Die Idee vom deutschen Ständestaat: Ständische, Berufsständische und Korporative Konzepte zwischen 1918 und 1933 (German Edition) [1 ed.] 9783842808386

Die Weimarer Republik trat als erste deutsche Demokratie an, die alten Stände und Klasse abzuschaffen und die politische

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German Pages 140 [142] Year 2011

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Die Idee vom deutschen Ständestaat. Ständische, Berufsständische und Korporative Konzepte zwischen 1918 und 1933
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Das Phänomen der Ständestaatsideen von 1918 bis 1933
1.2 Aktueller Forschungsstand, Quellenlage und Hinweise zur Quellenrecherche
1.3 Vorgehensweise
2 Vorbetrachtungen
2.1 Begriffsbestimmungen
2.1.1 Ständestaat
2.1.2 Gliederung, Hierarchie und Organismus
2.1.3 Stand und ständische Staatsordnungen
2.1.4 Berufsstand und berufsständische Staats- oder Wirtschaftsordnungen
2.1.5 Korporationen, Korporativismus und korporative Staats- oder Wirtschaftsordnungen
2.2 Die Ständestaatsideen und Konzepte bis 1918
3 Die deutschen Ständestaatskonzepte von 1918 bis 1933
3.1 Theoretisch und wissenschaftlich begründete Konzepte
3.1.1 Der Universalismus (1921)
3.1.2 Das ‘Prinzip der Hierarchie’ bei Georg Weippert (1932)
3.1.3 Paul Karrenbrock und der völkische Berufsständestaat (1932)
3.1.4 Der ‘Drang zur Gemeinschaft’ bei Franz Jerusalem (1925)
3.2 Konfessionell begründete Konzepte
3.2.1 Der berufsständische Gedanke in der katholischen Soziallehre
3.2.2 Der protestantische Ständestaat bei Rudolf Craemer (1933)
3.3 Politisch begründete Konzepte
3.3.1 Altkonservative und Monarchisten
3.3.2 Jungkonservative
3.4 Nationalökonomisch begründete Konzepte: Die Werksgemeinschaftsideen
3.4.1 Ständestaat und Werksgemeinschaft
3.4.2 Die Werksgemeinschaften bei Paul Bang (1927)
3.4.3 Die berufsständische Weiterentwicklung des Werksgemeinschaftsgedankens bei Gerhard Albrecht (1932)
4 Schlussbetrachtung: Die Ständestaatskonzepte von 1918 bis 1933 zwischen Neuauflagen, Weiterentwicklungen und Neuentwicklungen.
4.1 Entwicklungsgeschichtliche und inhaltliche Gemeinsamkeiten
4.2 Die wesentlichsten Unterschiede
4.3 Alternative Klassifizierungsmöglichkeiten
4.4 Neuauflagen ständestaatlicher Konzepte: Typen und ihre Merkmale
4.5 Weiterentwicklungen ständestaatlicher Konzepte: Typen und ihre Merkmale
4.6 Neuentwicklungen ständestaatlicher Konzepte: Typen und ihre Merkmale
4.7 Fazit und Ausblick
5 Abbildungsverzeichnis
6 Literaturverzeichnis
6.1 Die deutschen Ständestaatskonzepte von 1918 bis 1933
6.2 Abhandlungen zu Teilfragen einer neuen ständestaatlichen Ordnung sowie unvollständige Ständestaatskonzepte aus dem Zeitraum von 1918 bis 1933
6.3 Weiterführende und zeitgenössische Literatur bis 1945 im Kontext der untersuchten deutschen Ständestaatskonzepte von 1918 bis 1933
6.4 Weiterführende Literatur nach 1945
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Die Idee vom deutschen Ständestaat: Ständische, Berufsständische und Korporative Konzepte zwischen 1918 und 1933 (German Edition) [1 ed.]
 9783842808386

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Sascha Bohn

Diplomica Verlag

Die Idee vom deutschen Ständestaat Ständische, Berufsständische und Korporative Konzepte zwischen 1918 und 1933

Sascha Bohn Die Idee vom deutschen Ständestaat Ständische, Berufsständische und Korporative Konzepte zwischen 1918 und 1933 ISBN: 978-3-8428-0838-6 Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2011 Covermotiv: © Bernd_Leitner - Fotolia.com

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden und der Verlag, die Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen. © Diplomica Verlag GmbH http://www.diplomica-verlag.de, Hamburg 2011

Mein größter Dank gilt Anke, ohne die dieses Projekt nicht möglich gewesen wäre.

Inhaltsverzeichnis 1 



Einleitung ................................................................................................................ 6  1.1 

Das Phänomen der Ständestaatsideen von 1918 bis 1933 ................................. 6 

1.2 

Aktueller Forschungsstand, Quellenlage und Hinweise zur Quellenrecherche. 9 

1.3 

Vorgehensweise ............................................................................................... 11 

Vorbetrachtungen................................................................................................. 15  2.1 

Begriffsbestimmungen..................................................................................... 15 

2.1.1 

Ständestaat ................................................................................................ 15 

2.1.2 

Gliederung, Hierarchie und Organismus .................................................. 16 

2.1.3 

Stand und ständische Staatsordnungen..................................................... 19 

2.1.4 

Berufsstand und berufsständische Staats- oder Wirtschaftsordnungen.... 22 

2.1.5  Korporationen, Korporativismus und korporative Staats- oder Wirtschaftsordnungen............................................................................................. 25  2.2  3 

Die Ständestaatsideen und Konzepte bis 1918 ................................................ 28 

Die deutschen Ständestaatskonzepte von 1918 bis 1933 ................................... 34  3.1 

Theoretisch und wissenschaftlich begründete Konzepte ................................. 34 

3.1.1 

Der Universalismus (1921)....................................................................... 35 

3.1.2 

Das ‘Prinzip der Hierarchie’ bei Georg Weippert (1932) ........................ 41 

3.1.3 

Paul Karrenbrock und der völkische Berufsständestaat (1932)................ 44 

3.1.4 

Der ‘Drang zur Gemeinschaft’ bei Franz Jerusalem (1925)..................... 48 

3.2 

Konfessionell begründete Konzepte ................................................................ 50 

3.2.1 

3.2.1.1 

Der Solidarismus bei Oswald Nell-Breuning (1932) ........................ 51 

3.2.1.2 

Die katholische Romantik bei August Pieper (1926)........................ 56 

3.2.2  3.3 

Der berufsständische Gedanke in der katholischen Soziallehre............... 50 

Der protestantische Ständestaat bei Rudolf Craemer (1933).................... 60 

Politisch begründete Konzepte ........................................................................ 63 

3.3.1 

Altkonservative und Monarchisten........................................................... 63 

3.3.1.1 

Der Ständestaat im altkonservativen und monarchistischen Kreis ... 63 

3.3.1.2 

Der monarchistische Ständestaat bei Max Wundt (1925)................. 64 

3.3.1.3 

Edgar Tatarin-Tarnheydens berufsständisches Rätesystem (1922) .. 67 

3.3.1.4 

Die Stein’sche Selbstverwaltungsidee bei Wolfgang Freiherr von Dungern (1928) ................................................................................. 71 

3.3.1.5 

Friedrich Everling und die Rückkehr zum ‘gesunden Mittelalter’ (1924) ................................................................................................ 75 

3.3.1.6 

Die ‚Steuergemeinschaften’ bei Julius Bunzel (1923)...................... 79 

3.3.2 

3.4 

Jungkonservative ...................................................................................... 82 

3.3.2.1 

Der ständische Gedanke unter Einfluss von Arthur Moeller van den Bruck ................................................................................................. 82 

3.3.2.2 

Der Korporativismus im Sinne von Max Hildebert Boehm (1920) .. 84 

3.3.2.3 

Die konservative ‘neuständische Verfassung’ nach Heinz Brauweiler (1925) ................................................................................................ 88 

3.3.2.4 

Die berufsständischen Gesetzgebungsausschüsse bei Heinrich Herrfahrdt (1919/1932) ..................................................................... 92 

3.3.2.5 

Autoritarismus und ständische Gliederung bei Edgar Jung (1927) .. 97 

3.3.2.6 

Der deutsche ‘stato corporativo fasci’ nach Carl Düssel (1933) .... 100 

Nationalökonomisch begründete Konzepte: Die Werksgemeinschaftsideen 104 

3.4.1 

Ständestaat und Werksgemeinschaft ...................................................... 104 

3.4.2 

Die Werksgemeinschaften bei Paul Bang (1927).................................. 105 

3.4.3  Die berufsständische Weiterentwicklung des Werksgemeinschaftsgedankens bei Gerhard Albrecht (1932) ............................. 108  4 

Schlussbetrachtung: Die Ständestaatskonzepte von 1918 bis 1933 zwischen Neuauflagen, Weiterentwicklungen und Neuentwicklungen. ........................ 111  4.1 

Entwicklungsgeschichtliche und inhaltliche Gemeinsamkeiten.................... 111 

4.2 

Die wesentlichsten Unterschiede ................................................................... 114 

4.3 

Alternative Klassifizierungsmöglichkeiten.................................................... 115 

4.4 

Neuauflagen ständestaatlicher Konzepte: Typen und ihre Merkmale ........... 118 

4.5 

Weiterentwicklungen ständestaatlicher Konzepte: Typen und ihre Merkmale ....................................................................................................... 119 

4.6 

Neuentwicklungen ständestaatlicher Konzepte: Typen und ihre Merkmale . 120 

4.7 

Fazit und Ausblick ......................................................................................... 123 



Abbildungsverzeichnis ....................................................................................... 126 



Literaturverzeichnis ........................................................................................... 127  6.1 

Die deutschen Ständestaatskonzepte von 1918 bis 1933............................... 127 

6.2 

Abhandlungen zu Teilfragen einer neuen ständestaatlichen Ordnung sowie unvollständige Ständestaatskonzepte aus dem Zeitraum von 1918 bis 1933 129 

6.3 

Weiterführende und zeitgenössische Literatur bis 1945 im Kontext der untersuchten deutschen Ständestaatskonzepte von 1918 bis 1933 ................ 132 

6.4 

Weiterführende Literatur nach 1945.............................................................. 137 

1 Einleitung 1.1 Das Phänomen der Ständestaatsideen von 1918 bis 1933 „Alle Deutschen sind vor dem Gesetze gleich. Öffentlich-rechtliche Vorrechte oder Nachteile der Geburt oder des Standes sind aufzuheben.“

Dieser Satz des Art. 109 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) sollte ab dem 11. August 1919 eine neue politische Epoche manifestieren: Alle Menschen sind gleich, die Überbleibsel der alten Stände sind Vergangenheit.1 Das 3-Klassen-Wahlrecht des Kaiserreiches wurde abgeschafft. Der Art. 21 lässt die Abgeordneten des Reichstages Vertreter des ganzen Volkes sein und nicht Vertreter eines Standes, ferner verspricht der Art.22 die freie und gleiche Wahl, unabhängig von Standeszugehörigkeiten: „Die Abgeordneten werden in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl von den über zwanzig Jahre alten Männern und Frauen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt.“ Die reaktionäre konservative Monarchie wurde durch die Novemberrevolution beseitigt. Sozialisten, Sozialdemokraten, Liberale und Demokraten arbeiteten an einer neuen Republik.2 Nur die Republikgegner und Antidemokraten beriefen sich noch auf die konstitutionelle Monarchie des Kaiserreiches oder suchten das Heil in neuen völkischen, nationalen Bewegungen.3 Ein einfaches ‚zurück’ war nach der Flucht des Kaisers am 10. November 1918 nur für wenige eine realistische Alternative. Egal ob das Ziel die Rätedemokratie, eine parlamentarische Monarchie oder den Ausbau des Weimarer Parlamentarismus darstellte: Die modernen demokratischen Ideen, die politische Gleichheit der Staatsbürger und der Parlamentarismus schienen nicht nur auf dem Papier in Deutschland angekommen zu sein.4 Auch die ersten Wahlergebnisse

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Vgl. Huber, Ernst Rudolf: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd 6, Die Weimarer Reichsverfassung, Stuttgart u.a. 1981, S. 29ff. und S. 104ff. Vgl. Büttner, Ursula: Weimar. Die überforderte Republik 1918 – 1933, Bonn 2008, S. 33f. und S. 103ff. Vgl. Sontheimer, Kurt: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik. Die politisches Ideen des deutschen Nationalismus zwischen 1918 und 1933, 3.Aufl., München 1992, S. 21ff., S. 114f. und S. 118ff. Vgl. zur demokratischen Basis der Weimarer Republik (u.a.): Zippelius, Reinhold: Kleine deutsche Verfassungsgeschichte. Vom frühen Mittelalter bis zur Gegenwart, 3. überarb. und erw. Aufl., München 1996, S. 125.

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zeigten eine demokratische Mehrheit, während gemäßigte und radikale antidemokratische Gruppen nur mäßigen Erfolg hatten.5 Da scheint es wie ein Paradoxon der Ideengeschichte: Plötzlich erblüht eine Begrifflichkeit neu, auf ein Mal werden Buchtitel veröffentlicht, die fernab demokratischer Ideen eigentlich dem Spätmittelalter zuzurechnen sind: der Ständestaat. Zwischen 1918 und 1933, den ersten Anfängen (Abdankung des Kaisers am 9.November 1918) und dem Ende (Ermächtigungsgesetz am 23.März 1933) der ersten deutschen Republik, gibt es eine beachtliche Anzahl von Konzepten, die eine neue ständestaatliche Ordnung formulierten. All jene Ständestaatskonzepte unterliegen einem Konsens: Staat und Gesellschaft sollen in Glieder eingeteilt werden und diese Glieder werden zu einem Bestandteil der staatlichen Ordnung. Der Staat ist kein Vertrag zwischen Einzelindividuen, Ausdruck einer Aristokratie oder Resultat des Willens eines Königs, sondern eine Summe von Gliedern, evtl. selbst nur ein staatstragender Teil des Gesellschaftsganzen. Der Einzelne ist kein Teil des Staates, sondern Teil eines Standes. Diese Stände sind Glieder des Staates und haben mehr oder weniger an der staatlichen Hoheit teil. Viele dieser Ideen brachen mit allen Idealen der modernen Demokratie: Georg Weipperts ‚Prinzip der Hierarchie’ oder Othmar Spanns ‚wahrer Staat‘ sind hierarchische Ständestaaten ungleicher Menschen. Bei anderen Konzepten hingegen (zum Beispiel der so genannte ‚Werksgemeinschaftsgedanke’ oder bei den berufsständischen Gesetzgebungsausschüssen von Heinrich Herrfahrdt) trägt die ständische Selbstverwaltung fast schon wieder moderne, auf Partizipation orientierte Züge. Es existiert ein breites Spektrum weiterer Ständestaatskonzepte, die in der Forschung weitestgehend vernachlässigt wurden. Ziel dieser Studie soll es deshalb sein, die Spannbreite dieser Ständestaatskonzepte aufzuzeigen sowie eine kurze Ideengeschichte dieser Ständestaatskonzepte zu bieten. Dabei wird eine möglichst vollständige Darstellung aller Konzepte angestrebt und die Frage gestellt, was wirklich neu an diesen Ideen ist und wo simple ideengeschichtliche Rückgriffe neu verpackt wurden. Es ist ebenso Anspruch dieser Studie, eine umfassende Literaturliste zum Forschungsthema vorzustellen. Dabei sollen nicht nur die im Sinne der Forschungsfrage untersuchten Werke aufgeführt werden, sondern auch all jene Werke, die nur Teile einer neuen ständestaatlichen Ordnung behandeln oder ein unvollständiges Ständestaatskonzept formulieren. Es ist nicht das 5

Vgl. Büttner, Ursula: Weimar. Die überforderte Republik 1918 – 1933, Bonn 2008, S. 802f. und S. 807f.

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Ziel, soziologische oder biografische Hintergründe der Autoren zu erfassen, die Wirkung und Bedeutung der genannten Ständestaatskonzepte zu analysieren, Ursachenforschung für antidemokratisches Denken zu betreiben oder sozial-psychologische Gründe für das Aufkommen der Ständestaatsideen zu finden.6 Die moderne wissenschaftliche Literatur zeigt ein gespaltenes Bild: Die einen offenbaren einen einheitlichen Ständestaatsgedanken unter dem Paradigma des ‚gliedhaften Organismus’.7 Dabei werden die Ständestaatsideen als organische Staatsauffassungen beschrieben, die sich gegen den mechanischen und künstlichen demokratischen Liberalismus stellen.8 Der Staat wird hier ‚Idee und Leben’, der „Inbegriff physischen und geistigen Lebens“9 mitsamt allen notwendigen Gegensätzen. Ohne Gegensätze, ohne eine Gliederung von Staat und Gesellschaft, wäre der Staat leblos. Doch kann man die Ständestaatskonzepte nach 1918 einfach unter der Formel des ‚lebendigen Staates’ vereinen? Die andere Richtung der Fachliteratur tendiert dazu, die Idee vom ständisch gegliederten Staat als Randphänomen unterschiedlicher antidemokratischer Zirkel zu betrachten.10 Diese stellten dem demokratischen Ideal ein hierarchisches Staatsbild gegenüber, das sich gegen jede Form der Gleichheit wehrte. Die demokratische Verirrung politischer Gleichheitsrechte, insbesondere das Recht der freien und gleichen Wahl, werde von diesen Zirkeln durch autoritäre Ständestaatsmodelle mit völkischem Hintergrund ersetzt.

Der

Ständestaatsgedanke

wird

hier

als

Hilfskonstrukt

konservativ-

revolutionärer, nationalkonservativer, deutsch-völkischer oder nationalrevolutionärer Ideologien vorgestellt. Die Vorherrschaft des Ökonomischen im staatlichen Bereich sollte gebrochen werden. Der Staat würde durch das Leitbild des ständisch gegliederten Staates seine Autorität und politische Hoheit zurückerhalten. Während letztere Exponenten wissenschaftlicher Literatur kaum Gemeinsamkeiten zwischen den Ständestaatsideen sehen und eher die Neuartigkeit korporativer und berufsständischer Ideen betonen, ziehen es die Erstgenannten vor, den Ständestaatsge6 7 8 9 10

Vgl. hierzu: Baeyer-Katte, Wanda von: Zerstörende in der Politik Eine Psychologie der politischen Grundeinstellung, Heidelberg 1958. Vgl. Sontheimer, Kurt: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik. Die politisches Ideen des deutschen Nationalismus zwischen 1918 und 1933, 3.Aufl., München 1992, S. 199ff. Vgl. ebd. S. 202f. Schmitt, Carl: Politische Romantik, 6.Aufl., Berlin 1998, S.117. Vgl. Breuer, Stefan: Grundpositionen der deutschen Rechten (1871-1945), Tübingen 1990, S. 132ff. Vgl. Breuer, Stefan: Ordnungen der Ungleichheit. Die deutsche Rechte im Widerstreit ihrer Ideen 1871-1945, Darmstadt 2001.

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danken als unbeholfenen Rückgriff in die mittelalterliche und romantische Ideenwelt zu betrachten. Lässt sich bei diesem Zwiespalt überhaupt eine Ideengeschichte beschreiben? Und wenn ja, vollzieht diese nur Neuauflagen alter Gedankenwelten oder stellt sie fernab der Begriffsverwendung unabhängige Neuentwicklungen des Ständestaatsgedankens dar? Kann man die Ständestaatskonzepte der Weimarer Republik wirklich pauschal beurteilen als antidemokratische, antimoderne Rückgriffe fast schon mittelalterlicher Ständestaatsideen? Gab es hierbei auch Weiterentwicklungen überkommener Ständestaatsideen? Sind die Ständestaatskonzepte zwischen 1918 und 1933 Neuauflagen, Weiterentwicklungen oder Neuentwicklungen?

1.2 Aktueller Forschungsstand, Quellenlage und Hinweise zur Quellenrecherche Eine Gesamtdarstellung der deutschen Ständestaatskonzepte aus der Nachkriegszeit existiert nicht. Lediglich Einzelabhandlungen z.B. zur Geschichte des Korporativismus, zur Ständelehre des Universalismus nach Othmar Spann oder dem Solidarismus liegen vor. Es gibt lediglich zwei umfangreiche Darstellungen der Ständestaatskonzepte von 193711 und 194112, die trotz nationalsozialistischer Bekenntnisse in den Vorworten und gelegentlich in den Kapitelfazits erstaunlich wissenschaftlich und neutral sind. Diese Gesamtdarstellungen können selbstverständlich keine detaillierte Analyse der Konzepte liefern und sprechen selten die Forschungsfrage dieser Studie an. Aus diesem Grund konnte die Analyse der Konzepte zum großen Teil nur ausschließlich anhand der Primärliteratur erfolgen. Leider sind viele exemplarische Werke, die die Konzepte der jeweiligen Repräsentanten genau darlegen, wie zum Beispiel Everlings ‚Stände im künftigen Staat’, heute nicht mehr frei verfügbar oder sind im Zuge des Nationalsozialismus oder in der DDR verloren gegangen.13 Zudem sind viele Werke in geringer

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Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937. Jöhr war Schüler des sozialkonservativen Soziologen und späteren Sympathisanten des Nationalsozialismus Werner Sombart. Jöhr bekundet zudem oftmals Sympathien für den Universalismus. Vgl. ebd. S. 102ff. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941. Vgl. Deutsche Verwaltung für Volksbildung in der sowjetischen Besatzungszone: Liste der auszusondernden Literatur, Berlin, 1947, hier: Titelnr. 1003 (Beyer, Justus).

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Auflage publiziert worden, weshalb heute nur noch wenige auffindbar sind. In solchen Fällen wurde auf Begleitschriften zurückgegriffen und das Ständekonzept rekonstruiert. Zunächst wurden alle primären und sekundären Quellen zusammengetragen, die sich mit der Thematik der Stände, Korporationen, Berufsständen und des Ständestaates beschäftigen. Die um Vollständigkeit bemühte Literaturrecherche im Vorfeld dieser Studie musste über sämtliche Literaturverzeichnisse, Fußnoten sowie Verweise innerhalb der Primärquellen erfolgen. Dabei wurden nicht nur die Primärquellen herangezogen, sondern auch die dort angegebenen Werke genutzt. Somit konnten schlussendlich alle Werke mit ständestaatlichem Bezug aus Deutschland zwischen 1918 bis 1933 zusammengetragen werden, auch jene Werke, die nur Teile einer neuen ständestaatlichen Ordnung behandeln oder ein unvollständiges Ständestaatskonzept formulieren. Unabhängig von der Begriffsdeutung wurden alle Ideen eines in sich komplett gegliederten Staates mit abgegrenzten, an Gesetzgebung und/oder Verwaltung beteiligten Gliedern, unter dem Topos des Ständestaates gesammelt. Von dieser Literatur wurden dann jene Quellen separiert, die ein näher definiertes Konzept für einen gegliederten Staat (in Form von Ständen, Berufsständen oder Korporationen) formulierten. Um die Fülle der Konzepte zu begrenzen, wurden nur solche Primärquellen näher untersucht, die sich ausschließlich oder mehrheitlich mit der Darstellung eines Ständestaatskonzeptes befassen. Dabei wurden bewusst vorzugsweise Originale herangezogen und keine Nachdrucke aus der Zeit nach 1933. Im Sinne der Forschungsfrage nicht untersucht wurden vermeintliche Ständestaatskonzepte, die lediglich soziologische oder philosophische Betrachtungen ohne einen staatsrechtlichen bzw. staatsorganisatorischen Anspruch darlegen.14 Der Universalismus und die Ständestaatslehre von Othmar Spann wurden mit einbezogen, obwohl Spann und die wichtigsten Exponenten des Universalismus Österreicher waren und dort vorwiegend wirkten. Abgesehen von der Tatsache, dass der Universalismus nach Spann das wohl bekannteste Ständestaatskonzept aus dem untersuchten Zeitraum darstellt, ist zudem der Einfluss auf die deutschen Ständestaatskonzepte so enorm, dass er in die Reihe der untersuchten Konzepte aufgenommen wurde. 14

Beispiele: Krannhals, Paul: Das organische Weltbild. Grundlagen einer neuentstehenden deutschen Kultur, 2 Bände, München 1928. Vgl. Lorenz, Joseph: Korporativer Aufbau. Gedanken und Anregungen, Olten 1933. Vgl. Planck, Mathilde: Der Berufsstaat, Jena 1920. Vgl. Vorwerck, Karl (Hrsg.): Die berufsständische Wirtschafts und Sozialordnung, Berlin 1933.

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Diese Studie behandelt auch berufsständische und korporative Konzepte und fasst sie terminologisch unter dem Begriff ‚Ständestaat’ zusammen. Denn wenn Menschen aufgrund gewisser Attribute in abgegrenzte Körperschaften zusammengeschlossen werden oder sich zusammenschließen und diese dann Teile des Staatsganzen sind, so fällt der korporative oder berufsständische Staat ebenfalls unter den Oberbegriff ‚Ständestaat’. In einigen Konzepten werden Korporationen gar als Synonym zu den Berufsständen oder Ständen selbst gebraucht.15 Literaturen, die sich nur mit Teilfragen der Stände oder eines Ständestaates befassen, wurden für die detaillierte Untersuchung ebenfalls ausgeschlossen, um das Bild im Sinne der Forschungsfrage ausschließlich auf Gesamtkonzepte zu lenken.16 Dennoch soll es ein Teilziel dieser Studie sein, eine möglichst umfassende Literatursammlung vorzulegen. Aus diesem Grund wurden alle in Deutschland erschienenen Werke mit ständestaatlichem Bezug aus dem untersuchten Zeitraum im Literaturverzeichnis aufgeführt.

1.3 Vorgehensweise Intention dieser Studie ist es, im Sinne der Forschungsfrage nach Neuauflagen, Weiterentwicklungen und Neuentwicklungen eine umfassende Darstellung und Ideengeschichte der ständischen, berufsständischen und korporativen Konzepte zwischen 1918 und 1933 zu liefern. Aus diesem Grund wird die Geschichte der Ständestaatsideen bis 1918 nur dahingehend angesprochen, insofern sie für ein Grundlagenverständnis und den

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Vgl. Heinrich, Walter: Das Ständewesen. Mit besonderer Berücksichtigung der Selbstverwaltung der Wirtschaft, 2.Aufl. Jena 1934, S. 36. Bernhard, Georg: Wirtschaftsparlamente, Wien 1923; Brewe, Hermann: Hinaus aus dem Finanzelend. Das Problem der berufsständischen Verfassung und Vertretung in seiner Bedeutung für die nationale und wirtschaftliche Not, Dresden 1931; Frauendorfer, Max: Der ständische Gedanke im Nationalsozialismus, München 1932; Latrille, Ernst: Der berufsständische und der Rätegedanke in ihrer Beziehung zur modernen Staatsidee, Berlin 1926; Lorenz, Joseph: Korporativer Aufbau. Gedanken und Anregungen, Olten 1933; Schneider, Fritz: Berufsständische Selbstverwaltung. Flugschriften zur Schaffung sozialen Rechts, Stuttgart 1920; Sodenstern, Hans von: Die Stände im künftigen Staat, Berlin 1930; Tiede, Heinrich Maria: Vom Klassenstaat zum Ständestaat, Berlin-Leipzig, 1933; Ferner die Ausführungen bei Spengler, Oswald: Der Untergang des Abendlandes, Bd.2, München 1930.

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analytischen Rahmen der Studie notwendig sind.17 Ebenfalls ist es natürlich nicht Gegenstand dieser Studie, bloße Neuveröffentlichungen älterer Ständestaatskonzepte mit dem Ziel ihrer Heranziehung zu Gegenwartsfragen zu behandeln.18 Die Ständestaatskonzepte wurden nach ihrem weltanschaulichen Hintergrund bzw. Entstehungszusammenhang geordnet, welches die einzige zielbringende Methode zu sein schien. Die Ableitung aller ständestaatlichen Konzepte anhand einer gemeinsamen geistigen Grundlage ist nicht möglich.19 Weder begriffliche Definitionen, politische Hintergründe oder eine gemeinsame Ideologie lassen eine Verwandtschaft aller Konzepte zu. Wohl möglich ist jedoch eine Differenzierung unterschiedlicher Gruppen hinsichtlich eines gemeinsamen politischen Erlebnisses, einer theoretischen oder gar wissenschaftlichen Grundhaltung, eines gemeinsamen konfessionellen Hintergrundes oder seitens eines Vertretungsanspruches einzelner Interessengruppen. Eine Ordnung nach Schlagwörtern ist nicht zielführend, da oftmals Begriffe schwammig oder äußerst variabel genutzt werden. Einzig eine zeitliche Ordnung könnte ähnlich aussagekräftig sein, wenn die Konzepte vor dem Hintergrund der Phasen der Errichtung, Stabilität und dem Zerfall der Weimarer Republik betrachtet werden. Aus diesem Grund wird das Jahr der Erstveröffentlichung des Konzeptes bzw. der Erstformulierung des jeweiligen Ständekonzeptes angegeben. Ein möglicher Zusammenhang zwischen den Erfahrungen mit der Weimarer Republik und der Formulierung eines Ständestaatskonzeptes wird in die Auswertung im Schlussteil mit aufgenommen werden. Beginnen wird die Studie mit einer theoretischen Vorbetrachtung, die die wichtigsten Schlagworte und Begriffe näher definiert sowie eine kurze Ideengeschichte des Ständestaatsgedankens darstellt. Insbesondere die Darstellung der wichtigsten Ständestaats-

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Einen groben Überblick der gesamten Ideengeschichte ständischer, berufsständischer und korporativer Ideen liefert alleine Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937. Aus diesem Grund werden diese Konzepte explizit als ‚überkommene Ständestaatskonzepte’ differenziert. Beispiele solcher Neuveröffentlichungen: Baxa, Jakob (Hrsg.): Gesellschaft und Staat im Spiegel deutscher Romantik. Die staats- und gesellschaftswissenschaftlichen Schriften deutscher Romantiker, Jena 1924. Botzenhart, Erich: Die Staats- und Reformideen des Freiherrn vom Stein. Erster Teil, die geistigen Grundlagen, Tübingen 1927. Curtius, Julius: Bismarcks Plan eines Volkswirtschaftsrates, historisch-politische Studie, Heidelberg 1919 Knoll, August M.: Karl von Vogelsang und der Ständegedanke, Paderborn 1931. Oppeln-Bronikowski, Friedrich von: Reichswirtschaftsrat und berufsständischer Gedanke, Berlin 1920. Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S.19.

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ideen bis 1918 sollen mögliche Rückgriffe der untersuchten Ständestaatskonzepte erkennbar machen. Hierauf folgt der analytische Teil dieser Studie. Es wurden drei Kategorien ausgewählt, die als vergleichbare Merkmale analysiert werden und im Sinne der Forschungsfrage wesentliche Anhaltspunkte bieten. Zu Beginn soll die Genealogie und Selbstdarstellung des jeweiligen Konzeptes sowie die offen oder versteckt verwendeten Quellen einen Anhaltspunkt liefern, inwieweit sich die Autoren selber bewusst oder unbewusst in eine Ständestaatstradition stellten. Dabei werden auch die Grundaussagen erläutert werden. Die Genealogie des Konzeptes soll zudem aufzeigen, welche Strömungen oder Verbindungen untereinander existieren, um eventuelle ideologische Kontinuitäten darstellen zu können. Zweitens sollen die Stellungnahmen zu den Prinzipien des Parlamentarismus und der Demokratie (insbesondere die allgemeine und gleiche Wahl) den Umgang mit den politischen Entwicklungen im 19. und 20. Jahrhundert darstellen. Dem überkommenen Ständestaatsverständnis zu Eigen war die politische Ungleichheit der Menschen, die in Stände mit ungleich verteilten Rechten zusammengefasst wurden. Die aufkommenden liberalen und demokratischen Bestrebungen waren dieser Ungleichheit und Gliederung fundamental entgegengestellt. Für die Ständestaatskonzepte nach 1918 war das liberale und demokratische Menschenbild sogar verfassungsrechtliche Realität. Der Umgang mit dieser Entwicklung oder gar eine Anpassung an diese Tendenzen stellt möglicherweise eine Neu- oder Weiterentwicklung des Ständegedankens dar. Mit der Darstellung der Staatsorganisation und der Struktur der ständischen Gliederung sollen zuletzt die strukturellen Merkmale der Konzepte analysiert und aufgezeigt werden. Die realen Stände des Mittelalters, die Ständekonzepte von Platon bis Adam Müller beispielsweise waren strikt vertikal, also pyramidenartig gegliedert. Eine vertikal gegliederte Ständeordnung ist nach oben ausgerichtet. Der Ständestaat bildete hier eine strikte Hierarchie. Eine Abweichung von diesem Prinzip würde Aufschluss über eine Neuentwicklung geben. Denkbar wäre eine strukturelle Differenzierung.20 Die Stände oder Korporationen würden hier horizontal gegliedert oder bestehen ohne strikte pyramidenförmige Staatsorganisation. Eine Annäherung an dieses 20

Siehe auch: Barlösius, Eva: Artikel Differenzierung und Differenzierung, strukturelle, in: FuchsHeinritz, Werner (Hrsg.)Lexikon zur Soziologie. 4., grundlegend überarbeitete Auflage, Wiesbaden 2007, S. 137.

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Prinzip gibt weiteren Aufschluss über mögliche Neuentwicklungen. Ebenso soll analysiert werden, ob es zwischen den Ständen soziale Mobilität geben soll oder eine strikte Trennung vorgesehen ist. Eine solche Durchlässigkeit zwischen den Standesschranken gibt ebenfalls Aufschluss auf Rückgriffe oder Neuentwicklungen. Denn nicht nur das mittelalterliche Ständebild war gekennzeichnet von festen Standesschranken ohne oder mit geringer sozialer Mobilität. Eine Neuauflage wäre somit ein Konzept, das eine bewusste Verwandtschaft mit älteren Konzepten aufzeigt und jenes überkommene Konzept quasi an die Verhältnisse der Weimarer Republik anpasst. Es lehnt den neuen Parlamentarismus, die Demokratie und die politische Gleichheit ab und beschreibt im Sinne der traditionellen Ständestaatsauffassung eine strikte vertikale Gliederung. Eine Neuentwicklung kommt ohne ein Bekenntnis zu älteren Ständestaatskonzepten aus und versucht eine komplette Erneuerung des Ständegedankens. Diese Neuentwicklung kann auch eine Anpassung an die Weimarer Verfassung, an den Gedanken der Demokratie, die politische Gleichheit oder den Parlamentarismus bedeuten. Das Konzept weicht eventuell von der strikten vertikalen Gliederung ab, formuliert aber definitiv eine neue Form der Gliederung. Zum besseren Verständnis der Einzelanalysen sollen einfache Diagramme zu jedem der untersuchten Ständestaatskonzepte helfen, Aufschluss über die staatsorganisatorischen Vorstellungen der Verfasser zu geben. Den Abschluss dieser Studie soll neben der Beantwortung der Forschungsfrage auch eine kurze inhaltliche Analyse bilden, bei der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen allen Konzepten aufgezeigt werden sollen.

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2 Vorbetrachtungen Zunächst ist es hilfreich, die wichtigsten Begrifflichkeiten und ideengeschichtlichen Hintergründe näher zu erläutern.

2.1 Begriffsbestimmungen Im Folgenden sollen jene Termini vorgestellt werden, die zur Analyse der Ständestaatskonzepte grundlegend sind.

2.1.1 Ständestaat Unter Ständestaat versteht man den Aufbau von Staat und Gesellschaft über Stände, welche unterschiedliche Rechte und Privilegien besitzen.21 Im Kontext dieser Arbeit soll ein ‚Ständestaat’ als eine Staatsform definiert werden, bei der Staat und Gesellschaft in klar umrissene, abgegrenzte, nach bestimmten Kriterien definierte Glieder aufgebaut ist. Diese Stände, Berufsstände oder Korporationen sind als staatliche und/oder gesellschaftliche Institutionen verfassungsrechtlich an der Gesetzgebung und/oder Verwaltung beteiligt.22 Ob diese Beteiligung auf gesamtstaatlicher Ebene erfolgt oder durch umfangreiche Selbstverwaltungskompetenzen ist dabei kein Ausschlusskriterium. Diese Definition schließt all jene Konzepte mit ein, die sowohl den Ständen, Berufsständen oder Korporationen die alleinige exekutive und legislative Selbstverwaltung oder Staatsführung gewähren wollen, aber auch jene Konzepte, die eine entscheidende Beteiligung der Stände (etwa im Sinne einer gleichberechtigten zweiten Kammer im Parlament) befürworten.

21

22

Vgl. Drechsler, Hanno : Art. Ständestaat in: Drechsler, Hanno/Neumann, Franz (Hrsg.): Gesellschaft und Staat. Lexikon der Politik, 10.Aufl., München 2003, S. 940. Vgl. Fuchs-Heinritz, Werner/ Barlösius, Eva: Art. Ständestaat, in: Fuchs-Heinritz, Werner (Hrsg.): Lexikon zur Soziologie. 4., grundlegend überarbeitete Auflage, Wiesbaden 2007, S 630.

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Verwirklicht wurde der Ständestaat vor allem in den mittelalterlichen Gesellschaften.23 So war im frühen und hohen Mittelalter die Gesellschaft in Geburtsstände geschichtet: Adel, Freie und Unfreie. Absolutistische Machtansprüche der oberen Stände und Hemmnisse in der wirtschaftlichen und politischen Entfaltung durch die starre Gliederung der Gesellschaft führten im Zuge der Französischen Revolution bis ins 19.Jahrhundert zur Auflösung ständestaatlicher Strukturen. Ständestaatliche Bestrebungen und Programmatiken werden vornehmlich reaktionären oder konservativen Bewegungen zugeschrieben, die sich an der mittelalterlichen organischen Gliederung der Gesellschaft in Stände orientierten.24 Sie waren hier Ausdruck feudaler, halbfeudaler und kleinbürgerlicher Schichten gegen die Durchsetzung kapitalistischer Produktionsverhältnisse und der bürgerlichen Demokratie. Im Gegenzug zum althergebrachten, geschlossenen Ständebegriff charakterisiert die Berufsstände und Korporationen eine offenere, modernere Gesellschaftsauffassung.25 Ständestaatliche Strukturen existierten im Europa des 20. Jahrhunderts nur in autoritären oder faschistischen Systemen, wie z.B. der Korporativismus im faschistischen Italien, in Österreich 1934-1938 oder bis in die 70er Jahre in Spanien.

