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German Pages 779 [780] Year 2008
Die Hessische Passionsspielgmppe Edition i m Paralleldruck Herausgegeben von Johannes Janota
Ergänzungsband 2 Klaus Vogelgsang Kommentar zum >Alsfelder Passionsspieh und zu den zugehörigen kleineren Spielzeugnissen
Klaus Vogelgsang Kommentar zum >Alsfelder Passionsspiel< und zu den zugehörigen kleineren Spielzeugnissen
Max Niemeyer Verlag Tübingen 2008
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds der VG W o r t
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografre; detaillierte bibliografische Daten sind i m Internet über http://diih.ddh.de abrutbar. ISBN 978-3-484-19092-4 €> M a x Niemeyer Verlag, Tübingen 2008 Ein Imprint der "Walter de Gruyter GmbH & Co. KG http://ii'ii'ii'.
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Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen der Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfiltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz: pagina GmbH,Tübingen Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten Buchbinder: Buchbinderei Klotz,Jettingen-Scheppach
Danksagung
Ein volles Jahrzehnt liegt zwischen den Anfangen meiner Beschäftigung mit dem Alsfelder Passionsspiel und dem Erscheinen dieses Buches — ein Jahrzehnt, in dem ich (gar nicht zu sprechen von den anderen Aufgaben dieser Jahre) von der Erarbeitung der Parallelisierung für die Edition dieses Spiels und des Heidelberger Passionsspiels für den zweiten und den dritten Band dieser R e i h e (von 1998 bis 2002, bzw. bis 2004) bis zum Abschluss der Drucklegung des Kommentarbandes von vielen Seiten und auf vielfaltige Weise wertvolle Unterstützung erfahren habe, für die hier zu danken ist: Seine Prägung erhielt das Buch durch den Ort seiner Entstehung, den augsburger Lehrstuhl für Deutsche Sprache und Literatur des Mittelalters unter meinem Doktorvater und dem Dienstherrn meiner ersten Assistentenjahre, Herrn Professor Johannes Janota, und dessen familia mit Herrn PD Dr. Klaus Wolf und Frau Elfriede Gori. Besonders herzlicher Dank gebührt auch Herrn Professor Hans Wellmann, nicht nur für die sprachwissenschaftliche Begutachtung der Dissertation im Jahr 2004, und Herrn Akad. Direktor i . R . Dr. Helmut Graser, meinem akademischen Mentor von Anfang an, ebenso Herrn Professor Freimut Löser, der seit seiner Übernahme des Lehrstuhls im Jahr 2003 mich zunächst als seinen Assistenten und dann als seinen Akademischen R a t mit alles andere als selbstverständlicher Großzügigkeit und Freundlichkeit für Arbeiten an diesem Buch freigestellt hat, wann immer es nötig wurde. Nicht vergessen sei auch das Team der wissenschaftlichen Hilfskräfte und der Kolleginnen und Kollegen am Lehrstuhl. Viele andere Wissenschaftler und Fachleute nah und fern haben mir mit Auskünften und Einschätzungen geholfen, erwähnen möchte ich neben Herrn Professor Horst Brunner und Herrn Professor Werner Williams und Frau Dr. Ulla Williams nur die Musikologen Professor Karlheinz Schlager und Professor Franz Körndle, die Mittellateiner Professor Fidel Rädle und Professor Konrad Vollmann, die Theologen Professor Bernd Oberdorfer, Professor Herbert Immenkötter und Professor Philipp Kurt Küppers, für die Praxis des Theaters Herrn Schauspieldirektor und Intendanten Holger Schulze und Frau Dramaturgin Sonja Zirkler (zurzeit in Osnabrück), für das Hebräische Herrn Dr. Dirk Kinet, sowie aus meiner Generation die Mitpromovenden Dr. Tobias Kemper (Bonn), Dr. Dorothea Freise (Göttingen) und Dr. Oliver Ernst (Augsburg). Auch die Universitätsbibliothek Augs-
VI
Danksagung
burg hat mich sehr großzügig unterstützt — zu nennen sind vor allem Herr Dr. Günter Hagele, Herr Dr. Gerhard Stumpf und Herr Felix Lukas. Für die Drucklegung des Buches ist der V G - W o r t zu danken und natürlich dem Niemeyer-Verlag mit seiner Cheflektorin Frau Birgitta Zeller und Frau Susanne Mang, die die Herstellung des Buches in großer Umsicht und mit aufmunternder Freundlichkeit geleitet hat. Der größte Dank freilich gebührt meiner Familie, an erster Stelle meiner lieben Frau Barbara.
Inhaltsverzeichnis
Α. Gesamteinleitung
1
Β. Einleitung zum Alsfelder Passionsspiel, zu den anderen alsfelder Spieltexten und zur Friedberger Dirigierrolle sowie zum Fritzlarer Passionsspielfragment I. Städtischer Kontext, Spielzeugnisse und Spielträgerschaft . II. Uberlieferungsträger 1. Friedberger Dirigierrolle 2. Alsfelder Passionsspiel 3. Alsfelder Dirigierrolle 4. Alsfelder Barabbasrolle und Alsfelder Johannesrolle . . . . 5. Alsfelder Luziferrolle 6. Alsfelder Kaufmannsrolle und Alsfelder Synagogamlle . . . 7. Alsfelder Spielerverzeichnis 8. Weitere Uberlieferungsträger III. Bühne IV. Sprachliche Erläuterungen Zum Deutsch von AP Zum Latein der Regietexte von AP
9 9 15 15 17 32 34 35 35 36 37 37 39 39 45
C. Szenenkommentar
51
Vorbemerkung
51
Erster Tag
55
1. Spieleröffnung (V. 1-132) Zu den S i l e t e - R u f e n 2. Beratung der Teufel gegen Jesus (V. 133—463) Überblick über die Gruppe der diaboli 3. Auftreten Johannes des Täufers (V. 463a-490) 4. Taufe Jesu (V. 491-535) Überblick über den chorus 5. Ermahnung des Herodes durch Johannes den Täufer (AP Szene 5: V. 536-619) 6. Beratung der Teufel gegen Johannes den Täufer (V. 620-697)
55 65 67 92 97 110 114 116 121
Vili
Inhaltsverzeichnis
7. 8. 9. 10. 11.
Satan und Herodias (V. 698-729) Gefangennahme Johannes des Täufers (V. 730—831) . . Anfrage Johannes des Täufers bei Jesus (V. 832-877) . Gastmahl des Herodes (V. 878-1039) Aufnahme der Herodias und ihrer Tochter in die Hölle (AP Szene 11: V. 1040-1137) 12. Versuchung Jesu (V. 1138-1197) Uberblick über die angeli 13. Berufung der Apostel (V. 1198-1252) 14. Selbstvorstellung des Herodes (V. 1253-1274) 15. Selbstvorstellung des Pilatus (V. 1275-1288) 16. Jesus will nach Jerusalem ziehen (1: V. 1289—1306) . . Uberblick über die Gruppe der Iudei 17. Jesus und die Samariterin (V. 1307-1412) 18. Heilung des Blindgeborenen (V. 1413-1647) 19. Heilung der Tochter der kananäischen Frau (V. 1648-1721) 20. Auseinandersetzung zwischen Jesus und den Juden: Vorwurf der Besessenheit und Androhung der Steinigung (V. 1722-1769) 21. Weltleben der Maria Magdalena (V. 1770-1937) . . . . 22. Predigten Jesu (V. 1938-1993) 23. Bekehrung der Maria Magdalena (V. 1994-2058) . . . . 24. Heilung des Sohns eines königlichen Beamten (V. 2059-2118) 25. Auferweckung des Lazarus (V. 2119-2332) 26. Beratung der Juden (1: V. 2333-2400) 27. Jesus will nach Jerusalem ziehen (2: V. 2401—2424) . . 28. Beratung der Juden (2: V. 2425-2481) 29. Einzug in Jerusalem (1: V. 2482-2531) 30. Beratung der Juden (3: V. 2532-2583) 31. Einzug m Jerusalem (2: V. 2584-2655) 32. Tempelreinigung (V. 2656-2677) 33. Jesus und die Ehebrecherin (V. 2678-2723) 34. Gastmahl des Simon Leprosus (1: V. 2724-2742) . . . . 35. Salbung Jesu durch Maria Magdalena (V. 2743-2905) . 36. Gastmahl des Simon Leprosus (2: V. 2906-2909) . . . . AD: 37. Tempus und Mors (465-466) 37. Abschluss des ersten Spieltages (V. 2910-2929)
. .
.
126 128 133 137 149 154 162 165 173 176 177 181 186 192 205
210 213 227 233
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238 244 261 265 267 271 277 280 285 290 292 296 309 309 310
Inhaltsverzeichnis
Z w e i t e r Tag 38. E r ö f f n u n g des zweiten Spieltages (V. 2930-3013) . . . . 39. Abendmahl: Vorbereitung (V. 3014-3067) 40. Abendmahl: Jesu Leib u n d Blut (1: V. 3068-3077) . . . 41. F u ß w a s c h u n g (V. 3078-3087) 42. Abendmahl: Jesu Leib u n d Blut (2: V. 3088-3095) . . . 43. Vorhersage des Verrats (V. 3096-3149) 44. Verrat des Judas (V. 3150-3237) 45. Ostermahl der J u d e n (V. 3238-3273) 46. Vorhersage der Verleugnung des Petrus (V. 3274-3297) . 47. Das neue G e b o t (V. 3298-3305) 48. Gebet auf d e m Ö l b e r g (1: V. 3306-3349) 49. G e f a n g e n n a h m e Jesu (1: V. 3350-3355) 50. Gebet auf d e m Ö l b e r g (2: V. 3356-3369) 51. G e f a n g e n n a h m e Jesu (2: V. 3370-3393) 52. V e r w u n d u n g u n d H e i l u n g des Malchus (V. 3394-3411) . 53. G e f a n g e n n a h m e Jesu (3: V. 3412-3425) 54. Gang der J u d e n , des Petrus u n d Johannes z u m Haus des Annas (V. 3426-3445) 55. Jesus vor Annas (1: V. 3446-3513) Quellenlage und -Verarbeitung: Prozess vor Annas/vor Kayphas 56. Verleugnung des Petrus (1: V. 3514-3529) 57. Jesus vor Annas (2: V. 3530-3535)
IX
313 313 317 326 328 329 331 339 345 348 351 352 362 363 364 368 371 372 374 382 384 388
58. Jesus vor Kayphas (1: V. 3536-3581)
388
59. Verleugnung des Petrus (2: V. 3582-3601)
392
60. Jesus vor Kayphas (2: V. 3602-3605)
394
61. R e u e u n d E n d e des Judas (V. 3606-3669)
395
62. Jesus vor Kayphas (3: V. 3670-3679)
399
63. Jesus vor Pilatus (1: V. 3680-3717)
400
Quellenlage und -Verarbeitung: Prozess vor Pilatus 64. D i e zwölf Standartenträger (V. 3718-3983)
408 416
65. Jesus vor Pilatus (2: V. 3984-4023)
429
66. Jesus vor Herodes (V. 4024-4149)
432
67. Aussöhnung des Pilatus u n d des Herodes (V. 4150—4167)
438
68. Jesus vor Pilatus (3: V. 4168-4241)
439
69. Geißelung (V. 4242-4279)
444
70. D o r n e n k r ö n u n g (1: V. 4280-4313)
447
71. Jesus vor Pilatus (4: V. 4314-4417) 72. Traum der Frau des Pilatus (V. 4418-4465)
449 455
χ
Inhaltsverzeichnis
73. Jesus vor Pilatus (5: V. 4466-4479) 74. Disputation zwischen Ecclesia und Synagoga (V. 4480-5263) AD 76. Tempus und Mors (884-887) Dritter Tag 75. Dornenkrönung (2: V. 5264-5297) 76. Jesus auf dem Weg nach Golgatha (1: V. 5298-5319) 77. Marienklage (1: V. 5320-5339) Uberblick über die Figur Maria in AP 78. Jesus auf dem Weg nach Golgatha (2: V. 5340-5349) 79. Marienklage (2: V. 5350-5375) 80. Jesus auf dem Weg nach Golgatha (3: V. 5376-5381) 81. Jesus und Simon von Cyrene (V. 5382-5419) 82. Pilatus und die beiden Schacher (V. 5420-5437) . . 83. Jesus und Veronika (V. 5438-5495) 84. Jesus auf dem Weg nach Golgatha (4: V. 5496-5519) 85. Jesus und die Töchter von Jerusalem (V. 5520-5559) 86. Jesus auf dem Weg nach Golgatha (5: V. 5560-5565) 87. Kreuzigung (V. 5566-5669) 88. Kreuzigung der beiden Schacher (V. 5670-5679) . 89. Teilung der Gewänder (V. 5680-5723) 90. Inschrift am Kreuz (V. 5724-5755) 91. Kreuzesworte (1: V. 5756-5759) Übersicht über die Kreuzesworte 92. Verspottung des Gekreuzigten (1: V. 5760-5771) . 93. Die beiden Schacher am Kreuz (V. 5772-5789) . . 94. Verspottung des Gekreuzigten (2: V. 5790-5803) . 95. Bekenntnis und Mahnung der Engel (V. 5804-5807) 96. Marias Suche nach Johannes (V. 5808-5847) 97. Marienklage (3: V. 5848-6107) 98. Kreuzesworte (2: V. 6108-6121) 99. Marienklage (4: V. 6122-6159) 100. Kreuzesworte (3: V. 6160-6171) 101. Marienklage (5: 6172-6196) 102. Kreuzesworte (4: V. 6197-6200) 103. Marienklage (6: V. 6201-6216) 104. Kreuzesworte (5: V. 6217-6218) 105. Marienklage (7: V. 6219-6233)
458 459 485
. .
. . . . . . . . . . . . . .
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487 487 495 500 501 505 506 507 508 510 511 514 516 518 529 535 536 539 541 542 544 545 547 548 549 551 563 565 567 568 570 571 572 573
Inhaltsverzeichnis
106. Kreuzesworte (6: V. 6234-6273) 107. Satan und Engel im Streit um die Seele Jesu (V. 6274-6319) 108. Klage des Mondes und der Sterne über den Tod Jesu (V. 6320-6351) 109. Beinbrechung (V. 6352-6359) 110. Heilung des Longmus (V. 6360-6395) 111. Marienklage (8: V. 6396-6463) 112. Zeugnis des Centurio (V. 6464-6474) 113. Marienklage (9: V. 6475-6504) 114. Vergewisserung des Todes Jesu durch die Juden (V. 6505-6522) 115. Joseph von Arimathäa und der Centurio vor Maria am Kreuz (V. 6523-6540) 116. Joseph von Arimathäa und der Centurio vor Pilatus (V. 6541-6594) 117. Begegnung des Nikodemus und des Joseph von Arimathäa (V. 6595-6620) 118. Aufnahme des rechten Schachers in den Himmel (V. 6621-6640) 119. Aufnahme des linken Schächers in die Hölle (V. 6641-6656) 120. Abnahme Jesu vom Kreuz (V. 6657-6702) 121. Pietà (V. 6703-6792) 122. Grablegung Jesu (nach V. 6792) 123. Marienklage (10: V. 6793-6838) 124. Bestellung der Grabwache (V. 6839-7026) 125. Auferstehung (V. 7027-7076) 126. Höllenfahrt Christi (V. 7077-7298) 127. Die Juden und die schlafenden Grabwächter (V. 7299-7360) 128. Die Juden und die Grabwächter vor Pilatus (V. 7361-7482) 129. Salbenkauf (V. 7483-7631) 130. Die Frauen am Grab (V. 7632-7665) 131. Auferstehungsbotschaft der Frauen an die Apostel (V. 7666-7679) 132. Gang des Petrus und des Johannes mit den Frauen zum Grab (V. 7680-7689)
XI 574 579 582 584 585 588 591 592 595 596 597 599 601 603 604 606 609 610 612 625 631 644 646 652 660 665 666
XII
Inhaltsverzeichnis
133. Auferstehungsbotschaft des Petrus und der Zweifel des Thomas (V. 7690-7705) 134. Erscheinung Christi vor Maria (V. 7706-7723) . . . . 135. Erscheinung Christi vor Petrus (V. 7724—7735) . . . . 136. Erscheinung Christi vor Maria Magdalena (V. 7736-7763) 137. Auferstehungsbotschaft der Maria Magdalena an die Apostel (V. 7764-7785) 138. Erscheinung Christi vor Thomas und den anderen Aposteln (V. 7786-7865) 139. Himmelfahrt Christi (V. 7866-7937) 140. Ausgießung der Heiligen Geistes (V. 7938-7997) . . . A D 141 Tempus und Mors (1403-1404) 141. Aussendung der Apostel (V. 7998-8059) 142. Abschluß des Spieles (V. 8060-8095)
667 668 670 672 675 677 683 687 691 691 696
Prozessionsordnung (APPo) und Alsfelder Spielerverzeichnis (ASp)
698
D. Ergebnisse und weiterführende Fragen
707
Anhang
711
1. Verzeichnis der frequenten Formen: deutsch 2. Verzeichnis der frequenten Formen: lateinisch 3. Verzeichnis der Personennamen und Figurenbezeichnungen
713 715 717
Abkürzungen, Siglen und Symbole
726
Literaturverzeichnis
727
Register 1. Bibel und Apokryphen 2. Liturgische Gesänge und geistliche Lieder 3. Szenenparallelen innerhalb der Hessischen Passionsspielgruppe 4. T h e m e n des Spiels und der Kommentierung; Szenische Elemente (Figuren, Bühne, Ausstattung, Handlungen) . .
743 743 747 748 754
Α. Gesamteinleitung
Das Alsfelder Passionsspiel zeigt innerhalb der Hessischen Passionsspielgruppe die umfangreichste Textausfaltung. Dieses Spiel (= AP; um 1500, Zusätze bis 1517) 1 stellt der zweite Band der von Johannes J A N O T A veranstalteten Ausgabe der Hessischen Passionsspielgruppe2 in den Mittelpunkt. Dabei wird das Spiel - wie im ersten Band 3 das Frankfurter Passionsspiel ( = FP; Handschrift von 1493) 4 mitsamt dem Frankfurter Osterspielfragment, (= FOf) 5 und dem Fritzlarer Passionsspielfragment, ( = FrPf) 5 — nicht für sich allein stehend präsentiert, sondern durch die innovative Darstellungsweise eines speziellen Paralleldrucks7 in seinen Beziehungen zu den anderen Texten der Passionsspielgruppe8 dokumentiert. Deren gemeinsamer Ausgangspunkt ist die Frankfurter Dirigierrolle (= FD; Handschrift erste Hälfte des 14. Jahrhunderts)9 - im ersten Band textgenetisch ediert und, gleichsam als organische Uberleitung, zu Beginn des zweiten Bandes in den Kontext der Parallelen gestellt. Während so der ersten Band, von Klaus W O L F materialreich kommentiert, 10 die in der Stadt Frankfurt verharrende Traditionslinie in ihrem Anfangs- und Endpunkt sichtbar macht und der dritte Band mit dem (ur1
Vgl. LINKE: Alsfelder Passionsspiel. In: 2 VL, 1, 1978, Sp. 2 6 3 - 2 6 7 . - NHUMANN: Alsfelder Passionsspiel. In: KILLY: Literatur Lexikon. 1, 1988, S. 1 0 9 - 1 1 0 . - Vgl. BERGMANN: Katalog, N r . 7 0 : S. 1 6 9 - 1 7 3 .
JANOTA: Hessische Passionsspielgruppe. 3 Bände 1 9 9 6 - 2 0 0 4 . Band 2: Alsfelder Passionsspiel. 2002. JJANOTA: Hessische Passionsspielgruppe. Band 1: Frankfurter Dirigierrolle, Frankfurter Passionsspiel. 1996. 2
4
Vgl. LINKI;: Frankfurter
Passionsspiel.
In 2 V L , 2 , 1 9 8 0 , Sp. 8 1 2 - 8 1 7 . - Vgl. NAUMANN:
Frankfurter Passionsspiel. In: KILLY: Literatur Lexikon. 3, 1989, S. 497. - Vgl. BERGMANN: Katalog, N r . 4 2 : S. 1 1 0 - 1 1 3 .
3
Ausgabe: LOMNITZER: Textfund. - Vgl. BERGMANN: Katalog, Nr. 43a: S. 116.
6
Vgl. LINKE: Fritzlarer
Passionsspielfragment.
In: 2 V L , 2, 1 9 8 0 , Sp. 9 7 2 . - Vgl. BERGMANN:
8
Katalog, Nr. 53: S. 131f. Vgl. JANOTAS Einleitung zur Gesamtausgabe. Band 1, S. V I I - X I I I bzw. Band 2, S. V I I XIII. An miteinander eng verwandten Passionsspielen kennt man neben der Hessischen besonders die Tiroler Gruppe. Für das geistliche Spiel insgesamt und speziell die Passionsspiele in ihrer zeitlich-räumliche Verteilung vgl. BERGMANN: Spiele, Mittelalterliche geistliche. In: 2 R L , 4, 1984, S. 6 4 - 1 0 0 , speziell S. 7 8 - 8 4 .
9
Vgl. LINKI,: Frankfurter
7
Dirigierrolle.
In:
2
V L , 2 , 1 9 8 0 , Sp. 8 0 8 - 8 1 2 . - Vgl. NEUMANN:
Frankfurter Dirigiert-olle. In: ΚΙΙ,Ι,Υ: Literatur Lexikon. 3, 1989, S. 4 8 0 - 4 9 7 . - Vgl.
BERGMANN: Katalog, N r . 4 3 : S. 1 1 3 - 1 1 6 . 10
WOIT: Kommentar zur Frankfurter Dirigierrolle und zum Frankfurter Passionsspiel, bingen 2002 (Hessische Passionsspielgruppe. Ergänzungsband 1).
Tü-
2
Α. Gesamteinleitung
sprünglich w o h l n a c h M a i n z zu lokalisierenden)
Heidelberger
Passionsspiel
( = H P ; H a n d s c h r i f t v o n 1 5 1 4 ) " e i n e g a n z s p e z i f i s c h e A u s f o r m u n g des d r a m a t i s c h e n Materials zeigt, verfolgt der z w e i t e B a n d einen Traditionszweig, der, w e i t e r e s M a t e r i a l i n s i c h a u f n e h m e n d , 1 2 m i t d e r Friedberger
Dirigierrolle
( = F d D , n u r i n e i n z e l n e n P a s s a g e n r e k o n s t r u i e r b a r ) ' n o r d w ä r t s i n die W e t 1
t e r a u f ü h r t u n d m i t d e m alsfelder S p i e l i n O b e r h e s s e n e n d e t . D i e s e b e i d e n aus F r a n k f u r t a b z w e i g e n d e n T r a d i t i o n e n v e r b i n d e t u n t e r e i n a n d e r m i t j e d o c h e i n i g e s M a t e r i a l , das n i c h t d u r c h d e n A u s g a n g s p u n k t F D
FP
abgedeckt
ist. Z u p o s t u l i e r e n ist d a h e r e i n e a u f F D a u f b a u e n d e f r a n k f u r t e r W e i t e r e n t w i c k l u n g * F P , die s o w o h l F P als a u c h H P u n d F d D / A P z u g r u n d e l i e g t . 1 4 D i e friedberg-alsfelder Spieltradition13 n i m m t gegenüber
den
anderen
r h e i n h e s s i s c h e n P a s s i o n e n d a d u r c h e i n e S o n d e r s t e l l u n g e i n , dass sie n i c h t i n 11
Die Edition des Heidelberger Passionsspiels mit den Paralleltexten ist Gegenstand des dritten Bandes: JANOTA: Hessische Passionsspielgruppe. Band 3: Heidelberger Passionsspiel. 2004. - Für grundlegende Information vgl. LINKE: Heidelberger (rheinhessisches) Passionsspiel. In: 2 VL, 3, 1981, Sp. 6 0 6 - 6 1 0 und NHUMANN: Heidelberger Passionsspiel. In: ΚΙΙ,Ι,Υ: Literatur Lexikon. 5, 1990, S. 116f. sowie BERGMANN: Katalog, N r . 6 2 : S. 1 4 8 - 1 5 1 .
12
Schon VILMAR, der 1843 den Fund von AP anzeigte (Das Alsfelder Passionsspiel. In: Zeitschrift für deutsches Altertum, 3, 1843, S. 4 7 7 - 5 1 8 ) , erkannte die weitgehende Übereinstimmung mit der Trierer Marienklage (= T M k ) . Diese ist in den betreffenden Szenen des Editionsbandes zu AP parallelisiert. — Ausgabe: HI.NNIG/TRAUB: Trierer Marienklage und Osterspiel. - Für grundlegende Information vgl. MÜI.I.ER: Trierer Marienklage. In: 2 VL, 9, 1 9 9 5 , Sp. 1 0 5 0 - 1 0 5 2 und N H U M A N N : Trierer Osterspiel und Marienklage. In: ΚΙΙ,Ι,Υ: Literatur Lexikon. 11, 1991, S. 4 1 7 - 4 1 8 sowie BERGMANN: Katalog, Nr. 158: S. 3 4 5 - 3 4 7 . - Uber die allegorische Figuren Mors und Tempus besteht eine Verbindung zum Marburger Weltgerichtsspiel (= MaWgSp, bisher unediert, Teiledition bei WOLF: Kommentar, S. 5 6 4 - 5 6 7 . Für grundlegende Information vgl. LOMNIT/ER: Marburger Weltgerichtsspiel. In: 2 VL, 5, 1985, Sp. 1229f. und BERGMANN: Katalog, Nr. 110: S. 248f.). - Von der älteren Forschung wurden divergierend zahlreiche direkten und indirekten Abhängigkeiten von weiteren Spielen, insbesondere der Tiroler Passionsspielgruppe, und sogar von französischen mystères behauptet (vgl. noch in der Erstauflage des Verfasserlexikons: A. DÖRRER: Alsfelder Passionsspiel. In: 'VL, 3, 1943, Sp. 7 1 2 - 7 2 6 ) , doch konnte letztlich keine der auf isolierten Parallelen beruhenden Annahmen überzeugend gemacht werden.
13
Neue Rekonstruktion von JANOTA im Editionsband zu AP, S. 1 3 1 - 1 4 7 . - Für grundlegende Information vgl. LINKI,: Friedberger Dirigierrolle. In: 2 VL, 2, 1980, Sp. 924—926 und NAUMANN: Friedberger Dirigierrolle. In: ΚΙΙ,Ι,Υ: Literatur Lexikon. 4, 1989, S. 13f. sowie BI.RGMANN: Katalog, Nr. 52: S. 1 2 9 - 1 3 1 . Eine »Umarbeitung [...] mit ziemlich beträchtlichen Abweichungen von dem alten Spiele« als Grundlage für FP, HP und AP postuliert bereits 1891 FRONINC: Drama, S. 334f. - Die Bezeichnung * F P wurde eingeführt von WOEE: Kommentar, S. 2, Anm. 4. Die Alsfelder Perspektive legt dabei nahe, * F P nicht als feste Fassung anzusetzen, sondern einen mehrstufigen Uinarbeitungsprozess zu postulieren. Näheres dazu im Szenenkommentar. Das Passionsspiel ist in Friedberg und Alsfeld wie auch in anderen Städten des hessischen Raums nicht die einzig gepflegte Forni des geistlichen Spiels, vgl. die Angaben bei NEUMANN: Zeugnis der Zeit. Zu nennen ist hier besonders das Hessische Weih-
14
lD
Α. G e s a m t e i n l e i t u n g
3
einer einzelnen Handschrift, sondern in einem ganzen Ensemble v o n Ü b e r lieferungsträgern vorliegt: U m die Spielhandschrift mit d e m eigentlichen Text des Alsfelder Passionsspiels (= AP) samt einer Prozessionsordnung (APPo) u n d einem Bühnenplan gruppieren sich, in j e unterschiedlichem Verhältnis zu AP, die Alsfelder Dirigierrolle (= AD), 1 6 die Einzelrollen 1 7 des L u zifer (Alsfelder Luziferrolle = ALr), 18 des Johannes Baptista (Alsfelder Johannesrolle = AJr), 19 des R ä u b e r s Barabbas (Alsfelder Barabbasrolle = ABr) sowie — zusammenhängend - des Salbenkrämers u n d des jüdischen Anführers Synagoga (Alsfelder Kaufmannsrolle = AKi/Alsfelder Synagogarolle = ASr), 20 w e i terhin das leider n u r schlecht erhaltene Alsfelder Spielerverzeichnis (= ASp) . 21 D a m i t gewinnt der Text in zweifacher Hinsicht an Kontur: z u m einen als Zeugnis eines praktischen theatralen Geschehens mit unterschiedlichen Aufgaben u n d Verantwortlichkeiten, d e m Prozess der Besetzung, Einstudierung u n d A u f f ü h r u n g oder der Vorbereitung der Spielfläche, z u m anderen als D o k u m e n t besonders intensiver Arbeit an der Fassung des Spieltextes, die in den unterschiedlichen A u s f o r m u n g e n der Spielzeugnisse u n d in den Zusätzen u n d Einträgen in den ursprünglichen Text der Spielhandschrift plastisch zu Tage tritt. M i t diesem Informationsreichtum übertrifft das Alsfelder Textensemble alle anderen Spieltextaufzeichnungen der H e s sischen Passionsspielgruppe. Bemerkenswert ist auch, dass A P i m 20. J a h r h u n d e r t eine zwar ü b e r schaubare u n d punktuelle, d o c h f ü r den Bereich des mittelalterlichen Spiels außerhalb des akademischen Bereichs beispiellose R e z e p t i o n erfahren hat. 22
16
nachtsspiel (= H e W ) , das von R E I N H O L D (Über Sprache und Heimat des Hessischen Weihnachtsspiels, Diss. Marburg 1909.) nach Friedberg lokalisiert u n d - spekulativ sogar in personellen Z u s a m m e n h a n g mit AP gestellt wird. I m Editionsband zu A P S. 1 4 9 — 1 9 0 . — Für grundlegende Information vgl. L I N K E : Alsfelder
Dirigierrolle.
In:
2
V L , 1, 1 9 7 8 , S p . 2 6 2 u n d BERGMANN: K a t a l o g , N r . 7 : S . 4 5 f .
17
I m Editionsband zu A P S. 191-198.
18
V g l . BERGMANN: K a t a l o g , N r . 8: S. 4 6 f .
19
V g l . BERGMANN: K a t a l o g , N r . 4 : S. 4 1 f .
20
V g l . BERGMANN: K a t a l o g , N r . 5: S. 4 2 f .
