichenen Budgets gefährdet würde. Vgl. Paul Addison: Churchill on the Horne Front 19001955, London 1993, S. 223. "" .,Unemployment", Note prepared in the Treasury, 23. Februar 1929, CP 53(29), in PRO T.l7212095, Para. 5 und 7.
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stellen'"') mit Rückendeckung Baldwins erst hinausgezögert und später vergessen -, war der Treasury View dann 1929 auch zum Einsatz als politische Waffe im Wahlkampf bereit. Die Präsentation der Begründung der Zurückweisung einer expansiven Finanzpolitik, die Lloyd George zum Wahlkampfthema gemacht hatte, geschah auf zwei Wegen: zum einen gab die Regierung ein Weißbuch'"" heraus, in dem sie sämtliche Ablehnungsgründe aller beteiligten Ministerien sammelte (42 der 54 Seiten stammen nicht aus der Treasury). Bemerkenswert neben dieser Einordnung der Wirtschafts- und finanzpolitischen Ideologie in eine scheinbar nicht zu widerlegende Reihe von praktischadministrativen Argumenten gegen öffentliche Arbeiten in größerem Umfang ist, daß eine Partei im Wahlkampf den staatlichen Verwaltungsapparat dazu verwendete, das Wahlprogramm des politischen Gegners zu diskreditieren. Gerade weil die vermeintliche Überparteilichkeit bzw. Neutralität der britischen Administration immer wieder als ein positives Merkmal erwähnt wird, ist dieses Abweichen von den politischen Gepflogenheiten eine eindeutige Regelverletzung gewesen. Dies verstärkt den Eindruck, daß das Programm Lloyd Georges in der Administration als viel mehr als ein bloßes Wahlkampfgetöse wahrgenommen wurde, sondern, vor allem in der Treasury, als eine Art Generalangriff auf die eigene Position (auf der in den Treasury-Akten zu findenden Kopie von "We Can Conquer Unemployment" hat ein unbekannter Schreibender auf dem Titelblatt die Worte ,.EXTRAV AGANCE INFLATION BANKRUPTCY" hinterlassen'"). Churchill selbst wählte als publikumswirksame Gelegenheit zur Abrechnung mit seinem früheren liberalen Weggefährten die Budgetvorstellung am 15. April 1929. Mit der ihm eigenen rhetorischen Macht diskreditierte er das vorgeschlagene Public-works-Programm im Namen des "orthodox Treasury view" (ein Ausdruck, der hier zum ersten Mal verwendet wurde) als unausgegoren, unsolide und im Lichte bereits gemachter Erfahrungen als unwirksam. Er stellte das Treasury-Schema des Crowding out dar und schloß kategorisch, daß alles darauf hindeute, daß der "orthodox Treasury view" richtig sei, "[...] which has steadfastly held that, whatever might be the political or social advantages, very little additional employment and no permanent additional employment can in fact and as a generat rule be created by State borrowing and State expenditure. "'42
139 Memorandum des Schatzkanzlers, 25. Februar 1929, CP53(29), in PRO CAB 24/202. 140 Memoranda on Certain Proposals Relating to Unemployment (1929), Cmd. 3331. 141 In PRO T.l75/26 Unemployment. Memoranda on the Situation in 1928-30. 142 Financial Statement vom 15. April 1929 im Unterhaus, in: Winston S. Churchill: His Complete Speeches. 1897-1963, hgg. von Robert Rhodes James. Volume V 19281935, New York/London 1974, S. 4574-4603, S. 4592.
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Zum Zeitpunkt dieser Äußerungen begann allerdings das wirtschaftstheoretische Argument des unvermeidlichen Crowding out bei Erhöhung staatlicher Ausgaben für die Diskussion innerhalb der Treasury schon an Bedeutung zu verlieren, um dann bei der nächsten Verteidigung der Position des Schatzamtes, die ebenfalls öffentliche Aufmerksamkeit gewann, der Aussage von R. Hopkins vor dem Macmillan-Ausschuß, keine Rolle mehr zu spielen. Es wurde als Begründung vollständig von den bereits 1929 auftauchenden praktischadministrativen Bedenken abgelöst. Schon 1928 begann Hawtrey von der von ihm maßgeblich mitbegründeten theoretischen Ablehnung expansiverer staatlicher Ausgaben abzurücken. Ebenso wie Keynes, mit dem er seit ihrer gemeinsamen Zeit als Mitglieder der Cambridge-Vereinigung "Apostles" befreundet war, konzedierte er, daß es Situationen geben könne, in der die Wirtschaft in ein Gleichgewicht gerate, in dem erhebliche Unterbeschäftigung herrsche. "Demand and supply, being equally restricted, balance. However eager producers may be to increase output, they do not venture to do so till demand expands, and demand cannot expand in advance of outpul except by a creation of credit. If there is no expansion of credit, output only increases through a fall in prices." 10 Ein Jahr später befaßte sich Hawtrey mit den positiven Möglichkeiten, die "Mr. Keynes's plan" (i.e. Lloyd Georges Wahlkampfprogramm) seiner Ansicht nach boe44 : Jeder Plan zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit müsse entweder eine Reduzierung der Löhne und Preise oder eine Erhöhung der Anzahl der Geldeinheiten im Sozialprodukt mit sich bringen. Da die Regierung Lohnreduktionen nicht zustimmen könne und würde, bleibe allein eine Steigerung des "consumer' s income" (durch staatliche Mehrausgaben). Dies würde allerdings unter den Bedingungen des GoldstaDdardes fatale Konsequenzen haben. Mit wachsendem Konsum stiegen auch die Importe, wodurch sich die Zahlungsbilanz verschlechtem würde. Diese Negativierung der Zahlungsbilanz müßte durch einen erhöhten Goldexport ausgeglichen werden (Großbritannien würde verstärkt Waren im Ausland kaufen, die dafür notwendigen Devisen wären nur gegen Gold erhältlich gewesen). Die ohnehin prekäre Gold- und Devisenreservensituation würde das allerdings verbieten. Wirksam am Keynes-Plan könne andererseits auch eine Umlenkung der Ströme von Spareinlagen, die aus Großbritannien ins Ausland flossen, in inländische Investitionen dadurch sein, daß die Regierung einen großen Anteil des Sparvolumens zur Finanzierung der Anleihe für ihr Ausgabenprogramm benötigen würde. Diese Umlenkung wiederum, für Hawtrey die
R.G. Hawtrey, Memorandum "The Credit Situation", 12 Juli 1928, in PRO T.175/26. 144 Memorandum Hawtrey, "Debt Policy & Unemployment", 29. Juni 1929, in PRO T.l7211662 Debt Policy and Unemployment. 143
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eigentliche .,Tugend" des Plans, zöge eine Verbesserung der Zahlungsbilanz nach sich. Selbst Leith-Ross, Hardliner der Treasury in der Tradition Niemeyers, schlug Anfang 1930, als die Gefahr eines liberalen Wahlsieges gebannt war und der unsichere Kantonist Churchill dem ultra-orthodoxen Snowden Platz gemacht hatte, andere Töne an. Leitb-Ross kommentierte die Ausführungen Keynes' in den privaten Sitzungen des Macmillan-Committees, deren Protokolle der Treasury zugänglich gemacht worden waren. Er warf ihm, wie auch anderen Ökonomen, vor, in einer Welt der Abstraktionen zu leben, die dem realen Wirtschaftsgeschehen nicht gerecht würde. Keynes spreche von ,,Industrie", .,Profiten", .,Verlusten", als bestünden diese in der Realität, während in Wirklichkeit etwa die Zusammenfassung "Industrie" für eine ganze Reihe von unterschiedlichen Wirtschaftszweigen stehe, deren Bedürfnisse jeweils ganz andere seien. Weiterhin sei ein großes Public-works-Programm nur mit einer beträchtlichen Ausweitung der Bürokratie und erheblichen Verschwendungen durchzuführen. Außerdem sei noch lange nicht erwiesen, daß die zusätzlichen staatlichen Ausgaben tatsächlich den notleidenden Industriezweigen zugute kommen würden: er erwarte vielmehr, daß sie in den ohnehin prosperierenden Industrien nur für noch höhere Gewinne sorgen würden. "It is impossible to embark on such a policy without much clearer evidence that the remedy proposed will be successful. ...., Dazu ist anzumerken, daß kein Argument einer Administration schwerer zu widerlegen ist als das, daß die bisherigen Erfahrungen gezeigt hätten, daß die vorgeschlagene Politikoption nicht die erwünschten Ergebnisse haben könne, außer dem, daß für eine derartige Politik die eigene Erfahrung nicht ausreiche und deshalb bessere Beweise für deren Nutzen abzuwarten seien. Interessant an der Argumentation der Treasury ist, daß diese - sich logisch eigentlich gegenseitig ausschließenden - Ablehnungsgründe in unmittelbaren zeitlichem Zusammenhang je nach Opportunität zum Teil von ein und derselben Person vorgebracht wurden. 2. Intellektuelle Herausforderung gegen administrative Beharrungskraft: Keynes versus Treasury und Bank of England vor dem Macmillan-Committee
Den Höhepunkt der Diskussion in der Zwischenkriegszeit um die zukünftig zu verfolgende Wirtschaftspolitik stellen die Auseinandersetzungen zwischen Keynes, dem ehemaligen Schatzkanzler R. McKenna und E. Bevin als VertreF. Leith-Ross, Memorandum "The assumptions of Mr. Keynes", 28. März 1930 in PRO T.l75/26. 14 '
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tern einer expansionistischen Strategie und M. Nonnan, dem Gouverneur der Bank von England, und R. Hopkins als Vertretern des Treasury View im Rahmen des Macmillan-Committee dar. Die wörtliche Wiedergabe der Aussagen der Zeugen und Mitglieder des Komitees sind eine einzigartige Darstellung des Verlaufes des Widerstreites zwischen den einzelnen Kontrahenten, nicht nur des Austausches ihrer Argumente, sondern auch der Art ihres Vortrages und somit der unterschiedlichen Persönlichkeiten und ihrer Standpunkte.'.. Das Macmillan-Committee, zusammengerufen von Schatzkanzler Snowden
im November 1929 zur Untersuchung der Probleme von Finanzwesen und
Industrie, war durch seine Zusammensetzung prädestiniert, ein Forum für die politischen Vorstellungen der Kritiker orthodoxer Finanzpolitik zu werden. Den intellektuellen bzw. politischen Schwergewichten Keynes, Bevin, McKenna konnten mit Einschränkungen nur der LSE-Ökonom Gregory und der ehemalige Pennanent Secretary der Treasury Bradbury argumentativ entgegenhalten; die anderen Mitglieder begannen im Sog der privaten Vorträge Keynes' schon bald, dessen Beweisführung zuzuneigen. Deutlieb werden die Verhältnisse innerhalb des Komitees bei der Betrachtung des Grades der Zustimmung seiner Mitglieder zum abschließenden Report'", für dessen entscheidende Abschnitte Keynes als Verfasser verantwortlieb war, und der daher eine recht eindeutige Tendenz in "keynesianiscbe" - d.b. finanzpolitisch expansionistische - Richtung zeigte. Den Vorschlägen - unter anderem, daß es eine Verpflichtung der Regierung zur Stabilisierung von Produktion und Beschäftigung gebe und eine deflationäre Politik abzulehnen sei - widersprach nur Bradbury in einem "Memorandum of Dissent"; darüber binaus forderte ein außer von Bevin, Keynes und McKenna noch von drei anderen Mitgliedern (T. Allen, F. Taylor, G. Tullock' 40) unterzeichnetes "Addendum I" eine wesentliche Ausweitung der staatlieben Investitionen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Nicht nur die Zusammensetzung des Komitees, die von Snowden wohl auch als eine Geste des Appeasement gegenüber den Kritikern des Cunliffe-Committees, das die Rückkehr zum Goldstandard vorbereitet und empfohlen hatte, gemeint war149, wurde von der Treasury kritisch gesehen. Das Schatzamt lehnte anfänglich die Einberufung insgesamt ab, weil schon die Existenz eines solchen Ausschusses ein deutliches Zeichen dafür war, daß die Grundlagen der Geld- und Finanzpolitik eine Sache der öffentlichen und 146 Vgl. Roy Harrod: The Life of John Maynard Keynes, New York!London 1982 (Nachdruck der 1. Aufl. London 1951), S. 421. 147 Committee on Finance and lndustry, Report, Cmd. 3897 (1931). 148 lmmerhin 6 von 14 Mitgliedern. 149 Vgl. Boyce, S. 281.
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politischen Diskussion geworden waren. Leitb-Ross als Vertreter des Schatzamtes im Komitee (eine Art Beobachter, da Angehörige der staatlieben Administration nicht Mitglieder sein konnten) bereitete daher die Zeugenaussagen der Bank of England und des Schatzamtes sehr gewissenhaft vor, damit diese "wasserdicht" waren und die Vertreter der Institutionen nicht unachtsame oder unbedachte Äußerungen machen würden- was, wie sieb an den Formulierungen Normans zeigen sollte, ebenso notwendig war, wie es in diesem Fall dennoch grundlieh mißlang. Die Befragung Montagu Normans (26. März 1930) geriet für ihn persönlich und die von ibm repräsentierte Bank zu einem wahren Desaster. Die Chance für den ,,man of mystery""" Norman, seine eigene Autorität in der Öffentlichkeit wiederberzustellen und eine überlegte Grundlage der offiziellen Geldpolitik vorzuweisen, wurde nicht genutzt; vielmehr ging die Initiative im Komitee endgültig auf die Kritiker von Bank und Schatzamt über. Während das Komitee in den Wochen zuvor von Keynes überzeugt worden war, daß die Grunde der ökonomischen Depression in dem Mechanismus des monetären Systems zu suchen waren, versuchte Norman zuerst, dieses Argument von sich zu weisen, um dann auf drängendes Nachfragen des Vorsitzenden Macmillan und Keynes' hin gezwungenermaßen zuzugeben, daß interne Situation und Zinssatz doch in engen Zusammenhang standen. Indem er sagte, daß die Entscheidungen über eine Veränderung des Zinssatzes vor allem im Hinblick auf die Wechselkurssituation des Pfundes getroffen wurden'" und schließlich doch konzedieren mußte, daß niedrigere Zinsen auch eine niedrigere Arbeitslosigkeit nach sich gezogen hätten"\ erweckte er den Eindruck, daß die Bank zwar um die Ursachen der Schwierigkeiten der britischen Industrie wußte, diese Einsicht jedoch nicht mit ihrer geldpolitischen Expertise zusammenbringen konnte und bewußt zugunsten der Bedienung des internationalen Geldsystems zuruckstellte. Norman unterschätzte, daß Keynes das Komitee uo Clarke: Keynesian Revolution, S. 125. '" Committee on Finance and lndustry, Minutes of Evidence (26 May 1930), Q.3318 (Antwort Norman) "[ ... ] the main consideration in connection with the movements of the Bank Rateis the international consideration [... ]" 152 Q.3492 (MR KEYNES) "How would it help the internal situation if it were easier to maintain the exchanges?" (Antwort Norman) ,J think the internal situation would have been much easier over the last few years if the Rate bad been X per cent. instead of Y per cent., say 4 per cent. instead of 6 per cent." Q.3493 (MR KEYNES) "You mean there would have been less unemployment?" (Antwort Norman) ,J think there would." Vgl. dazu Normans Aussage kurz zuvor: Q.3328 (Antwort Norman) "Weil I should think its [Höhe der Bank Rate] internal effect was as a rule greatly exaggerated - that its actual iil effects were greatly exaggerated and that they were much more psychological than actual."
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nicht nur von seiner eigenen Glaubwürdigkeit überzeugt, sondern die Mitglieder darüber hinaus dazu gebracht hatte, seine Ansicht von den Gründen des allgemeinen wirtschaftlichen Problems zu teilen; es war im März 1930 ein Komitee, "[...] who needed to be disabused by the assumptions of Mr. Keynes.""' Im Gegensatz zu Norman scheint sich Hopkins Keynes gegenüber intellektuell durchaus gewachsen gezeigt zu haben; am Ende der Befragung am 22. Mai 1930 stellte der Vorsitzende einen "unentschiedenen Kampf' fest'", auch wenn Hopkins ebenfalls stellenweise erheblich unter Druck geraten war. Nachdem Hopkins erklärt hatte, welche praktischen Schwierigkeiten mit der Ausführung größerer staatlicher Investitionsprojekte verbunden seien, bat ihn Keynes um Bestätigung, daß es aber offenbar keinen wirtschaftstheoretischen Grund gebe, solche Projekte von vornherein abzulehnen, und daß dies wohl ein Mißverständnis seinerseits gewesen sei. Ironisch machte Keynes dann darauf aufmerksam, daß der Treasury View, so wie Hopkins ihn darstelle, kaum noch greifbar sei. Hopkins entgegnete: "[ ...] It [der Treasury View] is not a rigid dogma. It is the result of the views that we take as to the practical reactions of the scheme." Und weiter: "I do not think that these views are capable of being put in the rigid from of a theoretical doctrine ...m Sodann berichtete er, daß der Maßstab für die Befürwortung einer öffentlichen Investition deren Ertrag sei, eine bestimmte zu erwartende Verzinsung, die im Augenblick etwa bei 4-5% liegen müsse. Dazu wieder Keynes: "Is it your view that schemes which yield four per cent reduce unemployment while schemes which yield three per cent do not reduce unemployment?" Hopkins: "Ob! no. I see the logical dilemma into which you are endeavouring to drive me." 15' Vom Vorsitzenden darauf aufmerksam gemacht, daß er nicht antworten müsse, wich Hopkins aus: "The Chairman has made an observation in regard to that question, so perhaps I may be permitted to add that there must be some point in this discussion at which I shall claim the right of a Iayman not to follow the argument of the economist". 157 Es mutet seltsam an, vom führenden Finanzfachmann des Schatzamtes und damit der britischen Regierung zu hören, daß er in einer Diskussion um finanzpolitische Fragen darauf verweist, nur ein Laie zu sein. Deutlich ist zu sehen, wie sich Hopkins auf diese Weise hinter die von Leitb-Ross am 28. März vorgezeigte Verteidigungslinie zurückzog: indem er sich als in ökonomischen Fragen überfordert darstellte, deutete er '" Clarke: Keynesian Revolution, S. 121. •s• Committee on Finance and lndustry, Minutes of Evidence (22 May 1930), Q.5690 (CHAIRMAN) ,J think we may characterise it as a drawn battle." 15' Q5624 und Q.5625. 156 Q.5650. 157 Q.5651.
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gleichzeitig an, daß er und Keynes sich in verschiedene Sphären bewegten, die beide miteinander nur wenig zu tun hätten; Keynes suche gewissermaßen ein Streitfeld, so mußten Hopkins' Äußerungen erscheinen, auf dem die Treasury überhaupt keinen Widerstand leisten würde. 1929 hatte die Treasury unter Leith-Ross' Antreiben alle Gründe gehabt, eine starke Doktrin zu verbreiten. Ein Jahr später allerdings - mit einer Labour-Regierung im Amt und einem Schatzkanzler, der geradezu finanzielle Orthodoxie ausströmte und dem Ende der "liberalen Gefahr" und mit der um sich greifenden Zustimmung zu Keynes' neuen Theorien bis in die Treasury hinein- erschienen derartige Argumente weit weniger überzeugend. Die dogmatisch-theoretische Begründung des Treasury View war intellektuell angreifbar geworden, während zur Verteidigung des praktisch-administrativen Argumentationsstranges auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgegriffen werden konnte, der von außerhalb der Verwaltung nur sehr schwer zu widerlegen war."' In der Treasury war als erstes der einzige gelernte Ökonom Hawtrey von der theoretisch/dogmatischen Begründung des Treasury View abgerückt; die Verwaltungspraktiker unter seinen Kollegen taten diesen Schritt erst mit einer gewissen Verzögerung - dann jedoch vollständig - mit. Dies lag sicher daran, daß Hawtrey am schnellsten spüren mußte, daß unter seinen Kollegen der akademischen Profession die Theorie des ,,hydraulischen" Crowding out allgemein auf Ablehnung stieß und bei ihnen über die gegen die Arbeitslosigkeit zu verfolgenden Mittel schon 1929 weitgehende Einigkeit bestand. Einzig die Ökonomen der London School of Economics Hayek, Robbins, T.E. Gregory- bildeten eine Ausnahme in dem Konsens der britischen Wirtschaftswissenschaften über die Befürwortung erhöhter staatlicher Ausgaben zur Überwindung der festgefahrenen Arbeitsmarktsituation.U9
Vgl. Clarke: Keynesian Revolution, S. 52. Die Trennlinie innerhalb der Wirtschaftswissenschaften läßt sich anband zweier Briefe an die Times sehr genau ziehen. Im ersten Brief vom 17. Oktober 1932 wird eine expansivere Ausgabenpolitik als wünschenswert und der Treasury View als museumsreif beschrieben; er ist von den Universitätsökonomen Keynes, Pigou und Macgregor, dem Herausgeber des Economist W. Layton, dem Direktor der Economic and Financial Section des Völkerbundes und späteren Abgeordneten des Unterhauses A. Salter und dem Industriellen und Banker Josiah Stamp unterzeichnet. In der Entgegnung zwei Tage später beziehen die LSE-Ökonomen Gregory, Hayek, Plant und Robbins die Gegenposition: sie lasten einen Großteil der wirtschaftlichen Probleme Großbritanniens der überzogenen Staatsausgabenpraxis an. The Times, 17. und 19. Oktober 1932, vgl. auch T.W. Hutchison: Economics and Economic Policy in Britain, 1946-1966. Some Aspects of their Interrelations, London 1968, S. 21. m
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IV. Wirtschafts- und Finanzpolitik unter den Bedingungen von Weltwirtschaftskrise und konjunktureller Erholung der 1930er Jahre 1. Finanzpolitik in der Zwischenkriegszeit zwischen Sparkurs und durch die Wiederbewaffnung erzwungenem Deficit spending
Der Macmillan-Report wurde am 9. Juli 1931 publiziert. Zu diesem Zeitpunkt hatten, anders als Anfang 1930, als im Ausschuß die wesentlichen Diskussionen und Zeugenbefragungen stattfanden, die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise voll auf Großbritannien übergegriffen. Nur wenige Wochen später änderten sich darüber hinaus mit der Machtübernahme des National Government und dann mit dem erzwungenen Abgehen vom Goldstandard die Grundlagen der keynesianischen Argumentation und der Verteidigung des Treasury View in weiten Teilen. Das Jahr 1931 bedeutete für Großbritannien innenpolitisch den folgenreichsten Einschnitt der Zwischenkriegszeit Die Labour-Regierung zerbrach aufgrund des Unwillens der Mehrheit des sozialistischen Kabinetts, die von Premierminister MacDonald und Schatzkanzler Snowden im Hinblick auf die Bewahrung des Goldstandardes anvisierten Kürzungen der Arbeitslosenunterstützung mitzutragen. Das daraufhin in einer Art Coup d' etat MacDonaids gegründete National Government, eine Koalition unter Einschluß einiger Labour- und liberaler Abgeordneter, jedoch dominiert von den Konservativen, regierte bis zum Entstehen der Kriegskoalition unter Churchill im Mai 1940 mit erdrückenden Mehrheiten im Unterhaus. Die Labour-Party spaltete sich nach der Katastrophe (des von der Partei als Verrat empfundenen Verhaltens) ihrer Führung und durchlebte die 1930er Jahre in Agonie, an den politischen Rand gedrängt. Nachdem im September 1931 der verzweifelte Versuch gescheitert war, mit einem überaus restriktiven Budget den Goldstandard zu retten und die Konservativen ihren langgehegten Wunsch nach einer protektionistischen Außenwirtschaftspolitik erfüllen konnten, veränderte sich auch der Rahmen der Wirtschaftspolitik grundlegend. Dieser Rahmen wurde von den Ingenieuren der Wirtschaftspolitik des National Government an bestimmten Stellen mit einer gegenüber den 1920er Jahren wesentlich veränderten Strategie ausgefüllt, so in der Geld- und Außenwirtschaftspolitik; die Grundsätze der Finanzpolitik blieben von diesen Veränderungen jedoch unberührt, bis die Wiederbewaffnung ab 1935 der Regierung einen defizitären Kurs aufzwang. Kaum verändert, geschützt durch die politische Protektion des gleichgesinnten starken Mannes der Regierung, Neville Chamberlain, und durch die
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Ruhe der wirtschaftspolitischen Diskussion aufgrund nahezu fehlender Parteienkonkurrenz und der aufkommenden Dominanz außenpolitischer Fragen in der Öffentlichkeit, konnte auch die grundsätzliche finanzpolitische Orientierung des Schatzamtes, der Treasury View, die Zeit bis zum Zweiten Weltkrieg überdauern. Erfolgreichstes Instrument der neuen Wirtschaftspolitik war die sog. "cheap money policy", d.h. eine Politik niedriger Zinsen. Diese wurde erst durch den Ausstieg aus dem Goldstandard und durch die daraufhin folgende Abwertung möglich, da die Bank of England nun nicht mehr gezwungen war, zur Stützung eines internationalen monetären Systems und eines überhöhten Pfundkurses die Zinsen im Inland hochzuhalten. Zwar erhöhte sie den Leitzins im September 1931 auf 6%, um den panikartigen Goldabzug aus London zu stoppen; mit dem Ende des Goldabflusses konnte die Bank Rate dann jedoch schrittweise bis Juni 1932 auf 2% gesenkt werden, wo sie den Rest der Dekade verblieb. Anfangs wurde die Niedrig-Zins-Politik vor allem aus der Notwendigkeit heraus begründet, die Bedienung der öffentlichen Schuld zu erleichtem, die seit Ende des Ersten Weltkrieges die staatlieben Haushalte drückend belastete. Als die niedrigen Zinsen sich dann als durchführbar und auch als durchzuhalten erwiesen und sich die ersten Anzeichen einer gesamtwirtschaftlichen Erholung bemerkbar machten, wurde der Geldpolitik darüber hinaus zugedacht, das wesentliche Element der Wirtschaftspolitik des National Govemment zur Förderung des Wiederaufschwunges zu sein. 160 Vor allem die Konversion der großen 5%igen Kriegsanleihe auf eine nurmehr 3,5%ige Verzinsung (die ursprüngliche Anleihe mit Rückzahlungsdatum 1929-47 hatte mit ±:2087 Mio. 27% der gesamten Staatsschuld und 38% des Wertes der gesamten längerfristigen Papiere, die an der Londoner Börse gehandelt wurden, betragen) ließ sich Chamberlain als großen Erfolg im Kampf gegen staatliche Zinsbelastung und die Depression zurechnen. Geschmälert wird dieser Eindruck allerdings durch die Erkenntnis, daß die Regierung mit der Konversion den Vorteil des ohnehin rasch sinkenden allgemeinen Zinsniveaus ausnutzte: "Tbus the Govemment cannot be said to have 'forced down' interest rates; it followed them down. " 161 Die Annahme, daß mit der Konversion die wichtigste Forderung des Macmillan-Komitees (und eines der Hauptanliegen Keynes') nach einerneuen Geldpolitik der niedrigen Zinsen erfüllt wurde 160 Vgl. Winch, S. 203; Sean G!ynn/John Oxborrow: Interwar Britain. A social and Economic History, London 1976, S. 134. Zu den Motiven der Niedrig-Zins-Politik vgl. Sidney Pollard: The Development of the British Economy 1914-1967, London 2 1969, S. 23617, der u.a. die Möglichkeit einer Reduktion der Regierungausgaben ohne die Gefahr sozialer Unruhe für einen wesentlichen Beweggrund der Regierung hält. 161 A. J. Youngson: The British Economy 1920-1957, London 1960, S. 92.
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und die beiden Positionen sich auf diesem Weg angenähert hätten, ist aber nicht richtig (auch wenn Keynes die Konversion begrüßte'62): "But little as it resembled these it was not Keynesian either, for its aim was to balance the budget by a profitable conversion, and its chief method was to choke off new issues, and therefore ultimately investment."'" Zur notwendigen Abschirmung der Binnenwirtschaft von der Außenwelt da das Pfund weiterhin auf den Devisenmärkten frei konvertierbar blieb wurde zur Absicherung der Niedrig-Zins-Politik im April 1932 das Exchange Equalisation Account ins Leben gerufen. Das EEA war eine Institution zur Manipulation und Stabilisierung des Wechselkurses des Pfundes (in der Regel nach unten), zu welchem Zweck es mit einer begrenzten eigenen Geldschöpfungskompetenz ausgestattet wurde (das EEA konnte Treasury Bills bis zu f150 Mio. ausgeben). Eine zweite Maßnahme zur Abschirmung war ein Embargo auf neue Kapitalemissionen, um den Pfundkurs nicht zu schwächen und mehr Kapital im Inland zu binden. Anfangs wurde, zur Unterstützung der Konversion, im Sommer 1932 ein generelles Verbot der Auflage in- und ausländischer Papiere ausgesprochen; ab September 1932 bestand dieses Verbot dann nur noch für britische Anleihen im Ausland (außer Empire). Zum vielschichtigen Bild des Bereiches "cheap money policy" gehört auch, daß diese von der Treasury (und auf Druck Normans) durch die forcierte Fundierung kurzfristiger flottierender staatlieber Schuldtitel in hohem Maße konterkariert wurde. Dieser "funding complex", aufgekommen als Reaktion auf das gefährliche inflationäre Potential, das im Ersten Weltkrieg durch die vorwiegend durch kurzfristige Treasury Bills vorgenommene Kreditfinanzierung des Staates entstanden war, verband sich mit Auswirkungen der Wirtschaftskrise (z.B. der vorsichtigen Ausleihpolitik der Banken aufgrund bober Insolvenzzahlen), und schuf so eine Situation des zwar billigen, jedoch knappen Geldes.'.. Das Gefüge der Niedrig-Zins-Politik bedeutete zwar einen wichtigen Schritt hin zu einer Steuerung der Wirtschaft durch den Staat ("economic management"). Andererseits verhinderte sie bis zu einem gewissen Grad die Anwendung weniger orthodoxer Mittel etwa in der Finanzpolitik, aus der Angst der Regierung heraus, diese könnten, indem sie inflationäre Gefahren 162 ,J consider the Conversion Scheme to be a sound stroke of policy." Brief Keynes' an C.L. Baillieu, 7.7.1932, in: The Collected Writings of John Maynard Keynes, Volume XXI: Activities 1931-1939. World Crisis and Policies in Britain and America, hgg. von Donald Moggridge, London/Basingstoke 1982, S. 112 (im folgenden zitiert als JMK XXI). 1"' P.J.D. Wiles: Pre-War and War-Time Controls, in: G.D.N/Worswick, P.H. Ady (Hg.): The British Economy 1945-1950, Oxford 1952, S. 125-158, S. 136. 164 Howson: Domestic, S. 90 und 134; Aldcroft: British, S. 87.
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heraufbeschworen, "cbeap money" gefährden: "Tbus a trade-off existed, that between an active monetary policy and an expansionist fiscal policy."165 Umstritten ist der Anteil, den die Politik des billigen Geldes an der einsetzenden wirtschaftlieben Erholung ab 1932 hatte. Es deutet zwar einiges darauf bin, daß die geradezu boomartige Entwicklung im Hausbau durch die niedrigen Zinsen gefördert wurde und so war die "cbeap money policy" wohl der wichtigste an der Erholung beteiligte politische Faktor, jedoch: "Not that this is saying very mucb since other factors, such as fiscal policy, depreciation and tariffs etc., bardly bad more than a marginal effect on the pace of recovery."166 Insgesamt ist davon auszugeben, daß die wirtschaftliche Wiederbelebung vor allem auf "natürlichen" Wachstumsfaktoren beruhte (etwa in den Schlüsselsektoren "new industries" und Baugewerbe) und sieb dann auf andere Sektoren ausweitete. Ein wichtiger Faktor war die günstige Entwicklung der Realeinkommen und die davon ausgebende Konsumneigung: für die arbeitende Mittelklasse- während die Zahl der Arbeitslosen 1931-33 bei über 3 Mio. lag, nur 1937 fiel sie, zum einzigen Mal in den gesamten 1930ern, unter 2 Mio. waren die Jahre nach der Weltwirtschaftskrise wohl in der Tat "golden years".167 Die Finanzpolitik blieb in ihren Grundsätzen durch die 1930er Jahre bindurch unverändert. Dennoch machte sie in dieser Zeit verschiedene Entwicklungsstufen durch, die aber sehr viel mehr von exogenen Ereignissen vorgegeben waren, als daß sie Ergebnis gewollter und bewußter Entscheidungen der Treasury und ihrer politischen Führung gewesen wären. Während es Cburcbill als Schatzkanzler verstanden hatte, durch umfangreiche Anwendung von Recbentricks (sog. "fiscal window-dressing") seine Budgets zwar formal strikt orthodox und ausgeglichen, real jedoch eher "weich", d.b. leicht expansiv, zurechtzuschneiden, mußte Snowden 1930 und 1931, im Herbst 1931 sogar trotz des ,,heroischen" Versuches, den Goldstandard durch einen um jeden Preis ausgeglichenen Haushalt zu retten, ein Defizit hinnehmen. Ebensowenig gelang es Chamberlain 1932, den Auswirkungen der Wirtschaftskrise entgegen den Haushalt auszugleichen. Sein zweites Budget konnte Schatzkanzler Chamberlain 1933 dann allerdings schon mit einem kleinen Überschuß abschließen, eine Tendenz, die bis 1936 anhielt, als die wachsenden Verteidigungsausgaben wieder zu steigenden Defiziten führten. Schon unter Chamberlain setzten zumindest ab 1934 dann aber auch wieder verstärkt die Bemühungen der Treasury ein, die tatsächliche Entwicklung der Finanzpolitik durch 165 Middleton: Towards, S. 114. 166 Aldcroft: Inter-War, S. 344. 167 Robert Rhodes James: The British Revolution. British Politics, 1880-1939. Volume Two: From Asquith to Chamberlain 1914-1939, London 1977, S. 242.
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"window-dressing" zu verschleiern."" Dies zeigt, daß die "balanced-budgetrule" sowohl für die konservative politische Führung als auch für die Schatzamts-Bürokratie nichts an Bedeutung verloren hatte: eher sollten die traditionellen Regeln bis an ihre Grenzen hin ausgelegt, als eine Neuorientierung der Politik vorgenommen werden. Wenn die Taktik des "window-dressing" auch durch das nicht immer leicht zu durchschauende System der britischen Haushaltsrechnung begünstigt wurde''" - etwa aufgrund der traditionellen Unterteilung des Budgets in Einnahmen und Ausgaben "above-the-line" (Steuern, laufende Ausgaben) und "below-the-line" (Kapitalausgaben), die jedoch keinesfalls immer so exakt und unzweideutig durchgeführt wurde, wie sie in der Theorie erscheint'70 - und ''"Bereits das Budget von 1933 wurde vom Manchester Guardian (26.4.1933) als zu wenig orthodox bezeichnet, da der geringe Überschuß nur durch Kreditaufnahme an anderer Stelle ermöglicht worden sei. Vgl. B.E.V. Sabine: British Budgets in Peace and War 1932-1945, London 1970, S. 95, zum Budget von 1936: "He [Chamberlain] had attained a precarious equilibrium by abandoning every canon of Gladstonian finance by reverting to a tariff system, by virtually suspending the sinking fund, by ingenious conversions of the National Debt, by non-payment of the loans from the United States and by such fiscal devices as the raiding of tbe Road Fund." ''" Vgl. Phillips an Fraser, 27. November 1936: "The positionisthat we are budgeting for a deficit, that the pretence of producing a balanced budget is a fiction, and that there is no great technical difficulty in producing for a series of years budgets which are balanced at the end of the year to the nearest penny [... ] Perhaps a half dozen financial writers in tbe country would understand from published accounts what was happening, but I doubt if any one of the half dozen is capable of making the position clear to the public. Nevertheless the fact remains that the unsoundness of the Budget exists only in that part of the Budget which relates to Defence expenditure. We do not want financial control weakened in respect of the non-defence services; on the contrary we want it to be stricter than ever. A series of completed Budgets which never showed a sizeable surplus (though any one might show deficits due to failure to realise revenue estimates) would be very discouraging." In PRO T.177/25. 170 Zum formalen Ablauf der Budgeterstellung siehe: Bridges: The Treasury, S. 32f.; Herbert Brittain: The British Budgetary System, London 1960, S. 25 und 44-47. Die Schwierigkeiten einer sauberen Budgetdefinition für die Zwischenkriegszeit sind: a) die Abgrenzung blieb nicht konstant gleich; b) beide Seiten der Bilanz waren ein Gemenge aus laufenden ("current") und Kapitaleinnahmen und -ausgaben, deren Zusammenstellung sich von Jahr zu Jahr änderte (und das nicht alle Ausgaben enthielt, vor allem die für die Sozialversicherung, obwohl diese Gelder als "Ordinary Expenditure" galten); c) exkludiert waren weiterhin Ausgaben, die durch Anleihen via spezieller Gesetzgebung finanziert wurden, während Schuldenrückzahlungen in die allgemeinen Ausgaben einfloß. Revenue (Einnahmen) dagegen enthielt nicht nur laufende Steuer- und Nichtsteuereinnahmen, sondern auch nicht-laufende Transfers
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so zu einer gewissen Verschleierung der Budgetinhalte führte, sind die einzelnen Entwicklungsstadien der Haushaltspolitik doch hinlänglich präzise nachzuvollziehen. Zum einen wurde ein Trend der allgemeinen staatlichen Ausgabensteigerung wirksam, bedingt vor allem durch die Nachwirkungen der hohen Kriegskosten (Pensionen etc.) und das hohe Arbeitslosigkeitsniveau, ein Trend, der allerdings in die säkulare Entwicklung der wachsenden Staatshaushalte eingebettet war. Den Ausgleich mußte eine korrespondierende Entwicklung der Steuern bringen; in der Tat stieg der Normalsatz der Einkommensteuer von 4d je Pfund (entspricht 20%) 1930 auf 5d je Pfund 1938 (25%). 171 Neben diesen langfristigen Tendenzen paßte sich die Finanzpolitik auch in die konjunkturelle Entwicklung ein. Die Budgets 1930-32 waren (vergebliche) Versuche, die durch die Wirtschaftskrise unausgeglichenen Haushalte mittels weiterer Steuererhöhungen und Kürzungen der Ausgaben auszubalancieren. Mit der einsetzenden wirtschaftlichen Erholung stiegen auch die Einnahmen wieder, so daß ab 1933 real für einige Jahre sogar ein geringer Überschuß zur Schuldentilgung verwendet werden konnte (begünstigt durch die niedrigen Zinsen und die Einstellung der Bedienung der amerikanischen Kriegskredite 1933 172). Seit 1936 standen die Budgets dann im Zeichen der Wiederbewaffnung, was ein sprunghaftes Anwachsen ihrer Gesamtgröße und die erneute Entstehung von Defiziten zur Folge hatte: ,,Rearmament was the Trojan Horse for budget deficits. "'73 Weniger eindeutig als ihre allgemeinen Tendenzen sind hingegen die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Finanzpolitik zu bestimmen, da tatsächliche Budgetdefizite oder -Überschüsse nicht nur den Effekt des Budgets auf die Wirtschaft, sondern auch die Einflüsse der Wirtschaft auf das Budget reflektieren (etwa durch Veränderungen der Höhe der Steuereinnahmen und der Zahlungen an Arbeitslose, die abhängig sind von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung): aus diesem Grund sind Modelle erstellt worden'" , um als Mittel zum Budgetausgleich. Window-dressing wurde auf der Ausgabeseite betrieben etwa durch Finanzierung von Ausgaben durch Kredite, die sonst im Budget hätten auftauchen müssen, auf der Einnahmenseite durch die Einbeziehung nicht-laufender Einnahmen, die sonst nicht hineingehörten. Vgl. Middleton: Towards, S. 79-80. 171 B.R. Mitchell: British Historical Statistics, Cambridge 1988, S. 645. 112 Middleton: Towards, S. 114. m Peter Clarke: A Question of Leadership. Gladstone to Thatcher, London 1992, S. 168. 174 Roger Middleton: The Constant Employment Budget Balance and British Budgetary Policy, 1929-39, in: Ec.Hist.Rev., 2nd ser., 34 (1981), S. 266-286 und Thomas' "Full Employment Surplus": T. Thomas: Aggregate demand in the United Kingdom 1918-45, in: Roderick Floud/Donald McCloskey (Hg.): The Economic History of
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Berechnungen zum Grad der Expansivität bzw. der Restriktivität der einzelnen Budgets anzustellen. Im Prinzip wird dabei für eine bestimmte (in der Regel Voll-)Auslastung des gesamtwirtschaftlichen Produktionspotentials berechnet, wie hoch die Regierungsausgaben bzw. -einnahmen bei dieser Konstellation wären. Die jeweilige Abweichung von diesem "Constant Employment Budget" zeigt dann, ob der staatlic)le Haushalt (bei höheren Ausgaben) expansiv oder (bei geringeren Ausgaben) kontraktiv war. Derartige Berechnungen ergeben, daß die Finanzpolitik bis 1936 in ihren Auswirkungen höchst restriktiv war, sogar 1930 und 1931, als die tatsächlichen Budgets geringe Defizite zeigten, mithin krisenverschärfend wirkten, auch wenn die Auswirkungen des am schärfsten deflationistischen Haushaltes vom Herbst 1931 voll erst in der bereits anlaufenden Aufschwungsphase spürbar wurden. Für Keynes waren das September-Budget und die Economy Bill Ausdruck des Treasury View in höchster (und übelster) Ausprägung: "Moreover, the government's programme is as foolish as it is wrong. lts direct effect on employment will be disastrous. It is safe to predict that it will increase the volume of unemployment by more than the 10 per cent by which the dole is tobe cut. It represents a reckless reversal of all the partial attempts which have been made hitherto to mitigate the consequences of the collapse of private investment; and it is a triumph for the so-called 'Treasury view' in its most extreme form."m
Aus der Politik erfuhr traditionelles Finanzgebaren in den 1930er Jahren von den führenden Männern ungeteilte Unterstützung. Die Aussagen der Wahlkämpfer des National Government verbreiteten im Herbst 1931 die Botschaft, daß Sicherheit und Verläßlichkeit die Gebote der Stunde seien, da die gegenwärtige Situation eine GeHihrdung der Demokratie darstelle; unter das Gebot des ,,keine Experimente" fiel auch die Notwendigkeit von "sound, clean, honourable finance"."• Zwar fiel durch den Zusammenbruch des GoldBritain since 1700, Volume 2: 1860 to the 1970s, Cambridge 1981, S. 332-346, S. 337: "The government's object throughout this periodwas to balance the budget. The calculation of the full employment surplus indicates that in reality this object led to highly deflationary results. The government should, therefore, have unbalanced the budget, running a budget deficit, in order to help the economy move to full employment." Allerdings ist Middletons Modell heftig von Broadberry kritisiert worden, S.N Broadberry: Fiscal Policy in Britain During the 1930s, in: Ec.Hist.Rev., 2nd ser., 37 (1984), s. 95-102, s. 100. m Keynes: "The Economy Bill", in: Essays, S. 145-149, S. 147. (Publiziert unter dem Titel "The Budget" im New Statesman and Nation am 19. Sept.1931.) 176 Baldwin in seinen Radioansprachen im Wahlkampf am 13. und 22. September 1931, zit. nach Middlemas, Barnes, S. 651.
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staDdardes die wichtigste Begründung für einen Appell an die Opferbereitschaft der Bürger fort177, sie wurde jedoch bruchlos von der Inflationsfurcht abgelöst, die insbesondere Baldwin zu schüren wußte, indem er bei Wahlveranstaltungen der Menge deutsches Geld aus der Zeit der großen Inflation beschwörend vorführte. Bezeichnend ist, daß Chamberlain in seiner Budgetrede 1933 die Argumentation erneut umkehrte: sein erklärtes Ziel war es, das in der Depression verfallene Preisniveau insgesamt ansteigen zu lassen, um so die Erlöse der Unternehmen anzuheben. Er formulierte die Ablehnung erneuter Forderungen nach einem Programm öffentlicher Arbeiten durch Keynes und warnte vor den möglichen deflationären [!] Folgen defizitärer Budgets: ,,Look around the world today and you will see that badly unbalanced Budgets are the rule rather than the exception. Everywhere there appear Budget deficits piling up; yet they do not produce those favourable results which it is claimed would happen to us. On the contrary I find that Budget deficits repeated year after year may be accompanied by a deepening depression and a constantly falling price Ievel. Before we embark on so dangerous a course as that, Iet us reflect upon this indisputable fact. Of alt the countfies passing through these difficult times, the one that has stood the test witb the greatest measure of success is the United Kingdom. Without underrating the bardships of our Situation, the long tragedy of the unemployed, the grievous burden of taxation, the arduous and painful struggle of those engaged in trade and industry, at any rate we are free from that fear which besets so many less fortunately placed, the fear that things are going to get worse. We owe our freedom from that fear largely to the fact that we have balanced our Budget. By following a sound financial policy we have been enabled to secure low interest rates for industry and it would be tbe height of folly to tbrow away that advantage."170
177 Vgl. Ramsay MacDonald to E. Edwards, MP, 25.August 1931: ,,lt is clear that in the midst of the world depression, whatever its causes, fears have arisen abroad as to the stability of our credit and the Budget estimates have fallen short most seriously. If our financial stability is endaugered and a run made on our financial resources, the consequences are to terrible to envisage. This makes temporary retrenchment inevitable and imposes some amount of common sacrifice." Zit. nach Aldcroft: British, S. 103. 171 HoC Deb. 281, 25.4.1933, cols. 57-61. Vgl. Howson: Domestic, S. 92.
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2. Die Marginalisierung der Arbeitslosigkeit in der Politik im Verlauf der 1930er Jahre Grundvoraussetzung dafür, daß von seiten des National Govemment nicht zumindest der Versuch gewagt werden mußte, die Finanzpolitik weniger restriktiv zu gestalten und sie damit der wirtschaftlichen Situation anzupassen, war, daß die anhaltende Arbeitslosigkeit als Thema auf der politischen Tagesordnung seit der einsetzenden wirtschaftlichen Erholung nur noch eine untergeordnete Rolle zu spielen begann.'79 Mit den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise stieg die noch aus den 1920em stammende Sockelarbeitslosigkeit in Großbritannien auf etwa 3,4 Millionen an. Wie bereits dargelegt sank diese Zahl bis zum Kriegsbeginn nur langsam und unterschritt die Zweimillionen-Grenze nur in einem Jahr, 1937, als die Wiederbewaffnung auf den natürlichen Höhepunkt des konjunkturellen Aufschwunges traf und so zu einer boomartigen Entwicklung führte. Trotz der hohen Arbeitslosigkeit waren allerdings die Produktionseinbrüche in der Krise in Großbritannien nicht mit denen anderer Länder wie etwa Deutschlands oder der USA zu vergleichen; ebenso wurde der Krisenhöhepunkt schneller überschritten und von einem wesentlich nachhaltigeren Aufschwung abgelöst.'"' Während die USA erst durch die Kriegsproduktion seit 1942 die letzten Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise abschütteln konnten und in Deutschland nur eine zukunftslose, extrem inflationäre staatliche Rüstungskonjunktur dies auf Kosten jeder Stabilität vermochte, trat Großbritannien bereits Mitte der 179 Zu den dürftigen Maßnahmen des National Government gegen die Arbeitslosigkeit siehe: John Stevenson: The Making of Unemployment Policy, 1931-1935, in: Michael Bentley/John Stevenson (Hg.): High and Low Politics in Modem Britain. Ten Studies, Oxford 1983, S. 181-213. Diese bestanden vor allem aus dem Special Areas (Development and Improvement) Act von 1934 (Einsetzung von zwei (unbezahlten) Kommissaren zur Koordination der Maßnahmen zur Verbesserung der Situation in den Problemregionen), der 1937 nach erwiesener Erfolglosigkeit vom Special Areas (Amendment) Act mit erweiterten Kompetenzen für die Kommissare abgelöst wurde (bis 1938 hatten die Kommissare i8,5 Mio. ausgegeben, wobei 121 neue Firmen gegründet wurden mit 14 900 Arbeitsplätzen). Die These Marwicks: ,,It must be said of the politicians of the time that, however unsuccessful they may have been in dealing with the problem, they were fully aware of it, even obsessed by it."' (Marwick: Britain, S. 142) scheint, zumindest für die Regierungsvertreter, angesichts der Verdrängung des Themas aus der politischen Diskussion mit der anlaufenden wirtschaftlichen Erholung, nicht mehr zu halten zu sein. '"' Vgl. Richardson, S. 344: "The main difference between Britain's economic experience in the nineteen-thirties and that of other countries was that her recovery from the world depression of 1929-33 not only started earlier but was more persistent."'
IV. Wirtschafts- und Finanzpolitik der 1930er Jahre
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1930er aus dem Schatten der Krise wieder in den "normalen" Konjunkturverlauf ein. Abgesehen von einem nur kurzen Abschnitt 193112 erwies sich die Weltwirtschaftskrise hier als ein Stadium des Abstiegs der "old industries" (der traditionellen Leitsektoren der britischen Wirtschaftsmacht im 19. Jahrhundert), der auch in der zurückliegenden Dekade wesentliche Ursache der gesamtwirtschaftlichen Probleme gewesen war."' In der Geschichte der strukturellen Veränderungen der britischen Industrie bedeutete die Weltwirtschaftskrise (die in Großbritannien im übrigen bezüglich der Veränderungen des Sozialproduktes sehr viel milder war als die Rezession 1921'82) kaum mehr als eine kurzfristige Verschärfung, die ihre Ursache überwiegend in der Kontraktion des Welthandels hatte. Deshalb wurden auch die vor allem binnenmarktorientierten "new industries" nur wenig betroffen; der Nachfragerückgang, der das wirtschaftliche System der USA an den Rand des Abgrundes und Deutschland einen Schritt weiter trieb, fiel in Großbritannien viel geringer aus. Auf diese Weise konnten die modernen Industrien ihren nur kurz unterbrochenen Aufstieg spätestens ab 1933 wieder fortsetzen. In der wirtschaftlichen Erholung verschärfte sich die Spaltung des Landes in "Two Englands"'"', die schon ein Kennzeichen der 1920er Jahre gewesen war, weiter. Die starke regionale Konzentration sowohl der florierenden Gewerbezweige (im Süden, rund um London) als auch der leidenden Industrien (im Norden, in Wales) machte es der Mehrheit der relativ wohlhabenden Landesteile leicht, die Armut anderer Regionen nicht zu bemerken. Der Arbeitslose war weniger der Nachbar in der eigenen Stadt, als der nur in (bestimmten) Zeitungen und linken Buchpublikationen erscheinende Fremde. Regionale Konzentration der Arbeitslosigkeit bedeutete aber auch, daß die Propagierung einer arbeitsschaffenden Politik nur in bestimmten Gebieten, nicht aber landesweit, ein Thema war, durch das ein Wahlkreis gewonnen oder verloren werden konnte. Die meisten dieser Wahlbezirke waren ohnehin relativ sichere Labour-Kreise, deren Eroberung bei der überwältigenden Mehrheit der Konservativen im National Government nicht die Bedeutung erlangen konnte, die für eine nationale Thematisierung ausgereicht hätte. So ist es denn auch kaum verwunderlich, daß diejenigen konservativen Abgeordneten, die sich für eine "' Vgl. H.W. Arndt.: The Economic Lessons of the Nineteen-Thirties, London 1972 (Nachdruck von 1944), S. 95: "For Great Britain ... the world depression did not mean, as for the U.S.A., a sudden collapse after a period of unprecedented prosperity, but rather the climax of economic difficulties under which she bad laboured ever since tbe war 1914-18." 182 Vgl. Aldcroft: British, S. 45. 183 Maurice Bruce: The Coming of tbe Welfare State, London •1979, S. 234. Dies ist eine Paraphrase des Disraeli-Wortes von den "Two Nations" Großbritanniens.
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expansivere Ausgabenpolitik im Sinne einer Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Parlament stark machten, in der Mehrzahl einen nur knappen Wahlsieg in der Erdrutsch-Wahl 1931 in einem früheren Labour-Wahlkreis erreicht hatten.'.. Dem Gros der Abgeordneten hätten derartige Forderungen bei ihren in erster Linie auf Sicherheit, Stabilität und Bewahrung des Lebensstandards bedachten Wählern wohl eher geschadet. Zudem gewann in der Öffentlichkeit die außenpolitische Gefährdung einen immer größeren Stellenwert, deren Diskussion grundsätzliche wirtschaftliche Fragen zunehmend von der Tagesordnung strich: Während der ersten Parlamentssession von McDonalds Regierung (Nov.1931-Nov.1932) beschäftigte sich das Unterhaus an zwei halben Tagen mit Außenpolitik, an einem mit der Abrüstungskonferenz. In Chamberlains erster Session (Nov.1937-Nov.1938) wurde 31 volle Tage über Außenpolitik, nicht eingerechnet die Diskussion über die Wiederbewaffnung, debattiert. Ähnliches gilt für die jährlichen Konferenzen des TUC und der LabourParty, für Zeitungen und Zeitschriften, Bücher, Pamphlete usw."' Eine weitere Begebenheit trug zur Marginalisierung des Bildes der Arbeitslosigkeit in der Öffentlichkeit bei: bedingt auch durch den vergleichsweise befriedigenden materiellen Stand (nachdem die Kürzungen der Unterstützung von 1931 wieder zurückgenommen worden waren), wahrscheinlich auch durch das apathische Abfinden mit der eigenen Situation vor allem jener, die längere Zeit ohne Arbeit und damit zumal in den "distressed areas" ohne Hoffnung auf eine Änderung ihrer Lage waren, verhielten sich die Arbeitslosen ruhig.'" "Hungermärsche" blieben die absolute Ausnahme. Dazu kam, daß weder die Gewerkschaften noch Labour sich nennenswert um die Arbeitslosen kümmerten und ihnen so auch kein politisches Sprachrohr zur Verfügung stellten; das 1921 von dem kommunistischen Shop Steward W. Hannington begründete National Unemployed Workers' Movement blieb eine radikale Splittergruppe ohne Einfluß.'"
114 Vgl. Johannes Paulmann: Arbeitslosigkeit in Großbritannien 1931-1939. Sozialund Wirtschaftspolitik zwischen Weltwirtschaftskrise und Weltkrieg, Bochum 1989 (Arbeitskreis Deutsche England-Forschung Bd.l4), S. 88/89. '" Taylor: English History, S. 408. " 6 Vgl. Paulmann, S. 32. Zur Lage der Arbeitslosen vgl. Men Without Work. AReport made to the Pilgrim Trust, Cambridge 1938. '"' Margarete Cole: The Labour Movement between the Wars, in: David E. Martin/David Rubinstein (Hg.): ldeology and the Labour Movement. Essays presented to John Saville, London 1979, S. 191-225, S. 203.
V. Charakter und Entwicklung des Treasury View der 1930er Jahre
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V. Charakter und Entwicklung des Treasury View der 1930er Jahre 1. Die Weiterentwicklung des Treasury View als Reaktion auf die keynesianische Kritik Die gleichen Ursachen, die in der Zeit zwischen Weltwirtschaftskrise und Kriegsbeginn zu einer Marginalisierung des Arbeitslosenproblems in der Politik führten, drängten auch die Diskussion um expansionistische bzw. interventionistische Modelle für die Finanzpolitik von wenigen Ausnahmen abgesehen ins politische Abseits. Das Aufblühen der Debatte in den Medien linksliberaler Couleur zeigt jedoch, daß unter der Glocke der politischen Dominanz des traditionellen Politikansatzes die "new economics"-Bewegung nicht erstickt, sondern konserviert wurde, bis ihr im Krieg die Kontroverse um die Reconstruction ein neues Einfallstor in die politische Sphäre bot. Als Gegenbewegung zur festgefügten politischen Situation, und weil durch die Bedeutungslosigkeit der Liberalen und die Linksdrift Labours keine Partei mehr eine Heimat für linksliberale, sozialreformerische Kräfte bot, entstanden in den 1930er Jahren mehrere außerparlamentarische Gruppen, die Diskussionen um neue wirtschaftspolitische Problemlösungen zu ihrem Programm machten und aus deren Reihen etliche gewichtige Beiträge publiziert wurden. Diese Entwicklung zeigt die breite Basis, die keynesianische und verwandte Vorstellungen zur Wirtschaftspolitik in der "gebildeten" Öffentlichkeit hatten. Die ,,most characteristic, most successful, and most enduring"'.. dieser Gruppen waren "Political and Economic Planning" (P.E.P.) -mit Mitgliedern wie dem Keynes-Freund Basil Blackett (Banker und Mitglied des Direktoriums der Bank von England und ehemaliger Controller of Finance in der Treasury), A. Salter, Julian Huxley -, das jedes Jahr zwei umfangreiche Reports zu allen Aspekten der britischen Wirtschaft und Gesellschaft herausbrachte, und "The Next Five Years". Letzteres ging 1934 aus der ,,Liberty and Democratic Leadership"-Gruppe hervor, deren Manifest auch von den prominenten Labour-Politikern bzw. Gewerkschaftern Bevin, Dalton, Lansbury und NoelBaker unterzeichnet wurde (die sich allerdings kurz darauf aus Gründen der Parteiräson zurückzogen). "Next Five Years", das mehr moralistisch und philantropisch gesonnen war als das stärker technokratisch orientierte P.E.P., ,.. Artbur Marwick: Middle Opinion in the Thirties: Planning, Progress and Political 'Agreement', in: English Historical Review 79 (1964), S. 285-299, S. 287.
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brachte 1935 sein wirtschaftspolitisches Programm heraus'19, in dem eine durchgreifende ökonomische Planung und Reorganisation der Industrie gefordert wurde. Dieser "essay" trägt u.a. die Unterschrift von William Temple, Erzbischof von York, von Basil Blackett, Geoffrey Crowther, R.C.K. Ensor, J.A. Hobson, Julian Huxley, Walter Layton, H. Macmillan, Artbur Pugh (General Secretary lron and Steel Trades Conference, ehemaliger Chairman TUC), A.S. Rowntree, A. Salter, H.G. Wells und versammelte damit die profiliertesten Köpfe nichtsozialistischer Reformanhänger. Harold Macmillan, späterer konservativer Premierminister, verfaßte in den dreißiger Jahren gleich zwei umfangreiche Werke zu der von ibm als erforderlich erachteten stärkeren Intervention des Staates in die Wirtschaft.'.. Allen Verfassern war gemeinsam, daß sie die Wirtschaftspolitik des National Government und das rein kapitalistisch strukturierte Wirtschaftssystem generell für unzureichend bzw. nicht mehr befähigt hielten, der aus den tiefgreifenden Veränderungen nach dem Ersten Weltkrieg entstandenen sozialen und ökonomischen Probleme Herr zu werden. Notwendig sei eine Planung der Wirtschaft durch den Staat, was zumeist mit mikroökomischen Maßnahmen wie Rationalisierung, Karteliierung u.ä. gleichgesetzt wurde'•', verbunden mit einer Dosis Nachfragebelebung durch staatliche Mehrausgaben und öffentliche Investitionsprogramme. Es ist diese Programmatik - zum Teil sind deren Protagonisten sogar dieselben Personen- die den Hintergrund bildet für die im Krieg zu einer unwiderstehlichen Volksbewegung sich entfaltende Reconstruction-Debatte um ein "besseres", sozialeres Großbritannien. Eine gewisse Ausnahme von der Regel des Fernhaltens expansionistischer Ökonomen aus der Politik bildeten der Economic Advisory Council und seine Nachfolgeorganisation. Die Labour-Regierung von 1924 hatte bereits versucht, eine allgemeine ökonomische Beratungskörperschaft zu schaffen. Dieser Plan zerlief sich nach dem baldigen Regierungswechsel zu den Konservativen. Im Herbst 1929 unternahm MacDonald dann Schritte, um diese Planungen wieder aufleben zu lassen, wahrscheinlich auch, um nicht Snowden allein die ökonomische Kompetenz im Kabinett zu überlassen.'l>l Der Premierminister mußte jedoch aufgrund von Snowdeos Einsprüchen hinnehmen, daß die The Next Five Years. An Essay in political agreement, London 1935. Harold Macmillan: Reconstruction. A Plea foraNational Policy, London 1933; Ders.: The Middle Way. A Study of the Problem of Economic and Social Progress in a Free and Democratic Society, London 1938. 191 Vgl. dazu im Abschnitt C. dieser Arbeit Kapitel I. 4.: "Planwirtschaft und ökonomische Steuerung (Economic management): Ideologien der wirtschaftlichen Machbarkeit". tl>l Marquand: MacDonald, S. 523f. 189
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schließlich entstehende Körperschaft, der Economic Advisory Council, erheblich weniger einheitliche und schnell durchsetzbare Vorschläge machen würde und keine exekutiven Kompetenzen haben sollte. MacDonaids Vorstellungen waren sehr viel weiter gespannt gewesen, wie er in einem Brief an Lord Weir formulierte: "[ ...] You can have a body thinking, but it must think on actualities which cover the whole of the problem. Otherwise you will wiggle waggle from one side to another [...] You cannot isolate the Council as merely a thinking body. If it meets on Monday it must be ready for action to be takenon Tuesday. Suchaction may have tobe taken through by the F.B.I., or through the Cabinet or through Ministers. It must be something positive instead of the negative interference with which we have been cursed....., Am 17. Februar 1930 konstituierte sich der EAC, der sich in der Folgezeit jeweils unter dem Vorsitz des Premiers und in Anwesenheit Snowdeos einmal im Monat traf.,.. Er entschied, aus sich heraus zur Bearbeitung konkreter Probleme drei Committees zu bilden, darunter auf Vorschlag Keynes' das Committee on Economic Outlook, dessen Vorsitz Keynes auch übernahm. Der EAC erhielt bei seinem dritten Treffen am 10. April 1930 perNotizvon Snowden das ausdrückliche Verbot, Fragen der Geldpolitik oder der Erhöhung der öffentlichen Ausgaben als Maßnahme gegen die Arbeitslosigkeit zu diskutieren, da dies dem Macmillan-Committee vorbehalten bleiben sollte. Keynes schrieb aus Unzufriedenheit mit dem Prozedere des EAC am 10.7. an MacDonald und regte die Formierung eines Committee of Economists zur Erörterung grundlegender ökonomischer Probleme an. In dieses Komitee wurden unter Vorsitz Keynes' H. Henderson, Pigou, L. Robbins und Stamp berufen. Der Report des Committees wurde am 24. Oktober (nach 15 Sitzungen bis zum 23.10.) unterzeichnet; Robbins verfaßte einen eigenen, von der prinzipiell keynesianischen Linie des Reportes abweichenden Bericht. Sowohl im EAC als auch im Kabinett wurde der Report kurz diskutiert, bevor er praktisch begraben wurde. Der EAC hörte nach dem Einbruch der Wirtschaftskrise im Sommer 1931 de facto auf zu bestehen. Weiter kam nur das Committee on Economic Information zusammen, in dem als Vorsitzender Stamp und u.a. Citrine, G.D.H. Cole und Keynes saßen. Das CEI verfaßte 27 Reports, die in der Treasury gewöhnlich von Hopkins, Phillips oder LeitbRoss kommentiert (und abgelehnt) wurden. Die These, daß die Treasury durch die Arbeit dieses Komitees davon abgehalten wurde, sich in ihrem ElfenbeinZit. nach Thomas Jones: Whitehall Diary, hgg. V. Keith Middlemas. Volumen 1926-1930, London 1969, S. 226. 104 Mitglieder waren ex officio neben dem Premier und dem Schatzkanzler der Lord Privy Seal, der Präsident des Board of Trade und der Minister of Agriculture and Fisheries. 193
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turm zu verschanzen, da ihre Vertreter gezwungen waren, sich mit einer Jury kompetenter Kritiker auseinanderzusetzen19' , darf in ihrer Stichhaltigkeit angezweifelt werden. Plausibler erscheint. daß der Mißerfolg des Komitees, dessen Reports Keynes' Autorenschaft nicht verbergen können, die aktiveren Vertreter einer expansionistischen Finanzpolitik zu der Ansicht brachte, daß in der bestehenden Situation weiterhin nur die längerfristig angelegte Taktik der Aufklärungsarbeit und Mobilisierung der Öffentlichkeit gewisse Aussichten auf ein positives Ergebnis haben konnte, während die politische und die administrative Sphäre vorerst keinen Zugang boten. Ein Nebenaspekt der Geschichte des EAC war die rasche ideologische Entfremdung der einstigen gemeinsamen Unterstützer Lloyd Georges, Keynes und Hubert Henderson. Henderson begann sich als Sekretär des EAC unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise und der Gefährdung der Staatsfinanzen mehr und mehr von der Befürwortung höherer Staatsausgaben zu distanzieren. 1. . Parallel zu diesem Positionswechsel rückte Henderson zu einem der wichtigsten ökonomischen Berater des Schatzamtes auf, wo er im 2. Weltkrieg heftig die Position des finanzpolitischen Status quo gegen Keynes und dessen Gefolgschaft zu verteidigen versuchte. Den entgegengesetzten Weg nahm L. Robbins, der in seinen Erinnerungen seine vehemente Ablehnung jeglicher Erhöhung der Staatsausgaben und den Streit mit Keynes darum im EAC als den "greatest mistake of my professional career" bezeichnete und das Buch, das er zur Rechtfertigung seiner damaligen Einstellung geschrieben hatte197, vergessen sehen wollte. Robbins, der im Krieg als zweiter Direktor der Economic Section zu einem der entschiedensten Streiter für die Anwendung keynesianischer Finanzpolitik wurde, schrieb diesen Fehler seiner AnSo vertreten von Howson/Winch, S. 109. Vgl. den Brief Hendersons an Keynes, 14. Februar 1931: ,,My complaint against the tenor of all your public writings or utterances in the last year or so is that in not a single one of them there has been a trace of a suggestion that the Budget situation is one which is really very serious and must be treated seriously. On the contrary, over and over again you have implied that it doesn't matter a bit, that expenditure is a thing you want to press on with, whether by the Government or by anybody eise, and that the question whether it involves a Budget charge.is a minor matter which is hardly worth considering. The notion that this is the right emphasis just now, the thing that needs most stressing, seems to me wildly false. The effect is to convey the impression to all people, however intelligent and open-minded, who have some appreciation of the financial difficulties, that you have gone completely crazy, and impairing all the influence you have with them, while pleasing and encouraging only those who say that you mustn't lay a finger on the dole." Zit. nach Howson/Winch, S. 87. 197 Lionel Robbins: The Great Depression, London 1935. 1"'
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hänglicbkeit an der wirtschaftlichen Situation nicht angemessenen ökonomische Theorien zu, die er allerdings mit der ganzen Welt geteilt habe.'•• Im Frühjahr 1933, vor Chamberlains zweitem Budget, wurde die Forderung nach kreditfinanzierter staatlicher Nachfragebelebung erneut lautstark in den Medien propagiert: Die Kampagne wurde eröffnet mit einer Serie von Leitartikeln in der Times, in denen eine "nationale Reflation" durch erhöhte staatliche Ausgaben und Steuersenkungen gefordert wurde. Untermauem sollte dieses Ansinnen ein offenener Brief, unterzeichnet von 37 Ökonomen (darunter: G.C. Allen, H. Gaitskell, C.W. Guillebaud, R.F. Harrod, J.E. Meade, E.A.G. Robinson, Joan Robinson, B. Wootton). Keynes unterstützte den Aufruf mit einer Reihe von vier Artikeln unter dem Titel "The Means to Prosperity" (13.-16.3.1933).'.. Er erklärte, daß die wirtschaftliche Krise kein Problem der mangelnden Kapitalausstattung oder technischer Unzulänglichkeiten oder anderer realer Mängel sei, wie es die Regierung behauptete: "On the contrary, it is, in the strictest sense, an economic problern or, to express it better, as suggesting a blend of economic theory with the art of statesmanship, a problern of political economy." Erneut forderte er ein umfassendes, kreditfinanziertes staatliches Investitionsprogramm und führte dazu zum ersten Mal eine weitere, bedeutsame Begründung an: das Multiplikatorprinzip. Dieses von dem Keynes-Schüler und -Mitarbeiter in Cambridge, Richard Kahn, 1930 entwickelte Prinzip200 beschreibt den sekundären Beschäftigungseffekt, der aus durch Investitionen hervorgerufene zusätzliche Beschäftigung entsteht. Der Multiplikator wird wirksam, wenn die zusätzlich Beschäftigten ihr Einkommen (weniger einer von der Konsum- bzw. Sparneigung abhängigen "Ieckage") wiederum via Konsum in den Wirtschaftskreislauf einbringen, und diese zusätzlichen Einnahmen der Unternehmen beschäftigungswirksam in erhöhter Produktion investiert werden. Erhöhte Produktion bedeutet wiederum mehr Einkommen, wodurch sich der Kreislauf erneut in Bewegung setzt, sich ,•• Lionel Robbins: Autobiography of an Economist, London/Basingstoke 1971, S. 154. ,.. Verwendung findet hier die erweiterte amerikanische Fassung des Pamphlets, die am 1. April 1933 im New Statesman and Nation erschien. In: Keynes: Essays, S. 335366. Vgl. Winch, S. 207. 200 Angedeutet hatte Keynes das Wirken eines "indirekten Beschäftigungseffektes" schon in "Can Lloyd George Do lt?", ebenso in "The Treasury Contribution to the White Paper", Keynes' Kommentar in The Nation and Athenaeum, 18. Mai 1929, in: JMK XIX,2, S. 819-824. Allerdings scheint er sich seiner Sache 1929 noch nicht so sicher gewesen zu sein, daß er den Multiplikator wie 1933 als eine wesentliche Begründung für die positiven Auswirkungen von "deficit spending" hätte darstellen können. 7 Otto
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in jeder Runde aber abschwächt (da ein weiteres Mal ein Teil des Einkommens gespart wird). Keynes schätzte den Multiplikator (viel zu hoch20') auf 2, d.h., der sekundäre Beschäftigungseffekt sei halb so groß wie der primäre usw.: 1 + 1/2 + 1/4 + 1/n = 2. Damit wollte er zeigen, daß jedes für die Neubeschäftigung eines Arbeitslosen ausgegebene Pfund letztlich seine Wirkung verdoppeln würde. "If we apply this reasoning to the projects for loanexpenditure which are receiving support today in responsible quarters, we see that it is a complete mistake to believe that there is a dilemma between schemes for increasing employment and schemes for balancing the budget that we must go slowly and cautiously with the former for fear of injuring the latter. Quite the contrary. There is no possibility of balancing the budget except by increasing the national income, which is much the same as increasing employment." Die einzige Möglichkeit, um weltweit die Kaufkraft zu erhöhen und so die Großhandelspreise ansteigen zu lassen, sei durch "loan expenditure" (kreditfinanzierte Investitionen). Zu deren Erhöhung seien drei Stadien zu durchlaufen: (1) Bankkredit müsse reichlich und billig vorhanden sein; (2) das langfristige Zinsniveau müsse niedrig genug sein, um jedes einigermaßen vernünftige Investitionsprojekt wirtschaftlich werden zu lassen. "This requires a combination of manoeuvres by the government and the central bank in the shape of open-market operations by the bank, of well-judged conversion schemes by the treasury, and of a restoration of financial confidence by a budget policy approved by public opinion and in other ways." Weil es aber unwahrscheinlich sei, daß die private Wirtschaft von alleine ihre .,loan expenditure" erhöhen würde, bevor nicht die Gewinne sich zu erholen begännen, müsse (3) wirksam werden: .,Thus the first step has tobetakenon the initiative of public authority; and it probably has to be on a large scale and organised with determination [...]" Es gebe Zyniker, die behaupteten, nur ein Krieg werden die Welt aus der Krise führen, da alle Maßnahmen, die im Frieden ergriffen würden, doch nur halbherzig seien, schloß Keynes202 , und kam damit der späteren tatsächlichen Entwicklung recht nahe. Auf Einladung Chamberlains traf sich Keynes am 17. März 1933 mit dem Schatzkanzler, um ihm die Vorschläge aus Means to Prosperity darzulegen. Er äußerte sich zufrieden über das Gespräch, hielt jedoch Chamberlain für "pretty virgin soil", der sich ihm gegenüber zwar offen gezeigt habe, für den
201 Means to Prosperity, S. 343. T. Thomas etwa, in: Floud/McCloskey (Hg.), S. 345/6, schätzt den kurzfristigen Multiplikator nach Berechnungen mittels eines viele Variablen umfassenden makroökonomischen Modells nur auf 1, den langfristigen auf 1,3 bis 1,5. 202 Means to Prosperity, S. 353.
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das Gehörte jedoch vollkommen neu und unbekannt gewesen sei!"' Trotz dieser Bemühungen erteilte Chamberlain in seiner Budgetrede kurz darauf den Vorschlägen eine eindeutige Absage, was Keynes in einem Artikel in der Daily Mail (26. April 1933) kommentierte: "1 criticise it mainly because the author has failed to recognise that in the long run the revenue must depend upon an increase in the national income, and that budgetary policy may itself be a potent instrument in determining wbat the national income is going to be. "204 Er drehte die Argumentation seiner Gegner gleichsam um, indem er sagte, in längerer Sicht (die sonst nicht gerade diejenige war, die Keynes einzunehmen pflegte; das bekannteste von ihm überlieferte Zitat ist schließlich "In the long run we are all dead"2"') würde ein Budgetausgleich nur durch eine Erhöhung der staatlieben Einnahmen möglich sein, deren Aufkommen von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängig sei, die wiederum der Staat durch sein Ausgabeverhalten wesentlich mitbestimmen könne. Die Argumente der Artikel Means to Prosperity bilden einen Kernbereich der wirtschaftspolitischen Vorstellungen des Keynesianismus, da sie bereits die wichtigsten Grundlagen der General Tbeory inkorporieren, dem theoretischen Hauptwerk Keynes', das 1936 erschien. Durch die Einbeziehung des Multiplikatorprinzips ging er einen wesentlichen Schritt weiter, als er es in der Treatise und in den Ausführungen vor dem Macmillan-Committee getan hatte: 1929/30 versuchte er noch, eine wirtschaftspolitische Strategie für den Sonderfall zu entwickeln, den für Keynes die Situation Großbritanniens im Goldstandard darstellte. 1933 begann er zu zeigen, welche Maßnahmen die Wirtschaftspolitik im allgemeinen ergreifen muß, um dem Unterbeschäftigungs-Gleichgewicht entgegenzuwirken.
Die heftige Diskussion in der Treasury, abzulesen an den zahlreichen Entwürfen einer Antwort auf Keynes, zeigt, wie ernst dort seine Vorschläge trotz einhelliger Ablehnung genommen wurden. Insgesamt beurteilte die Treasury Keynes' Vorschläge als unrealistisch bezüglich Größe und Richtung der Public works, überoptimistisch in bezug auf die sekundären Bescbäftigungseffek203 Brief Keynes' an R.F Kahn, 20. März 1933, in: The Collected Writings of John Maynard Keynes, Volume XXI: Activities 1931-1939. World Crisis and Palieies in Britain and America, hgg. von Donald Moggridge, London/Basingstoke 1982, S. 168 (im folgenden zitiert als JMK XXI). 204 In: JMK XXI, S. 194. 205 ,,In the long run we are all dead. Economists set themselves too easy, too useless a task if in tempestuous seasons they can only tell us that when the storm is long past the ocean is flat again." lohn Maynard Keynes: A Tract on Monetary Reform. The Collected Writings of John Maynard Keynes Volume IV, London/Basingstoke 1971 (1. Auflage 1923), S. 62.
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te (Wirkung des Multiplikators) und die Einsparungen bei der Arbeitslosenunterstützung und unüberlegt in Hinsicht auf den internationalen Vertrauensverlust bei derartigen Finanzierungsanstrengungen. Außerdem wurde die theoretische Erkenntnis verworfen, daß ein derartiges Schema ausreichendes Sparen zu seiner eigenen Finanzierung produzieren würde!06 Hopkins, der in der Treasury die Argumente gegen Keynes sammelte, stellte seinen Ausführungen die Kritik an der Auffassung voran, solide ("sound") Finanzpolitik müsse nicht einen jährlichen Budgetausgleich bedeuten, sondern den Ausgleich über eine Reihe von Jahren, in denen bei wirtschaftlichem Aufschwung durch einen entsprechenden Überschuß die in der Rezession eingegangenen Defizite wettgemacht würden. Wenn die Schleuse zur Defizitfinanzierung einmal geöffnet sei, würde dies zu immer neuen Forderungen nach höheren Staatsausgaben führen: "Would not the ordinary taxpayer and the business man very soon begin to have a feeling of uneasiness and apprehension? Afterall people will realise that the bill must be paid if not this year next year or the year after." Schnell würde so der unmittelbare positive psychologische Effekt, den die durch das unausgeglichene Budget möglichen Steuersenkungen in der Wirtschaft haben könnten, von Unsicherheit über die Zukunft abgelöst!"' Zur Wahl 1935 meldete sich Lloyd George einmal mehr aus der politischen Versenkung zurück. Eingedenk seines Achtungserfolges 1929, er hatte für die Liberalen immerhin über 5 Mio. Stimmen, wenn auch nur enttäuschende 59 Sitze errungen, versuchte er, sich durch ein Programm gegen die Arbeitslosigkeit aus der "wilderness"201 auf die nationale Bühne zurückzuversetzen. Anläßlich einer Rede in Bangor"" verkündete er seinen persönlichen "New Deal" und suchte damit bewußt die Anlehnung an das Programm gleichen Namens, mit dem der in Großbritannien hochgeachtete Präsident der USA Roosevelt (u.a. auch durch begrenztes "deficit spending") gegen die wirtschaftlichen Probleme seines Landes anzukämpfen versuchte. Lloyd George forderte für seinen New Deal den Einsatz ungenützt ("idle") herumliegender Gelder in Höhe von mehreren Millionen Pfund für ein großangelegtes Public works-Programm im Hausbau, für Landmeliorationen, Eisenbahnbau u.ä. Erneut zog er Parallelen zum Erfolg seiner Regierung im Krieg: er verlangte eine Umwandlung des Kabinetts in ein Gremium aus 5 Ministern ohne deVgl. Clarke: Keynesian Revolution, S. 291. R.V.N. Hopkins, "Arguments against unbalancing the budget", o.D. (1933) in PRO T.l?l/309 Budget Papers 1933. 201 J. Campbell: Lloyd George. The Goat in the Wildemess, 1922-1931, London 1977. 209 Text der Rede, die Lloyd George am 17. Januar 1935 hielt, in der Times vom 18. Januar 1935. 206
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partmentelle Verantwortung, ,.[ ...] to restore the principle of the old War Cabinet." Zudem meinte er "[ ... ) wbile we spend thousands of millions on tbe devastation of war we cannot sbrink from tbe responsibility of finding a few bundreds of millions to repair tbe desolation and the misery wbicb bave ensued." Der Umfang des Materials, das die Beschäftigung der TreasuryBürokratie mit den Gedanken ihres früheren Chefs im Archiv hinterließ, weist darauf hin, wie gefürchtet in der Regierung und in der Verwaltung das politische Charisma Lloyd Georges gerade in Wahlkampfzeiten noch war. Allein die quantitative Beteiligung anderer Ministerien als der Treasury läßt erkennen, daß bei der erneuten Widerlegung Lloyd Georges dem Argument der praktisch-administrativen Schwierigkeiten gegen extensive Public worksProgramme das größte Gewicht beigemessen wurde.210 Daneben wies die Treasury darauf bin, daß keinesfalls von einer erbeblichen Menge ungenützt herumliegender Spargelder auszugeben sei; außerdem habe das Beispiel der USA gezeigt. daß die Ergebnisse des New Deals eher enttäuschten. Aus eben diesem Grund wurde auch die praktische Wirksamkeit des keynes'schen Multiplikators bezweifelt. ,.The employment value of public works has been found in tbe past to be disappointing [ ...] Theorists of the school of Mr. Keynes hold tbat tbe expenditure bas constant and continuous effects in otber directions [ ...] But it cannot be said tbat this tbeory bas bad any practical confmnation, least of all, perbaps, in the United States, where the experiment has been tried upon a very large scale.""' Daneben rekurrierte die Treasury allerdings auch wieder auf ihre traditionelle Haltung der generellen Ablehnung finanzpolitischer Experimente: "[ ... ] As the Chancellor said on earlier occasions, we must be certain, for one thing, that such scbemes are not going to be a burden on the nation in the future; and it migbt be added that tbeir execution must not Iead us into dangerous financial experiments in the present. In the Government' s view it would be tbe beight of the folly to encourage talk of captivating projects like a great 'Prosperity Loan' before we know whetber or how the money can be both wisely borrowed and wisely spent." "[ ... ]in practice, appeals for vastly increased Government expenditure could only be met by financial methods which are quite foreign to this country and wbich are always associated with budgetary instability and insolvency [ ... ] the first result
210
1935.
Siehe PRO T.l61/672/S.40504/09/l Unemployment: Lloyd George programme
211 "Public Works", Memorandum der Treasury, undatiert (1935), in PRO T.16l/672/S.40504/09/2 Unemployment: Lloyd George programme 1935.
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of such a policy would be to create a profound distrust of Britisb currency and credit. "212 1936 erschien dann mit der General Theory Keynes' Hauptwerk, die bedeutendste wirtschaftswissenschaftliche Schrift des 20. Jahrhunderts. Keynes führte darin vier Grundelemente seiner Wirtschaftstheorie aus, mit der er radikal mit der klassischen Ökonomie brach und, insbesondere durch die Attacken auf seinen Lehrer Marshall, auch diejenigen Kollegen aus Cambridge gegen sieb aufbrachte (wie etwa Pigou), mit denen er sieb bislang in seiner Kritik durchaus auf einer Wellenlänge befunden hatte. Keynes vier Schritte einer allgemeinen Theorie waren zusammengefaßtm: 1. formulierte er das "psychologische Gesetz" der Verbindung von Konsumausgaben und Einkommen. Danach sind Veränderungen der Konsumausgaben abhängig von Veränderungen des aktuellen und erwarteten Einkommens; in der Regel werden jedoch die Veränderungen im Konsum geringer ausfallen, als die Veränderungen des Einkommens (Erklärung der marginal propensity to consum); 2. Aus der Konsumfunktion leitete Keynes den Multiplikator ab, nach dem eine Erhöhung der Investitionen eine um einen bestimmten Faktor größere Steigerung der Einkommen zur Folge hat. Die Größe dieses Faktors - d.h. des erneut in den Wirtschaftskreislauf zurückfließenden Anteils des Einkommens - wiederum hängt ab von der marginalen Konsum- (bzw. Spar-)neigung von Einkommenszuwächsen. Die Konsumtheorie in Verbindung mit dem Multiplikator sind die Bauelemente für Keynes' Theorie des "effective demand", mit der Variationen im Output zum Bestandteil des "equilibrating mecbanism"2 " der General Theory wurden. 3. legte Keynes mit der Begründung der Liquiditätspräferenz-Theorie den zentralen Punkt der keynesianischen Zinstheorie vor. Die Liquiditätspräferenz-Theorie erläutert die Gründe, aus denen die Öffentlichkeit Geld - d.b. unverzinste Werte - hält. Keynes identifizierte drei Motive, das Transaktionsmotiv (Notwendigkeit zur Geldhaltung für Transaktionen für die Zeit zwischen den Zahltagen), das Vorsichtsmotiv (für notwenMemorandum H. Brittain, 6. Februar 1935, in PRO T.l88!117. (Brittain, Sir Herbert: Treasury Official seit 1919, Third Secretary 1942-53, Second Secretary 1953-7.) 213 Keynes selbst identifizierte in zwei Briefen an Roy Harrod und Abba Lerner diese vier "stepping stones" zu seiner allgemeinen Theorie. Siehe Keynes an Lerner, 16. Juni 1936, in: The Collected Writings of John Maynard Keynes, Volume XXIX: The General Theory and After. A Supplement, hgg. v. Donald Moggridge, London/ Basingstoke 1979, S. 214-216 und Keynes an Harrod, 30. August 1936, in: The Collected Writings of John Maynard Keynes, Volume XIV: The General Theory and After. Part II, Defence and Development, hgg. v. Donald Moggridge, London/ Basingstoke 1973, S. 84-86. Vgl. Donald Moggridge: Keynes, London/Basingstoke '1993, S. 93. 214 Moggridge: Keynes, S. 94. 212
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dige Zahlungen aufgrund unvorhergesehener Zwischenfälle) und das Spekulationsmotiv. Die Höhe des gehaltenen Geldes aus Transaktions- und Vorsichtsgründen beschrieb Keynes als abhängig von der Höhe des Einkommens; die Größe der Spekulationskasse - und im Gegenzug dazu die Nachfrage nach verzinslieben Wertpapieren - hingegen als eine Funktion der Erwartungen der Öffentlichkeit über die zukünftige Zinsentwicklung. Danach ist die Höbe des Zinses zu einem wesentlichen Teil von den Erwartungen über seine zukünftige Entwicklung bestimmt. 4. zeigte er über die zweite Komponente der effektiven Nachfrage, die Investitionsnachfrage, daß die einzelne Investitionsentscheidung abhängig ist von der erwarteten Rendite der Investition im Vergleich zum langfristigen Marktzins (Erklärung der marginal efficiency des Kapitals). Die marginale Effizienz nimmt nach Keynes mit wachsendem Kapitalstock ab; um so wichtiger ist dann die Höhe des Marktzinses. Das für die klassische Ökonomie beunruhigende und nicht nachzuvollziehende Ergebnis dieser allgemeinen Theorie war, daß nichts dafür garantiere, daß das Gleichgewicht aus effektiver Nachfrage und der zu ihrer Produktion notwendigen Beschäftigung sich im Zustand der Vollbeschäftigung befinden würde.2 " Die politischen Implikationen waren unmißverständlich: "If the government wants full employment, the message ran, it cannot simply sit back and hope that full employment will just bappen: it must take steps to see that there is enough investment or consumption to secure it. One implication of this may be, at some periods, a Budget deficit; so be it. The important thing is not that the govemment should balance its own accounts, but that it should attain and maintain full employment. "216
215 Diese Zusammenfassung der General Theory (die Keynes-Biograph Moggridge als "[ ... ] probably the least clear of Keynes's contributions to economics" bezeichnet (D.E. Moggridge: Maynard Keynes. An economist's biography, London/New York 1992, S. 557)) lehnt sich an die Darstellung in ebd., S. 558; Clarke: Keynesian Revolution. S. 325; Robert W Dimand: The Origins of the Keynesian Revolution. The Development of Keynes' Theory of Employment and Output, Stanford 1988, S. 188ff. und Scherf an. Besonders hervorzuheben ist die konzise Darstellung Michael Stewarts - eines (noch immer) überzeugten Keynesianers -: Keynes and After. Eine Auseinandersetzung mit dem theoretischen Inhalt nach der Art "What Keynes really meant" ist hier nicht intendiert und wäre auch der weiteren Argumentation nicht von Nutzen. Festzuhalten bleibt, daß Keynes mit der General Theory den Weg der Loslösung von den Prinzipien der klassischen Ökonomie sehr weit gegangen war und daß er für diejenigen, die ihm folgten, damit auch ein Instrument zur Infragestellung der Grundlagen der Wirtschaftspolitik geschaffen hatte. 216 Stewart, S. 82.