2.1.2 Gliederung, Hierarchie und Organismus Unter einer ständischen Ordnung versteht man, dass die Gesellschaft und/oder der Staat in bestimmte Glieder (Stände) eingeteilt werden. Diese Glieder sind durch bestimmte Werte, Herrschaftsordnungen, Interessen oder Aufgaben definiert.26 Je nach Begründung einer ständischen Ordnung von Staat und Gesellschaft werden diese Glieder ideell, strukturell oder staatsrechtlich in horizontaler oder vertikaler Form angeordnet.27

23

24 25 26 27

Vgl. Schwer, Wilhelm: Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters. Die geistes- und gesellschaftsgeschichtlichen Grundlagen der berufsständischen Idee, unveränderter Nachdruck, Paderborn 1970, S. 17ff. Vgl. Fuchs-Heinritz, Werner/ Barlösius, Eva: Art. Ständestaat, in: Fuchs-Heinritz, Werner (Hrsg.)Lexikon zur Soziologie. 4., grundlegend überarbeitete Auflage, Wiesbaden 2007, S 630. Vgl. Rosner, Ruth-Alice: Die geschichtliche Entwicklung der heutigen Idee des Ständestaates, Würzburg 1935, S.23. Vgl. Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S. 170f. Vgl. ebd. S. 217ff.

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Unter vertikaler Anordnung kann man die klassische Form einer Ständegesellschaft verstehen, die die Stände in eine strikte Hierarchie stellt.28 Diese Rangordnung kann einerseits durch Wertigkeit (z.B. Geistigkeit der Standesangehörigen, wie bei Othmar Spann), durch die Gewichtung und Zuweisung von Aufgaben (Platon)29 oder die Nähe des ständischen Verrichtungskomplexes zur Gesamtheit (etwa durch Anzahl der zu vertretenden Angehörigen oder der Bedeutung für die Gesamtheit30) erfolgen.

Quelle: Eigene Darstellung.

Die Hierarchie ist Grundlage der Ständelehre Platons, Thomas von Aquins oder Adam Müllers. Sie beruht auf der Vorstellung einer metaphysisch absoluten, unumstößlichen Ordnung. Sie bildet eine Einheit, die sich von oben nach unten entfaltet und ausgliedert. Mit jedem Grad der Ausgliederung mindert sich Wert und Rang. Die Hierarchie ist ein 28

29 30

Vgl. Schwer, Wilhelm: Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters. Die geistes- und gesellschaftsgeschichtlichen Grundlagen der berufsständischen Idee, unveränderter Nachdruck, Paderborn 1970, S. 93. Vgl. Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S. 219. Vgl. ebd. S. 221.

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Wertgefüge, eine Stufenordnung. Alle ständischen Glieder sind auf die Spitze ausgerichtet. Dennoch gibt es Raum für Dezentralisierung und Selbstverwaltung als Ausgleich für die teilweise oder vollständige politische Entmachtung unterer Stände bezüglich gesamtstaatlicher Entscheidungen.31 Eine horizontale Gliederung sieht keine strikte Rangordnung der Stände vor. Bereits in der Romantik wurden die Stände oft als gleichwertige, sich einander ergänzende Faktoren der Gesellschaft angesehen.32 Fehlende Hierarchie bedeutet jedoch nicht die Abschaffung von Standesunterschieden. Die horizontale Gliederung betont die Verschiedenheit und Eigenartigkeit33 sowie die Selbstverwaltung der einzelnen Glieder.34

Quelle: Eigene Darstellung.

31 32 33

34

Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 203/225. Vgl. Schneller, Martin: Zwischen Romantik und Faschismus. Der Beitrag Othmar Spanns zum Konservativismus der Weimarer Republik, Stuttgart 1970, S. 84. Vgl. den ‘Ständischen Kollektivgeist’: Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S. 222. Vgl. die unterschiedlichen ständischen Lebensformen: Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, Tübingen 1922, S. 637. Vgl. Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S. 194ff./218f.

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Aufgrund der unterschiedlichen ‚Standesehre’, dem Standesrecht, eigenen Formen der Erziehung oder dem Gerechtigkeitsempfinden sollen die Stände eine eigene Autonomie erhalten.35 Diese Auffassung ständischer Gliederung wird vor allem in den neueren berufsständischen und korporativen Konzepten vertreten. Dieses Nebeneinander der Stände findet in vielen Konzepten jedoch darin ihren Hintergrund, dass sie dem autoritären Staat untergeordnet sind und quasi ein Mindestmaß an Beteiligung der Bürger sichern sollen.36 Die Idee des organischen Aufbaus von Staat, Gesellschaft oder Wirtschaft wurde von verschiedensten politischen Gruppierungen aufgegriffen und diente oft als „Mädchen für alles.“37 Das Volk ist hierbei ein biologisch aufgebauter, geschlossener Körper, bestehend aus Zellen und Gliedern. Jede Zelle hat ‚seinen’ Platz im Körper, jede Zelle werde für das Leben des Organismus gebraucht.38 Nach 1918 wurde ‚organisch’ oder ‚Organismus’ für nahezu alles gebraucht, was den ‘neuen Staat’ oder die ‘neue Gemeinschaft’ auszeichnete. Es war ein Synonym für Einheit, Harmonie, Volkstum und einer natürlichen Gemeinschaftsauffassung.39 Elementar hierbei war die Gegenüberstellung von organisch und mechanisch. Die Weimarer Republik, der moderne Verfassungsstaat und die verfasste Demokratie waren mechanisch oder künstlich. Organisch war die neue Gemeinschaft, unabhängig was darunter verstanden wurde.

2.1.3 Stand und ständische Staatsordnungen Der Begriff ‘Stand’40 bezeichnet sozialhistorisch eine rechtlich und sozial abgeschlossene Schicht.41 Der Stand im politischen Sinne ist eine soziale, kulturelle und wirtschaftliche Gruppe von Menschen, die durch eine gemeinsame Stellung im sozialen Leben, Lebensgewohnheiten, Besitz, Herkunft, Bildung sowie Teilhabe am hoheitlichen 35 36 37 38 39 40

41

Vgl. Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S. 228ff. Vgl. Sontheimer, Kurt: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik. Die politisches Ideen des deutschen Nationalismus zwischen 1918 und 1933, 3.Aufl., München 1992, S. 201f. Ebd. S. 256. Vgl. Schmitt, Carl: Politische Romantik, 6.Aufl., Berlin 1998, S.114ff. Vgl. ebd. S. 258. Vgl. zur Wortherkunft und Entwicklung des Ständebegriffes: Schwer, Wilhelm: Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters. Die geistes- und gesellschaftsgeschichtlichen Grundlagen der berufsständischen Idee, unveränderter Nachdruck Paderborn 1970, S. 5ff. Vgl. Fuchs-Heinritz, Werner/ Barlösius, Eva: Art. Stand, in: Fuchs-Heinritz, Werner (Hrsg.)Lexikon zur Soziologie. 4., grundlegend überarbeitete Auflage, Wiesbaden 2007, S. 629 .

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Prozess42 den übrigen Menschen gegenüber eine dauernde Einheit bildet.43 Ein Stand definiert sich durch die Abgeschlossenheit in übereinstimmender Lebensführung und einem gemeinsamen Werteverständnis.44 In der Zeit zwischen 1919 bis 1933 wurde der Begriff in äußerst unterschiedlicher Weise genutzt45: Als „Teilganzes der Gesellschaft“46 (Der Universalist Othmar Spann), als „Urgestalten des Lebens“47 (Der Kulturhistoriker Oswald Spengler), als „Gruppen von Menschen […], die durch eine gemeinsame Stellung im sozialen Leben den übrigen Menschen des gleichen Gebiets gegenüber dauernd eine Einheit bilden“48 (Der Altkonservative Edgar Tatarin-Tarnheyden), als „…eine durch gleichartige soziale Stellung verbundene Einheit, im Rechtssinne ist es eine vom Staat anerkannte und in die Verfassung eingefügte Gliederung“49 (Der Monarchist Friedrich Everling), als „Verband, der eine bestimmte Aufgabe des Gemeinwesens erfüllt“50 (Der Wissenschaftler Walter Adolf Jöhr) oder „Unter Ständen verstehen wir die Gruppen innerhalb eines Volkes, welche sich bilden durch die Gleichheit der Lebensweise und die daraus hervorgehende Gemeinschaft der Anschauungen, Sitten und Ehrbegriffe“51 (Der nationalliberale Reichstagsabgeordnete Heinrich von Treitschke). Die Deutung des Begriffes hängt dabei im wesentlichen Maß davon ab, in welches weltanschauliches ‘System’ er eingeflochten wird. Der Autor des Werkes ‘Das Prinzip der Hierarchie’, Georg Weippert, fast die Stände ausschließlich als Rangordnungseinheit auf, als „…sichtbare Gestaltung rangmäßig geschichteter geistiger Inhalte.“52 Anders definiert der katholische Ständetheoretiker August Pieper die Stände: „Stand als

42 43 44

45

46 47 48 49 50 51 52

Vgl. Weber-Fas, Rudolf: Art. Stand, in: Lexikon Politik und Recht, Paderborn 2008, S. 276. Vgl. List, Erich: Der Berufsständegedanke in der deutschen Verfassungsdiskussion seit 1919, Leipzig 1930, S. 5. Vgl. Schwer, Wilhelm: Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters. Die geistes- und gesellschaftsgeschichtlichen Grundlagen der berufsständischen Idee, Unveränderter Nachdruck Paderborn 1970, S. 92ff. Die Standesbegriffe der einzelnen untersuchten Konzepte werden in den jeweiligen Kapiteln behandelt. Vgl. zu den verschiedenen Standesbegriffen: Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S. 177ff. Spann, Othmar: Der wahre Staat, Leipzig 1921, S. 158. Spengler, Oswald: Der Untergang des Abendlandes, Bd.2, München 1930, S. 411. Tatarin-Tarnheyden, Edgar: Die Berufsstände. Ihre Stellung im Staatsrecht und die deutsche Wirtschaftsverfassung, Berlin 1922, S. 6. Everling, Friedrich: Organischer Aufbau des Dritten Reiches, 1931, S. 20. Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S. 177. Treitschke, Heinrich von: Politik. Vorlesungen gehalten an der Universität zu Berlin, Bd.1, Leipzig 1913, S. 298. Weippert, Georg: Das Prinzip der Hierarchie, Hamburg 1932, S. 8.

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handelnde Lebensgemeinschaft und Glied in der Volksgemeinschaft.“53 Der sozialkonservative Soziologe und spätere Sympathisant des Nationalsozialismus Werner Sombart benannte die Stände als eine Gruppe, „die als solche vom Staate anerkannt, in den Staat eingegliedert und vom Staate mit bestimmten Aufgaben betraut ist.“54 Die wissenschaftlichen Definitionen zu Beginn des 20.Jahrhunderts sind dabei ausführlicher und weniger belastet von ideologischen Grundannahmen. Max Weber beispielsweise definierte die Stände als eine „Vielheit von Menschen […] die innerhalb eines Verbandes wirksam a) eine ständische Sonderschätzung, - eventuell also auch b) ständische Sondermonopole in Anspruch nehmen.“ Stände nehmen eine bestimmte ‘ständische Lage’ ein, welche Weber definiert als „eine typisch wirksam in Anspruch genommene positive oder negative Privilegierung in der sozialen Schätzung, begründet auf: a) Lebensführung, - daher b) formaler Erziehungsweise […] c) Abstammungsprestige oder Berufsprestige.“55 Ferner ist jede ständestaatliche Ordnung rein konventional und somit laut Weber irrational. Altständische Staats- und Gesellschaftsordnungen kennzeichnet bis ins 18. Jahrhundert eine feudale und hierarchisch geprägte Gliederungsgrundlage mit einer strikten vertikalen Gliederung. Sie sind typisch für die verwirklichten mittelalterlichen Ständeordnungen. Sie betonen dabei den Vorzug des ‚Ganzen’ sowie dessen strenge ‚höhere’ Ordnung. Die überwiegende Zahl der Ständestaatstheorien bis 1918, von Platon über Aristoteles, der Scholastik, der Romantik, dem Konservativismus und Monarchismus versteht die vertikale Gliederung der Stände als Ausdruck der Gerechtigkeit und dem platonischen Gerechtigkeitspostulat ‚suum cuique’.56

53 54 55 56

Pieper, August: Berufsgedanke und Berufsstand im Wirtschaftsleben, 2.Aufl., M.Gladbach 1926, S. 31. Sombart, Werner: Deutscher Sozialismus, Berlin 1934, S. 221. Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, Tübingen 1922, S. 179f. Vgl. Stand und Gerechtigkeit in: Mayer-Tasch, Peter Cornelius: Korporativismus und Autoritarismus. Eine Studie zu Theorie und Praxis der berufsständischen Rechts- und Staatsidee, Frankfurt a.M. 1971, S. 4ff.

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Im vorindustriellen Zeitalter wurde dementsprechend unter ‚Stand’ eine Rechtsstellung der Menschen verstanden, die sich nach Geburt, sozialer Herkunft oder Beruf richtete.57 Jedem Stand waren eigene allgemeine und politische Rechte zugewiesen.58 Entscheidend dabei waren die enormen Unterschiede dieser Rechte: Der Adel genoss die größten Rechte, leibeigene Bauern besaßen überhaupt keine. Die Stände waren undurchlässig, das heißt, eine soziale Mobilität, wie etwa durch Heirat, war nicht möglich. Dieser Aufbau des Staates durch Stände wurde als Ausdruck einer gottgewollten Ordnung angesehen.59

2.1.4 Berufsstand und berufsständische Staats- oder Wirtschaftsordnungen Im Gegensatz zum eher konservativ-feudalen Standesbegriff orientiert sich ein berufsständisches System direkt am Beruf des Einzelnen. Angehörige eines bestimmten Berufes werden in einem Stand zusammengefasst und erhalten so eine Interessenvertretung.60 Unter Anleihen am genossenschaftlichen Gedanken ist ein Berufsstand der gemeinsame Wille einer wirtschaftlich eng zusammengehörigen Menschengruppe.61 Von Verfechtern der Idee werden die Berufsstände den herkömmlichen Ständen gegenübergestellt, welche auf Macht und Gewalt beruhen62. Vielfach wird das progressive, offene Berufsständetum als Variation des ‘liberalen Zeitgeistes’63 angesehen, da auf das hierarchische, feudale Ordnungsdenken verzichtet wird.

57

58 59 60 61 62 63

Zum Teil in diesem Sinne auch als ‘Herrschaftstand’ bezeichnet. Vgl. Nell-Breuning, Oswald: Ständischer Gesellschaftsaufbau, in: Beckerath, Erwin von (Hrsg.): Handwörterbuch der Sozialwissenschaften : zugleich Neuauflage des Handwörterbuchs der Staatswissenschaften, Stuttgart 1959, S. 7f. Vgl. Drechsler, Hanno : Art. Stände in: Drechsler, Hanno/Neumann, Franz (Hrsg.): Gesellschaft und Staat. Lexikon der Politik, 10.Aufl., München 2003, S.940. Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 33. Vgl. Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S. 208. Vgl. List, Erich: Der Berufsständegedanke in der deutschen Verfassungsdiskussion seit 1919, Leipzig 1930, S. 8. Vgl. Dunkmann, Karl: Die Lehre vom Beruf. Eine Einführung in die Geschichte und Soziologie des Berufs, Berlin 1922, S. 210ff. Vgl. Mayer-Tasch, Peter Cornelius: Korporativismus und Autoritarismus. Eine Studie zu Theorie und Praxis der berufsständischen Rechts- und Staatsidee, Frankfurt a.M. 1971, S. 16.

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Quelle: Eigene Darstellung.

Berufsständische Bestrebungen betonen ihren ‘neuständischen’ Charakter, der sich von den ‘altständischen’ Vorstellungen des Mittelalters unterscheidet.64 So zielen einige Definitionen auf die Unterscheidung vom mittelalterlichen Geburtsstand (Zugehörigkeit durch Geburt) und dem modernen Berufsstand (Zugehörigkeit durch Berufswahl)65. Die Berufsstände sind „modern energetisch“, während die herkömmlichen Stände „historisch-romantisch“ zu verstehen sind.66 Dennoch wird vielfach auf die Ähnlichkeit des Berufsständegedankens mit den mittelalterlichen Zünften und Gilden verwiesen.67

64 65 66 67

Vgl. Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S. 125. Vgl. dazu: ebd. S. 209f. List, Erich: Der Berufsständegedanke in der deutschen Verfassungsdiskussion seit 1919, Leipzig 1930, S. 39. Vgl. ebd. S. 9.

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Die Nähe zur Selbstverwaltung und Interessenvertretung brachte mancherorts dem Berufsständegedanken das Image eines „demokratischen Staatsgedankens“68 ein oder man verstand ihn als progressive Strömung.69 Andere identifizierten das Berufsständewesen gar als Variation des Parlamentarismus.70 Repräsentanten des Berufsständegedankens waren weniger auf gesamtgesellschaftliche Ordnungsprinzipien orientiert. Sie zielten vor allem auf die Wirtschaftsorganisation und die Einrichtung von Wirtschaftsparlamenten71 als Alternative zu bestehenden Parlamenten oder als zweite Kammer ab.72 Im Zuge der bürgerlich-revolutionären Erhebungen von 1848 wandelte sich der Ständegedanke vom altständischen, traditionell hierarchischen Ständestaatsbild zu einem modernen, progressiven Berufsstandsgedanken. Nicht der soziale Stand und die Rangordnung standen im Vordergrund, sondern der Beruf des Einzelnen. Sie kennzeichnet eine gering hierarchische, zumeist horizontale Gliederungsgrundlage. Nicht das ‘Ganze’ wird in den Vordergrund gerückt, sondern die kleinen Einheiten und deren Selbstverwaltungsrechte.

Berufsständische

Bestrebungen

entwickelten

sich

im

18.Jahrhundert mit dem Ziel einer stärkeren Interessenvertretung einzelner Berufsgruppen und waren eher realpolitisch orientiert.73 Mit ersten Erfahrungen des allgemeinen Wahlrechts entwickelten auch viele Konservative berufsständische Ambitionen. So versuchte Bismarck 1880 ein Wirtschaftsparlament zu installieren und berufsständische Vertretungen zu etablieren. Im 20.Jahrhundert fand der ursprüngliche berufsständische Gedanke vielfach eine Konkurrenz, zum Teil aber auch eine Symbiose durch das Räteprinzip.74 Mit dem nie gesetzlich ausgestalteten Art. 165 fand er in rudimentärer Form Eingang in die Weimarer Reichsverfassung.75 Der Art. 165 sah Räte-Institutionen vor, die den berufsständi-

68 69 70 71 72 73 74 75

List, Erich: Der Berufsständegedanke in der deutschen Verfassungsdiskussion seit 1919, Leipzig 1930, S. 31. Vgl. Mayer-Tasch, Peter Cornelius: Korporativismus und Autoritarismus. Eine Studie zu Theorie und Praxis der berufsständischen Rechts- und Staatsidee, Frankfurt a.M. 1971, S. 14. Vgl. Bernhard, Georg: Wirtschaftsparlamente, Wien 1923, S. 13ff. Vgl. Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S. 125. Vgl. List, Erich: Der Berufsständegedanke in der deutschen Verfassungsdiskussion seit 1919, Leipzig 1930, S. 33. Vgl. Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S. 125. Vgl. Bernhard, Georg: Wirtschaftsparlamente, Wien 1923, S. 26. Vgl. zum Bezug des Art.165 und der Berufsstände: List, Erich: Der Berufsständegedanke in der deutschen Verfassungsdiskussion seit 1919, Leipzig 1930, S. 19ff.

24

schen Prinzipien von Wirtschaftsparlamenten sehr nahe kamen: Betriebsarbeiterräte, Bezirkswirtschaftsräte und Reichswirtschaftsräte.76 Einige berufsständische Konzepte sehen zusätzlich eine korporative Ordnung vor, bei der die Korporation eine Zusammenfassung mehrerer Berufsstände darstellt oder gar als Organisation der ganzen Wirtschaft dient. Korporationen gewähren eine Gliederung der Wirtschaft und übernehmen öffentlich-rechtliche Aufgaben.

2.1.5 Korporationen, Korporativismus und korporative Staats- oder Wirtschaftsordnungen Korporationen werden im ständestaatlichen Zusammenhang erstmalig von Hegel benannt.77 Sie konstituieren sich durch eine bestimmte Aufgabe des Gemeinwesens und erhalten durch Privilegien seitens des Staates ihre Basis. Ihr Ziel ist die Wahrung des ‚Allgemeinen’ gegenüber dem ‚Besonderen’. Korporationen sind meist definiert als Körperschaften auf Basis von Berufsständen oder Leistungsgemeinschaften, die eigene öffentlich-rechtliche Kompetenzen übertragen bekommen. Sie sind staatlich anerkannte Selbstverwaltungskörperschaften zur Erfüllung bestimmter (sozialpolitischer oder wirtschaftlicher) Aufgaben oder zur Vertretung und den Ausgleich von Interessen.78 Im Gegensatz zum Standesbegriff fehlt hier also der Zusammenhang zur sozialen Schichtung oder Herkunft. Ebenso ist die Komponente der staatlichen Anerkennung neu. Waren die Stände quasi eine von der Gesellschaft aus, induktiv ‚von unten‘ gewachsene und gesellschaftlich anerkannte Schicht, so werden Korporationen von staatlicher Seite, deduktiv ‚von oben‘ be- und gegründet. Korporationen sind primär künstliche Gebilde. Die Berufsstände stellten bereits eine ‚Versachlichung’ des Ständestaatsprinzips dar, indem sie die Stände aus der Romantik und dem Idealismus hin zu einer an der Realität orientierten Berufsbezogenheit führten.79 Korporationen stellen eine weitere Stufe dieser Versachlichung dar.80 Sie erfüllen eine bestimmte öffentlich-rechtliche Aufgabe 76 77 78 79

80

Vgl. Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S. 126. Vgl. ebd. S. 86ff. Vgl. ebd. S. 318 und S. 321. Nocken, Ulrich: Korporatistische Theorien und Strukturen in der deutschen Geschichte des 19. und frühen 20.Jahrhundert, in: Von Alemann, Ulrich (Hrsg.): Neokorporatismus, Frankfurt a.M. 1981, S. 17ff. Vgl. Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S. 358.

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oder ein staatliches Interesse und sind kein Ausdruck einer sozialen Ordnung. Ebenso sind sie auf die Wirtschaft beschränkt, bei manchen Autoren sogar nur Untergliederungen des Gesamtstandes der Wirtschaft zum wirtschaftsordnenden Zwecke.81 Korporative Staats- und Wirtschaftsordnungen sind zumeist sachlich bis ökonomisch begründete, von staatlicher Seite konzipierte Gliederungen. Zwischen den Korporationen besteht keine vertikale, hierarchische Gliederungsgrundlage, aber eine strikte horizontale Trennung nach Berufsgruppen oder ökonomischen Kriterien (Arbeitnehmer und Arbeitgeber).82 Erste korporative Initiativen gingen von dem italienischen nationalsyndikalistischen Lager aus. Später wurde der Korporativismus vom Faschismus neu aufgegriffen und durch die ‚Carta del Lavoro’ institutionalisiert.83 Ausgelöst wurde dies vom ‘Dichtersoldaten’ Gabriele d’Annunzio, der 1919 eigenhändig die Stadt Fiume besetzte und eine Verfassung verkünden lies, die berufsständische und nationalsyndikalistische Elemente vereinigte.84 Grundlage des faschistischen Korporativismus war die Interessengleichheit von Arbeitnehmer bzw. Arbeiter und Arbeitgeber. Wie noch zu zeigen ist, nehmen einige jungkonservative Theoretiker zwischen 1919 und 1933 den italienischen Korporativismus zum Vorbild.85 Aber auch in der Schweiz wurden viele korporative Konzepte diskutiert.86 Dementsprechend waren auch die aufkommenden deutschen korporativen Ordnungsvorstellungen geprägt. So gibt es die italienisch inspirierte Deutung, das Wesen der Korporation bestünde in der paritätischen Vereinigung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände innerhalb eines Produktionszweiges. Sie stellten auch hier selbstverwaltete, öffentlich-rechtliche Gebilde mit selbstständigen Rechten und Pflichten dar. Selbstständige, vom italienischen Korporationsbegriff unabhängige Sichtweisen fassen den Korporativismus weiter auf. So stellen die Korporationen hier alle einzelnen Verbände innerhalb eines Sachbereiches dar, also Arbeitge-

81 82 83 84 85 86

Vgl. Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S. 322. Vgl. Wiarda, Howard: Corporatism and Corparative Politics. The other great ‘Ism”, Armonk (New York) 1997. Vgl. Reiter, Julius: Entstehung und staatsrechtliche Theorie der italienischen Carta del Lavoro, Frankfurt am Main 2005. Vgl. Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S. 139ff. Vgl. die Übersicht über Befürworter und Gegner des Korporativismus: Ebd. S. 299ff. Vgl. Lorenz, Joseph: Korporativer Aufbau. Gedanken und Anregungen, Olten 1933. Vgl. Böhler, Eugen: Korporative Wirtschaft. Eine kritische Würdigung. Erlenbach-Zürich und Leipzig 1934.

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berkorporationen, Gewerkschaftskorporationen oder Korporationen der Einzelverbände eines Wirtschaftszweiges.87. Diagramm des faschistischen Korporativismus:

Quelle: Entnommen aus Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S.144.

87

Vgl. Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S.8, S. 136ff. und S. 313.

27

2.2 Die Ständestaatsideen und Konzepte bis 1918 Die Ideengeschichte des Ständestaates beginnt bei Platon. Sein Idealstaat orientiert sich an der Idee der Gerechtigkeit und formuliert eine ständische Sozialordnung.88 Ausgehend von der natürlichen Ungleichheit der Menschen konstruiert Platon ein Gemeinwesen, welches einen Nährstand, einen Krieger- und einen Wächterstand bedarf. Der Nährstand sorgt für die materielle Bedürfnisbefriedigung der Staatsbürger, der Kriegerstand für die innere und äußere Sicherheit, der Wächterstand für die Regierung. Jeder Stand besitze nach ihm einen eigenen Ethos und eine ständische Erziehung. Platon formuliert somit einen in sich geschlossenen Ständestaat, in dem die Stände den wichtigsten Aufgaben eines Gemeinwesens entsprechen: Der Wirtschaft, der Wehrhaftigkeit und der Herrschaft. Auch für Aristoteles ergibt sich die Gliederung des Gemeinwesens aus den staatlichen Aufgaben. Neben der allgemeinen Gerechtigkeit kennt auch er die partikuläre Gerechtigkeit: Gleiches unter Gleichen und Ungleiches unter Ungleichen.89 Das Mittelalter stellt die Hochzeit ständischer Ordnungen dar. Die germanischen Urstände waren die Geburtsstände Adel, Freie und Unfreie. Nicht die Aufgaben eines Gemeinwesens dienten hier als Vorlage der Ständeordnung, sondern die Hierarchie der Freiheiten und Werte zwischen den Menschen. Die Fränkische Monarchie beispielsweise kannte den Dienstadel und den Ritterstand sowie den mit Entstehung der Städte aufkommenden dritten Stand, das Bürgertum. Mit dem Sieg der katholischen Kirche über den Kaiser entwickelte sich der geistliche Stand. Das universelle Gemeinwesen der katholischen Kirche kannte eine besondere innere Festigung mit streng hierarchischem Aufbau. Die Konflikte zwischen Landeshoheiten und den Ständen, die Herausbildung von Städten aber auch die Frage der Besteuerung führte zu einer stärkeren Vereinigung zunächst innerhalb der Stände, dann zwischen den Ständen in Frontstellung zu den Landeshoheiten. Es gründeten sich Landstände mit eigenen Landtagen, die dazu dienten, die Stände der Landschaft, insbesondere hinsichtlich der Besteuerung gegenüber den Landesherren, zu vertreten. Als ständische Organisationen der Wirtschaft dienten die Zünfte, in denen sich die verschiedenen Gewerbe zusammenschlossen.

88 89

Vgl. Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S. 8ff. Vgl. ebd. S. 16ff. und S. 28ff.

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Neben Fragen der Produktionsmengen, der Preise und den Verkaufsmodalitäten regelten die Zünfte auch soziale und politische Sachverhalte. So z.B. die Ausbildung von Lehrlingen oder Fragen der Sitte und Erziehung.90 Thomas von Aquin hat nach dem Vorbild einer göttlichen Gnadenordnung und einem nach dem göttlichen Urbild vielfältig gegliederten Universum eine soziale Hierarchie konstruiert, nach der eine berufsständische Gliederung den gesellschaftlichen Frieden garantieren sollte.91 Seine Philosophie stellt die soziale Struktur des Mittelalters dar: Kultureinheit, Ausgewogenheit und Zuweisung eines jeden Einzelnen zu einen bestimmten Platz. Er entwirft eine organisch-korporative Ordnung, in der jeder Einzelne Teil des kosmischen Ganzen ist. Die Zuweisung des Einzelnen zu den Ständen erfolgt durch dessen Beruf. Jedes Sozialgebilde und somit auch die Stände werden von einigen Wenigen angeführt. Jeder Stand beeinflusst die Lebensführung des Einzelnen inklusive eigener Rechtsordnungen. Im 18.Jahrhundert war es die Bestrebung, mit dem Vorbild des mittelalterlichen Ständestaates den vermeintlichen staatlichen Auflösungstendenzen durch den Liberalismus entgegenzutreten.92 Während die mittelalterlichen Ständestaatsphilosophien nur die realen Gesellschaftsstrukturen widerspiegelten, waren die Konzepte der Neuzeit Versuche, wieder zu einer ständischen Ordnung zurückzukehren. Die Stände galten als Grundbestandteile der Nation und Grundlage der echten Monarchie. Untermauert wurde dies von der organischen Staatsauffassung des Idealismus und der Romantik. Bedeutendster Exponent eines organischen und ständischen Staates aus der Epoche des Idealismus war Georg Friedrich Wilhelm Hegel, der die Stände als Basis des Staates ansah, durch welche das Volk am Staat teilhat.93 Hegel konstruiert ein ganzheitliches System, das der Auflösung der Gesellschaft durch den Individualismus entgegentritt. Der Staat ist die Vereinigung des Prinzips der Familie und der bürgerlichen Gesellschaft und höchste Form des ‚objektiven Geistes’. Der Einzelne kann innerhalb des in seine ‚besonderen Kreise gegliederten’ Staates nur durch seine objektive Bestimmung als

90 91 92 93

Vgl. Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S. 34-45. Vgl. ebd. S. 44ff. Vgl. Bernhard, Georg: Wirtschaftsparlamente, Wien 1923, S. 17. Vgl. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Grundlinien der Philosophie des Rechts, Zusatz § 201, in: Grotsch, Klaus (Hrsg.): Gesammelte Werke. Bd. 14, Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse, Hamburg 2009.

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Mitglied eines Standes in Betracht kommen.94 Die Menschen sind von Natur aus ungleich. Durch die Vielfalt der Bedürfnisse kommt es zur Spezifikation der Produktion und Arbeitsteilung. Die verschiedenen Arbeitsweisen, die Bedürfnisse und deren Befriedigung sowie Interessen oder geistige Bildung machen den Unterschied zwischen den Ständen aus. Die Standeswahl ist dabei frei. Hegel gelangt über die wirtschaftliche Zugehörigkeit zu einer Dreigliederung der Stände:95 Der substantielle Stand der Grundbesitzer, der reflektierende Stand des Gewerbes und der allgemeine Stand, vergleichbar mit dem platonischen Wächterstand. Hegel untergliedert den Gewerbestand noch einmal in Korporationen.96 Diese sollen gewährleisten, dass der auf das ‘Besondere’ ausgerichtete Stand der Gewerbe auch dem ‘Allgemeinen’ dient, wie es die zwei anderen Stände tun. In den Korporationen sind die Mitglieder eines Wirtschaftszweiges zusammengefasst. Sie bedürfen der Anerkennung durch den Staat sowie dessen Aufsicht. Sie konstituieren sich durch eine bestimmte Aufgabe des Gemeinwesens und erhalten durch Privilegien ihre Basis. Diese Korporationen sollen ähnlich den mittelalterlichen Zünften für ihre Mitglieder eine ‘zweite Familie’ sein: Wahrung der Interessen, Sorge für die Angehörigen, Berufsausbildung, Armenpflege etc. Die Korporation bietet auch erst die Standesehre des Einzelnen, nicht der Stand selbst. In Johann Gottlieb Fichtes ‘Geschlossenem Handelsstaat’ sind die Stände organisatorische Mittel, die die ‚Urrechte’ des Einzelnen, insbesondere sein Eigentum im Bereich der Wirtschaft sichern sollen. Sie sind Grundbestandteile der Nation. Fichte argumentiert ganz im Sinne der Ganzheitslehre. Der Staat ist ‚Allheit’, das ‚geschlossene Ganze’, die Stände dienen den Aufgaben des Ganzen. Er nennt in diesem Zusammenhang auch das Prinzip der ‚verhältnismäßigen Gleichheit’.97 Denn Zweck aller Gesellschaft sei die Gleichheit aller, was jedoch in der Realität aufgrund der natürlichen Ungleichheit der Menschen nicht möglich ist. Daher müssen die Menschen sich einem Stand anschließen, um sich zumindest innerhalb dieses Standes gleich zu werden.98

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97 98

Vgl. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Grundlinien der Philosophie des Rechts, Zusatz § 201, in: Grotsch, Klaus (Hrsg.): Gesammelte Werke. Bd. 14, Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse, Hamburg 2009: Zusatz zu § 301, § 308. Vgl. Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S. 84. Vgl. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 252 / § 253, in: Grotsch, Klaus (Hrsg.): Gesammelte Werke. Bd. 14, Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse, Hamburg 2009. Vgl. Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S. 80ff. Vgl. ebd. S. 74f.

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Adam Müller formuliert die ‚Lehre vom Gegensatz’ und begründet damit die Stände sowie die Ungleichheit der Menschen.99 Die Gegensätze werden von den Unterschieden gegenüber der jeweils übergeordneten Einheit bestimmt. So entsteht eine wohlgegliederte Ganzheit, die im Staat gegeben sein muss.100 Müller steht damit in der Tradition des organischen Staatsbildes. Der Staat besteht aus Recht und Ökonomie, welche bei Müller beide eine eigene Ständeordnung ergeben. Müllers Rechtslehre nach ergeben sich ein geistlicher Stand, der Adel und die Bürgerschaft.101 Die drei Stände unterscheiden sich hinsichtlich der Lebensauffassung und der Ideen.102 Alle drei Stände haben eigene Formen des Eigentums: Die Geistlichkeit das korporative Eigentum, der Adel das Familieneigentum und die Bürgerschaft das Privateigentum.103 Mensch und Stand sind Glieder der ‘kosmischen Gemeinschaft’, was die Nähe zur Romantik besonders unterstreicht. In seiner Lehre der National-Ökonomie entstehen die Stände aus den vier Grundgeschäften einer Nation: Die Landwirtschaft, die Stadtwirtschaft, die Bewirtschaftung von physischem Kapital (Geld) inklusive dem Handel und der Bewirtschaftung des geistigen Kapitals. Somit formuliert Müller die Stände Geistlichkeit und Adel, arbeitende Bürgerschaft, Kaufmannschaft und der Lehr-, Wehr-, Nähr und Verkehrsstand. Diese Stände entstehen nicht durch eine bestimmte Aufgabe, sondern sind einfach da, sie haben zu leben und stehen in Wechselwirkung miteinander.104 Von Bedeutung ist auch Freiherr vom Stein105, der eine konkrete Erneuerung des preußischen Staates durch den Ständegedanken formulierte. Dabei lehnte Freiherr vom Stein jedoch die philosophischen Grundlagen der Romantik ab. Der Ständegedanke wurde dem Gedanken der Demokratie entgegengesetzt, aber auch zur Vermeidung absolutistischer Tendenzen im Staat.106 Kerngedanke seines Ständestaates war die Selbstverwaltung innerhalb der Stände. Der staatliche Verwaltungsapparat könne durch möglichst kleine Selbstverwaltungseinheiten entlastet werden, die Bürger werden so am 99 100 101 102 103 104 105

106

Vgl. Müller, Adam: Die Lehre vom Gegensatz (1804), Schriftenreihe Herdflamme Bd.19, Jena 1931, S. 368. Vgl. Müller, Adam: Elemente der Staatskunst, Schriftenreihe Herdflamme Bd.1/I, Jena 1922, S. 48. Vgl. Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S. 97. Vgl. Müller, Adam: Elemente der Staatskunst, Schriftenreihe Herdflamme Bd.1/I, Jena 1922, S. 151. Vgl. ebd. S. 287, S. 301,S. 319, S. 333. Vgl. Heinrich, Walter: Das Ständewesen. Mit besonderer Berücksichtigung der Selbstverwaltung der Wirtschaft, Wien 1934, 2.Aufl., Jena 1934, S. 26. Vgl. zur zeitgenössischen Wirkung der Reformideen des Freiherrn vom Stein: Botzenhart, Erich: Die Staats- und Reformideen des Freiherrn vom Stein. Erster Teil, die geistigen Grundlagen, Tübingen 1927. Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 35ff.