21
I m Editionsband zu A P S. 199-205. - Vgl. BERGMANN: Katalog, N r . 6: S. 43f. Das Spiel w u r d e aus lokalhistorischem Interesse 1914 von Ernst F R E U N D I . I E B (Alsfelder Passionsspiel. Aus dem Mitteldeutschen übertragen von E. F., Alsfeld 1920) übersetzt u n d dann auf dieser Basis in w o h l stärker religiöser Intention f ü r das Amateurtheater bearbeitet durch R u d o l f MIRBT: Das Alsfelder Passionsspiel, M ü n c h e n 1928 (= M ü n chener Laienspiele. 38). Ebenfalls von F R E U N D L I E B S Übertragung angeregt beschäftigte sich der Frankfurter Schauspieler u n d Regisseur Alwin Michael R U E L E E R mit AP, begriff die dramatische Wiederbelegung des Textes als theatrale Herausforderung und schuf unter M i t w i r k u n g von R u d o l f H A G E L S T A N G E ein Marionettenspiel, das unter seiner R e g i e v o m Steinauer Marionettentheater (Leitung: Karl MAGERSUPEE) f ü r das Fernsehen des Hessischen R u n d f u n k s produziert wurde (Ausstrahlung zu Karfreitag [8. April] 1977, Text dokumentiert in: RUEEEER: Die Alsfelder Passion 1517. Ein
22
4
Α. Gesamteinleitung
Wenn zur Begründung für dieses späte Nachleben nicht ausschließlich Zufälligkeiten in Anspruch genommen werden sollen, dann ist wohl vor allem an den spannungsreichen Charakter des Spiels zu denken, der sich zwei eigentlich einander entgegengesetzten, im Effekt aber einander nur umso stärker profilierenden generellen Tendenzen verdankt, nach der die friedberg-alsfelder Redaktoren das alte frankfurter Material bearbeitet haben: Dies ist einerseits eine auf Veranschaulichung bedachte Drastik, Publikumsnähe und Detailfreude, am deutlichsten sichtbar in den Teufelsszenen, andererseits eine das Spiel religiös überhöhende sakrale Feierlichkeit in der Einfügung zahlreicher liturgischer Gesänge. Der hier vorliegende Kommentar ist als Ergänzungsband zur neuen Edition von AP und den übrigen friedberg-alsfelder Spielzeugnissen konzipiert, Band 2 ist daher sein primärer Bezugspunkt innerhalb der in ihren drei Hauptbänden mittlerweile vollständig vorliegenden Reihe. Doch korrespondiert der AP-Kommentar auch mit dem von Klaus W O L F verfassten Ergänzungsband 1, der FD und FP kommentiert. An dessen für die Verhältnisse von Frankfurt entwickelten inhaltlichen und strukturellen Vorgaben hat sich auch Ergänzungsband 2 zu halten, um die Einheitlichkeit der R e i h e im Blick auf vergleichende Benutzung zu wahren. Jedoch sind die Kommentare unabhängig voneinander konsultierbar, was bedingt, dass Dopplungen nicht unterdrückt werden, zumal auf diesem Hintergrund die teils subtil retuschierenden, teils ganze Szenenreihen umfassenden Abweichungen von der frankfurter Tradition besonders deutlich werden. Uberschneidungen mit dem FD/FP-Kommentar ergeben sich besonders für die Bezüge zu Bibel und Liturgie (Punkt 2 der Szenenkommentare), deren Nachweis im Fall von AP ohne den U m w e g über die Forschungsliteratur unmittelbar aus den Quellen erarbeitet ist.23 Marionettenbuch, Königstein i m Taunus 1978.). Eine zweite, auf den Osterteil beschränkte und eher das Nebeneinader von derben Grabwächterszenen und feierlichem Auferstehungsgeschehen nutzende szenische Neubearbeitung des Textes mit Wechsel von Gesangs- und Sprechpartien durch Hans REINHART w u r d e durch den K o m p o nisten Walter BRAUNH.I.S vertont (op. 72: Das Spiel von der Auferstehung des Herrn. Nach dem Alsfelder Passionsspiel von H. R . , 1 9 3 8 - 5 4 ) und 1954 v o m Westdeutschen R u n d f u n k eingespielt (Leitung: Mattias BUNGART, Ursendung 1954, gekürzte W i e derholung 1959, bisher keine szenische Aufführung. Vgl. U t e JUNG: Walter Braunfels [...], Regensburg 1980 [= Studien zur Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts. 58], S. 3 1 7 - 3 3 0 ) . D e m Versuch einer schöpferischen Umgestaltung näher als d e m Bereich philologischer Beschäftigung steht eine bewusst archaisierende Ubersetzung des Spiels ins Englische durch Larry E. WÜST (Lhe Alsfeld Passion Play. Lewiston N . Y . 1997 [— Studies in German Language and Literature. 17]; mit Abdruck des FIIONING'schen Textes). 23
Durch den direkten Blick auf die Evangelien ergeben sich mehrfach A b w e i c h u n g e n gegenüber der prinzipiellen Bevorzugung des Matthäusevangeliunis bei DURIIÌ/: Théologie.
Α. Gesamteinleitung
5
Innerhalb des vorgegebenen R a h m e n s freilich setzt der vorliegende K o m m e n t a r in einigen P u n k t e n auch neue Schwerpunkte, die sich vor allem an der Eigenart des friedberg-alsfelder Materials orientieren:
Sprache In stärkerem M a ß als F D u n d FP bereitet A P in seinem rheinhessischen F r ü h n e u h o c h d e u t s c h u n d d e m Latein seiner Regieanweisungen Verständnisprobleme, denen schon der Erstherausgeber Christian W . M . G R E I N , durch ein der Ausgabe beigegebenes Glossar 24 begegnen wollte. I m K o m mentar, der das Spiel auch f ü r nicht sprachhistorisch Versierte erschließen u n d erforschbar m a c h e n soll, n e h m e n so die sprachlichen Erläuterungen einen zentralen Platz ein. D o c h auch unabhängig v o n diesem wichtigen Gesichtspunkt stellt die sprachliche Gestalt, gerade dieses Spiels, das sich unterschiedlichster Stilebenen v o n verfeinerter höfischer Etikette bis z u m fäkalen Gassenjargon bedient, schon f ü r sich g e n o m m e n einen Wert dar, an d e m eine Philologie nicht v o r ü b e r g e h e n sollte, die an m e h r als an einer u n g e f ä h r e n Informationsorientierung interessiert ist. U n d nicht zuletzt ist die Interpretation auf ein differenziertes Textverständnis angewiesen, das k a u m zu erreichen ist o h n e eine wenigstens versuchsweise Verortung der sprachlichen P h ä n o m e n e i m grammatisch-syntaktischen u n d lexikalischen System.
Szenische E l e m e n t e D e r in der Spielhandschrift enthaltene B ü h n e n p l a n gibt bei aller L ü c k e n haftigkeit doch f ü r die Lektüre der R e g i e a n w e i s u n g e n grundsätzlich ein zuverlässiges Koordinatensystem ab. D i e R e g i e a n w e i s u n g e n ihrerseits b e schreiben die szenischen Vorgänge recht detailliert u n d w e i t g e h e n d systematisch. D a m i t ist f ü r ihre Interpretation eine Basis gelegt, die eine K o n kretisierung in einem h ö h e r e n Grad erlaubt, als ihn die Vorsicht bei einer R e k o n s t r u k t i o n geböte, die vor allem v o n symboltheoretischen Prämissen gesteuert wird. D e r K o m m e n t a r erschließt in diesem Bereich N e u l a n d f ü r die Forschung z u m spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen geistlichen Spiel.
24
Alsfelder Passionsspiel mit W ö r t e r b u c h hg. von Cfhristian] W . M. GRI.IN [...], Cassel 1874, W ö r t e r b u c h : S. 259-423.
6
Α. Gesamteinleitung
Szenenübergreifende K o m m e n t i e r u n g Vorrangiges Strukturprinzip von Ausgabe wie Kommentar ist die Einheit der Szene, wie der Herausgeber sie im Blick auf die Parallelisierungsfähigkeit der Texte auf Grundlage der Angaben im Spiele-Katalog von R o l f B E R G M A N N 2 5 eingeführt hat. Diese Strukturierung kann sich nicht immer direkt am alsfelder, in der Handschrift ohne Abgrenzung von Szenen geschriebenen Text orientieren, da sie stets die Parallelität der rheinfränkischen Spiele insgesamt im Blick halten muss. Für sich betrachtet zeigt das Spiel dagegen oftmals eine Struktur, die größere Einheiten umfasst, Episoden einander kontrastiv gegenüberstellt oder steigernd an einander reiht, parallele Vorgänge verklammert oder ineinander verschränkt. U m diese Komposition nicht mechanisch zu zerreißen, werden immer wieder mehrere Szenen für die Kommentierung bestimmter Aspekte zusammengefasst. Das Grundprinzip jedoch, nach welchem der Benutzer szenenweise auf den Kommentar zugreifen kann, wird dabei nie verletzt, da die einzelnen Szenenkommentare auf etwaige in andere Szenen ausgelagerte Elemente in jedem Fall verweisen. Der Umgang des Kommentars mit den die Spielhandschrift umgebenden kleineren Uberlieferungsträgern bedarf abschließend noch einer Erörterung: Der Editionsband dokumentiert diese Spielzeugnisse zunächst in j e separater Edition mit Einleitung, präsentiert sie dann aber - mit Ausnahme von ASp — auch im Zusammenhang mit AP, indem er sie der Textparallelisierung in Form von Apparaten eingliedert. So hat auch der Kommentar FdD, AD, die Einzelrollen und ASp separat vorzustellen (vgl. S. 15), soweit dies in Ergänzung der (gemessen an der Haupthandschrift) ausführlichen Einleitungen im Editionsband nötig ist. Er spart jedoch nähere Erläuterungen für die jeweils einschlägigen Szenenkommentare auf, wobei ASp im Zusammenhang mit APPo kommentiert wird. Von diesen kleineren Dokumenten nun stellen die beiden Einzelrollen des Johannes (AJr) und des Barabbas (ABr) Auszüge aus AP dar. Die übrigen dagegen stehen in einem komplizierteren Verhältnis zur Spielhandschrift, das sinnvoll nur in einer Zusammenschau mit dieser, wie sie in der szenenweisen Parallelisierung erfolgt, diskutiert werden kann. Dabei kommt auch die innere Schichtung von AP in den Blick, die an den Eintragungen und Blattzusätzen in die Handschrift ablesbar ist (vgl. Ubersicht S. 21). Alle von diesem Prozess der Arbeit an AP zeugenden Dokumente sind jeweils für die Kommentierung heranzuziehen.
2D
BERGMANN: K a t a l o g , S. 1 7 1 - 1 7 2 .
Α. Gesamteinleitung
7
Allerdings stehen die zusätzlichen Z e u g e n z u m Spieltext nicht sämtlich f ü r das gesamte Spiel zur Verfügung. Die Einzelrollen sind o h n e h i n auf die Auftritte der jeweiligen Figur beschränkt, die Dirigierrollen auf R e g i e t e x t e u n d R e d e n a n f ä n g e . A u c h überlieferungsbedingt fallen einige Z e u g e n p h a senweise aus — so fehlt der AlsfelderJohannesrolle (= AJr) der Schluss u n d d e m Alsfelder Spielerverzeichnis (= ASp) hat besonders Mäusefraß erheblich zugesetzt. Ganz anderer Art ist die Schwierigkeit bei der Friedberger Dirigierrolle (= FdD): Diese zentrale G r ö ß e f ü r die Geschichte des Alsfelder Spiels ist, wie bereits erwähnt, überhaupt n u r als R e k o n s t r u k t i o n existent u n d zwar aufgrund v o n Exzerpten, die unter rein sprachwissenschaftlichem Aspekt aus der n u n verschollenen Handschrift gezogen wurden. 2 6 U b e r die hinter FdD stehende Stufe des Spiels lassen sich deshalb zuverlässige Aussagen n u r an solchen Stellen treffen, die im Exzerpt auch tatsächlich vorliegen. Vorsicht geboten ist j e d o c h , w e n n aus d e m Aussetzen der Exzerption darauf geschlossen w e r d e n soll, dass auch F d D die betreffende Passage n o c h nicht enthalten habe. Dieser ungünstigen Bedingungen hat sich eine R e k o n struktion des friedberg-alsfelder Uberarbeitungsprozesses stets bewusst zu sein, will sie nicht in reiner Spekulation enden, sondern, wie es generell Aufgabe des K o m m e n t a r s ist, eine verlässliche Basis f ü r eine inhaltliche Erschließung des Spiels bieten.
26
Vgl. die Einleitung zu FrPf im Editionsband zu AP S. 123-124.
Β. Einleitung zum Alsfelder Passionsspiel, zu den anderen alsfelder Spieltexten u n d zur Friedberger Dirigierrolle s o w i e z u m Fritzlarer
Passionsspielfragment
I. Städtischer Kontext, Spielzeugnisse u n d Spielträgerschaft Friedberg im 15. Jahrhundert charakterisiert die Historikerin Dorothea F R E I S E ' als »Kleinstadt mit besserer Vergangenheit, [...] Z e n t r u m allenfalls für die nächste Umgebung« (S. 95). Nach einer Blüte im 14. Jahrhundert war die ökonomische Situation der reichsfreien Stadt wie auch ihre politische Selbstbehauptung gegenüber der rivalisierenden Reichsburg in allgemeinem Niedergang begriffen: Friedberg verlor durch Wegfall der Messen an wirtschaftlicher Bedeutung und verschuldete sich hoch; mit etwa 1600 Einwohnern am Ende des Jahrhunderts hatte sich die Bevölkerungszahl durch Abwanderung gegenüber dem Ende des 13. Jahrhunderts fast halbiert; politisch vermochte man sich langfristig nicht gegen die Reichsburg zu behaupten, die 1483 faktisch die Herrschaft über die Stadt erlangte. Die im Stadtzentrum ansässige Judengemeinde hatte zwar unbefristetes A u f enthaltsrecht, war jedoch nicht sicher vor Anfeindungen und wiederholten Ü b ergriffen. In kirchlicher Hinsicht — zur Liebfrauenkirche als Stadtkirche gehörten, die ihr unterstellten Kapellen mitgerechnet, 26 Altäre — war die Stadt abhängig v o m Nonnenkloster Ruprechtsberg bei Bingen, das dem friedberger R a t jedoch weitreichenden Einfluss einräumte, gerade in der Kontrolle der als Kollegium organisierten Kleriker: »Was der christlichen Religion und O r d n u n g entsprach, definierte — im R a h m e n des gesetzlich Erlaubten - der Rat« (S. 99). Die Stadtkirche war als Sitz des Ruralkapitels auch für die Kirchen des Umlands zuständig, deren Pfarrstellen mit Friedberger Altaristen besetzt wurden.
1
Dorothea FREISI,: Geistliche Spiele in der Stadt des ausgehenden Mittelalters. Frankfurt - Friedberg - Alsfeld, Göttingen 2002 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts f ü r Geschichte. 178). Seitenangaben im vorliegenden P u n k t beziehen sich auf diese Publikation. Die Ausführungen des vorliegenden Abschnitts referieren in Ausschnitten die Ergebnisse ihre umfassenden Forschungen zum städtischen Hintergrund; das allgemeine städtische U m f e l d f ü r Friedberg stellt sie in Kapitel C.II.2 dar (S. 94-100), die Verhältnisse des Spiels in Kapitel IV (S. 207-255). D o r t ist auch die ältere lokalhistorische Literatur aufgeführt, die durch die aus den Quellen erarbeitete Darstellung FREISES j e d o c h als generell überholt gelten kann. M a n vergleiche dazu auch die R e zension von J A N O T A in Zeitschrift f ü r deutsches Altertum, 134 (2005), S. 244-261.
10
Β . E i n l e i t u n g zu d e n S p i e l t e x t e n
Geistliche Spiele in Friedberg sind erstmals belegt f ü r 1419 u n d 1436/37 2 — beide nicht zu konkretisieren, vermutlich Spiele kleineren U m f a n g s 3 wie das n o c h 1503 als w o h l jährlicher Brauch erwähnte Christkindwiegen. 4 Das Passionsspiel hingegen steht f ü r F R E I S E erst im Z u s a m m e n h a n g mit einer 1465 v o m Mainzer Erzbischof Adolf v o n Nassau (gestorben 1475) bestätigten Friedberger Michaelsbruderschaft. Die Bestätigungsurkunde 3 , die 1479 auch auf eine Sebastiansbruderschaft ausgedehnt wurde, 6 n e n n t als H a u p t aufgabe der Bruderschaft die Ausrichtung der jährlichen Sakramentsprozession zu Fronleichnam, die Darstellungen {figuras) an verschiedenen Statio n e n in der Stadt (certis in lorís prefati opidt) einschloss, u n d zwar Darstellungen der Passion (salutifere passionis [...] domini nostri Jhesu Cristi) sowie ali arum sacrarum historiarum.7 Teilnahme u n d Besuch war mit einem vierzigtägigen Ablass verbunden, ab 1479 sogar mit einem 100-tägigen Kardinalsablass. H i n t e r der gesteigerten geistlichen Aktivität scheint die Persönlichkeit des rührigen Pfarrers Albert v o n Rossbach 8 zu stehen. Eine über die Stadt hinausgreifende Ausrichtung des Spiels zeigt sich etwa darin, dass die Veranstaltungen durch die bischöfliche Bestätigungsurk u n d e v o m Fronleichnamstag (Donnerstag) auf den folgenden Sonntag verlegt w u r d e , u m den Kirchen der R e g i o n nicht ausgerechnet am H o c h f e s t die Gläubigen zu entziehen (ne Cristi fideìes [...] a suis propriis retrahantur ecdesiis)9, sie zeigt sich aber auch in der Tatsache, dass 1521, als w e g e n einer Seuche die kyrbe (>Kirchweih nhd. eu, äu)
eu
mhd. öu (> nhd. eu, äu)
ey ew f(f) g gk
ei eu mhd. f , ff und ν mhd. g, auch fe (auslautend k - c) g mhd. h, auch zur Bezeichung der Silbengrenze (wie in nhd. ge \ hen)
i
1. mhd. i, ! (> nhd. et) und ie (> nhd. lang Í), 2 für langes -» i
j
mhd.j
k
mhd. fe (auslautend -c), auch g
1(1)
oi mhd. p, auch b, anlautend p- und inlautend —pp- auch mhd. pf
pf
mhd. pf
ph, pph
->
qu, qw
mhd. qu
r(r)
mhd. r, rr
s(s)
mhd. 3, 55 und s (nhd. s, ss, β und sch)
seh
mhd. sch
SZ, ß, sß
h
ie,
Oy pip)
mhd. I, U
t(t)
pf
-is mhd. t, tt, auch d
tez
ζ
th
t
ttz, tz
ζ
U, V
1- mhd. u, ä (> nhd. au) und uo (> nhd. lang u) sowie mhd. ü, iu [y:] (> nhd. eu) und üe (> nhd. lang ä), 2.
W
mhd. w, auch b
χ
mhd. χ, chs
y, ye
^
ζ
mhd. z, tz
zc
i, ie
ζ
42
Β . Einleitung zu den Spieltexten
mhd.:
î
i
Lautung AP:
i/i:
Schreibung AP:
mhd.:
ë
ie
ü
iu
üe
u
Û
ü/ü:
uo
u/u:
é
ä
Lautung AP:
e/e:
Schreibung AP:
ê
ae
ö
œ
o
ö/ö:
ô
o/o:
Anders als im Nhd. wird bei den e-Lauten in der Länge nicht nach geschlossen/ offen unterschieden (nhd. etwa (eh) : (äh)) und der kurze Umlaut (nhd. (ä)) nicht gesondert bezeichnet. Im Vokalsystem von AP werden mehrere Entwicklungen sichtbar, deren wichtigste das folgende Schema (ohne Differenzierung zwischen Kürze und Länge) verdeutlichen soll:
i 4
^ ü
u
e ^
> ö
o
a:
/ts
ei 4
e u
IV. Sprachliche Erläuterungen
43
— E n t r u n d u n g der Umlaute: 1 0 7 Die U m l a u t e ü, ö u n d eu verlieren häufig ihre L i p p e n r u n d u n g u n d fallen so mit i, e u n d ei zusammen (V. 5711 wirffei f ü r m h d . Würfel, V. 225 fririt f ü r m h d . vriunt, V. 269 kriegen f ü r m h d . krüegen; V. 3981 heret f ü r m h d . hœret; V. 7496 freide f ü r m h d . vröude). Die so entstandene Unsicherheit in der Unterscheidung v o n i u n d ü beziehungsweise v o n e u n d ö f ü h r t u m g e k e h r t zu irrtümlichem (hyperkorrektem) Ansatz v o n ü f ü r i (V. 6261 fusche f ü r m h d . fische, V. 176 guien f ü r m h d . gîlen) oder ö f ü r e (V. 3345 hoiffere f ü r m h d . hëlrfœre). — Senkung der h o h e n Vokale: 108 Die Vokale i, ü u n d u w e r d e n vielfach zu den entsprechenden mittleren (e, ö, o) gesenkt (V. 8046 wei ich f ü r m h d . wil[e] ich; V. 714 konigk [wie nhd. König] f ü r m h d . künec; V. 8021 soin f ü r m h d . suiti, V. 5985 mome f ü r m h d . muome). A u c h hieraus resultieren (hyperkorrekte) Verwechslungen i statt e (V. 3264 ist! f ü r m h d . ëzzet!, V. 3773 myr f ü r m h d . mer[e]) u n d u statt o (V. 7716 vorgulden f ü r m h d . vergolten). — V e r d u m p f u n g v o n m h d . a:1"9 Langes a erscheint auch zu o v e r d u m p f t (V. 64 noch f ü r m h d . nâch, V. 7489 fraßen f ü r m h d . vrâzen). b) Nebensilbenvokal Schwa D e r meist e geschriebene Nebensilbenvokal (Schwa) kann sowohl i m W o r t inneren (Synkope) als auch am W o r t e n d e (Apokope) ausfallen. 110 c) Konsonanten — K o n s o n a n t e n h ä u f u n g : Die Konsonanten w e r d e n im W o r t i n n e r e n u n d am Wortende, auch in Konsonantenverbindungen, o f t doppelt geschrieb e n (Konsonantenhäufung), o h n e dass dies einen Rückschluss zuließe auf die Quantität des Konsonanten (wie n o c h die Gemination i m Mittelhochdeutschen) oder die Quantität des voranstehenden Vokals (wie i m N e u h o c h d e u t s c h e n die Bezeichnung der Vokalkürze durch D o p p e l schreibung des nachfolgenden Konsonanten). — Schreibungsvarianten: D u r c h Lautveränderungen seit d e m M i t t e l h o c h deutschen konkurrieren f ü r einzelne Konsonanten verschiedene Schreib u n g e n , die auch (im Sinne einer Kompromiss-Schreibung) kombiniert w e r d e n . So steht f ü r 5 (zusammengefallen aus m h d . 5 u n d j ) unterschieds107
Für Für 109 Für 110 Für 1(,s
die Entrundung vgl. E / R / S / W § L 36. die Senkung vgl. E / R / S / W § L 33. die Verdumpfung von mhd. á vgl. E / R / S / W § L 33. Syn- und Apokope vgl. E / R / S / W § L 39 und § L 40.
44
Β. Einleitung zu den Spieltexten
los s, ss, z, sz u n d ß , sß. Für die Affrikate (t)z steht neben (t)z häufig cz oder zc. Für k steht neben (c)k und g auch gk. Für f steht auch ν oder u, das nicht (wie im Neuhochdeutschen) für den Vokal reserviert ist. — p- statt p f - und -pp- statt -pf-: Im Rheinfränkischen hat die Hochdeutsche Lautverschiebung das voralthochdeutsche ρ anlautend und in der Geminate nicht erfasst, das oberdeutsch in diesen Positionen zu pf (auch ph geschrieben) verschoben ist (Pfund, Apfel). AP hat entsprechend meist anlautend p- statt pf (V. 6109 pleger neben V. 6113 pfleger für mhd. phlëgœre) und -pp- statt - p f - (V. 156 scheppere neben V. 7523 scheppher für mhd. schephcere) ,ln — Die nur schwach ausgeprägte Unterscheidung von Fortis t und Lenis d macht die Schreibungen (t) (mit (th)) und (d) weitgehend austauschbar, z.B. V. 86 betuden neben V. 3826 es bedudtt.in 2. Formenbildung a) Starke und schwache Verben: -en statt -e für die 1. Sg. Ind. Präs. -en statt -e (1. Sg. Ind. Präs.): In der 1. Sg. Ind. Präs. der starken und schwachen Verben steht statt der Endung -e (oder apokopiert -o) oft die Endung -en: V. 169 ich lieg-enn für mhd. ich lüg-e. Diese Endung wurde von einer bestimmten Verbklasse (den schwachen ehemaligen en-/ cm-Verben) ausgehend verallgemeinert." 3 b) Besondere Verben — hon für nhd. hân·. Die Entsprechung für mhd. ich hân (>ich habedu sollst*).115 — (ich) wel für nhd. (ich) will: Gegenüber (ich/er) wil dominiert wel(t) (mit Senkung). 115
111 112 113 114 115 116
Für Für Für Für
die NichtVerschiebung von vorahd. ρ vgl. E/R/S/W § L 45 und § L 58. d und t vgl. E/R/S/W § L 46 und § L 47. die l.Sg. Ind.Präs. vgl. E/R/S/W § M 88. mhd. hân vgl. E/R/S/W § M 151.
Für m h d . suln vgl. E / R / S / W § M 143. Für m h d . wellen vgl. E / R / S / W § M 146.
IV. Sprachliche E r l ä u t e r u n g e n
45
c) Personalpronomen — he f ü r n h d . er: Als Entsprechung v o n m h d . er (nhd. er) erscheint v o r w i e gend der (nördliche) Typ he (he, hee) oder hie, hye, seltner er (mit hyperkorrekter Variante ir) oder die südlich-nördliche K o m p r o m i s s f o r m her.117 — mer f ü r n h d . wir: Für m h d . n h d . wir tritt in allen Positionen o f t mer ein (entstanden durch Nachstellung sagen wir > sagen mer).us — e statt i bei Personalpronomina: Anstelle v o n m h d . i haben die Personalp r o n o m i n a meist e: mer u n d der statt mir u n d dir, em(e), en u n d er statt m h d . im(e),in (nhd. ihn[en]) u n d ir (nhd. ihr[er\).
3. Wortbildung — -ikeyt: Bei nhd. -igkeit der Substantivabstrakta ist die b e i m Z u s a m m e n treffen v o n m h d . -ic, -ec u n d -heit entstehende M e h r f a c h k o n s o n a n z (wie i m Mhd.) vereinfacht, so dass sich -ikeyt, -ikeit, -ekeyt ergibt (z.B. V. 47 innikeyt, V. 333 gerechtikeyt, V. 1652 harmherczikeit, V. 329 frommekeyt). — -scheit: Stößt -heit auf auslautendes sch, so b ü ß t es (wie im M h d . ) das anlautende h- ein u n d erscheint es als -eyt, -eit (z.B. V. 30 mentscheyt, V. 375 vnkuscheyt, V. 3740 mentscheit, V. 427 vnkuscheit). — -schaff: Das Suffix hat gegenüber m h d . -schaft sein -t verloren. H ä u f i g e F o r m e n sind in Verzeichnis 1 (S. 713) des Anhangs mit kurzer Erklär u n g zusammengefasst u n d w e r d e n im fortlaufenden K o m m e n t a r nicht generell erläutert. P e r s o n e n n a m e n f ü h r t das dortige Verzeichnis 3 (S. 717) auf.
Zum
Latein der Regietexte
von
AP
Das M o d e l l der liturgischen Texte mit ihren R u b r i k e n (den in roter T i n t e geschriebenen Handlungsanweisungen) zeigt sich bei den lateinischen R e gietexten v o n A P besonders darin, dass diese sich nicht — wie im neuzeitlichen D r a m a — darauf beschränken, den Ablauf des Geschehens zu b e schreiben u n d die jeweils agierende Figur zu b e n e n n e n , sondern fast d u r c h w e g durch Verba dicendi explizit machen, dass der nachstehende Text z u m Vortrag k o m m e n soll, w o b e i ein recht begrenztes R e p e r t o i r e v o n Ausdrücken V e r w e n d u n g findet: Das häufige dicere, ist dabei, wie M E H L E R 1 1 9 117 118 119
Für m h d . er vgl. E / R / S / W § M 63. Für m h d . wir vgl. E / R / S / W § 61. Ulrich Μ ι ili : dicere und cantare. Z u r musikalischen Terminologie und A u f f ü h r u n g s praxis des mittelalterlichen geistlichen Dramas in Deutschland, Regensburg 1981 (=Kölner Beiträge zur Musikforschung. 120).
46
Β . Einleitung zu den Spieltexten
zeigen konnte, undifferenzierter Ausdruck für jegliche Art Vortrags, der durch die Gattung des jeweiligen Stücks bedingt ist. Für aufwändiger gestalteten Melodiegesang wird canere oder cantare gebracht. Abgehoben von den neutralen Ausdrücken wird in der Lautstärke clamare >rufenmit lauter beziehungsweise zurückgenommener Stimme vortragen/singenanfügenklagenGesang< (etwa nach V. 1025) die Gattungsbezeichnung responsorium (etwa vor V. 1138) und die Untergliederung versus (etwa nach V. 1242) gebraucht. 1. Schreibung, Lautung, Morphologie Bei der Schreibung steht, wie für die Zeit gewöhnlich, e auch für die einstigen Diphthonge ae und oe (mater puelle [für puellae] dicit nach V. 979, venit, de celo [für coelo] nach V. 3329). Zwischen u und ν ist nicht unterschieden. Für -ti- steht oft -ci- (faciunt reuerenciam (für reuerentiam), nach V. 829). Die Lautung ist weitgehend unauffällig. Ein Fall wie wolnera für vulnera (nach V. 6738), der unter Einfluss der mundartlichen Senkung o statt lat. u zeigt, bleibt die Ausnahme. Die Morphologie entspricht im Wesentlichen der Schulgrammatik; zu erwähnen ist lediglich der häufige Ersatz der Dativform ei des Personalpronomens durch das Reflexivum sibi. Für die Flexion der Personen- und Ortsnamen vgl. die entsprechenden Verzeichnisse. Das Kasussystem funktioniert im Allgemeinen noch in vollem Umfang, allerdings besteht eine Konkurrenz zwischen reinem Kasus und Präpositionalausdruck, besonders bei Ausdrücken des Sagens steht neben dem reinen Dativ (dicit seruis, matri etc.) vielfach das präpositionale ad semos, ad matrem etc. 2. Syntax Die Syntax von Prädikat und adverbiellen Satzgliedern bedarf einer etwas ausführlicheren Darstellung. I. Prädikat Im Folgenden werden diejenigen Fälle behandelt, die vom Normalfall dadurch abweichen, dass das Prädikat a) im Indikativ Präsens und b) in N u merus-Kongruenz zum Subjekt steht.