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Nachdem mit der Publikation der General Theory 1936 die vollständige Grundlage für die "Keynesianische Revolution" der Wirtschaftstheorie vorlag, entwickelte Keynes 1937 in einer erneuten Artikelreihe in der Times auch den wirtschaftspolitischen Keynesianismus noch einmal weiter. Mit der Serie "How to avoid a slump" (12.- 14. Januar 1937)217 erreichten seine Darstellungen in den 1930ern zur Wirtschaftspolitik gegen Rezessionen die Form eines vollgültigen Programmes. Keynes schilderte die aktuelle wirtschaftliche Situation - die geprägt war vom Abflauen der konjunkturellen Erholung bei parallelen Boomanzeichen in der Rüstungsindustrie und dem Einsetzen einer scharfen Rezession in den USA - so, daß eine weitere Stimulation der Nachfrage anzuwenden nicht ratsam sei, jedoch Vorkehrungen für das Einbrechen einer neuen Rezession getroffen werden müßten. Eine stetige Entwicklung der Wirtschaft sei nur durch die Verstetigung des Investitionsstromes zu erreichen. "There is no reason to suppose that there is 'an invisible band', an automatic control in the economic system which ensures of itself that the amount of active investmentshall be continuously of the right proportion. Yet it is also very difficult to ensure it by our own design, by what is now called 'planning'. The best we can hope to achieve is to use those kinds of investment which it is relatively easy to plan as a make-weight, beinging them in so as to preserve as much stability of aggregate investment as we can manage at the right and appropriate Ievel. Three years ago it was important to increase investment. It may soon be equally important to retard certain types of investment, so as to keep our most easily available ammunition in band when it is most required." Unbedingt zu vermeiden ("we must avoid it [...] as we would hell-fire") sei die Verknappung des Geldes ("dear money"), da dies mit Sicherheit eine Depression nach sich ziehen würde. "Thus it is a fatal mistake to use a high interest rate as a means of damping down the boom. It bas been the occurence of dear money bitherto which has joined with other forces to make a slump inevitable." Analog zu der wünschenswerten Kreditaufnahme des Staates zur Expansion in der Depression sei nun eine entgegengesetzte Politik notwendig, was im konkreten Fall eine möglichst hohe Deckung der Wiederbewaffnungskosten aus Steuern bedeute. Die regionalen staatlieben Einheiten ("local governments") müßten jetzt Investitionen hinausschieben. Ebenso sei jetzt eine Erweiterung der Importe wünschenswert, auch um den Preis der Verschlechterung der Handelsbilanz (zumal der Goldvorrat mehr als ausrei211 In JMK XXI, S. 384-395. Auch mit diesen Äußerungen Keynes' beschäftigte sich die Treasury eingehend. Siehe insbesondere PRO T 208/197 und T 208/196 (Hawtreys Kouunentar zu ,,How to avoid ... " Dieser richtet sich vor allem gegen Keynes' Zinstheorie (Frage der Zinsdeterminanten) und will, im Gegensatz zu Keynes, die Bank Rate als Instrument der Konjunkturbremse beibehalten. Dies zeigt, daß noch nicht einmal Hawtrey, der Keynes in der Treasury am nähesten stand, 1937 als Keynesianer zu bezeichnen ist).
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chend sei), weil verstärkte Importe die überbordende Nachfrage befriedigen helfen würden und eine Vergrößerung der ausländischen Pfundguthaben dann im Abschwung mit ihrer Auflösung die Exportindustrie belebten. Als Vorbereitung für die Zukunft müßten neben den aktuellen "abkühlenden" Maßnahmen Pläne für den Fall eines notwendigen Anschiebens der Erholung ausgearbeitet werden. Dies meine vor allem eine überlegte und koordinierte Planung der öffentlichen Investitionen."' Den letzten Punkt führte Keynes zwei Monate später noch genauer aus: "lt is essential to set up at the centre an Organisation which has the duty to think about these things [Planung öffentlicher Investitionen], to collect information and to advise as to policy. Such a suggestion is, I know, unpopular. There is nothing a Government hates more than tobe well-informed; for it makes the process of arriving at decisions much more complicated and difficult." Es sei einfach, 80 oder 90% der nationalen Ressourcen einzusetzen, ohne sich viele Gedanken über eine Koordination zu machen. Das gelte jedoch nicht, wenn 95 oder gar 100% einzusetzen seien, wie es bei der Wiederbewaffnung der Fall sei. 219 Da Keynes es nie unternommen hat, seine wirtschaftspolitischen Vorstellungen in einem Werk zusammenzufassen, wäre es töricht zu glauben, aus der Rückschau bestimmen zu können, aus welcher seiner Schriften nun der "wahre" Keynesianismus herauszulesen ist. Allenfalls eine Gesamtbetrachtung seiner politischen Schriften kann ein einigermaßen vollständiges Bild ergeben, ohne die eine Definition des Terminus "Keynesianismus" relativ beliebig bleiben muß. Die Artikelserie The Means to Prosperity etwa und zum Teil auch How to avoid a slump beschäftigen sich mit den zur Aufrechterhaltung bzw. Erhöhung der effektiven (Investitions-)Nachfrage durch den Staat zu ergreifenden fiskalischen Maßnahmen; die Treatise on Money hingegen ist im wesentlichen eine Abhandlung über monetäre Störungen einer Volkswirtschaft und stellt entsprechend die Geldpolitik in den Vordergrund. Beginnend mit How to avoid a slump und dann vor allem in How to pay for the war (1940) beschrieb Keynes den Umgang mit einer durch ausufernde staatliche Ausgaben inflationären Übemachfrage. Wenn beispielsweise Booth meint, Deficit spending habe als integraler Bestandteil eines politischen Keynesianismus, wie er von Keynes gemeint war (im Gegensatz zu den Auslegungen der Epigonen, die Joan Robinson dann "Bastard Keynesians" genannt hat) keine wichtige Rolle gespielt, weil 1937 davon keine Rede war220, erhebt er 218 "How to avoid a slump"- Artikelserie aus der Times vom 12-14. Januar 1937, in JMK XXI, S. 384-395. 219 ,,Borrowing for Defence: ls it Inflation? A Plea for Organised Policy", Artikel aus der Times 11. März 1937, in: JMK XXI, S. 404-409. 220 Booth: British, S. 18/19.
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unzulässig einen Teil der Schriften zum Verfassungsdokument, der jedoch in einer Situation drohender Überlastung bestimmter Ressourcen verfaßt wurde, und der deshalb notwendigerweise und erwartungsgemäß andere Prioritäten setzte.
2. Interpretationsmuster zur Entwicklung, Bedeutung und Ausprägung des Treasury View: Auseinandersetzung mit der Forschungsdiskussion Die Ergebnisse der Untersuchung bis hierher haben über die Entwicklung des Treasury View gezeigt, daß dieser in einem dem Schatzamt aufgezwungenen längeren Prozeß der Reaktion auf die ihre Position in Frage stellende keynesianische Herausforderung als eine Abwehr- bzw. Verteidigungsstrategie entstanden ist (und damit kein "Schnellschuß" der Entgegnung auf die Wahlkampfforderungen Lloyd Georges war). Die Treasury mußte im Verlauf dieses Prozesses zum ersten Mal gegenüber äußerer Kritik die Grundlagen ihrer Politik formulieren. Ziel der Verteidigungsstrategie war die Bewahrung des Status Quo einer bestimmten Art der Finanzpolitik, deren konstituierende Merkmale die Realisierung möglichst kleiner, auf jeden Fall jedoch ausgeglichener Budgets, eine Haushaltserstellung nach traditionellen Maßstäben ("sound finance"), die Ablehnung einer staatlichen Beschäftigungspolitik (und dadurch auch: die Verweigerung der Übernahme von Verantwortung für den Grad der Beschäftigung) sowie, damit verbunden, eine Absage gegenüber dem Versuch einer gesamtwirtschaftlichen Ressourcenlenkung durch das Budget (Demand management) waren. Das heißt, daß die Treasury nicht von den kameralistischen Grundsätzen der Budgetpolitik abweichen wollte, nach denen die Aufgabe des staatlichen Haushalts die einer Kasse zur Verwaltung der zur Deckung der laufenden Ausgaben notwendigen Einnahmen ist.'" Die Kritik um Keynes dagegen forderte eine Integration der Finanzpolitik in das wirtschaftspolitische Instrumentarium des Staates. Nach außen (womit andere Politiker, Ministerien und die Öffentlichkeit gemeint sind) vertrat die Treasury diese Strategie sehr geschickt mit jeweils der Situation angepaßten Begründungen, wodurch sich die zugrundeliegenden Inhalte jedoch nicht veränderten.
nt Vgl. Clarke, in: Furner/Supple (Hg.), S. 173: Die Treasury sah sich in den 1930ern selbst als verantwortlich für die öffentlichen Finanzen, nicht für den allgemeinen Ablauf der Wirtschaft, als ,,National housekeeper", nicht als "national breadwinner". "The Treasury ... did not view the way the economy worked as its problem; it was defined as a nonproblem."
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Der Treasury View war nur am Anfang des Entstehungsprozesses Frucht theoretischer/ideologischer Überzeugungen. Als die theoretische Grundlage sich gegen Keynes' stichhaltige Darlegungen prinzipieller struktureller Schwierigkeiten des wirtschaftlichen Systems als nicht mehr haltbar erwies, fiel es dem pragmatischen Hopkins nicht schwer, wenige Monate nach dem Weißbuch und der Budgetrede Churchills so zu tun, als habe die Vorstellung vom Crowding out in der ohnehin "untheoretischen" Treasury nie eine besondere Rolle gespielt. Im Verlauf der 1930er Jahre zeigte das Schatzamt eine erhebliche Aexibilität in der Argumentation, als es die Notwendigkeit des gleichen Politikziels - ausgeglichene Budgets - mit zum Teil widersprüchlichen Beweisführungen zu begründen versuchte. Die Verschiedenartigkeit der Argumente deutet jedoch nicht auf eine prinzipielle (strategische) Unsicherheit oder Annäherung der Treasury an die Protagonisten expansionistischer Finanzpolitik hin, denn die grundsätzlichen Bestandteile des Treasury View blieben unverändert erhalten. Die Auseinandersetzung um die angemessenen Fonn der Finanzpolitik in den 1930ern wurde zudem nicht, wie es lange Zeit Meinung der Keynesianer war, zwischen zwei wirtschaftstheoretischen Fronten - auf der einen Seite Keynes, auf der anderen die orthodoxe Treasury geführt, da die Treasury nach 1931 überhaupt nicht mehr bereit war, sich auf theoretische Diskussionen einzulassen. Die Vorstellung von einer primär ideologisch motivierten Auseinandersetzung geht auf Keynes selbst zurück, der in einer vielzitierten Textstelle der General Theory fonnulierte, daß politisches Handeln von wenig mehr als von politischen und ökonomischen philosophischen Ideen geprägt sei: .,[... ] the ideas of economists and political philosophers, both when they are right and when they are wrong, are more powerful than is commonly understood. Indeed the world is ruled by little eise. Practical men, who believe themselves to be quite exempt from any intellectual influences, are usually the slaves of some defunct economists. Madmen in authority, who hear voices in the air, are distilling their frenzy from some academic scribbler of a few years back. I am sure that the power of vested interests is vastly exaggerated compared with the gradual encroachment of ideas. Not, indeed, immediately, but after a certain interval; for in the field of economic and political philosophy there are not many who are influenced by new theories after they are twenty-five or thirty years of age, so that the ideas which civil servants and politicians and even agitators apply to current events are not the newest. But, soon or late, it is ideas, not vested interests, which are dangeraus for good or evil. ""' Im Oktober 1932 dagegen kommentierte Hopkins die Geisteshaltung Phillips', 222
Keynes: General Theory, S. 383.
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der Sympathie für die theoretische Position der LSE-Ökonomen bekundet hatte: "It seems useless to endeavour to follow professional economic teaching, for there is no economic criterion for determining the proper economists to follow, and whoever one chooses, one is apt to find oneself led into actions which are either repugnant to common-sense or incapable of practical achievement. ""' Hopkins selbst fand erst nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst 1945 die Zeit, sich mit den wichtigsten Veröffentlichungen zur Wirtschaftstheorie (darunter Keynes' General Theory) zu beschäftigen.'" Die Motivation der Treasury, an traditionellen Schemata der Finanzpolitik festzubalten, muß folglich anders begründet sein, denn allein in der Ablehnung des Keynesianismus als einer als falsch wahrgenommenen Wirtschaftstheorie. Da die Treasury-Knights jedoch (wie es ihrem Stand als beamtete Staatsdiener zukam) nicht öffentlich und auch nicht intern über die wahren Beweggründe ihres Handeins Rechenschaft ablegten, bzw. dem Versuch, sie zu derartigen Bekennulissen zu bringen - etwa im Macmillan-Committee geschickt auswichen, wurde der Spekulation über die Entstehungsgründe des Treasury View Tür und Tor geöffnet. An dieser Stelle ist es daher notwendig, sich mit den wichtigsten Themen und Entwicklungen der Forschungsdiskussionen auseinanderzusetzen, insbesondere um zu zeigen, daß bisher noch keine befriedigende Antwort auf die Frage nach der Motivation der Treasury zur Schaffung und Verteidigung des Treasury View erbracht worden ist, bzw. daß dem Schatzamt implizit (durch das Übergehen der Frage nach den Eigeninteressen der Treasury am Erhalt der orthodoxen Budgeterstellung) unterstellt wird, außer wirtschaftspolitischen keine anderen Gründe für seine Haltung gehabt zu haben. Letztere Einschätzung geht aber ganz offensichtlich von einem falschen Bild der Hierarchie- und Machtinteressen von Bürokratien aus. Dieser Mangel in der bisherigen Forschung zur Finanzpolitik der Zwischenkriegszeit und dem Einfluß der Treasury liegt vor allem darin begründet, daß eine strenge Trennung zwischen den von der Schatzamts-Bürokratie vorgebrachten Argumenten gegen eine expansionistische Finanzpolitik und den Gründen der Treasury dafür, gerade auf diese Argumente zur Konstituierung des Treasury View zurückzugreifen, nicht vorgenommen wird (was wiederum in hohem Maße durch die immer noch bestehende ideologische Grenze zwischen Keynesianem und Nicht- bzw. Anti-Keynesianem bedingt ist).
Hopkins an Schatzkanzler, 20. Oktober 1932, in PRO T.175170. Dies überliefert James Meade in seinem Tagebuch. Eintrag 27.April 1945, in: Susan Howson/ Donald Moggridge (Hg.): The Collected Papers of James Meade. Volume IV: The Cabinet Office Diary 1944-46, London 1990, S. 70 (im folgenden zitiert als Meade-Diary). m
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Wiederholt wird zum Beispiel in der Forschung als Grund für die Ablehnung jeglicher Defizitfinanzierung die Furcht vor einem Verlust der "business confidence" genannt, des Vertrauens der Geschäftswelt in die politische Stabilität des politischen Systems - notwendige Voraussetzung für längerfristige Investitionen -, ein Argument, das in der Tat auch immer wieder von der Treasury angeführt wurde. Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob die Treasury mit der fortdauernden Verkündung der Gefahr, die aus einem Vertrauensvertust der Geschäftswelt zu drohen schien, nicht mit Absicht eine "selffulfilling prophecy" betrieb, d.h. die Furcht vor "unsound finance" geradezu provozierte",, um so für ihr Beweisführungsarsenal über die zu erwartenden Schäden durch eine expansive Finanzpolitik eine neue schlagende Waffe zu gewinnen. Die Untersuchung Collins' über die Reaktion der amerikanischen Unternehmen auf den New Deal Roosevelts zeigt, daß in den USA sehr schnell ein Gewöhnungsprozeß an den erweiterten staatliche Einfluß auf das Wirtschaftsgeschehen einsetzte.'" Auch wenn vergleichbare Studien für Großbritannien nicht vorliegen, ist die Annahme, es wäre dort wahrscheinlich zu ähnlichen Reaktionen gekommen, nicht zu spekulativ und nimmt der heutigen, die damaligen Warnungen des Schatzamtes bestätigenden Zustimmung zum genannten Argument"' einiges von seiner Überzeugungskraft Darüber hinaus muß, wenn derartige von der Treasury vorgebrachte Argumente als tatsächliche Beweggründe eingeschätzt werden, in Betracht gezogen werden, daß das Schatzamt in der Präsentation immer neuer, scheinbar unwiderlegbarer Gründe für die Unumgänglichkeit orthodoxer Haushaltspolitik außerordentliche Leistungen erbrachte und damit gerade in der Lage war, die eigenen "vested interests" an der Konservierung des finanzpolitischen Status quo wirksam zu verschleiern. Die Verbindung von aktiver Außenwirtschafts- und Geldpolitik und beständigem Festhalten an der "balanced-budget-rule" ist verschiedentlich als eine interne Loslösung der Treasury von den Grundsätzen der kameralistiMiddleton: Towards, S. 172. Robert M. Collins: The Business Response to Keynes, 1929-1964, New York 1981 (Contemporary American History Series). 227 Middleton: Towards, S. 87, 94. Middleton führt selber aus (S. 95), daß er zwar die tatsächliche Bedeutung der "business confidence" nicht beweisen könne (seine einzige Quelle hierzu ist - aus dem Federation of British lndustries Papers, Confederation of British lndustries Archives, London: FBI Committees (June-December) - das 'Memorandum re. economy', vom 27.November 1930, das allerdings noch zu Zeiten der Verteidigung des Goldstandardes geschrieben wurde!), nichtsdestoweniger sei es jedoch klar, daß die Wirtschaft nur marktkonforme Maßnahmen (Steuersenkungen) zur Kostenreduktion wollte. 225
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sehen Finanzpolitik und eine gesteigerte Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung zum ökonomischen Management interpretiert worden. Während die Treasury bestimmte Politikziele verfolgt habe, die nicht mehr mit den traditionellen Vorstellungen von ihren Aufgaben übereinstimmten (i.e. eine aktivere Rolle im Wirtschaftsprozeß), sei nach außen hin, gewissermaßen als Tarnung, um nicht das Vertrauen der Unternehmen und Finanzmärkte zu gefährden, jedoch nicht aus Überzeugung, die überkommene Art der Haushaltsführung beibehalten worden. .,Treasury offleials clearly sought to manage the economy after 1931; there is evidence in fiscal, monetary, and exchange rate policies. ""' Diese Interpretation hat allerdings wesentliche Beweisprobleme. Es läßt sich keine Äußerung aus der Treasury-Bürokratie belegen, die darauf hindeuten würde, daß ein solcher Einstellungswandel tatsächlich stattgefunden hat. die Hypothese beruht also allein auf der (korrekten) Feststellung, daß die Treasury sich dem wirtschaftspolitischen Kurs des National Government mit Aufgabe des Goldstandardes und protektionistischen Maßnahmen nicht widersetzt hat, verbunden mit einer reinen Spekulation über die Motive der Handelnden. Es ist obendrein nicht wahr, daß sich in der Fiskalpolitik Anhaltspunkte auf eine Hinwendung der Treasury zur ,,managed economy" finden lassen (weswegen Booth dafür natürlich auch keinen Beweis vorbringen kann). Zudem ist diese Fehlinterpretation des Treasury View als Verschleierung der interventionistischen Haltung des Schatzamtes - in der Version von Middleton und Booth - zu offensichtlich ein Versuch, einerseits Veränderungen in der finanzpolitischen Strategie zu verneinen, und damit denjenigen zu widersprechen, die eine Hinwendung der Treasury zur keynesianischen Nachfragesteuerung zu erkennen glaubten, und andererseits zur ,,Ehrenrettung" des Schatzamtes beitragen zu wollen, indem der lange Zeit vorherrschenden Auffassung von der wirtschaftspolitischen Untätigkeit der Treasury im Angesicht der Massenarbeitslosigkeit widersprochen wird. Geradezu entlarvend ist es, wenn Booth in einem über die Economic History Review ausgetragenen Streit seine Kontrahenten Peden und Middleton - die seine These doch im wesentlichen mittragen und nur graduelle Korrekturen anzubringen haben - fragt, ob ihre Aggressivität ihm gegenüber wohl in anabolen Steroiden im Nachmittagstee in der Universität Bristol (an der beide tätig sind) begründet sei."' Einmal mehr zeigt sich, daß derjenige, dem die Alan Booth: Britain in the 1930s: a managed economy? in: Ec.Hist.Rev., 2nd ser., 40 (1987), S. 499-522, S. 504. Vgl. Ders.: British, S. 28; Middleton: Towards, S. 104; George C. Peden: Britain in the 1930s: a managed economy? A comment, in: Ec.Hist.Rev, 2nd ser., 42 (1989), S. 538-543. 229 Alan Booth: Britain in the 1930s: a managed economy? A reply to Peden and Middleton, in: Ec.Hist.Rev., 2nd ser., 42 (1989), S. 548-556, S. 548. Vgl. Roger Middleton: Britain in the 1930s: a managed economy? A comment, in: Ec.Hist.Rev., 2nd ser., 42 (1989), S. 544-547. 228
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Argumente fehlen, gerne zu einer überzogenen Polemik greift, um die Schwäche der eigenen Position zu kaschieren. Die ,,revisionistische" Version, die Treasury habe in den 1930er Jahren eine Wandlung zur Befürwortung der ,,managed economy" vollzogen, sich dabei aber mit der Industriepolitik, der außenwirtschaftliehen Absicherung (das Exchange Equalisation Account wurde unter der Regie des Schatzamtes, nicht der der Bank von England geführt) und der Stützung der niedrigen Zinsen nicht der Instrumente keynesianischer Nachfragesteuerung bedient, wendet sich explizit gegen die Darstellung der Keynesianer Howson und Winch, die ein schrittweises Eindringen keynesianischer Politikvorstellungen in das Schatzamt nach 1931 feststellten.'" Es war sicher richtig und auch notwendig, sich von dem aus der keynesianischen Perspektive bestimmten Bild der 1930er Jahre als eines Ringens zwischen Keynes und der finanzpolitischen Orthodoxie, d.h. einer Auseinandersetzung um Wirtschaftstheorien, zu lösen: die Feststellung, daß Keynes in Wahrheit in der Zwischenkriegszeit nicht mehr Einfluß auf die Politik gehabt habe, als ein Hinterbänkler im Unterhaus oder die Editors der bedeutenden Zeitungen und daß die Auswirkungen der Wirtschaftswissenschaft auf die realen Entwicklungen der Zwischenkriegszeit allgemein viel zu hoch eingeschätzt werden"', ist, auch wenn in diesem Fall untertrieben wird - und eine Trennung in kurz- und längerfristige Wirkungen ein anderes Bild ergibt - als Korrektiv der allgemeinen keynesianischen Hochstimmung bis in die 1970er hinein durchaus bedenkenswert. Dies darf jedoch nicht dazu führen, der Treasury im Gegenzug eine eigenständige expansive, jedoch nicht-keynesianische Konzeption der Finanzpolitik bzw. gar der Integration von Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik unterstellen zu wollen; dieser Erklärungsversuch ist, durch die diametral der keynesianischen Anschauung entgegengesetzte Darstellung, nicht mehr, als ein nur spiegelverkehrtes Abbild des lange vorherrschenden Deutungsmusters. Das Instrument, über das die Treasury wirtschaftspolitische Leitgedanken verwirklichen konnte, war der jährliche staatliche Haushalt, und nichts deutet darauf hin, daß sich in der Treasury die Einstellung gegenüber dem Einsatz dieses Instrumentes in einer anderen als der herkömmlichen Weise verändert hat. Es muß unterschieden werden zwischen der Haltung des Schatzamtes zur Finanzpolitik, dem Agieren des Staates durch sein Budget, also einer Politikvariable, auf deren Gestaltung das Schatzamt selbst wesentlichen Einfluß nehmen konnte, und anderen Bereichen der Wirtschaftspolitik, hier insbesondere
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Howson!Winch, S. 109; Howson: Domestic, S. 143/5. Williamson: National Crisis, S. 13.
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Zins- und Außenwirtschaftspolitik, die es zwar unterstützen oder möglicherweise auch sabotieren konnte, auf die es jedoch nur geringen gestalterischen Einfluß nehmen konnte und für die die Treasury auch keine eigenständige Strategie entwickelte, weil das Schatzamt bewußt darum bemüht war, nicht als Akteur der Wirtschaftspolitik aufzutreten, sondern sich auf die Gestaltung der staatlichen Finanzen im traditionellen, d.h. kameralistischen, Stil zu beschränken. Die führenden Köpfe der Treasury konnten sich mit der wirtschaftspolitischen Strategie des National Government anfreunden und sie demnach auch unterstützen, weil sie die Möglichkeit bot, weiterhin den Treasury View als Grundlage des eigenen Handeins und der eigenen Position beizubehalten, indem sie eine anscheinend erfolgreiche Alternative interventionistischer Art zu keynesianischen (oder planwirtschaftliehen oder sozialistischen) Programmen bot, ohne daß die Grundsätze der Budgeterstellung angetastet werden mußten, um die es der Treasury eigentlich ging, und ohne daß die Treasury in die wirtschaftspolitische Verantwortung genommen wurde. Daß die Treasury sich so leicht und ohne den geringsten Widerstand in die spezifisch konservative Version eines Interventionsstaates der 1930er hineinfinden konnte, auch wenn dieser ohne den Goldstandard und protektionistisch operierte - und damit zwei der drei Säulen der traditionellen Wirtschaftspolitik opferte, die eine Trennung von staatlicher (bzw. demokratisch-politischer) und ökonomischer Sphäre hatten garantieren sollten -, zeigt gleichzeitig, daß die Widerstandslinie des Schatzamtes gegen wirtschaftspolitische Neuerungen nur den Bereich der Finanzpolitik, des Budgets, umzog. Eine grundsätzliche Gegnerschaft zu allen Formen staatlicher Lenkung war nicht vorhanden. Deshalb wäre es auch falsch, die Auseinandersetzung um den Treasury View in der Zwischenkriegszeit als ein Aufeinandertreffen von Keynesianismus und Laissez-faire zu kennzeichnen. Auch die Auffassung, .die Treasury habe ihre Ansicht über Nachfragesteuerung im Zuge der Wiederbewaffnung geändert"', erweist sich bei der Betrachtung der Positionen des Schatzamtes in der Reconstruction-Debatte im 2. Weltkrieg (s.u.) als unhaltbar. Es ist nicht statthaft, vom Verhalten in Krisenzeiten - wie es die aufgezwungene Defizitfinanzierung der außenpolitisch diktierten Wiederbewaffnung gegen die Aggressoren Nazideutschland und
212 Etwa in Howson: Domestic, S. 1, 125/5 und 143. Ähnlich aber auch NichtKeynesianer Middleton: Towards, S. 120: " ... from 1937 onwards rearmament necessitated large-scale borrowing and a relaxation of the strict tenets of financial control; [...] the Treasury recognized that rearmament orders were stimu1ating employment; [ ...] the budgetwas being used as an instrument to manage both total demand and its components by the eve of the Second Wor1d War."
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Japan für die Treasury war"' - auf eine grundlegende Änderung der Überzeugungen zu schließen. Sobald das Thema Aufliistung hätte abgeschlossen werden können, wollte die Treasury so schnell wie möglich zurtick zum Prinzip der soliden Haushaltsführung."' Die Wiederbewaffnung Großbritanniens war keine Beschäftigungspolitik oder intendierte Nachfragebelebung (trotz ihrer derartigen Effekte'"). Ganz im Gegenteil: die Treasury betrieb ihre "Obstruktion", d.h. die ihr später heftig vorgeworfene strikte Ausgabenkontrolle bei Rüstungsprogrammen'", ganz bewußt, weil sie um die finanziellen Auswirkungen des Programmes fürchtete. 1939 ist eine Hinwendung der Treasury zu einer Akzeptanz keynesianischer Finanzpolitik nicht zu erkennen. Ein besonderes Phänomen in der Forschungsdiskussion um den Treasury View ist dessen Bewertung bezüglich der aktuellen Politik: Während in den Jahren der keynesianischen Dominanz in den Wirtschaftswissenschaften die 233 Vgl. dazu Norman H. Gibbs: Das britische Aufrüstungsprogramm 1933 bis 1939 und das Ausmaß seiner Abhängigkeit von der Entwicklung in Deutschland, in: Friedrich Forstmeier/ Hans-Erich Volkmann (Hg.): Wirtschaft und Rüstung arn Vorabend des Zweiten Weltkrieges, Düsseldorf 1975, S. 245-263. 236 Vgl. Treasury Note to Minister for Coordination of Defence [lnskip], 22. Oct.l937: "The unexarnpled difficulties of 1931 excused the abandonment of the sinking fund in that year and the solid rebuilding of our finances at a time when the finances of most other States remained in ruins has thus far excused its continued suspension. But it cannot remain indefinitely suspended without grave risks alike in peace and war. The end of the period of borrowing should be the beginning of the period of normal finance." In PRO T.175/94 General Financial Policy 1936-1937. Vgl. Peden: Treasury View, S. 177, mit weiteren Belegen. 2" Mark Thomas: Rearmarnent and Economic Recovery in the late 1930s, in: Ec.Hist.Rev., 2nd ser. 36 (1983), S. 552-79. 236 Zu denjenigen, die die Treasury zur Hauptverantwortlichen für die schweren Fehler der Verteidigungspolitik in den 1930er Jahren machen, gehört in jüngerer Zeit etwa Robert Paul Shay, Jr.: British Rearmament in the Thirties. Politics and Profits, Princeton 1977. Vgl. dazu aber G.C.Peden: Keynes, the Economics of Rearmarnent and Appeasement, in Wolfgang J. Mommsen/Lothar Kettenacker (Hg.): The Fascist Challenge and the Policy of Appeasement, London 1983, S. 142-156, der sich gegen die (nicht nur) von Shay vorgebrachte Meinung wendet, daß die Treasury, wenn sie 1939 weniger eng klassischen ökonomischen Vorstellungen angehangen hätte und mehr Keynes gefolgt wäre, sich weniger Sorgen um die Größe des Wiederbewaffnungsprogramms hätte machen müssen: "At all events the evidence presented here of Keynes's views on the economics of rearmament, and on appeasement, may be sufficient to persuade historians not to call upon Keynes as a deus ex machina providing an easy solution to the dilemmas of defence and foreign policy in the 1930s." Ebd., S. 154. Siehe auch ders.: British Rearmarnent and the Treasury, 1932-1939, Edinburgh 1979, S. 12/13.
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Zeit vor dem Sieg der "Keynesianischen Revolution" gewissermaßen als das finanzpolitisch finstere Mittelalter galt, wurde in den 1970ern ein Gegentrend spürbar, der der Expansion der staatlichen Haushalte und den anschwellenden Defiziten sämtliche Übel zuschrieb, die vor allem die britische Wirtschaft als "englische Krankheit" plagten. Aus dieser Sicht wurde der Treasury View dann wiederum zur damals wie heute richtigen Politikalternative erhoben, zumal er in den 1920ern in Großbritannien eine Inflation wie auf dem Kontinent verhindert habe, und weil nur eine derartige Beschränkung der Möglichkeiten der Finanzpolitik den gewählten Politikern den gefährlichen Rückgriff auf eine Defizitfinanzierung versperren könne. Die Vertreter derartiger Ansichten gehen davon aus, daß gewählte Politiker aus Gründen des Machterhaltes bereit sind, eine inflationäre Ausgabenausweitung des Staates hinzunehmen, da das Wahlvolk im wesentlichen nur auf nominelle Zuwächse, nicht aber (zumindest nicht kurzfristig) auf die durch eine Geldentwertung entstehenden realen Verluste reagiere."' Welche weiten Kreise diese Debatte zieht, ist daran zu sehen, daß heute (1995/96) im Zuge des konservativen ,,rollbacks" in den Vereinigten Staaten eine lebhafte Diskussion darüber im Gange ist, den Zwang zu einem jährlichen Budgetausgleich als Grundsatz in der Verfassung festzuschreiben. Problematisch in bezug auf die Bewertung des historischen Treasury View sind solche Strömungen dadurch, daß der Versuch unternommen wird wird, aktuelle politisch-ideologische Debatten in der Vergangenheit zu auszufechten. Es wird auf diese Weise versucht, die Richtigkeit heutiger Positionen zu beweisen, indem die vermeintliche Richtigkeit des Treasury View respektive der Ansichten Keynes' zum damaligen Zeitpunkt bewiesen wird. Wenn der Treasury View als Leitmotiv der Finanzpolitik gegen die "natürliche Verschwendungssucht" ("natural profligacy") m Siehe James M. Buchanan/Richard E. Wagner: Democracy in Deficit. The Political Legacy of Lord Keynes, New York 1977, S. 24: "The legacy or heritage of Lord Keynes is the putative intellectual legitimacy provided to the natural and predictable political biases toward deficit spending, inflation, and the growth of government." Siehe auch John Burton: Keynes's Legacy to Great Britain: 'Folly in a Great Kingdom', in: Ders./James M. Buchanan/Richard E. Wagner: The Consequences of Mr Keynes. An analysis of the misuse of economic theory for political profiteering, with proposals for constitutional disciples, London 1978 (Institute of Economic Affairs, Hogard Paper 78) S. 31-75; Vgl. William B.Gwyn: Jeremiahs and Pragmatists: Perceptions of British Decline, in: Ders./Richard Rose (Hg.): Britain: Progress and Decline, New Orleans 1980 (Tulane Studies in Political Science, XVII), S. 1-25, S. 6. David Marquand: The decline of post-war consensus, in: Anthony Gorst/Lewis Johnman/W.Scott Lucas (Hg.): Post-war Britain, 1945-64. Themes and Perspectives, London 1989, S. 1-10, S. 4, spricht allerdings dieser These der ,,New Right" jeden Wahrheitsgehalt ab, d.h. er sagt, daß die historische Evidenz dem eindeutig widersprechen würde.
V. Charakter und Entwicklung des Treasury View der 1930er Jahre
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von Politikern in demokratischen Systemen gelobt wird, ihm ferner zugeschrieben wird, einen inflationären Mißbrauch der Staatsfinanzen und damit die Verarmung und Verelendung der Mittelklasse und so auch das Anwachsen radikaler Politik wie in Deutschland verhindert zu haben"', schießt diese Rehabilitierung des Schatzamtes allerdings über das Ziel hinaus. Zudem ist ein derartiges Modell einseitig, wenn es nur Politikern bzw. Wählern eigensüchtige Motive unterstellt. Die implizite Annahme, das marktkonforme Regelwerk der klassischen Wirtschaftspolitik (Freihandel, Goldstandard, ausgeglichene Budgets) sei eine Art natürliche Ordnung der Dinge und von den regelüberwachenden Institutionen auch in diesem Sinne verteidigt worden, läßt einmal mehr die Überlegung außer Acht, daß die Treasury (wie auch die Bank of England) wohlverstandene Eigeninteressen am Erhalt dieses Systems als ihrer Machtbasis hatte und diese im Rahmen ihrer Möglichkeiten verfolgte. 3. Motivation, Entstehung und Entwicklung des Treasury View Ergebnisse
Das Schatzamt entwickelte den Treasury View, zuerst als interne Positionsbestimmung, dann aber vor allem als Verteidigungsstrategie, in einer Reaktion auf die Angriffe der Allianz Keynes/Lloyd George auf die Finanzpolitik und ihr Organ Treasury. Diese Herausforderung mußte besonders ernst genommen werden, da sie zum einen nicht von Systemveränderern kam und überdies die Position der Treasury in Frage stellte, indem sie ein ökonomisches Management durch das Budget forderte, das das Schatzamt in seiner bestehenden Konstitution nicht leisten konnte und wollte. Der Treasury View gründete sich dabei, abgesehen von seinem ersten Entwicklungsstadium, im wesentlichen nicht auf einer festen klassisch-wirtschaftstheoretischen Überzeugung; andernfalls wäre es nicht zu erklären, daß die Treasury sich anscheinend ohne Probleme mit den politischen Veränderungen nach 1931 abfinden konnte, d.h. etwa nicht stärker auf die Wiederaufnahme des Goldstandardes oder des Freihandels drängte."' Die Frage nach den Gründen für die hartnäkkige Verteidigung des finanzpolitischen Status quo durch das Schatzamt ist trotz vielerlei Deutungsversuchen noch immer nicht beantwortet. Für ein plausibles Erklärungsmuster reicht die Analyse des Agierens des Schatzamtes als zentrales Wirtschaftsministerium (und der grundsätzlichen Haltung gegenüber staatlichen Interventionen in die Wirtschaft), wie sie in der Regel unternommen wurde, offensichtlich nicht aus. Solange die Budgeterstellung So bei Middleton: Towards, S. 9112. Zum Desinteresse der Treasury (mit der Ausnahme Leith-Ross) gegenüber einer Rückkehr zum Goldstandard nach 1931 vgl. Howson: Domestic, S. 83; Winch, S. 201. m
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A. Die erste Herausforderung der traditionellen Finanzpolitik
als Domäne der Treasury nicht in Frage gestellt wurde und nicht versucht wurde, das Budget zum Bestandteil der Wirtschaftspolitik zu machen, war keine Opposition des Schatzamtes gegen einen höheren Grad staatlicher Eingriffe festzustellen. Vielmehr sind deutliche Hinweise dafür zu erkennen, daß die Motive des Treasury View in der Position des Schatzamtes im administrativen Gefüge zu suchen sind. Grundsätzlich lassen sich aus der erfolgten Darstellung und der Auseinandersetzung mit der Forschungsliteratur nunmehr vier Schlußfolgerungen über Motivation, Entstehung und Entwicklung bis zum Kriegsbeginn des Treasury View ziehen: 1) Die Verwaltung der öffentlichen Kasse verlieh der Treasury ihren Status als zentrales Ministerium. Je strikter die Aufsicht über die Ausgaben der anderen Departments, desto größeren Einfluß nahm die Treasury auf die Gestaltung der Politik insgesamt. Um ihren Status zu bewahren, mußte die Treasury daher an möglichst sparsamer staatlicher Haushaltsführung interessiert sein. Jede Beschränkung der Treasury Control hingegen würde die Position des Schatzamtes spürbar schwächen. Der Erste Weltkrieg zeigte, daß bei einer erheblichen Ausweitung der öffentlichen Ausgaben die Kontrollmöglichkeiten des Schatzamtes rapide abnahmen. Die "balanced-budget rule", i.e. der Zwang zu größtmöglicher staatlicher Sparsamkeit und zur Scheidung der Finanzpolitik vom wirtschaftspolitischen Handeln des Staates, war daher die raison d'etre des Schatzamtes in der Form der Zwischenkriegszeit 2) Aus dem Druck hin zu ökonomischen und sozialen Reformen entwickelte sich eine Herausforderung der Position der Treasury, vergleichbar mit dem Geschehen im Ersten Weltkrieg: "No govemment can expand and undertake new responsibilities without changing its bureaucratic shape and size. In Britain this has meant that virtually every innovation in public policy has represented a challenge to the existing machinery of govemment, to the preeminent role of the Treasury within it and to the principle of 'Treasury control' .•.,.,Jeder Angriff auf die Treasury Control war auch eine Attacke auf die Führungsposition der Treasury in der Verwaltung Großbritanniens. Daraus leitet sich somit die vordringliche Begründung für die Entstehung des Treasury View ab: dieser war die Verteidigungsstrategie einer Verwaltungseinheit gegenüber dem durch die Forderung nach einer wirtschaftspolitisch orientierten Finanzpolitik ausgelösten Versuch, ihre Position in der institutionellen 2"" James E. Cronin: The Politics of State Expansion. War, State and Society in Twentieth-Century Britain, London/New York 1991, S. 11.
V. Charakter und Entwicklung des Treasury View der 1930er Jahre
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Rangordnung der Administration durch die Anfechtung der Grundlage ihrer Machtstellung einzugrenzen (oder gar zu beseitigen). Auf diese Weise lassen sich auch die Vielfalt und Widersprüchlichkeit der wirtschaftspolitischen Argumente, die das Schatzamt gegen expansionistische Formen der Finanzpolitik vorbrachte, plausibel begreiflich machen. Die Struktur und Hierarchie der Administration, nicht die Wirtschaftspolitik, waren eben der Kampfplatz, um den die Treasury focht; die Konsequenz der Kritik am negativen Einfluß der Finanzpolitik und damit des Schatzamtes auf die Gesamtwirtschaft war aufgrund der Macht und der besonderen Stellung der Treasury jedoch gerade auch ein Infragestellen dieser Position in der Verwaltung. Weil sie keine bestimmte Haltung in wirtschaftspolitischen Fragen zu verteidigen hatte, konnte die Treasury flexibel Argumente auswählen, die jeweils den größten Erfolg versprachen. 3) Die zunehmende Bedeutung staatlicher Intervention in die Wirtschaft und der steigende Anteil der staatlichen Ausgaben am gesamten Sozialprodukt lassen die Bedeutung des Budgets für die Gesellschaft wachsen. Detjenige, der den zentralen staatlichen Haushalt plant, bestimmt damit (heutzutage) einen Großteil der Wirtschaftsleistung der gesamten Volkswirtschaft. Im Verlaufe dieser Entwicklung, deren Ursprung in Großbritannien zumindest bis zum "People's Budget" Lloyd Georges von 1909 zurückzuverfolgen ist, gewann jede Maßnahme der Treasury Control Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft, was wiederum bedeutet, daß jedes Ausüben der traditionellen Funktion seitens der Treasury zu einem wichtigen wirtschaftspolitischen Akt geriet. Die Treasury fand sich deshalb nach dem Ersten Weltkrieg nicht mehr als neutrale Hüterio allgemein anerkannter Regeln (die sie, zumindest theoretisch, vor 1914 gewesen war"), als die sie sich selbst freilich weiterhin sah, sondern sie wurde gezwungenermaßen zu einem der wichtigsten Mitspieler im gesamtwirtschaftlichen Geschehen. Anders als beim neutralen Schiedsrichter kann ihr Gebaren als Teilnehmer von den anderen Beteiligten auch in Frage gestellt werden: genau das geschah durch die expansionistische (seitens Lloyd Georges - und die keynesianische) Herausforderung. Keynes und andere Kritiker bezweifelten, ob die Treasury in ihrer gegebenen Verfassung und mit den ihr zur Verfügung stehenden Beamten überhaupt in der Lage sein würde, die ihrer Ansicht nach notwendige Modernisierung der Finanz- und Wirtschaftspolitik vorzunehmen. "There has been nothing finer in its way than our nineteenth-century school of Treasury officials. Nothing better has ever been devised, if our object is to Iimit the functions of government to the least pos24 1 Zur Rolle des Staates (und seines Agenten Treasury) als "Schiedsrichter" im ökonomischen Spiel der Kräfte vgl. D.N. Chester/F.M.G. Wilson (Hg.): The Organisation of British Central Government 1914-1956, London 1957, S. 19.
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A. Die erste Herausforderung der traditionellen Finanzpolitik
sible and to make sure that expenditure, whether on social or economic or military or generaladministrative purposes, is the smallest and most economical that public opinion will put up with. But if that is not our object. then nothing can be worse. The Civil Service is ruled today by the Treasury school, trained by tradition and experience and native skill to every form of intelligent obstruction. ""' Das Schatzamt gewann durch den Bedeutungszuwachs der Finanzpolitik eine bestimmte Art von Macht, auf deren Ausübung es nicht vorbereitet war und die es eigentlich auch nicht akzeptieren wollte, da durch sie die traditionellen Verhaltensmuster, auch wenn sie gleich blieben, eine vollkommen veränderte Bedeutung gewannen. Treasury Control, etabliert als die Machtbasis des Schatzamtes innerhalb der Administration zur Sicherung strikter Sparsamkeit der Spending Departrnents, wurde so durch die Veränderung der äußeren Umstände zur wirtschaftspolitischen Machtbasis. Insbesondere die traditionelle Vorlage von Ausgabeprogrammen im Schatzamt bevor diese den administrativen Raum verließen und in die politische Sphäre (Kabinett bzw. Parlament) eintraten, ließ in einer Zeit, da dem Parlament immer weniger die Initiative für eigene Politikschritte blieb und diese weitgehend auf die Exekutive überging,.,, die Treasury Control zu einem wichtigen (wenn auch negativ, d.h. ablehnend'") gestaltenden Mittel der Politik werden. Das Streichen eines Ausgabenprojektes war nicht mehr nur solide, ordentliche Haushaltsführung (oder, wie Gladstone meinte, notwendiges "saving of candle ends"), für die die Treasury zwar innerhalb der Verwaltung unbeliebt- aber auch respektiert - war, für die sie unter den Staatsbürgern jedoch hohes Ansehen genoß, und das vielleicht über den Rang eines Ministeriums innerhalb der Hierarchie der Administration entschied. Vielmehr wurde es nun zur "deflationistischen" Politik, die unter Umständen Arbeitslosigkeit verursachte (wenn nicht in der Realität, so doch zumindest in der Propaganda des Wahlkampfes), deren Auswirkungen wiederum das ganze politische und wirtschaftliche System zu Interview Keynes in The New Statesman and Nation, 28. Januar 1939, in: JMK XXI, S. 491-500, S. 496. 2A' Vgl. Keith Middlemas: Politics in lndustrial Society. The experience of the British system since 1911, London 1979, S. 309. ,.. Vgl. Samuel H. Beer: Treasury Control. The Co-ordination of Financial and Economic Policy in Great Britain, Oxford 1963, S. 77: "Treasury control, old or new, is not positive direction: that is to say, the Treasury does not itself commonly take the initiative, dictating to departments what they shall undertake in order to fulfil government policy or plans. Rather it shapes the initiative already taken by departments, by a criticism which is mainly negative bringing that initiative into accord with policy." 2A2
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gefährden drohten. Diese Ursachenfolge machte die Position der finanzpolitisch verantwortlichen Institution angreifbar. Vergleichbar mit den Problemen aufgrundder Wiederherstellung des Goldstandardes zur Vorkriegsparität, die daran scheiterte, daß der Goldstandard in seinem Regelwerk nicht mehr zu den mittlerweile veränderten Umständen paßte, war auch die Treasury durch die Verwaltungsreform und die Stärkung der Treasury Control für das politische System von 1914 und die Disziplinierung der im Krieg daraus hervorgegangenen ungezügelten Freigebigkeit der Administration geformt worden. Tatsächlich wurden jedoch die Finanzpolitik und die Hüterio ihrer traditionellen Fundamente mit der existenzbedrohenden ökonomischen und sozialen Misere des liberalen Staates nach 1918 und der Notwendigkeit des Krisenmanagements konfrontiert, wofür das Schatzamt in seiner institutionellen Verfassung nicht vorbereitet war. Die Führung der Treasury war daher nachgerade gezwungen, sich der aufgrund des veränderten Verhältnisses von Staat und Gesellschaft (bzw. Wirtschaft) - durch den enormen Bedeutungsgewinn der Wirtschaftspolitik für die Gesamtpolitik insgesamt'" - und des mittlerweile überragenden Stellenwertes des Budgets für die staatliche Handlungsfähigkeit geforderten Integration der Finanzpolitik in die Wirtschaftspolitik zu widersetzen. Der Widerstand der Treasury gegen eine zentrale Position der Finanzpolitik im wirtschaftspolitischen Handeln des Staates war durch die Ablehnung der mit letzterem notwendig verbundenen Übernahme einer koordinierenden Funktion in der Wirtschaftspolitik bedingt: Die Rolle als Kontrollorgan ist im wesentlichen passiv; aktives Management der Wirtschaft würde eine vollkommen veränderte Ausrichtung und Organisation und damit wahrscheinlich ein anderes Organ als zentrale Stelle der Wirtschaftspolitik voraussetzen, als es das Schatzamt sein konnte. 4) Die politische Orientierung der Regierungen Großbritanniens in der gesamten Zwischenkriegszeit machte es dem Schatzamt leicht, seine Strategie aufrecht zu erhalten. Die Skepsis Churchills, die konservative Furcht vor der Unterhauswahl 1929 und der Populismus Oswald Mosleys, der in der zweiten Labour-Regierung durch ein radikales Programm gegen die Arbeitslosigkeit glänzen wollte und dann in einer großen Geste als Juniorminister zurücktrat (und schließlich zum Begründer der britischen faschistischen Partei wurde)"' ,., Vgl. Churchills Wort über die veränderten Bedingungen des Parteienstreites nach dem Ersten Weltkrieg: ,Jt is no Ionger a case of one party fighting another, nor of one set of politicians scoring off another. It is the case of successive governments facing economic problems, and being judged by their success or failure in the duel." Zit. nach Clarke: Question, S. 135. 246 Zum großen Auftritt Mosleys als "Rebell" Labours vgl. Skidelsky: Mosley, S. 193ff. und ders.: Politicians. Skidelsky spricht dem allerdings zuviel Bedeutung zu;
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A. Oie erste Herausforderung der traditionellen Finanzpolitik
konnten nicht den eindeutig dominanten Willen zur soliden Haushaltspolitik bei den entscheidenden Politikern aufwiegen. Das Schatzamt war nie gezwungen, die eigene Position ernsthaft gegen eine Regierung zu verteidigen, deren Politikziele im Finanzbereich von denen des Schatzamtes so weit divergierten, daß eine "entweder-oder-Entscbeidung" nötig geworden wäre. Die eine Gelegenheit, zu der sieb eine derartige Situation hätte einstellen können, der Widerstand der Labour-Mebrbeit und der Gewerkschaften gegen die Kürzungen der "dole" und die Forderungen nach "bigger not smaller budgets" im Sommer 1931, nahmen Premierminister und Schatzkanzler zum Anlaß, der eigenen Partei die Regierungsfabigkeit abzusprechen und eine Koalition mit den Konservativen zu suchen. Sobald sich jedoch das politische Umfeld verändern würde, sobald die "Keynesianische Revolution" aus den akademischen Kreisen und den Zirkeln der gebildeten Öffentlichkeit in die Politik herübertreten würde, mußte es der Treasury sehr viel schwerer fallen, ihre Strategie auch weiterhin beizubehalten.
Mosley selbst zeigt in seinen Memoiren (Oswald Mosley: My Life, London 1968), was von seinem Vorstoß in Richtung expansionistische Wirtschaftspolitik zu halten war: Seine Darstellung ist geprägt von schwer erträglicher Arroganz (etwa in der Darstellung J.H. Thomas' - seines politischen Vorgesetzten im in der LabourRegierung für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zuständigen Komitee - als nahezu schwachsinnigen Trinker) und läßt erkennen, daß Mosley mit seinem Memorandum nichts anderes wollte (wie er es auch mit seinen Memoiren versucht), als sich selbst im Glanz des besseren Wissens und die ihn umgebenden als Ignoranten erscheinen zu lassen. Wissenswertes steuert er zu diesem politischen Zwischenfall, mit dem er dann wohl nur Aufsehen erregen wollte, nicht bei. Oie harte Charakterisierung, die Snowden Mosley zukommen läßt (Snowden, S. 875-8), stimmt offensichtlich: Mosley war ein eitler Geck, der jeweilige politische Positionen (als Liberaler/Konservativer/Labour MP, dann als Gründer der New Party und der British Union of Fascists) nur zur Befriedigung der eigenen Ambitionen nutzte.
B. Die zweite Herausforderung: Das Ringen um die Zukunft der Finanzpolitik im Zweiten Weltkrieg- Kriegsfinanzierung und Reconstruction-Debatte I. Die Finanzierung des Krieges 1. Finanzpolitik in der "Treasury-Periode"': Die ersten Kriegsmonate Die Treasury war mit ihrer institutionellen Beharrungskraft als unangefochtene Siegerio aus der Debatte um die Grundsätze der Finanzpolitik der 1930er Jahre hervorgegangen; dennoch hatte sie durch die Aufrüstung schnell steigende Budgetdefizite hinnehmen müssen. Der Umfang der Haushalte war von knapp unter f700 Mio. 1934 auf ±:942 Mio. im Frühjahr 1939 (ohne die großen Wiederbewaffnungsanleihen) gestiegen. Dabei blieb es das Ziel des Schatzamtes, mit der Beendigung der nationalen Krise wieder zu den traditionellen Prinzipien solider Finanzen zurückzukehren. Die Eskalation der Krise durch den Ausbruch des 2. Weltkrieges verhinderte dies: die Kriegsfinanzierung des totalen Krieges ließ Haushalte und Defizite explodieren und bislang ungeahnte Dimensionen erreichen. Am 25. April 1944 brachte Schatzkanzler John Anderson einen Haushalt ein, der Ausgaben in der Höhe von ±:5937 Mio. bei Einnahmen aus Steuern und Abgaben von ±:3098 Mio. vorsah.' Planungsebene für die Notwendigkeiten eines möglichen neuen Krieges war nach dem Ersten Weltkrieg das bereits im 19. Jahrhundert gegründete Committee of Imperial Defence; konkrete Planungen fanden vor allem im Chiefs 1 D.N. Chester: The Central Machinery for Economic Policy, in: Ders. (Hg.): Lessons of the British War Economy, Cambridge 1951, S. 5-33, S. 5, unterscheidet drei Phasen der Kriegsfinanzierung nach den hauptverantwortlichen Institutionen: 1) Treasury-Periode- Kriegsbeginn bis April1940. 2) Periode "of the Committees"- Mai-Dez. 1940. 3) Periode des "Lord President's Committee" - Jan. 1941-August 1945. 2 HoC Deb. 399,25. April1944, cols. 681-683.
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B. Die zweite Herausforderung: Kriegsfinanzierung und Reconstruction
of Staff Sub-Committee (seit 1923) statt.' Zentraler ökonomischer Forschungspunkt war die Vermeidung einer Inflation im Kriegsfalle. Zu dieser Frage erstellte die Treasury 1929 ein Memorandum "The Course of Prices in a Great War".' Danach sollten im Kriegsfall die Gewinne und Löhne kontrolliert werden (wichtiger sei jedoch die Kontrolle der Löhne, da Gewinne einfacher zu besteuern seien), die Geldmenge sollte in Relation zum Warenangebot verringert und Konsumgüter rationiert sowie die Preise einer strikten Kontrolle unterworfen werden. Zur Untersuchung der mit diesem Report aufgeworfenen Fragen wurde 1932 ein Sub-Committee ins Leben gerufen. In einem "Progress-Report" vom selben Jahr wurde dann der Entschluß mitgeteilt, Lohn- und Preiskontrollen sofort bei Kriegsbeginn in Kraft zu setzen.' Mitte der 30er Jahre, im gleichen Zeitraum also, in dem die deutsche Wiederaufrüstung eindeutig erkennbar wurde und Großbritannien begann, mit eigener Rüstung zu reagieren, wurde dann jedoch die Planung in einem wichtigen Punkt revidiert. Die Treasury war nämlich zu der Einsicht gelangt, daß eine Lohnrestriktion zur Inflationsbekämpfung nicht durchsetzbar sein würde: "Memories of the last war and estimates of the trend of their [gemeint sind die Gewerkschaften] feelings during the nineteen-thirties made it seem highly unlikely that they would stand for surrendering their peace-time right of bargaining for higher wages. "' 1937 stellte Thomas Inskip, Minister for Co-ordination of Defence, zur Bedeutung der Finanzpolitik für die Kriegsvorbereitung fest: Es sei nicht denkbar," ... to win a war against a majorPower by a sudden knock-out blow: on the contrary, for success we must contemplate a long war, in the course of which we should have to mobilise all our resources and those of the Dominions and other countfies overseas ... If we are to emerge victoriously from such a war, it is essential that we should enter it with sufficient economic strength to enable us to make the fullest uses of resources overseas, and to withstand the strain. Seen in its perspective, the maintenance of our economic stability would more accurately be described as an essential element in our defensive strength: one which can properly be regarded as an fourth arm in defence [... ] without which purely military effort would be of no avail".' Bei ' W.K. Hancock/M.M. Gowing: British War Economy. History of the Second World War, United Kingdom Civil Series, (H.M.S.O.) London 1949, S. 42-44. • Nach: Hancock/Gowing, S. 47. s R.S. Sayers: Financial Policy 1939-1945. History of the Second World War, United Kingdom Civil Series (H.M.S.O.), London 1956, S. 24. • Hancock/Gowing, S. 56. 7 Interim Report des Ministers for Co-ordination of Defence C.P. 316(37) o.D., S. 3, in PRO CAB 24/273 Cabinet Memoranda. C.P.(37) Series. Vgl. Reinhard Meyers:
I. Die Finanzierung des Krieges
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Kriegsbeginn zitierte ihn der Schatzkanzler John Simon: ,,Finance, as has been sometimes said, is the fourth arm of Defence, no less important than the other three, for if finance failed, then the prop that sustains the whole of our war effort would collapse. "' So stellte sich gleichsam die auf die Kriegsfinanzierung angewandte Variante des Treasury View dar - ein Plädoyer für eine vorsichtige Finanzpolitik -, nach der die Überforderung der Finanzen durch zu frühzeitige Mobilisierung zu vieler realer Ressourcen bei einem zu erwartenden längeren Krieg lebensgefährlich sein würde, da Großbritannien auf den Erwerb von Gütern aus dem Ausland angewiesen sei, den es dann nicht würde finanzieren können. Für die Haltung der Treasury lassen sieb zwei unterschiedliebe Erklärungen finden. Zum einen verwies sie immer wieder auf die Bedeutung der Devisen- und Goldreserven für einen Krieg, da Großbritannien, mehr als jeder andere Kriegsteilnehmer, besonders auf Rohstoff- und Nahrungsmittelimporte angewiesen war.• Die Bedrohung, die der deutsche U-Boot-Krieg für die Gesamtversorgung der Insel mit sich brachte, aber auch die Abhängigkeit von den amerikanischen Hilfslieferungen zeigten, daß diese Sorge der Treasury begründet war. Daß die Vereinigten Staaten mittels Lend Lease schließlieb Ausrüstungen liefern würden, ohne dafür Bezahlung zu verlangen, war weder in den 1930er Jahren, als die Briten die Bedienung der Kriegskredite der USA aus dem Ersten Weltkrieg einseitig einstellten und damit die öffentliche und politische Meinung dort gegen sich aufbrachten, noch in den ersten Kriegsmonaten, als die Amerikaner in der Tat nur zu "cash-and-carry"-Exporten bereit waren und Großbritannien damit an den Rand der Zahlungsunfähigkeit drängten, zu ersehen gewesen. Zum anderen bewies die Treasury jedoch auch, daß sie die veränderten und auch qualitativ wesentlich erweiterten Anforderungen, die der totale Krieg an die Finanzpolitik stellen sollte, wohl noch nicht realisiert hatte. Bis in den Ersten Weltkrieg hinein war die Prämisse allgemein anerkannt, daß die moneBritische Sicherheitspolitik 1934-1938. Studien zum außen- und sicherheitspolitischen Entscheidungsprozeß, Düsseldorf 1976 (Bonner Schriften zur Politik und Zeitgeschichte 11), S. 418. 8 HoC.Deb. 351, 27. September 1939, col. 1362. • Vgl. Bernd-Jürgen Wendt: Economic Appeasement. Handel und Finanz in der britischen Deutschland-Politik 1933-1939, Düsseldorf 1971, S. 619: ,,Beim Ausbruch von Feindseligkeiten würden, das stand der britischen Führung ... jederzeit bedrohlieb vor Augen, der außenpolitische Ruin mit dem binnenwirtschaftlieben Kollaps Hand in Hand gehen, einem Kollaps, von dem sieb das Land selbst bei einem Sieg kaum wieder ganz werde erholen können." Vgl. R.A.C. Parker: British rearmament 1936-9: Treasury, trade unions and skilled labour, in: English Historical Review, 96 (1981), S. 306-343, S. 31lff. Vgl. auch Niedhart, S. 159.
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B. Die zweite Herausforderung: Kriegsfinanzierung und Reconstruction
täre Potenz eines Staates von ausschlaggebender Wichtigkeit für eine siegreiche Kriegführung sei. Viel zitiert wurde der Ausspruch des Condottiere Gian Giacomo de Trivulzio aus dem 15. Jahrhundert: "Um einen Krieg zu gewinnen, braucht man drei Dinge absolut notwendig: Erstens Geld, zweitens Geld und drittens Geld". 10 Die Anforderungen des totalen Krieges stellten jedoch schon bald nach 1914 diese traditionelle Maxime in Frage. Es zeigte sich, daß der mit allen Konsequenzen ausgefochtene Kampf zwischen hochindustrialisierten Mächten einen Grad wirtschaftlicher Mobilisierung erforderte, dem die überkommene Finanzpolitik nicht mehr genügte. In früheren Kriegen hatte es ausgereicht, wenn der Staat auf einen geringen Anteil der Gesamtproduktion zur Ausrüstung seiner Armee zurückgriff. Weniger der Umfang dieser Rüstungsproduktion als vielmehr deren Bezahlung war das Problem. Anders im Ersten Weltkrieg: Großbritanniens Regierung etwa gab 1918 {2696,2 Mio. aus, davon allein 2402 Mio. zu Verteidigungszwecken, bei einem Bruttosozialprodukt von {4790 Mio." Eine Regierung, die mehr als die Hälfte aller Wirtschaftsleistungen beansprucht, um sie, ökonomisch gesehen, im Krieg nutzlos zu vergeuden, muß ihre Volkswirtschaft straff organisieren, um zu gewährleisten, daß ihr alle benötigten Ressourcen zur Verfügung stehen. Diese Organisation: Allokation von Arbeitskräften und Rohstoffen, Preisfestsetzung für Rüstungsgüter und Lohn- sowie Gewinnrestriktionen, erwies sich als notwendig, um im Kampf der technisierten Massenheere bestehen zu können und bedeutete eine Zurückdrängong des Finanzierungsproblems. "In modern conditions, when war between great Powers is fully engaged, it is most unlikely that any Govemment will allow its war effort to be restricted by financial, as distinct from economic and political considerations. " 12 Keynes meinte: "The importance of a war budget is not because it will 'finance' the war. The goods ordered by the supply departments will be financed anyway. Its importance is social: to prevent the social evils of inflation now and later; to do this in a way which satisfies the popular sense of social justice; whilst maintaining adequate incentives to work and economy. "" Finanzpolitik im
Zit.nach: Max Lanter: Die Finanzierung des Krieges. Quellen, Methoden und Lösungen seit dem Mittelalter bis Ende des Zweiten Weltkrieges 1939 bis 1945, (Diss.Jur. Zürich) Luzern 1950, S. 14. Vgl. auch Klaus Knorr: The War Potential of Nations, Princeton 1956, S. 103: "Finance was then [vor dem Ersten Weltkrieg] regarded as the chief administrative problern when war broke out." "Zahlen nach: Mitchell: British, S. 590, 595, 829. 12 A.C. Pigou: War Finance and Inflation, in: The Economic Journal, Vol. 50, No. 200 (Dez.1940), S. 461-468, S. 461. 13 Notes on the Budget (Memoranden, die Keynes während seiner Tätigkeit in der Treasury an den Schatzkanzler und hohe Beamte des Schatzamtes schrieb) 21.9.1940, in: The Collected Writings of John Maynard Keynes, Volume XXII: Activities 193910
I. Die Finanzierung des Krieges
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modernen Krieg kann sich nicht allein um die Aufuringong der erforderlichen Geldmittel kümmern, sondern muß zu einem ökonomischen Lenkungsinstrument werden; materielle Kriegskosten bestehen nicht aus verbrauchtem Geld, sondern aus verlorenen realen Ressourcen. Diese Einsicht findet sich auch 1939 in England: "We must therefore pay for the war, in real terms, by the loss of products, consumption goods and machines, that our industrial resources could have produced if they bad not been called away to the sorry manufacture of death."" Da in Großbritannien die Rückkehr zu einem marktwirtschaftliehen System nach dem Krieg angestrebt wurde, war es zudem eine der vordringlichen Aufgaben der Finanzpolitik, dafür zu sorgen, daß nicht durch die Entstehung einer übermäßigen monetären Liquidität unter den Bedingungen des Krieges ein für die Nachkriegswirtschaft zerstörerisches inflationäres Potential sich entwickeln würde. Nachdem die totale Kriegführung die primäre Bedrohung des Kriegsbrandes als eine Feuerwehr gelöscht hatte, mußte die Finanzpolitik als eine Art von Aufräumkommando das überschüssige Löschmittel entfernen, um eine sekundäre Bedrohung (um im Bild zu bleiben: eine Überflutung) zu verhindern. Am 3. September, dem Tag der Kriegserklärung Englands und Frankreichs an Deutschland, trat eine Reihe von Verordnungen in Kraft, für die die Regierung mit der Emergency Powers (Defence) Act vom 24. August die Kompetenz erhalten hatte." Gegen den Gold- und Devisenverlust, der sich nach der Bekanntgabe des Hitler-Stalin-Paktes am 24./25. August zu einer neuerlichen Pfundkrise ausweitete, hatte die Bank of England am 25.8. ein Handelsverbot für das Pfund erlassen.'• In den Draft Regulations dieses Tages wurde außerdem ein Verbot "[ ... ] of receiving a payment or acquiring a property abroad" verhängt, alle Sterling-Konten fremder Regierungen und ausländischer Firmen und Personen wurden blockiert und die Einlösung von Devisen zu einem fixierten Wechselkurs allein durch das Exchange Equalisation Account der Treasury erlaubt.'7 Die Devisenkontrollen wurden dann zu Kriegsbeginn dahingehend verändert (Currency Restrietions Exemptions Order), daß be1945. Interna! War Finance, hgg. von Donald Moggridge, London!Basingstoke 1978, S. 216-221, S. 218 (im folgenden zitiert als JMK XXII). 14 Evan F.M. Durbin: How to Pay for the War. An Essay on the Financing of War, London 1939, S. 26. " Vorbereitungen der Notstandsgesetzgebung für die Kriegsfinanzpolitik seit August 1938 in PRO T.l60/853/F.14464/015 Compendium of Treasury War (finance) action. 16 Vgl. R.S. Sayers: The Bank of England 1891-1944, Vo1ume 2, Cambridge 1976, S. 571. 17 Nach: Sayers: Financial Policy, S. 235.
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B. Die zweite Herausforderung: Kriegsfinanzierung und Reconstruction
stimmte Staaten festgelegt wurden, mit denen Zahlungsabwicklungen ohne Formalitäten in Pfund Sterling durchgeführt werden konnten. Mit dieser formalen Festlegung der Sterling-Zone wurde der Import vor allem aus den ehemaligen Kolonien erleichtert. Einfuhren aus Nicht-Sterlingländern (bzw. die dafür erforderlichen Devisen), mußten seit dem 29.8. vom Exchange Requirement Committee genehmigt werden." Aufgrund der ebenfalls am 3.9. erlassenen No.6 Defence (Finance) Regulation and Exemption Order wurde am 12. des Monats das Capital Issue Committee gegründet, das die Ausgabe von Anleihepapieren der Privatwirtschaft, der lokalen Körperschaften und der Dominions überwachte, vor allem, um diese nicht zukünftige ZentralregierungsPapiere vom Finanzmarkt verdrängen zu lassen.'• Dies gewann um so mehr Bedeutung, als im Schatzamt und in der Bank of England Einigkeit darüber bestand, die Zinsen der staatlichen Anleihen im Krieg niedrig zu halten. Die Zinsbelastungen aus den Schulden nach dem Ersten Weltkrieg, als 1916 die Bank Rate 6% betrug und die Schatzwechsel der Treasury zu 5 1/2% verzinst wurden, sollten nach diesem Krieg vermieden werden: • Auf die Warnung Montagu Normans an die Finanzmärkte, vor allem aber an die Regierung, keine inflationäre Kriegsfinanzierung zu betreiben, indem er am 24.8. eigenmächtig, ohne den Schatzkanzler zu informieren, die Bank Rate von 2% auf 4% erhöhte21 , reagierten Premierminister und Schatzkanzler mit der Festlegung der Regierung auf 3% als generellen Zins aller staatlichen Papiere am 26.10.1939.22 Dies war die Geburtsstunde des "Three Per Cent. War".23 In seinen Erinnerungen verweist Schatzkanzler Sirnon positiv auf die Geschwindigkeit, mit der die Treasury nicht nur auf dem Verordnungswege reagiert hatte, sondern auch den ersten Kriegshaushalt erstellen konnte."' Als Reaktion auf seine Kritiker bekundete er ferner, dieses Budget sei nicht nur schnell, sondern auch durchgreifend in seinen Maßnahmen gewesen: "The rigour of tbese proposals responded to tbe temper of tbe country and set out war-time finance on a course which resulted in a full half of our total war expenditure being met out of contemporary taxation".2' Diese Auffassung divergiert allerdings sowohl von dem Urteil seiner Zeitgenossen, als auch von '" Hancock/Gowing, S. 113. Sayers: Financial Policy, S. 164. 20 Vgl. Sayers, Financial Policy, S. 144. 21 R.S. Sayers: Central Bankingafter Bagehot, Oxford 1958, S. 68. 12 Sayers: Financial Policy, S. 161. 23 Vgl. Überschrift in The Economist, Volume 138, 1940, S. 88 (20.1.1940). 24 John (Viscount) Simon: Retrospect. The Memoirs of the Rt. Hon. Viscount Simon, London 1952, S. 233. 25 Simon, 233. 19
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dem der Forschung. Keynes äußerte sich in einem Leserbrief an die Times: "What strikes me about this Budget is the utter futility of the old imposts to solve the problern [...)", bis auf die Excess Profits Tax sei der Haushalt"[ ...] however appalling it may seem to individuals, ... chicken-feed to the dragons of war" :• Sabine etwa schreibt: "Historically speaking, this was the ftrst wartime Budget and at best represented only a tentative step in the right direction; from the Standpoint of fiscal innovation and sacrifice, however, it was the last Budget but one of a phoney peace. "27 Sabine berichtet auch, daß Haushaltsrede und -diskussion im Unterhaus vor leeren Rängen stattfanden, was kaum ein Indiz für "unerbittliche Vorschläge" ist. In seiner Haushaltsreden schätzte Sirnon die aufkommenden Ausgaben auf f1933 Mio., bei ordentlichen Einnahmen von f888 Mio. Er kündigte die Erhöhung der EinkommensteuerStandardrate von 5sh. 6d. auf 7sh. 6d. an, die Erhebung einer indirekten Steuer auf eine Reihe von Genußmitteln und die Einführung einer Excess Profits Tax von 60% auf diejenigen Unternehmensgewinne, die über einem bestimmten Vorkriegsdurchschnitt lagen. (Die Steuer war im Ersten Weltkrieg als Excess Profits Duty erfunden worden. Im Sommer 1939 war bereits eine Armaments Profits Duty für Sondergewinne aus der Rüstungsproduktion eingeführt worden.) Diese Maßnahme sollte vor allem für den Willen der Konservativen zeugen für "Taking the profitout of war", wie es Chamberlain schon im Frühjahr betont hatte.29 Das Herbstbudget 1939 war ein Nachtragshaushalt, der einerseits mit den sprunghaft steigenden Kosten der Aufrüstung im Sommer des Jahres schon zu erwarten gewesen war, mit dem andererseits schnell und unverzüglich auf die Erfordernisse des Krieges reagiert werden mußte. Weitergehenden Aufschluß über die finanzpolitischen Ziele der Regierung Chamberlain/Simon sollte erst das für das gesamte Finanzjahr 1940/41 geplante Budget im Frühjahr 1940 geben. Das plötzliche Ausgreifen des Krieges mit der deutschen Besetzung von Dänemark und Norwegen am 9. April und die folgenden Erschütterungen der britischen Regierung aufgrund der offenen Ablehnung durch Teile der eigenen Fraktion sowie schließlieb der Wehrmachtsangriff auf Frankreich und Belgien am 9. Mai und die Neuformierung einer Regierung unter Churchill ließen das Gelingen dieses Ansinnens zweifelhaft werden. Die Planungen in Zeiten des "phoney war" wurden unversehens mit der Explosion des kriegerischen Geschehens konfrontiert, und so war es von vornherein wahrscheinlich, daß die finanziellen Vorkehrungen in kürzester Zeit obsolet sein würden. Der The Times, 28.9.1939. Sabine, S. 159. 28 HoC Deb. 351, 27. September 1939, cols. 1362 ff. 29 HoC Deb. 346, 28. April1939, col. 1350. Vgl. Sayers: Financial Policy, S. 29.
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Haushalt, dessen Debatte Schatzkanzler Sirnon am 23.4.1940 eröffnete, wurde dann auch mit dem ,,Royal Assent" am 27 .6. Gesetz, nur knapp einen Monat bevor der neue Schatzkanzler Kingsley Wood am 23.7. einen Nachtragshaushalt einbrachte. Die ordentlichen Einnahmen veranschlagte Sirnon auf f1234 Mio.: "This total [...], which I am now seeking to get from revenue this year, contains a larger figure drawn from taxation than has ever been raised in 12 months in the history of British finance"."' Um diese Summe zu erreichen, sollte vor allem die Surtax (Steuer auf Einkommensanteile, die eine bestimmte Höhe überschritten) schon für Einkommen über f1500 gelten und die E.P.T. auf 100% erhöht werden. Die Einkommensteuer wurde nicht angetastet, aber Sirnon kündigte die Einführung einer Purehase Tax, einer Verkaufssteuer auf Konsumgüter, an. Demgegenüber standen geplante Ausgaben von mehr als 2,6 Mrd. Gegen die Ankündigungen des Schatzkanzlers erhob sich in der Presse ein Protest von ungeahnter Schärfe. Keynes soll, nach einer Meldung der Financial News, den Haushalt bei einem Treffen der Liberal Party als den eines Feiglings bezeichnet haben." Im gleichen Ton äußerte sich der Economist: "Sir John Sirnon has missed bis opportunity... he has preferred to muffle the emergency [... ] Even the keenest desire to foster confidence in the national finances must yield to a sense of bitter disappointment" 32, und die Times zweifelte bereits im Januar, ob das Schatzamt überhaupt in der Lage sei, auf den Krieg zu reagieren: .,The primary function of the Treasury is to say 'No' ... the qualities bred by it are hardly those required to transform our peace-time economic system into the kind of organisation we need if all our resources are to be used effectively."" Das Gebot der Stunde heiße nun: "What is needed is a government that can organise the nation's strength, touch its imagination, command its spirit of self-sacrifice, impose burdens fearlessly of all classes, put the war before everything eise[ ...] Nobody can pretend that the Government answers to those needs. "" Zum Zeitpunkt der Planung der Haushalte Ende 1939 und Frühjahr 1940 fand der Krieg für Großbritannien nur in der Presse statt. Chamberlain beschrieb die Stimmung in seinem Tagebuch: "One can see already how this war twilight is trying people's nerves. Without the strong centripetal force of mortal danger, all the injustices, inconveniences, hardships and uncertainties of war-time are resented more, because they are feit to be unnecessary [... ]
"'HoC Deb. 360, 23. Aprill940, col. 87. Financial News, London 26.4.1940. 32 The Economist, Volume 138 1940, S. 795 (27.4.1940). 33 The Times, 31.1.1940. 34 The Manchester Guardian, 6.5.1940.
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last week 17% of my correspondence was on the theme 'stop the war'."" Noch Ende März 1940 erklärte Chamberlain auf einem Treffen des Supreme War Council, dem obersten Koordinierungsorgan der französischen und britischen Kriegsanstrengungen, die ökonomische Kriegführung (vor allem die Seeblockade) zur ,,main weapon."'6 Daß diese Haltung und der Unwillen der Bevölkerung sich gegenseitig verstärkten, ist einleuchtend: "Sir John Simon's silence has encouraged the British public to believe that the present comfortable paradox of rapidly rising Government expenditure, together with hardly any restriction of popular consumption, can continue indefinitely."37 Die Intentionen Chamberlains und der politischen Führung der Treasury wurden deutlich: Um den Widerstand Labours und der Gewerkschaften nicht herauszufordern, bzw. weil Labour derartige Schritte nur bei einer Regierungsbeteiligung mitzutragen bereit gewesen wäre, diese aber nur ohne einen Premier Chamberlain denkbar war, wurden Keynes' Zwangssparen (s.u.), höhere Einkommensteuern und die Heranziehung kleinerer Einkommen vermieden. Statt dessen zeigte die Regierung ihren guten Willen durch die 100% E.P.T. Das Halten der Labour-Opposition auf Armeslänge in "wohlwollender Neutralität" durch die Chamberlain-Regierung war - neben dem Machterhaltungsdrang des Premiers - eine Reaktion auf verschiedene Äußerungen aus der Führung der Arbeiterpartei zu den Bedingungen einer wirtschaftspolitischen Kooperation: "[... ] we are approaching very great changes in this country, and if this war goes on, you are inevitably to get, if you want to have national effort at its height, a far greater movement towards equality of fortunes in this country. "'" und: "Things will never be the same after this war. The whole economy of the country will be changed [... ]",. Die Ankündigung derartiger Veränderungen mußte für Sirnon und Chamberlain wie eine Drohung klingen. Vor die Wahl gestellt, eine rigide Finanzpolitik zu betreiben, die nur mit der Unterstützung von Arbeiterpartei und -bewegung hätte durchgesetzt werden können und damit Veränderungen in Kauf nehmen zu müssen, die ein "back to normalcy" nach dem Krieg unwahrscheinlich gemacht hätten, und der zuwartenden Untätigkeit, entschieden sie sich für letzteres. Das einzige Mittel einer solchen Kriegsfinanzierung war jedoch letztlich die Inflation, die gleichzeitig das überschüssige Konsumpotential absorbieren mußte.
" Tagebuch Chamberlain, Eintrag 23.September 1939, zit. nach Keith Feiling: The Life of Neville Chamberlain, London 1946, S. 424. 36 Hancock/Gowing, S. 98. 37 The Economist, Volume 138 1940, S. 718 (20.4.1940). "C.R. Attlee, HoC Deb. 351, 27. September 1939, col. 1385. 39 C.R. Attlee, HoC Deb. 360, 23. April1940, col. 90. 9 Otto
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Neben der dargestellten psychologischen Hemmschwelle, entstanden aus der diffusen Situation des "Sitzkrieges" und dem Unwillen der Regierung, die Arbeitervertreter zu provozieren, erwies sich auch die noch geringe Kriegsorganisation der Industrie als Hinderungsgrund gegen eine strikt anti-inflationäre Finanzpolitik. ,,Finance in wartime must be a camp-foliower of production", beschreibt Sabine das Problem, und fügt hinzu: "The plain factwas that Britain was not yet geared for total war".'" Solange die Produktion sich noch im Prozeß der Kriegsorganisierung befand, aus dem sich dann die Rationierung von Rohstoffen, Zuteilung von Arbeitskräften und staatliche Abnahmegarantien ergeben sollten, mußte eine Finanzpolitik der strikten Inflationsvermeidung kontraproduktiv wirken. Die Maßnahmen etwa, die 1941 in Kraft gesetzt wurden: Besteuerung nahezu aller Einkommen bis zur Grenze des Möglichen, strenge Preiskontrollen und Rationierungen auf fast alle Güter, hätten Ende 1939, Anfang 1940 durchgeführt bewirkt, daß die noch ungenutzten Ressourcen (Arbeitslose, nicht notwendige Konsumgüterindustrie) kaum rasch in die Kriegsindustrie umgeleitet worden wären. 2. "How to Pay for the War": Die keynesianische Kritik an der Kriegsfinanzierung Am 14. und 15. November 1939 erschienen in der Times zwei Artikel unter dem Titel "Paying for the War", mit denen Keynes sich öffentlich und sehr kontrovers in die Debatte um den richtigen Weg der Kriegsfinanzierung einschaltete. In diesen Artikeln entwickelte Keynes ein Schema, durch das eine unkontrollierte Inflation vermieden werden und gleichzeitig der besonders hohe Kriegseinsatz der niederen Einkommensgruppen in der Nachkriegszeit durch eine im Krieg angesparte Summe belohnt werden sollte. Das Prinzip war das eines erzwungenen Sparens ("compulsory saving"): Durch die steigenden Regierungsausgaben im Krieg entstehe, so Keynes, sobald die Arbeitslosigkeit von der Kriegsindustrie absorbiert sei, auch ein steigendes Volkseinkommen. Dieses vergrößerte Konsumpotential treffe dabei aber auf eine verringerte Konsumgüterproduktion, da ein großer Teil der Industrie auf Rüstungsgüter umgestellt werden müsse. Dieser Nachfrageüberhang bedeute steigende Preise, also Inflation. Da nach Keynes 3/5 der Konsumausgaben von Mitgliedern der Einkommensgruppe mit weniger als 250 Pfund im Jahr getätigt wurden und in dieser Bevölkerungsschicht darüber hinaus ein Einkommenszuwachs von 15% durch den Krieg festzustellen gewesen sei, mußte dort die Fiskalpolitik auch einen erheblichen Anteil des Konsumpotentials abschöpfen. Keynes' Vorschlag war nun, anstatt über eine erhöhte Besteuerung 40
Sabine, S. 171.