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Staatsleben beteiligt. Freiherr vom Stein forderte die Wiedereinsetzung der alten Stände, aber mit zeitgemäßen Reformen. Sein Ziel war die Selbstverwaltung lokaler staatlicher Ebenen mit land- und berufsständischen Vertretungen.107 Er wird oft als Initiator berufsständischer Staatstheorien angesehen.108 Nach 1848 wurde das althergebrachte Ständebild von der Idee des Berufsstandes fast vollkommen verdrängt, ebenso wurde die Ständestaatsdiskussion vom modernen demokratischen Verfassungsstaat beeinflusst. Nur wenige orientierten sich an ‚altständischen‘ Ideen.109 Im Einklang mit dem Organismusprinzip sollte eine organische, in Berufe gegliederte Volksvertretung entstehen. Der letzte aktive Versuch einer ständestaatlichen Reform des Deutschen Reiches wurde von Otto von Bismarck unternommen.110 Das Projekt eines berufsständisch organisierten ‘Volkswirtschaftsrates’ von 1880 scheiterte jedoch.111 Bismarck bezeichnete sich selbst als Anhänger einer ständischen und berufsgenossenschaftlichen Landesvertretung, konnte dies jedoch nicht gegen die Parteien durchsetzen.112 Zum Verständnis des Ständebegriffes um die Jahrhundertwende ist es hilfreich, ein Lexikon dieser Zeit zu Rate zu ziehen. Das ‘Meyers Konversationslexikon’ von 1897 definiert weder Ständestaat oder Ständegesellschaft; lediglich der Begriff ‘Stände’ wird hier aufgeführt. So heißt es, Stände sind eine „Bezeichnung für die verschiedenen Klassen von Personen, welche durch Gemeinsamkeit eines Berufes verbunden sind […] Der Berufsstand ist rechtlich von Bedeutung, soweit er ein gemeinsames Berufsrecht hat.” 113 Dies zeigt die Entwicklung im Ständestaatsdenken des 18. Jahrhunderts. Weg vom organischen Ständestaatsbegriff der Romantik hin zum berufsständischen Gedanken. Weder Schichtung noch die Form der Gliederung wird erwähnt, lediglich die Verbindung Beruf und Stand. Der Begriff des Berufsstandes sollte das Leistungsmoment im Ständewesen hervorheben: Teilhabe am Staat erfolgt nur über den Beruf. Diese 107 108 109 110 111 112 113

Vgl. List, Erich: Der Berufsständegedanke in der deutschen Verfassungsdiskussion seit 1919, Leipzig 1930, S. 11. Vgl. Stein, Freiherr vom: Ausgewählte Schriften. Briefe, Berichte, Aufsätze und Denkschriften zur Staatswissenschaft, ausgewählt und erläutert von Klaus Thiede, Jena 1929. So u.a.: Karl von Rotteck, Christian Schlosser, Friedrich Stahl, Vgl. Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S. 123. Vgl. Bernhard, Georg: Wirtschaftsparlamente, Wien 1923, S. 14ff. Vgl. List, Erich: Der Berufsständegedanke in der deutschen Verfassungsdiskussion seit 1919, Leipzig 1930, S. 12. Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 38. Meyers Konversationslexikon. Ein Nachschlagewerk des allgemeinen Wissens, 5.Aufl., Sechzehnter Band, Leipzig/Wien 1897, S. 318.

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Idee von einer berufsständischen Repräsentation wurde Anfang des 19. Jahrhundert fast vollkommen abgelöst: Parteien und Gewerkschaften übernahmen die Rolle als Interessenvertretung der Menschen.

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3 Die deutschen Ständestaatskonzepte von 1918 bis 1933 Wesentlich für die Neubelebung der ständestaatlichen Idee nach 1918 war die öffentliche Diskussion über den Rätegedanken. Vor allem konservative Kreise instrumentalisierten den Ständestaat gegen den Rätestaat.114 Die Ständestaatskonzepte nach 1918 differenzierten sich in zahlreiche Strömungen, von denen nur die wenigsten Repräsentanten eigenen Gruppierungen zugeordnet werden konnten. Bestenfalls lassen sich verschiedene Denkschulen bzw. Richtungen ausmachen, in denen ohne feste Strukturen durch Zusammenarbeit oder Ergänzung gemeinsame Positionen entwickelt wurden. Aufgrund eines gemeinsamen weltanschaulichen Hintergrundes fanden viele Autoren durch gemeinsame Schriftenreihen oder Zeitschriften zueinander.115 Geschlossene Organisationen oder die identische Deutung von Begriffen können jedoch als Kriterium der Richtungsbildung ausgeschlossen werden. Lediglich der Universalismus und der Solidarismus konnten ein geschlossenes ständestaatliches Gesellschaftsbild aufzeigen, mit untereinander nahezu einheitlicher Begriffsverwendung. Andere Strömungen verwendeten selten gemeinsame Begriffe. Oftmals wurden beispielsweise ‘Stände’ und ‘Korporationen’ in identischer Weise gebraucht.

3.1 Theoretisch und wissenschaftlich begründete Konzepte Die theoretisch begründeten Ständestaatskonzepte waren mehrheitlich vom Universalismus beeinflusst. Ihnen gemeinsam ist der Versuch, ohne ideologische Vorannahmen oder aus Erfahrung mit politischen Entwicklungen ein theoretisch, philosophisch oder wissenschaftlich begründetes und in sich geschlossenes Staats- und Gesellschaftssystem zu entwickeln.

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Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 25ff. Vgl. für den Werksgemeinschaftsgedanken: ‘Werk und Beruf. Monatsschrift für den berufsständischen Gedanken’ oder ‘Die Tat’ für den jungkonservativen Zirkel.

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3.1.1 Der Universalismus (1921) Der Universalismus, aufbauend auf dem Werk Othmar Spanns, ist die wohl bekannteste und umfangreichste Ständestaatskonzeption aus dem untersuchten Zeitraum.116 Die von Spann begründete Schule117 umfasst ein umfangreiches Bild verschiedener Autoren, die jedoch alle auf seinen Gedankengängen aufbauen.118 Er entwickelte nicht nur ein umfangreiches und in sich geschlossenes Ständestaatskonzept, sondern auch ein Gesellschafts- und Weltbild. Obwohl Österreicher, hatte Spann auch in Deutschland einen enormen Einfluss. Zunächst zur Genealogie. Othmar Spann bekennt sich zur romantischen Geisteshaltung und bezieht mittelalterlich-universalistische Ideen mit ein.119 Von der Scholastik übernimmt er den Satz ‘Das Ganze ist vor dem Teil’ sowie das Bild von einer Gesellschaft als göttliche Schöpfungsordnung.120 Vom deutschen Idealismus übernimmt er die These ‘Gesellschaft ist Geist’ und das Bild vom Staat als Ganzheit, von der Romantik übernimmt er unter anderem die Kritik an der Aufklärung, Rationalismus und Individualismus.121 Der Universalismus selbst ist in Methodik und Inhalt deutlich vom mittelalterlich-kirchlichen Weltbild geprägt.122 So ist die Nähe zu Thomas von Aquin und seiner metaphysischen hierarchischen Weltordnung deutlich. Mehrfach erwähnte er den Aufbau der katholischen Kirche als ideales Vorbild der Gesellschaft.

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Vgl. Heinrich, Walter u.a. (Hrsg.): Othmar Spann - Leben und Werk. Ein Gedenkband aus Anlass der 100. Wiederkehr des Geburtstages, Graz 1979. Vgl. Riehl, Hans (Hrsg.): Othmar Spann. Das philosophische Gesamtwerk im Auszug, Wien 1950. Vgl. Schneller, Martin: Zwischen Romantik und Faschismus. Der Beitrag Othmar Spanns zum Konservativismus der Weimarer Republik, Stuttgart 1970, S. 30ff. Vgl. Walter Becher: Der Blick aufs Ganze. Das Weltbild Othmar Spanns. München 1985. Spann selbst war Herausgeber von Schriften Thomas von Aquins, Meister Eckarts und Augustin. Vgl. die Nähe Spanns zum Mittelalter: Schneller, Martin: Zwischen Romantik und Faschismus. Der Beitrag Othmar Spanns zum Konservativismus der Weimarer Republik, Stuttgart 1970, S. 73f. Vgl. Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S. 103. Spann sieht den Universalismus als Vollendung der Romantik. Vgl. Schneller, Martin: Zwischen Romantik und Faschismus. Der Beitrag Othmar Spanns zum Konservativismus der Weimarer Republik, Stuttgart 1970, S. 79 und S. 82ff. Vgl. Heinrich, Walter: Das Ständewesen. Mit besonderer Berücksichtigung der Selbstverwaltung der Wirtschaft, 2.Aufl. Jena 1934, S. 21ff. Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 213ff. und S. 218ff.

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Seine Philosophie basiert auf der Ganzheitslehre.123 Demnach definiert er das Ganze nach vier Lehrsätzen124: „Das Ganze als solches hat kein Dasein (1); es wird in den Gliedern geboren (2); darum ist es vor125 den Gliedern (3); es geht in den Gliedern nicht unter (4).“126 Diese Lehrsätze werden nun auf Staat und Gesellschaft übertragen. Der Staat als solcher, als Organismus, ist nicht zu finden. Der Organismus ist nur in seinen Gliedern erkennbar.127 Die Glieder wiederum bestehen nur als Ganzes. Sie können nur sein als Darstellungen der ihnen übergeordneten Ganzheit. Durch die Geburt des Ganzen aus den Gliedern folgt logisch die Gliederung des Staates und der Gesellschaft. Alles Erkennbare in Staat und Gesellschaft, auch der Bürger an sich, sei nur Ausgegliedertes, das dem Ganzen als Glied angehöre. Diese bei Spann noch umfangreichere ‘Ganzheitslehre’ ist die Grundlage seiner Ständestaatskonzeption und Vorlage des Universalismus. Ein Stand ist nach Spann ein Glied der geistigen Gemeinschaft, der Ganzheit: „Die Stände sind die Sendlinge und Schößlinge einer Stammeinheit, die sich in vereinzeltselbstständige Organe spaltet und scheidet (differenziert). Sie sind Bestandsformen eines Urstandes, des geistigen Lebens, sie sind das Mannigfaltige in der Einheit.“128 Walter Heinrich formuliert Stände als „organisierte Lebenskreise mit ihren arteigenen Verrichtungen für das Ganze.“129 Sie sind „Leistungsgemeinschaften auf Grund von Lebensgemeinschaften.“130 Diese Lebenskreise bestehen in jeder Gesellschaft, unabhängig davon, ob sie einen ständischen Status besitzen. Und gerade diese Lebenskreise sind es, die erst die Vielfalt der Gesellschaft ausmachen. Der Einzelne ist nicht autark, sondern ist Teil einer Einheit. Die Gestalt der Stände ist bestimmt durch die Ausgliederungsordnung. Das Ganze stellt sich in verschiedenen Teilinhalten und Teilganzen dar. Teilganze der Gesellschaft sind z.B. Religion, Wissenschaft, Kunst, Sinnlichkeit; Sittlichkeit, Sprache oder Recht.131 Diese Ausgliederung findet aber ausschließlich in 123 124 125 126 127 128 129 130 131

Vgl. Spann, Othmar: Kategorienlehre, Jena 1924, S. 54f. Vgl. ausführlich: Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 177ff. Im Sinne der Rangfolge, nicht zeitlich. Spann, Othmar: Schöpfungsgang des Geistes. Die Wiederherstellung des Idealismus auf allen Gebieten der Philosophie, Jena 1928, S. 31. Vgl. Spann, Othmar: Der Wahre Staat. Vorlesungen über Abbruch und Neubau der Gesellschaft gehalten 1920 in Wien, 2.Aufl. Leipzig 1923, S. 197f. Ebd. S. 209. Heinrich, Walter: Das Ständewesen. Mit besonderer Berücksichtigung der Selbstverwaltung der Wirtschaft, 2.Aufl. Jena 1934, S. 7f. Ebd. S. 21. Vgl. Spann, Othmar: Gesellschaftslehre, Leipzig 1923, S. 252ff.

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einer Stufenordnung (Hierarchie) statt und nicht in einem Nebeneinander: „Die Glieder der Ganzheit haben nicht alle den gleichen Ganzheitsgehalt, somit nicht alle die gleiche Ganzheitsnähe – also verschiedenen Rang.“132 Die Folgerung für die Gesellschaft: Organische Ungleichheit statt atomistischer Gleichheit der Teile.133 Das gesamte Gesellschaftsbild Othmar Spanns kennt nur Rangordnungen. Das Ganze der Gesellschaft gliedert sich in 'Gezweiungen' und Gemeinschaften, Stand bedeutet für ihn zuerst die Eigenschaft als Glied des Ganzen. Durch verschiedene widersprüchliche Folgerungen dieser Ausgliederung134 definiert Spann die Stände später nur noch nach ihren Verrichtungserfordernissen: Artgleiche Verrichtungen werden in einem Stand zusammengefasst. Die Stände sind zunächst geistige Stände, nicht reale Stände, die nur geistigen Inhalt haben.135 Er unterteilt auch noch den ‘Vollstand’, zu dem ein geistiger Stand wird, wenn er anfängt zu handeln (‘handelnder Stand’). Der geistige Stand bleibt ‘Vor-Stand’. Spann unterscheidet die Stände nach dem Grad ihrer Geistigkeit. Dabei kennt er drei Stufen geistiger Gemeinschaften: Jene mit vitalem Inhalt, höhere geistige aber reproduzierende und die geistig schöpferischen Gemeinschaften. Er unterteilt den Stand der niederen Handarbeiter, den Stand der höheren Arbeiter und den schöpferischen Stand. Jeder Stand und zusätzliche ‘besondere Stände’ werden ebenfalls vielfach unterteilt. Diese äußerst vielfältige Unterteilung gibt er in späteren Werken auf. So fasst er die niederen Handarbeiter, den Stand der höheren Arbeiter und den Stand der Wirtschaftsführer in einen rein wirtschaftlichen ‘Nährstand’ zusammen.136 Zu diesem kommen ein allgemeiner politischer Stand (Staat) mit dem Wehrstand und Priesterstand (Kirche) sowie der schöpferische Lehrstand hinzu.137 All diese Unterteilungen differenziert er in Neuauflagen seines Werkes ‘Der wahre Staat’ neu.138 Er führt schlussendlich auch die ‘Berufsstände’ ein, jedoch ohne den Beruf als ausschlaggebendes Kriterium zu nutzen. 132 133 134 135 136 137 138

Spann, Othmar: Schöpfungsgang des Geistes. Die Wiederherstellung des Idealismus auf allen Gebieten der Philosophie, Jena 1928, S. 35f. Vgl. Spann, Othmar: Der Wahre Staat. Vorlesungen über Abbruch und Neubau der Gesellschaft gehalten 1920 in Wien, 2.Aufl. Leipzig 1923, S. 196. Vgl. Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S. 112ff. Vgl. Spann, Othmar: Der Wahre Staat. Vorlesungen über Abbruch und Neubau der Gesellschaft gehalten 1920 in Wien, 2.Aufl. Leipzig 1923, S. 162ff. Womit Spann Anleihen bei Platon und überkommenen Ständestaatskonzepten nimmt. Vgl. Spann, Othmar: Der Wahre Staat. Vorlesungen über Abbruch und Neubau der Gesellschaft gehalten 1920 in Wien, 2.Aufl. Leipzig 1923, S. 175. Vgl. zu den mehrfachen Änderungen in den Neuauflagen: Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S. 118.

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Die Berufsstände sind dabei, anders als bei den berufsständischen Konzepten, keine eigenständigen Stände, sondern Teilstände des Gesamtstandes der Wirtschaft.139 Da Sachfragen nur von den Fachleuten erledigt werden können, sollen auch nur jene die ‘Sachsouveränität’ ausüben, also die Selbstregierung innerhalb der Stände ausüben.140 Innerhalb der Stände definiert sich auch die Freiheit des Einzelnen. An Stelle der liberalen Freiheiten entsteht die organische Freiheit innerhalb der ständischen Bindung. An Stelle der ‘Freiheit und Gleichheit’ des Naturrechts tritt das Prinzip „Gleichheit unter Gleichen“ mit einer „verhältnismäßigen Gleichheit“.141 Rechte und Pflichten sind je nach Stand unterschiedlich. Der Universalismus sieht sich als Antipode zu Demokratie142 und Parlamentarismus143. Es bedürfe einer Gegenrenaissance zum Individualismus.144 Damit verbunden ist die Ungleichheit der Menschen: „Gleichheit unter Gleichen. Unterordnung des geistig Niederen unter das geistig Höhere – Das sind die Baugesetze des wahren Staates.“145 Hinzu kommt die Ablehnung des gleichen Stimmrechts: „Jeder Einzelne ist ein gleichwertiges Atom, Nietzsche und sein Stiefelputzer haben dieselbe Stimme, jeder wird mit gleichem Gewicht in die Waagschale geworfen und mitgewogen: die Mehrheit soll herrschen!“146 und weiter: „Man soll die Stimmen nicht zählen, sondern wägen, nicht die Mehrheit soll herrschen, sondern das Beste.“147 Die beste politische Gestaltung der Stände unterliegt der Maßgabe, dass auch die besten Herrschen. Die ideale Staatsform ist folglich jene, „welche die Besten zur Herrschaft bringt“148, die eine Herrschaftshierarchie der Glieder und eine weitgehende Dezentralisation vorsieht. Statt einem Volk und einer Regierung gelte der Satz „Viele Teilstände und Volkskreise, viele 139 140 141 142 143 144 145

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Vgl. Heinrich, Walter: Das Ständewesen. Mit besonderer Berücksichtigung der Selbstverwaltung der Wirtschaft, 2.Aufl. Jena 1934, S. 96ff. Vgl. Schneller, Martin: Zwischen Romantik und Faschismus. Der Beitrag Othmar Spanns zum Konservativismus der Weimarer Republik, Stuttgart 1970, S. 44 und S. 59f. Spann, Othmar: Der Wahre Staat. Vorlesungen über Abbruch und Neubau der Gesellschaft gehalten 1920 in Wien, 2.Aufl. Leipzig 1921, S. 192-198 Vgl. das Kapitel ‘Kritik des Liberalismus und der Demokratie’ in: ebd. S. 106. Näheres dazu: Vgl. Schneller, Martin: Zwischen Romantik und Faschismus. Der Beitrag Othmar Spanns zum Konservativismus der Weimarer Republik, Stuttgart 1970, S. 86. Vgl. die Einleitung zur zweiten Auflage: Spann, Othmar: Der Wahre Staat. Vorlesungen über Abbruch und Neubau der Gesellschaft gehalten 1920 in Wien, 2.Aufl. Leipzig 1923, S. 4. Motto zum dritten ‘Aufbauenden’ Teil in: Ebd. S. 193 Vgl. ferner ebd. S. 108. Vgl. Schneller, Martin: Zwischen Romantik und Faschismus. Der Beitrag Othmar Spanns zum Konservativismus der Weimarer Republik, Stuttgart 1970, S. 58f. Spann, Othmar: Der Wahre Staat. Vorlesungen über Abbruch und Neubau der Gesellschaft gehalten 1920 in Wien, 2.Aufl. Leipzig 1923, S. 111. Ebd. S. 113. Ebd. S. 211.

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Teilregierungen und Standesgewalten.“149 Dies beinhalte jedoch auch die begrenzte Selbstbestimmung, Selbstverwaltung und Selbstregierung der Stände.150 Der Staat selbst wird nach Spann nicht durch ein Parlament oder eine demokratisch legitimierte Regierung geführt, sondern durch einen staatstragenden, „politischen Stand“151. Dieser ist vergleichbar mit einem Adel.152 Der Staat selbst ist Höchststand und ‘Oberleiter der Stände’153: „Der Staat kommt von sich her; er beruht weder auf einem berufsständischen Wirtschaftsparlament, noch auf einem Parlament, das ‚alles Volk’ umfasst; er beruht, wie jeder Stand, auf einem eigenen Kreis von Menschen, die sich seinen arteigenen Aufgaben widmen und ihn tragen.“154 Diese Staatsführung ist betont autoritär und folgt dem Führerprinzip.155 Lediglich die berufsständisch organisierte Wirtschaft solle von einem wirtschaftlichen Ständehaus vertreten werden, in dem jedoch nur allgemeine Angelegenheiten der Wirtschaft behandelt werden.156 Er formuliert dabei einen dualen, doppelständischen Aufbau: Es gibt wirtschaftliche Stände und politische Stände, die jedoch keine strukturellen Unterschiede aufweisen.

149 150 151 152 153

154 155 156

Spann, Othmar: Der Wahre Staat. Vorlesungen über Abbruch und Neubau der Gesellschaft gehalten 1920 in Wien, 2.Aufl. Leipzig 1923, S. 166. Vgl. ebd. S. 192f. Ebd. S. 301ff. Vgl. Heinrich, Walter: Das Ständewesen. Mit besonderer Berücksichtigung der Selbstverwaltung der Wirtschaft, 2.Aufl. Jena 1934, S. 45. Vgl. Schneller, Martin: Zwischen Romantik und Faschismus. Der Beitrag Othmar Spanns zum Konservativismus der Weimarer Republik, Stuttgart 1970, S. 46ff. Vgl. Heinrich, Walter: Das Ständewesen. Mit besonderer Berücksichtigung der Selbstverwaltung der Wirtschaft, 2.Aufl. Jena 1934, S. 32. Vgl. Spann, Othmar: Gesellschaftslehre, Leipzig 1923, S. 507. Vgl. Schneller, Martin: Zwischen Romantik und Faschismus. Der Beitrag Othmar Spanns zum Konservativismus der Weimarer Republik, Stuttgart 1970, S49f. Vgl. Spann, Othmar: Der Wahre Staat. Vorlesungen über Abbruch und Neubau der Gesellschaft gehalten 1920 in Wien, 2.Aufl. Leipzig 1923, S. 286f.

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Quelle: Eigene Darstellung gemäß vorliegender Analyse.

Fazit: Der Universalismus nach Spann ist ein Sonderfall zwischen Neuauflage und Weiterentwicklung. Der Universalismus stellt ein Sammelsurium von Neuauflagen verschiedener ständestaatlicher Gedanken dar, vereint diese aber unter einem neuen Banner. Durch den bewussten Rückgriff auf ältere Konzepte und ihre Neuintegration in das 20.Jahrhundert wirkt er zunächst als Neuauflage. Aber gerade in dem Versuch, überkommene Ständestaatsgedanken in einem neuen Weltanschauungs- und Gesellschaftssystem zusammenzuführen erscheint der Universalismus doch als Weiterentwicklung, ohne dabei eine Anpassung an die politischen Verhältnisse der Weimarer Republik vorzunehmen.

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3.1.2 Das ‘Prinzip der Hierarchie’ bei Georg Weippert (1932) Weipperts Ständestaatskonzept entstand in Auseinandersetzung mit dem Universalismus.157 Sein Ständestaat übernimmt von früheren Ständestaatsvorstellungen einzig und allein die strikte vertikale Gliederung. Das Konzept mag genealogisch auf den ersten Blick eine Nähe zu den mittelalterlichen, streng hierarchischen Ständestaatskonzepten aufweisen. Jedoch verzichtet Weippert auf eine universalistische Begründung oder eine voreilige Festlegung, welche Stände bestehen sollen. Er formulierte das ‘Prinzip der Hierarchie’, welches als Sammelbegriff für alle ständischen Systeme dient: „Das Prinzip der Hierarchie ist ein kosmisches, ein Naturprinzip. […] Die Hierarchie stellt eine qualitative Ordnung dar.“158 Dies gelte unabhängig davon, ob die angenommene Rangordnung vom Individuum oder der Ganzheit ausgeht. Der historische Ständegedanke bzw. das Prinzip der Hierarchie ist philosophisch notwendig verbunden mit dem ‚Ordo-Gedanken’159, der Annahme einer metaphysischen, absolut unumstößlichen Ordnung. Weippert lehnt eine Begründung des Ständestaates in einer Ganzheits- oder Organismuslehre ab. Von einer Ganzheit könne man nur ausgehen, wenn man das Handeln der Teile aus dem Ganzen erklären könne. Dies sei in einem Ameisenstaat so, nicht aber bei menschlichen Organisationen.160 Eine ständische Ordnung ist für Weippert die „sichtbare Gestaltung rangmäßig geschichteter geistiger Inhalte.“161 Der Ständestaat ist nach Weippert „die Hierarchie in ihrer politischen Gestalt“. Ein solcher Staat könne sich erst manifestieren, wenn sich eine staatstragende Schicht zur politischen Staatskorporation erhebt.162 Der staatstragende Stand habe die Leitidee der Hierarchie zu verwirklichen und zu stabilisieren. Daraus folgt eine strikte Trennung zwischen Regierenden und Regierten, den Führenden und Geführten. Die anderen Stände haben die politische Aufgabe, den eigenen Stand der „höchsten Vollkommenheit zuzuführen“163, wobei Weippert keine Trennung zwischen wirtschaftlichen und politischen Ständen vornimmt.

157 158 159 160 161 162 163

Weippert versuchte bereits 1933, sein ‚Prinzip der Hierarchie’ auf den Nationalsozialismus anzuwenden: Vgl. Weippert, Georg: Umriß der neuen Volksordnung, Hamburg 1933 Weippert, Georg: Das Prinzip der Hierarchie, Hamburg 1932, S. 8. Vgl. ebd. S. 7ff. Vgl. ebd. S. 43f. Dies und folgendes: Ebd. S. 151 und S. 154 . Vgl. ebd. S. 168. Ebd. S. 158.

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Oberstes Ziel des Standes ist allseitige Ausprägung und Ausformung dieser standbegründeten Geistigkeit. Diese besitzt eine objektive Existenz. Der Stand ist die ‘geistige Einung’, Lebensform und Lebensinhalt des Einzelnen. Die Zugehörigkeit zu einem Stand ist eine subjektive Entscheidung, der Übertritt soll möglich sein: „Die Stände müssen sich gegeneinander abheben, aber sie dürfen sich nicht isolieren.“164 Dies setzt eine für ständestaatliche Strukturen ungewöhnliche Dynamik voraus, nach der die Stände nicht wie in einem Kastensystem starr sind, sondern sich ihr Rang jederzeit untereinander verschieben kann. Die Stände sind souverän, jedoch wird die Weite dieser Souveränität vom Rang bestimmt. Ständische Freiheit ist rangbestimmt. Ebenso kann man den einzelnen Menschen nicht von seiner ‘Gliedlichkeit’ her definieren. Das Besondere im Menschen entsteht in seiner „Innerlichkeit“165. Aus dieser Innerlichkeit resultiert auch, dass die formal offenen Stände faktisch Geburtsstände sind, da durch Vererbung auch Fähigkeiten und Neigungen weitergegeben werden.166 Bei Weippert ist der Stand quasi eine ‘Freundschaftsgruppe’ von rangmäßig ähnlichen Individuen. Bei allen Ständestaatskonzepten waren die Stände mindestens eine Gemeinschaft unter Gleichen (Lebensführung, Standesehre etc.) oder eine (Partizipations- oder Selbstverwaltungs-) Einheit Gleichgestellter. Wie der Titel seines Werkes fast anklingen lässt, käme sein Staatsideal leicht auch ohne Stände aus. Das ‘Prinzip der Hierarchie’ kennt keine politische Gleichheit, keine demokratischen Rechte oder gar ein Parlament.

164 165 166

Weippert, Georg: Das Prinzip der Hierarchie, Hamburg 1932, S.156. Ebd. S. 136. Vgl. ebd. S. 162.

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Quelle: Eigene Darstellung gemäß vorliegender Analyse.

Fazit: Die Bedingung, dass eine neue Form der Gliederung ein Indiz für eine Neuentwicklung des Ständestaatsgedankens darstellt, ist bei Weippert gegeben. Nur schwenkt er nicht auf eine horizontale Gliederung um, sondern stellt die vertikale Gliederung als totale Ordnung innerhalb und zwischen den Ständen auf. Weipperts Ständestaatskonzept stellt somit eine Neuentwicklung des Ständestaatsgedankens dar.

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3.1.3 Paul Karrenbrock und der völkische Berufsständestaat (1932) Paul Karrenbrock war 1933 bis 1935 wissenschaftlicher Leiter des Spann-nahen Düsseldorfer ‘Instituts für Ständewesen’, publizierte aber bereits 1932 sein eigenes Ständekonzept. Er trat 1931 in die NSDAP ein, wurde aber verhaftet und ausgeschlossen, nachdem er zunächst die sozialistischen Bestrebungen und anschließend 1935 die Rassenideologie öffentlich kritisierte.167 Karrenbrock übernimmt Ansätze des Universalismus und Adam Müllers, folgt aber auch in seiner eigenen Darstellung dem Ständestaatsgedanken nach dem Vorbild des Freiherrn vom Stein. Er hat zwar den Anspruch, eine Neuentwicklung des Ständestaatsgedankens zu formulieren, fällt aber immer wieder auf die berufständischen Ideen des Freiherrn vom Stein zurück. Der Universalismus ist zwar die Grundidee seines völkischen Staates. Karrenbrocks Ständestaatskonzept folgt dabei jedoch nicht der Universalistischen Schule. Viel mehr bekennt er sich zur Staatstheorie Adam Müllers168 und zum Dezentralismus des Freiherrn vom Stein.169 Er meidet dabei jedoch direkte Rückgriffe. Das Konzept Karrenbrocks soll eine komplette Neuentwicklung sein: „Alle formalistischen und historisierenden Vorstellungen müssen ausgeräumt sein. […] Wenn heute in unvorbereiteten Kreisen von Berufsständen gesprochen wird, ohne daß das Ständische genügend erläutert ist, bleiben nach meinen Erfahrungen formalistische und äußerliche Vorstellungen bestehen, vor allem wird fälschlicherweise Gewicht gelegt auf die erste Silbe des Wortes, auf Beruf statt auf Stand. […] Eine berufliche Gliederung bereitet in einer stark arbeitsteiligen Wirtschaft vielleicht Schwierigkeiten, aber eine ständische Gliederung bleibt eine Kleinigkeit, wenn man von dem ständischen Willen beseelt ist.“170 Ständisch ist für Karrenbrock jede menschliche Gemeinschaft, die unabhängig von flüchtigen Veränderungen der Gegenwart, Vergangenheit oder Zukunft besteht, also jede Gemeinschaft von Dauer: Familie, Beruf, Wirtschaft, Geistesleben, Kultur, Staat, Religion und „das ganze völkische Leben.“171 Ein „Stand ist, was sich organisiert.“172 Der völkische „ständische Ordnungswille“173 steht jenseits von Konservativismus und Liberalismus, 167 168 169 170 171 172 173

Vgl. Janssen, Hauke: Nationalökonomie und Nationalsozialismus. Die deutsche Volkswirtschaftslehre in den dreißiger Jahren des 20.Jahrhunderts, 3.Aufl. Marburg 2009, S. 571. Vgl. Karrenbrock, Paul: Recht und Wirtschaft in der ständischen Ordnung, Wien-Berlin 1932, S. 15. Vgl. ebd. S. 35. Ebd. S. 55. Ebd. S. 38. Ebd. S. 56. Vgl. Karrenbrock, Paul: Recht und Wirtschaft in der ständischen Ordnung, Wien-Berlin 1932, S. 6.

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welche Karrenbrock als die entscheidenden treibenden Kräfte nach der Französischen Revolution ansieht. Die bestehende liberale Ordnung ist nur eine willkürlich gesetzte Staatsordnung. Ebenso ist die Weimarer Republik nur eine ‘Formaldemokratie’, die durch einen allumfassenden Kollektivismus geprägt ist. Für Karrenbrock sind der Liberalismus, die Weimarer Republik, der Individualismus und der Konservativismus von Grund auf kollektivistische Ordnungen. Eine Ordnung, die aus lauter Individuen besteht, ist auch nur eine Ansammlung innerhalb eines Kollektivs. Folglich kann der Kollektivismus nur zusammen mit dem Individualismus aufgehoben werden. Der Mensch, so Karrenbrock, ist keine kollektive Ansammlung von Einzelwesen und auch keine souveräne und unabhängige Existenz. Er steht von Natur aus in Verbindung zu anderen Menschen. Diese Verbindung ist etwas ‘Eigenlebendiges’ und Überindividuelles.174 Diese Verbindung, der Stand, ist vergleichbar mit einem dezentralen Organismus. Dieser Organismus darf nicht erstarren, sondern soll „die lebendigste und geschmeidigste aller Ordnungen sein.“175 Lebenswichtig für die organischen Glieder ist ihre Handlungsfähigkeit. Die Stände sind nicht abgeschottet, sondern wachsen ineinander hinein.176 Der Mensch gehört „von Haus aus“ einem Berufsstand an. Zwar bestehe die freie Berufswahl. Die Redewendung ‚Er hat seinen Beruf verfehlt’ impliziere jedoch die Berufsangehörigkeit von Geburt an.177 Jeder Stand hat sein eigenes Recht. Jedes öffentliche Recht könne nur innerhalb eines Standes gelten, unabhängig vom Recht eines anderen Standes. Durch die staatliche Zuweisung dieser Rechtssetzungshoheit erfolgt die Geburt eines wahren Standes. Die Stände müssen eine eigene Rechtshoheit, eigene Staatlichkeit und Souveränität besitzen. Ein solches Recht wäre ein Vergangenheits-, Gegenwarts- und Zukunftsrecht. Ein gewähltes Parlament begründe nur ein Gegenwartsrecht, ohne an die Zukunft zu denken. Die Stände jedoch würden wie innerhalb einer Familie die jugendliche Zukunft und das bewahrende Alter zusammenführen. Daher bedürfe es einer ständischen Körperschaft, einer zweiten Kammer oder eines Senates neben dem Wahlparlament. Diese Körperschaft würde dem konservativen Element innerhalb des Staates entsprechen. Die Frage einer ständischen Körperschaft und ihr Verhältnis zu einem Wahlparlament ist für Karrenbrock allein eine Frage der Rechtsschöpfung. Ein Parlament würde 174 175 176 177

Vgl. ebd. S. 10. Ebd. S. 44. Vgl. ebd. S. 37-43. Vgl. ebd. S. 33f.

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das Recht zu einer Formel erstarren lassen, unabhängig davon, ob es sich tagtäglich bewährt. Karrenbrock verwendet zwar selbst die Formel eines ‘berufsständischen Parlaments’, erklärt aber dennoch den Parlamentarismus als unvereinbar mit der ständischen Selbstverwaltung: „Das zeigt ja schon der Bastardbegriff: berufsständisches Parlament. Eine ständische Körperschaft parliert nicht, sondern hat einen funktionalen Standort im Ganzen und füllt ihn aus; ein Parlament aber hat keinen funktionalen Standort, sondern lässt autonome Volksvertreter, Vertreter der angeblich autonomen Individuen, parlieren.“ Die Aufgaben des Parlaments sollen künftig durch die Stände selbst erfüllt werden: „Die Stände sind und leben nur durch ständisches Eigenrecht, ständische Autonomie, ständische Sachsouveränität, schließen also eine rechtsomnipotente Versammlung, Parlament im heutigen Sinne, wesensnotwendig aus.“178 Lediglich die Organisation der Wirtschaft könne durch ein berufsständisches Ständehaus stattfinden. Karrenbrock trennt folglich zwischen politischen und wirtschaftlichen Ständen. Diese haben dann im Bereich der Wirtschaft alle exekutiven und legislativen Befugnisse. Das Ständehaus übernimmt dann nicht nur das Wirtschaftsrecht, sondern auch die wirtschaftlichen Abschnitte aller Gesetzbücher, wie z.B. in dem BGB. Ferner unterliegen dem Ständehaus alle Fragen der Sozialversicherung.179 Er erteilt auch jeglichen korporativen Systemen eine Absage, mit der Begründung, die Stände erfüllen eine Standesaufgabe, keine Staatsaufgabe. Die Stände an sich können daher keine Träger oder Teilhaber gesamtstaatlicher Gesetzgebung werden. Die Stände werden von Standesführern geleitet, die in Ihrer Eigenschaft als Führungspersönlichkeiten die Ebene der Stände verlassen und die staatlichen Gremien bilden. Daran zeigt sich die strenge Hierarchie in Karrenbrocks Konzept: „Man muss sich an die Vorstellung der Hierarchie gewöhnen, an die Vorstellung eines stufenmäßigen, von einer dirigierenden Spitze gekrönten Aufbaus.“180 Der Staat an sich ist ebenfalls nur ein Stand. Karrenbrock leitet ‘Stand’ und ‘Staat’ vom lateinischen ‘status’ ab, dem deutschen ‘stehen’. Deshalb ist der liberale Staatsvertrag keine wahre Staatsbegründung. Und ähnlich leitet Karrenbrock seine strenge Hierarchie ab, da der Gedanke der Ordnung „ordo, ordinis! Rangord-

178 179 180

Beide Zitate: Karrenbrock, Paul: Recht und Wirtschaft in der ständischen Ordnung, Wien-Berlin 1932, S. 45 Vgl. ebd. S. 52 Ebd. S. 47

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nung!“

181

bedeute. Ständestaat bedeute Sachhierarchie und Personenhierarchie.182

Folglich lehnt Karrenbrock die Idee und die Verfassung der Weimarer Republik, insbesondere die politische Gleichheit der Menschen, ab.

Quelle: Eigene Darstellung gemäß vorliegender Analyse.

Fazit: Das Spannungsfeld zwischen dem Anspruch der Neuentwicklung sowie der Neuformulierung eines Staatssystems einerseits und partiellen Neuauflegung der Ideen des Freiherrn vom Stein und Adam Müllers andererseits rücken Karrenbrock eher in die Kategorie der Weiterentwicklung. Sein Konzept ist nicht komplett neu, aber eben auch keine bloße Anpassung des überkommenen Ständestaatskonzeptes an die Verhältnisse nach 1918.

181 182

Karrenbrock, Paul: Recht und Wirtschaft in der ständischen Ordnung, Wien-Berlin 1932, S. 47 Vgl. ebd. S. 48

47

3.1.4 Der ‘Drang zur Gemeinschaft’ bei Franz Jerusalem (1925) Franz Jerusalem entwickelte aus einer Gemeinschaftssoziologie heraus ein Ständestaatskonzept, das bewusst den überkommenen Ständestaatsgedanken überwinden sollte. Ohne Anpassung an die bestehende Weimarer Verfassung formuliert er eine neue Form der ständischen Gliederung und entwickelt ebenso eine neue ideelle Begründung für Stand und Ständestaat. Jerusalem ging nicht von einem abstrakten Geistesbegriff aus, wie es dem Universalismus zu Eigen war. Das soziale Leben werde durch eine Lebensenergie bestimmt, das allem Organischen zugrunde liegt. Er entwickelte das ‘Prinzip der Kollektivität’, nach dem das menschliche Dasein vom Kollektivismus zum Individualismus strebt, um von dort wieder zum Kollektivismus zurückzustreben. Kollektivität wird von ihm als Gemeinschaft definiert, weshalb er, um Missverständnisse zu vermeiden, später von geschlossenen und offenen Gemeinschaften sprach.183 Bereits in den mittelalterlichen Stadtkorporationen begann die Hinwendung der Gesellschaft zum individualistischen Staat, mit Rousseau kehrte die Gesellschaft langsam zum Kollektivismus zurück. Das Frontkriegserlebnis im Ersten Weltkrieg sei nun der Höhepunkt des Gemeinschaftsstaates gewesen.184 Dieser Drang zu Gemeinschaften sei es nun, der den ständischen Staat neuen Typs schaffe. Gleiche drängen zu Gleichen, den Kaufmann drängt es zur Gemeinschaft mit dem anderen Kaufmann, den Gelehrten drängt es zum anderen Gelehrten.185 Dem Gemeinschaftsprinzip entsprechend versteht Jerusalem die Stände nicht als Berufsstände, sondern allgemein als das Resultat der Gemeinschaft bestimmter Lebensformen.186 Jede Gemeinschaftsform, die sich selbst zur Geltung bringt, kann ein Stand sein. Der Einzelne ist aufgrund seiner Leistung Teil dieser Gemeinschaft. Der Staat müsse nun überall, wo solche Entwicklungen stattfinden, die Bildung von Ständen fördern und seine Aufgaben an diese abgeben. Dies beginne bei den Familien (!) sowie den örtlichen und städtischen Gemeinden. Die Wirtschaft solle Werksgemeinschaften bilden. Die übergeordnete, organisatorische Form dieser neuen Stände sind Körperschaften, die nach dem Vorbild des germanischen Volksstaates gestaltet sind.187 Eine Rangordnung der Gemeinschaften existiert nicht,

183 184 185 186 187

Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 250f. Vgl. Jerusalem, Franz: Gemeinschaft und Staat, Tübingen 1930, S. 15f. und S. 18ff. Vgl. Jerusalem, Franz: Soziologie des Rechts, Jena 1925, S. 352. Vgl. ebd. S. 353. Vgl. Jerusalem, Franz: Gemeinschaft und Staat, Tübingen 1930, S. 10-29.