IV. Sprachliche Erläuterungen
47
(1) Besondere finite F o r m e n — K o n j u n k t i v Präsens wird außer in Abhängigkeit v o n K o n j u n k t i o n e n verwendet: a) als Jussiv. Solcher K o n j u n k t i v (in Opposition zu entsprechenden I n dikativformen) steht manchmal f ü r Angaben der Bewegungsregie (Hic Iohannes et Ihesus sint in medio ludi, nach V. 509), vereinzelt auch f ü r Verba dicendi (Tunepuella reuerenter se exibendo dicat regi, nach V. 957), fast regelmäßig j e d o c h bei den Beischriften v o m Typ fìat notificatio [...] (etwa nach V. 436a) u n d disponatur bzw. disponantur (etwa zu V. 512, dagegen Ind. disponit bzw. disponitur vor V. 1307, nach V. 2222, vor V. 3370). In vier Fällen (vor V. 698, nach V. 789, nach V. 3333 u n d nach V. 3779) ist ein solcher jussiver K o n j u n k t i v einem zweiten Prädikat i m Indikativ k o ordiniert. b) als reguläre F o r m bei eat (nach V. 3333) u n d transeat (vor V. 7764), die nicht in Opposition stehen zu Indikativ Präsens-Formen v o n ire, sondern n u r zur pluralischen F u t u r f o r m e n ibunt (etwa nach V. 817). Die F o r m e n des Indikativ Präsens (it, eunt) w e r d e n offenbar als ungebräuchlich verm i e d e n u n d durch entsprechende F o r m e n des K o n j u n k t i v beziehungsweise Futur ersetzt. — F u t u r f o r m e n erscheinen recht selten, hauptsächlich ibunt (etwa nach V. 817, w o h l f ü r Indikativ eunt, vgl. oben), daneben manebit, beziehungsweise manebunt, (etwa nach V. 877), fiet (etwa nach V. 6838) u n d respondet (nur bei Schreiber C, vielleicht f ü r Indikativ respondit, etwa nach V. 7603). Einmal wird Futur mit Indikativ Präsens koordiniert: Et sic cadit in terrain et erit amens (nach V. 6216, erit amens >wird ohnmächtig< w o h l statt fit amens) — Präteritalformen sind ebenfalls schwach belegt. Dreimal steht Perfekt, zweimal abhängig v o n postquam (nach V. 6678 u n d nach V. 7410), einmal zur Bezeichnung eines bisher bestehenden, im Folgenden zu verändernden Zustands (vor V. 6505). Imperfekt erscheint n u r zweimal, w o h l in A n l e h n u n g an das Erzähltempus der Vulgata: vor V. 1648 u n d vor V. 3680 (2) N i c h i - f i n i t e F o r m e n — Partizip Präsens im N o m i n a t i v als Prädikat: Saluator sedens super fontem (nach V. 1306), so auch nach V. 1121, nach V. 1611, nach V. 1890, nach V. 2665, nach V. 3238, vor V. 4280, nach V. 5289, nach V. 5395, vor V. 5772 u n d nach V. 7767. Dieses kann ein weiteres Partizip Präsens (als partieipium coniunctum) bei sich haben: Fedderwisch trahens ipsum cum veste dicens (nach V. 691), so auch: nach V. 1500, nach V. 1508, nach V. 1514, vor V. 1648, vor V. 1648, nach V. 3589.
48
Β. Einleitung zu den Spieltexten
— Finitum u n d (koordiniert) ein Partizip Präsens i m N o m i n a t i v als Prädikat: Tunc Iohannes Baptista exeat de deserto cum discipulis et cantans (nach V. 436), so auch: nach V. 1039, nach V. 1224, vor V. 3078, vor V. 4418, nach V. 4473, nach V. 5289, nach V. 5391, nach V. 5405, vor V. 5724 u n d nach V. 6678. — ablativus absolutus als Subjekt-Prädikat-Verband: ludeis cantantibus vsque venitur ad locum (vor V. 5560). (3) Ein Verstoß gegen die N u m e r u s - K o n g r u e n z des Prädikats mit d e m Subjekt (im Sinne einer constructio ad sensum) ist möglich in folgenden Fällen: — Plural bei E r w e i t e r u n g eines singularischen Subjekts mit Präposition cum: Luciper cum suis exeunt (vor V. 620), ähnlich vor V. 1413 u n d vor V. 3068. — Singular bei zweifachem Subjekt, das eine Einheit bezeichnet: Disponatur pallium et pepulum (nach V. 661; dagegen pallium cum pepulo nach V. 689 u n d nach V. 1047). II. Adverbielle Satzglieder (1) G e r u n d i u m i m adverbiellen Ablativ — Sehr häufig begegnet ein G e r u n d i u m im adverbiellen Ablativ, u n d zwar sowohl zu einem Ausdruck des Sagens (z.B. dicit cantando oder dicit saltando), als auch zu einem Ausdruck der B e w e g u n g . — Im letzteren Fall ist zu beachten, dass der Ablativ hier nicht n u r (wie im klassischen Latein) instrumental v e r w e n d e t wird, sondern auch (ähnlich d e m S u p i n u m I) final: Et sic ponunt se ad mensam prandendo (nach V. 2742), so auch nach V. 789, nach V. 1951, nach V. 3335, nach V. 5391, nach V. 6089, vor V. 6641, vor V. 6792 u n d nach V. 7689. (2) Partizip Präsens als partieipium coniunctum u n d als »nominativus absolutus« — Geläufig ist gleichfalls die V e r w e n d u n g eines Partizip Präsens als partieipium coniunctum, meist b e i m Subjekt (Sathanas subiungit dicens nach V. 666), zweimal auch b e i m Dativobjekt ([...] dicens omnibus sedentibus nach V. 7018, [Saluator] Thome presentí dicit nach V. 7799). — In vier Fällen steht ein nicht in den Satzverband integrierter N o m i n a t i v mit Partizip Präsens, offenbar in adverbiellem Sinn: Et sie currit ad matrem, sequent.es omnes (nach V. 1104), so auch nach V. 2713, vor V. 6793 u n d nach V. 7344. In A n l e h n u n g an den ablativus absolutus k ö n n t e m a n hier v o n einem nominativus absolutus sprechen.
IV. Sprachliche Erläuterungen
49
Häufige Formen sind in Verzeichnis 2 (S. 715) des Anhangs mit kurzer Erklärung zusammengefasst und werden im fortlaufenden Kommentar nicht generell erläutert. Personennamen führt das dortige Verzeichnis 3 (S. 717) auf.
C. Szenenkommentar
Vorbemerkung Hansjürgen L I N K E (Drama und Theater des Mittelalters als Feld interdisziplinärer Forschung) fordert bei der Erforschung des geistlichen Spiels mit Nachdruck ein fachübergreifendes Vorgehen. 1 D o c h die gleichmäßige Berücksichtigung der von ihm aufgeführten Felder wäre einem einzelnen Bearbeiter ohne arges Dilettieren unmöglich. So versucht der vorliegende Kommentar, wenigstens die textphilologischen Aufgaben im R a h m e n des Möglichen zu erledigen und so den Text für Fachleute der anderen Disziplinen in verlässlicher Weise zugänglich zu machen und damit Vorarbeit für literaturwissenschaftliche Interpretationen und (bedingt) für sprachwissenschaftliche Untersuchungen zu leisten. W i e im F D / F P Kommentar von W O L F erfolgt die Behandlung der Einzelszenen grundsätzlich nach dem bewährten Schema, das dem Benutzer einen raschen und gezielten Zugriff auf einzelne Aspekte ermöglicht. Bedingt durch die archivalische Lage wird jedoch auf den Punkt »Lokale Bezüge« verzichtet - durch Dorothea F R E I S E S sozialhistorische Untersuchungen kann dieser Bereich wohl als exhaustiv bearbeitet gelten. Einen Schwerpunkt legt der vorliegende Kommentar auf den Punkt »Sprachliche Erläuterungen«, derer das Spiel in seinem rheinfränkischen Frühneuhochdeutsch in besonderer Weise bedarf. Beim Punkt »Szenengestaltung« werden alle Angaben des Textes, die sich auf die szenische Umsetzung beziehen, zusammengefasst und so ausgewertet, dass sich insbesondere eine annäherende Rekonstruktion der Bewegungsabläufe ergibt. Prinzipiell wird einer nüchternen katalogartigen Darstellung vor einfärbender D e u t u n g der Vorrang gegeben. Dies zeigt sich auch in der Bevorzugung von Ubersichten statt fortlaufendem Text. Die Szenengliederung der Edition stellt das generelle Anordnungsprinzip des Kommentars dar, in das auch szenenübergreifende Darstellungen integriert bleiben. Diese sind jeweils der ersten beteiligten Szene zugewiesen und in den späteren Szenen als Verweiseintrag berücksichtigt, u m so das Prinzip nicht zu verletzen. Die kleineren alsfelder Spielzeugnisse und FdD werden jeweils im Zusammenhang mit der betreffenden AP-Szene besprochen. 1
Vgl. auch WOLF: Für eine neue Form der Kommentierung geistlicher Spiele.
52
C. Szenenkommentar
Ein solcher K o m m e n t a r ist schon f ü r sich g e n o m m e n A n m e r k u n g z u m Text der Ausgabe. U m nicht dieses Verhältnis durch erneute Auslagerung v o n A n m e r k u n g e n z u m K o m m e n t a r zu potenzieren, ist großteils auf F u ß n o t e n verzichtet; in A n l e h n u n g an Albrecht S C H Ö N E S umfänglichen K o m mentar zu Goethes >Faustzunächst nun, nachdem alle Darsteller (persone) sich in geordneter Weise (ordinate) auf ihre Plätze gestellt haben, singen die Engel< v o r V . 1 Proclamator
in medio ludi dicit] >Der A u s r u f e r sagt i n d e r M i t t e d e r
B ü h n e < — ludus bezeichnet zunächst das Spiel selbst (so in den Spielnachrichten auf f. V sowie nach V. 8059 finis presentís ludi u n d in der Bezeichnung der abschließender Prozession als Processio huius ludi (APPo Z. 1), deutsch steht dafür spyel(i), spici [V. 47, V. 71, V. 76].), dann den R a u m , auf welchem dieses dargeboten wird, also die - nicht im Sinne des Guckkastens vorzustellende - Spielfläche (so hier, ferner nach V. 509, nach V. 1159, nach V. 5271, vor V. 7938 u n d nach V. 8059, im Deutschen dafür kreyß V. 111 oder pianti V. 132).
V. 2 gleichgültig ob ihr alt oder jung, arm oder reich seid< — Es handelt sich u m einen konjunktivischen uneingeleiteten Konzessivsatz mit d e m finiteli Verb an zweiter Stelle, der z u m »disjunktiv geteilten Typus« gehört ( E / R / S / W § S 297, vgl. V. 112). N u r beim zweiten Begriffspaar steht die K o n j u n k t i o n adder, sie ist aber (zeugmatisch) auch auf das erste zu beziehen. V . 3 vorsampt
syn] > v e r s a m m e l t sind
dass, wie ich oft (dick) gelesen habe, keiner sich je vor dem ewigen Tod und der Höllenqual retten kann, es sei denn, er betrachte in seinem HerzeiK — Adverb mhd. dicke >oft
-ech (vgl. E / R / S / W § L 56, 3) u n d Lenisierung It > Id. V . 12 vor vnszer
alle missetadt]
>für u n s e r aller Sünde< — vnser ist attributiver
Genitiv (zum Personalpronomen m h d . uns), das dazugehörige Adjektiv alle ist hier, wie im Mitteldeutschen häufig, unflektiert (vgl. E / R / S / W § S 15).
56
Erster Tag
V . 13 synt en] >da ihn< V . 1 4 hie hot dar vmb] >hat er dafür< — Trotz des vorangestellten Gliedsatzes steht noch vor dem finiteli Verb das Subjekt hie. Alternativ wäre der synf-Satz zum Relativsatz V. 11 f. die [...] miuetadt zu stellen. V . 15 al an dem fronen crucze here] >völlig an d e m heiligen, e r h a b e n e n Kreuz< V . 1 6 eß em danckenn]
>dafür i h m danken< — eß (inhd. es) ist die alte Genitivform
von mhd. ez. Die mhd. Konstruktion von danken mit dem Genitiv der Sache herrscht in AP noch allgemein (mit Akkusativ nur V. 6387 das daneben ich). V . 17 >weil er es u n s r e t w e g e n tat< V . 18 >so dass er damit zu besänftigen vermochte< V . 1 9 grosszes
zornn]
>großen Zürnen* — zom(n)
ist in AP, wie generell ein
Maskulinum (vgl. etwa V. 883 sonder allen zornn), neutrales Genus ist für zom nicht zu belegen, daher ist verkürzte und gesenkte Form des Infinitiv mhd. zürnen anzusetzen oder von einer Verschreibung bei grosszes (nach vorausgehendem hymmelsches vatters) auszugehen. V . 2 0 anders] >anderenfalls, sonst< V . 2 1 alszo noch hude] >ebenso n o c h heute< — Elliptischer Hauptsatz (als Prädikat wäre zu ergänzen sirit verlornn) mit nachfolgenden Relativsätzen (ab V. 22 die), alternativ aufzufassen als komparativer Nebensatz (>ganz wie alle diejenigen...zur Verdammnis b e s t i m m t sind< (mit modaler
Färbung) o d e r (rein temporal als Umschreibung des Futur) >in die Verdammnis k o m m e n werden< V . 2 3 zu den tufeln] — Die handschriftliche Fassung dem tufeln ist nicht haltbar, da für das Substantiv tufel die schwache Flexion nicht belegt ist; tufeln ist eindeutig Dativ Plural, an welchen der Herausgeber den Artikel angeglichen hat. (Die noch heute gängige Wendung Fahr zum Teufel! könnte zwar an Singular und damit irrtümliche Setzung des η zu tufel denken lassen, doch ist die Vorstellung von der Vielzahl der Teufel in AP allgemein beherrschend, vgl. etwa V. 116 mit den tufeln muß er γη die helle gan.). V . 2 4 von sunden V . 2 5 vergosszen
bewarnn] goddes]
>vor S ü n d e n b e w a h r e n , v o n S ü n d e n rein halten
vergaßen Gott< — Das Präteritum vergosszen zeigt ge-
genüber mhd. vergâzen Verduinpfung â > o; vergëzzen wird mhd. mit Genitivobjekt konstruiert, so auch noch meist in AP. Entweder handelt es sich bei dieser Konstruktion um eine Fortführung des Relativsatzes (mit leichtem Bruch der Konstruktion durch Wiederaufnahme des Subjekts in Form des Personalpronomens und Verbstellung eines Hauptsatzes) oder um einen neueinsetzenden Hauptsatz, der mit vnd eingeleitet ist. V . 2 5 f . alszo
... /das]
>so, in d e m M a ß e , dass
auf sein G e b o t a c h t e n , sein G e b o t b e a c h t e n ,
halteiK — Mhd. ahten mit Genitivobjekt. V . 2 7 von em wanckenn]
»von i h m ( d e m G e b o t ) a b w e i c h e n , es Übertretern
V . 2 8 em synes lydes nit endanckenn]
>ihm f ü r sein L e i d e n n i c h t danken< — Hier
noch wie im Mhd. die Negation mit Negationspartikel en- und zusätzlich (ursprünglich adverbiellem) Negationswort nit. Für den Genitiv bei danckenn vgl. zu V. 16. V . 2 9 williglichen
leyt] >freiwillig litt< — Mhd. kit ist das Präteritum des starken
Verbs. V . 3 0 al vor] >ganz u n d gar f ü r , u m willen< V . 3 2 >dafür ließ er sich g e f a n g e n n e h m e n < V . 3 3 Ihesu Crist] J e s u s Christus< — Die Form Ihcsu, eigentlich lat. Genitiv, Dativ und Vokativ, wird in der Verbindung Ihesu Crist, im deutschen Text, ausgehend offenbar von Fällen der Anrede (etwa V. 1612 Gelobet sistu, Ihesu Crist), häufig auch für den Nominativ gebraucht. V . 3 4 gepynniget
ist] >gequält w o r d e n ist< - Das Fehlen des Partizips worden ist
nicht als Hinweis auf atemporales Zustandspassiv im Sinne von P / S / W / G § 324 zu werten. E / R / S / W § S 217, 3 weist auf Rückgang der aspektuellen Unterscheidung Zustands- vs. Vorgangspassiv gerade bei sein + Partizip Präteritum hin. V . 3 5 vmb das] >deshalb, weil< V . 3 6 daz
... en genisszen
Ion] >daraus i h n N u t z e n z i e h e n lassen, i h m dies
vergelten< V . 3 7 daneben eß em] >ihm d a f ü r danken< - Für den Genitiv eß (mhd. ës) bei danckenn vgl. zu V. 16. V . 3 8 vorwyß] >abweisen möge< V . 3 9 wan] >wenn< V . 4 0 f . > K ö n n t e n w i r m i t i r g e n d e t w a s (mit ichte), i r g e n d w i e d a f ü r s o r g e n (bewarn),
dass w i r d a n n G n a d e f i n d e n w e r d e n (mochten fynden)i
etwasnichtswie i c h (ihn) v o r h i n a n g e m a h n t (vonnanet)
habe
denen w i r d (magk) es d a n n allen (alle - u n f l e k t i e r t ) g u t (wol) e r g e h e n (hergann), f ü r die w i r d es ausgehen< — Das verallgemeinernde wer (V. 43) wird hier, dem Sinn entsprechend, als Plural den wiederaufgegriffen. Das Präfix /¡ersteht für mhd. und nhd. er-, (Die generalisierenden relativen Pronomina und Adverbien wie mhd. swer, swaz, swie >wer, was, wie immer< sind in AP nicht mehr vorhanden. Nach E / R / S / W § M 71 sind diese nur bis ins 15. Jh. belegt.) V . 4 5 dor zu gudes vele] >dazu viel an Gutem< — Die Mengenangabe vi(e)l, vele wird noch generell wie mhd. mit partitivem Genitiv konstruiert.
58
Erster Tag
V . 4 7 myt innikeyt] >andächtig< — V. 49 D i e p r ä p o s i t i o n a l e W e n d u n g als A d v e r b zu begynnenn
(V. 48) zu stellen u n d s o m i t als Teil des Relativsatzes
zu b e h a n d e l n , ist n i c h t z u f r i e d e n s t e l l e n d . Das Spiel setzt j a n i c h t erst bei der Passion ein (vgl. h i e r z u die e i n d e u t i g e A n g a b e V. 5 7 - 5 8 . hebenn an / von dem teufer sánete Iohan), d o c h w i r d gleichsam a u c h das v o r a u s g e h e n d e G e s c h e h e n u n t e r d i e s e m G e s i c h t s p u n k t b e t r a c h t e t . Logisch w ä r e V . 4 9 s o m i t als A t t r i b u t zu spy eli V . 4 8 aufzufassen, das j e d o c h erst n a c h d e m Relativsatz steht. V . 5 0 dor zu ... kerenn] >darauf
richten
Männer< — Die noch endungslose Form entspricht dem mhd. Plural des Wurzelnomen man. V . 5 5 mit wiezen vnd synnenn]
>mit E i n s i c h t u n d Verstand< — Diese Doppel-
formel auch V. 255, V. 624 und V. 1926. V . 56f. begynnenn
/ disszes spieles] >mit d i e s e m Spiel beginnen< — AP behält für
mhd. beginnen die Konstruktion mit dem Genitiv der Sache noch meist bei. V . 5 8 von] >mit< V . 6 0 mercken ebenn] >genau, g r ü n d l i c h (ebenn) w a h r n e h m e n , sehen< V . 6 4 anfohenn]
>darstellen< — Mhd. an(e)vâhen, der nhd. Infinitiv anfangen ist in
Ausgleich mit dem Präterituin gebildet. V . 6 6 noch Iohanni] >nach Johannes< — Der Dativ wird auch im deutschen Text nach der lateinischen Flexion gebildet. V . 6 7 synes predigens begann] >mit s e i n e m P r e d i g e n begann< — Z u m Genitiv bei mhd. beginnen vgl. zu V. 56. V . 6 8 alszo vor gesprochenn hatte] >ganz w i e v o r h e r g e s a g t (vorgesprochen) hatte< V . 6 9 was hie anders wonders] >was sonst a n W u n d e r b a r e m ^ —
GREINS
(Wörter-
buch, S. 261 und S. 418) Auffassung des anders als Adjektivattribut und von wonder als Wunder< scheint mir daran zu leiden, dass der Singular im Widerspruch zur Zählbarkeit der Wundertaten steht und die Tätigkeit des predigens (V. 67) wohl nicht unter diesen zu subsumieren ist. V . 7 1 szo man es vbet] »wenn m a n es vorfiihrt< V . 7 2 zu sagen] >zu b e r i c h t e n , a u f z u z ä h l e n V . 7 3 u. V . 7 5 des] >deshalb< V . 7 4 das veh do nummer darffe vordrisszenn] >was e u c h da k e i n e s w e g s
(nummer)
v e r d r i e ß e n soll, wird< - Für nummer vgl. zu V. 6. V . 7 6 triben] b e t r e i b e n , ausführen< V . 7 8 sunderyn]
>Sünderinnen
dieses< V . 8 0 aiszo gescheen] >ganz so g e s c h i e h t — Für die Endung -en in der 3. Person Singular Indikativ Präsens vgl. E / R / S / W § M 88.
1. Spieleröffnung (V. 1-132)
59
V . 81 >dazu v e r h e l f e uns der S o h n der J u n g f r a u (der meyde)< — Starkes Femininum mhd. maget, kontrahiert weit >Jungfrau, Mädchen, Magdwelcher a u f ... sitzt< V . 8 4 vor vns] >für uns< n a c h V . 8 4 regens] >der Spielleiter< V . 8 6 lat vch betudenn] >lasst e u c h a u s d e u t e n , erklären< — Schwaches Verb mhd. bediuteri (nhd. bedeuten), hier mit Verwechslung der Intensität bei den dentalen Plosiven t/d. V . 87 dit spiel sal] >dieses Spiel soll, wird< V . 9 0 t u m unsrer l i e b e n Frau (sc. der M u t t e r Gottes) willen< V . 9 1 spielen von der martel] >ein Spiel a u f f ü h r e n v o n , ü b e r die M a r t e r , das L e i d e n u n d Sterben< V . 9 2 aller wernt eyn erloszer] >für die ganze W e l t ( w e r n t ) der Erlösen V . 9 3 innigk] >andächtig< V . 9 4 eben] >genau, gründlich< - Vgl. V. 60. V . 9 7 >weil (want) all u n s e r H e i l daran liegt (lyt)< - lyt ist (neben leit) kontrahierte Form für mhd. liget (vgl. P/S/W/G § 285 und § 107); alle bleibt auch hier unflektiert. V . 9 8 vmmer zu ewiger z y t ] >für i m m e r a u f e w i g e Zeit< V . 9 9 schone] >anständig< V . 100 von hymmeln] >von d e n H i m m e l n , v o m Himmel< — Der Plural erklärt sich durch Übernahme aus dem lat. de coelis/caclis (AP celis, etwa nach V. 6 6 3 0 ) ; meist steht der Singular. V . 101 >denn (want) w e r i m m e r h i e r a n d ä c h t i g (myt ynnikeyt) zusieht< V . 102 bereyt] >bereitet< — bereyt, mhd. bereit ist verkürzt aus bereit(e)t. V . 103 des] >daher< V . 105 vorlyhe]
>verleihe< - Mhd.
verlihe.
V . 106 vns wesze bye] >bei uns sei< — Für das Präsens des Verbum substantivum nhd. sein erscheinen in AP relativ häufig von mhd. wesen gebildete Formen, vgl. E/R/S/W § S 162. V . 108 lat vwer hallen] >lasst e u e r Schwätzen< — Schwaches Verb mhd. hallen·, die vorliegende Stelle ist G R I M M : DWB, 5 , Sp. 6 9 als Beleg für die Bedeutung laut oder viel reden angeführt. V . 110 schultheys thut] >Stadtschultheiß (Stellvertreter des L a n d e s h e r m ) e r lässt< V . 111 >wer i m m e r h i e r (da) i n n e r h a l b diesen t r o f f e n (betredden) wird< — kreyß muss nicht als Bühne genommen werden (vgl. G R I M M : DWB, hingewiesen auf die oft mit dem Kreis verbundene Verwendung »beim spiele, tanze u. ä.« wird davon
Kreises (der B ü h n e ) a n g e Hinweis aus eine Kreisform der 5 , Sp. 2 1 4 7 . Weiter wird dort Vorstellung des Bannenden, die abgeleitet, » k n ü p f e n sich doch die
60
Erster Tag
spiele zum theil an alte cultusbräuche am; die vorliegende AP-Stelle wird zitiert), w o h l aber auf die A n o r d n u n g des Publikums rings u m diese. V . 1 1 2 g l e i c h g ü l t i g o b H i n z o d e r K u n z o d e r w i e e r s o n s t h e i ß e n mag< — Für den Satztypus vgl. zu V. 2. Die schon m h d . gebräuchliche Doppelformel Hinz und Kunz,
zurückgehend auf die K u r z f o r m e n f ü r Heinrich (Hinz
GRIMM:
D W B , 4,2, Sp. 1546.]) u n d Konrad (Kunz
w o h l aus der latinisierten Form Konrad(us) [vgl.
neben Heinz
aus Kuonrat, Konz
GRIMM:
[vgl.
dagegen
D W B , 5, Sp. 2746]), ist
hier n o c h nicht abwertend gemeint im Sinne von >jeder dahergelaufene Kerlalle ohne Ausnahme< (vgl.
GRIMM:
D W B , 5, Sp. 2748, w o die vorliegende AP-Stelle
angeführt wird). V . 1 1 3 der do] >welcher< V . 1 1 4 > f i i r w a h r w i l l i c h e u c h dies v e r k ü n d e n (sagen) < V . 1 1 5 >der w i r d u n w e i g e r l i c h ( m u ß ) h a r t (groiplich) s e i n e B u ß e , S t r a f e e m p f a n g e n , erhalteiK V . 1 1 7 vngefitg] >Unfug< — Zu m h d . ungevuoge >was sich nicht fiigtdarum w o l l e n w i r e u c h
gütlich,
f r e u n d l i c h bitten< V . 1 2 2 deßdu basz vornemmen]
>umso b e s s e r h ö r e n
in v o l l a u s r e i c h e n d e m U m f a n g
in d e r G e r a d e u n d i n d e r R u n d u n g < —
GRIMM:
DWB,
5, Sp. 2454f.
wird explizit auf die Verwendung beim Abgrenzen der Spielfläche hingewiesen. V . 1 2 7 >in d e r L ä n g e u n d a u c h d e r Breite< — Die Wortwahl (ferre) ist w o h l reimbedingt erfolgt. V . 1 2 8 sal nymmants V . 1 2 9 vngedrungen
irren] >soll k e i n e r stören< syn] >nicht b e d r ä n g t w e r d e n
die S t r a f a n d r o h u n g (pyrin) d e r S t a d t h e r r n
g e n a u gehört< V . 1 3 1 gethon]
>verhängt
U n d e r teilt das S p i e l i n d r e i T a g e s e i n h e i t e n
jedermannbesteigt das Fass
ruft die S e i n e n zusammen«
rigmorum
diabolorum]
>das R e g i s t e r ,
die
A u f z e i c h n u n g der ( R e i m - ) R e d e n der Teufel< F d D 8 3 (zu v o r V . 1 3 3 ) convocando
diabolos]
>indem er die T e u f e l z u s a m -
menrufe V . 1 3 3 : >Nur h e r b e i , n u r h e r b e i aus der Hölle< F d D 8 3 (zu V . 1 3 3 ) alle heische
her] >alle h ö l l i s c h e n Heere< ( o d e r >alle H ö l -
l i s c h e n , herbeiihr R o t t e n der Hölle< - Die Bezeichnung Rotte muss
nicht zwingend pejorativ gebraucht sein (vgl. GRIMM: D W B , 14, Sp. 1315), doch legt dies der Kontext nahe; vielleicht Analogie zu den himmlischen Chören (der Engel). V . 1 3 6 : >auf dass das F i e b e r (ridde)
e u c h schüttle< - Schwaches Maskulinuni
mhd. ritte. Für die breit belegte Verwünschungsformel (vgl. Deutsches SprichwörterLexikon. 3, Sp. 1695). A L r V . 4 (zu V . 1 3 6 ) ritt vnd falben
schuddert]
>Fieber u n d Fallsucht schütteln«
— falben wahrscheinlich für nhd. Falbel (wohl gekürzt aus Fallübel, vgl. GRIMM: D W B , 3, Sp. 1269f.). V . 1 3 8 willet er anders]
»wenn i h r überhaupt«
n a c h V . 1 3 8 Et tunc ... cantando]
> U n d dann u m r i n g e n alle T e u f e l das Fass,
i n d e m sie t a n z e n u n d singen« (HABEL/GRÖBEL:
Mlat. chorizare
(von gr. chorizein)
>tanzen
R i n g l e i n reiß< - Was genau hier unter ryngelyn zu
verstehen ist, kann nicht eindeutig geklärt werden. Als Ring (GRIMM: D W B , 14, Sp. 984—994) kann (die Fessel bezeichnet werden, doch wird die Fesselung Luzifers erst in V. 263 angekündigt (sie erfolgt nach V. 7230). Gesagt wird Ring auch »von dem kreise, welcher um den sänger, spielenden oder die tanzenden geschlossen wird«, weiterhin auch »vom ring der tanzenden« - letztere Auffassung würde mit der Regieanweisung vor V. 139 korrespondieren. Vorstellbar wäre dabei ein Rundtanz mit heftigen Bewegungen, durch welche die Kreisaufstellung zu reißen droht. V . 1 4 0 schone]
>in p r ä c h t i g e r Art« - Adverb mhd. schöne (ohne Umlaut, vgl. R e i m
schone : throne) zum Adjektiv mhd. schoene.
