Die Intersubjektivität von Wertungen: Zur Begründbarkeit von Wertungen im Rechtsdenken durch ethisch verpflichtetes Argumentieren [1 ed.] 9783428446285, 9783428046287


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German Pages 194 Year 1980

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Die Intersubjektivität von Wertungen: Zur Begründbarkeit von Wertungen im Rechtsdenken durch ethisch verpflichtetes Argumentieren [1 ed.]
 9783428446285, 9783428046287

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HELMUT

SCHREINER

Die Intersubjektivität von Wertungen

Schriften zur

Rechtstheorie

Heft 91

Die Intersubjektivität von Wertungen Zur Begriindbarkeit von Wertungen im Rechtsdenken durch ethisch verpflichtetes Argumentieren

Von D r . H e l m u t Schreiner

D U N C K E R

&

H U M B L O T

/

B E R L I N

Alle Rechte vorbehalten © 1980 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1980 bel Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3 428 04628 5

Vorwort Ziel dieser Arbeit ist die Darstellung des Rechtsdenkens i m Hinblick auf zwei der Hauptdeterminanten seiner Rationalität: der intersubjektiven Rekonstruierbarkeit und der intersubjektiven Akzeptierbarkeit. Die intersubjektive Rekonstruierbarkeit meint die Möglichkeit eines geordneten und überprüfbaren Nachvollzuges einer Gedankenführung durch ein anderes Subjekt als den Urheber dieser Gedankenführung. Dieser Gesichtspunkt ist herkömmlicherweise m i t den verschiedenen „Verfahren" angesprochen, die die unterschiedlichen, dem Rechtsdenken zur Verfügung stehenden Methoden anbieten und wie sie ganz allgemein m i t deduktiven, reduktiven und Analogie-Verfahren angedeutet werden können. Daß verfahrensmäßig einwandfrei erzielte Ergebnisse nicht unbedingt auch den Anspruch auf intersubjektive Akzeptierbarkeit erheben können, d. h. zumindest wegen ihrer Begründetheit als allgemein vertretbar angesehen werden dürfen, braucht selbst keine nähere Begründung. U m die intersubjektive Akzeptierbarkeit zu erreichen, müssen i m Verfahren der Erzeugung der jeweiligen Denkformationen noch weitere Gesichtspunkte berücksichtigt werden, deren Formulierung und verfahrensmäßigen Darstellung unten breiter Raum gegeben werden soll. Die „einführende Darstellung" dient der Klarlegung des Themas und einer ersten Formulierung des methodischen Programms. Dabei w i r d auf eine hinreichende Präzisierung der verwendeten Begrifflichkeiten Wert gelegt, wie auch eine Verdeutlichung des kontexturalen Gesamtrahmens versucht wird, i n dem sich diese Arbeit versteht. Dabei w i r d m i t Nachdruck darauf verwiesen, daß das rechtliche Denken — so wie viele andere A r t e n des Denkens — stets auch als Denken verstanden wird, das sich vor anderên Instanzen verantwortlich weiß als den unmittelbaren und subjektiven Interessen und Bedürfnissen dessen, der es vollzieht. Damit ist bereits angedeutet, daß es sich bei diesen Bedingungen nicht u m reine oder bloß eristisch-rhetorische, u m persuasivpsychologische, sondern u m ethische Bedingungen handelt, die auch für das rechtliche Denken als normativ verstanden werden. I m Teil I geht es u m die Darstellung der jedenfalls für die intersubjektive Rekonstruierbarkeit maßgeblichen und anerkannten Verfahren: deduktiver, reduktiver und Analogie-Verfahren. I n diesem Zusammenhang w i r d auf einige Möglichkeiten ihres Einsatzes zum Zwecke der Beförderung der Rationalität des Rechtsdenkens eingegangen, wie z.B. auf die Möglichkeiten, die das Denken i n komparativen Strukturen

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Vorwort

bietet. Daneben werden hinsichtlich dieser Verfahren vor allem deshalb Modifikationen und Differenzierungen vorgeschlagen, weil diese Verfahren je nach der Eigenart der ihnen unterworfenen Gegenstände (im Anschluß an das neue Konzept der zetetischen Verfahren) so adaptiert werden sollen, daß sie eine Einbindung der Forderungen der Akzeptierbarkeit ermöglichen oder doch zumindest jene Punkte deutlich hervortreten lassen, wo — wiederum verschieden je nach der Eigenart der Gegenstände — begründungsbedürftige Wertungen auftreten. Der Teil I I ist vornehmlich der Erörterung jenes philosophischen und erkenntnistheoretischen Kontextes gewidmet, der für die hier beabsichtigte, auf eine möglichst breite Zustimmung abzielende Begründung notwendig ist. I m Teil I I I stehen die formellen Bedingungen der Akzeptierbarkeit zur Diskussion: ihre Begründbarkeit; ihre Bolle; ihre verschiedenen, manchmal auch versteckten Erscheinungsformen; sowie auch der Versuch, zumindest einige davon i n einer rein extern-prozeduralen, m i t h i n also nicht mehr vorwiegend ethischen Weise zur Darstellung zu bringen. I m letzten Teil I V finden sich schließlich die Modalitäten des rechtlichen Denkens. Dabei ist die gewiß etwas ungewöhnliche Verwendung des Terminus „Modalität" für diese Zwecke deshalb begründet, w e i l die ansonsten sich aufdrängende Alternative einer „Bedingung" nur allzuleicht den Schluß i n die Richtung einer „Einschränkung" der Rationalität des Rechtsdenkens gegenüber anderen Formen des praktischen Denkens nahe gelegt hätte. Da es sich aber vielmehr nicht darum, sondern u m bestimmte „Weisen" handelt, i n denen das rechtliche Denken erfolgt, ist die Wahl des Terminus „Modal i t ä t " zulässig. Eine wissenschaftliche Arbeit verlangt jedenfalls bereits deshalb nach einer systematischen Darstellung, w e i l dadurch schon aus formalen Gründen jeweils eine Orientierung darüber möglich ist, unter welchen Gesichtspunkten, i n welchen Relationen und unter welchen Relevanzen ein Problem gesehen wird. Auch w i r d dadurch die Anwendung von Methoden, die der intersubjektiven Rekonstruierbarkeit dienen, wesentlich erleichtert. Dieses „mehr" an Eindeutigkeit über das, was gemeint ist, wie es gemeint ist und unter welchen Bedingungen es gemeint ist, kann sich aber hinsichtlich der Begründung des der Systematisierung unterworfenen Ansatzes nachteilig auswirken; nämlich dann, wenn der Systematisierungskontext eine m i t Akzeptierbarkeitsanspruch ausgestattete Begründung nicht oder jedenfalls nicht ausreichend zu vermitteln vermag, es aber andererseits Kontexte für das jeweils i n Rede stehende Problem gibt, i n denen sich eine dermaßen geforderte Begründung durchführen läßt. Deshalb war es notwendig, einige der gestellten Probleme nicht nur i n den systematisch orientierten Teilen zu behandeln, sondern dazu

Vorwort

einen eigenen Teil einzubinden, der m i t den Ausführungen „ Z u m Erkenntnisproblem", „ Z u m Wahrheitsproblem", „ Z u m Wertbegriff" und „ Z u m Normbegriff" jene Kontexte liefert, i n denen und aus denen heraus eine Begründung der gewünschten Form möglich erscheint und die, wie m i r scheint, nicht von vornherein dem Verdacht zu großer Verengung oder Einseitigkeit ausgesetzt erachtet werden muß. Gerade dieser Ansatz scheint auch einen ausreichenden Hintergrund dafür abzugeben, wenn, wie hier, immer wieder nach einem konvergenztheoretischen Standpunkt Ausschau gehalten w i r d : dies nicht zuletzt deshalb, w e i l m i t einer dermaßen breiten Basis weniger das Trennende als endgültig betont wird, wie es aspekthaftere Ansätze nahelegen. I n Anbetracht des Gesagten erschien es daher zweckmäßig, die Erörterung mancher wichtiger Probleme nicht nur an einem systematisch vorgezeichneten Ort vorzunehmen, sondern sie auch jeweils dort einzubinden, wo dies ihre bessere Begründbarkeit verlangt. So w i r d ζ. B. zu einem für das Hechtsdenken zentralen Problem nicht nur bei den Ausführungen „ Z u m Wertproblem" (II, 3) Stellung genommen, sondern auch i m Zusammenhang m i t den Möglichkeiten, die die logischen Verfahren hiefür bieten (I, 2), aber auch beim „Normbegriff" (II, 4), w e i l es auch dort eine zentrale Holle spielt. Desgleichen findet es sich auch beim „Wahrheitsproblem" (II, 2), wo vor allem über dessen kohärenztheoretischen Aspekt der innige Zusammenhang der Wertungsfrage m i t der Wahrheitsfrage deutlich wird. Schließlich ist das Wertungsproblem für jene Verfahren von Bedeutung, die wesentlich auf Wertungen angewiesen sind und die, wie die geläufigen Verfahren der Reduktion und der Analogie, zusammenfassend als zetetisch bezeichnet werden sollen (I, 3, 4). Eine dem methodischen Aspekt des Rechtsdenkens verpflichtete Untersuchung, die nicht auf das positive Recht Bezug nimmt, verfehlt nach der hier vertretenen Auffassung von vornherein i h r Ziel, wenn sie nur einerseits eine — wenn auch relative — Autonomie des rechtlichen Denkens bejaht und andererseits aber nicht auf einer solchen Abstraktionsebene bleiben w i l l , die ihre unmittelbare Kontrollierbarkeit und Anwendbarkeit i m Bereich des praktischen rechtlichen Denkens zumindest erschwert. I n dieser Arbeit wurde das (österreichische) Verfassungsrecht als Basis gewählt. Weil dies unter vorrangig methodischen Gesichtspunkten geschah, wurde bei der Auswahl der Verfassungsprobleme auf deren „Angemessenheit" und „Typizität" für das jeweils i m Vordergrund stehende methodische Problem Wert gelegt. Dieses Interesse bedingte wiederum eine bestimmte A r t der Darstellungsweise, die weniger die dogmatische Aufarbeitimg des Einzelfalles als vielmehr die methodisch verfolgbare Linie i n den Vordergrund rückte. Daß dabei

8

Vorwort

Vergröberungen und Vereinfachungen i n Kauf zu nehmen sind, liegt nahe. E i n besonderes Augenmerk wurde darauf gelegt, nach Möglichkeit keine Terminologie zu verwenden, die der gängigen juristischen völlig oder doch weitgehend fremd ist. Wo sich eine solche anbot, wurde versucht, sie i n die juristische zu transformieren. Wo dies aus irgendwelchen Gründen nicht möglich oder zweckmäßig schien, findet sich diese Terminologie zumindest i n einem so beschaffenen Kontext, daß die Verwendungsweise dieser Termini ohne größere Schwierigkeiten hinreichend klar wird. Aus eben diesem Grund, nämlich die Arbeit möglichst einfach lesbar zu halten, wurde auch darauf verzichtet, durchgehend von den Möglichkeiten formalisierter Darstellung Gebrauch zu machen. Auch wenn dies i n vielen Fällen einfacher und genauer gewesen wäre, so wurde dieser Weg doch nur dort gewählt, wo es die Präzision unbedingt erforderte; obendrein wurde i n diesen Fällen versucht, das Gemeinte auch zu verbalisieren. Dies bedeutet aber andererseits, daß so manche der hier vertretenen Ansätze hinsichtlich ihrer formalen Darstellung und damit auch hinsichtlich ihrer formalen Durchdringung nicht i n allen sich bietenden Möglichkeiten weiterverfolgt wurden. Die vorliegende Arbeit bedient sich der üblichen Zitierweise m i t einer Maßgabe, die sich aus der Anlage der Arbeit selbst ergibt: Die Eigenart des Themas erfordert häufig Einbindungen und Anknüpfungen zu verschiedenen anderen Bereichen des Rechtsdenkens und dort beheimateten Denkstilen. Dies i n jedem Fall darzustellen, hätte jedoch zu einer beträchtlichen Erweiterung des Umfangs dieser Arbeit geführt. Da diese Fragen aber einerseits nicht zum unmittelbaren Gegenstand der Untersuchung selbst gehören, andererseits sich dafür eine Reihe anerkannter Werke anbieten, konnte hier statt dessen auf den jeweiligen Kontext verwiesen werden, der das Gemeinte verdeutlicht. Es gehört daher zum äußeren Charakter dieser Arbeit, daß sich i n den Anmerkungen das „vgl." häufiger findet als anderswo. Weil m i t der auf diese Weise ermöglichten Kürze der Arbeit die Lesbarkeit profitieren kann, wurde letztlich dieser Weg gewählt. Eben dieser Grund war es auch, der dafür verantwortlich ist, daß manche Anmerkungen etwas über Gebühr lange ausfielen, weil sich dort neben reichlicheren Literaturhinweisen und Textwiedergaben auch Problemerörterungen finden: i n den Text selbst sollte nur das aufgenommen werden, was für den Ductus der Arbeit unbedingt erforderlich schien. Alles andere, etwa das, was zur Problematisierung mancher Anknüpfungspunkte erforderlich war, oder was zur Verbindung m i t anderen Problemen und Kontexten anzuführen war, mußte deshalb i n die Anmerkungen aufgenommen werden.

Inhaltsübersicht Einführende Darstellung des Problems und Aufweis seiner Lösungsrichtung 1. Probleme u n d Methoden

11

2. Entscheiden u n d Begründen

15

3. Rationalität u n d Begründung

18

4. E i n erweiterter Begründungsbegriff

22

Teil

I

Die Intersubjektivität 1. Die beiden Aspekte der I n t e r s u b j e k t i v i t ä t : Rekonstruierbarkeit Akzeptierbarkeit

und

28

2. IntersubjektivitätsVermittlung durch deduktive L o g i k

32

3. Intersubjektivität durch Analogie

49

4. Intersubjektivität durch Reduktion

52

Teil

II

Philosophische und theoretische Horizonte 1. Z u m Erkenntnisproblem

69

2. Z u m Wahrheitsproblem: Erkennen u n d Anerkennen

78

3. Z u m Wertbegriff

86

4. Z u m Normbegriff

108 Teil

III

Formelle Bedingungen der Akzeptierbarkeit 1. Die Pluralität von Begründungskonzepten

124

2. Z u r Begründbarkeit von normativ-ethischen M a x i m e n

130

3. Z u r Rolle prozeduraler M a x i m e n

137

4. Ethisch-prozedurale K r i t e r i e n externer A r t

143

10

Inhaltsübersicht Teil

IV

Modalitäten des Recfatsdenkens 1. Einschränkungen von Rationalität oder Modalitäten des Rechtsdenkens 150 2. Die Textgebundenheit als Modalität des Rechtsdenkens

156

3. Die Präjudiziengebundenheit als Modalität des Rechtsdenkens

161

4. Die Rollen- u n d Verfahrensgebundenheit als Modalität des Rechtsdenkens 165 Nachwort

169

Literaturverzeichnis

173

Einführende Darstellung des Problems und Aufweis seiner Lösungerichtung 1. Probleme und Methoden Schon ein kurzer Blick i n ein einschlägiges Verlags- oder Literaturverzeichnis berechtigt induktiv zur Behauptung, daß i m Bereich der Rechtswissenschaft Methodenfragen eine offenkundig immer breitere Beachtung erfahren. E i n solches Anwachsen muß nicht nur „modische" Ursachen haben. Es kann z.B. auch darauf zurückzuführen sein, daß die der rechtswissenschaftlichen Bewältigung aufgegebenen Probleme m i t dem Instrumentarium vorherrschender und anerkannter methodischer Konzeptionen nicht mehr i n einer als „befriedigend" empfundenen Weise als lösbar erachtet werden. Dies vielleicht deshalb, weil m i t der Verschiebung von Problembezügen, wie ζ. B. m i t dem Verhältnis der Grundrechte zum übrigen Teil der Rechtsordnung angedeutet werden kann, auch eine Problematisierung der Raster einhergeht, i n denen die der rechtlichen Lösung gestellten Probleme gesehen und angegangen werden wollen, wenn sie das A t t r i b u t einer „gerechten", „akzeptablen", „rechtsrichtigen" . . . Lösung verdienen sollen; Attribute, die ausdrücken sollen, daß die Entscheidung nicht nur irgendwie formal, sondern auch inhaltlich einen Richtigkeitsanspruch erheben w i l l . Wenn auch „Methoden" i n der Regel nicht als eindeutige Anweisungen für Entscheidungen angesehen werden können und wollen 1 , so besteht doch insoweit ein Zusammenhang zwischen gewählter Methode und Ergebnis, als die von der Methode gewiesene Richtung — sowohl was die Sicht des Problems als auch was die zulässigen Lösungsmittel betrifft — jedenfalls auch auf einen wertbestimmten geistigen Kontext verweist 2 . Auch auf diesem Gebiet mag eine wichtige Ursache für das Anwachsen unterschiedlicher methodischer Konzeptionen gesucht werden dürfen, wenn man n u r an den zunehmenden Antagonismus i n den Auffassungen über die Ziele staatlicher und gesellschaftlicher A k t i v i täten denkt 8 . Schon wegen des Umstandes, daß die Institution der Ver1

Vgl. so z.B. Larenz, K . : Methodenlehre der Rechtswissenschaft. 4. Aufl., B e r l i n u. a. 1979, ζ. Β . I X , 228 f. u. ö. 2 So z. B. Coing , H. : Die juristischen Auslegungsmethoden u n d die Lehren der allgemeinen Hermeneutik. K ö l n u n d Opladen 1959, 22. 3 Vgl. die grundsätzlichen Positionsmarkierungen bei Friedmann, W. : Recht u n d sozialer Wandel. F r a n k f u r t a. M. 1969, 13 ff.; Marcie, R.: Recht, Staat,

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Einführende Darstellung des Problems

fassungsgerichtsbarkeit derartige zunächst politische Fragen, wenn sie nur m i t bestimmten Staatsorganen (etwa den Gesetzgebungsorganen) zu t u n haben, i n rechtliche transformieren läßt, ist geradezu garantiert, daß auch die Methodik des Rechts, insoferne sie auf einen praktischen Bezug Wert legt, von diesen Faktoren nicht unberührt bleiben kann. Der Hinweis auf das sogenannte „Fristenlösungserkenntnis" des Verfassungsgerichtshofes mag das Gesagte veranschaulichen. Schließlich muß es zu methodischen Problematisierungen führen, wenn unter den verschiedensten Gesichtspunkten versucht wird, die Rechtswissenschaft unmittelbar den Erkenntnissen und Ergebnissen anderer Disziplinen zu öffnen, was insgesamt häufig unter dem Titel einer „Ideologiekritik" firmiert 4 . Ihre Gegenpositionen treten i m allgemeinen m i t dem Anspruch auf, die „juristische Autonomie" zu verteidigen 5 . Diese Auseinandersetzungen äußern sich etwa i m Bereich der „Konsenstheorie" i n der Frage, ob ein consensus omnium gemeint sei oder doch nur ein fachspezifischer, ob ein normativer oder soziologischer. Solche verschiedenen methodischen Konzeptionen, die verschiedene Ergebnisse auch bei annähernd gleicher Rechts- und Problemlage zu legitimieren vermögen 6 , machen auch nachdrücklich darauf aufmerksam, daß die Probleme, die dem positiven Recht gestellt sind, i n einer mehr oder minder breiten Weise nicht aus dem Text des positiven Rechts allein ihre Lösung finden können, daß also m i t einem mehr oder minder großen A n t e i l an Beladenheit m i t Theorien bzw. theoretischen Elementen gerechnet werden muß. Es gehört, soweit ersichtlich, zu den unstrittigen Ergebnissen der Methodendiskussion, daß es nicht mehr als sinnvoll — weil von vornherein zum Scheitern verurteilt — gilt, nach formalen Methoden Ausschau zu halten, die die inhaltliche Richtigkeit eines Ergebnisses gewährleisten, ohne selbst vom Sachgehalt des i n Rede stehenden Problems abhängig zu sein 7 . A u f der anderen Seite aber kann auch nicht Verfassung. 1. Bd., Wien 1971, 63 ff., 215 ff.; Schambeck, H.: V o m Sinnwandel des Rechtsstaates. B e r l i n 1970; Grimm, D.: „Verfassungsfunktion u n d G r u n d gesetzreform". AöR 97 (1972), 489 ff. 4 Haverkate, G.: Gewißheitsverluste i m juristischen Denken. B e r l i n 1977, 175 ff. Vgl. Luhmann, N.: „Positives Recht u n d Ideologie". ARSP 1967 (33), 531 ff. 5 Vgl. Forsthoff, E.: Z u r Problematik der Verfassungsauslegung. Stuttgart 1961. β M a n denke n u r etwa an die Ausgangslage f ü r das österreichische u n d das bundesdeutsche Fristenlösungserkenntnis. Vgl. dazu: Grimm, D.: „Die Fristenlösungsurteile i n Österreich u n d i n Deutschland u n d die Grundrechtstheorie". I n : JB1. 1976, 74 - 79. 7 Das scheint K e r n der ständigen, i n keinem Methodenlehrbuch übergangenen A b u r t e i l u n g der „deduktiven Methode" als ausschließlicher Gewähr f ü r die Richtigkeit einer Problemlösung u n d des „Subsumptionsschlusses" als Modell der Rechtserkenntnis zu sein.

1. Probleme u n d Methoden

13

damit gerechnet werden, daß die Maßstäbe für die inhaltliche Richtigkeit von Problemlösungen auf ausschließlich dem Recht „immanenten" Kriterien aufgebaut werden könnten. Die Richtigkeitsfrage, die dem Rechtsdenken zur Beantwortung stets m i t aufgegeben ist, verweist daher auch auf Maßstäbe, die — zumindest i m Sinne der überkommenen Methodenlehre — außer- bzw. met ajuristisch sind. Es sind Maßstäbe, die zumeist als den Bereichen entnommen gelten, auf die sich die rechtliche Ordnung bzw. die von ihr angebotenen Problemlösungen beziehen 8 . Die Einbeziehung der sachhaltigen Maßstäbe solcher Bereiche stellt einen wichtigen Teil der „Rationalität" des rechtlichen Denkens dar, das i h m eine prinzipielle Autonomie gegenüber den berühmten drei berichtigenden Federstrichen des Gesetzgebers 0 gewährleistet. Aus der Vielzahl der Bereiche, die zur Beantwortung der Richtigkeitsfrage einer rechtlichen Problemlösung notwendig sind, ragt eine Gruppe hervor, die i n das Zentrum der hier stattfindenden Überlegungen gestellt werden soll; es handelt sich u m ethische Maßstäbe, die formell-prozeduraler A r t sind. Diese richten sich normativ an denjenigen, der Bewertungen zu treffen hat. Die Berücksichtigung solcher ethisch-prozeduraler Forderungen, wie sie hier thematisiert werden sollen, führt noch nicht zu Problemlösungen, die den Anspruch auf „Richtigkeit" erheben können; vielmehr ist ihre Beachtung eine notwendige Bedingung dafür, daß n u r solche weitere Maßstäbe formeller wie inhaltlicher A r t Zulassung finden, die — zumindest i m Bereich unserer Rechtskultur — den Anspruch auf allgemeine Vertretbarkeit erheben können. A u f diese Weise müssen die vorzunehmenden Bewertungen nicht von vornherein dem Verdikt der Subjektivität i m Sinne von Willkürlichkeit unterfallen. Daß diese ethisch-prozeduralen Forderungen dem Rechtsdenken nicht fremd sind, daß sie die Wirklichkeit

8 Vgl. so ζ. B. hinsichtlich des rechtsstaatlichen Determinationserfordernisses f ü r Verordnungen den auf die „Sache" bezogenen Differenzierungsvorschlag i n „statische" u n d „evolutionäre" Materien. (Erstere ζ. B. Regelungen über Einschränkung der persönlichen Freiheit, Z i v i l - u n d Prozeßrecht, Paßwesen, Schutz des Kulturgutes; letztere z . B . Wirtschaftsangelegenheiten, Wissenschafts- u n d Schulwesen, Energieangelegenheiten, technische Angelegenheiten.) Neisser, H. / Welan, M . : „Betrachtungen u n d Bemerkungen zur J u d i k a t u r des V f G H (Slg. 1965)", ÖJZ 1968, 61, insbes. Fn. 32, 33, 34. Ä h n l i c h auch das Reziprozitätskriterium von Fröhler: „ A u s der N a t u r des zu regelnden Sachbereichs ist die Detaillierbarkeit der N o r m abzulesen. Maßstab ist dabei die Vorhersehbarkeit. Legalitätsgrundsatz u n d Sachstruktur des zu regelnden Lebensbereichs stehen i m Reziprozitätsverhältnis derart, daß die Vorausschaubarkeit des Normobjektes über den Determinationsgrad der N o r m entscheidet." 9 Z u diesem Ausspruch Kirchmanns vgl. Mayer-Maly, Th.: Rechtswissenschaft. Darmstadt 1972, 13 ff.; Schild, W.: „ D r e i berichtigende Worte des Gesetzgebers u n d ganze Bibliotheken werden zur M a k u l a t u r " . I n : W E X 22, Rechtsphilosophie. Hrsg. v. Maurach, R. / Behrendt, E., Karlsruhe 1976, 65 ff.

14

Einführende Darstellung des Problems

der Rechtsfindung wie der Begründung rechtlicher Entscheidungen stets mitbestimmen, w i r d i m Laufe der Erörterungen geklärt werden. Damit ist eine weitere Frage angesprochen, die zum vorgängigen Verständnis der Ansätze m i t der gewählten Lösungsrichtung bereits an dieser Stelle skizziert werden soll. Nach einem weit vertretenen Wissenschaftsverständnis 10 , besteht das wissenschaftliche (legitime) Interesse ausschließlich i n der Erkenntnis. Demnach ist die subjektive Rolle des Forschers i n Bezug auf die Gestaltung des Objektes der Forschung auszuschalten. Wertwahlen u. ä. haben keinen Platz i n diesem K o n zept 11 . Anders die zweite Möglichkeit des Wissenschaftsverständnisses 12 : Sie läßt das wissenschaftliche Interesse jedenfalls i m Bereich der H u manwissenschaften legitimerweise, w e i l gegenstandsadäquat, auch auf das richtige Handeln gerichtet sein: Somit ist das Problem des Wertens, bei dem das Subjekt eine besondere Rolle spielt, i n die wissenschaftliche Tätigkeit einbezogen. Dabei w i r d davon auszugehen sein, daß das i m Bereich der Humanwissenschaften unvermeidliche Werten 1 3 keinesfalls i n einen willkürlich-subjektivistischen Dezisionismus münden muß, wenn nur die bzw. einige normative Voraussetzungen betrachtet werden, die für richtiges, d . h . auch intersubjektiv rekonstruierbares und zugleich vertretbares Werten Geltung besitzen. M i t einem solchen Ansatz, der — wie sich zeigen w i r d — für das „praktisch" verfahrende 10 I m Sinne der Klassifikation von v. Wright darf dieses Verständnis als ein positivistisches bezeichnet werden. Vgl. v. Wright, G. H.: Erklären und Verstehen. F r a n k f u r t 1974,18 ff. 11 Es soll hier nicht der Eindruck erzeugt werden, als ob diese Konzeption so verstanden würde, daß sie sich m i t dem Wertproblem überhaupt nicht auseinandersetzen würde. F ü r sie ist das Wertproblem mindestens i n zweifacher Richtung erheblich: einmal i n der F o r m der Wertbasis, als Wertungen die Grundlage wissenschaftlicher Aussagen bilden. (Vgl. so f ü r die Konzept i o n Kelsens: Leser, Ν: „Wertrelativismus, Grundnorm u n d Demokratie. A b grenzungs- u n d Anwendungsprobleme der »Reinen Rechtslehre"'. I n : Erma cora u. a. (Hrsg.) : Hundert Jahre Verfassungsgerichtsbarkeit. Fünfzig Jahre Verfassungsgerichtshof. W i e n u . a . 1968, S. 237ff.) Sodann sind f ü r diese Konzeption Werte u. U. als Forschungsobjekte erheblich, was gerade f ü r den Bereich der Rechtswissenschaft besonders augenscheinlich ist. Nicht jedoch fällt die Erzeugung von Werturteilen durch den Wissenschaftler i n den Bereich dieser Konzeption. 12 Auch dazu v. Wright: Erklären u n d Verstehen, 18 ff. 13 Zumindest prinzipiell ist diese Notwendigkeit auch i n den Naturwissenschaften gegeben, w i e allein schon der Hinweis auf die „theoretischen H o r i zonte" zeigt, die auch f ü r die sog. „Beobachtungssätze" i n den analytischempirischen Wissenschaften vorausgesetzt werden müssen. Vgl. Popper, K . : Objektive Erkenntnis. H a m b u r g 1973, 369 ff. („Kübelmodell u n d Scheinwerfermodell: Z w e i Theorien der Erkenntnis"); Oetjens, H.: Sprache, Logik, Wirklichkeit. Der Zusammenhang von Theorie u n d Erfahrung i n K . R. Poppers „ L o g i k der Forschung". Stuttgart - B a d Cannstatt 1975; allgemein vgl.: A r t . „Erfahrung" u n d „Theorie", i n : Krings, H . / Baumgartner, H. M ./Wild, Ch. (Hrsg.): Handbuch philosophischer Grundbegriffe. München 1973, 1974, I, I I I , insbesondere die Ausführungen zur vorgängigen Theoriegebundenheit jeglicher Erfahrung.

2. Entscheiden u n d Begründen

15

Rechtsdenken keinesfalls ungewöhnlich ist, ist auch die Absolutheit oder doch Apodiktizität der Trennung von intersubjektiv verbindlichen Tatsachenurteilen einerseits und subjektiven und willkürlich verstandenen Werturteilen andererseits i n Frage gestellt. Letzteres vor allem deshalb, weil hier von der Möglichkeit ausgegangen wird, daß — vor allem durch Beobachtung ethischer Forderungen durch den Wertenden — auch die Gültigkeit von zwar nicht allen, aber doch den für das Rechtsdenken erheblichen Werturteilen intersubjektiv einlösbar ist. 2. Entscheiden und Begründen E i n weiteres Element, das immer wieder zu neuen methodischen Konstruktionsansätzen führt, liegt i n den Facetten der üblichen Teilung juristischer Tätigkeit i n „Entscheiden" und „Begründen" 1 4 . Zumeist w i r d dabei die Entscheidungsfunktion i n einen Bereich verwiesen, der als außerhalb der juristischen Rationalität liegend verstanden wird. Dabei scheint der für die Begründungsfunktion maßgebliche Rationalitätsbegriff nicht selten das Ergebnis eines zu engen, ursprünglich an den Natur- und Formalwissenschaften bzw. deren Gegenständen orientierten Verständnisses zu sein 1 5 : Für die exakten Naturwissenschaften 1® gilt das Prinzip der empirischen Allgemeinheit; unter induktiv gebildete Hypothesen und Gesetze werden Sachverhalte subsumiert und erklärt. Als methodische Verfahren kommen dabei die Induktion und die Deduktion von einer reduktiv gebildeten Basis i n Betracht. Die dabei entstehenden Hauptprobleme kreisen u m die Frage der empiri sehen Basis, die die Grundlage sowohl für die Hypothesen- und Gesetzesbildung als auch für die Falsifikations- bzw. die Verifikationsverfahren 1 7 abgeben soll 1 8 . Für die Formalwissenschaften, wie Logik und Mathematik, gilt das Prinzip der logischen Notwendigkeit: mittels logischer Gesetze w i r d i n einem deduktiven Zusammenhang jedenfalls „Wahrheit" transportiert und intersubjektiviert 1 9 .

14 Vgl. Horak, F.: Rationes Decidendi. I., Innsbruck 1969, 17, m i t Nachweisen, wobei hier von einer Gleichsetzung des „Entdeckungszusammenhanges" m i t dem Entscheidungszusammenhang ausgegangen w i r d . 16 Vgl. die diesbezügliche Darstellung bei Wright , G. H. v.: Erklären u n d Verstehen, 16 ff. 16 Daß auch diese auf einem „theoretischen" Fundament beruhen, darf als unbestritten bezeichnet werden. 17 Soferne letztere überhaupt ins K a l k ü l gezogen werden. 18 Z u r Problematik der „Basissätze" sowie einer empirischen Basis als K o l l e k t i o n v o n Daten vgl. z . B . : Henke, W.: K r i t i k des kritischen Rationalismus. Recht u n d Staat, H. 434. Tübingen 1974, 10ff.; sowie Weingartner, P.: Wissenschaftstheorie I . Stuttgart - B a d Cannstatt 1971, 31 ff., 74 ff., 117 ff. 19 Z u m Wahrheitsbegriff w i r d weiter unten Stellung genommen, 78 - 86.

16

Einführende Darstellung des Problems

Einer derartigen schwerpunktmäßigen Bestimmung von Rationalität entspricht ein Begründungsbegriff, der sich i n der Rechtswissenschaft als logisches Modell der Subsumption darstellen läßt. Anders jedoch, wenn man die hiefür i n Frage kommende Grundposition neu zu orten sucht. Zwischen den beiden Bereichen, nämlich der empirischen A l l gemeinheit und der logischen Notwendigkeit befindet sich der Bereich der Werte bzw. der Wertungen und (Rechts-)Normen, also jener Bereich, der für die Gegenstände, m i t denen es die Rechtswissenschaft zu t u n hat, bezeichnend ist. Wenn der Versuch unternommen wird, diese Lücke zu schließen, indem z.B. irgendwelche, auf unmittelbarer E r kenntnis beruhende Methoden eingeführt werden 2 0 , dann erhebt sich vom Standpunkt des oben skizzierten engeren Wissenschaftsbegriffes sofort der V o r w u r f der Unwissenschaftlichkeit 21 . Die Lücke bleibt von einem solchen Standpunkt aus offen, wenn Wertungsfragen letztlich als irrational angesehen werden; sie w i r d umgangen, wenn das Objekt umgedeutet w i r d 2 2 ; sie w i r d zumindest teilweise dadurch geschlossen, daß die Wertfrage konventionalistisch gelöst w i r d und dabei etwa versucht wird, das Problem deskriptiv zu sehen. Diese Lücke kann aber auch i m Sinne der späteren Ausführungen dadurch geschlossen werden, daß bei Wertungen nach den normativen Bedingungen gefragt wird, die der Wertende zu berücksichtigen hat, wenn die Bewertung intersubjektiv rekonstruierbar und akzeptierbar sein soll. I n dieser Arbeit wird, wie schon aus dem bisher Dargestellten ersichtlich ist, ein konvergenztheoretischer Ansatz vertreten. Dies heißt, daß die jeweils vertretene Position auch danach ausgerichtet wird, wie weit sie sich von unterschiedlichen Grundpositionen aus vertreten läßt. So läßt sich auch zunehmend die Beobachtung machen, daß Vertreter von Grundpositionen, die sich gegenseitig auszuschließen scheinen, häufig Differenzierungen i n ihren Konzeptionen vornehmen, die sie einander annähern. Als Grund hiefür kann das Bestreben angegeben werden, die eigene Position jeweils wechselseitig weniger angreifbar zu machen 23 . E i n weiterer Grund, der zum Streben nach konvergenztheore20 So ζ. B., w e n n phänomenologische oder ontologische Methoden z u m E i n satz gebracht werden sollen. 21 Vgl. so ζ. B. die Rezension über das Buch von Marcie , R. : Verfassung u n d Verfassungsgericht (Wien 1963) von Walter, R., i n : ÖJZ 1964, 440 ff. 22 Werte bzw. Bewertungen w i e Rechtsnormen können auf diese Weise zu Gegenständen einer Tatsachenwissenschaft — etwa Psychologie oder Soziologie — oder einer Formalwissenschaft — etwa der Reinen Rechtslehre — werden. 23 Vgl. Weinberger, O.: „Die logischen Grundlagen der erkenntniskritischen Jurisprudenz". I n : Rechtstheorie 1978 (9), H. 2, 141, w o auf Verdross (Statisches u n d dynamisches Naturrecht. Freiburg i. Br. 1971) einerseits u n d Hart (The Concept of L a w . Oxford 1972 [1961]) andererseits Bezug genommen w i r d . I n diesem Sinn auch das Konvergenzbemühen gegenüber der Reinen Rechts-

2. Entscheiden u n d Begründen

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tischen Ansätzen berechtigt, ist i n der philosophischen und i n der wissenschaftstheoretischen Entwicklung zu sehen, insbesondere was die Bedeutung und die Behandlung der Wertfrage betrifft. So findet sich bei den Denkansätzen, die gemeiniglich dem „Positivismus" zugerechnet werden, das Streben, der Auffassung Rechnung zu tragen, daß es gegenüber der Wertfrage zumindest i m Bereich der Humanwissenschaften kein Entrinnen gibt 2 4 . Andererseits ist es die Einsicht, daß der Verweis auf Intuition allein noch nicht Intersubjektivität zu garantieren vermag 2 5 . Technisch läßt sich eine Konvergenz dadurch herstellen, daß die jeweils zu beziehenden Standpunkte immer unter der Forderung des größtmöglichen gemeinsamen Nenners gewählt werden 2 6 . Ein solches Vorgehen muß sich nicht dem V o r w u r f aussetzen, auf eine philosophische Entproblematisierung oder unzulässige Vereinfachung hinauszulaufen, wenn man nur eine Aufgabenteilung zwischen Philosophie und Rechtsphilosophie i n Erwägung zieht; während i n der Philosophie die rein kritizistische Fragestellung als legitim erklärt werden kann, gehört es unter anderem auch (sie hat also keine ausschließliche konstruktive Funktion) zu den Aufgaben der Rechtsphilosophie als Teil der Rechtswissenschaften, dem konstruktiv verfahrenden Rechtsdenken jeweils jene Knoten anzuzeigen, auf denen und bis zu denen jedenfalls ein von verschiedenen Grundpositionen ausgehendes Denken auch philosophisch möglichst weit zulässig und vertretbar erscheint 27 . lehre von Marcic, R.: z.B. Verfassung u n d Verfassungsgericht. Dazu trotz aller prinzipiellen Unterschiede i n konvergentem Sinn: Kelsen: „Professor Marcics Theorie der Verfassungsgerichtsbarkeit". I n : ÖZöR 1965 (XV), 270 ff., 270. 24 So vor allem die Sprachspiellehre Wittgensteins, die auch dem Forscher einen „inneren" Standpunkt, d. h. eine aktive Rolle als „Mitspieler" zuordnet; dazu vgl. die Übersichten bei Steinvorth, U.: „ L . Wittgenstein: Sprache u n d Denken". I n : Speck, J. (Hrsg.): Grundprobleme der großen Philosophen. Philosophie der Gegenwart I. Göttingen 1972, 98 ff., insbes. 102 ff.; Aarnio, Α.: On Legal Reasoning. T u r k u 1977, 3 ff. 25 ζ. Β . der Versuch einer naturrechtlichen Begründung von Verdross, A. (Statisches u n d dynamisches Naturrecht. 101 ff.), der anthropologisch konzipiert ist (73 ff.) u n d dabei V. Krafts rationale Begründung der sozialen M o r a l (97 ff.) akzeptiert. 26 Vgl. so den Ansatz von Tammelo, I., hinsichtlich einer konnativistischen, d. h. die Letztfragen von Erkenntnis u n d Entscheidung offen lassenden Position: Z u r Philosophie des Überlebens. Freiburg - München 1975, 240 ff. Dazu Mock, E.: „Die Ambivalenz menschlicher N o r m a t i v i t ä t " . I n : ARSP 1970 (63), 179 ff. So fordert Popper, K . (Der Zauber Piatons. 2. Aufl., Bern 1970) i n „Sozialtechnik der Einzelprobleme" (213 ff.), nicht jeweils unmittelbar die V e r w i r k l i c h u n g des Größten u n d Letzten anzusprechen (211; die sog. „ u t o p i sche Sozialtechnik"), sondern bei der Bewältigung des Einzelfalles anzusetzen (215). Da diese Vorgangsweise ersichtlich jeweils mehr an Gemeinsamkeit erreichen läßt als jene, die v o n vornherein v o n den letzten Unterschieden ausgeht, darf die genannte Position auch f ü r die Rechtfertigung eines k o n vergenztheoretischen Ansatzes i n Anspruch genommen werden. 2 Schreiner

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Einführende Darstellung des Problems

3. Rationalität und Begründung Wollte die Rechtswissenschaft den vorgeschilderten Konzepten gerecht werden, so stünde i h r als erster Weg die Konstituierung als Naturwissenschaft offen, etwa als Psychologie oder Soziologie. I h r typisches Begründungskonzept wäre das des „logischen" Subsumptionsschlusses: unter ein allgemeines (naturwissenschaftliches) Gesetz w i r d ein Sachverhalt subsumiert und daraus eine Konklusion gezogen 28 . Wollte sich die Rechtswissenschaft als Formalwissenschaft verstehen, so müßte sie von einer unmittelbaren Befassung mit dem Rechtsinhaltsproblem absehen und sich auf die Formen und Strukturen der Begriffe verlegen und könnte erst über diesen Umweg Inhaltsfragen angehen — soweit dies dann m i t den Instrumenten eines formalen K a l küls, z.B. i n einem prädikationenlogischen oder extensionalen K a l k ü l möglich ist. Ihre typischen Begründungsschemata wären dann jedenfalls die der deduktiven Logik 2 9 . Diese Begründungskonzepte 30 müssen die der Rechtswissenschaft aufgegebenen Gegenstände — Werte bzw. Werturteile und Normen — zumindest methodisch umarbeiten. Es verwundert daher die vielfache Feststellung nicht, daß derartige Begründungszusammenhänge nicht m i t den korrespondierenden Entscheidungszusammenhängen verwandt wären 3 1 . So verwundert es auch nicht, daß derlei Begründungen kein ausreichendes Maß an Rationalität bieten: das deduktive Verfahren kann — wie weiter unten dargestellt ist — seine Prämissen selbst nicht begründen. So w i r d — soweit ersichtlich ist — i n der Methodenlehre der Rechtswissenschaften auch nicht davon ausgegangen, daß es ein formales, vom Sachgehalt des jeweiligen Problems unabhängiges Verfahren gebe, m i t dem die Richtigkeit der Entscheidung bewiesen wer27 Einen solchen Unterschied scheint i m Auge zu haben Mayer-Maly, Th.: „Philosophie u n d Recht". I n : Ebert, K . (Hrsg.): Festschrift für Hermann B a i t i zum 60. Geburtstag. Innsbruck 1978, 337 ff.; anderer Auffassung über die Rolle der Rechtsphilosophie: Kaufmann , Α.: „Rechtsphilosophie, Rechtstheorie, Rechtsdogmatik". I n : Kaufmann , A . / Hassemer, W. (Hrsg.): Einführung i n Rechtsphilosophie u n d Rechtstheorie der Gegenwart. Heidelberg - K a r l s ruhe 1977, 1 ff. 28 A u f die Problematik dieses Schlusses i n der Rechtswissenschaft, wo er kategorienübersteigend als sog. „praktischer Syllogismus" auftritt, w i r d w e i ter unten eingegangen. 29 Worunter wiederum das Schema des Subsumptionsschlusses i n der Hauptsache anzuführen ist. 30 Die hier grob skizzierte F o r m w i r d von manchen als typisch zumindest für den klassischen Positivismus angesehen, so z.B.: Wright , G. H. v.: E r k l ä ren u n d Verstehen, 16 ff., insbes. 31. 31 Daneben gibt es natürlich noch andere, z. B. erkenntnistheoretische Gründe, die manche Positionen zur Annahme der völligen Disparität der beiden Zusammenhänge bringen.

3. Rationalität u n d Begründung

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den könnte. Sehr wohl aber gibt es gute Gründe, das deduktive Schema für die Begründung zu verwenden 3 2 . Die juristische Methodenlehre hat deshalb auch außerhalb dieser Konzepte eine Reihe von weiteren „Begründungsschemata" angeboten, mit denen es jeweils gelingen kann, ein höheres Maß an Intersubjektivität und Akzeptierbarkeit — m i t h i n an Rationalität — zu erreichen: ζ. B. „Analogie", „Topik", die Formen des „Systemdenkens", die „Rhetorik", die Lehre vom „Vorverständnis" i n der (jur.) Hermeneutik. Es handelt sich hier insgesamt um Wege, die nicht nur zur Begründung, sondern auch für die Entscheidung brauchbar sind. Sie sind aber insgesamt dadurch charakterisiert, daß sie nicht die Strenge der Logik für sich beanspruchen können. Deshalb springt bei ihrer Verwendung das Problem auf, daß für ihre Ergebnisse die intersubjektive Akzeptierbarkeit nicht durch die Möglichkeit der intersubjektiven Rekonstruierbarkeit allein gegeben ist, sondern daß noch weitere Elemente hinzutreten müssen, um den Erfolg intersubjektiver Akzeptierbarkeit eintreten zu lassen. Letzteres scheint allerdings dann nicht nötig, wenn man einen Aspekt des Wahrheitsproblems 33 verabsolutiert und von einer objektiven Wahrheit auch von Normen und Werten ausgeht, deren Erkennbarkeit allgemein, bei Tatsachen wie bei Werturteilen wie Normen gleichermaßen intersubjektiv gegeben oder doch lösbar ist. Eine intersubjektive Akzeptierbarkeit ist auch dann wenig problematisch, wenn man von Axiomen ausgeht, die die Weihe einer besonderen Einsichtigkeit haben (etwa i m Descartschen Sinne); dieser Problematik kann — scheinbar 34 — entronnen werden, indem man die Begründung i n einen Konventionalismus münden läßt; man kann auch — u m noch eine Richtung für eine mögliche A n t w o r t auf das Begründungsproblem zu erwähnen — eine zumindest zeitweilige A n t w o r t i m Konsensdenken finden. Schon die Vielfalt dieser Wege — von den jeweiligen inhaltlichen Problemen ganz zu schweigen —, scheint für den alten positivistischen Standpunkt zu sprechen, daß die Entscheidung s funktion — wenigstens weitgehend — der Rationalität nicht zugänglich ist; dies soll hier bestritten und die Auffassung vertreten werden, daß auch die Entscheidung i m Wert- und Normbereich (die Wahl und Kombination von Werten i n Form von Bewertungen) zu einem erheblichen Teil rational möglich ist, wobei nochmals zu betonen ist, daß dabei der 32

Vgl. beim Abschnitt über die Deduktion. Dazu w i r d weiter unten ausführlich Stellung bezogen. 34 Scheinbar deshalb, w e i l dafür hinsichtlich des Wahrheitsbegriffes A n nahmen nötig sind, die ihrerseits keinesfalls m i t ungeteilter intersubjektiver Akzeptierbarkeit rechnen können. Dazu vgl. etwa die Ausführungen zu einem „pragmatischen Wahrheitsbegriff" bei Kraft , V.: Erkenntnislehre. Wien 1960, 174 ff. 33

2*

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Einführende Darstellung des Problems

zugrundeliegende Begriff der Rationalität über die Anwendung der logischen Verfahren hinaus erweitert werden muß 3 5 . Wie sehr es notwendig ist, das Rationalitätsstreben über den traditionellen Rahmen hinaus auszuweiten, soll kurz am Einfluß theoretischer Vorstellungen auf das dargestellt werden, was nach einem Vorgang der Interpretation als geltendes Recht vorgestellt wird. Je mehr Klarheit über diese Zusammenhänge besteht, um so mehr Rationalität kann das Rechtsdenken beanspruchen; je weniger diese Zusammenhänge bewußt werden, u m so eher gewinnt der V o r w u r f an Berechtigung, daß etwas als gewiß oder richtig ausgegeben wird, was letztlich doch beliebigen und vielleicht gar unangemessenen theoretischen A n nahmen entspringt. Ausgangspunkt der Überlegungen soll die theoretische Vorstellung von der Rechtsanwendung 36 sein. Von i h r ist es weitgehend abhängig, was unter Gesetzesbindung des Richters und unter rechtsstaatlicher Determination zu verstehen ist 3 7 . J. Esser 38 sieht den traditionellen Begriff der Rechtsanwendung i m Subsumptionsmodell. Das Recht, genauer der Gesetzestext, w i r d nach dieser Vorstellung unmittelbar angewendet, ohne daß weitere Maßstäbe oder weitere subjektive Leistungen dazwischenträten. Solches kann durch Bilder wie den „Richter als den Mund des Gesetzes" veranschaulicht werden, der, wenn das Gesetz keine Klarheit gibt, sich an den „référé législatif" zu wenden hat. Für Esser 39 stellt der Gesetzesanwender das traditionelle Rechtsanwendungsmodell auf den Kopf: I m Durchgriff auf „vorpositive Gerechtigkeitskriterien" antizipiert er das „Vorverständnis", die „gerechte Lösung" des Rechtsfalls und identifiziert sie m i t dem Sinn des Gesetzes. Jede Auslegung ist daher für Esser mehr als Reproduktion des Gesetzes, sie ist notwendig produktiv. Es ist daher nicht sinnvoll, zwischen 35 Dies ist auch der Befund, auf dem Th. Viehweg aufbaut: Topik u n d Jurisprudenz. 5. Aufl., München 1974, 81 ff.; ders.: „Historische Perspektiven der juristischen Argumentation: I I . Neuzeit". I n : ARSP 1972, Beiheft 7: Die juristische Argumentation, 63 ff. 38 Vgl. die Übersicht zum Problem m i t Literaturverweisen bei Fikentscher, W.: Methoden des Rechts. I I I . Tübingen 1976, 701 ff. 37 Z u diesem Problem vgl. die zwei, jeweils gegensätzliche Positionen m a r kierenden Monographien: Ipsen, J.: Richterrecht und Verfassung. B e r l i n 1975; u n d Wank, R.: Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung. B e r l i n 1978. 38 A u f Esser soll paradigmatisch Bezug genommen werden, insbesondere hier auf sein: Vorverständnis u n d Methodenwahl i n der Rechtsfindung. Durchgesehene u n d verbesserte Aufl., F r a n k f u r t a. M. 1972. 39 Die hier vorgenommene Darstellung Essers ist vereinfacht. Sie darf aber dennoch den Anspruch erheben, paradigmatisch f ü r die hier verfolgten Zwecke das Wesentliche zu treffen. Dazu ermutigen auch die Ausführungen von Larenz, K . : Methodenlehre . . . , 133 ff., 157 ff., 187 ff.; sowie Zimmermann, H.: „Rechtsanwendung als Rechtsfortbildung". I n : Koch, H. J. (Hrsg.): J u r i s t i sche Methodenlehre u n d analytische Philosophie. Kronberg/Taunus 1976, 70 ff.

3. Rationalität u n d Begründung

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Rechtsanwendung und Rechtsfortbildung trennscharf zu unterscheiden. Die Aufgabe des Richters 40 besteht nicht mehr i n der Anwendung vorgegebener Normen; vielmehr hat der Richter selbst i n sich ständig neu darstellenden Problemzügen auf Grund des sozialen und technischen Wandels wie des Wandels der ethischen Überzeugungen die „gerechte" Problemlösung zu finden, die er m i t dem geltenden Recht identifiziert. Die Gesetzesbindung erscheint unter der Geltung eines derartigen Begriffes von Rechtsanwendung i n einem anderen Licht: Der Text der Rechtsnorm hat nur mehr die Stellung eines Gesichtspunktes unter mehreren. Die Entscheidung bildet sich nach außerrechtlichen Maßstäben, der Normtext dient lediglich zur nachträglichen Legitimierung. Während nach der herkömmlichen Auslegungslehre nur Sätze gebildet werden dürfen, die sich i m Rahmen des möglichen Wortsinnes halten 4 1 , führt der vorerwähnte Begriff der Rechtsanwendung zu tendentiell anderen Auffassungen für die Rechtsanwendung, wie ζ. B. dazu, daß ein wortlautverhaftetes Verständnis nicht unbedingt den erkennbaren Sinn der auszulegenden Vorschrift 4 2 treffe oder, daß die dem Richter aufgegebene Gerechtigkeit der konkreten Entscheidung das Überschreiten des Wortlautes fordern kann 4 3 . Deutlicher w i r d dies zum Ausdruck gebracht, wenn es heißt 4 4 : „Unsere Anforderungen an den ,Gerechtigkeitswert' der richterlichen Entscheidung, unsere Erwartungen auf ,sachliche Richtigkeit', die dem Richter als Aufgabe gestellt ist, sind zu hoch, als daß eine Wortlautgrenze noch denkmöglich wäre." Überpointiert w i r d diese Position m i t der Feststellung 45 : „Das gilt selbst i n solchen Rechtsgebieten, die sich aus Gründen der Rechtssicherheit möglichst eng an den alltäglichen Sprachgebrauch anlehnen wollen, wie ζ. B. das Strafrecht, dessen Auslegung schon wegen des Analogieverbots i n besonderer Weise auf den Gesetzes Wortlaut bezogen ist." Insbesondere für diesen Bereich zeigt dies W. Hassemer 4e, der — wie Esser — die Legitimierung der Textüberschreitung i m Z i r k e l (Spirale) findet, der i m Strafrecht zwischen Sachverhaltsentscheidung und Tatbestand 47 besteht: Die Festlegung des semantischen Gehalts des Gesetzes w i r d i m Hinblick auf die Entscheidung des Falles getroffen. Rechtsfindung 40

Als Paradigma des Rechtsanwenders, des „de-lege-lata"-Denkens. So Engisch, K . : Einführung i n das juristische Denken. 5. Aufl., Stuttgart 1971, 73, 149, 231; Larenz, K . : Methodenlehre . . . , 309, 311. 42 So Menger / Erichsen: „Höchstrichterliche Rechtsprechung zum V e r w a l tungsrecht". Verwaltungsarchiv 1967 (58), 80. 43 Wieacker, F.: „Gesetzesrecht u n d richterliche Kunstregel". JZ 1957, 705. 44 So Haverkate, G.: Gewißheitsverluste . . . , 143. 45 Haverkate, G.: Gewißheitsverluste . . . , 143. 46 Hassemer, W.: Tatbestand u n d Typus. Untersuchungen zur strafrechtlichen Hermeneutik. K ö l n 1968. 47 Hassemer, W.: Tatbestand . . . , 103 f. 41

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Einführende Darstellung des Problems

durch Interpretation w i r d sohin auch i m Bereich des Strafrechtes als Bedeutungsfestsetzung durch den Interpreten — nicht jedoch als Nachvollzug der Bedeutungsfestsetzung des Gesetzgebers durch den Interpreten verstanden 48 . Diese Ausführungen zeigen nicht nur, daß die Erörterung theoretischer Begriffe für die Behandlung des positiven Rechts — seine Erkenntnis wie seine Fortbildung — von grundlegender Bedeutung ist. Sie zeigen auch, daß Rationalität i m Rechtsdenken es als unverzichtbar erscheinen läßt, sich auch bei dogmatischen Erörterungen immer wieder m i t Fragen auseinanderzusetzen, wie z.B. der Gewaltenteilung, der Verfassungsgerichtsbarkeit, den Grundrechten oder den Zielen der Staatstätigkeit, weil sonst allzu leicht eine falsche Vorstellung über die Sicherheit von Feststellungen über das positive Recht entsteht: Die Sicherheit der Feststellung, daß es nach dem positiven Recht so und nicht anders sei, täuscht sonst leicht darüber hinweg, daß sie eigentlich zu einem erheblichen Teil das Produkt theoretischer Begriffe ist, deren Angemessenheit aber gar nicht Gegenstand des Rechtsdenkens war. 4. Ein erweiterter Begründungsbegriff Die Unterscheidung nach den Hauptgegenständen, die dem rechtlichen Denken aufgegeben sind, i n Werte bzw. Wertungen, Rechtsnormen und Tatsachen bietet sich auch als Differenzierung für den „Begründungsbegriff" an. Literarisch werden Begriffe wie „Rechtfertigen", „Begründen" und „Beweisen" häufig ohne nähere Differenzierung und oft substitutiv verwendet. Schon eine vorläufige Analyse des damit Gemeinten zeigt aber, daß es von der Eigenart und Leistungsfähigkeit der Gegenstände und Methoden her zumindest drei angemessene Differenzierungen gibt, die etwa als „Rechtfertigung", „Begründung" und „Beweis" auseinandergehalten werden könnten. Jedenfalls bei Werten und Werturteilen, die nicht anderweitig — etwa durch direkten rechtsnormativen Bezug — verankert sind, richtet sich das Begründen i. w. S. hauptsächlich auf das Anerkennen 4 9 durch andere Subjekte 5 0 , indem Gründe genannt und erörtert werden, die zu 48

Vgl. dazu auch Koch, H.-J.: „Vorbemerkung: juristische Methodenlehre u n d analytische Philosophie", 1 ff. u n d Zimmermann, H. : „Rechtsanwendung u n d Rechtsfortbildung", 70 ff. 49 U m allfälligen Mißverständnissen vorzubeugen, sei schon an dieser Stelle darauf verwiesen, daß unter „Anerkennen" oder „allgemeiner Akzeptierbark e i t " oder „Akzeptierbarkeit" — welche Ausdrücke i n der Folge Verwendung finden — keine psychologische Kategorie gemeint ist. Es soll damit eine Eigenschaft von Argumenten bezeichnet werden, die diesen durch die Befolgung von normativen Regeln zukommt. Dies w i r d weiter unten dargestellt. So insbes. 205 ff. u. ö.

4. E i n erweiterter Begründungsbegriff

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diesem Anerkennen führen sollen. Ein derartiges Begründen ließe sich etwa als (euduktive) 5 1 „Rechtfertigung" bezeichnen, was auch der allgemeine Sprachgebrauch wegen des mit diesem Begriff zumeist verknüpften emotiven Appells an Einsicht und an Zustimmung zuließe. A u f der anderen Seite stellt das logische Verfahren der Deduktion die strengste Form einer Begründung dar. Bei diesen zumeist als „Beweis" bezeichneten Verfahren muß allerdings schon hier nachdrücklich angemerkt werden 5 2 , daß sich diese Strenge nur auf die Form bezieht. Die Informationsgehalte, die aus den Prämissen weitertransportiert werden, erhalten ihre Richtigkeit letztlich nicht aus dem deduktiven Verfahren. Diese Informationsgehalte werden zumeist reduktiv — induktiv, abduktiv oder euduktiv — oder analog gebildet. A u f solcherart gebildeten Hypothesen baut sich sodann eine deduktive Begründung durch Beweis auf. Die reduktiv ermittelten Ausgangslagen der letztlich i n eine deduktive Form zu bringenden Begründung i. w. S. unterscheiden sich, wie noch näher auszuführen sein wird, hinsichtlich des Materials, das ihnen zu Grunde liegt, wesentlich: dort, wo es u m Urteile über Vorfindlichkeiten i n der Außenwelt geht, steht das „Erkennen" i m Vordergrund; hier w i r d von „Induktion" gesprochen. Dort, wo es u m Rechtsnormen und Werturteile geht, deren Geltung irgendwie (ζ. B. durch rechtsnormative Verankerung) objektiviert i s t 5 2 a — also der oben genannte „mittlere Bereich" — w i r d von „Abduktion" gesprochen. Neben diesen Varianten reduktiver Bildung der Prämissen für das Begründungsschema gibt es noch eine Bildung von Prämissen durch Analogie. Soweit sich diese Analogie auf Tatsachenurteile oder Rechtsnormen oder die zuletzt genannte A r t von Werturteilen bezieht, kann sie hinsichtlich ihrer Dignität den induktiv bzw. abduktiv gebildeten Prämissen gleichgehalten werden, da sie sich ja auf dieselben „Gegenstände" wie die reduktiven Verfahren bezieht. Dieser von den induktiven und abduktiven Verfahren bzw. Analogien betreffend dasselbe Material abgedeckte Bereich könnte als Bereich der Begründung angesehen werden; dementsprechend kämen als Begründungsverfahren i n Frage: Induktion, Abduktion, Analogie betreffend Tatsachenurteile, Rechtsnormen und irgendwie als objektiv geltende Werturteile. Die 50 Dazu w i r d i m Abschnitt „ Z u m Wahrheitsproblem" Stellung bezogen: 101 ff. 51 Diese Bezeichnung w i r d i m Anschluß an die terminologische Konzeption von Tammelo getroffen. Vgl. Tammelo, I.: Modern Logic i n the Service of Law. Wien - New Y o r k 1978, 149 ff. A u f die einzelnen Verfahren w i r d i n I 2, 3, 4 näher eingegangen. 52 Dies w i r d i m einzelnen später ausgeführt: 34 ff. 52a Vgl. Winkler, G. : Wertbetrachtung i m Hecht u n d ihre Grenzen. Wien New Y o r k 1969, 47.

Einführende Darstellung des Problems

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Überprüfung solcher Denkformationen geschieht durch Deduktion aus den genannten Prämissen u n d den Vergleich des abgeleiteten Satzes m i t einem „Basissatz" (Falsifizierungsversuch, Bestätigungsversuch) 53 . Zusammenfassend k a n n also skizziert werden, daß „Beweis" f ü r jene Verfahren reserviert werden sollte, die streng i m logischen Sinne sind, d. i. i n der Hauptsache die Deduktion; dies aber n u r insoweit, als es u m formale Fragen geht: Sobald es u m Gehalte geht, gilt, daß diese zumeist n u r r e d u k t i v oder analog, m i t h i n also niemals i n voller Strenge gebildet werden können. „Begründung" könnten alle Verfahren heißen, die sich als r e d u k t i v (induktiv, abduktiv) oder analog (im vorerwähnten Sinn) verstehen, „Rechtfertigung" hingegen jene Verfahren (in der Hauptsache die „Euduktion"), die Werturteile betreffen u n d das H a u p t gewicht auf das Anerkennen legen. Wie schon erwähnt, werden i m Zusammenhang m i t einem bestimmten, nach Exaktheit strebenden u n d an den Naturwissenschaften orientierten Wissenschaftsverständnis für die „Begründungsrekurse" ausschließlich jene Formen zugelassen, die „streng" sind; das sind die Figuren der sog. (formalen) Logik. Als ein solches Denken stellt sich ζ. B. die Auffassung dar, daß „Begründungen" i n einer durch die Figur der „Subsumption" charakterisierten A r t u n d Weise abzulaufen hätten: die (logische) Deckung bzw. Herleitbarkeit eines Unter- bzw. Nachsatzes aus einem Ober- bzw. Vordersatz ist seine „Begründung". Der Begriff der „Begründung" w i r d hier ersichtlich n u r auf das Anwendungsgebiet der (strengen) logischen Verfahren beschränkt u n d deckt sich m i t dem oben als „Beweis" umschriebenen Verhalt. I m Bereich dieser Verfahren spielen n u n die Kategorien der verwendeten Sätze u n d Begriffe eine besonders gesteigerte Rolle, w e i l die E r gebnisse dieser Verfahren stets „zwingend" sind. Beachtet man einen kategorialen Unterschied nicht, so könnte sich aus Prämissen, die als solche inhaltlich problematisch sind, ein Ergebnis als zwingend ergeben, das ganz offenkundig inhaltlich falsch ist, w i e an folgendem vereinfachten Beispiel gezeigt werden kann: Prämisse 1: Wenn Hans einen Menschen tötet, ist Hans ein Mörder. Prämisse 2: Hans, töte einen Menschen! Schlußfolgerung (Modus Ponens): Hans ist ein Mörder. Ersichtlich müssen die Kategorien der verwendeten Sätze u n d Begriffe genau eingehalten werden, wenn die logischen Verfahren zu brauchbaren Ergebnissen führen sollen. Vorerst unproblematisch sind demnach jedenfalls Verfahren, die sich innerhalb der Kategorie der 53

67 ff.

Darauf w i r d weiter unten bei den reduktiven Verfahren eingegangen:

4. E i n erweiterter Begründungsbegriff

25

Aussagen bewegen. Wo es sich jedoch um mehrere Kategorien handelt, müssen logische Verfahren entweder ausgeschlossen werden oder die Sätze bzw. Begriffe i n eine einzige Kategorie übersetzt oder die Bedingungen angegeben werden, ob und wie verschiedene Kategorien 5 4 gemischt werden dürfen. Gerade das rechtliche Denken ist auf die Arbeit mit solchen „gemischten" Prämissen angewiesen. I n diesem Fall gilt dann z.B. die Mischungsregel, daß der Modus Ponens für gemischte Prämissen dann anwendbar ist, wenn der Vordersatz beschreibend und der Nachsatz vorschreibend ist 5 5 . Die Trennung von „Sein" und „Sollen" — genauer: das Verbot, Kategorien (ohne besondere Erlaubnis) zu mischen — muß also dort streng beachtet werden, wo es sich um die Anwendung logischer (im Sinne strenger) Verfahren handelt: Beschränkte man die „Begründung" auf logische Verfahren, so gälte das „Sein — Sollen"-Mischungsverbot i n undifferenzierter Ausschließlichkeit und Strenge für den ganzen Bereich der „Begründung". I n diesem Fall hieße „Begründung" (bzw.: „Beweis") von Normen immer und ausschließlich deren Rückführung auf andere Normen, niemals könnte sie aber beispielsweise durch Heranziehung von Sätzen über Aussagen, Wünsche oder Fragen geschehen. Letztlich müßte ein solcher Stufenregreß 56 entweder ins Infinite, i n einen logischen Zirkel oder zu einem irgendwie begründeten Abbruch des Verfahrens führen 5 7 . Ein derartiges „Begründungsdenken" w i r d aber letztlich nur dort als ausreichend empfunden werden können, wo die inhaltlich letzten Positionen, zweckmäßig als „Axiome" bezeichnet, noch eine besondere Weihe, z.B. die der unmittelbaren Einsichtigkeit genießen: durch letztliche Unterordnung der „Konklusion" unter solche „Prinzipien" 5 8 überträgt sich deren Akzeptierbarkeit auch auf sie. Weil aber derartige Axiome entweder nicht vorhanden sind oder doch letztlich nicht allgemein akzeptiert werden können, überträgt sich der inhaltlich-konventionalistische Charakter solcher Prämissen auch auf alle Ableitungen, die durch sie „begründet" werden. Dies führt dann dazu, daß es — und dies dürfte die 54

ζ. B. deskriptive, präskriptive, optative, interrogative . . . Z u m Problem kategorialer Mischungsregeln i m rechtlichen Denken: Weinberger, O.: Rechtslogik, 217 ff.; Schreiner, H.: „ Z u r rechtslogischen Formalisierung von Normen". I n : ARSP 1976 (62), 377 f. 56 A u f die Möglichkeit der Beendigung des Stufenregresses durch eine „technische" Norm, w i e sie z.B. die „ G r u n d n o r m " i m Sinne der „Reinen Rechtslehre" darstellt, w i r d weiter unten eingegangen. 129 u. ö. 57 Vgl. Popper, K . : L o g i k der Forschung. 4. Aufl., Tübingen 1971, 60 f.; Albert, H.: T r a k t a t über Kritische Vernunft. 3. Aufl., Tübingen 1975, insbes. 131. Z u m Problem der Normenbegründung zusammenfassend: Oelmüller, W. (Hrsg.): Normenbegründung, Normendurchsetzung. Paderborn 1978, Bd. 1: Transzendentalphilosophische Normenbegründungen. Bd. 2: Materialien zur Normenbegründung. 58 I n der Rechtsphilosophie vielleicht öfter: „Leitwerte", „Rechtsgedanken", u. ä. 55

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Einführende Darstellung des Problems

Hegel sein — Alternativen von Prämissen gibt, so daß die Aussage gerechtfertigt scheint, der inhaltlich zwingende Charakter des begründeten Schrittes sei relativ zu dem der Prämissen. Eine „Begründung" von Normen, so kann festgehalten werden, ausschließlich durch Normen und wiederum ausschließlich i n strengen Verfahren ist nur für den Fall befriedigend möglich, daß inhaltliche Axiome besonderer Weihe eingeführt werden. I n allen anderen Fällen, — jedenfalls insbesondere dann, wenn die intersubjektive Akzeptierbarkeit i m Vorderdrund steht — ist diese Form der „Begründung" nicht ausreichend für eine intersubjektive Begründung. Es darf daher auch deshalb als angemessen gelten, einen weiteren Begründungsbegriff einzuführen, der auch nichtlogische Verfahren kennt 5 9 , wie dies auch die praktisch verfahrende „Jurisprudenz" stets tut. Ein solches Konzept hat den Vorteil, daß es auch Tätigkeiten, wie etwa die Verwendung von abduktiven, euduktiven oder analogen Verfahren, durchaus als „wissenschaftlich" 59a begreifen kann. Dies alles ist aber letztlich nur dann möglich, wenn, wie oben dargestellt, das Problem der Wissenschaftlichkeit nicht nur allein i n den beiden Formen der empirischen Allgemeinheit oder logischen Wahrheit gesehen wird. A u f dieser Basis ist es dann aber auch möglich, dort, wo nichtlogische Verfahren anzuwenden sind, grundsätzlich auch kategorial verschiedene Sätze zur Begründung zu verwenden 6 0 , wie dies ζ. B. dann 59 Tammelo nennt diese Verfahren „zetetisch". Vgl. Tammelo , I.: Modern Logic . . . , 149 ff. 59a Siehe dazu aber Brecht, A. (Politische Theorie, Tübingen 1961), wo Wissenschaftlichkeit zwar auf eine Methode bezogen w i r d , die der Transmissib i l i t ä t des Wissens besonders verpflichtet w i r d , ohne daß dabei aber die Behauptung zugelassen würde, die Probleme, die m i t dieser Methode nicht so greifbar sind, existierten nicht. So sagt der „wissenschaftliche" Relativismus (der v o m „philosophischen" zu trennen ist; 315) z.B. hinsichtlich absoluter Werte nicht, daß es diese nicht gäbe, sondern nur, daß ihre Existenz wie auch ihre Nichtexistenz m i t dem Arsenal ihrer Methode weder bewiesen noch falsifiziert werden könne (149). I m übrigen bildete eine solche Behauptung (vgl. so z.B. Podlech , Α.: „Wertungen u n d Werte i m Hecht". I n : AöR 1970 [95], 202 ff.; Weinberger, O.: „ Z u r Theorie der Gesetzgebung". I n : Mokre, J. / Weinberger, Ο. [Hrsg.]: Rechtsphilosophie u n d Gesetzgebung. Wien - New Y o r k 1976, 183) insoferne einen Widerspruch, als man auf dem Boden eines philosophischen Relativismus einerseits behauptete, es gäbe keine absoluten Wahrheiten, andererseits aber gerade diese Position hinsichtlich der Nichtexistenz von Werten für sich i n Anspruch nehmen müßte (315). Überdies müßte sich eine solche Auffassung die Verdächtigung, auf einer petitio p r i n cipii zu beruhen, gefallen lassen, da es j a gerade u m die Frage geht, ob es nicht doch etwas gibt, das m i t der gewählten Methode nicht greifbar ist. Es erschiene daher angemessener, die jeweilige Methode letztlich nicht über die Relevanzen entscheiden zu lassen (vgl. Voegelin, E.: Die neue Wissenschaft von der Politik. Salzburg 1977 — Sonderausgabe der deutschen Ausgabe 1959 — 23 ff.). Brecht unterscheidet auf diese Weise (336): (a) Wissen, das intersubjektiv transmissibel ist, (b) wirkliches oder vermeintliches Wissen, das nicht intersubjektiv transmissibel ist, u n d (c) bloße Spekulationen, die nicht als Wissen i n Anspruch genommen werden.