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die Gemeinschaften sind horizontal gegliedert.188 Gesamtstaat und Stände sind getrennt, da die Stände gesellschaftliche Gemeinschaften sind. Der Staat als Rechtsgemeinschaft ist auch nur Teil eines Ganzen: Neben ihm steht die Gemeinschaft der Stände.189 Die Stände gliedern sich horizontal dem völkischen, organisch gebildeten Staat an und übernehmen bis auf die Außen- und Sicherheitspolitik einen Großteil seiner Aufgaben und Funktionen. Fragen der Demokratie, Parlamentarismus und der politischen Gleichheit obliegen, gemäß der Logik seines Systems, den Ständen als ‘Gemeinschaften’ selbst.

Quelle: Eigene Darstellung gemäß vorliegender Analyse.

Fazit: Das Ständestaatskonzept von Franz Jerusalem stellt ein Idealbild einer Neuentwicklung des Ständestaatsgedankens dar: Bis auf den Verweis auf den germanischen Volksstaat kommt es ohne bewusste oder unbewusste Rückgriffe auf ältere Ständestaatskonzepte aus. 188 189

Vgl. Jerusalem, Franz: Der Staat. Ein Beitrag zur Staatslehre, Jena 1935 S. 104f. Vgl. ebd. S. 320.

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3.2 Konfessionell begründete Konzepte Folgend sollen jene Konzepte dargestellt werden, deren Hintergrund und Begründungsgrundlage eindeutig konfessionell geprägt ist.

3.2.1 Der berufsständische Gedanke in der katholischen Soziallehre Die Ständestaatstradition des Katholizismus entspringt der Scholastik und dem Gesellschaftsbild von Thomas von Aquin. Doch durch die Aufnahme romantischer Ständelehren wandte sich der Katholizismus von der Kritik an bestehenden Verhältnissen hin zu Reformvorschlägen. Im Zuge der Wandlung politischer Machtverhältnisse wurde der Katholizismus zunehmend an der Macht beteiligt und durch die Industrialisierung im 18.Jahrhundert war an eine Umsetzung romantischer Ziele nicht zu denken.190 Der Katholizismus stellte sich auf den Boden der kapitalistischen Wirtschaftsordnung und wandte sich von ständischen Bestrebungen der romantischen Scholastik ab. Es sollten nun innerhalb der bestehenden Wirtschaftsordnung Reformen stattfinden. Bis zum Beginn des 20.Jahrhunderts kamen dann alle ständischen Bemühungen zum Erliegen. In Folge des verlorenen Ersten Weltkrieges ergab sich die Chance grundlegende Sozialreformen durchzusetzen. Zunächst erfolgte eine Übernahme konservativer Ständestaatsideen. Erst mit der Diskussion um den Rätegedanken fand eine Rückbesinnung auf die katholisch-ständische Tradition statt.191 Eine neue katholische Ständelehre entwickelte sich jedoch außerhalb der offiziellen katholischen Soziallehre durch Wiederaufnahme der katholischen Romantik in der sogenannten ‘Vogelsang-Schule’192 sowie im Universalismus. Die romantisch-scholastischen Ständestaatsideen hatten bei einer Neuformulierung mehr Probleme als der eher realistische Solidarismus. Die entscheidendste

190 191 192

Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 118. Vgl. ebd. S. 120. Vgl. Knoll, August Maria: Das Ringen um die berufsständische Ordnung in Österreich, Wien 1933, S. 9f. Vgl. Knoll, August M.: Karl von Vogelsang und der Ständegedanke, Paderborn 1931.

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Förderung der ständischen Ideen erfolgte durch die päpstliche Enzyklika ‘Quadragesimo anno’193, in der eine berufsständische Gliederung zum katholischen Reformprogramm gemacht wurde.194 Die Menschen sollen sich demnach auf Basis ihres Berufes zusammenschließen, unabhängig ob sie Arbeitnehmer oder Arbeitgeber sind. Beide Gruppen sind auch an der Mitbestimmung gleich beteiligt. Art und Umfang dieser Mitbestimmung sollen nicht nach Parität erfolgen, sondern nach Beteiligung bei der Leistungserstellung.195 Das berufsständische Ordnungsprinzip liegt in der Natur des Menschen und ist Funktionsträger des Gemeinwohls. Die Berufsstände werden nach den Funktionen der Gesellschaft frei von den Menschen gebildet.

3.2.1.1 Der Solidarismus bei Oswald Nell-Breuning (1932) Der Solidarismus wurde ursprünglich von dem Jesuiten Heinrich Pesch begründet. Dabei wurden scholastische und naturrechtliche Prinzipien mit Forderungen der wirtschaftlichen Vernunft verknüpft. Jedoch hatte man zunächst kein ständisches System gefordert, sondern festgestellt, dass korporative genossenschaftliche und berufliche Gemeinschaften eine Solidarität innerhalb der Interessengemeinschaften herstellen würden, welche gesellschaftsordnend wirken.196 Im Zuge der Diskussion um den Rätegedanken kritisierte Pesch scharf das kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftssystem. Als Alternative forderte er die Gestaltung des Wirtschaftslebens nach beruflichen Organisationen. Der Solidarismus knüpfte bewusst eng an überlieferte Ideen und Begriffe der katholischen Soziallehre an und versuchte diese weiterzuentwickeln. Für die Zeit bis 1933 maßgebend waren die Jesuiten Oswald Nell-Breuning, Josef van der Velden und Gustav Grundlach, die die solidaristische Lehre nicht nur ausgebaut,

193

194 195 196

Vgl. Pius XI., Rundschreiben über die gesellschaftliche Ordnung, ihre Wiederherstellung und ihre Vollendung nach dem Heilsplan der Frohbotschaft zum 40.Jahrestag des Rundschreibens Leo XIII ‘Rerum novarum’. Autorisierte Ausgabe, Freiburg 1931. Vgl. Rauscher, Anton: Subsidiaritätsprinzip und berufsständische Ordnung in ‘Quadragesimo Anno’. Eine Untersuchung zur Problematik ihres gegenseitigen Verhältnisse, Münster 1958. Vgl. ebd. S. 97ff. Vgl. ebd. S. 140. Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 119f.

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sondern auch neubegründet haben.197 Dabei setzte vor allem Nell-Breuning die wesentlichsten Akzente. Nell-Breuning sieht die Seinswirklichkeit und den Ausgangspunkt der Soziologie im Individuum. Alles gesellschaftliche Leben sei daher auch um des Einzelnen Willen da. Dieses Individuum ist jedoch kein absolut gedachtes Einzelwesen, sondern gesellschaftlich veranlagt.198 Der Mensch besitze folglich eine Doppelnatur, eine Individual- und Sozialnatur.199 Aufgrund dieser Gegenüberstellung sei der Solidarismus ein vermittelndes Prinzip zwischen Individualismus und Sozialismus. Andere Autoren des Solidarismus, wie z.B. Josef van der Velden oder Gustav Gundlach, argumentieren dabei schärfer gegen den ‚atomistischen Individualismus’. Sein Aufkommen hätte den Niedergang des gesunden Gemeinschaftsgefüges im Mittelalter eingeleitet.200 Oberster sozialphilosophischer Grundsatz ist das Prinzip der Subsidiarität, wonach eine übergeordnete Einheit nur das übernehmen soll, was die kleinere Einheit nicht zu leisten vermag. Die Berufsstände stellen dabei die ‘kleineren Einheiten’ im Sinne der Subsidiarität dar, welche all jene Kompetenzen erhalten sollen, deren Umsetzung sie selber gewährleisten können. Der subsidiäre Berufsständebegriff des Solidarismus erinnert an den dezentralen Selbstverwaltungsgedanken des Freiherrn vom Stein, ohne diesen explizit zu erwähnen. Dabei wird jedoch nicht im Sinne einer Entlastung und Dezentralisierung des Staates argumentiert wie bei Freiherr vom Stein, sondern mit dem generellen Grundsatz der Subsidiarität. Daher ist ein unbewusster Rückgriff auf die Ideen des Freiherrn vom Stein schwer zu behaupten. Der überkommene Ständestaat wird abgelehnt, da dieser das Ziel einer subsidiären berufsständischen Ordnung gemäß der päpstlichen Enzyklika ‘Quadragesimo anno’ in den Augen der Arbeiterschaft diskriminiere. Verfechter des überkommenen Ständestaa-

197

198 199 200

Vgl. Velden, Josef van der (Hrsg.): Die berufsständische Ordnung. Idee und praktische Möglichkeiten, Köln 1932. Vgl. Velden, Josef van der (Hrsg.): Wirtschaft und Sozialpolitik in der berufsständischen Ordnung, Köln 1933. Vgl. Nell-Breuning, Oswald: Die soziale Enzyklika, Erläuterungen zum Weltrundschreiben Papst Pius XI. über die gesellschaftliche Ordnung, Köln 1932, S. 145. Vgl. ebd. S. 66. Vgl. Gundlach, Gustav: Staat, Gesellschaft und Wirtschaft in der individualistischen Aera unter katholischer Sicht, in: Velden, Josef van der (Hrsg.): Die berufsständische Ordnung. Idee und praktische Möglichkeiten, Köln 1932, S. 27.

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tes werden gar als Sympathisanten des Faschismus und Nationalsozialismus bezeichnet.201 Dass sich der Solidarismus vereinbar mit den Prinzipien der Demokratie und dem Parlamentarismus sieht, wird von Nell-Breuning nur in einer Fußnote erwähnt, dafür aber umso entschiedener.202 Eine berufsständische Gliederung der Gesellschaft würde gerade die Schäden am Parlamentarismus beseitigen! Es sei noch nicht einmal vorgesehen, das politische Parlament durch ein berufsständisches Wirtschaftsparlament zu ersetzen. Folglich trennt er Wirtschaft und Staat, während letzterer nicht ständisch gegliedert wird, sondern im Sinne der Weimarer Reichsverfassung weiter bestehen soll. Nell-Breuning geht sogar noch weiter: Eine berufsständische Gliederung ließe sich gar nur alleine mit der parlamentarischen und demokratischen Staatsform realisieren. Es werden nur die öffentlich-rechtlichen Kompetenzen vom Parlament auf die Berufsstände verteilt. Der formale Demokratiegedanke wird bei Nell-Breuning durch den ‚organischen’ ersetzt, der jedoch die rechtliche Gleichheit nicht antasten soll.203 Dabei bekennt er sich interessanterweise dennoch zu einer gesellschaftlichen Ordnung der Ungleichheit zwischen den Menschen: „Wo alles gleich ist und nur Gleiches neben Gleichem liegt, kann von einer Ordnung, die diesen Namen wirklich verdiente, keine Rede sein. Millionen Sandkörner mögen auf einen Haufen geschüttet sein; wo die einzelnen Körner zu liegen kommen, ist vollkommen gleichgültig, weil sie eben doch alle untereinander gleich sind. Darum kann auch kein Mensch eine sinnvolle Ordnung in sie hineinbringen. Ohne daß unter ihnen Unordnung herrschte, sind sie doch auch der Ordnung nicht fähig: die bloße Gleichheit und Einerleiheit reich an den erhabenen Begriff der Ordnung nicht heran.“204 Wie begründet Nell-Breuning nun seine ständische Staatsorganisation? Ausgangspunkt ist die scholastische Lehre von der Gemeinwohlgerechtigkeit. Der Mensch erstrebe als Sozialwesen gemeinsame Werte und Güter. Durch das Zusammenleben entwickeln die Individuen sich zur Gesellschaft fort. Durch dieses Prinzip entwickelt sich der organische, ganzheitliche Charakter des gesellschaftlichen Lebens. Da das Gemeinwohl keine einfache Größe ist, sondern durch die verschiedenen Interessen und Möglichkeiten 201

202 203 204

Vgl. Gundlach, Gustav: Staat, Gesellschaft und Wirtschaft in der individualistischen Aera unter katholischer Sicht, in: Velden, Josef van der (Hrsg.): Die berufsständische Ordnung. Idee und praktische Möglichkeiten, Köln 1932, S. 135. Vgl. ebd. S. 169. Vgl. ebd. S. 164. Ebd. S. 159.

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entsteht, ist eine ständische Gliederung die logische Schlussfolgerung. Die Stände können je nach ihren unterschiedlichen Leistungen zum Gemeinwohl hinzutragen. Sie werden nicht, wie im Universalismus, durch Ausgliederung aus der Gesamtheit gebildet, sondern durch ein Zusammenschließen zu Zweck der Erfüllung des Gemeinwohls. Es entstehe somit eine organische ständische Gesellschaft, eine scholastische „Einheit in wohlgegliederter Vielheit“205, in der die „Lebenskräfte selber in organischer Weise Aufbau und Gestalt206 bestimmen. Dieser Organismus ist jedoch kein natürlicher, sondern ein moralisch-juristischer Organismus.207 Die ‘Organe’ sind untereinander nicht wirklich organisch verbunden, sondern sind „Anhäufungen von an und für sich unverbundenen Einzelnen.“208 Die Definition der Stände lehnt sich an die Worte der Enzyklika an, nach der „Stände wohlgefügte Glieder des Gesellschaftsorganismus“ sind „denen man nicht nach der Zugehörigkeit zur einen oder andern Arbeitsmarktpartei, sondern nach der verschiedenen Funktion des einzelnen angehört.“209 So schreibt NellBreuning: „Der Ton liegt auf der gesellschaftlichen Funktion […] Was leistest du im Gesellschaftsganzen und für das Gesellschaftsganze? Danach bestimmt sich dein Platz innerhalb der Gesellschaft […] Stände sind gesellschaftliche Leistungsverbände.“210 Das solidarische und konservative Organismusverständnis unterscheiden sich somit stark voneinander, weshalb der Solidarismus auch nicht in das überkommene organische Denken fällt. Der Solidarismus benutzt zwar dieselben Gegenüberstellungen wie ‘organisch’ versus ‘mechanisch’ oder das Bild der atomisierten Individuen in unorganischen Gesellschaften. Die Formulierung der Gesellschaft als Organismus ist jedoch von dem Organismusdenken des Naturalismus und der Romantik weit entfernt. Ebenso sieht der subsidiäre Organismusbegriff des Solidarismus den Vorrang der kleineren Gemeinschaft (Stände) vor der größeren Gemeinschaft (Staat) vor. Der konservativ-reaktionäre wie auch der universalistische Organismusbegriff sieht dabei die größere Einheit stets

205

206 207 208 209

210

Gundlach, Gustav: Staat, Gesellschaft und Wirtschaft in der individualistischen Aera unter katholischer Sicht, in: Velden, Josef van der (Hrsg.): Die berufsständische Ordnung. Idee und praktische Möglichkeiten, Köln 1932, S. 161. Ebd. S. 154. Vgl. ebd. S. 156. Ebd. S. 155. Pius XI., Rundschreiben über die gesellschaftliche Ordnung, ihre Wiederherstellung und ihre Vollendung nach dem Heilsplan der Frohbotschaft zum 40.Jahrestag des Rundschreibens Leo XIII ‘Rerum novarum’. Autorisierte Ausgabe, Freiburg 1931, S. 115. Nell-Breuning, Oswald: Die soziale Enzyklika, Erläuterungen zum Weltrundschreiben Papst Pius XI. über die gesellschaftliche Ordnung, Köln 1932, S. 155.

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bevorzugt.211 Die Gesellschaft ist daher keine geistige Gemeinschaft wie beim Universalismus, sondern ein Wirk- und Leistungszusammenhang. Die Stände als Glieder des Gesellschaftsorganismus werden definiert nach ihrer Funktion, verstanden als die Leistung des Einzelnen für den Organismus. Demzufolge treten die Stände in eine Hierarchie ein: „Auch im Körper bestimmt sich der Platz eines jeden Gliedes nach dem, was dieses Glied im ganzen Organismus zu leisten hat. […]Aber nicht nur diese Glieder als Ganzes haben jedes seinen bestimmten Platz, sondern auch jeder kleinste Gewebeteil, jede Zelle ist für die betreffende Funktion ganz eigenartig zweckvoll gestaltet.“212 Innerhalb der Stände soll jedoch eine größtmögliche Selbstverwaltung herrschen.213

Quelle: Eigene Darstellung gemäß vorliegender Analyse.

211

212 213

Mit Ausnahme konservativer Berufsständerepräsentanten, wie Julius Bunzel oder Wolfgang Freiherr von Dungern, vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 141. Nell-Breuning, Oswald: Die soziale Enzyklika, Erläuterungen zum Weltrundschreiben Papst Pius XI. über die gesellschaftliche Ordnung, Köln 1932, S. 161. Vgl. ebd. S. 164.

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Fazit: Der Solidarismus nach Oswald Nell-Breuning ist als eine (wenn auch beachtliche) Weiterentwicklung des katholischen Ständegedankens einzustufen.

3.2.1.2 Die katholische Romantik bei August Pieper (1926) Mit dem Aufkommen des Solidarismus begannen auch andere katholische Bestrebungen, in Anlehnung an romantische Vorbilder eine neue katholische Ständelehre zu entwickeln.214 Dabei wurde versucht, unter Anleihen beim Universalismus eine religiöse, metaphysische Ständelehre zu entwickeln. Bis auf den Sozialromantiker August Pieper konnte jedoch kein Autor ein geschlossenes Ständebild entwickeln. Pieper bezog sich direkt auf den Universalismus von Othmar Spann (Katholik), versuchte jedoch die wissenschaftliche Begründung abzulegen und eine romantisch-katholische Ständelehre zu entwickeln. Seinen Staatsbegriff entlehnte er der Romantik (insb. Adam Müller), dem Berufsständedenken des 18.Jahrunderts sowie den Ideen des Freiherrn vom Stein.215 Im Gegensatz zum Solidarismus betonte Pieper den Vorrang des Ganzen, die Unterordnung des Gliedes unter die Lebensgemeinschaft.216 Wie beim Universalismus unterschied er die „mechanische Zweckgesellschaft, die bloße Organisation ‚von außen’ sei“217 wie eine Maschine oder ein Mechanismus. Dem gegenüber stand die universalistische Formel der ‘geistigen Ganzheit’, dem geistigen und leiblichen Organismus, der von innen heraus wächst.218 Die „Idee und Liebe“219 der Lebensgemeinschaft wird bei Pieper romantisch überhöht und sowohl auf die verschiedenen Stände, als auch auf die Familie und die Volksgemeinschaft übertragen. Sie ist zugleich „Vertrauen, Treue, Wohlwollen, Freundschaft, Hilfsbereitschaft,, gütige Liebe“ sowie gegenseitige „Lebensergänzung, Lebensbereicherung und Lebenserhöhung“. Sie ist

214 215 216 217 218 219

Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 144. Vgl. ebd. S. 149. Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 147. Pieper, August: Berufsgedanke und Berufsstand im Wirtschaftsleben, 2.Aufl., M. Gladbach 1926, S. 132. Vgl. auch Pieper, August: Organische und mechanische Auffassung des Gemeinschaftslebens, M. Gladbach 1929. Pieper, August: Berufsgedanke und Berufsstand im Wirtschaftsleben, 2.Aufl., M. Gladbach 1926, S. 23.

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„Wesensgemeinschaft und Schicksalsverbundenheit, eine geistige Ganzheit, ähnlich der Einheit von Glied und Organismus aus der Lebenseinheit der Seele.“220 Piepers Konzept zur Staatsorganisation unterschied Staatsvolk, Wirtschaftsvolk und Kulturvolk als Teilgemeinschaften der Volksgemeinschaft. Diese drei Lebensgemeinschaften sind in Teil-Lebensgemeinschaften untergliedert. Das Wirtschaftsvolk sei gegliedert in Berufsstände. Gerade in der Wirtschaft sind die Bestrebungen nach organischen Gemeinschaften besonders stark. Das Kulturvolk sei die geistige Einheit eines Volkes und ist in die Kulturstände gegliedert. Im Staatsvolk trete der Staat in Form der politischen Stände handelnd in Erscheinung. Der Staat ist entsprechend der organischen Staatsauffassung das erhöhte, geistige Ganze. Pieper trennt dabei die Berufsstände im Bereich der Wirtschaft von den politischen Ständen auf staatlicher Ebene. Die Berufsstände sind als „Reich der Seele“221 Lebensgemeinschaften, aber keine Interessengemeinschaften222, deren Mitglieder für die Volksgemeinschaft ihre eigenartig gelernten Dienste als Lebensberuf ausüben. Der Einzelne stellt sich durch seine Hingabe an seinen Beruf in den Dienst seiner Volks- und Staatsgenossen, mit denen er durch eine Lebens- und Schicksalsgemeinschaft in Liebe und Treue verbunden ist.223 Der Beruf ist daher die stärkste gemeinschaftsbildende Kraft. Er ist eine sakrale, religiöse Idee sowie ein „Ruf Gottes“224. Aus diesem Berufsethos entspringt das Standesbewusstsein. Der Staat überträgt öffentlich-rechtliche Aufgaben an die Berufsstände, die dann ein staatsorganisatorisches Amt wahrnehmen. Dabei orientierte er sich an den geistigen Grundlegungen des Universalismus, übernimmt jedoch nicht die strenge Hierarchie. Die Grenzen der Berufsstände sind nicht absteckbar, wohl aber ihre Eigenarten.225 So formuliert er: „Sie leben nicht gesondert nebeneinander, sondern geistig-organisch ineinander.“226

220 221 222 223 224 225 226

Pieper, August: Berufsgedanke und Berufsstand im Wirtschaftsleben, 2.Aufl., M. Gladbach 1926, S. 22. Ebd. S. 118. Vgl. ebd. S. 31. Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 147-150. Pieper, August: Berufsgedanke und Berufsstand im Wirtschaftsleben, 2.Aufl., M. Gladbach 1926, S. 28. Vgl. ebd. S. 33. Ebd. S. 32.

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Die politischen Stände umfassen andere Lebenskreise als die Berufsstände und sie sind auch nicht definierbar über wissenschaftliche Kriterien, „denn alles Leben ist geheimnissvoll.“227 Man gelange zu ihnen über die ‘seelische Vertiefung’ des organischen, genossenschaftlichen Volksstaates.228 Für das Staatsvolk und dessen politische Stände übernimmt er die berufsständischen, horizontalen Gliederungsvorstellungen nicht. Hier bleibt er dem Universalismus verwandt, wenn auch dieser die Pieper’sche Bezeichnung ‚Organische Demokratie’229 ablehnen würde. Er lehnt die mechanische, rationalistische Demokratie ab, die nur Klassen und Interessengruppen kenne, weshalb dieser Staat eine pyramidenartige Anordnung braucht. Die politischen Stände werden sich mit Bestehen der Berufsstände entwickeln und sich ähnlich ausgestalten, dürfen jedoch nicht zusammenfallen. Aus diesem Grund verwirft Pieper auch ein berufsständisches Wahlrecht. Ein Wirtschaftsparlament dürfe hinsichtlich allgemeinpolitischer Angelegenheiten nur beratende Funktion haben, jedoch keine staatlichen Entscheidungen treffen. Dem Staat obliegt die Aufgabe, die „Macht nach außen und innen“230 auszugestalten. Auch hier findet sich wieder das Bild des ständischen Nachtwächterstaats. Der organische Volksstaat gliedert sich in Führer und Gefolgschaft. Der politische Führerstand entsteht aus freier Selbstbestimmung der Gefolgschaft. Die politischen Führer sind schöpferisch begabte Staatsmänner, die eine spezielle politische Schullaufbahn hinter sich haben. Von dem politischen Führerstand in den Gemeinden bis zur Gesamtregierung durchlaufen alle Staatsbeamten eine Rangordnung und politische Schulung, vergleichbar mit der heutigen Beamtenlaufbahn. Jegliche von Pieper angeführte Mitbestimmung der ‘Gefolgschaft’ ist dabei jedoch hinfällig. Wählbar bzw. als politischer Führer in Frage kommend, ist nur jener mit dem höchsten Bildungsrad und der längsten Staatsbeamtenlaufbahn.231 Jemand mit geringer Laufbahn und Bildungsstrecke kann nur auf unteren Ebenen, wie den Gemeinden oder Ländern, politische Führung übernehmen. Die Gefolgschaft als politischer Stand dient dem Führerstand als ‘Bürger-

227 228 229 230 231

Pieper, August: Berufsgedanke und Berufsstand im Wirtschaftsleben, 2.Aufl., M. Gladbach 1926, S. 32 Vgl. ebd. S. 42f. Vgl. ebd. S. 53. Ebd. S. 53. Vgl. Pieper, August: Zur staatsbürgerlichen Bildung und politischen Schulung. M.Gladbach, 1920.

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beruf’ der Umsetzung von Gesetzgebung und Verwaltung. Führer und Gefolgte sind somit in ‘Treuegemeinschaft’ miteinander verbunden.232

Quelle: Eigene Darstellung gemäß vorliegender Analyse.

Fazit: Pieper formuliert eigentlich zwei Neuauflagen: Einmal eine Neuauflage des Ständestaats der Romantik nach Adam Müller, andererseits eine Neuauflage des Berufsständegedankens des 18.Jahrhunderts.

232

Vgl. Pieper, August: Berufsgedanke und Berufsstand im Wirtschaftsleben, 2.Aufl., M. Gladbach 1926, S. 55.

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3.2.2 Der protestantische Ständestaat bei Rudolf Craemer (1933) Der Protestantismus hatte selbstverständlich mit der mittelalterlichen, katholischen Gesellschaftshierarchie gebrochen und auch dessen Ständestaatsdenken verworfen. Der Protestantismus stellte die Eigenverantwortlichkeit des Einzelnen in den Vordergrund und legte die Entscheidungen der Staatsgestaltung in die Hand der Verantwortlichen.233 Aus diesem Grund war die Idee einer Zusammenfassung der Menschen in einheitliche Glieder dem Protestantismus eher fremd. Erst als der Konservativismus einen bedeutenden Einfluss auf den Protestantismus erlangte, entwickelte sich eine konservativprotestantische Ständelehre. Das in sich schlüssigste Ständestaatskonzept in diesem Sinne entwickelte hier Rudolf Craemer. Er stellte sich gegen die romantischen Ständeideologien, welche den Belangen der Arbeiterschaft nicht gerecht werden würden.234 Eine ständische Ordnung müsse sich auf die ‘realen Kräfte’ beziehen und vor allem die Gewerkschaften mit einbeziehen. Diese müssen eine soziale Selbstverwaltung unter staatlicher Aufsicht erhalten, aus denen sich letztendlich ständische Körperschaften entwickeln.235 Craemers Ständebild lehnte sich stark an das bündische Prinzip an und orientierte sich an den berufsständischen Zielen Bismarcks.236 Er verfolgt eine Weiterentwicklung des Berufsständegedankens des 18. Jahrhunderts mit protestantischen Einflüssen. Der Staat müsse allen freien, selbstverantwortlichen Kräften die bündische, körperschaftliche Selbstverwaltung anvertrauen. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Verbände sowie der bündische Zusammenschluss beruflicher Stände würden eine dreifache ständische Vertretung entstehen lassen. Berufsgenossenschaften würden eine „bürgerliche Standesform der Mittelschicht“ herstellen.237 Diese würden die bestehenden demokratischen Strukturen ersetzen durch eine echte Form der Repräsentation in Form von ‘Kammern’ der jeweiligen Wirtschaftszweige und ständischen Organisationen.

233 234 235 236 237

Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 167ff. Vgl. ebd. S. 170. Vgl. Craemer, Rudolf: Der Kampf um die Volksordnung. Von der preußischen Sozialpolitik zum deutschen Sozialismus, Hamburg 1933, S. 157. Vgl. ebd. S. 125. Ebd. S. 282.

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Sein Konzept geht dabei oft auf die berufsständischen Ideen des Freiherrn vom Stein sowie Moeller van den Brucks zurück.238 Die führende staatliche Schicht müsse jedoch durch einen geborenen und gebundenen Stand erfolgen, dessen Festigkeit und Vorbild das Ganze binden kann.239 Parlamentarismus, Demokratie und liberale Rechte lehnt er zwar nicht direkt ab, sieht aber das Ende des ‘liberalen Zeitalters’ und dessen Gesetzesstaates, der demokratischen Verfassungen und der bürgerlichen Freiheiten.240 Craemer verfasste sein Konzept unter dem Einfluss der Machtübernahme durch den Nationalsozialismus. Seine zunächst freiheitlichen Argumentationen zum freien und selbstverantwortlichen Zusammenschluss der Berufsstände und Bünde wird überschattet von der dahingehend widersprüchlichen Begeisterung für die antidemokratische und antiparlamentarische Regierung Hitlers. So verfolgte er 1933 noch die Hoffnung einer ‘nationalsozialistischen Freiheit’. Er ging dabei fest davon aus, dass der Nationalsozialismus dem bündischen Prinzip treu bleibe: „Die Eroberung der Verbände durch die nationalsozialistische Staatsführung schuf die Vorraussetzung fester Standwerdung im nationalen Gefüge.“241.

238 239 240 241

Vgl. ebd. S. 262. Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 172. Vgl. ebd. S. 263. Ebd. S. 283.

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Quelle: Eigene Darstellung gemäß vorliegender Analyse.

Fazit: Das vorliegende Ständestaatskonzept stellt eindeutig neue Ideen dar, kommt aber ohne Rückgriffe insbesondere auf Bismarck, den Freiherrn vom Stein oder Moeller van den Bruck nicht aus. Craemer kann deshalb als protestantische Weiterentwicklung des überkommenen Berufsständegedankens angesehen werden.

62

3.3 Politisch begründete Konzepte Im Gegensatz zu den bisherigen Strömungen sollen nun jene Konzepte dargestellt werden, die aus einem bestimmten ideologischen Hintergrund heraus oder als Reaktion auf politische Entwicklungen ständestaatliche Strukturen errichten wollten.

3.3.1 Altkonservative und Monarchisten Im Folgenden werden jene ständestaatlichen Konzepte betrachtet, deren weltanschaulicher oder politischer Hintergrund die Restaurierung des Kaiserreiches vorsah oder zumindest wesentliche Werte und Traditionen der unmittelbaren Vorkriegszeit erhalten wollte. Einen einheitlichen Konservativismus gab es nicht242, wohl aber die zwei Tendenzen, sich entweder auf die Restauration der Monarchie zu berufen oder sich zumindest teilweise mit der Weimarer Republik zu arrangieren.243

3.3.1.1 Der Ständestaat im altkonservativen und monarchistischen Kreis Die altkonservativen Vorschläge sind genauso zahlreich wie unterschiedlich. Im Gegensatz zu den anderen hier untersuchten Strömungen konnte der Konservativismus in Bezugnahme auf Hegel, Fichte, Schlegel, Görres oder den Freiherrn vom Stein auf eine gewisse kontinuierliche ständestaatliche Tradition verweisen244. Auf diesen Anknüpfungspunkt verweisen nahezu alle konservativen Ständestaatstheoretiker. Das konservative ständische Schrifttum teilt sich nach 1918 in zwei Richtungen. Die einen knüpften an die berufsständischen Ideen aus dem 18.Jahrhundert an (Wundt, TatarinTarnheyden), während die zweite Richtung sich eher an dem Selbstverwaltungsgedanken des Freiherrn vom Stein orientierte (Bunzel). Der ständische Gedanke im eher monarchistisch orientierten Kreise diente oftmals nur dazu, die demokratischen Forde-

242 243 244

Vgl. Faber, Richard (Hrsg.): Konservativismus in Geschichte und Gegenwart, Würzburg 1991. Vgl. Sontheimer, Kurt: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik. Die politischen Ideen des deutschen Nationalismus zwischen 1918 und 1933, 3. Aufl. München 1992, S. 114-118. Vgl. Herrfahrdt, Heinrich: Das Problem der berufsständischen Vertretung von der französischen Revolution bis zur Gegenwart, Stuttgart 1921.

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rungen nach Selbstverwaltung, Teilhabe und Mitbestimmung in Einklang mit dem Monarchismus zu bringen. Die Stände dienten somit oftmals eher als Kompromiss.

3.3.1.2 Der monarchistische Ständestaat bei Max Wundt (1925) Max Wundt knüpft nach eigener Aussage direkt an das berufsständische Denken des 19.Jahrhunderts an, ohne dabei bestimmte Autoren oder Konzepte zu nennen.245 Ebenso erhebt er den Anspruch, eine Neuauflage konzipieren zu wollen. Er übernimmt beispielsweise von Adam Müller die Berufsstände als Glieder des organischen Staates. Zu dem typischen Berufsständegedanken des 19.Jahrhunderts, den Reformen des Freiherrn vom Stein, gelangt er jedoch nicht. Der Gedanke der Selbstverwaltung weicht bei ihm zugunsten monarchistischer Obrigkeitstreue. Der einzelne Mensch, so die Grundaussage, ist keine Zelle des politischen Körpers. Er hat weder bisher so gelebt noch kann er niemals in einer solchen Vereinzelung leben. Die politische Aufgabe des Einzelnen ist sein Beruf, durch den er am staatlichen Leben teilnimmt. Diese Berufsbindung ist die Bindung an den Staat und nur die Berufe können die wahrhafte Gliederung des Staates ausmachen. Am Parlamentarismus der Weimarer Republik kritisiert Wundt die ‘Unehrlichkeit’, wenn behaupt würde, die Staatsgewalt ginge vom Volke aus.246 Die Wahrheit sei, dass alle Macht auf die Parteien übergegangen sei, die schon in ihren Namen das Übel tragen: Die Teilung des Volkes. Nicht die Besten regieren im Parlamentarismus, sondern jene, die sich den Schein der Tüchtigkeit zu geben wissen. Somit würde das freie und gleiche Wahlrecht zusammen mit der Listenwahl zur Entmündigung des Volkes führen. Der Staat an sich diene der gerechten Schlichtung zwischen den gesellschaftlichen Kräften zum Zwecke des Gesamtwohls.247 Der Parlamentarismus führe jedoch dazu, dass der Staat zwischen den Sonderinteressen hin- und hergezogen würde. Aus dieser Stellung zum Parlamentarismus schlussfolgert Wundt, dass jede Volksvertretung sich auf eine künstliche oder eine natürliche Gliederung des Volkes stützen kann. Eine künstliche Gliederung baue sich aus einem bloßen Gedanken auf, fern von der Wirklichkeit und hergeleitet von bloßen Begriffen.248 Einer 245 246 247 248

Vgl. Wundt, Max: Die Zukunft des deutschen Staates, Langensalza 1925, S. 10ff. Vgl. ebd. S. 11. Vgl. ebd. S. 12. Vgl. ebd. S. 17f.

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dieser Begriffe sei der „Gedanke der allgemeinen Gleichheit.“249 Dieser sei „ein bloßer Gedanke, der in der Wirklichkeit gar keinen Grund besitzt; denn alles höher gestaltete Leben und erst recht das Leben des Menschen ist das unbedingt Verschiedene und Besondere.“ Mehr noch: Der Gedanke der allgemeinen Gleichheit ist „in Wahrheit eine Beleidigung für den Menschen.“ Es regiere die Zahl und auf der Zahl bauen sich Parteien und das Parlament auf. Eine Mehrheit könne gar nicht entscheiden, nur Persönlichkeiten können dies.250 Die natürliche Gliederung erwächst aus den Wurzeln des Volkstums sowie der „Gemeinschaft des Bodens und des Blutes hervor und gestaltet sich dann in der Arbeit des Volkes zu einer sittlichen Gemeinschaft.“ Die Arbeit sei im Berufe verwirklicht, weil sie „Leben und Gestalt eines Volkes bestimmt.“251 Folglich sei die berufsständische Gliederung, unterteilt in Berufsverbände und Körperschaften, die natürliche Gliederung des Volkes. Aus Pragmatismus erkannte er dennoch eine parlamentarische Volksvertretung zunächst in einer Übergangsphase an. Neben dem noch bestehenden Parlament solle eine berufsständische Kammer errichtet werden, die zunächst dieselben legislativen Rechte wie die parlamentarische Kammer, später die alleinige Gesetzgebungshoheit haben solle.252 Das Parlament weiche letztendlich vollkommen dem Ständehaus, über dem unabdingbar eine erbliche Monarchie eingesetzt werden müsse. Die Verteilung der Berufsstände in dieser Kammer soll nicht aufgrund der Anzahl der darin Beschäftigten basieren. Dies wäre eine Rückkehr zur künstlichen Volksvertretung nach dem Prinzip der Zahl. Einen genauen Vorschlag, wie die Zusammensetzung der Ständekammer sein soll, macht Wundt nicht. Er schlägt aber vor, dass bei allen Angelegenheiten, die eine bestimmte Berufsgruppe ausschließlich betreffen, jene Berufsstände ein Vorzugsstimmrecht haben sollen. Die Mitglieder des Ständehauses sollen auch keine direkten Emissäre sein, sondern diejenigen, die sich in ihrem Beruf hervorgetan haben und diesem mit ihren „ganzen Sinnen und Denken“253 angehören. Die freie Wahl muss abgeschafft werden, der Sitz im Ständehaus soll gekoppelt sein an eine führende Stellung innerhalb des betreffenden Berufsstandes. Dies würde dann auch die „völlig unnütze politische Aufregung des Volkes durch die Wahlen“254 endlich beseitigen. Sein Ständestaatskon249 250 251 252 253 254

Dies und folgende: Wundt, Max: Die Zukunft des deutschen Staates, Langensalza 1925, S. 18. Vgl. ebd. S. 20. Beide aus: Ebd. S. 17. Vgl. ebd. S. 23ff. Ebd. Ebd. S. 26.