68
Erster Tag
V . 142 were] >möge w ä h r e n , andauern< - Schwaches Verb mhd. wer(e)n. V. 143 mer men] >mir mehr< V. 144 >dass ich auf diesem Fass tanzen kann< - (ge) springen entspricht lat. saltare, das starke Maskulinum mhd. bitte, biitte (nhd. Bütte, durch Senkung: bodde) entspricht lat. doleum. ALr 144 (zu V. 144) mochte] >könnte< nach V. 144 sine intermedia] >ohne Pause, unmittelbar anschließend< V . 145 obermut] > U b e r m u t , Stolz< - Starkes Neutrum mhd. übermuot. F d D 87 (zu V. 145) mud] >Eigenwille< - Starkes Maskulinum mhd. muot. V. 146 erwirbestu ... gut] erreichst du Gutes< ALr 146 (zu V. 146) enwirdest du]>wirst d u nicht< - Negationspartikel en- proklitisch vor der Verbform. V. 150 >damit ihr nie Ursache habt, R e u e zu empfinden< V. 151 ciar] >leuchtend< V . 154 lichttreiger] >Lichtträger< - Wörtliche Übersetzung des lat. Teufelsnamens Luci-fer. V . 155 des erhub] >deshalb er-, ü b e r h o b mich< - Starkes Verb mhd. erheben. V. 156f. >dass ich m e i n e n Stuhl, T h r o n über m e i n e n Schöpfer stellen und m i c h i h m gleichstellen (em glichenn) wollte< - Konjunktiv Präsens abhängig wohl von erhub [...] so sere (V. 155), in ALr (tvolde) Indikativ Präterituin. V . 158 in den fronen hymmelrich] >im heiligen Himmelreich< - den hier für dem (= ALr), vgl. E / R / S / W § L 62, 4 (S. 140f.). V . 165 phaffen] > (Welt) G e i s t l i c h e m - Das schwaches Maskulinum mhd. phaffe ist in AP noch generell neutrale Allgemeinbezeichnung für den Priester, dann speziell für den Weltgeistlichen im Gegensatz zum Ordensanghörigen (hier und V. 376 myt monichen vnd mit pfaffen) sowie die untere Stufe der kirchlichen Hierarchie (V. 2169 bischoff, phaffen vnd prelatenti). nach V. 168 percuciunt Luciferum] >verprügeln sie Luzifer< V . 169 ich liegenn] >ich lüge< - Starkes Verb mhd. liegen, im Nhd. mit R u n d u n g zu ü. V . 170 betriegenn] >betrügen< - Starkes Verb mhd. (be)triegen, im Nhd. mit R u n d ung zu ü. V. 171 gleuben] >glauben< V. 174 rostrige] >rostige< - Zu rosterig
(BERTHOLD:
Volkswörterbuch: >angerostete,
ein wenig rostigrostige< nach V. 174 >Und er fügt hinzu o h n e Pause, unmittelbar anschließend< V. 176 als wol] >völlig< V. 177 dit dingk griffen an] >diese Sache anpacken
der Zauberer, Scharlatan Jesus nicht
entwischt< - Starkes Maskulinum mhd. zöubemre zum schwachen Verb zöubem, im Nhd. generell ohne Umlaut (au). V . 1 7 9 swynde] >gewandt, gefáhrlich< - Zum Adjektiv mhd. (ge)swinde. V . 1 8 0 fyndenn]
>Kniffen, Ausfliichten< - Starkes Maskulinum mhd. vunt, Plural
vündc (V. 4 2 0 funde, nhd. Finte < ital. finta ist laut
GIUMM: D W B , 3,
Sp. 1 6 7 1 erst
ab dem 17. Jh. belegt). V . 181 begriffet] >ergreift, erfasst< F d D 9 2 (zu V . 183) ben ich] >bin ich< V . 185 gewest]
>gewesen< - Nebenform zu mhd. gewesen (vgl. etwa V. 478 ge-
wesszen), dem Partizip Präteritum des Verbuin substantivum mhd. sin. V . 1 8 6 vorsencket] >zu Fall g e b r a c h t V . 1 8 9 dar vff dencken froe vnd spade] >früh und spät überlegen, wie es anzustellen ist< V . 192: >welcher dafür auserwählt war< V . 1 9 3 trode] >schnell< - Adverb mhd. drâte zum Adjektiv mhd. drœte. V . 195 vorkeuffenn]
>verkaufen< - Schwaches Verb mhd. (ver-)köufen, im Nhd.
generell ohne Umlaut (au). V . 1 9 6 schryen woffenn]
>Hilfe! rufen< - Inteijektion mhd. ivâfen(â) >zur Hilfe!
Weh!allen übrigem (so auch V . 2 0 5 , V . 2 4 8 und V . 2 6 5 ) V . 2 0 0 zu vnsen dingen
... gerecht]
>tauglich für unsere A n g e l e g e n h e i t e n
- vnsen wohl flüchtige Schreibung für vnsem. V . 2 0 1 schyer] >unverzüglich< V . 2 0 2 der heischen
kronen fuer]
>dem Feuer der höllischen Krone< - starkes
Neutrum mhd. vim, viuwer. V . 2 0 3 ίο] >fürwahr< V . 2 0 6 die porten] >die Pforten< - Wohl nach Mt 16,18 et portae inferi non praevalcbunt adversum earn. Das im Anlaut unverschobene p- (statt obd. pf) zeigt mitteldeutschen Lautstand. V . 2 0 8 luchstu als eyn swarcz
kesser]
feuchtest wie ein schwarzer Kessel·
- luchstu aus mhd. liuht-(e)stu unter Ausstoßung des stammschließenden -t - Starkes Maskulinum mhd. kezzel, hier mit r für I, vgl. E / R / S / W § L 64f. V . 2 0 9 gedinge] >Rats-, Gerichtsversammlung< V . 2 1 0 keuffen] >kaufen< - Vgl. zu V. 195. V . 2 1 7 >was ich nach Mittag ausscheide< - Starkes Feinininum mhd. nòne aus lat. nona hora >neunte StundeMittagszeitVormittag< (vgl. GIUMM: D W B ,
1 3 , S p . 8 8 0 u n d BERTHOLD:
Volkswörterbuch).
70
Erster Tag
V . 2 2 1 sie besiezen
als myn eygen vaß] »von i h n e n als m e i n e m e i g e n e n G e f ä ß
B e s i t z e r g r e i f e n , sie b e s e s s e n m a c h e n < - besiczen(n) (hier, V. 236 u. V. 245), Partizip Präteritum besesszen/ besesßen (V. 1745 u n d V. 3000), u n d vaß/faß
(hier,
V. 2888 u n d V. 2894) sind in AP üblicher Ausdruck für dämonische Besessenheit, LINKES
Auffassung des Ausdrucks als >Sitzen auf einer Latrine< ( 2 VL, 1, 1980,
Sp. 264) ist als zumindest nicht nahe liegend zu bewerten. V . 2 2 4 f . keyn
ruwe gewynnen,
/ ich brenge en dan] >mir k e i n e R u h e
gönnen,
b e v o r i c h i h n g e b r a c h t habe< V . 2 3 3 furige]
(vgl. a u c h V . 7 3 8 5 ) >feurige< - m h d . viuric.
V . 2 3 6 Sinagogen] V . 2 4 0 phajfe]
d e n Sinagoga
>Rabbi< — Vgl. zu V. 165; hier liegt eine analoge Übertragung v o n
kirchlichen Begriffen auf jüdische Verhältnisse vor, entsprechend w e r d e n auch die Hohenpriester als die bischoff bezeichnet (V. 4390, vgl. auch V. 363). V . 2 4 1 klaffen]
>plappern
g e b ü h r t dir, k o m m t d i r zu< - zu m h d . gebürn. V . 2 4 3 dar zu] >dafiir< V . 2 4 5 das Ion] Das Genus des starken Substantivs schwankt in A P — wie m h d . allgemein u n d hess. noch heute (vgl.
BERTHOLD:
Volkswörterbuch) -
zwischen
Maskulinuin (vgl. V. 138, V. 1392, V. 8051) u n d N e u t r u m (hier, vgl. auch V. 245 u n d V. 3170). V . 2 4 6 des] >dafür< V . 2 4 7 der helle banck] >die B a n k d e r Hölle< — Z u denken ist hier w o h l nicht an eine Gerichts-, Spiel- oder Wechselbank, sondern mit
SCHULDES:
Teufelsszenen,
S. 136 an eine Sitzgelegenheit. V . 2 5 2 trogenere] >Betriiger< V . 2 5 3 beswerenn] V . 2 5 4 Pilatum
> b e s c h w e r e n , zusetzen< - Zu m h d . beswxren.
den richter] P i l a t u s , d e n R i c h t e r — Lateinische Flexion des Ei-
gennamens. V . 2 5 5 myt syn vnd wiezen]
>mit E i n s i c h t u n d Verstand< - Für die Doppelformel
vgl. zu V. 55. V . 2 5 6 ortel vber Ihesum geben] >Urteil ü b e r J e s u s s p r e c h e n < - Starkes N e u t r u m m h d . urteil, urtel, in ortel, orteyl mitteldeutsche Senkung von ur- zu or. V . 2 5 8 want]
denn
V . 2 5 9 sich korczlich
machenn]
>in K ü r z e g e s c h e h e n < - Adverb m h d .
kurzliche
z u m Adjektiv m h d . kurz; korcz- mit mitteldeutscher Senkung von u zu o. V . 2 6 1 kloppet
do ... vor] >klopft daran
lässt d u ein< V . 2 6 3 byndet
...
in die helle pynn]
>in d e r H ö l l e n p e i n < — Hier Akkusativ,
V. 7234 jedoch, wie zu erwarten, Akkusativ: byrit eri γη der helle grünt.
2. Beratung der Teufel gegen Jesus (V. 133-463)
71
V . 2 6 7 weyst den alden rey en] >kennst den alten Reigen< — Bezogen wohl auf den Höllentanz, welchen die Teufel mit den Verbannten trederi (vgl. V. 302) oder auf der hulden datiez (V. 235). FRONING: (Drama. I, Anm. zu V. 267) gibt unspezifisch an >Rummeldich zu den großen Krügen verfügen, stellen< V . 2 7 0 schengken]
>einschenken, zu trinken geben< - Schwaches Verb mhd.
schenken. V . 2 7 1 >mit Schwefel und Pech sollst du sie tränken, sie ... trinken lassem - Die Formel swebel vnd bech auch V. 1109; starkes Maskulinum mhd. swëbel, swëvel; starkes Neutrum mhd. bëch, pedi. V . 2 7 3 der du ... entbere] >welche du entbehren, auf welche du verzichten m ö c h t e s t — (GREIN: Wörterbuch, S. 285) - modaler Konjunktiv Präteritum; mhd. en(t)bërn mit Genitiv der Sache. V . 276 frist] >Zeitpunkt< V . 2 7 7 name geheyssen
ist] >Name genannt wird
desto< V . 2 7 9 in den ewigen hellentrone] >im, auf dem ewigen Höllenthron< - -en hier jeweils für -cm, vgl. E / R / S / W § L 62, 4 (S. 140f.). V . 2 8 0 vmb daz ... gebruet] >darum, dass ... gebraut, verursache - Zu mhd. briuwen, starkes Verb V . 2 8 1 ernuwet] >emeuert< — zu mhd. emiuwen (vgl. V. 281, V. 5586 u. V. 6476). V . 2 8 2 ich byns geheyssen] >ich bin's, genannt* - Das enklitische -s bei byn-s ist in drei Fällen seines Auftretens (hier, V. 321 und V. 3566) als Nominativ aufzufassen, das Darauffolgende entsprechend als Apposition. Allenfalls bei V. 517 ich byns vnwirdigk dar zu kann adverbieller Genitiv (>bin deshalb/diesbezüglich^ angenommen werden. V . 2 8 3 heben ... an] >anheben, anfangen mit< — Mhd. mit Genitivobjekt. V . 2 8 9 dar vff was alle myn gedenckenn]
>darauf war all mein D e n k e n gerichtet
sie dazu angestiftet V . 2 9 2 vorsmehen en ais eyn vntedigen man] >ihn als Untat verübenden, verbrecherischen M a n n verschmähen, gering schätzen, verachten< - Schwaches Verb mhd. versmœ(hc)n, vcrsmâ(hc)tr, Adjektiv mhd. untœtic zum starken Femininum mhd. untât >Untat, Verbrechern. V . 2 9 3 vnd ...
doch] >obwohl ... doch< (vgl. auch V. 5 6 9 3 , V . 5 9 5 3 u.
V . 6059). V . 2 9 5 als] >alles< V . 2 9 6 erbeit von vnderstan] >Aufgabe, M ü h e weiterhin unterziehen< — Starkes Femininum mhd. ar(c)bcit, er(c)bcit.
72
Erster Tag
V . 3 0 1 >sind zu u n s e r e m R e i g e n gezähltx - Für reyen vgl. zu V. 267. V . 3 0 2 treden] >treten, tanzen< — Starkes Verb mhd. treten-, vgl. zu V. 267. V . 3 0 6 orlaupp] >Erlaubnis m i c h zu entfernen< - Starkes Maskulinum mhd. urloup, -bes. V . 3 0 7 prism dyn loib] >immer d e i n L o b singen< - Sonst dafür loib sagen (V. 1332, V. 1630, V. 1849, V. 2308 u. V. 7070), loib (ge)meren (V. 2567 u. V. 2575), loib verkundigen (V. 1499 u. V. 8043) oder loib bekant machen (V. 1488). V . 3 1 1 schalkeyt] >Bosheit< - Bedeutung in AP gegenüber der heutigen pejorativ (vgl. V. 416: Phy dich an, du boszer schalgk, V. 375, V. 377, V. 380 u. V. 433). V . 3 1 7 here vnd dar] >hierhin u n d dorthin< V . 3 2 1 ich byns] >ich b i n es< - Vgl. zu V. 282. V . 3 2 3 hirlich begabenn] >herrlich belohnen< - Adverb mhd. hêrlîche, Adjektiv mhd. -lieh zum Adjektiv mhd. her >hehr, erhabenHerrhabe vollständig u m r u n d e t < V . 3 2 5 die wyde vnd auch die krumme] >in der G e r a d e u n d in der R u n d u n g < - Vgl. zu V. 126. V . 3 2 6 viel arges zu bracht] >viel an B ö s e m zu S t a n d e g e b r a c h t - argk (Schreiber Β, V. 3913), Genitiv arges (V. 326, V. 3558 u. V. 3986): mhd. arc >Böses, Übelsowohl b e i Tag als a u c h bei Nacht< - Mhd. beide ... und verbindet sowohl zwei (vgl. nhd. beide) als auch mehrere Glieder. V . 3 2 9 das nu eyn frommekeyt wisszen lan] »nun ein Z e u g n i s m e i n e r T ü c h tigkeit s e h e n lassen, nämlich< - Starkes Femininum mhd. vrümec-heit zu vrum(e), vrome >Nutzeneinen Hass b e k o m m e n < V . 3 3 6 von tribenn] >weiter betreiben< V . 3 3 7 an em ... beclibenn] >an i h m h a f t e n b l e i b e n , i h n festhalten< — Starkes Verb mhd. beklîben. V . 3 3 8 en brechten] Die Valenz des Verbs erfordert den Akkusativ en, der Dativ em der Hs. erscheint nicht haltbar. V . 3 3 9 gar eben] >sehr gelegen< V . 3 4 0 gefyellen sie vns] >fielen sie u n s anheim< V . 3 4 2 myt vnszem zenen zurissenn] >mit u n s r e n Z ä h n e n z e r r e i ß e n , z e r f l e i schen V . 3 4 4 mich des vnderwynden] >dies auf m i c h n e h m e n , U n t e r n e h m e r n - Vgl. V. 4435 u. V. 4453. n a c h V . 3 4 5 reddit sibi grates] >stattet i h m D a n k ab< V . 3 4 9 an tvangk] >ohne S c h w a n k e n / R ü c k s i c h t < - die Wendung begegnet noch V. 7447 u. (ane wang) V. 4853, entsprechend bei Schreiber Β sunder wangk V. 3794 u. V. 3860.
2. Beratung der Teufel gegen Jesus (V. 133-463)
73
V. 351 dar vff lange gestet myn mut] >danach steht mir s c h o n lange der Sinn< V. 3 5 2 mich heysßet] >(man) n e n n t mich< - GREIN: Wörterbuch, S. 331 interpretiert die Stelle als Imp. Plural (>nennt mich!(ich) führe diesen s c h ö n e n Tanz an< - Vgl. zu V. 144. V. 3 5 4 ruttei] >Wegelagerer< - Nur bei GREIN: Wörterbuch, S. 377 unter Hinweis auf mlat. ru{p)t{u)arius, vgl. D u GANGE: 7, Sp. 242 mptuarii (zu rumpere, Sp. 232) u n d N I E R M E Y E R / V A N DE KIEFT: 2 , S . 1 2 0 6 .
V . 3 5 5 f . he sij ... / ire konde] Der Singular steht in grammatischer Spannung zum Plural des Hauptsatzes. V. 3 5 7 orden] >Ordnung, R e i h e , Stand< V. 3 5 8 von henen] »von hinnen, fort< V . 3 5 9 her vnd dar] >hin u n d her< - Die gleiche Wendung V. 3585. V. 360f. sye reyßen mit, noidt / w f f ] >sie unter Z w a n g hinreißen, verleiten zu< V. 361 vnschuldigen]
Das u ist vom Schreiber offenbar vergessen worden.
V. 3 6 3 mit der luden schaden bischoff Cayphas]
>Kayphas, z u m Schaden der
Juden B i s c h o f (= Hoherpriester)< - Zur Übertragung der Bezeichnung für kirchliche Amter auf jüdische Verhältnisse vgl. zu V. 240. V. 3 7 0 mich des besonne] >darauf m e i n e Sinn g e r i c h t e t V. 371 summe] >Menge< V. 375 rysche] >hurtig, schnell< - Adjektiv mhd. risch. V. 3 7 6 monichen vnd mit pfaffen] >mit O r d e n s - und Weltgeistlichen< - Für pfaffc vgl. zu V. 165. V . 3 7 7 f . vorschaffen / vnthogenth]
>verhelfe zu Unsittlichkeit< - Starkes Femi-
ninum mhd. untugent, hier wohl speziell im Sinne des Geschlechtlichen, V. 424 dagegen generell. V. 3 8 3 gyrheit] >Gier, Geiz< (gyerheyt V. 3631) V. 3 8 7 phunt,
qwentyn vnd loyth] >Pfund, Q u e n t u n d Lot< - Wie am Gebrauch
in cyn phunt guides (V. 7590) und guides ιvol eyn phunt (V. 7626) zu sehen, ist Pfund nicht nur allgemeine Gewichtseinheit, sondern, auch speziell ein Geldmaß (vgl. GRIMM:
DWB, 13, Sp. 1810-12). - quentin ist nach
GRIMM:
GRIMM:
DWB, 13,
Sp. 2355 auf mlat. quentinus »mit alter Verwechslung der vier- und fünfzahl« zurückgehend, »der vierte theil eines lothes«; wie GRIMM: DWB, 13, Sp. 2354 angibt ist Quent aus Quentin verkürzt,
GREINS
Deutung von qwentyn als >Quentchen
1/30 Pfund< als Maß an, GRIMM: DWB, 6, Sp. 1204-1206 dagegen unspezifisch >gewicht, [...] ursprünglich ein bleistiick bestimmter schwerem
74
Erster Tag
V . 3 8 8 falsch
machen]
V . 3 8 9 solícheri
>fálschen
solchen geschickten, gerissenen< - Pronominalad-
jektiv mhd. sol(î)ch; hablich, häblich gibt GRIMM: D W B , 10, Sp. 95 als Adjektivbildung zu Habe u.a. an: »geschickt, tüchtig, hier rührt es sich an sich haben im sinne von sich verhalten«, LEXER: H W B für habe-, hebe-lich u.a. >geiz in betreff der erworbenen habe< und >tüchtig, sicher, verlässliche demgegenüber scheint GREINS Rückgriff auf ags. hefeltc, hefig >schwer, gewichtig, erheblich< (Wörterbuch, S. 329) bemüht. V . 3 9 0 dynßen]
>gewaltsam schleppen
dafür sehr teuer Zins, Tribut zahlen
schämenswertes
und
ehrverletzendes
Tun,
Schandtaten u n d Schmähungen< A D 3 3 (zu V . 3 9 2 ) schan] >schämenswertes T u n , Schandtaten< - Für das starke Feinininum mhd. schände mit Wegfall des -d nach Apokope. V . 3 9 5 huwen
vnd stechen]
>hauen u n d stechen, m i t H i e b - u n d S t i c h w a f f e n
kämpfen< V . 3 9 7 gelerne]
>lehren
sieh zu, gib acht!< V . 4 0 0 f . mache die gelartenn,
/ das sie werden die vorkartenn]
>bewirke b e i den
G e l e h r t e n , dass sie die V e r k e h r t e n werden< - Das Partizip Präteritum gelart des schwachen Verbs mhd. leren zeigt in AP regulär den (anorganischen) sogenannten Riickumlaut auch in der unflektierten Form, lediglich V. 3486 heißt das Partizip gelerei. - Das Partizip Präteritum zum schwachen Verb mhd. verlieren - außer hier stets prädikativ gebracht - erscheint sowohl mit (vorkart) als auch ohne (anorganischen) sogenannten Rückuinlaut (vorkeret), beim Verbum simplex mhd. kêren und beim Kompositum mhd. bekeren ist das Partizip Präteritum nur mit sogenanntem Riickumlaut belegt ige-, bekart). V . 4 0 3 die ehe bricht] >übertritt, verstößt g e g e n das religiöse Gesetz< - Sicher mit ehe, mhd. é in der alten generellen Bedeutung nicht speziell auf den >Ehebruch< (wie V. 2689 u. V. 2707) bezogen; zu brechen im Bezug auf eine Norm vgl. auch V. 418, V. 2689, V. 2707, V. 2972, V. 3473, V. 6509 u. V. 7186). V . 4 0 7 in den lenden lame] >in der H ü f t e gelähmt< - Die Verwendung der Phrase als Euphemismus für Impotenz ist offenbar erst für jüngere Zeit belegt. 2 Die Vorstellung vom hinkenden Teufel hingegen ist alt und breit bezeugt. V . 4 1 0 affter koßen]
>afterreden, üble N a c h r e d e halten, verleumden< - Schwa-
ches Verb mhd. afterkôsen zum starken Femininum/Neutrum kôse >Rede< (< lat. causa).
2
Für die Auskunft danke ich Kurt GÄRTNER, Trier.
2. Beratung der Teufel gegen Jesus (V. 133-463)
75
V . 4 1 1 >lügen, b e t r ü g e n u n d Böses tun< - Für liegen vgl. zu V. 169; für triegen vgl. zu V. 170; schwaches Verb mhd. bcesen. V . 4 1 5 leynster] >Gefolgschaft Leistende, A n h ä n g e r , B e f o l g e n - (GREIN: W ö r terbuch, S. 351). — Mhd. leister zum schwaches Verb mhd. leisten. V . 4 1 7 swerenn]
>schwören< - Mhd. (be)swem (vgl. auch V. 930, V. 3562, V. 3930,
V. 4368 u. V. 6245) noch nicht gerundet. V . 4 1 9 ire eitern thun sie hoeti vnd spot] >ihre E l t e r n v e r h ö h n e n und verspotten sie< - Die Zwillingsformel >Hohn und Spott< begegnet noch V. 4309 u. V. 4575. V . 4 2 0 funde]
>Kniffe< - Vgl. zu V. 180.
V . 4 2 1 aptgrunde] V . 4 2 3 zcygk]
>Abgrund< - Mhd. ab-gründe, starkes Neutrum.
>schnell u n d gewaltsam ziehe< - Mhd. zücken, schwaches Verb
(zuckenn V. 1929, zucken V. 5573) als intensivierende Bildung zu mhd.
ziehen,
starkes Verb. V . 4 2 4 reyße sye zw vnthogenth]
>verleite sie zur L a s t e r h a f t i g k e i t - Vgl. zu
V. 360 u. V. 378. V . 4 2 5 alter] Das hs. aller zeigt grobmundartliche Assimilation von It (über Lenisierung Id) zu II; vgl. V. 1892. V . 4 3 0 f . sich / bomen vnd qwellen]
>brennen u n d sich quälen< - Zum Pronomen
sich an dieser Stelle bemerkt GREIN: Wörterbuch, S. 377: »der Dativ wird auch bei intransitiven Verbis als schwaches Reflexivum gebraucht, eine Verwendung, welche den Begriff des griech. Mediums ausdrückt«; schwaches Verb mhd. burnen, bomen. V . 4 3 2 myne] mieiner, mich< - Für den Genitiv bei mhd. vergèzzen vgl. zu V. 25. V . 4 3 3 besesßen]
>begabt< - Oder liegt hier die Vorstellung der Besessenheit zu
Grunde (vgl. V. 221)? V . 4 3 5 kromme]
>krumm< - Zu mhd.
krimp.
V . 4 3 7 lerne] >lehre< V . 4 3 8 kebeln,
swattzen
vnd waschen]
>keifen, schwatzen u n d plaudern< - Für
kebeln vgl. GRIMM: D W B , 11, Sp. 656f. (kibbeln); waschen ist nach GRIMM: D W B , 27, 2 2 4 2 - 4 5 abgeleitet vom onomatopoetisch gebildeten Substantiv wasche >MaulKlappertaschen, Plaudertaschen< - Vgl. GRIMM: D W B ,
11, Sp. 978 (mit der hier vorliegenden Stelle als frühestem Beleg). V . 4 4 1 der zw willen] >dir zu liebe< V . 4 4 3 snode gesunde]
>schnöde Gesinde< - Das Adjektiv mhd. snœde ist in AP
sonst eindeutig pejorativ gebraucht (V. 545, V. 543, V. 3968, V. 5989, V. 6330 u.
76
Erster Tag
V. 6348), hier liegt demnach wohl eine Umwertung im Sinne höllischer Perversion vor (vgl. auch V. 136, V. 451 u. V. 453). - Starkes Neutrum mhd. gesinde >Gefolge, Dienerschaft. V . 4 5 0 hynderi an den reygen nach] >hinter d e m R e i g e n her< - Für reygen vgl. zu V. 267. V . 4 5 2 eyne gesunde boße] >ein böses Gesinde< - Vgl. zu V. 443. V . 4 5 3 >Habt K r ä m p f e in e u r e m Gedärm< - Starkes Femininum mhd. gibt, starkes Neutrum mhd. ge-krcese. V . 4 5 5 wol vnd siecht] >gut u n d schlicht< - Zu den verschiedenen Bedeutungsnuancen von mhd. sieht vgl. V. 789, V. 3272, V. 3849, V. 3903 u. V. 7782. V . 4 5 6 togetsam] >tugendsam, untadelig< - Zu mhd. tugent-sam. V . 4 5 9 sele syden vnd qwellen] >Seelen k o c h e n u n d quälen< - Das Femininum mhd. sêle wird in AP wie hier stark (vgl. auch V. 2551 u. V. 2606) oder schwach flektiert (V. 2040, V. 7031, V. 7039 u. V. 7078). - Das starke Verb mhd. sieden kann sowohl absolut im Sinne von >sieden< (V. 6642 dar in saltu sieden) als auch wie hier — transitiv im Sinne von >zum Sieden bringen, sieden lassem. — Schwaches Verb mhd. quelri. n a c h V . 4 5 9 >So l a u f e n alle in die Hölle, Luzifer als erster u n d dann folgt i h m Satan, u n d sie sollen singen< V . 4 6 0 hanget an] >hängt e u c h an!< - G R E I N : Wörterbuch, S. 328 fasst die Stelle auf als Aufforderung sich anzuschließen. Da mehrfach das Abtreten einer Gruppe in Tanzform geschieht (vgl. etwa nach V. 6522: Et tunc Iudei recedimi cotizando oder V. 5258, dort verbunden mit der Aufforderung hanget an), kann hier aber wohl auch an ein tatsächliches Anhängen an Schultern oder Hüfte des Vordermanns zur Bildung einer Tanzreihe gedacht werden (vgl. zu nach V. 139). V . 4 6 3 tmren] >trauern, traurig sein< - Mhd. trilrcn, schwaches Verb, hier wohl als höllische Form des Wohlseins, n a c h V . 4 6 3 descendit de doleo] >steigt v o m Fass h e r u n t e r
(2) Q u e l l e n Eine einheitliche Vorlage f ü r die Vorstellung einer T e u f e l s v e r s a m m l u n g in der v o r l i e g e n d e n Art k a n n nicht b e n a n n t w e r d e n . Da die mittelalterlichen Aussagen über die H ö l l e k e i n geschlossenes u n d festes B i l d ergeben, d e m die v o r l i e g e n d e Szene entspräche, sondern i m Gesamten w i e i m Detail sehr unterschiedliche K o n z e p t i o n e n zu f i n d e n u n d - w i e die U n t e r s u c h u n g v o n Isabel G R Ü B E L (Die H i e r a r c h i e der Teufel) zeigt - oft a u c h m i t k o n k r e t e n Schriften u n d N a m e n zu v e r b i n d e n sind, erscheint es sinnvoll, die einzelnen in der S z e n e angesprochenen Vorstellungen b i b l i s c h - a p o k r y p h oder t h e o logiegeschichtlich zu verorten.
2. Beratung der Teufel gegen Jesus (V. 1 3 3 - 4 6 3 )
77
— D e r Text spielt des Öfteren auf den Engelssturz an (etwa V . 152). Dieser begegnet ausgeführt in O f f b 1 2 , 7 - 9 als Sieg Michaels über den Drachen und seine Engel: et proiectus est draco ilk magnus, serpens antiquus, qui vacatur Diabolus et Satanas, qui seducit universum orbem, proiectus est in terram et angeli eius cum ilio missi sunt (12,9). — D e r oberste Teufel heißt in A P wie allgemein Luzifer. Diese Benennung des Höllenfürsten konnte sich erst in der Frühscholastik durchsetzen. D e r seiner wörtlichen Bedeutung nach (luci-fer, vgl. V . 154 licht-treiger) durchaus positiv konnotierte N a m e wurde zunächst als periphrastische A n t o nomasie' für den Morgenstern (vgl. auch V . 207 morgenstem)
verwendet,
so auf Christus bezogen und auch als Taufname gewählt (vgl. GRÜBEL, S. 87). D i e U m w e r t u n g zum Teufelsnamen vollzog sich maßgeblich durch die Kombination zweier mit Lichtmetaphorik arbeitender B i b e l stellen (vgl. GRÜBEL, S. 86f.): der Vision Jesu v o m Sturz des Satan Lk 10,18 videbam Satanan sicutfulgur
de caelo cadentem und Jes 14,12
quomodo
cecidisti de caelo lucifer, qui mane oriebaris. Diese Jesaja-Motive gestaltete das apokryphe
Bartholomäus-Evangelium
(Ausgabe
SCHNEEMELCHER:
1,
S. 424—437) zur detaillierten Erzählung v o m Wandel des himmlischen lichttreiger (V. 154) und morgenstern (V. 2 0 7 ) zum Herrn der Hölle aus (vgl. GIÍÜBEL, S. 39). D e r gestürzte Engel, der dort Beliar heißt (IV,12), gibt selbst Auskunft: E r sei »als erster Engel [...] geschaffen worden« (IV,54). N e i disch auf die W ü r d e des eben erschaffenen Menschen, habe er Gottes Zorn durch die Drohung erregt, er wolle seinen eigenen
»Throngegenüber
seinem [sc. Gottes] Thron errichten und sein wie er« (IV,55, vgl. Jes 14,13 super astra Dei exaltaba
soleum meum und 14,14 ero similis Altissimo).