4. E i n erweiterter Begründungsbegriff

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geschieht, wenn etwa die Folgen i m Rahmen einer „Folgendiskussion" von Entscheidungsalternativen zur Präferenzierung einer Entscheidungsalternative herangezogen werden.

60

A u f die dabei zu machenden Einschränkungen w i r d weiter unten eingegangen. 62 ff., 87 ff.

Teil

I

Die Intersubjektivität 1. Die beiden Aspekte der Intersubjektivität: Rekonstruierbarkeit und Akzeptierbarkeit Die Intersubjektivität gehört zu den wichtigsten Determinanten des wissenschaftlichen wie auch des Alltagsdenkens: schon der Grundsinn der Sprache beruht auf der Regelmäßigkeit des Gelingens zwischenmenschlicher Verständigung. Diese Intersubjektivität kann unter zwei Aspekten gesehen werden, die zueinander durchaus nicht gegensätzlich gedeutet werden müssen, sondern als je nach dem Gegenstand, der behandelt wird, i n verschieden gewichteten Kombinationen zueinander komplementär auftretend: die Rekonstruierbarkeit und die Akzeptierbarkeit. Bei Tatsachenurteilen mag i m allgemeinen der erste Aspekt allein genügen, bei Werturteilen w i r d es i n der Hauptsache auf den zweiten Aspekt, die Akzeptierbarkeit, ankommen, bei Rechtsnormen hingegen auf beide 1 . Die Rekonstruierbarkeit meint die Möglichkeit, seine Gedankenführung auch durch ein anderes Subjekt als den U r heber auf eine gesicherte, d. h. nicht willkürliche, Weise zur Darstellung bringen zu lassen. Dieser Aspekt der Intersubjektivität ist ζ. B. m i t der Angabe verbunden, wann eine Behauptung als gesichert gilt, wann etwas zu verwerfen ist, welche A r t e n von Verknüpfungen zwischen Begriffen und Sätzen zulässig sind, auf welche Weise Begriffe eingeführt werden dürfen und welchen besonderen Anforderungen die einzelnen Termini genügen müssen. Je genauer solche Anweisungen befolgt werden, desto eher t r i t t der Erfolg ein, daß jedes Ergebnis rekonstruierbar ist, das den entsprechenden Anforderungen genügt, unabhängig davon, ob man i h m beitritt oder nicht, unabhängig davon, ob man die Prämissen billigt oder nicht 2 . Dieses Ergebnis w i r d dadurch erzielt, daß auf logische Verfahren einerseits und auf Verfahren, die durch empiristische, bisweilen sensualistische Daten charakterisiert sind, andererseits reduziert w i r d 3 . 1 Dies w i r d anläßlich der Stellungnahme zum Wahrheitsproblem näher ausgeführt. 2 Z u r allgemeinen Charakteristik des neopositivistischen Ansatzes i m Rahmen der analytischen Philosophie vgl. v. Wright , G. H.: Erklären u n d V e r stehen. F r a n k f u r t 1974, 16 ff., insbes. 22.

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Der zweite, m i t der Intersubjektivität verbundene Aspekt, die A k zeptierbarkeit eines verfahrensmäßig einwandfrei erzielten Ergebnisses, w i r d nicht immer zum unmittelbaren Bereich der Methodenlehre gezählt, obgleich die Rechtspraxis stets und zumeist auch erfolgreich nach seiner Berücksichtigung strebt. Dementsprechend entwickelt sich i n der juristischen Methodenlehre immer ausdrücklicher ein Zweig i n die Richtung einer juristischen Argumentationslehre, was an dieser Stelle durch die Erwähnung traditioneller, i n eine solche Richtung weisender rechtswissenschaftlicher Methodenansätze, wie „Topik", „Hermeneutik" oder „materiales Wertdenken" verdeutlicht werden kann. Es bedarf gar nicht erst der Hinweise auf Ergebnisse der Erkenntnisund der Wissenschaftstheorie, u m klarzustellen, daß die Akzeptierbarkeit eines Denkergebnisses jedenfalls i n den Bereichen, i n denen auch die Rechtswissenschaft tätig ist, letztlich keine durch deduktive, reduktive oder Analogiemethoden allein vermittelte ist. Wohl hat es, wenn man die Masse der Fälle der juristischen Alltagspraxis i m Auge hat, den Anschein, als ob die meisten dort erzielten Ergebnisse — Urteile, Bescheide, Verordnungen . . . ; Rechtsmeinungen; rechtswissenschaftliche Urteile — hinsichtlich ihrer Akzeptierbarkeit unproblematisch seien. Wenn dies der Fall ist, so erlangen sie die für ihre Akzeptierbarkeit ausreichende inhaltliche Gewißheit letztlich aus anderen als aus rein formellen Gründen. Es gibt auch Bereiche der juristischen — praktischen wie wissenschaftlichen — Tätigkeit, wo dieses Problem ohne besondere „konstruktive" Bemühungen augenfällig wird: Z u diesem Bereich zählt jedenfalls das Recht, soweit es aus generell-abstrakten Normen besteht, insbesondere i n der Form der einfachen und der Verfassungsgesetze. So ist z.B. unübersehbar, daß die Bildung der verfassungsrechtlichen Grundordnung gemäß A r t . 44 Abs. 2 B-VG, die nur reduktiv erfolgen kann 4 , von der vorgängigen Einführung von Gesichtspunkten (Intensionen) abhängig ist, deren Berechtigung sich jedenfalls nicht unmittelbar aus der Verfassung ergibt. Es bedarf ζ. B. eines „theoretischen" Bildes vom „Bundesstaat", eines „Vorverständnisses", u m die zum Bundesstaat gehörenden und zu seiner reduktiven Ermittlung erforderlichen Vorschriften der österreichischen Rechtsordnung überhaupt erfassen und hinsichtlich A r t . 44 Abs. 2 B - V G auswerten zu können. Gleichermaßen kann gezeigt werden, daß auch die „Analogie" mit den vorgängig eingeführten Prämissen steht und fällt, von deren Akzeptierbarkeit es wiederum i m wesentlichen abhängt, ob 3

Ob u n d wieweit dies auch f ü r die Rechtswissenschaften möglich bzw. sinnvoll ist, w i r d an dieser Stelle nicht untersucht. 4 Vgl. dazu Schäffer, H. : Verfassungsinterpretation i n Österreich. Wien New Y o r k 1971, 80.

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die durchgeführte Analogie akzeptiert w i r d oder nicht. Es ist zum anderen aber letztlich auch nicht möglich, die intersubjektive Akzeptierbarkeit von Aussagen über Rechtliches aus einem formalen deduktiven Verfahren der Entsprechung von Rechtserscheinungen i n einem Stufenbau von „oben" nach „unten" abzuleiten; wo dies scheinbar möglich ist, stammt die Akzeptierbarkeit des Ergebnisses letztlich aus der Akzeptierbarkeit der Prämissen, aus denen die Deduktion erfolgt. Wie ζ. B. die „Reine Rechtslehre" Kelsens zeigt, besteht die Möglichkeit, der Rechtswissenschaft eine Form zu geben, i n der sie, ohne innerhalb ihrer Voraussetzungen eine erschütternde K r i t i k befürchten zu müssen, nur den ersten Aspekt der Intersubjektivität — die Rekonstruierbarkeit, nicht jedoch die Akzeptierbarkeit — zu beantworten braucht. Sie gewinnt dabei zwar die Form und Stärke einer Formalwissenschaft, ähnlich wie Mathematik oder Logik 5 , muß dies aber mit dem Preis bezahlen, daß die gelieferten Antworten nur mehr hinsichtlich ihrer Rekonstruierbarkeit, nicht jedoch hinsichtlich ihrer Akzeptierbarkeit befragt werden dürfen 6 : so ist es ζ. B. nicht mehr Aufgabe der auf die reine Erkenntnis einer Rechtsordnung angelegten „Reinen Rechtslehre", zwischen mehreren vom Wortlaut einer Norm eröffneten Interpretationsmöglichkeiten zu wählen, also eine A n t w o r t auf die sowohl für die Rechtspraxis wie auch für das wissenschaftliche Denken über das Recht wesentliche Richtigkeitsfrage zu geben 7 . M i t der Klarheit und Eindeutigkeit, die die Rekonstruktionsverfahren annehmen können, ist nämlich der Preis verbunden, daß entweder das Bemühen, das wissenschaftlich sein will, zu enden hat oder daß viele, traditionell dem rechtlichen Denken aufgegebene Gegenstände abgewiesen bzw. anderen Disziplinen überwiesen oder doch umformuliert werden müssen; Umstände, die durchaus einen ausreichenden Grund für eine Neuorientierung i n der Ausgangslage abgeben. Es scheint dem Ethos von Objektivität und Abstinenz, wie es gerne dem Positivismus zugerechnet wird, zu entsprechen 8 , daß der Forscher gewissermaßen von außen, ohne die geringste Einflußnahme auf das 5

Vgl. dazu Larenz, K . : Methodenlehre . . . , 74 ff. zur Reinen Rechtslehre. Dies heißt nicht, daß derartige A n t w o r t e n überhaupt nicht akzeptierbar sein können. I n einem solchen F a l l ist jedoch die Akzeptierbarkeit akzidentiell für das Verfahren; es stammt ζ. B. daher, daß derjenige, der die A n t w o r t als akzeptierbar erachtet, von denselben Systemvoraussetzungen ausgeht w i e der Urheber des Systems. 7 Eine derartige Auffassung allein soll nicht kritisiert werden, w e i l sie nämlich ziemlich genau jene Punkte bezeichnet, bis zu denen ein intersubjektives Verfahren möglich ist, bei dem eine aktive Rolle des Verfahrenden nicht signifikant ist. Eine derartige Auffassung läßt aber dennoch ein weitergehendes Bemühen gerechtfertigt erscheinen. 8 So v. Wright, G. H.: Erkennen u n d Verstehen, 16 ff.; Aarnio, Α.: On Legal Reasoning, T u r k u 1977, 3 ff. β

1. Die beiden Aspekte der Intersubjektivität

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Objekt, das entweder ein formales oder ein empirisches sein muß, vorzugehen und sich jeder wertenden Stellungnahme zu enthalten habe. Ganz unabhängig davon, ob man aus weltanschaulichen oder philosophischen Gründen diese Auffassung teilt oder nicht, ist aber die Frage zulässig, ob es nicht ein angemessener Ansatz ist, an die Stelle einer Umdeutung des Objektes i n empirisch faßbare Daten oder an die Stelle einer ausschließlich oder doch überwiegenden Darstellung formaler Strukturen oder des Abbruchs des wissenschaftlichen Verfahrens vor der Wertungsfrage einen anderen Standpunkt zu setzen. Diese Fragestellung w i r d u m so unabweislicher, je mehr sich Methoden empfehlen, die die aktive Rolle des Bewerteten i m Sinne intersubjektiver Rekonstruierbarkeit zu disziplinieren und (zugleich) Akzeptierbarkeit auf eine angemessene Weise herzustellen versprechen. Daß ein solcher Weg trotz aller Risken nicht nur beschritten werden darf, sondern auch soll, legt sich deshalb nahe, weil i m Gegensatz zur Wirklichkeit, wie sie die Naturwissenschaft i m allgemeinen thematisiert 9 , die soziale Wirklichkeit, m i t der sich die Rechtswissenschaft befaßt, immer schon eine interpretierte Wirklichkeit 1 0 ist, deren Erkenntnis nicht nur Datenkollektionen voraussetzt, sondern jeweils die vorgängige Einordnung von Daten i n Sinnbezüge; rechtswissenschaftliche Erkenntnis ist sohin immer von einem „VorVerständnis" abhängig 11 , für sie gilt das Dictum Wittgensteins, daß wir, bevor w i r nach dem Namen von etwas fragen, bereits eine Vorahnung davon haben müssen, was sich intersubjektiv mit Hilfe von sogen. „Sprachspielen" 12 darstellen läßt, die als Verwendungsregeln eines Begriffes i n der Umgangssprache aufgewiesen wer9 U m Mißverständnissen vorzubeugen: auch für diese Wissenschaften g i l t qualitativ dasselbe, allerdings besteht insoweit ein erheblicher quantitativer Unterschied, als die verwendeten Prämissen i n aller Regel nicht weiter begründet werden müssen; dazu w i r d weiter unten beim „Wahrheitsproblem" Stellung genommen. 78 ff. 10 Vgl. Wittgenstein, L.: „Philosophische Untersuchungen". I n : Ludwig Wittgenstein: Schriften. F r a n k f u r t a. M., Bd. I, 2. Aufl. 1963, z. B. § 103 u. ö. 11 Vgl. Betti, E.: Die Hermeneutik als allgemeine Methodik der Geisteswissenschaften. Tübingen 1962; Gadamer, H.: Wahrheit u n d Methode. 4. Aufl., Tübingen 1975; Esser, J.: Vorverständnis u n d Methodenwahl i n der Rechtsfindung. F r a n k f u r t 1972, 136 ff.; Hinderling, H. G.: Rechtsnorm u n d V e r stehen. Bern 1971. 12 Wittgenstein, L.: „Philosophische Untersuchungen", z.B. § 130ff.; sowie dazu Steinvorth, U.: „Wittgenstein: Sprache u n d Denken". I n : Speck, J. (Hrsg.): Grundprobleme . . . , I, 121 ff.; Stenius, E.: Wittgensteins Tractatus. A Critical Exposition of its M a i n Lines of Thought. Oxford 1960; Kutschera, F. v.: Sprachphilosophie. 2. Aufl., München 1975, 52 ff., 132 ff.; Tammelo, I.: „ L a w , Logic and H u m a n Communication". I n : ARSP 1964, 331 ff.; Eckmann, H.: Rechtspositivismus u n d sprachanalytische Philosophie. B e r l i n 1969; Gatzemeier, M.: „Methodische Schritte einer Textinterpretation i n philosophischer Absicht". I n : Kambartel, F. / Mittelstrass, J. (Hrsg.): Z u m normativen Fundament der Wissenschaft. F r a n k f u r t a. M. 1973, 281 ff.; Aarnio, Α.: On Legal Reasoning, 5 ff.

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den könnten. Die Annahme dieser Position würde bedeuten, daß auch der Forscher wertet, Stellung nimmt, daß — bezogen auf das „Sprachspiel" — ein „innerer" Standpunkt eingenommen wird, weil ein rein „äußerer" jedenfalls nicht angemessen ist 1 3 . Die nun notwendige Reformulierung des Objektivitäts- und Abstinenzgebotes mündet dann in das Problem, auf welchen Wegen das zur Entscheidung führende und das die Entscheidung begründende rechtliche Denken rekonstruiert und schließlich zu intersubjektiver Akzeptierbarkeit geführt werden kann. Dabei ist von vornherein davon auszugehen, daß mit der Sicherheit und Gewißheit, wie sie vornehmlich für die naturwissenschaftlich behandelten Bereiche charakteristisch ist, hier nicht gerechnet werden darf. Daß dies aber nicht unbedingt oder i n einer Vielzahl von Fällen i n subjektivistische W i l l k ü r münden muß, das darf schon an dieser Stelle mit dem Hinweis auf den i n der Praxis des Rechtsdenkens regelmäßig doch erreichbaren Konsens über rechtliche Wertungen behauptet werden; ein Konsens, der nicht nur als lediglich faktischer gemeinsamer Nenner verschiedenster Interessen verstanden zu werden braucht, sondern auch als Konsens, der mit dem begründeten Anspruch auf Rechtsrichtigkeit auftritt. 2. Intersubjektivitätsvermittlung durch deduktive Logik Soweit die L o g i k 1 4 nicht ontologisiert — als Ontologik — verstanden wird, baut sie nicht notwendig auf irgendeiner Form des literarisch als „Korrespondenztheorie der Wahrheit" bekannten Bezugssystems auf; häufig w i r d sie auch auf eine Spielart der sog. „Kohärenztheorie" der Wahrheit 1 5 oder eine pragmatistische Wahrheitstheorie gegründet. Wenn also das Ergebnis einer logischen Begründung — ihre Hauptform ist die Deduktion — eines Arguments auf wahr oder falsch bzw. gültig oder ungültig 1 6 lautet, dann ist damit i m Bereich der sog. „formal e n " 1 7 Logik nicht unmittelbar und unbedingt, d. h. ohne weitere Vor13

Vgl. Aarnio, Α.: On Legal Reasoning, 3 ff., insbes 6 ff. Unter L o g i k werden hier n u r jene formalen Regeln verstanden, deren Ergebnis stets zwingend ist. Dementsprechend fallen hierunter weder die reduktiven Verfahren noch die Analogie noch die sog. „Neue R h e t o r i k " ; vgl. zum Begriff: Tammelo, I.: Outlines of Modern Legal Logic, Wiesbaden 1969, X I . 15 Zusammenfassend zu diesen Theorien vgl.: Kraft , V.: Erkenntnislehre. Wien 1960, 347 ff.; weiter unten w i r d dazu ausführlich Stellung genommen. Vgl. die ausführliche Gesamtübersicht bei: Puntel, L . B.: Wahrheitstheorien i n der neueren Philosophie. Darmstadt 1978. 16 Neben diesen Eigenschaften von Argumenten sind logisch noch von Erheblichkeit u n d deduktiv ermittelbar: die Gediegenheit — hier geht es darum, ob die Prämissen widerspruchsfrei sind — u n d die Verträglichkeit — hier w i r d das Verhältnis der Konklusion zu den Prämissen untersucht. 17 Bochenski, J. M.: Formale Logik. Freiburg - München 1956, 3 ff.; Scholz, 14

2. Intersubjektivitätsvermittlung durch deduktive Logik

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aussetzungen, jene Wahrheit bzw. Gültigkeit gemeint, die als Entsprechung von Zeichen und Bezeichnetem verstanden w i r d (die Korrespondenz von Begriffen oder Sätzen zur Wirklichkeit, die sie repräsentiert); sie greift also nicht notwendig von vornherein i n die semantische Ebene ein 1 8 ; als wahr bzw. als gültig kann eine Aussage bzw. eine Norm auch deshalb bezeichnet werden, weil sie mit dem Aussagensystem bzw. Normensystem, zu dem sie jeweils gehören — also nicht m i t der abgebildeten oder gemeinten Wirklichkeit — i n einer bestimmten formalen Beziehung stehen (mit i h m kohärent sind) 19 . Eine so verstandene Logik befaßt sich zunächst ausschließlich m i t dem formalen Aufbau und Zusammenhang von Zeicheneinheiten. Wenn es auch nicht sinnvoll ist, logische Systeme zu errichten, die nicht i n irgendeiner Weise der W i r k lichkeit gegenüber adäquat sein wollen, innerhalb der sie eine Aufgabe erfüllen sollen, so ist dies eine zwar wichtige Bedingung für den A u f bau, sie berührt aber die Logik als solche nicht 2 0 . Keinesfalls fällt also das Urteil i n die Zuständigkeit einer so verstandenen Logik, ob die einer logischen Operation unterzogenen Argumente bzw. die Produkte solcher Operationen auch tatsächlich wahr oder falsch bzw. gültig oder ungültig sind. Dies soll nun an zwei Beispielen verdeutlicht werden, wobei das erste den Kern des VerfGH-Erkenntnisses zur sogen. Fristenlösung darstellt. I n einer dem vorliegenden Zweck genügenden Reformulierung lautet es 21 : H.: A b r i ß der Geschichte der Logik. 2. Aufl., Freiburg - München 1959, I f f . F ü r die juristische L o g i k : Klug, U.: Juristische Logik. 3. Aufl., B e r l i n u.a. 1966, 1 ff., insbes. 2. 18 Wenn i m Gefolge der A n w e n d u n g der L o g i k auf den Bereich einer E r fahrungswissenschaft, etwa das Recht betreffend, von „Axiomatisierung" die Rede ist, so bedeutet dies daher, daß diese Axiomatisierung nur zur Analyse u n d besseren geistigen Durchdringung ihrer logischsyntaktischen S t r u k t u r vorgenommen w i r d . Keinesfalls muß (und soll) damit der Anspruch einer inhaltlichen Axiomatisierung des Bereichs verbunden sein, wogegen zu Recht Bedenken erhoben werden können. (Vgl. dazu Kutschera, F. v.: Wissenschaftstheorie I. München 1971, 252 ff.) („Axiomatische Theorien".) 19 Vgl. insbes. Kraft, V.: Erkenntnislehre, 349. 20 Vgl. so etwa den „Protologischen K a l k ü l " (Tammelo, I.: Outlines of Modern Legal Logic, 38 ff.), der keine über i h n selbst hinausreichende I n t e r pretation benötigt. Daß die logische Ableitung die sachliche Rechtfertigung nicht ersetzt: Engisch, K . : „Aufgaben einer L o g i k u n d Methodik des j u r i s t i schen Denkens". I n : Studium Generale, 1959, 76 ff., 78 ff.; Savigny, Eike v.: „ Z u r Rolle der deduktiv-axiomatischen Methode i n der Rechtswissenschaft". I n : Jahr, G. / Maihof er, W. (Hrsg.): Rechtstheorie. 1971, 315 ff., 342; ders.: „Die Phausnahme u n d die Phregel oder was die L o g i k i m Recht nicht leisten w i l l " . I n : Albert, H. u.a. (Hrsg.): Rechtstheorie als Grundlagenwissenschaft der Rechtswissenschaft. Düsseldorf 1972, 231 ff.; Roedig, J.: „Axiomatisierbarkeit juristischer Systeme". I n : Münchner Ringvorlesung E D V u n d Recht. 1973, 49 ff.; Opalek,K. / Wolenski, J.: „Das Problem der Axiomatisierung des Rechts". I n : Rechtstheorie u n d Rechtsinformatik, 1975, 51 ff. 21 Vgl. V e r f G H Slg. 7406/1974. 3 Schreiner

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T e i l I : Die Intersubjektivität

1. Der sachliche Geltungsbereich eines Grundrechtes (verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes) darf von einem einfachen Gesetz ohne verfassungsrechtliche Deckung nicht verletzt werden. 2. Der sachliche Geltungsbereich eines Grundrechtes besteht nur i m Verbot eines hoheitlichen Eingriffes einer Verwaltungsbehörde i n die Sphäre eines Privaten. 3. Die Straffreistellung der Abtreibung der Leibesfrucht innerhalb der ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft durch einfaches Gesetz (Fristenlösung) erlaubt keinen hoheitlichen Eingriff einer Verwaltungsbehörde i n die Sphäre eines Privaten. Daher: Die Fristenlösung ist keine Verletzung eines Grundrechtes. Hier ist deutlich, daß die inhaltliche Richtigkeit dieser Schlußfolgerung vom Zutreffen der rechtlichen Behauptungen abhängt, die die Prämissen darstellen. A n einem radikal vereinfachten zweiten Beispiel soll dies noch klarer verdeutlicht werden: 1. Wenn Hans i n München ist, dann ist Hans i n Österreich. 2. Hans ist i n München. Daher: Hans ist i n Österreich. Hier wurde die logische Form eines Modus Ponens gewählt, die als gültig bekannt ist 2 2 . Die Konklusion ist logisch wahr, weil sie syntaktisch korrekt aus den beiden Prämissen folgt. Nun w i r d aber ein mit den geographisch-politischen Verhältnissen Europas halbwegs Vertrauter die inhaltliche Richtigkeit dieser Konklusion nicht akzeptieren. Der damit Vertraute würde die Schlußfolgerung sofort akzeptieren, wenn die Prämissen auch semantisch zutreffend wären, indem z.B. „Salzburg" anstelle von „München" stünde. I n unserem Beispiel ist die Prämisse (1) der Grund der tatsächlichen Fehlerhaftigkeit, die durch das gesamte logische Verfahren mittransportiert w i r d — die Logik ändert den tatsächlichen Wahrheitsgehalt von Prämissen nicht. Es zeigt sich sohin, daß die Voraussetzung für die Deckung der logischen (syntaktischen) Wahrheit bzw. Gültigkeit mit der semantischen Wahrheit (Gültigkeit) eine Frage ist, deren Beantwortung selbst wiederum nicht unmittelbar eine Angelegenheit der Logik ist. U m zu gewährleisten, daß auch die semantische Wahrheit bejaht werden kann, müssen die Prämissen begründet werden. Daraus ist ersichtlich, daß die Deduktion keinesfalls selbstverständlich die Akzeptierbarkeit mit sich bringt, 22 Der Nachweis läßt sich ζ. B. m i t der sog. „Gegenformelmethode" erbringen. Dazu: Taramelo, I. ! Schreiner, H.: Grundzüge u n d Grundverfahren der Rechtslogik. Bd. 2, U T B 685, München 1977, 13 ff.

2. IntersubjektivitätsVermittlung durch deduktive Logik

sondern daß auch ihre Prämissen grundsätzlich begründet müssen 23 .

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werden

Damit soll nun keinesfalls der Eindruck erzeugt werden, daß die Logik nur eine untergeordnete Rolle spielt: sie soll nur gegen eine allenfalls mögliche Überforderung i n Schutz genommen werden: die semantische Wahrheit einer Konklusion erfordert semantisch wahre Prämissen. Andererseits aber erweist sich die Bedeutung der Logik darin, daß immer wieder innerhalb der Begründungsketten deduktive Einschübe auftreten 2 4 , denen eine maßgebliche stabilisierende Wirkung zukommt, und daß es die trennscharfen Instrumente der Logik sind, die sowohl die formalen Aspekte wie auch die Sachhaltigkeit von Sätzen wie Begriffen ausbreiten lassen. Die Logik spielt i n der Rechtswissenschaft eine besondere Rolle; sind doch etwa die klassischen j u r i stischen Schlußfiguren des Modus Ponens und des Modus Tollens Figuren i m Rahmen der deduktiven Logik. Die Anwendung der Logik auf dem Gebiet des rechtlichen Denkens ist allerdings nicht ohne Probleme, die heute schon alle gemeistert wären. Wenn es deshalb i m Rahmen der Anwendung der Logik i m Recht zu Paradoxien 2 5 kommt, so muß dies nicht unbedingt heißen, daß die Logik auf diesem Gebiet offensichtlich zu Fehlsamkeiten führt, sondern kann auch als Indiz dafür aufgefaßt werden, daß die bisherigen logischen Strukturierungen diesem Gebiet noch nicht angemessen genug gelungen sind. So ist schon allein deshalb Vorsicht geboten, weil die moderne Logik zumeist aus der Aussagenlogik oder als Aussagenlogik entwickelt wurde. Das, was als Prädikationenlogik, als deontische Logik, als Normenlogik, als Interrogativ-, als Modallogik — um nur einiges zu nennen — angeboten wird, sind entweder Adaptionen dieser Logik oder doch Versuche, die noch keinesfalls als gesichert gelten können 2 6 . Ein derartiges Problem betrifft ein zentrales Instrument des rechtlichen Denkens, den sog. praktischen Syllogismus: aus einer Prämisse, die einen normativen und einen deskriptiven Teil hat, und aus einer zweiten, rein deskriptiven Prämisse w i r d eine normative Konklusion gefolgert, ζ. B.: (1) Wenn jemand ein Einkommen bezieht, dann soll er Steuern zahlen. 23 Dies ist allerdings dann nicht notwendig, w e n n man von selbsttragenden A x i o m e n letzter Wahrheiten ausgeht, u n d dies ist dann nicht möglich, wenn man einem grundsätzlichen Agnostizismus huldigt, w e n n dies auch sinnvollerweise i n der Regel nicht verlangt w i r d . 24 Weinberger, O.: Topik u n d Plausibilitätsargumentation. I n : Weinberger, O.: Studien zur Normenlogik. B e r l i n 1974, 308 ff., insbes. 321 ff. 25 Eine diesbezügliche Übersicht bietet Stranzinger, R.: „Die Paradoxa der deontischen L o g i k " . I n : Tammelo, I. / Schreiner, H.: Grundzüge und Grundverfahren der Rechtslogik. Bd. 2, 142 ff. 26 Z u r Übersicht sei verwiesen auf Tammelo, I. / Schreiner, H. : Grundzüge u n d Grundverfahren der Rechtslogik. Bd. 2, 7 ff., 25 ff., 33 ff.

3*

T e i l I : Die Intersubjektivität

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(2) A bezieht e i n E i n k o m m e n . D a h e r : A s o l l S t e u e r n zahlen. D i e logische G ü l t i g k e i t eines solchen gemischten Schlusses 2 7 ist b i s l a n g noch n i c h t nachgewiesen w o r d e n . L i t e r a r i s c h i s t dieses P r o b l e m als das sog. Jorgensen'sche D i l e m m a b e k a n n t 2 8 . M i t t e l b a r g i b t es j e d o c h eine R e i h e v o n diesbezüglichen V e r s u c h e n b z w . R e f o r m u l i e r u n g e n 2 9 . Dieser U m s t a n d zeigt j e d e n f a l l s e i n d r i n g l i c h , daß d i e A n w e n d u n g d e r L o g i k i m Rechtsdenken nicht frei v o n noch zu bewältigenden Problem e n ist, ganz abgesehen d a v o n , daß b e i d e r d e d u k t i v e n L o g i k d i e v e r wendeten Prämissen hinsichtlich ihrer materiellen Gehalte begründ u n g s b e d ü r f t i g sind. Gegen das d e d u k t i v e D e n k e n w e r d e n i m B e r e i c h d e r Rechtswissenschaft v e r s c h i e d e n t l i c h E i n w ä n d e erhoben. So h e i ß t es, daß das d e d u k t i v e Schema b z w . seine H a u p t e r s c h e i n u n g s f o r m i m Rechtsdenken, das S u b s u m p t i o n s m o d e l l , ohne w e i t e r e D i f f e r e n z i e r u n g e n r e l a t i v t r i v i a l sei 3 0 . E i n e solche D i f f e r e n z i e r u n g f ü h r t e t w a z u r — n i c h t d e d u k t i v e n — Hauptfrage der Ü b e r e i n s t i m m u n g zwischen Sachverhalt u n d Tatbes t a n d 3 1 . Das d a m i t angesprochene B e m ü h e n f ü h r t d a n n rasch z u r B e f a s s u n g m i t „ B e g r i f f e n " u n d „ T y p e n " u n d z u r E r f a h r u n g , daß j e n e A k t i 27

Z u den verschiedenen Arten, i n denen er a u f t r i t t vgl.: Weinberger, O.: Hechtslogik. Wien - New Y o r k 1970, 217 ff. 28 Jergensen, J.: „Imperatives and Logic" (1937 - 38), 7, Erkenntnis, 288 f. 29 Eine zusammenfassende Übersicht bei Weinberg er, O.: „Die Sollsatzproblematik i n der modernen L o g i k " . I n : Weinberger, O.: Studien zur N o r menlogik u n d Rechtsinformatik, 59 ff., insbes. 69 ff.; vgl. auch Tammelo , I. / Schreiner, H. : Grundzüge u n d Grundverfahren der Rechtslogik. Bd. 2, 49 ff., insbes. 56 ff.; Schreiner, H.: „ Z u r rechtslogischen Formalisierung von N o r men". I n : ARSP 1976 (62), 365 ff. 30 Sieht man v o m nicht-trivialen Problem der Notwendigkeit der Kategorienmischung beim „praktischen Syllogismus" ab oder löst man dieses Problem durch Reinterpretation. Vgl. dazu Weinberger, O.: „Die Sollsatzproblem a t i k i n der modernen L o g i k " , 59 ff.; auch Schreiner, H.: „ Z u r rechtslogischen Formalisierung von Normen", 365 ff. 31 Vgl. so Engisch, K . : Logische Studien zur Gesetzesanwendung. 3. Aufl., Heidelberg 1963, 3 ff., insbes. 17, der diesen Vorgang „intensive Entfaltung" oder „Subordination" nennt, weiter 18 ff. Terminologisch so auch Hassemer, W.: Tatbestand u n d Typus. K ö l n 1968, insbes. 12, 17 ff.; vgl. auch Larenz, K . : Methodenlehre . . . , 255 ff., insbes. 256, w o dieser Vorgang i m Schema als Gleichsetzung von „S = T " dargestellt w i r d . Das Schema lautet dort: Τ R S = T S R Eine umfassende Analyse des Subsumptionsproblems bieten unter Bezug aufeinander: Rödig, J.: Die Theorie des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens. B e r l i n - Heidelberg - New Y o r k 1973 (S. 130 ff. zu Larenz), 163 ff.; Kelsen, H.: „ O n the practical Syllogism". I n : Kelsen, H.: Essays i n Legal and M o r a l Philosophy. Dordrecht - Boston 1973, 257 ff.; ders.: „Recht u n d L o g i k " , N F X I I (1965), 421 ff., 495 ff., wieder abgedruckt i n : Klecatsky, H. / Marcie, R. / Schambeck, H. (Hrsg.): Die Wiener rechtstheoretische Schule. Wien u.a. 1968, Bd. 2, 1469 ff.; Neumann, U.: Rechtsontologie u n d juristische Argumentation. Heidelberg - H a m b u r g 1978, 10 ff.

2. Intersubjektivitätsvermittlung durch deduktive L o g i k

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vität, auf die es dabei ankommt, mit den Mitteln der — herkömmlichen — Logik nicht zu bewältigen sei, oder aber, daß sie zu einer Pyramide der Begriffe führt, wie sie aber seit der Begriffsjurisprudenz überwunden sei. Die Begriffe seien, wenn man sich ersterer Möglichkeit zuwendet, zu unscharf, vage und mehrdeutig, man könne keine eindeutige Zuordnungen zu ihnen ohne weitere „wertende" Schritte vornehmen. Als Paradigma w i r d hiefür gerne der „Typus" verwendet, der i m Rechtsdenken eine besondere Rolle spielt 3 2 . Der unpräzise, nicht voll faßbare, offene Typus w i r d dem präzisen bzw. voll präzisierbaren abstrakten Begriff (geschlossener Typus) gegenübergestellt 33 . Wenn man allerdings das einschlägige Leistungsvermögen der Logik berücksichtigt 34 , die neben den „qualitativen" Begriffen auch „komparative", wenn nicht gar „quantitative" Begriffe kennt, so bietet sich auch für das einschlägige rechtliche Denken ein Weg an, i n dem die Logik und damit die intersubjektive Rekonstruierbarkeit eine bedeutende Rolle spielt 3 6 . Wenn nun kurz auf die Begriffslehre unter Einschluß der Typenlehre eingegangen wird, so nicht nur u m des Nachweises willen, daß auch i n diesem Teil des rechtlichen Denkens die Logik eine wichtige Rolle spielt, sondern auch deshalb, weil die Anwendung komparativer Begriffe jedenfalls für das rechtliche Denken von grundlegender Bedeutung ist, wie sie auch i n dieser Arbeit — was bei den Ausführungen zum Wahrheits- und Wertproblem deutlich gemacht ist — eine besondere methodische Stellung besitzen. Bei den folgenden Erörterungen w i r d auch nicht der — oft strittigen — Frage nachgegangen, ob etwa Hempel / Openheim den Typus mit dem komparativen Begriff gleichsetzen oder ob nach der Auffassung mancher bedeutender Autoren Klassen nur durch qualitative Begriffe (einstellige Prädikate) begründet werden 3 6 . Hier geht es darum, die von den Ergebnissen der be32

Vgl. so Canaris, C. W.: Systemdenken u n d Systembegriff i n der Rechtswissenschaft. B e r l i n 1969; Esser, J.: Grundsatz u n d N o r m i n der richterlichen F o r t b i l d u n g des Privatrechts. 3. Aufl., Tübingen 1974; Hassemer, W.: T a t bestand u n d Typus; Stracke, Κ . H.: Das Denken i n Standards. B e r l i n 1968; Zippelius, R.: „Die Verwendung von Typen i n Normen u n d Prognosen". I n : Bockelmann, P. u. a. (Hrsg.) : Festschrift f ü r K a r l Engisch zum 70. Geburtstag. F r a n k f u r t a. M . 1969, 224 ff. 33 Vgl. so noch Larenz, K . : Methodenlehre, 2. Aufl. 1969, 439 ff. (nicht mehr jedoch i n der 3. Auflage). 34 Grundlegend hiefür: Hempel / Openheim: Der Typusbegriff i m Lichte der neueren Logik. Leiden 1936. F ü r die Rechtswissenschaft angewendet: Leenen, D.: Typus u n d Rechtsfindung. B e r l i n 1977; zur Nichtbeachtung dieses Standes der logischen Forschung: Reisinger, L . : „Juristische Begriffstheorie u n d Theorie unscharfer Mengen (Fuzzy Sets Theory)". I n : Mokre, J. / Weinberg er, O. (Hrsg.): Rechtsphilosophie u n d Gesetzgebung. W i e n - N e w Y o r k 1976, insbes. 148. 35 Vgl. so z.B. Kuhlen, L.: Typuskonzeptionen i n der Rechtstheorie. B e r l i n 1977, insbes. 34 ff. 36 Diese Fragen seien hier dahingestellt.

38

T e i l I : Die Intersubjektivität

griffslogischen Forschung gebotene Differenzierungs- und Strukturierungsmöglichkeiten für die Rationalität des Rechtsdenkens wenigstens ansatzweise nutzbar zu machen. I n der Begriffslogik 3 7 kann zwischen qualitativen, komparativen und quantitativen Begriffen unterschieden werden. Die qualitativen Begriffe sind — zumeist — einstellige Prädikate, die Klassen bilden lassen: die Klasse der Elemente, die das Prädikat tragen, und die Klasse der Elemente, die das Negat der ersteren Klasse bilden. Entweder gehört ein Element der Klasse Κ an oder der Klasse K 3 8 . I n einem extensionalen Diagramm würde dies z.B. so ausgedrückt werden können:

I

Κ

I κ I

Das Universum würde durch Κ i n zwei Klassen geteilt: i n Κ und K . Jedes Element des Universums müßte entweder Κ oder Κ zuordenbar sein. Ubertragen auf das rechtliche Denken bedeutet dies, daß auch hier das „entweder-oder"-Schema methodisch das adäquate wäre. Ist ein Begriff so „vage" 3 9 , daß die Zuordnung eines oder mehrerer Elemente nicht möglich ist, befindet man sich nach der gängigen juristischen Terminologie 4 0 i m unsicheren „Begriffshof". Diese Unsicherheit ist ζ. B. durch „Interpretation" soweit zu beseitigen, bis diese vorerst „neutralen Kandidaten" eindeutig Κ oder Κ zugeordnet werden können 4 1 . Erkennt man nun, daß ein wichtiger Teil der rechtlichen Begriffsbildung nicht i n dieses „entweder-oder"-Schema paßt, so legt sich der Schluß nahe, daß eben diese Logik zu diesem Teil des Rechtsdenkens keinen fruchtbaren Beitrag leisten könne 4 2 . Diesem „entwederoder"-Schema i n der Zuordnung, das keine Zwischenformen, keine Abstufungen duldet, entspricht auch eine Dichotomie i n den Wertprädikaten, die den Zuteilungen zugeordnet werden: z.B. „ w a h r — falsch", „gültig — ungültig". Damit soll nun nicht behauptet werden, 37 Vgl. z.B. Essler, W. K . : Wissenschaftstheorie I I . Freiburg - München 1971, 64 ff. 38 Κ ist das Negat von K . 39 Z u r logischen S t r u k t u r des Vagheitsbegriffes i m Rechtsdenken: Taramelo, I.: „Syntactic A m b i g u i t y , Conceptual Vagueness, and the Lawyer's H a r d T h i n k i n g " . I n : Journal of Legal Education 1962 (15), 56 ff.; Tammelo , I . / Schreiner, Η . : Grundzüge u n d Grundverfahren der Rechtslogik. Bd. 2, M ü n chen 1977, 89 ff. 40 Die sich schon bei Philipp Heck findet. 41 Dies ist jedenfalls dann stets Aufgabe der Interpretation, w e n n man davon ausgeht, daß die Rechtsordnung keine Befugnis zur F ü l l u n g (echter) Lücken aufweist, (s. dazu die Ausführungen anläßlich des Normbegriffs.) 42 Vgl. Larenz, K . : „ Z u r L o g i k des konkreten Begriffs". I n : Deutsche Rechtswissenschaft 1940 (5), 279.

2. I n t e r s u b j e k t i v i t ä t s e r m i t t l u n g durch deduktive Logik

39

daß das rechtliche Denken i n vielen Fällen nicht unter dieser Dichotomie der Zuordnung aufgefaßt werden könnte, sondern nur, daß eine solche Dichotomie allenfalls nur als letzter Schritt auftritt; die vorgängige Begriffsbildung erfolgt jedenfalls aber nicht nach diesem Modell 4 3 . W i l l man einerseits nicht den Weg beschreiten, die Wertungen von vornherein als allein oder doch überwiegend kognitiv aufzufassen — also dem Erkennen zuzuordnen 44 — und w i l l man andererseits die volitiven Komponenten wiederum nicht gänzlich oder doch überwiegend dem Bereich des Irrationalen zuweisen 45 , w i l l man also den volitiven Aspekt des Wertproblems den Anforderungen von Rationalität aussetzen, so ist das Modell des qualitativen Begriffes nicht angemessen, weil es von vornherein nicht darauf angelegt ist, den Weg, wie es zur Festlegung kommt, zur Darstellung zu bringen 4 6 . Dem Modell der qualitativen Begriffe steht das Modell der komparativen Begriffe gegenüber, das der Notwendigkeit, „abgestuft" zu denken, entgegenkommt. A n die Stelle des „entweder-oder"-Schemas t r i t t ein Schema der Abstufung, ein „mehr oder weniger" der Entsprechung. Ist das „entweder-oder"-Schema nicht mehr das einzige, dann besteht auch bezüglich der Qualifikation des Rechtsdenkens hinsichtlich der Begriffe nicht mehr die Alternative des methodischen Zwangs des „entweder-oder" hier oder der Verweisung dieses Denkens i n logisch nicht greifbare Bereiche. Durch eine Abstufung kann man Elemente, die sonst als gleichberechtigt einer Klasse zugeordnet werden, i n eine Reihe bringen und so geordnet der „Richtigkeitsfrage" zuführen. So kann man die möglichen Entscheidungen einordnen, je nachdem, wo sie sich i n der jeweiligen Reihe befinden. Ζ. B. erscheint so i m Rahmen rechtlich möglicher Entscheidungen die Entscheidung a vertretbarer als die Entscheidung b und die Entscheidung b vertretbarer als die Entscheidung c. Abgestuft w i r d nach zweistelligen Prädikaten wie ζ. B. 48

Vgl. so z.B. Wittgenstein, L . : Schriften. F r a n k f u r t a. M. 1961 (1963), „Philosophische Untersuchungen", §§ 77 ff. (329 ff.); Hart, H. L. Α.: The Concept of L a w . Oxford 1961, 120 ff.; Reisinger, L.: „Juristische Begriffstheorie . . 1 2 9 ff.; Schmidt, J.: „Einige Bemerkungen zur Präzision der Rechtssprache". I n : Albert, H. u.a. (Hrsg.): Rechtstheorie als Grundlagenwissenschaft der Rechtswissenschaft. Jahrbuch für Rechtssoziologie u n d Rechtstheorie. Bd. 2, Düsseldorf 1972, 392 ff. Die darin angesprochenen (extensional oder intensional) „verschwommenen Bilder", „open texture", „Porosität" u n d „Vagheit" von Begriffen zeigen an, daß jedenfalls noch eine, w e n n auch gebundene Wertung notwendig ist. 44 I n einem eigenen Abschnitt w i r d das Verhältnis von „Erkennen" u n d „Anerkennen" darzustellen sein. Hier sei n u r soviel angemerkt, daß beide Begriffe nicht als i n einem Gegensatz stehend aufgefaßt werden müssen. 45 Z u m Verhältnis von W i l l e u n d Rationalität w i r d beim Werteproblem Stellung bezogen. 88 ff. 46 Dieser Ansatz findet sich i n Tammelo , I.: „Justice and Doubt". I n : ÖZÖR 1959, 368 ff. (Axiological Considerations on Value and Validity).

T e i l I : Die Intersubjektivität

40

„ . . . m e h r als . . . " , „ . . . v e r t r e t b a r e r als . . Λ Welches j e w e i l s das angemessene A b s t u f u n g s p r ä d i k a t

Einbeziehung

des

Bereiches b e a n t w o r t e t w e r d e n , a u f d e n sich die B e g r i f f s b i l d u n g

ist, k a n n n u r

unter

be-

z i e h t : sie m u ß „angemessen" sein. G r a p h i s c h w ä r e f ü r d e n k o m p a r a tiven

Begriff

die

angemessenste

Darstellungsweise

eine

gerichtete

Linie47. mehr

e\

1

e2

e3



E i n solches S y s t e m w ü r d e 4 8 f o l g e n d e r m a ß e n aussehen: Gegeben seien d i e z w e i z w e i s t e l l i g e n P r ä d i k a t o r e n G V

(. . . ist gleich m i t . . .) ( . . . ist vorzuziehen dem . . .)

1.

xyEGxyGyx Für alle χ und y: wenn χ gleich ist m i t y , ist y gleich mit χ und umgekehrt (Symmetrie der G-Relation)

2.

xyCGxyAGxxGyy Für alle χ und y: wenn χ gleich ist m i t y , dann ist χ gleich m i t χ oder y gleich m i t y (Reflexivität der G-Relation)

3

.xyzCKGxyGyzGxz Für alle χ, y und ζ: wenn χ gleich ist m i t y und y gleich ist m i t z, dann ist χ gleich m i t ζ (Transitivität der G-Relation)

4.

xyCVxyVyx Für alle χ und y: wenn χ vorzuziehen ist dem y, dann ist es nicht der Fall, daß y dem χ vorzuziehen ist (Asymmetrie der V-Relation)

5. xyzCKVxy

V y ζ V χ ζ Für alle χ, y und ζ: Wenn χ vorzuziehen ist dem y, und y vorzuziehen ist dem ζ, dann ist χ vorzuziehen dem ζ (Transitivität der V-Relation)

47 E i n formales System f ü r den komparativen Begriff bietet ζ. B. Reisinger, L.: „Juristische Begriffstheorie . . . " , 153. 48 I n der von Tammelo modifizierten Polnischen Notation — vgl. dazu Tammelo, I. / Schreiner, H.: Grundzüge u n d Grundverfahren der Rechtslogik. Bd. 1, 16 ff.

2. I n t e r s u b j e k t i v i t ä t s e r m i t t l u n g durch deduktive Logik 6

41

.xyCKVxyVyzGxy Für alle χ und y: Wenn χ vorzuziehen ist dem y oder y vorzuziehen ist dem x, dann ist es nicht der Fall, daß χ dem y gleich ist (Konnektivität der V- und G-Relation, w o m i t die G-Relat i o n mit der V-Relation i n Verbindung gebracht ist)

l.xyËËGxyVxyVyx Für alle χ und y: entweder χ ist gleich dem y, oder χ ist vorzuziehen dem y, oder y ist vorzuziehen dem χ (Damit ist ausgedrückt, daß für jedes Paar genau eine Relation besteht)

A u f diese Weise läßt sich eine Abstufungsreihe der Zuordnung bzw. Entsprechung bilden. Die soeben geforderten Eigenschaften für eine rationale Bewertung sind, wie eine nähere Analyse gewiß zeigen würde, bei juristischen Bewertungen stets mitberücksichtigt. Dies wohl nicht deshalb, weil sie etwa nur einer bestimmten philosophisch-methodologischen Grundhaltung entsprächen, sondern vor allem deshalb, weil es als fundamentale Forderung der Rechtsstaatlichkeit gilt, daß das staatliche Handeln — das auf Bewertungen beruhende Entscheiden der Staatsorgane — kalkulierbar sei. M i t h i n sind „willkürliche" Bewertungen geradezu ex definitione als i m Rechtsdenken unerlaubt anzusehen: Die Forderung der Asymmetrie der Vorzugsrelation 49 meint nichts anderes, als daß y dem χ niemals i m selben rechtlichen Kontext vorgezogen werden darf, wenn χ dem y vorgezogen w i r d — und dies auch i n den Fällen, i n denen für die Variablen χ und y Namen eingesetzt werden, d. h. I n d i v i dualisierungen oder Konkretisierungen vorgenommen wurden. Die Forderung der Transitivität 5 0 bedeutet, daß χ dem ζ vorzuziehen ist, wenn χ dem y und y dem ζ vorzuziehen ist. Diese Forderung mag dort, wo es auf eine empirische Begründimg etwa i m Rahmen einer Rechtssoziologie ankommt, nicht zutreffen 51 , weil ja i n der Gesellschaft weder unbedingt noch i n der Regel tatsächlich transitiv bewertet wird. Bei der rechtswissenschaftlichen Begründung kommt es aber, wenn staatliches Handeln kalkulierbar sein soll, darauf an, daß die Bewertungen transitiv erfolgen müssen. Die Forderung der Konnektivität 5 2 geht zunächst davon aus, daß sämtliche Bewertungen letztlich zusammenhängend darstellbar sein müssen. Diese Forderung muß aber i m Hinblick auf die vom Gegen49 50 51

22 ff. 52

P. 4 des formalen Schemas. P. 5 des formalen Schemas. Vgl. Luhmann, N.: Zweckbegriff u n d Systemrationalität. Tübingen 1968, P. 6 des formalen Schemas.

42

T e i l I : Die Intersubjektivität

stand des rechtlichen Denkens und der dabei geübten Praxis eingeschränkt werden. Die Konnektivität gilt nur jeweils uneingeschränkt für einen einheitlichen Kontext, d. h. für Rechts- und Problembezüge, die als relativ eigenständige Einheit innerhalb der Rechtsordnung gelten. Wenn die Konnektivität über diesen Bereich hinaus ausgedehnt werden soll, dann müssen dafür gesonderte Begründungen gegeben werden — Gründe, die sich gegen eine relative Isolierung der Bereiche, deren Bewertungen untereinander verbunden werden sollen, wenden. Ein beredtes Beispiel dafür bietet die sog. „ D r i t t w i r k u n g " 5 3 der Grundrechte, wo es darum geht, den traditionellen Anwendungsbereich der Grundrechte, der i m Verhältnis von hoheitlich handelndem Staat und Individuum besteht, auszudehnen, und diese auch i n anderen Bereichen, namentlich i m Privatrecht wirksam werden zu lassen, sei es ganz allgemein für alle Subjekte des Privatrechtes (Drittwirkung i m allg. Sinn) oder sei es nur i m Verhältnis zwischen einem privatrechtlich handelnden Rechtsträger des öffentlichen Rechts und den Bürgern (Fiskalgeltung als D r i t t w i r k u n g i m engeren Sinn). Zweck dieser Theorien ist die Herstellung einer Konnektivität zwischen diesen Bereichen durch die verschiedensten Konstruktionen, wodurch zumindest eine grundrechtsorientierte Entscheidung über den Weg wertausfüllungsbedürftiger Generalklauseln des Privatrechts ermöglicht wird. Gerade die Entwicklung i m Bereich der Grundrechte zeigt, daß Theorie und Praxis des Rechtsdenkens Widersprüche zwischen mehreren, zunächst als getrennt auftretenden Kontexten nicht als endgültig hinnehmen, sondern zum Ausgangspunkt des Bemühens nach zumindest tendentieller Konnektivität der beiden Kontexte nehmen 54 . Die Konnektivität 53 D r i t t w i r k u n g w i r d hier i n einem das Problem der „Fiskalgeltung" einschließenden Sinn verstanden. Vgl. so: Ermacora, F.: österreichische V e r fassungslehre. Wien 1970, 386. Anders: Stein, E.: Lehrbuch des Staatsrechts. 2. Aufl., Tübingen 1971, 253; sowie Kopp, F. O.: „Fiskalgeltung u n d D r i t t w i r k u n g der G r u n d - u n d Freiheitsrechte i m Bereich des Privatrechts". I n : Walter W i l b u r g zum 70. Geburtstag. Festschrift. Graz 1975, 141 f. 54 Z u r Drittwirkungsdebatte m i t den verschiedenen Konnektierungsmechanismen vgl. Bydlinski, F.: Der Gleichheitsgrundsatz i m österreichischen P r i vatrecht. Verhandlungen des 1. Juristentages, Wien 1961, Bd. V, 1. Teil; ders.: „Bemerkungen über Grundrechte u n d Privatrecht". ÖZöR 1964, 423 ff.; Ermacora, F.: Handbuch der Grundfreiheiten u n d Menschenrechte. Wien 1963, 27 f., 55 ff. u. ö.; Ostheim, R.: Z u r Rechtsfähigkeit von Verbänden i m österreichischen bürgerlichen Recht. Wien 1967; Pernthaler t P.: „Die G r u n d rechtsreform i n Österreich". I n : AöR 1969, 31 ff.; Mayer-Maly, Th.: ö s t e r reichisches Arbeitsrecht. Wien 1970, 18 f., 55, 98, 152, 156; Marschall, K.: Privatautonomie u n d Familienautonomie. Wien 1972; Moser, B.: Die Europäische Menschenrechtskonvention u n d das bürgerliche Recht. Wien 1974; Wimmer, N.: Materiales Verfassungsrecht. W i e n - N e w Y o r k 1971, 111 ff.; Schäffer, H.: Verfassungsinterpretation i n Österreich, 170 ff.; Saladin, P.: Grundrechte i m Wandel. 2. Aufl., Bern 1975, 307 ff. u. ö.; Walter, R.: ö s t e r reichisches Bundesverfassungsrecht. Wien 1972, 777 f.; Schambeck, H.: „Die Grundrechte i m demokratischen Verfassungsstaat". I n : Ordnung i m sozialen

2. I n t e r s u b j e k t i v i t ä t s e r m i t t l u n g durch deduktive L o g i k

43

soll sohin hinsichtlich der Verbindung von relativ isolierten Bereichen als tendentielle Forderung verstanden werden. Innerhalb eines Kontextes hingegen hat sie eine unmittelbare Bedeutung, die an dieser Stelle mit dem Hinweis auf das Präjudizialitätsproblem angedeutet und weiter unten unter anderen Gesichtspunkten noch zu thematisieren sein wird. Abstufungen können — graphisch gesehen — nach beiden Seiten h i n unbegrenzt erfolgen. Sie können aber auch von einem Punkt aus, ζ. B. einem idealtypisch formulierten Begriff, geschehen. U m hier Abstufungen vornehmen zu können, ist es notwendig, die Abstufungsrichtung zu bestimmen. Dies kann ζ. B. dadurch geschehen, daß das Gegenteil des Ausgangsbegriffes ins Auge gefaßt wird. Eine zweite Möglichkeit der Abstufbarkeit besteht darin, daß von vornherein zwei Begriffe gegenübergestellt werden, zwischen denen abgestuft wird. Innerhalb dieser Abstufungen ist es möglich, eine Reihe von Abstufungen besonders auszuzeichnen, indem man sie zu einem eigenen, jetzt qualitativen Begriff erhebt, indem man eine neue Klasse 55 einführt. A u f diese Weise ist es möglich, auch die Bildung qualitativer Begriffe rational rekonstruierbar zu machen 56 . A u f diese Weise läßt sich auch das Problem der Typenbildung 5 7 angehen, ohne die Aussage treffen oder nur gestatten zu müssen, es handle sich dabei u m Vorgänge, die jenseits der Verwendbarkeit der Logik lägen 58 . Zunächst darf

d a v o n ausgegangen w e r d e n , daß oben, w e n n

vom

B e g r i f f die Rede ist, n i c h t m e h r g e m e i n t w a r , als — das graphische B i l d v o r A u g e n — e i n P u n k t oder eine begrenzte Strecke a u f e i n e r L i n i e ; e i n solcher B e g r i f f s o l l deshalb e i n d i m e n s i o n a l g e n a n n t w e r d e n . I h m e n t Wandel. Festschrift für Johannes Messner. B e r l i n 1976, 480 ff.; Schwabe, J.: Probleme der Grundrechtsdogmatik. Darmstadt 1977, 211 f., 221 ff. u. ö. 55 Vgl. so Otte , G.: „Komparative Sätze i m Recht. Z u r L o g i k eines beweglichen Systems". I n : Albert, H. u.a. (Hrsg.): Rechtstheorie als GrundlagenWissenschaft der Rechtswissenschaft. Jahrbuch f ü r Rechtssoziologie u n d Rechtstheorie. Bd. 2, Düsseldorf 1972, insbes. 316 f. 56 Graphisch ließe sich dies etwa folgendermaßen darstellen:

Grundsätzlich zur Brauchbarkeit der komparativen Vorgangsweise i m Rechtsdenken: Weinberger, O.: „Über die Offenheit des rechtlichen Normensystems". I n : Walter W i l b u r g zum 70. Geburtstag. Festschrift. Graz 1975, insbes. 448 f. 57 Dieser Einsatz des komparativen Denkens für den Typusbegriff bedingt nicht notwendig, w i e sofort deutlich w i r d , die Auffassung, daß der Typus jeweils ein unpräziser Klassenbegriff sei u n d deshalb n u r als Zwischenform i m Präzisierungsbestreben geduldet werden dürfe. 58 Larenz, K . : „ Z u r L o g i k . . . " , 279, nunmehr jedoch i m Hinblick auf die bezogene Untersuchung von Leenen (Typus u n d Rechtsfindung, 1971): „ G r u n d formen wertorientierten Denkens i n der Jurisprudenz". I n : Walter W i l b u r g zum 70. Geburtstag. Festschrift. Graz 1975, 218 ff. („I. Der Typus").

T e i l I : Die Intersubjektivität

44

spricht ein Begriff, der i m jeweiligen Bereich — hier: i n der Rechtswissenschaft — für die gegebenen Zwecke hinreichend klar ist und daher sinnvollerweise nicht weiter aufgeschlüsselt zu werden braucht. Eine Kombinationsmöglichkeit mehrerer solcher eindimensionaler Begriffe bzw. von Abschnitten aus solchen Begriffen erfaßt — wiederum graphisch gesehen — zwei Dimensionen; diese Kombination soll deshalb „zweidimensional" genannt werden 5 9 ; ihre graphische Darstellung bedarf der Flächenhaftigkeit. Dieser Zweidimensionalität entsprechen Kombinationen von je eindimensionalen Begriffen derselben Abstraktionsebene. Die dritte D i mension stellt demnach eine Kombination dar, die unterschiedliche Abstraktionsebenen verbindet — dieser dreidimensionale Begriff dürfte sich teils m i t dem decken, was i n der einschlägigen juristischen Literatur häufig als „Typus" bezeichnet w i r d 6 0 . Dementsprechend kann eine derartige Kombination — ein Typ — nicht als qualitativer Begriff oder Klasse i m herkömmlichen Sinn angesprochen oder graphisch flächig dargestellt werden, sondern nur körperhaft. Dies soll nun an einem vereinfachten Beispiel aus dem österreichischen Verfassungsrecht dargestellt werden, das dem Themenkreis der verfassungsrechtlichen Grenzen für das Landtagswahlrecht entnommen ist 6 1 . Die verfassungsrechtliche Grenze des Verhältniswahlrechtes w i r d von P. Oberndorfer 62 derart bestimmt, daß von eindimensionalen Be59

Graphisch dargestellt ζ. B.:

oder

60 Vgl. z.B. Larenz, K . : Methodenlehre . . . , 4. Aufl., 443 ff., insbes. 447 ff.; ders.: „Grundformen wertorientierten Denkens i n der Jurisprudenz". I n : Walter W i l b u r g zum 70. Geburtstag. Festschrift. Graz 1975, 218 ff. 61 Die Argumentation folgt den Gutachten von Oberndorfer, P. / Pern thaler, P. u n d Winkler, G., i n : ÖVP-Landtagsklub (Hrsg.), Verhältniswahl als Verfassungsgrundsatz. Landtagswahl u n d Landesregierungswahl i m Burgenland. Eisenstadt 1976, u n d der Rezension von Koja, F.: „Verhältniswahl als Verfassungsgrundsatz", i n : JB1. 1978, 303 ff. 62 Oberndorfer, P.: „Rechtsgutachten zur Verfassungsmäßigkeit des Ge-

2. Intersubjektivitätsvermittlung durch deduktive L o g i k

45

griffen ausgegangen wird, deren Abstufungsrichtung entweder ausdrücklich durch Anführung des verfassungsrechtlich unzulässigen Gegenbegriffes angegeben ist oder sich jeweils aus dem Kontext ergibt. So heißt es 63 : „Das Verhältniswahlrecht bildet den Gegensatz zum Mehrheits- oder Minderheitswahlrecht." M i t der Angabe der Abstufung i n Richtung der verfassungsrechtlich unzulässigen — weil m i t der verfassungsrechtlich gebotenen Verhältniswahl i n „Gegensatz" stehenden — Mehrheits- oder Minderheitswahl ist nun bereits die Bildung eines ersten qualitativen, klassifikatorischen Begriffes möglich: er umfaßt die Klasse jener Sätze, die verfassungsrechtlich aus der Stufung jedenfalls auszuscheiden sind, weil sie dem Mehrheits- oder Minderheitswahlrecht zugeordnet sind. Verfahrenstechnisch geschieht die Prüfung der Frage, ob die jeweilige Abstufung verfassungsrechtlich zulässig ist, dadurch 64 , daß von der i n Rede stehenden Abstufung eine oder mehrere Ableitungen vorgenommen werden. Die dermaßen gewonnenen Sätze 65 werden mit jenen Sätzen über denselben Bereich verglichen, deren verfassungsrechtlicher Status allgemein als hinreichend geklärt g i l t 6 6 . Ergibt dieser Vergleich, daß die aus der i n Rede stehenden Abstufung gewonnenen Sätze i m Widerspruch zu den zum Vergleich herangezogenen und als verfassungsmäßig erachteten Sätzen stehen, so gelten die geprüften Sätze als verfassungswidrig. Daraus w i r d gefolgert, daß die Grundlage dieser Sätze, die i n Rede stehende Abstufung, verfassungswidrig ist: denn das Ergebnis kann i m Rahmen deduktiver Verfahren nie einen anderen Gehalt aufweisen als er schon i n den Prämissen vorhanden ist. Ist daher das Ergebnis einer Deduktion abzulehnen, so t r i f f t dies auch die Ableitungsbasis. Eine solche Abstufung gehört dann zur Klasse der ausgeschlossenen, d. h. verfassungsrechtlich unzulässigen Abstufungen — dies deshalb, weil eben „Folgerungen" aus i h r zu verfassungsrechtlich unzweideutig unerlaubten Ergebnissen führen 6 7 . I n der Referierung durch F. Ko j a 6 8 w i r d dies so ausgedrückt: „daher ist ein Wahlrecht, das setzesbeschlusses des burgenländischen Landtages vom 22. A p r i l 1976, m i t dem die burgenländische Landtagswahlordnung geändert w i r d " . I n : Verhältniswahlrecht als Verfassungsgrundsatz, 31 ff.; Ko ja, F.: „ V e r h ä l t n i s w a h l . . . " , 303 f. — Podlech, Α.: „Wertungen . . . " , 187 ff., sieht i n diesem Verfahren die rationale Behandlung „vager" Begriffe möglich. 63 Oberndorfer, P.: 32. 64 Wie bei den reduktiven Verfahren i m einzelnen auszuführen sein w i r d . 65 Hier z.B. aus dem Mehrheitswahlrecht: es k o m m t für die Zuteilung von Mandaten auf eine absolute Stimmenzahl an; und: es k o m m t bei dieser Frage nicht auf eine Proportionalität zwischen den Mandaten u n d den W ä h lerstimmen an. ββ Als ein solcher „Basissatz" k o m m t für das Beispiel etwa i n Betracht: F ü r die Mandatsaufteilung k o m m t es auf eine Proportionalität zwischen Wählerstimmen u n d Mandaten an. 87 W o m i t der Anschluß an die Ausführungen beim Werteproblem zum Thema „Folgendiskussion" hergestellt ist.

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T e i l I : Die I n t e r s u b j e k t i v i t ä t

für die Zuteilung von einem oder mehreren Mandaten auf eine absolute Stimmenzahl und nicht auf eine wie auch immer berechnete Proportion zwischen den für die einzelnen Parteien abgegebenen Stimmen abstellt, verfassungswidrig". Für die Abstufung der dazwischenliegenden Möglichkeiten kommt es auf das Kriterium an, nach dem abgestuft wird. Aus der Vielzahl von denkbaren Kriterien dürfen aber nur solche ausgewählt werden, die sich auch als verfassungsrechtlich verankert erweisen. Ist kein derartiges K r i t e r i u m i n der Verfassung — des Bundes wie des jeweiligen Landes — aufzufinden, so berechtigt dieses Ergebnis zum Schluß, daß der einfache Gesetzgeber frei sei: Für die Zwecke der Feststellung der verfassungsrechtlichen Grenzen des einfachen Gesetzgebers i m Hinblick auf das Verhältniswahlrecht und Mehrheits- bzw. Minderheitswahlrecht ist dann eine weitere Abstufung nicht mehr nötig: „Da das Prinzip des Verhältniswahlrechtes eine Vielzahl von Systemen zuläßt und auch der Landesverfassungsgesetzgeber keine bestimmte Ausgestaltung des bundesverfassungsgesetzlich vorgesehenen Verhältniswahlrechtes zum Landtag vornahm, ist dem einfachen Landesgesetzgeber freigestellt, die Landtagswahlordnung nach seinem Belieben zu gestalten 69 , sofern das von i h m verwendete Wahlsystem nur an sich den Grundsätzen oder Regeln der Verhältniswahl entspricht 70 ." Nach dieser Bestimmung eines eindimensionalen Begriffes werden weitere eindimensionale Begriffe bestimmt, die zusammen das „Wesen des Verhältniswahlrechtes" ausmachen 71 . I m einzelnen w i r d so noch als eindimensionaler Begriff das Listenwahlrecht 7 2 angeführt: Ausgangspunkt ist dabei die Festlegung, daß Träger des Rechts auf verhältnismäßige Vertretung die „wahlwerbende Partei" ist. Als Abstufungsrichtung w i r d die Position bestimmt, wonach Träger dieses Rechtes die einzelne, sich u m ein Mandat bewerbende Person ist, wobei auch hier wegen des ausschließlichen Zwecks der verfassungsrechtlichen Grenzbestimmung eine weitere, mögliche Abstufung nicht vorgenommen wird. Legt man nun diese beiden je eindimensionalen Begriffe zusammen, so ergibt sich eine weitere Möglichkeit zur Bildung einer Klasse, nämlich i m ersten eindimensionalen Begriff alle jene Sätze zusätzlich als verfassungswidrig auszuschließen, nach denen zwar nach Verhältnis88

Ko ja, F.: 303 f. Fessier , P. : „Müssen die Landtagswahlordnungen der Nationalrats-Wahlordnung 1971 angepaßt werden?" I n : ÖJZ 1973, 533. 70 Oberndorfer, P.: 31. 71 Oberndorfer, P.: 31 f. unter Berufung auf den Verfassungsgerichtshof. 72 Oberndorfer, P.: 32. 69

2. Intersubjektivitätsvermittlung durch deduktive L o g i k

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Wahlrecht aber doch so gewählt wird, daß Träger des Rechts auf verhältnismäßige Vertretung die Person wäre, die sich um das Mandat bewirbt. A u f diese Weise ist es möglich, durch Einbeziehung der weiteren eindimensionalen Begriffe samt ihrer Abstufungsrichtung und ihrer überlappenden Zusammenlegung einen zwei- oder gar mehrdimensionalen 73 Begriff auf rekonstruierbare Weise zu bilden, d. h. über den Weg abstufbarer eindimensionaler Begriffe einen neuen qualitativen Begriff, den Begriff des bundesverfassungsrechtlich gemeinten Verhältniswahlrechtes zu bilden. Die hier angewendete Verfahrensweise ist typisch für das juristische Denken, die auch als induktiv-typologisch bekannt ist 7 4 . Sie besteht als reduktives Verfahren darin, daß ein Begriff (ζ. B. der Begriff des Verhältniswahlrechtes nach der Bundesverfassung) aus anderen Begriffen nicht nach der A r t der naturwissenschaftlichen Reduktion bzw. auf der Basis dort angenommener Gesetzmäßigkeiten erschlossen wird, sondern dadurch, daß — i m Sinne der hier verwendeten Terminologie — von einem analytisch gewonnenen eindimensionalen Begriff ausgegangen wird. Man braucht zunächst nur zu konstatieren, daß die Verfassung von ihm ausgeht, ohne aber von vornherein seine verfassungsrechtliche Ausprägung i m einzelnen kennen zu müssen. Hingegen kann man durch Angabe der Abstufungsrichtung — die i n die Richtung des jedenfalls verfassungsrechtlich Unzulässigen weist — jene Inhalte des Begriffs ausschließen, die von Verfassungswegen nicht dazu gehören. Bei der Aufgliederung eines Begriffes i n seine eindimensionalen Begriffe (Elemente) erhält man nur die reduktive, daher nie vollständige „Gewißheit", daß der Inhalt nicht verfassungswidrig ist. Dies ist vorläufig dann erreicht, wenn sämtliche Aufgliederungen eines Begriffes, seine eindimensionalen Kriterien, jeweils als verfassungsrechtlich zulässig erachtet werden. Durch diese Ausführungen konnte nun angedeutet werden, daß das Geschäft juristischer Begriffsbildung durchaus nicht von einer solchen A r t sein muß, daß — zumindest auf weite Strecken — die Logik keinen Platz hätte und rationale Rekonstruierbarkeit nicht möglich wäre. Es ist dabei aber auch deutlich geworden, daß die — deduktive — Logik allein nicht genügt, die Akzeptierbarkeit dermaßen intersubjektiv rekonstruierbarer Ergebnisse zu gewährleisten. Neben der allgemeinen Bedeutung, die der Logik i m Rechtsdenken sowie i n allen anderen Bereichen des Denkens zukommt, besitzt sie i m 73 Dreidimensional, wenn unterschiedliche Abstraktionsebenen charakteristisch sind, vierdimensional, w e n n etwa die Zeitdimension von Relevanz ist. 74 Vgl. Schäffer, H. : Verfassungsinterpretation i n Österreich, 80.