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zept lehnt die politische Gleichheit ab. Der Einzelne wird bei ihm nicht über das Naturrecht des Individualismus definiert, sondern allein über den Beruf. Er lehnt eine einheitliche Gewichtung der Berufsstände genauso wie eine Gewichtung gemäß der Angehörigenzahl ab und eröffnet somit stillschweigend eine Gewichtung gemäß der Wertigkeit der Berufsstände.

Quelle: Eigene Darstellung gemäß vorliegender Analyse.

Fazit: Das Ständestaatskonzept von Max Wundt stellt eine Neuauflage des Berufsständegedankens aus dem 19.Jahrhundert dar, bei der die überkommene Monarchie in das 20.Jahrhundert gerettet und mit Hilfe der Berufsstände in eine ‘natürliche Gliederung’ gebettet werden soll.

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3.3.1.3 Edgar Tatarin-Tarnheydens berufsständisches Rätesystem (1922) Tatarin-Tarnheyden versucht bewusst den konservativen Berufsständegedanken des 18. und 19. Jahrhunderts an die politische Entwicklung der Weimarer Republik anzupassen. Wohl im Bewusstsein der Tragweite der Novemberrevolution geht er dabei ausgesprochen weit. Mit seinem ‘berufsständischen Rätesystem’ versucht er auf den ersten Blick eine Synthese zwischen dem konservativen Berufsständetum und dem sozialistischen Rätesystem. Außer den Begriffen und der Arbeitsgrundlage des Art. 165 der Weimarer Reichsverfassung übernimmt er wenig vom sozialistischen Rätegedanken.255 Er würdigte den Eintritt des Rätegedankens im Zuge der Novemberrevolution, insbesondere das plebiszitäre Delegationssystem.256 Dies wäre ein Anfang für die Überwindung des ‘Kopfzahlprinzips’. Im Gegensatz zum russischen Rätemodell, das lediglich der Klassenherrschaft des Proletariats diene, sei dies ein „deutsches Rätesystem“257. Berufsstände sind bei Tatarin-Tarnheyden relativ simpel „Stände, die sich durch die Gemeinsamkeit des Berufs gebildet haben.“258 Sie sind wirtschaftliche wie auch politische Stände. Anders als Wundt verbindet er den Übergang zu den Berufsständen mit dem in der Weimarer Reichsverfassung vorgesehen Wirtschaftsrätesystem.259 Zweck dieser Übergangsräte müsse es sein, Arbeiter und Unternehmer im Zeichen der Arbeit an der Gesamtheit zu vereinen. Aus den Räten entwickeln sich Stände, die Übergangsphase stellt eine berufsständische Staatsorganisation dar: „Das Volk aus seiner Werkstätte heraus gibt sich hier seine Verfassung“260. Tatarin-Tarnheyden knüpft zwar an die demokratische Staatsphilosophie an, in dem er Rousseaus ‘volonte generale’ in seine Theorie mit einbezieht.261 Dennoch ist sein Konzept der ‘synthetischen Willensbildung’ eine weitreichende Uminterpretation demokratischen Denkens.

255 256 257 258 259 260 261

Vgl. Tatarin-Tarnheyden, Edgar: Berufsverbände und Wirtschaftsdemokratie : ein Kommentar zu Artikel 165 der Reichsverfassung, Berlin 1930, S. 12f. Vgl. das gleichnamige Kapitel in: Tatarin-Tarnheyden, Edgar: Die Berufsstände, ihre Stellung im Staatsrecht und die deutsche Wirtschaftsverfassung, Berlin 1922, S. 144. Ebd. S. 30. Ebd. S. 237. Vgl. ebd. S. 199ff. Ebd. S. 236. Vgl. Meyer, Thomas: Stand und Klasse. Kontinuitätsgeschichte Korporativer Staatskonzeptionen im Deutschen Konservativismus, Opladen 1997, S. 227.

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Nicht demokratische Wahlen, das „Kopfzahlsystem des Scheins“262, ist Grundlage seines Vertretungskonzepts. Die von ihm geforderte Beteiligung von Sachverständigen am Gesetzgebungsverfahren basiert auf einem ‘expertokratischen Delegationsverfahren’. Die Vollversammlung des Wirtschaftsparlaments setzt sich letztendlich größtenteils aus Sachverständigen zusammen. Sein berufsständisches Vertretungssystem ist ein innerständisches, pyramidenartiges Schichtungsverfahren.263 Er bindet aus Pragmatismus parlamentarische Komponenten in sein Übergangsmodell mit ein, so etwa die Wahl der Abgeordneten in die obersten Ständevertretungen. 1922 forderte er noch eine ‘organische Demokratie’, welche eine Kombination des demokratischen mit dem aristokratischen Prinzip darstellt.264 Ist der Gedanke des allgemeinen und gleichen Wahlrechts einmal verschwunden, solle sich das berufsständische System vollkommen entwickeln. Das endgültige berufsständische Wirtschaftsparlament hat weitreichende administrative und legislative Kompetenzen und ersetzt das demokratisch gewählte Parlament.265 Dennoch gibt es Punkte in der Weimarer Reichsverfassung, die Tatarin-Tarnheyden als ‘Faktoren der Volksganzheit’ schätzte. Darunter gehören die Möglichkeit von Volksbegehren, Volksentscheide und Volksabstimmungen sowie die machtvolle Stellung des Reichspräsidenten (inklusive der Möglichkeiten des Art.48).266 Die Frage der vertikalen oder horizontalen Gliederung wird von Tatarin-Tarnheyden selber diskutiert.267 Der Berufsstand wird als horizontale Gliederung dem vertikalen Klassenmodell entgegengestellt. In der Übergangsphase müsse jedoch diskutiert werden, welche Gliederungsform (horizontal oder vertikal) „für das Ganze weniger gefährlich sei.“268 Das Idealbild seiner Gemeinschaftsordnung stellt dabei ein hierarchisches Organismusmodell dar, bei dem lediglich die Berufsstände horizontal angeordnet

262 263 264

265 266 267 268

Tatarin-Tarnheyden, Edgar: Die Berufsstände, ihre Stellung im Staatsrecht und die deutsche Wirtschaftsverfassung, Berlin 1922, S. 238. Vgl. Meyer, Thomas: Stand und Klasse. Kontinuitätsgeschichte Korporativer Staatskonzeptionen im Deutschen Konservativismus, Opladen 1997, S. 228. Vgl. Tatarin-Tarnheyden, Edgar: Marburger Antrittsvorlesung vom 4. März 1922, entnommen aus: List, Erich: Der Berufsständegedanke in der deutschen Verfassungsdiskussion seit 1919, Leipzig 1930, S. 9. Vgl. Meyer, Thomas: Stand und Klasse. Kontinuitätsgeschichte Korporativer Staatskonzeptionen im Deutschen Konservativismus, Opladen 1997, S. 226. Vgl. ebd. S. 236. Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 46. Tatarin-Tarnheyden, Edgar: Die Berufsstände, ihre Stellung im Staatsrecht und die deutsche Wirtschaftsverfassung, Berlin 1922, S. 19.

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werden. Das gesamtstaatliche pyramidenartige Gebilde zielt jedoch zwangläufig auf die Abschaffung der politischen Gleichheit ab. Tatarin-Tarnheyden favorisiert zwar ein Nebeneinander der Stände, sprich eine horizontale Gliederung, sieht aber die innerständische Ordnung und den Staatsaufbau im Sinne der vertikalen Gliederung: Über den hierarchisch organisierten Berufsständen steht die Staatspitze der Gesamtinteressen.269 Sein Konzept der ständischen Organisation sieht im Vergleich zu Wundt eine breitere berufsständische Vertretung vor. Die berufsständische Vertretung müsse ein Spiegel der gesamten Volksarbeit sein und somit auch Kunst, Religion oder Erziehung mit einbeziehen.270 Dabei wäre es jedoch durchaus möglich, dass Unternehmer und Arbeiter in eine Arbeitsgemeinschaft treten, vergleichbar mit dem Werksgemeinschaftsprinzip. Das berufsständische Rätesystem beinhaltet noch so lange das allgemeine und gleiche Wahlrecht, bis das Verständnis für einen berufsständischen Aufbau im Volk verwurzelt sei.271 Als berufsständische Vertretung fordert er einen Kulturrat, ein Rechtsparlament und ein Wirtschaftsparlament. Aus diesen berufsständischen Vertretungen soll sich dann eine Elite formieren.

269 270 271

Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 47. Vgl. Tatarin-Tarnheyden, Edgar: Die Berufsstände, ihre Stellung im Staatsrecht und die deutsche Wirtschaftsverfassung, Berlin 1922, S. 233ff. Vgl. ebd. S. 243.

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Quelle: Eigene Darstellung gemäß vorliegender Analyse.

Fazit: Tatarin-Tarnheyden stellt sich in die Tradition des überkommenen Berufsständegedankens und versucht eine Anpassung an das 20. Jahrhundert. Trotz scheinbarer Neuformulierung bleibt sein ‘berufsständisches Rätesystem’ dennoch nur eine Weiterentwicklung.

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3.3.1.4 Die Stein’sche Selbstverwaltungsidee bei Wolfgang Freiherr von Dungern (1928) Im Gegensatz zu vielen anderen untersuchten Exponenten hält sich Freiherr von Dungern nicht bei allgemeinen, theoretischen, weltanschaulichen oder dogmatischen Problemfeldern auf, sondern konzipiert neben Heinrich Herrfahrdt oder Edgar TatarinTarnheyden als einer der Wenigen ein detailgenaues und kreatives Staatsbild eines ständischen Staates mit allen gesamtstaatlichen Verfassungsfragen. Während andere sich viel mehr um die Begründung der Stände kümmern und dafür Fragen der Regierungsorganisation offen lassen, könnte das Ständestaatskonzept des Freiherrn von Dungern nahezu Deckungsgleich als Staatsrecht zum Einsatz kommen. Freiherr von Dungern baut sein Konzept komplett auf dem Selbstverwaltungsprinzip des Freiherrn vom Stein auf und zieht historische Parallelen.272 Stein habe die Massen, die bisher nicht am Staat beteiligt wurden, durch untergeordnete Staatsverbände wieder in den Staat integriert. Von Dungern versucht, einen berufsständischen Parlamentarismus auf Reichsebene zu konzipieren. Stein habe zwar die lokalen Selbstverwaltungsprinzipien richtig dargestellt, es jedoch verpasst, ein gesamtstaatliches Konzept aufzustellen. Somit handelt Dungern die unteren Ebenen der Staatsorganisation schnell ab. Er will bewusst das Selbstverwaltungsprinzip nach Stein neu auflegen, „aber in zeitgemäßen Formen.“273 Dabei müsse der deutsche Hang zur Organisation wieder genutzt werden. Da sich die Verwaltung vom Boden und der örtlichen Begrenzung gelöst hat, muss das Stein’sche Reformprinzip dahingehend erweitert werden. Es müssten ‘Organisationen’ gegründet werden, die im Sinne kleiner Staatsverbände das gesamte Wesen des Volkes umfassen. Dungern bezeichnet alle Selbstverwaltungseinheiten als ‘Organisationen’, wohl um auch nicht-berufsbedingte Selbstverwaltungsgruppen zuzulassen (z.B. die Kirchen). Eine Gründung durch Zwang oder per Gesetz ‘von oben’ sei nicht möglich, da der Staat nicht wisse wann die Wahrung von Interessen notwendig sei.274 Erst mit Bestehen der Organisationen darf sich der Staat mit ihnen befassen. Eine Zulassung zur Selbstverwaltung oder eine Erlaubnis hierfür ist nicht notwendig, sondern ‘Geburtsrecht’ der 272 273 274

Vgl. Dungern, Wolfram Freiherr von: Die berufsständische Selbstverwaltung als Grundlage des kommenden Staates, Berlin 1928, S. 10. Ebd. S. 13. Mit Ausnahme von Verbänden für gemeinnützige Aufgaben auf Ebene lokaler staatlicher Organisationen, vgl. ebd. S. 29.

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Organisationen. Diese Organisationen erhalten umfassende Verwaltungs- und Gesetzgebungsbefugnisse für alle sachlichen Interessen, die sie unmittelbar und alleine berühren. Sie regeln das wirtschaftliche, kulturelle und soziale Leben. Ihre Anordnungen sind staatliches Recht mit allgemeiner Gültigkeit (sofern Regelungsbefugnis vorlag).275 Die persönlichen Rechte einer Person dürfen von den Einzelorganisationen nicht angetastet werden, da die Kompetenz dafür dem Staate obliegt. Auf ihrem Sachgebiet erhalten diese Organisationen die volle Souveränität. Die Interessen der Allgemeinheit und die Zusammenfassung aller Organisationen werden vom Staat übernommen. Bei dem Ständestaatskonzept des Freiherrn von Dungern tritt wieder deutlich der duale Staatsaufbau hervor, wobei es jedoch eine stärkere Verflechtung der wirtschaftlichen und politischen Stände gibt. Die Wirtschaft wird berufsständisch gegliedert, aber alle politischen Bereiche sollen öffentlich-rechtliche Gemeinschaften übernehmen. Innerhalb der Organisationen entstehen Verbände (z.B. Betriebsverbände), die einen Vorstand und Kammern bilden. In ihren Entschlüssen sind sie unbedingt frei. Freie Wahlen zu den Vorständen und Kammern jedoch sind zwar „nicht angängig“276, sollten aber der Logik seiner Selbstverwaltungsprinzipien nach von den Organisationen zugelassen werden können. Lediglich Parteien sind verboten, da nur Personen innerhalb der Selbstverwaltung tätig werden dürfen oder als Vertreter fungieren können. Von zentraler Bedeutung ist für Dungern nun der gesamtstaatliche Aufbau. Der Staat an sich kann als Vertreter der Gesamtheit nur Anordnungen mit allgemeiner Gültigkeit erlassen, die auch eine allgemeine Regelungsnotwendigkeit besitzen. Konflikte zwischen den Organisationen werden durch seine Rechtgebung und Rechtsprechung gelöst. Alle speziellen Angelegenheiten werden per Selbstverwaltung nach dem Betroffenenprinzip geregelt. Oberste Instanz der Organisation ist der Minister. Dieser Fachminister ist zugleich Kabinettsmitglied und der oberste Beamte der Organisation. Er hat umfangreiche Regelungsbefugnisse innerhalb und außerhalb seiner Selbstverwaltungsorganisation, ist jedoch an Beschlüsse seiner Organisation gebunden. So stellt z.B. die Selbstverwaltungsorganisation der Arbeitnehmer den Arbeitsminister, die Organisation des Handels den Binnenstaatlichen Handelsminister oder die Organisation der Kulturschaf-

275 276

Vgl. Dungern, Wolfram Freiherr von: Die berufsständische Selbstverwaltung als Grundlage des kommenden Staates, Berlin 1928, S. 13, 25ff. Ebd. S. 22.

72

fenden den Kulturminister. Alle Minister zusammen bilden das Regierungskabinett, das natürlich eine Isolation der Fachminister und ihrer Organisationen verhindert. Denn alle Fragen, die nicht alleine die jeweilige Organisation betrifft, gelten als Angelegenheit des Staates. So kann der Industrieminister zwar durchaus auf Weisung seiner Organisation einen verstärkten Ausbau von Kohlekraftwerken beschließen, die anfallende Rußund Rauchentwicklung wäre jedoch bereits ein Fall für die Allgemeinheit und müsste vom Kabinett besprochen werden. Der Staat, als Organisation der einzelnen Personen und ihrer persönlichen Rechte, bedarf natürlich ebenfalls einer obersten Kammer: Dem Parlament. Auch dieses hat einen Fachminister: Den „Minister für die Person.“277 Dieser ist, quasi als Minister der Allgemeinheit, der Regierungschef und abhängig von der Mehrheit des Parlaments. Das Parlament erhält somit mittelbaren Einfluss auf die Regierung. Dungern geht dabei so weit, dass er den Regierungschef auf seinem Gebiet zum „gesetzlichen Diktator“278 erhebt. Alle Verfügungen und Anordnungen der Regierung oder des Regierungschefs müssen von einem ‘Regenten’ erlassen werden, er ist „Wächter des Rechts“. Ob dieser Regent ein Präsident oder Monarch ist, ist für Dungern zweitrangig. Der Regent ernennt und entlässt den Regierungschef, darf aber nicht in die Autonomie der Organisationen und ihrer Fachminister eingreifen. Präsident, Regierung, Regierungschef, Fachminister sind verfassungsrechtlich von gleichem Rang. Freiherr von Dungern entwirft ein Staatsbild, das die Reformen des Freiherrn vom Stein auf gesamtstaatliche Ebene ausweitet. Sein Staatsbild soll identisch mit Steins Vorstellungen sein, es ist „das Bild des Staates, der das gesamte Leben seines Volkes lebendig in sich faßt und leitet, der dem einzelnen Teile die nötige Freiheit zur Entfaltung sichert und sie alle dann doch wieder der Allgemeinheit unterordnet“ und es ist allein dieser Staat, der von sich sagen kann, er sei ein Rechtsstaat. Freiherr von Dungern spricht das Thema der politischen Gleichheit nicht an, sein Staatsbild sei aber die Verwirklichung der modernen Menschenrechte.279 Stein habe mit seinen Reformen versucht, alle Menschen in den Staat einzubinden, auch jene Menschengruppen, die zuvor keine Bedeutung im Staatsleben hatten.

277 278 279

Vgl. Dungern, Wolfram Freiherr von: Die berufsständische Selbstverwaltung als Grundlage des kommenden Staates, Berlin 1928, S. 34f. Dies und folgendes: Ebd. S. 35, S. 36 und S. 55 Vgl. ebd. S. 56.

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Dennoch soll sein Staatsbild das Heranwachsen einer neuen „Führerschicht“ fördern.280 Diese Führer dienen der Wahrung und Verwaltung der Interessen auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens.

Quelle: Eigene Darstellung gemäß vorliegender Analyse.

Fazit: Freiherr von Dungern baut die Ideen des Freiherrn vom Stein konsequent aus und entwirft nach dessen Vorbild ein gesamtstaatliches, modernes Konzept. Auf Hierarchien oder eine strikte Gliederung verzichtet er. Er bekennt sich zu einem Rechtsstaat und Menschenrechten. Man kann sein Konzept somit als eine sehr moderne Weiterentwicklung einordnen.

280

Ebd. S. 60.

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3.3.1.5 Friedrich Everling und die Rückkehr zum ‘gesunden Mittelalter’ (1924) Everlings Grundaussage ist eindeutig. Er wollte den Gedanken der preußischen Monarchie mit einem Ständestaat mittelalterlicher Prägung verbinden. Er stand personell der rechtskonservativen Gruppe ‚Stahlhelm’ nahe und verfasste für diese einige Broschüren.281 Er stellt sich dabei bewusst in diese reaktionären Traditionslinien, insbesondere in den traditionellen organischen Staatsgedanken.282 So schreibt Everling: „Je feiner gegliedert ein Organismus ist, um so höher steht er biologisch. Der Bandwurm aber setzt sich aus ziemlich gleichen Teilen zusammen und unterscheidet sich von der durchgeführten Demokratie nur dadurch, daß er einen Schwanz hat“283. Der Mensch ist seinem Stand verpflichtet, er ist kein Staatsbürger, sondern eingegliedert in seinen Berufsstand. Der Stand wird definiert als Leistungsgemeinschaft und Lebensgemeinschaft. Im sozialen Sinne sei der Stand „…eine durch gleichartige soziale Stellung verbundene Einheit, im Rechtssinne ist es eine vom Staat anerkannte und in die Verfassung eingefügte Gliederung.“284 Im Geiste mittelalterlicher Zünfte sollen diese ‘Vollstände’ das gesamte berufliche und staatliche Leben des Einzelnen umschließen.285 Der Einzelne soll dann wieder den ‚alten Idealen’ entsprechen: „Der vorbildliche Beamte, der ehrliche saubere Mittelstand, der prachtvoll holzschnitthafte Bauer“. Everling nennt sieben Stände: Landwirtschaft, industrielle Urproduktion, verarbeitende Industrie, Handwerk, Handel, Verkehr, freie und geistige Berufe. Jeder Staatsbürger wäre Teil eines dieser Stände, unabhängig davon ob er Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist. Everlings berufsständische Gliederung basiert auf einer ‘doppelten Eingliederung’ in die organische Gemeinschaft. Eingliederung bedeutet für ihn ein ‘nebeneinander’ und ein ‘nacheinander’, das ergänzt werde durch „die Ungleichheit als eine Forderung der Gerechtigkeit“286. Dies sei die „Überlieferung, die Bestandteil des Wesens geworden [ist]“287 und im mittelalterlichen organischen Gedanken sowie im Aufbau des preußi281 282 283 284 285 286 287

Vgl. unter anderem: Everling, Friedrich: Warum bekämpfen wir den Parlamentarismus? Herausgegeben vom Bundesamt des ‘Stahlhelm’, Berlin 1929. Vgl. Everling, Friedrich: Organischer Aufbau des Dritten Reiches, 1931, S. 1ff. Ebd. S. 49. Dies und folgendes: Ebd. S. 20 und S. 39. Vgl. ebd. S. 22f. Everling, Friedrich: Organischer Aufbau des Dritten Reiches, 1931, S. 3 Ebd. S. 18.

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schen Staates vorbildlich verwirklicht gewesen sei. Der „Absolutismus der Zahl“ wird auch in der Verteilung der Stände in den Ständevertretungen gebrochen, sie sollen nach ihrer „Bedeutung für das Ganze“288 gegliedert werden.289 Innerständisch war eine strikte Hierarchie vorgegeben, ganz im Sinne der ‘gerechten Ungleichheit’. Die ständische Gliederung soll damit eindeutig vertikal erfolgen, die Staatsorganisation ist ein strikt pyramidenförmiger Aufbau des Staates. Den Staat als ‘Höchststand’ lehnte er ab. Die Logik des organischen Prinzips bedeute die Einheit des Staates in einer Person, folglich der ständischen Monarchie. Die neu zu schaffenden Berufsstände mit eigener, Selbstverwalteter Sozialversicherung sollten eine ähnliche Stellung zur Krone haben, wie die mittelalterlichen Stände gegenüber der fürstlichen Gewalt innehatten. Die Monarchie soll einen Ausgleich zwischen den selbstverwalteten Ständen bewirken. Die bestehenden Parlamente sollen durch Ständehäuser ersetzt werden, die Berufsstände entsenden per ‘Siebsystem’290 stufenförmig Repräsentanten in die Ständehäuser der Provinzen, der Länder und in den Reichstag. Diese Repräsentanten haben nicht die verfassungsmäßige Stellung wie parlamentarische Abgeordnete. Die Unverantwortlichkeit der Parlamentsabgeordneten und das parlamentarische „System der Unsachlichkeit“291 werde ersetzt durch die Verantwortlichkeit gegenüber dem eigenen Berufsstand.292 Auch eine parlamentarische Monarchie wäre fehl am Platz, denn diese wäre „eine Beleidigung des legitimen monarchischen Gedankens“293 Neben diesen Ständehäusern sollen auf Länder- und Bundesebene ‘Oberhäuser’ gebildet werden mit hervorragenden Repräsentanten der Stände, den Universitäten, der Städte oder mit Großgrundbesitzern. Diesen Oberhäusern solle die Kulturpolitik übertragen werden. Die ‘große Politik’, wie die Justizhoheit, Verwaltungshoheit oder der Ausgleich zwischen den Ständen, ist ausschließlich der Regierung vorbehalten. Diese Regierung wird vom Kaiser bzw. in den Bundesstaaten vom Fürsten ernannt.294

288 289

290 291 292 293 294

Everling, Friedrich: Organischer Aufbau des Dritten Reiches, 1931, S. 36. Er verweist dabei auf die bereits gängige Praxis im Reichswirtschaftsrat der Weimarer Republik, bei der die Berufsgruppen nicht nach Angehörigenzahl, sondern nach ‘Gewicht’ im Wirtschaftsganzen vertreten sind. Vgl. ebd. S. 118. Ebd. S. 9. Vgl. ebd. S. 115ff. Everling, Friedrich: Republik oder Monarchie? Berlin 1924, S. 23. Vgl. Everling, Friedrich: Organischer Aufbau des Dritten Reiches, 1931, S. 122.

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Den Ständehäusern obliegt zunächst die Wirtschaftspolitik. Oberste Volksvertretung ist das ‘Reichsständehaus’, das keine Parteien mehr kennt.295 Everling plädiert mit dem Argument der Geschlossenheit des Volkes gegen die Prinzipien der Demokratie. Die Volkssouveränität sei eine Schmeichelei, während die fürstliche Souveränität historische Tatsache sei. Volkssouveränität führe zur Willkür, was die Volksbeauftragten während der Novemberrevolution bewiesen hätten, als sie ‘willkürlich’ eine Nationalversammlung einberiefen. Politische Freiheit und Gleichheit sei die „Herrschaft der Straße“296 Überhaupt bedeutet Demokratie und demokratische Institutionen nur Unruhe, ständigen Wechsel und Orientierungslosigkeit.297 Unter den vorgestellten altkonservativen und monarchistischen Ständestaatskonzepten ist Everling der einzige, der eine simple Restauration des mittelalterlichen Ständebildes umschrieb ohne wirkliche neue Aspekte. Gewiss war dies an eine geringe Anpassung an die Verhältnisse nach 1918 gebunden, wie die Forderung nach (eingeschränkter) Selbstverwaltung der Stände zeigt. Der Kerngedanke und das Grundkonzept blieben jedoch. Genealogisch und in seiner Grundaussage beruft sich Everling direkt auf den mittelalterlichen Ständegedanken. Die Gliederung der Stände wird als ein ‘nebeneinander’ und ‘nacheinander’ beschrieben und ist eindeutig vertikal gegliedert. Es fehlen in dieser Ständestaatskonzeption ebenso jegliche Formen des Parlamentarismus oder politische Gleichheit der Menschen.

295 296 297

Everling lobt hierbei die ‘brauchbare Vorarbeit’ des italienschen Faschismus, vgl.: ebd. S. 115. Everling, Friedrich: Republik oder Monarchie? Berlin 1924, S. 7. Vgl. ebd. S. 11.

77

Quelle: Eigene Darstellung gemäß vorliegender Analyse.

Fazit: Everlings Ständestaat ist somit eine Neuauflage überkommener Ständestaatskonzepte. Vielfach versucht er gar keine nähere Ausformulierung, sondern gibt lediglich mittelalterliche Ideen oder Realitäten wieder.

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3.3.1.6 Die ‚Steuergemeinschaften’ bei Julius Bunzel (1923) Bunzel stellt sich genealogisch direkt in die Nachfolge der ständischen Selbstverwaltung im Sinne der Reformen des Freiherrn vom Stein, begründet dies aber als Rückkehr zu dem alten germanischen Sinn für Selbstverwaltung.298 Seine wirtschaftspolitischen Vorstellungen wurden stark vom englischen Gildensozialismus beeinflusst. Bunzel sieht den Menschen nicht als Untertan, sondern will erreichen, dass sich jeder als Mitglied der Volksgemeinschaft fühlt.299 Das aktuelle Staatsverständnis beruhe auf Zwangsgewalt, wodurch die Menschen ihr Bedürfnis nach Selbstbestimmung und freiem Denken verlieren. Denn egal ob der Staat als Organismus oder als Kunstprodukt aufgefasst wird, er muss eine Form gemäß Hegels ‘Substanz des Volksgeistes’ aufweisen oder nach Tönnies der ‘Kultur des Volkes’ entsprechen.300 Dem Staat müsse generell ein Großteil der Macht abgenommen werden, seine Aufgaben müssen gemindert und von der Wirtschaft und der Kultur getrennt werden.301 Weiter nennt Bunzel Friedrich Wilhelm IV als Vorbild. Unabhängig von ‘Zeit- und Schulmeinungen’ ist es das Recht der deutschen Stände, Vertreter und Wahrer der eigenen Vertrauten zu sein. Diese Rechte werden ihnen vom obersten Staatsoberhaupt verliehen und entsprechen den Gesetzen Gottes und des Landes. Bunzel sieht sich von Wilhelm II. in Deutschland und Karl I. in Österreich dermaßen verraten, dass sein Staat eine Republik sein soll, in der dem Präsidenten eine umfassende ‘Machtsphäre’ zugewiesen wird (‚Ersatzkaiser’). Alle anderen Auffassungen eines Ständestaates (den „ständisch-liberalen Stimmungen“, denen selbst Bismarck verfallen sei) sind „undeutsch“ und „unpraktisch für das Wohl des Ganzen.“302 Der Parlamentarismus wird ebenso wie die deutsche Bürokratie vehement abgelehnt. Wie viele andere Protagonisten sieht er im Artikel 165 der Weimarer Reichsverfassung, also dem Reichswirtschaftsrat, die Möglichkeit zur ‘Kammer der Arbeit’ für den ständischen Aufbau der Wirtschaft. Er greift dabei auf die Idee eines ständischen

298 299 300 301 302

Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 51 Vgl. ebd. S. 55. Vgl. Bunzel, Julius: Der Zusammenbruch des Parlamentarismus und der Gedanke des ständischen Aufbaues, Graz und Leipzig 1923, S. 23. Vgl. ebd. S. 44. Alle drei Zitate: Ebd. S. 24.

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Gesetzgebungsausschusses303 von Heinrich Herrfahrdt304 zurück. Parteien bestehen zwar weiter, ihre Anreize zur Mitgestaltung sollen aber genommen werden. Die Rechte des Einzelnen sollen öffentlich-rechtliche Gemeinschaften sichern. Diese sind die Selbstverwaltungsorganisationen im politischen Bereich und von den Organisationen der Wirtschaft, den ‚Gilden’, getrennt. Der ständische Staatsaufbau wird jedoch nicht von den Gilden, sondern von ‘Steuergemeinschaften’305 gebildet, die auch die Staatsorganisation bilden. Arbeitnehmer und Arbeitgeber würden durch die gemeinsame Beschäftigung mit Fragen der Besteuerung zur Verantwortung für die Allgemeinheit erzogen. Bunzel will die Unterschiede zwischen den Ständen reduzieren, alle Stände sollen in gemeinsamer Weise zur Verantwortung für das Gemeinwohl zusammengebracht werden. Der Umfang ihrer Rechtssphäre umfasst genau ihre Pflichtkreise. Die Steuerverbände hätten alle Kompetenzen zur Besteuerung, Veranlagung und Verwendung. Bunzel argumentiert generell mit der schlechten Haushaltslage der Weimarer Republik und versucht zu beweisen, dass alle Verfassungsänderungen durch finanzielle Nöte entstanden sind. So nennt er die Landesfürsten im 14. und 15.Jahrhundert, die durch ihre finanziellen Probleme gezwungen waren, landständische Verfassungen zu gründen. Die Aufgaben des Staates sind auf den ‘Rechts- und Friedensschutz nach außen’ sowie die Wahrung der Interessen der Gesamtheit beschränkt. Alles andere wird den ‘Steuergemeinschaften’, sprich den politischen Selbstverwaltungskreisen, überlassen. Auch bei Bunzel zeigt sich deutlich der duale Staatsaufbau, in dem die ständische Wirtschaft vom rein politischen ständischen Staatsaufbau getrennt ist. Sein Modell der ständischen Gliederung der Wirtschaft wurde vom englischen Gildensozialismus beeinflusst. Die zu einer Berufsgruppe gehörenden Unternehmungen sollen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in selbstständigen ‘Gilden’ vereinen. Diese Gilden ähneln stark selbstverwalteten Berufskorporationen. Zwischen den Gilden besteht keine Rangordnung und aufgrund der Selbstverwaltung in den kleinen Einheiten ist auch eine Machtausübung eventueller übergeordneter Stände nicht möglich. Dieses ständische Gildenprinzip kann daher als horizontal gegliedert bezeichnet werden. Das Prinzip der berufsständischen Selbstverwaltung wird von Bunzel direkt in Konkurrenz zum 303 304 305

Bunzel, Julius: Der Zusammenbruch des Parlamentarismus und der Gedanke des ständischen Aufbaues, Graz und Leipzig 1923, S. 30-36. Siehe Kapitel 3.3.24 dieser Arbeit. Vgl. ebd. S. 40ff.

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Parlamentarismus gestellt. Dies schließt selbstverständlich die Abschaffung jeglicher Formen des Parlamentarismus mit ein, ebenso sind freie und gleiche Wahlen nicht vorgesehen. Die Steuerverbände würden sich zwangsläufig zusammenschließen und ein ‘Steuerparlament’ gründen, das alle gewerblichen Erzeugungen kontrollieren solle.

Quelle: Eigene Darstellung gemäß vorliegender Analyse.

Fazit: Bunzels Ständestaatskonzept kann daher als Weiterentwicklung des Stein’schen Selbstverwaltungsprinzips gesehen werden. Seine Gilden und ‘Steuergemeinschaften’ sind zwar neu. Das Konzept an sich basiert jedoch eindeutig auf dem Freiherrn vom Stein und entwickelt dies weiter.

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3.3.2 Jungkonservative Im Vergleich zum ‘alten’ Konservativismus entstammte der junge Konservativismus306 weniger aus den restaurativen Ressentiments gestürzter wilhelminischer Schichten als mehr aus einer Vielzahl von jungen Intellektuellen und dem Gefühl einer „Ungeduld über eine Gegenwarts-Situation, die sie mit ihren Ideen nicht mehr zum Zuge ließ“.307 Ihr nicht reaktionärer Konservativismus ist erhaltend wie revolutionär308, schaffend wie zerstörend.309 Sie waren bestrebt, die „…Wiederinstandsetzung all jener elementaren Gesetze und Werte […]“ zu betreiben, „…ohne welche der Mensch den Zusammenhang mit der Natur und mit Gott verliert und keine wahre Ordnung aufbauen kann“.310 Den alten Konservativismus hielten sie für liberalisiert und voller ‚westlerischer‘ Vorstellungen. Sie waren unzufrieden, dass es dem neuen deutschen Staat nicht gelang, die geistige und soziale Erneuerung durchzuführen.311 Sie sahen die Notwendigkeit eines Volksstaates, der allen Klassen der gespaltenen Nation einen Platz bot.312

3.3.2.1 Der ständische Gedanke unter Einfluss von Arthur Moeller van den Bruck Die Jungkonservativen standen unter geistiger Führung von Arthur Moeller van den Bruck. In seinem einflussreichsten Werk ‘Das Dritte Reich’ formulierte er zwar kein eigenes Ständestaatskonzept, gab aber wichtige Ausgangspunkte der jungkonservativen Ständestaatsideen vor. Er forderte die Weiterentwicklung von konservativen Ständestaatstheoretikern wie z.B. Freiherr vom Stein, Friedrich List oder Fichte. Ziel sei ein

306 307 308 309 310 311

312

Vgl. Gerstenberger, Heide: Der revolutionäre Konservativismus. Ein Beitrag zur Analyse des Liberalismus, Berlin 1969, S. 31f. Eley, Geoff, Wilhelmismus, Nationalismus, Faschismus. Zur historischen Kontinuität in Deutschland, Münster 1991, S. 23. Ein Großteil der Protagonisten verstand sich als ‘Gegenrevolution’ zur Französischen Revolution. Vgl. Lenk, Kurt, Deutscher Konservativismus, Frankfurt am Main 1989, S. 139ff. Vgl. Sontheimer, Kurt, Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik. Die politischen Ideen des deutschen Nationalismus zwischen 1918 und 1933, 3. Aufl. München 1992, S. 119. Moeller van den Bruck, Arthur, Das Dritte Reich, 3. Aufl., Hamburg 1931, S. 202. Vgl. Reichard, Sven, Märtyrer der Nation, Überlegungen zum Nationalismus in der Weimarer Republik, in: Echternkamp, Jörg / Müller, Sven Oliver (Hrsg.), Die Politik der Nation, Deutscher Nationalismus in Krieg und Krisen 1760 – 1960 S. 175. Vgl. Sontheimer, Kurt, Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik. Die politischen Ideen des deutschen Nationalismus zwischen 1918 und 1933, 3. Aufl. München 1992, S. 38.

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‘korporativer Sozialismus’313, dem ideengeschichtlich der konservative Berufsständegedanke zugrunde liegen soll314 und der mit dem Freiherrn vom Stein seinen bedeutendsten konservativen Denker vorweist. Der Ständegedanke wird von Moeller van den Bruck als konservative Alternative zum Parlamentarismus und der Demokratie instrumentalisiert. Er würde dem „Unsinn“ ein Ende machen, dass „sich ein Deutscher durch Abgabe eines Wahlzettels für eine Reihe von Jahren seiner politischen Freiheit“ entzieht. Deshalb fordert er eine ständische Volksvertretung, „die, indem sie auf dem Ständischen beruht, das Ständige sichert und das Beständige gewährleistet.“

315

Er

lehnte den historischen, romantischen Ständebegriff ab und fasste die Stände „modern energetisch“ auf.316 Die unmittelbare Übernahme älterer Ständelehren wurde genauso abgelehnt wie die idealistische und romantische Vorstellung, der Beruf sei der feste Lebenspunkt von dem aus Politik betrieben werden könne.317 Die jungkonservativen Ständestaatskonzepte unternahmen den Versuch, an Stelle einer romantischen Flucht in die Vergangenheit den Ständestaat auf Basis der Gegenwart und den Gesetzen der Wirklichkeit neu zu konzipieren.318 Der konservative Monarchismus wurde aufgegeben und auch der Konservativismus war nur eine begriffliche Übernahme. Dementsprechend wurde der Standesbegriff umgedeutet. Aus der formalen, altkonservativen Berufsordnung wurde der Gemeinschaftsgedanke hervorgehoben. Überhaupt sollten die Ständestaatskonzepte nicht auf theoretischer oder begrifflicher Grundlage aufgebaut werden.

313 314 315 316 317 318

Vgl. Moeller van den Bruck, Arthur, Das Dritte Reich, Hamburg 1931, S. 75. Ebd. S. 272. Ebd. S. 146. Ebd. S. 145. Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 67. Vgl. ebd. S. 98.