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diese Kaufkraft ein für allemal zu entfernen, sie durch ein Zwangssparen im Krieg in die Hände des Staates zu überführen und damit ihr Inflationspotential zu entschärfen, durch die Rückzahlung nach Kriegsende jedoch einmal eine Art von Belohnung für den erlittenen Konsumverzicht, zum anderen aber auch eine Stimulierung in der erwarteten Nachfragekrise nach dem unmittelbaren "post-war-boom" zu erreichen." Keynes wußte allerdings, daß es bei Kriegsbeginn nicht um die vollkommene Vermeidung von Preissteigerung ging. In einem Leserbrief an die Times schrieb er: "An average increase of 20 per cent. at least in wholesale-prices, which would mean a much smaller increase in the cost of living, is necessary and desirable."42 Wenige Tage später erklärte er den Lesern der Zeitung dann "[... ] that if working-class incomes are to rise by 10 to 20 per cent. and the taxes by only 5 per cent., either their real consumption must rise appreciably above the pre-war standard or they must save a large proportion of the increase in their incomes or prices must rise ..... Seine Gedanken zur Begrenzung des inflationären Potentials im Krieg faßte Keynes zum ersten Mal am 20.10.1939 in einer Rede vor der Marshall Society in Cambridge unter dem Titel "War Potential and War Finance" zu dem Konzept des Zwangssparens zusammen .... Vier Tage später sandte er das Manuskript als "The Limitation of Purchasing Power: High Prices, Taxation and Compulsory Saving" an den Herausgeber der Times, an den Schatzkanzler, den Oppositionsführer Attlee und die Ökonomen Stamp, R.H. Brand und H.D. Henderson. Nach eingehenden Diskussionen, unter anderem auch in einer Runde mit Ministern und Parlamentsabgeordneten sowie hohen Beamten der Tre~sury am 27.10., erschien die so erstmalig revidierte Fassung am 14./ 15.11. Nachdem es Keynes gelungen war, mit seinen Zeitungsartikeln nachhaltige Diskussionen in der Öffentlichkeit hervorzurufen, begab er sich wie eine finanzpolitische Gegenregierung in Gespräche mit den Parteien und den Offiziellen der Treasury. Vom Schatzamt und seinem politischen Vorgesetzten erwartete Keynes allerdings unter bestehenden Umständen nicht viel: "It would not be fair to say more than he [Simon] is interested [... ] The position really is, I think, not that the Govemment have any alternative, but that they The Times, 15.11. 1939. The Times, 28.9.1939. Vgl. British War Production 1939-1945. ARecord (compiled by "The Times"), London 1945, (Price Control and Policy) S. 33: "The choice is not between inflation and no inflation, but between controlled inflation and uncontrolled inflation." Eine Nation, die in der Kriegswirtschaft jede Inflation zu unterdrücken versuche, hindere sich so selbst an der vollen Mobilisierung ihrer Kräfte. 43 The Times, 3.10.1939 . ... Die folgenden Angaben zur Entstehung von "How to Pay for the War" nach: D.E. Moggridge: Economic Policy, in: Milo Keynes (Hg.), S. 179/80. 41 42
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are exceedingly reluctant to adopt any drastic remedy until the necessity of it is obvious, and more than obvious, to the densest member of the public. "" Allerdings schlug Keynes auch von Seiten Labours Ablehnung entgegen. Ernest Bevin - der doch ein ,J(eynesian by the light of nature" gewesen sein soll•• - traf den Kern der Zurtickweisung durch die Arbeiterbewegung, als er meinte, es sei nicht tragbar, daß man die Arbeiter durch Besteuerung im Krieg und Arbeitslosigkeit nach dem Krieg die Rechnung zweimal zahlen lasse, womit er auf die Erfahrungen nach dem Ersten Weltkrieg anspielte.•7 Da Keynes nichts über die Herkunft der Rückzahlung der Zwangsspargelder nach dem Krieg geschrieben hatte, identifizierte Bevin demnach das Zwangssparen mit einer Ausweitung der Besteuerung auf niedrige Einkommen, gekoppelt mit einem vagen Rückzahlungsversprechen. In der Erkenntnis dieses Erklärungsdefizites begann Keynes eine intensive Debatte mit Labour und der Gewerkschaftsseite. Nachdem er die Bezeichnung seines Schemas geändert hatte (statt "compulsory saving" verwendete er seit Dezember 1939 "deferred pay"••, um die anstößige Vokabel des Zwanges herauszunehmen), trug Keynes seine Vorschläge einer gemeinsamen Kommission von Labour und TUC am 24.1.1940 mit folgenden Änderungen vor49 : Zur Stützung der niedrigsten Einkommen sollte ein System umfassender Familienunterstützungen (family allowances) durch den Staat errichtet werden, ferner sollte die Rückzahlung der Spargelder nach Kriegsende durch eine Kapitalabgabe (capital levy) der höheren Vermögen erfolgen und die Einzahlung der Gelder im Krieg auch bei gewerkschaftseigenen Sparvereinen oder "friendly societies" möglich sein. Durch die geplanten Unterstützungen begegnete Keynes dem Argument, daß nun, wo es den Beziehern der niedrigsten Einkommen durch die Reallohnsteigerungen anfange, etwas besser zu gehen, ihnen dieser bescheidene Zuwachs wieder weggenommen werden sollte. Die Kapitalsteuer bot die Gewähr, daß zum Zeitpunkt der geplanten Rückzahlung auch tatsächlich eine finanzielle Verfügungsmasse bereitstehen würde, aus der die Rückzahlung würde geleiBrief an die Times, 11.3.1940, in: JMK XXll, S. 104. •• Alan Bullock: The Life and Times of Ernest Bevin. Volume li: Minister of Labour 1940-1945, London 1967, S. 10. 47 Vgl. Paul Addison: The Road to 1945. British Politics and the Second World War, London 1975, S. 58. •• Brief an die Times, 5.12.1939. •• "[ ... ] I have considerably improved the scheme from the Labour point of view [ ...]", Brief an Kingsley Martin, 29.1.1940, in: The Collected Writings of John Maynard Keynes, Volume XXVIII: Social, Political and Literary Writings, hgg. von Donald Moggridge, London/Basingstoke 1982, S. 137 (im folgenden zitiert als JMK 45
XXVIII).
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stet werden können, und bot weiterhin die Aussicht, daß aus diesem Krieg sich kein Teil der Bevölkerung würde unrechtmäßig bereichern können. Mit den verschiedenen Einzahlungsmöglichkeiten versuchte Keynes dem Mißtrauen der Gewerkschaften gegenüber staatlichen Institutionen entgegenzukommen. Vor allem machte er aber deutlich, worum es in seinem Plan eigentlich ging: In erster Linie nicht um das Aufbringen bestimmter Gelder zur Kriegführung, sondern um das Abschöpfen eines gefährlichen Inflationspotentials. Als Frucht der vielfältigen Diskussionen und der Aufnahme der genannten Veränderungen erschien Ende Februar 1940 dann das Pamphlet "How to Pay for the War. A Radical Plan for the Chancellor of the Exchequer".'° Für die keynesianische Theorie wie für ihre politische Dimension ist das Werk von besonderer Bedeutung, da unter dem Eindruck der anlaufenden Maschinerie des modernen totalen Krieges Keynes nun die Erklärung einer Wirtschaft mit durch Nachfrageüberhang induzierter Inflation gelang." Keynes zeigte, daß das Kernstück seines ökonomischen Systems, der "aggregate demand approach", den er in den 1930ern entwickelt hatte, um die Entstehung und die Beharrlichkeit von Arbeitslosigkeit zu erklären, genauso angewendet werden konnte auf die Probleme einer Volkswirtschaft mit Vollbeschäftigung. Die für die Finanzpolitik eminent wichtige Erkenntnis des Werkes ist, daß für eine wirksame Lenkung wirtschaftlicher Abläufe durch den Staat die gängige Art der Budgeterstellung nicht mehr ausreichte. Dem Budget sollte nach Keynes nicht mehr allein die Aufgabe zukommen, die staatlichen Ausgaben und deren Finanzierung zu regeln, sondern der Staat sollte durch das Budget eine Anpassung der aggregierten Nachfrage an die vorhandenen gesamtwirtschaftlichen Ressourcen vornehmen. Weiterhin schrieb Keynes: "The capacity of the country to meet the Govemment' s increased demands depends on three factors - the Iiquidation of existing assets, the expansion of output and the diversion of output", weswegen man diesen Output bestimmen müsse.sz Um Geso J. M. Keynes: How to Pay for the War. A Radical Plan for the Chancellor of the Exchequer (Original Februar 1940), in: Ders.: Essays, S. 367-441. '' Scherf, S. 159, bezeichnet die Schrift als einen "[ ...] Markstein und Beginn der modernen Inflationstheorie [... )" 52 J.M. Keynes: The lncome and Fiscal Potential of Great Britain, in: The Economic Journal, Volume 49, No. 196 (Dezember 1939), S. 626-635. Winch, S. 25617, schreibt, daß es Keynes damit erstmals gelang, die Mikro- und die Makroebene der Kriegsökonomie zu verbinden. Auf der Mikroebene wird die Allokation knapper physischer Ressourcen für zivile und militärische Nutzung geregelt. Notwendig dafür ist ein Planungsapparat zur Lenkung von Arbeitskräften und Materialien in solche Verwendungen, die möglichst schnell ein militärisches Potential aufbauen. Voraussetzung für diese Planung ist das Wissen über die Menge der vorhandenen Ressourcen und deren Einsatzprioritäten. Auf der Makroebene findet die Regulation des monetä-
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wißheit über den Stand der Ressourcen zu erlangen, sollten in die Budgetberechnung neben der Betrachtung der notwendigen Ausgaben für das folgende Finanzjahr Zahlen über die Zusammensetzung des wirtschaftlichen Gesamtleistung (Sozialprodukt) eingehen. Keynes erklärte dann die Entwicklung eines Nachfrageüberhangs aus der Kriegskonjunktur: Im Regelfalle würde ein Lohnzuwachs - wie zu Beginn des Krieges festzustellen - Konsumzuwachs bedeuten. Im Krieg sei durch die hohe Staatsnachfrage ein Gesamtkonsumzuwachs nicht möglich, die Größe des zur Verfügung stehenden Angebots ("the size of the cake") sei beschränkt. Dem ohnehin eingeschränkten Angebot stünde jedoch eine mit den Lohnerhöhungen (auch durch Mehrarbeit und ehemals Arbeitslose, die eine Beschäftigung gefunden haben) gewachsene Kaufkraft (Konsumpotential) gegenüber. Anfangs sei zwar daraufhin noch keine inflationäre Reaktion zu erwarten, da Produktion und Handel keinem unmittelbaren Preisdruck ausgesetzt seien und sie unter scharfer Beobachtung der Öffentlichkeit stünden. Eher müsse mit einem Angebotsmangel gerechnet werden. In der Folgezeit gebe es zwei Möglichkeiten, mit dem durch Lohnerhöhung, längere Arbeitszeit und Abbau der Arbeitslosigkeit entstandenen Nachfrageüberhang ("inflationary gap": die ,,Lücke" zwischen Kaufkraft und realem Warenangebot) fertig zu werden: Mittels Abschöpfen der überschüssigen Gelder durch Steuern oder ähnliche staatliche Maßnahmen, die die Einkommen (und damit die Kaufkraft) verkleinerten, oder durch Inflation, mit der sich das Warenangebot entsprechend der gewachsenen Kaufkraft verteuern würde. Da Keynes die inflationäre Lösung ablehnte, nannte er als Hauptproblem der Kriegsökonomen die Feststellung der Größe des volkswirtschaftlich möglichen Konsums: "This amount may be larger or smaller than that what perfect wisdom and foresight would provide. The point is that its amount will depend only to a minor extent on the amount of money in the pockets of the public and on their readiness to spend it." Es hänge eben viel mehr von der Größe ab, die nach Abzug von allen kriegsbedingten Notwendigkeiten übrigbleibe: "Whilst eamings will be increased, consurnption must be diminished. That is the conclusion to hammer home." Die "Größe des Kuchens" stellte Keynes fest, indem er den "National Output" (Bruttosozialprodukt nach Entstehungsrechnung) berechnete und seine Aufteilung (in der Ausgabenrechnung) in privaten Konsum, Staatsausgaben ren und fiskalischen Klimas statt, in dem Allokationsentscheidungen getroffen werden. Dies geschieht durch die Planung von Ressourcentransfers ohne Behinderung durch Inflation oder Besteuerung, die durch ihre Härte keinen Arbeitsanreiz mehr zuläßt.
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und Investitionen. Außerdem zeigte er den Anteil der Bezieher geringerer Einkommen am Gesamtvolkseinkommen (60%) und am Gesamtkonsum (etwa 2/3).5) Die Folgerungen seiner Ausführungen waren: a) daß bei weiter steigenden Staatsausgaben der Gesamtkonsum sinken müsse; b) daß dies durch eine Abschöpfung des in der Öffentlichkeit vorhandenen Geldes/Konsumpotentials geschehen müsse und c), daß dabei auch Einkommen von weniger als 5 Pfund in der Woche herangezogen werden müßten. Da für diese Notwendigkeiten das Ergebnis des freiwilligen Sparens nicht ausreiche und neue Steuern auf geringe Einkommen zu hart seien, bleibe als einzige Möglichkeit demnach das "deferred pay"- Schema in einer Gesamthöhe von etwa f600 Mio. pro Jahr. Um soziale Härten abzufedern forderte Keynes die gleichzeitige Einführung von Familienunterstützungen (in Form von Kindergeld) und der Subventionierung von bestimmten Grundnahrungsmitteln (der "iron ration"). Der Keynes-Plan spielte in der Budgetdebatte im Unterhaus, die mit der Rede des Schatzkanzlersam 23.4.1940 begann, in beinahe allen Diskussionsbeiträgen eine Rolle. John Sirnon äußerte sich, wie nicht anders zu erwarten gewesen war, ablehnend: "Another method [das Sparen zu verstärken] has now been put forward. It has been advocated by his author with much brilliance and persistence [ ... ] I am far from being convinced that such a scheme has all the merits which in some quarters are claimed for it." Als Gründe für die Zurückweisung nannte er die Verdrängung freiwilligen Sparens, die zu hohe Belastung der niedrigen Einkommen und den möglicherweise daraufhin entstehenden Lohndruck und administrative Schwierigkeiten. 54 Mit dieser ausweichenden Stellungnahme ging nicht nur der Economist scharf in die Kritik: "[... ]Sir John Sirnon was naturally led to pronounce upon Mr. Keynes' proposals for compulsory saving or 'deferred pay' . This was the moment for which the House of Commons had been most anxiously waiting, since the Keynes plan, apart from its precise proposals, has come to stand as a symbol of the need for a novel and imaginative approach to the problern of war fin Diese Angabe hat sich seit der ersten Veröffentlichung in der Times verändert (von 3/5). Ebenso korrigiert sich Keynes in den Zahlen seiner Sozialproduktsrechnung leicht gegenüber dem Artikel im Economic Journal. 54 HoC Deb. 360, 23.4.1940, cols. 80/81. Auch auf der Ebene der führenden Treasury-Beamten traf der Plan (auch nach dem Regierungswechsel) auf einmütige Ablehnung, insbesondere wegen der damit verbundenen administrativen Schwierigkeiten, die die für die Steuereintreibung zuständige Behörde Board of Inland Revenue als erheblich darstellte. Memorandum "The Next Budget", H.J. Wilson, 10. Januar 1941, S. 9 und ders. an den Schatzkanzler, 1. Februar 1941, S. 1, in PRO T.l711355 PreBudget Papers I (1941).
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nance." Einmal mehr habe sich Sirnon - auch diese Kritik richtete sich vordergrundig nur gegen den Schatzkanzler, meinte aber im gleichen Maße auch den ,,First Lord of the Treasury", Premierminister Chamberlain -, indem er sich abfällig gegenüber dem Plan äußerte, der Situation nicht gewachsen gezeigt." 3. Die Organe der Finanzpolitik im Krieg: Verlust der administrativen Führung der Treasury
Mit Kriegsbeginn ruckte das Schatzamt, zunächst unangefochten, durch seine Zentralität in der Gesamtadministration (und weil es kein anderes zentrales Wirtschaftsministerium mit koordinativen Fähigkeiten gab) auch in die bestimmende Position innerhalb der Wirtschaftspolitik ein. Die Treasury übte diese Dominanz vor allem durch ihre Stellung in den den Kriegseinsatz koordinierenden Gremien aus. Der Permanent Secretary der Treasury übernahm den Vorsitz im lnterdepartmental Committee on Economic Policy (in dem die führenden Beamten der Wirtschaftsministerien saßen), der Schatzkanzler den des ministeriellen Committee on Economic Policy; der Schatzkanzler war zu diesem Zeitpunkt praktisch Minister für ökonomische Koordination, die Treasury sollte die Wirtschaftspolitik leiten und dabei gelegentlich auf das neue Horne Policy Committee zurückgreifen." Offizielles Gremium zur Abstimmung der Wirtschaftspläne der verschiedenen Ministerien war der im Juli 1939 eingesetzte sog. Stamp Survey (offizielle Bezeichnung: Survey of Economic and Financial Plans), eine kleine Gruppe von drei Beamten aus der Treasury und der Bank von England um Lord Stamp". Am 29. September wurde Stamp zum Adviser on Economic Coordination ernannt und zum Präsidenten des Interdepartmental Committee on Economic Policy." Die Bedeutung, die einem (fast) Ein-Mann-Unternehmen in der ökonomischen Mobilisierung für den kommenden Krieg zugemessen wurde, zeigt ganz deutlich, wie vollkommen unzureichend Politik und Administration (bzw. hier das Kabinett Chamberlain und die Treasury) auf den Krieg vorbereitet waren und bis zu welchem -geringen -Grad sie nur bereit waren, die Vorbereitungen in den normalen Verlauf der (finanzpolitischen) Dinge eingreifen zu lassen. ss
The Economist, Volume 138 1940, S. 760 (27.4.1940).
>• Vgl. Chester, in: Chester (Hg.): Lessons, S. 6.
" Stamp, Lord Josiah: Vorstandsvorsitzender London, Midland, Scottish Railway; Direktor Bank of England; Mitglied im Economic Advisory Council; Nov. 1939 Leiter Central Economic Information Service. Chairman Survey of Financial and Economic Plans 1939-41. Gestorben 21.4.1941 bei einem deutschen Bombenangriff. " Zur Organisation der Wirtschaftspolitik: PRO CAB 21/2217 "Outline History of Central Organisations for Economic Policy (1919-1947)", 9.10.1947.
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Die Kritik an der Unentschlossenheit der Regierung, die Herausforderungen des totalen Krieges anzunehmen, konzentrierte sich auf das Schatzamt, verständlich aufgrund seiner zentralen und herausgehobenen Stellung in der Organisation des Kriegseinsatzes. Die Haltung Chamberlains, der vor dem persönlichen Macbtverlust, dem scheinbaren Unwillen in Teilen der Bevölkerung, vor allem aber vor Labours Veränderungs- und "soak-the-rich"-Rhetorik zurückschreckte, verband sich in den Augen der Kritiker mit dem Versuch einer orthodoxen Finanzpolitik durch Jobn Sirnon zu einem Bild der Unfahigkeit, die Probleme einer Kriegswirtschaft lösen zu wollen und zu können. Die Macht des Schatzamtes und sein Ruf, Hort der finanzpolitischen Orthodoxie zu sein, ließen erwarten, daß eine entschlossenere Kriegführung, zu der die Kriegskoalition unter Chorchili antrat, nicht nur andere Personen, sondern auch andere Institutionen benötigen würde. "When Mr. Churchill's Government took office in May 1940 the political atmosphere was definitely antagonistic to the Treasury. There was a strong feeling that finance should be put in a less dominant position."'• Dazu kam, daß der Nachfolger Warren Fishers als Permanent Secretary der Treasury, Horace Wilson, als enger Vertrauter Chamberlains in der Öffentlichkeit mit dessen nun verdammter AppeasementPolitik in Verbindung gebracht wurde; Dalton beschreibt in seinen Erinnerungen eine Szene, die den Machtverlust Wilsons und der Spitze der TreasuryBürokratie in der Politikberatung symbolisch dokumentiert: "In Chamberlain' s time Sir Horace Wilson occupied the small room opening out of the Cabinet Room at No.lO Downing Street, facing towards the Horse Guards Parade. There every morning he reported for duty. But when he came, as usual, in good time on the morning of May 11th, he found that paratroopers bad arrived before him. On the couch, opposite the door through which he entered, sat Brendan Bracken, the new Prime Minister' s Parliamentary Private Secretary, and Randolph Churchill, the new Prime Minister's son, the latter in uniform. They stared at Sir Horace, but no one spoke or smiled. Then he withdrew, never toreturn tothat seat most proximate to power."60
59 Chester, in: Chester (Hg.): Lessons, S. 6. Vgl. auch Hancock/Gowing, S. 217: "When Mr. Chamberlain was Prime Minister, much reliance bad been placed upon the Treasury's predominance in the system of civil committees. The role of the Treasury was now greatly reduced." 60 Dalton: Fateful Years, S. 320. Vgl. auch Rory MacLeod: The promise of full employment, in: Harold L. Smith (Hg.): War and social change. British society in the Second World War, Manchester 1986, S. 78-100, S. 82: "The Treasury was under a cloud from 1940 to 1943. This was partly because Sir Horace Wilson, a close adviser of Chamberlain and greatly disliked by Churchill and the Labour Party, remained its official head until 1942."
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Zum neuen Chancellor of the Exchequer der Kriegskoalition aller Parteien unter Churchill wurde Kingsley Wood!' Woods (der als getreuer Anhänger Chamberlains und seiner Politik gegolten hatte'2) Ernennung ließ die Kritiker der bisherigen Ausrichtung der Treasury an einem möglichen Neubeginn zweifeln: "The Chancellor of the Exchequer should be a man with a broad grasp of the essential problems, with a ruthless energy, with a personality that dominates and galvanises bis colleagues - such a man as Mr. Lloyd George was when he was Chancellor of the Exchequer. That the post should have been given to a man who is not known to have any qualifications of technical competence or personal character for il and has always been a ringleader of the 'Better-Notters' is a disaster."" Der Einzug in Downing Street Nr. 11 war die Belohnung für Woods Loyalität gegenüber Churchill in der Entscheidung um die Nachfolge Chamberlains64 ; die Vermutung, daß die Nebenabsicht damit verbunden war, einen eher schwachen Schatzkanzler auszuwählen, eben keinen, der seine Kollegen "dominieren" konnte, um so die Macht der Treasury zu verringern, die erstrangige Kompetenz der Wirtschaftspolitik in andere Hände zu verlagern und Widerstände der Finanzpolitik abzudrängen (und die Bedeutung der Finanzen im allgemeinen zu schmälern"), läßt sich allerdings nicht von der Hand weisen. Ein Indiz dafür ist auch das Zurückdrängen des Schatzkanzlers aus bestimmten inneren Machtzirkeln. Wood war, im Gegensatz zu seinem Vorgänger, anfangs nicht Mitglied des War Cabinet (bis Oktober 1940) und mußte nach dem Fall Singapurs, als die Regierung Churchill in der Presse und im Parlament unter heftigen Druck geriet und die Forderung nach einem Kabinettsrevirement laut wurde, im Februar 1942 wiederum aus " Wood war vorher Postmaster General, Minister of Health und Secretary for Air. 62 "Wood bas started bis career as an insurance expert. Though hitherto Chamberlain' s Sancho Pansa, he knew when to take out a cover note for the future" Taylor: English, S. 474. Vgl. Addison: Road, S. 124. "The Economist, Valurne 138 1940, S. 890 (18.5.1940). 64 Vgl. Addison: Road, S. 101. " Die Dominanz der Produktion über die Finanzen läßt sich besonders gut in Churchills Vorstellungswelt nachweisen, etwa wenn er in seinen Erinnerungen an den Krieg die Devisenprobleme Großbritanniens vor Abschluß des Lend-Lease Abkommens schildert, und seine Anweisungen so wiedergibt: Die Briten sollten alles Material in den USA bestellen, was sie brauchten, die Sorge um die Finanzierung müsse man den "ewigen Göttern" überlassen. Winston S. Churchill: Der Zweite Weltkrieg. Memoiren. Zweiter Band: Englands größte Stunde, 2. Buch, Frankfurt (Main)/ Berlin/Wien 1985 (Original: The Second World War, Their Finest Hour, London 1949), S. 286. Vgl. auch Angus Calder: The People' s War. Britain 1939-45, New York 1969, S. 113: "Chamberlain had been great1y interested in financia1 policy and had been identified with orthodoxy. Churchill was not greatly interested in finance and was prepared totalerate unorthodoxy."
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dem War Cabinet ausscheiden. Wood blieb zudem der Vorsitz des Economic Policy Committee verwehrt. In die wirtschaftspolitische Stellung der Treasury rückten nach dem Regierungswechsel im Mai 1940 eine Reihe von Komitees ein, die neuorganisiert oder neugegründet wurden. Die Neuorganisation der wirtschaftspolitischen Verwaltung war eine Komponente einer allgemeinen Modemisierung und Effizienzsteigerung der Arbeit der Administration, die, obwohl nach Auffassung der Regierungskritiker schon lange überfallig, anscheinend erst unter dem Eindruck der existentiellen Bedrohung vollzogen werden konnte ... Unter der Führung des neuen Lord Privy Seal Clement Attlee wurden das Horne Policy und das Food Policy Committee (neu, vorher Bestandteil des Horne Policy Committee) zusammengefaßt, Artbur Greenwood (Minister ohne Portfolio) wurde Vorsitzender des Economic Policy Committee und des Production Council. Beide Labour-Minister sollten als Chairmen ihrer Komitees in der Funktion von "super, non-departmental co-ordinating Ministers" 67 agieren. Weisungsgebendes Gremium, und damit kompetentestes Organ der Wirtschafts- und Finanzlenkung, wurde das neugegründete Lord President's Committee (LPC), dessen Mitglieder der Lord President of the Council als Vorsitzender (bis November 1940 Chamberlain), der Lord Privy Seal, die Mi-nister ohne Portfolio und der Schatzkanzler waren. Nach dem Tod Chamberlains wurde das an Kompetenzstreitigkeiten leidende System der Committees neu durchorganisiert."" Koordinierendes Organ blieb das Lord President's Committee, geleitet von John Anderson, das Production Council wurde durch eine Production Executive abgelöst, deren Vorsitzender Emest Bevin (Minister of Labour and National Service) war. Neu geschaffen wurde eine Import Executive unter Andrew Duncan, dem Minister of Supply ... Die Rolle des dominierenden Organs der Wirtschaftslenkung, des Komitees unter Anderson, beschrieb Churchill im Unterhaus im Januar 1941: Es sollte ein"[ ... ] Steering or Planning Committee... which deals with the larger issues, and also deals with questions of adjustrnent" sein. "It is fitted to do so, because although it is not •• Vgl. Hennessy: Whitehall, S. 88: "The last person truly toreform Whitehall was that well-known expert in public administration, Adolf Hitler. He obliged the British Government to find new men and new methods almost overnight. Wartime Whitehall was a success story, a crucial factor in producing what became the most thoroughly mobilised society on either side, Allied or Axis, in the Second World War." 67 Chester, in: Chester (Hg.): Lessons, S. 6. 68 Vgl. Chester, in: Chester (Hg.): Lessons, S. 10. 69 Die Aufgaben der beiden Executives übernahm nach deren Auflösung im Februar 1942 das neugegründete Ministry of Production, die Aufgaben des ebenfalls aufgelösten Food Policy Committee das LPC.
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exactly the Cabinet it contains a very large proportion of its members. "70 Churchill forderte Anderson auf: ". ..it is essential that the larger issues of economic policy should be dealt with by your committee and primarily by you. This is in accordance with the drift of weil informed public opinion. You should therefore not hesitate to take the initiative over the whole field. You should summon economists like Keynes to give their views to you personally. You should ask for any assistance or staff you require, utilising of course the Statistical Department. Professor Lindemann and bis branch will assist you in any way you wish [...]"71 Damit beschrieb Churchill, indem er wichtige traditionelle Aufgaben der Treasury einem anderen Organ zuwies, daß die Politikführerschaft in den Bereichen Wirtschaft und Finanzen dem Schatzamt genommen worden war.72 Der Verlust der erstrangigen Kompetenz in der administrativen Führung und Kontrolle der Treasury bedeutete allerdings nicht, daß die Kriegsfinanzierung unter der Regierung Churchill als vemachlässigenswerte Größe aufgefaßt wurde, sondern, daß der Primat der Finanzen über die Produktion nicht mehr hingenommen wurde. Der steigende Geldbedarf des Staates erforderte eine wohldurchdachte Finanzpolitik und das dafür notwendige technische Wissen blieb Domäne des Schatzamtes. Die Zurücksetzung der unmittelbaren Treasury-Führung brachte einen Zugewinn an Einfluß der "zweiten Garde" und der ihnen direkt zuarbeitenden semi-offiziellen Berater. Schon Simon, verstärkt aber Wood war es gelungen, eine große Zahl von Experten von außerhalb der Administration als Berater zu gewinnen und in "Councils" in der Treasury unterzubringen. Das wichtigste dieser Beratergremien wurde das Chancellor of the Exchequer' s Consultative Council, das sich am 28.6.1940 konstituierte. Mitglieder waren unter anderem Waltee Citrine, Henderson und Keynes." Der Grund für die Einbindung dieser Persönlichkeiten war zum einen deren Fachwissen, zum anderen aber auch ihr Renommee in der Öffentlichkeit. Die Verpflichtung solcher ausgewiesener Kritiker der konservativen Regierung, wie es Keynes oder der Generalsekretär des General Council der GewerkHoC Deb. 368, 22. Januar 1941, col. 264. Direktive Churchills an Anderson, Oktober 1940, zit. nach: John W. WheelerBennett: John Anderson, Viscount Waverley, London 1962, S. 260. 72 Vgl. Bridges: Treasury, S. 91 : "This was a break in the tradition whereby the dominating influence in co-ordinating civil policies had usually rested in the hands of the Treasury." " Sowie: Samuel Beale, Colin Campbell, Bertram Hornsby, George Riddle und Lord Riverdale. Von den erwähnten Mitgliedern bezeichnete Wood in der Budgetrede von 1942 Keynes und Henderson als "fast Vollzeitmitarbeiter". HoC Deb. 379, 14. April1942, col. 107. 70
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schaften Citrine waren (und die Verbindung ihrer Namen mit der zukünftigen Politik), sollte die konservative Treasury in der Öffentlichkeit von dem Verdacht befreien, wieder eine Kriegsfinanzierung nur auf Kosten der kleineren Einkommen und Vermögen durchzuführen. Bei der Berufung Keynes' mag außerdem die Hoffnung eine Rolle gespielt haben, daß er als der profiHerteste Kritiker aus der Ökonomie innerhalb des Apparates besser zu kontrollieren sein würde.7• Daß Keynes, anders als im Ersten Weltkrieg, 1940 kein Beamter des Schatzamtes wurde, sondern in halb-offizieller Stellung verblieb", sah er selbst durchaus als Vorteil an: "[ ...] it will have the great advantage of giving me direct access to the Chancellor of the Exchequer with any bright ideas I may have."76 Keynes hatte außerhalb des Dienstweges auch zu anderen Institutionen und Personen Kontakt, bei denen er für seine Vorstellungen warb, wie die Klage des Schatzkanzlers zeigt: "Keynes pushes the Minister: the Minister pushes Wood, and Wood is, therefore, constrained to write this Ietter to you. In short, both Keynes and the Minister ask why ..." 71 Mit Minister war hier Ernest Bevin gemeint, mit dem Keynes seit den Tagen des MacmillanCommittees eine gewisse Übereinstimmung verband, trotz der unterschiedlichen Positionen zum "deferred-pay"-Plan. In der Organisationsstruktur der Treasury sollte Keynes vor allem als Berater der Second Secretaries fungieren71, auf der administrativen Ebene demnach, die mit dem Regierungswechsel beachtlich an Einfluß gewonnen hatte. Mit einer Serie von Memoranden "Notes on the Budget" (21. Sept. - 6. Okt.194o)'• erreichte Keynes schon binnen kurzem"[ ...] a significant effect on 74 Ebenso dachte auch Edward Peacock, ein Direktor der Bank of England und Freund Normans, als er diesem 1941 riet, Keynes in das Direktorium der Bank aufnehmen zu lassen: "An enemy's teeth are more easily drawn if he sits at the same table as yourself." Nach: Boyle, S. 310. " Auch wenn er in der Treasury ein eigenes Büro bezog, dessen Raum neben dem des Financial Advisers Lord Catto (der 1944 Nachfolger Normans als Gouverneur der Bank of England wurde) lag, worauf die beiden aufgrund einiger Streitigkeiten als "Catto and Doggo" bekannt wurden. Nach Harrod: Life, S. 498. 76 Brief an seine Mutter (F.A. Keynes), 28.6.1940, in: JMK XXII, S. 190. 77 Brief Kingsley Wood an Alan N. Barlow, Joint Second Secretaryffreasury, 14.2.1942, zit. nach: D.E. Moggridge: Economic Policy, in: Milo Keynes (Hg.), S. 196. 78 E.A.G. Robinson: John Maynard Keynes 1883-1945, in: Robert Lekachman (Hg.): Keynes' General Theory. Reports of three Decades, London/New York 1964, S. 13-86 (Reprint eines Nachrufes von 1946), S. 68. Robinson war Keynes-Schüler in Cambridge und im Krieg als Ökonom in der Economic Section des War Cabinet Office tätig. 79 In PRO T.171/355.
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Treasury opinion."'" Am 21. Oktober erklärte er in einer Zusammenkunft mit Lord Catto, Sir Horace Wilson, Hopkins, Phillips und dem Schatzkanzler der Treasury seine Methode zur Berechnung der "inflatorischen Lücke" und seine Vorschläge, dieser zu begegnen. Von diesem Zeitpunkt an war Keynes Mitglied des wichtigsten Gremiums der Treasury, des streng geheimen Budget Committee. 4. Der Haushalt von 1941: "The First Keynesian Budget"? Das Budget von 1941 gilt in Teilen der Forschung als ein Markstein der Finanzpolitik allgemein und als erster Höhepunkt des Einflusses der "Keynesianischen Revolution" auf staatliches Handeln im besonderen."' Dies bezieht sich einmal auf die sehr intensive Mitarbeit Keynes' an der Erstellung des Haushaltes, vor allem aber darauf, daß dieses Budget mit der Einbeziehung der Sozialproduktsrechnung und dem Versuch, dem inflationären "gap" entgegenzuwirken, wesentliche Forderungen Keynes' aus "How to Pay for the War" zu erfüllen schien. Bereits kurz nach dem Regierungswechsel im Mai 1940 wurde abermals ein Nachtragshaushalt fällig. Mit diesem schien sich das Mißtrauen der Öffentlichkeit gegenüber dem neuen Schatzkanzler, das bei dessen Berufung laut geworden war, zu bestätigen. Auf die am 23.7.1940 vorgetragene Budgetrede Woods antwortete die Times unter der Überschrift "Shirking the Issue": Wood zeige "[ ... ] a timidity which is afraid to trust the nation's capacity for selfsacrifice. ""2 Allerdings ist im Rückblick gesehen das Erstellen eines Nachtragsbaushaltes, der immerhin auf die vollständige Veränderung der Kriegssituation reagieren mußte, in einer derartig kurzen Zeit eine außerordentliche Leistung. Die volle Wucht der Veränderungen in der Finanzpolitik zeigte sich erst mit dem Budget vom 7. April 1941. Die Parlamentarier im Unterhaus auch wenn diese Budgetdebatte in den Räumen des Oberhauses stattfinden mußte, da die Räume der Commons von einem Bombentreffer zerstört worden
Moggridge: Maynard Keynes, S. 644. " "The 1941 budget, the cornerstone of Britain's internal financial policy ... ", Sayers: Financial Policy, S. 58, vgl. ders.: 1941 - The First Keynesian Budget, in: Charles Feinstein (Hg.): The Managed Economy. Essays in British Economic Policy and Performance since 1929, Oxford 1983, S. 106-117. "The 1941 budget, which dominated subsequent wartime financial policy, was Keynesian in inspiration and presentation." Moggridge: Economic Policy, in: Milo Keynes (Hg.), S. 181. 12 The Times, 25.7.1940. 00
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waren - zeigten sich unmittelbar nach Woods Haushaltsrede"' überwältigt von der schieren Höhe der Vorschläge: "He [der Schatzkanzler] bas presented a Budget relating to the largest expenditure in the history of the nation [ ...]"Aus derselben Rede, der direkten Antwortrede, die dem Führer der oppositionellen Gruppe des Ways and Means Committees nach den Ausführungen des Schatzkanzlers traditionell zusteht, wird auch der Grund ersichtlich, aus dem alle folgenden Sprecher den Haushalt begrüßten: "As far as the actual figures of expenditure are concerned, the higher they are the more the nation will welcome them, because they mean equipment for carrying on the war.".. Keynes selber äußerte sich in einem Brief an seine Mutter zu dem Erreichten: "I am as well satisfied with the Budget as I could reasonably expect; and indeed got my way on a number of points as much as is good for me. The limited acceptance of deferred pay is most associated with me publicly. But the two points I attached most importance to and where I played a part were the stabilisation of prices, for which I have been fighting very hard, and the logical structure, and method of a wartime Budget, which, tagether with the new White Paper is really a revolution in public finance."., Nach dem Umfang der entfalteten publizistischen Propaganda und der beharrlieben Verhandlungen mit verschiedenen Parteien um das Zwangsspar-System ist es in der Tat verwunderlich, daß Keynes in der Treasury nur noch halbherzig seinen ,,radical plan" verfolgte. In der Vorbereitung des Nachtragshaushaltes 1940 erwähnte Keynes den Plan überhaupt nicht, in seinen Vorschlägen für das 1941er Budget. vor allem in Abwehr einiger Vorwürfe, das Schema würde eine zu hohe Belastung der Nachkriegsfinanzen bedeuten, nur am Rande und defensiv.•• Der Schatzkanzler übernahm allerdings, vor allem wegen des hohen Bekanntheits- und Popularitätsgrades von Deferred Pay, zumindest einen Überrest des Planes in sein Budget. Um die Grenze der niedrigsten noch zu besteuernden Einkommen zu senken, wurden die Steuerfreibeträge drastisch reduziert, was zu einer Neubelastung von zwei Millionen Einkommen durch direkte Steuern führte. Neben der Senkung der Steuerfreigrenze war eine weitere Folge der reduzierten Freibeträge die höhere Belastung geringerer Einkorn83 HoC Deb. 370, ?.April 1941, cols. 1299-1334. .. Lees-Smith, HoC Deb. 370, 7. April 1941, col. 1337. Zu beachten ist allerdings, daß mit dem Regierungseintritt Labours kaum noch von einer Opposition gesprochen werden kann . ., Brief an F.A. Keynes, 14.4.1941, in: JMK XXII, S. 353. •• Vgl. Notes on the Budget IV, Direct taxation, 6. Oktober 1940, in PRO T.171/ 355.
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men. Diese höhere Abgabenlast kündigte Wood nun als rückzahlbar an.17 Daß der Plan (im wesentlichen) tatsächlich nur Alibifunktionen erfüllte, ist an drei Punkten zu erkennen: 1. Der Umfang des tatsächlichen Zwangssparen betrug nur einen Bruchteil des von Keynes gedachten Planes, t:125 Mio." gegenüber ±:600 Mio. in How to Pay for the War. 2. Die Kompensationen, die der Plan enthielt, nachdem er mit den Arbeitervertretern verhandelt worden war, wie etwa die Sicherung eines Mindestlebensstandardes, die Subventionierung einer "iron ration" und die Einzahlungsmöglichkeiten der Gelder auch bei Arbeiterorganisationen, wurden im Zusammenhang mit Deferred Pay nicht mehr genannt. Dadurch büßte das Schema seinen Charakter einer umfassenden Lösung ein. "It may be that the idea was only an interesting experiment; but it was only a truncated version of Keynes' s original grand design..... 1941 blieb es bloß ein weiteres Mittel der Geldbeschaffung bzw. Kaufkraft-abschöpfung unter anderen. 3. Die Rückzahlung mittels einer Kapitalabgabe nach dem Krieg, mithin die Einbindung des Planes in einen Umverteilungsmecbanismus, wurde nicht beibehalten. Hier hat sich der eindeutige Willen der Konservativen, die Vermögen unangetastet zu lassen, durchgesetzt. Das Wood das Schema dennoch einführte, erwies sich für ihn und den Ruf der Treasury als zuträglich. Wenn auch enttäuscht von der nur geringen Höhe des Aufkommens, zeigten sich doch eine Reihe der Schatzamtskritiker keynesianischer Provenienz damit zufrieden, daß der Schatzkanzler sich scheinbar so innovationsfreudig gezeigt hatte: "At any rate, the Chancellor made a step in the right direction ... The right hon. Gentleman has in this Budget realised Professor Keynes' plan [...]"90 hieß es im Unterhaus. "This infiltration of Mr. Keynes' ideas is all to the good ..."meinte die Times."' Keynes selbst hatte sich in den Vorarbeiten zum Budget darauf konzentriert, die Akzeptanz seiner Idee von der Einbeziehung gesamtwirtschaftlicher Daten als Grundlage der Haushaltserstellung in der Treasury voranzutreiben. "1 am now occupied to put across the big guns a comprehensive budget of financial policy."02 Der Krieg mit Deutschland, das bereit war, sämtliche Ressourcen des eigenen Landes und des unterworfenen Teiles Kontinentaleuropas unter 17 HoC Deb. 370, 7. April 1941, col. 1331: .J am proposing therefore, tbat the extra tax which any individual will pay by reason of the reduction in the personal allowances and earned income allowance will be offset after the war by a credit which will then be given in his favour in the Post Office Savings Bank." " Ebd., 1332. •• Sabine, S. 200. 90 Price (Abgeordneter für Forest of Dean), HoC Deb. 371,22. Mai 1941, col. 1662. 91 The Times, 8.4.1941. 02 Brief an F.A. Keynes, 27.9.1940, in: JMK XXII, S. 196.
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nahezu allen denkbaren Zwangsmaßnahmen zu mobilisieren und der hohe Grad der Kriegsvorbereitung in Deutschland verglichen mit der geringen Mobilisierung Großbritanniens und die daraus entstandene relative Schwäche in der Ökonomie des totalen Krieges, ließen einen raschen und umfassenden Zugriff auf alle Ressourcen der eigenen Volkswirtschaft überlebensnotwendig werden. "The war departments take, and ought to take, all they require that can be made available. The task of the Budget is, not to determine the weight of the burden, but to distribute it with justice and efficiency, and by doing so to make sure that the maximum resources can be released", schlug Keynes in einem Entwurf für die Haushaltsrede dem Schatzkanzler vor zu sagen und weiter: "The Budget must be regarded as a part, and only a part, of a comprehensive economic policy."93 Wood übernahm dann diese Begründung: "There can be no single approach to the problemsofatotal war economy. We must attack them, as we are doing, on other fronts [...] The financial front has its vital part to play, too [... ] Bebiod that purely financial purpose lie wider economic purposes that are directly relevant to the conduct of war.".. Keynes war demnach mit seiner Begründung für eine Einbeziehung der Finanzpolitik in eine umfassende Wirtschaftspolitik des Krieges, für die er seit Anfang 1939 die Trommel heftig gerührt hatte, durchgedrungen. Die eindeutige Bevorzugung der Produktion vor den Fragen der Finanzierbarkeil ließ allerdings auch kaum eine denkbare Alternative übrig: Totaler Krieg bedeutete notwendigerweise totale ökonomische Mobilisierung. Dem mußte sich jede Politik unterordnen. Eine Wirtschaftspolitik, die möglichst viele Ressourcen dem Krieg zuführen soll, muß erkennen, wie viele Ressourcen überhaupt zu mobilisieren sind und welcher Teil von ihnen zur Lebenserhaltung der Bevölkerung notwendig ist, Keynes' "size of the cake". Beginnend mit dem Artikel im Economic Journal, ausführlich dann in How to Pay for the War, entwickelte Keynes eine Soziaiproduktsrechnung- wobei er auf die Vorarbeiten Richard Stones (des späteren Nobelpreisträgers) aus den 1930er Jahren zurückgriff-, aus der er die notwendigen finanziellen Maßnahmen ableitete. Diese Gedanken fanden vor allem unter den jüngeren Ökonomen der War Cabinet Offices, die durchweg keynesianisch geprägt waren, Anklang. Austin Robinson erinnerte sich: "Some of us were already in Government service, and Keynes' ideas were known to us, both directly and through the paper to the Marsball Society of whicb I, at least, bad heard. When How to pay for the War was published we quickly convinced our seniors that it was right to set up a small section in the cabinet Notes for the Budget Statement 1941, März 1941, in: PRO T.171/356 Pre-Budget Papers II (1941). 94 HoC Deb. 370, 7. April1941, col. 1301. 93
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office [... ]"' Stone, der für die Organisation der statistischen Materialien seit August 1940 zuständig war, schrieb: "What was needed was a blend of quantitative information and judgement. lt was Keynes equally at home with statistical economists and men of affairs, who in large measure provided that blend..... Robinson überzeugte im Frühjahr 1940 den Sekretär des Cabinet Office, Edward Bridges•\ von der Notwendigkeit staatlicher Sozialproduktrechnung. James Meade••, Berater des Völkerbundes in Genf, übernahm kurz darauf offiziell diese Arbeit, und zwar im Ende 1939 gegründeten Central Economic Information Service (CEIS), der im Sommer 1940 den War Cabinet Offices beigeordnet wurde. Zusammen mit Ricbard Stone zeichnete er für die ersten Entwürfe einer solchen Rechnung verantwortlich. Der CEIS wurde im Januar 1941 in zwei Gruppen unterteilt: In die Economic Section und das Central Statistical Office (CSO) unter Francis Hemming, so daß die Ökonometriker auch formal als eigenständige Abteilung anerkannt wurden. "The work of the Economic Section and of the Central Statistical Office in the war years was the first occasion in this country on which professional economists bad the opportunity of working in close touch with the administration over the whole field of Government activity, and were therefore in a position to influence broad questions of policy. "99 Die erste Rohfassung der gesammelten Daten wurde im Dezember 1940 fertig. Um aufkommenden Spekulationen in der Öffentlichkeit über die Höhe des Volkseinkommens und der zukünftigen Steuerbelastung vorzubeugen, entschied der Schatzkanzler am 14.2.1941, die vorliegenden Daten zusammen mit Schätzungen über die zukünftige Entwicklung als Weißbuch ("An Analysis of the Sources of War Finance and an Estimate of the National Income and Expenditure in 1938 and 1940"'00) zu publizieren; Anlaß sollte die Budgetvorstellung sein.
Robinson, in: Lekachman (Hg.), S. 68. Richard Stone: The Use and Development of National Income and Expenditure Estimates, in: Chester (Hg.): Lessons, S. 83-101, S. 88. AufStones Angaben stützt sich im folgenden die Darstellung der Entstehung des Weißbuches. 97 Bridges, Sir Edward E. (Lord): Treasury Official 1919-1938, Principal Assistant Secretary 1936-8, Secretary to the Cabinet 1938-45, Permanent Secr. Treasury 19451956. 98 Meade, James Edward: Ökonom (Hertford College/Oxford, London School of Ec.), Berater des Völkerbundes/Genf 1938-40, Economic Assistant (1940-45), dann Director (1946-47) der Economic Section of the Offices of the War Cabinet, Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften 1977. 99 Bridges: Treasury, S. 92. 100 An Analysis of the Sources of War Finance and an Estimate of the National Income and Expenditure in 1938 and 1940, (1941) Cmd. 6261. 95
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Stone beschrieb die Stimmung im CSO nach der Veröffentlichung des Weißbuches: "lt was a great day. We drank cbampagne tbat nigbt and feit we bad accomplisbed sometbing ...tot Die geistige Urheberschaft dieser Neuerung lag ganz wesentlich bei Keynes. In Woods Budgetrede manifestierte sieb dies darin, daß er die längere Passage der Vorstellung und Begründung des Weißbuches wörtlich aus Keynes "Notes for tbe Budget Statement"'02 übernahm. Zu diesem Einvernehmen müssen allerdings einige Anmerkungen unternommen werden: Zum einen folgte die Praxis der Finanzstatistiken in den War Cabinet Offices der der Produktions- und "Manpower"- Statistiken, die ebenfalls dort, vor allem auf Cburchills Drängen hin, aufgestellt wurden.tn Dies ist wiederum eine Manifestation des Phänomens ,,Finance follows Production", das ein Kennzeichen des totalen Krieges ist. Auch Robinson schränkte die Bedeutung der Berechnungen ein: "[... ] in tbe planning of tbe British war economy tbe national income calculations bad a very important but in some senses a limited function. They were of absolutely flfst importance in relation to budgetary, savings, and consumption policy and to tbe essential task of preventing inflation. But tbey did not play a central part, either tben or later, in tbe actual planning of the war effort. That was done almost wholly in terms of tbe pbysical resources, and to an increasing extent as tbe war went on it was donein terms ofmanpower."t.. Daß die Treasury einwilligte, diesem Veränderungsdruck zu folgen, um nicht noch stärker die Kontrolle über ihr früheres Terrain zu verlieren, ist nachvollziehbar. Bis zum Zeitpunkt des widerwilligen Akzeptierens allerdings hatte sie versucht, die Arbeit durch ministeriellen Druck und Vorenthalten wichtiger Daten zu behindern, als sie feststellen mußte, daß ihr durch die Arbeit an der Sozialproduktsrechnung ein weiterer wichtiger Teil der Finanzpolitik im ohnehin Treasury-feindlichen Klima zu
tot Stone, in: Chester (Hg.): Lessons, S. 85. Keynes sprach von einer ,,revolution" (siehe oben sein Brief vom 14.4.1941, in JMK XXII, S. 353). Vgl. Brief von Henry Clay an Keynes vom 5.3.1941: "The proposed White Paper is a bit of a revolution." In: JMK XXII, S. 333. t02 In PRO T.1711356. to> Churchill (als First Lord of the Admiralty) machte im September 1939 Frederick A. Lindemann (Physiker, der spätere Lord Cherwell) zu seinem persönlichen Berater, zunächst in technischen Dingen. Im Oktober gab er ihm dann den Auftrag, eine statistische Abteilung zu gründen. Diese entstand einen Monat später aus sechs jungen Universitätsökonomen und wurde als "S Branch" bekannt. Mit dem Einzug Churchills in Downing Street No. 10 wurde aus S Branch die "Prime Minister's Statistical Section". Nach: G.D.A. MacDougall: The Prime Minister's Statistical Section, in: Chester (Hg.): Lessons, S. 58-68, S. 58. t .. E.A.G. Robinson: The Overall Allocation of Resources, in Chester (Hg.): Lessons, S. 34-57, S. 40.
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entgleiten drohte.'0' Erleichtert wurde den mehr pragmatisch als ideologisch orientierten Beamten des Schatzamtes die Zustimmung dadurch, daß sich die neuen keynesianischen Methoden gut mit dem traditionellen Politikziel der Inflationsvermeidung vereinbaren ließen. Die Aussage, die Einbeziehung der Ökonometrie in die Finanzplanungen sei die Konvertierung der Treasury zur keynesianischen Finanzpolitik (wie sie etwa Sayers äußert: "What was new in 1941 was the universal acceptance of the Keynesian formulation and the existence of Keynesian arithmetic as one weighty element"106), muß demnach qualifiziert werden. Was von den Führungskräften der Wirtschaftspolitik und - widerwillig - auch von der TreasuryBürokratie anerkannt wurde, war, daß ein Staat, der in einer absoluten Notsituation über den größten Teil des Sozialproduktes zu verfügen gezwungen war, sich Kenntnis über Größe und Zusammensetzung dieses Sozialproduktes verschaffen mußte. Der Wille, sich dieser Verfahrensweise auch in Normal-, sprich Friedenszeiten, als ein Hilfsmittel des wirtschaftspolitischen Agierens des Staates weiterhin bedienen zu wollen, läßt sich weder in der TreasuryBürokratie, noch in einer sonstigen Führungsebene der Wirtschaftspolitik nachweisen (wie es auch Keynes bewußt war, daß die revolutionären Veränderungen der Finanzpolitik, die er mit auf den Weg gebracht hatte, von der Treasury nur für den Einsatz im Krieg akzeptiert worden waren).'07 In der Erkenntnis der Defekte der Finanzpolitik, die sich aus den Daten des Weißbuches erschlossen, folgte der Schatzkanzler in seiner Haushaltsrede Keynes' früherer Kritik: "What is of the first importance is the avoidance of any inflationary gap, by which I mean any inadequacy in our financial measures below what is required to enable us to avoid serious and continuing inflation. "'0' Dieser Erscheinung der Kriegswirtschaft, daß durch die hohen Staatsausgaben und die eingeschränkte Konsumgüterproduktion ein Nachfrageüberhang- eine ,,Lücke" also zwischen Nachfrage (vorhandener Liquidität) und Angebot - entstanden war, der ein gefährliches Inflationspotential barg, hat Keynes einen wesentlichen Teil seiner Aufmerksamkeit und Publizistik zur Finanzpolitik im Krieg gewidmet. Auch seine Memoranden in der Treasury stellten auf die Anerkenntnis dieser Gefahr ab. "It is essential that this budgetary problern should be solved one way or another. For if it is neglected, the inflationary pressure would be very great, probably involving a initial rise Vgl. Booth: British, S. 66. Sayers: Financial Policy, S. 69. 107 Vgl. Booth: British, S. 69. 10 ' HoC Deb. 370, 7. April 1941 , col. 1306. 10'
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of at least 15 per cent in retail prices or, alternatively, acute shop shortages and the evil of queues, which would Iead inevitably to all-round rationing on the German model, with obvious reactions on morale. And this is apart from any rise in wage rates which would almost certainly break loose, turning the initial rise into a progressive one, as happened in the last war wben the size of the gap was, relatively, mucb the same."1119 Am deutliebsten sind Keynes' Intentionen aus den Schreiben "The Policy of the Budget" und "Tbe Theory of the 'Gap'" herauszulesen."" Mit diesen Memoranden präparierte er den Schatzkanzler für die entscheidenden Sitzungen des Lord President's Committee, in denen es um die Festlegung der Budgetinhalte ging. (Im Liebte der Ereignisse der Nachkriegszeit, als sieb die Treasury jedem Versuch der Einmischung anderer Minister oder Departments in die Budgeterstellung heftig zu erwehren versuchte und jeden Ansatz einer Verbindung der Finanzpolitik mit anderen Bereichen der Wirtschaftspolitik bekämpfte, ist die in diesem Prozedere erkennbare Unterordnung der Finanzpolitik unter die koordinative Kompetenz des LPC bemerkenswert und ein deutliebes Zeichen der institutionellen Schwäche des Schatzamtes im Krieg.) Die Budgetrede widmete sieb in einem längeren Teil der Erklärung des Phänomens der "inflatorischen Lücke" und bezifferte dessen Größe, darin Keynes folgend, auf f500 Mi0. 111 Nachdem der Schatzkanzler anerkannt hatte, daß Keynes' Warnungen vor dem gap zu Recht erfolgt waren und die Abschöpfung des Geldüberhanges zum vorrangigen Ziel der Finanzpolitik erklärte, mußten nun die konkreten Maßnahmen zur Verwirklichung folgen. Dies, im Zusammenbang mit der Unterdrückung inflationärer Entwicklungen, Preis- und Lohnsteigerungen, ergab dann das geforderte "comprehensive budget", die Integration von Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik. Zum ersten Mal nahm dazu die Darstellung der gesamtökonomischen Entwicklung einen wichtigen Teil der Haushaltsrede des Schatzkanzlers ein, der dabei auf die Früchte staatlicher Sozialproduktsberechnungen zurückgreifen konnte, auf das zu Recht immer wieder in seiner Bedeutung hervorgehobene Weißbuch. Die Erkenntnis der Finanzpolitik war, daß der Krieg eine "inflatorische Lücke" zwischen Konsumnachfrage und Konsumangebot geöffnet hatte, deren Schließung von nun an ein Hauptziel der Kriegsbudgets wurde. Eine Hauptforderung in How to Pay for the War war die notwendige Kaufkraftbegrenzung auch bei geringen Einkommen gewesen, da diese den größten Teil des Konsumpotentials ausmachten. Nachdem die Alternative des 109 Notes on the Budget II, Price and Wages Policy, 28. September 1940, in PRO T.17l/355. 110 Vom 17. Februar 1941 bzw. vom 3. März 1941, in PRO T.17l/355. 111 HoC Deb. 370, 7. April1941, col. 1322.
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B. Die zweite Herausforderung: Kriegsfinanzierung und Reconstruction
Zwangssparens in eine Nebenrolle gedrängt worden war, blieb für Keynes eine erhöhte Besteuerung als Maßnahme geboten: "All tbe arguments converge to tbe conclusion tbat tbe budgetary gap must be closed by increased direct taxation [...] Further direct taxes on tbe relatively rieb [... ] are also, by generat admission, incapable of raising an adequate, or even an important, revenue ... Tbree-quarters of tbe aggregate income of tbe country belongs to tbe belowf500 class."' 12 Der Haushalt sah schließlieb vor, daß die Standard Rate der Einkommensteuer noch einmal auf 10 sb./f (50%) erhöht wurde, ebenso die Reduced Rate (auf die ersten f165 zu versteuerndes Einkommen) von 5 sb. auf 6 sh. 6 d./f. Substantiell neu war die Erweiterung der Zahl der Steuerpflichtigen durch die Senkung der Steuerfreibeträge. Die damit entstehende Belastung machen Zahlen deutlich, die das Ministry of Labour nach einer Untersuchung der wöchentlichen Ausgaben eines Arbeiterbaushaltes mitteilte: Die Arbeiterhaushalte gaben (1938) bei einem Einkommen von etwa f250 im Jahr, also f5 in der Woche, wöchentlich 86 sb. 6 d. (mehr als 86%) für die notwendigen Dinge des Lebens aus, davon waren wiederum ca. 60% fixe Kosten (Miete, Brennstoff, Nahrung)."' Auch wenn diese Zahlen dadurch relativiert werden müssen, daß die genannte Steuerbelastung für Einpersonenhausbalte galt, bei Familien war sie entsprechend geringer, zeigen sie dennoch die Belastung gerade der niedrigen Einkommen. Auf der anderen Seite der Skala, bei den hohen Einkommen, erreichten Income Tax und Surtax nahezu konfiskatorischen Umfang. "Austerity by Tax" nannte das der Manchester Guardian. 114 Nur ohne ein Ansteigen der Löhne konnte eine Stabilisierung der Lebensbaltungspreise den gewünschten anti-inflationären Effekt haben: Steigende Einkommen hätten den Nachfragedruck weiter verstärkt. Staatliche Lohnfestsetzungen waren jedoch gegen den Widerstand der Trade Unions, vor allem aber gegen den Einfluß . Bevins, nicht durchzusetzen. Auch Keynes erkannte das: "Anyway tbe freedom of tbe wage bargain is tbe Ark of Covenant for tbe trade union movement [... ] Tbe policy would be, so to speak, to put the trade unions and tbe Minister of Labour 'on their honour'" 11', obwohl er selbst eine 112 Keynes, Notes on the Budget IV, Direct taxation, 6. Oktober 1940, in PRO T.171/355. 113 Befragung von 8905 Haushalten, veröffentlicht in: The Economist, Volume 140 1941, S. 65 (18.1.1941). 114 Manchester Guardian, 15.4.1942. 11 ' Notes on the Budget, Price and wage policy, 28. September 1940 in PRO T.1711355. Vgl. B.C. Roberts: National Wages Policy in War and Peace, London 1958, S. 32: "Emest Bevin, however, stood in the way of any attempt to force the trade unions to accept the direct control of wages by a Govemment agency."
I. Die Finanzierung des Krieges
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staatliche Festsetzung für die richtige Maßnahme hielt. 116 Die sieb daraus ergebende Politik war, den Gewerkschaften das "free collective bargaining" (das freie Spiel der Kräfte in der Tarifauseinandersetzung) zu konzedieren allerdings bei Zwangsschlichtung und Streikverbot' 17 - und gleichzeitig als Anreiz zum Stillhalten die Preise zu stabilisieren, und zwar bei 25 bis 30 Punkten über dem VorkriegsleveL "' Diese Stabilisierung wurde angestrebt durch eine Verbindung von Preissubventionen - vor allem auf importierte Lebensmittel, da die Weltmarktpreise, durch Sinken des Pfundkurses und Scbiffsengpässe, überproportional gestiegen waren - und Preisrestriktionen. In seiner Budgetrede kündigte Wood diese vor allem auf Transport-, Brennstoffund Elektrizitätspreise an. Über den persönlichen Einfluß Keynes' auf die mit dem 1941er Haushalt erreichten grundlegenden Veränderungen - insbesondere die Ausrichtung der Budgeterstellung nicht mehr allein an den für die staatlichen Ausgaben notwendigen Einnahmen, sondern vor allem an dem gesamtwirtschaftlichen Nachfrageniveau- kann kein Zweifel bestehen. Er verfaßte eine große Anzahl von Memoranden, die er in der Treasury und im Beraterstab der Treasury kursieren ließ, und der Nachweis, daß er sich in vielen Punkten durchsetzte, ist eindeutig zu führen. Es gelang ihm auch durch eine Reibe von persönlichen Kontakten, im Schatzamt wie in der Bank of England und den War Cabinet Offices, nicht zu vergessen den Meinungsaustausch mit Bevin, einige für die Budgetplanung wichtige Offizielle und Politiker von der Richtigkeit seiner Vorstellungen zu überzeugen und damit die Opposition gegen ihn in der Treasury, für die vor allem Keynes' früherer Mitstreiter Hubert Henderson stand"•, zu konterkarieren. Aus den Treasury-Akten zum Budget 1941 wird bereits auf den ersten Blick aufgrund der Quantität, aber auch (inhaltlich) an der fast widerspruchslosen Anerkennung seiner intellektuellen Superiorität ausgenommen durch Henderson - deutlich, wie sehr Keynes die Budget116 Siehe: A Supplementary Note on the Dimensions of the Budget Problem, 26. Dezember 1940, in PRO T.1711355. 117 Conditions of Employment and National Arbitration Order (Defence Regulation 58 AA), 1940, in: N. Robertson/K.J. Sams: British Trade Unionism. Selected Documents, Bd. I, Oxford 1972, S. 470. Vgl. auch: Statement by His Majesty' s Government on Price Stabilisation and Industrial Policy, Cmd. 6294 (1941), Vorrede: ,Jt is regarded as the duty of both sides in industry to consider tagether all possible means of preventing the rise of costs of production and so to obviate rise of prices which is the initial step in the inflationary process." 11 ' Wood folgte damit Keynes Größenvorstellungen. 119 In dem bereits zitierten Brief an seine Mutter vom 14.4.1941 (JMK XXII, S. 354) schrieb Keynes: "The opposition which has given me trouble and worn out my nerves was mainly from Hubert Henderson."
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planungenfür 1941 dominierte. Ein Beamter des Schatzamtes beschrieb nach dem Krieg den immensen Eindruck, den Keynes in der Treasury hinterließ, und die Unruhe, die sein Renommee und seine spezielle Arbeitsweise, sogar seine Initialen (JMK), dort verursachten: "His instinctive attitude towards any new problern was, frrst, to assume that nobody was doing anything about it and, secondly, that, if they were, they were doing the wrong thing. He would Iet fly with a minute which would turn up in somebody's in-tray the next morning - or probably in several people's in-trays, since he liked to loose these missiles in a spray of carbon copies directed at several targets at once. One recognised the familiar typescript at a glance - a mixture of slight terror, some delight and immediate hostility. Then one read it - perhaps a page and a half in double spacing, written in that casual but unmistakable style which could never be disguised by the anonymity of official documents, polemic in tone, full of factual inaccuracies and ending with those strangely potent initials for which the single K [nachdem er Lord Keynes wurde] never seemed quite a satisfactory substitute. Just as one feared: Maynard bad got it all wrong, but this was going to cause a Iot of trouble before it was finished with. The only thing to do was to arrange a meeting between him and those in the Treasury and other Departments who were handling the subject. "'20 Henderson und Wilson, der Permanent Secretary der Treasury bis 1942, mißtrauten insbesondere der Neuartigkeit und Kreativität mancher Vorschläge, die Keynes einbrachte; beide versuchten ähnliche Ziele durch eine eher graduelle Erweiterung der traditionellen Arbeit anzusteuern. Einzig das Board of Inland Revenue konnte allerdings Keynes' intellektueller Durchsetzungskraft wirksam entgegenhalten, indem es administrative Schwierigkeiten anführte; "deferred pay" fiel vor allem diesem Einspruch zum Opfer. Die folgenden Jahre sahen nur noch eine geringe Beteiligung des Ratgebers Keynes, der 1942 als Baron Keynes of Tilton in den Adelsstand erhoben wurde, an den Haushaltsentwürfen. Dies lag weniger an der formalen Zurückhaltung, die ihm seit Herbst 1941 als Director der Bank of England gegenüber der Treasury auferlegt war. Ein wichtiger Grund für die geringere Aufmerksamkeit, die Keynes den Budgetentwürfen widmete, war seine starke Involvierung in das Feld der Außenfinanzierung und des Entwurfes einer zukünftigen Weltfinanzordnung. Die mit beidem verbundenen USA-Reisen und zeit120 Proctor (Sir Dennis: Treasury seit 1930, Head der 1944 gegründeten Statistischen Division, Third Secretary 1948-50, Permanent Secr./ Ministry of Power 1958-65) 1949 in einer Gedenkschrift des King's College über Keynes, zit. nach Moggridge: Maynard Keynes, S. 639. Ebd. findet sich auch ein Wort LordSalters über Keynes im Krieg: "He was the strangest civil servant Whitehall has ever seen, less the servant and more the master of those he served than any I have seen."
I. Die Finanzierung des Krieges
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raubenden Verhandlungen beeinträchtigten Keynes, der in Folge eines schweren Herzanfalles 1937 schon angeschlagen war, auch gesundheitlich. Dalton berichtet in seinen Memoiren, daß es für die Hinwendung zur Außenfinanzierung, neben der Tatsache, daß Keynes aufgrund seiner Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg als der dafür geeignetste Mann erschien, auch einen handfesten politischen Grund gegeben haben muß: "He [Keynes] told me, at our frrst official meeting, that. when Kingsley Wood was Chancellor, he bad been encouraged to advise both on intemal and extemal finance, but that more recently, in Anderson's time, he bad, in practice, been restricted to the external field." 121 In der Tat neigte John Anderson, Nachfolger des am 21.9.1943 verstorbenen Kingsley Wood, wieder mehr den "Anti-Keynesianem" unter den Beamten und Beratern des Schatzamtes, wie Eady, Gilbert. Haie und Henderson zu. 122 In den Mittelpunkt der Beschäftigung der Treasury rückte, nachdem die Art und Form der Kriegsbudgets weitgehend feststand, schon recht bald die anlaufende Reconstruction-Debatte und damit die Frage des Kurses der Finanzpolitik für die Zeit nach dem Krieg. In dieser Diskussion nahm die Treasury die Gegenposition zu den Keynesianem der Economic Section ein, eine Position, die Keynes in der Stellung von 1940/41 wohl wesentlich anders gestaltet hätte. Es zeigte sich deutlich, daß die Hinwendung zu Formen keynesianischer Budgeterstellung für das Schatzamt, ähnlich wie die Defizitfinanzierung der Aufrüstung in den 1930er Jahren, nur als temporäre Maßnahme gesehen wurde; ein Präjudizierung für die Zeit nach der Notsituation sollte vermieden werden. Keynes versuchte bereits für das Budget von 1942 eine in die Zukunft weisende Struktur durchzusetzen (in seinem letzten größeren Memorandum an den Schatzkanzler zum Thema Binnenfinanzierung): "The features of the last Budget were (a) a great increase of revenue; (b) a concentration on direct taxation; (c) the stabilisation of prices. It might be described as a financial policy Budget. I suggest that the next Budget should be of a different character, fit to be described as a social policy Budget [... ]"123 Dazu schlug er vor allem, eine Idee aus How to Pay for the War wieder aufgreifend, die Zahlung einer Familienunterstützung in Form eines Kindergeldes vor. Zu diesem Thema hatte allerdings Hopkins schon 1941 die negative Haltung der Treasury vorgegeben. Familienunterstützungen seien abzulehnen, da Dalton: Fateful Years, S. 480. Vgl. Moggridge: Maynard Keynes, S. 695. Vgl. Alan Booth: The .,Keynesian Revolution" in Economic Policy-making, in: Ec.Hist.Rev., 2nd ser., 36 (1983), S. 103-123, S. 103. 123 Keynes, Notes on the Budget, 3.11.1941, in: JMK XXII, S. 355-363, S. 355. 121
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es nicht bei den ihnen zugeschriebenen geringen Kosten bleiben würde. "It would be the beginning of a new social service capable of enormous expansion, not merely in war but permanently in peace." Zudem würde es keinen mäßigenden Einfluß auf die Lohnforderungen der Gewerkschaften haben, wie Keynes gemeint hatte, da diese vom Durchschnittslebensstandard, ob mit Kindern oder ohne, ihrer Mitglieder ausgingen. Die Gefahr seien unkontrollierbare zukünftige Kosten.'"' Die folgenden Budgets veränderten ihre Politik gegenüber dem von 1941 nur noch unwesentlich, einzig die Purehase Tax wurde erhöht und ausgeweitet, ansonsten blieb das Konzept bestehen. Das Budget von 1944, das erste unter Anderson, erreichte die Rekordhöhe mit angekündigten Ausgaben von ±:5937 Mio. und Steuereinnahmen von f3098 Mio. •zs im wesentlichen mit den gleichen Maßnahmen wie der Haushalt von 1941 mit Ausgaben von ±:4207 Mio. und Einnahmen von f1636 Mio.
II. Reconstruction: Die Debatte um den sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbau nach dem Krieg 1. Vordenker der Reconstruction Am 1. Juli 1940, kurz bevor mit dem Beginn der Luftschlacht um England Großbritannien die kritischste Phase des Weltkrieges zu durchstehen hatte, machte die Times mit einem Leitartikel zu den Kriegszielen der britischen Demokratie auf: "If we speak of democracy, we do not mean a democracy which maintains the right to vote but forgets the right to work and the right to live. If we speak of freedom, we do not mean a rugged individualism which excludes social organisation and economic planning. If we speak of equality, we do not mean a political equality nullified by social and economic privilege. If we speak of economic reconstruction, we think less of maximum pro duction (though this too will be required) than of equitable distribution." Damit gab die Times den Ton vor für die schon bald mit Macht einsetzende Debatte um den wirtschaftlichen Wiederaufbau- die Reconstruction- ("There was a South Sea Bubble of reconstruction projects, launched with high hopes, but fated for the most part to an obscure end." '"), der die sozialen Verwerfungen der Zwischenkriegszeit überwinden und zu einer gerechteren Gesellschaft führen sollte, an deren Wohlstand alle teilhaben würden. Die in der "ersten Reconstruction" nach 1918 vertanen Chancen sollten diesesmal auf jeden Fall '""'Memorandum Hopkins, 3. April1941, in PRO T 172/1956. •zs HoC Deb. 399, 25. April 1944, cols. 650-684. 126 Addison: Road, S. 181.
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genutzt werden. Die Vordenker und Wortführer der Debatte waren Vertreter des "enlightened Establishment" 127 aus vorwiegend linksliberalen Reformgruppen, die nach der politischen Blockade der 1930er Jahre die Möglichkeit sahen, den Kriegseinsatz aller Bevölkerungsschichten zu einer breit angelegten Diskussion um ein "Better Britain" zu nutzen. Addison nennt noch weitere Motivationen des intellektuellen Eifers: möglicherweise gekoppelt mit dem schlechten Gewissen, Appeasement unterstützt zu haben, war es der Wunsch dieser Gruppen, an der Kriegsanstrengung teilzuhaben, indem man die Moral der Heimatfront stärkte: "By designing an idealistic programme of war aims, he [der Intellektuelle] could at once reward the working classes, and by inspiring them to even greater efforts take bis own place in the front line as the man who built the moral Spitfrre. " 12& Die anfänglich ablehnende Haltung des Kabinetts (insbesondere Churchills) gegenüber derartigen Planungen führte dazu, daß die Initiatoren sich verstärkt an die Öffentlichkeit wandten, wie etwa J.B. Priestley mit seinen Radiosendungen der BBC (den "Postscripts"). Die Sonderausgabe der Illustrierten Pietore Post vom 4. Januar 1941, genannt "A Plan for Britain", in der renommierte Autoren (u.a. Thomas Balogh, Julian Huxley, Maxwell Fry) detaillierte Ansätze für Nachkriegsplanungen präsentierten, war ein erster Höhepunkt der Reconstruction-Debatte, dem immense öffentliche Aufmerksamkeit zuteil wurde. Von diesem Zeitpunkt an wurde, ob die Regierung es wollte oder nicht, die Diskussion um Reconstruction zu einem nationalen Gesprächsthema und das Kabinett geriet unter wachsenden Druck, selbst entsprechende Zukunftsentwürfe zu präsentieren. Die Regierung bemühte sieb, sechs Wochen nach dem Erscheinen der Pietore Post durch eine organisatorische Veränderung Handlungswillen zu demonstrieren, indem das neue Cabinet Committee on Reconstruction Problems begründet wurde (welches das erfolglose War Aims Committee ersetzte), unter dem Vorsitz Artbur Greenwoods, LabourMinister ohne Portfolio. Greenwood wurde im März 1942 durch William Jowitt, Paymaster General, abgelöst. Im November 1942 gründete das War Cabinet ein Committee on Reconstruction Priorities (PR-Committee) unter dem Vorsitz von John Anderson. Beide Komitees bestanden nebeneinander bis zur Schaffung des Ministry of Reconstruction im November 1943, als sie auf Ministerebene durch das Reconstruction Committee ersetzt wurden (mit Lord Woolton, dem Minister of Reconstruction, als Vorsitzendem). Am Verlauf der organisatorischen Veränderungen, durch die die Reconstruction in der
127 Corelli Barnett The Audit of War. The Illusion and Reality of Britain as a Great Nation, London 1986, S. 11. 128 Addison: Road, S. 184.
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ministeriellen Hierarchie immer weiter nach oben gerückt wurde, läßt sich die wachsende Priorität des Themas in der Koalitionsregierung ablesen. Den offiziellen Auftakt zu regierungsinternen Nachkriegsplanungen bildete eine Rede des Außenministers Anthony Eden am 29.5.1941'29, in der er ein Gegenbild zu der von Nazideutschland für Europa propagierten "Neuen Ordnung" entwarf. Kernstück dieses Gegenentwurfes war eine Zukunftsvision der ökonomischen Stabilität und Sicherheit. Vorlage zu der Rede, von der das Foreign Office dem Minister wegen der Gegnerschaft des amerikanischen Präsidenten Roosevelt gegen die von Keynes bevorzugten internationalen ökonomischen Reglementierungen abriet, war ein von Keynes verfaßtes Memorandum: "Mr. John Maynard Keynes bad written for the Foreign Office a memorandum exposing the fallacious Nazi promises of an economic and financial paradise [... ] In this paper Keynes included proposals for the postwar economy. "' 30 Mit Rücksicht auf den amerikanischen Präsidenten blieb die Rede jedoch in sehr undeutlichen Ankündigungen für die Zukunft verhaftet. Die Minister des Kriegskabinetts vermieden insgesamt weitgehend, um Spannungen aus der Koalition herauszuhalten, sich in die konkreteren Planungen einzuschalten oder sich öffentlich dazu zu äußern. Dies ließ den verschiedenen Institutionen der Verwaltung einen erheblichen Spielraum bei der Ausarbeitung der Reconstruction-Planungen.' 3 ' 2. Der Beginn der verwaltungsinternen Auseinandersetzungen: Die Keynesianer der Economic Section versus Treasury Angestoßen von Keynes' Vorlage für die Eden-Rede produzierte im Februar 1941 James Meade aus der Economic Section ein Memorandum "The Prevention of General Unemployment" 13\ mit dem er die Diskussion um die 129 Text der Rede (29.5.1941, Mansion House, Cmd. 6829) in: Christopher Hili: Cabinet decisions on foreign policy. The British experience October 1938- June 1941, Cambridge 1991, S. 258-262. 130 "The President' s personal reactions made the Foreign Office ask me to cut out all the ideas inspired by Keynes, but I refused, tbough I did offer Roosevelt some incense." Anthony Eden (Earl of Avon): The Eden Memoirs. The Reckoning, London 1965, S. 258. m Vgl. Keith Middlemas: Power, Competition and the State. Volwne 1: Britain in Search of Balance, 1940-61, London/Basingstoke 1986, S. 48. 132 J.E. Meade "The Prevention of General Unemployment" E.C.(S.)(41)22, in mehreren Versionen von Anfang 1941 in T.230/13 Economic Section of the War Cabinet Secretariat. Discussion Papers 1941.
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Beschäftigungspolitik der Nachkriegszeit in der Administration anstieß. Neben der umfassenden sozialen Sicherung, deren Verfassungsdokument der Beveridge-Report wurde, waren die Arbeitslosigkeit und die Möglichkeiten zu ihrer Abhilfe durch staatliche Eingriffe in die Wirtschaft die bestimmenden Themen der öffentlichen Debatte. Nicht zuletzt wegen der Massenarbeitslosigkeit wurden die 1930er Jahre in weiten Teilen der Bevölkerung als eine Art finsteres Zeitalter betrachtet, von dem sich die Nachkriegsgesellschaft bewußt abheben sollte: "Next to war, unemployment has been the most widespread, most insidious, and most corroding malady of our generation: it is the specific social disease of westem civilisation in our time... m In seiner fast biblischen Wortgewalt identifizierte der Beveridge-Report Untätigkeit ("Idleness") als einen der fünf zu überwindenden "Giganten" auf der Straße hin zur Reconstruction.'" Meade beschrieb in seinem Papier drei Formen von Arbeitslosigkeit: Übergangs-, strukturelle und allgemeine Arbeitslosigkeit (d.h. Beschäftigungslosigkeit durch Nachfrageausfall in einer Rezession). Er beschäftigte sich vor allem mit der allgemeinen Arbeitslosigkeit und den dagegen zu ergreifenden Maßnahmen: "General unemployment can be avoided only by maintaining the demands for goods and services in general at a sufficiently high Ievel [...]".Er schrieb weiter: "[... ] an increase in state expenditure and a reduction in revenue must be foreseen in periods of slack trade [...]", bzw. müßten in Boomphasen die staatlichen Ausgaben sinken. "In other words, debt must be incurred in years of depression; whereas in periods of active trade, when revenue is increased and state expenditure is contracted, debt may be repaid. The policy of preserving an annual balance of revenue and expenditure must give place to a policy of concentrating debt repayment in years of active trade." Die Bekämpfung der allgemeinen Erwerbslosigkeit sei für die Politik die vordringliche Aufgabe, da erst gegen diese etwas unternommen werden müsse, bevor die anderen Formen der Arbeitslosigkeit kuriert werden könnten. Zudem sei die Nachfragestabilisierung das einzig probate Mittel, da eine offene Marktwirtschaft dirigistische Vorkehrungen wie die Festlegung der Zinsen und der Höhe der privaten Investitionen nicht zulasse."' Die "Keynesianische Revolution" hatte die Verwaltung erreicht. The Times, 23.1.1943. Social Insurance and Allied Services, (1942) Cmd. 6404, Para.&: die weiteren "giants" sind Mangel (Want), Krankheit (Disease), Unwissenheit (lgnorance) und Verwahrlosung (Squalor). "' ,,Internal Measures for the Prevention of General Unemployment", Memorandum der Economic Section, 8. Juli 194li.E.P.(41)3, in PRO CAB 87/54 Official Committe on Post-War lotemal Economic Problems I.E.P.Ser. (In dieser Version wurde Meades 133
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Nachdem in den 1930er Jahren die Keynesianer beharrlich und doch vergeblich an die Türen der Finanzpolitik geklopft hatten, öffnete sich ihnen im Krieg ein Einfallstor in die Administration. Der totale Krieg verlangte nach einer umfassenden Mobilisierung auch der intellektuellen Ressourcen; dies bedeutete für die Wirtschaftspolitik (etwa für die Erstellung von Statistiken) die Einbeziehung von Universitätsökonomen, die bislang so gut wie überhaupt nicht in den Staatsdienst gelangt waren. Für die jungen, zum großen Teil keynesianisch geprägten Wissenschaftler wurden neue Institutionen neben dem einstweilen noch uneinnehmbaren Bollwerk Treasury geschaffen, in denen sie die Möglichkeit bekamen, theoretische Innovationen für die Anwendung in der Finanzpolitik weiterzuentwickeln. Motor der keynesianischen Finanzplanungen in Whitehall war die Economic Section, hervorgegangen aus der Aufsplittung des Central Economic Information Service im Januar 1941. Gleichzeitig war die ES als eine Art "Brain Trust" dem Lord President unmittelbar untergeordnet worden, was, als John Anderson dieses Amt übernahm und zum bestimmenden Koordinator des Kriegseinsatzes in Großbritannien wurde, ihre Einflußmöglichkeiten beträchtlich vergrößerte.'" Die ES wurde zu einem Sammelbecken jüngerer Ökonomen, für das im Laufe ihres Bestehens die zukünftige Elite der britischen Wirtschaftswissenschaften (darunter mit Meade und Stone zwei spätere Nobelpreisträger) verpflichtet werden konnte. Die Ökonomen der ES verfaßten Memoranden zu allen Themen der wirtschaftlichen Kriegführung und Nachkriegsplanungen. Der erste Direktor der Gruppe, John Jewkes, hatte schon sehr früh die Bedeutung der Beschäftigungspolitik für die Reconstruction-Debatte erkannt und, auf Anregung E.F.M. Durbins, eines Labour-Nachwuchspolitikers aus Daltons ,.Kindergarten" (wie der Zirkel der um Dalton versammelten jungen Ökonomen und Politikern genannt wurde), der ES deshalb den Auftrag erteilt, Memoranden über die für eine hohe und stabile Beschäftigung notwendige Politik vorzubereiten. Der Tenor der Schriften - außer derjenigen Meades noch von Jewkes, L. Robbins, Durbin und Austin Robinson - war unmißverständlich und im wesentlichen einstimmig: zur Bekämpfung von konjunktureller Arbeitslosigkeit müßte der Staat zukünftig bereit sein, die gesamtwirtschaftliche Nachfra-
Memorandum dem Committee on Post-War Interna! Economic Problems, einem Unterausschuß des Committee on Reconstruction Problems auf Offiziellenebene, vorgelegt.) 136 Zur Geschichte der Economic Section siehe insbesondere Alec Cairncross/Nita Watts: The Economic Section 1939-1961. A study in economic advising, London/New York 1989; vgl. auch Alec Cairncross: Austin Robinson. The Life of an Economic Adviser, Basingstoke/London 1993 und Robbins: Autobiography.
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ge durch eine angepaßte Budgetpolitik zu steuern und dabei auch Budgetdefizite in Kauf zu nehmen.' 37 Das Committee on Post-War Internal Economic Problems (IEP-Committee), für das Meade sein Memorandum verfaßt hatte, begrüßte generell den Grundton der Vorstellungen der Economic Section; allerdings fand keine ernsthafte Diskussion statt, dazu ließen die Teilnehmer wohl auch zu wenig ökonomischen Sachverstand erkennen."' Innerhalb der Treasury konzentrierten sich die meisten Senior Offleials auf die zu erwartende Entwicklung der unmittelbaren Nachkriegsjahre, eine Perspektive, die bei den Diskussionen der ES in der Regel nur eine untergeordnete Rolle spielte. Die Reaktion des Schatzamtes auf Meades Memorandum ließ daher auch lange auf sich warten; die beiden Institutionen fochten noch nicht auf dem gleichen Terrain, was die gegenseitigen Fronten zu diesem Zeitpunkt nur undeutlich wahrnehmbar macht. In der Entgegnung legte die Treasury ihre pessimistische Einschätzung über die Zeit nach dem Krieg dar. Es sei, wie nach dem letzten Krieg, mit einem Boom zu rechnen, angeheizt durch inflationäre Tendenzen. Jedoch bedeute eine derartige Übernachfrage nicht, daß die Arbeitslosigkeit notwendigerweise gering sein müsse, da Versorgungsengpässe in der Wirtschaft zu befürchten sein würden. "The moral would seem tobethat while we must be prepared from the outset with appropriate measures for such special unemployment as may arise from maladjustment of the transitional period, the main problern of that period will not be that of stimulating effective demand for goods and services, but rather of controlling and directing it, so as to ensure the orderly recovery of our economic life, including adequate production for export.""" Die Positionen beider Institutionen blieben unverändert nebeneinander bestehen, bis die Treasury in der Diskussion um den Beveridge-Report auf eine Art Nebenkriegsschauplatz der finanzpolitischen Auseinandersetzung gezogen wurde.
137 Die Memoranden finden sich in: PRO T.230/13 Economic Section of the War Cabinet Secretariat. Discussion Papers 1941. 138 PRO CAB 87/54, vgl. Cairncross/Watts, S. 73. '"' "The Post-War Relation between Purchasing Power and Consumer Goods", Treasury- Memorandum, S. 36, o. D. (eine beiliegende Notiz Hopkins' trägt allerdings das Datum 22. Mai 1942), in PRO CAB 11717 Official Committee on Post-War Interna! Economic Problems. I.E.P.(42) Series.