Mit
ihm seien die sechshundert ihm unterstellten Engel von Gott abgefallen und gestürzt worden (IV,56). — Mehrfach hebt der Text auf Luzifers vormals leuchtende Schönheit ab (V. 151 hye vor was ich eyn engel dar, vgl. auch V . 140, V . 151, V . 172f., V . 2 3 4 und V . 250), die seiner jetzigen hässlichen Schwärze kontrastiert (V. 2 0 8 nu luchs tu als eyn swarcz kesser gar, vgl. auch V . 174). Diese Vorstellung weist GRÜBEL, S. 87 u.a. bei Honorius Augustodunensis, einem monastischen Kirchenschriftsteller des 11./12. Jahrhunderts, in dessen dialogisiertem Katechismus Elucidarium
(siue dialogus de summa totius chris-
tianae theologiae) nach: sicut prius pulcherrimus, prius splendissimus, postea tenebrosissimus;
ita postfactus
omni honore execrabilis (liber I, cap. VII; PL 172, S. 1114).
3
es nigerrimus; qui
qui prius omni honore laudabilis,
Vgl. LAUSBERC: Elemente der literarischen Rhetorik, §
202-207.
post
78
Erster Tag
— Wenn Luzifer seinen Sturz den Lastern hoffart vnd obermut (V. 145) zuschreibt, folgt die Darstellung damit Augustinus, Albertus Magnus und Thomas von Aquin u.a., welche gegenüber dem Neid die superbia als »Ursünde des Teufels und seiner Anhänger schlechthin« akzentuieren ( v g l . GRÜBEL, S. 3 9 ) .
— Eine ehedem hervorgehobene Stellung innerhalb der Engelshierarchie weist AP dem Luzifer nicht zu, lediglich eine besondere Funktion: ich was in dem obersten thron eyn lichttreiger (V. 154). Demgegenüber sieht die Tradition seine Rolle als Anführer der Teufel, welche ihm auch im Text zukommt (vgl. die Anrede V. 183 O edele herre Lucipei·), teilweise in Analogie zu seiner einstigen Position als primus angelus (Honorius Augustodunensis, Elucidarium, liberi, cap. VI; PL 172, Sp. 1114), die er gewissermaßen beibehalten habe (vgl. G R Ü B E L , S. 39f.). Dies gilt für die gesamte hierarchische Verfassung der Hölle, welche nach dem ägyptischen Mönchsvater Johannes Cassian (4./5. Jahrhundert) »entweder ein Relikt oder eine unter umgekehrtem Vorzeichen stehende Nachahmung der himmlischen Ordnung« ( G R Ü B E L , S. 40) darstelle: Im 8. Kapitel des 8. seiner 24 fiktiven Dialoge mit Einsiedlern, seiner Conlatio abbatis Sereni secunda, de principatibus lässt Johannes Cassian den Anachoreten Serenus im Gespräch mit Germanus sagen: uel ex illius anterioris ordinis gradu [...] nunc etiam retentare, uel [...] ad similitudinem illarum uirtutum, quae ibidem perseuerant, pro nequitiae suae merito [...] hos inter se gradus et ordinum vocabula in parte contraria uindicasse (SC 54, S. 17). Auch die Spezialisierung der Teufel auf bestimmte Aufgabenbereiche wird häufig als Entsprechung zur Struktur der Engelswelt betrachtet (vgl. G R Ü B E L , S. 85), worüber der nachmalige Pariser Bischof Petrus Lombardus (11./12. Jahrhundert) in seinem theologischen Hauptwerk Libri quatuor senteniarum ausführt: Habent (sc. mali angeli) quoque secundum modum scientiae majoris vel minoris, praelationes alia majores vel minores. Quidam enim uni provinciae, alii uni homini, aliqui etiam uni vitio praesunt (liber II, distinctio VI; PL 192, Sp. 663). — Dass dem Höllenfürsten aus der Schar seiner Untergebenen der Teufel Satan als bevorzugter und deutlich hervorgehobener Mitarbeiter beigegeben wird, begegnet schon im Nikodemusevangelium (NikEv X X [Descensus IV]). Für den obersten Teufel steht dort Hades, vgl. Szene 126: V. 7077-7298). — Das Passionsspiel kennt eine Teufelsmutter (V. 432—441), während im Märchen von des Teufels Großmutter die R e d e ist. Belegt ist auch die Vorstellung von einer Schwester oder Braut des Teufels. Jacob G R I M M (Deutsche Mythologie. 2, S. 842f.), der die einschlägigen Stellen referiert, sieht in diesen Frauengestalten an der Seite des Teufels die schwache Erinnerung an ein heidnisches Götterpaar.
2. Beratung der Teufel gegen Jesus (V. 1 3 3 - 4 6 3 )
79
— AP stellt dar, wie die Teufel sich die einzelnen für den Prozess Jesu entscheidenden Instanzen und verantwortlichen Gestalten vornehmen, um sie im höllischen Sinne zu steuern und den Tod Jesu schnell herbeizuführen. Die biblischen Texte sehen jedoch direkten Einfluss des Teufels nur beim Verrat des Judas (Lk 22,3, J o h 13,2.27). Diese Vorstellung hat in AP eine systematisierende Ausweitung erfahren. — Die Sünden, zu welchen die nach V. 351 eingefügten elf Teufel verführen, folgen insgesamt keinem etablierten Kanon, etwa im Sinne der Todsünden oder als Verstöße gegen die Gebote des Dekalogs. Interessant ist in diesem Zusammenhang jedoch die R e d e der Teufelsmutter Hellekrugk (V. 432—441). W i e ganz aus dem seelsorgerlichen Alltag gegriffen scheint die Schilderung der glapperdeschen (V. 439) mit ihrem kebelri, swattzen vnd waschen (V. 438) in der Kirche. Tatsächlich jedoch verbirgt sich dahinter die Todsünde der acedia als der >geistlichen Trägheitc Dieses Laster wurde speziell auf die durch Hunger bedingte Zerstreutheit der Mönche beim Mittagsgebet gedeutet und von da ausgehend allgemein auf Unaufmerksamkeit und mangelnde Andacht im Gottesdienst bezog e n (vgl. GRÜBEL, S . 2 1 5 ) .
— Raffenzann (V. 2 8 6 - 2 9 4 ) und Binckenbangk (V. 3 3 0 - 3 3 8 ) spielen auf die Verstockung der Juden an. Deren biblischer locus classicus ist der Auftrag an den Propheten Jes 6,9 vade et dices populo huic audite audient.es et nolite intellegere et videte visionem et nolite cognoscere / excaeca cor populi huius et ames eius adgrava et, oculos eius claude, in J o h 12,39f. erneut aufgegriffen und auf Wirken und Person Jesu bezogen. (3) Szenenparallelen Die friedberg-alsfelder Szene hat innerhalb der Hessischen Passionsspielgruppe keine Parallelen. Literatur: DURIEZ: Théologie, S. 62-72
und S. 1 0 0 - 1 0 5
Näherer Erörterung bedürfen die Zusammenhänge innerhalb der Hessischen Passionsspielgruppe. Uber die Verlaufsstruktur der Szene bei FdD, ALr, AP und A D orientiert die folgende Ubersicht. Der Text auf dem einen erhaltenen Blatt der Alsfelder Luziferrolle (ALr) reicht bis in Luzifers Antwort auf den Teufel Rosenkrancz. Mit Ausnahme der Milach-Passage (Antwort Luzifers AP V. 228—233) stimmen ALr und AP hier strukturell vollkommen überein. Im Wortlaut gibt es jedoch, auch abgesehen von den im Rollentext überflüssigen Sprecherangaben, bezeichnende Abweichungen, die im Einzelnen zu untersuchen sind:
80
Erster Tag
FdD
ALr
AP
AD
Eröffnung 83 [84] 85 86 87 88
1-5
7-10 11-27 28-34
Sammelruf Luzifers: V. 133—138
7
Tanz u. Gesang: V. 139-140a Dank Luzifers: V. 141-144 Klage Luzifers: V. 145-162 Protest der Teufel: V. 163-168 Widerruf Luzifers: V. 169-174
8 9 10 11 12
Ratbitte Luzifers: V. 175-182
13
Beratung 89 [90]
35-42
5 kurze Selbstvorstellungen, jeweils mit Luzifers
(91-93) —
43-50 51-54
—
—
—
55-60 61-66
—
Ende ALr
Sathanas: V. 183-206 Bone: V. 207-217 Milach: V. 218-233 Natyr: V. 234-249 Rosenkrancz: V. 250-271
—
B-Einfügung:
Β Β Β Β Β Β Β Β Β Β Β Β Β
—
(94-96) (97-99) [100-102] [103-105] — — — — — — —
[106]
14-15 16-17 18-19 20-21 22-23
2 ausfiihrliche Selbstvorstellungen, jeweils mit Luzifers
Raffenzann: V. 272-317 Binckenbangk: V. 318-351
—
Lohnverheißung
Antwort
24-25 26-27
11 kurze Selbstvorstellungen und Abschluss
Spiegelglantz: V. 352-367 Krentzlynn: V. 368-373 Federwysch: V. 374-379 Beltzbugk: V. 380-385 Astorodt: V. 386-391 Berith: V. 392-397 Belial: V. 398-405 Scherbranth: V. 406-413 Heihundt: V. 414-421 Schoppenstugk: V. 422-431 Hellekrugk: V. 432-441 Zus.fassung Sathanas': V. 442-453 Dank Luzifers: V. 454-459
28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40
Abschluss D-Einfügung: —
Abgang
D Abgangsgesang: V. 460-463
— —
ursprüngliche Schlussregie (A) —
Abgang Luzifers: nach V. 463
41
2. Beratung der Teufel gegen Jesus (V. 133-463) — Die Fluchandrohung AP V. 136 das vch die ridde ALr V. 4 das vch der ritt und falben schuddert. Die Lippenrundung korrespondiert besser mit dem (ALr V. 3, helleroddenn AP V. 135). Auch läuft der version von ALr mit ihrer Alternation glatter als Hebungsprall muß schidden.
81
muß schiddenri heißt in in schuddert angesetzte Reimwort helleruddert Metrik nach die Textder AP Vers mit dem
— Gleiches gilt für AP V. 144 gegenüber ALr V. 10: Die Präfigierung bei gespringen in AP (bei ALr das Verbum simplex springen) macht eine Senkungsspaltung nötig (möge gespringen) und stört so den bei ALr geregelten Vers gang. — Der Konjunktiv Präteritum mochte bei ALr scheint als Irrealis besser m o tiviert als der Konjunktiv Präsens möge bei AP. — Verglichen mit AP V. 145 (Ouv vnd owe) bietet ALr V. 11 (Owé vnd wê) den metrisch einfacheren Text. — Statt erwirbestu ... gut (AP V. 146) hat ALr V. 12 den weniger komplizierten Gedanken enwirdestu ... gut. — Die ALr Variante zu AP V. 147 mit byti ich doch verloren (V. 13) hat gegenüber AP einfache Alternation. — Für die Motivierung des Konjunktivs I wol in AP V. 156 und V. 157 muss auf Abhängigkeit (konsekutiv) von alszo sere (V. 155) zurückgegriffen werden, eine Schwierigkeit, die der ALr Text (wolde V. 22 und V. 23) nicht bereitet. — In V. 158 hat AP für den Dativ Singular maskulin des bestimmten Artikels die dort mehrfach begegnende Form den, die mit der entsprechenden Akkusativ-Form identisch ist. ALr dagegen hat gewöhnliches dem (V. 24). — In AP V. 171 stört die Fügung er sollet disses nicht gléuben mère den glatten Versgang, der mit ir soit ész nicht glóubin mée bei ALr V. 31 gegeben ist. — Gegenüber AP V. 174 rost-(e)r-ige (vgl. BERTHOLD: Volkswörterbuch. 2, Sp. 901 rosterig) hat das Adjektiv bei ALr V. 34 mit dreifacher Suffigierung eine komplexere Bildungsweise (rost-er-echt-ig-). — Für als AP V. 176 hat ALr alle (V. 36), was metrisch einen Hebungsprall (AP: áls wol) vermeidet und im Blick auf die Semantik die einfachere Variante darstellt. — Das gegen ALr V. 39 überschießende gar von AP V. 179 hat intensivierende Wirkung, bewirkt jedoch den Hebungsprall gar swynde und beeinträchtigt so die Alternation. — Umgekehrt liegt der Fall bei AP V. 181, wo das einleitende Owe von ALr (V. 41) die Aussage verstärkt, jedoch den Ansatz eines zweisilbigen Auftakts oder einer zusätzlichen fünften Hebung nötig macht.
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Erster Tag
— A u c h f ü r A P V. 205 hat ALr V. 49 die zumindest metrisch kompliziertere Fassung: Die Einsilbigkeit v o n all bewirkt bei ALr den Hebungsprall ànder àll dynen, w o h i n g e g e n die Alternation anders Allen dynen in A P glatt durchläuft. Semantisch betrachtet, ist j e d o c h das Adjektiv ander v o n ALr einfacher als das Adverb anders bei AP. — Die Setzung des Subjektspronomens du in der A n r e d e bei A P V. 244 stört die Alternation, o h n e stilistisch besonderes G e w i c h t zu haben. D e r entsprechende V. 55 in ALr bereitet w e d e r metrisch n o c h semantisch Probleme. — Für den Fall anders alle (AP V. 148) gegenüber ander all (ALr V. 59) gilt sinngemäß das f ü r A P V. 205 u n d ALr 49 Ausgeführte. — Metrisch nicht einschlägig ist die Variante den alden rey en (AP V. 267) zu myn alden regen (ALr V. 62). D i e V e r w e n d u n g des Possessivum macht die an sich unspezifische W e n d u n g allerdings eindeutiger. Dass ALr, v o n f r e m d e r H a n d geschrieben, d e m Schreiber A v o n A P auf j e d e n Fall vorgelegen hat (vgl. Einleitung, S. 35), ergibt sich aus dessen E i n tragungen am linken R a n d v o n l v (Danck, Hai, O [?]). Diese deutet ZIMM E R M A N N : Wetterauer Spielgruppe, S. 23 recht plausibel als Schreibproben f ü r die ausgezierten Buchstaben der R e d e a n f ä n g e V. 199, V. 228 und, der F o r m nach zu vermuten, V. 183. W e n n d e m tatsächlich so ist, hatte Schreiber A w ä h r e n d der Niederschrift der Szene das erhaltene Blatt ALr 1 vor sich. Die Art der A b w e i c h u n g e n insgesamt verbietet j e d o c h die A n n a h m e , Schreiber A habe b e i m Abschreiben aus der Vorlage ALr bewusst in den Text eingegriffen. Eine H ä u f u n g v o n unbewussten Abschreibefehlern andererseits ist angesichts des sauberen u n d klaren Schriftbildes v o n ALr w e n i g glaubhaft. M a n wird also ausschließen müssen, dass A P direkt v o n ALr abhängt. O h n e einen zumindest indirekten Z u s a m m e n h a n g der beiden Spielträger j e d o c h ist der h o h e Grad an U b e r e i n s t i m m u n g nicht zu erklären. Z I M M E R M A N N : Wetterauer Spielgruppe, S. 25f. u n d S. 132 n i m m t an, dass A P u n d ALr auf eine gemeinsame Vorlage zurückgehen, dass also d e m Schreiber A n e b e n ALr auch der uns verlorene Gesamttext eines Spieles vorlag, aus w e l c h e m die R o l l e exzerpiert war. Diesen Spieltext, nicht ALr habe Schreiber A als Vorlage genutzt. Das Schriftbild dieses nicht erhaltenen Spielträgers stellt sich Z I M M E R M A N N offenbar so vor, dass es zu den Verlesungen durch Schreiber A k o m m e n konnte. D a Z I M M E R M A N N , S. 134 auch n o c h einleuchtend demonstriert, wie die in ALr fehlende Passage mit der A n t w o r t auf den Teufel Milach v o n A leicht aus Versatzstücken anderer Verse vor allem der Sathanas-Passage V. 183—198 u n d V. 199—206 z u s a m m e n f ü -
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gen konnte, spricht viel f ü r seine Theorie. Sie vermag j e d o c h die Frage nicht zu beantworten, weshalb Schreiber A das erhaltene Blatt ALr 1, w e l ches er ja eindeutig f ü r Schreibproben nutzte, nicht auch zur Klärung bei Leseproblemen in der Vorlage heranzog. D a z u d e m nicht alle A b w e i c h u n gen eindeutig als reine Verlesungen im verlorenen Spiel zu erklären sind, eine Eigenständigkeit des Rollenexzerpts gegenüber d e m Spieltext i m erforderlichen U m f a n g j e d o c h unwahrscheinlich ist, wäre zu überlegen, ob Schreiber A den Text hier nicht n u r abgeschrieben, sondern in bescheiden e m U m f a n g auch umgearbeitet hat, oder ob zwischen ALr u n d der u n mittelbaren Vorlage v o n A nicht n o c h ein weiterer Zwischenschritt anzusetzen ist, also A aus einem Spiel abschreibt, das seinerseits v o n einem weiteren Spiel abhängt, u n d ALr zu diesem Spiel gehört. In der Friedberger Dirigierrolle (FdD) gehört die Teufelsszene nicht z u m Grundbestand des Spieles, sondern ist als registrum rigmorum diabolorum v o n anderer H a n d auf eigenem Blatt nachgetragen. Ein Verweiszeichen u n d die Beischrift Hie Lucifer convocai suos markieren deren Platzierung im Spieltext, u n d zwar wird sie bemerkenswerterweise in die Szenenfolge v o m Gastmahl des Simon Leprosus eingeschoben. Sie steht mithin in großer N ä h e z u m eigentlichen Passionsgeschehen. O b dies auch bei d e m Spiel, zu w e l c h e m ALr direkt gehört, der Fall war, lässt sich nicht m e h r klären. Dass die Szene ursprünglich nicht f ü r so großen Abstand zu Verrat u n d Prozess wie in A P konzipiert w o r d e n ist, scheint j e d o c h wahrscheinlich, da auf diese Ereignisse explizit Bezug g e n o m m e n wird, nicht j e d o c h auf das zeitlich davor liegende Geschehen. I m ersten Teil (von Sammelruf bis zur Ratbitte) entspricht die F d D Szene w e i t g e h e n d der Fassung v o n ALr u n d AP, die Tradition scheint hier auf F d D z u r ü c k z u f ü h r e n zu sein. Die anschließende »Teufelsrevue« ist j e doch v o n ALr u n d A P abweichend gestaltet, w o offensichtlich aus anderer Quelle geschöpft w u r d e . Bei aller U b e r e i n s t i m m u n g bis hin zur W o r t e b e n e i m ersten Teil besteh e n in FdD d o c h drei strukturelle Unterschiede gegenüber A L r / A P : N a c h d e m Sammelruf (83) spricht Luzifer die Teufel an: »Ach, ir helleroddin« (84), w o r a u f Tanz u n d Gesang (85) folgen, die in A P u n d m u t m a ß l i c h auch in d e m hinter ALr stehenden Spiel unmittelbar an den Sammelruf anschließen. Die Luziferrede v o n FdD 84 war w o h l ein A u f r u f zu Tanz u n d Gesang u n d steht somit trotz des Stichwortes helleroddin nicht in direktem Z u s a m m e n hang mit V. 135 in A P bzw. V. 3 v o n ALr, der Bestandteil des Sammelrufs ist. R e u e u n d W i d e r r u f Luzifers folgen in FdD unmittelbar aufeinander (87 u n d 88), w ä h r e n d in A P der Teufelsprotest unter der F ü h r u n g Kottelreys dazwischengeschoben ist. Die dritte A b w e i c h u n g dieser Art ist nicht genau
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einzuordnen: Die R a t b i t t e F d D 89 wird durch eine weitere Luziferrede erweitert, die in A L r / A P fehlt. Gegenüber Z I M M E R M A N N S A n n a h m e , zu wol vernomen (90) gehöre >zweifelsohne >komen< als R e i m w o r t « u n d Luzifer m a c h e hier »über das K o m m e n des H e r r n weitere Ausführungen« (Wetterauer Spielgruppe, S. 133), scheint Vorsicht geboten. Sowohl in FdD als auch in A P / A L r wird nach der R a t b i t t e eine R e i h e v o n Teufeln präsentiert; den A n f a n g macht überall Satanas, w o r a u f in F d D Krenczelin, Feddetwisch, Schorzemage u n d Snyngkensnabel folgen. A u c h in A P folgen die Teufel Krentzlynri u n d Federwysch (V. 3 6 8 - 3 7 3 u n d V. 374-497) aufeinander, allerdings nicht im Grundbestand, sondern in der E i n f ü g u n g des Schreibers B. Gegen die A n n a h m e einer engen Beziehung zwischen F d D u n d A L r / A P spricht j e d o c h vor allem die strukturelle Divergenz: W ä h r e n d der Grundbestand v o n A P u n d mit i h m der v o n ALr in der R e i h e jeweils eine Zweigliedrigkeit v o n Selbstvorstellung eines Teufels u n d L o h n verheißung durch Luzifer aufweist, arbeitet F d D hier dreigliedrig, insofern die Teufel sich nicht selbst präsentieren, sondern vorher jeweils v o n Luzifer aufgerufen w e r d e n . Dass der Z u s a m m e n h a n g mit d e m Passionsgeschehen bei F d D zumindest im Schluss nicht streng gewahrt bleibt, wie dies auch in der B - E r w e i t e r u n g v o n A P geschieht, zeigt die A u f f o r d e r u n g Luzifers, babist vnnd cardinal (FdD 106) in die Hölle zu bringen. Dass sich Schreiber Β aber f ü r seine E r w e i t e r u n g der Szene auch auf der Textebene bei F d D bedient habe, vermag Z I M M E R M A N N : Wetterauer Spielgruppe, S. 137 nicht einleuchtend zu beweisen.
(4) S z e n e n g e s t a l t u n g U m das Wesen der Hölle zu demonstrieren, bedient sich die Szene h a u p t sächlich zweier Verfahren: Z u m einen ist Negatives zu Positivem gewendet, z u m anderen steht die Hölle als Gegenwelt in Parallelität zur Welt des Religiösen. Für die Pervertierung w ä r e n beispielsweise anzuführen: N e g a tive Attribute w e r d e n in l o b e n d e m Sinn gebraucht (das snode gesunde dyne V. 443). Fluchformeln dienen zu G r u ß u n d Segen (das vch die ridde muß schiddenn V. 136, das ene geschee leyt vnd vngemach V. 451, habet die giecht in euwermm gekmß V. 453). Die Teufel wollen in der Hölle truren vnd weynen (V. 462). Als L o h n f ü r gute Arbeit locken sowohl E x k r e m e n t e (was mer entfeilet nach der none V. 217) als auch die Aussicht, am eigenen Leib hellepyn an wangk (>ohne Wanken< V. 349) zu erfahren. Parallelitäten z u m religiösen Bereich ergeben sich aus der Vorstellung einer N a c h ä f f u n g Gottes durch den Teufel als simia dei (vgl. Kotterey zu Luzifer: ich wel dich nu glichen eym affenn V. 166) u n d zeigen sich auf ver-
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schiedenen Ebenen: W i e die Engel den Thron Gottes lobpreisend umgeben, so umkreisen die Teufel das doleum Luzifers mit Tanz und Gesang. W i e Jesus wird Luzifer von seinen Anhängern als Itene (V. 318) und meinster (V. 368) angesprochen, wie die Jünger werden diese von ihrem Meister als frunde (V. 175) bezeichnet. Eine hervorgehobene Stellung, wie sie Petrus im Apostelkollegium zukommt, wird von Luzifer unter den Teufeln Satan zugewiesen, seine Belehnung mit den porten der helle (V. 206) analog zur Funktion des Himmelspförtners unterstreicht diese Parallele. In gewisser Weise entspricht sogar die Rivalität unter den Teufeln - Satan wünscht V. 198 vor anders allen mynen gesellen belohnt zu werden, das gleiche Rosenkrancz V. 265, Hellundt, macht seine Mitteufel mit den Worten was soin dyr alle die leynster (V. 415) verächtlich - dem Rangstreit der Jünger (Mk 9,33— 37 par). Die Krone des ewigen Lebens als Siegespreis (etwa 1 Kor 9,25; Phil 4,1; 1 Thess 2,19) entspricht die von Luzifer verliehene fwige krön (V. 233). W i e die Apostel usque ad ultimum terrae (Apg 1,8) ausgesandt werden, so verfügt Luzifer seine Untergebenen γη alle lant (V. 312). Die Reden, in welchen die Teufel sich an ihren Herrn wenden, sind in Art eines Gebetes strukturiert, besonders deutlich bei Natyr (V. 228-233): Einleitend wird Luzifers Namen genannt und in einer Anamnese auf dessen Geschichte Bezug genommen (V. 228), nach der eigentlichen Darlegung des Sachverhalts (V. 235-241) bildet die Äußerung einer Bitte (V. 242f.) den Abschluss. Gegenüber diesen Darstellungsstrategien nicht zentral ausgeprägt ist die zu erwartende Demonstration sündhaften Tuns wie des Tanzens (V. 139— 141, V. 301-303 und V. 460-463), des verbalen und tätlichen Aufbegehrens (V. 163 - nach V. 169) oder der Lust am Quälen (V. 270f., V. 459) sowie die negative Bewertung des Religiösen, z.B. die Bezeichnung Jesu als zeuberer (V. 178) mit listigen fyndenn (V. 180) oder der Protest gegen Luzifers predigen (V. 167) nach Art von monchen vnd phaffen (V. 165). Ein schlüssiges Bild der Hölle ist offenbar nicht angestrebt, denn die Gegensätzlichkeit der Züge provoziert Brüche, die nicht kaschiert werden. So wird die Höllenqual einerseits (im Sinne der Pervertierung) dem Teufel Binckenbangk als Lohn in Aussicht gestellt (V. 349), andererseits kann Kottelrey seinem in R e u e verfallenen Herrn mit selbiger drohen (V. 168). Keiner strengen Konsequenz folgen auch die Motive für das Vorgehen der Hölle gegen Jesus. V. 211—213 stellt der Teufel Bone den Kampf gegen Jesus schlicht als Rache für den Sturz Luzifers dar. Doch sonst konkurrieren hauptsächlich zwei Vorstellungen miteinander: Einerseits ist es Aufgabe der Hölle, entsprechend dem Willen Gottes der Sünder habhaft zu werden und diese zu bestrafen. Andererseits stiftet der Teufel als Widersacher Gottes zum Bösen und somit auch zum Kampf gegen Jesus an. Die Straffunktion
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k a n n sich sowohl gegen Jesus selbst w e n d e n , der entsprechend der b e schränkten Sicht der Hölle als zeuberer (V. 178) erscheint, als auch gegen dessen Feinde (V. 300—304, V. 340-343), die ihm, d e m untedigen man, der nie keyn sunde gewann / adder nie kein vbbel γη sym herczen hot gedockt (V. 392— 394), den Prozess machen. W e r Böses tut, unterstützt die Ziele der Hölle, dann j e d o c h k o m m t deren Straffunktion z u m Tragen u n d der Sünder wird in der Hölle bestraft. G e b r o c h e n ist auch das Bewusstsein der Teufel: Teils sehen sie sich in ihrer Situation nach d e m Engelssturz als der göttlichen Strafe u n t e r w o r f e n (vgl. besonders Luzifers R e u e V. 145-162, auch V. 2 1 1 - 2 1 3 ) u n d o h n mächtig gegenüber d e m Heilsgeschehen - die (wohl nicht ursprüngliche) Passage V. 258—263 der R o s e n k r a n c z - R e d e beschreibt bereits den D e s c e n sus mit der Fesselung Luzifers. Teils j e d o c h stellen sie ihr Höllendasein als überlegen hin (V. 172—174) u n d glauben Jesus zu Fall bringen zu k ö n n e n (z.B. V. 189). SCHULDES: Teufelsszenen, S. 94 spricht hier v o n einer »stark vermenschlichten auf die Säkularisierungswirkung des Nominalismus z u rückgehende Haltung«, die b e i m Zuschauer nicht n u r »Lachen als Ausdruck der Illusions-Freude« über den »dummen Teufel< bewirkt, da er v o n v o r n herein weiß, dass die B e m ü h u n g e n der Teufel vergeblich sind, sondern >bereits Mitleidsempfindungen« f ü r den >armen Teufel· auslöst. Deutlichen Gestaltungswillen zeigt AP, i n d e m es die Teufelsszene an den A n f a n g des Spiels rückt. Dazu schreibt LAMPE: Darstellung des Teufels, S. 60£: »So ist eine Exposition geschaffen, die geschickt den G r u n d der gesamten Passion als W e r k des Teufels hinstellt. Hier in dieser Versammlung w e r d e n die Triebfedern / zu den folgenden bösen Taten angesetzt, u n d das häufige A u f t r e t e n der Teufel im Verlaufe des Spieles wird durch diese Szene ebenfalls sinnvoll motiviert.« A n der Setzung eines Vorzeichens liegt A P offenbar m e h r als an der stringenten Verbindung mit d e m Passionsgeschehen, was nicht n u r eine zeitliche N ä h e zu Verrat u n d Prozess Jesu nötig gemacht hätte, sondern auch eine stärkere thematische Verknüpfung. Diese ist j e d o c h - entsprechend der biblischen Darstellung - n u r bei Satan u n d Judas erfolgt, bei der hidden gedinge (Bone V. 209), bei Annas und Caiphas (Milach V. 220) u n d b e i m alten J u d e n Sinagogen (NatyrV. 236) tritt gar kein Teufel in Erscheinung, bei Pilatus nicht Rosenkrancz (V. 250—265), sondern Fedderwysch, u n d auch dieser n u r indirekt über Pilatus' Frau. U m g e k e h r t bleibt das im Spiel v o r g e f ü h r t e erfolgreiche teuflische W i r k e n v o n Satan bei Herodias u n d ihrer Tochter hier ebenso u n e r w ä h n t wie das vergebliche B e m ü h e n Natyrs bei Maria Magdalena. Die Teufelsreden im Grundstock zerfallen in zwei G r u p p e n : Die f ü n f knappen R e d e n v o n Satanas, Bone, Milach, Natyr u n d Rosenkrancz u n d die
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beiden umfangreichen der Teufel Raffenzann u n d Binckenbangk. Die ersten f ü n f zeigen in logischer Abfolge die f ü r Verrat u n d Prozess Jesu Verantwortlichen, die j e v o n einem Teufel besessen (der Teufel will in sein O p f e r kommen [V. 191 u n d V. 209], in dieses Jaren [V. 220] es besíczen [V. 221, V. 236 u n d V. 254]) z u m Werkzeug der Hölle w e r d e n . Es sind dies Judas mit d e m Willen z u m Verrat, der auf dies A n g e b o t eingehende R a t der J u d e n , die den Prozess betreibenden Hohenpriester Annas u n d Kayphas, sie unterstützend Synagoga u n d schließlich Pilatus mit der Bereitschaft z u m Fehlurteil. Die Milach-Rede mit der Einflussnahme auf Annas vnd Caiphas (V. 220) fehlt, wie dargestellt, bei ALr u n d ist w o h l nachträglich aus d e m v o r h a n d e n e n Versmaterial u n d nach d e m Vorbild der alten R e d e n gebildet, u m die Figuren der Hohenpriester nicht hinter Synagoga als Vertreter des Volkes zurücktreten zu lassen. D o c h stört die E i n f ü g u n g die Symmetrie der ursprünglichen Kompostion, die zweifach, nämlich f ü r Verrat u n d Prozess, den agierenden (Judas bzw. Hohepriester) u n d den reagierenden (Juden bzw. Pilatus) Part als Paar zusammenstellt. In der ß o « e - R e d e läßt V. 211 als Waise auf Verlust mindestens eines Verses schließen, sofern m a n dies nicht als assonierenden Dreireim auffassen will. Von diesen f ü n f R e d e n h e b e n sich die umfangreicheren Partien des Raffenzann (V. 272—307) u n d des Binckenbangk (V. 318—345) deutlich ab. Die beiden Teufel stellen sich u n d ihre bisherige Tätigkeit vor, w o b e i die R e den vielfache inhaltliche u n d wörtliche Ü b e r s c h n e i d u n g e n zeigen. Beide Teufel haben es o h n e weitere Spezifizierung auf die hidden (V. 2 8 5 / V . 232) abgesehen, haben diesen zu haß (V. 2 8 7 / V . 332) gegen den unschuldigen Jesus (V. 2 8 7 f . / V . 330f.) geradden (V. 2 8 6 / V . 334) u n d so die Verstocktheit der J u d e n betrieben. A n diesen Tätigkeitsbericht (V. 284—295/V. 324—335) schließt sich in beiden Fällen die Absichtserklärung (V. 2 9 6 - 3 0 5 / V . 3 3 6 343) an, diese B e m ü h u n g e n bis z u m Tod Jesu fortzusetzen. Die beiden A n t w o r t e n Luzifers b e g i n n e n identisch mit d e m Verspaar Sathanas vnd dyn gesellen, / ir sollet vch dar zu stellen (V. 3 0 8 f . / V . 346f.), im Folgenden u n t e r scheiden sie sich j e d o c h : Bei Raffenzan schließt sich eine A u f f o r d e r u n g an alle Teufel z u m Seelenfang yn alle lant, (V. 312), besonders unter den Iudden (V. 315) an (im urprünglichen Kontext vielleicht tatsächlich eine Aussendungsrede mit anschließenden Fangszenen). Bei Binckenbangk dagegen folgt die Anweisung, d e m eifrigen Teufel z u m D a n k hellepyn an wangk (>ohne WankeiK V. 349) anzutun. Die R e d e n weiterer elf Teufel (V. 352—441), eine zusammenfassende Vorstellung aller Teufel durch Satan (V. 442—453) u n d Luzifers Schlusswort (V. 454—459) hat Schreiber Β auf ein separates Doppelblatt geschrieben.