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3.3.2.2 Der Korporativismus im Sinne von Max Hildebert Boehm (1920) Max Hildebert Boehm versuchte als Erster aus dem untersuchten Zeitraum ein Gesamtbild einer korporativen Ordnung zu entwerfen. Boehm verzichtet nahezu vollkommen auf Ideen überkommener Ständestaatskonzepte und formuliert ein völlig neues ständestaatliches Konzept. Auf diesen Umstand hat selbst Moeller van den Bruck hingewiesen.319 Boehm war Mitglied des jungkonservativen, von Moeller van den Bruck geprägten ‚Juni-Klubs’ und gründete nach dem Tod Moeller van den Brucks 1924 mit Heinrich von Gleichen den ‘Deutschen Herrenklub’, bestehend aus Adligen, Bankiers, Industriellen und Staatsbeamten. Der Klub erlangte eine enorme Bedeutung als mit der Regierung Franz von Papens der Klub quasi die komplette Reichsregierung stellte.320 Im Dezember 1918 schlug er zunächst vor, das Rätesystem im Kampf gegen den Parlamentarismus zu instrumentalisieren. Die Räte sollen umstrukturiert werden zu einem organischen ständischen Vertretungssystem. Boehm sieht die Geschichte des Gemeinlebens von zwei Faktoren bestimmt: Staat und Gemeinwesen. Der Staat ist ein starres, „obrigkeitliches Herrschaftsgebilde mit Anstaltscharakter, das sich wie eine Kuppel über das organische Leben des Volkes wölbt“, während das Gemeinwesen der „umgekehrt gerichtete Versuch [ist], von den Breiten des organischen volklichen Lebens aus zu einem Gesamtgefüge des nationalen Willens zu kommen.“321 Beide Pole gehen historisch Mischformen ein, lediglich seit dem 18.Jahrhundert kommt es zu einem Übergewicht des Staates. Zuletzt habe das deutsche Mittelalter vom 12. bis zum 15. Jahrhundert mit seinem „feudal-korporativen Gemeinwesen“322 ein organisches, volkliches Leben ermöglicht. Dieser Versuch sei gescheitert, weil man sich damals nicht von der hierarchischen sozialen Schichtung der Stände lösen konnte, was letztendlich zum ersten deutschen Klassenkampf geführt habe. Ab 1919 setzte sich Boehm direkt für den Korporativismus ein, den er selbst auch als „organisch-konservativen Sozialismus“323 bezeichnete. Entgegen den Begriffen der

319 320 321 322 323

Vgl. Moeller van den Bruck, Arthur, Das Dritte Reich, Hamburg 1931, S. 145. Vgl. Breuer, Stefan: Grundpositionen der deutschen Rechten 1871 – 1945, Tübingen 1999, S. 133f. Boehm, Max Hildebert: Körperschaft und Gemeinwesen, Leipzig 1920, S. 11f. Ebd. S. 13ff. Ebd. S. 77. Vgl. Gerstenberger, Heide: Der revolutionäre Konservativismus. Ein Beitrag zur Analyse des Liberalismus, Berlin 1969, S. 71.

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Stände oder Berufsstände sei dieser Begriff historisch unbelastet, dieser ‘neuständische’ Charakter wurde stets dem überkommenen Ständegedanken gegenübergestellt. Dieses ‘Lebensprinzip’ sollte das deutsche Gemeinschaftserlebnis wieder zum Leben erwecken.324 Der Korporativismus sei „leibhaftiger Körperschaftsgeist“, in dem sich der Einzelne als notwendiger Teil des Ganzen empfindet: “Körperschaft bezeichnet uns jenseits aller formal-juristischer Überspitzung ein soziales Urgebilde, in dem eine Mehrheit von Personen bewußt zu einer leibhaften Lebens-, Willens- und Tatgemeinschaft verschmolzen ist“325. Die ‚volkliche Leibeinheit‘ wurde der parlamentarischen, individualistischen Staatsverfassung entgegengestellt.326 Es ist das Erlebnis, wie sich das Volk aus kleinen lebendigen Gemeinschaften wie ein Leib aus Zellen aufbaue.327 Dieses korporative ‘Urerlebnis’ sei begründet im Gedanken der Familie, dem Sinnbild einer organischen Einheit und hätte vor allem in ständischen Korporationen, Gewerkschaften und Berufen noch fortbestanden. Der Korporativismus fordere nun den Aufbau des Gemeinwesens auf der Körperschaft, welche selbst in dutzende Gliederungen aufgeteilt ist. Boehm skizziert Körperschaften in Form von natürlichen Schicksals-, Arbeits- oder Interessengemeinschaften, die jegliche Schranken zwischen den Konfessionen, Klassen und überkommenen Ständen (!) überwinden. Er definiert sie als eine bewusste Verschmelzung einer Mehrheit von Personen zu einer leibhaftigen Lebens-, Willens- und Staatsgemeinschaft. Die Nähe zu den Korporationen bei Hegel ist erkennbar, begrifflich genauso wie hinsichtlich der Teilhabe des Einzelnen am Staat durch die Körperschaft. Dennoch dienen die Körperschaften bei Boehm nicht der Wahrung der Interessen des ‘Allgemeinen’ gegenüber dem ‘Besonderen’ der Stände. Bei Boehm vertreten auch die unteren Korporationen das Besondere und erst ihre Mitgliederstärke führt zur Verallgemeinerung der Interessen. Ebenso werden sie nicht seitens des Staates gebildet, sondern wachsen natürlich von unten. Der Einzelne solle durch mehrfache soziale Betätigungsrichtungen mannigfach korporativ ‘eingegliedert’ werden, um einen vielfältigen Einfluss auf die Selbstverwaltung des

324 325 326

327

Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 69. Boehm, Max Hildebert: Körperschaft und Gemeinwesen, Leipzig 1920, S. 74. Trotz Ablehnung des Liberalismus übernahm Boehm u.a. die liberale Zweiteilung von Staat und Gesellschaft, Vgl. Gerstenberger, Heide: Der revolutionäre Konservativismus. Ein Beitrag zur Analyse des Liberalismus, Berlin 1969, S. 71. Boehm, Max Hildebert, Körperschaft und Gemeinwesen, Leipzig 1920, S. 80ff.

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Volksganzen zu erlangen. So wird der Einfluss der Parlamente gebrochen und das „westlerisch-individualistische Gleichheitsprinzip organisch durchbrochen.“328 Der korporative Aufbau entlaste zudem die ‚wahren Staatsmänner’, welche sich dann auf die wahre Staatspolitik, die Außen- und Sicherheitspolitik, konzentrieren könnten.329 Es müsse jedoch verhindert werden, dass ein Standesegoismus zu einer ‘Ständischen Anarchie’ führt, welche bereits das Mittelalter erfasste hatte. Der Gefahr einer Abschottung der Gemeinschaften soll dahingehend zuvorgekommen werden, dass der Korporativismus nicht bei den einzelnen Körperschaften stehen bleiben dürfe. Der Egoismus der Einzelkörperschaft wird durch die nächst höhere korporative Einheit überwunden. Der wahre Korporativismus weise daher über sich selbst heraus zur körperschaftlichen Einigung und Gliederung der ganzen Nation. Boehm betont den Gemeinschaftsgedanken und zieht die Gemeinsamkeiten innerhalb der korporativen Einheit den Unterschieden zwischen den Menschen vor. Die Einheit eines Volkes könne auch nicht über Blut, Rasse oder Glaubensgemeinschaften (ob religiös oder idealistisch) erreicht werden. So sieht er als Fernziel auch eine übervölkische und übernationale körperschaftliche Einigung der Menschheit.330 Nicht die Ungleichheit zwischen den Berufszweigen solle Grundlage eines korporativen Aufbaus sein, sondern ein natürlicher Zusammenschluss geschlossener Betriebe. Ausgangspunkt für die Gliederung innerhalb der Wirtschaft solle der Betrieb als Arbeitsgemeinschaft sein.331 Das bindende Element wäre hier die räumlich klar getrennte Arbeitsstätte. Diese ‘Werksgemeinschaften’ müssten dann auf andere gleichartige oder verwandte Betriebe bis hin zur Berufsbranche erweitert werden. So bildete sich eine neue gesamtständische Gliederung. Im Bereich der Wirtschaft solle der Oberbau ein Reichswirtschaftsrat (1. Kammer) sein. Ähnlich gegliedert werden solle der Kulturbereich mit einem Kulturparlament (2. Kammer) an der Spitze. Die dritte ‘Kammer der öffentlichen Ordnung’ solle exekutive, legislative und fiskalische Aufgaben erfüllen und auch die Reichswehr aufnehmen. Alle drei Kammern seien dann in einem obersten Reichsrat zusammenzufassen. 328 329 330 331

Boehm, Max Hildebert, Körperschaft und Gemeinwesen, Leipzig 1920, S. 80. Vgl. Gerstenberger, Heide: Der revolutionäre Konservativismus. Ein Beitrag zur Analyse des Liberalismus, Berlin 1969, S. 71. Vgl. Boehm, Max Hildebert, Körperschaft und Gemeinwesen, Leipzig 1920, S. 82. Boehm orientiert sich an der Idee korporativer Arbeitsgemeinschaften im Sinne von Leibrock, Otto/Boehm, Max Hildebert (Hrsg.), Arbeitsgemeinschaft, Leipzig 1920. Vgl. Boehm, Max Hildebert, Körperschaft und Gemeinwesen, Leipzig 1920, S. 93ff. und S. 106ff.

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Die Art des Staatsoberhauptes lässt er bewusst offen, da dies die Zukunft zeigen müsse.332 Ein formal festgelegter Modus zur Willensbildung sei nicht nötig, da das Volk eine Einheit bilde und diese ‘volkliche Leibeinheit’ keine Gegensätze kennt und somit keine Kompromisse brauche. Boehm unterscheidet die ‘Hinaufwahl’ und die ‘Heraufwahl’. Die 'Hinaufwahl' ist das Wahlverfahren der formalen Demokratie, während in der ‚Heraufwahl‘ eine Führerschicht sich selbst ergänzt. Um eine effektive Führerauslese zu ermöglichen und Günstlingswirtschaft zu verhindern, müsse eine ‘Zuwahl’ ergänzt werden. Boehm sieht es als Aufgabe, durch „direkte und indirekte, Hinauf- und Heraufwahl, Ernennung und Beauftragung ein kunstvolleres und übrigens auch ehrlicher zustande gekommenes Gefüge“ aufzubauen, als es die simple und verlogene Theorie des ‘Westlertums’ geschafft hat.333 Die Führerschicht dürfe jedoch nicht zu einer ‘Bonzenschicht’ verkommen, sondern muss einen engen und verantwortlichen Zusammenhang zwischen Führern und Gefolgten beibehalten. Die ‘formaldemokratische Theorie’ habe auch die künstliche Scheidung von Volk und Regierung bewirkt. Um dies zu überwinden, müsse jegliche Gewaltenteilung durch echte Volksvertretung der Selbstverwaltungsorgane ersetzt werden.334 Die Frage der politischen und rechtlichen Gleichheit spricht er nicht an. Sein Konzept basiert jedoch auf politisch gleichrangigen Körperschaftsmitgliedern. Ebenso wird die Ungleichheit oder Verschiedenheit der Menschen nicht thematisiert, was bei den anderen untersuchten Konzepten die Regel war.

332 333 334

Vgl. Boehm, Max Hildebert, Körperschaft und Gemeinwesen, Leipzig 1920, S. 142-155. Ebd. S. 86ff. Vgl. ebd. S. 90.

87

Quelle: Eigene Darstellung gemäß vorliegender Analyse.

Fazit: Der Korporativismus im Sinne von Max Hildebert Boehm stellt aufgrund der untersuchten Merkmale eindeutig eine Neuentwicklung dar.

3.3.2.3 Die konservative ‘neuständische Verfassung’ nach Heinz Brauweiler (1925) Heinz Brauweiler hat sich seit 1920 mit dem Ständegedanken beschäftigt und 1925 eine eigene umfassende Abhandlung über eine ‘neuständische Verfassung’ veröffentlicht. Er betont dabei die enge Verbindung zwischen Konservativismus und dem ständischen Gedanken. Eine Gegenströmung zum ständischen Gedanken sei auch eine Gegenströ88

mung zur konservativen Weltanschauung.335 Dabei bekennt er sich zwar zum Konservativismus nach Moeller van den Bruck336, jedoch überwog bei ihm im Vergleich zu anderen Jungkonservativen das traditionelle, katholisch-konservative Element.337 Der Ständegedanke wird von ihm daher eher geschichtlich und religiös begründet. Er knüpft an Ideen von Wichard von Moellendorf an, der die Organisation der Wirtschaft durch Gliederung nach Berufsgruppen aufbauen wollte und 1919 die Regierung aufforderte, sich zu einer gebundenen Planwirtschaft in Form von Pflicht und Zwang zu bekennen. Brauweiler

entwickelte

den

Ständegedanken

nicht

aus

dem

traditionell-

monarchistischen Konservativismus, sondern auf Grund des Gemeinschaftsgedankens der Jungkonservativen.338 Brauweiler sieht zunächst noch ein Zweikammernsystem vor, bei dem der Reichswirtschaftsrat als Vertretung der Berufsstände jedoch nur eine beratende Funktion gegenüber dem politischen Parlament innehaben soll. Dennoch solle durch eine Verteilung parlamentarischer Zuständigkeiten ein Absterben der Parteien erfolgen, woraufhin das politische Parlament zugunsten der zwischenstaatlichen Gebietskörperschaften abgeschafft werde. Die Installation eines Wirtschaftsrates würde ein enormes Gegengewicht zum bestehenden Parlament bilden und letztendlich den Parlamentarismus der Weimarer Republik überwinden.339 Brauweiler hält es für den deutschen Staatsgedanken charakteristisch, dass es eine Autonomie der dem Staat untergeordneten Gemeinschaften gibt unter der Prämisse, dass sowohl der Staat als auch die kleineren Einzelgemeinschaften einen besonderen Aufgaben und Rechtskreis haben.340 Diese Rechtsgemeinschaften stellen die Stände dar. Sie sind Lebens- und Leistungsgemeinschaften entgegen den ‘Anspruchsgemeinschaften’ der Klassen.341 So definiert er den Berufsstand als „eine Leistungsgemeinschaft, die durch die Gemeinsamkeit einer Berufstätigkeit verbunden ist und die Gesichtspunkte des ständischen Wesens […] auf die gemeinsame

335 336 337 338 339 340 341

Vgl. Brauweiler, Heinz: Berufsstand und Staat. Betrachtungen über eine neue ständische Verfassung des deutschen Staates, Berlin 1925, S. 96. Vgl. ebd. S. 91. Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 73ff. Vgl. Ishida, Yuji: Jungkonservative in der Weimarer Republik. Der Ring-Kreis 1928-1933, Frankfurt 1988, S. 86. Vgl. ebd. S. 88. Vgl. Brauweiler, Heinz: Berufsstand und Staat. Betrachtungen über eine neue ständische Verfassung des deutschen Staates, Berlin 1925, S. 42. Vgl. ebd. S. 15f.

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Berufsleistung anwendet.“342 Der Stand ist Teil eines Ganzen, während die Klassen mechanische Bestandteile der Gesellschaft sind.343 Berufsstände sind bei Brauweiler Zwangsgemeinschaften, die auf den Prinzipien der Leistung und Gesamtverantwortung besondere Rechte zugesprochen bekommen. Dies sei das berufsständische Lebensprinzip.344 Brauweiler stellt sich gegen organische Ständeauffassungen, bei denen die Berufe als Glieder des Gesamtorganismus zusammengefasst werden und dann der Eigenständigkeit übergeben werden. Ein berufsständischer Aufbau sei in Form eines organischen Verständnisses nicht realisierbar. Berufsstände müssten vielmehr durch „politische Aufgaben und Zwecke“345 gebildet werden. Die Berufsstände werden von oben als ‘Zwangsgemeinschaften’ gebildet und dienen der Leistungserfüllung an den Staat. Diese Deutung der Berufsstände erinnert eher an die Korporationen bei Hegel. Die Stände sind bestenfalls ‘Zwischengewalten’.346 Zelle des berufsständischen Aufbaus sind die Werksgemeinschaften, die selbst übergeordnete Korporationen bilden sollten. Diesen Werksgemeinschaften sollten jedoch nur Arbeiter und Angestellte angehören, als Vertreter der Arbeit. Nicht aber die Unternehmer als Vertreter des Kapitals. Brauweiler verwies zudem darauf, dass die Bildung berufsständischer Korporationen eine neue Führungsschicht erzeugen würde. Die ständische Hierarchie diene dabei einer politischen Auslese.347

Die Abkehr von der organischen Berufsstandsidee sowie der Forderung, die Stände durch ‘politische Aufgaben’ zu bilden, bedeuten eine Neuerung zum überkommenen Ständestaatsgedanken. Brauweiler nutzt ein umfangreiches Sammelsurium verschiedenster Begriffe. Angefangen bei Hegels Korporationen über die Berufsstände des 18. und 19.Jahrhunderts findet selbst der neue Gedanke der Werksgemeinschaften eine Verwendung. Lässt man diese begriffliche Willkür außer Acht, vertritt Brauweiler letztendlich nur den konservativen Gedanken der Berufsstände aus dem 18. und 19. Jahrhundert und wendet ihn mit einer Vielzahl neuer Begriffe und Umdeutungen auf die 342 343 344 345 346 347

Vgl. ebd. S. 27f. Vgl. Ishida, Yuji: Jungkonservative in der Weimarer Republik. Der Ring-Kreis 1928-1933, Frankfurt 1988, S. 87. Vgl. Brauweiler, Heinz: Berufsstand und Staat. Betrachtungen über eine neue ständische Verfassung des deutschen Staates, Berlin 1925, S. 193 und S. 205f. Ebd. S. 115f. Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 78. Vgl. Brauweiler, Heinz: Berufsstand und Staat. Betrachtungen über eine neue ständische Verfassung des deutschen Staates, Berlin 1925. S. 248.

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Zeit nach 1918 an. Die Berufsstände sollen ähnlich wie beim Freiherrn vom Stein einen eigenen Rechtskreis besitzen, der ihnen größtmögliche Autonomie gewährleistet. Der Parlamentarismus dient auch hier nur als Übergangsphase. Weder die politische Gleichheit noch eine Abkehr von der strikt vertikalen Gliederung fließt in sein Konzept ein. Sein Konzept der Werksgemeinschaften, die Berufsstände und die Struktur der Staatsorganisation zeigen deutlich das alte Prinzip Obrigkeit-Untertan.

Quelle: Eigene Darstellung gemäß vorliegender Analyse.

Fazit: Brauweilers Ständestaatskonzept mutet insgesamt eher als preußische, obrigkeitstreue Variante des überkommenen Berufsständetums an und kann somit als Weiterentwicklung beurteilt werden.

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3.3.2.4 Die berufsständischen Gesetzgebungsausschüsse bei Heinrich Herrfahrdt (1919/1932) Herrfahrdt gilt als einer der wichtigsten jungkonservativen Ständestaatstheoretiker und ist Verfasser zahlreicher wissenschaftlich orientierter Abhandlungen über den Ständestaatsgedanken. Er zählt sich selbst zum Kreis um Moeller van den Bruck.348 Seine Grundidee entwickelte Herrfahrdt bereits 1919, formuliert diese aber in mehreren Abhandlungen bis 1932 näher aus. Er konzipierte keinen radikal neuen Ständestaat, sondern versuchte die Berufstände in das bestehende System zu integrieren. Sein berufsständisches Modell orientiert sich an der Wirklichkeit.349 Für Herrfahrdt hat die Weimarer Republik keine breite legitimatorische Basis. Er sieht einen Widerspruch zwischen Bau des Volkskörpers und der Staatsform, dennoch zeige die Stabilität der Exekutivorgane (bis 1930) das Funktionieren der Verfassung. Auch er beginnt sein Urteil mit einer Kritik am Parlamentarismus. Ähnlich der Ansicht Carl Schmitts habe der Parlamentarismus in Deutschland sich entfremdet, die partikulären Parteiinteressen haben zu einer Degeneration des Parlamentarismus geführt.350 Der ‘Parteihader’ müsse überwunden werden, die Wirtschaft entpolitisiert. Der Parlamentarismus habe versagt, weil das Parlament Staatswille erzeugen und Volksinteressen vertreten müsse. Damit sei es Richter und Partei zugleich. Dieses Dilemma könne von einer politischen Körperschaft nicht gelöst werden. Bereits 1919 forderte Herrfahrdt, alle nur denkbaren Interessensvertretungen zur beratenden Mitwirkung bei der Gesetzgebung hinzuzuziehen.351 Dazu sollen besondere Gesetzgebungsausschüsse gegründet werden, in denen neben stimmberechtigten Abgesandten der Regierung und des Parlaments auch beratende Repräsentanten aus den Berufsständen sitzen.352 Herrfahrdt tritt somit nicht für eine Überwindung des Parlamentarismus ein, sondern für die Ausgestaltung durch berufsständische Gesetzgebungsausschüsse. Diese sollen für das jeweilige Gesetz das Material verschaffen, Informationen und ihre Sachkunde zur Verfügung stellen und die verschiedenen Interessensgegensätze klären. Die Parlamenta348 349 350 351 352

Vgl. Herrfahrdt, Heinrich: Aufbau des neuen Staates, Berlin 1932, S. 18. Vgl. Herrfahrdt, Heinrich: Das Problem der berufsständischen Vertretung von der französischen Revolution bis zur Gegenwart, Stuttgart 1921, S. 145. Vgl. Meyer, Thomas: Stand und Klasse. Kontinuitätsgeschichte Korporativer Staatskonzeptionen im Deutschen Konservativismus, Opladen 1997, S. 242ff. Vgl. Herrfahrdt, Heinrich: Die Einigung der Berufsstände als Grundlage des neuen Staates, Bonn 1919, S. 8ff. Herrfahrdt, Heinrich: Das Problem der berufsständischen Vertretung von der französischen Revolution bis zur Gegenwart, Stuttgart 1921, S. 184ff.

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rier könnten dann nicht mit einem vermeintlich fertigen Volkswillen in die Verhandlungen treten, sondern wie Staatsmänner fungieren, die erst nach ausführlicher Beschäftigung mit dem Thema und den verschiedenen Einzelbestrebungen im Volk zu einem Staatswillen kommen.353 In zunehmender Kritik am Parlamentarismus forderte Herrfahrdt dann 1925 die unmittelbar entscheidende Funktion der Gesetzgebungsausschüsse.354 Das Parlament sollte die Möglichkeit haben, seine Gesetzgebungsbefugnis auf diesen Ausschuss zu übertragen bzw. sich nur noch ein Einspruchsrecht zubilligen. In der Endkonsequenz bedeutete auch sein Konzept von 1921 einen entscheidenden Machtverlust des Parlamentes, da er die Ausschussarbeit so gestalten wollte, dass die Informations- und Materialbeschaffung zur Vorbereitung des Gesetzes in den Händen der berufsständischen Abgesandten bzw. den herangezogenen Interessensvertretern lag. Sollte das Parlament dennoch die endgültige Entscheidungshoheit behalten, wäre es auch hier dem Votum des Ausschusses (den ‘Experten’ und ‘Sachverständigen’) unterworfen. Das Parlament wäre nur noch ein Vollzugsorgan der Gesetzgebungsausschüsse und somit der berufsständischen Vertretungen.355 Dieses Prinzip solle dann auch auf Ebene der Gemeindeverfassungen umgesetzt werden. Wenn dort der Einzelne infolge dieses Prinzips die Möglichkeit hat, einen Einblick in das öffentliche Leben zu nehmen, würde er die „Erfüllbarkeit seiner Ansprüche innerhalb des Ganzen“356 einschätzen lernen. Herrfahrdt wollte die freie und gleiche Wahl zum Parlament nie abschaffen, sondern die Bedeutung des zu wählenden Parlaments (egal ob Land- oder Reichstag) ändern. Das Ziel sollte sein, „aus dem Mehrheitsstaat einen berufsständischen Einigungsstaat“357 zu machen. Das Parlament verliert bei ihm schlichtweg seine Bedeutung und wird zu einem beratenden Gremium und Vollzugsorgan der Ausschüsse.358

353 354 355 356 357 358

Herrfahrdt, Heinrich: Das Problem der berufsständischen Vertretung von der französischen Revolution bis zur Gegenwart, Stuttgart 1921, S. 188. Vgl. Meyer, Thomas: Stand und Klasse. Kontinuitätsgeschichte Korporativer Staatskonzeptionen im Deutschen Konservativismus, Opladen 1997, S. 247ff. Vgl. ebd. S. 247. Herrfahrdt, Heinrich: Das Problem der berufsständischen Vertretung von der französischen Revolution bis zur Gegenwart, Stuttgart 1921, S. 150. Herrfahrdt, Heinrich: Die Einigung der Berufsstände als Grundlage des neuen Staates, Bonn 1919, S. 11. Vgl. Herrfahrdt, Heinrich: Das Problem der berufsständischen Vertretung von der französischen Revolution bis zur Gegenwart, Stuttgart 1921, S. 189.

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Es sollte auch in seinen späten Schriften nie abgeschafft werden, da es eine integrative staatliche Institution sei.359

Quelle: Eigene Darstellung gemäß vorliegender Analyse.

1932 versucht Herrfahrdt unter Eindruck der zunehmenden Instabilität der Weimarer Republik sein Konzept zu präzisieren.360 Auch hier hält er es für falsch, die Instabilität des deutschen Parlamentarismus als Anhaltspunkt für ideologische oder verfassungsfeindliche Angriffe zu sehen. Die Krise sei viel mehr ein Zusammenspiel zwischen Unverantwortlichkeit der Eliten, Parteien- und Cliquenwirtschaft sowie strukturellen Problemen. Er sieht dabei einen elementaren Reformansatz: Die Überwindung des 359 360

Vgl. Meyer, Thomas: Stand und Klasse. Kontinuitätsgeschichte Korporativer Staatskonzeptionen im Deutschen Konservativismus, Opladen 1997, S. 250. Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 80.

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Mehrheitsprinzips in allen Bereichen des staatlichen Lebens. Das Parlament könne reformiert werden, indem es zum Interessenvertreter, aber nicht zum Gesetzgeber umgestaltet wird.361 Er wollte zudem die Kompetenzen der Berufsstände selbst stärken, um zu verhindern, dass das Parlament oder die Regierung die am Gesetzgebungsausschuss beteiligten Berufsstände gegeneinander ausspielen konnte.362 In Anlehnung an Brauweiler forderte er nun, möglichst viele Aufgaben des Staates an die Berufsstände zu übertragen und diese zu öffentlich-rechtlichen, selbstverwalteten Zwangskörperschaften zu entwickeln. Dem einher ging eine Wandlung seines Berufsstandsbegriffs. Aus dem früheren Gedanken der Interessensvertretung wurde die Gliedhaftigkeit gegenüber dem Ganzen. Herrfahrdt rückt ebenfalls von einem hierarchischen Aufbau der Berufsstände ab und formuliert eine horizontale Gliederung. Die politische Gleichheit wird dabei nicht angetastet. Nur die freien und gleichen Wahlen zum Parlament verlieren ihre Bedeutung, die demokratische Mitwirkung wird auf den eigenen Berufsstand begrenzt. Das Volk als Souverän verliert seine Mitwirkungsfähigkeit, der Einzelne wirkt über seinen Berufsstand am Staat mit.

Das Prinzip der Mehrheitswahl solle durch die Schiedsrichterlichkeit ersetzt werden. Es muss „das Prinzip schiedsrichterlicher Zusammenfassung der auseinanderstrebenden Kräfte an seine [des Parlamentarismus, Anm.d.Verf.] Stelle treten.“363 Dies führe zu einer neuen politischen Führerschicht, die in direkter Kooperation mit den Berufsständen am Staat arbeite. Die Gesetzgebungsausschüsse sollten nun nicht mehr mit gewählten Repräsentanten des Reichstages besetzt werden, sondern vom Reichspräsidenten nach Anhörung des Reichsrates und des Reichstages für jedes Gesetz neu bestimmt werden. Die Mitglieder sollten sachkundige Persönlichkeiten der Berufsstände und Interessensgruppen sein. Diese Führerschicht auf der lokalen Ebene, in den Provinzen und den Ländern könne dann eine gesamtstaatliche Volksvertretung bilden, welche das alte Parteienparlament ersetze. Jeder Ausschuss hat dann für sein Gesetz die Gesetzgebungskompetenz.364 Die Berufsstände würden dabei immer noch nicht zu vollen Trägern politischer Funktionen, sondern Teil des schiedsrichterlichen Prozesses. Zentrale Instanz werde auch nicht mehr das Parlament selbst, sondern dessen Ältesten361 362 363 364

Vgl. Herrfahrdt, Heinrich: Aufbau des neuen Staates, Berlin 1932, S. 8. Vgl. ebd. S. 31. Ebd. S. 12. Vgl. den ‘Plan für eine Übergangsregelung im Reich und in Preußen’: Vgl. ebd. S. 37ff.

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rat.365 Herrfahrdt stellt dabei jedoch fest: „Ob das Plenum des Parlaments im Laufe dieser Entwicklung überhaupt eine sinnvolle Aufgabe behalten wird, lässt sich heute noch nicht übersehen.“ Dabei wäre für ihn mindestens denkbar, dass der Reichstag in gelegentlichen kurzen Tagungen zusammenkommt, um „die Stimme der Nation dem Ausland gegenüber zur Geltung bringt.“366

Quelle: Eigene Darstellung gemäß vorliegender Analyse.

Fazit: Das Konzept von Heinrich Herrfahrdt kann als Neuentwicklung gesehen werden. Zwar erinnert die Rolle der Berufsstände an Freiherrn vom Stein. Jedoch formuliert er eine neue Form der staatlichen Organisation. Anstatt den Parlamentarismus abzuschaffen, gestaltet er einen Ausschuss, der nach und nach zum gesetzgebenden Organ der 365 366

Vgl. ebd. S. 45. Ebd. S. 46.

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Berufsstände wird. Die 1919 formulierte Mitgestaltung von Berufsständen und Interessengruppen am Gesetzgebungsprozess sowie die partielle Autonomie der Berufsverbände erinnert sehr an den bundesrepublikanischen Neokorporatismus.

3.3.2.5 Autoritarismus und ständische Gliederung bei Edgar Jung (1927) Edgar Jung gehörte zwar nicht zum Kreis um Moeller van den Bruck, bekannte sich aber zu dessen ‘revolutionärem Konservativismus’. Sein Ständestaatskonzept formuliert er erstmalig 1927 in seinem Hauptwerk ‘Die Herrschaft der Minderwertigen’. Der Ständestaat dient ihm jedoch nicht als Zweck, sondern nur als Mittel für sein Gesamtstaatskonzept. Der Staat sollte nicht durch die Stände entwickelt werden, sondern der Staat als Höchststand dem ständisch gegliederten Volk gegenübergestellt werden.367 Jung plädiert in eigener Aussage für eine Gliederung, in der sich erbcharismatische Elemente mit modernen berufsständischen Ideen verbinden. Jung baute auf dem Ständestaatskonzept von Heinz Brauweiler auf, entwickelte es aber zu einem präsidialen, ständisch-autoritären Staatssystem weiter.368 Jung gestand dem Prinzip der Ordnung den höchsten Leitgedanken des Gemeinschaftsgedankens zu und war von einem starken Elitedenken geprägt.369 Den Begriff des Standes hat Jung nicht abschließend formuliert. Als Stände kämen jedoch nur ‘lebendige Kräfte’ in Betracht, die auf dem Ganzheitserlebnis beruhen.370 Das Berufsleben biete für die ständische Gliederung nur dann einen Ansatzpunkt, wenn es um eine Berufung gehe und nicht um Arbeitsangelegenheiten oder den Gelderwerb. Nur unter der Bedingung einer seelischen Verwurzelung könnten Berufsgruppen zusammengeschlossen werden.371 Für Wirtschaft und Kultur sollen Berufsstände gebildet werden, die einen Ausgleich bieten für die aus der Arbeitsteilung entstandene Vereinzelung. Unabhängig von den Berufsständen sollen sich Vernetzungen bilden in 367 368 369 370 371

Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 86ff. Vgl. Ishida, Yuji: Jungkonservative in der Weimarer Republik. Der Ring-Kreis 1928-1933, Frankfurt 1988, S. 87. Vgl. Gerstenberger, Heide: Der revolutionäre Konservativismus. Ein Beitrag zur Analyse des Liberalismus, Berlin 1969, S. 98f. Vgl. Jung, Edgar, Herrschaft der Minderwertigen, 2. Aufl. Hattstedt 1930, S. 294. Vgl. ebd. S. 296f.

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Form von Arbeitsgemeinschaften und organischen Erzeugergemeinschaften.372 In diesen schließen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammen. An der Spitze der Berufsstände stehe eine Reichsständekammer mit weitreichenden Selbstverwaltungsrechten. Dies findet jedoch darin eine natürliche Grenze, als dass die staatliche Führung die Wirtschaftsziele festlegt und ihre Durchführung beaufsichtigt. Im Spezielleren orientierte sich Jung unbewusst am Wirtschaftsliberalismus.373 Ausgehend vom Gemeinschaftserlebnis begründete Jung die Ständeorganisation auf dem ‘organischen Gedanken’. Das Organische sei „die lebendige Einheit des Ganzen wiedergespiegelt von Teilen, die wiederum Eigenleben besitzen, die gleichzeitige Freiheit und Dienstschaft der Teile, die Wechselwirkung zwischen Vielen und dem Ganzen.“374 Auf diesem organischen Prinzip basiere Stand und Ständestaat. Wichtiger als die Interessenvertretung sei die Ab- und Einstufung, die der Begriff des Standes in sich trägt. Entgegen anderer organischer Prinzipien sei es jedoch ein Fehler, den Gesamtstaat und die politische Führung wie einen Organismus aus Zellen aufzubauen. Das Werden der Ganzheit könne nicht den Teilen überlassen werden. Würde der Staat aus Berufsverbänden aufgebaut werden, entstehe das Klassenprinzip, da der Staat als Zusammenfassung wirtschaftlicher Interessensverbände angesehen werde.375 Demzufolge müsse der Staat als eigener Stand angesehen werden, als ‘Höchststand’. Dieser Höchststand sei etwas Eigenständiges, eine von der Gesellschaft getrennte neue adlige Führerschicht.376 Überhaupt sind die Stände mit ihrer Über- und Unterordnung der ideale Boden für die Rekrutierung eines neuen Adels. Der Staat steht als politische Macht den organischen Gliedern des Volkes gegenüber.377 Jung betonte immer wieder die Autorität und Hoheit des neuen Staates, dem sich die Stände unterordnen müssen.378 Dennoch sollte dieser Staat kein totaler sein, sondern solle sich nur auf Außenpolitik und Militär konzentrieren. Im Inneren müsse er sich darauf konzentrieren, „etwas vorhandenes zu überwachen, zu leiten, zu verwalten oder bei Interessenwiederstreit zu Vorteil des Ganzen richterliche Entscheidungen zu ermöglichen. Alles Übrige ist 372 373 374 375 376 377 378

Vgl. Breuer, Stefan: Grundpositionen der deutschen Rechten 1871 – 1945, Tübingen 1999, S. 137. Gerstenberger, Heide: Der revolutionäre Konservativismus. Ein Beitrag zur Analyse des Liberalismus, Berlin 1969, S. 103. Jung, Edgar, Herrschaft der Minderwertigen, 2. Aufl. Hattstedt 1930, S. 286. Ebd. S. 280. Vgl. Breuer, Stefan: Grundpositionen der deutschen Rechten 1871 – 1945, Tübingen 1999, S. 137. Jung, Edgar, Herrschaft der Minderwertigen, 2. Aufl. Hattstedt 1930, S. 286 und S. 291ff. Vgl. Ishida, Yuji: Jungkonservative in der Weimarer Republik. Der Ring-Kreis 1928-1933, Frankfurt 1988, S. 88.

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Aufgabe der sich selbst verwaltenden Gesellschaft.“379 Die Strukturen dieser Selbstverwaltung stellen die Stände dar.

Quelle: Eigene Darstellung gemäß vorliegender Analyse.

Fazit: Zusammenfassend beschreibt Jung lediglich die mittelalterliche, organische und vertikal gegliederte Ständeordnung und ordnet diese seinem autoritären Hoheitsstaat unter. Die wesentliche Neuerung besteht in der Hinwendung zum ständisch-autoritären Staat. Das Volk wird komplett in Stände gegliedert, weder Demokratie, politische Gleichheit oder Parlamentarismus finden in diesem Konzept Platz. Die Selbstverwaltungskompetenzen der Stände und Reichsständekammer wirken dabei eher als ein Zugeständnis minimaler Selbstbestimmung im sonst autoritären Staat. Neu ist der Zusammenschluss von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in den Erzeugergemeinschaften, ebenso der strikte Dualismus zwischen ständisch gegliedertem Volk und dem autoritären Hoheitsstaat. Die Selbstverwaltungskompetenzen erscheinen als Mittel der 379

Jung, Edgar, Herrschaft der Minderwertigen, 2. Aufl. Hattstedt 1930, S. 294.

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Willkür eines autoritären Staates Grenzen aufzuzeigen. Dennoch formuliert sein Ständesystem, nicht jedoch sein Staatskonzept, eine Neuauflage des alten Ständestaatsverständnisses.

3.3.2.6 Der deutsche ‘stato corporativo fasci’ nach Carl Düssel (1933) Carl Düssel stand zunächst der jungkonservativen Bewegung nahe, bis er unter Eindruck der faschistischen Korporationsideologie eine deutsche Version des ‘stato corporativo’ zu konzipieren suchte.380 Sein Korporativismus schwärmt zwar für einen „deutschen fascio“381, einen deutschen Faschismus, stellt ihn aber nicht zur Bedingung für seinen Korporativstaat. Düssels Faschismus-Bild wirkt jedoch eher naiv.382 Sein deutscher ‘stato corporativo’ unterscheide sich vom italienischen dahingehend, dass er sich auf „genossenschaftliche Freiwilligkeit“ stütze und nicht auf Grundlage einer „staatlichen Zwangsjacke“383. Unter Erfahrung der Präsidialkabinette kam Düssel zu dem Schluss, dass die Staatsführung sich auf die breite Basis des Volksganzen stützen müsse und sich nicht auf Reichswehr und Bürokratie verlassen kann. Er versucht ausdrücklich ein neues System zu konzipieren und schwört „historisierender Dogmatik“384 ab. Düssel fordert in seiner ‚berufsständischen Verfassung’ drei Säulen: Die durch politische Aufgaben gekennzeichnete berufskorporative385 Staatsorganisation, die wirtschaftliche Selbstverwaltung durch die Berufsstände und die gesellschaftliche Interessenvertretung durch bündische Landsmannschaften. Letztere sind vergleichbar mit dem deutschen Jungbündischen Verbandswesen386 und sollen eine ausgleichende, gesellschaftsintegrierende Funktion zwischen Staat und Wirtschaft wahrnehmen („dezentrali-

380 381 382 383 384 385 386

Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 95. Düssel, Carl: Berufsständische Verfassungspolitik, Berlin 1933, S. 30. So bringt er Selbstverwaltung, Dezentralisation, Volksvertretungen und ordentliche Wahlverfahren in einen Kontext mit seinem deutschen Faschismus, vgl. ebd. S. 7ff. und S.30f. Vgl. ebd. S. 42. Ebd. S. 28. Dieser Terminus wird von Düssel bewusst dem ‘überkommenen’ Stände- bzw. Berufsständebegriff entgegengestellt, vgl. ebd. S. 28. Düssel nennt religiöse, wissenschaftliche, nationale oder soziale Vereine, Wehrbewegungen, den Arbeitsdienst oder die Jugendbünde. Vgl. ebd. S. 38.