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T e i l I : Die Intersubjektivität

Hechtsdenken noch eine besondere: Das Ziel jedenfalls des traditionellen Begründungsdenkens besteht aus guten Gründen darin, daß sich das Ergebnis einer rechtlichen Argumentation letztlich i n irgendeiner 75 logischen Form darstellen lassen muß, weil sonst das Argument logisch nicht gültig wäre. Die Wahl einer solchen Darstellungsform für eine Begründung muß aber keinesfalls m i t dem Anspruch verbunden sein, daß diese Form eine Beschreibung oder Normierung des realen Entscheidungsvorganges wäre oder den Hauptteil der „echten" Begründung lieferte. Die guten Gründe, die diese Wahl rechtfertigen, liegen neben der logisch verbürgten Gültigkeit der Konklusion des Arguments vor allem i n dem sonst kaum erreichbaren Aufweis, was letztlich alles an inhaltlichen Annahmen neben dem Normtext — der ja i n unserer Rechtskultur ausschließlich die unmittelbaren Rechtsquellen beheimatet — nötig ist, um die Konklusion erreichen zu können: Ausgehend von der Konklusion w i r d die Begründungsfrage als Frage nach dem Obersatz bzw. den Obersätzen erhoben. A u f diese Weise zeigen die deduktiven Schemata jedenfalls jene Fragen an 7 6 , die als logisch notwendige Voraussetzungen 77 unbedingt beantwortet werden müssen; es kann die einschlägigen, für die Konklusion notwendigen Informationsgehalte nicht oder jedenfalls nicht auf eine intersubjektiv korrekte Weise bereitstellen. Daß ein derartiger Weg über ansatzweise Versuche hinaus 7 8 auch praktikabel begangen werden kann, zeigen die einschlägigen Versuche z.B. von J. Roedig 79 und jüngst von Tammelo 80. Solche Ergebnisse logischer Rekonstruktion können — um nur solche Bereiche zu erwähnen, für die bereits praktikable logische Verfahren vorliegen 8 1 — etwa sein: die Konklusion folgt nicht zwingend aus den 75 Der syllogistische Modus Ponens ist n u r eine dieser Formen, w e n n auch vielleicht die gebräuchlichste. 78 Die weitere Ausfaltung dieser Überlegungen würde auch i n den Bereich der sog. „Interrogativlogik" führen, u n d insbesondere zur Untersuchung des Zusammenhanges zwischen Sätzen, die der fragenden Kategorie angehören und deskriptiven w i e normativen Sätzen, die die A n t w o r t bilden. Die p r i n zipielle Gangbarkeit u n d die methodische Richtung der Aufarbeitung zeigt: Bunge, M.: Scientific Research I. B e r l i n - Heidelberg - New Y o r k 1967, Vol. 3/1, 170 f.. (4.2. Logic of Problems). Auch: Loeser, F.: Interrogativlogik. Z u r wissenschaftlichen Lenkung des schöpferischen Denkens. B e r l i n (Ost) 1968. 77 Damit ist nicht gesagt, daß diese Voraussetzungen selbst wieder durch logische Verfahren erzeugt sein müßten; es w i r d vielmehr häufig der F a l l sein, daß diese Voraussetzungen zetetisch, ζ. B. reduktiv, erzeugt werden. 78 Vgl. Tammelo, l. / Schreiner, H.: Grundzüge u n d Grundverfahren der Rechtslogik, Bd. 1, insbes. 134 ff. 79 Vgl. z.B. Roedig, J.: Gerichtliches Erkenntnisverfahren. B e r l i n u.a. 1974, insbes. 112 ff. 80 Tammelo, I. : Modern Logic i n the Service of L a w . Wien - New Y o r k 1978, insbes. „Legal Logic i n Action", 71 ff. 81 Vgl. Tammelo, I . / Moens, G.: Logische Verfahren der juristischen Begründung. Wien - New Y o r k 1976.

3. Intersubjektivität durch Analogie

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Prämissen („Ungültigkeit"), die Prämissen enthalten einen Widerspruch („Ungediegenheit"), die Konklusion steht i m Widerspruch zu den Prämissen („Unverträglichkeit") oder es sind überflüssige Prämissen vorhanden („Redundanz"). Der erwähnte Aspekt der für die Zwecke der Rekonvalidierbarkeit 8 2 nutzbaren Rekonstruierbarkeit soll an einem vereinfachten Beispiel dargestellt werden. Geht man z.B. von dem oben gebrauchten Satz aus: „Die Fristenlösung ist keine Verletzung eines Grundrechts" und verwendet man diesen Satz als Konklusion, so geht die Frage nach dem Obersatz dann nach einem oder mehreren Sätzen i m Verfassungsrecht, wonach der Staat zum strafrechtlichen Schutz für das werdende Leben verhalten sei oder nicht. Dieser Begründungsfrage als logisch notwendigem Obersatz widmet sich so auch das umfangreiche und kontroverse Schrifttum zum sog. „Fristenlösungserkenntnis" des Verfassungsgerichtshofes 88 . A u f diese Weise, durch Hinlenken auf die notwendig zu beantwortenden Fragen, kann das deduktive Denken eine wichtige Funktion für das Rechtsdenken beanspruchen. 3. Intersubjektivität durch Analogie I n der L i t e r a t u r 8 4 werden vielfältige Schlußformen unter den Begriff der „Analogie" subsumiert 85 . Da die Besonderheit der Analogie i m Abstellen auf die Ähnlichkeit zweier Sachverhalte liegt und nur „Ver82 Letzterem Aspekt dient ζ. B. der Verfahrensvorschlag der Eliminationsmethode. Vgl. Schreiner, H.: „Nuovi processi logici per il Ragionamento Giuridico". I n : Logica , Informatica , Diritto. Informatica e Diritto 1978/2 (2), 115 ff. 83 Vgl. dazu insbesondere: Grimm, D.: „ D i e Fristenlösungsurteile i n Österreich u n d Deutschland u n d die Grundrechtstheorie". I n : JBL 1976, 74 ff.; Groiss, W. / Schantl, G. / Welan, M. : „Der verfassungsrechtliche Schutz des menschlichen Lebens". I n : ÖJZ 1978, I f f . ; Melichar, E.: „Das Erkenntnis des österreichischen Verfassungsgerichtshofes über die sogenannte ,Fristenlösung'". I n : Convivium utriusque iuris. Festschrift für Alexander Dordett zum 60. Geburtstag. Wien 1976, 91 ff.; Novak , R.: „Das Fristenlösungserkenntnis des österreichischen Verfassungsgerichtshofes". I n : EuGRZ 1975, 175 ff.; Pernthaler, P. (Kommentar zum Fristenlösungserkenntnis des VerfGH), i n : JB1. 1975, 310 ff.; Rosenzweig, W.: „ D r e i Verfassungsgerichte zur Fristenlösung". I n : Festschrift f ü r Broda. Wien 1976, 231 ff.; Waldstein, W.: „Rechtserkenntnis u n d Rechtsprechung". I n : JB1. 1976, 505 ff., 574 ff.; ders.: „ Z u r Rechtsstellung ungeborener K i n d e r " . I n : Kirche u n d Staat. Fritz Eckert zum 65. Geburtstag. B e r l i n 1976, 477 ff. 84 Vgl. so z. B. die Übersichten bei Klug, U.: Juristische Logik, 97 ff.; Kaufmann, Α.: Analogie u n d N a t u r der Sache. Karlsruhe 1965. 85 Clemens, Ch. (Struktur juristischer Argumentation, B e r l i n 1977) kennzeichnet das rechtliche Denken insgesamt als w e i t h i n analog strukturiert. Er benützt den Umstand, daß Wertungen i m Rechtsdenken i m m e r wieder eine erhebliche Rolle spielen, f ü r seine Grundthese, daß i n diesem Bereich nicht nach dem (logischen) Gesetz der Identität (worauf z.B. der Syllogismus beruht), sondern nach der F o r m eines Ähnlichkeitsurteils verfahren werde.

4 Schreiner

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T e i l I : Die Intersubjektivität

gleichbares" verglichen werden soll, ist es angemessen, diesen Schluß immer auf demselben „Niveau" zu halten 8 6 : entweder vom Besonderen zum Besonderen 87 oder vom Allgemeinen zum Allgemeinen 8 8 . M i t h i n dürfen alle jene Elemente aus der Analogie ausgeklammert werden, die ein Übersteigen von einem Niveau auf ein anderes bedeuten, da sie auch reduktive Elemente enthalten 8 9 ; deren Behandlung erfolgt dann über die Anwendung verschiedener anderer Verfahren. Die Analogie bedeutet die Übernahme einer Rechtsfolge, die für einen bestimmten Fall (oder eine bestimmte Fallgruppe) vorgesehen ist, auf einen anderen Fall (oder eine andere Fallgruppe), für den bzw. die diese Rechtsfolge durch den Text der Rechtsordnung nicht unmittelbar vorgesehen ist, wo also eine sog. „echte" Lücke vorliegt: Es „ist zwar eine anzuwendende Rechtsvorschrift vorhanden, aber diese ist i n bestimmter Richtung nicht präzisiert" 9 0 . Wenn bei der „unechten Gesetzeslücke" die Anwendung der Analogie dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben soll 9 1 , so besticht dies auf den ersten Blick. Berücksichtigt man jedoch, daß es i n aller Regel möglich ist, sog. „unechte" Lücken durch entsprechende Interpretation, etwa „Begriffspräzisierungen" i n Normengruppen, die irgendeine Affinität zu dem als rechtlich lückenhaft angesehenen Regelungsziel haben, zu „echten" Lücken umzubauen, so sieht man, daß diese Unterscheidung nicht durchgängig von praktischem Wert ist. Diese Unterscheidung w i r d noch dadurch relativiert, daß das Analogieargument und die extensive Interpretation auf weite Strecken denselben Effekt erzielen lassen. Ein Verbot des Analogiearguments wäre daher nur dann sinnvoll, wenn gleichzeitig auch hinsichtlich der extensiven Interpretation festgelegt würde, daß sie zuminDiese letztere Auffassung w i r d hier deshalb nicht verfolgt, w e i l i m Sinne des bei der Deduktion Gesagten u n d vor allem der folgenden Ausführungen bei der Reduktion i n dieser A r b e i t ein Weg beschritten w i r d , der den Wertungsvorgang i n einer rational vertretbaren Weise i n die traditionellen Verfahren des juristischen Denkens — u n d so auch i n den Syllogismus — einbinden läßt. 86 Vgl. den Begriff „Niveauschluß" bei Klug, U.: Juristische Logik, 103. 87 Tammelo spricht hier von Paduktion. Tammelo , I.: Modern Logic . . . , 153, 156. 88 Tammelo spricht hier von Geduktion. Tammelo, I.: Modern Logic . . . , 153, 156. 89 Etwa eine Induktion oder eine Abduktion. Tammelo, I.: Modern Logic . . . , 152, 156. 90 Walter, R.: österreichisches Bundesverfassungsrecht. Wien 1972, 95. Z u m Lückenproblem w i r d ausführlich Stellung bezogen: 113 ff. 91 Vgl. Walter, R.: österreichisches Bundesverfassungsrecht, 96. Die hier bezogene Unterscheidung i n „echte" u n d „unechte" Lücken findet offensichtlich ihren Sinn i n der Abgrenzung der Zuständigkeit zur Reaktion auf nicht vorhergesehene Sachverhalte zwischen den Legislativorganen einerseits und den Rechtsanwendungsorganen andererseits.

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3. Intersubjektivität durch Analogie

dest nicht dazu verwendet werden dürfte, dasselbe Ergebnis zu begründen, wie die (verbotene) Analogie 0 2 . Die Analogie kann auf verschiedene Weisen als vollständiger Schluß dargestellt werden 9 8 . Eine davon könnte lauten: Wenn ein Sachverhalt si die Hechtsfolge r impliziert und ein Sachverhalt S2 gegeben ist (der s\ ähnlich ist), dann gilt, daß S2 ebenfalls r impliziert. Formal ausgedrückt: C Κ C si r S2 C S2 r

Daß dieser Schluß kein gültiges Schlußmuster ist, ist leicht nachweisbar 94 . Es ist nun leicht zu zeigen, daß der Analogieschluß i n einen gültigen Schluß konvertierbar ist, wenn etwa eine Prämisse eingeführt würde, die die Symmetrie von S2 zu Si festlegt: E S2 si. N u n würde der Schluß lauten: Wenn s\ r impliziert und S2 si gleich ist, dann impliziert S2 r. Formal ausgedrückt: C Κ C si r E S2 s\ C S2 r

Daß dieser Schluß ein gültiges Schlußmuster darstellt, ist leicht nachweisbar 95 . A n dieser Reformulierung sieht man, daß dieser Schluß mit der Prämisse E S2 si steht und fällt, daß er davon abhängt, ob S2 genügend si gleich ist, m i t anderen Worten, ob eine „Ähnlichkeit" zwischen S2 und si besteht. Dies aber w i r d durch Analogieschluß nicht begründet, sondern ist das Ergebnis der Bewertung 96 zweier Sachverhalte. Sohin darf auch für die Analogie festgehalten werden, daß sie für sich allein kein ausreichendes Begründungsverfahren darstellt, 92 Deshalb verbietet § 1 (1) StGB nicht n u r die Analogie, sondern auch die Größenschlüsse zur Schaffung neuer strafrechtlicher Tatbestände. Nr. 3 a zu § 1 StGB i n Mayerhof er Chr. / Rieder, S. (Hrsg.), Wien 1974, 10. Vgl. Kaufmann, Α.: Analogie u n d N a t u r der Sache, 41; Hassemer, W.: Tatbestand u n d Typus, 160 ff.; Priester, J. M.: „ Z u m Analogieverbot i m Strafrecht." I n : Koch, H.-J. (Hrsg.): Juristische Methodenlehre u n d analytische Philosophie. Athenäum 1976, 155 ff. 93 Vgl. Klug, U.: Juristische Logik, 119 f., der dies prädikationen- u n d klassenlogisch tut. 94 Dies soll m i t der Kurzwegtabularmethode (Tammelo , I. / Schreiner, H.: Grundzüge und Grundverfahren der Rechtslogik, Bd. 1) erfolgen: C Κ C si r S2 C S2 r -

+

+

-

-

+

-

+

-

ungültig, da minus zuschreibbar. 95 Dies soll n u n wiederum m i t der Kurzwegtabularmethode erfolgen: C Κ C si r E S2 si C s2 r 96

4*

Vgl. harem,

+

+

+

- -

+

+

K . : Methodenlehre, ζ. B. 367.

- -

+

-

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T e i l I : Die Intersubjektivität

weil die entscheidende Prämisse, die Bewertung zweier Sachverhalte als ähnlich, damit nicht begründet werden kann. Es muß also, soferne die Analogie als Begründungsverfahren Anwendung finden soll, noch ein weiteres Begründungsverfahren für die Bewertung hinzutreten 9 7 . Neben den vorgenannten Argumentformen, die von einem logischen Standpunkt aus betrachtet — ohne entsprechende Reformulierungen — mit Ausnahme der Deduktion (des Subsumptionsschlusses) ungültig sind, gibt es noch eine erhebliche Anzahl ähnlicher Figuren 9 8 , wie ζ. B. das argumentum e contrario, das argumentum a fortiori wie auch die vorerwähnte extensive Interpretation. Alle diese Verfahren der Begründung zeichnen sich — wie die Analogie — dadurch aus, daß sie auch nach entsprechender Reformulierung zu logisch gültigen Schlüssen keine vollständigen Begründungsverfahren sind: es bedarf noch der zusätzlichen Begründung der Bewertung, auf der das Schlußverfahren aufbaut. Dieses zusätzliche Begründungsverfahren wiederum muß auch die Begründung der Frage miteinschließen, warum die Schlußform selbst gewählt wurde, wenn verschiedene mögliche Schlußverfahren zu verschiedenen Ergebnissen führen würden. 4. Intersubjektivität durch Reduktion Während sich die deduktiven Verfahren etwa dadurch kennzeichnen lassen, daß man aus einer konditionalen Aussage und ihrem Vordersatz auf den Nachsatz schließt, läßt sich das reduktive Verfahren dadurch charakterisieren, daß man umgekehrt aus einer konditionalen Aussage und ihrem Nachsatz auf den Vordersatz schließt 99 . M i t den Mitteln der polnischen Notation 1 0 0 ausgedrückt läßt sich die Reduktion folgendermaßen symbolisieren C Κ C χ y y χ

Sprachlich ausgedrückt lautet die Formel etwa so: wenn x, dann y; jetzt ist y y daher χ. 97 I m einzelnen sei verwiesen auf die Untersuchung von Bochenski, J. M. : Über die Analogie. I n : Bochenski, J. M.: Logisch-philosophische Studien, Freiburg - München 1959, 107 ff. 98 Vgl. Klug, U.: Juristische Logik, 97 ff.; Zippelius, R.: Einführung i n die juristische Methodenlehre, München 1971; Tammelo, I. / Schreiner, H.: G r u n d züge u n d Grundverfahren der Rechtslogik. Bd. 2, 109 ff. 99 F ü r die Darstellungen werden durchgehend nur Sätze verwendet, die Aussagen zum I n h a l t haben. F ü r die hier getroffene Charakterisierung vgl. Bochenski, J. M. : Die zeitgenössischen Denkmethoden. 7. Aufl., München 1975, 100 ff., insbes. 101 f., w o sich neben der Charakterisierung auch eine Einteilung findet. 100 Hier werden die Polnischen Notationsregeln i n der F o r m verwendet, w i e sie i n Tammelo, I. / Schreiner, H.: Grundzüge u n d Grundverfahren der Rechtslogik, Bd. 1, 15 ff. dargestellt sind.

. Intersubjektivität durch

eduktio

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Daß diese Schlußform logisch ungültig ist, braucht hier nicht erst nachgewiesen werden. Dieser logisch ungültige Schluß kann ersichtlich konvalidiert werden, wenn man den Konditionalsatz i m Sinne einer „genügenden" und „notwendigen" Bedingung versteht 1 0 1 . Symbolisch ließe sich diese Konvalidierung folgendermaßen darstellen: CKKCxyCyxyx

Sprachlich läßt sich diese Formel etwa folgendermaßen ausdrücken: wenn χ, dann y, und wenn y, dann x\ jetzt y, — daher x. Diese Formel kann zu folgender äquivalenter B i j u n k t i o n umgeschrieben werden: C Κ Ε χ y y χ

Sprachlich läßt sich diese Formel etwa folgendermaßen ausdrücken: genau wenn x, dann y; jetzt y, daher x. Unter der Voraussetzung 102 , daß Begründungen jeweils das Ziel logischer Gültigkeit anstreben sollen, ist m i t der bisherigen Darstellung bereits ein Schema für die Begründung reduktiv ermittelter Denkergebnisse gegeben: man muß versuchen, Bedingungen zu ermitteln, die das Argument letztlich i n der Form einer B i j u n k t i o n darstellen lassen. Dies kann an einem vereinfachten Beispiel deutlich gemacht werden. Gegeben sei das reduktive Schema: Wenn ein Bescheid an einem bestimmten Verfahrensmangel leidet, dann ist ein Rechtsmittel erfolgreich. E i n Rechtsmittel ist erfolgreich. Daher: Der Bescheid l i t t an einem bestimmten Verfahrensmangel. Die konvalidierte Begründung muß i m Sinne des oben Gesagten zum Ziel haben, das Bedingungsverhältnis so zu gestalten, daß daraus ein genügendes und notwendiges wird. I n unserem Fall etwa derart, daß — wiederum vereinfacht — alle Gründe für den erfolgreichen Einsatz einer Bescheidberufung alternativ eingesetzt werden. A u f diese Weise darf dann eine B i j u n k t i o n verwendet werden. Somit hieße die Reformulierung: Genau wenn ein Bescheid an einem bestimmten Verfahrens- oder an einem bestimmten Inhalts- oder an einem bestimmten Kompetenzmangel leidet, dann ist ein Rechtsmittel erfolgreich. Ein Rechtsmittel ist erfolgreich. Daher: Der Bescheid l i t t an einem bestimmten Verfahrens-, Inhalts- oder Kompetenzmangel. A n diesem Begründungsschema w i r d auch deutlich, daß jene scheinbar reduktiven Argumente als deduktiv bezeichnet werden müssen, die 101 Beide Prädikate i m gängigen Sinn. Vgl. Bochenski, J. M.: Die Zeitgenössischen . . . , 113. 102 Sie wurde oben zu Ende der Ausführungen über die Deduktion eingeführt, 48.

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T e i l I : Die Intersubjektivität

lediglich eine reduktive Form auf weisen, semantisch jedoch eine deduktive Struktur besitzen. Dies kann an einem vereinfachten Beispiel dargestellt werden. Wenn unter bestimmten Bedingungen ein Tatbestand erfüllt wird, der i n einem Strafgesetz beschrieben ist, dann w i r d ein Strafgericht tätig: Unter bestimmten Bedingungen wurde ein Tatbestand erfüllt, der i n einem Strafgesetz beschrieben ist. Daher: Ein Strafgericht w i r d tätig. Hier wurde eine reduktive Form gewählt. Trotzdem w i r d jede I n haltsbetrachtung die getroffene Folgerung bestätigen müssen. Dies deshalb, weil das Argument semantisch b i j u n k t i v gemeint ist; Strafverfahren und Erfüllung strafgesetzlich beschriebener Tatbestände stehen i n unserer Rechtskultur i n einem genügenden und notwendigen Bedingungsverhältnis. Formal korrekt muß ein solches Argument daher i n der Form einer B i j u n k t i o n ausgedrückt werden; die bezügliche Schlußfolgerung ist dann nicht mehr reduktiv. Innerhalb des nun grob skizzierten reduktiven Schemas ist noch eine weitere wesentliche Differenzierung zu treffen: i n induktive und nichtinduktive Reduktion, je nachdem, ob der Vordersatz eine Verallgemeinerung des Nachsatzes ist oder nicht 1 0 3 . Damit ist sofort die weitere Problematik deutlich, die m i t der induktiven Reduktion — hier kurz als Induktion bezeichnet — verbunden ist: es ist nicht nur das vorbeschriebene Reduktionsproblem des Schlusses vom Nachsatz auf den Vordersatz, es t r i t t dazu noch das Problem der Verallgemeinerung. Diese letztgenannte Problematik ist nochmals zu differenzieren nach der Eigenart der „Gegenstände", die verallgemeinert werden: Sätze, die Urteile über Tatsachen ausdrücken — hier kurz als Tatsachenurteile bezeichnet; Sätze, die Rechtsnormen ausdrücken — hier kurz als Rechtsnormen bezeichnet; Sätze, die Werte bzw. Werturteile ausdrükken — hier kurz als Werturteile bezeichnet. U m die sich daraus ergebenden Eigenarten auch i m Verfahren deutlich zu machen, werden die diesbezüglichen induktiven Verfahren i m Anschluß an I. Tammelo 104 als Induktion (i. e. S.), Abduktion und Euduktion bezeichnet werden. Diese Verfahren sollen sodann wiederum unter den beiden Hauptgesichtspunkten geschildert werden, unter denen das induktive (i. w. S.) Verfahren auftritt: einmal der Aspekt, der darin besteht, daß man bei dem 103 Hier w i r d von der vollständigen u n d der mathematischen I n d u k t i o n abgesehen. Vgl. dazu: Bocheûski, J. M.: Die zeitgenössischen . . . , 117. 104 Tammelo , I. : Modern Logic . . . , 149 ff. („Zetetic Procedures for Legal Reasoning"). Die E u d u k t i o n zählt i n diesem Schema zu den endoduktiven Verfahren. Aus Gründen des thematischen Zusammenhanges muß hier auf sie eingegangen werden.

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seinem Wahrheitswert nach unbekannten Vordersatz beginnt und zum bekannten oder doch feststellbaren Nachsatz fortschreitet; die sog. „progressive" Reduktion, die gerne als „Verifikationsverfahren" bezeichnet wird. Der andere Aspekt besteht darin, daß bei dem seinem Wahrheitswert nach bekannten Nachsatz begonnen und zum unbekannten Vordersatz übergegangen w i r d ; die sog. „regressive" Reduktion, die oft als „Erklärung" (i. w. S.) bekannt i s t 1 0 5 und für den Zweck einer genaueren Analyse unter weiteren Aspekten, wie kausalen und teleologischen Erklärungen, Konkomitanzgesetzen und funktionalen und unbedingten und statistischen Gesetzen gesehen werden kann 1 0 6 . Die Hauptformen, i n denen das der Induktion i. w. S. 1 0 7 zu unterwerfende Material auftritt, sind i m Sinne des oben Gesagten Tatsachenurteile, Rechtsnormen und Werturteile. Diese Dreiteilung bietet aber auch einen genügenden Hintergrund für eine Differenzierung der zugrundeliegenden geistigen Situation, die m i t dem „Wahrheitsproblem" grob angedeutet werden kann. Von einem differenzierten Wahrheitsund Erkenntnisbegriff, der für alle drei angeführten Kategorien reichen soll, über die Einführung eines pragmatischen Wahrheitsbegriffs für Werturteile und letztlich bis zur Trivialisierung und Elimination des Wahrheitsproblems reichen diese Möglichkeiten der Differenzierung 1 0 8 . A n dieser Stelle soll die betreffende geistige Situation so gemeint werden 1 0 9 , daß das „Erkennen", das bei Tatsachenurteilen i m Vordergrund steht, und das „Anerkennen", das bei Werturteilen zu dominieren scheint, nicht von vornherein dichotomisch, sondern nur als die beiden Pole des einheitlichen Wahrheitsproblems zu sehen sind. Je nach der Eigenart des Materials w i r d mehr oder weniger persönlicher Einsatz gefordert und ist dementsprechend der Anteil des Anerkennens größer oder kleiner 1 1 0 . Die Gewähr, daß zwischen Erkennen und Anerkennen kein unüberbrückbarer Gegensatz entsteht, w i r d durch die Beachtung ethischer Forderungen gegeben, die — abkürzend formuliert — bestimmte Anforderungen an das „wertende Subjekt" stellen, 105

So über diesen Gesichtspunkt Bochenski,

J. M. : Die zeitgenössischen . . . ,

101.

106

Vgl. Bochenski, J. M.: Die zeitgenössischen . . 1 1 2 ; auch Wright, G. H. v.: Erklären u n d Verstehen, 16 ff. 107 D. i. die I n d u k t i o n i. e. S., die A b d u k t i o n u n d die Euduktion. 108 Vgl. den Überblick bei Kraft, V.: Erkenntnislehre, 154 ff. 109 Dies k a n n hier n u r andeutungsweise geschehen; ausführlicher lege ich dies i m nächsten Abschnitt dar. 110 Daß es vertretbar ist, einen Erkenntnisbegriff zu stipulieren, der bei allen Erkenntnisleistungen prinzipiell u n d stets auch einen A k t subjektiver Leistung m i t einbezogen sieht, k a n n unter Hinweis auf die der „Hermeneut i k " einerseits u n d der „Wissenschaftstheorie" andererseits zugrundeliegenden u n d je gesicherten Auffassungen ohne weitere Begründung vorausgesetzt werden.

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T e i l I : Die Intersubjektivität

so daß die getroffenen Wertungen den Anspruch auf Allgemeinvertretbarkeit und Akzeptierbarkeit erheben können 1 1 1 . Als Tatsache w i r d alles begriffen, was hauptsächlich durch eine sensualistisch bestimmbare Komponente konstituiert ist. Dabei steht dominierend das Erkennen i m Vordergrund 1 1 2 ; das Anerkennen ist jedenfalls i n der Regel nicht problematisch. Als Werte sollen alle jene geistig-gedanklichen Einheiten gelten, die wesentlich als Sinnbezüge zu verstehen sind, als Bezugspunkte für Stellungnahmen, für Beurteilungen. Diese Werte können (insoferne man nicht für alle oder einige ein ontologisches objektives Wesen postuliert, weil man — wie hier z. B. — aus methodischen Gründen eine Basis wählen w i l l , die den Anspruch erheben kann, intersubjektiv akzeptabel zu sein) zunächst rein subjektiv als Werturteile konstituiert werden. Ihre intersubjektive Anerkennung erhalten sie durch ein euduktives Verfahren. Werturteile können zwar regelmäßig i n Weisungen (Normen) übersetzt werden, sie finden aber ihre intersubjektive Geltung schwerpunktmäßig i n einem A k t der Anerkennung, der ihnen euduktiv vermittelt w i r d 1 1 3 . Rechtsnormen hingegen — und somit auch die allenfalls hinter ihnen stehenden Werte bzw. Wertungen — beziehen ihre intersubjektive Geltung primär nicht aus der Anerkennung 1 1 4 , sondern durch eine ausdrückliche Festlegung, Positivierung seitens einer befugten Autorität. Deshalb können Rechtsnormen auf der Skala der Bipolarität zwischen Tatsachenurteilen und Werturteilen eingeordnet werden: Sie bedürfen, mehr als die Tatsachenurteile, des Anerkennens, w e i l sie als sprachliche Sinngebilde keinen primär sensualistischen Bezug haben; ihre Anerkennung bewegt sich aber i n engeren Grenzen als bei Werturteilen, weil der Umstand zumeist sogar schriftlicher autoritativer Festlegungen einen höheren Grad an Nachvollziehbarkeit, an „Rezeptivität" zuläßt. Die Regressivität besteht bei den reduktiven und so insbesondere auch bei den induktiven Verfahren darin, daß vom Nachsatz 115 zum Vordersatz „rückgeschritten" wird. Das, was damit erreicht wird, sind Hypothesen 116 als Verallgemeinerungen aus den Sätzen, die den Nach111

99 f.

Vgl. Tammelo , I.: Theorie der Gerechtigkeit. Freiburg - München 1977,

112 Was nicht heißen soll — w i e schon angemerkt wurde —, daß nicht auch hier grundsätzlich ein Anerkennen nötig wäre. 113 U m MißVerständnisse zu vermeiden: i m Sinne des oben Gesagten darf hier kein rein pragmatischer Wahrheitsbegriff vermutet werden. 114 die, wie gesagt, durchaus nicht i m Gegensatz zum Erkennen stehen muß. 115 Es w i r d sich hier zumeist u m eine Z a h l von Sätzen handeln, die je besonderer sind als der Vordersatz.

. Intersubjektivität durch

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satz bilden. Aufgabe dieser regressiv gebildeten Hypothesen ist es, eine Erklärung für den Nachsatz zu liefern. M i t anderen Worten, es sollen damit relativ allgemeine Bedingungen angegeben werden, die die Existenz der i m Nachsatz beschriebenen Verhalte als jedenfalls nicht voll beliebig oder zufällig i m Sinne des Unrekonstruierbaren auftreten läßt. Eine derartige Erklärung kann, um die zwei gängigsten wenn auch bestrittenen 1 1 7 Modi zu nennen, eine kausale und teleologische sein. Die kausale ist dadurch gekennzeichnet, daß sie die Ursachen für den Nachsatz angibt, der dann als Folge ausgewiesen ist; die teleologische hingegen ist dadurch gekennzeichnet, daß das Ziel des Nachsatzes angegeben wird. Sieht man einmal von der m i t diesem Begriffspaar verbundenen Problematik ab, so w i r d bereits der große Unterschied deutlich, der sich mit diesen beiden Arten bei der regressiven Hypothesenbildung ergibt: i m ersteren Fall kämen wohl nur Sätze über Verhalte i n Betracht, die zeitlich vor bzw. mindestens gleichzeitig mit der „ W i r k u n g " liegen, die eine — vom jeweiligen Vorgang her — bestimmte räumliche Nähe auf weisen und mindestens als „genügende" Bedingungen angesehen werden können; i m zweiten Fall müßte es sich u m Sätze über Verhalte handeln, das bzw. die (noch) keine „Realität" besitzen bzw. (noch) nicht der Fall sind. Um den philosophischen und methodischen Schwierigkeiten zu entgehen, die ein i n den ontologischen Determinismus führendes Kausalitätsdenken zeitigt, u m andererseits aber auch die Beliebigkeit zu begrenzen und zu disziplinieren, die ein schrankenloser Teleologiebegriff birgt, kann es durchaus zweckmäßig erscheinen, sich auf die Erklärung durch logische Bedingungen zu beschränken: auf genügende, auf notwendige und tendenziell auf genügende und notwendige; m i t h i n die bijunktive Struktur, von der eingangs die Rede war. M i t einer solchen Darstellungsweise, die lediglich nach dem logischen, m i t h i n formalen Bedingungsverhältnis fragt, ist aber das Problem inhaltlich umgangen, was bedeutet, daß die intersubjektive Aktzeptierbarkeit nicht mehr i m Vordergrund der Überlegungen behalten wird. W i l l diese Frage gelöst werden, müssen — abkürzend und vereinfachend gesagt — die Bedingungen ermittelt werden, nach denen i n einem Bereich 1 1 8 regelmäßig und ohne grundsätzliche, als berechtigt erachtete Gültigkeitszweifel, also mit Richtigkeitsanspruch, Verknüpfungen erfolgen; es geht sohin um die Feststellung der „Relevanzbedingungen" der hier als typisch 118

Dieser Begriff w i r d hier nicht weiter differenziert, w e i l dies aus den hier gewählten Darstellungsgründen nicht notwendig ist. Vgl. dazu etwa Bochenski, J. M.: Die zeitgenössischen . . . , 107 ff. 117 Vgl. nur Bochenski, J. M.: Die zeitgenössischen . . . , 114 ff. Dort erst w i r d deutlich gemacht, wie problematisch die gerade i n der juristischen Methodenlehre übliche Gegenüberstellung von „kausal" u n d „teleologisch" ist. 118 So hier: Tatsachenurteile, Rechtsnormen, Werturteile.

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bezeichneten je unterschiedlichen Bereiche von Tatsachenurteilen, Rechtsnormen und Werturteilen. Dies führt dann dazu, daß für den Bereich der Naturwissenschaften — zumindest für die Zwecke der Rechtswissenschaft — das „Kausalprinzip" verwendet werden darf. I m Bereich der Werturteile darf als relevant jedes Argument bezeichnet werden, das sich nach den Regeln des euduktiven Verfahrens einführen läßt. I m Bereich der Rechtsnormen hingegen gilt als relevant ein wiederum differenzierter Bereich. Es ist daher gerechtfertigt, das induktive Verfahren i m Bereich der Rechtsnormen gesondert als abduktives Verfahren auszuweisen. Sobald diese Differenzierungen vorgenommen sind, erscheint es unter dem Gesichtspunkt der Rekonstruierbarkeit und Akzeptierbarkeit zweckmäßig, ein so aufgefaßtes und behandeltes reduktives Argument i n die oben erwähnte bijunktive Form zu bringen. Die regressive Induktion i m weiteren Sinne ist nun unter zwei Gesichtspunkten, die sich schon aus dem Verfahren ergeben, differenzierbar. So sind es einmal die Sätze, die den Nachsatz bilden, von dem auf den Vordersatz übergegangen wird. Der zweite Aspekt besteht i n den Sätzen bzw. dem Satz, der den Vordersatz bildet und der die „Erklärung" i m weiteren Sinne für den Nachsatz bieten soll. Die Arten der Sätze wurden oben schon erwähnt. Tatsachenurteile sind hinsichtlich ihrer intersubjektiv akzeptierbaren Geltung i m allgemeinen und sinnvollerweise jedenfalls, soweit es die Rechtswissenschaft betrifft, methodisch nicht problematisch, zumeist genügt das Instrumentarium des Alltagsverstandes; es steht — abgekürzt und vereinfacht gesagt — ein rezeptives Element des Erkennens i m Vordergrund. Anders scheinen sich die Dinge bei Werturteilen zu verhalten. Sie bedürfen i m allgemeinen zu ihrer intersubjektiv akzektierbaren Geltung noch einer eigenen Begründung, die — wiederum abgekürzt und vereinfacht gesagt — das Anerkennen i n den Vordergrund rückt, ohne daß damit — um es nochmals deutlich zu betonen — eine antithetische Position zum „Erkennen" bezogen wäre. Als Verfahren bietet sich hiefür die „Euduktion" an, die sich i n Anbetracht der besonderen Rolle, die das Subjekt bei Werturteilen einnimmt, i n der Hauptsache als Summe von Regeln darstellt, die sich an das Subjekt richten. Weil diese Regeln grundsätzlich eine Position verlangen, die den Urteilenden über seine Person und seine Situation hinaus verweist, können diese Regeln auch als ethische bezeichnet werden 1 1 9 . 119 Z u diesen Regeln vgl. Tammelo, I.: Theorie der Gerechtigkeit, insbes. 99 ff. Dieses K r i t e r i u m von E t h i k verstehe ich hier i m Sinne einer „ n o t wendigen" Bedingung u n d begründe dies damit, daß die meisten ethischen Systeme sich auch damit charakterisieren lassen.

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Für Rechtsnormen hingegen scheint die Situation wiederum verschieden zu sein. Ihre Position dürfte i n der Mitte zwischen den Polen des „Erkennens" und des „Anerkennens" anzusiedeln sein. So genügt bei ihnen i m allgemeinen zur Begründung ihrer Geltung der rückführende Hinweis auf die Instanz, die den intersubjektiven Geltungsanspruch für ihre Normen erhebt 1 2 0 . Insoweit wären Rechtsnormen ähnlich den Sätzen über Tatsachenurteile zu behandeln. Der formale Aspekt allein vermag aber die Geltungsfrage insoweit nicht gänzlich zu lösen, als mit i h m noch nicht eindeutig feststehen muß, worauf sich die Geltung inhaltlich bezieht. Der Inhalt kann jedoch — soweit er nicht eindeutig determiniert ist — nicht subjektiv-willkürlich festgelegt werden, sondern muß, wenn Rechtsinhalte letztlich nicht willkürlich sein sollen, irgendwie dem Anspruch genügen, Nachvollzug zu sein. Damit ist eine ähnlich Problematik angesprochen, wie sie für Werturteile gilt. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, daß die Jurisprudenz Instrumente entwickelt hat, die die Lösung der angesprochenen Frage „objektiv", „subjektunabhängiger" erscheinen lassen. Als grundlegende Positionen, die solche Objektivitätsgarantien abgeben sollen, kommen ζ. B. die Hermeneutik, die Festlegung auf einen normativen oder einen faktischen Konsens oder eine phänomenologisch vermittelte unmittelbare Erkenntnis i n Frage. Diese Positionen drücken sich dann i n den verschiedenen Varianten bzw. Topoiarsenalen aus, i n denen bzw. als welche die „juristischen Interpretationstheorien" zumeist auftreten. So orientiert sich beispielsweise dieser „Nachvollzug" an intensionsbildenden Leitbildern wie etwa dem „historischen" oder dem „vernünftigen" Gesetzgeber oder an „ W e r t " - oder „Zwecksystemen", die aus bzw. hinter der „Grundrechtsordnung" stehend ermittelt werden. Das damit vermittelte Ausmaß an Rekonstruierbarkeit und Akzeptierbarkeit scheint zumeist deshalb ausreichend zu sein, weil solche verwendeten Leitbilder innerhalb einer bestimmten Rechtsk u l t u r durch verschiedene Faktoren 1 2 1 insoferne als zumindest vorläufig gesichert gelten, als ihre Begründung nicht als notwendig erachtet w i r d ; m. a. W., es müssen gute Gründe vorgebracht werden, die das Neuaufrollen der Geltungsfrage erfordern 1 2 2 . Grundsätzlich und i n Zweifelsfragen läuft aber die Frage, welches dieser Leitbilder verwendet werden soll, auf ein Werturteil hinaus — käme also letztlich 120 Diese Rückführung k a n n letztlich i n einem bloß hypothetischen Sinn sein, w i e dies etwa bei der Grundnorm der Reinen Rechtslehre der F a l l ist. 121 ζ. B. Rechtsprechung u n d Lehre. 122 Es findet also gegenüber der einschlägigen Problematik bei den W e r t urteilen eine U m k e h r u n g der Beweislast statt. Insoweit k a n n daher die A u f fassung vertreten werden, daß — methodisch gesehen — die Rechtswissenschaft durchaus — i n einem vernünftigen Rahmen — legitimatorisch konzipiert ist.

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T e i l I : Die Intersubjektivität

doch ein euduktives Verfahren zur Anwendung —, bei dessen Fällung allerdings, i m Unterschied zum euduktiven Verfahren bei reinen Werturteilen, eine Reihe von Besonderheiten Berücksichtigung finden müssen. So ist dabei zu beachten, daß bei den i m Bereich des Rechts zu treffenden Entscheidungen — jedenfalls dort, wo es ein non-liquet nicht geben soll oder ein Urteil i n Schwebe nicht zulässig ist — ein Entscheidungszwang besteht; es ist weiter differenzierend zu beachten, daß Entscheidungen i m Rechtsbereich nicht ohne weiteres oder doch nicht regelmäßig wieder aufrollbar sind, daß sie „Rechtskraft" i m Sinne einer Endgültigkeit erlangen. Schließlich ist der Bereich der zulässigen A r g u mente wie auch der möglichen Entscheidungen von vornherein durch den Rahmen abgesteckt, den die jeweilige Rechtsordnung bildet. Ein Beispiel für die Unterschiedlichkeit von Euduktion und Abdukt i o n 1 2 3 bietet das Problem der sog. D r i t t w i r k u n g der Grundrechte 1 2 4 , das sich u m die Frage rankt, ob und wieweit Grundrechte, deren liberale Konzeption ihre Wirkung auf das Verhältnis von Bürger und hoheitlich handelndem Staat beschränkt, auch auf das Verhältnis zwischen dem privat handelnden Staat und den Bürgern oder überhaupt zwischen allen Privatrechtssubjekten ausgedehnt werden soll. Nach den Grundsätzen des euduktiven Verfahrens wäre jede dieser Auffassungen zulässig und vertretbar, soweit sich nur irgendwelche vernünftige Gründe dafür angeben lassen. Wenn solche Auffassungen, wie etwa die beiden letzteren, als „juristische" vertreten werden sollen, dann kann dies nur insoweit geschehen, als der Bereich der für die Begründung als relevant zugelassenen Gesichtspunkte weiter ist als bei der ersten A u f fassung. I m letzteren Fall sind z.B. nur Argumente zulässig, die sich auf den Normtext selbst berufen können oder doch Deutungen sind, die durch ganz bestimmte, als zulässig erachtete Interpretationsmethoden (ζ. B. durch den traditionellen Auslegungskanon) erzeugt wurden. Je mehr Gesichtspunkte man zuläßt, desto eher ist dann der Normtext nur mehr einer unter mehreren Gesichtspunkten und hätte dann keine besondere, gesteigerte Relevanz für die einschlägige Reduktion 1 2 5 . Eine Entwicklung, die zur Gefährdung der Autonomie des Rechtsdenkens gegenüber den Geistes- und empirischen Sozialwissenschaften bzw. zu einem Aufgehen ersterer i n letzteren führen kann 1 2 6 . 128 Die I n d u k t i o n i. e. S. bleibt hier unberücksichtigt. 124 v g l . hiezu die Ausführungen oben bei der Deduktion u n d insbes. die dort verwiesene Literatur. 125 Solche grundsätzliche Erweiterungen des Relevanzbereiches geschehen üblicherweise i m „ H i n - u n d Herwandern des Blicks" zwischen Lebenssachverhalt u n d Rechtsnorm, w i e i h n die juristische Hermeneutik beschreibt (vgl. Engisch, K . : Logische Studien zur Gesetzesanwendung, 14 f.), w i e er i m Spannungsverhältnis von System u n d Problem der Topik deutlich w i r d (vgl.

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Die Abduktion geht i m Sinne des oben Gesagten von einem eingeschränkteren Relevanzbegriff aus — der Rechtsnorm bzw. ihrem Text kommt eine überragende Rolle zu; überdies treten noch eine Reihe weiterer Kriterien bei der Abduktion hinzu, die die Euduktion nicht kennt und wie sie oben beispielsweise m i t dem Hinweis auf Rechtskraft und Entscheidungszwang angedeutet wurden. Unter einem so eingeschränkten Relevanzbereich kann dann eine einschränkende Haltung zum Drittwirkungsproblem vertretbarer sein, auch wenn noch soviele andere, geistes- oder empirisch-sozialwissenschaftlich plausible Gründe für die weitere Auffassung sprechen. Der progressive Aspekt der Induktion (i. w. S.) besteht darin, daß von dem hinsichtlich seines Wertes 1 2 7 unbekannten Vordersatz, der Hypothese 128 , zu dem bzw. den bekannten Nachsatz bzw. Nachsätzen übergegangen w i r d ; dieser Aspekt ist als „Verifikation" bekannt. Verfahrensmäßig läuft er, wiederum vereinfacht dargestellt, derart ab, daß versucht wird, eine spezielle Aussage 129 , deren Wahrheit bekannt ist, aus der Hypothese deduktiv abzuleiten 1 3 0 . Gelingt dies, so gilt die Hypothese als „verifiziert". Gegen dieses Schema können eine Reihe grundlegender Einwände vorgebracht werden: einmal, daß induktiv (i. w. S.) gebildete Hypothesen niemals verifiziert, sondern nur falsifiziert werden können; sodann, daß aus einer Hypothese nicht Sätze abgeleitet werden können, die z.B. Beobachtungen beschreiben — Protokollsätze —, sondern eben nur Abkömmlinge dieser Hypothese. Diese Abkömmlinge können aber dann doch mit Sätzen verglichen werden, die hinsichtlich ihrer S t r u k t u r 1 8 1 zumindest analog sind und Viehweg, Th.: Topik u n d Jurisprudenz. 5. Aufl., München 1974, 31 ff.) oder wie es der Ansatz bei „vernunftrechtlichen Hypothesen" (vgl. Kriele, M.: Theorie der Rechtsgewinnung, B e r l i n 1976, 195 ff., zitiert nach der 1. Aufl.; diesen Ansatz bezeichnet Larenz, K . : Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 144ff., als zu weitgehend) oder beim „Normbereich" (vgl. Müller, F.: N o r m struktur u n d Normativität. B e r l i n 1966) erfordert. A u f die Problematik des Relevanzbereiches w i r d unten beim Wertbegriff anläßlich der „Folgendiskussion" sowie bei den „Modalitäten des rechtlichen Denkens" neuerlich eingegangen. 96 ff., 158 ff. 2 ΐ β v g l . s o die einschlägigen Befürchtungen von Forsthoff, E.: Zur Problem a t i k der Verfassungsauslegung. Stuttgart 1961, 26 ff. 127

Wahrheit bzw. Gültigkeit. Dieser Begriff w i r d nicht weiter differenziert, da dies hier nicht unbedingt nötig ist; vgl. dazu Weingartner, P.: Wissenschaftstheorie I. S t u t t g a r t Bad Cannstatt 1971, 57 ff. Z u m Unterschied induktiver, abduktiver u n d euduktiver Hypothesen der Sache nach: Brecht , Α.: Politische Theorie. Tübingen 1961, Kap. I X , X . 129 Dieser Ausdruck w i r d an dieser Stelle bewußt nicht differenziert eingeführt. 130 Das „hypothetisch-deduktive" Verfahren. 131 ζ. B. aussagende Existenzsätze, die etwas i n eine O r t - u n d Zeitkoordinate einordnen. 128

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T e i l I : Die I n t e r s u b j e k t i v i t ä t

deren Wahrheits- bzw. Gültigkeitswert zwar nicht streng nachweisbar ist, aber auf Grund der „Erfahrung" zumindest i n einer bestimmten Wissenschaft außer vernünftigem Zweifel steht. Die Problematik dieser letzteren Sätze ist unter der Bezeichnung „Basissätze" bekannt. W i derspricht nun ein Hypothesenabkömmling einem Basissatz, so ist die Hypothese „falsifiziert". Sie muß verworfen oder doch zumindest modifiziert werden. Diese Basissätze sollen jene Instanzen abgeben, m i t denen über den W e r t 1 8 2 von Hypothesen entschieden werden kann, indem über die Basissätze die Verbindung mit der ErfahrungsWirklichkeit hergestellt wird, der damit letztlich eine entscheidende Rolle i m Bereich der sog. „Erfahrungswissenschaften" zukommt. Als solche Basissätze 133 werden Existenzsätze angesehen 184 . Wie schon aus dem hier über die Natur der Basissätze Gesagten ersichtlich ist, ist auch ihre Leistung prinzipiell keine endgültige: Sie sind selbst nicht voll bzw. direkt an der Erfahrung überprüfbar; es handelt sich um Sätze, die von bestimmten Erlebniskomponenten abstrahiert sind —; sie sind damit ebenfalls bereits „theoriebeladen", was bedeutet, daß mit ihrer Einführung als Prüfungsinstanz letztlich doch nicht eine (empiristisch) konzipierte Erfahrung allein fungiert, sondern Sätze, die selbst theoretische Konstrukte enthalten 1 3 5 . Ohne hier auf die damit verbundene Problematik näher eingehen zu müssen, kann doch davon ausgegangen werden, daß unter dem Gesichtspunkt einer intersubjektiv zugänglichen Entscheidungsinstanz i m Rahmen der progressiven Induktion (i. w. S.) trotz aller Einwände viel für den Rekurs auf die Erfahrung spricht. Zum anderen darf es i m Hinblick auf die Differenzierungen einzelner Erfahrungsbereiche als zulässig angesehen werden, die Basissätze ebenfalls differenziert zu sehen. So scheint es m i r für den naturwissenschaftlich erfaßbaren Bereich durchaus vertretbar zu sein, die satzförmige Darstellung des Kontrollbereiches auf Existenzsätze zu beschränken, weil es dem Bereich des sinnlich Wahrnehmbaren angemessen ist, daß die unzweifelhafteste 132

Wahrheit, Gültigkeit. Z u ihrer Problematik i m Bereich der Rechtswissenschaft vgl. Henke, W.: K r i t i k des kritischen Rationalismus. Recht u n d Staat, H. 43, Tübingen 1974, 10 f. 134 Vgl. für viele Weingartner, P.: Wissenschaftstheorie I., 149 ff.; insbes. 7.143 (156): Basissätze i n den nicht-mathematischen deskriptiven wertfreien Wissenschaften; 7.154 (162): Basissätze i n den deskriptiven Wertwissenschaften; 7.233 (172): Basissätze i n den Normwissenschaften; i n welchem Zusammenhang auch weitere K r i t e r i e n für die Basissätze dargestellt werden. 135 Z u dem hiefür i n Frage kommenden Erfahrungsbegriff vgl. Kessler, A. S. / Schöpf, A ./Wild, Ch.: A r t . „Erfahrung" i n Krings, H.: u.a. (Hrsg.): Handbuch philosophischer Grundbegriffe. München, Bd. I, 1973, 373 - 386; auch Weingartner, P.: Wissenschaftstheorie I., 5.6 (109 ff.). 133

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Rekursinstanz das — von subjektiven Erlebniskomponenten gereinigte — Wahrnehmen der i n ihrer Einzelhaftigkeit sinnfälligen Wirklichkeit ist. Für den Bereich der Werte bzw. Werturteile und für den Bereich der Rechtsnormen scheint m i r dies nicht ohne weiteres und durchgängig der Fall zu sein. I m Bereich der Werte bzw. der Werturteile bilden auch Universalsätze, wie ζ. B. „Jedem das Gleiche" 1 3 6 als einer Formulierung des Gerechtigkeitsprinzips, den Kontrollbereich. I m Bereich des Rechts bilden diesen Kontrollbereich Rechtsnormen, die auch universell sein können; es können aber auch Rechtsprinzipien i n Frage kommen, die ebenfalls universell formuliert sein können 1 3 7 . Dementsprechend besteht das progressive Verfahren zunächst darin, daß i n einem ersten Schritt der Vordersatz auf jener Stufe der Allgemeinheit zu entwickeln ist, auf der sich der Kontrollsatz befindet. Insoweit nun der so behandelte Vordersatz m i t dem Kontrollsatz nicht übereinstimmt, darf er als „falsifiziert" gelten; die Hypothese muß entweder fallengelassen oder doch modifiziert werden. Insoweit bei der Verwendung von Rechtsnormen und Rechtsprinzipien eine Bewertung 1 3 8 vorzunehmen ist, hat diese nach den Grundsätzen des euduktiven Verfahrens zu erfolgen. Der progressive Aspekt besteht dann darin, daß dieses Werturteil m i t einem anderen Werturteil verglichen wird, von dessen Gültigkeit ausgegangen werden darf. Damit ist nun der Punkt erreicht, an dem deutlich wird, daß sich dieses Verfahren als Oberbegriff für die sog. „Folgenbewertung" oder „Folgendiskussion" anbietet, wo die sozialen Folgen einer Bewertung abgefragt und dann ihrerseits wieder als erwünscht bzw. rechtlich erwünscht oder zulässig bzw. rechtlich zulässig bewertet werden. Fällt letztere Bewertung negativ aus, so hat die Progression zur „Falsifikat i o n " 1 3 9 geführt. N u n ein zur Erhaltung des demonstrativen Charakters stark vereinfachtes Beispiel für eine progressive Abduktion, durch die eine redukt i v gebildete Normenhypothese an Rechtsnormen gemessen werden soll: Zunächst w i r d regressiv 140 die Hypothese gebildet: I n allen Bunΐ3β w e i t e r unten w i r d zum Leerformel- u n d Vagheitsvorwurf solchen Sätzen Stellung genommen.

gegenüber

137 Als Rechtsprinzipien möchte ich hier jene Standards bezeichnen, deren Verwendbarkeit innerhalb einer Rechtsordnung bzw. eines ihrer Teile i m allgemeinen nicht bestritten w i r d . z.B.: „ T r e u u n d Glauben", „Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes" . . . Hier kann auf ihre B i l d u n g u n d Problematik nicht näher eingegangen werden. 138 ^ a s zwar prinzipiell, jedoch i n unterschiedlicher Breite, stets der F a l l ist. 139 Hier klarerweise n u r i n einem übertragenen Sinn zu verstehen. Dieses Verfahren w i r d unten beim Wertbegriff näher behandelt. 95 ff., 101 ff., 103 ff. 140 ζ. B. aus A r t . 2 B - V G , aus weiteren Verfassungsbestimmungen u n d aus einem Verfassungsvergleich.

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T e i l I : Die Intersubjektivität

desstaaten sind alle drei Staatsgewalten (Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit und Verwaltung) jeweils auf die Zentral- und Regionalgewalten aufzuteilen. Daraus folgt, daß i n jedem Bundesstaat die Gerichtsbarkeit auf die Zentralgewalt und die Regionalgewalten aufzuteilen sei. Durch Einsetzung ergäbe sich sodann, daß die Gerichtsbarkeit i n Österreich auf Bund und Länder aufzuteilen sei. Dem steht n u n die Verfassungsbestimmung entgegen, wonach i n Österreich die Gerichtsbarkeit ausschließlich vom Bund ausgeht. Dementsprechend wäre die Hypothese entweder zu verwerfen oder doch zu modifizieren. N u n ein wiederum stark vereinfachtes Beispiel für jene progressiven Verfahren i m Bereich des Rechts, wo Werturteile wesentlich vorkommen: als Hypothese w i r d hinsichtlich der sog. „ D r i t t w i r k u n g " 1 4 1 der Grundrechte alternativ angeboten: Die Grundrechte gelten unmittelbar und uneingeschränkt auch i m Privatrecht (1. Möglichkeit) oder die Grundrechte gelten unmittelbar und uneingeschränkt nur i m Verhältnis von Bürger und hoheitlich verwaltendem Staat (2. Möglichkeit). Jetzt w i r d z.B. festgestellt, daß bei der 1. Möglichkeit wegen des „Gleichheitssatzes" die für das sog. Privatrecht wesentliche „Privatautonomie" und „Dispositionsfreiheit" wegfielen. Damit wäre ein Grund für das Verwerfen der 1. Möglichkeit gegeben und — vorausgesetzt, daß keine weiteren Alternativen 1 4 2 bestünden — die 2. Möglichkeit begründet. Induktiv gebildete Hypothesen begründen i m allgemeinen die Erwartung einer objektiven, naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeit, die auch prospektive Aussagen ermöglicht. Bei Hypothesen aus Werturteilen gilt dies nur unter bestimmten Voraussetzungen, deren häufigste Form die des ethisch begründeten Prinzips der „Gegenseitigkeit" ist 1 4 8 . A u f diese Weise w i r d die Universalisierbarkeit von Werturteilen gefordert; dies nach Grundsätzen, die das euduktive Verfahren bietet. Bei Rechtsnormen erfährt diese Universalisierbarkeitsforderung eine wichtige Eingrenzung: I n Verfolg des unter dem „Rechtssicherheitspostulat" bekannten Grundsatzes muß die Fortentwicklung einer Rechtsordnung größten Wert auf horizontale und vertikale Kontinuität aller zu ihr gehörigen Sätze legen 1 4 4 . Neben dieser, i n der juristischen Methodologie als „Präjudizialitätsbindung" bekannten Einschränkung t r i t t noch eine weitere hinzu: bei abduktiv strukturierten Verfahren 141

Vgl. die einschlägigen Ausführungen bei der „Deduktion". 42. So ζ. B. die Möglichkeit der „Fiskalgeltung" zwischen einem p r i v a t rechtlich handelnden Rechtsträger des öffentlichen Rechts u n d den Bürgern. 143 Vgl. zur „Gegenseitigkeit" als grundlegendem Phänomen ethisch verpflichteter Diskussionen: Schrey, H.-H.: Einführung i n die Ethik. 2. Aufl., 1977, 126 u. ö. I m einzelnen w i r d dazu i m T e i l I I I Stellung genommen. 137 ff. 144 Dazu w i r d i m T e i l I V Stellung genommen. 151 ff. 142

4. I n t e r s u b j e k t i v i t ä t durch Reduktion

βδ

der Bildung von Sätzen i m Recht bzw. über das Recht oder deren Kontrolle spielt die Autoritäts- und Rollenbindung 1 4 5 i m Gegensatz zum euduktiven Verfahren eine besondere Rolle, als den Entscheidungen und Ansichten bestimmter Autoritäten (der Kompetenzträger) bei der Gültigkeitsprüfung oder der Frage der Auswahl zwischen Alternativen ein Vorrang zukommt: Entscheidungen sind auf diese Weise immer auch autoritativ zu rechtfertigen. Diese autoritativen Entscheidungen stellen aber auch herausragende Elemente für die Bildung bzw. die Überprüfung abduktiver Hypothesen dar. Die reduktiven Verfahren legen ihren Einsatz für den Zweck der Gewinnung von Rationalität deshalb nahe, weil ihr Einsatz auf dem Gebiet der Naturwissenschaften — vor allem i n der Form der Induktion — ein hohes Maß an Vorausberechenbarkeit gestattet. Man ist jedenfalls i m Bereich der Naturwissenschaften trotz aller Einschränkungen, die auch dort gemacht werden müssen 146 , auf ihrer Grundlage zur Annahme von Wahrscheinlichkeiten berechtigt. Gerade dies wäre aber für das Rechtsdenken, etwa i m Hinblick auf die Vorauskalkulierbarkeit künftiger Entscheidungen, von außerordentlicher Bedeutung. Wie schon oben dargestellt, bestehen aber trotz aller Strukturgleichheiten zwischen der Reduktion, die sich auf sinnlich wahrnehmbare Vorgänge bezieht (d. h. der Induktion) und der Reduktion, die einen aktiven Beitrag des Reduzierenden fordert (das ist die Euduktion und die Abduktion) wichtige Unterschiede, die auch für die Frage der Wahrscheinlichkeit von Bedeutung sind: So ist leicht klar zu machen, daß i m naturwissenschaftlichen Bereich ein induktiv gefundenes Ergebnis — ein Hypothese — u m so wahrscheinlicher wird, d. h. daß sie als Basis für Vorhersagen künftiger Ereignisse um so tauglicher wird, je mehr Sätze bestätigend w i r k e n 1 4 7 . Genauso leicht ist aber auch klar, daß eine aus Werturteilen gebildete Hypothese allein deshalb nicht plausibler wird, wenn sie durch noch so viele Einzelwerturteile bestätigt wird. Während das Ergebnis der naturwissenschaftlichen Induktion durch die je größere Anzahl bestätigender Sätze wahrscheinlicher, probabler wird, w i r d die Hypothese aus Werturteilen, zwar u m so wahrscheinlicher, je häufiger Werturteile bestätigend auftreten, sie w i r d aber deshalb allein noch nicht plausibler: Die Erreichung freier Zustimmbarkeit zur Werturteilshypothese bedarf noch anderer Kriterien, die 145

Auch dazu w i r d i m T e i l I V Stellung genommen, 161 ff. ΐ4β v g l . s o : Stegmüller, W. / Rudolf Carnap : I n d u k t i v e Wahrscheinlichkeit. I n : Speck, J. (Hrsg.): Grundprobleme der großen Philosophen. Philosophie der Gegenwart I, Göttingen 1972, 45 ff. 147 Daß eine Verifikation durch noch so viele Sätze nicht möglich ist, sei hier nochmals angemerkt, w i e auch der Umstand, daß auch i m wissenschaftlichen Bereich die i n d u k t i v e Wahrscheinlichkeit grundsätzlich Problemcharakter hat.

5 Schreiner

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T e i l I : Die Intersubjektivität

durch das euduktive Verfahren sichergestellt werden sollen: so, indem an den Reduzierenden normative Forderungen gestellt werden, die verhindern sollen, daß er nach Wertungsmaßstäben subjektiv w i l l k ü r licher A r t Werturteile bildet, mit denen er dann eine Hypothese „bestätigt" oder „falsifiziert". I m Rechtsdenken kommen Induktionen vor, soweit es sich u m die Verallgemeinerung von Sätzen über sinnfällige Daten handelt — ζ. B. Hypothesen über Abläufe i n der Sinnenwelt, wie Kausalhypothesen i m Straf recht; solche Hypothesen können durch Sätze über Sinnesdaten bestätigt oder erschüttert werden; je mehr Sätze sie bestätigen, u m so sicherer ist die Hypothese. Es kommen i m Rechtsdenken auch Euduktionen vor, soweit es sich u m die Verallgemeinerung von Sätzen handelt, die Werturteile ausdrücken. Während die Intersubjektivität der Geltung der Sätze, die zur Bestätigung von induktiven Hypothesen herangezogen werden müssen, i n aller Regel unproblematisch ist, müssen die Werturteile — abkürzend formuliert — jeweils erst intersubj e k t i v begründet werden. Dies geschieht dadurch, daß sie intersubjekt i v akzeptierbar gemacht werden. Erst auf solchen Sätzen kann das Verallgemeinerungsverfahren aufbauen. Rechtsnormen hingegen nehmen, wie schon angeführt, eine Mittelstellung ein. Ihre Behandlung erfolgt zwischen den Polen der Induktion und der Euduktion i n der Abduktion. Rechtsnormen sind, wie ebenfalls schon gesagt, den Tatsachenurteilen insoweit ähnlich, als ihre intersubjektive Geltung i m allgemeinen nicht erst begründet werden muß, sondern hingenommen werden kann. Eine weitere Ähnlichkeit besteht auch dadurch, daß bei gegebenen Alternativen jene Bewertung den Vorzug hat, die sich irgendwie auf eine durch das Recht selbst getroffene Fixierung berufen und damit als „Nachvollzug" ausweisen kann. Rechtsnormen sind aber insoferne den Werturteilen ähnlich, als letztlich die — formelle wie inhaltliche — Geltungsfrage des Rechts auf Werturteile verweist und dann, wenn zwischen mehreren rechtlich gleichwertigen Alternativen gewählt werden muß, ein Werturteil nötig ist. Wahrscheinlichkeit kann der Induktion, Plausibilität sinnvoll der Euduktion zugeordnet werden. So wie die Rechtsnormen zwischen Tatsachenurteilen und Werturteilen eingeordnet werden können, ist auch die einer abduktiven Hypothese zuordenbare Eigenschaft zwischen der Probabilität und der Plausibilität zu suchen. Probabilität u n d Plausibilität folgen nun nicht denselben Forderungen: während eine je größere Anzahl von einschlägigen Tatsachenurteilen zu einer Hypothese berechtigt, berechtigt eine je größere A n zahl von Werturteilen allein noch nicht zu einer Werturteilshypothese

4. Intersubjektivität durch Reduktion

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m i t intersubjektivem Geltungsanspruch: da Tatsachenurteile i n der Regel von vornherein intersubjektiv gelten, kann auch die aus ihnen gebildete Hypothese von vornherein einen intersubjektiven Geltungsanspruch erheben, was für Werturteile nicht so von vornherein gilt. Es ist daher sinnvoll, Werturteile zunächst als nur subjektiv gültig zu betrachten und jeweils die Einlösung ihrer intersubjektiven Akzeptierbarkeit zu verlangen, was durch die Beachtung von Maximen erreicht werden kann 1 4 8 . Was für die Bildung einer Hypothese gilt, gilt auch für ihre Widerlegung: während eine Hypothese aus Tatsachenurteilen durch ein Tatsachenurteil widerlegt werden kann, ist dies bei Werturteilshypothesen nicht ohne weiteres der Fall. Noch soviele gleichlautende Werturteile allein vermögen eine plausible Werturteilshypothese noch nicht zu erschüttern, wenn sie selbst nicht plausibel sind. Dies alles berechtigt uns nicht nur zum Zweifel, ob das den Naturwissenschaften entlehnte induktive Verfahren für die Gewinnung von Invarianzen zum Zwecke der Erwartbarkeit von rechtlichen Entscheidungen voll oder überwiegend geeignet ist, sondern gibt darüber hinaus die Berechtigung zur Entwicklung differenzierter einschlägiger Verfahren 1 4 9 . Das induktive Verfahren ist darum nur dort zulässig, wo es sich um Hypothesen handelt, die aus Tatsachenurteilen gebildet sind. Weil bei Werturteilen i m Sinne des Dargelegten die Qualität von Einzelwerturteilen allein noch keine entscheidende Rolle spielt, bedarf es vorweg jeweils der intersubjektiven GeltungsVermittlung dieser Werturteile, wenn die Hypothese intersubjektiv gelten soll. Hypothesen aus Rechtsnormen hingegen stehen dazwischen: einerseits sind sie nicht „begründungsfrei" wie Tatsachenurteile, andererseits aber nicht so „begründungspflichtig" wie Werturteile. A m deutlichsten w i r d dies, wenn man die Intensionen betrachtet, die für die Bildung von Hypothesen verantwortlich sind 1 5 0 : Während Intensionen bei Hypothesen aus Tatsachenurteilen — zumindest für die Zwecke der Rechtswissenschaft — hinsichtlich ihrer intersubjektiven Geltung nicht begründungspflichtig sind, gilt dies aber uneingeschränkt für Intensionen von 148

Solche Forderungen werden i m T e i l I I I dargestellt. Wie dies das Anliegen Τ ammelos ist: ζ. B. Modern Logic i n the Service of L a w . W i e n - N e w Y o r k 1978, 149 ff.; Oers.: „Zetetische Verfahren für j u r i s t i sches Aufweisen". I n : Rechtstheorie 1978 (9), 421 ff. 150 Das sind — u m es nochmals zu sagen — die Gesichtspunkte, die sich normativ-selektiv auf das f ü r die Hypothese heranzuziehende Material u n d normativ-strukturierend auf die B i l d u n g der Hypothese selbst auswirken u n d die als „Verwendungsregeln" dargestellt werden können, ζ. B. i m Rahmen eines „Sprachspiels" i m Sinne Wittgensteins (vgl. so § 130 der „ P h i l o sophischen Untersuchungen". I n : Ludwig Witteng enstein, Schriften. F r a n k furt a. M., Bd. I, Nachdruck 1963). 149

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T e i l I : Die Intersubjektivität

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Werturteilshypothesen und n u r eingeschränkt für Intensionen von Rechtsnormhypothesen. Letzteres deshalb, weil diese Intensionen nicht beliebig eingeführt werden dürfen, sondern sich als i m Recht verankert ausweisen müssen. Ein Beispiel dafür bietet das Erkenntnis des VerfGH zum Bundesstaatsprinzip 151 , wo der VerfGH ausführt, daß für die reduktive Gewinnung nicht irgendeine Bundesstaatstheorie herangezogen werden dürfe, sondern nur eine dem österreichischen Verfassungsrecht entsprechende. Schäffer 152 hebt deshalb dieses Verfahren von der Induktion ab und nennt es induktiv-typologisch, womit angedeutet ist, daß der intensionalen Vorstellung ein besonderes Begründungsaugenmerk zuzuwenden ist.

151

V e r f G H Slg. 2455/1952. 152 Verfassungsinterpretation i n Österreich, 18 f., 80.