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Die elf Teufelsreden folgen direkt aufeinander u n d sind nicht generell miteinander verzahnt. Sie entstammen offenbar einer Seelenfangszene (V. 370 ich hayn mich des besonne verweist w o h l auf eine diesbezügliche A u f f o r d e r u n g Luzifers, die i m ursprünglichen Kontext vorausging; deutlich in R i c h t u n g Seelenfang weist auch V. 392f. Schande vnd laster kan ich wol, / dar mit mach ich die helle voil.). N u r in die erste R e d e , die eigentlich die rutter behandelt, hat der Bearbeiter eine E r w ä h n u n g der luden (V. 359) u n d sogar in F o r m einer Apostrophe frundt Annas (V. 362) u n d bischoff Cayphas (V. 363) eingefügt. Die übrigen zeigen keinerlei Z u s a m m e n h a n g mit d e m Prozess Jesu; es geht u m unkeusche Frauen (V. 368-373), u m Verfehlungen bei monichen vnd [...] pfaffen (V. 376), u m avaritia b e i m riehen (V. 382), u m Maßfälschungen der kremer (V. 388), u m R a u f e r e i e n in der taberne (V. 396), u m Sünden der gelartenn (V. 400), u m Verleumdung, Betrug u n d Lüge (V. 406—413), u m diverse Verstöße gegen die zeene geboth (V. 418), nämlich das zweite (fluchen vnd swerenn V. 417) u n d das vierte (hoen vnd spot gegen Eltern V. 419), in Fortsetzung der Dekalogserie u m die Gebote f ü n f u n d sieben (morden, Stelen vnd rauben V. 426) sowie sechs (vnkuscheit trieben mit frawen V. 427), abschließend u m die acedia (s.o.) der glapperdeschen (V. 439) in der Kirche. Die a u f g e f ü h r t e n Verfehlungen w e r d e n teils konkret aus einer bestimmten Situation oder Gruppenzugehörigkeit abgeleitet, teils entstammen sie tradierten Sündenregistern. D i e Idee, mit Hellekrugk zuletzt die alte M u t t e r Luzifers auftreten zu lassen, gibt der Szene starkes Kolorit. Fünf der v o n Β eingefügten Sprecher sind Teufelsfiguren, die i m w e i teren Spielverlauf nochmals v o r k o m m e n : Spiegelglantz u n d Berith bei der A u f n a h m e der Herodias u n d ihrer Tochter in die Hölle (V. 1040—1137), Krentzlynn u n d Beltzbuck bei der A u f n a h m e des linken Schachers in die Hölle (V. 6641-56), Federwysch bei der Beratung der Teufel gegen Johannes den T ä u f e r V. 620—697 u n d b e i m Traum der Frau des Pilatus (V. 4418— 65). M i t Ausnahme des Teufels Frauwenzornn ( A u f n a h m e der Herodias u n d ihrer Tochter in die Hölle) stellen sich in dieser einleitenden Szene somit alle Teufelsfiguren des Spiels vor. W ä h r e n d Schreiber Β die Teufelsreden, sei es in ihrer Gesamtheit, sei es in Einzelteilen, mit großer Wahrscheinlichkeit einer Seelenfangszene entn o m m e n hat, ist die zusammenfassende Präsentation Satans (V. 4 4 2 - 4 5 3 ) ganz auf die Verhältnisse v o n A P zugeschnitten, was sich darin zeigt, dass die Aufzählung der Figuren (V. 444—449) sowohl diejenigen der B - E r w e i terung als auch diejenigen des Α-Grundbestands berücksichtigt u n d so die n e u e n Teile mit den alten verklammert. H a n d D schreibt seine E r w e i t e r u n g auf 4 bv in direktem Anschluss an das Finis-Zeichen am E n d e des B-Textes. Die Abgangsregie mit i h r e m Tanz-
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gesang (Kreuzreim) markiert den Schluss der Versammlung und rundet gleichzeitig die Szene ab, indem sie den Bogen zum Auftritt der Teufel und zum Huldigungstanz an deren Anfang schlägt. Schreiber C setzt am Ende von 4 al ein Finis-Zeichen, also nach der vierten Teufelsrede der B-Erweiterung (nach V. 385). Es scheint, als ob er hiermit eine Kürzung der Szene markieren will. Andererseits benutzt er für die Hinzufügung von drei neuen Teufelsfiguren den R a n d von 4 br , die im Alsfelder Spielerverzeichnis als Bestandteil des Spiels geführt werden. DREIMÜLLER: I, S. 206f. denkt sich den einleitenden Huldigungsgesang Lucifer in dem throne (V. 139—140a) im Stil eines Kinderreims. Beim abschließenden Gesang Hanget an, hanget an (V. 4 6 0 - 4 6 3 ) lassen nur die metrische Struktur ( 4 m / A 3 m / 4 m / A 3 m [?]) und der Kreuzreim R ü c k schlüsse auf die Bauform der Melodie zu: Es handelte sich wohl u m eine zwei Verse umfassende Melodie, die wiederholt wurde. Gegenstand literar- und theaterhistorischer Bemühungen war die vorliegende Szene erstmals bei R O S K O F F (Geschichte des Teufels. 1, S. 381£), der die Szene irrtümlich für den Beginn der Bekehrungsgeschichte der Maria Magdalena hält. Einen knappen Forschungsüberblick bis 1973 gibt S C H U L DES im Vorwort (Teufelsszenen, S. IHf.). Die ältere Forschung ist besonders an einer generellen Heuristik der in den Teufelsszenen begegnenden Z ü g e interessiert und wertet A P nur in diesem Sinn aus, was (besonders ausgeprägt bei RUDWIN: Teufel) zu einer kompilatorischen Konstruktion führt und die Eigenart der einzelnen Spiele nicht beachtet. N e b e n die Heuristik trat seit S C H U L D E S die Frage nach der Wirkung auf das Publikum. S C H U L D E S legt besonderes Augenmerk auf die K o m i k der Teufelsszenen — ein T h e m a das die Forschung in der Folge vor allem im Zusammenhang mit dem Descensus behandelt hat (vgl. den Kommentar zu Szene 126 »Höllenfahrt Christi«). B R E M E R (Bild der Juden) und W E N Z E L (Rolle und Funktion der Juden), die erstmals A P in seiner Eigenart zu erfassen versuchen, betrachten die Szene allein unter dem Gesichtspunkt des Antijudaismus, wobei diese Fokussierung, wie sie auch im Verfasseriexikonartikel von Linke vorherrscht, zu Pauschalisierungen führt und nicht den Schlüssel zum generellen Verständnis der Szene zu liefern vermag. Die Funktion der Szene allein in der »Verteufelung der Juden« zu sehen, greift zu kurz, worauf auch FREISE, S. 307 hinweist. Im Vordergrund steht hier, die Hölle als treibende Kraft hinter Prozess und Hinrichtung Jesu und hinter den Figuren, die für diese verantwortlich sind, zu zeigen. Literatur:
WOLF:
Zur
Hölle
mit
dem
Teufel,
S. 2 8 1 .
-
FREISE,
S. 37f.,
363f.,
S. 427f., S. 4 3 0 - 4 3 2 und S. 441f. - BERTHOLD: Nachwirkungen des Passionsspiels
(.Alsfcller für >Teufelim Kostüm eines Lollardensoll aus der W ü s t e herausgehen< Beischrift vor V . 4 6 4 Fiat ... a Iohanne]
>Hier soll die Darstellung der Taufe
Christi durch Johannes geschehen< V. 468 »wenn (abe) ihr eine Buße empfangen, euch eine Buße auferlegen lassen wollt< V . 4 6 9 vortmere] >fortan, ab jetzt< V . 4 7 0 des hymmels
kore] »der Chorraum, der heiligste Bezirk des Himmels
das verkünde ich zuverlässig (sicher) als Wahrheit (vor war)< V . 4 7 4 sich neiget] »kommt herab
jedemiann< V. 476
»und n i e m a n d lasse sich l a n g w e i l i g d ü n k e n ,
GREIN:
S. 3 0 0 .
Wörterbuch,
E/R/S/W
V . 4 7 7 want
§ M
Zu
nymmandis
als
s ä u m e damit< -
Form
des
Nominativ
Vgl. vgl.
73.
nach mer balde]
>denn k u r z (balde)
n a c h mir
der< - Die r-lose Form des Pronomens der ist typisch für das Md., sie begegnet in AP noch E/R/S/W § M
in zwei weiteren Fällen
(V. 4 5 6 1
und V . 5714);
vgl.
68.
V. 480 sal] >soll< V. 481 »Dies verkünde (redden) ich sowohl Männern als auch Frauen< - Für den Plural man vgl. zu V. 51.
V . 4 8 2 dar zu syn bericht] »dahingehend infomiiert seien< V . 4 8 3 sich vorsymenn]
>säumen
er wird< z u V . 4 8 5 A J r V . 2 2 her wider]
wohl Verschreibung für her (= hee) wirdet.
Ein
Einbeziehen in den Relativsatz des vorangehenden Verses (im Sinn von >[und ihrerseits] wiederum predigen und lehren) erscheint wenig sinnvoll. V . 4 8 6 wirdet
hie] >wird er
ganz wie uns die ehrwürdigem
98
Erster Tag
(2) Quellen V. 463a prodamator (didt rigmum): Vgl. zu V. 107—132. nach V. 463a Regie: desertum: Mt 3,1 In diebus autem Ulis venit Ioannes Baptista praedicans in deserto Iudaeae. - disdpuli Ioannis: Vgl. etwa Mt 9,14. nach V. 463a Latein (cantans): Officium: Magnificat-Antiphon (Vesper), Di. nach dem 2. Adventssonntag: Vox damantis in deserto: Parate viam Domini, rectas fadte semitas eius. (Jes 40,3/Mt 3,3). — D R E I M Ü L L E R : Nr. 6. SCHULER: N r . 6 6 6 . -
MARBACH: S. 3 1 5 u n d S. 3 8 4 . -
HESBERT: C A O ,
Nr.
5506.
nach V. 463a Iohannes Baptista (didt rigmum): V. 464f.: frei - V. 465-469: Mt 3,2 et dicens: »Paenitentiam agite - V. 4 7 0 473: frei - V. 474: Mt 3,2 appropinquavit enim regnum caelorum«. V. 475fi: frei - V. 477—478: Joh 1,30 Post me venit vir, qui ante mefactus est, quia prior me erat. - V. 479—490: frei. L i t e r a t u r : DURIEZ: T h é o l o g i e , S. 2 8 3 - 2 8 5 .
(3) Szenenparallelen HP stellt wie AP vor die Taufe eine Szene, die das Wirken des Täufers thematisiert. Doch treffen sich die Fassungen nur im einleitenden Vox damantis. HP verfährt in der Folge dialogisch, AP monologisch. Daher ist weder zu HP noch sonst zu einem Text innerhalb der Hessischen Passionsspielgruppe von einer Parallelität zu sprechen. Die Alsfelder Johannesrolle (AJr) enthält die Johannes-Passagen komplett bis zur Entsprechung von V. 550 einschließlich, wo sie abbricht. Es ergeben sich insgesamt keine relevanten Abweichungen (auch nicht zu AP V. 485), wodurch das Dokument sich als der Spielhandschrift direkt zuzuordnendes Rollenexzerpt ausweist. (4) Szenengestaltung Zu V. 363a Zwischen der einleitenden Teufelsszene (Szene 2: V. 133—463) und dem Johannesspiel (Szene 3 bis 11: V. 464-1137) findet sich schon im Grundstock von Hand A die Regieanweisung: Prodamator didt rigmum superius notatum, sdlicet: Ir lieben mentschen (vor V. 463a und V. 463a), die sich auf die zweite prodamator-Rede in der vorliegenden Eröffnungsszene (V. 107—132) bezieht. Dabei ist der deutsche Vers nicht abgesetzt, der ganze Eintrag ist Bestandteil des Regieblocks nach V. 463 (Sic Lucifer descendit de doleo4) bis 4
In der Ausgabe ist das Zeichen / für den Seitenwechsel eine Zeile höher zu stellen.
3. Auftreten Johannes des Täufers (V. 463a—490) nach V . 463a (Tunc Iohannes
99
[...] dicit rigmum). Es handelt sich also mit Si-
cherheit nicht um einen Nachtrag. In A D ist diese Angabe nicht übernommen. D e r Befund lässt unterschiedliche Deutungen zu: felder Passionsspiel, S. 55) nimmt im Anschluss an
TREUTWEIN
ZIMMERMANN
(Als-
(Wette-
rauer Spielgruppe, S. 167) an, der Eintrag stehe im Zusammenhang mit der Vorschaltung der Teufelsszene und das Auftreten des Täufers als der eigentliche Spielbeginn sei der ursprüngliche Platz der R e d e . Während MANN
ZIMMER-
davon ausgeht, dass eine tatsächliche Wiederholung der R e d e inten-
diert gewesen sei, hält
TREUTWEIN
die zweite Ansetzung für einen »Irrtum«,
der »erst in der Dirigierrolle beseitigt wurde«. Eine Wiederholung der R e d e ist durchaus vorstellbar, doch lässt der Wortlaut der Regieanweisung auch einen anderen Schluss zu - es wird zwar auf eine oben aufgezeichnete Versrede (rigmum superius notatum) verwiesen, aber nicht direkt eine Wiederholung angeordnet (vt supra oder dicit iterum). So könnte man meinen, die R e d e sei versehentlich schon oben eingetragen, aber erst hier einzubauen. Gegen diese Überlegung spricht j e d o c h , dass sich beim ersten Eintrag V . 85—106 keine Hinweise auf eine Streichung finden und A D keinen Hinweis auf einen Prolog vor Beginn des Johannesspiels gibt. D e n n o c h gibt es inhaltliche Gesichtspunkte, die einen solchen plausibel machen. Z u denken wäre z.B. an die Notwendigkeit einer Wiederholung, »weil die erste Aufforderung wirkungslos geblieben war«, wie N o w É (Dramaturgische Technik, A n m . 21, S. 168) vermutet. Gerade der U m s c h w u n g v o m wilden Teufelstreiben zur getragenen Täuferpredigt kann durchaus eine Zäsur wünschenswert gemacht haben. D i e Teufelsszene hat die D i mensionen des nun vorzuführenden Geschehens und die Sündenbedrohtheit des täglichen Tebens verdeutlicht, umso eindringlicher können nun die Strafandrohung und der R u f zu Disziplin wirken. Auch die nachfolgende Täuferpredigt wendet sich direkt ans Publikum.
Z u den Szenen 3—11 (Johannesspiel) D i e Szenen 3 bis 11 stellen ein in sich relativ geschlossenes Gebilde (sogar mit abschließender Homilie in materna D A U V E N - V A N KNIPPENBERG:
lingwagione
nach V . 1137 -
Wege der Christenlehre, S.
382)
vgl.
dar, quasi ein
separates Johannesspiel, das — nach dem Vorspiel der Teufelsberatung von Szene 2 — die erste Station des großen Passionsspiels bildet. Eigenständige Johannesspiele sind vielfach bezeugt, so auch für Frankfurt. D i e vorliegende Szenenfolge mit einem aus F D entwickelten und im Weiteren in Frankfurt aus dem Passionsspiel ausgeschiedenen Johannesspiel
zu
identifizieren,
100
Erster Tag
scheint denkbar, doch die genaue Genese der vorliegenden Szene bliebe auch in diesem Fall im Dunkeln. Mit FD und (nach dem Ausweis von HP) auch mit *FP gemein hat AP die Szenenfolge von Taufe Jesu, Ermahnung des Herodes und Gefangennahme des Täufers (FD und H P jeweils Szene 3—5). Hingegen ist die A n frage bei Jesus (AP Szene 9) in den anderen Spielen gemäß biblischer Darstellung von dieser ersten Einheit getrennt und FD hat von dieser auch die abschließende Gastmahl-Szene (FD Szene 14) mit der Enthauptung des Täufers noch einmal getrennt (FD Szene 13: Heilung eines Gelähmten), so dass in FD die Geschichte des Täufers auf drei Stellen (FD Szene 3—5, Szene 12, Szene 14), in H P immerhin auf zwei Stellen (Szene 3—5, Szene 22—23) verteilt dargestellt ist. Damit ist das Geschehen u m Johannes in die durchlaufende Jesus-Handlung eingeschaltet und tritt hinter diese zurück. Anders AP: Die Johannesszenen sind zu einem zusammenhängenden Spiel zusammengefasst und in großem U m f a n g ausgebaut, insbesondere k o m m e n zwei große Predigtmonologe des Täufers (Szene 3: V. 464-490 und aus Szene 5 V. 580—615) und die für Friedberg/Alsfeld obligatorischen Elemente der Teufels-Dramaturgie hinzu. Damit rückt die Figur des T ä u fers gegenüber der Tradition stark in den Vordergrund, ja Jesus mit seinen beiden Auftritten in Szene 4 und Szene 9 wird zu einer Nebenfigur — allerdings nur szenisch, inhaltlich ist er die Zielfigur der Johannesszenen. Diese akzentuieren nämlich den Täufer als Vorläufer Jesu, sowohl durch Aussagen im Text als auch durch die inhaltliche Parallelität im Leiden und Sterben, auffällig vor allem das ausgeführte und direkt dargestellte Einwirken der Hölle sowie die Leidensankündigung des Johannes (V. 507—509). Mit den Teufelsszenen erfolgt zugleich eine geschickte Verzahnung mit Szene 2 (Beratung der Teufel gegen Jesus). Von Anfang an wird das Wirken der Teufel in der Welt eindringlich vor Augen geführt. Das Johannesspiel greift weit auf die Spielfläche aus und aktiviert zahlreiche loca. Dabei vollzieht es sich in zwei Handlungsbögen: Der erste, ganz auf Johannes zentrierte (Szene 3—5: Auftreten, Taufe, Ermahnung), geht von der Wüste aus und endet wieder dort. Der zweite wird in der Hölle in Gang gesetzt und schließt ebenfalls in der Hölle mit der Verbringung von Herodias und ihre Tochter gebracht werden. Innerhalb der Folge von Szene 6 (Teufelsberatung), Szene 7—8 (Satan und Herodias, Gefangennahme) sowie Szene 10—11 (Gastmahl mit Enthauptung, Höllenfahrt von Herodias und ihrer Tochter) ergibt die Einbindung Jesu in Szene 9 (Anfrage des Täufers) deutlich eine Zäsur. Von hier aus erscheint auch sein Auftritt in der Taufszene (Szene 4) als innerhalb des ersten Handlungsbogens deutlich markiert, wodurch eine gewisse Symmetrie der beiden Teile des Johannesspiels sichtbar wird.
3. Auftreten Johannes des Täufers (V. 463a—490)
101
Z u Szene 3 Anders als H P V. 27—38 ist die Auftrittsrede des Täufers in A P keine in eine Spielszene eingebundene Ubersetzung des biblischen Vox clamantis in deserto, sondern eine ans P u b l i k u m gerichtete o f f e n e Selbstdarstellung (vgl. V. 4 6 4 490), die n u r zwischenzeitlich (deutlich etwa V. 477—485) auf die dargestellte Situation abgestimmt ist. Die Bußpredigt verarbeitet frei verschiedene Elemente biblischer J o h a n n e s - R e d e n (vgl. zu den Quellen) u n d zielt wieder ganz auf die Verkündigung der in Jesus den M e n s c h e n v o n G o t t angebotenen Erlösung. Diese setzt U m k e h r voraus, w o m i t der hier e x p o niert an den Spielbeginn gesetzte B u ß a u f r u f korrespondiert. Literatur:
KUNÉ:
Er taufte mit Wasser. -
DAUVEN-VAN
KNIPPENBEKG:
Wege der
Christenlehre, S. 381.
• S z e n e 3 (V. 463a-490): N a c h einer R e d e des proclamator (V. 463a) begibt sich Johannes der T ä u f e r mit seinen J ü n g e r n aus der W ü s t e auf die Mitte der Spielfläche u n d stellt sich (mit vorausgehendem lateinischen Gesang) in einer Bußpredigt ans P u b l i k u m als Vorläufer Christi vor.
S z e n i s c h e E l e m e n t e der S z e n e n 3 bis 11 (Johannesspiel) Figuren: — proclamator (vor V. 463a; f ü r A P P o / A S p vgl. zu Szene 1). — Iohannes Baptista (nach V. 463a, A P P o Z . 9 / A S p Z . 40). — discipuli des Täufers (nach V. 463a, A P P o Z . 10/ASp Z . 41—44 primus bis quartus), i m R e g i e t e x t (nicht im R e d e t e x t ) identifiziert als 1. Andreas (nach V. 837), 2. Petrus (nach V. 843), 3. Symon (nach V. 861) u n d 4. Thomas (nach V. 867, f ü r A P P o / A S p vgl. jeweils zu Szene 13); es handelt sich offenbar u m die späteren Apostel. D o c h verzeichnen A P P o u n d ASp sowohl discipuli b e i m T ä u f e r als auch die vier genannten in der Apostelreihe. Vielleicht ist daraus zu schließen, dass der T ä u f e r acht J ü n g e r hat: die vier namentlich genannten, die dann zu Aposteln w e r d e n , u n d dazu vier weitere. Da die Spielernamen in ASp sowohl bei den T ä u f e r j ü n g e r n also auch bei den Aposteln verloren sind, ist freilich nicht auszuschließen, dass Johannes n u r die genannten vier discipuli hat, die später als Apostel wiederkehren. D e r e n Identität hätte allerdings, w e n n intendiert, d e m P u b l i k u m auf andere Weise als durch den Text verdeutlicht w e r d e n m ü s sen. In diesem Fall w ä r e n dann bei der Spielerprozession die zu Aposteln g e w o r d e n e n T ä u f e g ü n g e r durch identisch kostümierte andere Darsteller zu ersetzen gewesen.
Erster Tag
102
— Ihesus (vor V. 491, APPo Z. 34 Saluator/ASp
Z. 152 Sa[luator]; der Jude
Natan spricht V. 1591 von Jesus als dem swarczen hart [vgl. auch V. 3439], was wohl als Hinweis auf die Barttracht der Figur verstanden werden kann.). — maiestas (nach V. 527, = Gottvater, APPo Z. 3/ASp Z. 3). — Hemdes (nach V. 536, rex vor V. 730, APPo Z. 12/ASp Z. 46). — Herodias
(mulier nach V. 544, APPo Z. 12 vxor eius [sc.
Herodis]/ASp
Z. 47 Vxor). -filia
Herodiadis (nach V. 923, puella nach V. 957, APPo Z. 12/ASp Z. 48).
— semi des Herodes, nämlich Sreddel (V. 762, APPo Z. 15 [Zeilenzähler sitzt eine Zeile zu hoch]/ASp Z. 54) und, als dessen socius (nach V. 777), Qwancz (V. 762, APPo Z. 15/ASp Z. 55). — milites des Herodes (vor V. 878, APPo Z. 15 wie auch ASP Z. 5 0 - 5 3 geben vier milites an). — Troxes als weiteres Mitglied des Hofstaats (nach V. 891, APPo Z. 17/ASp Z. 56, jeweils getrennt von den milites und Sreddel und Quaricz aufgeführt) . — Nirgends im Spieltext erwähnt ist der marschalckus, der APPo Z. 13 und ASp Z. 49 ebenfalls in der Herodes-Gruppe steht. — Offenbar außerhalb des Spielgeschehens steht der Tanz der Iudei vel dyboli von nach V. 897 wie auch der Gesang von Sinagoga nach V. 923. — Mors (nach V. 615, APPo Z. 57/ASp Z. 190). — Luciper (vor V. 620) und übrige Teufel (sui vor V. 620), davon namentlich genannt Sathanas (nach V. 622), Fedderwisch (nach V. 691), (nach
V. 1069),
Spiegelglancz
(nach
V. 1083),
Belczebugk
Frauwenzornn
(nach
V. 1090) und Berith (nach V. 1105, für APPo/ASp; vgl. jeweils zu Szene 2). - Vgl. auch nach V. 897. — predicator (nach V. 1137, in APPo und ASp nicht enthalten). Mobile Ausstattungsteile und
Requisiten:
— aqua für die Taufe (disponatur Beischrift zu V. 512, im deutschen Text ist die R e d e von Iordan [V. 514] und wogk [V. 523]). Der Vollzug der Taufe durch Besprengen (nach V. 527 aspergit aquam super personam
Saluatoris)
macht kein großes und tiefes Becken notwendig, in das Jesus etwa hineinsteigen oder in welchem er untertauchen müsste - K u n é : Er taufte mit Wasser, S. 250 nimmt ein reguläres Taufbecken an. — pallium
et, pepulum,
mit welchen Satan als Frau verkleidet wird (nach
V. 689, disponantur nach V. 661, im deutschen Text: V. 687f. hencke den mantel an / vnd winge das duch vmb dyn heubt).
3. Auftreten Johannes des Täufers (V. 463a—490)
103
— Festtafel für das Gastmahl mit Wildbret, Fisch, Brot und W e i n (V. 886— 8 8 8 man sal vus bereydeii eynen tisch, / dar vff seczen wiltbrot vnd fisch, / schone brot vnd gutten
ivynn).