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siertes Ständeparlament“387). Im italienischen Korporativismus würde Benito Mussolini diese ausgleichende Funktion wahrnehmen.388 Düssel konzipiert einerseits eine Kritik des Universalismus, andererseits einen deutschen Korporativismus nach italofaschistischem Vorbild. Unter Einbeziehung von Erfahrungen des faschistischen Systems versucht er aus dessen Problemen zu lernen und eine verbesserte, erstaunlich nüchterne deutsche Version zu formulieren. Am Universalismus kritisiert er die Einheit von Zunft und Berufsstand. Der berufsständische Marktsektor muss „auf die Wahrung des Marktwettbewerbs und der wirtschaftlichen Selbstverantwortung des Unternehmers als wesentliches Berufserfordernis“389 gerichtet sein. Viel interessanter ist jedoch seine Kritik an der ‚Zwangshierarchie der Berufsstände’. Bis auf die Gewerkschaften dürfe es keine Zwangshierarchie innerhalb der Bürokratie, Selbstverwaltung oder zwischen den Ständen oder Korporationen geben. Insbesondere die dritte Säule, das Verbandswesen, müsse in Tradition deutscher genossenschaftlicher Dezentralisation stehen. Der universalistische Leitsatz ‚Stand schluckt Staat’ würde sich umdrehen, die universalistische Selbstverwaltung der Stände ist zudem reine Farce. Überhaupt sieht Düssel einen ideologisch begründeten autoritären Staat kritisch. Das sei gerade der „volkspolitische Sinn eines stato corporativo […] sich nicht an eine herrschende Partei, ihre Macht und Disziplin, ihre Ideologie und Rhetorik“ anzulehnen. Ebenso sieht Düssel die scharfe (katholisch-) universalistische Ablehnung des Individualismus als Illusion. Denn „Fähigkeit und Drang zu persönlicher Selbstverantwortung wurzeln nicht nur im Liberalismus und Protestantismus…“ sondern „sind ein elementarer Wesenszug Europas […]“390. Dennoch lehnt auch Düssel den demokratischen Parteienstaat ab: „Man muß gegenüber dem Parteiwesen der Kopfzahldemokratie französischer Prägung den deutschen Volksgedanken der Gliederung in Schaffensbereiche zur politischen Repräsentation bringen.“391 Die organisatorische Idealform innerhalb seines Verfassungsmodells stellen die berufsständischen Landsmannschaften dar, die „eine Auslese der Berufstüchtigkeit zu berufskorporativer und staatspolitischer Verantwortung wecken“ und „Gegenspieler des kollektiven Wahlrechts“ sind. Düssel forderte, den berufsständischen Wirtschaftsaufbau vom

387 388 389 390 391

Vgl. Düssel, Carl: Berufsständische Verfassungspolitik, Berlin 1933, S. 43. Welcher an einigen Stellen als Vorbild für Düssels Ideen herhält, vgl. ebd. S. 26f. Ebd. S. 13 Ebd. Dies und folgendes: Ebd. S. 50f.

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berufskorporativen Staatsaufbau zu trennen. Ebenso muss eine echte Selbstverwaltung der Berufskorporationen gewährleisten, dass die Korporationen kein heimliches, in die Wirtschaft und den Berufsständen vorgestrecktes Organ des Staates werden. Ein reiner berufsständischer Staat könne die Gegensätze der Herkunft, Bildung oder Lebensart nicht überwinden. Deshalb müsse eine volkspolitische Körperschaft gebildet werden, die sich in berufsständische Landsmannschaften gliedert. Diese sollen nicht nach Berufsgruppen, sondern anhand von örtlicher wie beruflicher Nachbarschaft und aufgrund von sozialen Zusammenhängen gegliedert werden. Düssel lehnte sich dabei an die Jugendbünde, die Wehrbewegung, den Arbeitsdienst sowie religiöse, nationale und soziale Vereinigungen an.392 In den (politischen) Berufskorporationen sollen sich die verschiedenen sozialen Gruppen außerhalb der Tagesarbeit treffen. Dadurch könnte das Blickfeld der Berufe erweitert werden und der Standpunkt des in der Gesamtverantwortung stehenden Staatsmannes verstanden werden.393 Dadurch ließe sich auch eine überparteiliche, korporative Führungsschicht erziehen. Der wirtschaftspolitische Aufbau sollte selbstständig neben dem korporativen Aufbau bestehen. Grundlage müsse eine ‚berufsständische Marktwirtschaft’ sein mit ‚berufsständischer Verantwortung’, die die Vorzüge des selbstregulierten Marktes beibehält, aber die Mängel des reinen Marktliberalismus beseitigt. Probleme des Unternehmers oder ganzer Wirtschaftszweige können durch Selbstverwaltungshilfen beseitigt werden, dürfen aber keine bürokratische Planwirtschaft erzeugen.394 Überhaupt denkt Düssel stark wirtschaftsliberal. Auch die Frage nach politischer Ungleichheit der Menschen wird nicht angesprochen. Sein Konzept sieht zwar keine Wahlen nach dem Prinzip der ‘Kopfzahl’ vor, spricht aber nicht von einer politischen oder rechtlichen Ungleichheit der Menschen. Auch die Stände und Korporationen sind berufsbezogen, ohne Rangordnungen. Ein Wirtschaftsparlament solle nicht gesondert gegründet werden, da der Staat seine wirtschaftpolitischen Hoheitsrechte nicht aus der Hand geben solle. Es genüge der Ausbau von Gesetzgebungsausschüssen, wie sie Herrfahrdt vorgeschlagen habe, in denen dann die verschiedenen Interessen zusammenkommen würden. Auch Düssel spricht hierbei den bestehenden Reichswirtschaftsrat in der Weimarer Reichsverfassung

392 393 394

Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 96. Vgl. Düssel, Carl: Berufsständische Verfassungspolitik, Berlin 1933, S. 40. Vgl. ebd. S. 14ff.

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als Ausgangspunkt für eine ‚berufsständische Kammer’ an.395 Wie auch die Berufsstände an sich würde eine Berufsständekammer sich nur auf die Wirtschaftspolitik beschränken. An Stelle eines demokratisch gewählten Parlaments tritt langfristig der ‚Volksrat’, von ihm auch Erste Kammer genannt. Die Zweite Kammer ist der alte Reichstag, der jedoch nur noch eine marginale Bedeutung wahrnimmt und seine Kompetenzen auf Volksrat, Selbstverwaltung der Landsmannschaften, Berufskorporationen sowie den Reichspräsidenten abgibt.396 Der Volksrat hat bei Düssel zwar nicht das alleinige Gesetzgebungsrecht, soll es aber schaffen, die Gesetzgebung ‚in großer Linie’ mitzubestimmen, um allen Vorbedingungen echter berufsständischer Selbstverwaltung Hilfestellung bieten zu können. Der Volksrat wird eine Art ‚Innere Kammer’, der die legislativen und exekutiven Befugnisse des Reiches auf die Selbstverwaltungsgruppen, die Berufsstände und die Berufskorporationen überleitet. Der Volksrat setzt sich aus drei Gruppen zusammen: Die ‚Korporationsgruppe’ wird von den Berufskorporationen gebildet, die ‚Präsidialgruppe’ wird vom Reichspräsidenten benannt und die dritte Gruppe von den Landsmannschaften entsandt. Abb.21: Schaubild zum Staatsaufbau nach Düssel

Quelle: Entnommen aus Düssel, Carl: Berufsständische Verfassungspolitik, Berlin 1933, S.60

395 396

Vgl. Düssel, Carl: Berufsständische Verfassungspolitik, Berlin 1933, S. 51 Vgl. ebd. S. 54ff.

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Fazit: Düssel versucht ausdrücklich eine komplette Neuformulierung eines berufsständisch-berufskorporativen Staatssystems und kann im Sinne der Forschungsfrage auch als Neuentwicklung eingestuft werden.

3.4 Nationalökonomisch begründete Konzepte: Die Werksgemeinschaftsideen 3.4.1 Ständestaat und Werksgemeinschaft Ähnlich wie die jungkonservativen Ständestaatskonzepte wurde die Werksgemeinschaft auf das Gemeinschaftserlebnis des Ersten Weltkrieges zurückgeführt. Die Werksgemeinschaftsidee sei zugleich national und vaterländisch, die „wirtschaftliche Lösung des völkischen Gedankens.“397 Mit der Vereinigung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sei die Werksgemeinschaft ein dritter Weg neben dem Klassendenken von Marxismus und dem Liberalismus.398 Das Werk solle als ‚Lebenszentrum‘ von Arbeitnehmern und Unternehmern dienen. Beide Seiten würden die Gemeinsamkeit des Interesses an hoher Leistungsfähigkeit und hohem Ertrag erfahren.399 Erst der Marxismus habe diese Schicksalsgemeinschaft zerstört, für den Arbeiter müsse die Zugehörigkeit zum Werk wieder zum ‚inneren Erlebnis‘ werden. Durch die Werksgemeinschaft fühle sich der Arbeiter nicht mehr als Proletarier, sondern als Glied des Ganzen. Die Werksgemeinschaft ist die „ethische Gemeinschaft zwischen Führern und Geführten in der Wirtschaft.“400 Mit diesem Gedanken entwickelt sich auch die Forderung, die Berufsstände auf der Werksgemeinschaft aufzubauen und nicht mehr auf der jeweiligen Berufsart. Über Fragen des berufsständischen Aufbaus und dem Verhältnis Stand und Staat herrschte jedoch Uneinigkeit. Es lassen sich zwei Richtungen erkennen. Zum einen der Kreis um Paul Bang, der auf Basis romantischer Vorbilder dem Universalismus nahe steht und eine strikte Trennung des berufsständischen Aufbaus innerhalb der Wirtschaft 397 398 399 400

Bang, Paul/Longert, Wilhelm: Die Grundgedanken der Werksgemeinschaft, Langensalza 1927, S. 8. Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 102. Vgl. ebd. Zitiert nach: Vgl. Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S. 149.

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und dem nicht-ständischen Staat fordert. Diese Trennung relativiert sich jedoch bereits dahingehend, dass den Werksgemeinschaften ein umfangreicher öffentlich-rechtlicher, halbstaatlicher Kompetenzkatalog zugesprochen werden soll. Zum anderen ist der Kreis um die eher konservative Zeitschrift ‘Werk und Beruf’ (z.B. Gerhard Albrecht) zu erkennen. Die Zeitschrift entwickelte sich zu einem Sammelbecken jener Repräsentanten der Werksgemeinschaftsidee, die den von Bang geforderten Staatsaufbau ablehnten. Die Werksgemeinschaften sollten hier in einen berufsständisch gegliederten Staat eingeordnet werden.

3.4.2 Die Werksgemeinschaften bei Paul Bang (1927) Paul Bang orientierte sich an antimarxistischen401, romantischen Organismusauffassungen.402 Er ging dabei jedoch nicht von einem von oben herab diktierten Organismusaufbau aus: „Ich habe noch keinen Baum kennengelernt, der von der Krone nach unten, nach der Wurzel gewachsen ist.“403 Aus diesem Grund müsse der Organismus auch von unten aufgebaut werden, die unterste Zelle des wirtschaftlichen Organismus soll die Werksgemeinschaft sein. Der Einzelne ist in seinem Wesen nicht autark und die Gesellschaft ist nicht die Summe von Einzelnen, sondern eine geistige Gemeinschaft von Gliedern, die eine notwendige Synthese bilden muss.404 Die Weimarer Republik hat die „Fähigkeit zur Synthese verloren.“405 Nicht der Stand ist dabei jedoch die Synthese zur Gemeinschaft, sondern die Werksgemeinschaft als wirtschaftliche und sittliche Einheit.406 So schreibt Bang: „Wir verstehen unter Werksgemeinschaft eine soziale Neubildung, in der alle lebendigen Glieder eines Betriebes zusammengeschlossen werden und wobei der Betrieb als Zelle der Wirtschaft mit öffentlichen Rechten und Pflichten ausgestattet werden und als Grundlage eines berufsständischen Aufbaus der

401 402

403 404 405 406

Vgl. Bang, Paul/Longert, Wilhelm: Die Grundgedanken der Werksgemeinschaft, Langensalza 1927, S. 8. Genauer zum organischen Wirtschaftsprinzip. vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 103. Vgl. Bang, Paul/Longert, Wilhelm: Die Grundgedanken der Werksgemeinschaft, Langensalza 1927, S. 6. Bang, Paul: Werksgemeinschaft, Berufsstand und Ständestaat. Eine notwendige Auseinandersetzung, Berlin 1931, S. 3. Vgl. ebd. S. 6f. Bang, Paul/Longert, Wilhelm: Die Grundgedanken der Werksgemeinschaft, Langensalza 1927, S. 5. Vgl. die Überhöhung dieser Formel in die „Werksgemeinschaft Deutschland“: Ebd. S. 9.

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deutschen Wirtschaft dienen soll.“407 Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden durch die gegenseitige Anerkennung ihrer getrennten Funktionen in diesen Werksgemeinschaften verbunden.408 In allen kaufmännischen und technischen Angelegenheiten ist der Unternehmer selbstständig, selbstverantwortlich und geistig frei. In allen anderen Angelegenheiten ist der Unternehmer jedoch an die Mitwirkung der Werksgemeinschaft gebunden. Arbeiter, Angestellte und Unternehmer sind in einem Organ vertreten. Anstelle außerbetrieblicher Tarifverträge sollen Werkstarife ausgehandelt werden. Bang lehnte den überkommenen Berufsständegedanken ab. Er führe zu einer neuen Interessensgruppierung und zum ‚Berufsklassengedanken‘.409 Der Berufsstand sei keine Gemeinschaft, sondern nur eine Vereinigung gemeinsamer materieller Interessen. An Stelle des fachlich gegliederten berufsständischen Aufbaus solle eine territorial gegliederte Selbstverwaltung der Wirtschaft treten, deren Basis die Werksgemeinschaft bildet. Zwischen den Werksgemeinschaften besteht keine Hierarchie, wohl aber eine strikte Trennung. Später verband er das territoriale Prinzip mit dem fachlichen und konzipierte auch den Berufsstand. Dieser sei nicht durch den Beruf als „technische Profession“ definiert, sondern als „gemeinsam geleistete Arbeit.“410 Dieses Werksgemeinschaftskonzept ist jedoch ein wirtschaftsorganisches, kein staatliches. Die Zelle des Staates ist nicht der Beruf, sondern Familie und Heimat. Da im Ständestaat der Einzelne sich nur für seinen Stand mitverantwortlich fühlt, müssen die Stände auch nur auf die Wirtschaft beschränkt bleiben. Der Staat hingegen könne sich auf allgemeine Richtlinien und die Aufsichtsfunktion beschränken, während die Werksgemeinschaften weitgehend autonom arbeiten. Auch hier kann der Gesamtstaat zum ‚Ständischen Nachtwächterstaat‘ werden. Sind die Werksgemeinschaften erst einmal öffentlich-rechtliche Körperschaften, müssen ihnen auch umfängliche öffentlichrechtliche Aufgaben übertragen werden. Hier zeigt sich der halbstaatliche Charakter der Werksgemeinschaften, was die zunächst formulierte Trennung von Werksgemeinschaften in der Wirtschaft und dem nicht ständischen Staat hinfällig macht. Oberste Spitze aller Werksgemeinschaften ist die ‚Reichswerksgemeinschaft‘, das Wirtschaftsparla407 408 409 410

Bang, Paul: Werksgemeinschaft, Berufsstand und Ständestaat. Eine notwendige Auseinandersetzung, Berlin 1931, S. 9f. Vgl. Bang, Paul/Longert, Wilhelm: Die Grundgedanken der Werksgemeinschaft, Langensalza 1927, S. 10. Vgl. Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941, S. 104. Bang, Paul: Werksgemeinschaft, Berufsstand und Ständestaat, Berlin 1931, S. 11.

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ment, das institutionell gleichberechtigt neben dem Reichstag stehen soll.411 Die Werksgemeinschaft wird Hort von Mitbestimmung und Teilnahme. So schreibt Bang, die „Werksgemeinschaft ist freies Selbstbestimmungsrecht des Arbeitnehmers, ist Anerkennung seiner Selbstverantwortung und somit seiner Persönlichkeit“ und weiter „…betriebsfremde Instanzen haben nicht mehr über Arbeiter und Unternehmer zu beschließen.“

412

Diese Form der Mitbestimmung geht jedoch einher mit scharfer

Ablehnung des Liberalismus („materialistische Seuche“413) und der formalen Demokratie. Denn trotz aller Gleichberechtigung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern fungiert der Unternehmer als Wirtschaftsführer. Die Werksgemeinschaftsidee ist auch keine Form der Wirtschaftsdemokratie, sondern der dritte Weg, „die Synthese zwischen Individualismus und Sozialismus“ 414 und dem Wesen nach antiinternationalistisch und antipazifistisch.

Quelle: Eigene Darstellung gemäß vorliegender Analyse.

411 412 413 414

Vgl. Bang, Paul/Longert, Wilhelm: Die Grundgedanken der Werksgemeinschaft, Langensalza 1927, S. 33. Ebd. S. 11. Ebd. S. 24 Ebd. S. 28f./Vgl. ebd., S. 37

107

Fazit: Bang formuliert eine komplette Neuentwicklung ständischen Gedankenguts. Als ‚Glieder‘ dienen die Werksgemeinschaften, die quasi zu ‚kleinen Ständen‘ werden und das gesamte politisch-soziale Leben des Einzelnen erfassen.

3.4.3 Die berufsständische Weiterentwicklung des Werksgemeinschaftsgedankens bei Gerhard Albrecht (1932) Albrecht ging ebenfalls von der Gemeinschaftsidee aus, die aus dem Kriegserlebnis entsprungen sei. Er konzipierte die Werksgemeinschaft aus einer „idealistischuniversalistischen Welt- und Gesellschaftsanschauung.“415 Albrecht stellt fest, „daß es gar keinen anderen Weg gibt, als das, was Jahrzehnte zerrissen, auseinander organisiert, zergliedert wurde, wieder zusammenzufügen, in Verbindung zu bringen, in organischer Gliederung neuzugestalten. Gemeinsam ist ihnen, daß es sich hierbei nicht um romantische Rückwärtserei, um Wiedererweckung mittelalterlicher Gesellschaftsund Wirtschaftsformen handeln kann.“ Und weiter formuliert Albrecht: „daß alle rückschauenden Träumereien unnötige Kraftvergeudung sind, daß der Blick in eine geschichtlicher Vorbilder entbehrende Zukunft gerichtet sein muß, wenn er nicht von vornherein in die Irre gehen soll“.416 Nach Albrecht ist ein umfassendes Werksgemeinschaftswesen der Weg zu einer echten sozialen Selbstverwaltung. Der Einzelne ist Bestandteil einer ihn umfassenden Einheit. Alle Einzelkräfte der Wirtschaft sind Glieder höherer Einheiten über die Zwischenglieder bis hin zum Wirtschaftsganzen der Volkswirtschaft.417 Die Ständeordnung ist daher eine vom Ganzen her bestimmte organische Gliederung in Funktionsbestandteile.418 Das Ganze liege dennoch nicht im Berufsstand, sondern in seinen Gliedern, dem Werk.419 Die Werksgemeinschaft bedeute „ganz allgemein Bewußtsein der Gemeinschaft in der Erfüllung wirtschaftlicher Aufgabe, also der Verbundenheit im Werken, im produktiven Schaffen und Leisten“420. Arbeitnehmer und 415 416 417 418 419 420

Albrecht, Gerhard: Berufsständische Bestrebungen des Handwerks, in: ‘Werk und Beruf’, 1930, S. 168. Albrecht, Gerhard: Vom Klassenkampf zum sozialen Frieden, Jena 1932, S. 104. Vgl. ebd. S. 95. Vgl. Albrecht, Gerhard: Berufsständische Wirtschaftsordnung, in: ‘Werk und Beruf’, 1930, S. 10. Vgl. Albrecht, Gerhard: Werksgemeinschaft und berufsständische Ordnung, in: ‘Werk und Beruf’, 1931, S. 241. Albrecht, Gerhard: Vom Klassenkampf zum sozialen Frieden, Jena 1932, S. 102.

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Arbeitgeber der gleichen und verwandten Produktion sollen sich erst nach Produktionszweigen, dann nach Wirtschaftszweigen zusammenschließen. Die Spitze bilde ein zentraler Volkswirtschaftsrat. Albrecht lehnt sich zwar stark an Paul Bang an, fordert aber eine Einflechtung der Berufsstände und Werksgemeinschaften in den Staatsaufbau. Er spricht dabei das aus, was bei Bang zwischen den Zeilen steht: Der halbstaatliche Status der Werksgemeinschaften, deren Kompetenzkatalog einem ‚Staat im Staate’ gleicht. Eine Einflechtung der Stände in den Staat sei unter der Weimarer Verfassung nicht möglich. Glieder des Berufsstandes sind die Angehörigen der verschiedenen Leistungsgruppen: Unternehmer, Arbeiter, Angestellte. Jeder Einzelne erhält die Mitgliedschaft an der berufsständischen Gesamtorganisation durch Aufnahme in die jeweilige Untergruppe des Berufsstandes. Jede dieser Untergruppen ist innerhalb ihrer Angelegenheiten selbstständig und selbstverwaltet. Jeder Berufsstand, jede Untergruppe und Werksgemeinschaft bedarf einer neutralen Instanz, die schlichtend eingreift und die letzte Entscheidung trifft.421 Nicht nur das politische Leben soll in die Werksgemeinschaften verlegt werden, sondern das gesamte soziale Leben: Das Werk ist „die unmittelbare Lebens und Schaffenssphäre der Wirtschaftsträger.“422 Im Sinne eines Betriebsrates wird ein Werksrat sämtliche sozialen und politischen Belange übernehmen. Die Berufsstände bekommen die öffentlich-rechtliche Pflicht zur sozialen Fürsorge. Der Staat als Ganzes könne sich dann auch hier zu einem „Ständischen Nachtwächterstaat“ 423 entwickeln. Letztendlich führe der „berufsständisch-werksgemeinschaftliche Weg“424 zur Befriedung der sozialen Verhältnisse.

421 422 423 424

Vgl. Albrecht, Gerhard: Vom Klassenkampf zum sozialen Frieden, Jena 1932, S. 106f. Ebd. S. 113. Ebd. S. 120. Ebd. S. 126.

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Quelle: Eigene Darstellung gemäß vorliegender Analyse.

Fazit: Albrecht konzipiert trotz Einbeziehung berufsständischer Prinzipien wie Bang eine komplette Neuformulierung des Ständestaatsgedankens. Zwar integriert er auch die Berufsstände als Glieder des Staates in sein Konzept ein. Dennoch stellen die Werksgemeinschaften als Gliederungsinhalt eine Neuerung dar.

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4 Schlussbetrachtung: Die Ständestaatskonzepte von 1918 bis 1933 zwischen Neuauflagen, Weiterentwicklungen und Neuentwicklungen. Bevor ein Schlussurteil über die Neuauflagen, Weiterentwicklungen und Neuentwicklungen versucht wird, soll zunächst eine kurze Auswertung eben dieser anhand folgender Fragen erfolgen: Welche Merkmale sind allen Konzepten gemeinsam? Wo sind die prägnantesten Unterschiede?

4.1 Entwicklungsgeschichtliche und inhaltliche Gemeinsamkeiten Obwohl es nicht Ziel dieser Arbeit war, historische Einflüsse auf die Ständestaatskonzepte darzustellen, ist ein kurzer Blick auf zeitliche Abläufe aufschlussreich. In der folgenden Grafik wurde in einem 2-Jahres-Rhythmus die Anzahl der Veröffentlichungen dargestellt. Bei der Veröffentlichung zwischen den Zeiträumen wurde zugunsten des Entstehungszeitraumes abgerundet. Die Grafik soll im Sinne der eigentlichen Forschungsfrage keine zeitlichen und historischen Details veranschaulichen, sondern nur einen groben Überblick verschaffen.

111

Abb.24: Grafik zum Entstehungszeitraum Neuentwicklungen

4

Weiterentwicklungen Neuauflagen Gesamtanzahl

3

2

1

0 1919 1921 1923 1925 1927 1929 1931

1933

Quelle: Eigene Darstellung.

Zunächst fällt auf, dass konstant Konzepte ausgearbeitet wurden, außer im Zeitraum um das Jahr 1929. Wenn man bedenkt, dass der Entstehungszeitraum somit ca. ein bis zwei Jahre zuvor beginnt, kann man durchaus sagen, dass die (für die Weimarer Republik) vergleichsweise stabilen Regierungsjahre und die ‚Goldenen Zwanziger’ zu einer Anspruchssenkung für eine neue ständestaatliche Staatsordnung führten. Des Weiteren sind zwei Hochzeiten veröffentlichter Konzepte erkennbar. Im Jahr 1925 wurden 4 Konzepte veröffentlicht, welche folglich im Entstehungszeitraum von 1922-1924 liegen. Diese Jahre waren durch radikale Aktionen rechtskonservativer und rechtsextremer Kreise (Ermordung Walter Rathenaus 1922, Hitler-Ludendorff-Putsch 1923; höchste Wahlergebnisse der rechtsliberalen und rechtskonservativen Parteien DVP und DNVP) und Krisenerscheinungen geprägt (Inflation, Ruhrbesetzung). Die zweite höchste Spitze veröffentlichter Konzepte erfolgte 1931, also im Entstehungszeitraum von 1929/1930. Dieser war ebenfalls ein Zeitraum rechtskonservativer, antirepublikanischer Aktivitäten (Volksentscheid gegen den Young-Plan durch DNVP und Adolf Hitler, Aufstieg der DNVP-Miliz ‚Stahlhelm’, Aufstieg der NSDAP, rechtskonserva-

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tive, entparlamentarisierte Präsidialkabinette)425. Der Abschwung der Jahre von 1931 bis 1933 ist damit auch erklärbar: Die rechtskonservativen Präsidialkabinette von Papen und von Schleicher ließen offenbar die Hoffnung aufkeimen, ständestaatliche Strukturen nun in der Praxis aufbauen zu können. Dabei ist zu erwähnen, dass die Zunahme veröffentlichter Konzepte zu Beginn und auch zum Ende der Weimarer Republik hin ausschließlich durch Neuentwicklungen und Weiterentwicklungen erfolgte. Lediglich der Zeitraum um 1925 war durch Neuauflagen geprägt. Nun zu den inhaltlichen Gemeinsamkeiten. Bis auf die Konzepte von Georg Weippert (‚Das Prinzip der Hierarchie’) und Heinz Brauweiler (die konservative ‚neuständische Verfassung’) nutzen alle Exponenten den Terminus ‚Organismus’ oder ‚organisch’ als positives Synonym für ihr Ständestaatskonzept bzw. ihre Idee einer Staatsordnung. Wie im theoretischen Teil dieser Arbeit bereits erwähnt, ist diese Bezeichnung kennzeichnend für die Mehrzahl antidemokratischer Ideen im untersuchten Zeitraum. Die Verwendung im Sinne eines Ständestaates ist schlüssig: Die Stände sollen Glieder des Staates oder der Gesellschaft sein, wie die Zellen eines Organismus. Dennoch benutzen nicht alle das Bild vom „Organismus“ als die zentrale Leitidee ihrer Ständestaatskonzeption. Von größerer Bedeutung ist die Verwendung des Adjektivs ‚organisch’ als Antithese zum Bestehenden: Die Weimarer Republik bzw. die liberale Demokratie war eine rein quantitative, mechanische und künstliche Staatsform, während der erhoffte neue Staat qualitativ, organisch und natürlich war. Alle Repräsentanten eines gegliederten Staates bedienten sich dieser Gegenüberstellung. Ebenso stellten sich alle Konzepte entschieden gegen den Individualismus, selbst jene, die den Einzelnen und dessen Beteiligung im Stand hervorheben wollten. Dem atomistischen, chaotischen Individualismus wurde das andere Übel, der künstliche, marxistische Kollektivismus gegenübergestellt. Der gegliederte Staat wurde von allen als ‚Dritter Weg’ gesehen, der die wahren, natürlichen Bindungen zwischen den Menschen wieder herstellte. Dementsprechend sahen sich alle Repräsentanten in Gegnerschaft zum Liberalismus und zum Kommunismus (bzw. Marxismus, Bolschewismus). Der liberalen Gesellschaft und ihren auflösenden Tendenzen stellte man die ‚wahre Bindung‘ der ständischen Gemeinschaft gegenüber. Viele Konzepte werden durch diese Auseinandersetzung gar vollständig begründet. Nahezu jedes untersuchte 425

Vgl. Büttner, Ursula: Weimar. Die überforderte Republik 1918 – 1933, Bonn 2008, S. 137f., S. 337f., S. 364 und S. 418ff.

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Werk beginnt mit dieser Thematik bzw. weist hierzu ein eigenes Kapitel auf. Unabhängig von den unterschiedlichen Ausformungen des gegliederten Staates sind die Abhandlungen zum Individualismus und dessen vermeintlich fatale Wirkung auf die Geschichte bei allen erstaunlich identisch.

4.2 Die wesentlichsten Unterschiede In Bezug zum Begründungszusammenhang, dem weltanschaulichen Hintergrund oder der Frage nach Neuauflage, Weiterentwicklung oder Neuentwicklung gibt es keinerlei Gemeinsamkeiten oder Zusammenhänge hinsichtlich der Trennung von wirtschaftlichen und politischen Ständen. Hierbei geht es um die Frage, ob die jeweiligen Stände nur auf dem wirtschaftlichen Bereich beschränkt bleiben und die staatliche Sphäre nichtständisch organisiert bleibt426 oder ob im Bereich der Wirtschaft und des Staates unterschiedliche Stände bestehen sollen427. Die dritte Möglichkeit besteht darin, die jeweiligen Stände einheitlich im wirtschaftlichen wie auch staatlichen Bereich wirken zu lassen.428 Auch ist erkennbar, dass es keine Übereinstimmungen hinsichtlich der Stellung zum Parlamentarismus, der Demokratie und zur politischen Gleichheit gibt. Die überwiegende Mehrzahl gibt sich antiparlamentarisch und antidemokratisch, spricht jedoch die entscheidenden Fragen der politischen und rechtlichen Gleichheit der Menschen nicht an. Bei allen, die eine horizontale Gliederung der Stände befürworten, also keine rechtlichen Unterschiede zwischen den Menschen fordern, wird die politische Gleichheit folglich akzeptiert. Es ist aber auch nicht feststellbar, dass die Mehrheit der Ständestaatskonzepte antiparlamentarisch ist. Bis auf wenige (u.a. der Solidarismus von Nell-Breuning, die Werksgemeinschaft nach Bang) lehnen zwar alle die ‘Formaldemokratie’ und die bestehende Form des Parlamentarismus in der Weimarer Republik entschieden ab. Dennoch verzichten jene nicht unbedingt auf ein auf allgemeinen Wahlen beruhendes Parlament. Nahezu alle sehen ein über Berufsstände zusammengesetztes Wirtschaftsparlament vor und bei vielen wird dieses auch nach demokratischen Grundsätzen innerhalb der Stände gewählt. 426 427 428

Vgl.: Nell-Breuning (3.2.1.1), Herrfahrdt (3.3.2.4), Bang (3.4.2). Vgl.: Karrenbrock (3.1.3), Pieper (3.2.1.2), Bunzel (3.3.1.4), von Dungern (3.3.1.6), Jung (3.3.2.5), Düssel (3.3.2.6), Albrecht (3.4.3). Vgl.: Universalismus (3.1.1), Weippert (3.1.2), Jerusalem (3.1.4), Craemer (3.2.2), Wundt (3.3.1.2), Tatarin-Tarnheyden (3.3.1.3), Everling (3.3.1.5), Boehm (3.3.2.2).

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Der größte Unterschied zwischen den Konzepten ist die Begriffsdeutung und Begriffsverwendung. Stände, Berufsstände, Korporationen, ständischer Aufbau, Geistigkeit, Ganzheit…: Nur bei wenigen werden diese Begriffe einheitlich genutzt. Meist bei bestimmten ‚Schulen’ (z.B. Universalismus und dem nahe stehenden wie Paul Karrenbrock, der Solidarismus nach Oswald Nell-Breuning, die Werksgemeinschaft nach Paul Bang) oder politischen Richtungen. Dennoch sind z.B. die Berufsstände bei Heinz Brauweiler öffentlich-rechtliche Zwangsgemeinschaften, die vom Staat als Körperschaften eingesetzt werden- was eher dem Korporativismus nahesteht. Bei Düssel besteht der ‚stato corporativo’, der so genannte ‚deutsche Korporativismus’ aus ‚Berufskorporationen’, die lediglich Berufsstände mit einem allgemeinpolitischen Mandat darstellen und wenig mit den Korporationen nach Hegel oder dem italienischen Faschismus zu tun haben, da diese vom Staat zur Erfüllung einer bestimmten Aufgabe begründet werden. Dieses „vorgestreckte Organ des Staates“429 wird von ihm sogar abgelehnt. Ebenso ist bei ihm nicht die Wahrung des ‚Allgemeinen’ Ziel, sondern Vertretung des ‚Besonderen’. Diese Neudefinition der Glieder, begrifflich wie inhaltlich, ist charakteristisch für die Ständestaatskonzepte zwischen 1918 bis 1933. Bei Georg Weippert sind die Stände als Glieder nur Ausdruck der hierarchischen Unterschiede in Staat und Gesellschaft, bei Franz Jerusalem sind sie Ausdruck des ‘Dranges zur Gemeinschaft’. Es bezeichnen sich fast alle Konzepte als ‚neuständisch’, sie verstehen aber jeder etwas anderes darunter. Manche versuchen eine echte Neubegründung, andere sehen das ‘neuständische’ eher als begriffliche Abgrenzung zu überkommenen Ständelehren.

4.3 Alternative Klassifizierungsmöglichkeiten Um den ideengeschichtlichen Bogen aller Ständestaatskonzepte auch vor 1918 zu schließen, soll eine alternative Klassifizierung vor dem Hintergrund der Einteilungsmöglichkeiten der überkommenen Ständestaatskonzepte unabhängig von dem Urteil der Neuentwicklung, der Neuauflage oder der Weiterentwicklung angesprochen werden. Im Kapitel „2.1.3 Stand und Ständische Staatsordnungen“ wurde bereits der Umstand besprochen, dass die Ständestaatskonzepte bis 1918 in ‚altständische‘, feudalhierarchische Ordnungen und moderne, partizipative Berufsständeordnungen einteilbar 429

Vgl. Düssel, Carl: Berufsständische Verfassungspolitik, Berlin 1933, S. 13f.

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waren. Aufgrund begrifflicher Beliebigkeiten430 und neuer Einteilungen (Korporationen) ist dieser Dualismus auf die Konzepte nach 1918 nicht einfach übertragbar. Lässt man jedoch die verwendeten Bezeichnungen Stand, Berufsstand und Korporation außer Acht und versucht, das Prinzip auf den Gliederungsversuch der Konzepte allgemein anzuwenden, finden sich beide Einteilungen unter leichten Änderungen wieder. Hinzu kommt eine dritte unterscheidbare Gruppe. Unabhängig vom ideengeschichtlichen Hintergrund finden sich die hierarchischen, herrschaftlich orientierten Ständestaatsideen in den untersuchten Konzepten durchaus wieder. Sie verlieren zwar ihren feudalen, geburtsrechtlichen Hintergrund. Die Betonung von Rangordnungen, von der Herrschaft der oberen Stände oder einer staatlichen Instanz (Staatsstand oder Monarchie) und vor allem die Hervorhebung des gesellschaftsordnenden Prinzips des Ständestaats sind auch hier charakteristisch. Die Herrschaftsstände wandelten sich zu rein politischen Ständen, deren Gliederungsgrundlage weniger feudal-hierarchisch ist, sondern politisch oder sachlich. Diese Entwicklung zu ‚Sachständen’ wurde bereits bei zeitgenössischen Abhandlungen festgestellt.431 Zu dieser Gruppe lässt sich nur eine Neuentwicklung zählen432, nur drei von sieben Weiterentwicklungen433, aber, und das ist einleuchtend, alle Neuauflagen.434 Zum Zweiten findet man partizipativ verstandene Ständestaatskonzepte.435 Die Stände, zumeist im Sinne des Freiherrn vom Stein, werden hier als Hort von Selbstverwaltung und Teilhabe am Staat angesehen. Der Einzelne wirkt in seinem Stand mit, ist Teil des Standes und damit Teil des Ganzen. Es existieren hierbei äußerst weitgehende Ideen, wie bei den Berufsständen von Heinrich Herrfahrdt, die dazu dienen, den Einzelnen mehr Mitbestimmung an staatlichen Entscheidungen zu geben. Aber es gibt auch Berufsstände oder korporative Konzepte, bei denen die Partizipation eben maximal nur

430 431 432 433 434 435

Bereits angesprochen wurden u.a. die Berufsstände bei Altkonservativen, die eher feudal-hierarchisch orientiert waren als modern-partizipativ. Vgl. Jöhr, Walter Adolf: Die Ständische Ordnung. Geschichte, Idee und Neuaufbau, Leipzig 1937, S. 212f. ‘Prinzip der Hierarchie’ von Georg Weippert. Der Universalismus, der völkische Berufsständestaat von Paul Karrenbrock, die ‘neuständische Verfassung’ von Heinz Brauweiler. Der monarchische Ständestaat von Max Wundt, das ‘gesunde Mittelalter’ von Friedrich Everling, die autoritäre ständische Gliederung bei Edgar Jung sowie die katholische Romantik von August Pieper. Darunter zählen: Die berufsständischen Gesetzgebungsausschüsse bei Heinrich Herrfahrdt, der ‘stato corporativo’ nach Carl Düssel, der protestantische Ständestaat von Rudolf Craemer, das berufsständische Rätesystem bei Edgar Tatarin-Tarnheyden, die berufsständische Selbstverwaltung bei Julius Bunzel, das Stein’sche Selbstverwaltungsprinzip bei Wolfgang Freiherr von Dungern.