Τ ei 1 II

Philosophische und theoretische Horizonte 1. Zum Erkenntnisproblem Wissenschaftliche Erkenntnis zielt auf die Bildung von Sätzen, die als gesichert gelten, intersubjektiv rekonstruierbar sind und auf Akzeptierung hoffen können. Es ist daher angebracht, die Determinanten des hier verwendeten Erkenntnisbegriffes zumindest den Umrissen nach klarzulegen. Dabei soll davon ausgegangen werden, daß nicht irgendein Erkenntnisbegriff adoptiert wird, wie i h n die Philosophie anbietet 1 , sondern es soll vielmehr ein normativer Erkenntnisbegriff 2 gewählt werden. Die Normierung der Erkenntnis soll sich dabei an den Besonderheiten der Gegenstände der Rechtswissenschaft und an den dafür angemessenen und auch üblichen Verfahrensweisen ausrichten. So mag ζ. B. für religiöse Systeme ein Erkenntnismodell angemessen sein, das Begründungsregresse an bestimmten Punkten dogmatisch abschneidet 3 . Philosophische Systeme, vor allem wenn sie sich als kritisch verstehen, lassen ein solches Abschneiden nicht ohne weiteres als angemessen zu. I n der Rechtswissenschaft und insbesondere der Rechtsphilosophie hingegen, die angemessen auch vorwiegend legitimatorisch konzipiert werden kann 4 , darf durchaus auch von der Möglichkeit des Abschneidens von Begründungsregressen ausgegangen werden; Rechtssicherheit, Präjudizialität und Reduktion von Problemkomplexitäten sind nur einige Stichworte, m i t denen dies begründet werden kann. Es mag für die Naturwissenschaften ob der A r t ihrer Gegenstände angängig sein, das direkte, unmittelbare Erkennen möglichst weit zurückdrängen zu wollen. I m Gegensatz dazu lassen es die Gegenstände der Rechtswissenschaft als Kulturwissenschaft 5 angemessen erscheinen, 1 Hinsichtlich der möglichen Grundtypen vgl. die Übersicht bei Kraft, V.: Erkenntnislehre. Wien 1960, 1 ff. 2 Vgl. Kraft , V.: Erkenntnislehre, 23 ff. 3 Vgl. Kraft, V.: Erkenntnislehre, 29. 4 Vgl. Mayer-Maly, Th.: „Philosophie u n d Recht". I n : Festschrift für H e r mann B a i t i zum 60. Geburtstag. Innsbruck 1978, 198; dazu auch: Wróblewski, J.: „ L a w and Philosophy". I n : ÖZÖR 1977 (28) 211 ff. 5 Z u dieser Einordnung vgl. Coing, H.: Grundzüge der Rechtsphilosophie, 3. Aufl., B e r l i n 1976, 85 ff.

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T e i l I I : Philosophische u n d theoretische Horizonte

auch F o r m e n des u n m i t t e l b a r e n E r k e n n e n s v o n v o r n h e r e i n als zulässig z u b e t r a c h t e n u n d sie als solche auch e i n z u f ü h r e n . So k a n n d e r h ä u f i g v e r w e n d e t e A s p e k t d e r T o p i k 6 als F o r m d i r e k t e n E r k e n n e n s i d e n t i f i z i e r t w e r d e n : a n E i n z e l b e i s p i e l e n w e r d e n T y p e n 7 d e u t l i c h , die Rechtsu n d P r o b l e m b e z ü g e 8 v e r s t e h b a r m a c h e n 9 . I n ebendiese R i c h t u n g w e i s t auch das „ V e r s t e h e n " i m S i n n e d e r m o d e r n e n Hermeneutik 10. Ihr G r u n d g e d a n k e besteht d a r i n , daß d i e soziale W i r k l i c h k e i t i m m e r schon eine i n t e r p r e t i e r t e 1 1 W i r k l i c h k e i t ist u n d w i r d e m e n t s p r e c h e n d e i n V o r v e r s t ä n d n i s brauchen, u m e t w a s e i n e m S i n n g a n z e n z u o r d n e n z u können. Dieser G r u n d g e d a n k e k e h r t m e t h o d o l o g i s c h u n t e r d e n verschiedensten p h i l o s o p h i s c h e n V o r a u s s e t z u n g e n w i e d e r . So b i e t e t i m A n s c h l u ß a n d i e „ S p r a c h s p i e l l e h r e " Wittgensteins d i e analytische P h i l o s o p h i e e i n e n A n s a t z , d e r auch f ü r d i e rechtswissenschaftliche H e r m e n e u t i k u n t e r d e m P o s t u l a t m ö g l i c h s t e r I n t e r s u b j e k t i v i t ä t 1 2 v o n Interesse i s t : das „ V e r s t e h e n " als e i n V o r g r i f f a u f die Intension von Begriffen (und von Sätzen, als d e r e n b e d e u t u n g s s t r u k t u r i e r e n d e E l e m e n t e w i e d e r u m B e g r i f f e angesehen w e r d e n d ü r f e n ) w i r d d a d u r c h i n t e r s u b j e k t i v i e r t , daß d i e I n t e n s i o n ü b e r d i e „Verwendungsregeln" des B e g r i f f s d a r s t e l l b a r β Diese Auffassung scheint m i r auch die T o p i k - L i t e r a t u r nahezulegen: Viehweg, Th.: T o p i k u n d Jurisprudenz. 5. Aufl., München 1974 (mit einem umfassenden Literaturverzeichnis auf den Seiten 120 - 130). Insbesondere sei noch hervorgehoben: Otte , G.: „Zwanzig Jahre Topik-Diskussion: Ertrag u n d Aufgaben". I n : Rechtstheorie 1970 (1. Bd.), 183 ff. s. Weinberger, O.: „ T o p i k u n d Plausibilitätsargumentation". I n : ARSP 1974 (59), 17 ff.; kritisch zur Brauchbarkeit der T o p i k jüngst: Schwabe, J.: „Über den Wert von Gemeinplätzen für das Drittwirkungsproblem". I n : Juristische Rundschau 1975, H. 1, 13 ff. 7 Hier n u r i n einem ungenauen, vorläufigen Sinn verstanden. Vgl. dazu die Ausführungen i n T e i l I, 2. 38 ff. u n d insbes. 43 ff. 8 Deshalb erscheint es nicht unrichtig, das topische Denken methodisch als Phase vor dem Schritt der systematischen Erörterung einzuordnen. 9 I n dieser Hinsicht k a n n die Topik als der phänomenalistischen I n t u i t i o n verwandt betrachtet werden: vgl. die diesbezüglichen Nachweise bei Kraft, V.: Erkenntnislehre, 12. 10 Vgl. zusammenfassend: Hinderling, H. G.: Rechtsnorm und Verstehen. Bern 1971; Esser, J.: Vorverständnis u n d Methodenwahl i n der Rechtsfindung. F r a n k f u r t 1975. 11 Damit ist andererseits aber auch die Frage nach der „ideologischen B i n dung" eines solchen Forschungsverständnisses aufgeworfen, der hier nicht näher nachgegangen werden kann. Dafür sei auf die Ausführungen bei Coing , H.: Grundzüge der Rechtsphilosophie, 97 ff. u n d Haverkate, G.: Gewißheitsverluste i m juristischen Denken. B e r l i n 1977, 1 ff. verwiesen. 12 Gerade „ S u b j e k t i v i t ä t " ist einer der Haupteinwände, die gegen die „Hermeneutik" formuliert sind. Vgl. so Schneider, P.: „Prinzipien der V e r fassungsinterpretation". I n : Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 20 (1963), I f f . , 133 ff.; dazu auch Hruschka, J.: Das Verstehen von Rechtstexten. München 1972, insbes. 89 ff. m i t weiteren V e r weisen.

1. Z u m Erkenntnisproblem

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w i r d 1 3 . Als Bezugssprache w i r d hiebei die Umgangssprache 14 oder eine ideale Sprache 15 angegeben. Die dabei auftretenden Unschärfen 16 — die Verwendungsregeln, m i t h i n die Intensionen, bilden zunächst nur Rahmen — können entweder direkt durch Entscheidung, d. i. Festlegung, beseitigt werden oder doch weiter verengt werden 1 7 . Gegen diese Orientierung an den Verwendungsregeln von Sprachspielen i m Rechtsdenken mag eingewendet werden, daß das Rechtsdenken i n einer Fachsprache und nicht i n der normalen Sprache, der Umgangssprache, stattfindet. Demgegenüber darf darauf verwiesen werden, daß die Fachsprachen jeweils die Funktion einer normalen Sprache innerhalb ihres Faches haben und zu der Umgangssprache i n einem jedenfalls bestimmbaren Verhältnis stehen. Deshalb kann auch i m Rechtsdenken von Sprachspielen gesprochen und nach deren Verwendungsregeln gefragt werden 18 . Sprachspiele zeichnen sich dadurch aus, daß sie unproblematisch weil allgemein sind. Deshalb eignen sie sich zu allgemeinen Vergleichsmaßstäben und zu verstehender Problemeinführung 1 9 . Die Außerstreitstellung und damit die Verwendbarkeit von Sprachspielen w i r d i m Rechtsdenken einmal — so wie überall — durch den allgemeinen Gebrauch bewirkt. Darüber hinaus kann dies aber auch infolge der Autoritätsgebundenheit des Rechtsdenkens 20 , der Rechtset13 Hiefür seien als Belege angeführt bei Wittgenstein, „Philosophische Untersuchungen" (in: Wittgenstein, L.: Schriften. F r a n k f u r t 1963), §§ 130, 197 - 199, 202, 241, 242. F ü r die Problematisierung u n d philosophische Absicherung vgl. Kutschera, F. v.: Sprachphilosophie. 2. Aufl., München 1975, 139 ff.; sowie Wright, G. H. v.: Erklären u n d Verstehen; vgl. auch v o m linguistischen Standpunkt: Wunderlich, D.: Grundlagen der Linguistik. Reinbeck b. H a m burg 1974, 236 ff. 14 Vgl. Kutschera, F. v.: Sprachphilosophie, 135 u. ö. 15 I n dieser Richtung w o h l die Rekonstruktion der Erlanger Schule: vgl. dazu Lorenzen, P. / Schwemmer, O.: K o n s t r u k t i v e Logik, E t h i k u n d Wissenschaftstheorie. M a n n h e i m u. a. 1973, 21 ff. 19 Z u r prinzipiellen Unschärfe solcher Begriffe überhaupt vgl. Reisinger, L. : „Juristische Begriffstheorie u n d Theorie unscharfer Mengen (Fuzzy Sets Theory)". I n : Mokre, J. / Weinberger, O. (Hrsg.): Rechtsphilosophie u n d Gesetzgebung. Wien - New Y o r k 1976, 129 ff. 17 Einen solchen Weè bietet die „Erlanger Schule" an, die vorschlägt, diese Rahmen durch nachträgliche Sprachpräzisierungen, die zu Eindeutigkeiten führen, zu beseitigen. Vgl. Kambartel, FJ Mittelstrass, J. (Hrsg.): Z u m normativen Fundament der Wissenschaft. F r a n k f u r t 1973. 18 Vgl. für Sprachspiele i m Rechtsdenken: Aarnio, Α.: On Legal Reasoning. T u r k u 1977, ζ. Β . 47 ff. 19 Vgl. Wittgenstein, L.: „Philosophische Untersuchungen", § 130, letzter Satz. E i n Beispiel der A n w e n d u n g analytischer Verwendungsregel-Konzept i o n auf den „Verstehensbegriff" allgemein Essler, W. K . : Wissenschaftstheorie. Freiburg - München, Bd. I I , 1971, 49 ff.; für das Verstehen i n der Rechtswissenschaft analysiert die Verwendungsregeln Rottleuthner, H.: H e r meneutik u n d Jurisprudenz. I n : Koch, H.-J. (Hrsg.): Juristische Methodenlehre u n d analytische Philosophie. Kronberg/Taunus 1976, 19 ff. („Vorverständnis").

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T e i l I I : Philosophische und theoretische Horizonte

zung i n Form der Gesetzgebung, der Vollziehung durch die Verwaltung, sowie der Rechtsprechung und der m i t all diesen Funktionen verbundene Rechtsdogmatik erfolgen. Diese der Intersubjektivität verpflichtete Konzeption ist der praktischen Rechtswissenschaft i m Kerne geläufig. So w i r d z.B. ein bestimmter Grundrechtsbegriff 21 gerne so zur Darstellung gebracht, daß die verschiedenen Formen seiner Verwendung angegeben und analysiert werden: neben die historischen VerwendungsVorstellungen durch den Gesetzgeber bzw. die sich diesbezüglich aus dem Kontext ergebenden Annahmen t r i t t die Darstellung der sich zumeist ebenfalls auf diesen Ausgangspunkt berufenden verfassungsgerichtlichen Verwendungen i n systematischer Hinsicht — d. h. i n ihrer Relation zu anderen Rechtsbereichen und dogmatischen Konstruktionen darüber — und i n problematischer Hinsicht — d. h. i n ihrer Relation zu den i n einem Zeitabschnitt aktuell betroffenen Lebensbereichen. Wegen dieser Orientierung der Analyse an den systematischen Zusammenhängen und auch den Lebenssachverhalten ergibt sich die Möglichkeit einer dogmatischen, aber zugleich auch kritischen Darstellung der Verwendungsregeln eines Grundrechtsbegriffes. Stellt man die Forderung nach Intersubjektivität i n den Vordergrund und bedenkt man, daß diese Eigenschaft offensichtlich solchen Sätzen besonders eignet, die Sachverhalte beschreiben, die sich als äußerlich meßbar anbieten, dann läge es nahe, das wissenschaftliche Erkenntnisinteresse auf den Bereich der sinnlich wahrnehmbaren Welt einzuschränken 22 . Umfassend ließe sich diese Position nur vertreten, wenn man die „Wahrheitsfrage", etwa i m Sinne einer sensualistisch orientierten positivistischen Auffassung 23 , als vollständig ident mit dem bzw. den Verfahren der Verifikation bzw. Falsifikation auffassen würde 2 4 , wobei dann w o h l die Voraussetzung der Anwendung dieser Verfahren die vollständige Transformierung des jeweiligen Materialobjektes i n die Welt des sinnlich Wahrnehmbaren wäre. Alle Fragen, die sich dann dermaßen nicht auf „Sinnesdaten" i n einer „Beobachtungssprache" reduzieren lassen, werden als „sinnlos" abgewiesen. Dies würde angewendet auf das rechtliche Denken bedeuten, daß alle normativen Fra20

Dazu w i r d i m letzten T e i l dieser A r b e i t Stellung genommen, 151 ff. Ich beziehe mich hier auf die übliche Darstellungsweise ζ. B. i n Ermacora, F. : Handbuch der Grundfreiheiten u n d Menschenrechte. Wien 1963. 22 Vgl. Bochenski, J. M.: Zeitgenössische Denkmethoden. 7. Aufl., Bern u n d München 1975, 64 f. 23 Wonach die Welt als i n Datenkollektionen zerlegbar gedeutet w i r d . 24 Wittgenstein, Schriften I I I . F r a n k f u r t a. M. 1967, 244: „Die Methode der Verifikation ist nicht ein M i t t e l . . . , sondern der Sinn selbst". Vgl. dazu auch Kraft , V.: Der Wiener Kreis. (Der Ursprung des Neopositivismus. E i n K a p i t e l der jüngsten Philosophiegeschichte). 2. Aufl., W i e n 1968. 21

1. Z u m Erkenntnisproblem

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gen i n die Kategorien des sinnlich Wahrnehmbaren umgedeutet werden müßten 2 6 . Praktische Sätze als Sätze, die Normen und Werte ausdrücken, sind dann schon deshalb nicht der Erkenntnis zugänglich, weil sie keine Tatsachenfeststellungen i m empirisch-sensualistischen Sinn sind. Praktische Sätze sind dann aber auch nicht begründungsfähig, womit wohl das Recht dann insgesamt als nicht begründungsfähig gilt. Soweit daher auf dem Boden solcher Annahmen eine Rechtswissenschaft eine Vernünftigkeit i m Recht entdecken oder entwickeln wollte, müßte sie mit einem von dieser Warte aus unwissenschaftlichen, zumeist dann als metaphysisch bezeichneten Rechtsverständnis 26 operieren. Damit wäre aber auch die Möglichkeit einer gerechten und vernünftigen Problembewältigung i m Rahmen einer, wenn auch nicht unbegrenzten Autonomie des rechtlichen Denkens dem Grunde nach bestritten. I n einer solchen Konzeption wäre von vornherein kein Platz für die Erkenntnis von Wahrheit von Normen und Werten, auch nicht i n einem analogen oder differenzierten Sinn. Rechtliche Fragen könnten nur durch Themenverschiebung z.B. als psychologische oder soziologische Fragen gestellt werden. Für die j u ristische Methodologie hieße dies: Wertungsfragen seien grundsätzlich i n den Raum des Irrationalen zu verweisen; sie müssen, u m als Gegenstände der Erfahrung wissenschaftlich greifbar zu werden, i n empirisch gekennzeichnete Bereiche überführt werden. Wenn dies aber methodisch verboten ist, dann ist für das rechtliche Denken Rationalität, wenn überhaupt, nur i m A k t der nicht weiter überprüfbaren, i n der Rechtssicherheit und i m Rechtsfrieden begründbaren Dezision möglich. Eine solche Haltung scheint aber auch i m Bereich des neopositivistischen Ansatzes fragwürdig, wenn man die „3-Reich-Lehre" Poppers 27 oder das Abgehen Hempels von der „neutralen" Beobachtungssprache 28 bedenkt. I n eine ebensolche Richtung, die Wertungen und Normen eine methodisch faßbare Existenz zubilligt, weist auch die Feststellung 25 Diesen Weg scheint der skandinavische Realismus zu gehen: s. Bjarup, J.: Skandinavischer Realismus. Freiburg - München 1978, z.B. 37. Soferne man jedoch das Materialobjekt qualitativ nicht umwandeln w i l l , verbietet sich ein solcher Reduktionismus. Vgl. so f ü r das Rechtsdenken Roedig, J.: Die Theorie des gerichtlichen Erkenntnisverfahrens. B e r l i n u. a. 1974, 254 ff., insbes. 258. 2β Eine solche Position muß deshalb konvergenztheoretisch vermieden werden. 27 Popper, K . : Objektive Erkenntnis. Hamburg 1973, 123 ff. ( „ I I I . E r k e n n t nistheorie ohne erkennendes Subjekt"). So auch die Neukantianische Position bei Richert, wo Werte weder als m i t der O b j e k t w i r k l i c h k e i t noch als m i t Wertungen deckungsgleich verstanden werden (Richert, H.: Der Gegenstand der Erkenntnis. 6. Aufl., Tübingen 1928, ζ. B. 260). 28 Hempel, C. G.: „ O n the »Standard Conception 4 of Scientific Theories". I n : Rucher, M. u.a. (Hrsg.): Minnesota Studies i n the Philosophy of Science. Bd. 4, Minneapolis 1970, 142 ff.

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T e i l I I : Philosophische u n d theoretische Horizonte

Freges: „Die Gedanken sind weder Dinge der Außenwelt noch Vorstellungen, ein drittes Reich muß angenommen werden 2 9 ." Von einer solchen Position aus erscheint es nun möglich zu sein, den genuinen Gegenständen der Rechtswissenschaften, Wertungen und Normen, auch methodisch unmittelbar Rechnung tragen zu können. Allerdings w i r d man sich dabei vor Augen halten müssen, daß die intersubjektivierbare Ermittlung ihrer spezifischen Existenzweise, der „Geltung", nicht als Verifikation bzw. Falsifikation i m üblichen Sinne erfolgen kann 3 0 . Das erscheint — wie dargetan — schon deshalb verständlich, weil sich die i m Wertbereich verwendeten Sätze nicht i n einer solch sinnfälligen Weise auf die Außenwelt beziehen wie i m Tatsachenbereich, wo die intersubjekti ve Rekonstruierbarkeit und Akzeptierbarkeit, ihr „Wahrheitsanspruch", zumeist sinnvoller Weise gar nicht problematisiert zu werden braucht. Anders ist dies i m Bereich der Werte und Normen, wo eine derartige intersubjektiv als zuverlässig erachtete Basis nicht vorhanden scheint 31 : Die Einlösung des „Geltungsanspruches" von Sätzen, die Urteile über Werte und Normen ausdrücken, erfordert die Berücksichtigung eines weiteren bereits mehrfach herangezogenen Aspekts, der i n seiner Verbindung mit dem Wahrheitsproblem i m nächsten Kapitel behandelt werden soll. M i t den bisherigen Darlegungen ist hinlänglich deutlich geworden, daß die einschlägige Problematik um zwei bereits mehrfach erwähnte Pole kreist: das — tendenziell rezeptive — Erkennen und das — tendenziell subjektiv-aktive — Anerkennen. Diese beiden Aspekte lassen, wenn man sie jeweils i m Extrem betrachtet, als Ziel des Erkennens entweder nur die Herstellung einer Entsprechung zu einem objektiven Verhalt oder aber nur die Herstellung subjektiver Gewißheit als zulässig auftreten. Beide Aspekte scheinen aber, wenn man die Wirklichkeit praktischer Diskussion betrachtet, Elemente zu sein, die stets kombiniert auftreten. Die Spanne zwischen diesen beiden Polen 8 2 scheint es zu erlauben, das Wahrheits- und das Geltungsproblem als ein zwar einheitliches, aber doch zwischen den beiden Polen an verschiedenen Punkten angesiedeltes Problem zu begreifen 83 . Urteile über Tatsachen der sinnlich wahrnehmbaren Außenwelt bedürfen im allgemeinen hinsichtlich der Feststellung, ob sie wahr oder 29

Frege , G.: Logische Untersuchungen. (Hrsg. v. Patzig, G.), Göttingen 1966,

43. 30 Vgl. dazu die Darstellung i m Teil I, vor allem die Ausführungen bei den reduktiven Verfahren. 31 Vgl. auch Kraft, V.: Erkenntnislehre, 347 ff., insbes. 365 f. 32 Vgl. die Ausführungen zur Abstufbarkeit von Begriffen als Vorstufe zur Begriffsbildung i m K a p i t e l 1/2., 39 ff. 33 Vgl. dazu: Zippelius, R.: „Über die Wahrheit von Werturteilen". I n : Spanner, H. u . a . (Hrsg.): Festgabe für Theodor Maunz. München 1971, 507ff.

1. Z u m Erkenntnisproblem

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falsch sind, keiner subjektiven Zustimmung, keiner Anerkennung, wenn davon abgesehen werden darf, daß auch für die Naturwissenschaften gilt, daß der Beobachter das Objekt allein schon durch seine Fragestellung, seine Antworterwartung verändert, es also auch hier keine von subjektiven Einflüssen freie Erkenntnis i m strengsten Sinne gibt. Während dieser Umstand etwa für die Mikrophysik oder die Astralphysik von stets erheblicher unmittelbarer Bedeutung ist 3 4 , darf er dort vernachlässigt werden, wo eine Einzelwissenschaft, wie etwa die Rechtswissenschaft, m i t naturwissenschaftlichen Verfahren nur i n einem heteronomen Sinne zu t u n hat. Er w i r d für die betreffende Einzel Wissenschaft jedenfalls dann erheblich, wenn i m naturwissenschaftlichen Bereich der werthafte Deutungsrahmen einer Theorie fragwürdig oder abgelehnt wird. Anders aber verhält es sich dann, wenn es um Rechtsnormen und wenn es u m Werte geht: dort muß, wie anläßlich der Schilderung der reduktiven Verfahren dargestellt 35 wurde, zwischen Rechtsnormen, Werten und Wertungen differenziert werden und es muß der Geltungsanspruch noch gesondert durch die Angabe von Gründen eingelöst werden. Soll nicht jeweils einer der beiden oben genannten Aspekte des Erkennens und Anerkennens aus den Augen verloren werden, so kann die intersubjektive Einlösung des Geltungsanspruches nicht i m Sinne eines beliebigen oder faktischen Konsenses zwischen den je Beteiligten oder als bloße Funktion einer Übereinkunft gedeutet werden, vielmehr muß der Aspekt des „Erkennens" insoweit Beachtung finden, als eine angemessene Entsprechung zu allen greifbaren Aspekten und Relationen, i n die das als werthaft oder normativ gekennzeichnete Problem eingebettet ist, bestehen muß. E i n Verfahren der Einlösung der Geltung von Werten und von Rechtsnormen muß daher von einer Norm als Ordnung und Lenkung des Wollens geleitet sein, nach der möglichst alle Aspekte heranzuziehen und zu berücksichtigen sind, die als Bedingung (als Voraussetzung oder Folge) einer Wertung oder einer Rechtsnorm erscheinen. Eine derartige Norm ist an dieser Stelle damit beschrieben, daß i h r Zweck die Sicherstellung der Berücksichtigung sämtlicher Gegebenheitsweisen einer Sache (i. w. S.) ist 8 8 , oder m i t dem normativen Hinweis der Hermeneutik, daß Voraussetzung des Konsenses „Sachkundigkeit" sei. Die auf diese Weise zur Verfügung stehenden 34 Wie stark theorieabhängig auch naturwissenschaftliche Aussagen über Empirisches sind, zeigt an den Beispielen der galileischen u n d kopernikanischen Theorien Feyerabend , P. Κ . : „ V o n der beschränkten Gültigkeit methodologischer Regeln". I n : Dialog als Methode. Göttingen 1972, 124 ff. 35 Siehe i m vorigen T e i l ζ. B., 54 u. Ö. 36 So z.B. Apel, K.-O.: „ F r o m K a n t to Peirce. The Semiotical Transformation of Transcendental Logic". I n : Beck, L. W. (Hrsg.): Proceedings of the T h i r d International K a n t Congress. Dordrecht 1971, 58 ff. u n d die Nachweise dort.

T e i l I I : Philosophische u n d theoretische Horizonte

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Sachgesichtspunkte 37 bedürfen noch eines Beurteilungsmaßstabes, der später behandelt w i r d 3 8 . Hier möge die Andeutung genügen, daß damit zunächst etwa alles das vertreten werden darf, was die Hermeneutik m i t den „vernünftig und gerecht Denkenden" bezeichnet oder Perelman als „universelles Auditorium" oder Tammelo als „Forum der Vernunft". A u f diese (konvergenztheoretische) Weise soll ein Verständnis von Konsens i m Norm- und Wertebereich ermöglicht werden, wonach der dermaßen angesprochene Konsens als Indikator für die Wahrheit aufgefaßt werden darf. Eine solche Konzeption bietet den Vorteil, daß sie die Hauptgegenstände, mit denen es die Rechtswissenschaft zu t u n hat, nämlich Normen und Werte, nicht unter ein Erkenntnisschema zwingt, das neben der empirischen Allgemeinheit und der logischen Notwendigkeit keinen mittleren Bereich kennt: zwei Grundlagen von Erkenntnis, die Normen und Werten bzw. Wertungen nicht angemessen sind und daher zu deren Umformulierung oder Abweisung zwingen 3 9 . Dieser mittlere Bereich scheint jedoch m i t der oben skizzierten Position erfaßbar. Der Bipolarität von Erkennen und Anerkennen entspricht die Gegenüberstellung von Tatsachenurteilen und Werturteilen. Wie schon angedeutet wurde, braucht diese Gegenüberstellung nicht i n einem ausschließenden klassifikatorischen, sondern kann auch i n einem nach der Intensität der vorhandenen Wertprädikate abstufbaren Sinn verstanden werden. I m Rahmen solcher Abstufungen können sodann Klassen gebildet werden. Den auf diese Weise gebildeten Klassen können nun die entsprechenden Verfahren — jeweils orientiert an der Eigenart der Klasse, auf die sie sich beziehen — zugeordnet werden. Dies kann graphisch folgendermaßen veranschaulicht werden: Erkennen

Anerkennen

Wertprädikate (WP) kommen nicht vor

WP kommen nur unwesentlich vor

WP kommen wesentlich, aber objektiv vor (sie lassen sich in irgendeinem Sinn als vorgegeben auffassen)

WP kommen wesentlich und subjektiv vor

Kl. 1

Kl. 2

Kl. 3

Kl. 4

Tatsachenurteile

Rechtsnormen

Werturteile

Induktion

Abduktion

Euduktion

37 Wobei „Sache" i n einem erweiterten, auch Rechtsnormen, Werte u n d Wertungen einschließenden Sinn gemeint ist. 38 Dazu w i r d ausführlich i m T e i l I I I Stellung genommen, ζ. B., 137 ff. 39 Dazu: Wright , G. H. v.: Erklären u n d Verstehen, insbes. 31.

1. Z u m Erkenntnisproblem

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Die Formationen, die zu den Klassen 1 und 2 gehören, sind relativ i m problematisch Gegenstand der traditionellen Wissenschaftskonzeption 40 . Die zur Klasse 3 gehörenden Formationen beziehen sich auf Werturteile und sind daher vor dem Hintergrund der traditionellen Wissenschaftskonzeption problematisch. Es handelt sich hier aber nicht u m Wertungen, die der Rechtsordnung von außen, vielleicht sogar rein subjektiv aufgepfropft werden, sondern u m Wertungen, die, weil sie als den Rechtsvorschriften immanent gedeutet werden, als Nachvollzug verstanden werden können 4 1 . Die Formationen hingegen, die zur Klasse 4 zu rechnen sind, müssen nach der traditionellen Konzeption ausgeschieden werden: sie sind kein „rechtstheoretisches, sondern ein rechtspolitisches Problem" 4 2 . Beschränkt man sich auf Formationen der Klasse 3, so kann man dennoch nicht ohne Formationen der Klasse 4 auskommen, weil die Entscheidung zu treffen ist, wie an die Formationen der Klasse 3 heranzugehen ist, so ζ. B. hinsichtlich der Normstruktur: ob ein offenes oder ein geschlossenes System anzunehmen ist und dgl. Dies führt nun für jene Methoden, die ihren Wissenschaftsbegriff nur bis zu Formationen der Klasse 3 ausdehnen, dazu, daß sie, um i h r Objekt abdecken zu können, eine Leistung vollbringen müssen, die i n die Klasse 4 gehört. Die hier vorgenommene Konzeption der Abstufbarkeit zwischen Erkennen und Anerkennen muß sich, wenn sie eine Vermehrung von Rationalität sein w i l l , um eine gegenseitige Vermittlung von Erkennen und Anerkennen bemühen. Das Vehikel dieser Vermittlung kann i n der Vernunft gesehen werden, wobei gerade bei Werturteilen 4 3 eine Überholbarkeit schon deshalb nicht ausgeschlossen werden kann, weil aus den verschiedensten Gründen immer wieder neue Aspekte entstehen können. So ist jedenfalls für den Bereich der Werturteile die Geltungsdiskussion eine nie gänzlich abgeschlossene; sie kann aus „guten Gründen" wieder aufgenommen werden. Der Konsens, der als Synonym für Anerkennen i m Sinne der Akzeptierbarkeit erstrebt wird, ist somit kein faktischer und das Ende der Diskussion ist kein willkürliches, ist nicht das Produkt von Konventionen oder gleichgerichteten Interessen40 Z u dieser vgl. die oben gemachten einschlägigen Ausführungen (1/1), die sich auf v. Wright , Erklären u n d Verstehen, ζ. B. 31, berufen. 41 Vgl. so Winkler, G.: Wertbetrachtungen i m Recht u n d ihre Grenzen. W i e n - N e w Y o r k 1969, 40; Schäffer, H.: Verfassungsinterpretation i n Österreich. W i e n - N e w Y o r k 1971, 20 ff.; Wimmer, N.: Materiales Verfassungsverständnis. W i e n - N e w Y o r k 1971, 103 ff.; anderer Auffassung: Forsthoff, E.: Z u r Problematik der Verfassungsauslegung. Stuttgart 1961, 26 ff.; weitere Nachweise für diese Positionen bei Kopp, F. O.: „Fiskalgeltung u n d D r i t t w i r k u n g der G r u n d - u n d Freiheitsrechte". I n : Walter W i l b u r g zum 70. Geburtstag. Festschrift. Graz 1975, 143, Fn. 11. 42 Kelsen, H.: Reine Rechtslehre. 2. Aufl., Wien 1960, Nachdruck 1967, 350. 43 Aber nicht n u r bei diesen, sondern auch bei Tatsachenurteilen.

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lagen, sondern ist das jeweilige Ergebnis von Diskussionen, i n denen jedenfalls von vornherein 4 4 keine Argumente ausgeschlossen sind. I n soweit repräsentieren die Ergebnisse des Vernunftgebrauches die freieste Einstimmungsmöglichkeit: Das Konsensprinzip w i r d vom Vernunftprinzip ermöglicht 4 5 . Wenn man w i l l , kann daher das Vernunftprinzip als das Bemühen um jene Bedingungen formuliert werden, die erfüllt sein müssen, wenn Argumente so beschaffen sein sollen, daß ihnen „alle" frei zustimmen können 4 6 . Daß damit nicht nur die „herkömmlichen" Verfahren 4 7 der Begründung erfaßt sind, liegt auf der Hand. Die wissenschaftliche Erkenntnis führt letztlich zum Wahrheitsproblem. Man kann es — scheinbar — umgehen; es kehrt aber letztlich doch — vielleicht unter einem anderen Namen — wieder. 2. Zum Wahrheitsproblem: Erkennen und Anerkennen Wollte man die i n der Philosophie legitim an den Anfang zu stellende Wahrheitsfrage auch i m Rechtsdenken vorweg beantworten, so wäre bald ersichtlich, daß damit, wenn überhaupt, nur ein Bruchteil jener Übereinstimmung erzielbar ist, die i n der Rechtspraxis tatsächlich erzielt wird. Stellte man die Wahrheitsfrage gleich am Anfang, so lautete ihre Formulierung etwa: „Gibt es eine absolute und objektive Wahrheit auch i m Bereich der Normen und Werte?" A n dieser Fragestellung w i r d bereits anschaulich, wie gering die Chancen von intersubjektiver Akzeptierbarkeit sind, wenn gleich am Anfang eine A n t wort auf Fragen verlangt wird, die zwar vor dem theoretischen Hintergrund der Philosophie berechtigt sind, aber den auf Gelingen von Kommunikation und Interaktion ausgerichteten Gesellschaftswissen44 Der Ausschluß von Argumenten ist aus guten Gründen möglich, wie hauptsächlich i m T e i l I V auszuführen sein w i r d . 45 Wie Kant dies nahelegt — K r i t i k der reinen Vernunft. Werke i n 12 Bänden, Wiesbaden 1956, Bd. I V (B 766/67), 630 f. Dieses Prinzip w i r d , w i e schon erwähnt, personalisiert ausgedrückt i n der regulativen Idee einer „freien Forscher- u n d Argumentationsgemeinschaft" von Peirce; i n der „idealen" Kommunikationsgemeinschaft von Apel, K.-O.: („Die Kommunikationsgemeinschaft". I n : Bubner, R. u.a. (Hrsg.): Dialog als Methode. Göttingen 1972, 1 ff.), i m „universellen A u d i t o r i u m " von Ch. Perei man (z.B.: Über die Gerechtigkeit. München 1967) oder i n einem normativ verstandenen F o r u m von „ v e r n ü n f t i g u n d gerecht Denkenden" z. B. bei Ehmke, H.: Prinzipien der Verfassungsinterpretation. I n : Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 20 (1963), 53, samt der i n der Diskussion gemachten Präzisierung. 46 Eine derartige, i m erkenntnistheoretischen Bereich vorgenommene A b sicherung des Vernunftsansatzes f ü r die juristische Methodologie bietet unter Berufung auf Nelson u n d Friess i n der Tradition Kants Westermann, Ch.: Argumentation u n d Begründung i n der E t h i k u n d Rechtslehre. B e r l i n 1977. 47 Siehe T e i l I u n d I I .

2. Z u m Wahrheitsproblem: Erkennen u n d Anerkennen

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Schäften zuwiderlaufen. M i t hoher Wahrscheinlichkeit w i r d Kontroversität geradezu grundgelegt, weil aus Prämissen, die vielfach nicht auf intersubjektive Akzeptierbarkeit rechnen dürfen, gefolgert wird. Demgegenüber erscheint es angebracht, für Zwecke der Rechtswissenschaft i m Bereich der philosophischen Fragen nach Möglichkeit solche Prämissen zu wählen, die schon deshalb i m allgemeinen nicht von vornherein als begründungsbedürftig empfunden werden, weil sie von den verschiedenen Positionen aus regelmäßig als Ausgangspunkt benützt werden und dabei zumindest ihre Begründbarkeit angenommen werden kann. Die rechtliche Begründung selbst setzt erst dann ein, wenn eine Ebene erreicht ist, die hinsichtlich ihrer Erfahrbarkeit und damit intersubjektiven Kontrollierbarkeit durch dichtere situative Bezüge gekennzeichnet ist. Eine solche Vorgangsweise scheint auch der praktischen Rechtswissenschaft bei ihren Begründungen bzw. den Bestreitungen von Begründungen geläufig. Wie das Beispiel des Erkenntnisses des (deutschen) Bundesverfassungsgerichts zur Fristenlösung samt der dazugehörigen abweichenden Meinung zweier Richter 4 8 zeigt: dort geht es um geradezu klassische philosophische Fragen, die aber nicht nach A r t der Philosophie angegangen werden und dabei bald i n den Bereich des Hoch-abstrakten eintreten. Diese Fragen werden vielmehr auf einer Ebene ausgetragen, die besonders durch Situationsbezogenheit gekennzeichnet ist. Letzteres erscheint deshalb als zielführend, weil nur so garantiert ist, daß jene Abstraktionsebene nicht verlassen wird, die als äußerste Grenze für eine irgendwie noch als eindeutig erkennbare Inhaltsfixierung gelten kann. Jenseits dieser Grenze w i r d es wohl nicht mehr zulässig sein, von einer „rechtlichen" (im Sinne einer Bindung an das positive Recht verstandenen) Diskussion zu sprechen, weil wie gesagt, eine hinlängliche Eindeutigkeit der Zuordnung von abstrakter Formel zum Tatbestand einer Norm einerseits oder von abstrakter Formel zur Rechtsfolge einer Norm andererseits i n der Regel nicht mehr möglich ist. Eine solchermaßen noch ausreichende Eindeutigkeit ist etwa dadurch möglich, daß sich die einschlägige Diskussion grundsätzlich am Abstraktionsniveau von Rechtsnormen orientiert. Das einschlägige Erkenntnis des (österreichischen) Verfassungsgerichtshofes 40 sowie die Darstellungen der beiden Verfassungsrichter Melichar 50 und Rosenzweig 51 bewegen sich grundsätzlich 48

BVerfGE 39, 1 ff., insbes. ζ. B. 42 f. VerfGHE v. 11.10. 1974, G 8/74 = V e r f G H Slg. 7400/1974. 50 Melichar, E.: „Das Erkenntnis des österreichischen Verfassungsgerichtshofes über die sogenannte Fristenlösung". I n : Convivium utriusque iuris. Festschrift für Alexander Dordett zum 60. Geburtstag. Wien 1976, 91 ff. 51 Rosenzweig, W.: Drei Verfassungsgerichte zur Fristenlösung. I n : Festschrift für Chr. Broda. Wien 1976, 231 ff. 49

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ebenfalls auf dieser Ebene, wenn auch allein schon die argumentative Breite i n keinem Verhältnis zum Erkenntnis des BVerfG steht. U m den konvergenztheoretisch angestrebten „gemeinsamen Nenner" begründbar zu machen, sollen nun einige Aspekte des Wahrheitsproblems 52 skizziert werden. Dabei w i r d sich durchaus i m konvergenztheoretischen Sinne 5 3 zeigen, daß die verschiedenen Wahrheitstheorien, jeweils i n ihren Grenzen und i n ihrer wechsélseitigen Brauchbarkeit dargestellt, durchaus sich zumeist nicht gegenseitig ausschließen müssen. Die Wahrheit hat als letztlicher Orientierungspunkt auch des wissenschaftlichen Denkens einen besonderen Stellenwert: soll dieser Stellenwert kontrollierbar und beachtlich sein, so muß der Bindung an Wahrheit auch eine methodisch faßbare Bedeutung zugemittelt werden. Deshalb soll hier nicht der Versuch unternommen werden, wenigstens eine der vielen Wahrheitstheorien zur Darstellung zu bringen oder zur A n wendung zu empfehlen, sondern es sollen vielmehr nur einige jener Gesichtspunkte angedeutet werden, die sich für einen gemeinsamen Nenner eignen und als solche auch immer wiederkehren. Den Ausgangspunkt soll nicht die Frage „Was ist Wahrheit?" oder eine ähnliche Fragestellung abgeben, sondern es soll der Ansatz i m Sinne der intendierten intersubjektiven Rekonstruierbarkeit und Akzeptierbarkeit i n Fragestellungen gefunden werden, die sich auf Verfahren konzentrieren, mit denen sich entscheiden läßt, ob Wahrheit vorliegt oder zumindest, ob das einschlägige Bemühen i n Richtung Wahrheit nicht ein erfolgloses ist. Anders ausgedrückt: an die Stelle der berechtigten und zulässigen Frage nach dem Wesen der Wahrheit soll für die hier 52 A n Überblicken seien angeführt: Heidegger, M.: Z u r Sache des Denkens. Tübingen 1969; Jaspers, K . : V o n der Wahrheit. München 1947; Habermas, J.: „Wahrheitstheorien". I n : Wirklichkeit u n d Reflexion. W. Schulz zum 60. Geburtstag. Pfullingen 1973, 211 ff.; Skirbekk, G. (Hrsg.): Wahrheitstheorien. Eine A u s w a h l aus den Diskussionen über Wahrheit i m 20. Jahrhundert. F r a n k f u r t a. M . 1977; Puntel, L . L . : Wahrheitstheorien i n der neueren Philosophie. Darmstadt 1978; vgl. auch den kurzen Überblick bei Marcie , R.: Geschichte der Rechtsphilosophie. Freiburg i. Br. 1971, insbes. „Vierte Vorlesung", 107 ff. 83 Eine philosophische Begründung dieser Position darf i m „integrativen" Denken erblickt werden. Vgl. dazu: Gabriel, L.: Integrale Logik. Die W a h r heit des Ganzen. Wien - Freiburg - Basel 1965; sowie die Diskussionen am „ X I V . Internationalen Kongreß f ü r Philosophie" i n Wien zu diesem Thema: „ K o l l o q u i u m V Die Bedeutung der Synthese i m integrativen Denken unter Berücksichtigung ganzheitlicher Strukturen". I n : A k t e n des X I V . Internationalen Kongresses f ü r Philosophie. Wien 1968, Bd. I I , 315-474; eine konkrete Anwendung dieses Denkens auf das Verhältnis von „Adäquationstheorie" der Wahrheit u n d jener Intersubjektivitätstheorie der Wahrheit, w i e sie Kamiah u n d Lorenzen vertreten, gibt Muck, O.: „Wahrheit u n d Verifikation". I n : Kohlenberger, H. (Hrsg.): Die Wahrheit des Ganzen. Wien - Freiburg - Basel 1976, 3 5 - 5 1 ; sowie Strasser, St.: „ Z u r Konsenstheorie der Wahrheit". I n : Kohlenberger, H. (Hrsg.): Die Wahrheit . . . , 53 - 64.

2. Z u m Wahrheitsproblem: Erkennen u n d Anerkennen

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verfolgten Zwecke schließlich m i t einer A n t w o r t über prozedural darstellbare Kriterien für die Suche nach i h r das Auslangen gefunden werden. Diese Suche orientiert sich dabei an der Eigenart der Gegenstände, die dem rechtlichen Denken aufgegeben sind. So wie schon bei der vorgängigen Problematisierung des Erkenntnisbegriffes die Gegenstände des rechtlichen Denkens nahelegten, ein Hauptaugenmerk auf die subjektive Leistungsfähigkeit des „Erkennenden" zu legen, so w i r d dies auch für das Wahrheitsproblem aus Gründen der Gegenstandsadäquanz gelten dürfen. Genau dieser Umstand w i r d i m Rahmen der sog. „Korrespondenztheorie" der Wahrheit 5 4 zumindest daran sichtbar, daß derartige Theorien dann i m Zusammenhang m i t Ethiksystemen betrachtet werden müssen: die i n den genannten Gegenstandsbereichen von Erkenntnis auftretenden subjektiven Leistungen haben dann unter Beobachtung vor allem ethischer Forderungen 5 5 zu erfolgen; diesen soll i n einem späteren Kapital nachgegangen werden 5 6 . Ein gemeinsames, der genannten Aufgabe gerecht werden wollendes Hauptanliegen der sog. „Kohärenztheorien" 5 7 besteht jedenfalls darin, daß die „Kohärenz" der Sätze ein wichtiges K r i t e r i u m für die Wahrheit ist. Diese Kohärenz läßt sich durch eine Reihe von methodischen Forderungen sicherstellen, wie sie i n dieser Arbeit später zur Darstellung gelangen werden. Nach den Kohärenztheorien gilt es zumindest als K r i t e r i u m von Wahrheit, daß sich die Denkformationen i n einem bestimmten Gebiet jedenfalls als widerspruchsfreie Einheit darstellen lassen, wobei diese Gedankenführungen inhaltlich miteinander verbunden sind und diese Verbindung nicht unbedingt eine logisch-deduktive sein muß 5 8 . Diese Bedingungen lassen sich weitgehend formal zur 64 Vgl. die Kurzdarstellung dieser w o h l verbreitetsten Wahrheitstheorie bei Kraft , V.: Erkenntnislehre; i m einzelnen sei verwiesen auf: Aristoteles, Metaphysica (Ausg. Jaeger, Oxford 1964), 1011b 26 f.; 1051b 1 - 5 ; Thomas v. Aquin: Quaestiones disputatae de veritate, 9.1.a.l; Oers.: Summa Theologiae, 9.16.a.2. ad 2; Coreth, E.: Metaphysik. 2. Aufl., Innsbruck 1964; auch Rüssel, B.: Philosophie. München 1973; Tarksi , Α.: Der Wahrheitsbegriff i n den formalisierten Sprachen. I n : Studia Philosophica Commentarii Societatis p h i l o sophicae Polinorum Vol. I, Leopoldi (Lemberg) 1935. Abgedruckt i n : Berka, K . / Kreisert: Logik-Texte, Kommentierte A u s w a h l zur Geschichte der modernen Logik. B e r l i n 1971, 447 ff. 55 Vgl. so ζ. B. f ü r die Hermeneutik das Resümee von Betti , E.: „ Z u r G r u n d legung einer allgemeinen Auslegungslehre". I n : Festschrift f ü r Ernst Rabel, Bd. 2. Tübingen 1954, 165 ff. 56 Vgl. so die f ü r eine verfahrensmäßige Darstellung brauchbar aufgearbeitete E t h i k bei Weischedel, W.: Skeptische E t h i k . F r a n k f u r t 1976. 57 Vgl. die Kurzcharakteristik bei Kraft, V.: Erkenntnislehre; Nemath, O.: „Protokollsätze". I n : Erkenntnis 3 (1932/33), 20 ff.; Rescher, N.: The Coherence Theory of Truth. Oxford 1973; zu den verschiedenen Richtungen u n d Differenzierungen innerhalb der einzelnen Richtungen vgl. Puntel, L . L . : Wahrheitstheorien . . . , 172 ff.

6 Schreiner

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Darstellung bringen, was auch zu einem späteren Zeitpunkt versucht werden soll. A n dieser Stelle soll nun eine kurze, der ersten Orientierung dienende Wiedergabe erfolgen 59 . Comprehensiveness meint einmal, daß nach außen gesehen (extern) alle relevanten Data (hier i n einem übertragenen und damit weiteren Sinne verstanden) berücksichtigt sind. Nach innen (intern) meint sie, daß der größtmögliche Teil der Propositionen als wahr angenommen wird. A n formal darstellbaren Einzelgesichtspunkten enthält die comprehensiveness die „inferenzielle Geschlossenheit" 60 , die „logische Geschlossenheit" — die Menge der wahren Propositionen muß jede These der Logik enthalten — und eine abgeschwächte „logische Vollständigkeit" — wonach es genügt, daß nur i n „Standardfällen" gilt: wenn ρ nicht ein Element von s ist, dann ist nicht-p ein Element von s. Die Konsistenz meint, daß die Menge der Propositionen keine Proposition zusammen m i t ihrem Gegenteil enthält. Die „Cohesiveness" bzw. „Unity" verlangt: „Die Wahrheit einer Proposition muß bestimmt werden als Explikation . . . ihrer Beziehungen zu anderen Propositionen i n deren logisch-epistemologischen Kontext; und folglich, die wahren Propositionen bilden eine festgefügte Einheit, eine Menge; jedes ihrer Elemente hängt durch logische Verknüpfung m i t anderen Elementen dieser Menge zusammen, so daß das Ganze ein umfassend verknüpftes und geeintes Gefüge darstellt 6 1 ." A n der Forderung der Cohesiveness w i r d deutlich, daß die Kohärenztheorien eng m i t dem Systemgedanken verwandt sind: für das System ist es nämlich wesentlich, daß nicht nur die Widerspruchsfreiheit verlangt ist, sondern auch ein innerer Zusammenhang. W i r d dieser innere Zusammenhang als logisch-deduktiver begriffen, so handelt es sich u m ein Denken i m sog. geschlossenen System. Dies führt dazu, daß unbestreitbare Ableitungen möglich sind, was aber wieder m i t all den Bedenken und Zweifeln erkauft wird, die gegen geschlossene Systeme vorgebracht werden können. Anders, wenn an die Stelle eines umfas58 Vgl. die Forderungen nach „comprehensiveness", cohesiveness" u n d „ u n i t y " von Rescher, N.: The Coherence Theory of T r u t h , 169 ff. 69 Vgl. dafür Puntel, L . L . : Wahrheitstheorien . . . , 192 ff. eo Diese liegt vor, w e n n die Menge der wahren Propositionen auch alle ihre eigenen logischen Konsequenzen enthält: CKCpsCqpCqs bzw. CKCpsDpqDsq, wobei: ρ . . . Proposition q . . . Konsequenz (inferenziell) s . . . Summe der wahren Propositionen bedeutet. Die Darstellung erfolgt i n der durch Tammelo durchgeführten Veränderung der Polnischen Notation. Vgl. Tammelo , I. / Schreiner, H.: Grundzüge u n d Grundverfahren der Rechtslogik, Bd. 1, 16 ff. 61 Puntel, L . L . : Wahrheitstheorien . . . , 193 f.

2. Z u m Wahrheitsproblem: Erkennen u n d Anerkennen

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senden logisch-deduktiven Zusammenhangs eine bloß kontexturale Verknüpfung t r i t t : Die Menge der Propositionen insgesamt mag inkonsistent sein; diese Menge kann jedoch i n Untermengen zerlegt werden, die jede für sich konsistent sind und die — i m Sinne des beim „komparativen Begriff" Gesagten 62 — jedoch intern noch weiter geordnet werden können. Die Wahl zwischen solchen Mengen ist n u n keine logische Aufgabe mehr; diese geschieht nach außerlogischen Maßstäben, nach „äußeren Gründen" 6 8 . Einige bekannte Methoden für die einschlägigen Präferenzentscheidungen sind 6 4 : Die Methode der „propositionalen Angelpunkte": Die Inkonsistenz der Gesamtmenge w i r d dadurch behoben, daß jeweils aus „äußeren" Gründen eine bestimmte Folgerung auf jeden F a l l abgelehnt wird. Uber dieses Ausgrenzungsverfahren kommt man sodann zu einer maximalen Restmenge, die konsistent ist. E i n derartiges Verfahren fand sich etwa oben i m Zusammenhang m i t der komparativen Begriffsbildung bzw. dem einschlägigen Beispiel des Begriffs der „Verhältniswahl", wo der Angelpunkt jeweils eine eindeutig verfassungsrechtlich mißbilligte Alternative war. Die Methode der „Mehrheitsregel": Unter bestimmten Umständen kann es als vernünftig gelten, jener konsistenten Untermenge den Vorzug zu geben, die die meisten Elemente enthält. Nach einer solchen Methode ergäbe sich hinsichtlich der Auswahl zwischen mehreren, je als anwendbar erachteten Grundrechtstheorien eine Präferenz ζ. B. für jene Theorie, die die meisten „Gefährdungslagen" abdeckt. Die Gesamtmenge ist insoweit inkonsistent, als verschiedene Grundrechtstheorien nicht nur zu unterschiedlichen, sondern auch zu widersprüchlichen Ergebnissen gelangen lassen. A u f besagte Weise w i r d eine der mehreren, jeweils i n sich konsistenten Untermengen ausgewählt. Die Methode der „probabilistischen Präferenz" bietet sich dort an, wo Wahrscheinlichkeitswerte für die einzelnen Teilmengen ermittelt werden können, was jedenfalls dann sinnhaft sein kann, wenn auf empirische Kriterien abgestellt w i r d 6 5 . Die Methode der „Plausibilität" läßt, wie schon der Name sagt, nach der Plausibilität der Untermengen entscheiden 66 . 62

1/2. 38 ff. ®3 Vgl. Rescher, N.: The Coherence . . . , 99 ff.; Puntel, L . L . : Wahrheitstheorien . . . , 196 ff. 64 Nach Rescher, N.: The Coherence . . . , 99 ff. 65 Vgl. dazu die Ausführungen zur „Reduktion", 65 ff. ββ Vgl. auch dazu die Ausführungen zur „Reduktion", 65 ff. 6*

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T e i l I I : Philosophische u n d theoretische Horizonte

Die „pragmatischen Verfahren" gelten als Sammelname für alle jene Entscheidungswege, die jeweils jene maximale konsistente Untermenge auszeichnen, die i n irgendeinem Sinn „nützlicher" ist 6 7 . Der Eigenart der dem rechtlichen Denken aufgegebenen Gegenstände tragen die sog. „pragmatischen" Theorien der Wahrheit dadurch besonders Rechnung, daß sie i n Ansehung der Rolle des Rechts als Teil eines Interaktions- bzw. Kommunikationszusammenhanges das einschlägige Wahrheitsproblem i n der Ebene der Intersubjektivität von Zwecken ansiedeln. Dementsprechend sind die diesbezüglichen Verfahren durch „Konsens", „Evidenz" oder durch Gründung auf eine „ideale Gesprächssituation" gekennzeichnet 68 . Diese Theorien haben für das Rechtsdenken eine gesteigerte Bedeutung, weil sie sich besonders an die subjektive Seite der „Erkennenden" selbst richten, der i m Bereich der Rechtsnormen und der Wertungen eine weitaus größere Bedeutung zukommt als i m Bereich der Tatsachen. Für Habermas ist Indikator der Wahrheit der Konsens, der sich als Ergebnis diskursiver Einlösung des Geltungsanspruches darstellt. Dieser Konsens w i r d nicht i n einem faktischen Sinn verstanden, sondern als Ergebnis von Verfahrensnormen, die wohl auch ethisch begründbar sind, weil sie bezwecken, daß „jeder andere, der i n ein Gespräch m i t m i r eintreten könnte, demselben Gegenstand das gleiche Prädikat zusprechen würde" 6 9 . Der Konsens w i r d durch die Beachtung formaler Regeln hergestellt, die insgesamt als „ideale Gesprächssituation" bezeichnet werden. I m Anschluß an Puntel 70 können sie dargestellt werden als Chancengleichheit für alle Diskussionsteilnehmer bezüglich: a) der Verwendung kommunikativer Sprechakte; b) der Verwendung repräsentativer Sprechakte (Wahrheitspostulat); c) bezüglich der Verwendung regulativer Sprechakte (vollständige Reziprozität der Verhaltenserwartungen). 67 Dies entspricht i n etwa den präferenztheoretischen Modellen der „ E i n gipfligkeit" u n d der „ m a x i m a l e n Toleranz"; vgl. dazu m i t Nachweisen: Podlech, Α.: „Wertentscheidung u n d Konsens". I n : Jakobs, G. (Hrsg.): Rechtsgeltung u n d Konsens. B e r l i n 1976, 19. e8 Vgl. Apel, K.-O.: „Die Kommunikationsgemeinschaft als transzendentale Voraussetzung der Sozialwissenschaften". I n : Dialog als Methode. Neue Hefte f ü r Philosophie. 2/3. Göttingen 1972, I f f . ; Oers.: Der Denkweg von Charles Sandres Peirce. Eine Einführung i n den amerikanischen Pragmatismus. F r a n k f u r t a. M. 1975; Habermas, J.: „Wahrheitstheorien". I n : W i r k l i c h k e i t u n d Reflexion. W. Schulz zum 60. Geburtstag. Pfullingen 1973, 211 ff.; Ders.: „Erkenntnis u n d Interesse", I n : Albert, H J Τ optisch, E. (Hrsg.): Werturteilsstreit. Darmstadt 1961, 334 ff.; Kamiah, VÎJLorenzen, P.: Logische Propädeut i k . Mannheim 1967, sofern deren konstruktivistischer Ansatz über einführende Lernsituationen als K o n s t r u k t i o n „idealer" Kommunikationssituationen bezeichnet werden darf. ββ Habermas, J.: „Wahrheitstheorien", 219. 70 „Wahrheitstheorien" . . . , 156 f.

2. Z u m Wahrheitsproblem: Erkennen u n d Anerkennen

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Schon mit diesen stichwortartigen Erwähnungen ist gezeigt, daß auch diese i n die Ethik reichenden Forderungen durchaus i n einer intersubjektiv rekonstruierbaren Weise dargestellt werden können. M i t solchen Forderungen soll eine Situation von Freiheit der Diskussion gewährleistet werden, die Perelman als das „universale Auditorium" bezeichnet und Tammelo als das „Forum der Vernunft" anspricht: Dies jeweils als Sammelname für Forderungen, die sich einerseits zwar zumeist formell darstellen lassen, aber andererseits auch und zunächst die ethische Haltung der an der diskursiven Einlösung Beteiligten betreffen. Diese Ergebnisse aus dem Bereich der pragmatischen bzw. intersubjektivistischen Theorien der Wahrheit können durchaus i n ein Gesamtkonzept i m Sinne des bereits mehrfach erwähnten „gemeinsamen Nenners" eingebaut werden, wie die einschlägige Darstellung von Muck zeigt, die nun kurz skizziert werden soll. Muck 71 geht von der Forderung für eine gültige Erkenntnis aus, „daß w i r von ihr wenigstens erwarten, daß es uns bei i h r nicht so ergehen kann wie bei den Auffassungen, die sich dann als irrtümlich herausstellen" 7 2 : „Die Frage nach der Geltung unseres Wissens und nach den Kriterien für die Wahrheit unserer Aussagen 73 ." Diese Geltung unseres Wissens w i r d formal durch das „operative K r i t e r i u m " 7 4 umschrieben. „Es geht darum zu überprüfen, ob eine Aussage m i t Hecht bejahbar, verläßlich ist, d. h. ob sie so ist, daß man nicht durch den weiteren Wissensfortschritt zu einer Widerlegung dieser Aussage kommt; mit anderen Worten: ob sich feststellen läßt, daß keine für diese Aussage relevante Frage offen ist. . . . Absolut bejahbar ist daher eine Aussage dann, wenn keine relevante Frage offen ist. . . . I n dieser Formulierung w i r d das Ideal™, von dem sich die aufgrund der Erfahrung von I r r t u m entstandene erkenntnistheoretische Reflexion zunächst leiten läßt, formal umschrieben 76 . Dieser absoluten Bejahbarkeit steht die relative Bejahbarkeit gegenüber: hier w i r d nicht verlangt, daß keine relevante Frage unbeantwortet ist, hier w i r d nur verlangt, „Daß keine relevante Frage, die sich auf den besonderen methodischen Gesichtspunkt 77 bezieht, offen ist. Das heißt dann aber, daß der Unterschied von Aussagen über das, was ist, und Aussagen über das, wie etwas erscheint 78 , sich 71

Muck, O.: „Wahrheit u n d Verifikation". I n : Kohlenberger, Wahrheit des Ganzen. 35 ff. 72 37 f. 73 38. 74 38 ff. 75 Hervorhebung von mir. 76 39. 77 Hervorhebung v o n mir. 78 Hervorhebung von mir.

H. (Hrsg.): Die

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darin unterscheiden, ob der Bereich der zu berücksichtigenden relevanten Fragen uneingeschränkt oder bewußt eingeschränkt ist. Diesem Unterschied kann man den Unterschied von absoluter und relativer Bejahbarkeit zuordnen" 7 9 . „Das operative K r i t e r i u m . . . fordert die Vereinbarkeit der betreffenden Aussage m i t allen Aussagen, die als Antworten auf Fragen anzusehen sind, die für die betreffende Aussage relevant sind 8 0 ." A u f diese Weise ist nun dreierlei erreicht: Einmal, i m Sinne des konvergenztheoretischen Ansatzes vom gemeinsamen Nenner läßt sich so ζ. B. die Homologieforderung der intersubjektivistischen bzw. pragmatistischen Wahrheitstheorie von Kamiah / Lorenzen als Sonderfall i m Rahmen des allgemeinen Kriteriums der operativen Bejahbarkeit darstellen, „da sie nicht auf eine bestimmte Klasse von Relevanzen begrenzt ist, nämlich nicht nur auf Fragen, die an vernünftige, sachkundige Angehörige der Sprachgemeinschaft gestellt werden . . ." 8 1 . Das zweite, das m i t diesem Ansatz erreichbar ist, liegt darin, daß damit ein möglicher, w i l l k ü r l i c h agnostischer Aspekt, den die Kohärenztheorien und pragmatistischen Theorien zuließen, ausgeschaltet ist. Dadurch ist wiederum eine Voraussetzung für die Vertretbarkeit dieser Position von verschiedenen Grundhaltungen her geschaffen. Das dritte, das m i t diesem Ansatz erreicht ist, liegt i m Deutlichwerden zumindest der Tendenz, daß — wie oben schon erwähnt wurde — zunächst rein ethische Fragen, die i m Zusammenhang m i t dem Wahrheitsproblem auftreten, i n prozedurale Kriterien womöglich sogar externer A r t übersetzt werden können, was der gewünschten Intersubjektivität nur zuträglich sein kann. 3. Zum Wertbegriff Werte und Wertungen sind Gegenstände des rechtlichen Denkens 82 : Werte als geistige Einheiten, die als Eigenschaften einem Verhalt durch einen A k t der Wertung (Bewertung) zugesprochen werden können bzw. sollen und diesen dann „wertvoll" machen; Wertungen dürfen demnach als die Akte von Subjekten aufgefaßt werden, m i t denen eine solche Eigenschaft einem Verhalt zugesprochen wird. Sohin bietet sich für die Darstellung des einschlägigen Vorgangs eine Relation an: Eine Person 79

40. 43. 81 43. 82 Eine vorläufige einfache Begriffsorientierung bei: Wieser, A. / Rauter, K . : Philosophie, L o g i k u n d Kritische Problemlehre. Wien 1974 (Nachdruck 1975), 179 ff. Eine umfassende Übersicht über die verschiedenen begrifflichen Verwendungen findet sich bei Lautmann, R.: Wert u n d N o r m — Begriffsanalysen f ü r die Soziologie. K ö l n u n d Opladen 1969. 80

3. Z u m Wertbegriff

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spricht einem Verhalt einen Wert zu. I m Sinne präferenztheoretischer Vorstellungen könnte es dann weiter heißen: Die Person zieht den bewerteten Verhalt allen anderen oder doch einigen anderen vor 8 3 . Es darf als legitim erscheinen, das wissenschaftliche Interesse lediglich auf die Frage des Vorziehens zu beschränken. Dies hieße dann aber nicht unbedingt, daß damit die Möglichkeit von objektiven Werten jedenfalls ausgeschlossen wäre 8 4 . Podlech führt aber nun gegen Werte als objektive Einheiten i m Sinne des deutschen Idealismus stärkste, nämlich logische Gründe an. Diese Behauptung scheint jedoch zu stark zu sein: man w i r d wahrscheinlich dem deutschen Idealismus Unrecht tun, wenn man i h m eine „Sein-Sollen"-Trennungsthese unterschiebt, i n der das Sein überhaupt keinen Sollenscharakter hat. Für den Idealismus dürfte vielmehr die Behauptung zutreffen, daß etwas, das ist, auch wertvoll ist. Damit wäre die scharfe Sein-Sollen-Trennung zum Wegfall gebracht, was bedeutete, daß die „Seins"-Prämissen meist auch Sollenselemente beinhalten und daher auch „Sollens"Folgerungen zuließen. Ist dies anerkannt, so hieße das Aufrechterhalten der K r i t i k am deutschen Idealismus, i h n für etwas zu kritisieren, was er gar nicht behauptet. Kommt es auf diese Weise zur Zurückweisung der Anwendbarkeit der scharfen Sein-Sollenstrennung für den deutschen Idealismus, wäre damit auch dem Vorwurf, der deutsche Idealismus sei deshalb logisch haltlos 8 5 , der Boden entzogen. Soll der deutsche Idealismus daher weiterhin abgelehnt werden 8 6 , so müssen dann jedenfalls andere als die angeführten logischen Gründe angegeben werden; dann aber Gründe, die i m Gegensatz zu logischen nicht von vornherein für jeden zwingend sein müssen. 83 Dieser Grundsatz läßt sich i n konvergenztheoretischem Sinn auch vor dem Hintergrund system theoretischer Darstellungen vertreten, w o der handlungstheoretische Grundrahmen aus einem Handelnden, einer Situation u n d einer Orientierung besteht. Siehe so: Damm, R.: Systemtheorie u n d Recht. B e r l i n 1976, 54 ff. 84 Vgl. so aber: Weinberger, O.: „ Z u r Theorie der Gesetzgebung". I n : Mokre, J. / Weinberger, O. (Hrsg.): Rechtsphilosophie u n d Gesetzgebung. 183; Podlech, Α.: „Wertungen u n d Werte i m R e d i t " . I n : AöR 1970 (95), 202 ff. — Die Behauptung, daß es keine absoluten Werte gäbe, ist zumindest vor dem H i n t e r g r u n d einer wertrelativistischen Position zu stark. Diese kann nämlich n u r dazu ermächtigen, daß m i t dem dort als wissenschaftlich erklärten I n strumentarium, das i m wesentlichen keine I n t u i t i o n oder Evidenz enthalten soll, objektive Werte weder nachgewiesen noch geleugnet werden können. Vgl. so auch Brecht, Α.: Politische Theorie, Tübingen 1961, 199, 212, 316, 330. 85 Podlech , Α.: „Wertungen . . . " , 204 f. 88 So Podlech, Α.: „Wertentscheidung u n d Konsens". I n : Jakobs, G. (Hrsg.): Rechtsgeltung u n d Konsens. B e r l i n 1976, 10 u n d Fn. 7, w o er sich auf die Dissertation Schelers bezieht. Offen, w e i l von Podlech noch anderswo ersichtlich beantwortet, bleibt dabei allerdings die Frage, ob der L o g i k - u n d Rationalitätsbegriff, von dem Scheler dort ausgeht, die Folgerungen Podlechs auch zuläßt.

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I m Sinne des jeweils angestrebten konvergenz-theoretischen A n satzes w i r d verlangt, daß die Möglichkeit von objektiv geltenden Werten nicht von vornherein ausgeschlossen werden darf. Es w i r d aber nicht verlangt, daß eine solche Position bezogen werden müßte: Wer dazu aus bestimmten Gründen nicht i n der Lage ist, muß eine derartige Frage, wenn sie auftaucht, als Vorfrage betrachten und ζ. B. für irrational erklären oder aber den einschlägigen Verhalt umdeuten. Soferne es u m die intersubjektive Geltung von Werten geht, verlangt die angestrebte Position, daß auch für den, der die Geltung von objektiven Werten akzeptiert hat, diese zunächst so zu behandeln sind, als ob sie subjektiv gesetzt wären, daß also i h r Geltungsanspruch intersubjekt i v erst eingelöst werden muß. Dies bedeutet allerdings auch, daß eine naturrechtlich-ontologische Wertediskussion für die angestrebte intersubjektive Akzeptierbarkeit nicht ausreicht, sondern auch der Anhänger einer solchen Position bereit sein müßte, die Werte und damit die auf ihnen beruhenden Wertungen auch, aber nicht nur als interessensbedingte Stabilisatoren des Zusammenlebens zu sehen und somit die einschlägige Diskussion auch, aber nicht unbedingt nur auf einer erfahrungsmäßig greifbaren Ebene, z.B. i m Sinne der Folgenorientierung, zu führen. Wenn von Werten und Wertungen die Rede ist, so gehört es zu den Erfahrungstatsachen, daß das Prädikat „subjektiv" nicht gegenüber allen Werten und Wertungen i n derselben, unabgestuften Intensität erhoben werden kann: es gibt Werte und Wertungen, die als intersubjektiv geltend zumindest von allen Angehörigen eines K u l t u r k r e i ses vorausgesetzt werden, wenn sie nicht gar als anthropologisch fundiert erachtet werden. Es gibt aber auch solche, die als rein subjektivwillkürliche Äußerungen von Lust und Laune zu betrachten sind. Während erstere für eine rationale Diskussion i n Frage kommen, dürfen die letzteren ausgeschlossen werden: Geht man nämlich davon aus, daß i m Rechtsdenken Werte und Wertungen zumindest grundsätzlich i n einer rationalen Struktur möglich sind, so darf die Forderung begründet erscheinen, daß sich irrational verstehende Werte und Wertungen i m Rechtsdenken zu vermeiden sind 8 7 . Der dem Problem der Werte und Wertungen zugrundeliegende einschlägige Verhalt w i r d oft unter der präjudizierenden Wirkung des Gegensatzpaares „Erkennen" und „Wollen" bzw. „Sein" und „Sollen" gesehen. Diese Gegeneinandersetzung ist jedenfalls dann fragwürdig, wenn sie den Bereich des Wollens von vornherein für irrational erklärt. Geht man, wie es oben geschehen ist, davon aus, daß einerseits 87 Vgl. so Podlech, A . : „Wertungen . . 2 0 0 u. ö., der die Möglichkeit der Reduktion einer Wertung zur notwendigen Bedingung f ü r die Zulässigkeit einer Wertung i n einem juristischen Begründungszusammenhang erklärt.