— Teller mit dem abgeschlagenen Haupt des Täufers (nach V . 1019 caput in disco allato),
wohl in Art der sogenannten Johannesschüsseln; vgl. den
Artikel >Johannesschüssel »
î t
und
Gänge:
Herodias
g K¡ Herodes1
lohannes
î
M/ (4)
Ihesus
104
Erster Tag
(1) nach V. 436a Tunc Iohannes Baptista exeat de deserto cum discipulis. D e r Bühnenplan vermerkt auf der linken Seite als letztes etwas nach links ausgerückt u n d ganz nach u n t e n gesetzt: Desertum Iohannis disponatur ad placitum. Für die W ü s t e ist d e m n a c h kein bestimmter Platz vorgeschrieben. Vielleicht ist aber die Position der N o t i z als Vorschlag zu werten. Aus (3) ergibt sich als Zielpunkt f ü r den Gang das medium ludi. U b e r die discipuli wird i m Folgenden nichts m e h r bemerkt, bis sie (21) d e m f e s t g e n o m m e n e n T ä u f e r folgen (sequuntur: nach V. 832). Da dieser nach der E r m a h n u n g des Herodes zu seinem Platz (nach V. 619 in loco suo primo), d e m desertum, zurückgekehrt ist (8), folglich also dort f e s t g e n o m m e n wird (16), d ü r f t e n auch die discipuli, u m i h m folgen zu k ö n n e n , sich wieder i m desertum e i n g e f u n d e n haben (la). W a n n u n d wie dies geschieht, wird nicht gesagt; ein denkbarer Z e i t p u n k t wäre etwa nach der Taufe Jesu, w ä h r e n d Johannes zu Herodes geht (nach V. 535). (2) vor V. 491 Ihesus surgit a loco suo, vadit ad Iohannem. D e r locus Jesu wird auf der Bühnenskizze nicht verzeichnet, doch ist a n z u n e h m e n , dass er mit d e m locus deputatus (nach V. 527) identisch ist u n d dieser fortan als Jesu eigentlicher locus betrachtet w e r d e n darf; siehe auch zu (4). (3) nach V. 509 Hic Iohannes et Ihesus sint in medio ludi. (4) nach V. 527 Ihesus venit ad locum deputatum. Da n u n Gottvater (maiestas nach V. 527) über Jesus spricht u n d die Engel (etwa vor V. 1138) zu Jesus k o m m e n , schließt F R O N I N G (Drama. I, S. 267f.) plausiblerweise, Jesu locus müsse sich »am Fuße des Thrones« befinden: »hier befand [Jesus] sich auf der Erde u n d zugleich Gott am nächsten, v o n d e m er d o c h alle Kraft hatte u n d f o r t w ä h r e n d erhielt.« A b z u l e h n e n ist j e d o c h F R O N I N G S Angabe, bei der R e d e der maiestas müsse »sich der heilige Geist in Gestalt einer Taube auf ihn [sc. Ihesus] niedersenken«, die »wohl an einem Faden herabgelassen« (von wo?) w o r d e n sei (S. 267). W e d e r ist dergleichen i m R e d e - oder R e g i e t e x t vermerkt, n o c h ist es zwingend a n z u n e h m e n . (5) vor V. 536 Interim Iohannes Baptista vadit ad Herodem, nach V. 544 [Iohannes] reuertitur ad mulierem. Das Castrum Herodis verzeichnet die Bühnenskizze als ersten Stand der linken Seite. D a sich auch Herodias dort aufhält (vgl. 12 u n d 14), darf das Verbum reuertitur (>wendet sich ansicher ein >Loch«< gewesen, welches die Knechte »zum Zeichen des Verschlusses mit einem passenden Brette zudeckten«. Tatsächlich legt V. 813 (mer woln en stossenn in dissze loch) diese Vorstellung nahe, doch ergibt sich aus den lateinischen Regieanweisungen nach V. 813 ein anderes Bild: Vor dem carcer angekommen, s c h l e p p e n Sreddel und Qwancz den Täufer in denselben (trahunt eum ad carcerem), legen ihn in Ketten und g e h e n aus dem Kerker heraus (exeunt). Außerdem verfügt der carcer über eine Tür (ianua vor V. 832), durch welche hindurch der Täufer mit seinen Jüngern spricht (V. 832-837). (18) nach V. 813 Et postquam [Iohannes] reclusus est in carcere, exeunt [Sreddel et Quancz]. (19) nach V. 817 [Sreddel et Quancz] ihunt, et cum pemenerint, vbi est Herodes. (20) nach V. 831 [Sreddel et Quancz] vadunt, ad loca sua. Als Mitglieder von Herodes< hoibegesynde (V. 901) haben die Knechte ihre loca wohl innerhalb des Castrum Hemdis. (21) vor V. 832 discipuli Iohannis sequuntur eum a longe paulatim vsque ad ianuam carceris. Vgl. zu (1). (22) vor V. 832 Iohannes Baptista mittat discípulos suos ad Ihesum. (23) nach V. 843 discipuli Iohannis veniunt ad Ihesum. Jesus befindet sich an seinem locus (vgl. 26). (24) nach V. 867 discipuli reuertantur ad Iohannem. (25) nach V. 877 Discipuli Iohannis ibunt ad locum pristinum (25a) vel ad placitum manebunt stare timidi vsque ad decollacionem Iohannis (25b). Der locus pristinus dürfte das desertum sein (vgl. 21 und zu 1).
3. Auftreten Johannes des Täufers (V. 463a—490)
107
(26) nach V. 877 Ihesus in loco suo manebit sedens, doñee ordo itenitn tangit eiun (vgl. nach V. 867 manente Iliesii in eodew loco suo).
sepulcrum(?)
(27) vor V. 878 conuiuium Herodis incipit. Zum Festmahl lädt Herodes seine Frau, deren (erst hier erwähnte, wohl aber schon von Anfang an sich im Castrum Herodis, und zwar bei ihrer
108
Erster Tag Mutter [vgl. 35], aufhaltende) Tochter und das hoibegesynde (vgl. V. 900— 901), zu welchem sicher die beiden Knechte Sreddel und Quancz, die Vierergruppe der milites (nach V. 878) und Troxes (nach V. 891) gehören, vielleicht auch der (nur in ASp und APPo erwähnte) marschalckus. Der Tanz von Iudei vel dyaboli (nach V. 897) bei der Vorbereitung und ebenso der Sinagoga-Gesang während des Mahles (nach V. 923) sind wohl nicht so zu deuten, als nähmen die erwähnten Figuren als Gäste am Fest teil. - Aus omnibus sedentibus (nach V. 923) wie auch aus rex surgit und faciat earn sedere (nach V. 747) ist zu schließen, dass im Castrum Sitzgelegenheiten, etwa in Form von Bänken, vorhanden sind.
(28) nach V. 967 Sathanas ingerat se. Der Teufel hat sich, vgl. (13), bereits in der Nähe aufgehalten. (29) nach V. 1009 Sreddel vadit ad carcerem, fingit se Iohannem decollari. (30) Beischrift nach V. 1019 discipuli Iohannis portant corpus ad sepulchrum. Für das sepulchrum kann kein Platz bestimmt werden. (31) nach V. 1019 [Sreddel] caput in disco allato portât puelle. (32) Beischrift nach V. 1043 Disponatur Lucifer sub silencio ad doleum cum suis. (33) nach V. 1047 [Sathanas] currit ad Luciperum, qui stat in doleo. (34) nach V. 1104 Luciper manet in doleo. (35) nach V. 1105 [alii diaboli] currunt, vbi est, mater et filia. Da weder Herodes noch sein hoibegesinde (V. 901) erwähnt werden, sind Herodias und ihre Tochter nun wohl wieder separat platziert, vgl. zu (27) und (14). (36) nach V. 1115 [alii diaboli] atrociter arripientes ducunt [matron et filiam ad Luciferum]. (37) nach V. 1137 [diaboli cum matre et filia] currunt ad infemum. Sons tige Bewegu ngsregie : — Für das Ecce, agnus dei des Täufers greift das Spiel auf die Ikonographie des Zeigegestus zurück: [Iohanne] dígito demonstrando [Ihesum] (vor V. 491). — Der Taufakt wird durch Besprengen (nach V. 527 aspergit) vollzogen, was keinen liturgischen Taufritus darstellt. Auf Untertauchen oder zeitgenössischer Praxis entsprechendes Ubergießen wird wohl eher aus praktischen Gründen verzichtet als aus inhaltlichen (etwa zur dogmatischen Unterscheidung zwischen biblischen Geschehens und Taufsakrament). — Satans Verkleidung als wipp (V. 694) mittels mantel (V. 687) und duch (V. 688) wird offen vollzogen (nach V. 689), ebenso das Ablegen der Kostümierung (vor V. 1040 und nach V. 1047). Damit ist das Motiv des verdeckt agierenden Teufels ausführlich eingeführt und kann in der Fol-
3. Auftreten Johannes des Täufers (V. 463a—490)
109
ge beliebig benutzt werden: Satan cum habitu Lolhardi (nach V. 1143) bei der Versuchung Jesu, Natyr als kriecht der Maria Magdalena (V. 1832) oder Fedderwisch, der Pilatus< Frau als enget Seraphim erscheint (V. 4419). — Die für den Umgang der Teufel untereinander typischen Tätlichkeiten zeigt Fedderwisch (V. 691) trahens [Sathanam] cum veste. Ebenso obligatorisch für das Teufelsgebaren ist wieder das Tanzen (nach V. 694 Sathanas saltando), Lärmen (vor V. 620 cum horribile clamore, vor V. 1040 clamai horribiliter, vor V. 1105 clamando cum ímpetu: Ha ha ha ha ha ha!) und R e n n e n (nach V. 1047 [Sathanas] currit, nach V. 1105 [diaboli] currunt, nach V. 1126 [Luciper] currit, nach V. 1137 omnes cum Ímpetu currunt). — Ein höfisches Grußzeremoniell vollführt der Hofstaat (und in diesem der getarnte Sathanas) dem König und seiner Gemahlin gegenüber, die filia immerhin vor dem König: [Sathanas als wipp] exhibeat se [Herodiadí] quasi reuerenter (vor V. 698); [Sreddel et Quancz] faciunt [Herodi] reuerenciam (nach V. 817); [Sreddel et Quancz] faciunt reuerenciam mulieri (nach V. 829); [f]ilia [,..]faciat reuerenciam regi (nach V. 933); puella reuerenter se exhibendo [regi] (nach V. 957); [filia] reuerencia exhibita (nach V. 991). — Seinem Verhältnis zu Herodias entsprechend erhebt sich der König bei deren Eintritt und begrüßt sie mit einer Umarmung (nach V. 747). — Das Gastmahl wird dargestellt mitsamt seinen Vobereitungsarbeiten (nach V. 897), dem Platznehmen der Gäste (V. 920) und dem Speisen (nach V. 923). — Beim Tanz der filia wird - vielleicht mit Rücksicht auf das tänzerische Vermögen des Darstellers - lediglich auf Armbewegungen (dissolutis manibus nach V. 937) abgehoben. — Der Umgang der Diener Sreddel und Quancz mit dem Täufer beim Festnehmen, Abführen und Inhaftieren wird als brutal dargestellt (nach V. 789: furibundi capiunt ipsum trahendo, nach V. 801: impetuose ducunt eum, nach V. 813: trahunt eum ad carcerem). Dies spiegelt sich, wenn die Teufel Herodias und ihre Tochter in die Hölle holen: impetuose circumdabant (nach V. 1105); atrociter arripientes ducunt eas (nach V. 1115). — Bei der Enthauptung des Täufers wird ausdrücklich vermerkt, dass es sich um eine szenische Illusion zu handeln habe: [Sreddel] fingit se Iohannem decollari (nach V. 1009). Literatur: LCI-Artikel »Christus, Christusbild IV. Das Chr.bild der gotischen Kunst«, Band 1, Sp. 414-425 (Anton L U G N I . R ) , »Salome ( 1 ) « , Band 4, Sp. 14f. (redaktionell), »Taufe Jesu, B: Mittelalter«, Band 4, Sp. 249-253 (redaktionell), »Tod«, Band 4, Sp. 3 2 7 - 3 3 2 (Helmut R O S I . N F I . I . D ) , »Johannes der Täufer (Baptista), der Vorläufer (Prodromos)«, Band 7 , Sp. 1 6 6 - 1 9 0 (Elisabeth W E I S ) .
110
Erster Tag
4. Taufe Jesu (V. 4 9 1 - 5 3 5 ) (1) Sprachliche Erläuterungen v o r V . 4 9 1 Et sie ... ad Iohannem]
>Und s o m i t , i n d e m [Johannes] m i t d e m
F i n g e r [ a u f i h n ] zeigt, e r h e b t sich J e s u s v o n s e i n e m Platz, g e h t z u J o h a n n e s < F r P f v o r V . 6 5 (zu v o r V . 4 9 1 ) surgat
...
qui] >soll sich v o n s e i n e m Platz
e r h e b e n u n d zu J o h a n n e s d e m T ä u f e r g e h e n , der< V . 4 9 1 werde]
>wiirdige, ehrenwerte
herniederkam< - Das starke Verb mhd. komen erscheint
auch in der älteren Form mhd. quemen. V . 4 9 4 alle der wemde
suride] >die S ü n d e n der g a n z e n Welt
reinigen
was sonst n i e m a n d m e h r , k e i n anderer könnte< V . 4 9 6 nu wan godes
>als n u r allein, als einzig G o t t e s Sohn
die r e i n e Jungfrau< V . 4 9 8 gnant]
>genannt
gut, richtig v e r s t a n d e n haben
will a u f nichts m e h r w a r t e n , n i c h t l ä n g e r
damit warten< - Schwaches Verb mhd. beitcri mit Genitivobjekt. V . 5 0 2 f . mberall u m h e r z i e h e n , u m h e r z u z i e h e n , ( u m ) F r a u e n u n d M ä n n e r aufzusuchen< - Für den Plural man vgl. zu V. 51. V . 5 0 5 enwel den nicht vorswigenn]
>werde d e n e n n i c h t v e r h e h l e n , dass i c h sie
w e g e n i h r e r M i s s e t a t e n zurechtweise< - Das schwache Verb mhd. strafen bezeichnet nur das verbale Sanktionieren. V . 5 0 6 Strauße]
>weise z u r e c h t , schelte< - Schwaches Verb mhd. strafen.
V . 5 0 7 wie mers auch hir nachergaid,]
>wie es m i r a u c h h i e r n a c h geht, w e l c h e
F o l g e n i c h a u c h e r w a r t e n muss< - Vielleicht syntaktisch auf V. 506 zu beziehen: w o b e i es mir gleichgültig ist, wie...ich h a b e k e i n e A n g s t (noid) davor, selbst w e n n i c h dafür d e n T o d erleiden miisste< sterben hat toid als inneres Objekt, n a c h V . 5 0 9 sint in medio V . 5 1 0 liebe nebe mynn]
ludi] « o l l e n in der M i t t e der B ü h n e sein
mein l i e b e r V e r w a n d t e r , Vetter< - Das schwache Mas-
kulinum mhd. neve (hier mit Verhärtung des Frikativs zum Plosiv, vgl. E/R/S/W § L 50, 4.) bezeichnet im engeren Sinn den Schwestersohn (Johannes dagegen ist Sohn der Großtante Jesu), anzusetzen ist hier somit der Gebrauch im weiteren Sinn generell als Verwandten, etwa wie altertümlich >Vetter< oder >Gevattererfüllen< - Für her- vgl. zu V. 44.
4. Taufe Jesu (V. 491-535)
111
Beischrift bei V . 5 1 2 aqua] >Wasser< V . 5 1 3 f . >deswegen b i n i c h h i e r h e r g e k o m m e n (und) zu dir an d e n J o r d a n gegangeiK — Für kommen vgl. zu V. 66. V . 5 1 5 han] >haben, empfangen< AJr v o r V . 4 7 (zu n a c h V. 515) sint in medio ludj] >sollen in der M i t t e d e r B ü h n e sein< — Vgl. n a c h V . 509. V . 5 1 6 Eya, meynster] >Ach, M e i s t e n V . 5 1 7 byns vnwirdigk]
>bin dazu unwürdig< - Vgl. zu V. 282; Adjektiv mhd.
wirdec, -ic zum starken Femininum mhd. wirde >Würdegering, niedrig< V . 5 1 8 teuffen] >taufen< - Schwaches Verb mhd. töufcn. V . 5 1 9 bilcher] >billiger, angemessener< AJr V . 5 0 (zu V . 519) soldest] Der Irrealis (gegen den Realis der lateinischen Vorlage) ist wohl Anpassung an das Sprachempfinden im Deutschen. V . 5 2 0 godis recht] R e c h t s e t z u n g Gottes< V . 5 2 2 mogk] V e r w a n d t e r , Vetter< - Das schwache Maskulinum mhd. m âge bezeichnet gewöhnlich eine »blutsverwandte person in der Seitenlinie« (LEXER: HWB). V . 5 2 3 dissent wogk] >dieser W o g e , d i e s e m Wasser< - Starkes Maskulinum mhd. wâc. V . 5 2 4 kommet rechte woii] >schickt sich v o l l k o m m e n < V . 5 2 5 erfillet] >erfüllt< - Die Form zeigt gegenüber mhd. ewüllet Entrundung. n a c h V . 5 2 7 aspergit aquam super personam Saluatoris] >[be]sprengt Wasser ü b e r d e n Darsteller des Heilands< n a c h V . 5 2 7 ad locum deputatum]
>an d e n a n g e w i e s e n e n Platz
dies ist m e i n g e l i e b t e n - Einfaches Demonstrativpronomen inhd. diz. V . 5 2 9 des] >dessen< V . 5 3 0 weszen vnderthan] >untertänig, g e h o r s a m sein< V . 5 3 1 min behagenn] >mein B e h a g e n , Wohlgefallen< - Der hs. Akkusativ mich stünde als Objekt in ungrammatischer Konkurrenz zu behagenn. V . 5 3 2 friddesam
gemacht] f r i e d l i c h g e m a c h t , b e s ä n f t i g t - Adjektiv mhd. vri-
desam. V . 5 3 3 >was an Z o r n i c h a n g e h ä u f t hatte< - Für gelacht als Nebenform zu mhd. geleget (mit Rückumlaut und gt > cht in Analogie zum Primärberührungseffekt) vgl. E / R / S / W § M 96. V . 5 3 4 gestillet gar] > v o l l k o m m e n gestillt, b e s ä n f t i g t V . 5 3 5 >deshalb a c h t e t a u f seine Lehre
Johannesspiels< vgl. zu Szene 3, S. 99. Die deutsche Ecce agnus Erlösunghabe v e r n o m m e n , gehört
wie, a u f w e l c h e Weise< F r P f V . 1 0 7 - 0 9 . (zu V . 5 3 7 - 3 9 . ) >du lebst, sündhaft i m B l i c k a u f L e i b u n d S e e l e , m i t der F r a u deines B r u d e r s ( z u s a m m e n ) < V . 5 3 8 obeltad]
>Ubeltat< - Mhd. übel im Mitteldeutschen gesenkt zu öbel.
V . 5 3 9 der gar bubelich
stad] >dir in A r t eines z u c h t l o s e n K e r l (buobe) ansteht,
d e i n e Z u c h t l o s i g k e i t zeigt< V . 5 4 0 host dynes
brudder
wyb] >die F r a u deines B r u d e r s hast< - Mhd. bruoder
hier noch im mit Einheitsform im Singular. V . 5 4 3 >die n i e d e r t r ä c h t i g e Frau, die s t o ß e v o n dir< - Für snoede vgl. zu V. 443. V . 5 4 4 vordymmet
der anders]
>bringt dir sonst in die Verdammnis< - vordymmet.
entrundet für vertüemet zum mhd. schwachen Verb vertüemen, dieses zum starken Maskulinum/Neutrum tuom >Urteil, Gerichte vgl. engl, doomsday, mhd. tuomes tac >Jiingstes Gerichte n a c h V . 5 4 4 reuertitur
ad midierem]
>wendet er sich an die Frau
Pfui ü b e r dich, du u n w ü r d i g e , n i e d e r t r ä c h t i g e Frau!< - Für snoede vgl. zu V. 443. V . 5 4 6 W i l l s t du deshalb k e i n e S c h a m h a b e n , schämst du d i c h n i c h t dafür< Mhd. starkes Femininum schcm(e)de neben schäm und schamede. Das hs. kcyrn ließe sich allenfalls als freier Dativ (etwa im Sinn von >vor keinem Scham haben, dich schämenverlässt< - Zu mhd. starken Verb begeben mit Akkusativobjekt
>ablassen von, unterlassen
5. Emiahnung des Herodes durch Johannes den Täufer (V. 536—619) V . 5 4 9 hon ich vornummen
117
nye] >habe i c h n o c h n i e gehört
verkünde e u c h beiden< V . 5 5 2 husset sie gode] >tut d a f ü r v o r G o t t Buße< V . 5 5 4 alle] >ganz u n d gar< n a c h V . 555 furioso animo] >in w i l d e r S t i m m u n g , tobend< V . 5 5 7 adder] >oder< V . 5 5 8 szo eyschlich schuldest mich] >mich so f u r c h t b a r schiltst, m i r so f u r c h t bare V o r w ü r f e machst< - Mhd. Adjektiv cgcslich, cislich zum starken Femininum/Maskulinum ege >Furcht, SchreckeiK. schuldest für schuldest, dieses gerundet aus mhd. schildcst zum starken Verb schelten, scheiden. V . 5 5 9 >das hättest d u dir besser (bafi) ü b e r l e g e n sollen< V . 5 6 0 f . >Möchtest d u n i c h t sehr S c h l i m m e s (grossen schaden) erleiden, so hättest d u m i c h n i c h t schelten dürfen< - Vgl. zu V. 558. V . 5 6 2 want] >denn< V . 5 6 4 - 5 6 6 >als (das) d u ü b e r e i n e n a n d e r n , ü b e r a n d e r e h e r r s c h e n sollst u n d k e i n e M a c h t ü b e r d i c h selbst (dyn) hast, d i c h selbst n i c h t b e h e r r s c h e n kannst, so dass d u d i c h v o r d e m , was n i c h t r e c h t ist, (vnrecht) h ü t e t e s t , fernhieltest< V . 5 6 7 >deshalb sollst d u m i t G e w i s s h e i t wissen< V . 5 6 8 nummer wel abelain] >nie d a v o n ablassen, d a m i t a u f h ö r e n werde< V . 5 6 9 >solange i c h lebe< V . 5 7 0 >deine U n w ü r d i g k e i t zu schelten< n a c h V . 5 7 0 subiungit] >fügt hinzu< V . 5 7 1 >Dafür (des) wirst d u sehr (hart) s c h m e r z l i c h (sere) büßen< V . 5 7 2 >ich w e r d e m i c h dir h e f t i g widersetzen< V . 5 7 3 >Deshalb k a n n s t d u (ebenso) gut, solltest d u besser weggehen< V . 5 7 5 sicher] >mit G e w i s s h e i t V . 5 7 6 beruwet dich] >reut dich< V . 5 7 7 saltu fynden
sicherlich] >wirst d u m i t G e w i s s h e i t h e r a u s f i n d e n , e r f a h -
ren V . 5 7 8 es wirt dich io] >es w i r d d i c h ja, d e n n es w i r d dich< V . 5 7 9 >Daher b l e i b e f o r t ; es b e k o m m t dir g u t (ebenn)< n a c h V . 5 7 9 Finito ... rigmum] > N a c h d e m d e r G e s a n g b e e n d e t ist, g e h t J o h a n n e s allmählich ab, sich an das P u b l i k u m n a c h allen S e i t e n w e n d e n d , i n d e m der die Versrede sagt< V . 5 8 0 ye gehen myne strayfJ] >denn m e i n e s W e g s z i e h e n , fortgehen< V . 5 8 1 >so will i c h d e n n o c h n i c h t aufgeben< V . 5 8 3 meldenn] V . 5 8 4 wyszen
>verkünden< mutt] >klugen Sinn, Verstand
trennen, fernhalten< V. 589 >da (wan) er sich (schon) bald offenbaren (erzeygen) wird< V. 593 >Darüber werden sich all diejenigen freuen< - Schwaches Verb mhd. (er)vröuwen, (er)vrouwen. V. 594 en entphan] >ihn empfangen< - Zu mhd. entfâ(hc)n. V. 595 >ihr Leben nach seiner Weisung ausrichten< V. 598 win he vnß gelobenn] >wird er uns verheißen< V. 599 begoibenn] >beschenken< - Mhd. schwaches Verb begäben. V. 600 addir vorsmehen] >jedoch geringachten< - Für vorsemehen vgl. zu V. 292. V. 601 >denen verkünde ich in vollem Ernst< - Beim hs. dem handelt es sich wohl um eine Verschreibung (irrtümlich drei statt zwei Hasten). V. 602 von dm selben scholdenn] >für eben diese Schuld< - Beim hs. dem handelt es sich wohl um eine Verschreibung (irrtümlich drei statt zwei Hasten). V . 6 0 6 lossz
em dit nit syn eyn träum]
>lasse sich (em) das n i c h t v o r k o m m e n
wie, halte das nicht für ein Hirngespinst V. 607f. >bedenkt, dass unser Lebensbaum völlig ungesichert (als zwiueliche) dasteht< V. 609 em alles nach gaid] >folgt ihm ständig (alles) < V. 610 axts] >Axt< - t und s wohl vertauscht. V. 611 nem] >nehmen wird< V. 612 boern] >Baum< V. 613 >Siehso dass dir, und dir genommen wird< V. 615 dan szo wirdet gegebenn] >dann wird gegeben werden< Beischrift nach V. 615 Hie... Iohannem] >Hier geht, wenn beliebt, der Tod langsamen Schrittes hinter Johannes [her]< A D 63 (zu nach V. 615) et Tempus] >und die Zeit< V. 616 eym ι'glichen] >einem jeden< - Für iglich vgl. zu V. 124. V. 617 szo moget ir mercken] >deshalb gebt acht< V. 618 >gleichgiiltig ob ihr arm oder reich seid< V. 619 wan eß gillet vch] >denn es gilt euch< nach V. 619 sit in loco suo primo, ita ordinetur et disponatur] >soll an seinem ersten Platz sein, so soll er sich einreihen und sich bereithalten< nach V. 619 cantetur] >soll gesungen werden< nach V. 619 natos] Der hs. Nominativ Singular natui ist nicht haltbar.
5. Emiahnung des Herodes durch Johannes den Täufer (V. 536—619)
119
(2) Quellen vor V. 536 Latein (cantando): Mk 6,18 Dicebat enim Ioannes Herodi: »Non licet tibi habere uxorem fratris tut«. — D R E I M Ü L L E R : Nr. 1 2 . - S C H U L E R : Nr. 3 9 0 . V. 536-544 Iohannes Baptista (dicit rigmum): Lk 3,19 Herodes autem tetrarcha, cum corriperetur ab ilio de Herodiade uxore fratris sui [et de omnibus malis, quae fecit Herodes,] V. 545—579 Iohannes Baptista, Herodes: frei nach V. 579 Latein (cantai): Officium: Laudes- und Vesper-Antiphon 4, Enthauptung Johannes des Täufers (29. August): Arguebat Herodem Joannes quam tulerat fratri suo Philippe uxorem. (Mk 6,17f.). — DREI-
propter Herodiadem, MULLER:
Nr.
Nr. 13.
-
SCHULER:
Nr. 29.
-
MARBACH:
S. 4 1 5 .
-
HESBERT:
CAO,
1482.
V. 580-619 Iohannes (dicendo rigmum): V. 580-585: Vgl. zu V. 501-506. V. 586f.: Mt 3,3 »Parate viam Domini, rectas facite semitas eius!«. - V. 588— 592: frei - V. 593-606: Scheidung von Guten und Bösen vgl. Lk 3,17 cuius ventilabrum in manu eius ad purgandam aream suam et ad congregandum triticum in horreum suum, paleas autem comburet igni inexstinguibili - V. 6 0 7 612: Lk 3,9 Iam enim et securis ad radicem arborum posila est; omnis ergo arbor non faciens fructum bonum exciditur et in ignern mittitur - V. 613—619: frei nach V. 619 Latein (cantetur): Officium: Laudes- und Vesper-Antiphon 4, Geburt Johannes des Täufers (24. Juni): inter natos mulierum non surrexit major Joanne Baptista. (Mt 11,11). — D R E I M Ü L L E R : Nr. 1 4 . - S C H U L E R : Nr. 3 1 1 . -
MARBACH: S. 3 9 2 . -
HESBERT: C A O ,
Nr.
3370.
Literatur: DURIEZ: Théologie, S. 292 und S. 296f.
(3) Szenenparallelen und (4) Szenengestaltung Für AJr vgl. zu Szene 3. Für das Johannesspiel insgesamt vgl. zu Szene 3, S. 99. F D hat wie HP und FrPf lediglich eine Scheltrede des Johannes an Herodes. In A P kommt eine Scheltrede an Herodias hinzu (V. 545—55, durch das Verspaar V. 544/45 mit der vorhergehenden Partie verknüpft), weiterhin ein Streit-Dialog zwischen dem drohenden Herodes und Johannes (V. 563—566 mit dem für Fürstenspiegel typischen Gedanken, dass Selbstbeherrschung Vorbedingung für Herrschaftsausübung ist) und dessen folgender Monolog (V. 580-615). Zur Zäsurierung ist vor den Monolog die Antiphon Arguebat Herodem Iohannes (in FD 31a erst zur Inhaftierung des Täufers) gezogen; als Preisgesang auf Johannes steht am Schluss die Antiphon Inter natos mulierum.
120
Erster Tag
Die stärkere G e w i c h t u n g der Herodias-Figur entspricht ihrer in A P ausgestalteten Funktion als Hauptgegnerin des Täufers. Dass die an sie gerichtete Passage V. 545—555 nicht z u m ursprünglichen Bestand gehört, zeigt sich daran, dass Herodes in seiner R e a k t i o n n u r v o n sich selbst als B e schuldigtem spricht (vgl. V. 558). I m Resultat bezeichnend ist, dass in dieser öffentlichen Szene n o c h Herodes das Sagen hat, w ä h r e n d die folgenden intimen Szenen Herodias als die i m ehelichen Verhältnis deutlich Ü b e r l e gene zeichnen. Die angehängte Predigt des Täufers (V. 5 8 0 - 6 1 9 ) verstärkt gegenüber den ersten beiden Predigten (V. 4 6 4 - 4 9 0 u n d V. 4 9 1 - 5 0 9 ) die M o t i v e der Gerichtsdrohung u n d n i m m t entsprechende biblische Passagen auf: M i t der prekärer w e r d e n d e n Situation des Täufers gewinnt seine Predigt an Schärfe. Bedeutsam ist in diesem Z u s a m m e n h a n g die Beischrift nach V. 615, welche als fakultative Möglichkeit das s t u m m e Erscheinen der Todes-Figur Mors vorsieht, die in der Lazarus-Szene (V. 2119—2332) als N e u e r u n g v o n F d D bezeugt ist. Mors setzt hier (yadit post Iohannem) V. 609 die Gerichtspredigt des Täufers szenisch u m u n d verstärkt diese; sie k a n n gleichzeitig aber auch auf dessen n u n bevorstehendes gewaltsames E n d e bezogen w e r d e n . A D f ü g t zu Mors die Figur Tempus hinzu u n d b e t o n t damit die v o n Johannes V. 610— 12 beschworene drängende N ä h e des Gerichts. Die Allegorien Mors u n d Tempus verbinden F d D / A P / A D mit d e m n o c h unedierten fragmentarischen Marburger Weltgerichtsspiel: Auf f. 121 finden sich 35 Verse einer R e d e , deren A n f a n g verloren ist, der erste vollständig lesbare Vers lautet wem ich abe gemessen sin ¡[eben]/dem wil ich ei[n] stoße gebe[n], D a n n folgt R e d e des Mors, dieser spricht i m 15. Vers seiner R e d e v o n der czijt die vor mir — die erste R e d e dürfte also einer Figur Tempus zuzuweisen sein. W i e H e l m u t L O M N I T Z E R ( 2 V L . 5, 1985, Sp. 1229-30) b e merkt, stehen die Figuren »als M a h n e r in bezug auf die letzten D i n g e [...] außerhalb der Zehnjungfrauenspielhandlung.« (Sp. 1230), w ä h r e n d z u m i n dest Mors in A P in das Geschehen eingebunden ist. • S z e n e 5 (V. 536-619): Johannes sucht Herodes auf, u m i h m u n d dessen Frau Herodias w e g e n ihres unsittlichen Lebenswandels die Strafe Gottes anzudrohen (lateinisch u n d deutsch); auch durch einen Wutausbruch des M o n a r c h e n lässt er sich nicht einschüchtern u n d spricht d e m Zügellosen die Herrschaftskompetenz ab, worauf er des Ortes verwiesen wird (V. 536— 579). — N a c h einem Gesang des chorus richtet Johannes, optional v o n der Figur mors verfolgt, i m Fortgehen eine erneute Bußrede an das P u b l i k u m (V. 580-619). Gesang beschließt die Szene (nach V. 619). S z e n i s c h e E l e m e n t e : Vgl. zu Szene 3, S. 101.