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innerhalb des Standes stattfindet und die Teilhabe nur zum ‚Teil sein’ reicht, und zwar ohne Mitbestimmung und Mitwirkung. Es kristallisiert sich aber auch eine neue, dritte Gruppe heraus. Diese Konzepte können als ‚Gemeinschaftszentriert’ bezeichnet werden:436 Es wird die Gemeinschaft, die Bindung und Einigkeit von ‚Gleichen unter Gleichen’ betont. Eigenartigkeiten, gemeinsame Berufe oder Interessen sollen gemeinsam im Stand binden, einen und sich nach außen vertreten. Allen ist auch gemeinsam, dass sie dieses Gemeinschaftserlebnis aus der Front- bzw. Weltkriegserfahrung herleiten. Zu dieser Gruppe kommen vor allem viele korporative Konzepte (z.B. Max Hildebert Boehm; jedoch nicht der Korporativismus nach Düssel), aber auch vor allem die wirklich neuen Ideen wie die Gemeinschaften bei Franz Jerusalem oder die Ideen der Werksgemeinschaft, bei denen nicht nur der Beruf, sondern gar das Werk, die Berufsstätte zur sozialen und politischen Gemeinschaft wird. Die Betonung liegt hier selten auf Rangordnungen zwischen den Gemeinschaften, wohl aber auf strengen Grenzen zwischen den Gliedern. Auch der Solidarismus mit dem Prinzip der Subsidiarität kann dazu gezählt werden, weil hier weniger die Teilhabe am Ganzen als vielmehr der Vorzug bei der Selbstbestimmung kleiner Gemeinschaften im Vordergrund steht. Die Betonung kleiner Gemeinschaften ist zwar nicht bei allen Exponenten vorhanden, kommt aber dennoch häufig in Form der ‚Werksgemeinschaften‘ (oder auch ‚Arbeitsgemeinschaften‘ genannt) vor. Diese sind Zusammenschlüsse von allen Beteiligten der Arbeitsstätte, unabhängig ob sie Arbeitnehmer oder Arbeitgeber sind. Sie sollen eine soziale und politische Heimat bieten, ähnlich dem ‚Standesleben‘ nach Max Weber. Erwähnenswert hierbei ist der Umstand, das auch außerhalb der ursprünglichen ‚Werksgemeinschaftsbewegung‘ um Paul Bang und Gerhard Albrecht diese Teilgliederung befürwortet wird.437 Hierbei sind es jungkonservative Repräsentanten und Neuentwicklungen, die diesen Ideen aufgeschlossener begegnen.

436 437

Dazu zählen: die Gemeinschaften bei Franz Jerusalem, der Korporativismus bei Max Hildebert Boehm, der Solidarismus nach Oswald Nell-Breuning. So bei den Gemeinschaften bei Franz Jerusalem, im berufsständischen Rätesystem von Edgar Tatarin-Tarnheyden (hier ‚Arbeitsgemeinschaften‘ genannt), im autoritären Ständestaat von Edgar Julius Jung (hier ‚Erzeugergemeinschaften’), im Korporativismus nach Max Hildebert Boehm und die ‚neuständische Verfassung‘ bei Heinz Brauweiler.

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4.4 Neuauflagen ständestaatlicher Konzepte: Typen und ihre Merkmale Die Neuauflagen ständestaatlicher Konzepte sind aufgrund des gemeinsamen Bezugs zu überkommenen Ideen am stärksten von inhaltlichen Übereinstimmungen geprägt. Wie vermutet, sind sie alle antidemokratisch, antiparlamentarisch, gegen politische Gleichheit und gegen die Weimarer Republik. Allen Neuauflagen ist die zentrale Rolle des ‚Organismus’ gemeinsam, sowie die Betonung der Stände als strikt vertikale, ‚natürliche Glieder’ innerhalb der staatlichen Ganzheit. Sie stellen die politische Führung eines Monarchen oder eines herrschenden Standes in den Vordergrund und weisen alle eine stark religiöse, metaphysische Begründung der ständischen Ordnung auf. Nicht nur der Staat an sich, auch alle seine Glieder werden sakral überhöht. Ebenso lässt sich ein Dualismus einerseits zwischen dem monarchistischen, dem aristokratischen und dem übergeordneten Staat und sowie andererseits dessen ‚Boden’, den Ständen bzw. Berufsständen erkennen. In unmittelbarem Zusammenhang zu diesen inhaltlichen Gemeinsamkeiten steht das bereits erwähnte bemerkenswerte Phänomen, dass alle Neuauflagen zwischen 1923 und 1927, mit einem Höhepunkt genau im Jahre 1925 verfasst und veröffentlicht wurden. Es ist zunächst die Zeit rechtskonservativer Gewaltakte gegen die Republik und es folgte die Zeit der ‚Goldenen Zwanziger’, in der sich die Weimarer Republik scheinbar stabilisierte und etablierte. So sind unter den Neuauflagen vorhersehbar vor allem Altkonservative, Monarchisten und religiöse Romantiker, die in jene ‚Schwärmerei’ zu den vermeintlich besseren, ganzheitlicheren und ‚heiligeren’ Zeiten vor 1918 bzw. 1918 verfallen. Ebenfalls sticht hervor, dass nur wenige von den untersuchten Konzepten insgesamt zu den Neuauflagen zählen. Nicht die Anpassung überkommener Ständestaatskonzepte an die Weimarer Republik, der Versuch Probleme oder Krisen der Weimarer Republik zu beheben oder abzulösen, eine Weiterentwicklung oder gar Neuentwicklung steht im Vordergrund, sondern das Wiederaufleben vermeintlich besserer Zeiten und die romantische Überhöhung jener Ideen. Unter den Neuauflagen lassen sich zwei Typen feststellen: Zum einen Friedrich Everling und Edgar Jung, die ein neues Mittelalter beschwören oder dessen Vorzüge hervorheben. Hier werden weniger direkte Konzepte oder Protagonisten genannt, sondern allgemein die Zeit und Ordnung des ständischen Mittelalters beschworen. Zum 118

anderen findet man bei Max Wundt und August Pieper den direkten Rückgriff auf die Romantik (insbesondere Adam Müller). Entsprechend der Ablehnung partizipativer, gar demokratischer Ideen wird trotz des Verweises auf das Berufsständetum selten von Freiherrn vom Stein und erst recht kaum von einer hohen Bedeutung des Selbstverwaltungsprinzips in den Ständen gesprochen.

4.5 Weiterentwicklungen ständestaatlicher Konzepte: Typen und ihre Merkmale Die Weiterentwicklungen ständischer Ideen weisen ein breites Spektrum unterschiedlicher politischer Richtungen auf. Mit acht Repräsentanten stellen sie auch die größte Gruppe der untersuchten Konzepte dar. Unter ihnen finden sich zwei theoretisch begründete Konzepte, zwei konfessionelle und vier politisch begründete Konzepte. Bemerkenswert ist, dass sich unter den vier politisch begründeten Konzepten drei Altkonservative befinden. Dies mag daher rühren, dass sie sich nicht bloß mit dem ‚Alten’ abfinden wollten, sprich keine Neuauflagen konzipierten, sondern das Bewährte weiterentwickeln wollten. Die Hochzeit der Weiterentwicklungen fand in Zeiten statt, in denen sich Hoffnungen auf (ständestaatliche) Veränderungen regten. Einmal 1921, also mit den Entstehungsjahren 1919 und 1920, als die junge Republik zu scheitern drohte (u.a. Kapp-Putsch 1920 sowie nahezu zeitgleiche Aufstände im Ruhrgebiet, Thüringen und Hamburg)438. Zum anderen 1931, als die Präsidialkabinette den Parlamentarismus der Weimarer Republik aushebelten. Scheinbar war hier der Versuch am Werk, die Krisenjahre seit 1929 und die ‘neue Form’ der Weimarer Republik in Gestalt der Präsidialkabinette durch moderne Weiterentwicklungen zu begleiten. Dennoch fanden nahezu konstant Veröffentlichungen statt, mit Ausnahme 1919 und der bereits erwähnten allgemeinen Konzeptmüdigkeit in den Jahren vor 1928/1929. Es lassen sich grob zwei Typen erkennen. Einerseits die Konzepte mit dem Merkmal ‚Hierarchie und Ordnung’, deren vordergründige Grundhaltung der Bewahrung einer staatlichen Ordnung und/oder Rangordnung diente. Sie betonten zum Teil ebenfalls das autoritäre Moment einer ständischen Ordnung und lehnten alle demokratischen Ideen, 438

Büttner, Ursula: Weimar. Die überforderte Republik 1918 – 1933, Bonn 2008, S. 137.

119

den Parlamentarismus und die politische Gleichheit ab. Zu ihnen zählen der Universalismus (das hierarchische Ordo-Konzept par excellence), Paul Karrenbrocks völkischer Berufsständestaat (der gar den Begriff ‘Stand’ und Rangordnung sprachwissenschaftlich von ‘ordo, ordinaris’ ableitete439) und Heinz Brauweiler (der einen autoritären Berufsständestaat entwarf). Zur zweiten Gruppe kann man die modernen bis moderaten berufsständischen Konzepte zählen. Mit dem Solidarismus und dem Freiherrn von Dungern stellen sie äußerst moderne Konzepte dar, welche demokratische Ideen, den Parlamentarismus und die politische Gleichheit nicht nur tolerierten oder akzeptierten, sondern gar teilweise befürworteten. Beim protestantischen Ständestaat von Rudolf Craemer, Edgar TatarinTarnheydens berufsständischem Rätesystem und den ‚Steuergemeinschaften’ bei Julius Bunzel finden sich hingegen eher moderate Züge. Sie akzeptierten bzw. tolerierten Demokratie, Parlamentarismus und politische Gleichheit. Dies geschah teils aus Realismus (Craemer), teils aus Akzeptanz einer ‘Übergangsphase’ zum reinen Berufsständestaat (Tatarin-Tarnheyden, Bunzel) und zum Teil aus dem Versuch einer Synthese von berufsständischen Strukturen und der modernen Demokratie (der Solidarismus nach Nell-Breuning). Sie orientierten sich an einer berufsbezogenen Gliederung des Staates oder der Wirtschaft und betonten die Partizipation der Berufsstände an gesamtstaatlichen Entscheidungen. Dabei beziehen sich fast alle (Ausnahme: der Solidarismus nach NellBreuning) auf die berufsständischen Ideen des Freiherrn vom Stein. Ebenso formulieren sie alle eine horizontale Gliederung. Bei Nell-Breuning existiert zwar eine vertikale Gliederung, diese bevorzugt aber nicht die höhere Ebene, sondern die kleinere Einheit.

4.6 Neuentwicklungen ständestaatlicher Konzepte: Typen und ihre Merkmale Die Neuentwicklungen stellen mit sieben Konzepten die zweitgrößte Gruppe dar. Unter ihnen finden sich keine konfessionell und auch keine politisch-altkonservativ begründeten Konzepte, jedoch zwei theoretisch begründete, die einzigen zwei nationalökonomisch begründeten Konzepte sowie, und das überrascht nicht wirklich, drei politisch 439

Vgl. Karrenbrock, Paul: Recht und Wirtschaft in der ständischen Ordnung, Wien-Berlin 1932, S. 47.

120

begründete Konzepte aus dem jungkonservativen Lager. Ähnlich wie bei den Weiterentwicklungen waren Hochzeiten die frühen Anfangs- und Endjahre der Weimarer Republik. Dabei sind bereits 1919 zwei Konzepte veröffentlicht worden, mit dem Entstehungszeitraum 1917/1918 scheinen wohl die nahende Krise des Kaiserreichs sowie die drohende Kriegsniederlage ausschlaggebend zu sein, echte Neuentwicklungen zu formulieren. Für das Jahr 1931 scheint eine ähnliche Motivation gewirkt zu haben, wie es bereits bei den Weiterentwicklungen gedeutet wurde, jedoch mit der Änderung dass man die Krisenjahre seit 1929 und die Präsidialkabinette durch echte moderne Ständestaatsformulierungen begleiten wollte oder gar den Entwicklungen eine andere Richtung geben wollte. Auffällig ist ebenfalls das in den Jahren 1925,1927 und 1931 jeweils nur ein Konzept veröffentlicht wurde. Der Tiefpunkt für Versuche, Neuentwicklungen zu konzipieren, erfolgte gerade in jener Zeit zwischen 1920 bis 1923, in der die Weimarer Republik schwere Krisenjahre durchleben musste. Da besonders in den Jahren 1921-1925 ein enormer Zulauf zu den rechtsradikalen und rechtskonservativen Kreisen verzeichnet werden konnte, die zum Teil auch durch gewalttätige Aktionen auf sich aufmerksam machten, scheint wohl kein Versuch unternommen worden zu sein, etwas wirklich Neues zu schaffen. Da es gerade der Charakter der Neuentwicklungen ist, für sich alleine eine ‚neue Idee’ zu formulieren, ist die Vielfalt äußerst enorm und jedes Konzept steht für eine eigene Kategorie. Einzig Paul Bang und Gerhard Albrecht können durch die Werksgemeinschaftsidee verbunden werden. Selbst die korporativen Konzepte von Max Hildebert Boehm und Carl Düssel haben außer dem Körperschaftsbegriff wenig Merkmale für eine Gruppenbildung. Bei Boehm ist es die Körperschaft als Gemeinschaft ohne Berufsbezogenheit, bei Düssel die eindeutige Vermischung berufsständischer und korporativer Ideen. Und Georg Weippert bricht gar mit dem wesentlichsten Übereinstimmungspunkt aller Ständestaatskonzepte, in dem er die Ganzheits- und Organismusidee komplett verwirft und den Einzelnen in das Zentrum seiner Argumentation stellt, da nur zwischen den Einzelnen eine Rangordnung bestehen kann. Deshalb ist eine eindeutige inhaltliche Trennung in Gruppen, wie bei den Neuauflagen und Weiterentwicklung erkennbar, nicht zu sehen. Nur ein Merkmal lässt zwei Gruppen zu: Und zwar die Frage ob das jeweilige Konzept mit der Idee und Verfassung der Weimarer Verfassung vereinbar ist, also gar eingeflochten werden kann bzw. nur dem 121

Aus- und Weiterbau dient440 oder ob die Idee und Verfassung der Weimarer Republik komplett abgelehnt wird.441 Da diesen Kriterien jedoch unterschiedliche Haltungen zur Mitbestimmung, politischer Gleichheit und dem Parlamentarismus zugrunde liegen, ist eine solche Gruppeneinteilung wenig vielversprechend. Hinzu kommt, dass eine Annahme oder Ablehnung der Weimarer Republik immer in einem bestimmten Kontext- und vor allem zeithistorisch gesehen werden muss. Die Werksgemeinschaftskonzepte versuchten vor allem eine Neugliederung der Wirtschaft und sahen es ähnlich wie der Solidarismus, der sich aus Gründen der Legitimität oder der Feindschaft zum Kommunismus zur demokratischen Verfassungstreue bekannte. Einzig Heinrich Herrfahrdt mag bis in die Entstehungsjahre der zweiten Ausformulierungen seines Konzeptes (das nun die Kompetenzen des Parlamentes gänzlich auf die berufsständischen Gesetzgebungsausschüsse übertrug) republiktreu gewesen sein, wollte gar ihre Probleme durch die Berufsstände lösen. Carl Düssel brauchte die Weimarer Republik an sich nicht abzulehnen, da seine Verfassungsreform die Gewichte des Verfassungsgefüges langfristig umgestaltete (ohne jedoch den Reichstag oder den Reichspräsidenten aus der Verfassung zu entfernen). Im Gegensatz zu den Weiterentwicklungen und Neuauflagen haben jedoch alle Neuentwicklungen etwas gemeinsam: Alle konzipieren und definieren ausdrücklich die ‚Teile’, die Glieder neu und zumeist bauen sie diese auch in eine neuartige Gliederungsgrundlage ein (außer Heinrich Herrfahrdt, der die Glieder in die Weimarer Republik direkt einpflegte in Form von berufsständischen Gesetzgebungsausschüssen des Reichstages). So findet man bei Franz Jerusalem die ‚Gemeinschaften’, die eher ständische Genossenschaften darstellen, man findet hier die zwei wichtigsten korporativen Konzepte aus dem untersuchten Zeitraum (Max Hildebert Boehms gemeinschaftliche Körperschaften und Carl Düssels Berufskorporationen), es gibt die Rangordnungen in ‘Reinform’ bei Georg Weippert und vor allem die Werksgemeinschaften bei Paul Bang und Gerhard Albrecht. Bei den Neuentwicklungen lässt sich aber auch erkennen, dass die Einteilung in Herrschaftsstände und Partizipationsstände, wie im Kapitel 4.3 ‘Alternative Klassifizierungsmöglichkeiten’, durch eine weitere Variante ergänzt wird. Im Gegensatz zu den 440 441

Die berufsständischen Gesetzgebungsausschüsse nach Heinrich Herrfahrdt, der ‘stato corporativo’ bei Carl Düssel, sowie die Werksgemeinschaftskonzepte bei Paul Bang und Gerhard Albrecht. Das ‘Prinzip der Hierarchie’ bei Georg Weippert, die Gemeinschaften bei Franz Jerusalem, der Korporativismus bei Max Hildebert Boehm.

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Neuauflagen (die jene dritte Variante gar nicht aufweisen) und den Weiterentwicklungen (welche nur mit einem Konzept diese neue Klassifizierungsmöglichkeit kennen) weisen die Neuentwicklungen gleich vier dieser sogenannten ‘Gemeinschaftszentrierten’ Konzepte auf. Dies ist folgerichtig, da eine solche neue Variante logischerweise vor allem unter den Neuentwicklungen zu finden ist. Bei diesen Ständestaatskonzepten liegt das einende Moment, die Gemeinschaft und Bindung innerhalb der Glieder im Fokus der Argumentation. Bei den Werksgemeinschaftskonzepten wird dies sogar im Schlagwort offen zur Schau getragen. Auch Max Hildebert Boehm weist mit dem Titel seines zentralen Ständestaatswerkes ‘Körperschaft und Gemeinwesen’ darauf hin. Und bei Franz Jerusalem ist der ‘Drang zur Gemeinschaft’ gar die einzige Argumentationsgrundlage für seine ständische Gliederung.

4.7 Fazit und Ausblick Bis auf die genannten ‘Schulen’, wie der Universalismus oder der Solidarismus, formuliert jeder Repräsentant der Ständestaatsideen nach 1918 ein eigenes, detailreiches Konzept, das sich von allen anderen in vielen Merkmalen unterscheidet. Selbst gemeinsame weltanschauliche Grundlagen, theoretische oder wissenschaftliche Begründungsrichtungen oder konfessionelle Hintergründe lassen keine deutlichen Übereinstimmungen zu. Es gibt kein einheitliches Bild der Ständestaatsgedanken in der Weimarer Republik, sondern ein Konvolut verschiedener Strömungen, Gruppen und Ansätzen. Das bestehende Bild der Ständestaatskonzepte zwischen 1918 bis 1933 muss dahingehend revidiert werden, das sie eben nicht einheitlich antidemokratisch, antiparlamentarisch und gegen die politische Gleichheit der Menschen sind.442 Und sie lassen sich erst recht nicht in einem Bilde zusammenfassen. Die Ständestaatskonzepte sind kein Randphänomen, es sind nicht nur die Ideen von Othmar Spann oder von rückwärtsgewandten Konservativen, Romantikern oder Organismusideologen. Sie sind auch keine Begleiterscheinung von Konservativen Revolutionären, die ihrem autoritären Nationalstaat untermauern wollen. Sie stellen ein eigenständiges umfangreiches Gedankenspekt-

442

Insbesondere die Arbeit von Kurt Sontheimer muss dahingehend kritisiert werden: Vgl. Das Pauschalurteil in Sontheimer, Kurt: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik. Die politisches Ideen des deutschen Nationalismus zwischen 1918 und 1933, 3.Aufl., München 1992, S. 200.

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rum dar, mit etlichen Variationen. Insbesondere die Auffassung, „Alle ständestaatlichen oder korporativen Theorien sind zugleich völkische Theorien“443 ist nicht haltbar. Das gliedhafte Denken ist nicht, wie bei Kurt Sontheimer behauptet, ein völkisches Denken. Gewiss hat das organische Weltbild völkische Züge. Jedoch werden völkische und nationalistische Argumentationen oftmals gemieden, dem Solidarismus oder der Werksgemeinschaftsbewegung um Gerhard Albrecht sind völkische Züge gar fremd. Der Jungkonservative Max Hildebert Boehm beispielsweise strebte gar die körperschaftliche Einigung aller Völker an. Weiter muss die kausale Verbindung vom Ständestaat zum autoritären Staatsgedanken revidiert werden, insbesondere bei Exponenten wie Heinrich Herrfahrdt, Oswald Nell-Breuning, Paul Bang oder Julius Bunzel

Ähnlich komplex wurde die Beantwortung der Forschungsfrage. Es gibt nur wenige echte Neuauflagen (vier), die Mehrheit der Konzepte (acht) stellt Weiterentwicklung überkommener Ständestaatsideen dar. Knapp dahinter findet man die Neuentwicklungen (sieben). Während Neuauflagen und Weiterentwicklungen aufgrund ihrer Bezüge zu überkommenen Ständestaatsideen jeweils in zwei große Gruppen unterteilbar waren, ist bei den Neuentwicklungen jedes Konzept für sich eine eigene Einteilungsvariante. Überdurchschnittlich häufig wurde versucht, die Ideen des Freiherrn vom Stein aufzuarbeiten. Dahinter folgten bedeutend weniger Rückgriffe auf Adam Müller oder (auch wenn recht allgemein gehalten) das ‚deutsche Mittelalter’. Wenige beriefen sich auf die Versuche von Bismarck zur Installation eines berufsständischen Wirtschaftsparlaments oder gar Hegel. Bis auf die Konfessionellen oder dem katholisch geprägten Othmar Spann gab es kaum direkte Rückgriffe auf Thomas von Aquin und auf Platon wurde nur bei geschichtlichen Abrissen verwiesen. Weitaus höher war die Zahl jener, die sich ohne direkte Nennungen oder durch unbewusste Rückgriffe aus überkommenem Gedankengut bedienten. Viele Konzepte konnten nur angerissen werden, viele wurden bisher in der Sekundärliteratur wenig bis gar nicht behandelt, obwohl es einen umfangreichen Katalog verschiedenster weiterer interessanter Fragen gibt. Zum Beispiel der hier nur kurz angerissene Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Weimarer Republik, insbesondere deren 443

Vgl. Das Pauschalurteil in Sontheimer, Kurt: Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik. Die politisches Ideen des deutschen Nationalismus zwischen 1918 und 1933, 3.Aufl., München 1992, S. 200.

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Ideenlandschaft und den neu entstandenen Konzepten. Genauso wie die Frage, welche staatsrechtlichen oder philosophischen Hintergründe die jeweiligen Konzepte bieten.

Es ist daher mehr als wünschenswert, wenn der mit dieser Studie begonnene Gesamtüberblick und die Analyse aller entworfenen Ständestaatskonzepte auch von der modernen Wissenschaft stärker beleuchtet werden.

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5 Abbildungsverzeichnis Tab.1: Merkmalstabelle einer Neuauflage Tab.2: Merkmalstabelle einer Weiterentwicklung Tab.3: Merkmalstabelle einer Neuentwicklung Abb.1: Ständestaat mit strikt vertikaler Gliederung (Hierarchie) Abb.2: Ständestaat mit strikt horizontaler Gliederung Abb.3: Berufsständische Gliederung Abb.4: Diagramm des faschistischen Korporativismus Abb.5: Der Ständestaat nach Spann und dem Universalismus Abb.6: Der Ständestaat nach Georg Weippert Abb.7: Der Berufsständestaat nach Paul Karrenbrock Abb.8: Der Ständestaat nach Franz Jerusalem Abb.9: Der Berufsständestaat nach Oswald Nell-Breuning Abb.10: Der Ständestaat nach August Pieper Abb.11: Der Ständestaat nach Rudolf Craemer Abb.12: Der Ständestaat nach Max Wundt Abb.13: Der Berufsständestaat nach Edgar Tatarin-Tarnheyden Abb.14: Der Berufsständestaat nach Wolfgang Freiherr von Dungern Abb.15: Der Ständestaat nach Friedrich Everling Abb.16: Der Ständestaat nach Julius Bunzel Abb.17: Der Korporativismus nach Max Hildebert Boehm Abb.18: Der Berufsständestaat nach Heinz Brauweiler Abb.19a: Der Berufsständestaat nach Heinrich Herrfahrdt (1919/1925) Abb.19b: Der Berufsständestaat nach Heinrich Herrfahrt (1932) Abb.20: Der Ständestaat nach Edgar Jung Abb.21: Schaubild zum Staatsaufbau nach Düssel Abb.22: Das System der Werksgemeinschaften bei Paul Bang Abb.23: Werksgemeinschaften und Berufsstände bei Gerhard Albrecht Abb.24: Grafik zum Entstehungszeitraum

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6 Literaturverzeichnis 6.1 Die deutschen Ständestaatskonzepte von 1918 bis 1933 Albrecht, Gerhard: Vom Klassenkampf zum sozialen Frieden, Jena 1932 Bang, Paul: Organische Wirtschaft, Langensalza 1929 Bang, Paul: Werksgemeinschaft, Berufsstand und Ständestaat. Eine notwendige Auseinandersetzung, Berlin 1931 Bang, Paul/Longert, Wilhelm: Die Grundgedanken der Werksgemeinschaft, Langensalza 1927 Boehm, Max Hildebert: Ruf der Jungen, Freiburg 1920 Boehm, Max Hildebert: Körperschaft und Gemeinwesen, Leipzig 1920 Boehm, Max Hildebert: Das eigenständige Volk, Göttingen 1932 Brauweiler, Heinz: Berufsstand und Staat. Betrachtungen über eine neuständische Verfassung des Deutschen Staates, Berlin 1925 Bunzel, Julius: Der Zusammenbruch des Parlamentarismus und der Gedanke des ständischen Aufbaus, Graz-Leipzig 1923 Craemer, Rudolf: Der Kampf um die Volksordnung. Von der preußischen Sozialpolitik zum deutschen Sozialismus, Hamburg 1933 Dungern,, Wolfram Freiherr von: Die berufsständische Selbstverwaltung als Grundlage des kommenden Staates, Berlin 1928 Düssel, Carl: Berufsständische Verfassungspolitik, Berlin 1933 Everling, Friedrich: Republik oder Monarchie? Berlin 1924 Everling, Friedrich: Was ist konservativ? Berlin 1925 Everling, Friedrich: Warum bekämpfen wir den Parlamentarismus? Herausgegeben vom Bundesamt des ‘Stahlhelm’, Berlin 1929 Everling, Friedrich: Die Stände im künftigen Staat, Berlin 1930 Everling, Friedrich: Organischer Aufbau des Dritten Reiches, 1931 Heinrich, Walter: Der Faschismus. Staat und Wirtschaft im neuen Italien, München 1932 127

Heinrich, Walter: Das Ständewesen. Mit besonderer Berücksichtigung der Selbstverwaltung der Wirtschaft, Wien 1934 Heinrich, Walter: Die soziale Frage, Jena 1934 Herrfahrdt, Heinrich: Die Einigung der Berufsstände als Grundlage des neuen Staates, Bonn 1919 Herrfahrdt, Heinrich: Das Problem der berufsständischen Vertretung von der französischen Revolution bis zur Gegenwart, Stuttgart-Berlin 1921 Herrfahrdt, Heinrich: Der Aufbau des neuen Staates, Berlin 1932 Jerusalem, Franz: Soziologie des Rechts, Jena 1925 Jerusalem, Franz: Gemeinschaft und Staat, Tübingen 1930 Jerusalem, Franz: Der Staat. Ein Beitrag zur Staatslehre, Jena 1935 Jung, Edgar Julius: Die Herrschaft der Minderwertigen. Ihr Zerfall und ihre Ablösung, Berlin 1927 Jung, Edgar, Herrschaft der Minderwertigen, 2. Auflage Hattstedt 1930 Karrenbrock, Paul: Recht und Wirtschaft in der ständischen Ordnung, Wien-Berlin 1932 Longert, Wilhelm: Liberale oder organische Staats- und Wirtschaftsordnung, Berlin/Wien 1931 Nell-Breuning, Oswald: Die soziale Enzyklika, Erläuterungen zum Weltrundschreiben Papst Pius XI. über die gesellschaftliche Ordnung, Köln 1932 Pieper, August: Zur staatsbürgerlichen Bildung und politischen Schulung. M.Gladbach, 1920 Pieper, August: Berufsgedanke und Berufsstand im Wirtschaftsleben, 2.Aufl., M. Gladbach 1926 Pieper, August: Organische und mechanische Auffassung des Gemeinschaftslebens, M. Gladbach 1929 Pieper, August: Die Neuordnung der menschlichen Gesellschaft. Befreiung des Proletariats. Berufsständische Gliederung, 3.Aufl., Frankfurt a.M. 1932 Spann, Othmar: Der Wahre Staat. Vorlesungen über Abbruch und Neubau der Gesellschaft gehalten 1920 in Wien, 2.Aufl., Leipzig 1923 Spann, Othmar (Hg.): Ständisches Leben. Blätter für organische Gesellschafts- und Wirtschaftslehre, Berlin/Wien 1931-1936 128

Spann, Othmar: Gesellschaftslehre, Leipzig 1923 Spann, Othmar: Kategorienlehre, Jena 1924 Spann, Othmar: Hauptpunkte der universalistischen Staatsauffassung, Bücherei des Ständestaats, Wien-Berlin 1931 Tatarin-Tarnheyden, Edgar: Die Berufsstände. Ihre Stellung im Staatsrecht und die deutsche Wirtschaftsverfassung, Berlin 1922 Tatarin-Tarnheyden, Edgar: Berufsverbände und Wirtschaftsdemokratie : ein Kommentar zu Artikel 165 der Reichsverfassung, Berlin 1930 Velden, Josef van der (Hrsg.): Die berufsständische Ordnung. Idee und praktische Möglichkeiten, Köln 1932 Velden, Josef van der: (Hrsg.): Wirtschaft und Sozialpolitik in der berufsständischen Ordnung, Köln 1933 Weippert, Georg: Das Prinzip der Hierarchie, Hamburg 1932 Weippert, Georg: Umriß der neuen Volksordnung, Hamburg 1933 Werk und Beruf. Monatsschrift für den berufsständischen Gedanken, Berlin 1929-1933 Wundt, Max: Staatsphilosophie, München 1923 Wundt, Max: Die Zukunft des deutschen Staates, Langensalza 1925

6.2 Abhandlungen zu Teilfragen einer neuen ständestaatlichen Ordnung sowie unvollständige Ständestaatskonzepte aus dem Zeitraum von 1918 bis 1933 Brewe, Hermann: Hinaus aus dem Finanzelend. Das Problem der berufsständischen Verfassung und Vertretung in seiner Bedeutung für die nationale und wirtschaftliche Not, Dresden 1931 Brückmann, Heinrich: Die Kammer der Arbeit und das Rätesystem, Berlin 1919 Bugelnig, Philipp: Der Ständestaat. Ein Organisationsplan, Klagenfurt 1933 Dassel, Reinald: Gegen Parteienstaat, für Ständestaat, Klagenfurt 1929 Frauendorfer, Max: Der ständische Gedanke im Nationalsozialismus, München 1932 Gessner, Oskar: Der berufsständische Gedanke für Staat, Gesellschaft und Wirtschaft., Berlin 1932

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Görnandt, Rudolf: Die Metallwaren-Industrie im Rahmen einer ständischen Verfassung, Berlin 1932 Görnandt, Rudolf: Die berufsständische Verfassung der deutschen Wirtschaft. Berlin 1933 Habermann, Max: Stand und Staat. Eine Rede an die junge Mannschaft des D.H.V., Hamburg 1931 Karpeles, Benno: Klassenkampf, Faschismus und Ständeparlament, Olten-Berlin 1933 Krannhals, Paul: Das organische Weltbild. Grundlagen einer neuentstehenden deutschen Kultur, 2 Bände, München 1928 Kupsch, Walther: Gegenwartsfragen und Werksgemeinschaftsidee, Berlin 1926 Kupsch, Walther: Der Kampf um die Werksgemeinschaft, Berlin 1928 Lammert, Clemens: Autarkie, Planwirtschaft und berufsständischer Staat?, Berlin 1932 Latrille, Ernst: Der berufsständische und der Rätegedanke in ihrer Beziehung zur modernen Staatsidee, Berlin 1926 Leibrock, Otto: Arbeitsgemeinschaft, Leipzig 1920 Lübbering, Heinrich: Berufsständische Gemeinschaftsarbeit im rheinisch-westfälischen Handwerk, M.-Gladbach 1919 Lübbering, Heinrich: Selbstverwaltung des Handwerks im Volksstaat, M.-Gladbach 1920 Lütz, Peter: Der Ständestaat und die berufsständische Vertretung, Berlin 1933 Meusch, Hans(Hrsg.): Berufsstandsgedanke und Berufsstandspolitik des Handwerks,. Hannover 1931 Moellendorff, Wichard: Konservativer Sozialismus, Hamburg 1932 Oppeln-Bronikowski, Friedrich von: Reichswirtschaftsrat und berufsständischer Gedanke, Berlin 1920 Otto, Hans: Die berufsständische Ordnung und das Handwerk im. Rahmen seiner Bestrebungen zur Sicherung seines Standes, Mayen 1932 Potthoff, Heinz: Rätesystem und Berufsparlament, München 1920 Retzbach, Anton: Die Erneuerung der gesellschaftlichen Ordnung nach der Enzyklika Quadragesimo Anno, Freiburg im Prenzlau 1932 Römer, Josef: Der Gedanke der Berufsständischen Vertretung und der Reichswirtschaftsrat, Würzburg 1922 130

Schneider, Fritz: Berufsständische Selbstverwaltung. Flugschriften zur Schaffung sozialen Rechts, Stuttgart 1920 Schrecker, Paul: Für ein Ständehaus, Berlin 1919 Schürholz, Franz: Entwicklungstendenzen im deutschen Wirtschaftsleben zu berufsständischer Organisation und ihre soziale Bedeutung, M.-Gladbach 1922 Sodenstern, Hans von: Die Stände im künftigen Staat, Berlin 1930 Stadtler, Eduard: Werksgemeinschaft als soziologisches Problem, Berlin 1926 Stand und Staat: Stimmen der Jungmannschaft im DHV, Hamburg 1932/1933 Teschemacher, Hermann: Der Berufsstand im Lichte der Staatslehre und die Rechtstellung der berufsständischen Organisation im Rahmen des Artikels 165 Reichsverfassung, München, Berlin und Leipzig, 1933 Tiede, Heinrich Maria: Vom Klassenstaat zum Ständestaat, Berlin-Leipzig, 1933 Treuner, Gustav: Gesetz betreffend Werksgemeinschaft und Selbstverwaltung in der Wirtschaft, München 1929 Vogel, Emanuel: Grundzüge einer sozial-organischen Privatwirtschaftsverfassung. eine Verfassungspolitische Studie zur Frage: Ständischer Wirtschaftsstaat oder sozialorganische Kooperativverfassung, Berlin 1931 Vorwerck, Karl (Hrsg.): Die berufsständische Wirtschafts- und Sozialordnung, Berlin 1933 Vorwerck, Karl/Dunkmann, Karl: Die Werksgemeinschaft in historischer und soziologischer Bedeutung, Berlin 1928 Weltsch, Felix: Organische Demokratie, Leipzig 1918 Wernet, Wilhelm: Das Handwerk in der berufsständischen Wirtschaft, Berlin1932 Wilden, Josef: Die berufsständische Organisation der Wirtschaft. Gedanken eines Pragmatikers, Köln 1932 Zimmermann, Karl: Die ständische Idee in der katholischen Sozialphilosophie, Köln 1928

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6.3 Weiterführende und zeitgenössische Literatur bis 1945 im Kontext der untersuchten deutschen Ständestaatskonzepte von 1918 bis 1933 Ahrens, Heinrich: Die organische Staatslehre auf philosophisch-anthropologischer Grundlage, Wien 1850 Andreae, Wilhelm: Staatssozialismus und Ständestaat. Ihre grundlegenden Ideologien und die jüngste Wirklichkeit in Rußland und Italien, Jena 1931 Andreae, Wilhelm: Kapitalismus, Faschismus, Bolschewismus, Jena 1933 Baxa, Jakob: Einführung in die romantische Staatswissenschaft, Jena 1931 Baxa, Jakob (Hrsg.): Gesellschaft und Staat im Spiegel deutscher Romantik. Die staatsund gesellschaftswissenschaftlichen Schriften deutscher Romantiker, Jena 1924 Beckerath, Erwin von: Wesen und Werden des fascistischen Staates, Berlin 1927 Benzetti, Giuseppe: Der korporative Staat, Leipzig, 1934 Bernhard, Georg: Wirtschaftsparlamente, Wien 1923 Beyer, Justus: Die Ständeideologien der Systemzeit und ihre Überwindung, Darmstadt 1941 Böhler, Eugen: Korporative Wirtschaft. Eine kritische Würdigung. Erlenbach-Zürich und Leipzig 1934 Botzenhart, Erich: Die Staats- und Reformideen des Freiherrn vom Stein. Erster Teil, die geistigen Grundlagen, Tübingen 1927 Bréthe de la Gressaye, Jean: Le syndicalismus. L’organisation professionelle et l’Etat, Paris 1931 Bugelnig, Philipp: Der Ständestaat. Dessen Vorraussetzungen und Verwirklichung, Klagenfurt/Rosenheim 1935 Bülow, Friedrich: Der deutsche Ständestaat. Nationalsozialistische Gemeinschaftspolitik und Wirtschaftsorganisation, Leipzig 1934 Bülow, Friedrich: Ständestaat und berufsständische Ordnung. Ein Kritischer Überblick, in: Blätter für Deutsche Philosophie, 1933, Heft 3/4, S.323ff. Burckhardt, Wolfgang: Gedanken eines Juristen über den Korporationsstaat, Bern 1934 Busse, Gisela: Die Lehre vom Staat als Organismus. Kritische Untersuchungen zur Staatsphilosophie Adam Müllers, Berlin 1928 132

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