3. Z u m Wertbegriff

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jedwede Begründung letztlich nicht durch die Logik allein erfolgen kann, sondern der Verankerung i m Außerlogischen bedarf, und berücksichtigt man, wie dies auch der Jurist i m A l l t a g ζ. B. beim praktischen Syllogismus macht, daß sich logische Beziehungen nicht notwendig auf Gedankenformationen beschränken, die Erkenntnisse ausdrücken, so darf behauptet werden, daß sich der Begriff des Rationalen nicht v o l l m i t dem des Kognitiven deckt. Rationalität ist dann auch i m nonkognitiven Bereich grundsätzlich möglich, bzw. schwächer formuliert, jedenfalls nicht von vornherein auszuschließen. Der non-kognitivistische Standpunkt impliziert daher i m Hinblick auf die Begründung praktischer Sätze keinesfalls, daß für derartige Sätze keine rationalen Begründungszusammenhänge bestünden 88 . Die Trennung von Erkennen und Wollen sollte daher nicht als Legitimation benützt werden, das Wollen von vornherein aus der Rationalität auszuklammern. Vielmehr erschiene es i m Sinne des oben zum Thema „Erkennen" und „Anerkennen" Gesagten 89 angemessen, die beiden Begriffe „Erkennen" und „Wollen" als die beiden Pole einer Abstufungsreihe zu verwenden. Dabei w i r d „Erkennen" als ein (idealer) Begriff eingeführt, der nur das Element des Rezeptiven bei der Bildung von Gedankenformationen ausdrücken w i l l , während „Wollen" das Element des Subjektivistischwillkürlichen bei der Bildung von Gedankenformationen i n den Vordergrund stellt. Je. mehr sich die Abstufung zum Erkennen hin bewegt, desto dichter, und je mehr sie sich zum „Wollen" hinbewegt, desto dünner ist dann die Rationalität. Dabei ist jedoch noch aus einem anderen Grund darauf zu verweisen, daß das Wollen von vornherein nicht m i t W i l l k ü r verbunden sein muß, sondern daß es auch ein geordnetes, daher intersubjektiv rekonstruierbares und m i t der Chance auf intersubjektive Akzeptierbarkeit versehenes Wollen gibt, wenn es sich nur nach bestimmten ethischen Forderungen ausrichtet, wie sie i m nächsten Teil zur Darstellung gelangen sollen. Sohin bietet sich für die Einordnung von Werten und Wertungen i n das rechtliche Denken zunächst folgendes vergröberte Schema von 3 Gruppen — Klassen — von Sätzen an: Sätze, i n denen das Erkennen zumindest überwiegend i m Vordergrund steht — i m wesentlichen Sätze über Tatsachen (Sätze, i n denen Wertprädikate nicht oder nur unwesentlich vorkommen); sodann Sätze, bei denen neben dem „Erkennen" auch ein „Wollen" eine besondere Rolle spielt und sich dieses Wollen an bestimmten Regeln orientiert (Sätze, i n denen Wertprädikate eine wesentliche Rolle spielen und für die Regeln ihrer Bildung angegeben werden); schließlich Sätze, bei denen das „Wollen" eine wesentliche 88 Vgl. Weinberger, O.: „ Z u r Theorie der Gesetzgebung". I n : Mokre, Weinberger, O. (Hrsg.), 180. 89 Vgl. 74 ff., 76 ff.

J. /

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Rolle spielt, wobei aber keine Bildungsregeln angegeben werden. Letztere Sätze sollen für rechtliche Begründungszusammenhänge ausgeschlossen werden. Werte bzw. Wertungen und Normen stehen i m Bereich der Rechtsordnung i n einem engen Konnex. Dieser Konnex w i r d angesprochen, wenn die (Rechts-)Normenordnung nicht ohne Bezug auf dahinter stehende Werte gesehen w i r d 9 0 . Negativ w i r d auf diesen Zusammenhang verwiesen, wenn eine objektive oder doch intersubjektivierbare Wertordnung geleugnet wird. Von welcher rechtlichen wie rechtspolitischen Bedeutung diese Frage ist, w i r d an den Konsequenzen deutlich, die sich dann hinsichtlich der Rolle des Verfassungsgerichtshofes gegenüber dem (einfachen) Gesetzgeber nahelegen: weist man so die Möglichkeit der intersubjektiven Akzeptierbarkeit von Werten zurück 9 1 , die als hinter Normen stehend gedeutet werden, so kann die Verfassung unversehens zum Blankett für den einfachen Gesetzgeber werden, der nur mehr die Schranke zu bedenken hat, die i h m ein Exzeßverbot zieht, er ansonsten aber teleologisch nicht überprüft werden kann. Damit würde der normative Gehalt der Verfassung weithin verdrängt 9 2 , die Verfassungstheorie auf einem den gegenwärtigen Entwicklungen jedenfalls nicht mehr angemessenen Zustand festgeschrieben, weil es dem Konzept der Bindung von Staatsgewalt nicht entspricht, wenn der ständig vermehrt eingreifende und sozialgestaltende Staat bei weithin gegebener Wahlfreiheit gegenüber M i t t e l n und Zielen der Tätigkeit hinsichtlich der teleologischen Struktur seiner Eingriffe — m i t Ausnahme von Exzessen — außer Kontrolle gestellt ist. Ein nach einem solchen Konzept verfahrender Verfassungsgerichtshof würde zum „zusätzlichen verfassungsrechtlichen Legitimationsorgan der einfachen Parlamentsmehrheit" 9 3 . Damit entzöge sich aber der Verfassungsgerichtshof schon deshalb nicht der Wertung, w e i l er m i t dem Entschluß zur vermeintlichen Abstinenz jedenfalls die i n Frage stehende Wertung der einfachen Parlamentsmehrheit — des einfachen Gesetzes — als verfassungsmäßig bewerten würde: Pointiert ausgedrückt könnte man dann sagen, daß an die Stelle von Werten bzw. Bewertungsmaßstäben, die hinter bzw. aus den Normen der Verfassung 90

Wie dies etwa die materialen Wertlehren t u n ; vgl. Fikentscher, W.: M e thoden des Rechts. Tübingen Bd. I - V (1975-77) vor allem Bd. I I I ; Henkel, H.: Einführung i n die Rechtsphilosophie, 321 ff. 91 Vgl. etwa: Rosenzweig, W.: Drei Verfassungsgerichte zur Fristenlösung, 265 f., der damit die „Gefahr eines Rechtsmystizismus (sieht) . . . , bei dem die Ableitungen aus der Verfassung zum W o r t l a u t der Verfassung n u r mehr i n einem sehr losen u n d entfernten Zusammenhang stehen". 92 Vgl. Pernthaler, P.: JB1. 1975, 317; zu diesem Phänomen auch: Klecatsky, H.: JB1. 1974, 220 ff. 93 Pernthaler, P.: JB1. 1975, 317.

3. Z u m Wertbegriff

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zu ermitteln wären, jeweils unter Beachtung der Grenzen des Wortlautes und des ExzeßVerbotes, die i n den Parteiprogrammen der jeweiligen Parlamentsmehrheit niedergelegten Wertordnungen treten 9 4 ; das Wertproblem ist auf eine andere Ebene verschoben, womit aber der Verlust des inhaltlichen Maßcharakters, der teleologisdien Struktur einer Verfassung, i n Kauf genommen werden muß. Begründende Überlegungen müssen daher, wenn sie nicht maßgebliche Prämissen verheimlichen wollen, zum Wertproblem i n einer inhaltlichen Form Stellung nehmen. Es ist aber noch anzumerken, daß ein Teil der abweislichen Behandlungen des Werteproblems nicht ausgesprochen aus erkenntnistheoretischen Gründen erfolgt, sondern wohl eher aus der Einsicht i n die Überforderung von Methoden, wie dies etwa der Hinweis Rosenzweigs 95 auf „Ableitungen" nahelegt, die geradezu beliebigen Charakter annehmen können. Nicht die Ableitung aus abstrakten Werten 9 6 sollte jedoch i m Vordergrund stehen, sondern es sollte sich die Diskussion, u m hinsichtlich der gewünschten intersubjektiven Akzeptierbarkeit fruchtbar sein zu können, so gestalten, daß die jeweiligen Werte nur eingebunden i n zwar typische und abstrakte, aber doch noch empirisch i r gendwie greifbare 9 7 Situationen zur Behandlung gelangen 98 : Die Werte werden i m Zusammenhang m i t Situationen gesehen, als Bewertungen. I m Interesse einer hinlänglichen Anwendbarkeit muß es sich bei diesen Situationen u m relativ typische und relativ abstrakte handeln: sie müssen für eine Reihe von Fällen taugliche Darstellungs- und Lösungsmuster abgeben können. Solche „Modelle", die das Ergebnis theoretischer wie dogmatischer Konstruktionsarbeit sind, müssen dann i m Einzelfall „nachgestellt" werden. I n diesen „typischen" Modellen t r i t t ein verwirklichter Wert aber nicht isoliert, sondern i n bereits abgewogener und entschiedener Konkurrenz m i t jenen Werten auf, die i n dieser typischen Situation typischerweise ebenfalls vorkommen bzw. zu berücksichtigen sind. Ein gutes Beispiel für die Schilderung einer Kombination von Werten samt einer dazugehörigen Lösungsrichtung i n einer abstrakten 94 So aber z.B. Rosenzweig, W.: „ D r e i Verfassungsgerichte . . 2 6 5 f . ; k r i tisch dazu: Waldstein, W.: „Rechtserkenntnis u n d Rechtsprechung". I n : JB1. 1976, 581. 95 D r e i Verfassungsgerichte . . . , 266. 9β ζ. B. aus der Menschenwürde an sich. 97 Siehe so auch: Schmidt, J.: „Einige Bemerkungen zur Präzision der Rechtssprache". I n : Albert, H. u . a . (Hrsg.): Rechtstheorie als Grundlagenwissenschaft der Rechtswissenschaft. Jahrbuch f ü r Rechtssoziologie u n d Rechtstheorie. Bd. 2 Düsseldorf 1972, 405 f., 412. 98 Vgl. zum Folgenden: Schreiner, H.: „Recht — Macht — Verfassungsgericht". I n : Festschrift für Hans Lechner — Stimmen zur Zeit. Salzburg 1978, 233 f.

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Situation bietet sich i m Fristenlösungsurteil des Bundesverfassungsgerichts": Es w i r d eine typische Situation geschildert, i n der dem Schutz des Lebens des Nasciturus der Schutz des Lebens der Mutter gegenübersteht; beide stehen i n einer natürlichen, besonders gearteten Beziehung. „Die Schwangerschaft gehört zur Intimsphäre der Frau, deren Schutz . . . verfassungsrechtlich verbürgt ist." Dieser Schilderung der abstrakten typischen Situation folgt die A n gabe der Lösungsrichtung: „Wäre der Embryo nur als Teil des mütterlichen Organismus anzusehen, so würde auch der Schwangerschaftsabbruch i n dem Bereich privater Lebensgestaltung verbleiben, i n den einzudringen dem Gesetzgeber verwehrt ist . . . Da indessen der Nasciturus ein selbständiges, menschliches Wesen ist, das unter dem Schutz der Verfassung steht, kommt dem Schwangerschaftsabbruch eine soziale Dimension zu, die i h n der Regelung durch den Staat zugänglich und bedürftig macht. Das Recht der Frau auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit . . . kann zwar ebenfalls Anerkennung und Schutz beanspruchen. Dieses Recht ist aber nicht uneingeschränkt gewährt. Von vornherein kann es niemals die Befugnis umfassen, i n die geschützte Rechtssphäre eines anderen ohne rechtfertigenden Grund einzugreifen . . . Ein Ausgleich, der sowohl den Lebensschutz des Nasciturus gewährleistet als auch der Schwangeren die Freiheit des Schwangerschaftsabbruches beläßt, ist nicht möglich, da Schwangerschaftsabbruch immer die Vernichtung des ungeborenen Lebens bedeutet . . . Nach dem Prinzip des schonendsten Ausgleichs konkurrierender grundgesetzlich geschützter Positionen . . . muß deshalb dem Lebensschutz des Nasciturus der Vorzug gegeben werden. Dieser Vorrang gilt grundsätzlich für die gesamte Dauer der Schwangerschaft . . Λ A u f dieser abstrakten Problem- und Lösungsskizze w i r d sodann die Entscheidung i m einzelnen aufgebaut und juristisch näher begründet. Demgegenüber steht die Formulierung der „dissenting opinion" zweier Richter 1 0 0 . Gemeinsam ist noch die Auffassung: „Unbestritten umfaßt die verfassungsrechtliche Pflicht zum Schutz dieses Lebens auch seine Vorstufe der Geburt. Die Auseinandersetzungen betrafen nicht das ob, sondern allein das wie dieses Schutzes." Allerdings erfolgt sodann eine Differenzierung i n der Sicht der typischen Situation: Der Schwangerschaftsabbruch ist i m Verhältnis zu anderen Gefährdungen des Lebens singular 101 und unter der sozialen Problematik zu sehen, die der Gesetzgeber vorfindet 1 0 2 . Als Lösungsrichtung w i r d die Wahlfreiheit des Gesetzgebers, sich „sowohl für die Beratungs- und Fristenregelung 99

BVerfGE 39, 42 ff. 68 ff. 191 78 f. 102 81 ff. 109

3. Z u m Wertbegriff

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wie für die Indikationslösung entscheiden" zu können, angegeben 103 . A u f dieser abstrakten Problem- und Lösungsskizze erfolgt dann die Begründung des abweichenden Standpunktes i m einzelnen. Das „Nachstellen" des Modells i m Einzelfall w i r d einmal die Berücksichtigung jener Werte zur Aufgabe haben, die i n der konkreten Situation hinzutreten, zum anderen die allenfalls gegenüber dem Modell spezifische Kombination der typischen Werte präzisieren müssen. A u f diese, lediglich i n ihren Grundstrukturen angedeutete Weise scheint ein methodisch korrekter und Intersubjektivität garantierender Weg möglich, das Problem von Wertungen und Werten i m Verfassungsrecht anzugehen, ohne damit rechnen zu müssen, begründet des Rückgriffs auf Wertungen geziehen zu werden, die beliebig an das positive Recht herangetragen sind. Der Vielschichtigkeit i n den Auffassungen über das Werteproblem 1 0 4 steht der Erfahrungswert gegenüber, daß es ungeachtet aller divergenten Positionen immer wieder und erstaunlich oft — fast regelmäßig — gelingt, bei Wertungen i m Rechtsdenken intersubjekti ve Rekonstruierbarkeit und Akzeptierbarkeit herzustellen. Dafür sei nur ein Aspekt herausgegriffen, der gerade mit der „Situationsgebundenheit" angesprochen wurde: es mag Werte geben, die als objektiv, d. h. intersubjektiv unabhängig, gedacht werden können, wie z.B. „Wahrheit", „Gerechtigkeit"; aber auch diese Werte erhalten erst dann ein nötiges Ausmaß an Eindeutigkeit, wenn sie aus der Ebene des Abstrakten heraus i n die Beziehung zu Situation und Subjekt eintreten. Insoweit erschiene es von einem der Intersubjektivität verpflichteten Erkenntnisbegriff aus gerechtfertigt, „Werte" als etwas „unfertiges" anzusehen, die jeweils noch — zumindest i n typisierter Form — der Situationsund Subjektbindung bedürfen, also erst als Bewertung jene gnoseologische Form erhalten, die intersubjektive Akzeptierbarkeit ermöglicht. Neben diese Einschränkung t r i t t noch ein dynamisch-flexibles Element, das sich daraus ergibt, daß Werte je nach dem Blickwinkel, unter dem sie ins Auge gefaßt werden, und den Nachbarwerten, m i t denen sie i n Kollision gebracht werden, zu verschiedenen Endbewertungen führen können. Schon auf Grund des bisher Gesagten darf davon ausgegangen werden, daß zumindest teilweise die Möglichkeit von Rationalität i m Wertebereich besteht 1 0 5 , wobei für den Bereich des Rechtsdenkens nochmals anzumerken ist, daß hier Bewertungen ausgeschlossen werden 103

69. Vgl. insgesamt dazu etwa: Henkel, H.: Einführung i n die Rechtsphilosophie, 321 ff. u n d die dortigen Verweise. 105 Vgl. so auch: Brecht, Α.: Politische Theorie, 275. 104

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sollen, die der Rationalität nicht zugänglich sind. Eine solche Möglichkeit von Rationalität könnte i m Sinne Webers darin gesehen werden, daß man bei der Begründung von Bewertungen den Regreß soweit zurückgehen läßt, bis man auf Wertaxiome des Diskutanten stößt, die seine letzten inhaltlichen Werteprämissen bilden. Die Diskussion endet dann m i t der Zustimmung zu oder Verwerfung oder Umformulierung von Wertaxiomen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, die möglichen Sätze über Werturteile, die sich bilden lassen, bzw. vorgefunden werden, i n jeweils maximal konsistente Teilmengen zu ordnen und sodann zwischen diesen durch ein diesen Sätzen externes K r i t e r i u m zu entscheiden, das auf irgendeine Weise den Anspruch auf Angemessenheit der Rechtsordnung gegenüber erheben kann 1 0 6 . Eine weitere Möglichkeit besteht darin, daß i m Sinne des oben Gesagten von den präferenztheoretischen Möglichkeiten Gebrauch gemacht wird, wie sie bereits oben anläßlich der Schilderung des komparativen Begriffs 1 0 7 und i m Zusammenhang mit der Bildimg jeweils maximaler, i n sich konsistenter Satzmengen 108 , geschildert wurden. Eine weitere Möglichkeit besteht i n der Bindung der Diskussion an die empirisch greifbaren Voraussetzungen oder Folgen von Bewertungen. Diese Möglichkeiten bestehen nicht nur jede für sich allein, sondern können auch untereinander kombiniert werden, wie z.B. die Bildung maximal konsistenter Teilmengen von Sätzen und deren innere präferentielle Ordnung nach einem weiteren Gesichtspunkt, wobei dann auch die Folgenbewertung eine Rolle spielt. Während die ersten beiden Möglichkeiten rationaler Diskussion überwiegend i n einem formalen Aspekt wurzeln, besteht die Voraussetzungs- bzw. Folgenorientierung darin, daß irgendwie empirisch greifbare Voraussetzungen und Folgen, die bei der Wertediskussion m i t gedacht werden oder doch sollen, Berücksichtigung finden. Gilt doch jedenfalls für juristisch zulässige Bewertungen auf Grund bewährter Praxis, daß sie immer auch — nicht n u r — auf empirisch greifbaren Annahmen und Erwartungen von empirisch greifbaren Folgen beruhen, die ihrerseits Gegenstand des Erkennens sein können 1 0 9 . Damit ist wieιοβ v g l dazu die Ausführungen bei der Kohärenztheorie der Wahrheit i m Zusammenhang m i t Ν. Rescher. 197

1/2. 39 ff. II/2, anläßlich des kohärenztheoretischen Aspekts des Wahrheitsproblems, 81 ff. 109 Vgl. so Albert, H.: T r a k t a t über die kritische Vernunft. 3. Aufl., T ü b i n gen 1975, 55 ff. ( I I I . K a p i t e l : Erkenntnis u n d Entscheidung). Z u r Folgediskussion schon: Weber, M.: „Die »Objektivität' sozialwissenschaftlicher u n d sozialpolitischer Erkenntnis". I n : Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftstheorie. 3. Aufl., Hrsg. v. Winckelmann, Tübingen 1968, Abschnitt I, 148 -161, insbes. S. 149 ff. 108

3. Z u m Wertbegriff

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derum eine Position bezogen, die es auch einem Vertreter des Nonkognitivismus ermöglichen kann, rationaler Diskussion i m Bereich von Wertungen näher treten zu dürfen, ohne diese gänzlich umdeuten zu müssen. Da diese empirischen Komponenten nur einen Teil des Wertungsproblems ausmachen, w i r d bei der einschlägigen Diskussion nur ein Teil erfaßt. Insoferne w i r d eine notwendige, aber doch nicht ausreichende Bedingung diskutiert. Dieser Teil unterliegt n u n Möglichkeiten, wie sie oben bei den reduktiven Verfahren unter den Gesichtspunkten der Erklärung abgelaufener und der Prognose künftiger Ereignisse angesprochen wurden 1 1 0 . Das einschlägige Vorgehen besteht bei der Folgendiskussion darin, daß die Wertungsproblematik auf die Folgenbewertung reduziert w i r d 1 1 1 , also eine A r t von Teleologie 112 . Die dermaßen vorgenommene Reduktion bedeutet letztlich nur eine Verschiebung der Bewertung i n einen anderen Bereich, nicht jedoch ihre Ubersetzung i n Fragen, die ohne Bewertung lösbar sind. Dabei liegt ein entscheidender Punkt darin, ob es gelingt, eine entsprechende A n zahl von Diskutanten zu eben diesen Reduktionen zu bewegen — das Forum der rationalen Diskussion herzustellen. Dies scheint m i r durch ethisch-prozedurale Kriterien gewährleistet, weil diese diejenigen, die sich nach ihnen richten 1 1 3 , veranlassen, allen erheblichen Fragestellungen, die eine A n t w o r t verlangen, nachzugehen — und dazu gehört wohl auch die Reduktion i n der Folgenproblematik. Eine solche Reduktion einer Wertung kann sich als faktisch undurchführbar erweisen, wenn „jeder Reduktionsversuch auf Wertungen führt, die von der Gesellschaft nicht geteilt werden" 1 1 4 . Als rechtlich reduktionsunfähig erweist sich hingegen eine Wertung, „ f ü r die jeder Reduktionsversuch auf Wertungen führt, die (verfassungs-)rechtlich unzulässig sind" 1 1 5 . Anzustre110

Ohne daß deshalb die dort i n verschiedenen Ausprägungen vorhandenen utilitaristischen Positionen geteilt würden, sei auf folgende Autoren verwiesen, deren methodischer Ansatz hier i m konvergenztheoretischen Sinn verstanden w i r d , w i e dies auch Podlech (siehe unten) m i t seinem rechtfertigenden Hinweis auf Aristoteles (Topik I I I , hrsg. v. Gohlke t P.: Paderborn 1952, 117a: „ W e n n ferner zwei Dinge sehr einander gleichwertig sind u n d man keinerlei Vorzug an dem einen gegenüber dem anderen entdecken kann, soll man auf die Folgen achten") offenkundig unternimmt. Allgemein zur Folgendiskussion: Kraft , V.: Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre. 2. Aufl., Wien 1951, 249 ff., 260 ff.; Hart, R. M.: The Language of Morals, London u.a. 1970, 56ff., insbes. 68; zur Folgendiskussion i m Verfassungsrecht: Podlech , Α.: „Wertungen u n d Werte i m Recht", AöR 1970 (95), 185 ff.; Rack , M.: Die Verfassung als Maßstab. B e r l i n 1978, 187 ff. 111 Podlech , Α.: „Wertungen . . . " , 197 f. 112 Hoerster, N.: E t h i k u n d Verallgemeinerung. Freiburg - München 1971, 11 ff. 113 Dies legt sich allen nahe, die i h r Verhalten u n d Denken an Gründen orientieren u n d i n freier Selbstbestimmung wählen wollen. 114 Podlech , Α . : „Wertungen . . . " , 200. Leider w i r d „Reduktion" hier etwas irreführend gebraucht. Es sollte besser „Reduzierung" heißen. 115 Podlech , Α.: „Wertungen . . . " , 200.

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ben, weil hinsichtlich ihrer intersubjektiven Akzeptierbarkeit erfolgversprechend, wären demnach Reduktionen, die sowohl faktisch wie auch rechtlich möglich sind. Dabei stellt sich die methodische Frage, woraus das Forum besteht, i n dem die Reduktion akzeptiert werden soll: sind es alle Funktionsbereiche der Gesellschaft und w i r d bei allen einschlägigen Bedenken gegen den Satz „ i n claris non fit interpretatio" dem Normtext nicht ein entscheidender Vorrang eingeräumt, so kommt es zu einer Auflösung der Trennung des de-lege-lata- und des de-lege-ferenda-Bereichs, zu einer Verwischimg von Funktionsteilungen, zu zunehmender Problembefrachtung und vielleicht auch Entstabi'lisierung von Entscheidungen; damit würden sich jene Befürchtungen einstellen, die Lühmann zur Ablehnung der Folgenorientierung veranlassen 116 : Die Entscheidungsfolgen werden zur unabsehbaren Kette von Folgen und Folgen von Folgen. Dadurch w i r d der Jurist entweder zu einer Kompetenzanmaßung gezwungen, wenn i h m die Entscheidungszuständigkeit vorbehalten bleiben soll, oder aber es müßte andernfalls zu einem Ende der Autonomie juristischer Vernunft kommen. Deshalb w i r d darauf Wert zu legen sein, daß das „Forum" auch durch Faktoren mitbestimmt wird, die die Verfassung und die Verfassungstheorie z. B. piit dem Vorrang fixierter Rechtsquellen und m i t den durch die Gewaltenteilung vorgezeichneten Rollen und den durch die tatbestandliche Bindung der Probleme gegebene Problemvereinfachung erkennen lassen bzw. anstreben 117 . Eine solche Reduktion kann sowohl zu einer Verschiebung der Bewertung von einem systematisch zusammengehörigen Rechtsgebiet i n ein anderes derselben Rechtsquellenstufe führen, es kann aber auch zu einer Verschiebung der Bewertung zu einer höheren Rechtsquellenstufe und so insbesondere letztlich i n die Verfassimg kommen 1 1 8 . Dies wiederum scheint nun seinerseits die Entwicklung einer materialen wertorientierten Verfassungstheorie vorauszusetzen oder zwingt dazu, die Wertungsproblematik a limine abzuweisen 119 . Eine solche Vorgangsweise zwingt aber keinesfalls dazu, den Wertbegriff und das Wertdenken wertphilosophisch-ontologisch zu orientieren 1 2 0 , sondern ermöglicht durchaus einen Standpunkt, der auch erfahrungswissenschaftlich 116

Luhmann, N.: Rechtssystem u n d Rechtsdogmatik. Stuttgart 1974, 35. I m einzelnen w i r d auf diese Modalitäten des Rechtsdenkens i m letzten T e i l zurückzukommen sein, 150 ff. ne v g l . podlech, Α . : „Wertungen . . . " , 199. 117

119

Vgl. so Rosenzweig, W.: „ D r e i Verfassungsgerichte . . . " , 231 ff. Diese Auffassung legt offensichtlich Rosenzweig — „ D r e i Verfassungsgerichte . . . , — zu Grunde. Vgl. f ü r diese Position: D ü n g , G.: „Der G r u n d rechtssatz von der Menschenwürde — E n t w u r f eines p r a k t i k a b l e n W e r t systems der Grundrechte", AöR 1950 (81), 117 ff. 120

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orientiert ist: Werte werden dann zwar nicht nur, sondern auch als interessensbedingte und konsensgetragene Maßstäbe bzw. Vorzugsregeln zur Handlungsstabilisierung und -Orientierung gedeutet 121 . Die zweite wichtige Frage, die sich i m Zusammenhang m i t der Verschiebung der Bewertung durch die Reduktion ergibt, scheint m i r darin zu liegen, ob dies nicht i n Begründungen führt, die i n einem infiniten Regreß, i n einem logischen Zirkel oder i n einem willkürlichen Abbruch enden, wie dies das „Münchhausen-Trilemma" 1 2 2 nahelegt. Führt doch letztlich die Reduktion immer auf letzte Bewertungen hinaus, die ihrerseits wiederum als bloßer Hinweis auf eigene Wertüberzeugungen gedeutet werden können. Doch: W i l l man gemeinsam diskutieren und zu einer intersubjektiv akzeptierbaren Lösung der Bewertungsfrage kommen, so kann man nicht von vornherein auf eine gemeinsame Basis verzichten, über die Konsens besteht. Wenn von vornherein keine diesbezügliche Hoffnung bestünde, daß die jeweils als „letzte" vorgebrachten Wertüberzeugungen auch die des anderen sein können, würde sich von vornherein jeder Versuch nach intersubjektiver Akzeptierbarkeit als Versuch des Unmöglichen erweisen. Man muß sich nur nicht ausschließlich um einen „kulturellen", „anthropologischen" oder „naturrechtlichen" gemeinsamen Horizont bemühen, es genügt vielmehr, die eigenen Wertüberzeugungen jeweils nur insoweit als „letzte" gelten zu lassen, als alles unternommen wurde, u m alle erheblichen Fragen zu beantworten. Treten neue Fragen auf, so muß es zu neuen Antworten kommen. Damit ist das gemeint, was oben beim „Wahrheitsproblem" i m Anschluß an Muck „operatives K r i t e r i u m " der Bejahbarkeit genannt wurde. Insoweit nun jemand bereit ist, sein zu Entscheidungen führendes Wollen an Gründen zu orientieren, die sich an der Sache bewähren und brauchbare Antworten auf einschlägige Problemlagen erlauben, ist i m Rahmen einer auf diese Weise ein — je vorläufiges — Ende der Begründungsreduktion bzw. des Begründungsregresses für Wertungen möglich: es ist also m i t h i n kein unendlicher Regreß und kein willkürlicher Abbruch nötig. I m naturwissenschaftlichen Bereich gelten als letzte Instanz immer wieder Basissätze, die man sinn vollerweise nicht mehr hinsichtlich ihres Inhaltes, sondern nur mehr hinsichtlich ihres Zustandekommens befragt: diese Rolle können i m Bereich der Begründung von Bewertungen „Basiswerturteile" übernehmen 1 2 3 , die als das jeweils mögliche 121

Daß ein solcher Weg grundsätzlich möglich ist, legt i n einem systemtheoretischen Rahmen nahe: Willke, H.: Stand u n d K r i t i k der neueren Grundrechtstheorie. B e r l i n 1975, 44 ff., insbes. 72 ff. 122 Albert, H.: T r a k t a t über kritische Vernunft. 13 ff. 12a vgl. Schmidt, J.: „Einige Bemerkungen zur Präzision der Rechtssprache". I n : Albert, H. u.a. (Hrsg.): Rechtstheorie als Grundlagenwissenschaft der 7 Schreiner

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Optimum sach- und situationsbezogener Bewertungsantworten gelten dürfen. Sinnvollerweise sollen sie nur dann i n Frage gestellt werden, wenn sich eine neue erhebliche Frage bzw. Problemnuancierung ergibt — etwa durch einen neu entstandenen Zusammenhang der zu bewertenden Situation m i t einer anderen Situation —, die noch nicht vorhanden war, als das Werturteil formuliert und akzeptiert wurde 1 2 4 . Wäre letzteres der Fall, so wäre das oben erwähnte K r i t e r i u m der operativen Bejahbarkeit nicht erfüllt; es könnte also das seinerzeitige Basiswerturteil m i t Grund nicht von vornherein den intersubjektiven Akzeptierbarkeitsanspruch erheben. M i t diesen Bemerkungen ist bereits der Boden für die Abweisung der Behauptung gelegt, daß Werte nicht „abschattungsfähig" seien, weil sie nicht nach Regeln m i t Erfahrungen verknüpft werden könnten, wie der Umstand der Verschiedenbewertung derselben Situation durch mehrere Menschen zeige. Es stellt sich dabei nämlich die Frage, ob diese Verknüpfung nicht durch ethisch prozedurale Regeln hergestellt werden könne, die ein Sollen für das Bewerten darstellen 1 2 5 , m i t h i n also ethische Anforderungen an den sind, der Werturteile bildet: Ein Verhalt, den manche Richtungen der Wertphilosophie als Ergebnis richtigen „Wertfühlens" bezeichnen 126 und dessen Absenz als „Wertblindheit" bezeichnet w i r d 1 2 7 . Daß derlei ethische Behauptungen nicht unbedingt „argumenta ad hominem" sein müssen 128 , w i r d dann deutlich, wenn man versucht, etwa das von der materialen Wertphilosophie gemeinte „Wertfühlen" i n ethisch prozedurale Kriterien zu übersetzen, wie dies etwa über das operationale K r i t e r i u m der Bejahbarkeit möglich ist und weiter unten noch näher auszuführen sein wird. Die Kriterien, die hier gemeint sind, können von verschiedenen Standpunkten aus begründet werden: einmal werden sie als geltend erachtet, weil sie i m großen und ganzen als erfolgreiche, i n der Praxis zu anerkannten und befriedigenden, konsensfähigen Lösungen führende Kriterien angesehen werden 1 2 9 und zum anderen werden sie aus ontologischen Gründen für gültig Rechtswissenschaft. Jahrbuch für Rechtssoziologie u n d Rechtstheorie. Bd. 2, Düsseldorf 1972, 391 ff., insbes. 404 f. 124 Dies bedeutet methodisch, daß jede ex ante Begründung von W e r t urteilen über Situationen vermieden werden soll. I n diese Richtung auch: Maihof er, W.: „Realistische Jurisprudenz". I n : Jahr, G J Maihof er, W. (Hrsg.): Rechtstheorie. Beiträge zur Grundlagendiskussion. F r a n k f u r t 1971, 427 ff. 125 Es scheint, daß das tatsächliche Verfahren i n diesem Belang weitgehend solche Normen berücksichtigt, w i e sie weiter unten dargestellt werden. 126 Vgl. Scheler, M.: Der Formalismus i n der E t h i k u n d die materiale W e r t ethik. 4. Aufl., Bern 1954, 88 ff. 127 Vgl. v. Hildebrand, D.: „Sittlichkeit u n d ethische Werterkenntnis". I n : Jahrbuch für Philosophie u n d phänomenologische Forschung 5 (1922), 462 ff. 128 Podlech, Α.: „Wertungen . . . " , 206. 129 Insoweit darf daher auch ein utilitaristischer u n d pragmatischer Standp u n k t f ü r sie herangezogen werden.

. Zum

rbegriff

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erachtet. Eine Deckung letzterer Position m i t der ersten ergibt sich i n den allermeisten Fällen schon deshalb, weil die ersteren Positionen doch zumeist von der Behauptung getragen werden, daß vernünftig ist, was sich bewährt, und die zweiteren Positionen vom Ergebnis her gesehen i n aller Regel auch nicht mehr und nichts anderes behaupten, als sich regelmäßig i n der menschlichen Erfahrung bewährt hat — wenn auch ontologisch fundiert. Oben wurde die Feststellung getroffen, daß Wert nicht gleich Wert sei, und dies damit begründet, daß es auch Werte i m Sinne von nicht willkürlicher Prägung gibt; Werte, deren Geltungsgrund nicht von vornherein das subjektive Wertschätzen sein muß. Unter diesen Werten gibt es wiederum solche, die man als gültig voraussetzen muß, wenn man ein bestimmtes Ziel erreichen w i l l , wie z.B. eine Rechtsordnung unter bestimmten Bedingungen aufrechtzuerhalten. Dieser Weg, unter den Werten selbst wieder zu differenzieren, mag nur von dem beschritten werden, der ohnehin schon dazu bereit ist; für den, der von einer nonkognitivistischen Position aus die Werte für gleichermaßen subjektiv-willkürlich erklärt und den Wertbegriff daher völlig durch den Begriff der Wertung ersetzen w i l l , bedarf es noch eines hinreichenden Grundes, eine Differenzierung vorzunehmen. Dieser Grund kann durch Abwägung der Folgen jener Grundhaltung i n verschiedenen Zweigen des rechtlichen Denkens geliefert werden, die sich aus der Gleichsetzung aller Werte als beliebig ergeben. Einem solchen Konzept angemessen scheint die staatstheoretische Vorstellung vom pluralistischen Staat, der auf dem Prinzip der NonIdentifikation beruht; keine Wertvorstellung gilt i h m als solche schon als bevorzugt, sie sind insoweit gleich. Abgesichert w i r d dies durch eine völlige Trennung von Recht und Ethos. Für das Konzept einer Verfassungsgerichtsbarkeit 130 legte sich dann bei aufrechter Gewaltenteilung nahe, die Frage der Wertauswahl als Frage der Beliebigkeit als nicht dem Gerichte zugänglich zu erachten: Ein Verfassungsgericht, das derartiges täte, würde sich nach dieser Auffassung über die Gewaltenteilung hinwegsetzen und an die Stelle des Gesetzgebers treten. Dies führte dann aber andererseits bei gegebener vager Formulierung wertempfindlicher Bereiche i n einer Verfassung dazu, daß die Prüfungszuständigkeit des Verfassungsgerichtes auf die Einhaltung der Wortlautgrenze und des Exzeßverbotes beschränkt wird, ansonsten aber an die Stelle verfassungskräftiger Werte das Wertsystem der einfachen Parlamentsmehrheit, deren Ideologie t r i t t 1 3 1 . Dieser Schritt macht n u n 130

Vgl. dazu: Rosenzweig, W.: „ D r e i Verfassungsgerichte . . . " , 264 ff. Dieser Gesichtspunkt wurde bereits oben an BVerfGE 39 (Fristenlösung) verdeutlich, 92 f. 131

7*

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deutlich, zu welchen Konsequenzen die bezügliche Grundhaltung des undifferenzierten Werteagnostizismus führt, wenn man ζ. B. an die Grundrechte denkt: es bleibt dem einfachen Gesetzgeber unbenommen, i m Rahmen von Wortlautgrenze und Exzeßverbot Grundrechte zu unterlaufen, oder, wenn man an die Baugesetze gem. A r t . 44 Abs. 2 B - V G denkt, diese i m Wege der Salamitaktik weitgehend auszuhöhlen. Beides sind Beispiele, deren Aktualität zumindest literarisch mehrfach belegt ist 1 3 2 . Eine solche radikale, undifferenzierende Abweisung der Wertfrage ins Irrationale würde sich auch trotz der geschilderten Folgen jedenfalls dann nahelegen und als angemessen anbieten, wenn sich Nonkognitivismus und Agnostizismus i m Wertbereich decken würden. Daß eine solche Annahme zwar möglich, aber durchaus sinnvoll bestreitbar ist, wurde schon dargetan. Daß sie auch für einen Nonkognitivisten nicht notwendig ist, zeigten jene „Positivisten", die die Werteproblematik nicht i m Gegensatz von Erkennen und Wollen ansiedeln, sondern bei der Frage nach den notwendigen werthaften Bedingungen für eine Ordnung bestimmter Qualität ansetzen. A u f diese Weise ist eine „Grundwertediskussion" 1 3 3 auch auf dem Boden einer non-kognitivistischen Haltung möglich 1 3 4 . Die letztere Position akzeptiert dann neben der bisher von i h r betriebenen Fragerichtung nach den (empirischen) Werteinstellungen einer Gesellschaft eine Fragerichtung, die bislang für die Scholastik bezeichnend war, indem den Zielrichtungen der normativen Handlungsrahmen nachgegangen wird. Dies ist aber nicht zuletzt deshalb möglich, weil zur weiteren methodischen Diskussion die Frage zumeist derart formuliert wird, daß sie die Struktur einer technischen Norm bekommt, also eine Veränderung der Sollensbeziehung vorgenommen wird: an die Stelle des hinsichtlich seiner Verknüpf barkeit m i t Erfahrungen problematischen Sollens t r i t t das Müssen der Mittel-Zweckbeziehung; etwa der A r t : „Wenn du a erreichen willst, mußt du b t u n 1 3 5 . " Kurz zusammengefaßt läßt sich sohin dieser Weg dahingehend 132 Vgl. Spanner, H.: Rechtliche u n d politische Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit. Verhandlungen des Ersten österr. Juristentages (1961) Bd. 1/2, 39 ff. 133 v g l dazu die einschlägige, auch von nonkognitivistischer Seite geführte Diskussion i n der B R D : Kimminich, O. (Hrsg.): Was sind Grundwerte? Düsseldorf 1977. 134 Y g i hiezu den differenzierenden u n d vermittelnden Ansatz bei Tammelo, der von einer konativistischen Position spricht. Tammelo, I.: Z u r Philosophie des Überlebens. Freiburg - München 1975, 240 ff.; Mocfc, E.: „Die Ambivalenz menschlicher N o r m a t i v i t ä t " . I n : ARSP 1970 (63), 179 ff. iss Eg verdient Interesse, daß eine der Formulierungen des Kant'schen Kategorischen Imperativs diese S t r u k t u r auf weist: „Handle so, daß du die Menschheit sowohl i n deiner Person als i n der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als M i t t e l brauchst." — Z u r tech-

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darstellen, daß jene Werte formuliert werden, die notwendig für eine bestimmte Ordnung sind — ζ. B. Freiheit, Solidarität, Gerechtigkeit —, und daß sodann diese offenen Wertweisungen i n die Struktur technischer Normen gebracht werden, wodurch sich infolge der Verknüpfung mit der Erfahrungswelt die Fragen nach den Bedingungen ihrer Verwirklichung stellen und beantworten lassen — m i t h i n der Weg der teleologischen Analyse, als deren aposteriorischer Anwendungsfall die Folgenanalyse schon besprochen wurde. Ein gängiges, weil immer wieder gebrauchtes Beispiel der juristischen Argumentations- und Entscheidungspraxis, das letztlich auf einer Folgenbewertung 1 3 6 beruht, ist m i t dem sog. „Bundesstaatserkenntnis" des VerfGH gegeben 137 . Wenn auch das Ergebnis zumeist auf Zustimmung rechnen kann, so kann dies die Begründung, die der Verfassungsgerichtshof dazu geliefert hat, nicht i n demselben Ausmaß erwarten. Dieser Mangel soll nun kurz skizziert werden; dort heißt es: „Bei Prüfung dieser Frage darf nicht von den verschiedenen einander vielfach widersprechenden Theorien vom Wesen des Bundesstaates ausgegangen werden, sondern ausschließlich von den positiven Bestimmungen des B-VG." Diese Formulierung ist zu weitgehend bzw. kann, wenn sie als Ziel einer methodisch einzulösenden Forderung verstanden wird, nicht eingehalten werden, weil ganz offensichtlich ein Vorverständnis, intensional bestimmende Gesichtspunkte, beim Interpreten vorhanden sein müssen, mit denen er die Bestimmungen des österreichischen Verfassungsrechts i m Hinblick auf ihre Relevanz für das bundesstaatliche Baugesetz untersucht. Erst durch ein solches Vorverständnis ergibt sich ein Ansatz, der es erlaubt, einige Einrichtungen als typisch für das Baugesetz anzusprechen. Dieses Vorverständnis müßte daher selbst einer Begründung unterzogen werden, wenn es als tragfähiger Ausgangspunkt für eine begründende Deduktion dienen soll. Eine solche Begründung findet der VerfGH i m Ergebnis eines Verfassungsvergleichs, wodurch „ . . . die wesentlich(en) Bestimmungen des B-VG, die sich auch i n allen anderen bundesstaatlichen Verfassungen finden . . . " festgestellt werden können, deren „ . . . Aufhebung . . . als eine Gesamtänderung der Verfassung anzusehen wäre". Damit w i r d aber die Frage nach dem angemessenen und i n weiterer Folge nach dem rechtsrichtigen Vorverständnis für das bundesstaatliche Baugesetz einfach i n den Geltungsbereich anderer Verfassungen verschoben. Ob und nischen N o r m : Weber, M.: „Die »Objektivität* sozialwissenschaftlicher u n d sozialpolitischer Erkenntnis". I n : Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. 3. Aufl., Hrsg. v. Winckelmann, M., Tübingen 1968, 149 ff.; Wright, G. H. v.: N o r m u n d Handlung. Königstein/Ts. 1979, 25 ff. 136 Noll, P.: Gesetzgebungslehre. Reinbeck b. Hamburg 1973, 125 ff., nennt diesen Vorgang „konkretisierende Komparation". 137 V e r f G H Slg. 2455/1952.

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gegebenenfalls daß es dort wiederum „von außen" an das Verfassungsrecht herangetragen wurde, ist damit noch nicht geklärt. Selbst wenn dies aber bei den zum Vergleich herangezogenen ausländischen Verfassungen nicht zutreffen würde, könnte noch immer eingewendet werden, daß ein solcher Vergleich schon dadurch fragwürdig und daher noch gesondert begründungsbedürftig sei, weil das B - V G ein wesentliches K r i t e r i u m der anderen Bundesstaaten, nämlich die Aufteilung der Gerichtsbarkeit auf Bund und Länder, nicht kennt. Jedenfalls reicht dieser Weg nicht aus, eine tragfähige Begründung für die Behauptung zu liefern, daß das Ergebnis des Vergleichs dem gewünschten Ziel — „ . . . ausschließlich von den positiven Bestimmungen des B - V G " auszugehen — entspricht. Dieses Vorverständnis w i r d nun vom VerfGH wie folgt eingeführt: „Als solche für eine bundesstaatliche Verfassung typische Einrichtungen wären vor allem die Aufteilung der staatlichen Funktionen, d. h. die Kompetenzverteilung zwischen dem Oberstaat und den Gliedstaaten und die Beteiligung der Gliedstaaten an der oberstaatlichen Gesetzgebung durch die Einrichtung einer aus Vertretern der Gliedstaaten gebildeten Länderkammer anzusehen." Durch deduktive Ausfaltung ergibt sich nun als rechtsnormative Konsequenz dieses Vorverständnisses: „Eine Gesamtänderung der Verfassung vermochte aber der Verfassungsgerichtshof . . . nicht zu erblicken, weil der Bestand einer eigenen Landesbürgerschaft nicht zum Wesen der bundesstaatlichen Organisationsform gehört und daher der Fortbestand des Bundesstaates durch das Fehlen einer besonderen Landesbürgerschaft nicht berührt wird." Weil eine solche „Begründung" damit aber nicht begründet, was sie eigentlich begründen sollte, nämlich unbedingt zuerst die Angemessenheit und Rechtsrichtigkeit des Vorverständnisses, das zu den i n Rede stehenden Ergebnissen führt, sondern anstelle dessen dieses Vorverständnis nur deduktiv anwendet, muß dieses Schema allein für den beabsichtigten Zweck der Begründung als unbefriedigend bezeichnet werden 1 8 8 . Daß eine solche Struktur bei der Findung des Ergebnisses Pate stand, w i r d man wohl nicht anzunehmen haben. Die Problematik des Vorverständnisses stand, wie schon der Text der Begründung selbst deutlich werden läßt, durchaus auch i m Zentrum der Überlegungen. Eher w i r d man wohl annehmen dürfen, daß die wissenschaftstheoretische Grundposition — wonach Wertwahlen und entsprechende abwägende Erörterungen wohl i m „Entscheidungskontext" eine Rolle spie138 Vgl. dazu Kriele, M.: Theorie der Rechtsgewinnung. B e r l i n 1976, 4. K a pitel 1. Abschnitt „Deduktion aus Systemen"; zu dieser Problematik auch Schreiner, H.: „Probleme u m eine Gesamtänderung der Bundesverfassung". I n : Fischer, M. u.a. (Hrsg.): Dimensionen des Rechts, Bd. I I , B e r l i n 1974, 915.

3. Z u m Wertbegriff

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len dürfen — nicht jedoch i m sog. „Begründungszusammenhang" — eine der Hauptursachen für die Wahl dieser unbefriedigenden Begründungsstruktur war. Wie man aus dem Text der Entscheidungsbegründung selbst wohl annehmen darf 1 3 9 , spielt i m Entscheidungszusammenhang A r t . 6 (2) B - V G eine bedeutsame Rolle: „Jeder Bundesbürger hat i n jedem Land die gleichen Rechte und Pflichten wie die Bürger des Landes selbst." Damit ist aber nun ein Weg angesprochen, den die Folgebewertung ermöglicht: Man zieht aus einer Hypothese (H 1), wonach eine eigene Landesbürgerschaft für das bundesstaatliche Baugesetz wesentlich sei, Folgerungen: Wenn diese eigene Landesbürgerschaft rechtsnormativ von Bedeutung sein soll, dann muß sie die Möglichkeit eröffnen, m i t dieser Landesbürgerschaft besondere Rechte oder Pflichten zu verknüpfen. Diese Konsequenzen stehen aber i m Widerspruch zu A r t . 6 (3) B-VG. Es handelt sich also i m Sinne des vorher zur Folgendiskussion Gesagten „ u m rechtlich reduktionsunfähige Konsequenzen". Damit ist das Vorverständnis, das H 1 zum Ausdruck bringt, als unangemessen auszuscheiden. H 2 hingegen, wonach die Landesbürgerschaft keinen eigenen rechtsnormativen Gehalt hat, erscheint damit als angemessen und bestätigt 1 4 0 , zumal A r t . 6 (3) B - V G ja jeden Sondergehalt als verfassungswidrig erklärt. Dazu t r i t t noch bestärkend der systematische Hinweis auf A r t . 11 B-VG, wo der Begriff der Staatsbürgerschaft als Oberbegriff über die Unterbegriffe Landesbürgerschaft und Bundesbürgerschaft gebraucht wird. A u f eine solche Weise kann bewirkt werden, daß das Vorverständnis letztlich nicht autoritativ eingeführt zu werden braucht, sondern selbst wiederum durchaus begründbar wird. Ist aber das Vorverständnis als vertretbar und angemessen begründet, hat die gesamte Begründung an Rationalität gewonnen. Nunmehr muß eine deduktive Endstruktur der Begründung nicht mehr als unbefriedigend betrachtet werden, weil das, was deduktiv transportiert wird, ja begründet ist. Die Begründung der Wertwahl i m sog. Bundesstaatserkenntnis kann deshalb letztlich auf eine relativ so starke Basis gestellt werden, weil die Folgen jener Hypothese, die zur Stattgebung der Verfassungsbeschwerde geführt hätte, als verfassungsrechtlich mißbilligt zu betrachten sind. Eine solche Möglichkeit der Begründung von Wertwahlen 139 So auch die Hervorhebung bei Schäffer, H. : Verfassungsinterpretation i n Österreich. Wien - New Y o r k 1971, 81. 140 Daß deduktiv gebildete Hypothesen i m strengen Sinne, w e n n überhaupt, höchstens falsifiziert, nie jedoch verifiziert werden können, sondern n u r bestärkt und damit vertretbarer gemacht werden können, w i r d hier nochmals erwähnt: Vgl. Popper, K . : L o g i k der Forschung. 3. Aufl., Tübingen 1969, 14 ff.; Henke, W.: K r i t i k des kritischen Rationalismus. Tübingen 1974, 7 ff.

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bietet sich aber nicht i n allen Fällen, wo mehrere Alternativen offenstehen, wie kurz anhand einer literarischen Auswahl zum Problem der rechtsstaatlichen Determination nach A r t . 18 B - V G gezeigt werden soll. A r t . 18 (1) schreibt vor: „Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden." Und A r t . 18 (2) legt fest: „Jede Verwaltungsbehörde kann auf Grund der Gesetze innerhalb ihres Wirkungsbereiches Verordnungen erlassen." Die Verfassung selbst läßt also, zumindest vom einschlägigen Text her, das Ausmaß der Determination offen. Würde man nun das Legalitätsprinzip i n der Manier des von oben nach unten strukturierten Prinzipiendenkens anzuwenden versuchen 141 , dann könnte sich als auf die Folgen gerichteter Schluß anbieten, daß das inhaltliche Determinationsgebot für die gesamte Hechtsordnung insoferne ein einheitliches sei, als es auf andere Gesichtspunkte nicht ankomme, die außerhalb des Prinzips selbst liegen. Diese Sichtweise (Hypothese) des Legalitätsprinzips würde daher ein z.B. nach Sachgebieten differenziertes Verständnis (Hypothese) des Determinationsproblems ausschließen. Würde man also die Determinationsforderung des Legalitätsprinzips für alle Bereiche gleichermaßen gelten lassen, so ergäbe sich, jedenfalls für bestimmte Bereiche, als Folge, daß zu Formeln gegriffen werden müßte, die nur scheinbar determinieren, i n Wahrheit aber formalgesetzliche Delegationen sind, wie etwa hinsichtlich der Determination der Ermächtigung zur Aufnahme von Bundesanleihen 142 festgestellt werden k a n n 1 4 3 : „Hinter — auf den ersten Blick — ziemlich kompliziert anmutenden finanzgesetzlichen Determinanten steckt oftmals mehr oder minder eine Leerformel dergestalt etwa, daß damit eine Grenze nach oben angegeben wird, die aus ökonomischen Gründen von vornherein nicht überschritten werden kann. M i t anderen Worten: Der Gesetzgeber tarnt sein Unvermögen, auf zukünftige wirtschaftliche Situationen zu reagieren, m i t Formeln, die zwar sehr detailliert aussehen, es jedoch nicht sind. Die Angabe einer oberen Grenze für Zinsfuß, Laufzeit und prozentuelle Gesamtbelastung, die i n wirtschaftlicher Hinsicht selbstverständlich ist, besitzt i m Grunde keinen Bestimmungswert für das Verhalten eines Vollzugsorgans. Sie ist nicht mehr als ein ,ut aliquid fieri videatur' des Gesetzgebers und beinhaltet letztlich wieder nur die vom Verfassungsgerichtshof verpönte ,formalgesetzliche Delegation'." Diese 141 Vgl. die diesbezügliche K l ä r u n g bei Schäffer, H.: Verfassungsinterpretat i o n i n Österreich, 136 ff. 142 Unter Bezug auf den szt. A r t . V I , Z. 1, lit. c B F G 1968 (ζ. Z. A r t . V I I I (1) Z. 1, l i t . b B F G 1979). 143 Fröhler, L . : Das Wirtschaftsrecht als Instrument der Wirtschaftspolitik. W i e n - N e w Y o r k 1969, 66; vgl. dazu auch die kritischen Ausführungen bei Schäffer t H. : Verfassungsinterpretation i n Österreich, 146, insbes. Fn. 256.

3. Z u m Wertbegriff

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Darstellung macht deutlich, daß die Folgen eines undifferenziert determinierenden Legalitätsprinzips jedenfalls i n die Nähe tatsächlicher Unmöglichkeit einerseits und verfassungsrechtlicher Unzulässigkeit andererseits kommen. Damit wäre ein zureichender Grund geliefert, ein undifferenziertes Verständnis des Legalitätsprinzips abzulehnen und die Forderung nach einer differenzierten Sicht begründet 1 4 4 . Wenn es nun heißt: „Die Grenze einer noch hinreichenden Differenzierung läßt sich allgemein nicht ziehen, sie kann immer nur von Fall zu Fall gezogen werden" 1 4 5 , so deutet dies eigentlich auf ein alle Bereiche umfassendes Verständnis des Legalitätsprinzips (eine Hypothese) h i n so wie dies beim „Prinzipiendenken" der Fall ist. Geht man hingegen von einer zu differenzierterer Sicht mahnenden Forderung aus, unter der A r t . 18 B - V G auszulegen wäre, so könnte gefolgert werden: „ . . . daß das Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bei Bedachtnahme auf die systematischen Bezüge keine einfache Anordnung des Verfassungsgesetzes, sondern ein gegliedertes System von Vorschriften und Verboten darstellt, die wieder untereinander i n einem innigen rechtssystematischen Zusammenhang stehen" 1 4 6 ; unter der Geltung eines solchen Verständnisses ist es nun keinesfalls mehr nötig, von vornherein entweder auf ein allgemeines, für alle Bereiche gleichermaßen geltendes K r i t e r i u m der Determination abzustellen oder — anläßlich der Einsicht i n dessen Unmöglichkeit, Unzweckmäßigkeit oder* Unrichtigkeit — einfach auf ein Vorgehen von „ F a l l zu Fall" abzustellen oder sich m i t dem rechtfertigenden Hinweis auf ein „wohlerwogenes Ermessen" 147 des VerfGH zufrieden geben zu müssen. Durch das Abstellen auf eine Differenzierung ist es nämlich grundsätzlich möglich, für die einzelnen Bereiche die dort zum Tragen kommenden „Hauptgesichtspunkte" jeweils gesondert zu formulieren und diese i n eine für diesen Bereich geltende gegenseitige Zuordnung zu bringen; ein Vorgehen, das sich durchaus nicht mehr von vornherein dem V o r w u r f theoretischer Inkonsequenz 148 ausgesetzt sehen muß. Ein solcher Differenzierungsvorschlag besteht darin, die Regelungsmaterien i n „evolutionäre" und „stationäre" 1 4 9 zu teilen, wobei als evolutionär „z.B. Wirtschaftsangelegenheiten, Wissenschafts- und Schul144

Vgl. so Schäffer, H.: Verfassungsinterpretation i n Österreich, 136 ff., insbes. 146 ff. 145 V e r f G H 4139/1962. 146 Schäffer, H.: Verfassungsinterpretation i n Österreich, 137 f., m i t weiteren Verweisen und der A n f ü h r u n g einiger solcher „Hauptgesichtspunkte". 147 Vgl. V e r f G H Slg. 2294/1952. 148 Vgl. Neisser, H. / Welan, M. : „Betrachtungen und Bemerkungen zur J u d i k a t u r des V e r f G H (Slg. 1965)". ÖJZ 1968, 60. 149 Neisser, H. / Weïan, M.: „Betrachtungen . . . " , 61.

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wesen, Energieangelegenheiten, technische Angelegenheiten" und als stationär „z. B. (die) Regelung über Einschränkungen der persönlichen Freiheit, Z i v i l - und Prozeßrecht, Paßwesen, Schutz des Kulturgutes" verstanden werden 1 6 0 . Daß dieser Vorschlag letztlich wiederum nicht zu befriedigen vermag 1 5 1 , zeigt sich deutlich an den Folgen: „Dies führt zum paradoxen Ergebnis, daß zwar Hauszählungen, als stationäre Materien, genau determiniert werden müßten, gesetzlich eingeräumte Planungskompetenzen der Verwaltung, trotz ihrer großen Gefahr für die Freiheit des einzelnen, i n relativ weitmaschigen Formulierungen auftreten könnten 1 5 2 ." Diese schon wegen ihrer Folgen wohl nur schwer als befriedigend zu erachtende Position gründet wohl letztlich darin, daß das Legalitätsprinzip nur unter einem einzigen Gesichtspunkt gesehen wird, nämlich der rechtsstaatlich erheblichen Vorausberechenbarkeit des Regelungsbereiches. Unter diesem Blickwinkel, aber nur unter diesem, lassen sich die einzelnen Materien sachgerecht so einteilen: „Betrachtet man das Legalitätsgebot ausschließlich unter dem Blickwinkel des Rechtsstaatsprinzips, dann kann über den erforderlichen Grad der gesetzlichen Determinierung kein Zweifel bestehen. Je stärker die Bestimmtheit und damit die Bindung, desto stärker t r i t t auch der rechtsstaatliche Gedanke hervor. Der Idealfall wäre dann erreicht, wenn die Bindung der Verwaltung „vollständig" i n dem Sinne wäre, daß alle Tatbestände behördlichen Handelns und alle an sie geknüpften Wirkungen normiert wären: Der perfekte Rechtsstaat ruft nach einem perfektionierten Legalitätsgrundsatz 153 ." Aus demselben Grund müßte auch das Reziprozitätskriterium, wenn es als unbefriedigend, weil nicht zielführend abgelehnt werden: „Legalitätsgrundsatz und Sachstruktur des zu regelnden Lebensbereiches stehen i m Reziprozitätsverhältnis derart, daß die Vorausschaubarkeit des Normobjektes über den Determinationsgrad der Norm entscheidet 1 5 4 ." Eine differenzierte Analyse des Legalitätsprinzips 1 5 5 kann zum Ergebnis führen, daß nicht nur ein Gesichtspunkt, etwa der der Voraussehbarkeit, überall gleichermaßen i m Vordergrund steht, sondern daß eine Reihe weiterer „Hauptgesichtspunkte" 1 5 6 ermittelt werden 150

Neisser, H. / Welan, M.: „Betrachtungen . . . " , 61, Fn. 33 u n d 34. Vgl. Fröhler, L.: Wirtschaftsrecht . . . , 44, Fn. 118, wo diese Einteilung als „ w o h l allzu schematisch" bezeichnet w i r d . „ E i n flexibler Maßstab ist v o r zuziehen." 152 Wimmer, N.: Materiales Verfassungsverständnis. W i e n - N e w Y o r k 1971, 124. 153 Wimmer, N.: Materiales Verfassungsverständnis, 117. 154 Fröhler, L.: Wirtschaftsrecht..., 44. 156 Vgl. Schäffer, H. : Verfassungsinterpretation i n Österreich, 136 ff. ; Wimmer, N.: Materiales Verfassungsverständnis, 116 ff. 156 Schäffer, H. : Verfassungsinterpretation i n Österreich, 138 ff. 151

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können. Diese Analysen bieten u. a. die Möglichkeit an, das Determinationskriterium der Vorausberechenbarkeit dort i n den Vordergrund zu stellen, wo der Rechtsschutz besonders wichtig ist 1 5 7 . So ist ζ. B. vom Standpunkt des individuellen Rechtsschutzes die Berechnungsweise für ein Wahlrecht schon deshalb unbedingt als wesentlich und daher keinesfalls als an den Verordnungsgeber delegierbar zu erachten, weil es auch von der Berechnungsart abhängt, welche Ergebnisse eine Wahl zeitigt 1 5 8 . Von einem anderen Standpunkt aus mag das K r i t e r i u m der Berechnungsart wiederum nicht wesentlich erscheinen. Sobald jedoch i n diesem Bereich der Rechtsschutz als Hauptgesichtspunkt anerkannt ist, muß die Berechenbarkeit als wesentlich erachtet werden. I n anderen Bereichen wiederum, wo der Rechtsschutz nicht dermaßen i m Vordergrund steht, wie ζ. B. bei der erwähnten Ermächtigung zur A u f nahme von Anleihen, darf das Determinationserfordernis anders gesehen werden. I m Bereich der Eingriffsverwaltung w i r d es wohl als legitim erachtet werden dürfen — und auch mit der historischen Problemantwort des A r t . 18 B - V G übereinstimmen —, daß das Legalitätsprinzip i m Interesse des Rechtsschutzes i n erster Linie für die Eingriffsverwaltung als inhaltliches Determinationsgebot 159 verstanden wird. Innerhalb dieses Bezirks bietet sich als Abstufungskriterium die „Leben-FreiheitEigentum"-Formel a n 1 6 0 : danach erscheint das Ausmaß der inhaltlichen Determination u m so erforderlicher, je weiter sich der Eingriff auf der Skala vom „Eigentum" i n Richtung „Leben" verschiebt 161 . A u f diese Formel berufen sich auch Verdross 162 und Kriele 163. Eine ähnliche Skala gebraucht auch Marcie 1β4, der allerdings weit über die „Leben-Freiheit157

Vgl. Schäffer, H. : Verfassungsinterpretation i n Österreich, 144. So Ko ja, F.: „Die ,Vollziehbarkeit' von Gesetzen i n der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes — Dargestellt am Beispiel des § 421 Abs. 2 A S V G " . I n : Zeitschrift für Arbeitsrecht u n d Sozialrecht 1977, H. 6, insbes. 203 f. 159 Vgl. so für das Steuerrecht: Werudì, J.: „Die verdeckte Gewinnausschüttung i m Körperschaftssteuerrecht u n d das Legalitätsprinzip". ÖJZ 1976, 514. 160 v g l Wimmer, N.: Materiales Verfassungsverständnis, 125. lei F ü r dieses Schema, das eine komparative Reihung der Grundrechte ermöglicht: Locke, J.: T w o Treatises of Government. Book I I , Ch. I X , § 131. I n : The Works of John Locke. Vol. V. London 1823. Neudruck Scientia Aalen 1963; „wobei Locke unter Eigentum nicht n u r die sachlichen Güter, sondern auch Leib u n d Leben faßte": Welzel, H.: Naturrecht u n d materiale Gerechtigkeit. Göttingen 1962, 144, Fn. 52; so auch: Olivecrona, K . : „The T e r m »Property' i n Locke's T w o Treatises of Government". I n : ARSP 1975 (61), 109 ff. 168

162

Abendländische Rechtsphilosophie. 2. Aufl., Wien 1963, 123. Einführung i n die Staatslehre. Reinbeck b. Hamburg 1975, 203. 164 Marcie, R.: „Die Grundrechte i n Österreich". I n : Klecatsky, H. R. (Hrsg.): Die Republik Österreich. Wien 1968, insbes. 161 ff. („System der Rechte"). 163

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Eigentum"-Formel ausgreift und ein komparativ verwendbares Schema bietet, das auch über jene Positionen hinausgeht, die positivrechtlich als verfassungsgesetzlich gewährleistete subjektive öffentliche Hechte gelten. A u f diese Weise erschiene es über die „Leben-Freiheit-Eigentum"Formel i m Bereich der Eingriffsverwaltung durchaus möglich, zu K r i terien der Determination zu gelangen, die allgemein und nicht erst i m nachhinein formulierbar sind. Dabei würde aber zu berücksichtigen sein, daß die Intensität der Determination nach der erwähnten Abstufung jeweils i m Reziprozitätskriterium, das seine Rechtfertigung über die Folgendiskussion erfährt, eine Grenze findet, weil „Das Legalitätsprinzip . . . eben vernünftigerweise nicht einen solchen Grad gesetzlicher Regelung der einzelnen Verwaltungsmaterie verlangen (kann), der die praktischen Möglichkeiten der Normierung des betreffenden Verwaltungsgegenstandes übersteigt" 1 6 5 . Damit erscheint ausgehend von der Folgendiskussion ein differenziertes Verständnis des Legalitätsprinzips begründet, das wie folgt kurz umrissen werden kann: „ . . . ein am Rechtsschutz orientiertes Maß der Inhaltsbindung (ist) i n dessen Anwendungsbereich wohlbegründet . . . , über dessen Anwendungsbereich (darf es) aber nicht ohne weiteres ausgedehnt werden, soll der Rechtssatzform der Verordnung, ja überhaupt der Staatsfunktion Verwaltung ein Raum für die ihr wesensmäßig aufgetragene Konkretisierung verbleiben" 1 β β . 4. Zum Normbegriff W i r d die intersubjektive Akzeptierbarkeit des Rechtsdenkens i n den Vordergrund gestellt, so ist es unerläßlich, hinsichtlich des Hauptgegenstandes „Rechtsnormen" Klarlegungen i m Sinne der Ermöglichung eines höheren Ausmaßes an intersubjektiver Rekonstruierbarkeit als Voraussetzung von Akzeptierbarkeit vorzunehmen. Diese Klarlegungen werden Aspekte der gnoseologischen Problematik, wie auch der Normenstruktur und der Normendynamik betreffen. I m Sinne der obigen Darstellung w i r d von einer gnoseologischen Differenz zwischen Tatsachen, Rechtsnormen und Werten ausgegangen. Tatsachen sind zumindest überwiegend Gegenstand des Erkennens im Sinne von Feststellen, während Werte und Wertungen Gegenstand des Anerkennens i m Sinne von Festlegungen sind, Rechtsnormen hingegen werden als i n der Mitte zwischen beiden stehend gedeutet. Für Werte und Wertungen gilt i m Sinne des bereits Ausgeführten, daß das volitive 165 Giacometti, Z.: Allgemeine Lehre des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts. Zürich 1960, 257. Z i t a t bei Fröhler, L.: Das Wirtschaftsrecht . . . , 43. 1ββ Schäffer, H. : Verfassungsinterpretation i n Österreich, 147.

. Zum

rbegriff

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Element der Festlegung zumindest für den Bereich des rechtlichen Denkens nicht ein irrational-subjektivistisches sein muß, sondern ein geordnetes, nach intersubjektiv als verbindlich darstellbaren Regeln verknüpfbares sein kann, das ein freies Zustimmen ermöglicht. Dies gilt zwar prinzipiell, aber doch nur i n abgeschwächter Form auch für Rechtsnormen, wie schon oben gesagt wurde. Soweit Werte bzw. Wertungen Gegenstand des rechtlichen Denkens sind, gilt zumindest insoferne eine Einschränkung, als Werte wie Wertungen i m Rahmen der de-lege-lata-Orientierung des Rechtsdenkens methodisch zumeist als Form eines Nachvollzuges eines Vorgegebenen gedeutet werden 1 6 7 . Hiebei handelt es sich dann u m Vorgänge, die gnoseologisch eher m i t der Situation bei Rechtsnormen als der bei Werten, die nicht rechtlich fixiert sind, zu vergleichen sind, weil bei ihnen der Anteil des — wenn auch geordneten — volitiven Engagements des die Rechtsordnung verstehen oder anwenden Wollenden geringer ist. Eine Beförderung der intersubjektiven Rekonstruierbarkeit darf man sich von der Analyse der Kategorien erwarten, i n denen das Recht auftritt. Da das positive Recht i n der Hauptsache i m K l e i d von Sätzen und Begriffen auftritt, kann es als angemessen betrachtet werden, diese Kategorien zu untersuchen. Aus den Differenzierungsmöglichkeiten für Begriffe seien infolge ihrer Erheblichkeit für das Recht die normativen und die deskriptiven Begriffe besonders hervorgehoben 168 . Bei den Sätzen scheint hinsichtlich ihrer Bedeutung für das Recht die Hervorhebung der deskriptiven und normativen Sätze gerechtfertigt 169 . Die Bedeutung von Sätzen ist u. a. abhängig von der Beziehung des Textes zum Gemeinten; schon insofern kann zwischen Normsätzen und Aussagesätzen 170 unterschieden werden 1 7 1 . Diese Differenzierung richtet sich i n der Hauptsache nach den Begriffen, die die satzbildenden Wörter repräsentieren 172 . Deskriptiven Begriffen, die etwas beschreiben, kann sinnvollerweise das Wertepaar „ w a h r " und „falsch" zugeordnet werden, normativen hingegen üblicherweise und sinnvoll das Paar 167 Dem dienen ζ. B. die Interpretationsorientierungen am „historischen" u n d „vernünftigen" Gesetzgeber. 168 A u f „Beobachtungs-", „theoretische", „interrogative", „optative" . . . Begriffe w i r d hier nicht eingegangen, obgleich auch diese für das Rechtsdenken von Bedeutung sind. 169 A u f optative, interrogative . . . Sätze w i r d hier nicht eingegangen, was nicht heißt, daß sie f ü r das Recht nicht auch von Erheblichkeit wären. 170 Neben Interrogativ-, O p t a t i v - u n d Imperativsätzen. 171 Vgl. dazu: Weinberger, O.: Rechtslogik. Wien 1970, 193 ff. 172 Vgl. dazu Garstka, H. J.: Generalklauseln. I n : Koch, H.-J. (Hrsg.): Juristische Methodenlehre u n d analytische Philosophie. Kronberg/Ts. 1976, 103 ff.