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3. Der Beveridge-Report: Das Grundsatzdokument eines ,,Better Britain" William Beveridge war der bedeutendste aller Propheten des "New Jerusalem" im Krieg: "As appropriate for a Prophet and a brilliant Oxford Intellect, Beveridge thought a Iot of bimself, so tbat rigbteousness went band in band witb autboritarian arrogance and skill at manipulating tbe press to make bim tbe Field Marshai Montgomery of social welfare. """ Nachdem er die ersten Kriegsmonate zusammen mit anderen prominenten Regierungskritikern damit verbracht hatte, bei Treffen in Keynes' Haus in Bloomsbury Chamberlains Politik zu beanstanden und den eigenen Anteil an der erfolgreichen Organisierung des letzten Krieges heraufzubeschwören, wurde er nach dem Regierungswechsel 1940 dann doch wieder in den Staatsdienst berufen, allerdings nur zur Führung einer wenig bedeutenden Untersuchung zum Bedarf an Arbeitskräften. Ende 1940 wurde er zum Assistant Secretary auf Zeit in Bevins Arbeitsministerium; dieser scheint Beveridge jedoch mit unverhohlenem Mißtrauen gegenübergestanden zu haben und konnte daher wohl auch leichthin zustimmen, Beveridge eine Untersuchung mit streng umrissenem Aufgabengebiet anzuvertrauen, um ihn so aus seinem unmittelbaren Bereich zu entfernen.'" Die Untersuchungen des Beveridge-Komitees zu "Social Insurance and Allied Services" begannen im Sommer 1941 mit der Aufgabe, Integrationsmöglichkeiten für die zerstreuten institutionellen Abläufe des Sozialversicherungssystems zu prüfen. Beveridge legte diesen Auftrag jedoch sehr extensiv aus und begann, ein Programm für ein umfassendes Gefüge sozialer Sicherung zu entwickeln. Der erste Entwurf für den Abscblußreport des Komitees, den Beveridge praktisch allein verfaßt hatte, bevor noch die Untersuchungen abgeschlossen waren, erregte infolgedessen auch großes Aufsehen und Unmut im Kriegskabinett und in der Verwaltung (und wurde als "needlessly and even shockingly extravagant" beurteilt'"'). Aufgrund der beispiellosen Überschreitung des Auftrages wurde das Mandat der Civil Service-Mitglieder des Komitees zu bloßen Beratungsfunktionen heruntergestuft, so daß Beveridge perBarnett Audit, S. 26. Jose Harris: Social planning in war-time: some aspects of the Beveridge Report, in: J.M. Winter (Hg.): War and Economic Development, Cambridge 1975, S. 239256, S. 241. Aufgabenbereich war: "To undertake, with special reference to the interrelation of the schemes, a survey of the existing national schemes of social insurance and allied services, including workmen's compensation, and to make recommendations." Cmd. 6404, Vorwort. 141 Harris, in: Winter (Hg.), S. 244. 140 141
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sönlich und allein für die Entstehung des Reportes verantwortlich wurde. Die Treasury reagierte mit Ablehnung auf allen Ebenen. Henderson zog die Prinzipien des Entwurfs in Zweifel, dieser sei in sich nicht stimmig und widersprüchlich ("[...] Iack of correspondence between diagnosis and remedy [ ... ]"'");vor allem wurde jedoch vor den finanziellen Verpflichtungen für den Staat durch die Mischfinanzierung der Sozialversicherungen aus Beiträgen und staatlichen Zuschüssen gewarnt, die eine Installierung eines solchen Systems mit sich bringen würde: "[ ... ] the Report, as a whole, is financially impracticable, at any rate so far as we can see the future at present. "'" Nur wenn gesichert sei, daß es nach dem Krieg keine Massenarbeitslosigkeit mehr geben würde und die finanzielle Leistungsfähigkeit des Staates nicht negativ berührt werde, sei die Treasury bereit, dem Report zuzustimmen.'" Da die Treasury in ihrer pessimistischen Sicht der Entwicklung nach Kriegsende sicher war, daß diese Kriterien in absehbarer Zeit nicht würden erfüllt werden können, bedeutete das, daß sie einem derartigen Plan unter keinen Umständen zustimmen konnte. Ebenso eindeutig war die Ablehnung seitens der Regierung. Churchill, nach dem von ihm vorgegebenen Motto "everything for the war, whether controversial or not, and nothing controversial that is not bona fide needed for the war"'.. ohnehin ausgewiesener Gegner jeder kontroversen Diskussion über die Politik der Nachkriegszeit, schwor seine Kabinettskollegen auf einen vorsichtigen Kurs ein: "1 hope that in studying the various proposals for social reform, land development etc., you are giving full consideration to our post-war financial position. The implications of these schemes must be related to the costs of the armed forces which it will be necessary to maintain, and to the prospects of our export trade. Nothing would be more dangeraus than for people to feel cheated because they have been led to expect attractive schemes which turn out to be economically impossible."'" Churchill zeigte sich ohnehin während des Krieges, anders als nach seinem eher gespannten Verhältnis zur Treasury-Bürokratie und ihrer Doktrin in seiner Amtszeit als Schatzkanzler zu erwarten gewesen war, finanzpolitisch 10 "The principles of the Beveridge Plan" Memorandum Henderson, 4. August 1942, S. 1, in PRO T.273/57 Beveridge report on social insurance: Treasury consideration of proposals. '" Notiz Eady, 17. November 1942, in PRO T.273/57. "s Memorandum Gilbert, 7. Dezember 1942, in PRO T.273/57. ,.. Churchill, HoC Deb. 392, 13. Oktober 1943, col. 922. 147 Prime Minister's Personal Minute, 17.Dezember 1942 in PRO CAB 117175 Committee on Reconstruction Problems.
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konservativ und mißtrauisch gegenüber den neuen Dimensionen, die in der Finanzpolitik mit den Kriegsbudgets angestrebt und erreicht wurden und die er für ein Nachgeben gegenüber ,,harping and insatiable left-wing propaganda" hielt, während doch eine Beachtung des "sound financial canons" notwendig sei."" Ebenso entschieden sprach sich Schatzkanzler Wood gegen die Adaption der Beveridge-Vorschläge aus. "Many in this country have persuaded themselves that the cessation of hostilities will mark the opening of the Golden Age (many were so persuaded the last time also). However this may be, the time for declaring a dividend on the profits of the Golden Age is the time when those profits have been realised in fact, not merely in imagination."149 C. Barnett, heftigster Kritiker der britischen Reconstruction-Planungen, weist Wood sogar die Rolle als letztem Halt gegen die unverantwortlichen Ausgabenprogramme bestimmter Teile der Liberalen und Labours zu; bis zu seinem Tod im September 1943 sei er in der Lage gewesen, zumindest warnend und verzögernd zu wirken und Churchill im Kabinett den Rücken zu stärken. Ab Oktober 1943 sieht Barnett dann alle Schleusen für die "New Jerusalemer" geöffnet."" Allerdings standen die Labour-Mitglieder des Kriegskabinetts (Attlee, Bevin und Morrison, letzterer ab November 1942) dem Beveridge-Report anfangs nicht freundlicher gegenüber als Wood oder Churchill, da er ihrer Partei in einer Zeit, als sie ihre Interessen ganz bewußt hinter denen der nationalen Einheit zurückstellte, den Ruf der sozialreformerischen Kraft zu entziehen drohte und Beveridge sich selbst als Volksheld des einfachen Mannes profilieren konnte.'" Keynes, der schon sehr frühzeitig von Beveridge über dessen Pläne informiert worden war und der sieb in der Treasury vehement für sie einsetzte, wurde von Hopkins damit beauftragt, Beveridge zu den finanziellen Implikationen seines Schemas zu beraten (und darauf zu achten, daß diese möglichst gering ausfallen würden). Es ist anzunehmen, daß Keynes' Unterstützung und Vermittlung (verbunden mit dem anwachsenden Druck aus den Reihen der ,,reforming back benchers""') im Sommer 1942 einen wichtigen Anteil daran hatten zu verhindern, daß die Untersuchung abgebrochen und der Report unterdrückt wurde. Die Herausgabe des Reportes am 19. Dezember 1942, nachdem der Inhalt während des ganzen Jahres bereits in die Öffentlichkeit durchgesickert und in den Medien ausgiebig diskutiert worden war, sollte aufgrund ,•• Prime Minister's Personal Minute (an Schatzkanzler), 19. Februar 1941, in PRO PREM 4/1817. 149 Memorandum des Schatzkanzlers, 17. November 1942, in PRO PREM 4/89/2. 150 Barnett: Audit, S. 32. ,,, Vgl. Bullock: Bevin, Volume II, S. 227. 152 Harris, in: Winter (Hg.), S. 245.
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des "Public-Relations"-Talentes Beveridges und seiner Mitstreiter und des (zeitweiligen) Wunsches der Regierung, an dessen Popularität teilzuhaben, mit höchster Publizität verbunden sein. Die Beveridge-Pläne fanden in der Öffentlichkeit nahezu universelle Zustimmung und wurden sofort zu einer Art Feldzeichen aller Fortschrittlichen und Reformer, die an ein "Better Britain" glaubten: ,,For or against 'Beveridge' became the test of allegiance to the future or the past, and those who were 'for' were in no mood to Iisten to qualifications or doubts."'53 Am 14. Januar 1943 wurden der Beveridge-Programm und die aufgrund dessen zu verfolgende Politik der Koalitionsregierung erstmalig im gesamten Kabinett diskutiert. Grundlage war ein erneut sehr kritisches Gutachten des Schatzkanzlers. ,,. Das Kabinett verwies das weitere Gespräch über den Report wegen der Explosivität seiner politischen Implikationen an das neue, hochrangige Reconstruction Priorities Committee, wo sich Herbert Morrison, der den Druck der Parteibasis Labours als erster wahrzunehmen begann, als engagierter Fürsprecher einer umfassenden Festlegung und Gesetzgebung im Sinne des Reports erwies. ,,For the first time, reconstruction was being treated as a matter of first-rate importance in Whitehall, worthy of the energies of some of the most powerful politicians and civil servants.""' In einer erneuten Diskussion des Kabinettsam 12. Februar, wieder in Abwesenheit Churchills, der sich auf der Casablanca-Konferenz befand, verwiesen etliche Minister darauf, daß der Bekanntheitsgrad und die Popularität der Vorschläge in der Öffentlichkeit eine Ablehnung durch die Regierung unmöglich machen würde. Wünschenswert erschien es der Ministerrunde, den Prinzipien des Reportes nur allgemein zuzustimmen, um eine detaillierte Festlegung der Nachkriegsregierung zu verhindern; allerdings sei eine derartige Vorgehensweise angesichts der Stimmung in der Bevölkerung unrealistisch."• Drei Tage später sprach sich das Kabinett einheitlich dafür aus, in diesem Stadium keine genauen Festlegungen zu treffen und unterstützte die Forderung des Schatzkanzlers, der sozialen Sicherung in der Finanzplanung für die Nachkriegszeit nur geringe Priorität (nach Verteidigung, Exportsteigerung und Beschäftigungssicherung) einzuräumen.m
Bullock: Bevin, Volume II, S. 225. "The Financial Aspects of the Social Security Plan", Memorandum des Schatzkanzlers an das War Cabinet, 11. Januar 1943 R.P.(43)5, in PRO CAB 65/33 War Cabinet Conclusions 1943 W.M. (43). m Addison: Road, S. 221. "• Protokoll der Kabinettssitzung vom 12. Februar 1943 W.M.28(43), in PRO CAB 65/33. m Protokoll der Kabinettssitzung vom 15. Februar 1943 W.M.29(43), in PRO CAB 65/33. 153 154
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In der Debatte um den Report im Unterhaus (16.-18. Februar 1943) traten als Vertreter der Regierung Anderson und Wood auf, deren vorsichtiger bis ablehnender Vortrag im Sinne der Beschlüsse des Kabinetts am zweiten Tag der Aussprache zu einem Aufstand innerhalb des Hauses führte. Eine Gruppe von Reform-Tories um Quintin Hogg und Lord Hinchingbrooke drohte damit, mit den dissentierenden Labour-Abgeordneten gegen die Regierung für eine sofortige Implementierung der Beveridge-Pläne zu stimmen. Trotz einer beschwichtigenden Rede Morrisons am dritten Tag und erheblichen Drucks der Parteiführungen stimmten 121 Abgeordnete gegen die Regierung. Von den 23 Labour-MP, die für die Regierungsvorlage stimmten, waren 22 Mitglieder der Regierung, 97 Labour-Abgeordnete stimmten dagegen; unter den Gegenstimmen war auch die David Lloyd Georges in seiner letzten Abstimmung im Unterhaus. 1" E. Shinwell, in der Reconstruction-Planung Labours an führender Stelle beteiligt (er war Vorsitzender des Central Committee on Reconstruction Problems der Partei) begründete in seinen Memoiren, warum er gegen die Regierung und damit gegen seine Parteiführung stimmte: "1 knew from the letters I received and the crowds I addressed that victory did not merely mean the defeat of Nazism and Fascism abroad, but victory over the bad old ways and days in their own country.""• Die politische Brisanz des Themas wurde auch Keynes deutlich. Er hatte ursprünglich vorgehabt, am 24. Februar sein Einstandsrede im Oberhaus über den Beveridge-Report zu halten: "Great pressure has been put on me not to speak, and on Catto also. They have all got themselves into a hideous mess over this Report, and it has become a very sore political spot. They think, perhaps truly, that, if I make a candid Statement of the position, it will not redound to their advantage, ... [and] my general relations with the Treasury might become somewhat embarrassed." Er stimmte zu, nicht zu sprechen. "Also I value too highly my present relations with everyone in the Treasury to want to run the risk of disobliging them. " 160 Die vorsichtige Beurteilung des Reports durch die konservativen Minister mußte in der Öffentlichkeit den Eindruck entstehen lassen, die Regierung versuche, den Beveridge-Plan zu unterdrücken und abzuwürgen. Tatsächlich drängte Churchill weiterhin im Kabinett auf größte Vorsicht gegenüber finanziellen Verpflichtungen für die Nachkriegszeit. 161 Im Monat der Parlamentsdebatte über den Report fanden 6 Nachwahlen statt, bei denen die HoC Deb. 386, 16. - 18. Februar 1943. Emanuel Shinwell: Conflict Without Malice, London 1955, S. 159. 160 Brief Keynes' an seine Mutter (F.A. Keynes), 23. Februar 1943, in JMK XXVII, s. 256. 161 Vgl. Premierminister an Schatzkanzler, 25. Juni 1944: "You are of course responsible for the national finances, and if you do not resist the rapid growth of our national burdens, it is difficult, while I and other Ministers are involved in the conduct of war, to fill the gap." In PRO PREM 4/16/4. m
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Konservativen daraufbin im Durchschnitt 8% der Wählerstimmen verloren. 162 Dies (und das Drängen seines Ratgebers Lord Cherwell) bewog Churchill dazu, am 21.3.1943 zum ersten Mal über Reconstruction im Radio zu sprechen. Churchill unternahm damit einen, wenn auch vagen, Schritt hin zu Beveridge und kündigte für die Regierung an, daß sie nach dem Krieg eine Politik gegen Massenarbeitslosigkeit betreiben wolle: "Here Iet me remark that the best way to insure against unemployment is to have no unemployment." 163 4. Diskussionen um die Möglichkeiten einer Vollbeschäftigungspolitik in der Nachkriegszeit
Die Veröffentlichung des Beveridge-Reports schob 1943 erneut die Diskussion um Formen einer Beschäftigungspolitik und der dafür notwendigen Finanzpolitik nach dem Krieg an. Dies war zum einen die Folge der Gedankenspiele über die finanziellen Auswirkungen des "Welfare State" (oder, nach der Diktion Beveridges, des .,Social Service State"), die dazu führten, daß auch die allgemeinen Prinzipien der Finanzpolitik einmal mehr in Frage gestellt wurden. Wichtiger war jedoch, daß der Beveridge-Report die Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit als Grundlage für ein funktionierendes System der sozialen Sicherung bezeichnete: .,The Govemment should not feel that by paying doles it can avoid the major responsibility of seeing that unemployment and disease are reduced to the minimum." 164 Die Anerkennung des Reports durch die Regierung bedeutete auch die Anerkennung der Existenz einer unfreiwilligen Beschäftigungslosigkeit und der Verantwortung des Staates, zumindest gegen die Auswüchse der Massenarbeitslosigkeit anzugehen. Beveridge hielt diesen Bereich seiner Pläne für .,a direct practical outcome of Keynesian economics". 16' Zusätzlichen Druck auf die Regierung, auch für die Beschäftigungspolitik Planungen anzustellen und sich zu einer aktiveren Rolle des Staates im Wirtschaftsgeschehen öffentlich zu bekennen, übte die Ankündigung Beveridges aus, privat eine großangelegte Untersuchung zum Thema durchzuführen, nachdem ihm (gegen seine Erwartungen) dafür kein Regie-
Vgl. Barnett Audit, S. 30. Rundfunkansprache Winston Churchill, ,.Postwar Planning", 22.3.1943, in: Winston S. Churchill: His Complete Speeches. 1897-1963, hgg. von Robert Rhodes James, Volume VII 1943-1949, New York 1974, S. 6755-6765, S. 6760. 164 Cmd. 6404, Para. 22. Vgl. Middlemas, Politics, S. 273. 16' Harris, in: Winter (Hg.), S. 249. Vgl. : William H. Beveridge: The Government's Employment Policy, in: The Economic Journal, Vol. 54, No. 214 (Juni-September 1944), s. 161-176, s. 172. 162
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rungsauftrag erteilt worden war.'.. 1944 führte die Konstellation, daß sowohl die Regierung, als auch Parteien und private Organisationen und Beveridge an Veröffentlichungen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit arbeiteten, zu einem kuriosen Wettlauf um den frühestmöglichen Publikationstermin, um als erster die größte Aufmerksamkeit genießen und so die öffentliche Meinung für die eigenen Pläne gewinnen zu können. Die Economic Section nahm die Gelegenheit wahr, die die Popularität der Beveridge-Pläne bot, und drängte seit Ende 1942 verstärkt auf die Planung einer Nachfragesteuerung gegen die Arbeitslosigkeit nach dem Krieg. Der offensichtlich weiterhin bestehende Gegensatz zwischen ES und Treasury - in einem aufgrund der Brisanz der Reconstruction-Debatte politisch sehr sensiblen Bereich - konnte nur auf ministerieller Ebene gelöst werden, weshalb das Reconstruction Priorities Committee unter Anderson im Januar 1943 die Diskussion an sieb zog. Schon dies sah die Treasury, die den Umfang der Erörterung auf die unmittelbare Übergangsphase zur Friedenswirtschaft hatte beschränken wollen, als Mißerfolg ihrer Position an.' 67 In seiner vierten Sitzung 1943 erteilte das PR-Committee der Economic Section den Auftrag zu einer Studie über die zu ergreifenden Maßnahmen in bezug auf die "Assumption C" (Vollbeschäftigung) des Beveridge-Reportes. Die ES legte daraufhin im Mai mit "The Maintenance of Full Employment" ein Memorandum vor, entstanden in enger Zusammenarbeit mit Keynes, das erneut vordringlieb die Bedeutung der Nachfragestabilisierung für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit betonte. " ... depression unemployment can only be prevented by avoiding tbe recurrent deficiencies in aggregate demand for goods and services which Iead to such depressions. Moreover, tbe avoidance of such depressions is an essential prerequisite for tbe eure of structural unemployment, since it is only possible to deal successfully witb such a problern in an atmosphere of general economic expansion in all tbe surrounding areas and trades wbich are not specifically affected by structural maladjustment. The maintenance of total national expenditure, and tbus of total national income, must be tbe primary objective of any policy for tbe maintenance of full employment."'6' "The cir166 Zur Entstehung dieser Untersuchung und dem Einfluß der Linkskeynesianer siehe Jose Harris: William Beveridge. A Biography, Oxford 1977, S. 435. 167 PR(43) 11th meeting, 31. Mai 1943. Kommentar des Schatzkanzlers, in PRO CAB 87/12 Reconstruction Priorities Committee PR (43) Series. Meetings. 168 "The Maintenance of Full Employment", Memorandum der Economic Section PR(43)26, Para. 14, 18. Mai 1943, in PRO CAB 87113 Reconstruction Priorities Committee. PR (43) Series. Memoranda. Zur lnvolvierung Keynes' siehe den Brief Meades an Keynes, 19. April 1943, in PRO T.230/66 Economic Advisory Section. Employment Policy in U.K. General, in dem er von "our paper" spricht. Ansonsten
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culation of this paper toucbed off some violent reactions within tbe Treasury", teilt Caincross mit.'69 Vor allem Hopkins, seit 1942 offizieller Kopf der Treasury, und Keynes' früherer Weggefährte Henderson bildeten die TreasuryFront der Ablehnung der Vorschläge aus der Economic Section. Hopkins schrieb zu "Tbe Maintenance of Full Employment": "[... ] I take the view that the Economic Section's paper, unlike all their other products, isabad paper, academic, misleading and dangerous. Tbis view of mine would, I expect, be vigorously combated by Lord Keynes, but endorsed by Sir Hubert Henderson. Nor sbould I expect ever to reacb agreement with Lord Keynes on any compromise view. I think these are matters on wbicb economists differ and the plain man may claim to form bis own view." In erster Linie lehnte er die besondere Betonung der Nachfragestabilisierung ab, die im Mittelpunkt des Memorandums der ES stand: " ... the types of remedies wbicb will need to be sougbt in a practical world are mucb more numerous than is suggested [ ... ]" Weiterhin warnte Hopkins den Schatzkanzler davor, eine Diskussion des Papiers im PR-Committee zuzulassen, da die Minister dort unter dem Einfluß der Berater aus der ES Entscheidungen gegen die Vorstellungen des Schatzamtes treffen könnten, ohne daß die Treasury in der Lage sein würde, in diesem Gremium ihren vollen Einfluß auszuspielen. 17" Auf den Unterschied zwischen theoretischer und praktischer Wirksamkeit von "demand management" bezog sieb auch Hendersons Ablehnung. So zweifelte er nicht die Diagnose an, daß die zyklische Arbeitslosigkeit ein Problem der zu geringen effektiven Nachfrage sei, die Lösungsmöglichkeit einer Stabilisierung der Investitionsnachfrage sei allerdings schon allein deshalb von zweifelhafter Durchschlagskraft, weil das zu stabilisierende Niveau der Nachfrage praktisch nicht definiert werden könne. Genauso würde "Deficit Finance" zwar die Kaufkraft erhöhen: "But tbere are strong objections to them. First it is difficult to believe that tbey could be reconciled in practice with tbe essential requirements of sound finance [...] The practical significance of the proposals under examination would therefore be, not that of an evening out of taxation between good years and bad, but that of a further widening of a budget deficit which has not yet been closed." Neben den Einwänden zugunsten einer soliden Finanzpolitik sei zu sagen, daß derartige Maßnahmen kaum zeigen die zahlreichen Kommentare von anderen Mitgliedern der ES zu diesem Papier und seinen Entwürfen, daß sein Inhalt einen zentralen Bestandteil der wirtschaftspolitischen Vorstellungen der gesamten ES und der Keynesianer in Whitehall darstellte. 169 Cairncross/Watts, S. 79. 170 Hopkins an Schatzkanzler, 26. Mai 1943, in PRO T.l6111168/S.52098 General Papers leading up to: Report of the Steering Committee on Post-War Employment (R.(44)6).
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effektiv wären. So sei fraglich, wieviel von der zusätzlichen Kaufkraft tatsächlich konsumwirksam würde. " ... the idea of counterlog depression by fiscal remedies, when we consider it on the background of the conditions which we must expect to prevail in the post-war period, has very serious disadvantages. On the one band, it is peculiar objectionable from the fiscal standpoint. On the other band, its remedial power is weak; it may hit the outer rings but it does not go near the bull's eye of the target."'71 Die Überlegungen, die in der Treasury über die allgemeinen Bedingungen der Finanzpolitik in der Nachkriegszeit angestellt wurden, zeigen, daß die Positionen des Treasury View bei den führenden Köpfen dort noch immer fest begründet waren. Wiederum war es die Achse Hopkins-Henderson - die Koalition der praktisch-administrativen und der ideologischen Schrittmacher des Treasury View -, die für die konservative Haltung des Schatzamtes stand. Grundlage der Argumentation war der Pessimismus der Treasury über die zu erwartende Nachkriegsentwicklung und die Aussichten der britischen Wirtschaft. In einem Memorandum vom Sommer 1943 ging das Schatzamt für 1948, zwei bis drei Jahre nach dem erwarteten Kriegsende, von einer Arbeitslosenzahl von über 1,5 Mio. aus: "The dislocation resulting from the demobilisation of the Forcesand from demobilisation of industry will probably produce at an earlier date a temporary peak figure much higher than that, but though this would run itself down gradually, experience suggests that the time lag in a fall of the register is often appreciable." Das Sozialprodukt im selben Zeitraum berechnete die Treasury mit f6900 Mio., eine Zahl, die Keynes in einer "Note of Dissent" für viel zu niedrig hielt; er ging von mindestens f7000-7400 Mio. aus und einer daraus resultierenden sehr viel kleineren und damit auch sehr viel leichter durch staatliche Eingriffe zu beseitigenden Arbeitslosenzahl von nur 800 000 (während Henderson mit einem noch geringeren Sozialprodukt als die Treasury rechnete). 172 Wie bereits in seiner Aussage vor dem Macmillan-Committee sprach sich Hopkins gegen die Bekämpfung der zu erwartenden Arbeitslosigkeit durch öffentliche Ausgabenprogramme aus: "[... ] however carefully one's plans may be laid, actual conditions will often ensure that the only kind of public works which can be put at band will be the wrong ones from the point of view of labour, and start at the wrong time and at the wrong place ... It is rare to find public works producing income [... ]" Auch Haushaltsdefizite lehnte er weiterhin strikt ab: "Budget deficits seem to me ... to Iead precisely in the same direction because it is 171 Henderson, ,,Notes on the Problem of Maintaining Employment" (Paras. 4, 18, 20, 23), 21. Mai 1943, in PRO T.16111168/S.52098. 172 ,,Influences affecting the Ievel of national income", Treasury Memorandum, 24. Juli 1943, in PRO PREM 4/16/13.
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useless to hope that Chancellors would propose taxation to secure in good times Budget surpluses corresponding to Budget deficits in bad times."173 Das letztgenannte Argument gewann für die Treasury angesichts des öffentlichen Drucks auf die Politik in der Frage der Sozialversicherungen noch weiter an Bedeutung. Es zeige sich deutlich, argumentierte die Treasury, daß, wenn einmal der verfassungsähnliche Grundsatz des Zwanges zum jährlichen Budgetausgleich fallen würde, die Entscheidungen der Finanzpolitik aufgrund der Abhängigkeit der Regierungen von Stimmungen in der Bevölkerung getroffen werden würden und daß daran das theoretisch überzeugende Modell vom Budgetausgleich über einen ganzen Konjunkturzyklus hinweg scheitern müßte. Keynes hatte, um dem Wunsch der Treasury nach einer "soliden" Haushaltspolitik entgegenzukommen, ein Modell propagiert, in dem die Regierung mit zwei jährlichen Haushalten arbeiten sollte, einem normalen ("ordinary") Budget für laufende Ausgaben, das ausgeglichen sein oder sogar einen Überschuß haben sollte, und einem "capital" Budget für kontra-zyklische staatliche Investitionen.'74 Auch Meade hatte seit Sommer 1942 ein System der Nachfragestabilisierung entwickelt, das den Vorteil eines besseren Timings gegenüber öffentlichen Investitionen verbinden sollte mit der Möglichkeit, die Aversion des Schatzamtes gegen Defizite im Haushalt überwinden zu können. Seine Idee war, über Variationen der Sozialversicherungsbeiträge das Nachfragepotential je nach konjunktureller Lage zu erhöhen oder zu begrenzen.'7' Hingegen lehnte Meade die Trennung in zwei Budgets ab: "It is my fear that if the budget is divided into a capital and a current budget, this will reinforce the orthodoxy of an annual balance for the current budget. We may, therefore, lose more than we gain from dividing the budget in this way." 176 Beide Vorschläge sah die Treasury als gefahrlieh an, da durch sie reale Defizite verschleiert werden könnten und auf diese Weise die Ausgabendisziplin der Regierungen noch mehr geschwächt würde. Dabei wurde die Situation auf dem Kontinent in den 1920er Jahren heraufbeschworen, als mittels "außerordentlicher" Budgets die staatlichen Ausgaben in schwindelnde Höhen getrieben wurden und so die Hyperinflation anfachten. 177 Hopkins an Henderson, 2. Mai 1942, in PRO 160/1407/F.18876. Etwa in Keynes an Hopkins (und andere), 15. Mai 1942, in: JMK XXVII, S. 277. 17 ' "Variations in the Rate of Social Security Contributions as a Means of Stabilising the Demand for Labour", Memorandum Meade, 21. Juli 1942, in PRO T.2301101 Economic Advisory Section. Employment Policy in U.K. General. 176 Meade an Keynes, 19. April1943, in: JMK XXVII, S. 317. 177 Brittain an Eady, 18. Juni 1943, in PRO T.160/1407/F.18876. (Brittain, Sir Herbert: Treasury Official seit 1919, Third Secretary 1942-53, Second Secr. 1953-7.) 173 174
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Keynes nahm dazu am folgenden Tag Stellung. "[Brittains] note does not sufficiently distinguish between the proposed policy of deficit financing (in certain circumstances) and the proposal for a capital budget. These two suggested methods for maintaining stability of employment, so far from being the same thing, are really the opposite of one another. The proposal for a capital budget aims at maintaining equilibrium by increasing or decreasing the scale of investment. Deficit financing, on the other band, aims at securing it by increasing or decreasing the scale of consumption. Personally, I am primarily an adherent of the capital budget method.[... ] I am much attracted by Meade's social security proposal because that does seem to me to have exceptional technical advantages, particularly owing to its rapidity of Operation, in which respect it is much superior to anything which could be done by means of a capital budget. But, in general, I do not like deficit financing, except as a last resort, in which case it will happen whether I like it or not. I should support the Treasury in rejecting deficit financing as a regular and deliberate instrument for maintaining equilibrium. The capital budget is something entirely distinct and should not be regarded as raising questions of prudence and conservatism in financing. " 171 Wieder einmal zeigte sich, daß Keynes und die Administratoren eigentlich nicht gegeneinander, sondern eher aneinander vorbei argumentierten, denn für die Treasury war die Art der Präsentation der staatlichen Ausgaben im wesentliche eine Frage der Konvention, ähnlich der traditionellen Unterteilung in "above-" und "below-the-line" und damit ohne tiefere Bedeutung; ein reales Defizit war ein Übersteigen der Gesamtausgaben über die jährlichen Gesamteinnahmen, das Resultat der konsolidierten Bilanz, unabhängig von den Ergebnissen in deren einzelnen Bestandteilen und ebenso unabhängig von deren Benennung. Die von Keynes gewollte Zweiteilung dagegen zielte auf die Erstellung eines explizit wirtschaftspolitischen Budgets (d.h. eines Haushaltes zum Zweck der Beeinflussung der Wirtschaft) - neben dem traditionellen Haushalt -, das zum Ausgleich der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage dienen sollte und ging damit von einer ganz anderen Konzeption der Haushaltserstellung als das Schatzamt aus: Für die Treasury war das Budget noch immer vor allem ein Mechanismus zur Finanzierung staatlicher Ausgaben; für Keynes dagegen stand dessen wirtschaftspolitische Bedeutung im Vordergrund. Ein weiteres wichtiges Argument, das die Treasury gegen Forderungen nach einer expansiveren Finanzpolitik vorbrachte und das im Zeichen der wachsenden Abhängigkeit von den USA und den aus dieser Situation zu erwartenden Schwierigkeiten im Wiederaufbau des britischen Außenhandels an Gewicht gewann, richtete sich auf die außenwirtschaftliche Entwicklung. Die Overseas 178
Memorandum Keynes, 19. Juni 1943 in PRO T. T.160/1407/F.l8876.
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Finance Division des Schatzamtes, seit 1942 geleitet von Wilfried Eady179, dem engsten Verbündeten Hendersons in der Treasury, wies immer wieder auf die Gefahren für die Handelsbilanz bei hohem inländischem Nachfrageniveau hin und auf die Notwendigkeit der Verteidigung der Wechselkurse und des Erhalts des Vertrauens der internationalen Finanzmärkte: "The importance of retaining the confidence of the money markets in sterling was indeed an issue that could unite all sections of the Treasury [...]"1"' Andererseits scheint die Treasury im Verlauf der Reconstruction-Debatte in ihren Grundsätzen der soliden Haushaltspolitik nicht mehr die monolithische Einheit früherer Tage gewesen zu sein, wie sich an einer der ersten genuin expansionistischen (keynesianischen) Äußerung eines führenden Beamten 1942 nachweisen läßt. "1 hope that the war which kills so much will kill the superstition that there is any object in balanced budgets. Our object is for there to be enough purchasing power to secure full employment, but that beyond this point purchasing power should not be increased, so as to avoid inflation ... when we ... are running into the danger of deflation it will be desirable to reduce taxation and to speed up works of all kinds. " 111 Dennoch darf dieses erste Anzeichen eines Umschwunges auch innerhalb der Treasury nicht darüber hinwegtäuschen, daß nach außen, gegenüber anderen Bereichen der Administration, die Schatzamtsfront noch geschlossen stand. Dies galt um so mehr, da aus anderen Wirtschaftsministerien Forderungen laut wurden, analog zu der Entwicklung im Krieg auch in Friedenszeiten den Einfluß der Treasury auf die Wirtschaftspolitik zu vermindern. Anläßlich einer Anhörung über die zukünftige Regierungsmaschinerie attackierte der Permanent Secretary des Landwirtscbaftsministeriums, D. Fergusson, selbst ehemaliger Treasury-Beamter, die Rolle des Schatzamtes scharf: Er sei "[...] impressed with the need for a more or less radical change in the administrative machine if it was to deal adequately under post-war conditions with new functions of the State in the economic sphere. In bis opinion the present machinery, which bad been adequate to deal with the regulatory functions which characterised government in the age of laissezfaire bad sbown itself unable, since 1931, to acbieve either the introduction or the adequate administration of State control in the economic spbere. Economic reforms were almost impossible when the only policies which could be carried through were those which conferred immedi179 Eady, Sir Wilfried: Official im Ministry of Labour 1917-38, Deputy Under Secr. Horne Office 1938-40, Deputy Chairman 1940-1 Chairman 1941-2 Board of Customs and Excise, Joint Second Secr. Treasury 1942-52. 110 Booth: British, S. 94. 181 S.D.Waley an Hopkins, 15.Mai 1942, in PRO T.l60/1407/F.18876. (Waley, Sir David: Treasury Official seit 1910, Third Secretary Overseas Finance Division 1946.)
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ate pecuniary benefit on considerable numbers of people. "'" Fergusson hob dagegen positiv die Arbeit des Lord President's Committee als koordinierendes Gremium hervor. Horace Wilson verteidigte sein Ministerium. "Sir Horace agreed that there might be a useful role for a body on the lines of the present Lord President' s Committee, but on the assumption that there was to be a return of Cabinet Government on pre-war lines, he did not suppose that the Committee would occupy itself with major questions of policy involving large expenditure such as defence and social services; its role would rather be to mediate in inter-Oepartmental differences ... it would perhaps be weil that the Chancellor of the Exchequer should not be a member of such a Committee, the settlement of major financial policy being reserved by him for consideration at Cabinet." "As regards the role of the Treasury in relation to general financial control, it would be essential after the war to elevate and to Strengtben the position of the Chancellor of the Exchequer. Finance and the Settlement of priorities in expenditure would again become of prime importance in the functions of Government ... It would probably be desirable to develop arrangements designed to educate other Ministers on the general financial Situation and to keep them in touch with it." Auf die Frage, ob die Treasury in Zukunft auf die Rolle eines Finanzministeriums beschränkt werden, die Wirtschaftspolitik also einem anderen zentralen Ministerium überlassen werden solle "[...] Sir Horace Wilson indicated that he did not think that finance and economic policy could be seperated."'" Diese Äußerung deutet an, daß sich das Schatzamt in der Nachkriegszeit als zentrales Wirtschaftsministerium zu sehen und damit zumindest in diesem Punkt sich von den Grundsätzen des Treasury View zu lösen begann. Insbesondere die Bezeichnung "Head of the Horne Civil Service" des leitenden Beamten der Treasury und die damit verbundene Vorstellung einer Suprematie gegenüber den anderen Departments war Gegenstand der Kritik der anderen Permanent Secretaries, auch wenn sich im Prinzip alle Befragten einig waren, daß auch weiterhin nur die Treasury die Funktion als zentrales Kontrollorgan der öffentlichen Ausgaben würde erfüllen können. Immerhin mußte die Führung des Schatzamtes erkennen, daß die Position der Treasury innerhalb der Administration nicht mehr wie in den 1930er Jahren selbstverständlich war oder als unabänderlich hingenommen wurde.
182 PRO CAB 87/71 Official Committee on the Machinery of Govemment, M.G.O. Ser. Meetings, 4th meeting, ll.Dezember 1942. Unterstreichungen im Original. (Fergusson, Sir John: Treasury Official seit 1919, Assistant Secretary 1934, Permanent Secr. Ministry of Agriculture and Fisheries 1936-45, Ministry of Fuel and Power 1945-52.) 183 PRO CAB 87171, 6th meeting, 30 Dezember 1942, S. 2 und 4.
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5. Das Weißbuch Employment Policy: Die Entstehung eines ~~unmöglichen Kompromisses"
Die nach wie vor unvereinbar entgegengesetzten Positionen der Economic Section, deren Standpunkt in wichtigen Teilen vom Board of Trade unter dem Vordenker der Labour-Finanzpolitik, Hugh Dalton, unterstützt wurde, und der Treasury in der Frage der Beschäftigungspolitik führten dazu, daß sich die Diskussion im Reconstruction Priorities Committee festfuhr. Anderson versuchte dem durch die Gründung eines kleinen Steering Committee on PostWar Employment mit eng begrenzter zeitlicher Vorgabe abzuhelfen. Die Ausgewogenheit der Positionen stellte das PR-Committee sicher, indem es in der personellen Besetzung eine Dominanz der Treasury zuließ, die "terms of reference" dagegen, durch die explizite Aufforderung zur Untersuchung von Methoden zur Kontrolle von Gesamtkonsum und -nachfrage, die ES favorisierten.'.. Vorsitzender des Steering Committee wurde Hopkins, daneben repräsentierten noch A. Barlow'"" und Eady die Treasury, weitere Mitglieder waren A. Hurst, A. Overton und T. Phillips (Permanent Secretaries des Ministry of Reconstruction, Board of Trade, Ministry of Labour and National Service) und der Direktor der ES, L. Robbins. In einem längeren Memorandum zu Beginn der Diskussion des Steering Committee ging die Treasury vor allem in der Diktion und der theoretischen Anerkenntnis von Positionen der Keynesianer auf die Economic Section zu, steckte aber gleichzeitig auch die äußerste Grenze ab, bis zu der sie bereit war, ihren Opponenten entgegenzukommen. Die Darstellung der ES, nach der Beschäftigungspolitik vor allem eine Sache der Nachfragestabilisierung auf hohem Niveau sein solle, sei "in important aspects out of focus." Für die Economic Section sei die Sache im Prinzip eine Frage der Stabilisierung der Geldeinkommen bzw. der Kaufkraft der Öffentlichkeit. Zwar werde das Problem der strukturellen Arbeitslosigkeit anerkannt, jedoch behauptet, daß die strukturelle Arbeitslosigkeit der Zwischenkriegszeit verstärkt worden sei durch ein Nachfragedefizit Wenn ein Defizit der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage vermieden werden könne, würde auch das Problem der strukturellen Arbeitslosigkeit weniger ernst ausfallen. "The Treasury are disposed to take a different view. Without wishing to minimise the importance of the factor of aggregate demand, they suggest that the factor of structural adjust184 PRO CAB 87/13, PR(43)37, "Proposals for Further Studies, Memorandum by the Lord President of the Council", 7. Juli 1943. '"" Barlow, Sir James: Eintritt Civil Service 1906, Board of Education 1907-16, Principal Assistant Secr. Ministry of Labour 1916-34, Under-Secr.Treasury 1934, Joint Second Secr. 1938-48.
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ment deserves to be regarded as equally important and equally fundamental. [...] There is no question, however, as to the importance of aggregate demand of a high Ievel, and avoiding as far as possible general depressions of trade." Die Diagnose der Economic Section sei, daß Verfahren zur Stabilisierung der Investitionen angewandt werden müßten. Diese Feststellung nennt das Memorandum "overabstract". Die Schwierigkeit sei, das erwünschte Niveau der Investitionen überhaupt festzustellen, da dieses stark fluktuiere. "[...] it would be wrong and dangerous in the Treasury's view to Iook to financial policy as the chief instrument for averting fluctuations in the aggregate national income." Die Politik der Überschüsse in guten und Defizite in schlechten Jahren sei wiederum zu abstrakt; die Vorstellung, dies sei realisierbar, würde die tatsächlichen Umstände, die nach dem Krieg zu erwarten seien - so etwa ein großes Budgetdefizit, das auch einige Jahre nach dem Krieg einen ausgeglichenen Haushalt allein durch die Aufwendungen zur Bedienung der Kreditlast unmöglich machen werde - falsch einschätzen. Auf der anderen Seite sei ein erheblicher Druck der Öffentlichkeit auf eine Reduktion der Steuerlast zu erwarten. "It would be impossible in the Treasury's view to justify any policy which rested on the basis of the indefinite Continuance of unbalanced budgets. The altered conditions of the modern world would serve to increase rather than diminish the importance of budgetary solvency." Ein stetiges Anwachsen der Bevölkerung, das im vergangenen Jahrhundert zu einer konstanten Ausweitung der zu besteuernden Basis geführt habe, sei nicht mehr zu erwarten. Im Gegenteil sei mit einer sinkenden Bevölkerungszahl zu rechnen. "A prolonged failure to balance the budget in time of peace would give rise to distrust which must in the Treasury's view exert serious repercussions on our economic stability, and react adversely on employment. [... ] Apart from this, the time-honoured arguments for reducing debt in times of peace and tranquillity, so as to provide a margin of financial strength for future unforseeable contingencies, have lost nothing of their force. In the Treasury's view accordingly we should aim at raising sufficient revenue not merely to cover current expenditure, but also a Sinking Fund charge." Es sei darüber hinaus zweifelhaft, ob die Politik eines Budgetausgleiches über einen Zeitraum von mehreren Jahren durchführbar sei: "lf the principle of deficit financing were to be applied in an attempt to solve a problern of unemployment which was basically one of structural readjusUnent, and were in fact to prove largely ineffective for this purpose, it must not be supposed that no harm would have been done. Our financial solvency might be seriously jeopardised, with repercussions on our whole economic stability, on the standard of life and ultimately on employment itself.""• ••• "The Maintenance of Employment. Prefatory Note by the Treasury", 13. Oktober 1943 E.C.(43)6, in: PRO CAB 87/63 (Steering) Committee on Post-War Employment
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Mit Ausnahme der höflichen Akzeptanz der theoretischen Bedeutung des "aggregate demand approach" und der zurückbaltenderen Schreibweise (Treasury view statt Treasury View) führte das Schatzamt hier wiederum die Begründungen der traditionellen Haushaltspolitik und der Ablehnung von Budgetdefiziten auf, die bereits in den 1930er Jahren den Treasury View ausgemacht hatten. Nur das Argument der praktischen Schwierigkeiten, die mit öffentlichen Ausgabeprogrammen größeren Ausmaßes verbunden seien, wurde ergänzt um den Zweifel an den Möglichkeiten der Feststellung des zu stabilisierenden Investitionsniveaus und die Betonung der Bedeutung der strukturellen gegenüber der konjunkturellen Arbeitslosigkeit. Der Economic Section mußte offenbar sein, daß die bisherige Diskussion trotz abgemilderter Rhetorik kaum eine Annäherung der gegensätzlichen Positionen gebracht hatte. Vor allem beim Problem des Verhältnisses von struktureller Arbeitslosigkeit und allgemeiner Nachfragestabilisierung schien die Differenz kaum überbrückbar. Je größer "the pressure of monetary demand", desto geringer sei die Notwendigkeit für besondere Maßnahmen zur Beseitigung von struktureller und andere spezifischer Arbeitslosigkeit, äußerte sich die ES. "On the other band, the more vigorously these special measures [lndustrieansiedlung, Labour Transfer, andere mikroökonomische Maßnahmen] are pursued, the more effective the general pressure of monetary demand will be in bringing about full employment without inflation." Der Unterschied zwischen Economic Section und Treasury sei: " ... that we deny tbat measures to deal with purely structural difficulties will in themselves generate additional monetary demand and therefore dispense with the need of taking steps specifically directed towards the maintenance of demand." Auch die ES zeigte sich besorgt über die Probleme, die mit einer Defizitfinanzierung verbunden seien. "But we differ from the Treasury in regarding even the evils of deficit financing as being less serious than the evils of chronic unemployment. W e think it is premature to conclude that a long period of deficit financing will be necessary, but if it should threaten to be necessary we have at least advanced a number of policies to deal with the situation. The Treasury has not apparently examined these Suggestions, but confines itself to pointing out the difficulties. One asks in bewilderment, how does the Treasury imagine that aggregate demand is to be maintained at an adequate Ievel? The only steps toward this and which they have not condemned are measures to influence the foreign balance by manipulating exchange rates or by manipulating import restrictions. Arethese the weapons they mean to use?" 107 Ähnlich argumentierE.C.(43)&(44) Ser. 107 ,,Maintenance of Employment. Comments on Prefatory Note by the Treasury", Memorandum der Economic Section (J.M. Fleming), o.D. (Oktober 1943), in PRO
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te das Board of Trade; auch wenn dort, unter dem Einfluß Daltons, größter Wert auf die Festschreibung von Strukturhilfen wie Industrieansiedlungen und verstärkte staatliche Aufträge für die "Special Areas" (Gebiete mit besonders großen Strukturproblemen und besonders hoher Arbeitslosigkeit) gelegt wurde, hieß es in einem Kommentar zur Haltung der Treasury, daß das Problem der strukturellen Arbeitslosigkeit eng zusammenhänge mit dem aggregierten Nachfrageniveau des ganzen Landes. "The higher the aggregate demand, the greater will be the mobility of labour out of depressed areas and at the same time the more inclined will industrialists be to move to these areas where unemployed labour is still available. In this most important sense, a policy of dealing with structural unemployment is, therefore, not competitive with, but complementary to a policy of maintaining aggregate demand. "'11 Während das Steering Committee mit seinem gedrängten Zeitplan und einer umfassenden Agenda - zu den mit der Beschäftigungspolitik verbundenen Fragen gehörten etwa Industrieansiedlung, restriktive Praktiken, Exportförderung, industrielle Effizienz, Mobilität der Arbeitskräfte, Verbesserung der Ausbildung - im Oktober und November 1943 nahezu jeden Tag zusammenkam, stieg der politische Druck an, zu einer Einigung zu gelangen. Dieser Druck erwuchs vor allem aus der Tätigkeit der Labour-Minister im neuen Reconstruction Committee, in dem die bis dahin durch die Kriegsanstrengungen verdeckten Differenzen der Koalitionspartner immer stärker an die Oberfläche
T.230/67 Economic Advisory Section. Employment Policy in U.K. General. Vgl. auch die Beschwerden in ,,Maintenance of Employment", Note der Economic Section, 18. Oktober 1943, in: PRO CAB 87/13: ,Jn various papers put forward to the Steering Committee the Treasury has rejected a!most all the proposals advanced by the Economic Section ... with a view to stabilising demand at a high Ievel [... ) If this view were to prevail the role of the state in respect of cyclical unemployment would be essentially passive. The state would refrain from aggravating the depression by mistimed campaigns for economy, but could take no positive steps to relieve it. This conclusion seems to us unduly pessimistic." 111 ,,Maintenance of Employment", Memorandum des Board of Trade, 20. Oktober 1943 E.C.(43)12, in PRO T.230172. Committee on Post-War Employment. Memoranda E.C.(43). Barnett: Audit, S. 259, der einen Gegensatz zwischen BoardofTrade und Economic Section in der Bewertung der Notwendigkeit einer allgemeinen Nachfragstabilisierung sehen will, liegt hier falsch: die Front der Ablehner und Befürworter verlief eindeutig zwischen der Treasury einerseits und ES und Board of Trade auf der anderen Seite. Allerdings drängte das Board of Trade daneben auch auf besondere Maßnahmen zur Behebung der Arbeitslosigkeit in den Special Areas, die zu seinem Aufgabenbereich gehörten.
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gerieten.'.. (Das Reconstruction Committee löste das Reconstruction Priorities Committee und das Reconstruction Problems Committee ab, wodurch die Führung der Diskussion über die Reconstruction vom Lord President auf den Minister of Reconstruction, Lord Woolton überging.'.. Darin ist eine gewisse Schwächung des Lord President zu erkennen, nachdem Attlee Anderson in dieser Position im September 1943 abgelöst hatte.) Jedoch auch Churchill sah sich genötigt, dem Druck seiner Ratgeber, vor allem Cherwells, nachzugeben und forderte ihn auf, Memoranden zur Beschäftigungspolitik für das War Cabinet zu erstellen, in denen die Vorbereitung von Public works-Programmen gefordert wurde, die einer Rezession wie nach dem Ersten Weltkrieg entgegenwirken sollten. Nach 6-10 Jahren Vollbeschäftigung im Krieg und kurz danach würde die Bevölkerung eine Rückkehr der Arbeitslosigkeit in alten Größenordnungen nicht mehr akzeptieren. Längerfristig müsse die Regierung deshalb darauf vorbereitet sein, Fluktuationen im Konjunkturzyklus mittels Deficit Finance und kontrazyklischen Investitionen auszugleichen. Regionale Arbeitslosigkeit sollte durch Ansiedlung von Rüstungsfabriken und verstärkte
119 Vgl. Herbert Morrison (Lord Morrison of Lambeth): An Autobiography, London 1960, S. 230: "Churchill was not going to tolerate any possible division within the Conservative Party because of alleged pressure by the Labour Party to prepare schemes of reform to be put into operation when the war was over. Woolton was therefore not the success in bis new post as he bad been as Minister of Food. Constructive planning of a kind which was bound to be politically controversial was almost impossible - an inherent weakness of a coalition." ,.., Vgl. PRO CAB 66/43 War Cabinet Memoranda W.P.(43) Ser. W.P.(43)541, 20. November 1943. Das Reconstruction Committee setzte sich zusammen u.a. aus dem Minister of Reconstruction (Vorsitzender; Woolton, parteilos), dem Schatzkanzler (Anderson, parteilos), dem Lord President (Attlee, Labour), dem Arbeitsminister (Bevin, Labour), dem Präsidenten des Board of Trade (Dalton, Labour) und dem Horne Secretary (Morrison, Labour), so daß die führenden Labour-Minister alle vertreten waren und ein deutliches Übergewicht gegenüber ihren konservativen Kollegen hatten. Vgl. den Entwurf eines Schreibens von Churchill an Attlee: "A solid mass of four Socialist politicians of the highest quality and authority, three of whom are in the War Cabinet, all working together as a team, very much dominates this Committee [... ] I feel very much the domination of these Committees by the force and power of your representatives, when those members who come out of the Conservative quota are largely non-Party or have little political experience or Party views." Nicht abgeschickter Entwurf Churchills, 20. November 1944, in PRO PREM 4/88/1. Paul Addison: The Road from 1945, in: Peter Hennessy/Anthony Seidon (Hg.): Ruling Performance. British Govemments from Attlee to Thatcher, Oxford 1987, S. 5-27, S. 10, spricht in diesem Zusammenhang von "conservatives with a small 'c'."
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öffentliche Investitionen in den "depressed areas" und Umsiedlungsanreize für Betriebe an der Entstehung gehindert werden.••• Eine Einigung im Steering Committee konnte wegen der weiterhin diametral entgegengesetzten Positionen nur auf der Basis eines Minimalkonsenses erreicht werden. Dieser Kompromiß mußte so vorsichtig formuliert werden, daß keine der beiden Seiten sieb als Verliererio sehen würde; ein derartiger Vergleich mußte aber auch bedeuten, daß mit seinem Abschluß die fundamentalen Gegensätze zwischen Keynesianem und Treasury nicht ausgeräumt sein würden. Den ersten Schritt in diese Richtung hatte das Komitee bereits am Anfang der Diskussion getan, indem es sich auf eine äußerst zurückhaltende Zielgröße der zu erreichenden durchschnittlichen Obergrenze für die Arbeitslosigkeit einigte. Es herrschte allgemeine Übereinstimmung, daß nach außen hin das Komitee keine feste Größe angeben sollte, daß aber für interne Zwekke "[... ] the Committee should have in mind that the 8V2% used by Sir William Beveridge as a basis for the social insurance fund should be regarded ... as a maximum figure, non-attainment of wbich in any normal conditions would be very unsatisfactory."'92 (Im Anhang des Beveridge-Reports wurde diese Zahl in einem Rechenbeispiel genannt.) Bei einem Arbeitskräftepotential von ca. 20 Mio. Menschen in Großbritannien (Durchschnitt der Zwischenkriegszeit) hätte eine Quote von 8%% eine Arbeitslosigkeit von 1,75 Mio. bedeutet, eine Zahl, die etwa in den 1920er Jahren nur einmal, 1921, erreicht wurde.'•' Eine weitere Möglichkeit zu Kompromissen boten die unterschiedlieben Herangehensweisen der Keynesianer der Economic Section, denen es vor allem auf Anerkenntnis der theoretischen Fundierung ihres Standpunktes ankam, und der Treasury, deren Interesse sehr viel mehr auf den Erbalt ihres Einflusses in der administrativen Struktur und damit auf praktische, verwaltungstechnische Positionen gerichtet war. So zeigte sich in den Diskussionen des Steering Committees, daß beide Seiten durchaus darum bemüht waren, den Standpunkt des anderen zu verstehen und die eigene Rhetorik dem anzupassen.••• Eine Ausnahme bildete immer noch Henderson, der weiterhin jedes 191 Memoranden des Paymaster General (Lord Cherwell) an das War Cabinet, vom 26. Oktober 1943 und 6. Januar 1944, in PRO PREM 4/96/9. 192 Zweite Sitzung des Steering Committees, 20. Oktober 1943 E.C.(43)2nd meeting, S.1, in PRO T.230171 Committee on Post-War Employment. Minutes of Meetings E.C.(43). 193 Vgl. Eady an D.N. Chester (Economic Section), 13. Oktober 1943: ..[ ... ] by maintaining employment we mean maintaining it on the Beveridge definition, i.e. an average of I V2 million for periods not exceeding six months on the average." In PRO T.16111168/S.52098. ,.. Vgl. z.B. E.C.(43)1lth Meeting, l.Nov.1943, in PRO T.230171.
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Hinnehmen keynesianischer Theorie für einen gefährlichen Irrweg hielt. "Now it is quite true that the currents of abstract ecönomic thought have been flowing in recent years in the direction of sympathy with the doctrines to which Lord Keynes is attached. This enhances the danger that Lord Keynes's confident claim that these doctrines are covered by the mantle of unchallengeable scientific authority may be accepted as valid. It is important, therefore, to emphasize at the outset that this is very far from being true. In the first place the currents flowing in this particular direction are mainly in the stream of abstract economic analysis [...] It may be useful in suggesting generalizations which must be tested by other means. But it can prove nothing; and the suggestions which it throws up, while they may be helpful, may equally be false or misleading, as in this instance I believe they are. Secondly, despite the current trend of fashion, the implication that all reputable economists would accept these doctrines is a grotesque exaggeration ... In my opinion these doctrines are unhistorical, unimaginative, and unscientific." 19' Henderson wurde aber mit seiner strikt ablehnenden Haltung aufgrund der auch im Schatzamt wahrgenommenen und akzeptierten intellektuellen Dominanz der keynesianischen Wirtschaftstheorie allmählich zum Außenseiter und büßte damit seine einst so bedeutende Rolle als Gegengewicht zu Keynes ein. Peden vermutet aus gutem Grund, daß die Treasury in der Lage war, der keynesianischen Analyse zuzustimmen, weil Nachfragesteuerung die Restituierung der Zentralität des Budgets zur Voraussetzung hatte und damit der Treasury als zentrales Kontrollorgan der gesamten Administrationstätigkeit, im Gegensatz zur Unterordnung unter die Produktionsnotwendigkeiten in der Planwirtschaft des Krieges.196 In der Tat ließ sich das Schatzamt bei der Planung der administrativen Voraussetzungen der Beschäftigungspolitik bestätigen, daß "[t]he Treasury was the obvious central department for this general type of administrative Co-ordination. Since the policy in practice will involve the co-ordination (and the control) of many departmental activities, it was suggested that the Treasury should take an early opportunity of making it known to other Departments that it had assumed departmental responsibility for employment policy in general." Im Gegenzug fand sich das Schatzamt
19' "Lord Keynes and Employment Policy" Memorandum Hendersons, l.März 1944, in: Hubert Douglas Henderson: The Inter-War Years and other Papers, hgg. von Henry Clay, London 1955, S. 316-325, S. 316. 196 George C. Peden: Keynes, The Treasury and British Economic Policy, Basingstoke/London 1988, S. 12.
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dazu bereit, die Bedeutung der Economic Section und der CSO für die zukünftige Finanzpolitik zu bestätigen. 197 Im Januar 1944 produzierte das Steering Committee on Post-War Employment einen Bericht, in dem es sich zu einer vorsichtigen keynesianischen Beschäftigungspolitik bekannte, gleichzeitig jedoch betonte, daß zu einer Bekämpfung der regionalen und strukturellen Arbeitslosigkeit auch andere Maßnahmen - wie bessere Ausbildung, größere Mobilität der Arbeiter, Regionalpolitik zur Modernisierung alter Industrien usw. - notwendig seien. "It should not be thought, however, that the maintenance of aggregate demand, unaccompanied by other measures, will suffice to eure all types of unemployment, however caused, or even to absorb all the unemployment which arises in the course of a typical trade depression.[ ... ] aggregate demand is not simply a tap which can be turned on or off, according to the state of trade, and which will provide an infallible remedy for all forms of unemployment. " 191 Neben dem mit vielen Einschränkungen versehenen Bekenntnis zur Stabilisierung des Nachfragevolumens hatte sich die Treasury noch einen zweiten, aus ihrer Sicht bedeutenderen, Punkt abringen lassen, der allerdings relativ gut versteckt ganz am Ende des Reports zu finden ist und der noch vorsichtiger formuliert wurde: "[...] we desire to emphasise our view that the maintenance of Budget equilibrium must be regarded as one of the principal objectives of policy. This does not mean a rigid policy of balancing the Budget each year regardless of the state of trade [...] It is clear that, if the policies recommended in this report are acted upon, a year-to-year balance is not to be looked for. But this does not weaken the need to balance it over a Ionger period." Die behutsame Sprachregelung war nicht zuletzt eine Frage der Autorenschaft der umstrittenen Teile des Reportes, für die nahezu ausschließlich die Treasury, und dort die konservativsten Vertreter, verantwortlich zeichnete: Über "Timing of Capital Expenditure" schrieben B. Gilbert199 und Brittain, über "The Shape of the Budget" Brittain und Eady, über ,,Deficit Financing" Henderson Protokoll einer Sitzung über die administrativen Voraussetzungen zur Umsetzung der Beschäftigungspolitik, Teilnehmer Barlow, Eady, Proctor (Treasury); Bridges, Norman Brook (War Cabinet Offices); Robbins, Meade (Economic Section); Campion (Central Statistical Office), o.D. (Anfang 1944), in PRO T.230170 Employment Policy in V. K. General. 198 "Post-War Employment", Report des Steering Committee on Post-War Employment, 11. Januar 1944, R.(44)6, Paras. 15 und 18, in: PRO CAB 87170 Committee on Post-War Employment E.C.(O) (43) & (44) Ser. (Der Paragraph zur Iokaufnahme von Budgetdefiziten trägt die Nr. 133.) 199 Gilbert, Sir Bernard: Treasury Official 1914, Joint Secretary Horne Finance and Supply Division 1944-56. 197
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und über "Variable Social Security Contributions" Gilbert."'0 Auch wenn ihn der Report an Lord Balfour erinnerte "[...] who, when he was asked if he believed in progress, replied that of course he believed in progress but it should be as slow as possible" war Keynes sich doch sicher: "1 am in generat sympathy with the line taken in this Report and with its recommendations. It is, indeed, an outstanding State Paper whicb, if one casts one's mind back ten years or so, represents a revolution in official opinion." Keynes kritisierte jedoch, daß das Multiplikatorprinzip keine Erwähnung fand, "[t]his section has the air of having been written some years before the rest of the report" (womit er den Autoren dieses Abschnittes, Henderson, meinte) und generell die Einstellung zu Budgetdefiziten. Wenn das Komitee vor Defiziten warne, verstehe es nicht, daß die Politik der Stabilisierung des Sozialproduktes gerade auch eine Stabilisierung des Budgets mit sich bringen würde: "It would be the failure to take such measures which would inevitably unstabilise the budget and weaken confidence. Is it supposed that slumps increase the National wealth?" 201 Henderson kritisierte sein eigenes Werk von entgegengesetzter Warte ungleich schärfer: "This report is in my view far too much under the influence of these [den keynesianischen] doctrines [...] it is a dangeraus exaggeration to suppose that full employment or 'aggregate demand' can be maintained by the instrument of financial profligacy [... ]"202 Gegenüber Eady, seinem immer noch engsten Vertrauten in der Treasury, kommentierte er den Kompromißcharakter des Papiers mit beißendem Sarkasmus: "Suggestion for a shorter version of the Committee's Report. Mix 1 tsp. of financial profligacy with 3 tbsps. of laissez-faire. Dilute liberally with verbal water and add wishful thinking according to taste. This prescription is to be taken in the long run. The long run must not be confused with any period, however long, that is likely to occur. Actual long periods are made up of short runs, each of which reflects on its successor in ways that are convenient to ignore. The long run is more consonant with economic theory, also with the climate of opinion, i.e. the desire to live happily ever after with one's head in the sand."20' Während Henderson das Kompromißpapier in Bausch und Bogen verdammte, war Hopkins bei den Diskussionen im Reconstruction Committee und im Kriegskabinett um ein Beschäftigungsweißbuch (als dessen Grundlage der 200 Eady (Zirkular), 1. Juni 1943, in PRO T.161/1412/S.51313/0l Committee on Post-War Employment. Discussion leading up to .,Steering Committee Report". 201 ..Post-War Employment, Note by Lord Keynes on the Report of the Steering Committee", 14. Februar 1944, in PRO T.l6111412/S.51313/0l. 202 .,Lord Keynes and Employment Policy" Memorandum von Henderson, l .März 1944, in: Henderson, S. 316-325, S. 317. 203 Henderson an Eady, 13. Dezember 1943, in PRO T.16111168/S.52098.
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Report dienen sollte) bemüht, möglichst viel von dem, was die Treasury hatte zugestehen müssen, zurücknehmen bzw. weiter qualifizieren zu lassen.204 Es gibt gute Gründe dafür, anzunehmen, daß Hopkins in Verfolgung dieser Taktik verhinderte, daß Keynes an der Diskussion um das entstehende Weißbuch und am Erstellen von Entwürfen teilnahm. In einem Interview, das A. Booth mit James Meade führte, erinnerte sich dieser an die Worte Keynes' während der Zeit der Bearbeitung der verschiedenen Entwürfe für das Weißbuch: "'You know James, they are keeping me out of this.' In Professor Meade' s opinion, the Treasury bad not forgotten the grilling which Keynes bad delivered to Hopkins before the Macmillan Committee. In 1944, Hopkins was the Permanent Secretary of a Treasury which was being forced to accept in the White Paper most of the points put to it by Keynes in 1930-1. The Treasury was willing to accept the criticisms, but it did not want Keynes to write the script."20' Auch Dalton vermutete eine ,,high-powered intrigue" gegen Keynes' Einfluß am Werk.'0' Dalton breitet in seinen Tagebüchern eine lebendige Schilderung des Ringens um den endgültigen Text des Weißbuches aus207 ; die Teilnehmer der Diskussionen des Reconstruction Committees mußten sich demnach durch ein Gemenge aus äußerster Sensibilität der Öffentlichkeit gegenüber Fragen der Reconstruction, wieder aufflammender gegenseitiger ideologischer (und zwischenmenschlicher) Antipathie sogar innerhalb der politischen Lager, parteipolitischer Taktik, dem Druck der Treasury, physischer Erschöpfung und persönlicher Eitelkeit kämpfen, weswegen die Beratungen sich über drei Monate hinzogen. Zusätzlich sahen sich die Mitglieder in zeitliche Bedrängnis gesetzt, da Beveridge für die Mitte des Jahres die Ergebnisse seiner privaten Untersuchung zur Beschäftigungspolitik angekündigt hatte und die Minister eingedenk des Eindrucks und der Popularität des Beveridge-Reports in der Öffentlichkeit dieser Publikation unter allen Umständen mit dem Report der Regierung zuvorkommen wollten. Am 8. Mai, kurz vor dem Abschluß der Vgl. George C. Peden: Sir Richard Hopkins and the "Keynesian Revolution" in Employment Policy, 1929-1945, in: Ec.Hist.Rev., 2nd ser., 36 (1983), S. 281 -296, S. 29lff. 20 ' Booth: Keynesian Revolution, S. 114. 206 Ben Pim1ott (Hg.): The Second World War Diary of Hugh Dalton 1940-45, London 1986, Eintrag Sa. 13. Nov 1943, S. 670. 207 Dalton war der einzige an der Reconstruction-Debatte beteiligte Spitzenpolitiker, der im Il. Weltkrieg Tagebuch führte, was die Aufzeichnungen zu einem besonders wichtigen Dokument für die Stimmung, die unterschiedlichen Fronten und den Verlauf der Diskussion macht, die aus den offiziellen Dokumenten nicht zu erkennen sind. 204
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Diskussionen im Reconstruction Committee, vermerkte Dalton: "This afternoon we have another go at the Draft White Paper on Full Employment in Woolton's Reconstruction Committee. The bit on Location of lndustry comes through pretty weil unscathed [der Teil, den Dalton im wesentlichen verfaßt hatte]. The bit about stabilising purchasing power and not botherlog too much about balancing the Budget has been toned down a good deal under the pressure of the Treasury. This passage 'now reads like an antiphon by Keynes and Eady', as Cherwell says. I ask Hopkins whether he does not think this is a step back from the Steering Committee' s Report. He says he thinks not, but this is for the general public, whereas the Steering Committee's Report was for a narrow circle of ministers and officials. "208 Hopkins formulierte den notwendigen Unterschied in der Taktik des Schatzamtes in den Verhandlungen des Steering Committee und des ministeriellen Reconstruction Committee (als Reaktion auf den Druck der Kabinetts, in das White Paper als eine Maßnahme zur Steuerung des Konsumlevels auch das Steuerniveau aufzunehmen, was die Treasury im Steering Committee und dessen Report abgelehnt hatte): Im Steering Committee sei es gelungen, derartige Vorschläge mit dem Verweis auf praktische Schwierigkeiten und mit der Hilfe des Board of Inland Revenue abzuwehren. "In a perfect world we ought to continue to condemn them now, but the real problern is how to satisfy a body of Ministers who have not time to study the whole implications of those very difficult questions, and also to satisfy a public opinion which is even less informed, by references which will have no il1 effects as regards budgetary stability and are unlike to be embarrassing to future Govemments, who will probably not actually adopt any kind of this thing. " 209 Das am 19. Mai 1944 im Kabinett abgesegnete Weißbuch ,,Employment Policy"210 basiert auf den Prinzipien des Reportes des Steering Committees, ist aber in seiner Anerkenntnis einer keynesianischen Beschäftigungspolitik noch zurückhaltender formuliert. Zwar heißt es, daß die Regierung nicht mehr grundsätzlich am Prinzip des jährlichen Budgetausgleiches festhalten wolle (Paragraph 77), jedoch wird dieses Zugeständnis sogleich erheblich abgeschwächt: "[... ] in Controlling the situation, especially in the difficult years Pimlott (Hg.): Dalton, War Diary, Eintrag vom Mo., 8. Mai 1944, S. 741. Memorandum Hopkins, 10. Mai 1944, in: PRO T.16111168/S.52099/01 General Papers leading up to: White Paper on Employment Policy, Cmd. 6527. 210 Employment Policy, (1944) Cmd. 6527. Zur Kritik am Weißbuch als "worst of both economic worlds [orthodoxer und expansionistischer Finanzpolitik), a system with little capacity to cushion economic down-swings and with little incentive to economize in order to achieve other policy goals on the upswings" siehe Douglas E. Ashford: The Emergence of the Welfare States, Oxford 1986, S. 280. 208 209
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after the war, the Government will have equally in mind the need to maintain the national income, and the need for a budgetary equilibrium such as will maintain the confidence in the future whicb is necessary for a bealtby and enterprising industry." (Para.79) Was allerdings zuerst auffiel und im Gedächtnis blieb und seitdem immer wieder als Zeichen des Durchbruches der "Keynesianischen Revolution" zitiert wird, war der einleitende Satz des White Papers: "Tbe Government accepts as one of their primary aims and responsibilities the maintenance of a high and stable Ievel of employment after the war." 6. Die Übernahme der Verantwortung für den Beschäftigungsgrad durch den Staat: Reaktionen von Parteien, Verbänden, den Reformgruppen und der Öffentlichkeit
Es war Bevin - der den größten Druck hin zu einer Festlegung der Regierung auf eine Politik der Vollbeschäftigung mittels Nachfragestabilisierung und Industriepolitik ausgeübt hatte -, der dem Unterbaus das Weißbuch vorstellte (21. Juni 1944). Von Seiten des Tory Reform Committee wurde es enthusiastisch, von der konservativen Parteirechten bestenfalls lauwarm, von Labour jedoch zum großen Teil mit offener Ablehnung empfangen. Aneurin Bevan gab den Ton der nach links tendierenden Stimmung Labours vor: der Kapitalismus sei untrennbar mit Arbeitslosigkeit verbunden. Das Weißbuch versuche, diesen Zusammenhang aufzulösen, was einer Diskreditierung der sozialistischen Vorstellungen gleichkomme. "If a progressive society and an expanding standard of life can be achieved by this document and unemployment can be avoided, then there is no justification for public ownership and there is no argument for it. Nobody believes in public ownership for its own sake."2 " An der Reaktion der Labour-MPs zeigte sieb ein Dilemma der sozialistischen finanzpolitischen Vorstellungen, das nach Labours Regierungsantritt dazu führte, daß eine kohärente Strategie in diesem Bereich lange Zeit nicht entwickelt werden konnte: Einerseits beharrte die Partei in ihrer Mehrheit auf einer möglichst weitgehenden Verstaatlichung und auf planwirtschaftliehen Maßnahmen als den traditionellen Zielen einer sozialistischen Wirtschaftspolitik zur Ablösung des unsozialen und ineffizienten kapitalistischen Systems. Andererseits waren die wirtschaftswissenschaftlichen Experten Labours bereits in den 1930er Jahren zu Plänen keynesianischer Wirtschaftslenkung durch Nachfragesteuerung übergegangen, in denen Verstaatlichungen nur noch eine Nebenrolle spielten und ein Nebeneinander privatkapitalistischer und staatlicher Wirtschaftsbereiche (,,mixed economy") als die 211
HoC Deb. 401, 21. Juni 1944, col. 527.
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beste Lösung erachtet wurde. Dalton, der mit dem um sich versammelten Kreis jüngerer Ökonomen die wirtschaftspolitische Ideenschmiede der Partei bildete, bezeichnete das Labour-Papier zur Vollbeschäftigung, ,,Full Employment and Financial Policy"21\ für dessen Entstehung er verantwortlich war, als "largely Keynesian ... But there were some socialist additions".213 Etwa zwei Monate (17. April) vor der vehementen Verteidigung sozialistischer Grundsätze in der Debatte um das Weißbuch hatte das Policy Committee der National Executive der Arbeiterpartei demnach der Planung für eine keynesianische Finanzpolitik mit nur "einigen sozialistischen Zusätzen" zugestimmt."' Überraschenderweise nahmen im Gegensatz zur Parliamentary Labour Party die Unternehmer- bzw. Arbeitgeberverbände das Weißbuch eher positiv an,"' was auf eine gewisse Gewöhnung an staatliche Interventionen im Krieg hindeutet, während die Öffentlichkeit, anders als beim Beveridge-Report, nach Berichten der Horne Intelligence weitgehend kalt gelassen wurde."• Ähnlich erging es dem privaten Report Beveridges ,,Full Employment in a Free Society"'", dessen Ankündigung in Regierung und Verwaltung so große Sorge und Zeitdruck ausgelöst hatte. Dieses Werk zeigt. wie beträchtlich mittlerweile die Spannweite keynesianischer Vorstellungen geworden war. Beveridges Labour Party: Full Employment and Financial Policy, London 1944. Dalton: Fateful Years, S. 422. (Hervorhebung des Verfassers). 214 Vgl. dazu im Abschnitt C. dieser Arbeit Kapitell. 2. 215 Vgl. dazu Middlemas: Power, S. 93 und Stephen Blank: Government and lndustry in Britain. The Federation of British Industries in Politics, 1945-65, Westmead/Farnsborough 1973. S. 36. Der Einstellungwechsel hin zu einer positiveren Sicht staatlicher Interventionen in das Wirtschaftsgeschehen hatte sich bereits vorher in den Äußerungen der Industrieverbände abgezeichnet; 1942 war das einstige Mißtrauen der Einsicht in die Notwendigkeit durchgreifender Wirtschaftspolitik gewichen. Vgl. Federation of British lndustries: Reconstruction: A Report by the Federation of British lndustries, London 1942. 216 Nach Addison: Road. S. 247. 217 William H. Beveridge: Full Employment in a Free Society, London 1944. Ebenfalls 1944 erschien The Economics of Full Employment. Six Studies in Applied Economics prepared At the Oxford University Institute of Statistics, Oxford 1944, ein Report der Oxford-Wirtschaftswissenschaftler, der in etwa auf den gleichen Prinzipien wie die anderen Reports des Jahres auch basierte, mit etwas stärkerer Umverteilungstendenz und Forderungen nach relativ umfassenden staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft. Die Stellungnahmen so vieler und so gewichtiger Gruppen und ihr gemeinsames Bekenntnis zur keynesianischen Wirtschaftslenkung zeigen, daß 1944 im universitären-intellektuellen Bereich die Keynesianische Revolution sich durchgesetzt hatte. 212 213
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B. Die zweite Herausforderung: Kriegsfinanzierung und Reconstruction
Vorschläge, die er in Zusammenarbeit mit einer Gruppe linkskeynesianischer Ökonomen (Frank Pakenham, Barbara Wootton, Joan Robinson, E.F. Schumacher, Niebolas Kaldor) erarbeitet hatte, waren sehr viel weniger vom Whitehall-Kompromiß geprägt, als die des Weißbuches.211 Beveridge sprach sich entschiedener für die Anwendung von Defizitfinanzierung aus; darüber hinaus wollte er die Schaffung eines National Investment Board zur Kontrolle und Stabilisierung privater Investitionen, da er der Überzeugung war, daß staatliche Ausgaben nur in geringem Maße zyklische Konjunkturschwankungen würden ausgleichen können. (Gerade in der Frage der Notwendigkeit der Lenkung privater Investitionen sah sich Beveridge viel enger mit Keynes verbunden als das Regierungsweißbuch, womit er auf entsprechende Passagen aus der General Theory anspielte2 ' 9 ). Zudem sah sein Report die Notwendigkeit einer langen (bis zu 20 Jahren andauernden) Übergangsperiode nach dem Krieg voraus, in der der Staat durch großangelegte Eingriffe für eine Modernisierung der Wirtschaft sorgen sollte. Anders als das Weißbuch nannte ,,Full Employment in a Free Society" auch eine Zielgröße der Arbeitslosigkeit, die bei einer Quote von 3% liegen sollte. Während Meade den generellen Tenor der Beveridge-Schrift begrüßte: "In any comparison between Sir William Beveridge's book and the Govemment White Paper on Employment Policy the most striking feature is the great similarity in the general treatment of the problern in the two documents. In both cases the analysis of the problern and the policy suggested for the solution are essentially the same. Indeed, it may now be safely assumed that the principles of post-war employment policy are generally agreed among economists, political parties, offleials and the general public", hielt er die Angabe einer derart geringen Zielgröße für einen riskanten Überoptimismus, die sogar die Anerkennung des allgemeinen Prinzips in der Öffentlichkeit gefährden könne.22° Keynes hingegen nahm die Zahl zustimmend auf, auch wenn er eher mit einer tatsächlichen Quote von über 5% rechnete.n• Anläßlich Vgl. Booth: British, S. 116. W.H. Beveridge: The Government's Employment Policy, in: The Economic Journal, Volume 54 No. 214, Juni/September 1944, S. 161-176, S. 172. n o Memorandum Meade, 1. Dezember 1944, in PRO T 230/69 Economic Advisory Section. Employment Policy in U.K. General. Allerdings täuschte Meade sich, wie die Entwicklung nach 1945 zeigen sollte, in seinem Optimismus betreffend die allgemeine und unwidersprochene Anerkennung keynesianischer Prinzipien, insbesondere was Politik und Verwaltung anging. 221 Vgl. einen Brief Keynes' an Beveridge, 16. Dezember 1944, in: JMK XXVII, S. 380: ,,No harm in aiming at 3 per cent unemployment, but I shall be surprised if we succeed." 211 219
II. Reconstruction
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der sechsten Sitzung der National Debt Enquiry im April 1945, einer Untersuchung über den Umgang mit der öffentlichen Schuld und die zukünftige Zinspolitik, meldete Hopkins noch einmal Zweifel an, ob eine Politik der Vollbeschäftigung, wie im Weißbuch - das er fälschlicherweise ,,Full Employment" nennt, ein Lapsus, der zeigt, wie sehr in der Diskussion die niedrige Beveridge-Zielgröße bereits zum Normalfall geworden war - propagiert, aufgrund der außenwirtschaftliehen Lage überhaupt durchzuführen sei; schließlich sei bei einer Ausweitung der staatlieben Ausgaben zur Stabilisierung der Nachfrage auch mit erhöhten Importen, steigenden Preisen und einer Negativierung der Handelsbilanz zu rechnen. Zwar sei eine Abwertung als Gegenmaßnahme möglich, diese könne jedoch nur kurzfristig wirksam sein und wäre mit internationalen Schwierigkeiten verbunden (womit er prophetisch die Probleme des Jahres 1949 vorwegnahm, als die Verzögerung einer Abwertung des Pfundes gegenüber dem Dollar die ohnehin angespannte Devisenreservesituation nach 1947 erneut in die Krise zu führen drohte). ,,Lord Keynes suggested that the remedy might be to allow for rather greater fluctuations in unemployment than Sir W. Beveridge bad envisaged. Professor Robbins observed that it would be very difficult for this country to carry out a full employment policy, unless other countries did the same. "222 (lronischerweise lag die reale Arbeitslosenquote in Großbritannien bis in die 1970er Jahre binein sogar noch deutlich unter Beveridges optimistischen 3%). Die Diskussion um die Zielgrößen einer Beschäftigungspolitik weist auf die Verschiedenartigkeit der Richtungen hin, in die sich die Keynesianer mittlerweile gegen Kriegsende unterteilten223 (die sich allerdings teilweise überschnitten): Relativ optimistisch gegenüber den innerbritischen Anwendungsmöglichkeiten, jedoch skeptisch in bezug auf die außenwirtschaftliehen Einflüsse zeigte sich die ideologisch der Economic Section nahestehende, ökonomisch profiHerteste Gruppe um Keynes selbst, mit Meade und Robbins. Nach dem Ende des europäischen Krieges meinte Keynes zur Problematik der Außenwirtschaft: "1 expect that both of our countfies [gemeint sind Großbritannien und Australien] incline to underestimate the difficulty of stabilising incomes where exports play solarge apart." Zudem sah er mit der Vernachlässigung des Problems der Lohnentwicklung eine Gefahr über der Vollbeschäftigungspolitik schweben, der sich niemand so recht zuzuwenden traue.224 Die222 Protokoll der 6. Sitzung der NDE (10. April 1945), S. 3, in PRO T.233/158 National Debt Enquiry. 1945. Minutesand Reports. 221 Vgl. zur Spannweite keynesianischer Vorstellungen: Kerry Schott: The rise of Keynesian economics in Britain 1940-64, in: Economy and Society, 11(1982), S. 292316, s. 294. 224 Keynes an S.G. Macfar1ane, 5. Juni 1945, in: JMK XXVII, S. 385.
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B. Die zweite Herausforderung: Kriegsfinanzierung und Reconstruction
ser Richtung standen auch die Labour-Ökonomen wie Douglas Jay und Hugh Gaitskell nahe, die in den Kriegsjahren im Umfeld Daltons im Ministerium für wirtschaftliche Kriegführung und im Board of Trade Dienst getan hatten. Eine Synthese aus keynesianischem Demand management und starken planwirtschaftlichen Interventionselementen versuchten die Beveridge-Keynesianer zu finden, die eine erhebliche Umgestaltungen der wirtschaftlichen wie der staatlichen Strukturen für notwendig erachteten, um auch gegen den außenwirtschaftliehen Druck Vollbeschäftigung garantieren zu können. In der Treasury schließlich begann eine dritte Richtung zu dominieren, die wesentliche Bestandteile der keynesianischen Theorie zu akzeptieren bereit war, die praktischen Möglichkeiten aufgrund der existierenden Schwierigkeiten aber nur sehr gering einschätzte und vor allem danach beurteilte, ob sie die eigene Position innerhalb der Administration stützten. 7. Kriegsfinanzierung und Reconstruction - Ergebnisse Die Analyse des keynesianischen Einflusses auf die Finanzpolitik des Krieges und die Entwicklung der Reconstruction-Debatte ergibt ein zweigeteiltes Bild. Keynes (und mit ihm die Keynesianer etwa der Economic Section und des Central Statistkai Office) gewann im Zweiten Weltkrieg immensen persönlichen Einfluß auf die Finanzpolitik, sowohl im Binnen- als auch im Außenbereich. Dieser Einfluß war in hohem Maße abhängig von Keynes' Person und seinem Ruf als meistgeachteter Ökonom der Zeit und ausgewiesener Experte der Kriegsfinanzierung im Ersten Weltkrieg: Durch seine Publizistik, auch die polemischen Angriffe auf Kollegen und Politiker, aber sicher auch durch seine Lebensweise, hatte er sich einen Ruf erworben, der ihn von den Kollegen seiner Zunft weit abhob (es ist kaum vorstellbar, daß das Unterhaus einen wesentlichen Teil seiner Budgetdebatte dem Kriegsfinanzierungsplan eines anderen Ökonomen gewidmet hätte, so wie es im Frühjahr 1941 mit How to Pay for the War geschah). Die von ihm beeinflußten Ökonomen und Politiker rückten zudem bei Kriegsbeginn in größerer Zahl in die Führungsstellen der Wirtschaftspolitik ein (mit Ausnahme der Treasury) und begannen dort, die Bastionen der klassischen Theorie zu überwinden. Auch in der medialen Öffentlichkeit wußte er, so unterschiedliche Richtungen wie die des liberalen Guardian und der konservativen Times zur Unterstützung seiner Vorstellungen zu mobilisieren. Eine Stellung, die seinen Einfluß mit der zugehörigen Verantwortung versehen hätte, so wie der Schatzkanzler dem Kabinett und dem Parlament und ein Civil Servant dem Staat gegenüber verantwortlich sind, hatte er jedoch in diesen Jahren nicht inne. Diese Verbindung von Einflußnahme und fehlender institutioneller Bindung ist ein auffälliges Merkmal der Position, in der Keynes sich im Krieg befand. Keynes konnte diese hervor-
li. Reconstruction
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ragende Sonderstellung zur Umsetzung vieler seiner Forderungen zur Neugestaltung der Finanzpolitik nutzen. Allerdings konnte sich der keynesianische Einfluß im wesentlichen nur bei finanzpolitischen Maßnahmen technischer Art, durch die etwa die Besteuerung umfassender gestaltet, die Unterdrückung der Inflationsrate effektiver durchgeführt oder die Planungsnotwendigkeiten schneller erkennbar werden sollten, durchsetzen. Verwehrt blieb Keynes jedoch die Verwirklichung dessen, was er theoretisch als ein umfassendes System entwickelt hatte. Dabei spielte es weniger eine Rolle, daß Deferred Pay nur rudimentär in die Tat umgesetzt wurde. Wichtiger ist, daß Keynes die Wirtschaftspolitik als einen Gesamtplan ("grand design") verstand, dessen Umsetzung der Politik auch für die Nachkriegszeit eine andere Richtung geben sollte. Er plante die Umverteilung von Vermögen nach dem Krieg mittels einer Kapitalsteuer, die Weiterführung der staatlichen Kontrolle der Finanzen, die Verwendung der Einkommensteuer als Mittel der gerechteren Einkommensverteilung. Die Keynesianer wollten die Finanzpolitik im Krieg dazu nutzen, für die Friedenszeit die Voraussetzungen dafür zu schaffen, die Verbindung von Finanzpolitik und Wirtschaftspolitik durch die Steuerung der Gesamtnachfrage mittels staatlicher Budgets weiterführen zu können. Aus dem Gesamtpaket wurde in der Zeit der konservativen Führung des Schatzamtes dann gleichwohl nur das verwendet, was die Kriegsmaschinerie glatter laufen ließ; eine Veränderung der Nachkriegspolitik blieb bewußt in Ankündigungen verfangen. Weder das Budget von 1941 noch das Weißbuch von 1944 bedeuteten eine "unconditional surrender"225 der Treasury gegenüber der keynesianischen Analyse, auch wenn diese mehr und mehr, Stück für Stück, übernommen wurde. Wann immer die Treasury sich mit andersgearteten finanzpolitischen Vorstellungen auseinandersetzen mußte, versuchte sie, diesen mit denselben Argumenten zu begegnen, die sie bereits in den 1930er Jahren mit Erfolg angewandt hatte. Allerdings war der Druck auf das Schatzamt im 2. Weltkrieg wesentlich stärker als in der Zwischenkriegszeit Das lag zum einen an den Veränderungen in der öffentlichen Meinung und an der Rücksicht, die die Regierung darauf zu nehmen bereit war. Die linksliberale Intelligenzia stieß mit der großangelegten Propagierung von Plänen für eine gerechtere Gesellschaft als Belohnung für den Kriegseinsatz und als Abkehr von den Verwerfungen der 30er Jahre, die nicht zuletzt durch die Verbindung mit der Appeasement-Politik als ein verlorenes Jahrzehnt gesehen wurden, in eine Lücke, die der Burgfrieden der Parteien öffnete, und erlangte damit eine so bedeuten225
Ciarke: Keynesian Revolution, S. 322.