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T e i l I I : Philosophische u n d theoretische Horizonte

„geltend" und „nicht geltend". Geht man nun von der Voraussetzung aus, daß i n einer gegebenen Rechtsordnung keine leeren Begriffe vorkommen 1 7 3 , so hat jeder normative Begriff und damit auch jeder normative Satz einen zunächst deskriptiven Teil 1 7 4 , dessen normative Bedeutung durch einen normativen Funktor angezeigt werden kann 1 7 5 . Dieser normative Funktor w i r d über eine Analyse des deontischen Universums einer konkreten Rechtsordnung bzw. eines spezifischen Teils einer solchen gewonnen. Als derartige Funktoren kommen „geboten", „verboten", „erlaubt" . . . i n Betracht, wobei ihre Anzahl erweitert, aber auch auf einige wenige oder gar nur einen einzigen reduziert werden kann 1 7 6 . Eine solche Reduzierung oder Erweiterung w i r d je nach den Zwecken vorzunehmen sein, die die jeweilige Untersuchung verfolgt: geht es i n erster Linie u m die Analyse der normativen Bezüge einer Rechtsvorschrift, dann w i r d eine möglichst weitgehende Differenzierung der deontischen Funktoren i m Vordergrund stehen, geht es hingegen vorrangig u m die Analyse des deskriptiven Gehalts, dann kann eine reduzierte Anzahl von deontischen Funktoren ausreichen. Schließlich kann es noch spezifische Bereiche der Rechtsordnung geben, denen von vornherein nur ein bestimmtes deontisches Universum angemessen ist, wie am Beispiel des Straf rechtes gezeigt werden kann: dort ist — abgekürzt formuliert — das deontische Universum m i t dem hermetischen Prinzip umschreibbar: „Was strafrechtlich als (positives oder negatives) Verhalten nicht verboten ist, ist strafrechtlich 177 erlaubt." Diesem Bereich 173

Diese Voraussetzung k a n n i m Rahmen einer Rechtsordnung empirisch dadurch überprüft werden, daß i n i h r nach Begriffen gesucht w i r d , die auf etwas verweisen, was nicht ist oder doch nicht möglich ist; da Rechtsordnungen sinnvollerweise bestehende oder doch m i t G r u n d zu erwartende Lebensverhältnisse regeln wollen, k a n n von der Vermutung ausgegangen werden, daß ζ. B. i n der österreichischen Rechtsordnung keine leeren Begriffe v o r kommen. K a n n jedoch ein solcher Begriff ermittelt werden, so hat dies nicht das Verwerfen der zu schildernden Position zur Folge, sondern nur, daß hinsichtlich dieses Begriffes bzw. Satzes die nachfolgende Vorgangsweise nicht angewendet werden darf. 174 — der einen gegebenen oder doch möglichen Zustand beschreibt. 175 Vgl. so i n : Tammelo , I. / Schreiner, H.: Grundzüge u n d Grundverfahren der Rechtslogik, Bd. 2, 49 ff. 176 Bezüglich der Darstellung dieser deontischen Universen w i r d verwiesen auf: Tammelo, I.: Outlines of Modern Legal Logic. Wiesbaden 1969, 87 ff.; Klinger, R.: „Die logische S t r u k t u r der normativ geschlossenen u n d der norm a t i v offenen Rechtsordnungen". I n : ARSP 1969 (55), 332 ff.; Tammelo , I. / Schreiner, H. : Grundzüge u n d Grundverfahren der Rechtslogik, Bd. 2, 35 ff. 177 Die Einführung des Wortes „strafrechtlich" soll den relativen Charakter deutlich machen. Geht m a n v o m „hermetischen Prinzip" i n seiner generellen Formulierung aus: „was nicht verboten ist, ist erlaubt", so w i r d es k a u m Schwierigkeiten bereiten zu zeigen, daß sich ζ. B. die strafrechtliche Erlaubtheit nicht unbedingt m i t der zivilrechtlichen Erlaubtheit deckt; m. a. W das, was strafrechtlich nicht verfolgt w i r d , muß nicht unbedingt einen Tatbestand bedeuten, der zivilrechtlich nicht als D e l i k t gedeutet w e r den kann. Z u r Relativität des Gegensatzes von offenem (OS) u n d geschlosse-

. Zum

111

rbegriff

wären also die beiden normativen Funktoren „verboten" und „erlaubt" angemessen, wobei noch eine Reduktion auf „geboten" allein vorgenommen werden könnte, weil „erlaubt" offensichtlich die Ausschlußklasse von „verboten" — also die Klasse von „nicht verboten" ist. Diagrammatisch könnte letzteres Universum auf folgende Weise dargestellt werden, wobei „i" für ein Verhalten (ein Tun oder Unterlassen), der Funktor „ V " für Verboten und „ L " für erlaubt (d. i. nicht verboten) steht: Vi

Li

N i m m t man lediglich „geboten" als deontischen Funktor an und differenziert das Verhalten (i) i n Tun (α) und Unterlassen (o), so teilt sich das deontische Universum des Strafrechts i n „gebotenes Tun" (Ga), „gebotenes Unterlassen" (Go), „nicht gebotenes Tun" (Ga) und „nicht gebotenes Unterlassen" (Go). Dabei schließen sich Ga und Go aus, ebenso Ga und Ga, wie auch Go und Go. Es läßt sich nun auf einfache A r t entwickeln: Was geboten ist zu t u n (Ga), ist nicht zur Unterlassung geboten (Go): ist daher erlaubt, daß es getan w i r d (Eia). Was geboten ist, unterlassen zu werden (Go), ist nicht geboten, getan zu werden (Ga): es ist erlaubt unterlassen zu werden (Eio). Dieser erste Erlaubnisbegriff muß aber noch differenziert werden, wenn man etwa jenes Erlaubtsein bezeichnen möchte, das weder ein gebotenes Tun noch ein gebotenes Unterlassen einschließt: E%a, o 1 7 8 . A u f diese Weise können die deontischen Beziehungen genauer bestimmt werden 1 7 9 , wie das folgende Diagramm beispielsweise zeigt: 5

4

Ga: Go: E xa: Ε λο: E 2 a,ο:

1, 2, 1, 2, 2,

2, 3, 2, 3, 4,

5 4 4, 5 (Go) 4, 5 (Ga) 5

nem System (GS) unter dem Aspekt der Lücke umfassend: Canaris , C.-W.: Die Feststellung von Lücken i m Gesetz. B e r l i n 1964. 178 Z u r notwendigen Differenzierung des Erlaubnisbegriffes vgl. statt aller: Cornides, Th.: Ordinale Deontik. W i e n - N e w Y o r k 1974, 116 ff., 167 ff.; u n d dazu die Stellungnahme von Kalinowski, G.: „Rechtslogik u n d die Logik der Präferenz", 31 ff.; Cornides, Th.: „Rechtslogische Stellungnahmen", 41 ff.; Kalinowski, G.: „ Z u den ,Rechtslogischen Stellungnahmen' von Thomas Cornides", 265 ff.; Cornides, Th.: „ A n t w o r t auf K a l i n o w s k i " , 271 ff. Alles i n : Tammelo, 1.1 Schreiner, H. (Hrsg.): Strukturierungen u n d Entscheidungen i m Rechtsdenken. Wien 1978. 179 Wie genau diese Bestimmung der Rechtsordnung angemessen ist, ist eine semantische Frage, die nicht p r i m ä r logisch lösbar ist.

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Die Brauchbarkeit solcher Analysen scheint z.B. i m Strafrecht sofort einsehbar; dementsprechend wenden sich die Autoren, die sich u m die Darstellung solcher Analysen bemühen, auch vorwiegend dem Strafrecht zu 1 8 0 . I n anderen Rechtsbereichen wiederum mag es mehr auf eine differenzierte Analyse des deskriptiven Teils von Normen ankommen. Ein derartiges Beispiel bieten die Kompetenzvorschriften enthaltenden Begriffe 1 8 1 , wo es mehr auf die extensionale 182 und intensionale 183 Analyse des deskriptiven Gehalts ankommt, während der deontische Funktor wenig problematisch scheint. So ist es ζ. B. hinsichtlich eines Kompetenztatbestandes nach A r t . 10 B - V G unproblematisch, wenn nicht gar trivial, einen eindeutigen, weil unter den Wortlaut fallenden Lebenssachverhalt i n einem geeigneten deontischen Universum als erlaubtes 1 8 4 Gesetzgebungsverhalten des Bundes einzuordnen; was hier zu problematisieren ist, ist die Feststellung des deskriptiven Gehalts des angeführten Begriffes: ζ. B. das, was gemäß A r t . 10 (1) Z. 8 B - V G unter Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie zu verstehen ist. Die logische Analyse des deontischen Universums erfährt eine wichtige Differenzierung, die auch für die Analyse des Gehalts von Begriffen und Sätzen von entscheidender Bedeutung ist, dadurch, ob der jeweilige Rechtsbereich rechtlich „lückenlos" ist oder ob mit dem Auftreten von Lücken 1 8 5 zu rechnen ist. So könnte das deontische Universum auf zwei Grundformen reduziert werden: Einmal das geschlossene deontische System, i n dem es keine Lücken gibt. Hier gilt das „hermetische Prinzip": was nicht verboten ist, ist erlaubt 1 8 6 . 180 v g l go f ü r viele: Herberger, M.: „Die deskriptiven u n d normativen T a t bestandsmerkmale i m Strafrecht". I n : Koch, H.-J. (Hrsg.): Juristische Methodenlehre u n d analytische Philosophie, 124 ff. 181

I m wesentlichen die A r t . 10 - 15 B - V G . M i t „Extension" ist der Gegenstand oder die Klasse von Gegenständen gemeint, die ein sprachlicher Ausdruck bezeichnet. 183 Unter „Intension" werden hier die Regeln verstanden, nach denen ein sprachlicher Ausdruck verwendet w i r d . 184 Das hier angemessene deontische Universum könnte stark vereinfacht für die Gesetzgebung so dargestellt werden: erlaubtes Gesetzgebungsverhalten des Bundes (Εια&) entspricht dem verbotenen Gesetzgebungsverhalten der Länder (E\ai). 185 Z u m logischen Aspekt des Lückenproblems grundsätzlich: Tammelo , I.: „Logical Aspects of the Non-liquet Controversy i n International L a w " . I n : Rechtstheorie 1974 (5), 1 ff.; ders.: „ O n the Logical Openess of Legal Orders". I n : American Journal of Comparative L a w 8 (1959), 187 ff. ; ders.: Outlines of Modern Legal Logic. Wiesbaden 1969, 102 ff.; Weinberger, O.: „Über die Offenheit des rechtlichen Normensystems". I n : Walter W i l b u r g zum 70. Geburtstag. Festschrift. Graz 1975, 439 ff.; Canaris, C. W.: Die Feststellung von Lücken i m Recht; zu weiteren Aspekten: Bydlinski, F.: „Gesetzeslücke, § 7 A B GB u n d die ,Reine Rechtslehre'". I n : Gedächtnisschrift f ü r F. Gschnitzer. Veröffentlichungen der Universität Innsbruck, Innsbruck 1969, 101 ff.; Ringhof er, K . : „Interpretation u n d Reine Rechtslehre". I n : Festschrift f ü r H. K e l sen zum 90. Geburtstag. Wien 1971, 198 ff.; Walter, R.: österreichisches B u n desverfassungsrecht. Wien 1972, 95 f. 182

. Zum

rbegriff

113

Das offene deontische System läßt hingegen prinzipiell m i t dem A u f treten von Lücken rechnen 187 , wobei ein deontischer Funktor auftritt, der „rechtlich neutral" (N) bedeutet. Dieses System kann — wiederum vereinfacht — so dargestellt werden

Der Fragenkreis u m das geschlossene (GS) und offene System {OS) zentriert i m sog. Lückenproblem; ob und wieweit sich die Tatbestandsnormierungen m i t den Lebenssachverhalten decken. Daß sich hier eine K l u f t eröffnen kann, liegt an einer Reihe von Ursachen: einmal, w e i l das Normensystem {NS) von vornherein nicht umfassend angelegt ist, oder weil der zeitliche Abstand zwischen der textlichen Fixierung der Tatbestände i n den Normen einerseits und der jeweils gegenwärtigen Entwicklung der Lebenssachverhalte andererseits zu einem immer deutlicheren Auseinanderlaufen führt oder einfach, weil die gesetzgeberischen Formulierungen mangelhaft sind. A u f diese Weise sieht sich der Rechtsanwender jedenfalls auch vor der Frage, ob außer den normativ ausdrücklich bezeichneten Tatbeständen auch andere Lebenssachverhalte vom Ν S erfaßt sind oder nicht 1 8 8 . Ist diese Frage vom NS so geklärt, daß nur die ausdrücklich tatbestandlich erfaßten Lebenssachverhalte gemeint seien, so handelt es sich deshalb noch nicht u m ein GS: Es muß hiefür noch eine Norm namhaft gemacht werden können, die festlegt, daß die Rechtsfolgen des NS nur an die ausdrücklich fixierten Tatbestände geknüpft werden dürfen: „Was nicht verboten ist, ist erlaubt" ist eine allgemeine Formulierung 186 Dazu vgl. Tammelo , I. / Schreiner, H.: Grundzüge u n d Grundverfahren der Rechtslogik, Bd. 2, 35 ff. 187 Z u m logischen A u f b a u vgl. Tammelo , I.: Outlines . . 8 6 ff.; Tammelo, I. / Schreiner, H. : Grundzüge u n d Grundverfahren der Rechtslogik, Bd. 2, 35 ff. 188 Vgl. Klug, U.: „Rechtslücke u n d Rechtsgeltung". I n : Festschrift f ü r H. C. Nipperdey zum 70. Geburtstag. München - B e r l i n 1965 (Bd. I), 84; Weinberger, Ο.: „Über die Offenheit des rechtlichen Normensystems". I n : Walter W i l b u r g zum 70. Geburtstag. Graz 1975, ζ. B. 441 u. ö.

8 Schreiner

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des sog. „hermetischen Prinzips"; eine bereichsspezifische Ausformung i n der österreichischen Rechtsordnung bietet etwa A r t . 15 (1) B - V G : Was nicht ausdrücklich dem Bund kompetenzmäßig vorbehalten ist, ist Kompetenz der Länder. Die Struktur solcher Normen besteht jedenfalls darin, daß aus der Verneinung einer Norm stets die Bejahung einer anderen folgt: es gibt daher keine Lücken. Erscheint eine Nichtregelung mißbilligenswert, so kann dies nur als rechtspolitischer Vorw u r f an eine gleichwohl eindeutige Regelung verstanden werden (unechte Lücke). Ist die gegenständliche Frage jedoch nicht vom N S geklärt, so steht der Rechtsanwender zunächst vor dem Umstand, daß jedenfalls eine ausdrückliche Norm nicht vorhanden ist, die ihn zur Annahme eines GS oder eines OS zwingt. Die Entscheidung, die der Anwender trifft, muß daher gesondert begründet werden; er darf eine „nicht billigenswert" erscheinende Nicht-Regelung als eine Lücke „empfinden" und eine Regelung „erwarten" 1 8 9 . Diese Erwartung kann i n der ausdrücklichen Verheißung einer Rechtsnorm desselben NS begründet sein, die aber derart unvollständig ist, so daß sie von sich aus, also ohne das Dazwischentreten eines weiteren rechtssetzenden Aktes, nicht angewendet werden kann 1 9 0 . Diese Erwartung kann aber auch durch Prinzipien ausgelöst werden, die der Rechtskultur angehören. Welches der beiden Systeme, das OS oder das GS, jeweils den Vorzug genießen soll, läßt sich m i t h i n nicht durch die Logik entscheiden; die Logik kann dabei nur bestimmte Hilfsdienste anbieten. Dies soll nun an drei Beispielen aus der österreichischen Rechtsordnung dargestellt werden: So darf für den Bereich des Straf rechtes davon ausgegangen werden, daß es sich um ein GS handelt, daß also Lücken deshalb nicht vorkommen können, weil aus der Verneinung einer Norm immer eine andere Norm folgt: die Verneinung des Tatbestandes von strafrechtlichen Normen bedeutet immer, daß entweder eine andere strafrechtliche Norm hinsichtlich ihres Tatbestandes oder der Tatbestand des Verbotes zur Bestrafung erfüllt ist. (Nicht jedoch bedeutet dieses Verbot zur Bestrafung, daß damit das solchermaßen „erlaubte" Verhalten unbedingt etwa auch zivilrechtlich erlaubt sein müßte). I n diesem Rechtsbereich gibt es für die Annahme eines GS besondere Gründe, die i n der Rechtssicherheit liegen: gerade hinsichtlich des Straf rechts ist es als wesentlich anzusehen, daß die Nichterfüllung eines strafrechtlich formulierten Tatbestandes die Bejahimg einer Strafverbotsnorm 189

Klug, U.: „Rechtslücke . . . " , 84. Walter, R.: österreichisches Bundesverfassungsrecht. Wien 1972, 95 f.; eine derartige Lücke ist auch als „technische Lücke" bekannt; i n der Rechtsdogmatik ist dieser Verhalt gelegentlich m i t dem Problem des nonselfexecuting umschrieben. 190

4. Z u m Normbegriff

115

nach sich ziehen muß. Dies führt aber nur dann zu Ergebnissen, die vom Standpunkt des für das Strafrecht elementaren Rechtssicherheitsprinzips befriedigend sind, wenn hinsichtlich des Subsumptionsverhältnisses von normtextlicher Formulierung und den Lebenssachverhalten, die für die Subsumption i n Frage kommen, kein allzu lockeres Verhältnis besteht; m. a. W., daß bestimmte Interpretationsmittel hinsichtlich der normativen Tatbestände ausgeschlossen sind. Man kann, wie es i m Strafrecht der Fall ist, die vornehmlich durch Uberalterung entstandene K l u f t zwischen dem Normtext und der sozialen Wirklichkeit dadurch überwinden, daß man einerseits beim — wenn auch überalterten — unmittelbaren Begriffsstand bleibt. Dies bedeutet, daß die normative Konsequenz aus der Verneinung der strafrechtlichen Norm die strafrechtliche Erlaubtheit dieses gegenüber dem normativen Begriffsstand veränderten oder andersartigen Verhaltens ist. Für den Bereich des Strafrechts ist diese Form der Bewältigung des GS mit dem sog. „Analogieverbot" und dem Satz: „Nulla poena sine lege praevia" umschreibbar, was durch § 1 (1) StGB begründet i s t 1 9 1 : „Eine Strafe oder eine vorbeugende Maßnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die unter eine ausdrückliche gesetzliche Strafdrohung fällt und schon zur Zeit ihrer Begehung m i t Strafe bedroht w a r " 1 9 2 und besagt, wie schon der Name anzeigt, u. a. das Verbot des Einsatzes der Analogie und von Größenschlüssen zur Erzeugung neuer Straftatbestände 193 . Soll das Strafgesetzbuch nicht zuviele Lebenssachverhalte von Strafdrohungen freihalten, die aus irgendwelchen rechtspolitischen Gründen von der Strafdrohung erfaßt sein sollten, so bleibt nur der Weg über den Gesetzgeber. Insoweit läßt diese Auswirkung des Rechtssicherheitsprinzips die jeweiligen Strafrechtsänderungen zum Indikator der Veränderung von Lebenssachverhalten werden; über die Judikatur kann dies i m Gegensatz zu anderen Bereichen nicht geschehen, wie am Beispiel des sog. „Energiediebstahls" deutlich zu machen ist: Der Begriff der fremden beweglichen Sache, wie er i m § 171 des alten Strafgesetzes den Gegenstand umschrieb und aus dem 19. Jh. stammte, umfaßte nicht die elektrische Energie. So mußte daher erst gesetzlich durch § 59 (1) des Elektrizitätsgesetzes 1929 194 festgelegt werden, daß auch die elektrische Energie eine „Sache" i m Sinne des § 171 StGB (alt) ist. Würde man dieselbe Vorgangsweise beim zweiten hier verwendeten Beispiel für ein GS anwenden, nämlich hinsichtlich der Kompetenz191

BGBl. 1974/60. Hervorhebungen v o m Verf. 193 v g l die Erläuterungen u n d Anmerkungen zu § 1 StGB i n : Mayerhof er, Ch. / Rieder, S. (Hrsg.): Strafgesetzbuch. Wien 1974, 9 f. 192

194

*

BGBl. 1929/250.

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aufteilung zwischen Bund und Ländern, so würde jede Veränderung der Lebenssachverhalte automatisch eine Landeskompetenz bewirken: Parallel zur zunehmenden Überalterung des Begriffsstandes der Kompetenzartikel würden die Landeszuständigkeiten steigen und die Bundeskompetenzen dort, wo der Wandel vor sich geht, Gefahr laufen, belanglos zu werden, weil sie i n ihrer historischen Formulierung die aktuellen und regelbedürftigen Lebenssachverhalte nicht mehr überspannen. Wenn dies aber überwiegend nicht der von Praxis und Lehre gewählte Weg ist, so stellt sich die Frage nach dem gegenüber dem Strafrecht differenzierenden Kriterium, noch dazu, zumal i n A r t . 15 (1) B - V G genauso wie i n § 1 (1) StGB das Wort „ausdrücklich" enthalten ist. Der A n t w o r t mag schnell dadurch die Richtung gewiesen sein, daß auf die hohe Bedeutung der Rechtssicherheit i m Bereich des Strafrechtes Bezug genommen w i r d 1 9 5 , dessen Ausfaltung das Analogieverbot genauso wie das Verbot rückwirkender Gesetze ist. Dieser von der Strafrechtsordnung erkennbar i n den Vordergrund gestellte Wert mag als wichtigste Grundlage für die Rechtfertigung der besonderen A r t der Bewältigung des Problems des GS i n diesem Rechtsbereich tragfähig sein; für die völlig anders gelagerte Problematik ζ. B. i m Bereich der Kompetenzordnung 1 9 6 ist deswegen noch lange nicht gesagt, daß derselbe Weg auch hier angemessen wäre. Praxis und L i t e r a t u r 1 9 7 weisen einen Weg, der i m Gegensatz zur Praxis und Literatur i m Strafrecht die Spannung zwischen dem normativen Begriffsstand und den jeweiligen Lebenssachverhalten dadurch zu überwinden sucht, daß durch immer verfeinertere Interpretationsinstrumente eine Entwicklungsfähigkeit der Begrifflichkeit sichergestellt ist. Diese vor allem zeitlich bedingte K l u f t „ist daher eher m i t einem intrasystematischen Entwicklungsgedanken als m i t einem formal vereinseitigten Verständnis der Generalklausel als Auffangkompetenz zu lösen" 1 9 8 . Dieser Fortschrittsgedanke kann seinerseits aber wohl nur dann als intrasystematisch gedeutet werden, wenn die Kompetenzbegriffe nicht als historisch abschließend verstandene Willensprodukte eines Verfassungsgesetzgebers gedacht werden, sondern als mehr oder minder abstrakte, der Entwicklung nicht nur fähige, sondern sogar bedürftige Begriffe. Nach diesen beiden Beispielen für ein GS soll nun kurz auf das OS eingegangen werden. I m Gegensatz zum GS ist es für das OS charakteristisch, daß die Verneinung einer Norm nicht unbedingt zu einer 195

Das Strafrecht muß sogar f ü r den Verbrecher die Magna Charta sein. Diese Analyse w i r d hier nicht vorgenommen; es sei ζ. B. verwiesen auf Schäffer, H.: Verfassungsinterpretation i n Österreich, 89 ff., insbes. 92 ff. 197 Vgl. Schäffer, H. : Verfassungsinterpretation i n Österreich, 83 ff. 198 Schäffer, H. : Verfassungsinterpretation i n Österreich, 92. 196

. Zum

rbegriff

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normativen Konsequenz führen muß, also eine „echte Lücke" vorliegen kann, für die ein Hauptfall folgendermaßen ausgedrückt werden kann: „Bei der echten Lücke ist zwar eine anzuwendende Rechtsvorschrift vorhanden, aber diese ist i n bestimmter Richtung nicht präzisiert. Es ist also eine Rechtsvorschrift anzuwenden, doch bedarf sie näherer Bestimmung 1 9 9 ." Das OS rechnet sohin m i t einer echten Lücke: der zur Entscheidung aufgegebene Lebenssachverhalt gilt als m i t den gegebenen rechtsnormativen Informationen nicht ausreichend determiniert. I n dieser Situation bieten sich mehrere Möglichkeiten zur Bewältigung der Lücke an: einerseits ist die „Lückenfüllung" möglich — etwa über die Anwendung irgendwelcher Prinzipien oder von Analogien sowie von Größenschlüssen oder durch Anwendung einer dem „vernünftigen" Gesetzgeber zumindest nachgebildeten F i g u r 2 0 0 . Eine andere Form der Bewältigung ist die Entscheidungsverweigerung, die ihrerseits wiederum i n zwei Grundformen auftreten kann: als offene Verweigerung, dem „Non-liquet" 2 0 1 , oder als verdeckte Verweigerung, wenn der Rechtsanwender eine Lücke ζ. B. m i t einem „non-self«executing" oder dem „programmatischen Charakter" der Norm beantwortet, d. h. auf diese Norm keinen Anspruch gründen läßt. Begreift man jede der beiden Arten der Verweigerung der Anwendung der Norm als Entscheidung und differenziert nicht mehr weiter — was auf der Ebene des Rechtstheoretischen zulässig ist und vielleicht sogar geboten sein mag — so gibt es i n der Tat kein „Lückenproblem" und damit auch kein OS: „ A l l e i n echte Lücken i n dem Sinn, daß ein Rechtsstreit gemäß den geltenden Normen nicht entscheidbar wäre, weil das Gesetz — wie man sagt — mangels einer auf diesen Fall beziehbaren Vorschrift nicht angewendet werden kann, gibt es nicht. Jeder Rechtsstreit ^besteht darin, daß eine Partei gegen eine andere einen Anspruch erhebt; und die stattgebende oder abweisende Entscheidung hängt davon ab, ob das Gesetz, d. h. eine geltende auf den konkreten Fall anzuwendende Norm die behauptete Rechtspflicht statuiert oder nicht. Da es eine dritte Möglichkeit nicht gibt, ist eine Entscheidung immer möglich, und zwar immer auf Grund, d. h. i n Anwendung des Gesetzes. Auch i n der den Anspruch abweisenden Entscheidung w i r d die geltende Rechtsordnung angewendet 202 ." M i t dieser 199

Walter, R.: österreichisches Bundesverfassungsrecht, 95. Z u den Möglichkeiten der Lückenausfüllung u n d ihren Grenzen sowie dem methodischen Zusammenhang zwischen Feststellung u n d Ausfüllung vgl. anstatt aller: Canaris, C.-W.: Die Feststellung von Lücken i m Gesetz, 144 ff. 201 Vgl. Tammelo, I.: „Logical Aspects of the Non-liquet Controversy i n International L a w " , 1 ff. 202 Kelsen, H.: „ Z u r Theorie der Interpretation". Abgedruckt i n : Klecatsky, H. u.a. (Hrsg.): Die Wiener rechtstheoretische Schule. W i e n u.a. 1968, Bd. 2, 1369. 200

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T e i l I I : Philosophische u n d theoretische Horizonte

abstrakten — Auffassung w i r d ersichtlich die Differenz verwischt, die zwischen einer Ablehnung besteht, die deshalb erfolgt, weil die Maßstabforderungen einer Rechtsnorm nicht erfüllt sind, und einer Ablehnung, die deshalb erfolgt, weil sich die Rechtsnorm zwar als Maßstab ausgibt, dies aber infolge der eigenen Unvollständigkeit nicht einzulösen vermag, es vielmehr, wenn sie angewendet werden soll, noch eines zusätzlichen Rechtssetzungsaktes bedarf. W i r d nun hinsichtlich des rechtssetzenden Charakters jeder „Rechtsanwendung" nicht unterschieden (was rechtstheoretisch zulässig ist) zwischen einer Rechtsanwendung, die i n der Auswahl zwischen mehreren vom Wortlaut ermöglichten Interpretationsalternativen besteht, und einer Rechtsanwendung, die i n der Ausfüllung einer Lücke besteht 2 0 3 , so ergibt sich auch von daher, daß von einer echten Lücke nicht gesprochen werden kann. U m Mißverständnissen vorzubeugen, sei hier betont, daß die A u f fassung der „Reinen Rechtslehre" über die Lückenlosigkeit des Rechts i n sich folgerichtig ist 2 0 4 , wenn man nur ihre Annahme teilt, daß stets eine Norm vorhanden ist (eine „negative" Norm, die aus der Verneinung einer Norm immer eine andere Norm schließen läßt), nach der ein Verhalten, das die Rechtsordnung nicht als pflichtig bestimmt, ein normativ freigestelltes ist. Wie schon Tammelo nachgewiesen hat 2 0 5 , ist diese Annahme von naturrechtlicher A r t . Kelsen selbst läßt diese Position zumindest als revisionsbedürftig 2 0 6 erkennen, wie seine gewandelte Auffassung zum Normenwiderspruch nahelegt 2 0 7 : Ein literarisch als „Kollisionslücke" 2 0 8 bezeichneter Verhalt besteht darin, daß ein und dasselbe Verhalten von einer Norm geboten, von einer anderen Norm hingegen verboten wird. Dieser normative Verhalt scheint nun keine der Deutungen i n Richtung eines GS meWf zu ermöglichen, die die Reine Rechtslehre für den ansonsten als Lücke umschriebenen Verhalt anbietet 2 0 9 . Die eindeutige Bestimmtheit des jeweiligen Normtextes („a ist verboten", „a ist geboten") läßt es nicht zu, diese Normen als „Programme", als „non-self-executing" oder als unbestimmt zu 208

Vgl. Kelsen, H.: Reine Rechtslehre, 2. Aufl., Wien 1960, 346 ff. Vgl. so Klug, U.: „Rechtslücke . . . " , 86 f. 205 Tammelo, I.: „Logical Aspects of the Non-liquet Controversy i n I n t e r national L a w " , 1 ff. 206 F ü r diese Positionsänderung w a r der wissenschaftliche Disput maßgeblich, den Kelsen m i t Tammelo nach der Veröffentlichung dessen einschlägiger A r b e i t „ O n the Logical Openess of Legal Orders" i n Berkeley geführt hatte. 207 Kelsen, H.: „Recht u n d L o g i k " . I n : Neues Forum X I I (1965), 421 ff., 495 ff. 208 Dazu m i t Nachweisen statt aller: Canaris, C.-W.: Die Feststellung von Lücken . . . , 65 ff. 209 p ü r diese Möglichkeiten: Kelsen, H.: Reine Rechtslehre, 251 ff.; ders.: „ Z u r Theorie der Interpretation", 1363 ff., insbes. 1369 ff. 204

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deuten, so daß eine zumindest als verdeckte Verweigerung deutbare Vorgangsweise möglich wäre. Es w i r d aber auch die Annahme einer Wahlfreiheit für den Rechtsanwender zwischen den Alternativen der Gebots- und der Verbotsnorm (eine Deutung i n Richtung eines Ermessens oder einer Erlaubnis) ausgeschlossen sein, weil diese Sicht eine rechtlich zulässige Alternative voraussetzt; dies ist aber gerade dann nicht der Fall, wenn jede der beiden Normen die jeweils andere als rechtlich verboten erscheinen läßt. Es scheint also von hier aus nicht von der Hand zu weisen zu sein, daß die Annahme der Möglichkeit eines — ohne zusätzliche Normen — unbehebbaren Normenkonfliktes die theoretische Position eines OS und damit die Möglichkeit von Lücken, m i t hin die Preisgabe der apriorischen Einführung des hermetischen Prinzips, nahelegt. Geht man von der Möglichkeit eines OS aus, so bieten sich, wie gesagt, zur Bewältigung von Lücken die offene und die verdeckte Verweigerung einerseits und die (inhaltliche) Lückenfüllung andererseits an. Unterstellt man nun der österreichischen Rechtsordnung, daß es i n ihr ein non-liquet nicht gibt (ζ. B. weil ein Rechtsverweigerungsverbot besteht), so hieße dies i m Sinne des vorher Gesagten deshalb noch nicht, daß ein OS ausgeschlossen wäre, weil das non-liquet nur eine Form der Bewältigung des OS ist. Eine verdeckte Verweigerung der Entscheidung wäre dann ζ. B. i n jenen Bereichen zu suchen, wo sich eine Rechtsnorm anspruchsverheißend anbietet, diese Verheißung aber von der Anwendungsinstanz verweigert wird, weil diese Norm z.B. nur „programmatischen Charakter hat und daher prinzipiell keinen normativen Maßstab abgeben k a n n " 2 1 0 . I n diesen Fällen ist die Folge der Nichtanwendung solcher Bestimmungen, daß der von ihnen als gebunden anvisierte Rechtssetzer zunächst frei ist: entweder müssen noch weitere Normen oder i n Normen eingeschlossene oder von Normen bezogene Wertungen herangezogen und die Lücke gefüllt werden, um diese Unvollständigkeiten zu beseitigen, oder aber es muß ein allfälliger Prüfungsantrag, der sich auf diese Bestimmung beruft, i m Zweifel abgewiesen werden. Angewendet auf das Verhältnis solchermaßen formelhafter Verfassungsbestimmungen zu einfachen Gesetzen würde dies bedeuten, daß das Ergebnis einer Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes i m Zweifel für die Freiheit des einfachen Gesetzgebers ausgehen müßte. 210 Vgl. so die J u d i k a t u r des V e r f G H zu A r t . 6 (1) E M R K bis zum Jahre 1964; ζ. B. V e r f G H Slg. 3767/1960, 4122/1961; dazu auch für viele Ermacora, F.: „ D i e Rechtsprechung österreichischer Gerichte zur Europäischen Menschenrechtskonvention". I n : Ermacora, F. u. a. (Hrsg.): Hundert Jahre Verfassungsgerichtsbarkeit. Fünfzig Jahre Verfassungsgerichtshof i n Österreich. Wien u. a. 1968, 167 ff.

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T e i l I I : Philosophische u n d theoretische Horizonte

So besehen dürfte die Vermutung nicht von der Hand zu weisen sein, daß zumindest erhebliche Teile des geltenden Verfassungsrechts von der herrschenden Praxis als OS behandelt werden. Die Frage, ob OS oder GS, ob eine bestimmte, lediglich programmatisch formulierte Norm auch als reines Programm zu behandeln ist oder — über eine Aufbereitung — als Maßstab verwendet werden soll, läßt sich weder aus dem Text allein noch allgemein entscheiden: So wenig sich etwa A r t . 83 (2) B - V G : „Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden" und A r t . 2 (1) B - V G : „Österreich ist ein Bundesstaat" i n ihrer Allgemeinheit und damit Programmhaftigkeit unterscheiden, sosehr w i r d man aber i m ersten Fall den Maßstabcharakter und i m zweiten Fall den bloßen Programmcharakter betonen: Zum unmittelbaren Text des A r t . 83 (2) und A r t . 2 (1) B - V G müssen noch zusätzliche, m i t dem Kontext i n Zusammenhang stehende Bewertungen treten, die letztlich dann die Entscheidung als begründet erscheinen lassen, ob es beim Programm bleibt oder eine Ausfüllung i n Richtung eines anwendbaren Maßstabes vorgenommen wird. So läßt sich für die Deutung von Normen, die, von ihrem Text allein aus betrachtet, unvollständig sind, ihrer Intention nach aber Grundrechte sein wollen 2 1 1 , über den Grundsatz der „Grundrechtseffektivität" 2 1 2 die Ausfüllungspflicht begründen. Dies hätte m. E. auch eine überzeugendere Möglichkeit der Begründung geboten, als die, die der VerfGH für seinen von der verdeckten Verweigerung zur Lückenfüllung führenden Kurswechsel zum A r t . 6 (1) E M R K 2 1 3 vorgebracht hat 2 1 4 . I n anderen Bereichen wiederum, wie ζ. B. hinsichtlich des erwähnten A r t 2 (1) B - V G mag es wiederum angemessen sein, vom „programmatischen Charakter" auszugehen und es über die verdeckte Verweigerung bei einer weitgehenden Gestaltungsfreiheit des nächstfolgenden Rechtsanwenders zu belassen. Jedenfalls müssen für die einschlägige Entscheidung Gründe angebbar sein. Bewegt sich die Norm, u m die es geht, i m Schnittpunkt mehrerer Bereiche — etwa der Grundrechtsproblematik, der Strafrechtsproblematik und der Gesetzesdeterminationsproblematik 215 — so sind unter den für die Entscheidung angebbaren Gründen auch Konflikte, ja sogar Antinomien möglich. Hier ist es Aufgabe einer rationalen Verfassungsdiskussion, diese besonders sorgfältig abzuwägen und zu entscheiden.

211

Wie der erwähnte A r t . 83 (2) B - V G . Vgl. dazu f ü r die österreichische Situation z.B. Schäffer, sungsinterpretation i n Österreich, 154 ff. 213 V g l . V e r f G H Slg. 4710/1964, 4792/1964. 212

214 215

V e r f G H Slg. 5100/1965, 5102/1965. So w i e dies bei der sog. Fristenlösung der F a l l war.

H.: Verfas-

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Als Modell der Normendynamik schlechthin gilt der normative Syllogismus 216 , dessen einfachste Form etwa wie folgt dargestellt werden kann: Wenn der Tatbestand Τ vorliegt, dann soll die Rechtsfolge R eintreten N u n liegt Τ vor Daher soll R eintreten Dieses Modell ist für viele theoretische Zwecke ausreichend; es genügt aber nicht, wenn es darum geht, alle oder doch nur die wichtigsten normativen Formationen einer Rechtsordnung zu einer ihrer jeweiligen Eigenart angemessenen Darstellung, etwa i n einem Begründungsschema, zu bringen. Wenn daher das Interesse auf die Eigenart von „Aufgabennormen" oder „Maßstabnormen" 2 1 7 oder „allgemeinen Rechtsgrundsätzen" oder auf die Eigenart von Erlaubnissen und Freistellungen gerichtet ist, dann w i r d das hoch abstrakte obige Schema schon deshalb nicht ausreichen, weil die einschlägigen Probleme, die man behandeln bzw. berücksichtigen möchte, durch Anpassung der jeweiligen normativen Gegebenheit an den normativen Syllogismus wegreduziert sind. Eine angemessene Darstellung des normendynamischen Aspekts w i r d daher auf einer weniger hohen Abstraktionsebene ansetzen müssen, um die erforderlichen und erwarteten Differenzierungsleistungen erbringen zu können 2 1 8 . I m Rahmen der Probleme, die sich aus der kategorialen Vermischung beim praktischen Syllogismus ergeben 219 , führt dieses Schema über die Anwendung des Modus Tollens zu einer Situation, die keinesfalls m i t der Rechtsordnung übereinstimmt: die Verneinung der Rechtsfolge führt zur Verneinung des Tatbestandes. Die offensichtliche Unangemessenheit des Modus Tollens i n diesem Schema kann dazu führen, daß diese Schlußfigur i m Rahmen des praktischen Syllogismus verboten wird. Es besteht aber auch die Möglichkeit, diese Unangemessenheit zum Anlaß einer Korrektur an der Darstellungsweise zu nehmen. 216 Vgl. dazu auch die einschlägigen Ausführungen oben bei der „ D e d u k tion", 35 f., 48 f. 217 Vgl. Weinberger, O.: Rechtslogik. Wien - New Y o r k 1970, 244. 218 Z u r notwendigen Differenzierung: Weinberg er, O.: Rechtslogik, 244 ff.; ders.: „Die S t r u k t u r der rechtlichen Normenordnung". I n : Winkler, G. (Hrsg.): Rechtstheorie u n d Rechtsinformatik. W i e n - N e w Y o r k 1975, 120 ff.; ders.: „Die logischen Grundlagen der erkenntniskritischen Jurisprudenz". I n : Rechtstheorie 1978 (9), 131 ff. 219 Z u m sog. „Jorgensen'schen Dilemma" vgl.: Jorgensen, S.: „Imperatives and Logic". I n : Erkenntnis, Bd. 17 (1937/38), 288 ff.; Weinberger, O.: „Die Sollsatzproblematik i n der modernen L o g i k " . I n : Studien zur Normenlogik u n d Rechtsinformatik. B e r l i n 1974, 59 ff.; Schreiner, H.: „ Z u r rechtslogischen Formalisierung von Normen". I n : ARSP 1976 (62), 365 ff.

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T e i l I I : Philosophische u n d theoretische Horizonte

So kann man davon ausgehen, daß zwischen dem „Tatbestand" und der „Rechtsfolge" Beziehungen von einer A r t bestehen, die es als semantisch unkorrekt erscheinen ließen, wenn jeweils ein Teil, etwa als Satz, ohne Rücksicht auf den anderen dargestellt oder gar als Ausgangsbasis für Schlußfolgerungen verwendet würde: „Tatbestand" und „Rechtsfolge" werden als i n einer inneren Relation stehend aufgefaßt, wie dies beispielsweise an der Behandlung der folgenden zwei Sätze analog verdeutlicht werden kann. Aus den beiden Sätzen „Die Verfassung determiniert die einfachen Gesetze" und „Die einfachen Gesetze determinieren die Verordnungen" kann man ersichtlich nur dann korrekt schlußfolgern, wenn man diese beiden Sätze nicht nur isoliert betrachtet, sondern auch ihre inhaltlichen Verbindungen i n Rechnung stellt. So ist es schon nach Berücksichtigung der i n ihnen verankerten logischen Gesetze der Transitivität und Asymetrie möglich zu folgern: „Die Verfassung determiniert die Verordnungen" und „Die Verordnungen werden von den Gesetzen determiniert". U m korrekt schlußfolgern zu können, erscheint daher für das gewählte Beispiel der Weg der Relationenlogik angemessen 220 . Diese Darstellungsweise stellt auf Operationen m i t der inneren Struktur ab, die i m gewählten Beispiel zumindest i n den logischen Gesetzen der Transitivität und Asymetrie besteht. A u f einer solchen Grundlage jedenfalls ist es möglich, den juristischen Syllogismus, der eine letztliche Begründungsform darstellt, relativ zu stabilisieren. Es gilt als besonderes Charakteristikum des Rechtsdenkens, daß die dem Syllogismus zu unterwerfenden Begriffe häufig „vage", wertausfüllungsbedürftig seien usw., d. h. daß der eigentlich der Begründung bedürftige A k t i n einem Vorgang vor der Anwendung des Syllogismus liegt, wo irgendwie — extensional oder intensional — festgelegt wird, daß eine Gegebenheit unter einen Begriff fällt oder nicht, ζ. B. daß ein Vorgang eine „ungebührliche Lärmerregung" sei. Dies ist ein Vorgang, der i n der juristischen Methodologie etwa als Angleichung von Sachverhalt und Tatbestand behandelt w i r d und der — wie anläßlich des „komparativen Begriffs", sowie der Ausführung zum Wert- und Normbegriff dargestellt ist — noch einer jeweils näheren, der intersubjektiven Rekonstruierbarkeit wie Akzeptierbarkeit verpflichteten Analyse zugänglich ist. Es darf n u n hinsichtlich des Verhältnisses von „Tatbestand" und „Rechtsfolge" als angemessen erscheinen, einen ähnlichen Weg, wenn auch nicht unbedingt i m Relationenkalkül, zu beschreiten. Tammelo 221 220 Hiefür sei verwiesen auf Tammelo , I. / Schreiner, H.: Grundzüge u n d Grundverfahren der Rechtslogik. Bd. 1. Dokumentation, München 1974, 68 ff. 221 Tammelo, I. / Schreiner, H. : Grundzüge u n d Grundverfahren der Rechtslogik, 55 ff.

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schlägt anläßlich des Imperativenkalküls vor, diese innere Beziehung sprachlich wie formal gesondert zum Ausdruck zu bringen. Sprachlich geschieht dies durch Zusammenziehung von Tatbestand und Rechtsfolge, indem der Sinngehalt des Vordersatzes des normativen Syllogismus — des Tatbestandes — als eine weitere Bestimmung des normativen Verhaltes, den der Nachsatz darstellt, interpretiert wird. So w i r d z.B. aus: „Wenn D u zu einer Stoptafel kommst, halte!" „ D u — vor einer Stoptafel — halte 2 2 2 ." Formal w i r d diese intensionale Operation durch Klammersetzung begrenzt: Sollen die Operationen über die Klammern hinaus ausgedehnt werden, so darf dies i m Rahmen eines gegebenen Arguments nur geschehen, wenn es semantisch, d. h. als dem jeweiligen Rechtsbereich angemessen, begründet werden kann.

222

Diese Strukturanalyse deckt sich weitgehend m i t der Analyse i n „Phrastic" u n d „Neustic" bei Hare , R. M.: The Language of Morals. London u. a. 1970, 17 - 28, 377, 188 - 190; 17 - 21, 26, 37, 188 f.

T e i l III

Formelle Bedingungen der Akzeptierbarkeit 1. Die Pluralität von Begründungskonzepten I n den vorhergehenden Ausführungen wurde der Aufweis versucht, daß die verfahrensmäßige intersubjektive Rekonstruierbarkeit 1 von Argumenten keinesfalls schon die Akzeptierbarkeit m i t sich bringen muß. A u f diese Weise werden zunächst nur Alternativen für Begründungen angeboten. Welche dieser Alternativen dann als akzeptabel betrachtet werden kann, läßt sich durch die erwähnten Verfahren selbst nicht begründen; dies muß zusätzlich erfolgen. Die Rechtspraxis wie die juristische Methodenlehre bieten eine Reihe von Vorgangsweisen an, die beides, sowohl die intersubjektive Rekonstruierbarkeit wie auch die Akzeptierbarkeit einer Auswahl, anstreben. Wenn auf diese Versuche kurz eingegangen wird, dann sollen nur diejenigen einschlägigen Angebote eine beispielsweise Erwähnung finden, die einerseits den Hauptgegenstand der Rechtswissenschaft nicht völlig umdeuten 2 , andererseits aber auch nicht nur über einen juristischen, sondern auch über einen philosophischen wie erkenntnistheoretischen Hintergrund verfügen und die darüber hinaus auch bereits den Nachweis ihrer Praktikabilität erbracht haben 3 . Bei diesen Versuchen, die intersubjektive Rekonstruierbarkeit mit der intersubjektiven Akzeptierbarkeit zu verbinden, spielen einige Aspekte immer wieder eine je unterschiedlich starke Rolle. Sie haben — zunächst allgemein formuliert — insgesamt die Aufgabe, die intersubjektive Akzeptierbarkeit sicherzustellen. Sie können dieser Aufgabe um so eher gerecht werden, je mehr sie den jeweils philosophisch wie spezialwissenschaftlich vertretenen Auffassungen einerseits und den praktischen Bedürfnissen andererseits entsprechen, weil auf diese Weise von vornherein ihre konsensbildende Eigenschaft gegeben ist. Je mehr Übereinstimmung i m Hinblick auf sie vorhanden ist, desto eher werden jene Methoden, die auf ihnen aufbauen, auch tatsächlich Kon1

ζ. B. durch deduktive, reduktive, analoge . . . Verfahren. Also ζ. B. nicht von vornherein eine soziologische oder psychologische Gegenstandssicht erfordern. 8 Letzteres nicht unbedingt i n der Rechtswissenschaft, soferne sie n u r i n i h r eine solche erwarten lassen. 2

1. P l u r a l i t ä t von Begründungskonzepten

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sens transportieren und sich somit als Vehikel regelmäßiger intersubjektiver Akzeptierbarkeit bewähren. Diese Gesichtspunkte wiederum geben einen wichtigen Grund für die jeweiligen Schwerpunktsetzungen und Differenzierungen i n den Methoden ab: Gehört z.B. der für den Akzeptierbarkeitstransport ausersehene Gesichtspunkt eher dem Wertebereich an, so w i r d das methodische Konzept eher andere Schwerpunkte setzen als i n dem Fall, wo der verwendete Gesichtspunkt eher einem empirisch-sensualistisch charakterisierten Bereich angehört. Einen dieser Aspekte repräsentiert eine überreiche Fülle von Bemühungen, für das auf Begründungen ausgerichtete Rechtsdenken jeweils materiale Ziele anzugeben, die i m Hinblick auf die nach dem jeweiligen wissenschaftlichen Standard rekonstruierte juristische Erfahrungswelt eine besondere Dignität aufzuweisen vermögen. Obendrein gestatten es solche „Finalitäten" häufig, daß jene Teile des rechtlichen Denkens, i n denen Bewertungen eine große Rolle spielen, i n einem erheblichen Ausmaß als rezeptiv aufgefaßt werden können 4 : z. B. als Nachvollzug einer Interessenpräferenz, die der Gesetzgeber getroffen haben soll. Als solche Finalitäten kommen z. B. faktische Interessen i n Betracht, deren Berücksichtigung zu einer bestimmten Entscheidung führt: Interessen, die als „gesetzlich" geschützt oder bevorzugt, die der individuellen oder der sozialen Rolle entsprechend gedeutet werden. Als solche Finalitäten kommen aber auch teleologische Konstrukte i n Betracht, wie der „Zweck" einer Norm, der „Sinn" einer Regelung, die „Absicht" eines Gesetzgebers, oder Werte, die zielhaft hinter Normen bzw. Normengruppen stehend erachtet werden. Dieser Aspekt soll nun durch die Erwähnung einiger Autoren verdeutlicht werden, wobei deren Anführung wiederum nicht heißen soll, daß diese ausschließlich den erwähnten Aspekt gelten ließen. Bei Heck 5 treten als solche Finalitäten „Interessen" auf, die materielle wie ideale Begehrungen und Begehrungstendenzen innerhalb einer Rechtsgemeinschaft sein können. Ihre Befriedigung w i r d als Ziel angesehen; sie sind bei jeder Operation und Begriffsbildung i m Auge zu behalten. Eine derartige Stellung nehmen auch die „ursprünglichen Tatsachen des Rechts" bei E. Ehrlich ein 6 , weil bei i h m die Geltungsfrage über die Frage nach den tatsächlichen Einrichtungen zu beantworten ist, die 4

Was nicht i n jedem F a l l eine Werte-Reduktion bedeuten muß. „Gesetzesauslegung u n d Interessenjurisprudenz". I n : ArchZivPr. 112 (1914), insbes. 11; ders.: Das Problem der Rechtsgewinnung. Bad H o m b u r g B e r l i n - Zürich 1968; ders.: Interessenjurisprudenz. Tübingen 1933; Edelmann, J. : Die E n t w i c k l u n g der Interessenjurisprudenz. Bad Homburg - Berl i n - Zürich 1967. β Ehrlich, E.: Grundlegung einer Soziologie des Rechts. 3. Aufl., B e r l i n 1967, insbes. 67 ff., 155 ff. 5

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T e i l I I I : Formelle Bedingungen der Akzeptierbarkeit

durch bestimmte gesellschaftliche Vorgänge i m Laufe der geschichtlichen Entwicklung zu Rechtsverhältnissen werden. I n die Richtung solcher Finalitäten darf auch R. Stammlers „richtiges Recht" 7 verstanden werden, weil es Ziel und K r i t e r i u m der Orientierung am richtigen Recht ist, die Entscheidung m i t allem denkbaren rechtlichen Wollen i n eine umfassende Harmonie zu bringen. Auch die „Rechtsidee" i m Rahmen der Wertphilosophie von G. Radbruch 8 läßt sich teils so deuten, weil das positive Recht, m i t h i n auch eine zu treffende Wahl zwischen Rechtsalternativen, unter der bestimmenden Anforderung von Gerechtigkeit gesehen w i r d und letztere entscheidend auf dem methodisch auch für die Begründung fundamentalen Gesichtspunkt der Gleichheit und Gegenseitigkeit beruht. Als Finalitäten treten so auch die materialen Aprioris auf, die das Recht vorfindet und auf denen es i m Sinne A. Reinachs 9 aufbaut. Danach gelten Gebilde als nicht willkürlich erfunden, sondern zumindest als ihrem Kernbestand nach dem positiven Recht vorgegeben. Mittels der phänomenologischen Methode (Reduktion) gilt es als möglich, die Strukturen des jeweiligen Aprioris darzulegen. A u f diese Weise sind Elemente auf nicht w i l l kürliche A r t gewonnen, die sich normativ für das inhaltliche Rechtsdenken erweisen. Für die ontologischen Lehren gilt, daß sie schon erkenntnistheoretisch die Möglichkeit eröffnen wollen, das Sollen i m Recht dadurch greifbarer zu machen, daß es mit dem Sein ursprünglich verbunden w i r d 1 0 ; eine besonders adäquate Darstellungsform ist daher die (ontologische) Figur der „Natur der Sache" 11 . Einen ähnlichen Weg geht die Naturrechtstheorie von Verdross, soweit sie auf anthropologisch aufweisbaren Strukturen 1 2 beruht, weil auch hier Sollenselemente ursprünglich mit Seinselementen verbunden sind 1 3 . Das Abstellen auf 7 Die Lehre v o m richtigen Rechte. Unveränderter Neudruck der 3. A u f l . (1926), Darmstadt 1964. 141 ff. Hier ist ein zumindest gleich starker formaler Gesichtspunkt zu finden: über die Forderung der Widerspruchsfreiheit eröffnet sich eine methodische Konzeption, w i e sie m i t der Kohärenztheorie der Wahrheit verwandt ist u n d hier zuletzt m i t dem K r i t e r i u m der Bejahbarkeit umschrieben w i r d . 8 Rechtsphilosophie. 6. A u f l . (Hrsg. v. E. Wolf), Stuttgart 1963, 123 f. 9 Z u r Phänomenologie des Rechts. München 1953; ders.: Was ist Phänomenologie? München 1951. 10 Vgl. Marcie, R.: „ U m eine Grundlegung des Rechts". I n : Maihof er, W. (Hrsg.): Die ontologische Begründung des Rechts. Darmstadt 1965, 509 ff. 11 Vgl. Schambeck, H.: Der Begriff der „ N a t u r der Sache". Wien 1964; für eine nicht ontologische Darstellung der damit gemeinten Figuren sei v e r wiesen auf Dreier, R.: Z u m Begriff der „ N a t u r der Sache". B e r l i n 1965; sowie jüngst dazu m i t Übersicht: Ellscheid, G.: „Das Naturrechtsproblem i n der neueren Rechtsphilosophie". I n : Kaufmann, A . / Hassemer, W. (Hrsg.): E i n führung i n die Rechtsphilosophie u n d Rechtstheorie der Gegenwart. Heidelberg - Karlsruhe (UTB 593) 1977, 52 ff. 12 Verdross, Α.: Statisches u n d dynamisches Naturrecht. Freiburg 1971, 97 ff. 13 98 f.

1. P l u r a l i t ä t von Begründungskonzepten

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die Wertungen, die dem Gesetz immanent sind, bei O. A. Germann 14 oder die vor allem am Grundrechtsteil ansetzende Suche nach einer positivierten Wertordnung, wie dies H. Coing 15 oder G. Dürig 16 tun, gehört ebenfalls zum Geltungsbereich dieses ersten Aspekts, wenn auch bereits ein weiterer anklingt. Der nächste Aspekt darf dahingehend charakterisiert werden, daß die Akzeptierbarkeit der Begründungsleistung wesentlich durch das Abstellen auf eine situative Komponente und deren als befriedigend erachtete Lösung erfolgt. Dafür kann ζ. B. das „geltende Rechtsethos" von R. Zippelius 17 oder können die „Prinzipien" und „Standards" von J. Esser angeführt werden 1 8 , die die Akzeptierbarkeit der Lösung an deren Sach- und Problementsprechung binden. Ebenso kann hier die „Topik" genannt werden, wie sie von Th. Viehweg 19 als Sammlung von anerkannten Gesichtspunkten vertreten wird, die problemstrukturierend wirken und zugleich i n die Richtung bewährter Problemlösungen führen. Schließlich darf es zulässig erscheinen, die (moderne) Hermeneutik zufolge ihres Bezugs auf die kulturellen Horizonte der Entstehung und Anwendung einer Norm ebenfalls i m Bereich dieses Gesichtspunktes 20 zu sehen. Die Hermeneutik bietet jedoch auch den Übergang zu einem weiteren Gesichtspunkt, unter dem ein Begründungskonzept konstituiert werden kann, um die Akzeptierbarkeit einer rationationalen Konstruktion bzw. Rekonstruktion zu gewährleisten. 14 Germann , Ο. Α.: Probleme u n d Methoden der Rechtsfindung. 2. Aufl., Bern 1967, ζ. B. 107 ff. (108), u. ö. 15 Coing, H.: Grundzüge der Rechtsphilosophie. 3. Aufl., B e r l i n 1976. 16 Dürig, G.: „Der Grundrechtssatz von den Menschenwürde — E n t w u r f eines praktikablen Wertsystems der Grundrechte". AöR 1956 (81), 157 ff. 17 Zippelius, R. : Wertungsprobleme i m System der Grundrechte. München B e r l i n 1962, 193 ff. 18 Esser, J.: Grundsatz u n d N o r m i n der richterlichen Fortbildung des P r i vatrechts. 2. Aufl., Tübingen 1964, 87 ff. 19 Viehweg, Th.: Topik u n d Jurisprudenz. 5. Aufl., München 1974; Otte, G.: „Zwanzig Jahre Topik-Diskussion". I n : Rechtstheorie 1970 (1), 183 ff.; Struck, G.: Topische Jurisprudenz. F r a n k f u r t 1971; Bornscheuer, L.: Topik. F r a n k furt a. M. 1976. Die hier vertretene Auffassung von Topik stellt nicht so sehr den aporetischen Aspekt, sondern die Möglichkeit, sie als A n l e i t u n g zur Argumentation zu sehen, i n den Vordergrund. Vgl. dazu Horak, F.: Rationes Decidendi I. Innsbruck 1969, 45 f.; Waldstein, W.: „ T o p i k u n d I n t u i t i o n i n der Römischen Rechtswissenschaft". I n : Horak, F. / Waldstein, W. (Hrsg.): Festgabe für A r n o l d Herdlicka zu seinem 75. Geburtstag. München - Salzburg 1972, 245. 20 Betti, E.: Allgemeine Auslegungslehre als Methodik der Geisteswissenschaften. Tübingen 1967; Gadamer, H. G.: Wahrheit u n d Methode. 4. Aufl., Tübingen 1975; Esser, J.: Vorverständnis u n d Methodenwahl i n der Rechtsfindung. 2. Aufl., F r a n k f u r t a. M . 1972; Hinderling, H. G.: Rechtsnorm u n d Verstehen. Bern 1971; Hruschka, J.: Das Verstehen von Rechtstexten. M ü n chen 1972; Müller, F.: N o r m s t r u k t u r u n d Normativität. B e r l i n 1966; Rottleuthner, H.: „Hermeneutik u n d Jurisprudenz". I n : Koch, H.-J. (Hrsg.): J u r i stische Methodenlehre u n d analytische Philosophie. Kronberg/Ts. 1976, 7 ff.

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T e i l I I I : Formelle Bedingungen der Akzeptierbarkeit

Der dritte Gesichtspunkt kann damit umrissen werden, daß „Normierungen" für das Begründungsgeschehen eingeführt werden. So w i r d ζ. B. i m Konstruktivismus durchaus hermeneutisch angesetzt, aber dann schrittweise synthetisch-künstlich das Begriffs- und Argumentationsvokabular rekonstruiert, u m auf diese Weise zumindest für den intersubjektive Akzeptierbarkeit erreichen zu können 2 1 , der, wie der Philosoph, rationale Rekonstruktion zu den obersten Zielen zählt. Ebenfalls eine „Normierung" kann i n der Anknüpfung an eine „ideale Kommunikationssituation" gesehen werden, wie dies ζ. B. Apel 22 unter Berufung auf Peirce 23 tut. Die sog. „Neue Rhetorik" 2 4 erstrebt ähnliches, indem sie diejenigen bewährten Regeln darstellen w i l l , die regelmäßig Konsens herstellen. Die jeweilige Verbindung dieser Aspekte m i t den kaum jemals bestrittenen formalen Strukturen etwa des Deduktiven, Induktiven oder Analogen erfährt zumeist auch eine Rechtfertigung dadurch, daß sie zu einer bestimmten Zeit i n einem Teilbereich des rechtlichen Denkens „funktionieren". Sie gelten dann wohl deshalb als taugliche Muster, weil sie neben den bislang gemeinten Kriterien auch noch sachhaltige Kriterien des jeweils i n Rede stehenden Problemkreises einschließen, deren Berücksichtigung dann dazu führt, daß die Methode sachrichtige oder doch „sachangemessene" Lösungen anbietet. Damit erscheinen die Begründungskonzepte relativiert: i m Hinblick auf den erkenntnistheoretischen, wissenschaftstheoretischen und philosophischen Hintergrund, sowohl was das Recht selbst, als auch was die Gegenstände betrifft, auf die sich die rechtlichen Regelungen beziehen. Angesichts der i n diesen Fragen möglichen vielfältigen Positionen scheint die Pluralität von Begründungskonzepten daher eine kaum überholbare Realität zu sein, jedenfalls für den Fall, daß man die intersubjektive Akzeptierbarkeit nicht n u r auf den Bereich jeweils einer Position beschränkt sehen möchte. Man w i r d daher parallel zur Pluralität der Auffassungen auch von einer Pluralität der Begründungskonzepte sprechen müssen. Trotzdem sind immer wieder und fast regelmäßig Begründungen möglich, die sich durch Konsens auszeichnen; durch einen Konsens, der 21

Vgl. Lorenzen , Ρ. / Schwemmer, O.: K o n s t r u k t i v e Logik, E t h i k u n d Wissenschaftstheorie. M a n n h e i m - Wien - Zürich 1973,190 f. 22 Apel, K.-P.: „Die Kommunikationsgemeinschaft als transzendentale V o r aussetzung der Sozialwissenschaften". I n : Bubner, R. u.a. (Hrsg.): Dialog als Methode. H. 2/3. Göttingen 1972, 1 ff. 23 Apel, K.-O.: Einführung zu Ch. S. Peirce, Schriften I, I I . F r a n k f u r t 1967; ders.: „ F r o m K a n t to Peirce". I n : Beck, L. W. (Hrsg.): Proceedings of the T h i r d International K a n t Congress. Dordrecht 1971. 24 Vgl. Perelman, Ch.: Über die Gerechtigkeit. Beck, München 1967; Toulmin, St.: The Uses of Argument. 2. Aufl., Cambridge 1961; Clemens, Ch.: Strukturen juristischer Argumentation. B e r l i n 1977.

1. Pluralität von Begründungskonzepten

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i n erster Linie nicht als autoritativ-dogmatisch zu bezeichnen ist, sondern eher durch freie Zustimmung und Einstimmung gekennzeichnet ist; ein Konsens, der zwar immer nur ein vorläufiger ist, der aber ausreicht, u m das erforderliche Ausmaß relativer Stabilität i n den A u f fassungen i m Rechtsdenken zu gewährleisten. Daß dies möglich ist, muß zu einem erheblichen Teil darauf zurückzuführen sein, daß man i m Hintergrund der meisten Konzepte für rationale Begründungen Verhalte findet, die sich als ethische Maximen 2 4 8 , darstellen lassen und die sich normierend an das Wertungsverhalten der Subjekte richten. E i n solcher Verhalt kann z.B. i n dem für jedes i m de-lege-lata-Bereich wirksame Begründungskonzept fundamentalen Rollenbild des „Richters" gesehen werden, das jedenfalls ethisch normativ, wenn nicht gar rechtsnormative Forderungen einschließt wie: Gleichbehandlungspflicht, Verbot der Einbringung von Eigeninteressen, Pflicht, alle relevanten Fragen zu behandeln F ü r Begründungen i m de-legeferenda-Bereich ist es das Rollenbild des „(Rechts-)Politikers" 2 6 . Ebenso lassen sich ganz allgemein für das wissenschaftlich verpflichtete Rechtsdenken über ein „Wissenschaftsethos" ethische Forderungen erkennen, die sich, wie z.B. das „Objektivitätsgebot", als Forderungen an das Verhalten des Subjektes richten. Wenn man daher hinsichtlich der Gewährleistung intersubjektiver Akzeptierbarkeit i n die Richtung ethisch-normativer Regeln fragt, so ist dies kein esoterischer Ansatz, sondern durchaus ein Bemühen, das sich regelmäßig i n einschlägigen Arbeiten, wenn auch oft n u r mittelbar, nachweisen läßt und dessen Darstellung auch deshalb wieder einen Anspruch auf einen konvergenztheoretischen Nenner erheben kann, auch wenn dann die weitere Begründung für die einzelnen Positionen verschieden ausfällt 2® bzw. zu verschiedenen Verästelungen führt. A l l e Begründungskonzepte sind demnach von vornherein zulässig. E i n solches muß erst dann aufgegeben oder doch verändert werden, wenn es einer ethischen Forderung, wie ζ. B. der Sachoffenheit, d. h. der Offenheit für alle neuen und weiteren Aspekte eines Sachverhaltes, nicht mehr entspricht. Daß auch dies ein Weg ist, w i e i h n die Praxis des Rechtsdenkens beschreitet, muß nicht näher ausgeführt werden.

24a Z u m Begriff der Maxime: Hoffmeister, J.: Wörterbuch der philosophischen Begriffe. 2. Aufl., Hamburg 1955, 396; ausführlich: Stein, P.: Regulae iuris. Edingburgh 1966, 156 ff. 26 Vgl. zu diesen Bildern und dem Ansatz, sie als Grund normativer Regeln zu deuten; Perelman, Ch.: Über die Gerechtigkeit, 149 ff.; Tammelo , I.: Zur Philosophie des Überlebens. Freiburg - München 1975, 134 ff. 2β ζ. B. anthropologisch oder bloß denkerisch-hypothetisch.

9 Schreiner

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T e i l I I I : Formelle Bedingungen der Akzeptierbarkeit

2. Zur Begründbarkeit von normativ-ethischen Maximen Nochmals ist ins Auge zu fassen, daß es hier darum geht, die Schritte der einschlägigen Denkverfahren entsprechend der Eigenart von Tatsachenurteilen, Rechtsnormen und Werturteilen zu strukturieren. Dabei ist i n Erinnerung zu rufen, daß Auswahlentscheidungen zwischen rechtlich möglichen Alternativen letztlich auch auf Werturteile hinauslaufen. Während bei Tatsachenurteilen — verkürzt gesagt — das Erkennen i m Vordergrund steht, ist bei Werturteilen die Rolle der Subjektivität weitaus höher zu veranschlagen. Wenn das dabei i m Vordergrund stehende „Anerkennen" zum „Erkennen" nicht i n einen prinzipiellen Widerspruch treten soll 2 7 , dann müssen Bedingungen formuliert werden, die verhindern, daß das Anerkennen i n einem rein rhetorischen 28 , eristischen oder psychologisch-persuasiven Sinn auftreten kann 2 9 . Die auf diese Weise formulierbaren Bedingungen sind ethischnormative, w e i l sie sich an das (innere) Verhalten der am Entscheidungsprozeß Beteiligten oder doch an den, der diesen rekonstruiert, richten; diese Bedingungen könnten einmal zusammenfassend als „For u m der Vernunft" bezeichnet 30 werden: Die unter den Bedingungen dieses Forums getroffenen Entscheidungen (Wertungen) sind „vertretbar" und können den Anspruch auf „Akzeptierbarkeit" erheben. A u f eine solche Weise erscheint es grundsätzlich möglich, i m Rechtsdenken auch für den Bereich der Werturteile eine intersubjektive Akzeptierbarkeit herstellen zu können, die nicht von vornherein subjektivistischwillkürlich sein muß. Wenn daher von intersubjektiver Akzeptierbarkeit von Argumenten die Rede ist, dann geht es dabei nicht u m Bedeutungen, die primär psychologischer oder ansonsten kommunikationstheoretischer Natur sind. Es geht vielmehr u m ethisch-normative Gegebenheiten, die i m Rahmen von Entscheidungs- und Begründungsverfahren zu berücksichtigen sind, wenn Ergebnisse erzielt werden sollen, die auf Grund ihres Zustandekommens und ihres Inhaltes den Anspruch auf Akzeptierbarkeit bei all denen erheben dürfen, die eine einsichtsvolle Zustimmung als ausreichend für die Übernahme von wesentlich mit Wertprädikaten versehenen Urteilen erachten. 27

Was nach der hier gewählten Konzeption j a vermieden werden soll. Vgl. so z.B. Haft, F.: Juristische Argumentationslehre. Freiburg - M ü n chen 1978. 29 Vgl. so Tammelo , I.: Theorie der Gerechtigkeit. Freiburg - München 1977, w o es auf S. 104 heißt: „Die Objektivität, die bei der Begründung von p r a k tischen Sätzen (so auch Werturteilen; d. V.) angestrebt w i r d , liegt nicht i n einem impersonellen Durchführen eines Verfahrens, sondern i n einem gewissenhaften personellen Einsatz, der alle geistigen Tugenden i n Anspruch nimmt." 30 Vgl. so z.B. Tammelo , I.: Theorie der Gerechtigkeit, 105ff.; Perelman, Ch.: Über die Gerechtigkeit, insbes. 153 ff. 28

2. Z u r Begründbarkeit von normativ-ethischen M a x i m e n

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Diese normativen Regeln sind nicht von solcher A r t , daß sie die Figuren angeben würden, m i t denen i n einer Diskussion Überzeugungen und Haltungen effektiv vermittelt werden können bzw. gewöhnlich vermittelt werden, so wie dies ζ. B. unter Berufung auf die sog. A r g u mentationstheorie und die Rhetorik geschehen kann 8 1 : Das Hauptziel der letztgenannten Bemühungen scheint die Ermittlung und Darstellung jener Figuren zu sein, m i t denen, allenfalls eng bereichbezogen, i n der juristischen Praxis tatsächlich Zustimmung transportiert wird. Diese Theorien dürfen durchaus auch als Weiterentwicklungen der juristischen Interpretationskunstlehren angesehen werden. Sie bringen aber zumeist keine Begründungen für die Figuren: Es gilt als hinreichend, daß es sich um Figuren handelt, die i n einem bestimmten Rechtskulturkreis tatsächlich zu intersubjektiver Akzeptanz führen 3 2 . Sie müssen aber keine Regeln für den Fall enthalten, daß zwei oder mehrere dieser Figuren zur Auswahl stehen. Die normativen Regeln, u m die es hier geht, schließen die vorgenannten, i n den Bereich des Persuasiven und Psychologischen hinreichenden Regeln nicht aus. I m Gegenteil, sie werden i n ihrer wichtigen Rolle durchaus anerkannt. Die normativen ethischen Regeln, u m die es hier geht, bieten jedoch eine Möglichkeit, diese Figuren und Argumente selbst kritisch zu prüfen, bzw. zu rechtfertigen, die Auswahl und die Kombination zwischen ihnen zu lenken, wie auch dort, wo es innerhalb dieser Figuren und Argumente „offene" Stellen gibt, m i t Vertretbarkeits- weil m i t Vernünftigkeitsanspruch ausgestattete Vorschläge zu machen. Diese normativen Regeln richten sich an das Verhalten des Argumentierenden. Soweit dieser von derartigen Regeln über seine Person und die Situation, i n der sich er und sein Fall befinden, hinausverwiesen wird, verdienen sie das Prädikat „ethisch" 3 3 . Damit scheint wiederum ein gemeinsamer Nenner bezogen zu sein, als die meisten Definitionen der Ethik — sowohl, was eine „formale" i. S. einer prozeduralen als 31 Vgl. z.B.: Clemens, Ch.: Strukturen juristischer Argumentation; Haft, F.: Juristische Rhetorik. Freiburg - München 1978. 32 Deshalb w i r d i n dogmatischen Darstellungen der verschiedenen I n t e r pretationsinstrumente jeweils jenes empfohlen, das zu befriedigenden Ergebnissen f ü h r t ; weniger w i r d dabei auf die theoretische oder gar erkenntnistheoretische Fundierung Wert gelegt. Vgl. so z . B . Adamovich, L . : Handbuch des österreichischen Verfassungsrechts. 6. Aufl., Wien - N e w Y o r k 1971, 175 ff.; Walter, R.: österreichisches Bundesverfassungsrecht. W i e n 1972, 91 ff. Eine mögliche Begründung solcher Ansätze bieten z.B. Perelman, Ch.: Über die Gerechtigkeit; Lorenzen, P. / Schwemmer, O.: K o n s t r u k t i v e Logik, E t h i k u n d Wissenschaftstheorie. 33 Vgl. so die Forderung von Kriele, M.: Theorie der Rechtsgewinnung, 2. A u f l . 1976, 319: „Es geht darum, zu begreifen, daß sich die juristische I n t e r pretation an vernünftigen, unparteilichen, generellen u n d über den Einzelf a l l hinausweisenden Gesichtspunkten orientieren muß."

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T e i l I I I : Formelle Bedingungen der Akzeptierbarkeit

auch, was eine „materiale" Ethik betrifft — dieses K r i t e r i u m beinhalten: die formalen Ethiksysteme wollen ein oder mehrere allgemeine prozedurale Prinzipien angeben, nach denen i n jedem Fall zu entscheiden ist; die materialen Ethiksysteme bestimmen die inhaltlichen ethischen Gesetze bzw. Werte, nach denen jedes Handeln auszurichten ist bzw. nach deren Verwirklichung es zu trachten hat, wenn es die Bezeichnung „ethisch" verdienen w i l l 3 4 . Die normativen Regeln, u m die es hier geht, sind ethische, weil sie denjenigen, an den sie sich richten, grundsätzlich über seine Person und seine Situation hinaus verweisen und i h m gegenüber damit den Charakter der Unbeliebigkeit haben. Solche ethischen Regeln können formal wie auch material sein. Hier w i r d vom formalen Aspekt ausgegangen, weil i m Vordergrund des Formalen der prozedurale Aspekt steht: einmal, weil es als unter der Voraussetzung eines Wertepluralismus eine notwendige Bedingung jeder material-ethischen, auf Verständigung ausgerichteten Diskussion angesehen werden kann, i n der Präferenzierungen vorgenommen werden müssen und i n der unterschiedliche material-ethische Positionen bezogen sind, daß man sich zuvor über das Procedere, das Verfahren einigt. Zum anderen läßt sich die Brauchbarkeit des prozeduralen A n satzes m i t der Wirklichkeit ethischer Diskussionen aufweisen, die über solche Prinzipien weitaus früher eine Verständigung ermöglichen als über material-ethische. I n diesem Sinn geben prozedural-ethische Prinzipien wiederum einen gemeinsamen Nenner ab, auf dessen Boden eine möglichst viele Positionen umfassende Diskussion möglich ist 3 5 . Dies soll an dieser Stelle durch den Hinweis auf manche wissenschaftstheoretische und analytisch-philosophische Positionen deutlich gemacht werden, die formal-prozedurale Prinzipien von der hier gemeinten A r t akzeptieren 36 , prinzipiell jedoch material-ethischen Konzepten aber skeptisch, wenn nicht gar ablehnend gegenüber stehen. Werden prozedurale Prinzipien formuliert — wie dies weiter unten versucht werden soll —, so haben sie auch eine Gestalt 37 , die auch für jene Positionen annehmbar sind, für die ethische Sätze Scheinsätze darstellen 38 . Die Begründung solcher ethischer Forderungen ist zwar von großer Bedeutung, sie muß aber ökonomischerweise deshalb nicht von vorn84 Vgl. so z . B . Hoffmeister, J.: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, 220 (Art. „ E t h i k " ) . 85 Dies soll nicht heißen, daß die Auffassung vertreten w i r d , daß letztlich, d . h . f ü r eine philosophische Letztbegründung, m i t formal-ethischen P r i n z i pien das Auslangen gefunden werden müßte. 86 Das w i r d i m 4. T e i l gezeigt, 150 ff. 87 Der F o r m w i e dem I n h a l t nach. 88 Wittgenstein, L . : Tractatus, § 6, 42: „ D a r u m k a n n es auch keine Sätze der E t h i k geben. Sätze können nichts Höheres ausdrücken", i n : Wittgenstein, L . : Schriften. F r a n k f u r t 1960 (1963), 80; Carnap, R.: Die logische Syntax der Sprache. 2. Aufl., W i e n 1968, 204.

2. Z u r Begründbarkeit von normativ-ethischen M a x i m e n

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herein eingelöst werden, weil sie nach dem hier verfolgten methodischen Konzept gesondert dann nicht erforderlich ist, wenn sie von den jeweils als gegensätzlich verstandenen philosophischen Hintergründen aus möglich ist: eine solche philosophisch mehrfach begründbare Position stellt jedenfalls einen gemeinsamen Nenner dar, der schon dem Ansatz nach eine hohe Chance für intersubjektive Akzeptierbarkeit besitzt. So lassen sich die ethisch-prozeduralen Normierungen sowohl auf dem Boden von traditionell als metaphysisch geprägt bezeichneten Ethiksystemen 39 wie von solchen Systemen der Ethik her vertreten, die sich als unmetaphysisch ausweisen wollen 4 0 ; dies vielleicht deshalb, weil alle solchen Systeme von bestimmten anthropologischen Aufweisbarkeiten 4 1 ausgehen, die auch normativ deutbar sind und die als Grundlage für die Einführung ethisch-prozeduraler Kriterien ausreichen. Ist sohin die intersubjektive Akzeptierbarkeit von Werturteilen unbeschadet der unterschiedlichen philosophischen Ausgangspositionen durch zumindest ähnliche anthropologische Befunde begründbar, so dürfte dies auch als ausreichend für die Folgerung angesehen werden, daß die intersubjektive Akzeptierbarkeit letztlich i n nicht subjektivw i l l k ü r l i c h festlegbaren, sondern unbeliebigen anthropologischen Strukturen 4 2 gründet. Geht man davon aus, so dürfen für die Verankerung ethischer Forderungen philosophisch-anthropologische Befunde als gemeinsamer Nenner herangezogen werden; eine Annahme, die nur scheinbar durch den Hinweis auf die „rein" formale Ethik Kants, ausgedrückt etwa i m Kategorischen Imperativ, widerlegt scheint: Auch Kant kennt ein inhaltliches, philosophisch-anthropologisch bestimmtes B i l d der Humanität bzw. der Menschenwürde 43 . M i t diesem Hinweis, 89 Wobei darauf hinzuweisen ist, daß unter „metaphysisch" sowohl formale w i e materiale Systeme verstanden werden können: Als solche sind etwa gemeint die metaphysisch begründeten E t h i k e n von Fichte, Hegel, Scheler, Hartmann. 40 Als solche seien angeführt die Ethik-Begründungen von Nietzsche, des Marxismus, w i e auch die der Analytischen Philosophie, soweit letztere überhaupt i n ethische Diskussionen eintreten — f ü r den abschlägigen Weg z. B. Ayer, A. J.: Language, T r u t h and Logic. London 1936. 41 Vgl. so z.B.: Popper, K . : Objektive Erkenntnis. E i n evolutionärer E n t w u r f . H a m b u r g 1973, insbes. 283 ff.; Verdross , Α.: Abendländische Rechtsphilosophie. 2. Aufl., Wien 1963, 273 f.; ders.: Statisches u n d dynamisches Naturrecht, 92 ff.; Kraft , V.: Die Grundlagen der wissenschaftlichen W e r t lehre. 2. Aufl., Wien 1951, 249 ff.; u n d die Nachweise bei: Marcie , R.: Rechtsphilosophie. Freiburg Î969, Stichwort: „Mensch"; ders.: „ U m eine Grundlegung des Rechts". I n : Kaufmann, A . (Hrsg.): Die ontologische Begründung des Rechts. Darmstadt 1965, 509 ff. 42 Vgl. so Korff, W.: N o r m u n d Sittlichkeit. Untersuchungen zur L o g i k der normativen Vernunft. Mainz 1973, 76 ff. 43 ζ. B. Kant: Metaphysik der Sitten. Werke. Wiesbaden 1956, Bd. V I I I , 515 ff.; vgl. auch Meyer, H.: Systematische Philosophie. Bd. I I I . Paderborn 1960, 47 ff., insbes. 49.

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T e i l I I I : Formelle Bedingungen der Akzeptierbarkeit

daß auch eine „rein" formale Ethik letztlich m i t einem inhaltlich, philosophisch-anthropologisch bestimmten B i l d verbunden werden kann, ist bereits angedeutet, daß die Wahl eines wegen ihrer prozessualen Zweckrichtung eher als formal zu bezeichnenden Standpunktes nicht unbedingt die Ablehnung einer Orientierung an materialen ethischen Zielen, i n der Hauptsache über den Weg eines Menschenbildes, nach sich ziehen muß. Insoweit erschiene die Auffassung überzeichnet, wonach die aristotelische Konzeption der praktischen Philosophie, von einer vorfindbaren, inhaltlich bestimmten ethischen Wirklichkeit auszugehen, und die Kantsche Konzeption, von den formalen Strukturen der Vernunft als Voraussetzung der ethischen Diskussion auszugehen, einander entgegengesetzte Möglichkeiten der Ethikbegründung seien 44 . Wenn daher z.B. auf die Universalisierungsmaxime rekurriert und diese auch als Reformulierung des Kategorischen Imperativs deutbar erachtet wird, so heißt dies daher keinesfalls, daß der sog. Aristotelische Ansatz hier nicht als gangbar betrachtet würde. Vielmehr müssen sich die anzubietenden Regeln auch danach rechtfertigen lassen: Ausgehend von der anthropologischen Grundbefindlichkeit der Freiheit, wäre sohin an die „Entwicklung und Begründung von normativen Gesichtspunkten heranzutreten, die eine überindividuelle, d. i. i m Prinzip allgemein verbindliche und intersubjektivierbare Bestimmung und Beurteilung der Regeln und Ziele richtigen und verantwortbaren Handelns ermöglichen" 45 . Eine solche Freiheit kann aber nicht als bloß formales Prinzip verstanden werden, wenn sie für die geforderten Zwecke ausreichen soll — ζ. B. i m Sinne der — nur formalen — Gleichwertigkeit aller Gründe. Sie muß auch die geschichtlichen Erfahrungen hinsichtlich der verschiedenen Formen und Grade der Verwirklichung von Freiheit einbeziehen lassen 46 . Beides, der Aspekt der formalen Begründung, wie die Berücksichtigung der Erfahrung, bilden zusammen das „Forum der Vernunft", das damit nicht nur „ O r t " des Denkens ist, sondern auch zu einem bestimmenden Faktor für Entscheidungen wird, die den A n spruch auf — zwar nur relative, weil auch an der Erfahrung orientierte — Richtigkeit und damit auf intersubjektive Akzeptierbarkeit erheben kann 4 7 . Freilich ist eine derartige Intersubjektivierbarkeit und Akzep44

So Fahrenbach, H.: „ E i n programmatischer Aufriß der Problemlage u n d systematischen Ansatzmöglichkeiten praktischer Philosophie". Bd. I : Geschichte, Probleme, Aufgaben. Freiburg 1972, 23. 45 Fahrenbach, H.: „ E i n programmatischer . . . , 47. 46 I m Sinne des oben zum Wertproblem Gesagten sind damit auch die meisten naturrechtlichen Positionen eingeschlossen, w e i l diese, w i e ausgeführt, i n aller Regel n u r das als vorgegeben behaupten, was sich auch vor der Instanz der menschlichen Erfahrung rechtfertigen läßt. 47 Daß ein solcher anthropozentrisch denkbarer Ansatz f ü r eine „autonome" Begründung einer E t h i k nicht unbedingt eine „theonome" Begründung aus-

2. Z u r Begründbarkeit von normativ-ethischen M a x i m e n

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t i e r b a r k e i t i m m e r n u r eine h y p o t h e t i s c h e : sie t r i t t n u r d a n n u n d n u r f ü r d e n ein, d e r „ v e r n ü n f t i g " a r g u m e n t i e r e n w i l l 4 8 . Dies l ä ß t sich auch v o n e i n e r aristotelisch o r i e n t i e r t e n P o s i t i o n aus begründen: Die „praktische V e r n u n f t " k a n n m i t Aristoteles i n drei Ges i c h t s p u n k t e z e r g l i e d e r t w e r d e n 4 9 : D i e Wahrnehmung w i e das Denken s i n d V o r a u s s e t z u n g e n f ü r d i e angestrebte A r t des W o l l e n s . A n g e s t r e b t i s t eine A r t des W o l l e n s , eine Q u a l i t ä t d e r E n t s c h e i d u n g , die sich d a d u r c h auszeichnet, daß sie sich als d u r c h E i n s i c h t g e p l a n t u n d gesteuert d a r s t e l l e n l ä ß t . W e i l G e g e n s t a n d des so p l a n e n d e n W o l l e n s i m m e r n u r Z u k ü n f t i g e s u n d Mögliches i s t — n i e d i e V e r g a n g e n h e i t sein k a n n , i s t d i e p r a k t i s c h e V e r n u n f t eine V e r n u n f t , d i e sich a n z w e c k h a f t e n G e s t a l t u n g s v o r s t e l l u n g e n o r i e n t i e r t . Diese z w e c k h a f t e n V o r s t e l l u n g e n k ö n n e n insoferne z u e i n a n d e r i n eine j e w e i l s gegenseitig n i c h t ausschließende Z u o r d n u n g gebracht w e r d e n , als d i e „ g o l d e n e M i t t e " anges t r e b t w i r d 5 0 . D i e p r a k t i s c h e V e r n u n f t s o l l d a z u f ü h r e n , daß eine rechte M i t t e zwischen d e n j e w e i l s m ö g l i c h e n E x t r e m e n g e f u n d e n w i r d . T h o mas v . A q u i n s t e l l t diesbezüglich e i n e n w e i t e r e n A s p e k t m i t d e r „ K l u g h e i t " z u r V e r f ü g u n g 5 1 , d i e als F ä h i g k e i t angesehen w e r d e n k a n n , d i e M i t t e l z u r E r r e i c h u n g v o n Z i e l e n j e w e i l s so z u w ä h l e n , daß sie auch i n schließt, weist nach: Böckle, F.: „Theonomie u n d Autonomie der V e r n u n f t " . I n : Oelmüller, W. (Hrsg.): Z u m Problem der Normenfindung i n der pluralen Gesellschaft. Düsseldorf 1972, 63 ff. I n einem antagonistischen Verhältnis jedoch die Darstellung bei: Hengstenberg, H.-E.: Autonomismus u n d Transzendentalphilosophie. Stuttgart 1950. 48 Als Argumentationsapriori stellt dies dar: Apel, K.-O.: „Die K o m m u n i kationsgemeinschaft als transzendentale Voraussetzung der Sozialwissenschaften". I n : Dialog u n d Methode. Neue Hefte f ü r Philosophie. H. 2/3, Göttingen 1972, 1 ff. 49 Aristoteles: Die Nikomachische Ethik. V I 1139 a; insbes. 1 8 - 3 5 (Übersetzung von Gigon, O., 2. Aufl., Zürich - Stuttgart 1967) ; zu den drei Gesichtspunkten auch Aristoteles: „ V o n der Seele": ζ. Β. I I , 413 a 20 - b 13; 413 b 22 ff., 414 b 1 ff. 50 Aristoteles: Die Nikomachische Ethik, I I , 6: „Die Tugend ist also ein Verhalten der Entscheidung, begründet i n der M i t t e i m Bezug auf uns, einer Mitte, die durch Vernunft bestimmt w i r d u n d danach, w i e sie der Verständige bestimmen würde. Die M i t t e liegt aber zwischen zwei Schlechtigkeiten, dem Übermaß u n d dem Mangel. Während die Schlechtigkeiten i n den Leidenschaften u n d Handhingen hinter dem Gesollten zurückbleiben oder über es hinausgehen, besteht die Tugend darin, die M i t t e zu finden u n d zu wählen. D a r u m ist die Tugend hinsichtlich ihres Wesens und der Bestimmung ihres Was-Seins eine Mitte, nach der Vorzüglichkeit u n d Vollkommenheit aber das Höchste." Dazu auch Schilling, H.: „Das Ethos der Mesotes". Heidelberger Abhandlungen zur Philosophie u n d ihrer Geschichte. X X I I , 1930. 51 Thomas v. Aquin, S. Th. : I I - I I , 47, 6, 1 : „ D a die K l u g h e i t i n der V e r n u n f t ist, die sittliche Tugend aber i n der Strebekraft, scheint es, daß die Klugheit sich zur sittlichen Tugend so verhält, wie die Vernunft zur Strebekraft. N u n aber gibt die Vernunft dem Strebevermögen sein Ziel vor. Also gibt die K l u g h e i t den sittlichen Tugenden i h r Z i e l v o r " ; I I - I I , 49, 6 , 1 - 3 (Ausgabe der Albertus-Magnus-Akademie. Heidelberg u.a. 1966): „1. Nichts ist T e i l seiner selbst. Der Weitblick aber scheint dasselbe zu sein w i e die

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T e i l I I I : Formelle Bedingungen der Akzeptierbarkeit

einem ganzen System von Zwecken nicht mehr zu Widersprüchen führen. Damit ist nun ein Anschluß an die beim Wahrheitsproblem — insbesondere bei dessen kohärenztheoretischem Aspekt — gemachten Ausführungen hergestellt. Die praktische Vernunft hat es gerade i m rechtlichen Denken zumeist nicht m i t „letzten Dingen" zu tun; i h r ist i n diesem Bereich eher die Bewältigung historisch-kontingenter Situationen zur Aufgabe gestellt. Die „Klugheit" muß daher jedenfalls auch i n der Dimension denkbar und anwendbar sein, die als Voraussehen und Abwägen der Folgen des Handelns erscheint, was z.B. als „Folgendiskussion" i m Rechtsdenken auftritt 5 2 . Ein Ansatz, der gerade für das Rechtsdenken bei M. Weber eine Rechtfertigung erfährt, der jedenfalls für diesen Bereich die Verantwortungsethik betont, wonach eine Entscheidung de lege ferenda — wozu i n dem dort gemeinten Sinn grundsätzlich auch die i m Rahmen einer Interpretation zu treffenden Entscheidungen zu zählen sind — auch die sozialen Folgen i n die Erwägungen miteinbeziehen muß 5 3 . Diesen Aspekt scheint Kriele ganz besonders zu betonen 54 : „Vernunft unterscheidet sich von Theoretischer Intelligenz. Verführerische Rhetorik kann sehr intelligent sein ... Zur Vernunft gehört die Fähigkeit, ein Amt zu bekleiden. Zur Verantwortungsfähigkeit aber gehört erstens die Fähigkeit zu planender Voraussicht, zum Abschätzen der realen Konsequenzen, zweitens aber, da mit einem Amt die Vertretung der Interessen anderer Menschen verbunden ist, die Fähigkeit, sich die Interessen der einem anvertrauten Menschen zu eigen zu machen, sie so zu berücksichtigen, als wenn es die eigenen wären. Zur Fähigkeit der Verantwortung gehört drittens der Ernst der Situation, der aus der Notwendigkeit, zu handeln und zu entscheiden, entspringt und der für spielerische Spekulation keinen Raum läßt. Das bedeutet nicht, daß vernünftig nur sein kann, wer ein Amt hat, und daß nicht auch unabhängige Intellektuelle vernünftig denken könnten. Es bedeutet aber, Klugheit, denn »klug 1 heißt »gleichsam w e i t sehend* (Isidor), u n d von daher ist auch der Name »Weitblick' genommen (Boethius). Also ist der Weitblick kein T e i l der Klugheit. 2. Die K l u g h e i t geht n u r auf das, was zu t u n ist. Der Weitblick aber k a n n auch die Schau betreffen, w e i l das Blicken, von dem »Weitblick 4 genommen ist, mehr zu der auf die Schau gerichteten als zu der auf das T u n gerichteten Vernunft gehört. Also ist der Weitblick kein T e i l der Klugheit. 3. Der hauptsächliche A k t der Klugheit ist das Gebieten, die zugeordneten A k t e aber sind Urteilen u n d Überlegen. N u n scheint aber nichts von diesen i m eigentlichen Sinne durch den Namen »Weitblick 4 ausgesprochen zu sein; also ist der Weitblick k e i n T e i l der Klugheit." 52 Vgl. die einschlägigen Ausführungen beim Werteproblem, 94 ff. u. ö. 53 Vgl. Weber, M . : „ P o l i t i k als Beruf". I n : Winckelmann, J. (Hrsg.): M a x Weber. Gesammelte politische Schriften. 2. Aufl., Tübingen 1958, 437 ff. u n d insbes 539 f. 54 Einführung i n die Staatslehre. Reinbeck b. H a m b u r g 1975, 44 f. (Hervorhebungen i m Original).

3. Z u r Rolle prozeduraler M a x i m e n

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daß nur der vernünftig denkt, der so denkt, daß er seine Gedanken, wenn er Amtsträger wäre, in einer ernsten Entscheidungssituation aufrechterhalten und in die Tat umsetzen könnte Dieser Aspekt der Klugheit darf aber nicht i n einem bloß persuasiven Sinn, also ohne Bindung an Werthaltiges wie „ w a h r " oder „gut" gedacht werden; das damit Gemeinte läßt sich durch die Forderung der „Sachlichkeit" ausdrücken, die als Teil jedes methodischen Konzepts meint, daß die Vernunft nur dann richtig eingesetzt wird, wenn sie der Sache gegenüber ständig aufgeschlossen ist. Damit ist wiederum ein Ansatz erreicht, der an anderer Stelle als ethisch-prozedurale und sogar formalisierte methodische Forderung zur Darstellung gebracht wird. 3. Zur Rolle prozeduraler Maximen Eine Maxime spielt i n einer ethisch verpflichteten Diskussion immer wieder eine Rolle, die hier i n zwei gängigen Formen i n den Vordergrund gerückt und als Ausgangspunkt gewählt werden soll: die „Goldene Regel" der Ethik und der Kategorische Imperativ Kants. Die Goldene Regel lautet i n einer i n der Umgangssprache abgefaßten Formulierung: „Was du nicht willst, daß man dir tu', das füg* auch keinem ander'n zu 5 5 !" Der Kategorische Imperativ findet sich bei Kant i n mehreren Formulierungen 5 6 : (1) Handle so, daß die Maxime deines W i l lens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte; (2) Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde; (3) Handle so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetz werden sollte; (4) Handle so, daß die Menschheit sowohl i n deiner Person als i n der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als M i t t e l aufscheint. 55 I n ihren verschiedenen Spielarten vgl. Maihof er, W.: „Die N a t u r der Sache". I n : Kaufmann, A . (Hrsg.): Die ontologische Begründung des Rechts, 52 ff.; Phillippidis, L . J.: Die „Goldene Regel". Leipzig 1929; Dihle, Α.: Die Goldene Regel. Eine Einführung i n die Geschichte der antiken u n d f r ü h christlichen Vulgärethik. Göttingen 1962; Reiner, H.: Die „Goldene Regel". Zeitschrift f ü r philosophische Forschung. 1948 (III), Η . 1; ders.: Die P h i l o sophische Ethik. Heidelberg 1964, insbes. 186 ff.; A T : Tob. 4, 16; N T : M t . 7, 18; L k . 6, 31. Kelsen, H.: Reine Rechtslehre. 2. Aufl., Wien 1960, 367 f.; Spendel, G.: „Die Goldene Regel als Rechtsprinzip". I n : Festschrift für Fritz v. Hippel, Tübingen 1967, 491 ff.; Hoerster, N.: „R. M . Hares Fassung der Goldenen Regel". I n : Philosophisches Jahrbuch 81 (1974), 186 ff. 5β Vgl. Kant (Abdruck der Vorländer Ausgabe 1922 i m Meiner Verlag, Hamburg): Metaphysik der Sitten, 28, 29, 35; Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 20. Z u m kategorischen I m p e r a t i v als Grundgesetz einer allgemeinen Ordnung: vgl. Maihof er, W.: V o m Sinn menschlicher Ordnung. F r a n k f u r t a . M . 1956, 17 ff.; Bondi, Ο.: „ T h e M o r a l L a w Theory". I n : ARSP 1963, Beiheft Nr. 39, N F 2, findet 7 Varianten, 139 ff., 143 ff.

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T e i l I I I : Formelle Bedingungen der Akzeptierbarkeit

Diese beiden Maximen lassen sich u. a. darin als gemeinsam verstehen, daß eine Entscheidung ersichtlich nur dann zugelassen wird, wenn sie sich vor Instanzen rechtfertigen läßt, die nicht subjektiv willkürlich sind, d. h. die i n der Hauptsache außerhalb der Dispositionsbefugnis des Subjektes liegen, welches das Werturteil setzt, und allgemeine Verbindlichkeit beanspruchen 57 . Dieser gemeinsame Grundgedanke 58 kann i n Übereinstimmung m i t der gängigen ethischen Terminologie als „Universalisierungsprinzip" bezeichnet werden, das hier normativ verstanden wird. Ehe nun an die Ausfaltung dieser oder ähnlicher Prinzipien geschritten wird, ist es noch notwendig, sich m i t einem grundlegenden Einwand zu befassen, der generell gegen Prinzipien i n einer derartigen Fassung erhoben werden kann u n d w i r d : der V o r w u r f der (tautologischen) Leerformelhaftigkeit und der Vagheit 5 9 . Wenn man überhaupt bei Normen von Tautologien sprechen kann, meint der V o r w u r f des tautologischen Charakters, daß derartige Sätze schon von ihrer Form her wahr sind, mithin, daß es zu ihrer Wahrheit auf den Inhalt gar nicht ankomme. Insoweit seien sie als „Leerformeln" zu betrachten. Als Beispiel könnten die logischen Gesetze angeführt werden: die nach ihrer Form gebildeten Konklusionen folgen zwingend und wahr. Nicht jedoch ist damit sichergestellt, daß das, was m i t den Prämissen ausgedrückt ist, auch tatsächlich der Fall ist. M i t anderen Worten: Der Wahrheitsbegriff, den „logisch" wahre Sätze vor Augen haben, ist — zumindest für die Zwecke der Logik — lediglich ein syntaktischer, ein immittelbar bloß auf die Kohärenz der Sätze des Kontextes abgestellter Begriff, nicht jedoch ein Begriff, der unmittelbar die Adäquanzrelation meint, die m i t den M i t t e l n der Logik nicht ohne weiteres sichergestellt werden könnte 6 0 . Dies soll nun am Beispiel des logi57 I n unserer Stellungnahme zum Verhalten anderer dienen n u n diese Regeln nicht n u r zur besseren Werteinsicht, sondern darüber hinaus auch zur Begründung der Verbindlichkeit der Werte, w e i l w i r diese als verbindlich voraussetzen müssen, w e n n w i r sie anwenden wollen: so die Deutung der „Goldenen Regel" als „Autonomieregel" bei Reiner, H.: Die philosophische Ethik, 192. 68 Seine Verankerung ist, w i e Kant zeigt, i n der Vernunft, und w i e Lorenzen/Schwemmer zeigen, auch pragmatistisch, u n d w i e Gehlen zeigt, auch anthropologisch möglich. 59 Z u m Leerformelstreit vgl. die beiden gegensätzlichen Positionen: Messner, J.: „Sind Naturrechtsprinzipien inhaltsleere Formeln?". ÖZöR 1965, 163 ff.; Topitsch, E.: „ Ü b e r Leerformeln. Z u r Pragmatik des Sprachgebrauchs i n Philosophie u n d politischer Theorie". I n : Topitsch, E. (Hrsg.): Probleme der Wissenschaftstheorie. Wien 1960, 233 f. Vgl. z.B. bei Ellscheid: „Das Naturrechtsproblem i n der neueren Rechtsphilosophie". I n : Kaufmann, A. / Hassemer, W. (Hrsg.): E i n f ü h r u n g i n die Rechtsphilosophie u n d Rechtstheorie der Gegenwart. Heidelberg - Karlsruhe 1977 (UTB 593), 40 ff. 60 U m Mißverständnissen vorzubeugen, sei hier angemerkt, daß die Gegenüberstellung von „Adäquanztheorie" u n d „Kohärenztheorie" der Wahrheit n u r i n einem relativen Sinn gemeint ist u n d beide daher letztlich unter dem

3. Z u r Rolle prozeduraler M a x i m e n

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sehen Gesetzes vom „Modus Ponens" demonstriert werden. Er lautet formal ausgedrückt: wenn α, dann b. Jetzt a, daher b. Soferne nur i m selben Kontext für α und b jeweils immer genau dasselbe eingesetzt wird, folgt die Konklusion immer gültig, ganz egal, ob a und b tatsächlich m i t der jeweils gemeinten Wirklichkeit übereinstimmen oder nicht. z.B.: (1) Wenn Hans i n Salzburg ist, dann ist Hans i n Österreich. Hans ist i n Salzburg. Daher: Hans ist i n Österreich. (2) Wenn Hans i n M ü n chen ist, dann ist Hans i n Österreich. Hans ist i n München. Daher: Hans ist i n Österreich. Beide Schlußfolgerungen bedienen sich des tautologischen Schemas des Modus Ponens. Beide Schlußfolgerungen folgen korrekt aus ihren Prämissen; die i n ihnen verbundenen Sätze sind zunächst zueinander jeweils kohärent. Wenn die Schlußfolgerung (2) zu verwerfen ist, dann wieder zunächst nicht aus logischen, sondern jedenfalls aus semantischen oder pragmatischen Gründen 6 1 . Vermeidet man es, wie hier, die Logik zu ontologisieren, u m nicht von vornherein alle jene Positionen auszuschließen, die diese Ontologisierung nicht teilen können, so bietet sich als allseits vertretbar die Auffassung an, die Logik der Syntaktik zuzuordnen. Logisch ist dann ein Attribut, das ausschließlich jenen Verknüpfungen vorbehalten ist, die i n einer bestimmten, gewöhnlich als „zwingend" bezeichneten Form vorgenommen werden: Die logischen Formen sind Tautologien; sie sind unabhängig vom Inhalt schon allein wegen ihrer Form wahr. Bei den logischen Gesetzen w i r d kaum jemand auf die Idee kommen, sie wegen ihres tautologischen Charakters hinsichtlich ihrer Brauchbarkeit i n Zweifel zu ziehen. Man erwartet von ihnen sinnvollerweise nicht, daß sie die Wahrheit der Prämissen garantieren. Wohl aber erwartet man von ihnen sinnvollerweise — u n d das ist ihr Bedeutungsgehalt, der hier von Interesse ist —, daß die nach dieser Form verbundenen Sätze zueinander kohärent sind. Wenn es daher unternommen wird, Formeln, wie die oben erwähnte Goldene Regel oder den Kategorischen Imperativ, i n die Form einer Tautologie zu bringen, so bedeutete dies noch keinesfalls, daß damit die betreffende Formel eine Leerformel i n dem Sinne wäre, daß sie keinen Informationsgehalt hätte 6 2 . Vielmehr begleichen Z i e l gesehen werden können. Vgl. dazu Muck, O.: „Wahrheit u n d Verifikation". I n : Kohlenberger, H. (Hrsg.): Die Wahrheit des Ganzen. W i e n Freiburg - Basel 1976. 61 Letztlich k a n n aber wiederum ein logischer G r u n d f ü r die Verwerfung der Schlußfolgerung (2) gefunden werden: Wenn nämlich eine ausreichend große Z a h l von Sätzen über „Salzburg", „München", „Deutschland" u n d „Österreich", vor allem was deren jeweilige geographisch-politische Situierung betrifft, eingeführt ist, w i r d die erste Prämisse der Schlußfolgerung (2) als widersprüchlich erkannt u n d daher verworfen. M i t diesem Hinweis auf das K r i t e r i u m der „Bejahbarkeit" (Muck) oder das K r i t e r i u m der „Operationalit ä t " (Kamiah / Lorenzen) ist wiederum auf die Relativität des „Gegensatzes" von Adäquanz- u n d Kohärenztheorie der Wahrheit aufmerksam gemacht.

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T e i l I I I : Formelle Bedingungen der Akzeptierbarkeit

stünde der primäre (normative) Informationsgehalt etwa der Goldenen Regel der Ethik darin, eine von mehreren Bedingungen dafür zu sein, daß innerhalb des Systems von Sätzen, dem sie zugeordnet wird, ein kohärentes Gefüge von Sätzen, Werturteilen, erzeugt wird. Daß auch i m Bereich des Ethischen eine solche Kohärenz — sowohl innerhalb der Sätze eines Subjektes als auch zwischen den Subjekten — wünschens- und erstrebenswert ist, bedarf m. E. keiner weiteren Begründung. Tautologische Sätze brauchen i m Sinne des soeben Gesagten nicht unbedingt inhaltliche Informationen zu liefern, w e i l sie sich primär auf die Kohärenzstruktur von Sätzen beziehen; dies etwa dadurch, daß sie ein normatives Muster darstellen, nach dem Sätze miteinander verknüpft werden sollen. Es hieße daher, von diesen Regeln zu viel zu verlangen, wollte man sie als Basis für Folgerungen inhaltlicher A r t ansehen. Für die Goldene Regel z.B. bedeutete dies, daß notwendig weitere inhaltliche, beispielsweise anthropologische Informationen hinzutreten müssen, die erst sicherstellen, daß nicht das Abnorme zum inhaltlichen Maßstab erkoren wird. Betrachtet man nun Formeln wie die Goldene Regel, den Kategorischen Imperativ oder das suum cuique, das Gleichheitsprinzip oder das Gebot der Nächstenliebe, u m nur einige zu nennen, zwar nicht als Tautologien, wendet aber gegen sie ein, daß sie zu vage, zu ungenau seien, um kohärente informative Sätze nach ihnen bilden zu können, so beruht auch dieser V o r w u r f i m Sinne des soeben Gesagten wahrscheinlich auf einer Fehlerwartung: Denn auch so verstandene Formeln sind ohne — explizite oder implizite — zusätzliche sachhaltige Informationen als Basis für die Erzeugung kohärenter Sätze nicht ausreichend. Solche ihrem Schwergewicht nach formal-ethische Formeln bedeuten daher immer audi den Verweis auf materiale Bereiche. Wer also z. B. das „reine" oder das „inhaltsarme" Gleichheitsprinzip sinnvoll anwenden w i l l , muß immer auch zugleich schon eine iîihciltliche Position zu den Bereichen bezogen haben, auf die er das Gleichheitsprinzip anwenden w i l l . So w i r d dann auch der Einwand hinfällig, der z. B. gegen den Kategorischen Imperativ erhoben werden kann, daß auch der Sadist sein abnormes Wollen zum allgemeinen Gesetz erheben könnte, weil, wie schon gesagt, zusätzlich auf anthropologische Gehalte 92

Dieses Konzept stimmt m i t dem Vorgang der Umdeutung von emotiven Sätzen durch Stevenson überein (Stevenson, C. L.: Ethics and Language. New Haven 1944, 21), w o z.B. ein Satz w i e : A ist schlecht! i n einen (deskriptiv) informativen T e i l : „ I c h mißbillige A " u n d einen präskriptiven T e i l : „Tue desgleichen!" reformuliert w i r d . Darüber hinaus soll es, darauf aufbauend, als ausreichend angesehen werden, aus Formeln w i e der genannten nicht unbedingt auch einen deskriptiv-informativen T e i l zu ermitteln, sondern sich m i t einem n o r m a t i v - i n f o r m a t i v e n Gehalt zu begnügen.

3. Z u r Rolle prozeduraler M a x i m e n

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verwiesen ist 6 3 . N u n darf also festgehalten werden, daß die formal-ethischen Prinzipien von der oben erwähnten A r t zwar notwendige, aber keine ausreichenden Bedingungen für die Erstellung kohärenter Satzkontexte darstellen. Formal-ethische Prinzipien können sohin eine Grundlage für intersubjektiv rekonstruierbare Verfahren i m Wertebereich abgeben, sie reichen jedoch zur Akzeptierbarkeit nicht aus; es bedarf dazu noch jeweils materialer Erwägungen. Prozedural-ethische Maximen werden hier vornehmlich so verstanden, daß sie die Aufgabe haben, die Auswahl zwischen mehreren Möglichkeiten zu leiten. Solche Auswahlentscheidungen erhalten das Prädikat „ethisch" üblicherweise jedenfalls dann nicht, wenn sich die Entscheidung nicht auf alle anderen oder doch wesentlich ähnliche Fälle übertragen ließe. M i t dieser „Universalisierungsmaxime" 6 4 soll sichergestellt werden, daß die Werturteile ein und desselben Subjekts i n einem widerspruchsfreien Kontext stehen. Es muß aber darüber hinaus noch gewährleistet sein, daß auch die Werturteile der verschiedenen Subjekte zueinander i n einem widerspruchsfreien Kontext gedeutet werden können. Für die Sicherstellung sowohl der subjektiven als auch der intersubjektiven Kohärenz der Werturteile stellen die bekannten Formulierungen der Universalisierungsmaxime zwar notwendige, aber nicht ausreichende Bedingungen dar. Ihre bekanntesten Formulierungen 6 5 sind, wie schon erwähnt, das Liebesgebot des Neuen Testaments 66 , die Goldene Regel: „Was D u nicht willst, daß man dir tu', das füg* auch keinem ander'n zu!"; oder der Kategorische Imperativ i n seinen verschiedenen Varianten 6 7 . Die Forderung der „sittlichen Allgemeingültigk e i t " 6 8 w i r d auch i m Bereich der analytischen Philosophie und Metaethik vertreten 6 9 , so daß m i t gutem Grund davon ausgegangen werden darf, daß es sich bei diesem hier zunächst noch roh als Universalisierungsmaxime bezeichneten Verhalt u m eine i n der Wirklichkeit von 63 Daß selbst die r e i n formale E t h i k Kants solche anthropologisch f u n dierte, material-ethische Prinzipien kennt, ist dargestellt bei Meyer, H.: Systematische Philosophie, Bd. I I I , 49; so auf Schley, H.-H.: Einführung i n die Ethik. 2. Aufl., Darmstadt 1977, 74: „ H i n t e r Kants Begründung des Sittlichen i m Pflichtbegriff steht eine bestimmte Auffassung v o m Menschen.." e4 I n der ethisch-philosophischen Diskussion w i r d sie auch „Unparteilichkeitsmaxime" genannt. Vgl. z.B. Ginthers, R.: Typen ethischer A r g u m e n tation. Düsseldorf 1976, 511 ff. 66 Es w i r d hier nicht behauptet, daß sie nur diesen I n h a l t hätten, sondern daß sie alle jedenfalls auch diesen I n h a l t haben. M „Liebe Deinen Nächsten w i e Dich selbst" (Mt. 7, 12; 22, 3 7 - 4 0 ; Rom. 13, 8). 67 Vgl. dazu oben. 196. 68 Nelson, L.: Gesammelte Schriften i n neun Bänden. H a m b u r g 1970-74, Bd. V, 52. 69 Vgl. Hare, R. M . : Freedom and Reason. Oxford 1963, 10 ff.; Singer, N. G.: Verallgemeinerung i n der Ethik. F r a n k f u r t 1975, 23 ff.

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T e i l I I I : Formelle Bedingungen der Akzeptierbarkeit

ethisch verpflichteten Diskussionen universell akzeptierte normative Maxime handelt 7 0 . M i t dem oben eingeführten Verständnis der angeführten Maximen, wie z. B. der Goldenen Hegel, kann der Vorwurf, daß solche Formeln fast keinen informativen 7 1 , wohl aber einen sehr hohen emotiven Charakter haben 72 , wesentlich entschärft werden. I h r primärer Informationsgehalt liegt i n einer unersetzbaren Normativität für das Prozedurale. Aus der Tatsache allein, daß ζ. B. zwei bzw. mehrere Situationen als gleich angesehen werden, folgt nämlich noch nicht, daß diese Situationen auch m i t der gleichen Bewertung versehen werden sollen; dazu ist noch eine Norm notwendig, die gebietet, daß Gleiches oder doch wesentlich Ähnliches m i t denselben Bewertungen versehen werden soll 7 3 . Geht man auf Grund einer zusätzlichen Information von der „sachlichen" Gleichheit zweier Verhalte aus, dann kann ein Argument, das sich nicht als universalisierbar, d. h. als für alle gleichen oder doch wesentlich ähnlichen Fälle gültig darstellen läßt, auf diese Weise sofort als unhaltbar ausgeschieden werden. Auch wenn solche zusätzlichen Informationen zumeist nicht ausdrücklich formuliert sind, so kann man dennoch mit guten Gründen Formeln, wie ζ. B. die oben erwähnten, als Basis inhaltlicher Ausfaltungen verwenden, ohne daß dabei das Vorgesagte i n Frage gestellt wäre. Dies deshalb, weil dabei — stillschweigend oder ausdrücklich — auf einschlägige kulturelle Horizonte Bezug genommen wird, die einen eingrenzenden Rahmen für die Fülle der jeweils an sich als haltbar denkbaren Stellungnahmen darstellen und damit inhaltlich zumindest eine Richtung für die Entscheidung weisen. Diese Rahmen müssen aber nicht i n einem faktisch-konsensualistischen oder willkürlich-konventionalistischen Sinn, sondern können auch i n einem ethisch-normativen Sinn verstanden werden: ein solcher k u l t u reller Rahmen stellt i n dieser Sicht dann das jeweilige i n einer bestimmten Rechtskultur und über einen bestimmten Zeitraum hin (relativ) stabilisierte Ergebnis der Befolgung von Regeln für bestimmte Sachbereiche dar; von Regeln, deren Ziel es ist, daß die jeweiligen Lösungen i m Großen und Ganzen als „problemadäquat" empfunden werden. Sobald sich daher i n den Voraussetzungen Veränderungen er70 So z.B. Schley , H.-H.: Einführung i n die Ethik, 126, w o dies für einen folgerbaren Aspekt der Universalisierbarkeit, die „Gegenseitigkeit", zum Ausdruck gebracht w i r d . 71 I n f o r m a t i v ist hier nicht deckungsgleich m i t deskriptiv verstanden. 72 Vgl. ζ. B. Ellscheid, G.: „Das Naturrechtsproblem...", 41. 73 Vgl. dazu: Podlech , Α.: Gehalt u n d Funktionen des allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes. B e r l i n 1971; v o r allem: § 10 („Die semantische Gehaltlosigkeit des allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes", 77 ff.) u n d § 11 („Der pragmatische Gehalt des allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes u n d die i h m entnehmbare Argumentationslastregel", 85 ff.).

4. Ethisch-prozedurale K r i t e r i e n externer A r t

143

geben, etwa durch neue Sachgesichtspunkte, neue Interdependenzen, neue soziale Folgen — liegt ein guter Grund vor, diese Rahmen zu hinterfragen und zu modifizieren. A u f diesem Boden eines Verständnisses des jeweiligen kulturellen Horizonts als je maximalem, aber doch vorläufigem Ausdruck der Berücksichtigung normativer Forderungen erscheint es daher grundsätzlich möglich, der Gefahr eines antithetischen Verhältnisses von Erkennen und Anerkennen entgehen zu können. Die Ermittlung solcher Rahmen zählt seit je zu den selbstverständlichen Grundfragen juristischer Methodologie, die aber von den verschiedenen wissenschaftlichen Grundpositionen aus verschieden angegangen wurde. Diese müssen sich gegenseitig nicht unbedingt ausschließen, wenn man nur i h r gemeinsames Ziel, die „Intention" aller diesbezüglichen Begriffe, ins Auge faßt: der Entscheidung i n den jeweils einer Regelung unterworfenen Sachbereichen eine Richtung zu weisen; so z.B. im Sinne des von der Hermeneutik gemeinten spiralenförmigen Prozesses, der beim Vorverständnis ansetzt, oder andererseits die Ermittlung der „Verwendungsregeln" eines Begriffes i m Sinne der analytischen Philosophie, wie sie beispielsweise der Sprachspiellehre des — älteren — Wittgenstein entnommen w i r d 7 4 und letztlich ist ζ. B. auch die Interpretationsfigur der sog. „Versteinerungstheorie" i m österreichischen Verfassungsrecht nichts anderes als ein solcher Versuch der objektiven Ermittlung durch Bezugnahme auf einen bestimmten kulturellen Rahmen. 4. Ethisch-prozedurale Kriterien externer Art Das, was zumeist bei der wertbestimmten Diskussion erreicht werden soll, sind Ergebnisse, die bestimmten ethischen Forderungen entsprechen. So soll ζ. B. n u r ein Ergebnis zugelassen werden, das „einsichtsvoller Zustimmung" zugänglich ist 7 5 . Eine solche Forderung leidet unter dem Nachteil, daß sie als Ausdruck für etwas gilt, das offensichtlich dem Bereich des unmittelbaren Erkennens zuzuordnen ist und das daher einer intersubjektiven Rekonstruierbarkeit zunächst wohl kaum zugänglich ist. Es erscheint sohin vom Standpunkt möglichst weitgehender intersubjektiver Rekonstruierbarkeit aus als angemessener, wenn an die Stelle der Angabe der Zielforderung „einsichtsvolle Zustimmung" Forderungen treten, die sich als Versuch der Formulierung notwendiger Bedingungen des Procedere zu diesem Ergebnis hin ver* treten lassen 76 . Solche prozeduralen Forderungen wurden für ethische Diskussionen mehrfach formuliert. 74 Z u letzterem vgl. Kutschera, F. v.: Sprachphüosophie, sowie die W i t t genstein-Nachweise i n A n m . 12 zu T e i l I : 31. 75 Vgl. Tammelo, I. : Modern Logic i n the Service of L a w . Wien - New Y o r k 1978, w o dies als das Ziel der E u d u k t i o n angegeben w i r d .

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T e i l I I I : Formelle Bedingungen der Akzeptierbarkeit

I n einem umfassenden Sinn und ohne Blickrichtung auf eine spezielle Disziplin hat dies ζ. B. zusammen m i t einer umfassenden philosophischanthropologischen Begründung Wilhelm Weischedel getan 7 7 , dessen einschlägige Systematik hier kurz zur Darstellung gebracht werden soll: Den „Grundentschlüssen" 78 entspringen „ethische Grundhaltungen", nämlich die der „Offenheit" 7 9 , der „Abschiedlichkeit" 8 0 und der „Verantwortlichkeit" 8 1 . Die erste Grundhaltung äußert sich i n den ethischen „Haltungen" — die offensichtlich als Forderungen an die Diskutanten zu verstehen sind — der „Wahrhaftigkeit" 8 2 , der „Sachlichkeit" 8 3 , des „Geltenlassens und (der) Toleranz" 8 4 , sowie des „ M i t leids" 8 5 . Die zweite Grundhaltung führt zu den Forderungen der „Entsagung, Selbstbescheidung, Demut und Selbstaufgabe" 8®, der „Selbstbeherrschung und Besonnenheit" 87 , von „Tapferkeit und Freimut" 8 8 , der „Großmut und Güte" 8 9 und der „Gelassenheit und Geduld" 9 0 . Die dritte Grundhaltung soll garantiert werden durch die Forderungen der „Solidarität" 9 1 , der „Gerechtigkeit" 9 2 und der „Treue" 9 3 . Wenn man die intersubjekti ve Akzeptierbarkeit zu einer wichtigen Forderung erhebt, der ethische Diskussionen genügen sollen, dann bietet sich, wie jetzt schon mehrfach deutlich gemacht wurde, der Weg an, Ausdrücke, die entweder auf unmittelbare Erkenntnis verweisen oder auf Prozesse, die extern intersubjektiv, wenn überhaupt, so nur teilweise rekonstruierbar sind, soweit als möglich durch Ausdrücke zu substituieren, die intersubjekti ν rekonstruierbar und akzeptierbar sind. Demnach müssen die Normen einer so rekonstruierbaren ethischen 76 Eine Ausarbeitung dieser prozeduralen Forderungen f ü r Entscheidungen, die als Ergebnis das A t t r i b u t „gerecht" anstreben, bietet Tammelo, I.: Theorie der Gerechtigkeit; auch Perelman, Ch.: Über die Gerechtigkeit. 77 Weischedel, W.: Skeptische Ethik. F r a n k f u r t 1970. 78 179 ff. 79 190 ff. 80 194 ff. 81 197 ff. 82 202 ff. 83 204 ff. 84 206 f. 85 207 ff. 86 209 ff. 87 211 ff. 88 211 ff. 89 213 f. 90 214 f. 91 216 f.

92 217 f. 93

218 ff.

4. Ethisch-prozedurale K r i t e r i e n externer A r t

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Diskussion nicht nur prozedural sein 94 , sondern sollen darüber hinaus soweit als möglich noch so verfaßt werden, daß sie extern intersubjekt i v prüfbar werden 9 5 . Daß dies auch i n der juristischen Praxis zum A l l tag gehört, zeigt sich z.B. hinsichtlich des Einsatzes des Ausdruckes „Gerechtigkeit", der zunächst substituiert w i r d durch prozedurale K r i terien, wie die Ausschaltung der eigenen Interessen 9e. Dieses prozedurale K r i t e r i u m w i r d externiert i n der — nicht nur als ethisch begründbaren sondern auch mindestens als Bestandteil der Rechtskultur verstandenen — Forderung „nemo iudex i n causa sua"; eine Forderung, die sich extern prozedural überprüfen läßt und sich i n dieser Form als Bestandteil der Verfahrensrechte ermitteln läßt. A u f diese Weise darf ein besonders hohes Maß an intersubjektiver Rekonstruierbarkeit erwartet werden, weil man ohne noch inhaltliche Annahmen tätigen bzw. nachvollziehen zu müssen, feststellen kann, ob eine notwendige Bedingung für ein Ergebnis eingehalten wurde, das als ethisch bezeichnet werden w i l l . I n den Fällen, i n denen dieser Schritt zur „Formalisierung" ethischer Verfahrenskriterien getan wurde, kann gezeigt werden, daß Argumente, die sich nicht so darstellen lassen, bereits zu Beginn der Diskussion ohne weiteres Eingehen auf ihren Inhalt zurückgewiesen werden können. Wenn sich ζ. B. ein Argument nicht auf alle gleichen oder wesentlich ähnlichen Fälle anwenden läßt — i m Sinne der späteren Ausführungen nicht transitiv ist —, so kann es sofort ausgeschieden werden 9 7 . Dieser hier skizzierte Weg, die ethische Diskussion möglichst weit der intersubjektiven Akzeptierbarkeit zu öffnen, kann auch von der Position einer materialen Wertlehre aus beschritten werden: er bedeutet hier, daß die einschlägigen Ausdrücke wie ζ. B. „Gerechtigkeit", „Solidarität", i n prozedurale Kriterien übersetzt werden müssen; genauer: daß versucht wird, jene prozeduralen Kriterien anzugeben, deren Einhaltung die Erreichung des erstrebten werthaften Zustandes (ζ. B. „Gerechtigkeit") ermöglicht. I n der Folge wäre sodann, soweit wie möglich, zu versuchen, diese prozeduralen Kriterien i n extern überprüfbare zu übersetzen. A u f einer solchen Ebene kann eine ethische Diskussion auch m i t jenen Positionen geführt werden, die die Sinnhaftigkeit ethischer Diskussionen auf einer anderen als der letztgenannten Ebene i n Frage stellen 98 . Bewegt man sich auf diesem „gemeinsamen Nenner", so w i r d 94

Wie sie es bei Weischedel sind. Daß alle prozeduralen Normen der ethischen Diskussion letztlich so darstellbar sind, w i r d hier nicht behauptet. 96 Vgl. Tammelo , I.: Theorie der Gerechtigkeit, 91 f.; Perelman, Ch.: Über die Gerechtigkeit. 97 Dies innerhalb der Maßgabe, daß das Recht selbst die S t r u k t u r der Gleichheit v o n Verhalten maßgeblich beeinflussen kann. 98 So Wittgenstein, L . : Tractatus, § 6, 42. 95

10 Schreiner

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Teil

: Formelle Bedingungen der Akzeptierbarkeit

man feststellen können, daß die jeweils ermittelten prozedural-externen Kriterien einander decken und die Ergebnisse einer so verfahrenden ethischen Diskussion die Chance intersubjektiver, über die Grenzen der die Grundpositionen Anerkennenden hinaus reichender Akzeptierbarkeit haben. Dies zeigen deutlich die Forderungen, die Hare erstellt h a t " ; die Forderungen, die von dieser Seite für eine ethische Diskussion erhoben werden, seien über einen Autor kurz wiedergegeben, der sich i n der Tradition Hares versteht, aber auch den Anspruch erhebt, daß die von i h m weiter entwickelten Forderungen auch für die ethisch verstandene juristische Argumentation gelten sollen. Thomas D. P e r r y 1 0 0 bezieht sich auf die Ausführungen von R. M. Hare 1 0 1 , über den er allerdings hinausgehen w i l l 1 0 2 . Als solche Erfordernisse („requirements" — R) gibt Perry an: Rl:

„to judge the case as carefully as we can" 1 0 3 . Das Erfordernis „judging disinterestedly i n normal state of mind" w i r d i n zwei Erfordernisse aufgegliedert:

R 2 : ein unparteiisches Urteil, das ist „a judgement which does not ,respect persons 1 : that is, the author of the judgement concerning the subject of evaluation no matter what person or persons i t might involve, relevant facts remaining unchanged" 104 . R 3 : Die zweite Aufgliederung w i r d chen: „The author believes that anyone on any occasion to make other subjects similar to i t i n all

als Universalisierung angesproi t is the proper judgement for concerning the same subject, or relevants respects 105 ."

R 4 : Ein weiteres, jedenfalls schon der Rechtskultur zugehöriges u n d für das richterliche Verfahren maßgebliches Erfordernis ist m i t dem Satz „nemo iudex i n causa sua" angesprochen, der hier lautet: „a judge is supposed to disqualify himself from sitting i n a case where his personal interests are involved" 1 0 8 . 99 Hare , R.-M.: On Freedom and Reason, Oxford 1963, deutsch: Freiheit u n d Vernunft. Düsseldorf 1973; dazu etwa Ginthers, R.: Typen ethischer A r g u mentation. Düsseldorf 1976, insbes. 51 ff.; allgemein k a n n zur normativen E t h i k i n dem hier gemeinten Sinn neben den gesondert erwähnten Werken noch verwiesen werden auf: Frankena, W.: Analytische Ethik. München 1972; Hart, H. L. Α.: Recht u n d Moral. Göttingen 1971; Hoerster, N.: Utilitaristische E t h i k u n d Verallgemeinerung. Freiburg - München 1971. 100 M o r a l Reasoning and T r u t h , Oxford 1976. 101 Freedom and Reason. 102 perry, Th. D.: 47; ob i h m dies auch gelungen ist, bezweifelt: Bjarup, J.: Justification of M o r a l Judgements. Bislang meines Wissens unveröffentlichtes Manuskript aus 1977, i n das ich freundlicherweise Einblick erhielt. los perry, 42. 104 perry, 43. los perry, 43. ιοβ perry, 85.

4. Ethisch-prozedurale K r i t e r i e n externer A r t

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R 5 : Als weiteres Erfordernis für die richterliche Entscheidung w i r d eingeführt: „that he (the judge, d. Verf.) be sincerely rational, that he is not free to reach any result he pleases as long as he can give plausible reasons; he must give judgement which he honestly thinks is best, and the reasons which he honestly thinks are strongest" 1 0 7 . R 6 : Bjarup formuliert noch ausdrücklich dazu das Erfordernis „not to be prejudiced" 1 0 8 . „ . . . i t is v i t a l for the author of a decision not to be influenced by prejudice, that is the making of a decision i n advance" 1 0 9 . Oben wurde als primärer Informationsgehalt der Universalisierungsmaxime die normative Gewährleistung eines widerspruchsfreien Satzkontextes angegeben. Für die Zweckmäßigkeit und Sinnhaftigkeit einer solchen Deutung des Universalisierungsprinzips spricht vorweg der Umstand, daß es dann, wenn es nicht vorausgesetzt wird, zu folgenschweren Störungen i n den jeweils erstellten Satzkontexten kommen kann: würde man die Universalisierungsmaxime innerhalb bestimmter Grenzen, die durch den „Zusammenhang" bestimmt werden, nicht zur Anwendung kommen lassen, so wäre es prinzipiell statthaft, gleichgelagerte bzw. wesentlich ähnliche Fälle m i t verschiedenen methodischen Instrumenten anzugehen, die sogar zu kontradiktorischen Ergebnissen führen können, was z.B. durch die wechselweise Anwendung des argumentum e silentio und des argumentum e contrario oder des Analogieschlusses und der extensiven Interpretation bewirkt werden könnte. Wenn die praktisch verfahrende Jurisprudenz derartiges als methodisch unzulässig erachtet, so kann dies als Hinweis darauf angesehen werden, daß die Universalisierungsmaxime auch i n diesem Bereich praktischer Diskussion offenbar als gültig und verbindlich vorausgesetzt wird. Vom logischen Standpunkt aus betrachtet hieße die Nichtbeachtung der Universalisierungsmaxime, daß der Satz „ex falso quodlibet sequit u r " zur Anwendung kommen könnte, womit alles Beliebige begründbar wäre. Die Voraussetzung der Wirksamkeit dieses Satzes, nämlich widersprüchliche Prämissen, w i r d durch die Universalisierungsmaxime, wie sie hier eingeführt wurde, unterbunden. Damit ist auch bereits sichergestellt, daß nicht jedes beliebige Ergebnis i m gleichen oder doch ähnlichen Kontext begründbar ist 1 1 0 . Diese Universalisierungsmaxime io? perry, 85. we Bjarup, 21. 109 Bjarup, 21. 110 Vgl. zur jurstisch-methodischen Bedeutung des Satzes: „ E x falso quodlibet sequitur": Tammelo, I.: „ N o n solum sub lege". I n : Kaufmann, A . (Hrsg.): Rechtstheorie. Ansätze zu einem kritischen Rechtsverständnis. Karlsruhe 1971, 49 f. 10*

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Teil I I I :

ormelle Bedingungen der Akzeptierbarkeit

kann i n ihrem hier als wesentlich erachteten Inhalt als extern-prozedurale Norm, als Forderung der Transitivität dargestellt werden: als gleich oder doch wesentlich ähnlich festgestellte Inhalte sind transitiv zu bewerten; m i t anderen Worten: sie sind gleich oder doch wesentlich ähnlich zu entscheiden 111 . Damit ist nun eine Bedingung für die Widerspruchsfreiheit von Sätzen gegeben, die aus der Relation eines einzelnen Subjektes zu allen möglichen Verhalten entstehen können. U m nun auch die Widerspruchsfreiheit der Kontexte der verschiedenen Subjekte untereinander zu ermöglichen, muß die Transitivität auch für die Subjekte gefordert werden. Die Entscheidungen, die von einem Subjekt getroffen werden, müssen so verfaßt sein, daß sie auch von anderen Subjekten so getroffen werden können 1 1 2 . Gerade der letztgenannte Aspekt macht deutlich, daß es noch einer weiteren ethischen Maxime bedarf, die sich an die die Entscheidung Bildenden richtet und deren Befolgung gewährleisten soll, daß die so gebildeten Entscheidungen auch den Anspruch intersubjektiver Akzeptierbarkeit erheben können 1 1 3 : Diese Forderung, die sich an den Entscheidenden richtet und deren Geltung i m Diskussionsuniversum für Wertungen vorausgesetzt werden darf, ist i n extern-prozeduraler Form die Reflexivität: Sowohl, was die Verhalte anlangt als auch, was das entscheidende Subjekt anlangt. Entscheidungen müssen so gefaßt sein, daß sie der Setzer auch für sich bzw. gegen sich gelten läßt, m i t anderen Worten: Entscheidungen sind so zu verfassen, daß sie für jedermann i n einer solchen Situation Gültigkeit beanspruchen können. Dies bedeutet, daß der Einfluß von Gesichtspunkten, die ausschließlich subj e k t i v sind, auszuschalten ist; eine Forderung, die etwa unter dem „ I n varianzprinzip" bekannt ist, wonach die Personen austauschbar sein müssen. Auch der Satz „nemo iudex i n causa sua" gehört hierher, soweit sein Sinn i n der Ausschaltung vorwiegend subjektiv begründeter Gesichtspunkte liegt. I n eben diese Richtung weist die Forderung Tammelos nach „Gelassenheit" 1 1 4 oder eine reformulierte Goldene Regel des Inhalts „Das für sich selbst Unerwünschte soll anderen nicht zugefügt werden" 1 1 5 . 111 So bindet auch Leibniz die Vernunftgemäßheit an Regelmäßigkeit. F ü n f tes Schreiben an Clarke. I n : Hauptschriften zur Grundlegung der Philosophie. Bd. 1, 1903, 165 ff., 212. 112 Tammelo , I.: Theorie der Gerechtigkeit, 86, drückt diese beiden Aspekte des Universalisierungsprinzips durch eine Reformulierung des Kategorischen Imperativs so aus: „Eine Entscheidung soll nach einem solchen Leitsatz getroffen werden, der i n allen wesentlich ähnlichen Fällen geeignet ist, angewendet zu werden." 118 Eine Darlegung solcher ethischer M a x i m e n bieten: Tammelo , I.: Theorie der Gerechtigkeit, 87 ff., v o r allem was Entscheidungen betrifft, die das Prädikat „gerecht" verdienen wollen. 114 Vgl. Tammelo , I.: Theorie der Gerechtigkeit, 104. 115 Tammelo , I. : Theorie der Gerechtigkeit, 86.

4. Ethisch-prozedurale K r i t e r i e n externer A r t

149

Eine m i t Anspruch auf intersubjektive Akzeptierbarkeit auftretende Entscheidung, die sich grundsätzlich abhebt von der reinen Persuasion und die für den Bereich der Wertungen keinen dichotomischen Gegensatz von Erkennen u n d Anerkennen akzeptiert, muß jeweils davon ausgehen, daß alle greifbaren Aspekte i n die Erörterung einbezogen werden. Diese Forderung kann i n einer extern-prozeduralen Form als operative Bejahbarkeit 1 1 6 dargestellt werden. Diese Forderungen sind schon i n dem juristisch-verfahrensmäßigen Satz „audiatur et altera pars" gemeint oder m i t dem normativ gemeinten Satz, daß jeder F a l l so sorgfältig wie nur möglich 1 1 7 anzugehen oder daß jeder Beweis zuzulassen ist, der zur Feststellung der erheblichen Sachlage unerläßlich ist 1 1 8 . Diese Forderung drückt sich auch darin aus, daß gefordert wird, jeweils die besten, tragfähigsten Gründe einzusetzen 119 , oder w i r d ganz allgemein damit umschrieben, daß die Entscheidungsgrundlage stets auf dem Boden des jeweils am meisten Wißbaren zu suchen ist 1 2 0 . Diese ethischen Postulate, die auch als Bestandteile einer entwickelten Rechtskultur angesehen werden können, lassen sich am paradigmatischen B i l d des Richters und des richterlichen Verfahrens, abgehoben vom Gesetzgeber und dem politischen Prozeß, darstellen, wie das bei Ch. Perelman geschieht 121 .

116

Die nähere Darstellung dieser Forderung findet sich bei den Ausführungen zum Wahrheitsproblem. 109 ff. 117 Vgl. Perry, 42. ne v g l . Taramelo, I.: Theorie der Gerechtigkeit, 95. 119

Vgl. Tammelo , I.: Theorie der Gerechtigkeit, 104; Perry , 86. Letzteres k a n n auch als einer der Bestimmungsgründe für den von der Hermeneutik bemühten — je vorläufigen — Konsens der „ v e r n ü n f t i g u n d gerecht Denkenden" betrachtet werden. I n diese Richtung auch Horak, F.: Rationes decidendi, I . 121 Über die Gerechtigkeit, insbes. 149 ff. 120

Teil

IV

Modalitäten des Rechtsdenkens 1. Einschränkungen von Rationalität oder Modalitäten des Rechtsdenkens Die Forderungen nach Transitivität und Reflexivität von Argumenten scheinen i m Bereich juristischer Argumente wichtigen Einschränkungen zu unterliegen, so etwa durch die besondere Rolle, die Präjudizien 1 sowohl de lege ferenda als auch de lege lata spielen. Eine derartige Auffassung legt sich aber nur dann nahe, wenn die Rolle der Präjudizien und die Struktur der Argumente, die diese einbeziehen, i n eine Spielart des argumentum ad auctoritatem führt, wie es oben jedoch durch ethische Forderungen ausgeschlossen wurde. Das Erfordernis der Rechtssicherheit, das sich jedenfalls als Bestandteil der Rechtsk u l t u r erweist, läßt i m Rahmen einer Wahl zwischen den an sich möglichen Entscheidungsalternativen jene als rechtsrichtig bevorzugen, die sich auf Präjudizien berufen können. Dieses Erfordernis der Rechtssicherheit muß nicht unbedingt zu einer un- oder doch nur schwach gerechtfertigten Abweisung von Argumenten und damit zu einer Verkürzung von Rationalität führen: oben wurde es als Erfordernis einer Diskussion, die sich ethisch verantwortbar wissen w i l l , angesehen, daß sie unter dem Postulat eines horizontal wie vertikal widerspruchsfreien Satzkontextes abzulaufen hat. Das Bemühen u m Widerspruchsfreiheit darf jedoch, wenn es nicht zur Einschränkung von Rationalität führen soll, nicht zum Inhalt haben, daß — allgemein gesagt — Argumente schon deshalb abgewiesen werden, weil sie den Satzkontext stören. So kann es vorkommen, daß bei der Bildung der das Präjudiz darstellenden Sätze Argumente vergessen oder übergangen wurden oder daß seither neue Argumente zugewachsen sind. Diese Veränderungsmöglichkeiten scheiden aber dann als Einschränkungen von Rationalität aus, wenn den oben erstellten Forderungen der Berücksichtigung des je am meisten Wißbaren und der Aus1 Der hier verwendete Begriff des Präjudiz ist ein weiterer als der sonst übliche: er umfaßt neben dem wesentlichen I n h a l t bestimmter höher- oder höchstrichterlicher Erkenntnisse ganz allgemein den wesentlichen I n h a l t aller rechtlichen Entscheidungen, die Bestandteil eines einheitlichen Kontextes sind.

1. Einschränkungen von Rationalität

151

Schaltung aller Gesichtspunkte rein persönlicher A r t Rechnung getragen wird 2 . Stellte es sich heraus, daß dieser Horizont des am meisten Wißbaren außer acht gelassen wurde, wäre es anläßlich einer neuen Entscheidung nötig, die Kontinuität zur alten zu unterbrechen, d.h. letzterer keine präjudizielle Wirkung zuzuerkennen und sie damit aus dem Kontext jener Sätze auszuscheiden, innerhalb derer Widerspruchsfreiheit angestrebt wird. Eine weitere Möglichkeit, die zu einer Veränderung gegenüber einem Präjudiz führen kann, liegt i n der Veränderung der Problemsicht 211 : Bei gleichbleibender Rechtsordnung ändern sich die Bezüge, i n denen der zum Tatbestand zu formende Sachverhalt gesehen w i r d und denen gegenüber ein Regelungsbedürfnis besteht. Demgegenüber besteht eine idealtypische Möglichkeit, die Problemsicht vollständig durch außerrechtsnormative Faktoren konstituieren zu lassen, der dann die juristische Problemkonstitution folgt. Eine zweite grundsätzliche Lösungsmöglichkeit besteht darin, die Problemsicht als rechtsnormativ vollständig determiniert zu erachten: die Struktur des Problems ist damit rechtlich vorgegeben, die Lebenssachverhalte müssen dann soweit „aufbereitet" werden, daß sie i n die Problemstruktur passen, worauf erst dann die rechtliche A n t w o r t gegeben wird. Für beide geschilderten Möglichkeiten 3 gilt, daß sie Modelle für Problemveränderung i m Rechtsdenken bieten, die nicht zu Widersprüchen zwischen einer Vorentscheidung und einer neuen Entscheidung führen müssen. I m ersten Fall ist die außer juristische Problembestimmung für die Frage, wie die juristische Problembestimmung zu fassen ist, ausschließlich konstitutiv. Das Recht hat dann etwa die Aufgabe, die vom „Leben" gestellten und bestimmten Probleme zu lösen. Durch Interpretation sind die Rechtsnormen so aufzubereiten, daß sie diese Lösung ermöglichen. Ist jedoch eine Aufbereitung des Rechtsmaterials nicht soweit möglich, daß eine problemadäquate Lösung gestattet ist 4 , weil ζ. B. bestimmte Interpreta2

Vgl. das letzte K a p i t e l des Teiles I I I , insbes. 147 ff. Z u dem damit angesprochenen Problem von Recht u n d Zeit vgl.: Scheyhing: „Recht u n d Fortschrittsvorstellungen" u n d Dürig, „Zeit u n d Rechtsgleichheit" i n : Gernhub er (Hrsg.): T r a d i t i o n u n d Fortschritt i m Recht. FS zum 500jährigen Bestehen der Tübinger Juristenfakultät. Tübingen 1977, 1 ff., 21 ff. 3 Dieser Problemkreis hat für das Zivilrecht auf der Basis des Wilburgsehen „beweglichen Systems" dargestellt: Schilcher, B.: „Der rechtspolitische ,Reduktionismus 4 u n d das Wilburgsche System". I n : Fenyves A . u.a. (Hrsg.): Wertung u n d Interessenausgleich i m Recht. Graz 1975, 181 ff.; f ü r eine u m fassende Analyse sei verwiesen auf: Canaris , C.-W.: Systemdenken u n d Systembegriff i n der Jurisprudenz. B e r l i n 1969. 4 Hier besteht insoweit ein Zusammenhang zum Lückenproblem, als die Feststellung einer Lücke auf das Vorhandensein eines „Regelungsbedürfnisses" abstellt; w e n n ein solches, offenbar auch von der Problemsicht abhängiges Bedürfnis nicht vorhanden ist, entsteht auch keine Lücke. 2a

152

T e i l I V : Modalitäten des Rechtsdenkens

tionsinstrumente verboten sind, wie z.B. die „Rechtsanalogie" zur Lückenfüllung, oder weil bestimmte rechtsdogmatische Vorstellungen, wie z.B. hinsichtlich der Stellung des Richters gegenüber der Rechtsbildung, es nicht erlauben, so legt sich die Annahme einer „echten" Lücke auch hier nahe, deren Schließung dem Gesetzgeber vorbehalten ist. Die Auffassung, die Problemsicht vollständig außer juristisch zu determinieren, hat zur Folge, daß sich m i t der Veränderung der Problemsicht auch der Kreis der präjudiziellen Rechtsnormen verändert. Als ein Beispiel hiefür darf die Grundrechtsauffassung von Dürig erwähnt werden, der hinsichtlich des Anwendungsbereiches und der Wirkungsrichtung bestimmter Grundrechte die A n t w o r t aus der jeweiligen Gefährdungslage findet 5 . Die zweite idealtypische Möglichkeit besteht darin, daß eine Veränderung der Problemsicht i n der sozialen W i r k lichkeit keinen Einfluß auf die rechtliche Problemsicht und -beurteilung hat. Die dieser Möglichkeit wahrscheinlich angemessenste Sicht von Normen dürfte jene Interpretation sein, die die seinerzeitige Problemsicht als Teil der Norm festschreibt und derzufolge das auftretende Problem nur i n jener Form Berücksichtigung findet, i n der es dem „historischen Gesetzgeber" vor Augen schwebt, oder i n jener Sicht, die der „vernünftige" historische Gesetzgeber gewählt hätte®. Der Zeitablauf bringt es dann mit sich, daß die damit grundgelegte Diskrepanz zwischen der zur rechtlichen Normativität oder doch vernünftig-historischen Problemsicht und der von der sozialen Wirklichkeit geforderten Problemsicht immer deutlicher wird. I n gleichem Ausmaß müssen dann die Instrumente der rechtlichen Interpretationskunst verfeinert werden. Letztlich w i r d damit der Unterschied zwischen „rechtlicher" und „sachlicher" Differenzierung immer größer. Beide idealtypischen Sichtweisen bieten Deutungsmöglichkeiten, die nicht von vornherein zu Widersprüchen gegenüber Präjudizien führen. Damit können jedenfalls diese Gesichtspunkte nicht dazu verwendet werden, u m eine grundsätzliche Einschränkung juristischer Rationalität behaupten zu können. Wohl aber scheint es nach dem Gesagten gerechtfertigt, die besonderen Anforderungen ins Auge zu fassen, unter denen der Gegenstand „Recht" steht. Die Forderung der Einbringung des je am meisten Wißbaren klärt noch nicht die Frage, wann jener Punkt erreicht ist, an dem die Begründung — wenn auch nur vorläufig — als beendet betrachtet werden darf. Wer nur indirektes Erkennen zuläßt oder wer bestimmte Hal5

Vgl. hinsichtlich A r t . 2 I GG R 8 aa. I n Maunz / Dürig f Herzog: K o m m e n t a r zum Grundgesetz. 3. Aufl., München 1975. • I n diese Richtung scheinen manche Erkenntnisse des V e r f G H zu deuten, die der sog. „Versteinerungstheorie" zugeordnet werden.