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B. Die zweite Herausforderung: Kriegsfinanzierung und Reconstruction
de Öffentlichkeitswirksamkeit. daß die politische Blockade aus der Regierungszeit des National Government aufgebrochen wurde. Die liberalen Reformer mit den Galionsfiguren Beveridge und Keynes gaben den Ton der Debatte an und die Regierung meinte kaum anders reagieren zu können, um die Kriegsbemühungen der Bevölkerung nicht zu gefahrden, als sieb die Reconstruction-Forderungen zu eigen zu machen, auch wenn ihre führenden Vertreter dies anfangs (Cburcbill bis zum Schluß) zu verbindem versuchten. Vor dem Hintergrund eines allgemeinen Linksschwenks der öffentlichen Meinung gewann die Debatte eine Eigendynamik, die Regierung und Verwaltung (im Falle des Beveridge-Reportes nachgerade hilflos) nur mehr auf äußere Impulse reagieren ließen; eine politische Führung ist in der Reconstruction-Diskussion nicht zu erkennen. Zum anderen aber konnten die Kritiker der Schatzamts-Orthodoxie sehr viel größere Wirksamkeit erreichen, weil ihnen die Möglichkeit geboten wurde, die Treasury von innerhalb der Administration anzugreifen. Daß allerdings die Treasury sogar unter diesen Umständen, noch verstärkt durch die eigene Schwäche in der planwirtschaftlicben, produktionsorientierten Wirtschaftspolitik im Krieg, gegen alle Fronten einen so zähen Widerstand leisten konnte und letztlich kaum mehr zu akzeptieren gezwungen war, als ihren traditionellen Zielen zugute kam, beweist die Kraft und Haltbarkeit der bestehenden administrativen Struktur gegenüber Innovationsbestrebungen. Die Economic Section, Hort der Keynesianer in Whiteball, mußte sieb, um ihre Existenz auch für die Zeit nach dem Krieg zu sichern, mit ihren Gegnern in der Treasury arrangieren. Nach mehr als 15 Jahren schärfster Auseinandersetzung war es der Treasury zudem in hohem Maße gelungen, sich den politischen Keynesianismus soweit zurecht zu schneiden, daß sie ihn sich einverleiben konnte, ohne von ihrer ursprünglichen Position weit abrücken zu müssen. Die flexible Strategie des Treasury View hatte sich durchgesetzt.
C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945 und der gescheiterte Versuch einer sozialistischen Planwirtschaft I. Vorbereitung auf das Kriegsende und die Regierungsübernahme durch Labour: Politische und ideologische Situation 1945 Der Krieg und die Debatte um die Reconstruction zogen fundamentale Veränderungen der öffentlichen Meinung in Großbritannien nach sich. Das Prestige der Sozialreformer und ihrer optimistischen Zukunftsentwürfe, wie auch der Glaube an die Beispiele scheinbarer Erfolge interventionistischer Wirtschaftsmodelle bei den Alliierten - Roosevelts New Deal und die Planwirtschaft der Sowjetunion -, verbunden mit dem Stolz auf die eigene Leisrungsfähigkeit im Krieg, der von Churchill wortmächtig gefördert wurde, begünstigten die Überzeugung, auch im Frieden mit einer gemeinsamen Planungsanstrengung die Feinde Armut und Ungleichheit besiegen werden zu können, ebenso wie man Nazideutschland niedergerungen hatte. Die Organisation des Kriegseinsatzes habe gezeigt, diese Zuversicht herrschte in weiten Teilen der Bevölkerung, daß nach dem Sieg auch eine bessere Gesellschaft ,,machbar" sein würde, von wenigen warnenden Stimmen abgesehen, die bemerkten, daß keines der strukturellen ökonomischen Probleme, mit denen das Land in der Zwischenkriegszeit hatte kämpfen müssen, wirklich hatte gelöst werden können, sondern sie durch den Krieg nur verdeckt worden waren.' J.L. Hodson, ein Journalist, dessen Berichte über die Stimmung der Bevölkerung ein anschauliches Bild des Alltags während der Kriegszeit geben, schreibt von einem Gespräch, das er im September 1944 mit einem "young 1 "[ • •• ] the planning enthusiasm of the 1930s and 1940s represented the fusion of still vital forces of optimism and social idealism with the scientific and technocratic spirit of the twentieth century. Characterised by its faith in 'experts' and a certain high-mindedness, 'planning' offered an attractive vogue word for a host of widely differing objectives and impulses. As post-war critics of both social and economic policy were to indicate, strategic planning with clear long-term goals and the machinery to implement them was rarely tobe found." John Stevenson: Planners' moon? The Second World War and the planning movement, in: Harold Smith (Hg.), S. 58-77, S. 75.
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
Radical friend" führte: Dieser sagte "[w]e've shown in this warthat we British don't always muddle through: we've shown we can organize superbly Iook at these invasions of the Continent which have gone like clockwork; Iook at the harbours we've built on those beaches. No excuse any more for unemployment and slums and underfeeding. Using even half the vision and energy and invention and pulling together we've done in this war, and what is there we cannot do? We've virtually exploded the arguments of old fogies and Better-Notters who said we can't afford this and mustn't do that. [ ...] We've given coal-miners a minimum of five pounds a week; we've opened up shipyards that bad been derelict; we've made wastelands fruitful, and cultivated millions of acres that lay idle. " 2 Während sich der Glaube an die Möglichkeiten sozialer Reformen und die Mißbilligung der Verhältnisse der 1930er Jahre anfanglieh in einer allgemeinen Ablehnung der Parteien ausdrückte und in einer Hinwendung zu den liberalen, technokratischen Verkündern des "New Jerusalem", gelang es Labour im Verlauf des Krieges mit dem Wiederaufflammen des Parteienstreites, diese Stimmung in einen umfassenden Linksschwenk umzusetzen und gezielt den Konservativen die Verantwortung für die Nöte der "alten Welt" und das politische (auch außenpolitische) Versagen zuzuweisen.' Von diesem Stimmungsumschwung profitierte Labour in so großem (und für die Partei unerwarteten) Maße, daß es im Sommer 1945, nach dem Kriegsende in Europa (VE-Day), in einem erdrutschartigen Wahlsieg die Konservativen unter dem aufgrund seines persönlichen Ansehens nahezu unangreifbaren Premier Churchill überlegen von der Regierungsbank verdrängen konnte. Die Bevölkerung erwartete von Labour, daß es eher als die Tories bereit sein würde, die Versprechen eines Sozialstaates, der Gesundheitsreform und der Vollbeschäftigung einzulösen.• Der große Erwartungsdruck, der damit auf der Attlee-Regierung ruhte, mußte sich - angesichts einer Realität, die die britische Wirtschaft am Boden sah - in dem Moment als Behinderung entpuppen, wenn es wirtschaftspolitisch notwendig werden sollte, der Bevölkerung zusätzliche Restriktionen über den im Krieg ohnehin geleisteten Verzicht hinaus abzuverlangen.
J.L. Hodson: The Sea and the Land. Diaries, London 1945, S. 238. Vgl. Jürgen C. Heß: Zwischen Revolution und Reform. Möglichkeiten und Grenzen der Reformpolitik der Regierung Attlee (1945-1951), in: VfZG 4 (1985), S. 559589, S. 562. • Vgl. Henry Pelling.: The 1945 General Election Reconsidered, in: The Historical Journal23 (1980), S. 399-414. 2
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I. Vorbereitungen auf das Kriegsende und die Regierungsübernahme
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1. Die Vorbereitungen der Ministerien auf das Kriegsende
Mit der Veröffentlichung des Weißbuches zur Beschäftigungspolitik 1944 die den von Beveridge (ein wenig abfällig) sogenannten "White Paper chase" beendete, in dem eine ganze Reihe von wichtigen Dokumenten zur Sozialpolitik nach Kriegsende entstanden waren - schien grundsätzlich geklärt zu sein, welcher generelle Trend der Nachkriegspolitik als Produkt der Reconstruction-Debatte zu erwarten war: alle Parteien hatten sich, mehr oder weniger freiwillig, auf einen bestimmten Konsens verpflichtet. der aus sozialer Sicherheit. dem Aufbau eines nationalen Gesundheitssystems, der Modernisierung von Erziehung und Ausbildung und der Aufrechterhaltung eines hohen Grades an Beschäftigung bestand. Weniger eindeutig war geklärt, welche Art der Politik zur Verwirklichung dieser Ziele führen würde und wer die ausführenden Organe dieser Politik sein sollten. Für bestimmte Aufgaben der Nachkriegspolitik schien die Verteilung auf der Hand zu liegen - so war damit zu rechnen, daß die Treasury auch weiterhin für das Management der Außenfinanzen zuständig bleiben würde; in den 1930er Jahren hatte sich das Schatzamt in diesem Politikfeld als Nachfolgerio der Bank of England eine hohe Reputation und Kompetenz erarbeitet. in die keine andere Institution würde einrücken können, solange die Grundmuster der Außenwirtschaftspolitik bestehen blieben (d.h. finanzielle Gesichtspunkte ihre Bedeutung behielten und nicht auf eine abgeschlossene Empire-Tauschwirtschaft oder ähnliches ausgewichen würde und solange die Rückkehr zu einem weitgehend unregulierten System freier Wechselkurse und unkontrollierten Devisenhandels nicht realistisch war). Ebenso war allerdings im Bereich der Außenwirtschaftspolitik zu erkennen, daß eine der Kriegsfolgen für Großbritannien eine außergewöhnliche Schwäche und Anfälligkeit der finanziellen Position insbesondere gegenüber den Gläubigern aus der Sterling-Zone und den USA sein würde. Eine realistische Bestandsaufnahme der eigenen wirtschaftlichen Möglichkeiten gegen Kriegsende mußte darüber hinaus ergeben, daß bei einer Einlösung der hehren Versprechen der Atlantic Charter über eine Welt des Freihandels Großbritannien aufgrund der finanziellen Schwäche auch realwirtschaftlich harten Zeiten entgegenging, die so gar nicht einem "New Jerusalem" ähneln würden. Wenngleich die wirkliche Macht in diesem Fall auf der anderen Seite des Atlantiks lag, wie die Amerikaner den Briten recht brutal anläßlich jeder bilateralen Wirtschaftskonferenz deutlich machten', mußte doch auch in England die mit der Devisenpolitik befaßte ' Vgl. A.J.P Taylor: The War Lords, Harmondsworth/Middlesex 1978, S. 137: "Although the Americans supplied the weapons of war, they also squeezed Great Britain dry economically; and that was Roosevelt's deliberate policy." 13 Otto
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
Institution wegen der alles überragenden Bedeutung des Themas erheblichen Einfluß auf die gesamte Wirtschaftspolitik gewinnen. Ungeklärt blieben dagegen vorerst die Verteilung der Zuständigkeiten für die Koordination der Beschäftigungspolitik und die Bedeutung, die in Zukunft dem klassischen staatlichen Finanzhaushalt zugemessen werde sollte. Das Weißbuch Employment Policy äußerte sich dazu nur verhalten, indem es die Notwendigkeit des Bestehens eines "small central staff qualified to measure and analyse economic trends and submit appreciations of them to the Ministers concemed" (Para. 81) formulierte, eine Beschreibung, die auf den Erhalt der Economic Section und des Central Statistical Office zugeschnitten war. Zur Frage der wirtschaftlichen Lenkung durch die Finanzpolitik äußerte es sich nur vage, indem es die Koordinierung staatlicher und privater Investitionen zur Aufrechterhaltung der gesamtwirtschaftlieben Nachfrage ankündigte (Para. 61), allerdings ohne weitreichende institutionelle Veränderungen in Aussicht zu stellen, wie sie etwa Beveridge in seiner Schrift zur Vollbeschäftigung für notwendig erachtet hatte. Während aus der Reconstruction-Debatte also keine klaren Aussagen zu einer eventuell notwendigen Neuorganisierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik resultierten und auch die beiden großen Parteien weder in ihren internen Überlegungen zur Nachkriegszeit noch im beginnenden Wahlkampf hierzu wirklich tiefgehende Erwägungen anstellten, waren die Spitzen der Administration bereits bemüht, harte Tatsachen zu schaffen, die ihre traditionelle Position auch in der Politik der Nachkriegszeit festschreiben sollten. Wenn die Nachkriegsregierung, welcher Couleur sie auch immer sein mochte, keine eindeutigen Absichten zur Reform und Veränderung der administrativen Strukturen hegte, war die Wahrscheinlichkeit groß, daß die zum Zeitpunkt des Kriegsendes bestehende Kompetenzverteilung unter den Verwaltungseinheiten auch die Übergangsphase in den Frieden überstehen können würde und damit eine reelle Chance bestand, daß sie sich festsetzen und zur dauerhaften Einrichtung werden konnte. Der Kampf um die beste Ausgangsposition bei Kriegsende hatte bereits die beteiligten Institutionen in der Reconstruction-Debatte motiviert; 1944, als mit dem Abschluß der Debatte die zukünftige Politik deutlicher zu werden und der Frieden in Sichtweite zu rücken begann, versuchte die Treasury, mit der Economic Section und dem CSO als den am meisten am Einfluß der Finanzpolitik interessierten Teilen der Administration und damit ihren natürlichen Verbündeten gegen die Weiterführung einer Kommandowirtschaft für die Zeit nach dem Krieg eine Koalition zu bilden. Hopkins bot dafür Meade,
I. Vorbereitungen auf das Kriegsende und die Regierungsübernahme
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dem designierten Leiter einer Friedens-ES, Bestandsgarantien an, inklusive der Beteiligung am wichtigen Budget Committee und Fragen der externen Finanzpolitik. Das Schatzamt ließ sich im Gegenzug bestätigen, für die Aufgaben der zentralen Koordination der Administration und der Durchführung der Beschäftigungspolitik das einzig geeignete Department zu sein! Noch Ende 1943 hatte die Treasury die Existenzberechtigung der Economic Section in der Whitehall-Maschinerie nach Kriegsende angezweifelt: In einer Untersuchung zur Rolle der Ökonomen in der Administration (die erste und einzige in der britischen Geschichte1) machte die Frage der Nachkriegsfunktion der ES einen wesentlichen Teil der Diskussionen des Untersuchungskomitees aus. Dabei vertrat H. Wilson für die Treasury den Standpunkt, daß, da die Section sich im Frieden vor allem mit der Beschäftigungspolitik befassen müßte, derartige Politikfelder aber Sache des Schatzamtes seien, die Stärkung der Ökonomen in der Treasury sinnvoller sei, anstatt als eine Art Konkurrenz die Economic Section beizubehalten.• Meade war sich bewußt, daß er die Partnerschaft der Treasury suchen mußte, um unter den veränderten Bedingungen nach dem Krieg wirkungsvoll arbeiten zu können, da er erwartete, daß mit dem Rückgang der Bedeutung realer "physischer" Kontrollen der Wirtschaft die Finanzpolitik wieder ihren traditionellen Vorrang einnehmen würde: "But can the Economic Section continue tobe a success in peace-time? When we return to party politics [...] and to the more familiar economic issues of peacetime, will Ministers Iisten to the Economic Section? Moreover, what will be the attitude of the Treasury to the Economic Section? In war-time the Treasury has in many ways played second fiddle, the fundamental economic instruments of control being the direct 'real' controls (consumer rationing, labour controls, raw material controls etc.); and the Treasury has tagged along behind trying to mop up the purchasing powermaderedundant by 'real' controls. In peace-time the 'real' controls will presumably go and financial inducements will come into their own again. To take an outstanding example, employment policy will inevitably again become mainly a financial problern of maintaining total monetary demand at an adequate Ievel; control through a manpower budget and labour direction will recede into the background. The Treasury, willy-nilly, will become the central economic Dept."• 6 Protokoll einer Sitzung über die administrativen Voraussetzungen zur Umsetzung der Beschäftigungspolitik, o.D. (Anfang 1944). Teilnehmer: Barlow/Eady/Proctor alle Treasury, Bridges/Norman Brook - War Cabinet Office, Robbins/Meade - Economic Section, Campion CSO. In PRO T.230170. 1 Vgl. Cairncross/Watts, S. 40-48. • Report of the Official Committee on the Machinery of Goverrunent M.G.0.32, 13. November 1943, in PRO CAB 87/72. 9 Tagebuch Meade, Eintrag 5.Nov. 1944, in: Howson/Moggridge (Hg.): MeadeDiary, S. 1.
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
Die Administration hatte es bislang stets erfolgreich verstanden, vereinzelte Reformversuebe oder Forderungen nach einer dauerhaften Umstrukturierung seit dem Ende des Ersten Weltkrieges erfolgreich zu ersticken. Im Februar 1942 etwa hatte Stafford Cripps auf eine eingebende Untersuchung und Reform des Civil Service gedrängt, unmittelbar nachdem er als Lord Privy Seal ins War Cabinet eingerückt war, sah sieb jedoch der kombinierten Opposition Cburcbills und der Beamtenschaft gegenüber. Seine Forderung nach einer umfassenden Untersuchung ("a new Haldane") wurde so abgebogen in eine interne Untersuchung über die Maschinerie der Verwaltung durch ein aus Beamten bestebendes Team unter Überwachung eines Cabinet Committees unter Anderson. Die Untersuchung zog sieb über 10 Jahre bin, bis sie wiederum von Churcbill Anfang der 50er Jahre praktisch ohne Ergebnis beendet wurde.'• Einen weiteren Anlauf zur Reorganisation des öffentlichen Dienstes nahmen Teile der Labour-Fraktion Anfang 1946 aus der Sorge heraus, das ambitionierte Gesetzgebungs- und Reformprogramm der neuen Regierung könnte durch den konservativen Civil Service behindert werden." Der Abgeordnete G. Cooper schlug Attlee die Einberufung eines Komitees zur Untersuchung der Verwaltungsabläufe vor: "To ignore tbe necessity or to allow any reorganisation to take place piecemeal it is tbougbt will be disastraus to tbe socialist legislative programme it is intended to carry through."'2 Bridges, als leitender Beamter des Schatzamtes Head of tbe Horne Civil Service (und zu diesem Zeitpunkt auch noch Secretary to tbe Cabinet), an den diese Forderung weitergegeben wurde, verfolgte das Ziel, die Untersuchung auf einen verwaltungsinternen Ablauf zu beschränken, der die größtmögliche Sicherheit vor durchgreifenden Veränderungen bieten würde. In einem Rundschreiben an seine Permanent Secretary-Kollegen gab er die Taktik vor, mit der eine Untersuchungskommission verhindert werden sollte. Eine solche Kommission sei Vgl. Hennessy: Whitehall, S. 129. Vgl. das Pamphlet Michael Youngs (des Research Secretary Labours): Labour's Plan for Plenty, London 1947, S. ll:" ... the existing Civil Service is not equipped to do a positive job of initiating change and managing economic institutions; under capitalism its chief function has been the negative one of preventing the wrang things from being done, instead of ensuring that the right things were done. The Civil Servants of socialism will have to be drawn from industry and science and be versed in economics and psychology. They will need to have a thoroughly positive and constructive attitude." 12 Brief Geoffrey Cooper an Attlee, 12. Februar 1946, in PRO T.273/9 Civil Service Organisation: setting up of ministerial and official committees and papers conceming draft White Paper on Future of Civil Service. 10 11
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gezwungen, so Bridges, Befragungen erheblichen Umfangs durchzuführen, für die die ohnehin überlasteten höheren Civil Service-Dienstgrade schlichtweg keine Zeit erübrigen könnten.') Zur internen Diskussion über eventuell notwendige Veränderungen fand am 2. März 1946 ein bemerkenswertes Treffen der offiziellen Spitzen der Ministerien statt, anläßlich dessen Oliver Franks (Permanent Secretary des Ministry of Supply und "star of wartime temporaries"'•) als einziger eine radikale Umkehr von der Vorkriegseinstellung des öffentlichen Dienstes forderte - es ist dabei sicher kein Zufall, daß Franks in diesem Kreis auch der einzige "temporary Civil Servant" war, einer der vielen Wissenschaftler, die im Krieg in den Staatsdienst getreten waren. Franks machte auf die Veränderungen aufmerksam, die der Krieg in die Verwaltung getragen hatte: "The real difficulty was that in recent years the functions of the Civil Service had changed from being purely regulative (functions for which the education and training of the civil servant were ideally suited) and bad become more and more those of management. Instead of analysing the problems of others, the civil servant now bad to tackle those problems himself. This called for somewhat different qualities, of which the most important were nerve and ability to push a thing through to its conclusion. The old distinction between administration and execution no Ionger held good. The civil servant would thus have to acquire some of the qualities of the businessman. But the introduction of businessmen into the Service was not itself a solution. Public administration was on a far larger scale than any business, and this was a fact seldom appreciated by the people outside the field of public administration." Dem widersprach J.H. Woods (Board of Trade), der diese Aussage für übertrieben hielt; nicht die Rekrutierung, sondern höchstens die Ausbildung müßte verändert werden. D. Fergusson (Ministry of Fuel and Power) hielt sogar das für unnötig: "Under the present system the civil servant was first and foremost the servant of bis minister, and so long as that was true bis whole training and outlook would be coloured by that fact. "" Bridges trug, gestärkt von dem fast einmütigen Votum seiner Kollegen, dem Schatzkanzler seine Argumentation vor. Er verwies auf die Überlastung des Apparates, die eine eingehende Befragung unmöglich machen würde und darauf, daß die Permanent Secretaries ohnehin am besten wüßten, wie es um die Organisation
Rundschreiben Bridges' an die Permanent Secretaries, 26. Februar 1946, in PRO T.273/9. •• Hennessy: Wbitehall, S. 122. (Franks, Oliver (Lord): Professor für Moral Philosophy (Glasgow), Temporary Civil Servant im Ministry of Supply 1939-46, Permanent Secr. Min.of Supply 1945-6, britischer Botschafter in Washington 1948-52.) " "Organisation of the Civil Service, Note of a meeting", 2. März 1946, in PRO T.273/9. I)
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ihrer Ministerien bestellt sei und erreichte damit sein Ziel, die Untersuchung nur verwaltungsintern ablaufen zu lassen.•• Mit dem Erfolg von Bridges' Vorgehen war eine durchgreifende Reform der Verwaltung erneut durch die Renitenz des öffentlichen Dienstes unter der Führung der Treasury verhindert worden. Die Frage allerdings bleibt bestehen, warum die Labour-Regierung unter Attlee als ,,most radical administration between David Lloyd George and Macgaret Thatcher" 11 es nicht ernsthaft unternahm, die Strukturen des öffentlichen Dienstes so zu reformieren, daß er dem eigenen Programm dienlicher sein würde. Die einleuchtendste Antwort, über die auch in der Forschung mittlerweile weitgehend Einigkeit zu herrschen scheint, ist, daß die lange Mitarbeit in der Kriegskoalition die Labour-Minister an die Effizienz der bestehenden Verwaltungsmaschinerie, die schließlich auch die radikale Umstellung des Staates auf den totalen Kriegszustand gemeistert hatte, so sehr gewöhnt hatte, daß sie diese nach 1945 nicht mehr missen wollten und sie deshalb jeder Veränderung ablehnend gegenüberstanden." Die Koalitionsbildung und das rechtzeitige Besetzen neuer und traditioneller Politikfelder durch die Treasury erwies sich bis zum Kriegsende als so erfolgreich, daß es dem Schatzamt vorläufig die bedeutendste Position in der Wirtschaftspolitik sicherte ("The most significant point [auf einer Sitzung mit Vertretern anderer Wirtschaftsministerien am 1. Juni 1945] was undoubtedly the demonstration to all departments that the Treasury intended to take a •• Bridges an Schatzkanzler, 19. März 1946 und "Civil Service Problems. Scheme of Working Parties", 2. April 1946 (über die Organisation der internen Untersuchung) in PRO T.273/9. 17 Hennessy: Whitehall, S. 127. •• Vgl. Hennessy: Whitehall, S. 137 ,Jn short, Attlee and bis senior ministers, despite being a radically intentioned government, did not embark on a reform of the Civil Service in 1945-51 because they knew the wartime machine personally and liked what they saw." Ebenso äußerte sich der Vertreter des linken Labour-Flügels Richard Crossman, der im Festhalten am bestehenden öffentlichen Dienst den Hauptgrund für das "Scheitern" der Labour-Regierung sah: ,Jf in 1931 the MacDonald Government was killed by the aristocratic embrace, in 1951 the Attlee Government quietly expired in the arms of the Whitehall Establishment." Richard Crossman: The Lessons of 1945, in: Perry Anderson/Robin Blackburn (Hg.): Towards Socialism, lthaca 1965, S. 155, S. 146-158. Vgl. auch R.S. Barker: Civil ServiceAttitudesand the Economic Planning of the Attlee Government, in: Journal of Contemporary History, 21 (1986), S. 473486, S. 473; David Coates: The Labour Party and the Struggle for Socialism, Cambridge 1975, S. 63; und Middlemas: Power, S. 117.
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really serious Iead on Employment Policy and to regard itself in the future as a real central economic department"19), auch wenn mit dem Lord President' s Committee ein Gremium weiterbestand, das durch seine KoordinationsKompetenz vor allem unter Anderson bis 1943 das Schatzamt aus seiner Führungsrolle hatte verdrängen können.20 Dem LPC gegenüber hatte die Treasury jedoch den Vorteil, daß im Frieden die Finanzpolitik, und damit das Budget als ihre (einstweilen) noch nicht in Frage gestellte Domäne, wieder an Bedeutung gewinnen mußte, verglichen mit der planwirtschaftliehen Organisation im Krieg. Je geringer die Bedeutung·war, die die zukünftige Regierung einer Lenkung der realen Ressourcen zumessen würde, desto größer würde zudem die Bedeutung des Budgets für die gesamte Wirtschaftspolitik werden. 2. Labours wirtschaftspolitische Konzeption
Welche Position die Finanzpolitik und die Treasury unter der LabourRegierung der Nachkriegszeit einnehmen würden, mußte entscheidend davon abhängen, welche wirtschaftspolitische Konzeption das Kabinett Attlee zu verwirklichen versuchen würde und inwieweit die von der "Caretaker"-Regierung (die Übergangsregierung unter Churchill nach dem Auszug Labours aus der Kriegskoalition) übernommene Verwaltungsstruktur dieser Konzeption dienlich sein könnte. Die vorhergehende (zweite) Labour-Regierung, von 1929 bis 1931 unter MacDonald, war auch an ihrer wirtschaftspolitischen Konzeptionslosigkeit gescheitert." Der Utopistische Ansatz, daß nur bei einer grundsätzlichen Überwindung der Widersprüche des kapitalistischen Systems eine Lösung der ökonomischen Probleme möglich sein würde, verhinderte bis in die 1930er Jahre die Entstehung eines wirtschaftspolitischen Programmes zur Bekämpfung der aktuellen Schwierigkeiten, vor allem der Arbeitslosigkeit.22 Tagebuch Meade, Eintrag 3. Juni 1945, in: Howson!Moggridge (Hg.): MeadeDiary, S. 89. 20 Zur Entwicklung der administrativen Rivalität zwischen LPC und Treasury, nachdem Anderson 1943 Schatzkanzler wurde, vgl. Hans Daalder: Cabinet Reform in Britain, 1914-1963, Stanford 1963, S. 215. 21 Vgl. dazu Ross McKibbin: The Economic Policy of the Second Labour Government 1929-31, in: Past and Present, 68 (Aug.l975), S. 95-123. 22 Vgl. Skidelsky: Politicians, S. xii: ,Jt [i.e. Labour] thought in terms of a total solution to the problern of unemployment, when what was offered was the limited opportunity to eure unemployment." (Bezieht sich auf den Wahlkampf 1929 und die Lloyd George-Pläne.) 19
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Ebensowenig war Labour in der Lage, eine echte theoretische Alternative zu den liberalen Wirtschaftswissenschaften zu entwickeln. "Britisb socialism was an ethical doctrine rather tban an economic one. It bad been inspired by a revolt against the inbumanity and injustice of late nineteentb-century capitalism, but it offered no theoretical alternative to late nineteenth-century economics. "23 Grundsätzlich bestand Labours Programm für die Übergangszeit, bis die Mehrheitsverhältnisse eine echte sozialistische Umgestaltung ermöglichen sollten, aus einer Mischung aus der unklaren Festlegung auf eine Demokratisierung der Wirtschaft und Verstaatlichungen, Anklängen der Unterkonsumptionstheorie und einer extrem orthodoxen Finanzpolitik. Dabei bot die Unterkonsumptionstheorie (wichtigster Vertreter Jobn A. Hobson) durchaus Anknüpfungspunkte zu den Entwicklungen der "New Economics" und der keynesianischen Ökonomie; beide gingen von einer Nachfrageschwäche als Ursache von Wirtschaftskrisen aus, wobei Keynes dem Ausfall von Investitionen das größere Gewicht zumaß24 , während in der Unterkonsumptionstheorie hingegen mehr von einem Nachfrageausfall des privaten Konsums ausgegangen wurde, dem vor allem durch Lohnerhöhungen und Umverteilung von Einkommen entgegengewirkt werden sollte."' Allerdings ging die Akzeptanz dieser Theorie durch Labour nicht soweit, daß daraus Konsequenzen auch für die finanzpolitischen Vorstellungen gezogen wurden, also etwa eine Iokaufnahme von Budgetdefiziten zur Stabilisierung der Konsumnachfrage in Frage kam. Sogar das radikale Wahlprogramm Labours von 1931 im Angesicht der Weltwirtschaftskrise und des "Verrates" der Parteiführung, in dem es hieß: "The Capitalist system has broken down ..." und " ... Socialism provides the only solution for the evils resulting from unregulated competition and the Marquand: MacDonald, S. 520. Siehe Keynes: General Theory, S. 98: "[ ... ] when unemployment falls to a low Ievel, aggregate consumption will decline by a smaller amount than that by which real income has declined, by reason both of the habitual behaviour of individuals and also of the probable policy of governments; which is the explanation why a new position of equilibrium can usually be reached within a modest range of fluctuation. Otherwise a fall in employment and income, might proceed to extreme lengths. This simple principle Ieads ... to the same conclusion as before, namely, that employment can only increase pari passu with an increase in investment; unless, indeed, there is a change in the propensity to consume. For since consumers will spend less than the increase in aggregate supply price when employment is increased, the increased employment will prove unprofitable unless there is an increase in investment to fill the gap." "'H.N. Brailsford/John A. Hobson/A. Creech Jones/E.F. Wise: The Living Wage: A Report to the ILP (1926), in: Frank Beale (Hg.): The Social and Political Thought of the British Labour Party, London 1970, S. 120-2. (Die Prinzipien diese Reports wurden 1927 von der Labour Party Conference zurückgewiesen.) Vgl. Geoffrey Foote: The Labour Party's Political Thought. A History, London 1985, S. 144. 23 24
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domination of vested interests" bekannte siCh zur "sound" Finanzpolitik: ,,Labour accepts a balanced Budget as the ftrst condition of sound national finance [...]"26 und unterschied sich damit in diesem Punkt nicht von der Antwort Labours auf Lloyd Georges' Programm im Wahlkampf 1929 und den Äußerungen von National Labour 1931, für die beide Snowden verantwortlich zeichnete. 21 "The events of July and August 1931 bad a traumatic and Iasting effect. Superficially, the fail of the second Labour government could be taken as showing that socialist administration would always be sabotaged from within by the banks, the civil service, the politicians, even perhaps the King [...] But, at a far more profound Ievel, it was the sheer emptiness of Labour' s economic thinking, in the face of a total collapse of trade and employment, and the flight from sterling, that was truly disturbing. On the main themes of macroand micro-economic policy, official Labour bad simply nothing wortllwhile to say, as the antique Cobdenism of Snowden at the Treasury between 1929 and 1931 amply conftrmed [... ] British socialism bad always emphasised the distribution of wealth rather than its creation. "28 Die erste Reaktion auf die Katastrophe war ein deutlicher Linksschwenk der Partei. Dieser ging so weit, daß auch der spätere Parteiführer und Vertreter der Rechten innerhalb Labours, Hugh Gaitskell, für eine schnelle und radikale sozialistische Revolution plädierte: "The only way in which Socialism could be got was shortly and fairly sharply ... They should get the power, proceed with measures of Socialisation, and smash the economic power of the upper class. When they bad the power he believed they would be in a position to carry into action measures which were essentially revolutionary [... Im Verlauf der 1930er Jahre gewannen jedoch die Evolutionisten aus dem Gewerkschaftsflügel (um Bevin) die Oberhand über die Denkschule der Anhänger einer "sudden, dramatic, and if need
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Labour Manifesto 1931 ("Labour' s Call to Action : The Nation's Opportunity"), in Craig (Hg.): Election Manifestos, S. 94-98. 27 Labours ,,How to Conquer Unemployment. Labour's Reply to Lloyd George" von 1929, S. 9, hatte Lloyd Georges' Programm bekanntlich als ,,Madcap Finance" bezeichnet; im National Labour Manifesto 1931 (,,An Appeal to the Nation by the Rt.Hon. J.Ramsey MacDonald, Prime Minister"), in: Craig (Hg.): Election Manifestos, S. 91-93, S. 92, heißt es: ,,It must be plain, however, that whilst everything possible will be done to meet hardships, the Budget must not be allowed to slip into deficits." 28 Kenneth 0 . Morgan: Labour People. Leaders and Lieutenants, Hardie to Kinnock, Oxford 1989, S. 107. 29 Gaitskell in Reden auf Treffen mit Arbeitslosen in Chatham (seinem Wahlbezirk) am 18. und 20. Januar 1933, zit. nach Philip M. Williams: Hugh Gaitskell. A Political Biography, London 1979, S. 41. 26
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be violent transition to socialism""' (Cripps, Laski), so daß Morgan die revolutionäre Stimmung unmittelbar nach 1931 als nicht mehr als einen "emotional spasm" bezeichnet." Viel bedeutender als der nur kurzfristige Linksschwenk waren für die Entwicklung der Labour Party und der ökonomischen Ideen der britischen Linken die Aktivitäten einer Generation junger Wirtschaftswissenschaftler, darunter Gaitskell, Jay, Durbin und Meade, denen Hugb Dalton den Weg in die Partei öffnete. Insbesondere das New Fabian Research Bureau, 1931 durch die Initiative G.D.H. Coles als neuer "tbink tank" der Arbeiterbewegung entstanden, entwickelte sieb zu einem Forum, das linken, jedoch nicht unbedingt parteigebundenen Universitätsökonomen die Möglichkeit bot, eine Verbindung zwischen Labour und den Entwicklungen der "New Economics" herzustellen. Das NFRB erwies sich in der Folge dann auch als ein wichtiges Einfallstor für keynesianische Ideen in die Partei. Neben James Meade wurde nach der Publikation der General Theory Douglas Jay32 schnell zu einem der entschiedensten Streiter für den Keynesianismus in den Diskussionsgruppen um Gaitskell und Durbin. Allerdings stand die Mehrheit der Labour-Ökonomen Keynes' Vorstellungen wegen dessen grundsätzlicher Verteidigung des Kapitalismus noch kritisch gegenüber. Daß die Opposition gegen die Festlegung der Partei auf eine Art linkskeynesianische Programmatik, der Verbindung einer antizyklischen Finanzpolitik der Nachfragestabilisierung mit Elementen der zentralen Wirtschaftskontrolle, Mitte der 1930er Jahre noch erheblich waren, zeigt Coles und Durbins Ablehnung eines detaillierten Memorandums Meades, das entgegen seinen Vorstellungen nicht als Pamphlet des NFRB publiziert werden durfte. Meade verband in der Schrift die Forderung nach Verstaatlichungen bestimmter Industrien"[... ] which are in need of reorganisation in order tbat tbey may be more efficiently managed. Such industries are tbose which are naturally monopolistic and which require centralised control to be run efficiently in tbe interest of the consumer" (§ 3, Hervorhebungen F.O.), mit einem Plan zur Ausweitung des ,,monetary demand" und der Kontrolle des Kredittnarktes, ohne daß eine Verstaatlichung der Banken nötig sein sollte.33 Durbin und Gaitskell mißtrauten vor allem der keynes' sehen Auffassung, Addison: Road, S. 46. Morgan: Labour People, S. 107. 32 Vgl. Douglas Jay: The Socialist Case, London 1937, das von Stephen Brooke: Labour's War. The Labour Party during the Second World War, Oxford 1992, S. 238, die erste sozialistische keynesianische Arbeit genannt wird. 33 J.E. Meade: "Outline of Economic Policy for a Labour Government", 1935, in: Susan Howsonl Donald Moggridge (Hg.): The Collected Papers of James Meade. Volume 1: Employment and inflation, London 1988, S. 33-78. 30
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daß mittels staatlicher Lenkung das kapitalistische System des freien Wettbewerbs sozialer und effizienter gestaltet werden sollte, wodurch die prinzipielle Unterordnung des Arbeiters unter den Unternehmer nicht in Frage gestellt wurde. Zudem herrschte weitgehende Einigkeit unter den New Fabians, daß ein verstaatlichtes Bankensystem zur Regulierung des Spar- und Investitionsvolumens notwendig sein würde. 34 Wegen dieser Verstaatlichungsforderung, die er als unrealistisch vehement ablehnte (und, laut seines Biographen Pimlott, auch aufgrund einer persönlichen Abneigung gegen die Coles"), die jedoch die New Fabians auf der Parteikonferenz 1932 in Leicester gegen den Willen der Parteiführung in das Parteiprogramm bringen konnten, verlor Dalton schon bald wieder das Interesse am NFBR.
Größere persönliche Kontrolle auf die programmatische Entwicklung konnte Dalton innerhalb der Parteigremien ausüben: Durch seine führende Rolle im Ende 1931 vom National Executive Committee Labours eingesetzten Policy Sub-Committee ,,Finance und Trade" (außerdem war er einer der beiden NEC-Vertreter im Economic Committee des TUC) konnte er in hohem Maße das Wirtschafts- und Finanzprogramm der Partei mitbestimmen. Er sorgte auch dafür, daß der Kreis "seiner" jungen Ökonomen in die PolicySubcommittees und Beraterstäbe des NEC einziehen konnte (Colin Clark, Jay, Durbin, Gaitskell): "Here they were able to inject some of the implications of Keynes's recently published General Theory into Labour policymaking."* Die Gruppe arbeitete an einer Reform von Labours Wirtschaftsprogramm, die zum ersten Mal Eingang fand in ,,Labour's Immediate Programme"37 der Partei von 1937. ,,For the ftrst time in its history, Labour could claim to have a credible, sophisticated approach towards prices, money supply, exchange rates and investment policy, trade, employment, and public ownership."" Labour's Immediate Programme gibt deutlich die Vorstellungen Daltons Mitte der 1930er Jahre wieder, wie er sie 1935 in seinem Buch "Practical Socialism for Britain" "Brooke: Labour's War, S. 238 und Elizabeth Durbin: New Jerusalems. The Labour Party and the Economics of Democratic Socialism, London 1985, S. 168. ''Ben Pimlott: Hugh Dalton, London 1985, S. 207. 36 Pimlott: Dalton, S. 237. Ein weiterer "Think Tank" Labours, der Dalton sehr nahe stand, war die sog. XYZ-Gruppe, eine Verbindungsgruppe zur Londoner City, die sich im Haus des Finanzjournalisten Niebolas Davenport ab 1933 traf (mit D. Jay, H. Gaitskell, E. Durbin, T. Balogh, N. Kaldor, J. Meade und einigen wenigen LabourUnterstützern aus der City.) Zu XYZ siehe vor allem die Erinnerungen Douglas Jays: Change and Fortune, S. 60-62. 37 Labour's Immediate Programme, in: The Labour Party: Report of the 37th Annual Conference held in The Pavilion, Bournemouth October 4th-October 8th 1937, Appendix X, S. 277-279. "Morgan: Labour People, S. 108.
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ausgearbeitet hatte: eine realistische Verbindung von starken planwirtschaftliehen Bestandteilen und expansionistischer Finanzpolitik. Auch wenn Dalton des öfteren auf Keynes verweist und etwa in der Ablehnung des Treasury View dessen Argumentation übernimmt, dominieren doch die planwirtschaftliehen Überlegungen zu Eingriffen auf der Angebotsseite (z.B. der Industrieansiedlung). 39 Durch seine Freunde von XYZ hatte Dalton begonnen, die Gedanken der ökonomischen Schule Cambridges in sein eigenes Programm aufzunehmen. Auch wenn er nicht zum Keynesianer konvertierte, ließ er sich doch von Jay überzeugen, "[...] that Keynesian ideas could become the servant of socialist planning. Gradually, even hesitantly, the argument became a part of official Labour Party doctrine. Before the end of the decade, and unkDown to the vast majority of its members, the Labour Party had quietly adopted an expansionist approach to economic policy that was at least semi-Keynesian ..... Wenige Tage nach ihrem Eintritt in die Kriegskoalition unter Churchill legte sich Labour mit einer "Declaration of Policy" noch einmal auf die Inhalte des Immediate Programme fest. In der Erklärung wurde darüber hinausgehend gefordert, daß die Planungsanstrengungen des Krieges dazu genutzt werden sollten, um neue Fundamente auch für die Friedenswirtschaft zu legen: "While planning for the war, the Government must plan for peace and a new society."41 Angestrebt werden sollte die Nationalisierung von Schlüsselindustrien und -diensten (Transport, Kohle, Finanzsektor) und eine gesamt39 Hugh Dalton: Practical Socialism for Britain, London 1935. Vgl. auch Hugh Dalton: Conclusions, in: Ders. (Hg.): Unbalanced Budgets. A Study of the Financial Crisis in Fifteen Countries, London 1934, S. 435-459, S. 458: "Here I will only express the personal opinion ... that those who advocate the expansionist doctrine have the better case, but that their policy, in order to be fully effective, needs to be pushed a good deal further than most of them seem willing to push it. I believe that freedom from the plague of recurrent booms and slumps can be found only in a Planned Economy." •• Pimlott: Dalton, S. 224. Vgl. Adam Przeworski: Capitalism and social democracy, Cambridge 1985, S. 36, der den Keynesianismus für eine dringend benötigte Wirtschaftsstrategie sozialistischer Parteien zur Lenkung kapitalistischer Volkswirtschaften hält, da bis zu diesem Zeitpunkt das ökonomische Denken der Sozialdemokraten noch aus der Welt des 19. Jahrhunderts stammte. "The Keynesian revolution - and this is what it was - provided social democrats with a goal and hence the justification of their governmental role, and simultaneously transformed the ideological significance of distributive policies that favoured the working dass." 41 A Socialist Great Britain. A Declaration of Policy by the Conference of the British Labour Party. Bournemouth, Whitsun, 1940 (14.5.1940), in: Labour Party: Labour's Aims in War and Peace, London 1940, S. 142-152, S. 144.
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wirtschaftliche Investitionslenkung. Diese Argumentation verstärkte den planwirtschaftliehen Grundton der L> Brooke:
Labour's War, S. 64. Labour Manifesto 1945 ("Let us Face the Future: A Declaration of Labour Policy for the Consideration of the Nation"), in: Craig (Hg.): Election Manifestos, S. 123131. ss D.C. Watt: Personalities and Policies. Studies in the Formulation of British Foreign Policy in the Twentieth Century, London 1965, S. 58. s•
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socialised and run on 'market' principles of pricing and costing, while the rest of industry is made to compete by anti-restrictive practice legislation. Steps are taken to maintain total aggregate demand - partly (i.e. in the case of the socialised sector of the economy) by quantitative planning and programming and partly by planning certain categories of demand by such means as tax and subsidy policy, the rate of interest, the rate of exchange, etc. to see that private investment, consumers' expenditure or exports are of the desired magnitude."'6 3. Planwirtschaft und ökonomische Steuerung (Economic management): Ideologien der wirtschaftlichen Machbarkeit
Der Widerspruch, der aus der wirtschaftspolitischen Programmatik Labours herauszulesen war zwischen der Entschiedenheit, durch staatliche Interventionen die Probleme der Volkswirtschaft angehen zu wollen, und der Unsicherheit, ob dies mittels einer planwirtschaftliehen Organisation oder durch ökonomisches Management nach den Vorstellungen der Keynesianer geschehen sollte, ist zugleich auch ein Ausdruck der zwei wichtigsten allgemeinen Tendenzen, durch die die Debatte um die Rolle des Staates in der Wirtschaft der 1930er und 1940er Jahre bestimmt wurde: Das war zum einen die wachsende Überzeugung, daß das "ökonomische Problem" durch staatliche Manipulationen grundsätzlich lösbar sein würde und zum anderen die Diskussion um die Frage, welcher Grad der Intervention dafür notwendig sein würde, eine fundamentale Umgestaltung des Wirtschaftssystems oder nur begrenzte Eingriffe. Vor dem Ersten Weltkrieg war es die Überzeugung der Cambridge-Ökonomen (die Schule der "welfare economics" Alfred Marshalls), der dominierenden wirtschaftswissenschaftlichen Denkrichtung Großbritanniens, ebenso wie der starken sozialreformerischen Bewegung der britischen Mittel- und Oberschichten (u.a. Charles Booth, Seebohm Rowntree, die Webbs), daß der Staat, um die krassen Unterschiede zwischen arm und reich abzumildern und einige besonders ungerechte Aspekte des Kapitalismus zu berichtigen, die Aufgabe habe, begrenzt in den Wirtschaftsprozeß zu intervenieren. Die Auffassung der Ökonomen vor 1914 war, daß die "social question" auf diesem Weg positiv •• Eintrag 26. August 1945, in: Howson/Moggridge (Hg.): Meade-Diary, S. 114. Das Meade hier eindeutig Partei nimmt, ist nicht überraschend: die liberal-sozialistischen Vorstellungen kommen denen sehr nahe, die er seit Anfang der 1930er Jahre (zunächst im NFRB) propagiert hatte. Vgl. auch James Edward Meade: P1anning and the Price Mechanism. The Liberal-Socialist Solution, London 1948, mit der gleichen Argumentation.
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lösbar sein würde: "[...] provided everybody could be brought to think: and work along the lines that were already weil established without being rigid, there was little need for concem about the direction or timetable of social change. "S7 Der Optimismus über die Möglichkeiten zur Beseitigung der sozialen Probleme innerhalb des bestehenden wirtschaftlichen Systems war eine der Traditionen, mit denen die Planer und Reformer der Zwischenkriegszeit aufwuchsen. Harrod hat das Traditionenbündel, das diese Generation prägte, bezogen auf Keynes, der es idealtypisch verkörperte (und der auch als "Godfather of the Plan", i.e. der Auffassung von der Planbarkeil wirtschaftlicher Entwicklung, bezeichnet worden ist"), nach dessen Elternhaus in Cambridge "the presuppositions of Harvey Road 6" genannt.'9 Dieser Terminus ist in der Auseinandersetzung um die vermeintlich fatalen Auswirkungen von Keynes' idealistischer und elitärer Staatsvorstellung zu einem geflügelten Wort geworden'" und kennzeichnet das treffend, was dann zur ideologischen Grundlage für den "Attlee-" oder "Keynesianischen Konsensus" der britischen Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg werden sollte. Die Verbindung von viktorianischem Traditionsbewußtsein, universitärer Intellektualität und Liberalität und dem Wissen um die eigene Zugehörigkeit zur Auslese eines Weltreiches, verinnerlicht in Eton und "Oxbridge", formte einen starken Glauben an die Kraft des besseren Argumentes und an die notwendige Gewährleistung der Führung durch eine informierte Elite, die den richtigen Weg wußte und deshalb die richtigen Entscheidungen für die Regierten treffen konnte. Die Basis dieser Überzeugung bildete das Vertrauen auf die Rationalität und ihre Durchsetzbarkeit. " ...Cambridge, where Keynes spent bis childhood, was an active, purposeful place. With her strong traditionalism, her security, her eamestness, she was an epitome of England. Reform, in the !arger, as in the smaller, sphere, was to be achieved primarily and principally by the discussion of intelligent people. In all vital matters their view would prevail. Public opinion would be wisely guided. The existing stability, the need none the less for caution in advance, and the certainty that advances on a cumulative scale would be achieved, were taken for granted ...., Allerdings rekrutierte sich für Keynes das "enlightened Establishment", dem die Aufgabe der Führung zukam, weniger aus der Kaste der gewählten Politiker, die er immer wieder mit
7 ' Winch, S. 45. '" Gilbert Walker: Economic Planning by Programme and Contra! in Great Britain. London 1957. S. viii. Walker bezeichnet weiter Lloyd George und Churchill als "Grandfathers" und Beveridge als "Father of the Plan". 9 ' Harrod: Keynes, S. 4. 60 Vgl. etwa Buchanan/Wagner, S. 82. •• Harrod: Keynes. S. 3.
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harschen Urteilen bedachte." Ausgehend von seinen eigenen Erfahrungen als Spitzenbeamter im lndia Office und in der Treasury meinte er vielmehr eine Klasse von unparteiischen und überparteilichen Verantwortlichen und, darauf weist Scherf mit Recht hin, meinte letztlich damit sich selber in seiner einzigartigen Position als "[ ... ] ein Politiker außerhalb von Regierung, Parlament und eigentlicher Parteipolitik, ein civil servant. der nur für kurze Fristen im Staatsdienst steht.""' Auf der Basis dieser Anschauung von der grundsätzlichen Durchsetzbarkeil von Reformen durch den Staat entwickelten sich im Angesicht der ökonomischen Krise seit den 1920er Jahren wirtschaftswissenschaftliche Ansätze zur Staatsintervention, von denen die keynesiansche Theorie den bei weitem größten Verbreitungsgrad und die bedeutendsten Folgewirkungen erreichte. Nachdem Keynes analysiert hatte, daß im Gegensatz zu der Überzeugung seines Lehrers Marshall das bestehende Wirtschaftssystem doch inhärente Probleme besaß, die sich nicht durch die gewissenhafte Anwendung der Regeln des Systems beseitigen lassen würden•', war es sein nächster Schritt. die Übernahme bestimmter wirtschaftlicher Funktionen durch den Staat - den er nur im Moment für schlecht bzw. von eineruninformierten Elite geführt ansah - zu fordern, da durch die Anwendung der zweckmäßigen (keynesianischen) Maßnahmen die ökonomischen Probleme würden gelöst werden können. Es müßte nur gelingen, die Regierung von der Richtigkeit seines Argumentes zu überzeugen. Nach der stimmigen Analyse und der Präsentation der Lösungsmöglichkeiten würde eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik nurmehr eine technische Aufgabe darstellen (so verglich Keynes die Arbeit der WirtschaftswisVgl. den Brief Keynes' an Duncan Grant von einer Studienreise mit 50 Politikern nach Irland, an der er 1911 teilnahm, zit. nach Scherf, S. 82: "They are awful. I think some of these must have been the dregs anyhow, but I've discovered, what previously I didn't believe possible, that politicians behave in private Iife and say exactly the same things as they do in public. Their stupidity is inhuman." Siehe auch seine Urteile über die an der Pariser Friedenskonferenz beteiligten Staatsmänner in "The Economic Consequences of the Peace". 63 Scherf, S. 82 . .. "The world is not so governed from above that private and social interest always coincide. lt is not so managed here below that in practice they coincide. lt is not a correct deduction from the Principles of Economics [Marshalls Hauptwerk] that enIightened self-interest always operates in the public interest. Not is it true that Seifinterest generally is enlightened; more often individuals acting separately to promote their own ends are too ignorant or too weak to attain even these. Experience does not show that individuals, when they make up a social unit, are always less clear-sighted than when they act separately." Keynes: The End of Laissez-Faire (1926), in: Ders.: Essays, S. 272-294, S. 287. 62
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senschaftler in der Zukunft auch mit dem Handwerk eines Dentisten.,). Keynes stand mit dieser Überzeugung - die sich grundsätzlich von der klassischen Ökonomie und ihrem Glauben an die Wirksamkeit der Marktgesetze wie auch von dem Pessimismus der Treasury bezüglich der Anwendungsmöglichkeiten theoretischer politischer Modelle abhob - exemplarisch für die ganze Richtung der Reformbewegungen, abgesehen von der revolutionären Linken, in der Zwischenkriegszeit und der Reconstruction-Debatte und deren feste Gewißheit, daß die gewünschten sozialen Veränderungen machbar sein würden und daß mit dem Staat, mit dem bestehenden Staat, ein Agent dafür bereitstehe. "Planning was the key word of the thirties: planned economy, plan for peace, planned families, plan for holidays. The standardwas Utopia.".. A.J.P. Taylor kennzeichnet mit diesem Satz einen der wichtigsten Inhalte der wirtschaftspolitischen Debatte der 1930er Jahre: die Unzulänglichkeiten des marktwirtschaftliehen Systems sollten durch eine kluge und vorausschauende Planung staatlicher Instanzen überwunden werden. In allen politischen Lagern, die durch die Dominanz des National Government von der Machteilhabe ausgesperrt waren, war Planung das ,,magic word". 67 Unterhalb der Ebene der grundsätzlichen Zustimmung zur Notwendigkeit der Planung staatlichen Handeins in der Wirtschaft, deren Fürsprecher von den Ingenieuren der Wirtschaftspolitik des National Government bis in die Reihen der revolutionären Linken zu finden waren, bestand allerdings über die anzustrebende Dimension planenscher Eingriffe zwischen den politischen Lagern eine ebenso grundsätzliche Divergenz der Standpunkte. Für die Linke demonstrierte insbesondere das Vorbild Sowjetunion, daß die Beseitigung der Arbeitslosigkeit in einer sozialistischen Planwirtschaft möglich war; Dalton etwa war, wie seine Erin., Keynes: Economic Possibilities for our Grandebildren (1930), in: Ders.: Essays, S. 321-332. S. 332. Vgl. ebd. S. 325: " ...mankind is solving its economic problem." 66 Taylor: English History, S. 299. Vgl. auch Cbarles Loch Mowat: Britain between the Wars 1918-1940, Cbicago 1955, S. 462. 67 Siehe Robbins: Great Depression, S. 145: "Socialism is a term which is not universally popular. But 'planning' - ab! magic word - who would not plan?" Robbins fährt dann allerdings mit einer vernichtenden Kritik an der Planungseuphorie fort, die letztlich zur Zerstörung der persönlichen Freiheit führen müsse: "We may not all be socialists now, but we are certainly (nearly) all planners... A 'planned' economy introduced by right-wing parties might for a time (until the parties of the left got control) acknowledge certain rights to the receipt of income ... which would be destroyed at the outset by a purely socialist dictatorship. But, if it were to be true to its name, it could not acknowledge the substance of ownership, the right of individual disposal of the actual instruments of production. For 'planning' involves central control. And central control excludes the right of individual disposal."
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nerungen zeigen, nach einer Rußlandreise im Sommer 1932 von den dortigen Erfolgen so beeindruckt, daß er sich nicht mehr sicher war, ob diese nicht die fehlende politische Freiheit überwögen: "We knew that in Soviet Russia there was no political freedom. But there never bad been under the Russian Tsars. And, perhaps, some of us thought, we bad overvalued this in the West, relatively to other freedoms. People here, I was told, were 'paying a tremendous price for rapid industrialisation'. But in Durharn [Kohlengebiet im Nordosten Englands mit sehr hoher Arbeitslosigkeit; dort lag Daltons Wahlkreis] they were paying a tremendous price for nothing at all - except unemployment. "" (Dalton stand auch Mussolinis Faschismus wegen dessen Ansätzen zur Wirtschaftsplanung anfänglich nicht ohne Sympathie gegenüber). Die Webbs sahen in der Sowjetunion gar die Zivilisation der Zukunft... Welche Organisationsform mit einer derartigen Planwirtschaft (genauer: Zentralen Planwirtschaft) nach dem sowjetischen Modell gemeint war, ist, zumindest in Grundzügen, recht genau nachzuvollziehen. Der Staat sollte einen zentralen Wirtschaftsplan für bestimmte (oder alle) Bereiche der Volkswirtschaft erstellen, in dem jedem Bereich Produktionsziele, aber auch die Verwendung von Ressourcen (einscbließlicb der Ressource Arbeitskraft) zur Erfüllung des Zieles vorgeschrieben würden. Gleichzeitig muß der Staat in einem derartigen System durch Kontrollen oder die direkte Übernahme der Produktionsmittel sicherstellen, daß die Vorgaben eingehalten werden. Der Plan löst damit den Preismechanismus als Koordinierungsfunktion der Einzelpläne der Wirtschaftssubjekte ab (Einplanwirtscbaft versus Vielplanwirtschaft = Marktwirtschaft). Das bedeutet, daß die Erstellung eines Gutes oder einer Dienstleistung nicht mehr davon abhängig ist, ob sie einen Abnehmer findet und sieb für den Produzenten lohnt (er damit einen Preis erzielen kann, der über den Produktionskosten liegt und damit einen Gewinn ermöglicht), sondern davon, ob die Erstellung und Verwendung dem Ziel, auf das der Plan ausgerichtet ist, dienlieb sind. Daraus ergibt sieb das Problem der Festlegung des relativen Wertes eines Gutes gegenüber einem anderen Gut. Im Marktsy•• Dalton: The Fateful Years, S. 28-9. 69 Beatrice Webb/Sidney Webb: Soviet Communism: A New Civilisation? 2 Bde., London 1935. Das Fragezeichen entfiel in der Auflage von 1937. Vgl. die Äußerung Walter Citrines (auf dem Kongreß der Gewerkschaftsbewegung 1945), die zeigt, daß sogar noch 1945 auch Teile des TIJC wirtschaftlicher Planung der sowjetischen Art gegenüber sehr aufgeschlossen waren: ,,I think it would be an excellent thing if British Governments were able so to plan the production, the consumption and the general economic life of the country in the way in which it is done in Soviet Russia." Zit. nach Leo Panitch: Social Democracy and Industrial Militancy. The Labour Party, the Trade UnionsandIncomes Policy 1945-1974, Cambridge 1976, S. 15.
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stem wird dieses Verhälblis durch die Struktur der relativen Preise ausgedrückt, durch das Verhälmis der Preise der einzelnen Güter zueinander. Planwirtschaftliche Organisation zieht eine Verschiebung (wenn der Plan nur für bestimmte Güter, wie z.B. Exportgüter, gilt) oder Außerkraftsetzung der relativen Preise nach sich. Die planerstellende Institution muß daher einen Preis festlegen (nicht zu vergessen auch für die Ware Arbeit!); diese Festlegung gibt jedoch nicht, wie ein Marktpreis, die Wertschätzung einer großen Zahl von Käufern wieder, sondern ist willkürlich und deshalb nur schwer zu legitimieren. Äußerst problematisch ist in einer Planwirtschaft auch das Verhältnis zwischen der persönlichen Freiheit des einzelnen als Konsument, Arbeitnehmer oder Produzent und den Planzielen. In einem demokratischen politischen System bedeutet dies einen ständigen Zwang zur Begründung der Prioritätensetzung durch den Planersteller (d.h. die Regierung). Im Verlauf der 1930er Jahre verloren jedoch mit dem Abflauen des Linkstrends innerhalb der Labour-Party auch derartige planwirtschaftliche Modelle an Überzeugungskraft Die Planungsvorstellungen anderer politischer Richtungen (etwa linksliberaler oder konservativer Couleur) sind insgesamt weniger eindeutig auszumachen. In The Next Five Years etwa heißt es"[ ... ] the Govemment must plan its economy coherently", gleichzeitig jedoch, daß mit Planung keineswegs planwirtschaftliche Lenkung gemeint sei.70 Aus der insgesamt unsicheren Begriffsbestimmung läßt sich herauslesen, daß Planung hier nicht mehr als bestimmte begrenzte staatliche Interventionen heißen sollte. Harold Macmillan, konservativer MP mit großen Vorbehalten gegenüber der Wirtschaftspolitik des National Government dagegen verstand darunter: ,,.Economic planning is the attempt to regulate production in accordance with effective demand", verbunden mit einer Zusammenfassung der Produzenten. "The choice is no Ionger as between industrial laissez-faire and monopoly, but between trustification and socialisation or, it may be, between orderly capitalism and economic and social disorder", da die vielen kleineren Produzenten ihre Pläne nicht koordinieren könnten und deshalb mengenmäßig nicht der Nachfragesituation angepaßt - manchmal zuviel, manchmal zuwenig - produzierten." Die uneinheitlichen planwirtschaftliehen Vorstellungen erlebten im Krieg und in der Reconstruction-Debatte, befördert durch das Beispiel einer funktionierenden Kommandowirtschaft, eine erneute Hochzeit. Es war jedoch die spezifische Situation des Krieges, die den Erfolg dieser Art der Wirtschafts70 71
The Next Five Years, S. 17 bzw. 14. Macmillan: Reconstruction, S. 16 und 22.
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
Ienkung möglich machte. In Kriegszeiten kann eine Regierung den Wirtschaftsprozeß kohärent planen, weil sie die dominierende Rolle sowohl in der Verteilung der Ressourcen als auch in der Formulierung der Ziele ihres Einsatzes spielt. Die Begrenzung auf ein Ziel, den Sieg, machte auch die Überprüfung der Prioritäten einfach. " .. .in principle, there was a simple measure of value in arriving at administrative judgements as to the utility of alternative courses of action."72: Wichtiger war, was der Kriegsanstrengung mehr nützte.73 Die Planwirtschaft im Krieg nahmen sich eine ganze Reihe von Schriften zum Vorbild, die eine ähnliche Organisation auch für den Frieden forderten." Den ,,Zeitgeist" der Planungseuphorie, der sich auch aus einer gesunden Portion Unkenntnis über die Schwierigkeiten einer Planwirtschaft im Frieden speiste, beschreibt Denis Healey, späterer Verteidigungsminister und Schatzkanzler Labours in den 1970er Jahren, wenn er sich an einen seiner Wahlkampfauftritte 1945 erinnert: "I spoke with total confidence, based largely on total ignorance. When I was asked a question about Britain's export I replied that it was disgraceful to send shoes abroad when there were still children in Britain without shoes. Economics bad not yet come to dominate British politics as it bad ever since that campaign. However, my central theme was sound enough: we must solve the problems of the peace by applying the same planning techniques as we bad used to win the war.""
72 Alec Cairncross: Years of Recovery. British Economic Policy 1945-1951, London!New York 1985, S. 311. 73 Vgl. Oliver Franks: Central Planning and Control in War and Peace, London/New Yorkfforonto 1947, S. 35: Anders als im Krieg gebe es für zentrale Planung und Kontrolle im Frieden kein einheitliches Ziel der Nation. Deshalb müsse die Regierung, die den Plan aufstelle, diese "necessary unity of purpose" im Frieden herstellen: "[ ... ] it comes into being by the deliberate application of human intelligence and will. lt is not born of events but built to master them. Positive central planning in the economic field in peace implies, as a necessary condition, the willingness and ability of Government to define and set the main purpose and general plan for the economic life of the nation as they were determined willy nilly in war-time by inference from the hard fact of war. It implies a deliberate and successful attempt to assert tbe control of reason over the march of events. That is tbe function of the general plan with its imports and export programmes as cutting edges." 74 Vgl. Franks; Barbara Wootton: Freedom under Planning, London 1945; E.F.M. Durbin: The Politics of Democratic Socialism. An Essay on Social Policy, London 3 1948 (l.Aufl.l940), S. 326 "[ ... ] the case for a planned economy, centrally controlled in order to pursue expansionist and egalitarian policies, was urgent and overwhelming [ ... ]" 7 ' Denis Healey: The Time of My Life, London 1989, S. 66.
I. Vorbereitungen auf das Kriegsende und die Regierungsübernahme
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Abgesehen vom äußerst linken Flügel der Keynesianer, der für die Beveridge-Untersuchung zur Vollbeschäftigung verantwortlich war und in Full Employment in a Free Society zumindest für eine ausgedehnte Übergangsphase vom Krieg zum Frieden die Beibehaltung starker planwirtschaftlicher Elemente für notwendig erachtete, setzten sich die einflußreicheren Vertreter der keynesianischen Richtung eher für die Anwendung einer Form der Steuerung der Volkswirtschaft durch den Staat an Hand von fiskalischen Maßnahmen (Economic management), unterstützt von einer begrenzten Anzahl von Kontrollen, ein. Wirtschaftliche Steuerung ist insofern ein anschauliches und auch zutreffendes Bild, da es die Führung einer großen Einheit durch die Manipulation einiger weniger Teile suggeriert (wie die Steuerung eines Schiffes durch die Bewegungen des Steuerruders), ohne daß entscheidende Veränderungen an der großen Einheit selbst vorgenommen werden müssen. Genau eine solche Konstellation war es, die Keynes beschrieben hatte: "The State will have to exercise a guiding influence on the propensity to consume partly through its scheme of taxation, partly by fixing the rate of interest, and partly, perhaps, in other ways. Furthermore, it seems unlikely that the influence of banking policy on the rate of interest will be sufficient by itself to determine an optimum rate of investment. I conceive, therefore, that a somewhat comprehensive socialisation of investmentwill prove tbe only means of securing an approximation to full employment; tbough tbis need not exclude all manner of compromises and of devices by which public authority will co-operate with private initiative [ ... ] It is not the ownership of tbe instruments of production which it is important for the State to assume. If tbe State is able to determine the aggregate amount of resources devoted to augmenting tbe instruments and the basic rate of reward to those who own them, it will have accomplished all tbat is necessary [ ... ] Thus, apart from the necessity of central controls to bring about an adjustment between the propensity to consume and tbe inducement to invest, there is no more reason to socialise economic life than there was before. To put tbe point concretely, I see no reason to suppose that the existing system seriously misemploys the factors of production which are in use [ ...]"Insgesamt würde das marktwirtschaftliche System Vorteile gegenüber jeder anderen ökonomischen Organisation bieten. "They are partly advantages of efficiency - the advantages of decentralisation and of the play of self-interest [...] But, above all, individualism, if it can be purged of its defects and its abuses, is the best safeguard of personal liberty in the sense that, compared witb any other system, it greatly widens the field for the exercise of personal choice. It is also the best safeguard of the variety of life [ ....]"76
76
Keynes: General Theory, S. 378-80.
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Keynes argumentierte hier ausgehend von seiner liberalen, individualistischen Grundhaltung, nicht aus rein ökonomischer Sicht. Er begrüßte daher auch den moralischen Ansatz der schärfsten Ablehnung jeglicher wirtschaftsplanerischer Ansätze, Hayeks ,,Road to Serfdom"77 : "In my opinion it is a grand book. [... ] You will not expect me to accept quite all the economic dicta in it. But morally and philosophically I find myself in agreement with virtually the whole of it; and not only in agreement with it, but in a deeply moved agreement. "" Ökonomisch und in der generellen Einstellung gegenüber der Notwendigkeit staatlicher Intervention kann Hayeks Werk als ein nachgerade anti-keynesianisches Pamphlet bezeichnet werden (es ist dann auch geradezu zum Kultbuch der Neoliberalen in Großbritannien im ,,rollback" gegen die Dominanz keynesianischen Denkens geworden79). ,,Road to Serfdom" soll im übrigen insbesondere auf Churchill einen großen Einfluß ausgeübt und ihn mit dazu bewogen haben, in einer seiner Wahlkampfreden 1945 festzustellen, daß ein Wirtschaftsprogramm nach den Vorstellungen Labours die Einrichtung einer Art Gestapo zur Folge haben müßte.'" Der liberal-sozialistische Keynesianer Meade folgte in seiner Ablehnung einer Zentralplanwirtschaft Keynes' Begründung: "In the first place, the method of direct controls contains a threat to personal freedom. It is not merely that it threatens our freedom of choice as consumers, important though it is." Meade spezifizierte dann die Hauptgefahr für die persönliche Freiheit, die aus einer Planwirtschaft drohen würde und traf damit Labours wunden Punkt. "But the most dangeraus threat to freedom arises from the problern of allocating labour as a factor of production among its various alternative employments. The method of the pricing system would be to allow relative wage rates to rise in those occupations in which there was a relatively high demand for labour and to decline in those occupations in which there was a relatively low demand, and to see that there was the greatest possible ease of movement from the low-paid to the high-paid occupations. The alternative, the direction of labour, is the hallmark of the Servile State [...
r··
Morgan beschreibt die Blüte der Ideologien der wirtschaftlichen Machbarkeil 1945 und die Planungseuphorie vor allem der "policy-making elite" (die F. A. Hayek: The Road to Serfdom, London 1944. Keynes an Hayek (über Road to Serfdom), 28. Juni 1944, in: JMK XXVll, 385. 19 Vgl. dazu: Margaret Thatcher: Die Erinnerungen 1925-1979, Düsseldorf 1995, S. 68/9. 10 Jacques Leruez: Economic Planning & Politics in Britain, London 1975, S. 21. Rundfunkrede Churchills, 4. Juni 1945, in: Churchill: Speeches, Vol. Vll, S. 71697174. 81 Meade: Planning and the Price-Mechanism, S. 6. 77
71
I. Vorbereitungen auf das Kriegsende und die Regierungsübernahme
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sieb nicht nur auf Großbritannien erstreckten.,): "Not since Washington of tbe early New Deal in 1933, tbe beyday of 'tbe man in tbe grey flannelled suit', bad tbe govemmental agencies in a democratic country been so caught up in experimentation and social advance. Tbe gentleman from Whitehall, tbe titan of post-war reconstruction, dominated tbe collective etbos."83 Abgesehen von der prinzipiellen Zustimmung zu dem Diktum, daß der Staat etwas zu tun und die Wirtschaft zu "planen" habe, herrschten aber über das "Wie?" Unsicherheit und gegensätzliche Vorstellungen, innerhalb der neuen Regierungspartei wie zwischen den verschiedenen politischen Gruppierungen, innerhalb des Kabinetts und innerhalb der administrativen Institutionen wie zwischen ihnen und zwischen Regierung und Verwaltung... 4. Großbritannien bei Kriegsende: Ökonomische Situation
Die britische Ökonomie verblieb intern wie in ihrer Position auf dem Weltmarkt von den Auswirkungen des Krieges schwer beschädigt. Physische Zerstörungen, Verfall durch ungenügende Ersatzinvestitionen und die Dislozierung von Arbeitskräften aus der Exportindustrie in die Rüstung oder Armee kennzeichneten den Zustand der Wirtschaft. Das den Amerikanern anläßtich der Verhandlungen um einen Kredit 1945 überreichte Weißbuch sprach von 82 Zum weltweiten staatlichen Einstellungswandel nach dem li. Weltkrieg vgl. Haraid Winkel: Der Glaube an die Beherrschbarkeil von Wirtschaftskrisen (I 933-1970). Lehren aus der Weltwirtschaftskrise, in: Gerhard Schutz (Hg.): Die Große Krise. Vom Niedergang der Weltwirtschaft zum Zweiten Weltkrieg, Göttingen 1985, S. 17-43, S. 29: 1946 verpflichteten die USA im Employment Act ihre Regierung zu einer Politik des .,promote maximum employment, production and puchasing power", in einem 1949 von der UNO veröffentlichten Bericht Maintenance of Full Employment sind 26 Staaten erwähnt, die sich gesetzlich auf staatliche Beschäftigungspolitik verpflichtet haben. Die Artikel 55 und 56 der Uno-Charta enthalten die Verpflichtung der Mitglieder auf eine Vollbeschäftigungspolitik, ebenso die Welthandelscharta von Havanna (1948). 83 Kenneth 0 . Morgan: The People's Peace. British History 1945-1989, Oxford 1990, s. 30. .. Vgl. Edwin Plowden: An ludustrialist in the Treasury. The Post-War Years, London 1989, S. 4: .,Despite Britain' s immense problems, Labour were determined to maintain Britain as a world power. They added to these problems when they committed themselves to honouring the objectives of both the 1944 White Paper on Employment Policy and the Beveridge Report on the Social Services. All this was to be realised by a rather nebulous economic policy which they referred to as 'democratic planning'. lt can best be described as a mixture of physical controls, nationalisation and exhortation, laced with a dash of Keynesianism and a liberal dose of wishful thinking."
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einem externen Disinvestment von ±:4,2 Mrd., internem Disinvestment (Wertverlust aufgrund von hoher Auslastung und nicht erfolgter Ersatzinvestition) von ±:900 Mio. sowie einer physischen Zerstörung (inklusive Schiffsraumverlusten) in Höhe von ±:2,2 Mrd." Das bedeutete, daß etwa ein Viertel des britischen Vorkriegswohlstandes durch den Krieg verloren gegangen war. Die Vorhersage GeneralSmuts über Großbritanniens Nachkriegsposition als: "[... ] one of enormous prestige and respect ... but she will be poor"" hatte sich damit erfüllt. Wichtige Friedensindustrien hatten ihren Markt, Produktionsmittel und Arbeitskräfte verloren. Hinzu kam noch, daß keines der strukturellen ökonomischen Probleme der Zwischenkriegszeit gelöst worden war. Insbesondere der Rückstand in der Produktivität und die mangelnde organisatorische Effizienz industrieller Kernbereiche gegenüber dem Hauptmitbewerber auf den Weltmärkten Vereinigte Staaten hatten eher zugenommen. Trotz größter Anstrengungen der Finanzpolitik endete der Krieg auch mit einem er-heblichen Verfall der Währungsstabilität "There were good grounds for supposing that nothing short of a thoroughgoing monetary reform, on the continental model, would have wrung from the system the excess liquidity that bad been brought into existence by the war" mußte 14 Jahre nach Kriegsende der Radcliffe-Report über das Ausmaß der inneren finanziellen Zerrüttung feststellen.rt Während der Index des Brutto-Inlandsproduktesvom letzten vollen Friedensjahr 1938 (=100) bis zum Ende des letzten vollen Kriegsjahres 1944 auf 123,7 stieg.., vergrößerte sich die Liquidität (Geldmenge M1) im selben Zeitraum auf 223,3." Diese vergrößerte Geldmenge war Ausdruck "Cmd. 6707, Tab. 12. •• Smuts 1943, Zit. nach: Artbur Marwick: Britain in the Century of total War. War, Peace and Social Change 1900-1967, Bostonfforonto 1968, S. 261. 17 Report of the Committee on the Warking of the Monetary System, Cmnd. 827 (1959), Para. 45. " Eigene Berechnung, nach Zahlen von Mitchell: British, S. 840. •• Eigene Berechnung, nach Zahlen von Forrest Capie/Alan Webber: A Monetary History of the United Kingdom, 1970-1982, Volume 1: Data, Sources, Methods, London 1985, S. 120. Einen erheblichen Anteil der angewachsenen Liquidität beherbergte das Bankensystem: 1939 verfügten die Clearing Banks über f:659,4 liquide Mittel (29,4% der Gesamtdepositen). 1945 waren 60,2% der Depositen "bot money" bzw. sehr kurzfristig verfügbar (f:2931,8), nach: The Economist, Volume 149, 1945, Banking SupplementS. 1 (27.10.1945). Die Erhöhung des Umfanges der liquiden Mittel der Banken war eine Folge der Verschuldungspolitik der Regierung. Auch Keynes setzte sich im Krieg dafür ein, die Möglichkeiten der staatlichen Verschuldungen bei den Banken (durch die Ausgabe von Treasury Bills - Schatzwechseln und Treasury Deposit Receipts) nicht zu stark zu begrenzen, da nicht die so entstehende Geldschöpfung inflationäres Potential erzeuge, sondern die durch staatliche Rüstungsaufträge
I. Vorbereitungen auf das Kriegsende und die Regierungsübernahme
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eines Konsumpotentials, dem kein entsprechendes Angebot gegenüberstand. Freigabe des Konsums hätte augenblicklich zu erheblichen Preissteigerungen führen müssen. Noch gefährlicher wurde diese Entwicklung durch den absoluten Rückgang der Staatsausgaben seit 1944, beschleunigt nach Kriegsende. Dieser Rückgang brachte zunächst auch eine Verkleinerung der Produktion mit sich, was das Ungleichgewicht zwischen Wirtschaftsleistung und Kaufpotential noch verstärkte. Schwer wogen zudem die außenwirtschaftliehen und -finanziellen Belastungen. Durch die exzessive Kriegsmobilisierung war die britische Exportfähigkeit, die für die Begleichung der notwendigen Importe notwendig war, stark eingeschränkt worden. Daneben zog die Einbeziehung der Exportindustrien in den Kriegseinsatz den Ausfall von traditionellen Märkten nach sich, auf denen (wie in Südamerika die USA) andere Anbieter nachgerückt waren, gegen deren überlegene Konkurrenz eine Wiedergewinnung kaum möglich sein würde. Durch den Verlust an Schiffstonnage und Kapitalanlagen im Ausland war auch die Möglichkeit für "invisible exports" geschrumpft. Ebenso problematisch waren die außenpolitischen Modalitäten des Friedens: die militärischen Verpflichtungen, von denen aus Empire-Sentimentalitäten keine Partei ablassen wollte, waren sehr teuer. In Verbindung mit den hohen Schulden im Ausland - in Pfund gegenüber den Ländern der Sterling-Area, in Dollar gegenüber den USA und Kanada -, die Großbritannien vom Nettogläubiger vor dem Krieg zum weltgrößten Schuldner hatte werden lassen, drohten erhebliche Zahlungsbilanzprobleme."' Das plötzliche Ende von Lend Lease, der britischen Lebensader aus den USA, nach VJ-Day (dem Ende des Krieges gegen Japan) ließ Großbritannien dastehen ,.with a very !arge army, a very small export trade, and nothing in the kitty. She somehow bad to beg, borrow or steal a living. The Government tried each in turn."•' entstehende Übernachfrage. Vgl. Sayers: Financial Policy, S. 204. Die Gefahren der Überliquidität wurden dabei allerdings zu gering eingeschätzt, vgl. Willi A. Boelcke: Kriegsfinanzierung im internationalen Vergleich in: Friedrich Forstmeier/ Hans-Erich Volkmann (Hg.): Kriegswirtschaft und Rüstung 1939-1945, Düsseldorf 1977, S. 1469, S. 29: ,,Bei einer Kriegskostendeckung über Wechselfinanzierung gegen Ausgabe neuer Banknoten borgt der Staat bei sich selber (bzw. seiner Notenbank), befriedigt zwar seine privaten Gläubiger, aber verwandelt Staatsschuld in inflationäres, immer wertloseres Papiergeld und zerstört seine Währung." 90 "This change in Britain' s external position meant more than a loss of wealth. For many years to come, an enormaus weight of liquid liabilities overhung tbe balance of payments, threatening a flight from the pound, limiting the freedom of action of the government and contributing to the jerkiness of post-war growth which was later to be christened 'Stop-go' ." Cairncross: Years, S. 8. •• Clarke: Question. S. 180.
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Die Vereinigten Staaten hatten bereits während des Krieges deutlich gemacht, daß eine Unterstützung der Briten nur zu ihren Bedingungen in Frage kommen und daß damit die Zementierung des amerikanischen Führungsanspruches und die Anerkennung der amerikanischen Werte in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen verbunden sein würdeon: das hieß vor allem Zustimmung zur Abschaffung der Imperial Preferences und zum Prinzip des Freihandels (Artikel VII des Mutual Aid Agreements). Gleiches galt auch für die Neuordnung der internationalen Finanzstrukturen. Keynes mußte als Verhandlungsführet der britischen Delegation in Bretton Woods akzeptieren, daß die USA als weltgrößter Goldeigner das Edelmetall als Grundlage eines monetären Systems restituieren wollten; ebenso folgte das Abkommen dem amerikanischen White-Plan (nach dem US-Verhandlungsführer Harry White) in der engen Begrenzung der Möglichkeiten des International Monetary Fund zur Schaffung internationaler Liquidität.•' Wiederum Keynes war es (gemeinsam mit Lord Halifax.,.), der die britische Delegation in den Verhandlungen um eine amerikanischen Hilfe nach der Beendigung von Lend Lease (sog. Stage III von Lend Lease) leitete. Keynes sah drei Lösungsmöglichkeiten für die Schwäche der Dollarreservesituation der Briten: "Starvation Corner, Temptation, Justice" wobei er die Möglichkeit Justice, i.e. großzügige Hilfe der Amerikaner für die geleisteten Kriegsanstrengungen, als einzig richtige und annehmbare herausstellte. Die Lösung Temptation, die Keynes abzulehnen empfahl, die jedoch den tatsächlichen amerikanischen Bedingungen recht nahe kam, war ein großer amerikanischer Kredit zu kommerziellen Konditionen, verbunden mit Erfüllung der wirtschaftspolitischen Forderungen der USA (Freihandel, Sterling-Konvertibilität). Starvation Corner meinte den Versuch einer von den USA unabhängigen on Zur Geschichte der anglo-amerikanischen Zusammenarbeit bei der Neugestaltung der internationalen Finanz- und Wirtschaftsordnung immer noch maßgeblich: Richard N. Gardner: Sterling-Dollar Diplomacy. Anglo-American Collaboration in the Reconstruction of Multilateral Trade, Oxford 1956. Siehe weiterhin L.S. Pressnell: Externat Economic Policy since the War. Valurne I. The Post-War Financial Settlement, London 1986, in dem auch die offiziellen Akten (insbesondere des Public Record Office) verarbeitet sind. •• Zu Bretton Woods siehe L.S . Pressnell, Kapitel 7. •• "In Washington Lord Halifax Once whispered to Lord Keynes lt's true they've got the money bags But we have all the brains." Anonymes Gedicht, Überbleibsel aus den LoanVerhandlungen, zit. nach: Richard N. Gardner: Sterling-Dollar Diplomacy in Current Perspective, in: W .M. Roger Louis/Hedley Bull (Hg.): The 'Special Relationship' . Anglo-American Relations since 1945, Oxford 1989, S. 185-200, S. 185.
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Politik der bilateralen Abkommen, die Keynes für unmöglich hielt. Ohne amerikaDisehe Hilfe auszukommen müßte zu einem "financial Dunkirk" führen.9' Nach harten Verhandlungen, bei denen deutlich wurde, daß die Vereinigten Sta:tten Großbritannien zukünftig nur noch als Juniorpartner eines weltwirtschaftliehen Systems, das nach amerikanischen Regeln funktionieren sollte, zu sehen gewillt waren, mußten die Briten die Lösung Temptation akzeptieren, eine Kreditlinie von $3,75 Mrd. mit einer Verzinsung von jährlich 2%. Problematisch waren die Bedingungen des Kredites: Das Pfund Sterling mußte ein Jahr nach lokrafttreten des Abkommens konvertibel zum Dollar werden. Weiterhin bedeutete das Abkommen die endgültige Zustimmung zum Artikel VII Mutual Aid und damit zum Verzicht auf die Empire Preferences (andererseits war es in den Regelungen über das Ende von Lend Lease großzügig, da es Großbritannien von allen Zahlungsverpflichtungen für die unter der Lend Lease-Gesetzgebung gelieferten Güter befreite, was vorher in den USA durchaus nicht als selbstverständlich angesehen worden war).96 Für die eben inaugurierte Labour-Regierung bedeuteten die Verhandlungen um den amerikanischen Kredit die erste schwerwiegende Kabinettskrise. Bei einigen Regierungsmitgliedern war der Widerwille beträchtlich gewachsen, als Siegermacht eines Krieges, in dem England alles mögliche getan und geopfert hatte, sich nach dem Sieg mit einer immensen Schuldenlast gegenüber ., Keynes, The Present Overseas Financial Position of U.K., TreasuryMemorandum, 13.8.1945 (1. Fassung 23.7.), in: JMK XXIV, S. 377-411, S. 410. Das Memorandum war Grundlage eines Minister-Treffensam 23.8., auf dem die Strategie für Stage 111 (im Lichte des erfolgten Abbruches von Lend Lease) besprochen wurde. Den Begriff "finanzielles Dünkirchen" gebrauchte Keynes zum ersten Mal in einem Brief an R.H. Brand vom 11.7.1945, in: The Collected Writings of John Maynard Keynes, Volume XXIV: Activities 1944-1946. The Transition to Peace, hgg. von Donald Moggridge, London/Basingstoke 1979, S. 372-376, S. 374 (im folgenden zitiert als JMK XXIV). Allerdings ist "Dünkirchen" nicht undifferenziert mit Katastrophe oder Niederlage zu übersetzen, sondern es bedeutete vor allem, daß Großbritannien in diesem Falle einen harten Kampf - mit schweren Opfern - alleine würde durchstehen müssen. Das dann Notwendige war nach Keynes Beibehaltung aller Rationierungen und Kontrollen des Krieges in der Übergangsphase, die allerdings konsequenter durchgesetzt werden müßten, für drei bis fünf Jahre, Planung und Lenkung des Außenhandels nach sowjetischem Muster und ein nahezu vollständiger Abbruch jeglicher staatlicher Übersee-Aktitvitäten. •• Financial Agreement Between the Governments of the United States and the United Kingdom, (1945) Cmd. 6708.