1. Einschränkungen von Rationalität

153

tungen zur Wahrheitsfrage einnimmt, für den legt sich nahe, den Begründungsregreß ins Infinite zu treiben; w i l l man dennoch einen A b schluß finden, so bietet sich ein konventionalistischer Abbruch an, d. h. die Gesichtspunkte, bei deren Erreichen die Diskussion beendet wird, beziehen ihre Eigenart als letzte Gesichtspunkte ausschließlich aus einem — ausdrücklichen oder kulturell-konkludenten — Übereinkommen. Damit ist eine Position zum Wahrheitsproblem bezogen, die aber nicht mehr von vornherein den Anspruch auf intersubjektive Akzeptierbarkeit erheben kann. Es ist daher ratsam, auch hier nach einem gemeinsamen Nenner zu fragen, der von möglichst vielen, i n ihren letzten Bestimmungsgründen auch unterschiedlichen Positionen aus bezogen werden kann 7 . Einen solchen Weg deutet die konventionalistisch verstehbare und hier stets normativ 8 gemeinte Formel vom „Konsens der vernünftig und gerecht Denkenden" an. Zur Verdeutlichung des Anliegens sei nochmals kurz an das beim Wahrheitsproblem Gesagte erinnert, wonach das „Erkennen" nicht i m Gegensatz zum „Anerkennen" gesehen wird. Vielmehr kann das „ A n erkennen" als die bestimmten Gegenständen — insbesondere Werten und Rechtsnormen — angemessene Angangsweise gedeutet werden. Der „Konsens der vernünftig und gerecht Denkenden" erscheint dann als Berücksichtigung des je am meisten Wißbaren, als jeweils zwar vorläufiger, aber doch gerechtfertigter Abschluß der Begründung. Die Rechtfertigung des — vorläufigen — Abschlusses der Begründung äußert sich zumeist letztlich darin, daß der Gegenstand eines derartigen „Konsenses", sobald er vorhanden ist, häufig als „evidenter" auftritt, der sinnvollerweise nicht angefochten werden w i l l . Ein solchermaßen auf der Basis von Evidenz erzeugter und dermaßen nicht anzufechtender Konsens muß aber nicht unbedingt erkenntnistheoretisch oder ontologisch fundiert verstanden werden 9 , sondern kann auch so gedeutet werden, daß es sich lediglich um, wenn auch nur vorläufig, so doch bewährte und gesicherte Gesichtspunkte handelt 1 0 . 7 Vgl. die einschlägige Forderung der idealen Kommunikationsgemeinschaft wie sie Apel, K . - O : „Die Kommunikationsgemeinschaft als transzendentale Voraussetzung der Sozialwissenschaften". I n : Bubner, R. u.a. (Hrsg.): Dialog als Methode. Neue Hefte f ü r Philosophie. 1/2, Göttingen 1972, 1 ff., darstellt. 8 I n diesem normativen Sinn k a n n hier auch von einer „idealen" K o m m u nikationsgemeinschaft gesprochen werden; w e n n sie normativ verstanden ist, k a n n sie nicht m i t einem soziologisch ermittelten Ergebnis gleichgesetzt w e r den. Vgl. zur „idealen Kommunikationsgemeinschaft" Apel, K.-O., 1 ff.; zum letztgenannten Problem sei auf die einschlägige Kontroverse vor der Tagung der Deutschen Staatsrechtslehrer zum Thema „Prinzipien der Verfassungsinterpretation" verwiesen, w o der Referent Prof. Ehmke auf Diskussionseinwände h i n den „Konsens der vernünftig u n d gerecht Denkenden" auf einen normativen h i n präzisierte. W D S t R l . 20 (1963). • D a m i t ist n u n auch f ü r eine non-kognitivistische Position der gemeinsame Nenner zugänglich.

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T e i l I V : Modalitäten des Rechtsdenkens

Z u s a m m e n f a s s e n d k a n n n u n f e s t g e h a l t e n w e r d e n , daß das S t r e b e n nach w i d e r s p r u c h s f r e i e n S a t z k o n t e x t e n t r o t z e i n e r B i n d u n g a n die P r ä j u d i z i a l i t ä t u n d trotz einer Veränderung der Argumentationslage — ζ. B . d u r c h Z u w a c h s n e u e r A r g u m e n t e — k e i n e g r u n d s ä t z l i c h e E i n b u ß e a n R a t i o n a l i t ä t gegenüber a n d e r e n Wissensbereichen b e d e u t e n m u ß . Daß g r u n d s ä t z l i c h k e i n e E i n s c h r ä n k u n g v o n R a t i o n a l i t ä t s t a t t f i n d e n m u ß , ist auch gegenüber d e m schon v o r g e b r a c h t e n E i n w a n d , b e s t i m m t e F o r m e n des a r g u m e n t u m ad a u c t o r i t a t e m b e t r e f f e n d , bereits gezeigt w o r d e n . A u c h w e n n das A u t o r i t ä t s a r g u m e n t n a c h w e i s l i c h h ä u f i g i n e i n e m f ü r d i e R a t i o n a l i t ä t a b t r ä g l i c h e n S i n n a n g e w e n d e t w i r d , so i s t dies noch k e i n B e w e i s e i n e r g r u n d s ä t z l i c h e n E i n s c h r ä n k u n g d e r R a t i o n a l i t ä t i m j u r i s t i s c h e n D e n k e n : d e n n eine n i c h t n o r m e n t s p r e c h e n d v e r w e n d e t e A r g u m e n t a t i o n s f i g u r w i r d auch d u r c h noch so h ä u f i g e n G e brauch nicht zur N o r m 1 1 . E n g m i t d e m a r g u m e n t u m ad a u c t o r i t a t e m s i n d d i e E i n w ä n d e v e r w a n d t , die sich gegen d i e n u r eingeschränkte G e l t u n g v o n R a t i o n a l i t ä t i m j u r i s t i s c h e n D e n k e n r i c h t e n u n d d a r i n bestehen, daß auf d i e K o m petenz d e r R e c h t s o r d n u n g v e r w i e s e n w i r d , b e s t i m m t e n A r g u m e n t e n 10 Vgl. so Aristoteles, Topik, Bd. I, Kap. 1 hier verwendet: Gohlke, P.: (Hrsg.), Paderborn 1952 — : „ . . . Bei den Grundsätzen des Wissens darf man nämlich nicht mehr weiter fragen, w a r u m dies so sei, sondern jeder dieser Sätze muß durch sich selbst gewiß sein. Anerkannt dagegen ist, was entweder allgemein oder die meisten oder die Weisen, u n d von diesen entweder alle oder die meisten oder die anerkannten für wahrhalten." Vgl. auch Viehweg, Th.: T o p i k u n d Jurisprudenz. 5. Aufl., München 1974, z.B. 42f.; Esser, J.: Grundsatz u n d N o r m i n der richterlichen Fortbildung des P r i v a t rechts. 2. Aufl., Tübingen 1964, 64, der diese bzw. ähnliche Formulierungen als „ . . . apodiktische Hinführungen auf Wahrheiten des common sense . . . " deutet u n d auf ihre Nähe zur „reasonableness" u n d „ n a t u r a l justice" i m Bereich der angloamerikanischen Rechtskultur verweist. Es scheint, daß hieher auch der sprachanalytische Ansatz Wittgensteins zu zählen ist, der die Begründungsdiskussion i n den Sprachspielen finden läßt. Wittgenstein, L.: Schriften. F r a n k f u r t a. M. 1960 (1963); „Philosophische Schriften", Nr. 130, i n der Tradition auch die Theorie der Umgangssprache (Theory of ordinary language) einzureihen ist. Nahe dieser Position dürfte auch die „moderne" Hermeneutik — zu dieser Differenzierung Rottleuthner, H.: „Hermeneutik u n d Jurisprudenz". I n : Koch, H.-J. (Hrsg.): Juristische Methodenlehre u n d analytische Philosophie. Kronberg/Ts. 1976, 7 ff. — zu zählen sein, die ihren Abschluß i n der „Verschmelzung" des „historischen" m i t dem „aktuellen" Horizont findet; hieher zählt auch die Weiterentwicklung der Hermeneutik u n d der Verbindung m i t der analytischen Philosophie durch die von Lorenzen begründete „Erlanger Schule" — vgl. Lorenzen, P.: Theorie der technischen u n d politischen Vernunft. Stuttgart 1978; insbes. Einleitung; Regeln vernünftigen Argumentierens, 4 f f . ; Lorenzen,!?. / Schwemmer, O.: K o n s t r u k t i v e L o gik, E t h i k u n d Wissenschaftstheorie. M a n n h e i m 1973, die den hermeneutischen Ansatz hinterfragen u n d ihre K o n s t r u k t i o n über „Redeeinführungsbzw. Lernsituationen" vornehmen, so daß die Verwendungsregeln von Begriffen ein höheres Maß an Rationalität aufweisen können. 11 Der Gebrauch dieses Arguments wäre angesichts der Seins-Sollensspannung i m Sinne der von Tammelo getroffenen Einteilung als perduktiv oder sogar als seduktiv zu bezeichnen. Tammelo, I.: Modern Logic i n the Service of L a w . Wien - New Y o r k 1978,149 ff.

1. Einschränkungen von Rationalität

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ein höheres Gewicht zuzusprechen oder bestimmte Argumente abzuwerten oder gar auszuschließen. Auch i n dieser Befugnis der Rechtsordnung muß nicht unbedingt eine Beeinträchtigung von Rationalität gesehen werden: Rationalität verlangt i n dem hier vorgestellten Sinn neben der intersubjektiven Rekonstruierbarkeit von Denkvorgängen dort, wo Entscheidungen zu treffen sind, eine Vorgangsweise, die eine möglichst freie Einstimmung und Zustimmung 1 2 , die Akzeptierbarkeit, ermöglicht. Eine Entscheidung, die der Interpret zu treffen hat, kann daher nicht den Anspruch auf Rationalität erheben, wenn sie neben der Rekonstruierbarkeit nicht auch Akzeptierbarkeit besitzt. Wenn aber eine Entscheidung durch das positive Recht hinreichend deutlich vorgezeichnet wird, dann ist damit bei entsprechend deutlich ausgesprochener rechtlicher Bindung des Rechtsanwenders der Spielraum für die subjektive A k t i v i t ä t eingeschränkt. Deshalb sind dann auch die oben erwähnten normativen Forderungen für die Bildung des Arguments nicht mehr anwendbar, weil diese einen Handlungs- bzw. Entscheidungsspielraum voraussetzen. Besteht deshalb ein für die Rationalität des Interpretationsvorganges erhebliches Zustimmungsdefizit seitens der Interpreten, so ist das lediglich ein V o r w u r f an den befugten Rechtssetzer, die bemängelte Bewertung neu oder anders zu treffen. Die Rationalität des Interpretationsvorganges selbst ist damit aber nicht berührt 1 3 . Auch i n diesem Punkt unterscheidet sich die Tätigkeit des sich unter wissenschaftlicher Verpflichtung erachtenden Juristen nicht von der Tätigkeit i n anderen Disziplinen, die es wesentlich m i t Wertungen zu t u n haben: Wo es u m vorgegebene Wertungen geht, muß deren Geltung primär nicht begründet werden; wo und soweit es aber um Wertungen geht, die i m Laufe des Interpretationsvorganges eingeführt werden, muß deren Geltung zunächst jedenfalls begründet werden — sie müssen auf alle Fälle den Erfordernissen intersubjektiver Akzeptierbarkeit genügen. Sohin kann also, was die angenommenen Möglichkeiten der Einschränkung juristischer Rationalität betrifft, nicht davon die Rede sein, daß derartige Einschränkungen zwangsläufig seien, oder aber, daß sich i n diesem Punkt die wissenschaftlich verpflichtete Tätigkeit des Juristen grundlegend von anderen Disziplinen unterscheide.

12 Den normativen Rahmen sollen die i m vorhergehenden K a p i t e l dargestellten Forderungen bilden, insbes. 143 ff. 13 Z u r Vermeidung von Mißverständnissen soll auch an dieser Stelle nochmals an die, zumindest bei höchstorganlichen Rechtsanwendungen häufig feststellbare Relativität des de-lege-lata- zum de-lege-ferenda-Bereich erinnert werden.

156

T e i l I V : Modalitäten des Rechtsdenkens

2. Die Textgebundenheit als Modalität des Rechtsdenkens Die Argumentation i m Bereich der Rechtswissenschaft unterscheidet sich i n unserem Kulturkreis jedenfalls i n einem Punkt grundsätzlich von ethisch verpflichteten Diskussionen i n anderen Bereichen: Insoweit sich ein Argument auf Texte bestimmter Qualität berufen kann, besitzt es eine höhere Autorität als jene Argumente, die dies nicht i n m i n destens gleichem Ausmaß können. Schließlich heißt dies, daß nur solche Argumente zugelassen sind, die sich letztlich auf einen Text von bestimmter Qualität — i n der Regel ein Text, der von bestimmten Organen herrührt — berufen können. Diese Textgebundenheit des rechtlichen Denkens gilt es nun, i n einer mehrfachen Hinsicht zu relativieren und dabei jeweils jene Punkte aufzuzeigen, wo bzw. bei welchen trotz vorgegebener Textgebundenheit prozedurale Regeln, die ethisch begründbar sind, zur Anwendung gelangen. So ist i n Erinnerung zu rufen, daß die Auszeichnung eines Arguments, es sei eindeutig i m Text verankert, selbst nicht eindeutig ist. Der Satz „ i n claris non fit interpretatio" darf, wenn man i h n überhaupt anerkennt, keinesfalls so verstanden werden, daß die Eindeutigkeit eines Textes aus dem Text selbst folgte. Denn schon die Aussage, daß der Text eindeutig ist, ist eine an den Text herangetragene Interpretation. Ist n u n die Eindeutigkeit des Textes nicht das Ergebnis des Textes allein, sondern von anderen Faktoren mitkonstituiert, so müssen diese Determinanten der Eindeutigkeit näher ermittelt werden. Alle — nicht nur i m Rechtsdenken — verwendeten Begrifflichkeiten und weiteren intensionalen Elemente des Denkens sind immer auch und letztlich von außen an den Normtext herangetragene Elemente 14 . Weder werden aber diese Elemente selbst w i l l k ü r l i c h eingeführt, noch ist die A r t und Weise ihrer Verwendung von vornherein eine w i l l k ü r liche, wie schon ein einfacher Hinweis auf das regelmäßige Funktionieren von Kommunikation i m Alltag wie i n der Wissenschaft nahelegt. Ein Ansatz beim je gemeinsamen Verständnis ist etwa das „Vorverständnis" der (juristischen) Hermeneutik 1 5 oder sind etwa die „Sprachspiele" Wittgensteins, welche Ansätze konstruktivistisch noch hinterfragt und rekonstruiert werden können. Damit ist zunächst nur ein Rahmen gewiesen, innerhalb dessen sich das weitere Denken vollziehen kann. Obzwar es sich nur u m einen Rahmen handelt, kommt i h m aus 14 Dies hängt auch m i t der Unterscheidung von Sprachebenen zusammen. Den Nachweis dafür lieferte f ü r den Bereich mathematischer u n d verwandter Systeme Gödel, K . : „Über formal unentscheidbare Sätze der Principia mathematica u n d verwandte Systeme". I n : Monatshefte für Mathematik u n d P h y sik, 1931 (38), 173 f. 15 Vgl. dazu die Hinweise i n der A n m e r k u n g 20 des vorhergehenden K a pitels.

. Die

e g e b u n d e n h e i t als Modalität des R e c h t s d e n k e n s 1 5 7

zwei Gründen eine fundamentale Rolle zu: Einmal ist es ein Rahmen, dessen Beziehen schon die intersubjekti ve Akezptierbarkeit des A n satzes bedeuten kann — denn es handelt sich dabei um ein je gemeinsames Vorverständnis oder ein allgemein verstandenes Sprachspiel, von dem ausgegangen wird. Z u m anderen eignet diesem Rahmen auch die Bedeutung, daß er auf jene inhaltlichen „Bilder" i m Sinne von typischen Lebensvollzügen verweist, die i m allgemeinen sinnvollerweise nicht mehr hinterfragt werden und daher i n einer Begründungsdiskussion als Abschluß gelten können 1 6 . Bei diesen Rahmen, die „verstanden" werden müssen 17 , kann die weitere konstruktive bzw. rekonstruktive Arbeit ansetzen, bei der dann Formen des indirekten Erkennens i m Vordergrund stehen, d. h. daß bei ihnen die Phase intersubjektiver Rekonstruierbarkeit des betreffenden Denkvorganges beginnt 1 8 . Diese weitere Denkarbeit wiederum steht unter der Geltung ethischprozeduraler Forderungen. Daß dabei der Spielraum trotz der Textgebundenheit ein sehr weiter ist, zeigt ein Blick auf zwei idealtypische Modelle der Herstellung der Textgebundenheit von Argumenten i m Rechtsdenken: eine der wohl strengsten Formen der Textbindung von Argumenten besteht darin, daß auf den Bedeutungsgehalt des Wortlautes abgestellt w i r d und, wenn nötig, zur näheren Bestimmung noch die grammatikalische Stellung des Wortes miteinbezogen wird. Bleiben dabei mehrere Möglichkeiten offen, so ist eine davon zu wählen; die größte Eindeutigkeit bei maximaler Textbindung w i r d dadurch hergestellt, daß auf die historisch-tatsächliche Bedeutung abgestellt w i r d 1 9 . So erhält der Normtext eine überragende Rolle, während die aktuelle soziale Wirklichkeit bzw. die sie bildenden Faktoren keine Mitgestaltungsrolle bei der Festlegung der als textbezogen geltenden Argumente haben. Je mehr man dabei von der historisch-tatsächlichen Fixierung 2 0 etwa zugunsten von 16 Vgl. dazu: Steinvorth, U.: „ L . Wittgenstein: Sprache u n d Denken". I n : Speck, J. (Hrsg.): Grundprobleme der großen Philosophen. Philosophie der Gegenwart I, Göttingen 1972,121 ff. 17 Ob diese Rahmen „ e r l e r n t " oder „eingesehen" sind, ist philosophisch u n d erkenntnistheoretisch von außerordentlichem Belang. F ü r die hier verfolgten Zwecke k a n n diese Frage jedoch offen bleiben, w e i l die Begründungen f ü r beide Positionen insoweit ausreichen, als sie i m Sinne eines gemeinsamen Nenners n u r auf ihren engsten Gehalt befragt, einander nicht widersprechen. 18 Diese Substitution ist deshalb an einem möglichst frühen P u n k t nötig, w e i l der A p p e l l an die unmittelbare Einsicht f ü r den, der sie nicht hat, dieselbe S t r u k t u r hat w i e das argumentum ad auctoritatem: die Einsicht steht i h m nicht zur Verfügung, er k a n n daher gar nicht mitdiskutieren; eine Argumentation ist daher u m so eher möglich, je eher das unmittelbare E r kennen durch Formen des mittelbaren Erkennens substituiert werden kann. 19 z. B. i m Sinne einer ausschließlich historisch — ohne systematische Aspekte — verstandenen „Versteinerungstheorie". 20 Darauf wurde prinzipiell bereits i m ersten K a p i t e l dieses Teils verwiesen. 150 ff.

158

T e i l I V : Modalitäten des

echtsdenkens

Überlegungen nach dem „hypothetischen Gesetzgeber" abgeht, desto mehr neigt man dem zweiten idealtypischen Modell der Textbindung von Argumenten zu, das dem Text nicht mehr die oben erwähnte einseitig bevorzugte Stellung zuerkennt. Das Denken nach dem letztgenannten Modell verweist, was die Feststellung der textgebundenen und damit der zulässigen Argumente betrifft, nicht nur auf den „Text", sondern auch auf die soziale Wirklichkeit bzw. deren Faktoren 2 1 . Erst die Integration dieser Ebenen ineinander erlaubt die Feststellung dessen, was eigentlich rechtens ist. Dabei kann die Forderung nach Textgebundenheit der Argumente durchaus aufrechterhalten werden, wenn nur jeweils i n einer tauglichen Weise die Voraussetzung eingeführt wird, daß der Text selbst bzw. das richtige Verstehen des Textes die Integration dieser zunächst außertextlichen Ebene erfordere. Die Verweisung auf eine oder mehrere außertextliche Ebenen kann, u m nur zwei geläufige Formen zu nennen, kausal bzw. analog kausal erfolgen 22 oder teleologisch, d. h. nach Zwecken. Beide sind Formen, und so insbesondere daher auch die zweite, die i m Bereich des Rechtsdenkens überwiegend verfolgt werden. Sie zeichnen sich dadurch aus, daß sie das Normative auch aus außertextlichen Quellen bestimmen. Diese außertextliche Ebene läßt sich auf verschiedene Weise m i t dem Text i n Verbindung bringen: ζ. B. als immanente Ordnung eines Bereichs, etwa i n den vielfältigen Denkformen der „Natur der Sache" oder dadurch, daß die Zwecke erforscht werden, die einzelne oder Ensembles von Rechtsnormen verfolgen, oder, was i m Ergebnis auf das Gleiche hinauskommt, daß die Werte erforscht werden, die geschützt bzw. verwirklicht werden sollen 23 oder, ähnlich, durch institutionelles Denken 2 4 , i n dem die Rechtsordnung als von relativ selbständigen gesellschaftlichen Lebensvollzugseinheiten getragen erachtet wird, die es zu berücksichtigen gilt; schließlich zählt auch die „ T o p i k " 2 5 hierher, die das Verständnis 21 U m Mißverständnissen vorzubeugen, sei ausdrücklich festgehalten, daß hier unter sozialer W i r k l i c h k e i t nicht n u r die sinnfällige Sozialwelt allein, sondern ebenso auch ideale Größen w i e ζ. B. Werte u n d Zwecke verstanden werden. 22 Letzteres ist ζ. B. i n den regeltheoretischen Modellen der Fall, w o das input-output-Denken beim Erklären jedenfalls als Analogon zum n a t u r w i s senschaftlichen Satz „actio est reactio" gedeutet werden kann. 23 A u f eine solche Weise k a n n z.B. der Grundrechtsteil einer Verfassung zur Quelle inhaltlicher Staatszielbestimmungen gemacht werden; ζ. B. Dürig, G.: Die Menschenauffassung des Grundgesetzes. B e r l i n 1952. 24 Vgl. Dubischar, R.: Grundbegriffe des Rechts. Stuttgart u.a. 1968, 54ff. (419); Forsthoff, E.: „Die U m b i l d u n g des Verfassungsgesetzes". I n : Barion, H.: u.a. (Hrsg.): Festschrift für Carl Schmitt. B e r l i n 1959, 35 ff.; auch Wimmer, N.: Materiales Verfassungsverständnis. Wien - New Y o r k 1971, 93 ff. 25 Vgl. Viehweg, Th.: T o p i k u n d Jurisprudenz; vgl. die Angaben i m K a p i t e l vorher.

. Die

e g e b u n d e n h e i t als Modalität des

echtsdenkens159

und die Deutung des Rechtlichen über den Ansatz bei anerkannten und bewährten Problemsichten und -lösungen bietet. Der Verweis auf eine außertextliche Ebene kann verschieden ausfallen. Eine der stärksten Formen darf i n der Forderung erblickt werden, jeden sachrelevanten Verhalt zuzulassen und damit zur Rechtsrelevanz zu erheben. Einen sehr weiten, wenn auch bereits prinzipiell begrenzten Verweis bieten die „Kriterien der Gerechtigkeit" von Kriele 26, m i t denen bzw. über die jene Faktoren ermittelt werden sollen, die bei einer gerechten Entscheidung jedenfalls neben dem Text noch mitzuberücksichtigen sind. Von einem grundsätzlichen Vorrang des Normtextes, aber dennoch von einer konstitutiven Rolle des Normbereiches — d. i. des Sektors der sozialen Wirklichkeit, den die Norm erfaßt — geht F. Müller aus 27 . Je mehr Rationalität, d. h. je mehr verschiedene Argumente zulässig sein sollen, d. h. als textgebunden gedeutet werden sollen, desto mehr scheinen sich die Grenzen der Rechtswissenschaft gegenüber anderen Wissenschaften aufzulösen: Immer mehr Argumente werden für das rechtliche Denken relevant. Dies kann aber auch dazu führen 2 8 , daß die erreichbare Sicherheit und das intersubjektive Funktionieren einer so verfahrenden Disziplin stark i n Mitleidenschaft gezogen wird. Der Disziplinierung dieser Probleme widmen sich die Vielzahl von Methodenansätzen der Gegenwart. Demgegenüber kann man mit gutem Grund den Standpunkt vertreten, daß das rechtswissenschaftliche Denken auf die Feststellung allenfalls vorhandener mehrerer sprachlich möglicher Deutungsvarianten beschränkt sei 29 , während die Auszeichnung einer dieser mehreren Varianten als rechtsrichtig jedenfalls nicht mehr rechtswissenschaftlich sei. So überzeugend die dafür vorgebrachten Gründe einerseits auch sein mögen, so wenig können sie aber darüber hinweghelfen, daß damit ex definitione ein wesentlicher Teil des Rechtsdenkens aus dem Aktionsfeld der Rechtswissenschaft ausgeschieden ist. Der Bereich, der auf diese Weise nicht ausgelotet werden kann und der „Rechtserkenntnis" auf diese Weise nicht zugänglich ist, w i r d dann als Bereich der Rechtssetzung gedeutet. Ein solches methodisches Grundkonzept der Selbstbeschränkung i n den zulässigen Argumenten spiegelt sich dann i m Weg über die Gewaltenteilung, vermittelt durch das gleichlaufende Begriffspaar „de lege ferenda" und „de 26 Kriele, M.: K r i t e r i e n der Gerechtigkeit. B e r l i n 1963; Ders.: Theorie der Rechtsgewinnung. 2. Aufl., B e r l i n 1976. 27 N o r m s t r u k t u r u n d Normativität. B e r l i n 1966; Ders.: Normbereiche von Einzelgrundrechten i n der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. B e r l i n 1968. 28 Vgl. die einschlägigen Befürchtungen von Forsthoff, E. : Z u r Problematik der Verfassungsauslegung. Stuttgart 1961. 29 Vgl. so Kelsen, H.: Reine Rechtslehre. 2. Aufl., Wien 1960, 346 ff.

160

Teil I V : Modalitäten des Rechtsdenkens

lege lata", als Beschränkung der verfassungsgerichtlichen Prüfungskompetenz auf die Einhaltung der Wortlautgrenze und des Exzeßverbots gegenüber dem einfachen Gesetzgeber besonders dort, wo es an eindeutigen und ausdrücklichen inhaltlichen Verfassungsschranken mangelt. Dieser so ausgesparte Teil des rechtlichen Denkens muß sich aber ebenfalls über Argumente abwickeln, die sich als textbezogen ausweisen können 3 0 . Dieser Tätigkeit w i r d ' d a n n z. B. das Eigenschaftswort „jurisprudentiell" beigelegt, das Eigenschaftswort „rechtswissenschaftlich" jedoch vorenthalten. Der Grund dafür mag darin liegen, daß die Tätigkeit, u m die es hier geht, dadurch gekennzeichnet ist, daß sie nur unter einem besonderen Einsatz der Wertungsfähigkeit des Subjekts möglich ist. Letzteres wiederum verträgt sich nicht m i t einer demgegenüber geradezu antagonistisch verstandenen wissenschaftlichen Grundhaltung, nach der sich ein wissenschaftlich verfahrendes Subjekt wertender Stellungnahmen zu enthalten habe 31 . Diese Unterscheidung muß aber nicht unbedingt i n Frage gestellt werden, auch wenn man eine der beiden geschilderten Positionen vertritt. Es kann nämlich darauf verwiesen werden, daß es wissenschaftliche Wege gibt, dem erwähnten besonderen Charakteristikum des von der Rechtswissenschaft ausgesparten Bereiches des rechtlichen Denkens dadurch gerecht zu werden, daß der hohen Bedeutung der subjektiven Wertungen angemessen unter Befolgung nachprüfbarer Regeln begegnet wird. Über die geschilderten ethisch-prozeduralen Regeln soll sichergestellt werden, daß nur solche Wertungen vorgenommen werden, die sich allgemein, also jedenfalls nicht nur nach subjektiv-willkürlichen Maßstäben halten lassen. Jedenfalls kann nun zusammenfassend festgehalten werden, daß die Textgebundenheit i m Rechtsdenken nicht zum Abbau von Rationalität führen muß. Wohl aber kommt es zu einer Modifizierung von Rationalität, weil über das Erfordernis der Textgebundenheit nicht mehr prinzipiell alle Sachargumente als gleichermaßen relevant zugelassen sind, sondern nur solche einen Vorzug genießen, deren Zulassungsbedingungen ζ. B. schon i m Rechtsbegriff vorgegeben sind. Je weiter sich dieser 30

Die methodologischen Varianten, die auch dies bestreiten, bleiben hier außer Betracht. Es sei aber angemerkt, daß eine solche Ausklammerung, ζ. B. auf die „Freirechtsschule", schon deshalb nicht zutrifft, w e i l diese allein über ihren Rechtsbegriff solche Bedingungen einführt, m i t denen bestimmte Gruppen von Argumenten aus der sozialen W i r k l i c h k e i t den Charakter von rechtlichen Argumenten bekommen. 31 Vgl. die zusammenfassende Darstellung unter verschiedenen B l i c k w i n k e l n i n Albert, H. / Topitsch, E. (Hrsg.): Werturteilsstreit. Darmstadt 1971; Wright , G. H. v.: Erklären u n d Verstehen; Kamiah, W. / Lorenzen, P.: Logische Propädeutik. M a n n h e i m 1967.

3. Die Präjudiziengebundenheit als Modalität des Rechtsdenkens

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Rechtsbegriff — aus den verschiedensten Gründen — vom buchstäblichen Sinn entfernt, desto größer w i r d die Notwendigkeit, die subjektiven Leistungen i m Prozeß des Rechtsdenkens insoweit zu disziplieren, damit die verwendeten Argumente intersubjektiv rekonstruierbar und akzeptierbar werden. Dies zu gewährleisten, kann als Aufgabe von „Verfahrensnormen" angesehen werden. 3. Die Präjudiziengebundenheit als Modalität des Rechtsdenkens M i t den Anforderungen, die das Postulat 8 2 der Rechtssicherheit an das Rechtsdenken stellt, ist ein weiteres differenzierendes K r i t e r i u m des Rechtsdenkens gegenüber einem sonstigen, ethisch verpflichtenden Denken gegeben. Ersteres darf zumindest als Teil unserer Rechtskultur, wenn nicht gar — z.B. über die Rechtsstaatlichkeit — als Teil eines verfassungskräftigen Prinzips gedeutet werden. Sie meint i n einer allgemeinen, unter dem Blickwinkel der Normadressaten getroffenen Formulierung, daß die Rechtsanwendung vorausberechenbar w i r d 8 3 . Eine wesentliche Beförderung erhält diese Vorausberechenbarkeit durch das vor allem prozedural verstandene Gleichheitsprinzip — das wiederum nicht nur als Teil der Rechtskultur, sondern auch als verfassungskräftiges Prinzip gedeutet werden kann — wonach — wiederum allgemein formuliert 3 4 — Gleiches gleich behandelt werden soll; m. a. W.: gleiche Fälle sollen gleich entschieden werden. Das, was unter Rechtssicherheit gemeint ist, kann für die hier verfolgten Zwecke unter drei Aspekten aufgeschlüsselt werden, die jeder seinen normativen Teil dazu beitragen, daß die Entscheidungen vorausberechenbar werden. Es ist einmal, wie erwähnt, das vorrangig prozedural verstandene Gleichheitsprinzip, das anweist, gleichgelagerte Fälle gleich zu entscheiden. I m Bereich der individuellen Vollziehung sind es vor allem zwei Punkte, an denen diese Wirkung des Gleichheitssatzes sichtbar w i r d : das sog. „Ermessen" und der sog. „unbestimmte Gesetzesbegriff". Beim Ermessen 36 stellt sich die Frage nach dem Maßstab, m i t dem unter „gleichwertigen" 3 6 Entscheidungsalternativen eine Entscheidung 32 Darunter verstehe ich hier ein zunächst subjektiv konstituiertes normatives Gedankengebilde, das jeweils noch der näheren Ausführung bedarf, u m angewendet zu werden. 33 Vgl. f ü r viele: Henkel, H.: Einführung i n die Rechtsphilosophie. 2. Aufl., München 1977, 436 ff. 34 Dazu wurde bereits oben Stellung genommen. 35 Hier w i r d n u r der Aspekt erörtert, der f ü r das gestellte Thema von unmittelbarer Erheblichkeit ist. 36 Vgl. die diesbezügliche Aussage Kelsens i n seiner Reinen Rechtslehre.

11 Schreiner

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T e i l I V : Modalitäten des Rechtsdenkens

ausgewählt werden kann, die den Anspruch auf Rechtsrichtigkeit erh e b t . Dies k a n n d a d u r c h geschehen, daß m a n d e n Gleichheitssatz als n o r m a t i v ins Spiel b r i n g t : der R a h m e n der rechtsstaatlich 37 möglichen E n t s c h e i d u n g s a l t e r n a t i v e n w i r d d a d u r c h d e t e r m i n i e r t , daß d i e v o r h e r g e h e n d e n einschlägigen E n t s c h e i d u n g e n k o n s t i t u t i v b e r ü c k s i c h t i g t w e r den. Diese b i l d e n d e n n o r m a t i v e n V e r g l e i c h s r a h m e n f ü r die E n t s c h e i d u n g , d i e r e c h t s r i c h t i g sein soll. So h e i ß t es i n d e m g e r n e als p a r a d i g m a t i s c h h e r a n g e z o g e n e n 3 8 k e n n t n i s des V e r f G H 3 9 :

Er-

W i l l k ü r ist keineswegs n u r dann gegeben, w e n n die Behörde absichtlich Unrecht begeht. Der Schutz, den der Gleichheitsgrundsatz den Staatsbürgern bietet, ist keineswegs auf die A b w e h r von Amtsmißbrauch oder von i h m ähnlichen Fällen beschränkt. Der Gleichheitsgrundsatz wäre ansonsten inhaltsleer, denn Exzesse der erwähnten A r t sind relativ selten. W i l l k ü r lich handelt vielmehr eine Behörde auch dann, w e n n sie ihre Entscheidungen z.B. leichtfertig fällt, so etwa wenn sie sich in Gegensatz zu allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen oder allgemein bekannten Erfahrungstatsachen stellt, oder auch, wenn sie von einer bisher allgemein geübten und als rechtmäßig anzusehenden Praxis abweicht, ohne hierfür Gründe anzugeben oder wenn die angegebenen Gründe offenkundig unzureichend sind 40. I n analoger W e i s e k a n n d i e W i r k u n g des Gleichheitssatzes auch i m B e r e i c h des „ u n b e s t i m m t e n Gesetzesbegriffes" gesehen w e r d e n . W i e b e i m Ermessen d e r f r ü h e r e Ermessensgebrauch als n o r m a t i v e R i c h t l i n i e d i e n t , k a n n z u r B e s t i m m u n g des u n b e s t i m m t e n Gesetzesbegriffes d i e f r ü h e r e A u s l e g u n g dieses B e g r i f f e s als n o r m a t i v e D e t e r m i n a n t e herangezogen w e r d e n 4 1 . 37 38

I m Sinne des A r t . 18 B - V G .

V e r f G H Slg. 4480/1963. 39 Diese unter dem Namen „Selbstbindung der V e r w a l t u n g " vor allem i n der einschlägigen L i t e r a t u r i n der B R D bekannte Auffassung kann zu u n t e r schiedlichen Konsequenzen führen, denen hier nicht nachgegangen werden kann: So ζ. B. der Frage, ob darauf ein subjektiv-öffentliches Recht besteht. Vgl. dazu f ü r Österreich Neisser, H . / Schantl, G./Welan, M . : „Betrachtungen zur J u d i k a t u r des Verfassungsgerichtshofes (Slg. 1967)". I n : ÖJZ 1969, 318 ff., 645 ff., insbes. 653 ff.; gegenteilig m i t Berufung auf Erkenntnisse des V e r f G H : Schäffer, H.: Verfassungsinterpretation i n Österreich. Wien 1971, 170; vgl. auch die Übersicht bei Koja, F.: „Gleichheitssatz u n d Verfassungsgerichtshof". I n : Der Staatsbürger 1978, 22 f. (F. 6, 1 f.), 26 (F. 7,1). 40 Hervorhebungen v o n m i r . 41 Vgl. Neisser, H . / Schantl, G J W e l a n , M.: „Betrachtungen . . . " , 652 ff. Es ist als wesentlicher Unterschied zwischen der „Ermessensjudikatur" u n d der J u d i k a t u r zum „unbestimmten Gesetzesbegriff" anzumerken, daß i m Gegensatz zum zweiten zur E r f ü l l u n g des ersteren nach der ständigen Rechtsprechung die Gleichheitsverletzung allein nicht genügt, sondern der Gesetzmäßigkeitsgrundsatz auch noch verletzt sein muß, u m angefochten werden zu können. (Vgl. V e r f G H Slg. 2602/1953, 4300/1963.) Vgl. zum Verhältnis beider Begriffe i n der J u d i k a t u r des V e r f G H Ringhof er, K . : Strukturprobleme des Rechts. Wien 1966, 22 ff.

3. Die Präjudiziengebundenheit als Modalität des Rechtsdenkens

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F ü r das gestellte Thema ergibt dies, daß über den Gleichheitssatz rational Kriterien für eine Auswahl zwischen mehreren Entscheidungsalternativen möglich sind; Kriterien, die unter Bezugnahme auf den Wert der Rechtssicherheit intersubjektiv und akzeptabel sind, w e i l sie das Vorgehen auch am bisherigen einschlägigen Vorgehen orientieren lassen. Wieweit dieser Kontext zeitlich zurückreicht, auf welche Organe er sich erstreckt 42 , sind weitere Fragen, die jeweils noch näher zu untersuchen wären. Für unsere Zwecke reicht es zur Feststellung, daß der Gleichheitssatz prozedural-normativ zur Gewinnung von der Rechtssicherheit verpflichteten Entscheidungen herangezogen werden kann. M i t einem solchen Verständnis des Gleichheitssatzes, wie es hier angedeutet wurde, ist aber keinesfalls das traditionelle Gleichheitsverständnis verlassen: Der ursprüngliche K e r n des Gleichheitsprinzips 48 bestand i n der Festlegung, daß an gleiche Verhalte nicht unterschiedliches Recht angeknüpft werden sollte; konkreter und historisch aktuell: z.B. durch die Zielrichtung gegen Vorrechte der Geburt sollte gewährleistet sein, daß bei gleichem Sachverhalt nicht jeweils anderes Recht, das an die Geburt anknüpft, zur Anwendung gelangen sollte. Auch beim „Willkürverbot" — unter welchem Namen der Gleichheitssatz seine einschlägige Erörterung findet — handelt es sich u m die gleiche Struktur: anderes Recht soll dadurch angewendet werden, daß der Verhalt entweder unvollständig oder anders gesehen w i r d oder weil eine andere normative Situation als präjudiziell erachtet wird. Was sohin gesichert werden soll, ist ein Typus sachlicher und rechtlicher A r t : es soll gewährleistet sein, daß die Strukturen, m i t denen der für die Entscheidung zu ordnende Sachverhalt normativ behandelt wird, nicht „ w i l l k ü r l i c h " , d. h. ohne ausreichende Begründung, gewechselt werden dürfen und daß damit die Gleichförmigkeit der Entscheidung sichergestellt werden kann, weil eben Gleiches gleich behandelt werden soll. E i n solcher Typus, der aus mehreren Fällen ermittelt ist, läßt sich jeweils i n der Form einer ratio decidendi darstellen: für eine Gruppe von Fällen werden — idealtypisch — die Strukturbedingungen ihrer Sicht und ihrer Lösung angegeben 44 . Gilt diese ratio decidendi als ausreichend begründet, d. h. kann sie den Anspruch auf intersubjektive Akzeptierbarkeit erheben, so überträgt sich das insoweit auf die Entscheidung eines Falles, als diese i n der Nähe zum Typus steht; je weiter sie entfernt ist, desto mehr muß „differenziert" werden, bis sich schließ42

ζ. B. ob n u r Höchst- oder auch Unterinstanzen. Vgl. Ermacora, F.: Handbuch der Grundfreiheiten u n d Menschenrechte. Wien 1963, 41 ff. 44 Vgl. ζ. B. die obige Darstellung des w i l l k ü r l i c h e n Ermessensgebraudis durch den V e r f G H i n Slg. 4390/1963. 43

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T e i l I V : Modalitäten des Rechtsdenkens

lieh die Frage stellt, ob die ratio decidendi überhaupt noch präjudiziell ist. Allgemein — nicht nur für das Rechtsdenken —, wo eine Entscheidung das geforderte Zielt ist, gilt es, alle „erheblichen" Argumente zu sammeln und zu berücksichtigen. W i r d ein als erheblich angesehenes Argument nicht oder nicht gebührend berücksichtigt, so gilt die Entscheidung als defizient 45 . Vorausgesetzt, daß sich die Sach- und Problemlage, wie auch die Normenlage, nach der entschieden werden soll, nicht verändert hat, und daß alle erheblichen Argumente berücksichtigt wurden 4 6 , dann kann, wenn die Entscheidung gerecht 47 sein soll, die Forderung erhoben werden, daß die neue Entscheidung i n Übereinstimmung zur ratio decidendi einer früheren Entscheidung ausfallen soll. Die Orientierung an der ratio decidendi einer früheren Entscheidung kann also dahin gedeutet werden, daß diese frühere Entscheidung als jeweiliger Inbegriff möglicher Sach-, Rechts- und Problemberücksichtigung für einen typischen Fall bzw. eine Gruppe typischer Fälle gilt. Wenn also ein neuer Fall von gleicher oder doch wesentlich ähnlicher A r t auftritt, so kann schon aus Gründen der Verfahrensökonomie die abwägende, zur Entscheidung führende Erörterung unterbleiben und unter Hinweis auf die einschlägigen Erörterungen, die zur präjudiziellen Entscheidung geführt haben, die gleiche Entscheidung gesetzt werden. Die Bezugnahme auf eine Vorentscheidung braucht daher nicht unbedingt unter dem Blickwinkel einer allfälligen Erweiterung der Rechtsquellen gesehen werden, sondern kann auch als prozedurales Kürzel für den Verweis auf eine hinsichtlich intersubjektiver Akzeptierbarkeit erfolgreich stattgefundene Diskussion betrachtet werden, die allerdings dann wieder aufgenommen werden muß, wenn neue oder doch differenzierende Sach-, Problem- oder Rechtsaspekte geltend gemacht werden 4 8 . 45 Die Frage, w a n n ein Argument als „erheblich" gilt, w i r d hier u. a. deshalb ausgeklammert, w e i l es sich u m eine Vorfrage handelt. W i r d sie anders beantwortet als dies der Entscheidungsträger tut, so ist die Entscheidung von vornherein v o m Standpunkt dessen, der sie anders beantwortet hat, defizitär. 46 Vgl. die oben erstellte verfahrensethische Forderung nach maximaler Sachhaitigkeit bzw. nach operationaler Bejahbarkeit. 47 Hier t r i t t der von A. Kaufmann i n den Vordergrund gestellte Gerechtigkeitsaspekt der Gleichheit („Gleichheit i.e. Sinne: Gleichheits„prinzip") i n den M i t t e l p u n k t . Vgl. Kaufmann , Α.: „Recht u n d Gerechtigkeit i n schematischer Darstellung". I n : Kaufmann, A . /Hassemer, W. (Hrsg.): Einführung i n die Rechtsphilosophie u n d Rechtstheorie der Gegenwart. Heidelberg - K a r l s ruhe 1977, 273 ff. 48 Daß ein solches Verständnis von Präjudiz — etwa ganz allgemein i m Sinn von Beweismittel — nicht w i l l k ü r l i c h ist, zeigt f ü r die Klassik Hackl, K . : Praeiudicium i m klassischen römischen Recht. Salzburg - München 1976, insbes. 18ff.; wobei unter Beweis nicht der enge prozeßrechtliche Begriff gemeint ist, sondern — w i e auch Hackl, 18, Fn. 6, anführt — ein Begriff gemeint

4. Die Rollen- u n d Verfahrensgebundenheit des Rechtsdenkens

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I m rechtlichen Denken erhält diese Orientierung am bisherigen Entscheidungsverhalten noch eine besondere Absicherung durch das (normative) Element der Rechtssicherheit, sowie die Rollen- und Verfahrensgebundenheit rechtlicher Entscheidungstätigkeit. 4. Die Bollen- und Verfahrensgebundenheit als Modalität des Rechtsdenkens Das rechtliche Denken ist von Denkvorgängen i n anderen Disziplinen auch dadurch unterscheidbar, daß es rollen- und verfahrensgebunden ist. Dies meint Verschiedenes, wobei jeder dieser Aspekte die Voraussehbarkeit von Entscheidungen wie auch deren Rekonstruktion erleichtert. So ist zunächst einmal der Umstand gemeint, daß rechtliche Fälle, jeweils nach Gruppen geordnet, i m vorhinein an bestimmte Kompetenzen zur Entscheidung überwiesen sind. Dies ermöglicht von vornherein eine höhere Stabilisierung des Entscheidungsvorganges gegenüber solchen Bereichen, i n denen die Entscheidungszuständigkeit nicht fixiert ist. Diese „Autoritätsbindung" des Rechtsdenkens kann zu einem Auseinanderfallen von Rationalität und Voraussehbarkeit führen, wenn bei gegebenem Spielraum für eine Entscheidung diese i m großen und ganzen dem Belieben des Entscheidenden anheimgestellt würde. Die Voraussehbarkeit hingegen w i r d dadurch erreicht, daß eine einmal getroffene Entscheidung i m großen und ganzen reproduziert wird, wenn nur der zugrundeliegende Sachverhalt gleich oder doch ähnlich ist. Da Fälle i m allgemeinen nicht erst individuell, sondern schon nach Typen bestimmt an Instanzen zur Entscheidung zugewiesen werden, ist auch zumeist gewährleistet, daß die zur selben Sachtype gehörenden Fälle auch vor ein und dieselbe Autorität gelangen und sohin einer gleichen Entscheidimgspraxis zugeführt werden. A u f diese Weise kann selbst bei Annahme einer irrationalen Struktur des Auswahlaktes letztlich doch von einer Voraussehbarkeit der Entscheidung i m Rechtsbereich ausgegangen werden. Diese letztere Form der Voraussehbarkeit verfügt aber über keine innere Rekonstruierbarkeit der Entscheidung: Letztlich läge die Begründung i m Verweis auf die Entscheidung selbst und die bisherige einschlägige Entscheidungspraxis. Eine innere Rekonstruierbarkeit 4 9 könnte aber dadurch erreicht werden, daß die oder doch einige Voraussetzungen 50 beschrieben würden, unter denen der ist, der „ . . . als rhetorischer Begriff alle i n der Redekunst anwendbaren H i l f s m i t t e l , . . . f ü r die Uberzeugung des Richters . . . " umfaßt. 49 I m m e r vorausgesetzt, daß der formale u n d materiale Delegationszusammenhang m i t den übergeordneten präjudiziellen Rechtsnormen nicht verletzt ist. 50 z. B. soziologische oder psychologische.

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T e i l I V : Modalitäten des

echtsdenkens

Kompetenzträger zu seinen Entscheidungen k o m m t 5 1 oder daß angegeben würde, unter welchem normativen Bezugsrahmen der Richter die Entscheidung finden solle 52 . Damit wäre zwar eine innere Rekonstruierbarkeit der Entscheidung durch andere Subjekte als den Entscheidungsträger selbst ermöglicht; dabei wäre aber zu beachten, daß die Voraussetzungen der Rekonstruktion selbst wieder nicht intersubj e k t i v akzeptiert zu sein brauchten, j a gar nicht den Anspruch auf Akzeptierbarkeit erheben müßten. Dies aber wäre wiederum ein Umstand, der allgemein die Rationalität und damit auch die des rechtlichen Denkens erheblich i n Frage stellen würde. Vielmehr muß ein Denken, u m rational zu sein, nach Grundsätzen verfahren, die allgemein zugänglich und die weder subjektiv disponibel sind noch subjektiv w i l l kürlich gesetzt sind 5 3 , sondern die jeder beachten muß 5 4 , wenn er auf Ergebnisse Wert legt, deren Annahme möglichst weit durch eine von Vernunft ermöglichte freie Einstimmung und möglichst wenig durch dogmatische Autorität nahegelegt wird. A u f diese Weise scheint dem Ansatz nach die Autonomie des rechtlichen Denkens gegenüber „berichtigenden Federstrichen" des Gesetzgebers gewährleistet 55 . Die Wahl zwischen Alternativen für eine Entscheidung wäre demnach überall dort, wo dies vom Recht selbst nicht getroffen ist, vor einem Hintergrund zu sehen der die freieste Zustimmung zur Wahl ermöglicht. 51

ζ. B. eine Richtersoziologie u n d -psychologie. z.B. eine bestimmte Gesellschaftsauffassung m i t hinlänglich deutlicher Bezeichnung der Interessen, die zu bevorzugen sind. 53 E t w a v o m Gesetzgeber. 54 Hier bietet sich ein Ansatz f ü r eine alternative Begründung der prozedural-ethischen Prinzipien i n der F o r m einer technischen Norm. Dieser A n satz k a n n jenen Positionen die Annahme dieser Prinzipien ermöglichen, die ansonsten dem Wertproblem skeptisch, w e n n nicht gar ablehnend gegenüberstehen. Die S t r u k t u r einer technischen N o r m besteht i n der Angabe einer Mittel-Zweck-Relation, etwa: „ W e n n d u A willst, dann mußt d u Β tun." Abgesehen davon, daß sich das Wertproblem nicht mehr i n voller Schärfe stellt, gibt es hier die Möglichkeit weitestgehender intersubjektiver, j a häufig sogar empirischer Nachprüfbarkeit, was schon aus einer G r u n d frage, die die technische N o r m aufdrängt, hervorgeht: Ist das vorgeschlagene „ M i t t e l " tauglich, den Zweck zu erreichen? I n der juristischen Methodenlehre w i r d diese Frage gerne als Abfragen der Folgen formuliert. Dazu: Weber, M.: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. 3. Aufl., Tübingen 1968, 505 ff.; Brecht , Α.: Politische Theorie. Tübingen 1961, 275; neuestens zum Charakter der Grundnorm Kelsens als technischer N o r m : Aarnio , Α.: Denkweisen der Rechtswissenschaft. Wien - New Y o r k 1979. 52

M Vgl. den berühmten Ausspruch von J. Η. υ. Kirchmann: „ D r e i berichtigende Worte des Gesetzgebers u n d ganze Bibliotheken werden zur M a k u l a t u r " . Die Wertlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaaft. Nachdruck Darmstadt 1969, 25; dazu: Kaufmann , Α.: Rechtsphilosophie i m Wandel. F r a n k f u r t a. M . 1972, 24 f.; Larenz, K . : Über die Unentbehrlichkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft. B e r l i n 1966; weitere Nachweise bei Schild, W.: „ D r e i berichtigende Worte des Gesetzgebers u n d ganze Bibliotheken werden zur M a k u l a t u r " . I n : Kaufmann, A . / Küchenhof f, G. / Zippelius, R.: (Hrsg.): W E X 11 Rechtsphilosophie. Karlsruhe 1976, 65 ff.

4. Die Rollen- u n d Verfahrensgebundenheit des R e c h t s d e n k e n s 1 6 7

Einen solchen Hintergrund bieten die ethisch begründbaren prozeduralen Prinzipien, die oben dargestellt wurden. Was sich nicht vor ihnen vertreten läßt, ist jedenfalls schwächer gesichert als das, das vor ihnen Bestand hat. A n diesem Punkt weist das Rechtsdenken ein wichtiges Differenzierungskriterium auf: Während i n einer Argumentation, die nicht notwendig auf eine Entscheidung h i n angelegt ist 5 6 , bei Gleichwertigkeit der Argumente oder bei nicht möglichen oder nicht endgültigen K l ä rungen eine Entscheidung i n Schwebe bleiben kann oder sogar verweigert werden darf, gilt für das Rechtsdenken der Zwang zur Entscheidung, der regelmäßig auch zeitlich gegeben ist 5 7 : Dort, wo unentscheidbare Räume sind — sei es mangels weiterer Argumente oder auch mangels Zeit —, hat die Rechtsautorität die Aufgabe der Entscheidung. Ihre Entscheidungen sind rational, soweit sie nur eine der — ansonsten unentscheidbaren — rational vertretbaren Alternativen wählt. Diese Rationalität der Entscheidung gründet sich dann nicht unmittelbar auf einen konsensfähigen Inhalt der Entscheidung, sondern auf die Notwendigkeit, einen Dissens allgemein verbindlich zu beenden. Letzteres wiederum darf i n Anbetracht der Funktion des Rechts, offene Orientierungsfragen verbindlich zu beantworten, als vernünftig bezeichnet werden. Diese Vernünftigkeit wiederum verleiht der Entscheidung den Anspruch auf intersubjektive Akzeptierbarkeit. Zusammenfassend kann also festgehalten werden, daß die Rollenbindung i m Rechtsdenken nicht zu einer Beeinträchtigung der Rationalität führen muß, wohl aber einen eigenen Modus für das Rechtsdenken darstellt. Den Rechtsregeln, die die Kompetenz für die entscheidungsbefugten Organe bilden, die deren Tätigwerden regeln, sowie dem rechtlichen Verhältnis, i n dem diese Organe bzw. ihre Tätigkeit zu den anderen Teilen einer Rechtsordnung stehen, können bestimmte Rolleribüder dieser Organe entnommen werden. Einige dieser Rollen sind, zumindest für den europäisch beeinflußten Kulturkreis, i n den meisten Rechtsordnungen aufzufinden, so ζ. B. die Rolle des „Richters" oder des 56 So ist etwa die philosophische Erörterung der Frage des Widerstandsrechts nie abgeschlossen; ein Abschluß wäre wahrscheinlich sogar ein Hinweis auf eine Rationalitätsverkürzung. 57 Diese Differenzierung des Rechtsdenkens ist als „Rechtsverweigerungsverbot" nicht n u r v o m Standpunkt irgendwelcher Theorien aus legitimiert, sondern ist auch i m positiven Recht, vor allem i n den Verfahrensrechten verankert. Die Verfahrensrechte wiederum versuchen, v o m Verfahren her eine möglichst große Gewähr dafür zu bieten, daß die Entscheidung so w e i t w i e möglich „richtig" ist. Dies k a n n ζ. B. durch den Hinweis auf Verfahrensgrundsätze wie „audiatur et altera pars" deutlich gemacht werden, dessen normative Existenzberechtigung allein schon durch die Erfahrungstatsache erhärtet w i r d , daß seine Nichtbeachtung i n vielen Fällen zu Entscheidungen führen würde, deren Basis nicht alle Aspekte des zu entscheidenden V e r haltes abdeckte.

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T e i l I V : Modalitäten des

echtsdenkens

„Politikers", m i t welchen Rollen die methodologisch orientierte Unterscheidung des Rechtsdenkens i n „de lege lata" und „de lege ferenda" weitgehend parallel läuft. Perelman 58 beschreibt diese beiden Rollen dadurch, daß er ihre normativen Strukturen darlegt. Tammelo 59 versucht eine Beschreibung der normativen Rahmen, innerhalb der diese Rollen funktionieren. Eine ontologische Begründung dieser Rollen, vor allem aber der des Richters, hat Marcie geliefert 60 . Die genaue Beachtung dieser Rollen und ihre nicht nur allgemeine, sondern je bereichsspezifische Adaptierung i m positiven Recht trägt erheblich zur Voraussehbarkeit rechtlicher Entscheidungen bei. Auch hinsichtlich dieser Rollen kann, was aber hier nur mehr angedeutet wird, der Versuch unternommen werden, sie i n prozedurale Kriterien normativer A r t zu übersetzen, ja, sie, wenigstens zum erheblichen Teil, sogar zu formalisieren 61 .

58

z. B. Uber die Gerechtigkeit. München 1967. Z u r Philosophie des Überlebens. Freiburg - München 1975, insbes. „ Z w e i ter Teil", 91 ff. 60 V o m Gesetzesstaat zum Richterstaat. Wien 1957. 61 Diese Möglichkeit sehe ich aufgrund des Versuches von Tammelo (Theorie der Gerechtigkeit) u. a., die Rolle des Richters, der sich unter der A n f o r derung von Gerechtigkeit weiß, i n Normierungen f ü r das richterliche V e r halten aufzulösen. 59

Nachwort Wenn auf möglichst knappem Raum das beschrieben werden soll, was i m Rahmen dieser Arbeit beabsichtigt war und wohin die weiteren diesbezüglichen Absichten führen sollen, so darf zur heuristischen Verdeutlichung auf die aristotelische Konzeption des Argumentierens zurückgegriffen werden. Danach gibt es mindestens drei Gesichtspunkte, unter denen Differenzierungen vorzunehmen sind: Die Apodiktik besteht darin, daß von unstrittigen ersten Prämissen über logische Verfahren Ableitungen vorgenommen werden. Die Dialektik geht von lediglich wahrscheinlichen — probablen oder plausiblen — Prämissen aus, wobei dann mindestens zwei, wenn nicht gar mehrere Schlußfolgerungen möglich sind. Die einschlägige Argumentation ist hinsichtlich der verwendeten Verfahren der Apodiktik zumindest verwandt: sie umfaßt neben den deduktiven auch die reduktiven und die Analogieverfahren — i n der Hauptsache jene Verfahren, die i m Teil I vorgestellt wurden. I h r Ziel ist es, aus der lediglich wahrscheinlichen Prämissenbasis eine der sich als möglich anbietenden Schlußfolgerungen als „richtig" oder doch als „angemessen", jedenfalls aber als „vertretbarer" auszuweisen. Die Rhetorik geht zunächst ebenfalls von wahrscheinlichen — probablen oder plausiblen — Prämissen aus, sie begnügt sich aber nicht m i t der Anwendung der erwähnten, irgendwie durch Impersonalität gekennzeichneten Verfahren, sondern fordert darüber hinaus die Mobilisierung der Wertungsfähigkeit des Menschen. Die Apodiktik w i l l ersichtlich ohne subjektive Leistung des „Erkennenden" auskommen; die einschlägigen Argumente sollen aus sich selbst heraus tragen und von sich selbst, ohne subjektives Zutun, überzeugen. Die Dialektik beruht zwar auf apodiktischen oder verwandten Verfahren, w i r d jedoch eine Begründung für die ins Verfahren eingebrachten Schritte gefordert, ζ. B. für eine Prämisse oder eine Kontrollinstanz, so reichen diese Verfahren nicht mehr aus. Bereits i n diesen Fällen muß es zu einer — egal ob als irrational oder rational bezeichneten — Mobilisierung des subjektiven WertungsVermögens der am Argumentationsprozeß Beteiligten kommen. Diese beiden soeben skizzierten Positionen dürften m i t dem übereinstimmen, was i n der klassisch-positivistischen Wissenschaftskonzeption

170

Nachwort

als allein angängig betrachtet w i r d : das u m wissenschaftliche Aussagen bemühte Subjekt darf sein Wertungsvermögen entweder überhaupt nicht oder doch n u r i m „Nachvollzug", also nur i n einer als heteronom charakterisierten Weise mobilisieren. Die Bewältigung, auch wissenschaftlicher A r t , des Bereiches, den die Rhetorik anspricht, baut hingegen von vornherein auf einer Mobilisierung des Wertungsvermögens des Argumentierenden auf. Das wiederum ist für die geschilderte Wissenschaftskonzeption kein unmittelbar legitimer Gegenstand. Seitdem sich auf die Apodiktik, wenn überhaupt, nur mehr einige logische Systeme berufen können, ist sie für einen erheblichen Teil der Wissenschaften nur mehr i n formalen Belangen, die zumeist m i t der intersubjektiven Rekonstruierbarkeit ihrer Aussagensysteme zu t u n haben, vorrangig. Deshalb legt sich so ein Wissenschaftskonzept nahe, das neben der Rekonstruierbarkeit der Denk- und Diskussionsschritte auch wieder deren Akzeptierbarkeit verlangt: man kann sich daher nur schwer von jenem Bereich abwenden, der die Mobilisierung der Bewertungsfähigkeit verlangt. Wenn auch die Akzeptierbarkeit solcher Denkschritte nicht unbedingt als zwingendes Ergebnis einer als absolut verstandenen formalen wie materialen Vernunft auftritt, so heißt dies deshalb noch nicht, daß die erzielte Akzeptierbarkeit entweder ausschließlich oder doch überwiegend n u r über psychologisch-persuasive oder ähnliche Mechanismen vermittelbar wäre. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Zunächst muß zur Erreichung von Rationalität, wie sie hier vorgestellt wurde, auf den gesamten Erfahrungsschatz zurückgegriffen werden, den es an bewährten Problemkonstituierungs- und Lösungsmustern gibt; Muster sowohl i n vertikaler d. h. i n historischer, als auch i n horizontaler, d. h. i n einer nach Aufgabenbereichen i n einer Gesellschaft und nach Wissenschaftsdisziplinen differenzierten Hinsicht. Eine A n t w o r t muß also, ganz gleich, wie sie ausfällt, zunächst auch vor dem vertikalen und horizontalen Hintergrund der einschlägig vorhandenén, irgendwie auch methodisch als befriedigend bezeichenbaren Lösungsvorschläge Bestand haben können. Die Akzeptierbarkeit stellt sich auch deshalb nicht n u r innerhalb des Wirkungskreises persuasiv-eristischer Methoden ein, w e i l i n einer breiten, oftmals aber nicht genützten Weise Möglichkeiten für die Anwendung logischer und zetetischer Verfahren bestehen: so z.B. über den Einsatz des komparativen Denkens oder über hinsichtlich des Bewertungsanteils differenzierte reduktive Verfahren. Schließlich ist auch eine Wahl zwischen mehreren Alternativen m i t den geschilderten Verfahren kontrollierbar; Alternativen, die sich i n solchen Verfahren als mangelhaft erweisen, sind m i t gutem Grund eliminierbar, wie etwa

Nachwort

der Hinweis auf die Möglichkeiten der Folgendiskussion machen kann.

deutlich

Aber auch die Bewertung, die Dezision selbst, muß nicht von vornherein als irrational betrachtet werden: auch sie erfolgt, wie das praktische Hechtsdenken zumeist veranschaulicht, unter der Geltung ganz bestimmter Regeln, denen sich der Bewertende jedenfalls dann nicht entziehen kann, wenn er sich nicht von dem V o r w u r f mangelnder oder jedenfalls nicht ausgeschöpfter Möglichkeiten von Rationalität aussetzen w i l l ; u m ein gängiges B i l d zu gebrauchen: Wer ein Werturteil setzt, verliert bei Nichtbeachtung dieser Regeln seine Mitgliedschaft i m „Forum der Vernunft", auf dem sich der jeweilige praktische Diskurs realisieren soll. Diese Regeln, die sich zumindest i n den untersuchten Fällen auch als Bestandteil der Rechtskultur auszuweisen vermögen, sind jedenfalls insoweit zunächst ethischen Ursprungs, als sie sich an den Einzelnen richten und diesen über seine Person und Situation hinaus auf Maßstäbe verweisen, die für i h n indisponibel sind, wenn er nur bestimmten, zumeist rechtskulturell, wenn nicht gar anthropologisch begründbaren Standards entsprechen w i l l . Diese Regeln sind, wie an einigen Beispielen zu zeigen versucht wurde, über ihren ethischen Ursprung hinaus auf die Ebene des Verfahrensmäßigen und sodann sogar auf die des verfahrensmäßig Rekonstruierbaren übersetzbar. Die Grenze, ab der innerhalb des rechtlichen Denkens die Akzeptierbarkeit nicht mehr von Rekonstruierbarkeit begleitet ist, kann gewiß noch weiter hinausgeschoben werden; ob sie allerdings gänzlich beseitigt werden kann, darf m i t guten Gründen bezweifelt werden. Die Grenz Verschiebung, die jedenfalls noch möglich ist, kann auf zwei Ebenen gesehen werden: Die erste Ebene besteht i n dem sich ständig erweiternden Vorrat an bewährten Lösungen bzw. Lösungsmustern und -Instrumenten innerhalb der einzelnen Rechtsbereiche. Diese Ebene war aber nicht unmittelbar Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Die zweite Ebene, auf der der erwähnte Grenzpunkt i m Rechtsdenken hinausgeschoben werden kann, und der diese Arbeit über das vorliegende Ausmaß hinaus verpflichtet ist, besteht i n der konstruktiven Frage nach den generativen Elementen, derer man sich bei einer Bereicherung der ersten Ebene bedienen soll und kann. Damit sind jene ethischen Regeln angesprochen, deren Begründung, Rolle und deren Übersetzung i n ethisch-prozedurale und schließlich i n extern prozedurale i n dieser Arbeit zumindest i n einigen Hinsichten versucht wurde.

172

Nachwort

Wenn solche, auf die Bereicherung des Rechtsdenkens ausgerichteten Bemühungen eine objektive und sichtbare Richtung gewiesen erhalten sollen, so bedarf es noch der Klärung einer Reihe von Fragen, ζ. B. von weiteren, hier nicht unmittelbar angesprochenen ethischen Problemen, wie etwa dem Streben nach Gerechtigkeit. Solche Fragen sollen aber nach dem hier vertretenen Konzept erst nach ihrer Integration i n den sozialen Bereich, i n dem sie eingebettet sind, eine normative A n t w o r t finden. Eine solche Möglichkeit bestünde ζ. B. i m Versuch, die verschiedenen Rollen rechtsdogmatisch zu bestimmen, die nach den einzelnen Bereichen der österreichischen Rechtsordnung dem Richter jeweils zukommen. Der Erfolg solcher Unternehmungen w i r d aber nicht nur von philosophischen und insbesondere ethischen Einsichten und deren Anwendung abhängen, sondern auch davon, ob es gelingt, auf dem Gebiet der formalen Instrumente des Denkens Fortschritte zu erzielen, so ζ. B., ob auf dem für die verstehende Durchdringung des Rechtsdenkens wichtigen Gebiet der Theorie mehrstelliger Relationen neue Erkenntnisse geschöpft werden können. Rationalität ist unstreitig ein Hauptziel wissenschaftlichen Bemühens; was allerdings i h r Wesen ist, ist trotz aller Berechtigung der Frage nicht i n den Mittelpunkt gestellt. Vielmehr war es mein Anliegen, nur nach jenen normativen Bedingungen zu suchen, bei deren Beachtung, jedenfalls und zumindestens auf Grund der bisherigen Erfahrungen, berechtigte Hoffnungen bestehen, daß ein wenigstens gleiches, wenn nicht gar ein höheres, so doch jedenfalls kein geringeres Maß an einsichtsvoller Zustimmung i n der rechtlichen Argumentation möglich ist.

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