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
einem der Alliierten wiederzufinden. Eady berichtete dem Verhandlungsführer Keynes aus London weiterhin, daß die Idee, mit einer verschärften Austerity-Politik unabhängig von der Unterstützung der Vereinigten Staaten einen Weg des wirtschaftlichen Wiederaufbaus zu suchen, immer größeren Anklang fand.97 Während einer Sitzung des Kabinetts am 6. November eskalierte der Streit: nur mit größter Mühe und unter Schilderung eines wahrhaft düsteren Szenarios (von einem Zusammenbruch der Exportwirtschaft und einer Kürzung aller Lebensmittelrationen außer Brot und Kartoffeln war die Rede) gelang es Dalton, der bereits eine Rede zum Abbruch der Verhandlungen vorbereitet hatte, und Bevin, die dissentierenden A.V. Alexander (First Lord of the Admiralty), A. Bevan (Gesundheitsminister) und E. Shinwell (Energieminister) von der Notwendigkeit der Vertragsunterzeichnung zu überzeugen." Keynes war sich sicher: "If negotiations bad broken down and we bad not get the loan, I do not believe the Labour Govemment could have Iasted a year ... I doubt if the poor, silly Cabinet caught a glimpse ofthat possibility, or probability as I should view it, even out of the comer of their eyes."99 Für die Labour-Minister, die auf die Annahme drängten, waren aller Wahrscheinlichkeit nach vor allem innenpolitische Gründe maßgeblich. Sie wollten durch den Dollarzustrom Zeit gewinnen, um ihr ReconstructionProgramm im Inland weiterführen zu können, das sie für die wesentliche Grundlage ihres Wahlsieges (und damit ihrer Macht) hielten. "[...] the Labour govemment sought the dollar credit in an attempt to avoid abandoning its own domestic programme, which in Dalton's view was the main justification for having a Labour govemment. '"00 Die Summe der Kriegsfolgen bedeutete einen erheblich eingeschränkten Bewegungsspielraum der Wirtschafts- und Finanzpolitik: die hohe Auslandverschuldung und die Zahlungsbilanzprobleme erzwangen eine entschiedene Ausrichtung aller Anstrengungen beim wirtschaftlichen Wiederaufbau auf den Export zur Devisenerwirtschaftung. Die Priorität des Exportprogrammes verringerte noch die Menge der im Land zur Verfügung stehenden Waren, die ohnehin einem gewaltigen Liquiditätsüberschuß in den Händen der Öffent97 BriefW. Eadys an Keynes, 28.9.1945, in: JMK XXIV, S. 520-523. •• Protokoll der Sitzung in C.M.(45) 50th Conclusions. Confidential Annex, 6. November 1945 in PRO CAB 128/4 Cabinet Conclusions. C.M.(45) Series. Vgl. Dalton: High Tide, S. 79. 99 Brief an Kingsley Martin, 25.12.1945, in: JMK XXVIII, S. 218-221 . S. 220. 100 Peter Burnham: The Political Economy of Postwar Reconstruction, New York 1990, S. 56. Vgl. Dalton: Fateful Years, S. 479 ,Jn negotiating the Anglo-American Loan Agreement, he [Keynes) saved us from mass unemployment and starvation in the early months of Labour rule."
II. Die Integration von Finanzpolitik und Wirtschaftspolitik
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licbkeit gegenüberstand. Damit hatte auch in den ersten Friedensjahren die Finanzpolitik (unterstützt von einer ganzen Batterie weiterbestehender Kontrollen) in erster Linie den Nachfragedruck abzuschwächen; eine spürbare Senkung des Steuer- und Abgabenniveaus dagegen würde auf absehbare Zeit unmöglich sein. Dabei mußten Neu- und Ersatzinvestitionen in den Export-, aber auch in den Investitionsgüterindustrien absoluten Vorrang haben gegenüber allen Bemühungen, den Konsum im Inland anzukurbeln. Dies wiederum ließ den Verteilungsspielraum für soziale Fortschritte extrem eng werden, so daß letztlich eine egalisierende Sozialpolitik nur noch in Form einer Nivellierung des Volkswohlstandes nach unten denkbar war. Das Bekenntnis zu einer keynesianischen Nachfragepolitik mußte in dieser Situation eine andere Konnotation erhalten, als im Krieg erhofft (bzw. von Seiten der Treasury befürchtet) worden war. Demand management konnte wie im Krieg auch in den ersten Friedensjahren nur eine rigorose Sparsamkeit der öffentlichen Hand sein und kein Bruch mit der finanziellen Orthodoxie zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Diese Aussicht ließ ganz neue Konstellationen von Befürwortem und Gegnern des wirtschaftspolitischen Keynesianismus erwarten, in denen sich die Sozialreformer, und zu denen gehörten nicht zuletzt einige der führenden Köpfe Labours, auf der Seite der Ablehnenden wiederfinden würden, während das Schatzamt mit der Zeit paradoxerweise die Ideologie, die einst angetreten war, den Treasury View zu überwinden, in eben diesen inkorporieren konnte.
II. Die Integration von Finanzpolitik und Wirtschaftspolitik 1. Wirtschaftliche Entwicklung und Wirtschaftspolitik in den ersten Nachkriegsjahren Trotz der enormen Wohlstandsverluste durch den Krieg und der weiter ungelösten strukturellen Probleme der britischen Wirtschaft schien 1945 und 1946 die Wirtschaftspolitik der Labour-Regierung allen Grund zur Zufriedenheit zu bereiten. Die industrielle Demobilisierung gelang überraschend schnell und reibungslos und die wichtigen ökonomischen Indikatoren (Investitionen, Exporte, industrielle Produktion) zeigten eine rapide Aufwärtsbewegung der Wirtschaft an, bei niedrigem Importlevel und Vollbeschäftigung - wie im übrigen während der gesamten Regierungszeit Labours 1945 bis 1951 (vgl. nachfolgende Tabelle).
15 OUo
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945 Tabelle 3 Indikatoren der wirtschaftlichen Entwicklung 1946-50101
Beschäftigte/Industrie Industrielle Produktion Konsumausg. (Preise von 1948) Exportvolumen Im ortvolumen
1946
1947
1948
1949
1950
100 100 100 100 100
108 108 103 110 114
111 121 103 139 119
112 129 105 153 129
115 140 108 177 130
Ebenso günstig erschienen die direkt von der Regierung beeinflußbaren Variablen: der Marktzins blieb aufgrundder "ultra cheap money policy" Daltons bei 3% und begann sogar leicht nach unten zu tendieren, und die ausgeübten Kontrollen in Verbindung mit den Lebensmittelsubventionen und der Stillhaltetaktik der Gewerkschaften hielten die Inflationsrate gering. Mit Recht konnte Dalton im Rückblick 1946 als das "Annus Mirabilis" und "High Tide" Labours bezeichnen, in dem sich auch seine persönliche Karriere auf dem Höhepunkt befunden habe: ,,Looking back now, my frrst year and a half at the Treasury, from July 1945 to January 1947, was the high-water mark of all my public life, my peak of happiness, of power, of repute and of achievement. Durlog those months I was gay, confident, tireless, influential, on the whole successful. " 102 Labour schritt in beispiellosem Tempo mit der Gesetzgebung voran, deren strategische Linie die Partei in ihrem Wahlprogramm 1945 angekündigt hatte: nach dem 1945 noch von der Koalition beschlossenen Family Allowances Act folgten 1946 an weiteren Wohlfahrtsgesetzen der Industrial Injuries Act, der National Insurances Act, der National Assistance Act und der National Health Service Act, womit das eine große Ziel der Reformer, ein nationales Gesundheitswesen, bis 1948 in Kraft treten konnte. Ebenso rasch gingen die ersten Verstaatlichungen vonstatten: Morrison als Vorsitzender des Cabinet' s Socialisation of lndustry Committee und als Leader des Unterhauses war die Schlüsselfigur in diesem Programm, mit dem bis zum 1. Januar 1947 die ersten "commanding heights" der Volkswirtschaft, die Bank of England, die Zivilluftfahrt, Telekommunikation und, für Labour mit den meisten Emotionen verbunden, der Kohlebergbau in öffentliche Hand überführt wurden. 1947 folgten die Eisenbahnen, Elektrizität und Transportwirt101 G.D.N. Worswick: The British Economy, 1945-50, in: Worswick/Ady (Hg.), S. 1-34, S. 3. 102 Hugh Dalton: High Tide and After. Memoirs 1945-1960, London 1962, S. 4. Vgl. auch die Bezeichnung "Labour's HighNoon" für die Jahre 1945-47 in Morgan: People's Peace, S. 29.
ll. Die Integration von Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik
227
schaft. Nachdem die Krise um die amerikaDisehe Loan überstanden war, schien die wirtschaftliche Entwicklung so reibungslos zu verlaufen, daß allem Anschein nach kaum jemand in Regierung und Verwaltung glaubte, sich Gedanken über eine kohärente Wirtschaftspolitik oder zukünftige Prinzipien derselben machen zu müssen. D.N. Chester stellte fest: ,,Looking back now one can see that many Ministers and senior offleials showed undue satisfaction, even smugness, during the ftrst year at least of the Labour Government. "103 Doch die Selbstgerechtigkeit entbehrte jeder Grundlage, denn es zeigten sich am Horizont der außenwirtschaftliehen Lage bereits dunkle Wolken, die jenes Gewitter ankündigten, das 1947 über die Regierung hereinbrechen sollte. Die aufziehenden Schwierigkeiten lagen vor allem in den Kriegsfolgen begründet, die Großbritannien vom Nettogläubiger zum größten Schuldner weltweit gemacht hatten; in Verbindung mit der gestörten Exportindustrie bei weiterhin großer Importabhängigkeit im Rohstoffbereich, aber auch bei Investitionsgütern, und damit eines ständigen Überschusses in der Leistungsbilanz der USA, ergab dies eine explosive Zahlungsbilanzsituation, die eine gefährliche Dollarknappheit erzeugte, von der eine Gefährdung der Zahlungsfähigkeit ganz Westeuropas, insbesondere aber Großbritanniens ausging. Tabelle 4 Handelsbilanz Westeuropas mit den USA 1937-51, in Mio. $104
1937 1938 1946 1947 1948 1949 1950 1951
Ergebnis Handelsbilanz, in Mio. $ -655,67 -898,66 -2356,11 -4742,14 -3345,47 -3491,59 -1755,92 -2510,71
Die Universalität der Dollarknappheit verhinderte, daß Großbritannien, wie es vor dem Krieg noch möglich gewesen war, das Defizit in der Dollarbilanz 103 D.N. Chester: Machinery of Government and Planning, in: Worswick/Ady (Hg.), S. 336-364, S. 341. 104 Alan S. Milward: The Reconstruction of Western Europe 1945-51, London 1984, S. 27.
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
durch eine moderne Form des Dreieckshandels ausgleichen konnte: in den 1930er Jahren erwirtschaftete das Vereinigte Königreich gegenüber der Sterling-Area Überschüsse, für die die Länder der Sterling-Area wiederum mit ihren Dollarüberschüssen (die sie als Rohstofflieferanten im Handel mit den USA erzielten) bezahlten. Nach dem Krieg waren diese "weichen" Währungen jedoch nicht mehr konvertibel zum Dollar, woran das ganze System zerbrach. 105 Labour war im Wahlkampf 1945 mit der kategorischen Aussage aufgetreten, die Wirtschaftskontrollen der Kriegszeit als Mittel der Überwindung der durch die Mobilisierung für den totalen Krieg hervorgerufenen ökonomischen Unordnung auch in der Nachkriegsperiode aufrechterhalten zu wollen. Dementsprechend extensiv zeigte sich dann auch der Katalog der Kontrollen (ein Führer des Board of Trade über Rohstoffkontrollen allein umfaßte 90 Seiten'"'), die das wirtschaftliche Leben und das Konsumverhalten des einzelnen bestimmten. Die wichtigsten der Konsumgüterrationierung unterworfenen Güter waren Kohle, Nahrungsmittel, Kleidung und Möbel. Diese Art der Kontrollen betraf auf dem Höhepunkt 1948 ca. ein Drittel aller Konsumgüter (nach 1949 nie mehr als 118). Insgesamt war die Rationierung jedoch nur wenig effektiv, wie sich an der kaum veränderten Verbrauchsmenge von Kartoffeln (rationiert im Nov. 1947), Brot (zwischen Juli 1946 und Juli 1948) und bei der Aufbebung der Bekleidungsrationierung zeigte. Weitere Konsumkontrollen waren notwendige Lizenzen für einen Großteil der Produktion und der Verteilung; die Produktion war außerdem einer Reihe von Beschränkungen im Import und der Verwendung von Rohstoffen unterworfen. Die Regierung war zwar bemüht, die Größe und Zusammensetzung der privaten Investitionen - durch Baulizenzen, Allokationskontrollen von Stahl und Holz und durch moralischen Druck auf Produzenten, den Maschinenexport zu erhöhen - zu beeinflussen. Zudem schuf sie sich mit dem Investment (Control and Guarantees) Act von 1946 ein Mittel, durch das die Treasury Kapitalemissionen kontrollieren konnte.'07 Ähnlich wie die Rationierungen der KonVgl. Booth: British, S. 131; Cairncross: Years, S. 67-69. '"' Nach Cairncross: Years, S. 333. 107 Daltons Investitionskontrollgesetz erfuhr von Meade eine vernichtende Kritik: "The Chancellor has produced a Bill on the control of investment whicb merely continues control over new issues and provides small Govemment guarantees for new capital raised for industry. This, in a short-sighted political frame of mind, be wished to present to Parliament as the Govt's scheme for the control of investment, claiming tbat he has tbus brougbt into being one more of tbe pledges in the Labour Party' s 105
ll. Die Integration von Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik
229
sumgüter waren auch die Investitionskontrollen jedoch nur wenig effizient. Preiskontrollen umfaßten bei Kriegsende etwa 50% der Konsumgüter und blieben durchweg bis 1949-50 in Kraft. als einige der am wenigsten effektiven dieser Kontrollen abgeschafft wurden- etwa auf nichtrationierte Nahrungsmittel (um dann wegen der Preissteigerungen durch den Koreakrieg wieder eingeführt zu werden). Besonders strikt wurden aufgrundder gefährlichen Devisenknappheit die Importe durch den Staat kontrolliert. Während im Krieg alle Importe entweder durch den Staat oder lizensiert durchgeführt wurden, war der Anteil 1946 auf 4/5 der Nahrungsmittel und der Rohstoffe und 2/3 der sonstigen Einfuhrgüter gesunken. Letzere Zahl fiel weiter bis 1950 auf 50%. Die Devisenkontrollen wurden während der ganzen Regierungszeit Attlees nur in der kurzen Phase der Konvertibilität 1947 aufgehoben, sie blieben ansonsten sogar bis 1958 in fast unverminderter Schärfe bestehen. Diese Handhabung der Import- und Devisenkontrollen reflektierte die ständigen Zahlungsbilanzprobleme des Landes.'0 ' 2. Die Entstehung der Economic Surveys: Schwierigkeiten in der Prognose wirtschaftlicher Daten
Das wesentliche Ziel der keynesianischen Wirtschaftsplaner war die Integration der Wirtschaftspolitik und der Finanzpolitik: die Regierung sollte durch Manipulationen des Budgets die volkswirtschaftliche Gesamtnachfrage steuern und so bestimmte wirtschaftspolitische Ziele erreichen können. Seit 1945 drängte Meade darauf, in die Economic Surveys der Regierung (zuerst interne, später veröffentlichte Übersichten über wirtschaftspolitische Ziele) wie im Krieg auch die Finanzpläne einzubeziehen, um so die Verbindung von Finanzpolitik und Wirtschaftspolitik zum Ausdruck zu bringen. Vorbild sollten die im Krieg erstellten Weißbücher zur Entwicklung des Volkseinkommens sein. Für eine keynesianische Politik der Nachfragesteuerung zur Stabilisierung der Beschäftigung war eine derartige Finanzplanung, nach Möglichkeit für mehrere Jahre in die Zukunft. unabdingbare Voraussetzung: nur so würden konjunkturelle Entwicklungen rechtzeitig aufgespürt und entsprechenprogramme. This is absurd. lt is no more a proper control of investment than anything we had before the war. lt is pure eye-wash. The real control is the exercise of all controls and policies throughout Whitehall on the basis of the Plan." Tagebuch Meade, Eintrag 2. Dezember 1945, in: Howson/Moggridge (Hg.): Meade-Diary, S. 176. 101 Zum Komplex Wirtschaftskontrollen siehe Cairncross: Years, S. 333-9; G.D.N. Worswick: Direct Controls, in Worswick/Ady (Hg.); S. 278-312, 283ff.; J.C.R. Dow: The Management of the British Economy 1945-60, Student's Edition Cambridge 1970, s. 168-172.
230
C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
de Maßnahmen ergriffen werden können (ein starres System ökonomischer Kontrolle erfordert dagegen keine ausgereifte wirtschaftliche Prognosefähigkeit). Die Analyse der grundsätzlichen Haltung zu diesem Bestandteil der Economic Surveys läßt Rückschlüsse zu einmal auf die Einstellung gegenüber einer Verbindung von Finanzpolitik und Wirtschaftspolitik innerhalb von Regierung und Verwaltung, über den Grad der Akzeptanz der keynesianischen Analyse, zum dritten aber auch - da unter den gegebenen Umständen die Prognosen den Aufbau einer großen inflationären Lücke zwischen Nachfrage und Angebot ausweisen mußten - über die Bedeutung, die einer Nachfragedämpfung als Mittel der Inflationsbekämpfung zugemessen wurde. Vor allem auf Druck Cripps• und gegen den Widerstand Morrisons, der solchen globalen Planungsvorstellungen ablehnend gegenüberstand. beauftragte das Kabinett am 21. August 1945 Bridges (als Head of the Horne Civil Service) damit, ein organisatorisches Schema auszuarbeiten, in dem ein Fünfjahresplan zur Umsetzung der wirtschaftspolitischen Ziele der Regierung entwikkelt werden sollte. Bridges vertrat dabei mit seiner Konzeption geschickt die Position der Verwaltungsspitze in der Diskussion um die Begründung einer zentralen Planungseinheit "To the established civil service it was most undesirable that a large additional economic staff should be created, as this would by its very existence erode the traditional areas of responsibility of other departments."'09 Er schlug daher vor, auf die Erfahrungen aus den Diskussionen um die Beschäftigungspolitik im Krieg aufzubauen und empfahl die Besetzung eines Steering Committees auf höchster (Civil Service)-Ebene, das den Ministern Vorschläge zur längerfristigen Planung der Ressourcenverwendung machen sollte. 110 In diesem Official Steering Committee on Economic Development (OSCED) saßen die Permanent Secretaries der Treasury, des Board of Trade, Ministry of Labour (and National Service), Ministry of Supply sowie mit Gilbert ein weiterer Vertreter des Schatzamtes, E.M. Niebolsou aus dem Büro des Lord President und Meade für die Economic Section. Das Committee bildete verschiedene "Working Parties" zu den wichtigsten wirtschaftlichen Problembereichen (wirtschaftliche Entwicklung; Erarbeitung von Statistiken; öffentliche und private Investitionen; Zahlungsbilanz; Manpower), in denen die Vertreter der Treasury wenn nicht den Vorsitz (wie Bridges im Gesamtkomitee), so doch die Mehrheit stellten. Die wichtigste Aufgabe des OSCED war die Vorbereitung der Economic Surveys, von Übersichten und 109 Barker, S. 475.
Tagebuch Meade, Eintrag 26. August 1945, in Howson/Moggridge (Hg.): MeadeDiary, S. 116. 110
II. Die Integration von Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik
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Prognosen über die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, anband derer das Kabinett Planungsentscheidungen treffen können sollte. 111 Auf Morrisons Anforderung hin produzierte Meade ein Papier ,,Economic Planning"' 12, dessen Inhalt das OSCED sich als Agenda zulegte. Meades Argumentation war, daß wirtschaftliebe Planung das Wissen um die Entwicklung von vorbandenen Ressourcen und der Nachfrage nach ihnen erforderte. Wirtschaftliebe Planung sei der Ausgleich zwischen beiden; weil dies in der Zwischenkriegszeit nicht geschehen sei, habe sieb die Arbeitslosigkeit in den "depressed areas" als so hartnäckig erwiesen. "If throughout that period there bad been a high demand for labour in many other sectors of the economy, it would have been much easier to persuade new enterprise to go to depressed areas where labour was plentiful, and to encourage the movement of labour itself out of the especially depressed occupations and localities." "The basic question is whether the sum total of all these requirements [nach Ressourcen] is likely, on the basis of current programmes and policies, to exceed or to fall below the total resources available for use. An excess of total demands on the available resources will Iead to inflationary difficulties; a deficiency will cause deflation, general economic depression, and widespread unemployment. Programmes and policies must be so adjusted as to close any overall inflationary of deflationary gap of this character." Dabei müsse Planung aber "in terms of the broad categories of demand" gestaltet werden, nicht für jedes einzelne Gut. Dies sei administrativ ausgeschlossen und würde zudem die Freiheitsrechte des einzelnen Konsumenten und Arbeiters unzumutbar einschränken. Die Darstellung im Economic Survey sei auf jeden Fall in Geldeinheiten vorzunehmen, da nur so eine Vergleichbarkeit zwischen unterschiedlichen Ressourcen und Arten der Nachfrage möglich werde. ,,For this reason, the best procedure is to consider: on the one band, the 'target' money national income wbich the available resources could produce if they were productively employed and if inflation of prices and money wage-rates were avoided; and on the other band, the total national expenditure which is involved in the purchase at uninflated money prices of the goods and services required for various purposes." Aufgrund der Daten eines solchen Economic Survey sollte es in Zukunft möglich sein"[ ... ] to indicate not only the probable dimensions of 111 Minutes of Meeting, 12. September 1945 und "Draft Progress Report; Note by Joint Secretaries" E.D.(45)2, 8. November 1945, in PRO CAB 134/186 Official Steering Committee on Economic Development, E.D.(45) Series. Memoranda and Meeting. Vgl. CAB 21/2217 "Outline History of Central Organisations for Economic Policy (1919-1947)". 112 Von diesem Memorandum enstanden mehrere Entwürfe im September; die endgültige Version ist vom 7. November 1945, E.D.(45)1, in PRO CAB 1341186.
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
any future 'inflationary' or 'deflationary' gap, between available resources and the total claims likely to made on them, but also the alternative ways in which the gap might be closed." Zur Schließung der "gaps" schlug Meade den Einsatz fiskalischer Mittel vor: "A reduction in general taxation will leave consumers with larger sums to spend on the purchases of goods and services. Fiscal penalties and inducements might be so devised as to induce private enterprise to programme its development in the amounts and at the times which are in the social interest." Meade gelang es mit seiner Argumentation, die administrative Maschinerie zur Vorbereitung und Ausarbeitung der Wirtschaftspläne der Regierung auf seine Vorstellungen (die er in diesem Punkt in gewissem Maße auch seinem politischen Vorgesetzten Morrison vermitteln konnte113) von der Steuerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage durch die Budgetpolitik als wesentlichen Bestandteil der Wirtschaftsplanung festzulegen. Dadurch, daß niemand im Kabinett dieser Festlegung widersprach, entlarvten sich die Prediger einer durchgreifenden Planwirtschaft um Cripps' 14 (die "Gosplanites") bereits in den 113 Vgl. Morrisons Planungsdefinition: "One of the greatest differences between planning and laissez faire, isthat under laissez faire it is no one's business to forecast this gap [zwischen Nachfrage und Ressourcen] which is left to close itself under the uncontrolled interplay of economic forces. Whereas planning throws a spotlight on the gap and then arranges to close it in the way most advantageous to the national interest by measures taken by the Government or on Government initiative." "Address by the Right Honourable Herbert Morrison, M.P., Lord President of the Council, to the Institute of Public Administration", 17. Oktober 1946 (Carlton Hotel, Haymarket), E.D. (46)31, S. 7, in PRO CAB 1341189 OSCED. Minutesand Papers E.D.(46) Ser. 114 Vgl. Radioansprache Cripps (für Ausstrahlung in den USA), 30. Juli 1945: "We [Labour] sought power to plan the orderly development of the country's resources, bringing some few of the more important industries under national ownership, while retaining a system of planned and controlled private industry for the rest." Zit. nach Eric Estorick: Stafford Cripps. Master Statesman, New York 1949, S. 300. Richard Clarke aus der Overseas Finance Division der Treasury (der später für die Formulierung wesentlicher Teile des publizierten Surveys für 1947 verantwortlich war) erkannte dagegen sofort die Probleme, die sich aus den unterschiedlichen Ausrichtungen der Economic Section und der Mehrheit der Minister ergaben (Brief an Meade o.D.): ,,1 am not at all sure that you are comparing like with like. There is an implicit assumption that all types of resources are thoroughly mobile, both industrially and marketwise. The new method is extremely difficult for Ministers and senior officials to understand. If we bad balanced the manpower budget and showed an inflationary gap nevertheless, would we then create unemployment to close it? As I see it, the purpose of overall planning is to ensure a global consistency of Government programmes and policies, and to do that one has to relate it very closely indeed to individual pro-
II. Die Integration von Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik
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ersten Wochen der Labour-Regierung als nicht mehr denn Prediger ohne konkrete Vorstellungen über die Umsetzung der eigenen Ideologie:" Zwar sollte das OSCED nur die eigentlichen Planungsantrengungen des Kabinetts unterstützen; die Bedeutung des Komitees als administratives Spitzengremium reichte jedoch weit über bloße Zuarbeitungsfunktionen hinaus. Morrison machte 1946 deutlich, welches Gewicht dem OSCED zukam: "The central piece of machinery to assist the Cabinet in planning is the Official Steering Committee representing the key economic Departments together with the Economic Section of the Cabinet Office, the Central Statistical Office and my own Office. This Steering Committee forms the central economic team responsible for gathering and assessing economic intelligence, preparing forecasts, framing economic plans, advising Ministers on the advantages and disadvantages of these plans, and keeping under review the execution of plans when authorised and put into operation. " 116 Die Festlegung auf eine bestimmte Planungsdefinition im OSCED würde mit großer Wahrscheinlichkeit auch eine erhebliebe Bedeutung für die Gesamtstrategie der Wirtschaftspolitik der Regierung haben. Nach der Definition der allgemeinen Grundsätze der Erstellung der Economic Surveys blieben zwei Fragen ungelöst, die in der Folgezeit zu den Hauptdiskussionspunkten im OSCED wurden: die Frage, ob die Surveys veröffentlicht werden und die Frage, welchen Zeitraum sie abdecken sollten, das Finanz- oder das Kalenderjahr. Um die Publikation der Surveys wurde bis Anfang 1947 gestritten; die Surveys für 1946 und 194617 blieben unveröffentlicht.117 Die weite Verbreitung der Surveys sollte zur Demokratisierung der Wirtschaftsplanungen beitragen, indem der Öffentlichkeit mit der Kenntnis grammes, recognising a wide range of error in all these global statistics and not attempting to allocate too precisely." Richard Clarke: Anglo-American Economic Collaboration in War and Peace 1942-1949, hgg. v. Alec Cairncross, Oxford 1982, S. 77. (C1arke, Sir Richard "Otto": Finanzjournalist bis 1939, Civil Servant in versch. Ministerien 1939-45, Assistant Secretary Treasury 1945 (Overseas Finance Division), Under Secr.1947, Third Secr. 1955, Sec.Secr. 1962, Perm.Secr. Ministry of Aviation 1966, Ministry ofTechno1ogy 1966-70.) "'Vgl. Stephen Brooke: Problems of 'Socialist Planning': Evan Durbin and the Labour Government of 1945, in: Historical Journal, 34 (1991), S. 687-702, der die sehr einsamen Versuche Durbins zur Entwicklung einer kohärenten Planungsstrategie in einer wenig interessierten Partei zeigt. 116 In der schon zitierten Rede vom 17. Oktober 1946, S. 6, in PRO CAB 1341189. 117 "Economic Survey for 1946", Memorandum der Economic Survey Working Party, 12. Dezember 1945 E.D.(45)5, in PRO CAB 134/186 und "Economic Survey for 1946/7" E.D.(46)19 in PRO CAB 134/503 Ministerial Committee on Economic Planning M.E.P.(46) + (47) Series.
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
der wirtschaftlieben Entwicklung auch die Notwendigkeit der entsprechenden wirtschaftspolitischen Maßnahmen vermittelt würde. Gegen die Veröffentlichung wandten sich anfangs einträchtig die Mehrheit des Kabinetts und die Treasury, die Politiker vornehmlich aus der Furcht heraus, daß die Publikation derartig schlechter wirtschaftlieber Zahlen (in Anbetracht der Inflationsgefahr) - ohne gleichzeitig probate Lösungen offerieren zu können - dem Ansehen der Regierung in der Bevölkerung schweren Schaden zufügen würde. 1" Unterstützung fand diese Haltung in der traditionell vorsichtigen Art der hohen Beamten im OSCED, die Zweifel an den Möglichkeiten der wirtschaftlichen Prognose anmeldeten und die Sorge formulierten, daß die Bekanntgabe von Daten über eine schwierige wirtschaftliebe Entwicklung (etwa ein Ansteigen der Arbeitslosenzahlen) in der Öffentlichkeit zu einem Aufruhr führen würde und damit die Regierung zu Panikmaßnahmen zwingen könnte."• Überdies wurde der Einwand vorgebracht, daß die Prognosen der Surveys zu einem nicht geringen Teil auf Handlungen der Regierung beruhten (Steuerpolitik, Größe des Budgets u.ä.), die aber gerade an die im Survey vorbergesagten Entwicklungen angepaßt werden sollten, so daß sich die Prognosen zwangsläufig als falsch erweisen müßten. Die Surveys prognostizierten also ex ante eine inflationäre Lücke, die ex post durch politische Maßnahmen verschwinden sollte. 120 Die Publikation und die Abstellung des Darstellungszeitraums auf das Finanzjahr, die den Aussagewert der Economic Surveys beträchtlich verstärkt hätte, da nur so, bei gleicher Datengrundlage, eine wirkliebe Vergleichbarkeit von Budget- und gesamtwirtschaftlicher Entwicklung gegeben gewesen wäre12 1, hintertrieben Schatzkanzler und Schatzamt gemein""PRO CAB 128/9 Cabinet Conclusions C.M.(47): C.M.(47)9, 17. Januar 1947, S. 60: "The President of the BoardofTrade [Cripps] said that, as the Cabinet bad not feit able to accept the main recommendations made in the report for closing the gap between our requirements and our productive resources, he doubted whether it would be wise to proceed with this proposal for the publication of the White Paper. The Government would be exposed to serious criticism if they presented a White Paper which disclosed the seriousness of the economic position without proposing measures sufficient to remedy the situation. The Chancellor of the Exchequer concurred in this view." 119 OSCED, 2nd meeting, 9. April 1946 E.D.(46)2nd meeting, in PRO CAB 134/187 Official Steering Committee on Economic Development, E.D.(46) Ser., Minutes and Meetings. 120 "Publicity for Planning Estimates, Note by the Secretaries", 13. März 1946 E.D.(46)4, in PRO CAB 134/188 OSCED, Memoranda and Papers, E.D.(46) Ser. 121 Vgl. Meade-Tagebuch, Eintrag vom 3l.März 1946: "The discussion of this published Plan has brought to the front an issue of supreme importance. Should the Plan be published in terms of a calendar year basis or of a Financial Year? I feel very strongly that it should be on the basis of a financial year for the following reasons.
ll. Die Integration von Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik
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sam aus nur notdürftig kaschierten machtpolitischen Überlegungen. Vordergründig wurde die problematische Beziehung zwischen Vorveröffentlichung von Budgetdetails (die in gewissem Maße notwendig gewesen wäre) und dem Grundsatz des Budgetgeheimnisses angeführt122, gemeint war aber vielmehr der Unwillen, die Kompetenz zur Budgeterstellung zu teilen, was bei einer Einbindung der Finanzplanung in die Gesamtplanung unumgänglich gewesen wäre. Die Behandlung, die die ersten Economic Surveys durch das OSCED und das Kabinett erfuhren, zeigt die allgemeine Unsicherheit über die zu verfolgende wirtschaftspolitische Strategie in den ersten Jahren der Labour-Regierung. Während sich das OSCED anfangs mit Billigung der Regierung über eine Erstellung der Prognosen in der von der Economic Section vorgeschlagenen Form geeinigt hatte, gab das Komitee seit dem zweiten Survey angesichts des offenkundigen Unwillens des Kabinetts, auf eine inflationäre Lücke mit restriktiver Haushaltspolitik zu reagieren, seine Planungsempfehlungen in
The Budget must be regarded as the main instrument for implementing the Plan. In a Liberal-Socialist economy it is fiscal policy, par excellence, which must be used in order to ensure that the Ievel of personal expenditure, investment etc. is right. Success or failure depends, in my opinion, on whether or not we manage to get this the accepted Treasury doctrine. What we want is (i) to prepare a Survey of Resources and requirements at the end of each calendar year covering the next financial year, (ii) to spend January and February getting Ministers to take the necessary decisions to close any 'gap' revealed in such a Survey between overall supply of and demand for resources, (iii) to get the resulting 'Plan' published before the Budget (beginning of March), (iv) to get the Budget decisions and the Budget speech largely directed to carrying out this Plan. Clearly this marriage between the Plan and the Budget will be more easily consummated if the Plan is in terms of the Financial Year." Howson/ Moggridge (Hg.): Meade-Diary, S. 240/1. Eben der letzte Punkt weist allerdings auch schon auf das Scheitern von Meades Plänen hin: wie ihm seine eigene Erfahrung hätte sagen müssen, würde es die Treasury nicht zulassen, daß ihre Budgetentscheidungen die Basis ihrer Macht - von einem Wirtschaftsplan vorgegeben würden. Davor, die Treasury in diesem Punkt gegen sich aufzubringen, warnten Meade Campion und Secord vom CSO (Eintrag 27.Juli 1946, ebd., S. 299.) 122 Siehe Daltons Äußerungen in ,,Note of a Meeting of Ministers", 21. Januar 1946, MEP(46) 1st Meeting., Para. 2, in PRO CAB 134/503 und "Period to be covered by Planning White Paper and Date of Publication. Report of Working Party", 4. September 1946 E.D.(46)24, in PRO CAB 1341188. Vgl. Kenneth 0. Morgan: Labour in Power 1945-1951, Oxford 1984, S. 337, der noch einen weiteren Beweggrund Daltons vermutet: ,,It also ensured that the Chancellor retained bis solitary glory as the presenter of the budget in April."
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
,,manpower terms" an; die ursprüngliche Fassung des Surveys bekam das Kabinett nicht einmal mehr vorgelegt.m Der Entwurf zum Economic Survey für 1947, den die Economic Section Ende 1946 vorlegte, zeigte wieder nur geringe Aufmerksamkeit gegenüber den Fragen, die dem Kabinett ausschlaggebend schienen und konzentrierte sich erneut auf die Beschreibung des inflationären "gaps" und der dagegen zu ergreifenden finanzpolitischen Maßnahmen. I2A Das vorgeschlagene sehr harte Programm zur Eindämmung des Nachfrageüberhanges (Verschiebung der Erhöhung des Schulabgangsalters, Verpflichtung junger Frauen für nationale Dienste, Kürzungen im Hausbauprogramm, erhebliche Kürzungen im Wehretat) wurde daraufbin vom Kabinett vollständig abgelehnt. l2> Andererseits hatte sich die Regierung auf eine Publikation ihrer Planungsziele öffentlich festgelegt. Bridges und das Steering Committee beauftragten folglich den Kritiker von Meades Vorgehensweise, R.W.B. Clarke, mit der Erstellung weiterer Entwürfe."• Die schließlich gedruckte Version127 (für die neun Entwürfe und zwei Kabinettssitzungen zur Vorbereitung aufgewendet und von der mehr als 300000 Stück verkauft wurden) ist in mehrfacher Hinsicht von Interesse: zum einen, da sie kaum mehr die Existenz einer inflationären Lücke und den Versuch ihrer Bestimmung innerhalb eines "national income framework" erwähnt und somit gänzlich "un-keynesianisch" ist; zum anderen aber ist dieser Survey das bedeutendste Dokument über die Planungsabsichten der Regierung, dessen allgemeiner Teil darüber hinaus von Cripps persönlich verfaßt wurde, mithin dem einzigen dezidierten Vertreter der planwirtschaftliehen Richtung von Bedeutung im Kabinett. Ironischerweise erschien das Schriftstück nur wenige Tage nach Beendigung der Brennstoffkrise zum Jahreswechsel 1946/47, 123 "Economic Survey for 1946-47, Note by tbe Chairman of tbe Official Steering Committee on Economic Survey" MEP (46)7, ll. Juli 1946, CAB 134/503 Vgl. Cairncross/Watts, S. 168; Cairncrcss. Years, S. 415. I2A Entwurf in PRO T.273/307 Economic Development. General Papers. Part 7. I:» Aus Daltons Tagebuch wird ersichtlich, daß sich das Ministerial Committee on Economic Planning (Dalton, Morrison, Cripps, Isaacs) mit den Vorschlägen abgefunden hatte und sie dem Kabinett als die einzige Möglichkeit "to 'close tbe gap' in tbe manpower budget [ !]" vorlegte, dort jedoch damit nicht durchdringen konnte, vor allem nicht gegen den Widerstand Attlees: "On January 16th we had a very bad and rowdy Cabinet, in which a substantial group ganged up against Cripps and myself in opposition to all our proposals. Morrison was away ill with thrombosis, which, as he was one of the joint authors of our plan, was very unfortunate and weakened our debating strength. Unfortunately Bevin was also sick." Nach Dalton: High Tide, S. 193. 126 Dazu Clarke: Anglo-American, S. 77/8 und Cairncross: Years, S. 417/8. 127 Economic Survey for 1947, (1946) Cmd. 7046.
ll. Die Integration von Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik
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die zugleich den Höhepunkt und dann die vollständige Diskreditierung jeglicher Wirtschaftsplanung 1947 einläutete. Im Survey hieß es, daß ein wesentlicher Unterschied zwischen totalitärer und demokratischer Planung bestehe. Erstere ordne alle individuellen Präferenzen den staatlichen Forderungen unter. Zu diesem Zweck würden verschiedene Zwangsmethoden gegenüber dem Individuum angewandt, die die Bürger ihrer wirtschaftlichen Wahlmöglichkeit beraubten. Solche Maßnahmen würde eine demokratische Regierung nur in Zeiten höchster staatlicher Not anwenden können, während in normalen Zeiten die Bürger nicht bereit seien, ihre ökonomischen Freiheiten an die Regierung abzugeben (Para. 8). Die Ziele staatlicher Wirtschaftsplanung, formulierte Cripps, bestünden in der Schaffung dreier Planungselemente: 1. einer Organisation, die ausreichend Kenntnisse und Informationen besitzt, um das wirtschaftliche Leistungsvermögen und die nationalen Bedürfnisse einschätzen zu können; 2. einer Anzahl Budgets, die diese Bedürfnisse mit den Ressourcen in Verbindung setzen und der Regierung ermöglichen würden, über Prioritäten zu entscheiden; 3. einer Anzahl Methoden, die die Regierung in die Lage versetzen sollten, den wirtschaftlichen Ablauf so zu steuern, daß die ökonomische Freiheit des einzelnen möglichst wenig behindert wird (Para. 12). Die Mittel einer solchen Politik könnten sein: einmal die Beeinflussung der Volkswirtschaft über die Höbe der Regierungsausgaben, dann durch die verstaatlichten Industrien und durch die Fiskalpolitik (Para. 26). Obwohl die Regierung mehrheitlich der keynesianiscben Analyse gegenüber abgeneigt war und diese nicht zur Grundlage ihrer Planungsentscheidungen machen wollte, mußte sie doch anerkennen, daß es bei einem Zurückweichen vor einer Lenkung der Arbeitskräfte, Eingriffen in die Tarifhoheit und rigider Konsumsteuerung mittels Zwangsmaßnahmen kaum andere Möglichkeiten der gesamtwirtschaftlichen Beeinflussung geben konnte als solche der Nachfragemanipulation durch das Budget. Erst für den Economic Survey für 1948 wurde dann konsequenterweise der keynesianischen Politik auch wieder die keynesianische Analyse unterlegt'21, worin sich allerdings vor allem der Umbruch innerhalb der wirtschafts- und finanzpolitischen Maschinerie der Labour-Regierung Ende 1947 widerspiegelte (in dem
128 "Economic Survey for 1948", OCED [seit 26.11. 1947 hieß das Steering Committee nurmehr Official Committee on Economic Development], 12. Dezember 1947 in PRO CAB 134/190 Official Steering Committee on Economic Development. Meetingsand Memoranda E.D.(47) Series. Vgl. Cairncross: Years, S. 418: ,,By that time [Zeitpunkt der Veröffentlichung des Surveys für 1948] popular discussion of inflation and a series of articles by economists in the bank reviews and elsewhere bad made it impossible to go on disguising chronic excess demand as a manpower shortage."
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
auch die zunehmend blockierten Einflußkanäle der Economic Section sich unter neuer Führung wieder öffneten). 3. Das Scheitern der planwirtschaftliehen Strategie in Labours Krisenjahr 1947
Zum Jahreswechsel 1946/47 erfuhren die wirtschaftsplanefische Kompetenz der Regierung und das System der Kontrollen durch die Brennstoffkrise einen starken Vertrauensverlust seitens der Bevölkerung, nachdem bereits die Ankündigung der Brotrationierung im Sommer 1946 zu erheblicher Unruhe und Unzufriedenheit mit den Zuständen geführt hatte (die Brotrationierung war eine Maßnahme, zu der selbst im Krieg nie hatte gegriffen werden müssen). Die Brennstoffkrise, u.a. ausgelöst durch den außergewöhnlich harten Winter 1946/47, dann allerdings unnötig verschärft durch die administrative Unfähigkeit Shinwells im Energieministerium, ließ die Arbeitslosenzahl kurzfristig auf über 3 Millionen hochschnellen und zeigte damit die Anfälligkeit der ökonomischen Position Großbritanniens. Die konservative Opposition konnte die offensichtliche Katastrophe der planefischen Kompetenz Labours in den griffigen Slogan "Starve witb Strachey, and Shiver witb Shinwell" ummünzen129 (Strachey war Emährungsminister) und damit zum ersten Mal seit der vernichtenden Wahlniederlage 1945 politisch wieder in die Offensive gehen und sich selbst als Regierungsalternative darstellen. Schwerer wog allerdings noch, daß durch die planefische Unfähigkeit der Regierung im Brennstoffsektor auch das Vermögen, die Wirtschaft überhaupt planen zu können, in Frage gestellt wurde. " .. .it is difficult in a democracy to sustain wartime controls for long witb tbe coming of peace, and it is doubly difficult to do so if tbeir continuation is justified in terms of planning when tbat planning is visibly faltering, as was evidenced, for example by tbe 1947 fuel crisis. That is to say, to use tbe rhetoric of planning is to employ a very potent political symbol which, as is intended, raises expectations as to future govemment performance; if tbat govemment performance subsequently falls below expectations tbe ensuing public reaction is likely to be hostile to any further continuation of tbe attempt to plan tbe economy [...]"130
129 Nach Susan Cooper: Snoek Piquante. The trials and tribulations of the British housewife, in: Michael Sissons/Philip French (Hg.): Age of Austerity, Oxford/New York 1986, S. 23-40, S. 37. (Snoek ist ein- wie es heißt nahezu ungenießbarer - Fisch, der von der Regierung als Ersatz für Frühstücksfleisch propagiert wurde.) 130 Trevor Smith: The Politics of the Corporate Economy, Oxford 1979, S. 110.
D. Die Integration von Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik
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Auch Cripps, der führende "Gosplanite" des Kabinetts, mußte spätestens Ende 1947 das Scheitern des Versuches der planwirtschaftliehen Lenkung durch ausgedehnte Kontrollen zugestehen: "In a free society, planning should seek the satisfaction of the consumers' wants with the most economical use of our resources. In normal times production should be fitted to the pattern of market demand", beschrieb er seine neue Position und: "lt is quite impossible and far from desirable over the whole field of industry to set production targets for every final product. The demands of the public, transmitted through ordinary trading channels must be the ultimate guide in detail. .. u. 1948 begann unter großem publizistischen Aufwand Harold Wilson, Nachfolger Cripps' als President of the Board of Trade (und späterer Premierminister), in dem sog. "Bonftre of Control" mit der raschen Beseitigung des Kontrollapparates. Wenn vereinzelt die Auffassung geäußert wird, daß auch nach 1947 Kontrollen und Rationierungen einen so erheblichen Teil der Wirtschaftspolitik Labours ausmachten, daß bis 1951 nicht von einem Trend weg von der Kontrolle der Wirtschaft gesprochen werden kannm, so trifft dies eindeutig nicht den Kern der Sache. Daß die Regierung eines Landes, dessen Wirtschaft sich von den Erschütterungen des Weltkrieges erholen mußte, diese Wirtschaft nicht unreguliert lassen konnte, liegt auf der Hand - ganz allgemein wäre für die Periode nach 1945 eine industrialisierte Wirtschaft kapitalistischer Prägung gänzlich ohne staatliche Kontrollen kaum vorstellbar. Erkennbar ist dagegen die Veränderung der wirtschaftspolitischen Strategie Labours 1947 von der grundsätzlichen Befürwortung möglichst weit- und tiefgehender Planung durch Beibehalten (wenn nicht Erweiterung) des im Krieg aufgebauten Kontrollapparates, wie es noch im Wahlprogramm 1945 propagiert wurde, bin zur Erkenntnis des Fehlschiagens dieser Politik und der wiederum grundsätzlichen Orientierung an Marktmechanismen für den nicht verstaatlichten Teil der Wirtschaft. Die Labour-Minister hatten sich nach dem Regierungswechsel 1945 auch weiterhin auf die administrative Maschinerie verlassen, die sie in den Jahren ihrer Beteiligung an der Kriegskoalition kennen und schätzen gelernt hatten (mit Ausnahme des Ministry of Production, dessen Kompetenzen dem Board
m "The Framework of Economic Planning", Memorandum des Ministers for Economic Affairs (Cripps) für das Cabinet Production Committee, 11. November 1947, S.5, in PRO T.229/417 Central Economic Planning Staff. General Policy. 132 Etwa von Neil Rollings: 'The Reichstag method of goveming'? The Attlee governments and permanent economic controls, in: H. Mercer/N. Rollings/J.D. Tomlinson (Hg.): Labour Governments and Private lndustry. The Experience of 1945-1951, Edinburgh 1992, S. 15-36.
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
of Trade eingegliedert wurden). 133 Nach wie vor war das Lord President' s Committee (wie seit 1940) unter dem Lord President of tbe Council Herbert Morrison das koordinierende Organ der Wirtscbaftspolitik. 134 Unberücksichtigt blieb bei dieser Konstellation die Überlegung, daß der Frieden mit Sicherheit gänzlich aridere wirtschaftspolitische Probleme aufwerfen und folglieb auch nach ganz anderen administrativen Lösungen verlangen würde. So erwies sieb dann auch die Position des Lord President als die eigentliche Schwachstelle in Labours Wirtschaftspolitik: "Tbe chief defect of tbis machinery was tbat Morrison bad neitber tbe autbority nor tbe time to make it work...m Die Überbürdung Morrisons mit Verantwortlicbkeiten, die er seinem hervorragenden Geschick als Parteimanager zu verdanken hatte, bedeutete eine große Belastung sowohl des Amtsinbabers, der er mit schwerer Krankheit 1947 Tribut zu zollen hatte, als auch der Wirtschaftspolitik der Regierung insgesamt. Die Biographen Morrisons halten die Breite der Verantwortung, die auf ihrem Protagonisten lastete, für beispiellos in der Geschichte moderner Regierungen. In der Tat war Morrison stellvertretender Premierminister und Führer des Unterhauses - und als solcher für die Planung und den reibungslosen Ablauf des gewaltigen Gesetzgebungswerkes Labours verantwortlich, womit seine Charakterisierung als "tbe most important single dynamo in tbe govemment' s machine" '" bereits gerechtfertigt wäre. Als Lord President trug Morrison zudem auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik die Verantwortung für die Koordination der Planungsanstrengungen der Regierung und für Erscheinungsbild und Gelingen des umfangreichen Verstaatlicbungsprogrammes. Im Gegensatz zu dieser Aufgabenfülle stand das Unverständnis Morrisons (der wohl immer noch zu sehr in den Kategorien des London County Council dachte, dessen Vorsitzender er in den 1930er Jahren gewesen war) für die Probleme der nationalen Wirtschaftspolitik. Ein durch ihr Schweigen beredtes Zeugnis sind seine Erinnerungen, in denen er keinen Hinweis gibt auf die wirtschafts133 Chester, in: Worswick/Ady (Hg.), S. 341, weist auf die Besonderheit hin, daß Labour, anders als sonstige Oppositionsparteien, die an die Regierung kommen, in der Kriegskoalition wesentlich am Aufbau der Verwaltungsmaschinerie und bei deren Nachkriegsplanungen beteiligt gewesen ist. 134 Die Funktion eines Wirtschaftskabinetts, in dem wichtige Fragen der Wirtschaftspolitik beraten und mit einer Empfehlung an das Gesamtkabinett weitergeleitet wurden, nahm allerdings eher das Ministerial Committee on Economic Planning (Mitglieder: Vorsitzender Morrison, Dalton, Cripps, Isaacs) war, das formal seit dem Januar 1946 bestand, vorher jedoch schon seit September 1945 zusammengetreten war. Dem MEP arbeitete das Official Steering Committee on Economic Development (OSCED) zu. "'Cairncross: Years, S. 51. " 6 Bernard Donoughue/G.W. Jones: Herbert Morrison. Portrait of a Politician, London 1973, S. 348.
II. Die Integration von Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik
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politischen Vorstellungen oder Zielsetzungen, mit denen er sein Amt antrat. Ganz offensichtlich kam er in dieser Hinsicht nicht über einen recht naiven Glauben an das Gute im Sozialismus und dessen notwendigen Sieg hinaus. 137 In der Brennstoffkrise konnte sich Morrison ebensowenig als Koordinator gegenüber der Unfähigkeit des Energieministers durchsetzen, wie es ihm gelang, das institutionelle Gegeneinander von Planungs- und finanzpolitischen Organisationen zu einer Integration von Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik zu überwinden. Die Finanzpolitik blieb eifersüchtig gehütete Domäne der Treasury und ihres Schatzkanzlers•" und damit aus der Wirtschaftspolitik ausgegliedert, als sie zunehmend das Herz der ökonomischen Planung darzustellen begann."• Die Konvertibilitätskrise 1947 zeigte in aller Deutlichkeit die Schwäche der institutionellen Konstellation der Regierung an, in der es nicht gelang, die unterschiedlichen Stränge der Wirtschaftspolitik zu bündeln. Die mangelnde Integration der einzelnen Bestandteile überließ es den jeweils zuständigen Ministern, die sich dabei uneingeschränkt auf die Expertise der 137 Morrison: Autobiography. Morrison betonte denn auch die Bedeutung der einfachen und ehrlichen Aussagen Labours im Wahlkampf 1945; den komplizierten ökonomischen Problemen der Nachkriegszeit war er nicht gewachsen. Ebd., S. 236. Sobald Morrison genaueres über seine wirtschaftspolitischen bzw. -planerischen Vorstellungen aussagen sollte, beschränkte er sich auf vage Andeutungen, siehe etwa sein The Labour Party and the Next Ten Years, in: Labour Party: Forward From Victory! Labour' s Plan, London 1946, S. 7-22. Vgl. Plowden, S. 18: ,,Morrison was a politician of great experience and judgement, a fixer and organiser rather than a man with any firm grasp of economics or public finance. He was often bewildered by the complexities of economic policy-making. Moreover, he bad no professional economists in bis own small staff, and found the ideas of the economists in the Economic Section ... obscure and unconvincing. The Economic Section bad strong views that economic planning should be conducted in terms of Keynesian demand-management, but these were not the views of Morrison, at least in the years 1945-7." Vgl. auch Marwick: Britain, S. 329: ,,Morrison [ ... )was a man of little political daring, who already visualized socialism as involving little more than the establishment of public corporations like bis beloved London Passenger Transport Board, or the B.B.C." 1" Vgl. Donoughue/Jones, S. 354fn. M. Nicholson, die administrative Nummer eins Morrisons, erzählte den Autoren, daß " ...even before 1947 the Treasury did its best to make sure that Morrison was only titular, not effective economic manager. Morrison was never allowed to carry out the roJe properly." Die Nichteinbeziehung der Treasury in die wirtschaftliche Planung, neben der allgemeinen ökonomischen Unkenntnis Morrisons, sei der eigentliche Grund für das Scheitern der Wirtschaftsplanung, wie Morrison sie sich vorstellte, gewesen. 139 Vgl. Cairncross: Austin Robinson, S. 97: "Unfortunately the Lord President (Herbert Morrison) and the Chancellor of the Exchequer (Hugh Dalton) bad been assigned conflicting responsibilities, the one being put in charge of economic policy while the other bad exclusive responsibility for financial policy."
16 Otto
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
ihnen unterstellten Behörden verlassen mußten, mit den anstehenden Problemen allein fertig zu werden. Diese Regelung trug zum einen zum Erhalt der interdepartmentellen Rivalitäten bei (insbesondere zwischen der neueren Kriegs- und der traditionellen Friedensadministration) und konnte darüber hinaus bei größeren wirtschaftlichen Schwierigkeiten katastrophale Folgen nach sich ziehen. Die Verpflichtung der britischen Seite, binnen eines Jahres das Pfund gegenüber dem Dollar konvertibel zu machen, war eine der Bedingungen gewesen, mit denen die amerikanischen Anleihe von 1946 verknüpft war. Dieser Schritt wurde am 16.7.1947 unternommen, die Konvertibilität konnte jedoch nur sieben Wochen lang durchgehalten werden, da der bereits im Frühjahr 1947 mit Macht einsetzende Dollarabfluß aus Großbritannien das Land schnell an den Rand der internationalen Zahlungsunfähigkeit trieb. Die Krise bedeutete einen Wendepunkt in der Recovery-Phase nach dem Krieg: sie markierte das Ende des Aufschubes, den die amerikaDisehe Anleihe der britischen Reconstruction gewährt hatte, sie rückte das Dollarproblem ins Zentrum aller wirtschaftspolitischen Planungen der Regierungen und beendete für viele Jahre den Versuch, mit der Einführung einer vollen Währungskonvertibilität das System von Bretton Woods mit Leben zu erfüllen und dem multilateralen Handelssystem auch sein monetäres Gegenstück zukommen zu lassen. Die Gründe für die krisenhafte Verschärfung der Dollarknappheit 1947 sind vor allem in der zunehmenden Negativierung der Handelsbilanz Großbritanniens gegenüber dem Dollar-Handelsraum aufgrundunerwartet schlechter Entwicklung der Terms of Trade und in dem Verhalten einiger Länder des SterlingArea zu suchen, die sich entgegen der bilateralen Währungsabkommen bemühten, ihre Dollarreserven auf Kosten des Pfundes zu erhöhen."0 140 Zu den Ursachen der Konvertibilitätskrise vgl. C.C.S. Newton: The Sterling Crisis of 1947 and the British Response to the Marshall Plan, in: Ec.Hist.Rev., 2nd ser., 37 (1984), S. 391-408, S. 399f.: "So great, indeed, was the general flight from sterling, and so heavy were the transfers from Sterling into dollars during the summer of 1947... that the sterling area itself might have faced disintegration had the British not suspended convertibility."; siehe auch Cairncross: Years, S. 12lff.; Kindleberger: Financial History, S. 430; Tomlinson: Public Policy, S. 209. Zum Mechanismus der Sterling-Area siehe Burnham, S. 52ff. Burnham, S. 76, betont, daß die Krise keine realwirtschaftlichen Grundlagen gehabt habe: "The real 'crisis' of 1947, therefore, had its origins not in industrial Stagnation, starving population or restricted exports but in the ambitious and successful domestic reconstruction programme pursued by the British state, that had been fuelled largely since 1945 by US and Canadian loans." Die Krise sei also ausschließlich eine der schwindenden Gold- und Dollarreserven in einer Welt der knappen Dollars gewesen.
ll. Die Integration von Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik
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Tabelle 5 Jährliche Handelsbilanz UK 1937-51, in Mio. $141
Handel insgesamt 1937 1938 1946 1947 1948 1949 1950 1951
-2136,29 -1893,55 -1352,68 -2403,74 -1739,10 -1609,15 -986,08 -3381,49
Handel mit Westeuropa -280,35 -305,67 +495,31 +178,52 -266.66 -141,78 +23,80 -664,27
Handel mit USA -355,91 -436,73 -764,07 -950,08 -453,73 -598,21 -234,70 -636,99
Der bereits im Frühjahr deutlich spürbare Schwund der britischen Dollarreserven beschleunigte sieb im Sommer, weitgehend ignoriert von den Experten der Bank of England. In der Treasury wurden die Gefahren der Entwicklung'., zwar bereits im April erkannt - wenn auch als zu gering eingeschätzt - und in entsprechende Vorschläge umgesetzt. 143 Dabei wurde die Ratgeberfahigkeit der zuständigen Overseas Finance Division der Treasury jedoch insgesamt stark vom Fehlen relevanter und aktueller Statistiken beeinflußt. "At the same time, Sir Wilfried Eady, the man in charge of this part of the Treasury, appeared rather out of bis deptb in such matters. For its part, the Bank of England gave advise to the Chancellor which, even allowing for hindsight, appears over-optimistic and unrealistic."' 44 Bei dem Versuch, im Kabinett drastische Importkürzungen vor allem bei Lebensmitteln durchzusetzen, scheiterte Dalton, dem sein Programm stark zusammengestrichen wurde (allerdings äußerte sich auch der Schatzkanzler noch am 8. Juli im Unterhaus zuversichtlich über die Aussichten der Konvertibilisierung). Auf weitere Kürzungsvorschläge Daltons im Juli reagierte das Kabinett mit nicht mehr als einer halbherzigen Diskussion über zu ergreifende Maßnahmen.
Zahlen nach: Milward, S. 225. Ende Juni waren $1890 Mio. von der US-Loan von $3750 Mio. verloren. Im dritten Quartal 1947 gingen noch einmal $1537 verloren, womit die Anleihe nahezu vollständig dem vergeblichen Versuch der Stabilisierung des Pfundes geopfert worden war. 143 Siehe Gesprächsnotiz von Bridges: "Conversation with H.T.W. [Hugh Weeks] and R.W.B.C.[Richard Clarke} on the 17th April 1947 on certain aspects of the economic situation" in PRO T.229/417. 144 Plowden, S. 6. 141 142
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
Cairncross weist dem Mißmanagement des Kabinetts einen großen Teil der Verantwortung für der Krise zu: "lt was a remarkable display of the art of fiddling while Rome bums [...] Morrison, who was in charge of economic policy, contributed virtually nothing to the elucidation or handling of the problem. Other ministers - Strachey, Bevan, Alexander, Shinwell - were if anything actively obstructive. Neither Bevin nor Cripps gave Dalton much help. Attlee provided no leadership. The Cabinet, instead of thrashing out a policy consistent with the dangers, was content with drift." Die Energien seien verschwendet worden auf die Frage der Stahlnationalisierung, zu einem Zeitpunkt, als Stahl sich neben Kohle als der wesentliche Engpaß der Exportanstrengungen erwies."' Auch E. Plowden, der im Sommer 1947 neuer Chief Planning Offleer der Regierung wurde, weist auf die eklatante Führungsschwäche hin, die das Kabinett in den entscheidenden Wochen zeigte: "During these weeks [Juli-August 1947] neither Attlee nor Morrison as 'economic overlord' gave any Iead to their colleagues and the Cabinet fell into disharmony and disarray, its confidence shattered. No effort was made to keep the United States informed of developments nor to ask for her advice." 146 Niemand im Kabinett sei anscheinend in der Lage gewesen, die Verbindung von internem Nachfragedruck und der Entwicklung der Handelsbilanz zu erkennen und entsprechend zu handeln, obwohl die Economic Section schon lange darauf hingewiesen habe, daß die Wirtschaft überlastet sei. 147 Die hastige Suspendierung der Konvertibilität Anfang September beendete den Dollarabfluß jedoch nicht. Mitte Oktober legten daraufbin (zum ersten Male gemeinsam) Dalton und Cripps, der kurz zuvor zur besseren Koordination der Wirtschaftspolitik Minister of Economic Affairs geworden war, dem Kabinett ein Memorandum in Form eines Ultimatums vor, in dem sie die weiterhin zu erwartende Situation und Vorschläge zur Reaktion (Export14 ' Cairncross: Years, S. 137. Caimcross meint überdies, daß die Regierung durch entschlossenes Handeln die Krise wesentlich hätte entschärfen können: .,Had strong action been taken in March or even May 1947 the run in July and August, bad it occurred at all, would have been far less overwhelming." Ebd. 146 Plowden, S. 13. 147 Attlee sei zu sehr mit Indien und Palästina beschäftigt gewesen, Bevin mit der Außenpolitik. Morrison lag den größten Teil der ersten Jahreshälfte mit Herzerkrankung nieder und wandte sich, als er Ende Mai in die Politik zurückkehrte, der Debatte um die Stahlnationalisierung zu . .,For all the statements which Stafford Cripps made as President of the Board of Trade on the need for more efficient planning, Dalton was eventually the only minister truly to grasp the seriousness of the immediate situation and to offer positive advice. However, even he seemed to accept the crisis with a growing sense of reservation and impotence." Plowden, S. 6.
11. Die Integration von Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik
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erhöhungen auf amerikanischen Märkten und Importkürzungen, dazu verringerte Staatsausgaben in Übersee von LIO Mio. im folgenden Jahr) präsentierten, um den Dollarabfluß 1948 wesentlich zu verringern.'"' Cairncross kennzeichnet die Vorstellungen zur Exportentwicklung als "a little of wishful thinking", da die Regierung darauf keinen direkten Einfluß hatte und nennt die anvisierte Kürzung der Regierungsausgaben ,.ritualistic", da diese kaum auf die letzten ±:10 Mio. eingeschätzt werden könnten.'"9 Nach harten Diskussion um die Importkürzungen, vor allem wegen der Nahrungsmitteli.mporte, deren Kürzung von um ±:75 Mio. schließlich auf 66 Mio. zusammengestrichen wurde, einigten sich die "Big Five" während eines Wochenendaufenthaltes in Chequers (18./19. Oktober 1947) auf ein Programm"", das nach den eher üppigen ersten Monaten der Labour-Regierung im Hochgefühl der gerade errungenen Macht den strengen Realismus der Austerity-Jahre einläutete. Allerdings war es weniger das Bemühen der Briten als vielmehr die unter dem Marshall-Plan gewährte Unterstützung der USA an die Staaten Westeuropas, die Großbritannien von der Beengung der Dollarsituation erlöste und damit letztlich die Fortführung der Reformpolitik im Inneren ermöglichte. 151 Die krisenhafte Entwicklung 1947, verbunden mit dem wachsenden Unmut in der Bevölkerung über die Rationierungen und der lauter werdenden Kritik an der planwirtschaftliehen Orientierung der Labour-Regierung, offenbarte drei Probleme der Wirtschaftspolitik: zum einen hatte sich die planwirtschaftliehe Strategie dadurch diskreditiert, daß die staatlichen Kontrollen des Wirtschaftslebens nicht mehr wie im Krieg im Bewußtsein ihrer Notwendigkeit hingenommen wurden, sondern auf wachsenden Widerstand stießen. Unterstützung fand die kritische Stimmung der Öffentlichkeit in der publizistischen Offensive, die von den Gegnern einer planwirtschaftliehen Orientierung 1947 eingeläutet wurde; die Veröffentlichungen gewannen dadurch an Gewicht, daß sie im wesentlichen nicht aus den Reihen der neo-klassischen Ökonomie kamen (wie Hayeks ,,Road to Serfdom"), sondern von den Vordenkern einer 148 "Dollar Programme in 1948", Memorandum des Schatzkanzlers und des Minister of Economic Affairs, CP(47)283, 16.0ktober 1947, in PRO CAB 129/21 Cabinet Memoranda. C.P.(45) Series. 149 Cairncross: Years, S. 141. tso Dalton: High Tide, S. 269. tst Vgl. Middlemas: Power, S. 159/60. Zum Marshall-Plan, der hier nicht eingehender behandelt werden kann, siehe aus der großen Anzahl von Beiträgen: Gerd Hardach: Der Marshall-Plan. Auslandshilfe und Wiederaufbau in Westdeutschland 19481952, München 1994; Michael J. Hogan: The Marshall Plan. America, Britain, and the reconstruction of Western Europe, 1947-1952, Cambridge 1987; Milward; Newton; Henry Pelling: Britain and the Marshall Plan, London/Basingstoke 1988.
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
liberal-sozialistischen keynesianiscben Wirtschaftspolitik stammten, deren Ziel ebenso wie das der Labour-Planer die Überwindung der Probleme der laissez-faire-Ökonomie gewesen war und die zum Teil sogar Labour nabegestanden batten."2 Auch in der Wirtschaft wuchs die Opposition gegen den Kurs der Regierung (verstärkt noch durch den Unmut über die Stablnationalisierung'"). Außerdem hatte die Regierung durch ihr Fehlverbalten in der Brennstoff- und Konvertibilitätskrise gezeigt, daß sie ihren eigenen Ansprüchen über die Vorbersebbarkeit und Planbarkeit wirtschaftlieber Abläufe nicht gerecht werden konnte. Ihre unzureichende Koordinations- und Handlungsfähigkeit wurde um so drastischer deutlich, als sie in so großem Maße gegenüber der 1945/46 demonstrierten Tatkraft in der sozialen Reformgesetzgebung abfiel. Allerdings war die mangelnde Fertigkeit zur Umsetzung der wirtschaftspolitischen Strategie bei weitem nicht allein ein Problem der öffentlichen Vermittlung und auch nicht der persönlichen Schwäche einzelner Regierungsmitglieder. Das Kabinett war nicht bereit, sieb den grundlegenden Problemen seiner Wirtschaftspolitik zu stellen - vor allem den elementaren Fragen nach der Vereinbarkeil von zentraler Planung und persönlicher Freiheit des einzelnen Wirtscbaftssubjektes; dem kaum tragfähigen Kamprarniß zwischen einer Sozialpolitik, die große Mengen an Ressourcen beanspruchte, und einer Situation, in der die britische Wirtschaft bis zum äußersten durch andere, unumgängliche, Anforderungen (vor allem Exportanstrengungen) des Wiederaufbaus angespannt war; und auch dem Widerspruch zwischen dem weiterbin bekundeten Anspruch eine Weltmacht zu sein - und dies mit den einschlägigen (und teuren) Mitteln wie Truppenstationierungen zu demonstrieren - und der außenwirtschaftlieben Lage, die Großbritannien als den weltgrößten Schuldner auswies. Zum dritten aber hatten sich die bestebenden administrativen Institutionen nicht in der Lage erwiesen, durch rechtzeitige und stimmige Prognosen und durch die Vorstellung von Handlungsoptionen der politischen Ebene ausreichende Vorgaben zu präsentieren, aufgrund derer diese Alternativen zum eingeschlagenen Kurs hätte entwickeln können.
'" Das schon erwähnte Planning and the Price Mechanism Meades; John Jewkes (ehemaliger Direktor der Economic Section): Ordeal By Planning, London 1948, eine harte Abrechnung mit den Erfahrungen der Planwirtschaft 1945-7; gleichzeitig spricht sich Jewkes vehement für eine keynesianische Finanzpolitik aus; Roy Harrod: Are These Hardships Necessary? London 1947. 153 Vgl. Blank, S. 79 und 91 ; Leruez, S. 61.
II. Die Integration von Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik
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4. Institutionelle Veränderungen in der Wirtschaftspolitik als Krisenreaktion 1947
Auf die Probleme des Jahres 1947 versuchte die Regierung mit einer durchgreifenden Umgestaltung ihrer wirtschaftspolitischen Maschinerie zu reagieren. Zwar wurden die ersten derartigen Maßnahmen bereits im März im Unterhaus bekanntgegeben'", die erste neue Körperschaft, der Central Economic Planning Staff unterE. Plowden'" (dem Chief Planning Officer), der als Koordinierungsstelle der Wirtschaftspläne der einzelnen Ministerien wirken sollte, nahm ihre Arbeit jedoch erst im Mai auf. Wie die Economic Section (die durch Erkrankungen Meades und Morrisons in der ersten Jahreshälfte ohne Vollzeitdirektor und ohne politische Führung war und sich auf dem Tiefpunkt ihres Einflusses in Whitehall befand"6) war auch der CEPS formal dem Lord President unterstellt. Zunächst war geplant, dem CEPS eine eigenständige Planungsstruktur mit einem Planning Offleer und einem eigenen Stab in jedem der wichtigsten Wirtschaftsministerien unterzuordnen, jedoch blieb auch diese Reform der Strukturen der Wirtschaftspolitik in ihren Ansätzen stecken: so wurden die departmentellen Stäbe nie tatsächlich begründet. Zwar wurden einige wenige Planning Liaison Offteers in den Ministerien Fuel and Power, Board of Trade und Food besetzt " ...but, as it tumed out, our contacts with them were minimal and their exact role remained obscure. The posts were soon abolished"m, konstatierte Plowden nüchtern. So blieb der CEPS Kopf ohne Körper und im wesentlichen ohne wirkliche Kompetenzen als eine Art "think tank" tätig.m Im Juli 1947 wurde weiterhin das desgleichen bereits im März angekündigte Economic Planning Board ernannt, dessen Vorsitz ebenfalls Plowden übernahm. Das EPB sollte die Planung und Koordination der weiterbestehenden National Joint Advisory Council und National Production Advisory Council, in denen die Tarifparteien vertreten waren, übernehmen. Im EPB saßen je drei Gewerkschafts- und drei Arbeitgebervertreter, drei Permanent Secretaries, der Direktor der ES und Vertreter des CEPS. Das Planning Board hatte allerdings ausdrücklich keine exekutive Funktion und In der großen Debatte um den Economic Survey für 1947 und die wirtschaftliche Situation im Unterhaus vom 10.-12. März 1947. HoC Deb. 434, cols. 370/1. m Plowden, Sir Edwin: Temporary Civil Servant im Krieg (im Ministry of Economic Warfare, dann im Ministry of Aircraft Production, wo er 1945 von Cripps zum Chief Executive gemacht wurde); kehrte 1946 in die Wirtschaft zurück. 6 " Vgl. Alec Cairncross' lntroduction zuR. Halls Tagebüchern, in: Alec Cairncross (Hg.): The Robert Hall Diaries 1947-1953, London 1989, S. ix. 157 Plowden, S. 11. m Zur Gründung und Kompetenzen des CEPS siehe Leruez, S. 48, der in ihm einen "think tank" sieht; im seihen Tenor Cairncross: Years, S. 53. "
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
die Regierung war nicht an die Vorschläge des Gremiums gebunden. Das EPB sollte wohl vor allem als Kommunikationsorgan der Regierung mit der Industrie und der Öffentlichkeit dienen.'s9 Zur Unterstützung dieser Aufgabe wurde in der Treasury eine kleine Economic Information Unit eingesetzt. Längerfristig als bedeutendste institutionelle Veränderung sollte sich jedoch die Betrauung des bisherigen Handelsministers Stafford Cripps, der im Sommer 1947 in der Öffentlichkeit als der einzige Wirtschaftsminister auf der Höhe der Situation erschien16", mit dem neugeschaffenen Posten eines Minister for Economic Affairs (29. September) erweisen. Mit dieser Position war kein eigenes Ministerium verbunden, statt dessen wurden Cripps der CEPS, die Economic Information Unit und die Economic Section unterstellt. Dadurch verlor der Lord President, der sich dieser Regelung bis zuletzt erbittert widersetzt hatte'•', seine ökonomische Koordinierungsfunktion.' 62 Das Lord President' s Committee wurde aufgelöst und durch zwei neue Lenkungskomitees ersetzt, das Economic Policy Committee mit dem Premierminister als Vorsitzendem und dem Minister for Economic Affairs als Stellvertreter (sowie dem Lord President und dem Schatzkanzler) und ein ministerielles Steuerungskomitee unter Cripps (Committee of Departmental Ministers, für die tägliche Arbeit mit den jeweils an den aktuellen Problemen beteiligten Ministern).'•' Zum Economic Planning Board siehe Memorandum "Planning Machinery" in PRO T.229/417. Ebenda findet sich auch das Protokoll eines Treffens zwischen Gewerkschaftsvertretern und der Regierung, in dem die Gewerkschafter die Zusammensetzung des EPB und seine Wirkungslosigkeit kritisieren. vor allem, da keine Politiker, sondern allein Beamte die Regierung dort vertreten würden. "Report of - Meeting between the Prime Minister and the Special Committee of the Trades Union Congress on the fuel crisis and the economic situation", 7. Mai 1947. Ebenfalls im März 1947 wurde H. Marquand aus dem Overseas Trade Department zum Paymaster-General befördert, "with rather vague duties" um den Ministern bei der Koordinierung der Wirtschaftspolitik zu helfen. wie Cairncross schreibt. Cairncross: Years. S. 53. 160 Seit der Vorstellung des Economic Surveys für 1947 und der Debattenführung um die wirtschaftliche Situation im März, noch verstärkt durch die programmatische "Austerity"-Rede am 7. August 1947 (HoC Deb. 441, cols. 1759-1772), die im Ton zwischen Churchills Kampfaufruf gegen eine mögliche deutsche Invasionsarmee und einer Erlösungspredigt schwankt, in der Cripps allerdings nichts Konkretes sagt, erschien Cripps in der Öffentlichkeit als der ökonomische Koordinator und ,,Macher" der Regierung, wie er dann ja auch den "Austerity"-Jahren sein programmatisch hageres Gesicht verlieh. 161 Morgan: Labour People, S. 184. 162 Vgl. Leruez, S. 50; Roseveare, S. 278; Winch, S. 284. 163 Das EPC bestand aus Premierminister, Schatzkanzler, Lord President, Außenminister, Lord Privy Seal und (anfangs) dem Minister for Economic Affairs. Ab März 159
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Dalton zeichnet in seinen Erinnerungen nach, wie sieb vor allem bei Cripps,
ibm selbst und Bevin 1947 der Unmut über die wirtschaftliche Führungs-
schwäche des Kabinetts und die Schwäche Morrisons aufstaute, der Cripps dazu verleitete, einen "Putschversuch" gegen Attlee zu unternehmen, für den er seinen früheren Gegner, jetzt Verbündeten, Dalton gewinnen wollte."' Vor allem der unverbrüchlichen Unterstützung Bevins (der dazu noch Cripps gegenüber, den er für pro-sowjetisch hielt, äußerst feindselig eingestellt war) verdankte es Attlee im Herbst 1947, daß auch dieser Versuch scheiterte, jedoch ist die zeitliche Übereinstimmung mit der Kabinettsumbildung sicher kein Zufall, sondern als ein Manöver des Appeasement gegenüber dem neuen Star der Regierung Cripps zu werten.••• Die Neuordnung der Koordinierung der Wirtschaftspolitik war bis zu diesem Zeitpunkt wenn nicht explizit gegen das Schatzamt, so doch ohne Bezug zur Finanzpolitik und damit zur Treasury verlaufen. Die institutionelle Scbei-
1948 kamen der Verteidigungsminister und der Gesundheitsminister dazu. Siehe E.P.C.(47)1st Meeting, 9. Oktober 1947 in PRO CAB 134/215 Economic Policy Committee, Meetingsand Memoranda. E.P.C.(47) Seriesund E.P.C.(48)17, 5. März 1948, in PRO CAB 134/217 Economic Policy Committee, Memoranda. E.P.C.(48) Series. Vgl. zur institutionellen Umgestaltung D.N. Chester: Development of the Cabinet 1914-1949, in: British Government since 1918, London 1951, S. 31-55, S. 50/1. 164 Dalton: High Tide, S. 236-39. Wahrhaft erstaunlich ist der Gesinnungswandel Daltons gegenüber Cripps: In seinen Kriegstagebüchern nennt er ihn noch unzuverlässig und, am 8. Sept. 1942 (S .490), wegen einer schwachen Antwort im Unterhaus "silly ass": "He is rapidly losing all that is left of bis 'mystique'." und am 8. Nov. 1942 (S.515) "Crazy Cripps", in: Pimlott (Hg.): The Second World War Diary of Hugh Dalton. 1947 dagegen äußert er sich vollkommen anders: "Cripps made a very fine winding-up speech yesterday [in der Generaldebatte über die Lage der Nation im Unterhaus]. He showed great vigour and energy and restored to our own ranks a much greater sense of confidence." In: Ben Pimlott (Hg.): The Political Diary of Hugh Dalton. 1918-40, 1945-60, London 1986, S. 407 (Eintrag Fr., 8. Aug.1947). ••• Vgl. Pimlott, S. 500: ,Jf Dalton bad been on the upward escalator in 1946 he was so no more. By the summer of 1947 he was on the way down, facing bis former enemy, present ally, Sir Stafford Cripps coming up. On both sides of the House, in Whitehall and in the press, the President of the Board of Trade was regarded as the most dynamic figure in the Government: not only brilliant, but scrupulous, courageous and unique in bis readiness to place nation before party. He was seen, in short, as he bad always seen himself: as a saviour." Bedauerlicherweise ergeben Attlees Erinnerungen (C.R. Attlee: As It Happened, London 1954) hier, wie auch sonst, keinerlei Aufschluß über seine Motive.
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dung, die Cripps1•• und Plowden aufbeben wollten, um zu einer Einbindung des Budgets in den Maßnahmenkatalog der Wirtschaftspolitik zu kommen, wurde von der Führung der Treasury verteidigt, weil nur sie ein Garant für die besondere Stellung des Schatzamtes in der Administration war: Es sei dazu gekommen, notierte D. Proctor, "[...] that Sir Edwin Plowden is not content to confine bis operations to planning in physical terms, leaving the financial problern to be solved by the Treasury. He thinks that financial measures are an essential part of the instruments for carrying out any plan, and he wants to have it accepted from the start that the financial tool-bag is part of bis planning equipment. In fact he regards the Treasury simply as a Department. Just as he expects to get the advice of the Ministry of Works on anything to do with the size of the building labour force or the building programme, so he expects to have free consultation with the Treasury about the measures to be taken in the financial field. " 167 Um nicht die Kontrolle zu verlieren, die das Schatzamt in der Vergangenheit über die Finanzpolitik habe ausüben können, sei dieser Entwicklung unbedingt entgegenzutreten."' Zudem stand die Treasury zumindest noch in der ersten Jahreshälfte 1947 dem keynesianischen Konzept der Verwendung des Budgets zur Manipulation der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, das Plowden möglichst schnell mit einem deutlichen Überschuß im nächsten Haushalt verwirklicht sehen wollte, mit großem Mißtrauen gegenüber.' 69 Bereits zum Zeitpunkt der Kabinettsumbildung schien das 166 Tagebuch P. Hall, des neuen Direktors der Economic Section (ab 1. September 1947), Eintrag Freitag, 14. Nov. 1947: "[ ... ] Stafford Cripps has been dying to get financial and economic planning together." Cairncross (Hg.): Robert Hall Diaries, S. 17. (Hall, Sir Robert (Lord Roberthall): Ökonom (Trinity College/Oxford), Ministry of Supply 1939-46, Ratgeber Board of Trade 194617, Director Economic Section 1947-53, ökonomischer Berater der Regierung 1953-61.) 167 Proctor an Gilbert, 8. Juli 1947, "Tbe Function of the Treasury in the 1948-51 Plan", in PRO T.273/304 Economic Planning: Use of Fiscal Measures. Co-operation between Treasury and Cabinet Office Planning Staff. (Proctor, Sir Dennis: TreasuryOfficial seit 1930, Chef der 1944 gegründeten Statistischen Division, Tbird Secretary 1948-50, Permanent Secr. Min.of Power 1958-65.) 1.. Gilbert an Eady und Bridges, 8. Juli 1947, in PRO T.273/304. 169 "Economic Planning", Protokoll eines Gespräches von Plowden, Weeks, Hall, Gilbert und Proctor am 3. Juli 1947, in PRO T.229/417: "Tbis [der wachsende inflationäre Druck] could only be checked by budgeting for a true surplus of sufficient size. Sir Bernard Gilbert pointed out that this was a somewhat different conception of the function of the Budget from that which had been held in the past, and he thought that there would be serious political problems involved." Vgl. Plowdens Kommentar zur Situation der Treasury nach der Übernahme der Kanzlerschaft durch Cripps: "At frrst, apart from Bridges, there seemed to be few among the senior Treasury offleials who appreciated the difference between looking after candle ends and making economic policy." Plowden, S. 22.
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ungelöste Problem der institutionellen Integration von Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik erneut die Handlungsfähigkeit der Regierung zu unterminieren; einzig ein Zufall, der erzwungene Rücktritt Daltons nach dem ,,Budget leak" am 13. November und die darauffolgende Ernennung Cripps' zum Schatzkanzler, verhinderte dies. Denn Cripps nahm sowohl seine Autorität als auch den Apparat des Minister for Economic Affairs mit in die Treasury, die so zum zentralen Wirtschaftsministerium wurde: "Only in this curious way, quite fortuitously;• schreibt Roseveare, "did the Treasury gain the essential ingredients of its modern character as a department of economic Co-ordination." 170 Cripps war als "economic overlord" in einer wesentlich stärkeren Position als Morrison, da er sowohl für die Wirtschafts- als auch die Finanzpolitik verantwortlich war und ein starkes Ministerium und eine Reihe politischer Proteges in anderen Ministerien (etwa Harold Wilson, seinen Nachfolger im Board of Trade, Bevan im Gesundheitsministerium und Gaitskell im Energieministerium, der den glücklosen Shinwell ablöste) hinter sich wußte. Durch diese persönliche Machtposition gewann auch das Schatzamt und konnte in der Folgezeit immer stärker die Wirtschaftspolitik dominieren. 171 "The Treasury as refashioned and re-inforced at the end of 1947 contained not merely a Chancellor whose prestige and moral authority, thanks to bis Augustspeech in the House, were unique, but also the most efficient organisation and strongest office team in the post-war years." 112 Zusätzlich wurde die Position der Treasury in der Regierung durch die Schaffung eines neuen ministeriellen Postens gestärkt (Economic Secretary to the Treasury; dies wurde Douglas Jay am 6. Dez. 1947, mit der Übernahme durch Gaitskell 1950 gewann der Posten sogar Roseveare, S. 316. Vgl. Leruez, S. 52; Winch, S. 284. a) Auf administrativer Ebene übernahm die Treasury (zusammen mit dem Planungsstab) die Führung in der Investitionskontrolle durch das Investment Programmes Committee, das wiederbegründet wurde, um den Ministern jährlich bezüglich der departmentellen Investitionsprogramme Empfehlungen zu geben. b) Sie war erheblich stärker an der Erstellung der Economic Surveys beteiligt als zuvor; so wurde etwa 1947 ein vollkommen neuer Entwurf im Schatzamt verfaßt (nachdem die ursprüngliche Fassung der Economic Section von der Regierung abgelehat worden war) und griff in den von 1948 erheblich ein. (Vgl. Kapitel ll. 2. in diesem Abschnitt.) c) Die Treasury stellte außerdem den Vorsitzenden des Import Programmes Committee, des Overseas Negotiation Committee und des London Committee, das sich mit dem Marshall-Plan und den Vorschlägen für eine westeuropäische Integration beschäftigte. Caincross resümiert: "Foreign economic policy was increasingly made by the Treasury." Cairncross: Years. S. 54. 112 Jay: Change and Fortune, S. 170. 170
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kurzzeitig Kabinettsrang), der ersten Veränderung der ministeriellen Struktur der Treasury im 20. Jahrhundert. Trotz der Inkorporierung der Planungseinheiten in die Treasury war der Widerstand der Schatzamtsadministratoren gegen eine Überführung der Finanzpolitik in das wirtschaftspolitische Instrumentarium noch nicht gänzlich überwunden. Im März 1948 beklagte sich Plowden bei Bridges über zwei Dinge, die ibm als Neuling im Budget Committee aufgefallen seien. Zum einen fehle die Zeit, sich in die wichtigen Probleme einzuarbeiten. Außerdem wunderte er sich über "[l]ack of basic economic knowledge on which to frame policy. The Situation is quite different from pre-war in that the Budget is now an integral part of general economic planning and also directly affects a much greater proportion of the national income. Such problems, for instance, as the relation of the Budget to full employment policy and to the investrnent programme require tobe kept in mind during the whole of the year."173 Den Wunsch nach größerer Integration des Budgets in die Wirtschaftspolitik lehnte allerdings Gilbert für die Treasury ab. So sehr man auch versuche, diese Integration voranzutreiben, schrieb er, müsse doch das Budget in einer besonderen Position verbleiben, da "[i]t has to be more precise than (say) the Economic Survey, and it therefore cannot be dealt with until fairly accurate statistics have become available. It deals with matters which by their very nature must be kept secret until they are pub1ished to the world at large. For both these reasons consideration of it must be crowded into the months immediately preceding April. But, even if consideration could be more widely spread in time, I should be reluctant to bring the budget any more than it is into the planning set up. We should soon find all Whitehall taking a band in budget discussions, to say nothing of the Planning Board with its outside representatives."'" In seinerneuen Position als ein Bestandteil der wiederhergestellten bzw. erweiterten Treasury-Macht konzedierte der CEPS dann auch bereitwillig, daß die 173 Plowden an Bridges, "Budget Committee", 23. März 1948, in PRO T.273/434 Budget Committee: Place of the Budget in the National Economy. ". Gilbert an Bridges, 9. April 1948, in PRO T.273/434. Über Gilberts (den Joint Second Secr. in der Horne Finance and Supply Division und Verantwortlichen für die Finanzen der verstaatlichten Industrien in der Treasury) allgemeine Haltung zu einer Finanzpolitik moderner Art schrieb Douglas Jay: "Once when we were striving vainly to keep some department's expenditure under control, Gilbert said to me: Tve always found that with the female members of my own family, the only way to stop peop1e spending money is to see they don' t have it.' Occasionally, the unworthy thought crept into my mind that there might be as much truth in bis outmoded wisdom as in the advanced thought of Keynesian economists surrounding me." Jay: Change and Fortune, S. 172.
ll. Die Integration von Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik
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notwendige Geheimhaltung des Budgets eine Beschränkung der Diskussionen um dessen Inhalt auf einen "small Treasury nucleus", der von CEPS und Economic Section beraten werde, gebiete."' Allerdings bezeugt der geradezu euphorische Ton, in dem R. Hall, der neue Direktor der Economic Section, die Zeit nach der Amtsübernahme Cripps' Revue passieren ließ, daß das Schatzamt gegen die noch nicht dagewesene Verantwortungsfülle und damit die Umdeutung der Aufgaben der Finanzpolitik trotz aller Bedenken auch keine wirkliche Obstruktion mehr leistete: "In the past 3 months there has been a revolution in Govemment since Stafford Cripps has been the undisputed master in the field and on the whole Plowden has been bis prophet. All the old barriers are coming down between the Treasury and other policy and there is very little of rearguard action. E.P. [Plowden] and I get almost anything we want [... ] The Treasury have given up the struggle altogether on the home front - they still fight a bit on overseas matters, where they have stronger people and we know less." 176 Eine Art Zeichen der neuen Zeit war zum Jahresende 1947 das Ausscheiden des ,,Erfinders" der pragmatischen Begründung des Treasury View, Richard Hopkins, aus seiner Beratungsfunktion im Budget Committee, in dem er zum letzten Mal den Haushalt von 1948 mitgestaltete. 177 Hopkins' - führender Kopf der Treasury in Fragen der Finanzpolitik seit Ende der 1920er Jahre und als solcher Opponent Keynes' vor dem Macmillan-Ausschuß wie auch der Keynesianer in der Reconstruction-Debatte -Rückzug aus der Haushaltspolitik steht für das einsetzende Ende der bemerkenswerten personellen Kontinuität in der Vertretung der Verteidigungsstrategie des Schatzamtes. Die Treasury Knights begannen bis zur Mitte der 1950er Jahre (Eady 1952 pensioniert, Gilbert und Bridges 1956, Brittain 1957) einerneuen Generation von Treasury-Bürokraten Platz zu machen, die ihre administrative Sozialisation schon in den Zeiten der keynesianischen Dominanz in der Wirtschaftswissenschaft durchlaufen hatte und insofern von vomherein keine Berührungsängste gegenüber der Theorie des Demand management mehr kannte.'"· Es war diese Generation, die das m Memorandum "Economic Planning", CEPS 1949 in PRO T 2291208 CENTRAL ECONOMIC PLANNING STAFF. Problems and Methods of Planning. 176 Tagebuch Hall, Eintrag ,,March 1948", in: Caimcross (Hg.): Robert Hall Diaries, S. 19. 177 Zur Zusammensetzung des Budget Committees für das Budget 1948 siehe: "Record of meeting of the Budget Committee held on Wednesday, 27th November 1947", B.C.(48)1 in PRO T273/424 Minutes of Budget Committee Meetings (April 1948 Budget). 171 Vgl. George C. Peden: Old dogs and new tricks: the British Treasury and Keynesian Economics in the 1930s and 1940s, in Furner/Supple (Hg.), S. 208-238, S. 212.
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
Schatzamt zu einem Hort keynesianischer Finanz- und Wirtschaftspolitik formte. Die veränderte institutionelle Fügung der Wirtschaftspolitik machte es dem Schatzamt indessen nach 1948 auch wesentlich leichter, sich in die neue Rolle eines zentralen Wirtschaftsministeriums zu fügen. Der Treasury View in den 1920ern und 1930ern war eine Verteidigungsstrategie gegen eine neue Ideologie der Budgetpolitik, die forderte, daß der Staat durch die Anwendung finanzpolitischer Mittel zur Bewältigung der Arbeitslosigkeit in den Wirtschaftsablauf eingreifen sollte, indem er die Gesamtnachfrage erhöhte. Weil die Treasury als Verfechterio der konventionellen Finanzpolitik der kleinen, ausgeglichenen Budgets auftrat und (zu Recht) mit der kameralistischen Tradition der Haushaltserstellung identifiziert wurde, von der wiederum ihr Einfluß in Whitehall abhing, bedeutete jede Kritik an der Vorgehensweise der Finanzpolitik gleichzeitig und vor allem auch eine Kritik an der Position des Schatzamtes innerhalb der Politik - der Treasury Control -, die jede Neuerung wirkungsvoll verhindern konnte. Analog verhielt es sich nach dem Krieg mit der Problematik, ob die Finanzpolitik ein Instrument der Planwirtschaft und damit der gesamten Wirtschaftspolitik untergeordnet sei. Auch hier bestand die Gefahr, daß die Position des Schatzamtes innerhalb des administrativen Gesamtgefüges grundsätzlich in Frage gestellt würde. Die dann erfolgte Fusion von Planung und Finanzpolitik innerhalb der Treasury ermöglichte jedoch die lange geforderte Integration von Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik und damit den entscheidenden Schritt zu einer keynesianischen ökonomischen Steuerung, ohne die departmentelle Stellung der Treasury zu verringern, so daß "looking after candle ends" und .,economic policy-making" keine Gegenpositionen mehr waren, sondern nebeneinander weiterbestehen konnten. Bereits die Entwicklung zum Budget im November 1947 zeigt, daß schon in den letzten Tagen der Kanzlerschaft Daltons die anti-keynesianische Seite des Treasury View kaum mehr als ein lange antrainierter Reflex war, der sich in pessimistischen Äußerungen, nicht aber in realen Widerständen vollzog. 5. Resümee: Gründe für das Scheitern des planwirtschaftliehen Versuches 1945-47
Die Ursachen des Scheiteros der planwirtschaftliehen Lösung unter der sozialistischen Labour-Regierung, das die Grundlage bereitete für die keynesianische Wende in der Finanzpolitik, lassen sich in vier Punkten zusammenfassen:
II. Die Integration von Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik
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1. Die Regierung hatte keinen "Plan" für eine demokratisch-sozialistische planwirtschaftliche Alternative, als sie die Verantwortung übernahm. Das Hochgefühl des Wahlsieges und des gewonnen Krieges 1945 verdeckte,
daß Labour die Regierung antrat mit einem wirtschaftspolitischen Programm,
für das in der innerparteilichen Reconstruction-Diskussion keine Pläne zur Verwirklichung erstellt worden waren (mit Ausnahme einiger spezieller Vorhaben wie dem Verstaatlichungsprogramm). Über die Strategie, mittels deren Verfolgung eine effiziente und gerechte Planung des Wirtschaftslebens verwirklicht werden sollte, herrschten bei denjenigen, die für ihre Durchführung verantwortlich waren (den führenden Männern des Kabinetts Attlee, Morrison, Dalton, Cripps und Bevin) Unsicherheit und zum Teil einander ausschließende kontroverse Ansichten. Während dem Premierminister wie auch seinem für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik zuständigen Minister ökonomische Kompetenz weitgehend fehlte 179, äußerte sich Bevin zwar ganz allgemein positiv über das Konzept der Wirtschaftsplanung, allerdings mit der entscheidenden Einschränkung, daß damit keine Arbeitskräftelenkung und Lohnpolitik gemeint sein dürfe. Auch Cripps, der "Gosplanite" des Kabinetts, war nicht in der Lage, über einige nur vage Bekenntnisse zur Planwirtschaft hinaus konkrete Vorstellungen auszuarbeiten. "Across the channel, post-war France embarked on a ambitious form of state-led modernisation, promoted by a planning commission almost independent of political control. In post-war Britain, anything of the sort would have required a virtual administrative revolution. Had ministers known what they wanted and been determined to get it, they might have forced through such a revolution. In retrospect, one of the most striking features of the Attlee government is that they did not and were not. Though they wanted to plan, they did not know what to plan, how to plan it or how to create the machinery to put the plans into effect. .. ,.. Diese Konzeptionslosigkeit - die um so überraschender ist, als die LabourFührung in der Kriegskoalition mehrheitlich für Wirtschaftsministerien verantwortlich gewesen war (Attlee als Lord President, Bevin als ArbeitsminiAuch wenn, wie sein Biograph anmerkt, Attlee in seiner Tätigkeit als Chancellor of the Duchy of Lancester (als Nachfolger Mosleys) der zweiten Labour-Regierung (1929-31) unter Anleitung seines Sekretärs, des Keynesianers Colin Clark, sich zu einem Vertreter einer gemäßigt expansionistischen Finanzpolitik hatte bekehren lassen. Kenneth Harris: Attlee, London 1982, S. 87. Ebd. findet sich auch ein Memorandum Attlees "The Problems of British lndustry" vom 29. Juli 1930 in diesem Tenor, das allerdings nie dem Kabinett vorgelegt wurde. Abgedruckt als Appendix I, S. 570584. 110 David Marquand: The Unprincipled Society. New Demands and Old Politics, London 1988, S. 43. 179
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ster, Dalton als Präsident des Board of Trade) - führte dazu, daß die neueinrückenden Minister im wesentlichen die Friedenspläne ihrer Ministerien verfolgten, die sich allerdings an der traditionellen Kompetenzenverteilung der Wirtschaftspolitik orientierten. Da gleichzeitig jedoch die im Krieg der überkommenen institutionellen Struktur übergestülpten Koordinierungsgremien weiterbestanden (wie z.B. das LPC), übernahmen die Labour-Minister mit ihren Ämtern auch die Konkurrenz der Friedens- gegen die Kriegsadministration, in die sie sich, wie das offene Gegeneinanderarbeiten von Morrisons Stab und Daltons Treasury und der eifersüchtige Kompetenzenstreit ihrer Dienstherren zeigte, hineinziehen ließen. Die einzige vorhandene planwirtschaftliche Konzeption war die der Kommandowirtschaft des Krieges, die jedoch im Frieden dergestalt nicht funktionieren konnte und dann auch spätestens 1947 zerbrach. Ihr Scheitern diskreditierte in der Bevölkerung, die ohnehin der ständigen Reglementierungen leid war, jeden Versuch einer Planung der Wirtschaft insgesamt gründlich nicht nur den tatsächlich vorgenommenen. Der Regierung blieb nichts anderes übrig, als auf die einzig vorhandene wirtschaftspolitische Konzeption, die ihren Zielen in anderen Politik.feldern, etwa den erreichten Verstaatlichungen und der Sozialpolitik, nicht diametral zuwiderlief und dennoch ein gewisses Maß an Globalsteuerung bot, zurückzugreifen: dies war die keynesianische Integration von Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik über einer ,,mixed economy" mit einigen nationalisierten Schlüsselindustrien, im wesentlichen jedoch privat-kapitalistischer Organisation. Für die Hinwendung zu einer Form der keynesianischen Wirtschaftspolitik sprach zudem, daß ihre Grundideen für die Praxis auch denen einleuchtend schienen, die die dahinterstehende Theorie nicht oder nur halbwegs verstanden, bzw., daß sie im gegebenen inflationären wirtschaftlichen Umfeld auch von denen akzeptiert werden konnte, die die keynesianische Wirtschaftstheorie ablehnten.••• Im Gegensatz zu einer planwirtschaftliehen Gesamtstrategie waren keynesianische wirtschaftspolitische Konzeptionen in der Labour Party, die unter Daltons Mentorat entstanden waren, vorhanden. Allerdings war Dalton als Schatzkanzler nicht bereit, auch für die Durchsetzung dieser Planungen zu sorgen. Dabei waren möglicherweise persönliche Gründe im Spiel; entscheidend war jedoch, daß auch Dalton sich der von seinem Ministerium vorgegebenen Abgrenzungstaktik gegenüber anderen Institutionen der Wirtschaftspolitik nicht widersetzte, so daß die für eine effiziente Nachfragesteuerung notwendige Verbindung von ••• Vgl. Peter Oppenheimer: Muddling Through: The Economy, 1951-1964, in: Vernon Bogdanor/Robert Skidelsky (Hg.): The Age of Affluence 1951-1964, London 1970, S. 117-167, S. 118/9.
II. Die Integration von Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik
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Finanzpolitik und Globalplanung erst mit seinem Weggang in die Wege geleitet werden konnte. 2. Die Regierung war nicht bereit. die notwendigen institutionellen Voraussetzungen für eine wirksame Koordinierung der Wirtschaftspolitik zu schaffen; und als sie es, durch die Krisen des Jahres 1947 gezwungen, mit dem Minister for Economic Mfairs dann doch versuchte, war der planwirtschaftliehe Ansatz so diskreditiert. daß es zu spät war, um noch etwas in diesem Sinne bewirken zu können. Auch in diesem Punkt scheiterte Labour an der erfolgreichen Verhinderungstaktik der Wirtschaftsministerien unter Führung der Treasury. Selbst das noch aus dem Krieg übriggebliebene Koordinierungsorgan Lord President's Committee wurde durch die Besetzung mit einem ausgewiesenen Nichtfachmann und die Überlastung Morrisons mit anderen Aufgaben so geschwächt. daß es die Beharrungskraft der traditionellen Wirtschaftsministerien nicht überwinden konnte; Ende 1947 mußte es dann seine ohnehin nur noch geringe Kompetenz in der wirtschaftspolitischen Koordination an die wiedererstarkte Treasury abgeben. 3. Die mit planerischenEingriffen in die Volkswirtschaft intendierte Veränderung der relativen Preisstruktur konnte auch theoretisch nur dann funktionieren, wenn darunter gleichermaßen die Löhne als Preis der Arbeit gefallen wären.'"2 Labour schreckte jedoch vor einer durchgreifenden Arbeitskräftelenkung und Lohnpolitik zurück, bedingt durch die Nähe der Partei zur Gewerkschaftsbewegung und die Stärke der Gewerkschaftsvertreter im Kabinett. die der Ankündigung der Unions, jedem Eingriff in das "free collective bargaining" entschlossen entgegenzutreten, durch entsprechende Verhinderungstaktik bereits in der regierungsinternen Diskussion bereitwillig zuvorkamen. "What is certain ... is that the impossibility of resolving the question of manpower profoundly changed the nature of Labour' s socialism [... ] Avenues of possible advance were blocked [nach 1945] by the unions. This fatally weak:ened the practical case for socialist planning and made it an increasingly frustrated ideological exercise."'"
Vgl. Alan Budd: The Politics of Economic Planning, London 1978, S. 24. '"' Brooke: Problems, S. 707; vgl. ders.: The Labour Party and the Second World War, in: Anthony Gorst/Lewis Johnman!W.Scott Lucas (Hg.): Contemporary British History 1931-1961. Politics and the Iimits of policy, London 1991, S. 1-16, S. 12; Samuel H. Beer: Modern British Politics. A Study of Parties and Pressure Groups, London 1965, S. 200. 182
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4. Bereits mit einer seiner ersten Regierungshandlungen, der Verhandlung um die amerikanische Loan und ihre Annahme, legte sich das LabourKabinett prinzipiell auf eine Wiederherstellung der außenwirtschaftliehen Beziehungen Großbritanniens nach kapitalistischem Muster fest. Dieser Trend festigte sich in der Folgezeit auch dadurch, daß das Vereinigte Königreich in enger Anlehnung an die USA bemüht war, zumindest in Teilbereichen den früheren außenpolitischen Status als Zentrum eines weltweiten Empires/ Commonwealth mit um den Globus verteilten Streitkräften zu restaurieren. Die Bereitschaft zur Akzeptanz der amerikanischen weltwirtschaftliehen Spielregeln zwang London unter das Joch der Dollarlrnappheit, zu deren Behebung eine fortwährende Konzentration der Wirtschaftspolitik auf die Erzielung möglichst hoher Exportüberschüsse notwendig war. Mit der Einordung in ein multilaterales Handels-, Währungs- und Verteidigungssystem amerikaDiseher Art begab sich die britische Regierung jeder (zumindest theoretisch noch bestehenden) Möglichkeit einer echten sozialistischen Reconstruction.'..
111. Die Finanzpolitik der Labour-Schatzkanzler Dalton und Cripps 1. Finanzpolitik bis zum April-Budget 1947
1945 rückte in den Mittelpunkt der Überlegungen der an der Finanzpolitik beteiligten Institutionen, welche Rolle in Zukunft die ökonomischen Kontrollen spielen sollten, bzw. inwieweit es möglich und wünschenswert sein würde, mit einer Nachfragesteuerung durch das Budget - in der durch einen hohen gesamtwirtschaftlichen Nachfrageüberhang gekennzeichneten Situation durch einen entsprechenden Budgetüberschuß-wirtschaftspolitisch tätig zu werden. In den Diskussionen um das letzte Kriegsbudget (vom 24. April t'945) im Budget Committee vertrat Lionel Robbins als ihr Direktor die Economic Section und deren Position: "[ ... ] I am sure that the bestplan would be to combine financial incentives with a prudent use of what can be saved from the probable partial disintegration of tbe present control machinery. All tbat I would contend isthat there is a presumption tbat the main solution lies in the financial rather than the physical sphere; and that tbe political difficulty need to be very weighty indeed before they can be held to counterbalance tbe favourable arguments on grounds of generat economic policy." Robbins fuhr fort: " .. while physical control is pro,.. Vgl. Burnham, S. vii; Teddy Brett/Steve Gilliatt/Andrew Pople: Planned Trade, Labour Party Policy and US Intervention: The Successes and Failures of Post-War Reconstruction, in: History Workshop Journall3 (1982), S. 130-142, S. 132.
m. Die Finanzpolitik der Labour-Schatzkanzler Dalton und Cripps
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bably the superior instrument in a period when mobilization for war (i.e. mobilization for clearly defined objectives) is being tightened up, it is by no means certain that it is superior for a period when reconversion is taking place, and when it is desirable that the initiative of adaptation should pass from a few Government Departments to the more various channels of private enterprise... ,., Gegen eine Priorität der fiskalischen Maßnahmen sprachen sich allerdings die anderen Mitglieder des Komitees aus.... Für die Begründung ihrer Ablehnung verließen sich die Offiziellen der Treasury einmal mehr auf die praktisch-administrativen Bedenken eines der Revenue Departments, in diesem Falle des Board of Customs and Excise, da die Vorschläge der ES zur Nachfragesteuerung sich vor allem auf die Möglichkeiten der Purehase Tax richteten, einer indirekten Steuer, für die dieses Department zuständig war. "7 In den Sitzungen der National Debt Enquiry (NDE) vertrat Meade für die ES wiederum die genau entgegengesetzte Position von den praktischen Schwierigkeiten, die mit einer Weiterführung der direkten Kontrollen verbunden sein würden: "We [Economic Section] argued that it was going to be difficult to maintain the direct controls, particularly in the case of inessentials; and that both as a weapon against inflation and also in order to prevent resources from being drained away into the production of inessentials, it was desirable to restrain buying power as much as possible through fiscal measures." Überraschenderweise erwies sich Keynes in der NDE als ungehaltener Gegner der Vorschläge seiner gelehrigsten Schüler: "Keynes opposed us vigorously. He wants to see a considerable reduction in taxation in an autumn Budget and to rely almost solely on the direct controls to prevent inflation. He argues that a reduction in taxation is uecessary to restore incentives... and that the accumulated capital sums in the hands of consumers are so great that any additional sums made available by reduced taxation would be neither here nor there ......
,., "The Purehase Tax and the Future of Controls", L. Robbins an Hopkins, 1. Februar 1945, in PRO T.l71/369 Papers leading up to the Budget, 24th April 1945, Vol. I. Die Economic Section war bei diesen Budgetberatungen zum ersten Mal vertreten und ihr Direktor Mitglied des Budget Committee. Vgl. zur Bedeutung der Einladung für die ES Tagebuch Meade. Eintrag 22. Dezember 1944, in: Howson/Moggridge (Hg.): Meade-Diary, S. 21. ••• Neben Robbins noch Hopkins, Bridges, Eady, Brittain, C. Gregg (Board of Inland Revenue), T. Padmore (Principal Private Secr. des Schatzkanzlers), Keynes, Henderson, A. Carter (Board of Customs and Excise), J.A.C. Robertson. Siehe Notiz Hopkins, 15. Dezember 1944 B(45)1, in PRO T.171/369. " 7 "Purchase Tax Policy", Memorandum des Board of Customs and Excise, Sir Archi bald Carter, 23. Januar 1945, Para. 27. in PRO T.171/369 . ... Tagebuch Meade, Eintrag 27. Mai 1945 (über die Sitzung der NDE vom 24. Mai), in Howson/ Moogridge (Hg.): Meade-Dairy, S. 83/4.
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
Die Ökonomen der ES fürchteten vor allem, daß der (scheinbar) offensichtliche Erfolg der kriegsbedingten Kontrollen, paradoxerweise verbunden mit dem Erfolg ihrer eigenen keynesianischen Propaganda von den lediglich technischen Problemen der Finanzpolitik, in Whitehall zu der Überzeugung führen würde, die Finanzen seien überhaupt nicht mehr von Bedeutung. "The fact is that, owing to the success of our war-time measures, nearly everyone has come to the conclusion that finance of any kind, even external finance, does not matter, and any attempts to break the spell of pre-occupation with the home market are looked upon as either academic or positively frivolous." In einer Verdrehung der bisherigen Position bat Robbins die Treasury sogar darum, dieser Entwicklung entgegenzuwirken und die Bedeutung der Finanzpolitik hervorzuheben: "1 hope very much indeed that the great weight of the Treasury authority will succeed in reversing this disastrous tendency ...""" Das Schatzamt zeigte hingegen durch die ablehnende Haltung gegenüber der Integration der Finanzpolitik in die Wirtschaftspolitik (Economic management durch das Budget), wie sie die Economic Section anstrebte, daß es eine Gefährdung der Finanzen eher aus einer anderen Richtung kommen sah: aus der Überbeanspruchung des Budgets als zentrales Lenkungsinstrument der Volkswirtschaft. Die Treasury bestand weiterhin im wesentlichen auf der kameralistischen Tradition der Budgeterstellung, d.h. der Behandlung des Haushaltes als staatliche Kasse. Die Treasury verstand sich selbst als zentrale Institution innerhalb des administrativen Gefüges, als maßgebliche Verwaltungseinheit, nicht als zentrales Wirtschaftsministerium. Ihre führenden Vertreter argumentierten - wie auch hier - stets aus administrativer Erfahrung (nach Peden "accumulated departmental wisdom and practical philosophy"'90), was ihren Rat tendenziell kritisch gegenüber der Übernahme neuer Funktionen und ungewohnter Vorgehensweisen werden ließ. Das erste Budget 1945 entstand zu einem Zeitpunkt, da aufgrundder Situation des unmittelbar vor seiner Beendigung stehenden Krieges (zumindest in Europa) über wesentliche Parameter der zukünftigen Haushaltspolitik zwangsläufig Unsicherheit herrschen mußte. Weder war bekannt, wann genau Nazideutschland besiegt, noch in welchem Umfang und über welchen Zeitraum eine britische Besatzung dort notwendig sein würde. Mit noch größerer Ungewißheit waren die finanziellen Konsequenzen der Entwicklung des Krieges im pazifischen Raum verbunden, vor allem wegen dessen Verbindung mit Stage II von Lend Lease, dem nächsten Stadium der amerikanischen Hilfslieferungen, die den größten Teil der britischen Importe substituierten. Zudem war weiterhin unklar, ob es noch in 1945 zu Wahlen kommen und welcher Art 119 190
Robbins an Hopkins, 8.Feb.l945, in PRO T.l?l/369. Peden: Keynes, S. 12.
ill. Die Finanzpolitik der Labour-Schatzkanzler Dalton und Cripps
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die Regierung sein würde, die den ersten Nachkriegshaushalt einbringen müßte. Schatzkanzler Anderson hatte deshalb auf ein unkontroverses Budget gedrungen, was die ohnebin konservative Einstellung des Budget Committee noch mehr auf die Bewahrung des finanzpolitischen Status quo bin ausrichtete.'•' Zu Beginn der Beratungen des zweiten Budgets 1945 waren die meisten dieser Unklarheiten beseitigt worden: Der Krieg in Europa hatte am 8. Mai geendet, und auch Japan kapitulierte nach dem Abwurf der beiden Atombomben bereits im August (wobei allerdings in Großbritannien von einer Laufzeit von Lend Lease Stage II von etwa 18 Monaten ausgegangen worden war, während die Amerikaner nun mit dem Kriegsende in Asien auch sofort ihre Unterstützung zu Ende geben ließen). Der abrupte Abbruch von Lend Lease war die erste außenpolitische Hiobsbotschaft, mit der sich die am 26. Juli ernannte Labour-Regierung unter Premierminister Attlee konfrontiert sah. Innenpolitisch hingegen war Attlees Regierung stark, sie konnte sich auf eine Mehrheit von 393 von 640 Unterhaussitzen stützen. Aufbauend auf ihrer Unterhausmehrheit und legitimiert durch die besondere Situation, die der Übergang von nahezu sechsjähriger Kriegswirtschaft zur Friedenswirtschaft bedeutete, legte sich die Regierung überdies in der Wirtschaftspolitik (wie auch in anderen Bereichen) mit dem Supplies and Services (Transitional Powers) Act Kompetenzen zu, die erhebliche Eingriffe in die Volkswirtschaft in der Art des Kriegsdirigismus gestatteten, etwa die Festsetzung von Preisen durch Verordnung und die Weiteranwendung der weitreichenden Anordnungsbefugnisse gegenüber der Privatindustrie über die Art der zu produzierenden Güter, deren Herstellungsform, Mengen und Produktionsorte aus dem Ministry of Supply Act von 1939.'92 Die Diskussionen im Kabinett um den 191 Budget Committee B.(45)11 Revise, Conclusion, 11. Februar 1945, Para. 9, in PRO T.17l/369: ,Jt seems to the Budget Committee that, following the phraseology of Professor Robbins the right course for the present is to defend the present position from deterioration and that this is best done by maintaining the status quo. The Comrnittee therefore favour the view taken by the Board of Customs." 192 Der Gesetzentwurf ist in C.P.(45)111, 14. August 1945, in PRO CAB 129/1 Cabinet Memoranda. C.P.(45) Ser. Die innere Stärke führte zu demonstrativem Selbstbewußtsein der Regierungsmitglieder: Am 3. Oktober 1945 sprach Dalton zum ersten Mal beim "Lord Mayor's Annual Mansion Dinner" (Versammlung der führenden Köpfe der Londoner City). Dabei versuchte Dalton, die Finanziers mit dem festen Willen Labours zu beeindrucken (wenn nicht einzuschüchtern): "The results of that election were a surprise to many; but they lacked nothing in clarity and emphasis. And so it comes that I stand here tonight as the first Chancellor of the Exchequer in a Labour Government which is not only in office but in power. supported by a strong parliamentary majority and with every reasonable prospect of a long life." Dalton: High Tide, S. 53.
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
Gesetzentwurf unmittelbar nach Kriegsende zeigen, daß die Regierung für ihre gesamte Amtszeit damit rechnete, die ihnen übertragenen erweiterten Exekutivrechte auch anwenden zu müssen: "[ ... ] it was importaßt tbat tbe Government sbould at once establisb tbe principle tbat tbe next five years would be a period of transition in wbicb tbe exercise of emergency powers by tbe Executive would be as necessary as it bad been in war. It was also pointed out tbat after tbe last war tbe period of industrial and economic difficulty bad not begun until 1921; and it was arguable tbat, if tbe Government bad tben enjoyed sufficient powers of control, it would bave been possible to avoid tbe industrial crises of 1921, 1924, and 1926." Zudem rechnete die Labour-Führung mit konservativem Widerstand gegen ihre sozialistische Politik, weswegen sie die Laufzeit des Gesetzes auf fünf Jahre verlängerte, um so die fällige Verlängerung nach zwei Jahren durch das Oberhaus, von dem es mehr als unsicher schien, ob es sie gewäbren würde, zu umgeben. 193 Attlee machte (entgegen den Erwartungen auch der Beteiligten) Dalton zum Schatzkanzler, wäbrend der stärkste Mann der Arbeiterbewegung und Minister of Labour and National Service im Krieg, Ernest Bevin, Außenminister, wenn auch mit erheblichem Einfluß auf die Wirtschaftspolitik, wurde. Attlee nahm diese Aufgabenverteilung wohl vor, weil er Bevin und Morrison, den Lord President of tbe Council und damit Koordinator der Wirtschaftspolitik, die ein notorischer Antagonismus bis bin zur offenen Feindschaft verband, so weit wie möglich auseinanderhalten wollte."' Stafford Cripps, der "Volksfrontrebell" der 1930er Jahre, wurde Handelsminister (President des Board of Trade). Mit dieser Besetzung der Wirtschaftsministerien waren allerdings Kompetenzstreitigkeiten vorprogrammiert: sollte die Regierung mehr einer Politik der Nachfragesteuerung durch das Budget mit unterstützenden Kontrollen zuneigen, wie es Dalton vorschwebte, würde die Treasury als Budgetministerium die Koordinierungsfunktionen des Lord President' s Committee an sich ziehen, wäbrend bei einer mehr planwirtschaftlieben Orientierung notwendigerweise die alleinigen Kompetenzen des Schatzamtes in bezug auf das Finanzbudget in Frage gestellt werden müßten, da in einem solchen Falle der Finanzbaushalt nur ein Bestandteil des allgemeinen Wirtschaftsplanes sein und damit seine Festlegung der übergeordneten Planungsinstanz zukommen würde. Die besondere Stellung der Economic Section war ebenso dazu angelegt, Abgrenzungsprobleme zu bereiten. Sie unterstand direkt dem Lord President, ihre Aufgaben lagen jedoch in erster Linie in der Zusammenarbeit mit 193 Kabinettssitzung Cabinet 23(45), 16. August 1945, S. 44, in CAB 128/1 Cabinet Conclusions. C.M.(45) Ser. 194 Vgl. Donoughue/Jones, S. 345; Henry Pelling: The Labour Governments, 194551, London 1984, S. 28.
m. Die Finanzpolitik der Labour-Schatzkanzler Dalton und Cripps
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der Treasury in der Budgeterstellung. Zudem sah sieb ansebeinend Cripps schon 1945 als der wirkliebe ökonomische Koordinator der Regierung an nachdem seinem BoardofTrade der größte Teil der Verantwortlicbkeiten des unmittelbar nach Kriegsende aufgelösten Ministry of Production zugefallen war-, weswegen er versuchte, die Verantwortung für die Beschäftigungspolitik und damit die ES und das CSO dem Board of Trade einzugliedern, um so die "Gosplan"-Ricbtung innerhalb der Regierung zu stärken'"'; dem widersetzte sieb Morrison allerdings erfolgreich. Neben der Frage nach dem zukünftigen zentralen Wirtschaftsministerium und der Verantwortung für die Beschäftigungspolitik war noch ein drittes schwerwiegendes Kompetenzproblem ungeklärt, die Zuständigkeit und die generelle Ausrichtung der Regierung im Hinblick auf die Komplexe Lohnpolitik und Arbeitskräftelenkung. Während formal das Ministry of Labour (zu diesem Zeitpunkt noch: Labour and National Service) unter George lsaacs verantwortlich war, hatte das Kabinett ein mit undeutlichen Aufgaben versebenes "Man-Power Committee" unter Bevin daneben gestellt, in dem außer Bevin und lsaacs (desgleichen Gewerkschaftler) auch Cripps saß, der energischste Befürworter einer Lenkung von Arbeitskräften und Zwangsmaßnahmen in der Lohnpolitik'9 ' , die seitens des TUC strikt abgelehnt wurde. Daltons erstes Budget, wenngleich als Nachtragsbaushalt nur für ein halbes Rechnungsjahr und wegen der drückenden Zwänge der Demobilisierungsphase wenige Monate nach Kriegsende für die finanzpolitische Strategie von lediglich geringer Aussagekraft, läßt bei der Untersuchung seiner Entstehung insbesondere bezüglich des Verhältnisses von politischer Führung und Administration des Schatzamtes doch einige bemerkenswerte Rückschlüsse zu. Die Diskussionen des Budget Committee'97 mit dem neuen Scbatzkanzler, der es 19 ' Vgl. Tagebuch Meade, Eintrag vom 26. August 1945, in Howson/Moggridge (Hg.): Meade-Diary, S. 114/5. 196 Zu den Standing Ministerial Comrnittees des Kabinetts: C.P.(45)110, 13. August 1945, in PRO CAB 129/l. 197 Das Budget Committee bestand zu Beginn von Daltons Kanzlerschaft aus Bridges, dem Nachfolger Hopkins' als Permanent Secretary der Treasury seit dem 28. Februar 1945, aus Hopkins, Brittain, Gilbert, Gregg, Padmore, Keynes, Robbins (nur für kurze Zeit, bis er als Direktor der Economic Section von Meade abgelöst wurde), Meade und J.A.C. Robertson. Nach: Bridges, Zirkular 10. Juli 1945 B 2(45)1, in PRO T.171/372 Papers leading up to the Budget 23rd October 1945, Volume ll. Die weitere Organisation der Treasury-Führung unter Dalton war: Financial Secretary - William Glenvil Hall; P.P.S. - Durbin; Beamte: Permanent Secr. - Bridges (bis 1946 auch Secretary to the Cabinet); sechs "Treasury Knights": drei Second Secretaries - Sir Alan Barlow, Sir Wilfried Eady, Sir Bernard Gilbert, drei Third Secretaries - Sir David Wealey, Sir Herbert Brittain, Sir Henry Wilson Smith (1946 trat Wi1son Smith
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
nicht an Selbstbewußtsein und politischem Gestaltungswillen fehlen ließ und der zudem im Krieg den Ruf erworben hatte, mit seinen Civil Service-Beratern sehr raub umzuspringen und explizit gegen ihren Rat zu handeln, waren wie ein erstes Abtasten, bei dem beide Seiten, Politiker und Verwaltung, ver~ suchten, dem jeweils anderen seine Grenzen aufzuzeigen. In einer Stellungnahme zu den Inhalten des Haushaltes••• lehnte das Budget Committee die Vorstellungen Daltons in Bausch und Bogen ab. Es sprach sich gegen seinen Vorschlag einer Abschaffung der Post-War Credits (die Überbleibsel von Keynes' Zwangssparen; es ging vor allem um den rückzahlbaren Anteil an der Excess Profits Tax) als Maßnahme einer allgemeinen Steuersenkung aus und gegen die Erhöhung der Einkommensteuergrenze auf U20 im Jahr. Zwar begrüßte die Treasury den Willen zur Senkung der Standard Rate der Einkommensteuer, um größere wirtschaftliche Anreize zu schaffen, scharf wurde jedoch gegen den Plan Daltons protestiert, im Gegenzug die Surtax, die zusätzliche Steuer auf höhere Einkommen, anzuheben. "It is understood tbat the Chancellor desires to consider tbe question of increasing still further tbe Surtax rates so as to take back from the upper slices of larger incomes part of the benefit accruing from the reduction of tbe standard rate. It must be pointed out tbat in the history of the lncome Tax tbere never has been an increase of Super-tax or Sur-tax at a time when the standard rate of tax was falling and it would be particularly difficult to defend such a course in tbe frrst post-war Budget which is looked forward to as one to give relief from the exceptional burden imposed in wartime [... ] an increase in Sur-tax scale already at peak rates would, it is believed, be resented as unfair. It would certainly be very damaging to incentive and any fiscal change having such an effect is one to be avoided at the present time, when it is so important to increase national output and national income." Wiederum zeigte die Treasury, daß sie nicht bereit war, die Verwendung der Einkommensteuer als Umverteilungs- und nicht ausschließlich fiskalisches Instrument zu akzeptieren.'.. Aus diesem Grunde in den Ruhestand, dafür wurden Sir Eric Bamford und J.I.C.Crombie Third Secretaries). Dazu (wieder-) ernannte der Schatzkanzler zwei Berater, Lord Keynes und Sir Richard Hopkins. Für die meiste Zeit seines Amtes war Burke Trend Daltons Principal Private Secretary. Gaitskell und Durbin hatten Dalton vor einigen der "Knights" gewarnt, die seine Politik hintertreiben würden: "Then we talked about the officials in the Treasury and gave warnings against AB [Barlow], WE [Eady] and NBG [Gilbert]. I spoke up strongly for Dennis [Proctor] and proposed that he should try and get John Maude." Tagebuch Gaitskell, Eintrag 6. August 1945, in Williams (Hg.): GaitskellDiary, S. 6. Dalton selbst bezeichnete Bridges, Hopkins, Keynes und Gilbert als seine "official Inner Four at the Treasury", Dalton: High Tide, S. 104. ••• Budget Committee Report, o.D. (August 1945), in PRO T.l?l/372. ,.. Gregg drückte die Überzeugung der Treasury aus, als er an Meade schrieb (26. November 1946): ,,I am not enarmoured, as you know, of the idea of using the lncome
ill. Die Finanzpolitik der Labour-Schatzkanzler Dalton und Cripps
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wandte sich das Committee auch gegen eine Erhöhung der Erbschaftssteuern, die es als demotivierend und zur Steuerumgehung verleitend bezeichnete. Gerade diese egalitäre Tendenz der Steuerpolitik war jedoch eines der Hauptanliegen Daltons und sollte der wesentliche "sozialistische" Zug seiner Finanzpolitik sein.200 Gegen die Idee des Schatzkanzlers, die E.P.T. abzuschaffen und statt dessen eine Gewinnsteuer mit einheitlicher Rate ("flat rate") einzuführen, bemühte die Treasury sogar Snowden (!)als Zeugen, der die äußerst unbeliebte Corporations Profits Tax 1924 als Katastrophe bezeichnet und abgeschafft hatte. Es ist anzunehmen, daß die Anrufung der Unperson und des "Verräters" Snowdeos gegenüber einem Labour-Schatzkanzler eine durchaus beabsichtigte Provokation war, eine Reprise gegenüber Dalton, der die führenden Offleials der Treasury anfangs für unfähig hielt. 201 Gegen die Meinung des Budget Committee hielt Dalton im wesentlichen an seinen Vorstellungen fest, d.h. er setzte eine Anhebung der Steuerfreibeträge auf U20, eine Reduktion der Standard Rate von 10/- (50%) auf 9/- (45%) und die Erhöhung der Surtax auf Einkommen von über UOOOO um 1/- durch. Dagegen wurde keine Profit-Tax nach den Vorstellungen des Schatzkanzlers eingeführt, die E.P.T. aber auf 60% gesenkt.102 Die Senkung der E.P.T. war deshalb besonders dringlich, da ihr realer Satz den nominalen von 100% (davon ein Fünftel als Steuergutscheine, d.h. rückzahlbar) noch überstiegen hatte. Die Unternehmen waren im Krieg durch Verordnungen darin gehindert worden, Abschreibungen in voller Höhe des Wertverlustes ihrer Anlagen vorzunehmen. Die daraus entstehenden Scheingewinne wurden mit der E.P.T. abgeschöpft, so daß der Staat nicht nur zusätzliche Gewinne (Wertzuwächse), sondern darüber hinaus bestehende Werte entnahm, was die Fähigkeit der Un-
Tax for non fiscal purposes [... )" In PRO T.273/420 April 1947 Budget: Taxation Papers. 200 Vgl.die Ansprache Daltons vor der Fabian Society in der Conway Hall, 22. November 1945: "This Labour Government ... and this great Labour Majority in Parliament, is determined to advance along the road towards economic and social equality. We arenottobe deflected by those Tory wiseacres, who teil us that complete equality is both unattainable and undesirable. That is not the point. As Jeremy Bentham once said, 'perfect equality is a chimera; all we can do is to diminish inequality' . And we mean to do that in this Parliament." Zit. nach Dalton: High Tide, S. 64. 101 Vgl.die Einträge in Daltons Tagebuch vom 24.August 1943 und 13.November 1943, in: Pimlott (Hg.): Dalton, War Diary , S. 626 und 670. 202 Protokoll einer Sitzung von Teilen des Budget Committees mit dem Schatzkanzlcr, 17. September 1945, in PRO T.171/372.
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
ternehmen zur Neu- und sogar Ersatzinvestition erheblich beeinträchtigt hatte.2o3
Dalton versuchte mit seinem ersten Budget einen Spagat zwischen wählerfreundlichen Steuersenkungen vor allem bei den niederen Lohngruppen und der beruhigenden Mitteilung an die Öffentlichkeit zur Dämpfung der Inflationsfurcht, daß zwar im laufenden Jahr ein Ausgleich des Haushaltes noch nicht möglich gewesen sei (wobei er zur Rechtfertigung auf die Erfahrungen nach dem letzten Krieg verwies), daß er dieses Ziel jedoch anstrebe und in naher Zukunft zu erreichen gedenke.2(" Derartige Verkündigungen, die jedes Budgetstatement Daltons enthalten sollte, zeigen die Bedeutung, die auch 1945 den traditionellen Normen der Finanzpolitik, zumindest in den Überlegungen in bezug auf die psychologischen Auswirkungen des Haushaltes, noch zugemessen wurde, in auffaltigem Gegensatz zu dem, was Labour im Krieg binsiebtlieb des zukünftigen Status der Finanzpolitik formuliert batte.20' In der Vorstellung seines zweiten Budgets am 9. April 1946 erweiterte Dalton den rhetorischen Spagat der Unterbringung von staatlicher Freigebigkeit und "sound finance" im selben Haushalt noch einmal. Mit seiner typischen Pomposität feierte er sich selbst zunächst als entschiedenen Kämpfer gegen das Wiederaufflammen der Arbeitslosigkeit: "One of tbe first instructions wbicb I gave, wben I became Chancellor of tbe Exchequer last July, was tbat, as regards constructive parts for tbe Development Areas, tbe Treasury was hencefortb to be, no Ionger a curb, but a spur. I have told ... tbe President of tbe Board of Trade, and otber colleagues, tbat I will find- witb a song in my-beart - wbatever sums are needed for useful and practical proposals to develop tbese Areas [ ... ] This job shan't fail for tbe Iack of finance." Dann aber stellte er sich als erfolgreichen Vertreter traditioneller Ziele der Finanzpolitik dar, dem gelungen sei, was die (dann konservativ dominierte) Regierung nach dem letzten Krieg erst nach mehreren Jahren erreicht habe: "We may ... claim tbat... we shall be not very far off a Balanced Budget this year. This I regard as a most remarkable achievement, tobe proclaimed not only in tbis country, but tbroughout tbe world. It is a great tribute to tbe practical capacity of tbe 203 Vgl. Klaus Schierloh: Fiscal Policy in Großbritannien. Der Beitrag der Finanzpolitik zur Wiederherstellung der inneren und äußeren finanziellen Stabilität in den Jahren 1945 bis 1960, Berlin 1964, S. 17. 204 Siehe Trend an Gilbert, Eady, Brittain über Daltons Einstellung zum ausgeglichenen Haushalt, 9. Oktober 1945, in PRO T.171/371 Papers leading up to the Budget 23rd October, 1945. Vol. I. 205 Vgl. dagegen Labour Party: Full Employment, S. 3: "Finance must be the servant, and the intelligent servant, of the community, and productive industry; not their stupid master."
ill. Die Finanzpolitik der Labour-Schatzkanzler Dalton und Cripps
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British people, in the management both of their public and of their private affairs, that in the frrst year following our victory, after six exhausting years of war, and with a Govemment in power which has deliberately embarked upon a great and costly programme of social betterment, we should so nearly have attained this goal of traditional finance."206 Die finanzpolitische Ausrichtung eines Schatzkanzlers ist nicht zuletzt abhängig von den entsprechenden Charakterzügen und ideologischen GrundeiDstellungen des Amtsinhabers. In dieser Hinsicht überwog bei Dalton das expansionistische, großzügige Element deutlich die dogmatische Wertschätzung des Sparens um seiner selbst Willen, für das schon physiognomisch die hageren Snowden und Cripps (letzterer allerdings mit weniger Berechtigung) standen. Morrison äußerte gegenüber Bridges seinen Unmut über die zu freigiebige Art Daltons: "He also bad the impression that the Treasury said 'Yes' rather too easily [...]"207 A. Salter schildert eine in diesem Zusammenhang bezeichnende Episode zu Daltons Amtsführung: Als er, Salter, konservativer Minister of State for Economic Mfairs seit 1951, zu einem Besuch in das Büro des Schatzkanzlers in Downing Street No. 11 kam, fiel ihm gegenüber dem Schreibtisch das Portrait Gladstones auf"[ ... ] with bis eagle eye and severe austerity of expression, looking straight at the occupant of the seat behind the desk. I remarked on the quality of the painting. The old messenger who bad 206 Dalton, Vorlage für die Budgetrede 9. April1946, S. 9 und 22, in PRO T.171/386 Papers leading up to the Budget 9.4.1946 Vol. I. Dalton zeigte sich rückblickend überaus zufrieden mit diesem Budget: ,,My Second [sie] Budget, ... was to me the most satisfying of the four for which I was responsible. Our affairs were moving well and I was able to make many announcements, which, by general consent, were both judicious and popular." Dalton: High Tide, S. 109. Er fährt fort (S. 111): "All the items in this wide and varied range of increased expenditure bad this in common. They would all add to the health and welfare of our people. They were all social investments, some in material things and some in human values. They were the frrst year' s instalment of our five-years plan for this Parliament." Die Darstellung des Budgets als "not far from being balanced" nahm Dalton auf Anraten seiner ,,Inner Four" vor, um gegen die grassierende Inflationserwartung anzugehen, siehe Protokoll einer Besprechung des Schatzkanzlers mit Bridges, Keynes, Hopkins und Gilbert vom 20. Februar 1946, in PRO T.171/386. Burke (später Lord) Trend, Privatsekretär Daltons, bemerkte in einem Gespräch mit Daltons Biographen Pimlott über die Aufmerksamkeit, die der Schatzkanzler dem rhetorischen Eindruck seiner Reden widmete: ,,1 never knew a Chancellor so conscious of the need for aesthetic completeness in a Budget speech. He would spent hours on individual paragraphs, going through phrase by phrase and changing commas." Pimlott, S. 441. 2IYI Bridges an Gilbert, 26. November 1946 (über eine Unterredung mit dem Lord President vom gleichen Tag), in PRO T.273/419 April1947 Budget: Working Papers.
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sbown mein said, 'Yes, I'm glad we've got it back now. Mr Dalton bad tbe picture taken away- be couldn't stand tbem eyes."20' In den Budgetvorbereitungen Anfang 1946 tat sieb ein Problem auf, das während der gesamten Kanzlerschaft Daltons zum eigentlichen Willenstest der Regierung bezüglich einer Steuerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage zur Minderung des inflationären Drucks werden sollte: die staatlichen Subventionen auf Lebensmittel, die vor allem eine Maßnahme waren, um ein Steigen des Preisniveaus dieser Güter zu verhindern, drohten aufgrundder eskalierenden Preise für importierte Lebensmittel zum größten Einzelposten des Haushaltes zu werden. Eine Stützung der Lebensmittelpreise war nun wiederum deshalb von besonderer Bedeutung, da sie innerhalb des Warenkorbes, anband dessen Preisveränderungen gemessen wurden, den größten Anteil ausmachten, die Inflationsrate also wesentlich von ihrer Entwicklung abhing. Außerdem übte nach Auffassung der Regierung die Entwicklung der Lebensmittelpreise größten Einfluß auf das Verbalten der Gewerkschaften aus. Sollten die Gewerkschaften von ihrem freiwilligen Stillhaltekurs abweichen und zu Forderungen nach Lohnerhöhungen übergehen, schien dem Kabinett in der bestehenden Situation des zurückgestauten Nachfragepotentials das Ingangkommen einer inflationären Spirale kaum noch zu verbindem gewesen zu sein. Die Annahme, daß die Gewerkschaften eine Kürzung der Subventionen nicht hinnehmen könnten, ohne entsprechende Kompensationen einzufordern, war dabei durchaus realistisch. So ergaben 1947 Berechnungen des Arbeitsministeriums, daß der Anstieg der Reallöhne um 26-27%, der seit 1939 zu verzeichnen gewesen war, nur darauf beruhte, daß der Lebenshaltungsindex im selben Zeitraum Dank der Subventionen nur um 31% und nicht um 65%, wie es ohne die Stützung der Fall gewesen wäre, gestiegen sei. "In terms of tbe 1914 index, tberefore, tbe wbole of tbe increase in real wage rates ... is attributable to tbe subsidies. "209 Keynes drängte in den Budgetdiskussionen darauf, die Stützung des Lebensbaltungsindexes flexibler zu gestalten, d.h. einen gewissen Preisanstieg durch Kürzung der Lebensmittelsubventionen zuzulassen, um das Budget zu entlasten. Eine weitere Erhöhung der staatlichen Ausgaben würde das Ziel eines Budgetausgleiches gefahrden, der aber notwendig sei, um die Finanzpoli-
Artbur Salter: Memoirs of a Public Servant, London 1961, S. 289. "The rise in wages since 1939 and the effect of cost of living subsidies", Memorandum des Ministry of Labour, 14.Juli 1947 L.P.(47)118, in PRO CAB 132/8 Lord President's Committee. Memoranda. L.P.(47) Series. 208 209
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tik als Mittel gegen den inflationären Druck anwenden zu können.2 ' 0 Realiter
vergrößerte ein weiterhin defizitärer Haushalt dagegen noch die aggregierte Nachfrage, der durch den Zwang zu steigenden Exporten weiterhin ein zu geringes Angebot an Waren gegenüberstand ("inflationary gap"). Anstatt die überflüssige Liquidität abzusaugen, pumpte der Staat so immer mehr Geld (und damit Nachfrage) in die Taschen der Konsumenten. Nur mit dem Novemberbudget 1947 (Daltons letztem Haushalt) und dem Haushalt Hugh Gaitskells 1951 konnte dieser Trend während der Regierungszeit Labours durchbrochen werden (trotz des hohen realen Überschusses des ersten CrippsBudgets vom April 1948), wie die nachfolgende Tabelle zeigt, ein wichtiges Kennzeichen dafür, daß sich die Idee eines konsequenten Demand management unter Inkaufoahme auch der unpopulären restriktiven Maßnahmen trotz gegenteiliger öffentlicher Äußerungen nur zögernd durchsetzte. Tabelle 6 Steuerveränderungen unter den Schatzkanzlern der Labour-Regierung 1945-51 und ihre Auswirkungen auf die Entwicklung der Konsum- und der Gesamtnachfrage211
Dalton, 1945 Okt. 1946 1947 1947, Nov. Cripps, 1948 1949 1950 Gaitskell, 1951
Steuern auf persönl. Einkommen in Mio. f -292 - 82 - 97
- 104 4 - 82 + 79
GewinnSteuern, in Mio. f
KonsumKapitalSteuern, in Steuern, in Mio. f Mio. f
- 83 - 70 +20 +47 - 62 +233
-
+ 22 + 9 +105 + 20
10
Steuern gesamt, in Mio. f - 385
- 146 16 + 54 +112 +150 +197 + 48 + 49 - 92 - 46 + 81 + 75 +387 Fortsetzung Tabelle -
21 ° Keynes an Schatzkanzler, 31. März 1946, in PRO T.171/386, und in der oben genannten Besprechung vom 20. Februar 1946, in ebd.: "The real formidable item, from the point of view of future Budgets, would be the cost of subsidies to food. Lord Keynes said that he was opposed to the policy of holding the cost of living completely steady, regardless of increases in wages and import prices. Prices were rising, and would go on rising; and, in his view, the cost of living figure shou1d be allowed gradually to reflect these increases." 2 11 Nach Dow, S. 200.
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Fortsetzung von Tabelle 6 Auswirkungen A, Steuerveränderung in% BSP (a) gesamt, in% des BSP -4,4 +3,4 Dalton 1945, Okt. - 1,6 1946 + 1,1 1947 +0,5 + 0,1 1947, Nov. - 1,5 + 2,0 Cripps +0,5 +0,5 1948 -0,8 1949 +0,4 1950 +0,3 Gaitskell - 1,0 1951 +2,9 (a)- A- Auswirkungen auf Kaufkraft der Konsumenten (b) - B- Auswirkungen auf Gesamtnachfrage
Auswirkungen B, in% BSP (b) +2,8 + 1,0 - 1,2 +0,4 +0,3 +0,3 - 0,6
In seiner letzten Äußerung als Ratgeber der Treasury gab Keynes212 den Tenor der Beratungen um das erste Budget 1947 vor, indem er vor dem Zusammenbruch der Subventionspolitik warnte und eine erhebliche Anpassung des Lebenshaltungsindexes nach oben forderte, da ein Budgetausgleich nur bei einem Index von 200 möglich sei (dies entsprach der Höhe des Preisindexes für importierte Lebensmittel, die Großhandelspreise standen bei 175, die Löhne bei 161 und der Lebenshaltungsindex bei 131).m Meade nahm für die Economic Section das Thema auf: "Presumably at the next budget the time will have come at least for setting an upper Iimit to these subsidies, and, I should hope, for starting a process of tapering them off. There are a number of strong arguments in favour of their ultimate abolition [...]"214 Es sei an der Zeit einzuKeynes starb am 21. April 1946, ein Ereignis, das auch in der Treasury als tragischer Verlust aufgenommen wurde. Vgl. den Tagebucheintrag Richard ("Otto") Clarkes vom 22. April1946: "Appalling news of death of Keynes [... ]His death leaves the Treasury in a terrible hole. Keynes has been the Treasury over the last few years; he has determined policy, spurred on the officials by criticism and help, conducted the major negotiations. The dependence on Keynes has been good for the Treasury in some respects; it has been bad in others, for it has prevented the officials from developing an individual technique of thought. He has been the brain and the conscience. Now, at the beginning of a period of far-reaching negotiations, the controller of the basic strategy (and 75% ofthe tactics) has gone." R.W.B. Clarke: Anglo-American, S. 71. m Keynes, "Post-Budget Reflections", o.D. in PRO T.1711389 Papers leading up to the Budget 15th April, 1947. 214 Notiz Meade, 25. April 1946, in PRO T.l71/389. 212
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lösen, was im Weißbuch Emp!oyment Policy formuliert worden war "[...] namely that budgetary surpluses should be achieved in periods of inflationary pressure so that budgetary deficits can be incurred when it is necessary to fight deflation without unbalancing the Budget dangerously over the average of years ... the next few years are pre-eminently years in which we should achieve a surplus. Indeed, if we do not do so we shall only be paying lip service to the principle of achieving a balance over the period of inflationary and deflationary years. "21 ' Die Treasury begann vorsichtig, dieser Einschätzung zuzuneigen und die inflationäre Gefahr zu erkennen, welche aus der Weiterführung der Stabilisierung des Indexes mit Hilfe von Lebensmittelsubventionierungen drohte. Infolgedessen entsann sich das Budget Committee seiner vernachlässigten keynesianischen Berater und beauftragte die ES mit der Erstellung eines Memorandums zur "Control of Inflation". 216 In diesem Papier17 warnte Meade vor dem Aufbau einer erheblichen inflatorischen Lücke durch den Nachfragedruck sowohl im Konsum- wie auch im Investitionsgüterbereich. Gleichzeitig sei das System der Kontrollen überlastet. führe zu Ineffizienz und Ungerechtigkeiten: "Since 1940 the essential bulwark against a potential inflationary pressure has been the system of direct controls over expenditure, such as price control, rationing, licensing of purchases or expenditure etc. Of these, the essential anti-inflationary control has been price control, since effective price control, even in the absence of rationing or licensing of purchases, itself effectively Iimits total expenditure. Those at the head of the queue who are lucky enough to find any of the price-controlled goods obtain their supplies, while those at the tail of the queue have to take their money home to invest in savings certificates." Der Kriegsapparat der Kontrollen über die Preise verlöre im andauernden Frieden notwendigerweise an Leistungsfähigkeit, es entstünden mehr und mehr Möglichkeiten der Umgehung. Weiterhin schwächten direkte Kontrollen Anreize, mehr zu produzieren und mehr zu arbeiten. Preiskontrollen würden verhindern, daß sich die Preisstrukturen (relative Preise) anpaßten, was für eine rasche wirtschaftliche Erholung notwendig sei. " ... in the absence of labour direction, it is difficult to see how it will be possible to induce workers and employers to move Meade an Bridges, 5. Juni 1946, in PRO T.273/419. "A paper should be put up in the near future to the Chancellor of the Exchequer from the Budget Committee setting out the extremely difficult and dangeraus situation which was resulting from the continuation of the policy of holding the cost of living figure fixed." "Conclusions of the informal meeting held on Wednesday 29th May [1946]", Teilnehmer Eady, Bridges, Hopkins, Gilbert, Meade, in PRO T.273/ 419. 217 "Control oflnflation" Memorandum Meade, 17. Juni 1946, in PRO T.1711389. 215
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from the production of what is less urgently wanted, unless a conscious use is made of price and wage adjustments." Daher sei dem starren und nicht mehr effizienten System der direkten Kontrollen die Nachfragesteuerung vorzuziehen. "There is, of course, an alternative method of control over a potential inflationary pressure. This consists in bringing the total demand into balance with the total supply by a fiscal policy which keeps the amount of spendable funds in balance with the available supply of goods and services." Weiter schrieb Meade: "[... ] the general principle should be to prepare immediately for effective measures of an anti-inflationary character to restrain total demand and to keep it down in balance with total available supplies, but simultaneously to be ready at relative short notice hereafter to put the gears into reverse and to stimulate total demand [...] The immediate need is for an early Budgetsurplus to control the existing inflationary pressure." Wenngleich Gilbert für die Treasury die grundsätzliche Argumentation Meades anerkannte, sah er doch noch wesentliche Hindernisse gegen eine derartige Politik, vor allem in dem Rückstau von Spargeldem aus dem Krieg, der sich in Konsum zu manifestieren versuchen würde und in der notwendigen Steueranhebung "[...] and I doubt whether that is predictable in present circumstances."m Sehr viel stärker ablehnend reagierte die Treasury, inklusive des Schatzkanzlers, auf die konkreten Vorschläge Meades zur Ausgestaltung des Budgets."• Meade hatte die Kürzung der Lebensmittelsubventionen um f150 Mio. auf einen Schlag gefordert, was Gilbert für "quite impracticable" hielt. "It would mean a disruptive change in prices which could hardly fail to set in motion another round of wage increases. What we are doing at the moment, plus some steady reduction once we get a new index, is much more likely to reduce subsidies without disturbance than the drastic cut Mr. Meade has in mind. " 220 Bridges formulierte " ... there is a good deal in it which many of us in the Treasury would not agree. " 221 Die Ablehnung bezog sich vor allem auf Äußerungen Meades zur Darstellung des Budgets: Analog zu den Ausführungen des ,,Economic Survey" für 1947 über "Manpower-" und Materialpläne, die die Regierung mit ihrer Wirtschaftspolitik zu verwirklichen gedachte, sollte das Budget als ein Finanzplan dargestellt werden, aus dem die Auswirkungen der Finanzpolitik auf die Gesamtwirtschaft ersichtlich würden. Das bedeutete vor allem, daß im Haushalt die Größe und Art des "inflationary gap" beziffert und Maßnahmen zu seiner Bekämpfung angekündigt werden Gilbert an Bridges, 1. Juli 1946, in PRO T.273/419. "The Economic Crisis and tbe Budget for 1947/8", Memorandum Meade o.D., in PRO T.171/389. 220 Gilbert an Bridges, 14. März 1947, in PRO T.171/389. 221 Notiz Bridges an Trend, 14. März 1947, in PRO T.171/389. 211
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sollten, so wie es im Krieg seit dem Budget von 1941 üblich gewesen war. Mehr als einen geringen Einfluß auf die Art seiner Präsentation wollte Dalton dem jedoch nicht zugestehen. 222 2. Finanzpolitik zum Jahreswechse11947/48: Die keynesianische Wende
Die Installation der Treasury als zentrales Wirtschaftsministerium und der Übergang zur gesamtwirtschaftlichen Nachfragesteuerung nach dem Scheitern des planwirtschaftliehen Versuches waren zwei Veränderungen, die sich zwar zu einerneuen Gesamtstrategie der wirtschaftlichen Lenkung der Labour-Regierung verbanden und auch zeitlich koinzidierten, die jedoch in der Entstehung unterschiedliche Prozesse darstellten. Die institutionellen Veränderungen zur Verbesserung der wirtschaftspolitischen Koordination waren eine Reaktion des aufgeschreckten Kabinetts auf die Krisen in der grundsätzlichen Ausrichtung der Regierung und die Probleme der bestehenden Ministerien und Verwaltungsorgane, eine angemessene Vorhersage- und Krisenreaktionsfähigkeit zu entwickeln. Ein Grund der ungenügenden Abstimmung war die mangelnde Einbindung finanzpolitischer Maßnahmen in die Wirtschaftspolitik, eine Folge vor allem der ablehnenden Haltung des Schatzamtes gegenüber jeder Kompetenzenteilung in der Budgeterstellung. Eben diese Separierung führte dazu, daß zum selben Zeitpunkt, in dem die Regierung versuchte, mit der Begründung verschiedener Planungseinheiten ihre Koordinationsfähigkeit zu verstärken, in der Treasury begonnen wurde, ohne Bezug darauf eine andere wirtschaftspolitische Strategie zu realisieren. Obgleich Dalton bereits im August 1947 die Möglichkeit eines Nachtragshaushaltes ins Auge gefaßt hatte "[... ] to lessen the inflationary pressure by mopping up some purchasing power [... ]", sprach sich der Schatzkanzler im folgenden Monat dann wieder dagegen aus. Wenn ein derartiges Budget doch notwendig sein solle, dann müsse es auf Veränderungen in der Profits Tax, der Purehase Tax und der Tabaksteuer beschränkt bleiben. Wenig überzeugt zeigte sich Dalton davon, daß, wie von seinen Beratern nicht nur der Economic Section zunehmend gefordert, bei den Lebensmittelsubventionen ein drasti-
222 "Read with interest. But it does not much change my mind, although it may influence- a little- my presentation." Handschriftliche Notiz Daltons auf Meades Memorandum, PROT.l?l/389.
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scher Schnitt notwendig sei."' Auch als die Überlegungen zum Nachtragshaushalt konkreter wurden, änderte Dalton seine Position nicht. Die TreasuryFührung allerdings begann, den bisher vergeblich von der ES vorgebrachten keynesianischen Rezepten zuzuneigen und ein Budget explizit zur Schließung des "inflationary gap" zu fordern. Zu diesem Kurswechsel trug die durch die außenwirtschaftliche Situation potenzierte inflationäre Gefahr im Sommer 1947 wesentlich bei.224 Dieaufgrund der katastrophalen Entwicklung der Handels- und Kapitalverkehrsbilanz und der damit verbundenen hochgradigen Bedrohung der außenwirtschaftliehen Stabilität (deren Ausdruck die Konvertibilitätskrise war) notwendige Konzentration der Wirtschaftspolitik auf die Erzielung möglichst großer Exportüberschüsse und die daraus folgende Importbeschränkung verstärkten noch die ohnehin bestehende Disbalance zwischen inländischer Nachfrage und Warenangebot Auf dieses höchst alarmierende Problem hatte die ES im übrigen bereits seit einiger Zeit hingewiesen; erst die offensichtliche Krise 1947 und die Wirkungslosigkeit der konventionellen Antiinflationspolitik ließ die Schatzamts-Bürokratie autborchen. In einem in dringendem Ton gehaltenen Memorandum stellte Bridges die Vorschläge der Treasury dem Schatzkanzler dar. "The purpose is, not the oldfashioned one of extra ta.xation to balance the Budget, but a reduction of the inflationary pressure which threatens to prevent the emergency measure from achieving their objective. A Budget so presented would maintain confidence in the value of sterling, not only in this country, but also abroad, particularly in America." Die Größe des "gaps" sei zwar nur schwer einzuschätzen (was Dalton handschriftlich mit einem "Yes" unterstrich), erreiche aber wahrscheinlich zwischen ±:450 und ±:500 Mio. Der gesamte inflationäre Druck habe eine Größenordnung zwischen ±:850 und ±:900 Mio. Zur Eindämmung der inflationären Gefahr - Bridges ging von notwendigen Einsparungen bzw. Einnahmeerhöhungen von ±:350 Mio. aus - würden Steuererhöhungen nicht genü221 Dalton an Bridges, 11. August 1947 und Trend an Bridges, 8. September 1947, in PRO T.1711392 Papers leading up to the Supplementary Budget 12th November, 1947. 224 Tomlinson: Employment Policy, S. 113, nennt als Grund für den Kurswechsel der Treasury und deren stark anti-inflationäre Haltung, daß sie zum einen die Auswirkungen der Geldentwertung auf die Zahlungsbilanz durch den festen Wechselkurs, darüber hinaus aber auch Folgen für das niedrige Zinsniveau fürchtete, weil die erste Sorge des Schatzamtes die Schwierigkeiten der Kreditversorgung der Regierung bei höheren Zinsen gewesen sei (deswegen sei die Treasury auch eine enthusiastische Anhängerin des "cheap money" gewesen). Vgl. Neil Rollings: British budgetary policy 1945-1954: a 'Keynesian revolution' ? in: Ec.Hist.Rev., 2nd ser., 41 (1988), S. 283-298, s. 287.
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gen: "A gap of this order cannot be closed by taxation alone. First importance, therefore, attaches to a substantial reduction in the cost of living subsidies which are the largest inflationary element at the present time." Dies sei "one absolutely essential feature" (die Subventionen sollten um 50%, d.h. !:240 Mio., gekürzt werden). Dabei sei schon berücksichtigt, daß "some degree of inflationary pressure" in einer Wirtschaft mit Vollbeschäftigung unumgänglich sei, wozu Dalton bemerkte: "Yes, and much better than unemployment."225 Wenige Tage zuvor hatte Bridges dem Schatzkanzler bereits deutlich gemacht, daß die Treasury mittlerweile geschlossen hinter den Vorschlägen zur massiven Kürzung der Lebensmittelsubventionen stehe: Er informierte seinen Vorgesetzten über die " ... complete unanimity with which your advisers subscribe - and subscribe strongly - to the view ... that a piecemeal attack on the subsidies will be both wrong and useless and that a really substantial reduction in the total bill, preferably in the Autumn Budget, is the only sensible and useful thing to do. "226 Der Schatzkanzler bezweifelte die Bedeutung der Subventionen für den Aufbau des inflationären Drucks; insgesamt hielt er die Argumentation des Memorandums für wenig überzeugend: "1 don't accept a lot of this" bemerkte er.227 Während die Treasury forderte, daß die Subventionen im kommenden Budget die Grenze von f300 Mio. auf keinen Fall überschreiten dürften, daß sogar eine noch niedrigere Zahl vorzuziehen sei22' , konnte sich Dalton nur zu einer sehr viel vorsichtigeren Vorgehensweise durchringen: "We must move cautiously and by stages. The first step is to make sure that we don't exceed !:425 - and indeed fall a little bit short of it in this financial year. "229 Ohne entsprechende Kürzungen war zu erwarten, daß die Subventionen etwa !:480 Mio. betragen würden; die Treasury verlangte demnach eine substantielle Beschneidung der Zahlungen um mehr als ein Drittel, während Dalton nicht mehr als eine Einsparung von etwa 11% für politisch durchsetzbar hielt. Auch wenn er zustimmte, daß eine Beschränkung der Nachfrage zur Inflationsbekämpfung notwendig sei, meinte er doch, dies durch Einsparungen an anderer Stelle erreichen zu können, vor allem bei den Verteidigungsausga225 "Autumn Budget", Memorandum Bridges an Schatzk:anzler, 23. September 1947, in PRO T.171/392. 226 Notiz Bridges an Schatzk:anzler, 18. Sept. 1947, in PRO T.172/392. 227 Handschriftliche Notiz Daltons auf dem Memorandum "Autumn Budget" von Bridges vom 23. September, in PRO T.172/392. 22 ' "Autumn Budget", Memorandum Bridges, 22. Oktober 1947, in PRO T.17l/392. 229 Handschriftliche Notizen Daltons (20.10.) auf dem Memorandum "Cost of Living Subsidies. Revised Aide Memoire" Gilberts, 18. Oktober 1947, in PRO T.273/ 421 November 1947 Supplementary Budget: Working Papers.
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ben."" Hopkins mußte dem ehemaligen Dozenten für Wirtschaftswissenschaften an der renommierten LSE die gewichtigen ökonomischen Unterschiede zwischen beiden Arten staatlicher Ausgaben auseinandersetzen: Zwar seien auch die Verteidigungsausgaben im hohen Grade inflationär, die Demobilisierung brauche jedoch Zeit und würde zudem nicht gewährleisten, daß mit ihr auch die Produktion für zivile Güter ansteige. "The food subsidies were quite a different question. In the ftrst place the general Ievel of remuneration continued steadily to rise, while prices remained more or less stationary; the result was a distorted economy, in which a growing degree of inflationary pressurewas inevitable. Secondly, our aim in the Budget should be- as the Chancellor hirnself bad emphasised - to produce a Budget surplus. lf the subsidies were reduced, a large part of the revenue from taxation, which bad, so far, simply been retumed to the taxpayer in a different fonn, would appear as a genuine Budget surplus (as distinct from a fortuitous one resulting from war tenninals) and would be freed to reduce debt and to relieve the inflationary pressure."231 Allerdings waren für Daltons Haltung auch sehr viel mehr parteitaktische denn ftnanzpolitische Gründe ausschlaggebend. Er sah voraus, daß ein scharfer Einschnitt bei den Lebensmittelsubventionen ,,maximum political commotion" erzeugen würde, insbesondere unter den die Regierung unterstützenden Bevölkerungsgruppen. Außerdem störte ihn, daß "[a]ll the wrang people from the point of view of His Majesty's Govemment and their supporters have been publicly advocating big cuts in food subsidies. This has already led to much political debate, and malicious rumours are being circulated about the Whitehall advice to the same effect. All this creates a very unfavourable political atmosphere for this proposal. Niemeyer's remark in 1931 that 'the trouble is that the rieb are too poor and the poor are too rieb' is still liable to be overheard even if no-one now says it. ..m In der Ablehnung einer einschneidenden Kürzung der Lebensmittelsubventionen erhielt Dalton von seinem Financial Secretary Douglas Jay Schützenhilfe: derartige Schritte würden sogar inflationsbeschleunigend wirken, da die Lebensmittelrechnung einer nonnalen Familie sich um rund 30% erhöhen würde. "Quite apart from its social and political unwisdom, such a policy would be economic folly ...", vor allem wegen der im Gegenzug als Kompen-
Siehe "Cuts in Expenditure", Memorandum Dalton, o.D. und das Protokoll einer Besprechung (Dalton, Bridges, Hopkins, Eady, Gilbert) vom 30. September 1947 in PRO T.l71/392. 231 Gesprächsprotokoll vom 30. September 1947, in PRO T.171/392. 232 "Cuts in Expenditure", Memorandum Dalton o.D. in PRO T.171/392. 230
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sation zu erwartenden Lohnforderungen.233 Abgesehen davon, daß Jay hier ganz offensichtlich von einem rein politischen Inflationsbegriff ausging, der allein auf das Symptom abhob, den aktuellen Stand des Lebenshaltungsindexes, der durch Subventionen und Preisfestsetzungen manipuliert war, und nicht auf die "Krankheit", die Übemachfrage in den Händen der Konsumenten, erwies sich nun Keynes' Wamung vor dem Zurückschrecken vor einer Lohnpolitik als zutreffend. In Zeiten der Vollbeschäftigung und der Übernachfrage bildeten die Löhne die offene Flanke der Antiinflationspolitik, deren Regulierung die Regierung wegen ihrer Verbundenheit mit den Gewerkschaften und der Stärke der Gewerkschaftsbewegung in Fraktion und Kabinett sich anzugeben scheute.234 3. Der Versuch einer Lohnpolitik 1946-48
Voll- oder gar Überbeschäftigung, wie sie im und in der Zeit nach dem Krieg vorherrschte, birgt immer die Gefahr einer lohninduzierten Inflation: wenn für die Arbeitnehmerseite kein Grund zur Lohnzurückhaltung gegeben ist, da die wirtschaftliebe Situation (bzw. sogar eine Art staatliche Vollbeschäftigungsgarantie) es wenig wahrscheinlieb macht, daß Lohn- und damit Kostenerhöhungen Arbeitsplätze gefahrden, und darüber hinaus aufgrund der boomartigen Nachfrageentwicklung auch bei den Arbeitgebern der Widerstand gegen Forderungen der Arbeitnehmer nur gering ist, da sie in der Lage sind, ihre höheren Produktionskosten an den Käufer weiterzugeben, kann leicht eine Lohn-Preis-Spirale in Gang kommen. Deshalb wurde schon im Stamp Survey im November 1939 und dann auch im Employment-Weißbuch 1944 die Notwendigkeit einer Lohnpolitik, d.h. einer staatlichen Einflußnahme auf die Lobnentwicklung, herausgestellt."' Am 9. Oktober 1945 wurde der m ,,Budget and Food Subsidies", Memorandum Jay an Schatzk:anzler, 10. Okt. 1947, in PROT.171/392. 234 Von den 20 Kabinettsmitgliedern waren 9 Gewerkschaftler. Von den 393 LabourParlamentariern waren 31% "Irade-union sponsored" (nach Pelling: Labour, S. 42): "The weakest aspect of the Government's management of the economy was its treatment of the trade unions. They were, of course, its allies, and for this very reason they bad tobe placated rather than instructed." Ebd., S. 265. 215 Siehe auch "Continuance of the Policy of Stabilisation", Memorandum der Treasury, 5.März 1943 I.E.P.(43)11 (vom IEP verabschiedet und dem Minister without Portfolio überreicht), in PRO CAB 87/57 Official Committee on Post-War Interna! Economic Problems, Meetings and Memoranda I.E.P.(42) & (43) Series, Para.5 " ... the stabilisation policy and the wages policy are complementary. The former is dependent upon the latter, and at the same time renders the latter possible. The boom and the rising wage Ievels experienced after the last war, accompanied as they were
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Lord President vom Kabinett beauftragt, eine Untersuchung der Lohnstruktur in der Industrie durchzuführen. Daraus resultierte ein Report der Official Working Party on Wages Policy unter Nicbolson vom 26. März 1946.236 Der Report schloß von vornherein eine direkte Lohnfestsetzung durch die Regierung aus, da diese sonst ihre guten Beziehungen zu den Gewerkschaften auf Spiel setzen und zum Ziel von Arbeitskämpfen würde. Er schlug die Einrichtung einer "National Industrial Conference" vor, mit beiden Seiten der Industrie und Regierungsvertretem. Selbst dies lehnte Bevin ab. "He said that eacb union was entitled to negotiate independently with tbe employers and that the Conference would Iack autbority ...m Als Kompromiß wurde die Gründung einer "lndustrial Conference" angeregt, die auf der gleichen Basis wie der "National Joint Advisory Council" von 1940 arbeiten sollte (Neueinsetzung des NJAC am 31. Juli 1946). Im Januar 1947 veröffentlichte die Regierung das Weißbuch "Statement on tbe Economic Considerations Affecting Relations between Employers and Workers"233, in dem sie deutlieb die Notwendigkeit von Lohnzurückhaltung als Mittel gegen die Nachfrageinflation herausstellte, mit der Intention, die Tarifpartner durch den Hinweis auf weitergebende ökonomische Überlegungen zu erzieben.239 "Wben tbe Wbite Paper eventually appeared ... it bad very little impact [... ]", merkte jedoch die Treasury später an. 240 by a great rise of prices, not only occasioned much unrest at the time but seriously aggravated tbe troubles which occurred in the resultant depression." 236 Official Working Party on Wages Policy, First Report L.P.(46)71, 26. März 1946, in PRO CAB 132/3 Lord President's Committee. Memoranda. L.P.(46) Series. m PRO T.26717 Treasury Historical Memorandum No.5. The Government and Wages 1945-1960 (Juli 1962). Para. 6. In der Tat war es vor allem Bevin, der immer wieder seinen ganzen Einfluß gegen den Versuch einer Lohnpolitik in die Waagschale warf. Siehe etwa C.M.24(46), Cabinet Meeting 14.März 1946, Para.6: "The Foreign Secretary [Bevin] said that he would be strongly opposed to any system by wbicb the State attempted to regulate industrial wages ... lt was easy to exaggerate the danger of an upward spiral of wages, and easy to over-estimate the value in terms of purcbasing power of the wage increases wbich had, in fact, taken place. The main problern at the present was that of improving wages and conditions in the Jess well-paid and more unpleasant industries ... In bis opinion there was no serious risk in allowing wages to continue to be settled by tbe traditional procedure of collective bargaining." In PRO CAB 128/5 Cabinet Conclusions 1946 C.M.(46). 233 Cmd. 7018. 239 Morrison erklärte den "Erziehungsauftrag" der Regierung: ,Jt was clear ... tbat tbe first step must be to educate both tbe employers and the trade unions so as to create a state of mind in whicb they would welcome more guidance from tbe Government." "Conclusions of a Meeting", L.P.(46)ll, 29. März 1946, in PRO CAB 13211 Lord President's Committee, Minutes of Meetings. L.P.(46) Series. 240 PRO T.26717, Para. 34.
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Aufgrund der gesamtökonomischen Schwierigkeiten des Jahres 1947 verstärkte die Regierung ihre Bemühungen hinsichtlich einer für die Gewerkschaften zustimmungsfähigen Lohnregulierung. Unterstützt wurde diese Entwicklung von einem personellen Umbruch im General Council des TUC, in dem nach einer starken Fluktuation 1945-7 die moderaten Gewerkschaftsführer die Oberhand gewannen. Citrine verließ seinen Posten 1946 (er ging ins National Coal Board); die neuen starken Männer im GC waren die regierungsnahen Artbur Deakin (TGWU), Tom Williamson (NUGMW) und Will Lawther (NUM), die mit ihren Gewerkschaften nahezu die Hälfte der Stimmen des TUC hinter sich hatten und erheblichen Einfluß auf das General Council's Special Economic Committee ausübten, das während der Energiekrise zur Zusammenarbeit mit der Regierung gegründet worden war. 241 Zwar bemühten sich die Gewerkschaftsvertreter um eine engere Zusammenarbeit mit der Regierung in Fragen der Produktivitätserhöhungen, weiterhin scharf zurückgewiesen wurde jedoch jede Andeutung einer Einmischung in die Tarifabschlüsse.242 Im August hob eine Bewegung fort von den ,,mahnenden Worten" hin zur direkten Involvierung seitens der Regierung an: die Control of Engagements Order wurde in Kraft gesetzt, die eine partielle Rückkehr zur Politik der Arbeitskräftelenkung ankündigte. Ebenfalls im August appellierte der Premierminister " ... to workers in all industries and employments not to press at this time for increases of wages or changes in conditions which would have a similar effect, especially where increases are put forward on the basis of maintaining differentials between various categories of workers on the basis of former practice. Equally I would appeal to employers not to seek to tempt workers away from essential work by affering higher inducements to work in less essential industries, thus creating a vicious spiral. I appeal to those in control of industry and commerce to refrain from declaring high dividends. " 243 Innerhalb des Kabinetts klafften allerdings die Meinungen über den Grad der notwendigen bzw. erwünschten Regierungsinvolvierung in die Tarifpolitik weiter auseinander. Wie bereits seit dem Frühjahr 1946 drängte der Energieminister Shinwell mit Unterstützung Morrisons und Cripps' auf ein entschiedeneres Auftreten der Regierung in dieser Frage und stieß damit bei Bevin und Arbeitsminister Isaacs (dem früheren Vorsitzenden des General Council
Vgl. Panitch, S. 20. Siehe die Besprechung der Regierung mit Vertretern des TUC arn 7. Mai 1947, in der Morrisons sehr vorsichtig formulierter Gedanke von einem notwendigen Lohnverzicht von den Gewerkschaftlern als ein "undue" Eingriff in das Prinzip des "free collective bargaining" zurückgewiesen wurde. In PRO T.l61/1371/S.56131 Wage Stabi1isation Working Party. Papers General. 243 Statement des Premierministers, HoC Deb. 441, 6. August 1947, col.l514 241 242
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des TUC) auf offene Ablehnung.,.. Es ist kaum verwunderlich, daß bei dieser diffusen Entscheidungssituation die Ergebnisse der Gespräche mit den Gewerkschaften um eine Lohnpolitik einer vernichtenden Kritik unterzogen wurden: "All that emerged from the discussions was another polite suggestion that restraint should be exercised. This rather pathetic appeal to reason bad no more effect on the behaviour of the unions than a whispered 'whoa' to a deaf cart-horse, which, blinkered by tradition, could not see that the road bent and that if it kept straight on it would drag the economy off the hard surface and into inflationary morast. "2. , Die unterschiedlichen Auffassungen innerhalb des Kabinetts246 mußten auch die Arbeit der im August 1947 zur Entwicklung einer Stellungnahme der Regierung bezüglich der Lohnpolitik gegenüber beiden Tarifseiten eingesetzten Wage Stabilisation Party"' von vornherein erschweren. Allerdings begann sich nach dem Menetekel der allgemein schlechten Ernte in Buropa und der Konvertibilitätskrise die Haltung der Regierung zu verändern. Vor allem Cripps war es, der aus seiner neuen einflußreichen Position als zuständiger Minister für die ökonomische Koordination auf die Publikation eines "starken" Weißbuches drängte; er selbst verfaßte zu wesentlichen Teilen das dann veröffentlichte Dokument.24• Cripps, der nach seinen kritischen Äußerungen zur Arbeitermitbestimmung ohnehin wie ein rotes Tuch auf die Gewerkschaften wirkte249, forderte von seinen Kabinettskollegen die Veröffentlichung ohne 244 Auf Kabinettsebene wurde der Streit im Juli 1947 ausgetragen. Siehe dazu C.M.62(47) o.D. (Juli), S. 149-51, in PRO CAB 128/10 Cabinet Conclusions, C.M. (47) Series. Zur Entwicklung der Fronten siehe "A Proposed National Wages Policy", Memorandum des Ministers of Fuel and Power, L.P.(46)255, 22. Oktober 1946 und die Antwort Isaacs, ,,National Wages Policy", Memorandum des Ministers of Labour and National Service, L.P.(46)259, 29. Oktober 1946 in PRO CAB 132/5 Lord President's Committee, Memoranda. L.P.(46) Series. 245 Roberts, S. 56. 246 Vgl. Williams (Hg.): Gaitskell-Diary, S. 45, Tagebucheintrag Freitag, 14. November 1945: "Yesterday morning I was at the Cabinet, the only outsider present for a discussion on wages policy. lt dragged on and on very heatedly. Cripps and Morrison being calm and sensible, Ernie [Bevin] flying into a furious rage and accusing Cripps of leading us down the road to fascism. (lt was as though Cripps had touched a fuse off.)" 247 PRO T.229/85 National Wages Policy. Official Working Party on the Stabilisation ofWages. 248 Vgl. Panitch, S. 22. 249 Einen Aufruhr innerhalb der Gewerkschaftsbewegung verursachte Cripps mit einer Rede in Bristol am 27.0kt.l946: "From my experience there is not as yet a very large nurober of workers in Britain capable of taking over large enterprises. I have on
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vorherige Konsultationen mit den Vertretern des TUC und die Einrichtung eines "Central Appeal Tribunal" zur Schlichtung von Tarifstreitigkeiten unter staatlicher Aufsicht. Beidem widersetzte sich erneut das Arbeitsministerium.v• Erst als im Januar 1948 die Regierung des erheblichen Anstiegs der Löhne in der zweiten Jahreshälfte 1947 gewahr werden mußte, konnte sie ihr internes Patt überwinden und ihre Handlungsfähigkeit zurückgewinnen: so verzichtete Cripps auf seine Forderung nach einer zentralen Schlichtungsstelle, dafür wurde der TUC mit dem "Statement on Personal Incomes, Costs and Prices"v' am 4. Februar 1948 vor vollendete Tatsachen gestellt. In dem Weißbuch bekannte sich die Regierung zur Unantastbarkeit der "collective agreements" und versprach, in die Einkommensverhältnisse nur über Steuerpolitik (also nicht über zwangsweise Lohn- bzw. Lohndifferentialfestsetzung) eingreifen zu wollen. Diese Erklärung war jedoch mit einem dringenden Appell an den Gemeinsinn beider Seiten der Industrie verbunden, zur Abwehr inflationärer Gefahren Zurückhaltung bei Löhnen, Gewinnen und Dividenden zu üben. Im Zusammenhang dieser Untersuchung ist außerdem der Wortlaut des Dokuments von Belang. Die Formulierungen des Weißbuches sind ein weiteres handgreifliches Indiz dafür, wie weit die Labour-Regierung mittlerweile von ihren wirtschaftlichen Planungsvorstellungen abgerückt war. Ausdrücklich wird Lohnpolitik nur als freiwilliger Verzicht auf Lohnzuwächse dargestellt; der explizite Bezug auf die Bedeutung der Tarifverträge zeigt, daß eine Ausgestaltung des Lohndifferentials zur Arbeitskräftelenkung von der Regierung nicht mehr intendiert war-'2 (während Anfang 1947 mit der Control of Engagement Order eine Arbeitskräftelenkung zumindest noch ansatzweise verkündet worden war'').
Der General Council protestierte erwartungsgemäß sofort gegen die Nichtkonsultation und gegen die ,,limited and weak" gehaltenen Aussagen bezügmany occasions tried to get representatives of the workers on all sorts of bodies and working parties. It has always been extremely difficult to get enough people qualified to do that sort of job." Unmittelbar danach konkretisierte er diese Aussage in einem Brief an das Bristol Trades Council, das empört auf seine Rede reagiert hatte: "The Labour Party's policy is not syndicalist. lt does not believe in "workers control" as such. lt is a fact that there are not enough trade unionists with experience of managerial functions.[ ...]" Zit. nach Estorick, S. 315/6. ".PRO T.26717, Para. 43. 2St Cmd. 7321. m Vgl. Panitch, S. 22. m " [ ... ] butthiswas a timid measure, timidly used." D.F. Macdonald: The State and the Trade Unions, London 1960, S. 151.
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
lieh der Gewinnbeschränkungen254, empfahl nach einer entsprechenden Erklärung Cripps' am 12.2. dem GewerkschaftskoogreS aber dennoch die Zustimmung, allerdings mit fünf Qualifizierungen, die den grundsätzlichen Charakter des Weißbuches deutlich abschwächten.25s (Auf einer "special conference" des TUC stimmten dieunionsmit 5 421 000 gegen 2 032 000 Stimmen den Prinzipien des Dokumentes zu; der Kompromiß über freiwillige Lohnzurückhaltung erodierte dann bereits 1949 heftig, bevor er 1950 offiziell von Gewerkschaftsseite widerrufen wurde). Die Billigung der von der Regierung vorgeschlagenen freiwilligen Selbstbeschränkung durch beide Seiten der Industrie war fraglos ein Erfolg Attlees und Cripps'. Allerdings stiegen die Löhne kaum gebremst über die nächsten Jahre weiter an. Aus den folgenden Tabellen wird die Entwicklung deutlich, mit der sich die Regierung konfrontiert sah und dazu die seit dem Krieg erheblich vergrößerte Machtbasis der Gewerkschaften, die sich in der gegenüber den 1930er Jahren verdoppelten Mitgliederzahl, aber auch in der Situation der allgemeinen Vollbeschäftigung seit 1941 ausdrückte. Zudem zeigt die mit Kriegsende wieder steigende Zahl der Streiks, daß die Unzufriedenheit im ,,rank and file" über die Beschäftigungsbedingungen sich auch gegen die Politik der Gewerkschaftsorganisationen ein Ventil zu suchen begann (dabei blieb bis 1951, mit Zustimmung der Gewerkschaften, die Conditions of Employment and National Arbitration Order (No. 1305) in Kraft, die Streiks verbot). Tabelle 7 Stärke der Gewerkschaftsbewegung 1934-51256, Teilt
Mitglieder insgesamt 1934 1935 1936
4539 4 803 5 225
In% der Arbeitnehmer 23,8 25,1 27,2
Anzahl der Streiks 471 553 818
Verlorene Arbeitstage durch Streiks 959 1955 1829
Eric L. Wigham: Trade Unions, London '1963, S. 163. General Council of the Trades Unions Congress, Special Committee on the Economic Situation, Recommandations (18. Februar 1948), Para. 5, in: Robertson/Sams (Hg.), S. 514. 256 Clegg, S. 31617. Zum Einfluß der Gewerkschaften als "estate of tbe realm" nach dem Krieg siehe auch Robert Taylor: Scapegoats for National Decline: the Trade Unions since 1945, in: Chris Cook/John Ramsden (Hg.): New Trends in British Politics since 1945, London 1978, S. 88-108, S. 89. 254
25s
lli. Die Finanzpolitik der Labour-Schatzkanzler Dalton und Cripps Mitglieder insgesamt 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 1950 1951
5 757 5 969 6206 6 519 7 048 7 722 8 031 7 935 7 684 8 603 8 931 9 118 9 077 9 021 9 266
In% der Arbeitnehmer 29,9 30,8 31,9 33,4 36,0 39,3 40,7 40,0 38,6 43,0 44,5 45,0 44,7 43,8 46,7
Anzahl der Streiks
Verlorene Arbeitstage durch Streiks
1129 875 940 922 1 251 1 303 1 785 2194 2293 2 205 1 721 1 759 1426 1 339 1719
3413 1 334 l 356 940 1079 1527 1808 3 714 2 835 2158 2433 1944 1807 1 389 1694
Tabelle 8 Stärke der Gewerkschaftsbewegung 1934-51, Tei12
1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 1950 1951
BasisLohnraten (wöchentq 34,6 35,2 36,2 37,6 38,1 39,8 44,4 48,3 51,2 53,6 55,9 59,7 63,6 66,3 68,8 70,0 72,9 80,9
Durchschn. Einkommen
69,0 89,0 99,5 111,5 121,3 124,4 121,4 120,9 128,1 137,1 142,8 150,5 166,0
EinzelhandelsPreisindex (Juni) 138 140 144 152 155 153 181 200 199 198 200 203 203 100 100,7 111,1 113,6 124,5
Arbeitslose versicherte Arbeitn. 16,7 15,5 13,1 10,8 12,9 10,5 6,0 2,2 0,8 0,5 0,5 1,3 2,5 3,1 1,7 1,6 1,6 1,6
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
4. Die Budgets vom November 1947 und April1948 Das Financial StatemenfS7 des sonst nicht um große Worte verlegenen Dalton blieb am 12. November 1947 anläßlich des Supplementary Budget in der Vorstellung auffällig unspektakulär und in den Formulierungen zutiickhaltend. Dalton, anläßlich seines letzten Auftritts als Chancellor of the Exchequer, da er bereits am nächsten Tag aufgrund seiner indiskreten Plauderei mit einem Jownalisten zutiickzutreten gezwungen war, beschrieb den Nachtragshaushalt als ein Gegengewicht zu den Regierungsmaßnahmen hinsichtlich der Schwierigkeiten in der Zahlungsbilanz - Förderung der Exporte und lmportbeschränkungen-, die das inländische Warenangebot weiter einschränkten und damit den inflationären Druck erhöhten. Zu den Lebensmittelsubventionen, dem zwischen politischer Führung des Schatzamtes und der Treasury-Bürokratie umstrittensten Inhalt des Budgets, äußerte sich Dalton ausführlicher. Im Gegensatz zu dem, was die konservative Partei forderte, lehne er eine drastische Kürzung der Zahlungen ab, da diese von immenser sozialer Bedeutung seien. Eine Steigerung der Subventionen über die in diesem Jahr anfallenden ±:392 Mio. (womit er seinen Beratern im Budget Committee zumindest einen Schritt entgegengekommen war) sei allerdings nicht finanzierbar, wenngleich sozialpolitisch wünschenswert. Auch wenn Dalton betonte, daß dieser Haushalt überschüssige Kaufkraft abschöpfen sollte, sprach er sich doch erneut kritisch gegenüber dem Konzept der Messung des "inflationary gap" aus; während der Schatzkanzler notgedrungen faktisch die keynesianische Wende in der Finanzpolitik zu vollziehen hatte, zeigte er sich weiterhin kaum bereit, sich mit der dahinterstehenden Theorie anzufreunden, die aus den Reihen der Treasury-Beamten mittlerweile einhellige - wenngleich nicht begeisterte Unterstützung erfuhr. Es liegt sicherlich eine gewisse Ironie darin, daß detjenige, der das Aufkommen des keynesianischen Gedankengutes in seiner Partei so sehr gefördert hatte, diesem selbst als Verantwortlicher für die Finanzpolitik Labours ablehnend gegenüberstand.m Der Eindruck einer Unbeständigkeit im Denken Daltons verstärkt sich noch, wenn in Betracht gezogen wird, daß er fast zum gleichen Zeitpunkt, da er unwillig die keynesianische Wende der Finanzpolitik in die Tat umsetzte, in der Geldpolitik von seiner begeistert be251 HoC Deb. Vol. 443, 12. November 1947, cols. 393-410. Die Budgetrede war mit unter einer Stunde um mehr als die Hälfte kürzer, als es bei Daltons Haushalten für ein volles Finanzjahr der Fall gewesen war. 25' Daltons Biograph schreibt diese Distanzierung dem persönlichen Verhältnis seines Protagonisten gegenüber Keynes (der vor dem Ersten Weltkrieg Daltons Tutor in Cambridge gewesen ist) zu. Dalton habe die Überlegenheit und Arroganz des von ihm bewunderten Keynes gespürt und aus diesem Grund im Laufe der Zeit eine Art Haß gegen ihn entwickelt, der ihn auch gegenüber der keynesianischen Theorie mißtrauisch machte. Pimlott, S. 56 und 159f.
ill. Die Finanzpolitik der Labour-Schatzkanzler Dalton und Cripps
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triebenen "super-keynesianiscben" cbeaper-money-policy, mit der er bemüht war, den langfristigen Marktzins noch unter das 3%-Niveau zu drücken, abrücken mußte.zs• Cripps hatte angesichts der scharfen Kritik am vermeintlieb zu wenig deflationären Hausbalt260 - in seiner ungewöhnlichen Position als Fürsprecher eines Budgets, das fünf Tage zuvor eine anderer Schatzkanzler eingebracht hatte im Unterhaus noch einmal deutlich gemacht, daß dies " ... of course, an interim Budget designed for a limited and immediate purpose" sei. "lt is not intended to cover the full range of an annual Budget but it is aimed at making some immediate contribution to the problern of decreasing inflationary tendencies which the economic policy of the Govemment will set up. Wbat, therefore, we have attempted to do in this Budget is to narrow, rather than eliminate, the potential inflationary gap, relying upon the public spirit of the people to cover the rest of the gap, frrst by increased productivity and, secondly, by self-restraint in their own expenditure."26' Der kommende, reguläre Haushalt im April 1948 sollte Aufschluß geben über die weitergehenden Auswirkungen des Umschwunges in der finanzpolitischen Strategie. Neben dem traditionellen Financlal Statement nahm Cripps in seiner Rede zum Haushalt 1948/49 auch die Präsentation des Economic Surveys für 1948 vor und unterstrich damit den Anspruch, mit der Zusammenführung von Treasury und Planungseinheiten in seine Hand die Gesamtplanung der Wirtschaft fortan im wesentlichen durch die Finanzpolitik betreiben zu wollen. "Govemment expenditure and revenue ought not to be considered in isolation from their effects upon the general economic prospects of the country, nor can any survey of the economic situation of the country be complete without a knowledge of the Govemment's Budget proposals. Tbe combination under a single Minister of the coordination of our extemal and intemal economy with the control of Govemment expenditure and revenue was an important change in our planning methods. The new task of the Chancellor of the Exchequer is not zso Zur Geldpolitik Daltons siehe Susan Howson: The origins of eheaper money, 1945-7, in: Ec.Hist.Rev., 2nd ser., 40 (1987), S. 433-452; dies.: British Monetary Policy 1945-51, Oxford 1993, Kapitel 3 und 4 (speziell zu den Gründen für das Scheitern von Daltons Politikansatz S. 190-9); Booth: British, S. 155f.; Cairncross: Years, S. 209f.; Dow, S. 225. 260 Vgl. Cairncross (Hg.): Hall-Diaries, S. 17, Tagebucheintrag Donnerstag 13.November: "The Budget yesterday was quite unsatisfactory from our point of view as the surplus for which the Chancellor budgeted was too small for us to learn anything about the extent of inflation." 261 HoC Deb. 444, !? .. November 1947, cols 933/935.
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
merely to balance the Budget; it is a much wider one- to match our resources against our needs so that the main features of our economy may be worked out for the benefit of the community as a whole. This means that the Budget must be complementary to, and, indeed, in some sense a part of, the National Economic Plan. "262 Die somit vollzogene Integration von Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik, mit der im Frieden schließtich wieder der Stand erreicht wurde, der im Krieg schon mit dem ,,First Keynesian Budget" von 1941 realisiert worden war, sollte auf dem seit dem Novemberbudget 1947 eingeschlagenen Weg weiter zur Reduktion der inflationären Übernachfrage dienlich sein. Aus diesem Grunde war der Haushalt dergestalt konzipiert, daß er mit einem realen und spürbaren Überschuß abschloß.'63 Wesentlicher Inhalt des Budgets war daneben eine Verlagerung von direkten (Einkommen-) hin zu indirekten (Konsum-) Steuern - die im allgemeinen eine stärkere Belastung der Bezieher niedrigerer Einkommen bedeutet -, und damit tendenziell auch die Abkehr von den Nivellierungsbestrebungen der Fiskalpolitik unter Dalton. Ein weiterer wichtiger, und heftig umstrittener, Inhaltspunkt des Budgets war eine Vermögenssteuer (Capital Levy), die von Cripps etwas euphemistisch benannte "Special Contribution", die durchaus auch als eine Beruhigung der Kritiker des Schatzkanzlers aus den Reihen der Parteilinken gemeint war. Eine Kapitalsteuer war bereits von Dalton in Vorbereitung des ersten Haushaltes 1947 in der Form einer Sonderabgabe auf ererbtes Vermögen angedacht worden, als Maßnahme insbesondere zur Reduktion der Schuldenlast (und damit der Zinszahlungen)'64, scheiterte jedoch an den massiven Einwänden der Berater von Inland Revenue und des Budget Committees.'65 WähHoC Deb. 449, 6. Aprill948, col. 37. HoC Deb. 449, col. 77: " ... the final Budget surplus - on the orthodox lines of accountancy - comes to 1:789 million. The overall surplus of all forms of Government expenditure, capital and revenue, for the year is 1:330 million, and this is a measure of the contribution which, I hope, will be made by the Budget to counter the inflationary tendencies." (Cripps hatte zuvor eine neue Art der Berechnung der Budgetbalance vorgestellt, die genauer als die traditionelle Weise über tatsächliche Defizite bzw. Überschüsse Auskunft geben sollte.) 264 Vgl. Dalton: High Tide, S. 288; vgl. auch ,,Budget and Food Subsidies", Memorandum Douglas Jay vom 10. Okt. 1947 in PRO T.l71/392 (s.o.), in dem er sich gegen die Kürzung der Lebensmittelsubventionen und dafür für eine Capital Levy aussprach: "The present is the ideal moment for a Capital Levy, both politically and economically. Politically, if Conservatives are crying out for deflationary taxes, they can't convincingly object to this one. Economically, the only serious objection to a capital levy is its deflationary effect [sie!]." (para. 5). 26 ' Vgl. Gregg an Bridges, 2. Dezember 1946; "Draft Note from Budget Committee to Chancellor. Inheritance Levy", Dezember 1946; ,,lnheritance Levy, Report from the 262
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rend eine weitere Kürzung der Lebensmittelsubventionen unter die bestehenden jährlichen ±:400 Mio. im Haushalt 1948 schon frühzeitig vom Kabinett abgelehnt worden war und darüber innerhalb der Treasury auch keine Diskussionen mehr stattfanden - allerdings sprach Cripps in diesem Zusammenhang, anders als Dalton, von den wirtschaftspolitischen, nicht den sozialpolitischen Meriten der Zahlungen"' -, stieß Cripps ebenso wie sein Vorgänger mit dem Vorschlag zu einer Kapitalabgabe auf starke Vorbehalte seines Ministeriums. Hall warnte für die Economic Section vor einem Vertrauensverlust in die Regierung, gespeist aus der Furcht, daß es nicht bei der einmaligen Abgabe bleiben würde, der erhebliche Auswirkungen auf Spar- und Investitionsneigung nach sich ziehen könnte. "In general, measures ofthat kind have been used in extreme inflationary conditions, when the economic system was already badly dislocated, so that the disturbance caused by the measures themselves is small compared to the disturbances which it is sought to remedy. The main argument against using such measures at present is that the British economic system is not in such bad shape as to call for a violent surgical operation. The consequences cannot be predicted with any exactitude, but the most probable consequences would be reductions in the value of securities, and an all-round severe shock to business confidence. There is indeed a presumption that the eure would be worse than the disease. " 2' 7 Cripps hielt dem entgegen, daß der politische Druck hin zu einer Vermögenssteuer extrem groß sei."' Budget Committee", B.(47)11, o.D., in PRO IR 63/173 Financial Bills 1947. Memoranda. 266 Cripps dazu, HoC Deb. 449, col.: "Food subsidies are estimated ... to !400 million for the year. We have decided to continue these subsidies at this Ievel, because we are convinced that though, in theory, they may be inflationary, in practice, they have, in the particular circumstances of today, precisely the opposite effect, since they restrain the demands. which would otherwise inevitably arise, for increased personal incomes to meet the increased cost of living." 267 ,.A Capital Levy and Deflation", Note by Director of Economic Section [P. Hall], 12. Januar 1948, Para. 4 und 5, in PRO T.1711395 Papers leading up to the Budget, 6th April 1948, Vol. II. Vgl. ,,Memorandum by the Treasury. Special Measures to Counter Inflationary Pressure", 5. Februar 1948, Para. 7 "We have submitted a separate note on a speciallevy on surtax payers or on investment income. As shown in that note, such a levy or contribution is administratively feasible. But we believe that its effect on confidence would be very marked indeed unless the tax payer can be persuaded that the levy is not just the first turn of yet another screw on the owner of investments, and that what is this year represented as a speciallevy is not likely to be repeated later on." In PRO T.l711394 Papers leading up to the Budget, 6th April 1948, VoLL 261 Protokoll einer "preliminary discussion" zum Haushalt des Schatzkanzlers mit Bridges, Plowden. Gilbert, Eady, Bamford [Chairman Board of Inland Revenue], Hall, o.D, Para. 4, in PROT.l711394.
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
Damit bezog er sich auf seine Zusage den Gewerkschaften gegenüber, als Gegenleistung zu ihrem freiwilligen "wage freeze" auch auf der Kapitalseite für einen Beitrag zur Inflationsdämpfung zu sorgen. Er gab zu, daß die administrative Umsetzung einer solchen Abgabe mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein würde; diese Probleme (und auch die wahrscheinlich im Verhältnis zum Aufwand nur geringen Einnahmen aus der Abgabe) scheinen jedoch den Wunsch der Regierung, den festen Willen zu einer Heranziehung aller gesellschaftlicher Gruppen für die Inflationsbekämpfung zu demonstrieren, offensichtlich nicht aufgewogen zu haben. Obgleich Cripps sich nicht von den Argumenten der Treasury überzeugen ließ, gelang es seinen Beratern doch (insbesondere dem ihm nahestehenden Plowden), ihn dazu zu bewegen, die Einmaligkeit der Abgabe besonders herauszustellen"[ ...] and scale down bis proposals to a Ievel more acceptable to City and industrial opinion. " 269 Um den Sonderfall der Abgabe hervorzuheben, entwickelte Cripps die Taktik, die Vermögenssteuer als eine Maßnahme unter vielen, die auf die spezifische Gefahrensituation 1948 zugeschnitten waren, darzustellen: "It would be reasonably, he [Cripps] thought, to present the whole set of Budget proposals as a special operation, designed to meet the circumstances of an emergency year. Within that context the special levy would take its place as a 'once and for all' operation."270 Die Abwendung der Regierung von den planwirtschaftliehen Vorstellungen, die ihr die Partei gegen Kriegsende als Auftrag mit auf den Weg gegeben hatte, verschärfte noch die innerparteiliche Spaltung Labours, die sich angesichtsder Aufgabe linker Positionen in der Wirtschaftspolitik (und der Außenpolitik) seitens des Kabinetts aufgetan hatte. Die Parteirechte um Gaitskell (den späteren Partei- und Oppositionsführer) begann sich mehr und mehr mit der liberal-sozialistischen keynesianischen Lösung anzufreunden, die die Möglichkeit bot, die wichtigsten Ziele der Wirtschafts- und Sozialpolitik Beibehalten der ,,mixed economy", Stärkung des Wohlfahrtsstaates, Vollbeschäftigung und Inflationsbekämpfung bei gleichzeitiger außenwirtschaftlieber Annäherung an die USA - weiterzuverfolgen und dabei die unbeliebten Kontrollen lockern zu können, und zusätzlich ohne größere Kontroversen mit den Gewerkschaften herauszufordern. (Die Attraktivität des Keynesianismus lag möglicherweise auch darin begründet, wie R. Lowe schreibt, daß er zu269 Plowden, S. 38; vgl. Plowden an Schatzkanzler, 31. März 1948, in PRO. T.1711395. 270 Protokoll eines Unterredung des Schatzkanzlers mit dem Budget Committee in Roffrey Park, 14./15. Februar 1948, in PRO T.171/394.
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ließ, daß der grundsätzliche Konflikt zwischen Labour und Konservativen, ob die Macht letztlich beim Staat oder beim Markt liegen sollte, ungelöst blieb: "It allowed the conflict to remain unresolved because, although the day-to-day power to determine the speed and nature of economic changewas clearly left with the market, democtatic socialists (such as Crosland) could believe that ultimate power lay with the state, should it choose to act. The ultimate attraction of Keynesianism, in other words, was essentially a negative and not a positive one."211 ) Dementsprechend wurden die Begriffe Planwirtschaft und Economic management seit den ausgehenden 1940er Jahren von dieser Seite der Partei immer stärker bedeutungssynonym verwandt. In seinem für die Parteirechte ungemein einflußreichen Werk "The Future of Socialism" (1956) beschreibt Anthony Crosland, auf welche Art und Weise die Ziele von Labours Wirtschaftspolitik - ein stetig steigendes Investitionsniveau, ausreichendes Sparvolumen, ein Binnennachfrageniveau, das ausreichend Exporte zuläßt, eine Situation am Arbeitsmarkt, die nicht den Anstoß für eine LohnPreis-Spirale gibt und ein Ansteigen des für soziale Ausgaben aufgewandten Anteils am Sozialprodukt - verwirklicht werden sollten: "Of course none of these will occur automatically. They will require a variety of planning policies [...]: above all, a skilful and determined fiscal policy, as weil as other subsidiary controls where necessary [.. .]"Explizit lehnt Crosland eine detaillierte zentrale Planung einzelner Güter(-gruppen) ab: "But if we achieve the prime objective of successful planning, namely, to get the right distribution of resources between the main sectors of the economy within a framework of non-inflationary full employment, I doubt if we want too much detailed planning within each sector [... ] The price-mechanism is now a reasonably satisfactory method of distributing the great bulk of consumer-goods and industrial capital-goods, given the total amount of resources available for consumption and industrial investment. The consumer is the best judge of how to spend bis money; and even if he were not, the principle of individual liberty would still require that he should be left free to spend it [... ]""Planning for full employment and the avoidance of inflation should rely mainly on Budgetary ... controls [... ]"212 Auf der anderen Seite übte die Labour-Linke fortwährend erheblichen Druck auf die Regierung hin zu einer stärker sozialistisch orientierten Politik aus.27 ' So war die Durchsetzung einer sozialistischen Planwirtschaft zentrales 211 Rodney Lowe: The Welfare State in Britain since 1945, London/Basingstoke 1993, S. 119. 272 C.A.R. Crosland: The Future of Socialism, London 1956, S. 502, 504, 515. 273 Zu den unterschiedlichen Interpretation der Attlee-Regierungszeit durch die Partei-Linke vgl: Alan Warde: Consensus and beyond. The development of Labour
19 Otto
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
Thema des "Keep Left"-Manifests, 1947 angesichts des sich abzeichnenden Strategiewechsels der Regierung unterzeichnet von 15 Labour-MP unter Führung von Ricbard Crossman, Michael Foot und Ian Mikardo. Erheblieben Widerstand fand in der Fraktion auch das "bonfrre of controls" 1948; im Krisenjahr 1947 gab es zudem zahlreiche Forderungen nach einer "equality of sacrifice" mit höheren Gewinnsteuern, Dividendenkontrollen und einer Kapitalabgabe (Wortmeldungen im Unterhaus etwa von Fred Lee, Tom Driberg, Ian Mikardo, Richard Crossman, Ellis Smith, Michael Foot). Die Kritik an der Finanz- und Steuerpolitik erreichte ihren Höhepunkt mit dem Budget im April 1949, in dem Cripps reduzierte Nahrungsmittelsubventionen und längerfristig Kürzungen im NHS ankündigte und feststellte, die Umverteilung von Einkommen werde in der näheren Zukunft mittels erhöhter Steuern nicht möglich sein."' Die sich ausweitende Mißbilligung der Wirtschaftspolitik der Regierung seitens der Parteilinken deutete bereits auf die Jahre der Selbstzerfleischung Labours zwischen beiden Lagern ("Bevanites versus Gaitskellites, Left versus Right, and fundamentalists versus revisionists"m) in der Opposition in den 1950ern hin, in denen die Partei sich als eine ernsthafte Mitbewerbeein um die politische Macht selbst auszuschalten drohte. Der zur Jahreswende 1947/48 eingeschlagene Weg in der Budgeterstellungkeynesianische Inflationsbekämpfung mittels Steuerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage durch den Haushalt und wirtschaftspolitische Lenkung durch das gleiche Instrument - wurde in den Folgejahren von der Labour-Regierung (und, nur wenig verändert, allerdings um eine konsequentere Geldpolitik erweitert276, auch von der konservativen Regierung Churchill ab 1951) durch die Party strategy since the second world war, Manchester 1982, S. 25-27. Die Bewertung ist umstritten und reicht (bzw. reichte schon damals) von enthusiastischen Hymnen auf den Erfolg ("Few would have thought that so much could have been done so soon", Tribune-Pamphlet "Full Speed Ahead", Bevan sprach von einer Revolution der Sozialpolitik) bis zur Verdammung der Regierung als Stütze eines maroden Kapitalismus. 274 Nach: David Rubinstein: Socialism and the Labour Party: The Labour Left and Domestic Policy, 1945-1950, in: Martin, Rubinstein (Hg.), S. 226-257. Ebd. S. 228, erwähnt das Schreiben des "secretary-agent" der Coventry Borough Labour Party, George Hodgkinson, an das Transport House (das wegen der Vielzahl der Schreiben aus den Constituencies ein besonderes Antwortschreiben "budget reply"" anfertigte) vom 11. April 1949, in dem es hieß: "There is a feeling that Sir Stafford Cripps is going the way of Ramsay MacDonald, and in the Budget has shown more patriotism than socialism." 275 Clarke: Question, S. 236. 276 Zum Ende von "Cheap Money" unter dem konservativen Schatzkanzler Butler 1951 siehe Howson, British Monetary Policy, S. 313-21.
ill. Die Finanzpolitik der Labour-Schatzkanzler Dalton und Cripps
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Schatzkanzler Cripps und Gaitskell gradlinig weiter beschritten. Das Financial Statement Cripps' 1950 demonstrierte nachdrücklich, daß das Pendel von der Planungseuphorie zu Beginn der Labour-Regierungszeit sehr weit zur Seite des keynesianischen (liberal-sozialistischen) Nachfragemanagements ausgeschlagen hatte. "'Socialist Planning' was a notable, if unlikely casualty of Labour government after the Second World War[ ... ] Planning was the defining characteristic of Labour's socialism in this period [1931-45] [... ] As the second Attlee government neared its end in 1951, however, this grand vision bad evaporated. Little semblance of the planning promised by the party before 1945 bad emerged in six years of Labour government. The old creed of physical controls bad given way to a new one: demand management. ..m In seiner letzten Budgetrede beschrieb Cripps (einer deljenigen Labour-Spitzenpolitiker, die durch die lange Regierungszeit - bei vielen immerhin seit 1940 - ausgelaugt und auch gesundheitlich am Ende waren) die Rolle, die dem jährlichen Haushalt mit der keynesianischen Wende der Finanzpolitik zugewachsen war: " ... the Budget itself can be described as the most important control and as the most powerful instrument for influencing economic policy which is available for the Government. During the last parliament its influence was brought strongly to bear against inflation, by reducing the excess purchasing power in our economy." Die Aufgabe eines solchen wirtschaftspolitischen Haushaltes sei vor allem die Regulierung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage: "It is our unquestionable duty to avoid the twin evils of inflation and deflation. This we can only do by maintaining a balance between the amount of goods and services which the nation seeks to buy and the amount which can be produced when the labour force is, as at presence, fully employed. Excessive demand produces inflation and inadequate demand results in deflation. The fiscal policy of the Government is the most important single instrument for maintaining that balance [... ] it is not our financial policy to run a perpetual budgetary surplus. We have said that such a surplus is essential in the present circumstances where there is a constant and immediate danger of inflation. But if and when circumstances change we may very weil find ourselves in quite different conditions in which our fear is not inflation but deflation. Then in order to pursue our same policy we shall have to reduce the budgetary surplus or eliminate it altogether, or we may even want to budget for a deficit."278 Brooke: Problems, S. 687. Vgl. Hall: Goveming, S. 67: "Since Keynesianism seemed to provide a technique for achieving full employment without the need for more detailed intervention into the decisions of industrial sectors, it was instrumental in persuading both parties that they could abandon economic planning without sacrificing economic performance." 273 HoC Deb. 474, 18. April 1950, cols. 40, 62, 63. 277
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
5. Die Budgets vom November 1947 und April 1948: "Keynesian Revolution in Policy-Making''?
Die Budgets vom November 1947 und April 1948 kennzeichnen einen bedeutenden Strategiewechsel in der britischen Finanzpolitik. Nach nahezu 20jähriger Auseinandersetzung mit der "Keynesianischen Revolution" und der Forderung nach einer Steuerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage durch das Budget war die Treasury-Bürokratie angesicbts der vielfältigen Krisen 1947 schließlieb dazu bereit, sich die vorgeschlagene Politik zu eigen zu machen, und es gelang ihr, davon auch ihre politische Führung (Dalton weniger, Cripps mehr) zu überzeugen. Allein anband des Inhaltes der beiden Haushalte allerdings ist dieser Paradigmenwechsel kaum nachzuvollziehen. Zwar erreichte Cripps einen ersten realen Überschuß nach dem Krieg; aber auch Dalton hatte in allen seinen Financial Statements vor dem November 1947 den Ausgleich des Budgets oder die Erwirtschaftung eines Überschusses als notwendiges Ziel der Inflationsbekämpfung hervorgehoben. Tabelle 9 Entwicklung der Hausbalte 1944-51: reale Defizite!Überscbüsse279
1944-5 1945-6 1946-7 1947-8 1948-9 1949-50 1950-1
"Ordinary Revenue" 3238 3284 3341 3845 4007 3924 3977
"Ordinary Expenditure" 6023 5484 3910 3210 3176 3375 3257
"Surplus above the line" -2825 -2200 - 569 + 635 + 831 +549 +720
Realer Überschuß -2300 - 726 + 318 +789 +469 +443
Insofern stellt der Jahreswechsel 1947/48 in finanzpolitischer Hinsiebt keinen Bruch dar, sondern hier wurde der bereits eingeschlagene Weg - allerdings mit mehr Konsequenz als zuvor - weiter beschritten. Eine neue Qualität in der Budgeterstellung brachte jedoch, daß im November 1947 zum ersten Mal im Frieden eine Haushalt verfertigt wurde mit dem spezifiseben Ziel, den inflationären Druck durch fiskalische Mittel zu erleichtern. Tbe fact the [sie] Dalton bad taken action to freeze food subsidies rather than increase them in
279
Zahlen nach: Cairncross, Watts, S. 237.
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response to inflationary pressure can be viewed as an indication of a move to Keynesianism. "210 Durch den 1948er Haushalt wurde mit der Verbindung von Financial Statement und der Präsentation des Economic Survey dann noch ein weiterer Schritt in Richtung der Integration von Wirtschaftspolitik und Finanzpolitik getan. Wie es im Krieg bereits 1941 gelungen war, wurde dieses Budget als globales Lenkungsinstrument für die gesamte Volkswirtschaft konstruiert und sein Ziel als ein weitgebend wirtschaftspolitisches bezeicbnet.2" Wenngleich die Veränderungen in der Budgeterstellung von den beiden maßgeblich beteiligten Keynesianern Plowden und Hall als bedeutungsvoll wahrgenommen wurden (eine Wahrnehmung, die sie mit den meisten ihrer Zeitgenossen teilten), werden in der Forschung seit einiger Zeit doch Zweifel dariiber angestellt, ob die Hausbalte von 1947 und 1948 tatsächlich einen durch den Übergang zu einer keynesianiscben Finanzpolitik gekennzeichneten Strategiewechsel - "tbe Keynesian Revolution in Policy-Making" - darstellten. Dabei sind es vor allem zwei Argumente, die gegen die Cbarakterisierung als "Keynesianische Revolution" angeführt werden: zum einen wird bezweifelt, ob der Entwicklung 1947/8 tatsäeblich die Beschreibung ,,keynesianisch" zukommt. Eine wirkliebe Anerkenntnis der keynesianischen Theorie durch die Treasury wäre nur in dann feststellbar gewesen, so beißt es, wenn sieb das Schatzamt ganz konkret bereit gezeigt hätte, zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit Budgetdefizite in Kauf zu nehmen, denn nur die Bereitschaft zur Anwendung von Deficit spending sei ein spezifisches Kennzeichen der keynesianischen finanzpolitischen Konzeption."[... ] tbe Keynesian revolution sbould be defined in terms of an attempt to legitimize deficits as a device for use wben tbe Ievel of aggregate demand required stimulation."282 1947 habe sieb die Treasury den Argumenten der Keynesianer in der Economic Section zugänglich gezeigt, da sie eine Möglichkeit boten, mit der Inflationsbekämpfung ein traditionelles Ziel des Schatzamtes zu verfolgen; die Umstände der Nachkriegszeit, mit inflationärem Druck und Vollbeschäftigung, hätten es der Treasury leicht gemacht, sieb zu keynesianischen Programmen der NachfraPlowden, S. 15. Vgl. Cairncross (Hg.): Hall-Diaries, S. 21, Tagebucheintrag Donnerstag, 8. April: ,Jt is the first time anyone has ever tried to make a Budget designed to affect the whole situation and it is allrather frightening, though I don't know why, since to do nothing or to take a conventional course is just as bad or worse than to take any other mistaken way." Vgl. auch Alexander Walter Krauer: Die Rolle der Fiskalpolitik im Rahmen der englischen Vollbeschäftigungspolitik von 1945 bis 1951. Diss.Phil. Basel 1957, s. 20. 282 Tomlinson: Employment Policy, S. 108. 280 281
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C. Die dritte Herausforderung: Die Labour-Regierung von 1945
gesteuerung bekehren zu lassen, da diese in jener wirtschaftlichen Konstellation ein Bremsen der Nachfrage verlangten. Insofern könne die Hinwendung zu keynesianischen Argumenten für die Erzielung eines Budgetüberschusses sogar als eine Bekräftigung des Treasury View gesehen werden: ..[... ] indeed, the use of budget surpluses affered the Treasury a general negative control over government expenditure and an opportunity to reassert their financial control over Whitehall. "213 "Hence it required no intellectual conversion for the Treasury to accept this new way of pursuing its traditional concerns [niedrige staatliche Ausgaben und Inflationsvermeidung]. Equally, with cheap money ... while this was undoubtedly a Keynesian proposal of the 1930s, it also affered the Treasury a way to a traditional goal", nämlich in diesem Fall günstige staatliche Kreditaufnahme.2.. Tomiinsan faßt seine Analyse zusammen: ..... the evidence still seems to me to be wanting that in the late 1940s there was such a fundamental shift in policy as to justify talking of a 'Keynesian revolution', in the full senseofthat term."m Auch Peden, der immerhin den wirtschaftspolitischen Veränderungen der späten 1940er einen hohen Stellenwert zuweist, kann keine intellektuelle Konvertierung der Treasury feststellen. 216 Das zweite Argument andererseits, vorgebracht von A. Booth, wird gegen die Vorstellung bemüht, daß es sich bei den Veränderungen 1947/48 um einen umwälzenden Akt gehandelt hat, der die Kennzeichnung ,,Revolution" verdiene, während der keynesianische Charakter nicht in Abrede gestellt wird. Booth fragt weiter, ob nicht vielmehr die Entwicklung der Geld- und FinanzRollings, S. 286. Tomlinson: Employment Policy, S. 105. Ähnlich Rollings, S. 289: Daß ein Großteil der von Hall errechneten inflationären Lücke von der Treasury nicht mit dem Budget vom November 1947 zu schließen versucht wurde, sondern daß das Hauptaugenmerk auf einer Kürzung/Fixierung der Subventionen auf Konsumgüter lag, beweise, daß die Aussage " ...that in the discussions leading up to the November 1947 budget the Treasury underwent an intellectual conversion to the ideas of Keynesianism is not justified [... ] the Treasury turned to a budget surplus because it was perceived as opportune to make a concerted attack on food subsidy expenditure in order to cut government expenditure and to reduce distortion of the price mechanism, without the consequence of excessive wage demands." m Tomlinson: Employment Policy, S. 118. Vgl. aber Ursula K. Hicks: Steuerpolitik im Wohlfahrtsstaat. Die Erfahrungen Großbritanniens, Berlin 1953, S. 11, für die die Veränderung der Rolle der Steuerpolitik seit dem Krieg von nahezu revolutionärem Charakter ist, da die Besteuerung nicht mehr nur der Mittelaufbringung diene, sondern auch "als Instrument einer kompensatorisch-antizyklischen Finanzpolitik, in der Hauptsache in der Richtung einer Eindämmung der Inflation." 286 Peden, in Furner, Supple (Hg.), S. 225. 213
2..
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politikauch nach 1947 eingebettet war in eine Tradition des immer stärkeren ökonomischen Managements durch den Staat, die sich seit den 1930er Jahren in ihrem Fortgang beobachten ließ. So seien auch die Wiedereinführung des Goldstandardes und seine Abschaffung vor allem mit Beschäftigungsmotiven erklärt worden. Insbesondere nach dem Scheitern der "Daltons"217 sei die Geldpolitik zudem praktisch die der 1930er Jahre gewesen. In der Finanzpolitik habe es zwar Veränderungen gegeben, jedoch seien die radikaleren Pläne alle zurückgewiesen worden, wodurch sich eher das keynesianische Programm verändert habe als die Einstellung der Treasury. "Thus, the inescapable conclusion is that, although Keynesian analysis was embedded at the centre of the policymaking machine, most of the elements of the Keynesian programme were discarded ... A paradigm shift is conspicuous by its absence." Booth schließt " ... we are left to conclude that the changes that took place in economic policy during the 1940s and which resulted in the embedding of Keynesian analysis into British economic policy do not amount to a Keynesian revolution [... ] A Keynesian revolution ... did not occur."21" Die Behauptung, das Schatzamt sei auch nach 1947 nicht bereit gewesen, Haushaltsdefizite zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit zu tolerieren, läßt sieb, mangels einer rezessiven Situation in Großbritannien bis zur Mitte der 1950er Jahre, nicht widerlegen. Eindeutig nachweisen läßt sich hingegen der einzigartige Stellenwert, der seit der Reconstruction-Debatte der Vollbeschäftigung zugeschrieben wurde, woraus wiederum auf den Druck zu schließen ist, der in einer Situation sich entwickelnder Arbeitslosigkeit auf die Finanzpolitik und die Treasury entstanden wäre. Die Wahlkampfmanifeste des Jahres 1950 waren in ihren Aussagen unmißverständlich: "We regard the maintenance of full employment as the first aim of a Conservative Govemment" hieß es bei den oppositionellen Tories und Labour versprach: ,,Labour for its part declares that full employment is the comer-stone of the new society."289 Plowden beschrieb die Bedeutung der Vollbeschäftigung gegenüber Schatzkanzler Butler 1952: "My own belief is that the British people have an almost pathological fear of unemployment and therefore, unless it is demonstrated to tbem that it is insoluble or not as bad as tbey fear, any political party must
287 "2 l/2% Treasury Stock 1975 or after"-Papiere, mit denen Dalton 1946/47 den gescheiterten Versuch einleitete, das Zinsniveau noch unter 3% zu drücken. 288 Booth: British, S. 174 und 177. Vgl. Booth: "Keynesian Revolution", S. 123 289 Conservative Manifesto ("This is the Road: The Conservative and Unionist Party' s Policy"), in Craig (Hg.): Election Manifestos, S. 139-152, S. 142; Labour Manifesto ("Let Us Win Through Together: A Declaration of Labour Policy for the Consideration of the Nation"), in ebd., S. 152-161, S. 153.
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continue to maintain full employment as its aim. "290 In den 1930er Jahren war es gerade die Übereinstimmung der politischen mit der Treasury-Führung in bezog auf die Grundregeln der Finanzpolitik gewesen, die eine unversehrte Konservierung des Treasury View ermöglicht hatte; eine derartige Bereitschaft, für ausgeglichene Budgets Arbeitslosigkeit in Kauf zu nehmen, war nach der Reconstruction-Debatte bei keiner Partei mehr vorbanden. Dieser veränderten politischen Großwetterlage trug auch das Schatzamt Rechnung und unterstützte die Investment Working Party des Steering Committee on Centrat Planning of Economic Development in der Erstellung von Plänen für vermehrte flexible öffentliche Investitionen für den Fall einer Rezession29' (und beraubte sieb damit selbst eines ihrer schlagendsten Argumente gegen Public works aus den 1930er Jahren, nämlich daß diese nicht vorbereitet und deshalb kurzfristig nicht durchführbar seien). Die angeführten Argumente stellen nicht in Abrede, daß die Finanzpolitik im Verlauf des Jahres 1947 eine bedeutende Veränderung durchlief. Insbeson-
dere bei der Frage der Cbarakterisierung dieser Veränderungen als ,,k:eynesianiscb" könnte man sieb infolgedessen damit zufrieden geben, daß es sieb nur um einen Streit um begriffliebe Festlegungen handelt - ist Nachfragesteuerung nur keynesianisch, wenn sie auf Budgetdefizite hinausläuft, oder ist Bootb zuzustimmen, der aus gutem Grund auf die Äußerungen Keynes' von 1937 verweist= (hinzuzufügen ist noch der Hinweis auf die Bedeutung von How to Pay for tbe War für die keynesianiscbe Theorie), in denen ein antiinflationäres Demand managementbeschreiben wird -, die inhaltlieben Positionen sich jedoch nur geringfügig unterscheiden. Die Differenzen geben
"The Government and Full Employment Policy", E. Plowden an Chancellor of the Exchequer (Butler), 10. April 1952, in PRO T.229/323 Central Economic Planning Staff. General Policy. 291 T 161/1251/S.53555/04 Steering Committee on Central Planning of Economic Development. Investment Working Party. Public Investment. Die Pläne sind in großem Umfang und bereits recht genau - d.h. schnell umsetzbar - ausgearbeitet. Vgl. "The Long-Term Programme (Material tobe submitted by the United Kingdom to the Organisation for European Economic Co-operation). Draft" E.R.(L)(48)91 , 6. September 1948, Paras. 31 und 32: "Thus the policy of public finance is to maintain full employment but to counter any inflationary pressure arising from a deficiency of voluntarily saving in relation to the projected Ievel of investment." ,,If a deficiency of demand became apparent the policy of full employment would require an appropriate change in fiscal policy." In PRO CAB 1341191 OCED, Meetings and Memoranda, E.D.(48) Ser. 292 Booth: British, S. 18f. hebt - zu Recht - in diesem Zusammanhang die Bedeutung der Times-Artikel How to avoid a slump und Borrowing forDefence: is it Inflation? hervor. 290
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jedoch tiefer. Tomlinsons, Pedens et al. Beweisführung - keynesianische Revolution = Nachfragevergrößerung durch Haushaltsdefizite, da die Treasury jedoch 1947 keine Defizitfinanzierung betrieb, fand auch keine Revolution statt- gründet sich auch auf der Annahme, das Schatzamt habe im wesentlichen gegen die Akzeptanz von Budgetdefiziten gekämpft und sei in dieser Ablehnung (zumindest Ende der 40er Jahre) verharrt und nicht überwunden worden. Die Untersuchung der Entstehung und Motivation des Treasury View hat jedoch gezeigt, daß es dem Schatzamt vor allem um die eigene Position innerhalb der administrativen Struktur ging, daß es sich verteidigte gegen die Einbeziehung der Finanzpolitik in die Wirtschaftspolitik und damit ein Primat wirtschaftspolitischer Entscheidungen über die Grundsätze der Treasury Control. In der Verfolgung dieser Strategie sprach sich die Schatzamts-Bürokratie vehement gegen eine Iokaufnahme nicht ausgeglichener Haushalte aus, allerdings nicht aufgrund einer Mißbilligung von Budgetdefiziten als solchen, sondern weil diese das Prinzip staatlicher Sparsamkeit und somit das Fundament der Wirksamkeit des Treasury View unterminierten. Die zufällige Konstellation, die sich durch den überraschenden Rücktritt Daltons ergab - kurz nachdem Cripps bedeutende wirtschaftspolitische Koordinierungskompetenzen erhalten hatte, und die Übernahme der Schatzkanzlerschaft durch Cripps zusätzlich zu diesen Kompetenzen -, ermöglichte (oder erzwang) dann doch die Zustimmung auch der Treasury-Bürokratie zur Integration von Finanzpolitik und Wirtschaftspolitik. Genau diese Zustimmung war gleichbedeutend mit dem Sieg der Keynesianischen Revolution in der britischen Finanzpolitik. Der Vollzug der keynesianischen Wende wäre nicht möglich gewesen ohne die ihn vorbereitenden Schritte wie etwa das Budget von 1941 oder das Beschäftigungsweißbuch von 1944. Festsetzen konnte sie sich jedoch erst zur Jahreswende 1947/1948; damit gewinnen die beiden Budgets dieser Zeit eine besondere Bedeutung, die sie über die vorbereitenden "Meilensteine" herausheben. Die Keynesianische Revolution in der Finanzpolitik fand statt; und sie fand 1947 statt.2"'
293 ,,Budget Policy", P. Hall an Prime Minister, 16. März 1950: .,The last Government adopted in 1947 and 1948 a revolution in British practice, when they took responsibility for maintaining full employment, but avoiding inflation. lt is the best argument in favour of this policy that the revolution passed almost unnoticed." In PRO T.l711400 Papers leading up to the Budget, 18th April 1950, Vol. I .
Schluß und Ausblick I. Zur historischen Verortung der Keynesianischen Revolution Entstehung und Entwicklung von Paradigmawechseln in der Politik lassen sich dort besonders scharf herausarbeiten, wo Positionen und Selbstverständnis von beteiligten Institutionen herausgefordert werden. Zwischen 1929 und 1948 wurde das britische Schatzamt (und mit ihm die strategisch-finanzpolitische Ausrichtung Großbritanniens) durch dreierlei Angriffe auf seine Politik und seine Rolle in der Administration herausgefordert, auf die es jeweils mit spezifischen Widerstands- bzw. Anpassungsreaktionen antwortete. Die Darstellung des Spannungsfeldes zwischen institutioneller Beharrungskraft, wirtschaftstheoretischer Herausforderung und politischen Veränderungen, aus dem sich das entwickelte, was im allgemeinen ,,Keynesianische Revolution" genannt wird, war Ziel der Arbeit. Durch die Einbeziehung mehrerer Ebenen von Akteuren in die Untersuchung wurde dabei gezeigt, welche Bedingungen zustande kommen mußten, damit sich eine grundlegende Veränderung einer bewährten und - institutionell und ideologisch - fest verankerten politischen Strategie nach langem Ringen schließlich durchsetzen konnte. Die Verteidigungslinie der traditionellen Finanzpolitik, der Treasury View, die durch das Schatzamt immerhin nahezu 20 Jahre erfolgreich gegen die Installation einer keynesianischen Finanzpolitik gehalten werden konnte, wurde erst in einer Situation überwunden, als die verteidigende Institution zum einen in ihrer ideologischen Abwehrposition nicht mehr gefestigt war, vor allem aber, als ihre Führung in der Übernahme der einst bekämpften Neuerungen die einzige Möglichkeit sah, mit der Inflationsbekämpfung ihr vordringlichstes Politikziel weiterzuverfolgen, da herkömmliche Methoden ganz offensichtlich versagten. Dazu kam, daß sich die Treasury in dem Moment nicht mehr gegen eine Integration der Finanzpolitik und der Wirtschaftspolitik sperrte, als mit der Unterbringung der wirtschaftspolitisch koordinierenden Organe unter ihrem Dach die Gefahr einer Schwächung ihrer Position in der administrativen Hierarchie gebannt war. Erst die derartig neuorganisierte Treasury, mit der dreifachen Machtstellung als Wirtschafts- und Finanzministerium und Kontrollorgan der Verwal-
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tung, schuf die institutionellen Voraussetzung und die koordinative Kompetenz zur Verwirklichung einer keynesianischen Globalsteuerung der Wirtschaft. Der gescheiterte Versuch Labours, seine innenpolitische Stärke zu einer durchgreifenden ökonomischen Umorganisation zu nutzen zeigt, welche Bedeutung konkrete Planungen über die Umsetzung einer wirtschaftspolitischen Strategie für reformorientierte Regierungen haben, insbesondere, wenn ihre Vorstellungen sich gegen die institutionelle Beharrungskraft eines mächtigen Ministeriums wenden. Die Labour-Minister konnten diesen notwendigen Voraussetzungen gleich in zweierlei Hinsicht nicht gerecht werden. Zum einen war in den Diskussionszirkeln der Partei zwar eine ausgereifte und durchdachte wirtschaftspolitische Programmatik entwickelt worden, die sich jedoch weder in der Gesamtpartei noch im Kabinett als mehrheitsfähig erwies. Des weiteren führte die Beteiligung der Labour-Führung an der Kriegskoalition zu einer Gewöhnung an das reibungslose Funktionieren der bestehenden administrativen Maschinerie, so daß bei Regierungsantritt die Vorstellung, daß zu der ganz neuen planwirtschaftliehen Strategie auch eine entsprechend revolutionäre Umgestaltung der Exekutive gehören mußte, im Kabinett Attlee trotz aller radikalen Rhetorik offensichtlich gar nicht erst entstand. Dazu mag die in der Partei (wie auch in weiten Kreisen der Öffentlichkeit) vorhandene Fehleinschätzung beigetragen haben, daß mit der Kommandowirtschaft des Krieges die passende Matrix für eine demokratische Planwirtschaft auch im Frieden bereitgestanden habe. Es war in gewisse Weise die amerikanische Anleihe, die das Weiterbestehen dieser Illusion für einige Monate ermöglichte, indem sie Großbritannien von der Weltwirtschaft abschirmte und damit den Exportdruck, der das Land in den folgenden Jahren in die "Austerity" zwang, vorerst abmilderte; um so drastischer war dann das Erwachen 1947, als sich zeigte, wie unzureichend die Regierung mit ihrer wirtschaftspolitischen Strategie in der Lage war, Großbritannien auf die Erfordernisse des Friedens einzustellen. Die Keynesianische Revolution war ein Produkt des Wandels auf drei Ebenen - Politik, Ideologie, Administration - und der ständigen Interaktion der auf ihnen wirkenden Akteure; auf die Ergebnisse der Untersuchung bezüglich der Veränderungen im administrativen und im strategisch-politischen Bereich ist noch einmal hingewiesen worden. Den bisherigen Schwerpunkt der Forschung bildete die dritte Ebene, die der ideologischen Auseinandersetzung. Hinsichtlich des Erfolgs der keynesianischen Wirtschaftstheorie, der bestimmenden
300
Schluß und Ausblick
Strömung im weltweiten "Copernican reversal"' der Ökonomie in den 1930er Jahren, ist dieses Interesse begreiflich; nicht zuletzt waren die Wissenschaftler jahrzehntelang geprägt von einer durch und durch keynesianischen Sozialisation an den Universitäten. Die Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes um zwei Ebenen hat allerdings demonstriert, daß 1. sich die keynesianische Wirtschaftstheorie seit dem Wahlkampf von 1929 bis zum Kriegsende stark veränderte und zwar, weil Keynes und die Keynesianer ihr Gedankengebäude erweiterten und es zudem den wirtschaftlichen Entwicklungen anzupassen verstanden. Dies verwischt den Eindruck einer starren Frontstellung zwischen interventionistischer (,,moderner") Theorie und (,,rückwärtsgerichteter") Laissez-faire-Ideologie. 2. Zu diesen Veränderungen trug die Auseinandersetzung mit den Gegnern Keynes' wesentlich bei; vor allem während des Krieges waren die Keynesianer im Staatsdienst zu Kompromissen mit den Vertretern der Treasury gezwungen, um überhaupt eine Möglichkeit zur Durchsetzung der eigenen Vorstellungen zu gewinnen, aber auch, um längerfristig das Weiterbestehen der keynesianischen Verwaltungsteile zu sichern. Diese Kompromisse sorgten mit dafür, daß der politische Keynesianismus Whitehallkompatibel wurde und sich ein gutes Stück von dem entfernte, was Keynes als Wirtschaftstheoretiker gefordert hatte! 3. Insbesondere jedoch zeigte die vorliegende Arbeit, daß über eine Befürwortung bzw. Ablehnung der keynesianischen Finanz- und Wirtschaftspolitik bei den ausschlaggebenden Stellen zumeist sehr viel weniger ideologische Präferenzen entschieden, als konkrete, an Machtpositionen orientierte Überlegungen. Am Ende gelangte die Untersuchung zu dem Ergebnis, daß das Fundament der Finanzpolitik tatsächlich in den späten 1940er Jahren als Abschluß einer 20jährigen Auseinandersetzung zwischen Reformanliegen und Beharren im Sinne eines umfassenden Paradigmenwechsels grundlegend modifiziert wurde. Die Entwicklung und Durchsetzung der Keynesianischen Revolution gilt ' Mark Eyskens: The Influence of the Great Depression on Economic Theory, in: Herman Van der Wee (Hg.): The Great Depression Revisited: Essays on the Economics of the Thirties, Den Haag 1972, S. 24-42, S. 24. 2 Der sehr an der praktischen Umsetzung seiner Überlegungen interessierte Keynes arbeitete allerdings auch mit an der Vereinfachung und "Politisierung" seiner Theorie. Das beste Beispiel dafür ist seine Zustimmung zum sog. IS-LM-Modell seiner allgemeinen Theorie (entwickelt von John Hicks in: Mr. Keynes and the Classics: a suggested interpretation, in: Economietrice, 11 (1937), S. 147-59), das zwar gegenüber der General Theory stark verkürzt ist, und noch dazu viel zu statisch in seinen Aussagen, aufgrund der einfachen und einleuchtenden Darstellbarkeil jedoch sofort zur Grundlage dessen wurde, was an den Universitäten als keynesianische Makroökonomie gelehrt wurde.
I. Zur historischen Verortung der Keynesianischen Revolution
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es nun in den allgemeinen historischen Verlauf des Berichtszeitraums einzuordnen; außerdem soll in einem Ausblick auf das Ende der "Goldenen Jahre des Kapitalismus"', deren Beginn durch die Übernahme des keynesianischen Paradigmas in die offizielle finanzpolitische Doktrin 1947/48 eingeläutet wurde, gezeigt werden, welche Auswirkungen diese fundamentale Veränderung der Wirtschaftspolitik auf das Erscheinungsbild des britischen Staates der Nachkriegszeit insgesamt hatte, und ob in der Keynesianischen Revolution schon von Anfang an bzw. bereits zum Zeitpunkt ihrer Durchsetzung die Probleme, die schließlich zur Beendigung des Versuches der Globalsteuerung durch Demand management in der "Stagflation" der 1970er Jahre führten, angelegt waren. Gewiß waren viele Ausprägungen der Politik, die lange Zeit unter dem Sammelbegriff "Keynesianische Revolution" bzw. "Keynesianischer Konsensus" subsumiert wurden, tatsächlich Entwicklungsstränge einer durchgreifenden staatlichen Metamorphose, die Großbritannien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durchlief. Die von Keynes intendierten und dann in einem langen Prozeß in die Politik und Verwaltung eingesickerten Veränderungen betrafen jedoch spezifisch die Finanz- und Geldpolitik und waren damit Bestandteile - unter anderen - dieser sehr viel umfassenderen Reform des Gemeinwesens zum Wohlfahrts- und Interventionsstaat, der an die Stelle des liberalen Staates des 19. Jahrhunderts trat. Insofern ist die Bezeichnung Revolution, die nicht nur einen einschneidenden, sondern auch einen universellen gesellschaftlichen Wandel meint, in der Tat irreführend. Andererseits bedeutete die keynesianische Wende eine fundamentalen Umgestaltung der Wirtschaftspolitik und der mit ihnen befaßten Institutionen; dazu kam, daß sich in den Jahren etwa zwischen 1929 und 1948 die Anschauung über das, was zum Verantwortungsbereich der Wirtschaftspolitik gehören sollte und was sie leisten könne, welches ihre Instrumente und Inhalte seien, durch den Erfolg der liberalen Reformer - und deren bedeutendster Vertreter war Keynes - in der Öffentlichkeit, in allen Parteien und (nahezu allen) wirtschaftlichen Gruppen und in der überwiegenden Mehrheit von Forschung und Publizistik zu einem allgemeinverbindlichen ,,keynesianisch-sozialdemokratischen'" Kon' Vgl. Stephen A. Marglin/Juliet B. Schor (Hg.): The Golden Age of Capitalism. Reinterpreting the Postwar Experience, Oxford 1990; darin insbesondere: Gerald A. Epstein/Juliet B. Schor: Macropolicy in the Rise and Fall of the Golden Age, S. 126152. • Vgl. Marquand: Unprincipled, S. 3, der die "Keynesian social democracy" so definiert: " ...most of the post-war period, most front-benchers in the House of Commons, most senior civil servants, most of the Ieaders of the most powerful trade unions, most nationalised industry chairmen, most heads of large private-sector compa-
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Schluß und Ausblick
sensentwickelt hatte. Diese tiefgehende politische und ideologische Veränderung, in Verbindung mit der keynesianischen Umwälzung der klassischen Ökonomie, stellt einen so bedeutenden Anteil an dem Wandel der kapitalistischen Staaten dar - der zudem noch ganz praktisch für jeden ihrer Bürger greifbar war und ist - daß, und dies untermauern auch die Ergebnisse dieser Studie, letztlich der Begriff "Keynesianische Revolution" doch eine treffende Formel ist. Es zeigt sieb auch im Rahmen dieser Darstellung einmal mehr, daß wirtschaftsgeschichtliche Untersuchungen (bzw. in diesem Falle genauer: Untersuchungen über die Entwicklung der Wirtschaftspolitik) zu anderen Periodisierungen gelangen, als sie etwa die traditionelle Politikgeschichte vornehmen würde. Zum einen stellt sich der Erste Weltkrieg in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht als sehr viel tiefergehender Einschnitt als der Zweite Weltkrieg heraus, der doch unvergleichlich größere materielle Schäden hinterließ und in dessen Folge sich das weltpolitische System ganz und gar veränderte. Wirtschaftspolitisch hingegen gehören die Jahre 1939-45 in die Periode der Überwindung der Hinterlassenschaften des Ersten Weltkrieges. Nachdem die Rückkehr zur "Normalität" der Verhältnisse von vor 1914 sich spätestens in der Weltwirtschaftskrise als gescheitert erwies, waren die folgenden Jahre, bis zum Ende der 1940er Jahre, in Großbritannien der Zeitraum, in dem die keynesianische wirtschaftspolitische Strategie entwickelt und von außerhalb des Staates propagiert wurde, sie langsam begann, als Ideologie zum politischen Mainstream zu werden und schließlich zur offiziellen Doktrin der wirtschaftlichen Lenkung durch den Staat wurde. Diese Periodisierung rückt auch die Zeitabschnitte 1929-1939 und 1945-49 (oder bis 1951), deren Inhalte hinsichtlich ihrer ökonomischen Entwicklung und der betriebenen Wirtschaftspolitik grundverschieden zu sein scheinen, eng zusammen: "In terms of economic policy ... they can be seen as parts of a single historical development that culminated in the construction of a mixed economy located in a constitutionalist framework. The policy debates of the postwar reconstruction years rotated around conceptions of politics and policy options defined by the in-
nies and most commentators in the quality press shared a common experience and a broadly similar set of aspirations. They were determined to banish the hardships of the pre-war years, and to make sure that the conflicts which those hardships bad caused did not return. Thus, both front benches accepted a three-fold commitment to full employment, to the welfare state and to the coexistence of !arge public and private sectors in the economy - in short, to the settlement which bad brought the inter-war conflicts to an end."
ll. Ausblick
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terwar years [...] The goal of policy debates in the late forties was to prevent the economic catastrophes of the interwar years from ever happening again...s
II. Ausblick: Die "Goldenen Jahre des Kapitalismus" und "Die Hinterlassenschaft des Lord Keynes" Welcher Interpretation der Geschehnisse zum Jahreswechsel 1947/48 man auch immer zuneigen mag, die fundamentale Veränderung der Finanzpolitik in den Jahren nach Ende des Zweiten Weltkrieges in der westlichen Welt und die Legitimierung explosionsartig wachsender staatlicher Ausgaben durch die keynesianische Theorie konstituieren ein nicht zu übersehendes Faktum. Die Zeit zwischen dem Kriegsende und etwa der Mitte der 1970er Jahre weist in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung gegenüber jeder anderen Phase der britischen Geschichte seit Beginn der Industriellen Revolution charakteristisch andere Tendenzen auf. Besonders deutlich wird dies an der steten Expansion der staatlichen Ausgaben und der anhaltenden Vollbeschäftigung: Beide entwickelten sich im Gegensatz zu anderen Perioden nicht mehr konjunkturabhängig, sondern zeigten gleichmäßige Tendenzen über den ganzen Zeitraum.
160000 140000 120000 100000 80000 60000 40000
B BSP in Mio. Pfund, jeweilige Preise 0 Regierungsausgaben in Mio. Pfund, jeweilige Preise
2000~ l-.,...,...,...,...~............~~~~~!!!~~:J
18 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 90 00 05 10 13 18 20 25 32 35 46 47 48 49 50 51 52 55 60 65 70 75
Abbildung 1: BSP/Regierungsausgaben 1890-1970
s Gourevitch, S. 125.
Schluß und Ausblick
304
Deutlieb ist zu erkennen (an der nahezu parallel verlaufenden Progression der gesamtwirtschaftlieben Leistung und der staatlieben Ausgaben), daß die Treasury mit ibrem Pessimismus in der Reconstruction-Debatte und ibren unablässigen Warnungen vor dem finanzpolitischen Gebaren gewählter Politiker ohne institutionelle Beschränkungen richtig gelegen hatte. Die Beseitigung der Restriktionen gegenüber einer expansiven Finanzpolitik führte nicht, wie es das Ziel der Keynesianer gewesen war, zu einer zyklischen Gegenbewegung von wirtschaftlieber Entwicklung (Konjunktur) und Staatsausgaben, sondern zog eine permanente Erweiterung der Hausbalte nach sieb. Nachdem einmal die akute Inflationsgefahr der unmittelbaren Nachkriegszeit abgeklungen war, schien alles auf ein unausgesetztes, ungestörtes Wachstum hinzudeuten, das als Rechtfertigung für die überproportionale Steigerungen der staatlieben Ausgaben vorgebracht wurde. Auch die Analyse der Regierungsausgaben im Verhältnis zur Entwicklung der gesamtwirtschaftlieben Leistung zeigt, daß die Finanzpolitik nach 1945 einen gänzlich anderen Verlauf nabm, als etwa in der Zwischenkriegszeit. Nach der Beendigung der Feindseligkeiten kam es in nur geringem Maße zu einem Rückgang der staatlieben Aufwendungen, im Gegensatz zum steilen Abfall nach 1918!
70 60 50 40 30 20 10 0
II Regierungsausgaben in% des BSP DArbei
+-+-+-+-+--=
18 18 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 90 95 00 05 10 13 18 20 25 32 35 46 47 48 49 50 51 52 55 60 65 70 75 80 85
Abbildung 2: Regierungsausgaben/Arbeitslosenquote 1890-1985
6 Die beiden Abbildungen zugrunde liegenden Zahlen aus: Alan T. Peacock/Jack Wiseman: The Growth of Public Expenditure in the United Kingdom, London 1961, Tabelle A-5 und A-6, S. 164-6, zur Entwicklung der staatlichen Ausgaben und des Sozialproduktes bis 1955; Mitchell: British, S. 592/3 für die Folgezeit bis in die 1970er Jahre und Hans-Peter Fröhlich/Claus Schnabel: Das Thatcher-Jahrzehnt. Eine wirtschaftspolitische Bilanz, Köln 1990, S. 105, bis 1985. Zur Arbeitslosenquote bis 1965 siehe Feinstein: Statistical, T 128; für die Folgezeit Heinrich Händel/Daniel A. Gosse!: Großbritannien, 3. neubearb. und erw. Aufl. München 1994, S. 358.
ll. Ausblick
305
Die staatlichen Veränderungen unter den nahezu 30 Jahren der unangefochtenen Dominanz der keynesianischen Lehre in Wirtschaftswissenschaften und -politik lassen zwei grundsätzlich divergente Bewertungen zu. Zunächst einmal stellen sich diese Jahre als eine Zeit nie gekannten wirtschaftlichen Wohlstandes und Aufschwunges in der ganzen westlichen Welt dar: "A strong case can be made for the success of Keynesian policies. Virtually all advanced democratic capitalist societies adopted, in varying degrees, Keynesian strategies of demand management after World War II. The period, certainly until 1973, was one of unparalleled prosperity, growth, expansion of world trade, and stability. "7 Die hervorragende Leistung der keynesianischen Wirtschaftspolitik sei dabei gewesen, so heißt es aus dem Lager der Keynes-Epigonen, die aus dem Zweiten Weltkrieg und der Zeit der Marshall-Plan-Hilfe entstammende Üppigkeit der Nachfrage stabilisiert zu haben. Die geringere Aufmerksamkeit, die möglichen Preissteigerungen gezollt wurde, und die Nichtanwendung deflationistischer Maßnahmen in der Finanzpolitik, habe sich durch die permanente Vollbeschäftigung bezahlt gemacht. "The payoff was much bigger than could have reasonably been anticipated [... )"• "The payoff was so big because, in a context of high and stable demand, enterprises were acutely conscious of the risk of not investing: they would face an inability to meet demand, a loss of market share, and reduced profits. So they invested, and the 1950s and 1960s were thus years of exceptionally high investment. This was the biggest single contributory factor in the accelerated growth of the post-war boom."• Auch Großbritannien, obschon relativ schwächer als die Aufschwungslokomotiven USA, Deutschland und Japan, teilte die Erfahrung der anderen sozial-kapitalistischen Staaten von stetem Wachstum, Vollbeschäftigung und 7 James Tobin: Keynes's Palieies in Theory and Practice, in: Harold L. Watte! (Hg.): The Policy Consequences of John Maynard Keynes, London/Basingstoke 1985, s. 13-21, s. 14. • Angus Maddison: Phases in Capitalist Development, Oxford 1982, S. 130. • Keith Smith: The British Economic Crisis. Its Past and Future, Harmondworth 1984, S. 84. Vgl. Alec Cairncross: The British Economy since 1945. Economic Policy and Performance, 1945-1990, Oxford 1992, S. 8. Cairncross und Smith wenden sich damit gegen die seit einiger Zeit weit verbreitete Ansicht, durch den Nachkriegsboom sei eine Politik der Nachfragestabilisierung überflüssig gewesen, die zuerst (und immer noch häufig zitiert) von R.C.O. Matthews: Why has Britain bad Full Employment since the War? in: The Economic Journal, 78 (1968), S. 556-569, vertreten wurde. Allerdings konzediert auch Matthews, daß die Ermutigungen der Regierung zu investieren den Boom verlängert haben könnten, und daß der Verzicht auf deflationistische Maßnahmen zur Bekämpfung des Zahlungsbilanzdefizites erst die Entfaltung der natürlichen Wachstumsfaktoren ermöglicht habe.
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dem Wohlstand der "affluent society", an dem auch die Bezieher geringerer Einkommen partizipieren konnten; zu Recht konnte Harold Macmillan, in den 1930er Jahren ausgewiesener Kritiker der restriktiven Wirtschaftspolitik des National Government, 1959 als konservativer Premierminister (sehr erfolgreich) mit dem Slogan in die Wahl ziehen: "You've never bad it so good." Unterhalb des allgemeinen positiven Trends erwies sieb allerdings die Vorstellung, durch Demand managementalle Bereiche der Volkswirtschaft genau steuern zu können (,,Feinsteuerung"), als nur bedingt tauglich. Das Ergebnis waren die für Großbritannien so bezeichnenden ,.stop-and-go"-Zyklen, d.h. die rasche Aufeinanderfolge von wirtschaftspolitischen Expansions- und Kontraktionsmaßnahmen. Die dadurch ausgelösten scharfen, sehr kurzen Konjunkturausschläge wiederum verstärkten die Neigung, zu immer neuen, noch stärker interventionistischen Handlungsweisen zu greifen. Die in den 1970er Jahren aufscheinenden wirtschaftlichen Probleme ließen dann die Grenzen der nur scheinbar immerwährenden Prosperität erkennen und zur gleichen Zeit den Optimismus über die Wirksamkeit von Wirtschaftspolitik schwinden. Damit sah sich zum einen auch die Wirtschaftshistorie gezwungen, ihre Annahme einer Prüfung zu unterziehen, daß analog zur Hervorbringung eines steten Aufschwunges durch die •.richtige" Wirtschaftspolitik in den 50er und 60er Jahren die unstete Entwicklung der Zwischenkriegszeit eine Folge der sachwidrigen Politik dieser Zeit gewesen sei. 10 Neben dieser rückwirkenden Neubewertung der Handlungsoptionen der Zwischenkriegszeit rückte die Verbindung von sich beschleunigender Inflation und Arbeitslosigkeit - die in Großbritannien nicht nur besonders ausgeprägt war, sondern darüber hinaus auch noch verknüpft mit den strukturellen Problemen der britischen Industrie (wie der spätestens seit 1945 spürbaren relativen Investitionsschwäche" und der Übermacht der Gewerkschaften) und der außenwirtschaftliehen Kraftlosigkeit, die in dem (für ein Land, das sich immer noch als Großmacht begriff) demütigenden Ersuchen um einen Stützungskredit des IWF 1976 gipfelte - auch die Grundlagen der vermeintlich erfolgreichen Wirtschaftspolitik nach 1945 und damit die Keynesianische Revolution in ein anderes Licht. Premierminister Callaghan sprach auf der Labour Party Conference 1976 das Urteil über "the Legacy of Lord Keynes", wie es mittlerweile mit vernehmlich abfälligem Unterton aus neoliberalen 10 Vgl. Volker Hentschel: Große Depression und Wirtschaftspolitik. Sachzwänge und Handlungsspielräume der Großmächte, in: Wolfram Fischer (Hg.): Sachzwänge und Handlungsspielräume in der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Zwischenkriegszeit, St. Katharinen 1985, S. 9-60, S. 10. 11 Siehe dazu insbesondere Barnett: Audit.
li. Ausblick
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Kreisen hieß, und vollzog so in aller Deutlichkeit den Bruch mit den keynesianischen Grundlagen der britischen Wirtschaftspolitik (schon vor der Konterrevolution der "Thatcherites"). Mit dieser Kritik machte Callaghan zudem klar, daß, aus der Perspektive der eskalierenden Probleme der 1970er Jahre gesehen, der gesamte britische gesellschaftliche Nachkriegskonsens auf einer wirtschaftspolitischen Illusion beruht hatte: "We used to think that you could just spend your way out of a recession and increase employment by cutting taxes and boosting government spending. I teil you in all candour that option no Ionger exists, and that in so far as it ever did exist, it worked by injecting inflation into the economy. And each timethat happened the average Ievel of unemployment has risen. Higher inflation, followed by higher unemployment. That is the history of the last twenty years ."" Ironischerweise kam es in der Regierungszeit Labours nach 1945 zur Übernahme der keynesianischen wirtschaftspolitischen Strategie in einer Situation, in der sie zur Bekämpfung der inflationären Entwicklung dienen mußte, während sie in der politischen Realität späterer Jahrzehnte immer mehr zur Legitimierung von Deficit spending herangezogen wurde. Auch Keynes hatte sich in wichtigen seiner öffentlichen Äußerungen mit dem Problem eines Nachfrageüberhangs durch überhöhte staatliche Ausgaben beschäftigt; und als er in der Konstellation der späten 1930er Jahre zu Maßnahmen der Nachfrageerhöhung riet, tat er dies sehr vorsichtig und verbunden mit der Warnung vor einer Überhitzung der Konjunktur. In seinen letzten Lebensjahren formulierte Keynes zudem wiederholt die Sorge um die außenwirtschaftliehen Restriktionen, die einem effizienten Demand management entgegenstanden. Man wird bei all dem immer berücksichtigen müssen, daß Keynes zwar sehr an der praktischen Umsetzung seiner Forderungen gelegen war, daß sie nichtsdestoweniger aber ein Ausfluß einer wirtschaftstheoretischen Lehre waren und damit nicht uneingeschränkt etwas mit der Realität ökonomischer Abläufe zu tun hatten. Ferner entstand die keynesianische Makroökonomik im wesentlichen in der Auseinandersetzung mit den wirtschaftlichen Problemen der Zwiscbenkriegszeit, und wie jede Periode ihre spezifischen Krisensymptome hervorbringt, so beschäftigen sieb auch die Vorschläge zur Krisenbewältigung mit den spezifischen Umständen der Zeitspannen, in denen sie entstehen. Wie auch immer das Verhältnis von Keynes' Theorie zu dem, was seine Epigonen darunter verstanden und daraus gemacht haben, zu bewerten sein mag, bleibt jedoch zweifelsohne festzuhalten, daß die Keynesianische Revolution institutionelle und ideologische Hemmnisse gegen die Anwendung der Finanzpolitik 12 Labour Party, Report of the 75th Annual Conference (1976), S. 188; zit. nach: Williarn Keegan/Rupert Pennant-Rea: Who runs the Economy? Control and influence in British economic policy, London 1979, S. 46.
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zur Realisierung wirtschaftspolitischer Zwecke beseitigt hat; sie hat als ein Produkt des technokratischen Zeitalters die Illusion der wirtschaftspolitischen Machbarkeit genährt - und dies war ganz im Sinne ihres Schöpfers - und damit die Sperren gegen eine uferlos expansiven Finanzpolitik, für deren Verteidigung der Treasury View stand, beiseite geräumt. Aus diesem Grund wäre es schwer, mit einer anderen als einer überaus kritischen Äußerung zum Ergebnis der Keynesianischen Revolution zu schließen: "All in all, it is difficult to avoid the conclusion that Britain has paid a heavy long-run price for the transient glory of the Keynesian Revolution, in terms both of the corruption of standards of scientific work in economics and encouragement to the indulgence of the belief of the political process that economic policy can transcend the laws of economics with the aid of sufficient economic cleverness, in the sense of being able to satisfy all demands for security of economic tenure without inflation or balance-of-payments problems, or less obvious sacrifice of efficiency and economic growth potentialities. A good case could even be made to the effect that Keynes was too expensive a luxury for a country inexorably declining in world economic and political importance and obliged to scramble for dignified survival, to be able to afford. ""
"Harry G. Johnson: Keynes and British economics, in: Milo Keynes (Hg.), S. 108122, s. 122.
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Personen- und Sachwortregister Anderson, John 121, 139, 153, 155, 158, 163, 166, 173, 177, 196, 199, 261 Arbeitslosigkeit 157 -Erscheinungsbild 9lf. -Formen 157, 173, 175 -Politik gegen 55, 68, 72, 157, 165, 166, 205f., 225, 293 -Quote 23, 85, 90, 187, 238 -Ursachen 24f., 66, 91, 173,231 Attlee, Clement 18, 49, 131, 139, 162,177,199,205,244,249,255, 261,279,282 Austerity-Politik 224 Balanced Budget Rule 12ff., 32, 41, 86, 109, 116 s. auch Treasury View Baldwin, Stanley 57f., 75, 89 Balogh, Thomas 54, 155 Bank of England 11, 27, 30, 32, 35, 36ff., 43, 48, 63, 68, 71, 78f., 83, 111, 115, 125, 136, 152, 193, 205, 209,226,243 Beaverbrook (Lord), William M.A. 34, 71 Bevan, Aneurin 184, 224, 244, 251 Beveridge, William 160ff., 165, 178, 185f., 187, 189, 193, 217 Beveridge-Report 157, 159, 162-165, 166, 178, 182, 185, 189, 194 Bevin, Ernest 49, 66, 77, 93, 132, 139, 141, 150f., 160, 162, 184, 201, 224, 244, 249, 255, 261, 278f. Blackett, Basil 62, 93f. Board of Customs and Excise 48, 259 Board of Inland Revenue 48, 152, 286
BoardofTrade 173, 176, 187, 197, 205,209,228,230,239,247,251, 255,261,263 Bradbury (Lord), John S. 43, 44f., 78 Brand, Robert H. 95, 131 Brennstoffkrise 238, 241 Bretton Woods 222,242 Bridges, Edward E. 47, 146, 196ff., 230,236,252,253,267,274f. Brittain, Herbert 169, 180, 253 Budget (Haushalt) 28, 199, 261, 263, 266f., 268ff., 272, 290f., 292 - 1931 (September) 41, 85, 88 -1941 17,130,142-151,286 - 1947 (November) 19, 254, 269f., 273-276, 284f., 286, 292f. - 1948 19, 269f., 285-288, 292f. - Erstellung 86f., 170, 263 -Defizite 31, 39, 89, 168f., 174, 180f., 183, 293, 295f. -im ll. Weltkrieg 121, 126-130, 135, 142,154,260 - kameralistische Grundsätze der Erstellung 106, 109, 112, 254, 260, 265 - keynesianische Grundsätze der Erstellung 133, 232, 254, 270, 274 - Präsentation 272f., 285 Budget Committee 48, 142, 195, 252, 253, 261, 263ff., 284, 286 Budgetgeheimnis 48f., 252f. Butler, Richard A. 18 Capital Budget 169f. Capital Levy 286ff. s. auch Budget, 1948 Catto (Lord), Thomas S. 142, 164
Personen- und Sachwortregister Central Economic Information Service 146, 158 Central Economic Planning Staff 22, 247, 252f. Central Statistical Office 146f., 179, 188,194,233,263 Chamberlain, Joseph 34 Chamberlain, Neville 34, 38, 82f., 85, 89, 92, 97, 127ff., 136f., 160 Chancellor of the Exchequer s. Schatzkanzler Chief Planning Officer 244, 247 Churchill, Winston S. 18, 30, 37f., 42, 43, 58, 71, 74ff., 77, 82, 85, 107, 119, 127, 137f., 139f., 147, 155, 161, 163ff., 177, 189, 191, 192,196,199,204,218,290 Citrine, Walter 95, 141, 279 Civil Service 44f, 49, 118, 230 - Administrative Class 49f., - Reform 196ff. Clarke, Richard "Otto" 236 Cole, George D.H. 95, 202 Committee on Reconstruction Priorities 155, 163, 166, 173, 176f. Conservative Party 12, 16, 34, 40, 55, 57, 82, 9lf., 144, 164, 184, 192, 238 Constant Employment Budget 88 Cripps, Stafford 19, 49, 196, 201, 209, 230, 232, 236, 239, 244, 248f., 251, 253, 255, 26lff., 279ff., 285288,290,291,292 Crosland, Anthony 289 Crowding out 69, 74ff., 81, 107 s. auch Treasury View Cunliffe (Lord), Walter 43 Dalton, Hugh 19, 49, 93, 137, 153, 158, 173, 176, 182f., 184, 187, 202f., 205, 207, 213f., 224, 226, 243f., 249, 251, 254ff., 261, 263270, 273ff., 284f., 287, 292 Deferred pay 129, 130-133, 135, 143f., 189, 264
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Deficit Spending 14, 57, 97, 100, 103, 112, 153, 159, 177, 183, 185, 206 s. auch Budgets, Defizite Demand management 104, 106, 111, 133, 157f., 166ff., 173, 175f., 179f., 184,187,189,205,207,225,229, 231,254,256,259,269,272,274, 286, 291, 296 s. auch: Economic management; Keynes, John Maynard, Entwicklung der keynesianischen Wirtschaftstheorie Durbin, Evan F.M. 158, 202, 205, 207f. Eady, Wilfried 153, 171, 180f., 224, 243,253 Economic Advisory Council 34, 94ff. Economic management 84, 94, 109, 111,205,217,260,271,286,289, 295 Economic Planning Board 247f., 252 Economic Policy Committee 136, 138f., 248 Economic Secretary 48, 251 Economic Section 21, 96, 146, 153, 156, 158, 166, 173, 175, 179, 187f., 190, 194f., 230, 233, 238, 244, 248, 253, 258ff., 263, 270f., 273, 274, 287,293 Economic Surveys 229-238, 252, 272,285, 293 Eden, Anthony 156 Einkommensteuer 87, 128f., 130, 150,189,264 Employment Policy (Weißbuch) 183ff., 186, 193ff., 271, 277, 297 Entwicklung Großbritanniens, wirtschaftliche -nach 1945 219ff., 225-228, 238, 242ff., 274, 280 - Zwischenkriegszeit 12, 26, 53, 85, 90, 104 Exchange Equalisation Account 84, 111, 125 Excess Profits Tax 127, 129, 264ff.
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Personen- und Sachwortregister
Federation of British lndustries 95 Financial Secretary 48 Finanzpolitik - Bedeutung 260 -Bedeutung im Krieg 17, 122f., 124f., 130, 140 - Entwicklung 85, 121 - expansionistische (keynesianische) 18, 59, 69, 85, 103, 170, 171,237 s. auch Deficit spending; Budgets, Defizite - keynesianische Wende in der 284, 290f., 292-297 -traditionelle 12ff., 43, 63, 82, 107113, 266f. s. auch Balanced Budget Rule Fisher, Warren SO Franks, Oliver 197 Freihandel 12, 16, 32, 33ff., 82, 112, 222 Gaitskell, Hugh 18, 97, 187, 20lff., 205, 206f., 251, 269, 288, 291 Geldpolitik - cheap-money-policy 83ff., 111 - Zwischenkriegszeit 27, 37f., 43, 79, 83 -im Krieg 126 - international 63, 79, 125 s. auch: Goldstandard; Währungsordnung, internationale - nach 1945 226, 284f., 290, 295 Gewerkschaften 31, 57, 92, 122, 129, 132, lSOf., 201, 203, 206, 247, 257, 263, 268, 278-283 Gewinnkontrollen 122 Gilbert, Bernard 153, 180fn., 230, 252,253,272 Goldstandard 12, 112, 119 s. auch: Währungsordnung, internationale -Abgehen Großbritanniens 16, 34, 39, 61, 82f. - Diskussionen um Wiedereintritt nach dem Ersten Weltkrieg 27ff., -Regeln 31, 3Sff., 63, 66, 76 Greenwood, Artbur 139, ISS
Haldane Committee 44, 196 Hall, Robert 253, 287, 293 Harrod, Roy F. 97, 211 Hawtrey, Ralph 62, 69, 76, 81 Hayek, Friedrich v. 81, 218, 245 Healey, Denis 216 Heath, Thomas 47,52 Henderson, Hubert 61, 9Sff., 131, lSlff., 160f., 167f., 171, 178, 180f. Hopkins, Richard 38, 76, 78, 80f., 95, 100, 107f., 142, 152, 167f., 173, 181,183,186,194,253,276 Inflation - Bekämpfung 230, 275, 288, 292f. -im Krieg 122, 129ff., 134, 148 -nach 1945 268, 271, 274 Inflationary gap 133f., 142, 148f., 221,230,232,236,258,269,271, 274f., 284f. Inskip, Thomas 122 International Monetary Funds. Bretton Woods Isaacs, George 263, 279 Jay, Douglas 48, 187, 202f., 205, 207, 251, 276 Jewkes, John 158 Joynson-Hicks, William 72, 74 Kapitalabgabe 132, 144 Kahn, Richard 97 Keynes, John Maynard 13, 20, 51, 76, 9Sf., 156, 178f., 188, 211, 259 - Außenwirtschaftspolitik (Verhandlungen mit den USA) 152f., 221ff., 224 - "Can Lloyd George Do lt?" 61 - Diskussion um Goldstandard 28, 61 - Entwicklung der keynesianischen Wirtschaftstheorie 16, 60, 63-68, 99, 102ff., 212 - Freihandel 34, 67 - Geldpolitik 83, 104 - "General Theory" 17, 99, 102ff., 107, 186, 202f., 208, 217
Personen- und Sachwortregister - "How to avoid a slump" 104, 296 - "How to Pay for the War" 105, 133ff., 142, 145, 149, 153, 188, 296 s. auch: Deferred pay; Inflationary gap - in der Treasury 17, 42, 48, 62, 140f., 143-153, 179, 189, 212, 268ff. - Kritik an der Kriegsfinanzierung 17, 124, 127, 130f., 188 - Kritik an der Treasury 16, 71, 77, 88, 115, 118 - "The Economic Consequences of Mr Churchill" 62 - "The Economic Consequences of the Peace" 62 - "The Means to Prosperity" 97, 105 - "Treatise on Money" 61, 99 - Reconstruction-Planungen 153f., 162, 164, 169ff., 180, 181f., IR:> - Staatsvorstellung 211ff. Keynesianer 153, 158, 17?-., 178, 185, 187, 189,217,253,2~3 Keynesianische Revdution 13, 15, 19f., 27, 60, 70, 114, 120, 157, 183, 292-297 Keynesianischer Konsensus 211 Koalitionsregierung (1940-45) 82, 127, 137ff., 155f., 161, 163, 176, 204, 254f. Konvertibilitätskrise 241-244, 274, 280 Kriegsfinanzierung 17, 124, 129 s. auch Finanzpolitik, Bedeutung im Krieg; Budgets, im ll. Weltkrieg Labour Party 12, 55, 82, 92, 93, 129, 132, 162, 164, 176, 184, 192, 196, 208ff. -erste Regierung MacDonald (1924) 28,33,94 -zweite Regierung MacDonald (192931) 34,40, 82, 92,94, 119,199, 201 - Regierungen Attlee (1945-51) 18, 20, 184, 192, 198, 223ff., 225, 233,
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235, 237, 238ff., 243ff., 246, 248f., 261, 290f. -wirtschaftliche Programmatik 1P., 57, 184, 199-210, 215, 218, 1~8. 236, 245, 255f., 261, 266, :73, 279f., 288 - und keynesianische Wirtschaftswissen~chaft 200, 202ff., 206, 208, 256, 284, 288ff., 291 Laski. HaroJ.;: 201, 205 Lebensmi~