6. Beratung der Teufel gegen Johannes den Täufer (V. 620—697)
121
6. Beratung der Teufel gegen Johannes den Täufer (V. 620—697) (1) S p r a c h l i c h e E r l ä u t e r u n g e n v o r V . 6 2 0 cum suis exeunt
de inferno cum horribile
clamore]
>geht [wörtl. : g e h e n ]
m i t d e n s e i n e n m i t f ü r c h t e r l i c h e m G e s c h r e i aus der Hölle< V . 6 2 0 woffen vnde mort] Zwillingsforniel des Fluchens, vergleichbar Tod und Teufel. -
Laut GRIMM: D W B , 13, Sp. 294f. ist Waffen! ursprünglich ein tatsächlicher
»notruf« nach einer Waffe, kann aber auch »zum bloszen weheruf werden«, gebraucht »dann auch, wenn man eine unbill erfahren hat [...] oder überhaupt man sich unglücklich fühlt«; die vorliegenden AP-Verse werden als Beleg zitiert. Mit dem R u f Mord! wird, nach GRIMM: D W B , 6, Sp. 2533 »ein frisch geschehener mord [...] beschrieen« und genereller »als ausruf eines [...] übel sich befindenden« gebraucht. V . 6 2 1 morde io] >Mordio!< - Verbindung von morde! aus mhd. mordâ! (mit -a wie auch beispielsweise ivâfenâ!) ist kombiniert mit dem allgemeinen Ausruf io!. Dieser wird üblicherweise dem Wort direkt angehängt so in Mordio!, Feurio!, vgl. GRIMM: D W B , 6, Sp. 2547. V . 6 2 1 f. han gehört
/ alzu
boszer
nuwer
mere] >habe g e h ö r t v o n allzu ü b l e n
N e u i g k e i t e n < — Hier wie oft noch die alte mhd. Konstruktion mit Genitivobjekt statt, wie heute allgemein, mit Akkusativobjekt. In nuwer (mhd. niuiver > nhd. neuer) ist der Umlaut nicht bezeichnet. V . 6 2 4 hostu syn vnd wycze]
>hast du E i n s i c h t u n d Verstand< - Für die Dop-
pelformel vgl. zu V. 55. V . 6 2 6 geberest
szo fyntlich]
>dich so feindselig, w i l d gebärdest< - Mhd. gebœren
wird nicht nur reflexiv, sondern wie hier auch absolut gebraucht. V . 6 2 7 sait bas] >sollst besser< V . 6 2 8 f . gedenck
an die groissze
gewalt
/ synt das] >bedenke die g r o ß e M a c h t ,
n ä m l i c h dass< V . 6 2 9 Die beliebte, das gesamte Altersspektrum umreißende Zwillingsforniel begegnet in unterschiedlicher Form in V. 641, ferner in V. 2, V. 2106, V. 2161, V. 4490, V. 5481 und V. 7325. V . 6 3 0 >nie e i n e n A u s w e g zu e r s i n n e n vermag< - Das schwache Verb mhd. erdenken kennt neben der Konstruktion mit Akkusativ auch diejenige mit Genitiv, welche hier vorliegt. Der mehrfache Ausdruck der Verneinung (nie keynes) ist im Mhd. und im älteren Frnhd. üblich und bewirkt keine Aufhebung wie in der nhd. Schriftsprache, vgl. E / R / S / W § S 232. V . 6 3 1 der mit ichte entwencken] zu V. 40.
>dir i r g e n d w i e e n t k o m m e n < -Für mit ichte vgl.
Erster Tag
122 V . 6 3 2 wan siefaren
von] >sobald sie verlassen< - Anstatt hier einen vorangestell-
ten Nebensatz und damit gestörte Wortstellung im Hauptsatz V. 633 anzunehmen, wäre es auch möglich, den Nebensatz als nachgeordnet zu V. 631 zu ziehen. V . 6 3 3 sie musszen
der] >müssen sie dir
deshalb sei stets fröhlich (gehabe dich wot)< V . 6 3 5 >da du ein so großer H e r r bist< - Subjektspronomen hier erspart, vgl. E/R/S/W § S 56. V . 6 3 6 >oder teile uns sofort (balde) mit, was dich anficht (dynen
gebrechenn)
wir alle wollen dir helfen, dem Abhilfe zu verschaffen (den [sc. gebrechenn] V . 6 3 8 frunt,
rechenn)< du sagest war] >Freund, du sprichst die Wahrheit
dass durch die Art, in welcher (szo) ich viele tausend Jahre lang die Welt unterworfen hielt (die wernt hon
bezwungenn)
weiß nicht, woher< V . 6 4 5 saget gar wonderliche V . 6 4 6 hie gelaubet
mere] »verkündet sehr Wunderliches
gelobt, verheißt den Leuten< - Die Schreibung
au für mhd. kurzes o (geloben) ist für das Hessische belegt, vgl. E/R/S/W § L 28 (S. 60). V . 6 4 7 >wirklich (entruwen),
das verdrießt mich< - Adverb mhd. entriuwen aus in
triuwen mit dem starken Femininum triuwc; vordruszet mit nicht bezeichnetem Umlaut für mhd. verdriuzet, Infinitv: verdriezen. V . 648—650 >und macht m i c h sicherlich überaus zornig (ist mer zornn), (sal) es so sein, dass ich meine M ü h e (myn erbet) vertan habe (han
sollte
vorlornn),
die ich mir dabei (γη hye) damals (vor zyt) gemacht habe< - Für erbet vgl. zu V. 296. V . 6 5 1 do ich der frawen Eua] »als ich Eva, der Frau< — Die wohl Abschreibefehler (vgl. V. 650). V . 6 5 2 vorbodden appel] >den verbotenen Apfel< - In der dialektalen Schreibung pp bei appel zeigt sich die im Mitteldeutschen unterbliebene Verschiebung zu pf in der Geminate. V . 6 5 3 vmb groissen hasz] >aus g r o ß e m Hass< V . 6 5 4 das sie vorloren] >auf dass sie verlieren sollten< - verloren (mit nichtbezeichnetem Umlaut ö) ist Konjunktiv Präteritum, mhd. verlür(e)n. V . 6 5 5 f . »und gleichermaßen (glich) all diejenigen, welche jemals in Z u k u n f t (vmmer) von ihnen abstammen würden
da, weil< V. 6 5 8 en wirt gegebenn] >ihnen geschenkt wird
dass, w e n n (abe) sie bereit sind, in Buße zu leben, sie dann (szo) in d e n H i m m e l k o m m e n w e r d e n (soin zu hymmeln V . 6 6 0 zu hymmeln]
farenn)
in d e n H i m m e l · - Für den Plural vgl. zu V. 100.
V . 6 6 1 helff bewarenn] >hilf zu verhindern< B e i s c h r i f t n a c h V . 6 6 1 pallium
et pepulum]
>Mantel u n d Schleier< - Vgl. V. 687
mantel und V. 688 duch. V. 6 6 3 mer bestellenn] >mir zu b e w e r k s t e l l i g e n V. 6 6 4 bracht] >gebracht< - Wie im Mhd. hat in AP das Partizip Präteritum von bringen als perfektivem Verb noch nicht das Präfix ge- bei sich. V . 6 6 5 hot herdocht] >hat erdacht< - Für her- vgl. zu V. 44. V . 6 6 6 >dass er (hye) m e i n e H e r r s c h a f t zu s c h w ä c h e n , v e r n i c h t e n (krenckenn) beabsichtigt
V. 667 wol dencken] >denke gut nach, überlege scharf< V. 6 6 8 - 6 7 0 >(und) so werde ich es ohne Mithilfe (sonder hilff) meiner Gesellen sehr gut (gar wot) bewerkstelligen, dass er (hye) alsbald tot daliegt< V. 671 habe du keyn noit] miache dir keine Sorgen< V. 6 7 2 weiß eyn wipp v f f myner wann] w ö r t l i c h : >kenne e i n e F r a u a u f m e i n e r K o r n s c h w i n g e / W o r f s c h a u f e l · , w o h l e i n e (nicht m e h r d e u t b a r e )
Rede-
w e n d u n g - Die wanne ist eigentlich das landwirtschaftliche Gerät der Kornschwinge, laut GRIMM: DWB, 13, Sp.1884 »ein eirundes, nach unten flach gewölbtes geflecht [...], aus dem streu und staub durch hin- und herschwingen und aufwerfen des inhalts von den körnern weggeweht wird.« Teilweise wurde auch die zum gleichen Zweck gebrauchte Worfschaufel wanne genannt; im Bezug auf eine Schaufel erscheint die Präposition vff passend. Andererseits hat wanne, wie der nhd. Gebrauch (etwa Bade-, Waschwanne) zeigt, eine Bedeutungserweiterung erfahren und kann jede Form von Bottich bezeichnen. So bezieht GRIMM: D W B die vorliegende AP-Stelle auf einen dem doleum Luzifers vergleichbaren Bottich als Teil der Bühnendekoration, zu übersetzen wäre demnach etwa »ich, auf meinem Bottich stehend, kenne«. Diese Deutung erscheint wenig überzeugend. Zumal sich aus dem Sinnbezirk des Dreschens eine Vielzahl von Sprichwörtern entwickelt hat, dürfte es am wahrscheinlichsten sein, dass hier eine untergegangene Redewendung vorliegt, vielleicht im Sinn des kritischen Prüfens, vielleicht auch nur mit einem Bedeutung wie >ich kenne unter denen, mit welchen ich befasst binwerde ich zu H i l f e nehmen< V . 6 7 4 Hemdes
herczentrud]
>des H e r o d e s Herzallerliebste< - Mhd. herzetrüt ist
Kompositum zum Adjektiv mhd. trtit >traut, liebdiese schalt er (= J o h a n n e s )
erst k ü r z l i c h a l l g e m e i n ,
öffentlich
(vberlud)< - Laut GRIMM: D W B , 11.2, Sp. 378f. ist bei überlaut die Grundbedeu-
124
Erster Tag
tung >mit gar heller und erhobener stimme< schon bald von der übertragenen öffentlich (palam)< überlagert worden.
V. 676 >deshalb hat sie auf ihn einen Hass (ist em gehasz)< V. 677—679 >Siehe, w i e könnte ich jemals besser (wulde vmmer basz) ihm (= den Johannes) in Bezug auf sein Leben (an syn lipp) etwas anhaben (gewynnen), ihn ums Leben bringen, als mittels (dan durch) dieser boshaften Frau< V. 680 >sie soll mir diese Angelegenheit einfach, leicht machen< - Das schwache Verb mhd. slichten, nhd. schlichten ist gebildet zum Adjektiv mhd. sticht, siecht
>gerade, einfache V. 681 >in der Weise (als), in welcher ich sie diesbezüglich (des) unterweisen werde< V. 682 >ich will mich zu ihr aufmachen< V. 683 >einen guten Anschlag, Trick (syn) werde ich erdenken (gerachenn)< GREIN:
Wörterbuch, S. 316 erklärt gerochen unter Rückgriff auf »holl. geraken« als
»erreichen, erlangen«·, wohl Form zu gerechen, vgl.
GRIMM:
DWB, 6.1,2, Sp. 3593
ygerech d.h. fertig machen, bereitem.
V. 684f. >aus diesem heraus werde ich ihr R a t geben (er raddenn), so dass es uns nicht schaden, nützen wird< V. 686 >Da du, Satan, es denn nun unternehmen, dich daran machen (es bestari) willst* V . 6 8 7 hencke den mantel an] >hänge dir d e n M a n t e l um< - Vgl. zur Beischrift nach V. 660.
V. 688 >und schlinge, wickle das Tuch u m deinen Kopf< V. 689 der destu basz gleubet] >glaubt dir umso mehr< nach V. 689 >Und er reicht ihm den Mantel mit dem Schleier. U n d Sathanas nimmt [diese] und zieht [sie] an, indem er sagt< V. 690 >Erhabener (her) Herr, so ziehe ich denn die Kleidung (wat) an< Mhd. nuit ist ein starkes Femininum. V . 6 9 1 wie woln sie mer dan stad] >wie gut sie m i r d e n n steht< - ιvoln hier für tvol, vgl. E/R/S/W § L 62,4.
nach V. 691 trahens ipsum cum veste] >denselben am Gewand ziehend< V. 693f. stet/sted] >steht da, sieht aus< V. 694 recht als eyn boszes wipp] >ganz w i e eine boshafte Frau< nach V. 694 saltando] >indem er tanzt< V. 696 >die sich vor mir nicht in Acht genommen (vorwart) haben< V. 697 susszemach (lies: sussze mach) ich mich vff die fart] >so mache ich mich auf den Weg< - Mhd. sus >soDie anderen< - Vom Schreiber ist das Präfix inwohl irrtümlicherweise zunächst als Präposition (trotz ad) gesetzt und so verdoppelt worden.
(2) Q u e l l e n frei Literatur:
DURIEZ:
Théologie,
S.
77f.
(3) S z e n e n p a r a l l e l e n Die Szene hat innerhalb der Hessischen Passionsspielgruppe keine Parallelen.
(4) S z e n e n g e s t a l t u n g Z u m >Johannesspiel< vgl. zu Szene 3, S. 99. Die nach d e m feierlichen Gesang v o n nach V. 619 cum horribile clamore einsetzende Szene spiegelt (etwa in der Rollenverteilung zwischen Luciper u n d Sathanas) die gegen Jesus gerichtete Teufelsberatung v o n Szene 2, doch zeigt sie anders als diese sogleich die praktische U m s e t z u n g des Plans. U m das Vorgehen gegen den T ä u f e r zu motivieren, erscheint dessen R o l l e in der Luciper-Rede V. 638—666 vergrößert u n d v o n Jesus unabhängig: Die Bußpredigt des Johannes u n d die damit verbundene Möglichkeit des Heils f ü r die Menschen ist f ü r die Hölle schon f ü r sich g e n o m m e n eine große Gefahr. W i e der v o n Luciper als erbet (V. 649) bewerkstelligte Sündenfall auf d e m W e g über frauwen Eua (V. 651) gelungen ist, soll auch jetzt die Beseitigung des Täufers v o n Sathanas mittels der Frau des Herodes erreicht werden: wye wulde ich vmmer basz / eme gewynnen
an syn lipp, / dandurch das selbe bocze
wipp? (V. 677—679). Dieses Schema k o m m t im Spiel nochmals vor, u n d zwar in dem missglückten Versuch der Einflussnahme auf Pilatus über dessen Frau (Szene 72, V. 4418—4465). U b e r die B e t o n u n g dieses misogynen Motivs hinaus verweist die Inszenierung der höllischen Attacke mittels einer Verkleidung: Jeder hat sich in Acht zu n e h m e n , denn das W i r k e n der Hölle ist nicht sofort als solches zu erkennen - und das kostet nach etlichen sele vnd lipp (V. 6 9 5 ) .
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Erster Tag
• Szene 6 (V. 620—697): Wie in Szene 2 versammelt Luäper seine Teufel zu einer Beratung um das doleum, da er angesichts der Ereignisse den Verlust seiner Beute an Menschen befürchtet, die bisher sämtlich in die Hölle kamen. Sathanas schlägt vor, den Hass der Herodias auf Johannes, der er in der Verkleidung einer Ratgeberin erscheinen will, so zu instrumentalisieren, dass Herodes zu einem Vorgehen gegen den Prediger gebracht wird. Der Vorschlag findet die Billigung des Luciper. Sathanas legt Frauenkleider an und begibt sich zu Herodias. Szenische Elemente: Vgl. zu Szene 3, S. 101.
7. Satan und Herodias (V. 6 9 8 - 7 2 9 ) (1) Sprachliche Erläuterungen vor V. 698 >Sobald er [dort] angekommen ist, wo Herodias ist, soll er sich ihr gleichsam ehrerbietig stellen und sagt< V. 699 >ach, wenn es mit eurer Erlaubnis (myt vwern hulden) geschehen könnte< V. 700 vch mochte gefragenn] >euch befragen diirfte< V. 701 >und ihr mir mitzuteilen geruhtet< V. 702 vch erzürnet] >euch erzürnt< - Das ö in crzornet (Umlaut nicht bezeichnet) V. V. V. V. V. V.
ist durch Senkung aus ü (mhd. erzürnet) entstanden. 7 0 3 fregen ich dar abe] >das frage ich deshalb< - Für fregen vgl. 4,1.1, Sp. 94. Beim hs. dan für dar liegt wohl Verschreibung vor.
GRIMM:
DWB,
704 >weil ich in (vnder) euren Augen genau< 705 er sijt] >ihr seid< 706 by mynen hulden] >als Zeichen meines Wohlwollens< 707 >ich wurde auf wirklich boshafte Art (szo recht vbet) heftig gescholten< 709f. >so dass ich keine Freude empfinden, nicht wieder froh werden kann, es sei denn/bevor an ihm dafür Rache genommen wird< - Im Nebensatz (V. 710) liegt eine exzipierende Konstruktion vor; vgl. E/R/S/W § S 294.
V. 711 mer] »von mir, über mich< V. 712 >Dann folgt mir (mer), meinem Rat, Herrin, ich werde euch belehren, euch sagen, was zu tun ist< V. 713 vch machen an] >euch wenden an< V. 715 >mit weinenden Augen, unter Tränen (mit schryenden äugen), wie es die Art einer Frau ist< - Unter hauptsächlicher Bezugnahme auf die vorliegende
7. Satan und Herodias (V. 698-729)
127
AP-Stelle spricht G R I M M : DWB, 9, Sp. 1714 von »formelhaftem gebrauch« der Wendung mit schreienen Augen; die Bedeutung ergibt sich, so G R I M M , über schreien »als ausdruck und begleitung von erregungszuständen«. Vgl. ferner L E X E R : HWB. V. 716 em vffin] >ihm eröffnen, offenbarem - Mhd. off(eri)en aufmachen, offenlegen< ist schwaches Verb zum Adjektiv mhd. offen; u für o erklärt sich als Hyperkorrektur, vgl. E/R/S/W § L 24. V. 717 wole, hie wirt bereyt] >genau, dass er bereit sein wird< V. 719 etwa >er wird euren Tränenfluss stillen< - Vgl. zu V. 715. V. 720f. >und was ihr auch (weß er) dann von ihm begehrt, das wird euch alles zusammen (alles stimmet) gewährt werden< - Mhd. begem wird mit Genitiv der Sache (weß) uneingeschräinkt konstruiert, so auch noch teilweise in AP, gewert sin >gewährt bekoinmen< mit dem Akkusativ der Sache. V. 722 hie enlesszet vch] >er lässt euch nicht< V. 723 >auch dann nicht, wenn er (vnd solde hie) den besagten Mann umbringen lassen müsste< V. 724 szo leyde hot gethaynn] >solches Leid angetan hat< V. 726 >gebt mir Erlaubnis, zu gehen (orlaupp), liebliche Herrin< - Für oriaupp vgl. zu V. 306. V. 727 >ich will mich an meine Aufgabe machen< nach V. 727 >Und so zieht er sich zurück, indem er umhergeht und auf den Ausgang dieses Geschehens horcht. Herodias sagt gleichsam zu sich selbst:< V. 728 >Wahrhaft (Entruwen), das ist ein sehr guter Rat< - Für entruwen vgl. zu V. 647. (2) Quellen Mt 14,3 Merodes enirn tenuit Ioannem et alligavit eum et posuit in carcere propter Herodiadem uxorem Philippi fratris sui. 4 Dicebat enim Uli Ioannes: »Non licet tibi habere eam«. Literatur:
DURIEZ:
Théologie, S. 77f.
(3) Szenenparallelen Die Szene hat innerhalb der Hessischen Passionsspielgruppe keine Parallelen.
128
Erster Tag
(4) Szenengestaltung Für das Johannesspiel insgesamt vgl. zu Szene 3, S. 41 Die Parallelität zum Sündenfall wird nun auch in der Gesprächstechnik deutlich, die der Teufel callidor cunctis animantibus terrae (Gen 3,1) anwendet: Wie bei Eva beginnt Sathanas bei Herodias das Gespräch mit einer scheinheiligen Frage in geradezu höfischem Ton (V. 698—705). Während in der Sündenfall-Geschichte der Impuls von Eva wie in einem natürlichen Automatismus auf Adam übertragen wird, rät Sathanas der Herodias hier nun zum Einsatz psychologischer Tricks gegenüber ihrem Mann: Die schryenden äugen (V. 715 und — in Wiederholung — V. 719) seiner Frau werden Herodes zu jeder Tat bereit machen. • Szene 7 (V. 698—729): Sathanas kann in der Verkleidung seinen Plan bei Herodias umsetzen, die von ihrer Kränkung und ihrem Rachedurst berichtet und dankbar den R a t annimmt, ihren Mann nach wibes sidden durch Weinen und Drohen zu Festnahme und Hinrichtung des Johannes zu drängen. Szenische E l e m e n t e : Vgl. zu Szene 3, S. 101.
8. Gefangennahme Johannes des Täufers (V. 730—831) (1) Sprachliche Erläuterungen vor V. 730 >Dann erhebt er sich, geht vor den König, indem er sagt< V. 731 muhet szo sere] >mich so heftig verdrießt< V. 734 /esterlich] >schimpflich< V. 735 geschulden] >beschuldigt< V. 736 wiltu] Willst du, wenn du wirst< V. 737 der wol vorsprechenn] >dir genau vorhersagen< V. 738—740 >du bekommst, wirst haben (gewynnest) in mir nie wieder (nummer) eine gute, gutmütige Frau, außerdem (dar zu) werde ich nie wieder dir bezüglich deines Willens (dynes wylìen) Folge leisten, deinem Willen folgen, wie ich es (früher getan) habe< V. 741 du bestellest dati] >es sei denn, du bewerkstelligst, veranlasst V. 742 kam balde von] >alsbald abtritt von« V. 743 wan ich magk] >denn ich kann< V. 744 >solange ich ihn am Leben weiß
nimm genau zur Kenntnis< V. 747 trwfynden
an] ¡-Verlässlichkeit (triuwe) f i n d e n bei
Hierauf erhebt sich der K ö n i g u n d soll j e n e u m a r m e n u n d soll veranlassen, dass sie (eam) bei i h m {penes se) sitzt, i n d e m er sagt< — Die maskuline Form der Hs. (cum) ist zum grammatisch geforderten Femininum hin korrigiert. V. 749 losszen synn] >ablassen von< V. 750 wan du bist mer ] >denn du bist mir< V. 752 >als alles G u t dieser Welt< - Für wende >Welt< vgl. zu V. 494. V. 7 5 3 >deshalb sollst du g u t e n M u t e s sein< V. 755 enlyden ich sicher nummer eyn tagk] >dulde ich gewiss k e i n e n Tag länger* V. 756 der keren, deßgleube mer] >dir a b w e n d e n , f ü r dich abstellen, das glaube mir< — Mhd. g(e)löuben häufig mit Genitiv der Sache, n a c h V. 756 subiungit] >fügt hinzu< V. 757 Wan] >wenn< V. 759 Mer gnunget wol] >Es verschafft m i r volle Genugtuung< V. 761 Wol u f f ] >Nun auf< V. 764 wes] >was< - Zum Genitivobjekt vgl. zu V. 720. V. 765 von stunt] >im A u g e n b l i c k (stunt), umgehend* V. 766 ienen] >jenen< V. 767 nemnet] >nennt< — mn für rin findet sich nur hier und ist wohl Verschreibung. V. 768 >glückt, gelingt es euch, i h n zu finden* V. 769 er en gar feste byndenn] >ihr i h n sehr stark fesseln* V. 770 vff der selbe fart] >geradewegs< V. 771 alszo hart] >so streng< V. 772 nit möge entgan] >nicht e n t k o m m e n kann* V. 7 7 3 er en] >ihr ihn< V. 774 rechte wol besynnenn] >ganz genau überlegt haben< V. 775 >was wir mit i h m anfangen, w i e w i r m i t i h m weiter v e r f a h r e n w o l len* - Für den Genitiv bei begynnen vgl. zu V. 56. V. III
das sail synn] >das soll sein, w i r d sofort ausgeführt*
n a c h V. III
ad socium] >an seinen Gefährten* - Das lat. socius steht offenbar für
dt. geselle, vgl. V. 778. V. 779 des werckes balde bestan] >sogleich an die Arbeit gehen* V. 780 eß nit lenger entpernn] >es n i c h t länger e n t b e h r e n , es sofort haben< Für den Genitiv eß (inhd. ës) vgl. zu V. 16; für das Genitivobjekt bei mhd. entbërn vgl. zu V. 273.
130
Erster Tag
V. 781 Truwen] >Bei meiner Treue, wahrhafte V. 782 gangk an] >geh voran< nach V. 783 transeunti >gehen hinüber< nach V. 783 Transeundol >Indem sie hinübergehen< V. 784 Wane künden mer] >Ach, k ö n n t e n wir doch< V. 785 hie enmagk vnß nit entgann] »er kann uns nicht entgehen, entwischen< V. 786 lauffen iwf] I m Blick auf den R e i m (: aldort) gegenüber der Hs. umgestellt. V. 787 >Sieh, bei m e i n e m Eid, er steht tatsächlich dort (aldort)< V. 788 ist dem dinge rechtl >läuft die Angelegenheit gut< V. 789 wel nu werden slechtl >wird jetzt leicht werden< - Das mhd. Adjektiv sieht bedeutet »schlicht, einfache nach V. 789 Et tunc ... trahendol >Und dann sollen sie bei Johannes sein u n d denselben wild packen, u m [ihn] fortzuzerren< V. 790 feygerl >unseliger (zum Tode) bestimmten V. 792 schone synn] w o h l >schön seiend, in ihrer S c h ö n h e i t - synn könnte als Infinitiv Ersatz für ein Partizip Präsens sein (vgl. etwa V. 7040 die γη der helle warten [statt wartend] syn). V. 793 kune] >kühn, frech< - Adjektiv mhd. küene. V. 794 en] »von ihnen, über sie< V. 795 sali >wird< V. 796 dyns klaffens sturenn] >Einhalt gebieten im Blick auf dein Schwatzen< Schwaches Verb mhd. Stirnen »steuern, beschränken^ V. 797 kerkeneil >Kerker< - Starkes Maskulinum mhd. kerkenêr(e), kerkcrre. V. 798 vorterbenn] >verderben, zu G r u n d e gehen< - Starkes Verb mhd. verderben. V. 799 eynes hoszen todes sterben] >einen schlimmen Tod erleiden< - Der Genitiv bei sterben gibt generell die Todesursache an, vgl. Hungers sterben; hier ist er eher im Sinn eines inneren Objektes gebraucht. V. 801 enhon hye keyn lenger s tan] >haben hier nicht länger stehen zu bleiben< nach V. 801 Et sie ... in via] »Und so f ü h r e n sie ihn ungestüm ins Gefängnis, unterwegs einander zurufend< nach V. 801 primo] >zuerst< V. 802f. »Wirklich (Entruwen), jetzt ist es f ü r uns gut gegangen, haben wir Glück gehabt, n a c h d e m wir den Schurken (mudingk) gefangen haben< F ü r entruwen
vgl. zu V . 6 4 7 ; mudingk
n a c h GREIN: W ö r t e r b u c h , S. 3 6 1 z u
mhd.
mite dine »elender Menschan den H o f bringen< - Starkes Maskulinum mhd. hof, -ves.
V. 805 myn fraw soììe lobenn] »meine Herrin loben wird
zusehen, darauf achten< 807 entgehenn] >entkommen< 808 Haiden en des zu fast] >halte ihn dazu (= z u m E n t k o m m e n ) zu fest< 809 >Träfe uns diese Schande (hon), wäre es f ü r m i c h auch (ein) J a m m e r (brast)< - Für den Genitiv eß (mhd. ës) vgl. zu V. 16. V. 810 nu men entgan] >jetzt n o c h entkommen< V. 812 >Nein (Ney« hie), w a h r h a f t (zwar)/Wirklich nicht! Das (des) h o f f e ich< - Regelmäßig wird im Mhd. jâ und nein - quasi den zu beantwortenden Satz aufgreifend - mit dem entsprechenden Subjektspronomen (hier hie >erin dieses Loch< nach V. 813 trahunt] >zerren sie< nach V. 813 Et postquam ... Uli duo] >Und n a c h d e m er i m Gefängnis angekettet w o r d e n ist, gehen j e n e beiden hinaus< V. 814 wol bestalt] >gut bewerkstelligt V. 815 rysch vnd bait] >schnell u n d u n v e r z ü g l i c h - Für rysch vgl. zu V. 375. V. 816 dye mere sagenn] >den Vollzug erstatten, ausrichten V. 817 sal vnszer herschaff] >wird unserer H e r r s c h a f t nach V. 817 Et sie ... reuerenciam] >Und so w e r d e n sie gehen, u n d w e n n sie [dort] a n g e k o m m e n sind, w o Herodes ist, erweisen sie vor i h m ihre Reverenz< V. 818 zu vwern gnadenn] >zu Euer Gnaden< V. 819 sunder allen schaden] >ohne j e d e Beschädigung, Verminderung (der Wahrheit), ganz unverhohlen< V. 820 habe gegangenn] >ergangen ist< - Bei gegangen schwankt die Konstruktion zwischen den Hilfsverben sin (z. B. V. 249) und, wie hier, hân. V. 822 rechte woil bewart] >sehr gut verwahrt (und ihn)< V. 823 >in einen Kerker fest eingesperrt< V. 825 >Daraus w e r d e ich euch N u t z e n ziehen (^enisszen) lassen, euch dafür belohneiK — Starkes Verb mhd. genieaen mit Genitiv der Sache (so noch teilweise in AP). V. 828 >ich w e r d e euch f ü r i m m e r g e w o g e n (holt) bleiben< V. 829 solt] >Lohn< nach V. 829 faciunt reuerenciam mulieri] >erweisen der Frau ihre R e v e r e n z , verbeugen sich vor ihr< V. 831 orlaupp] >Erlaubnis (zu gehen)< - Vgl. zu V. 306.
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Erster Tag
(2) Quellen Vgl. zu V. 698-729. V. 774f. (Verfahren mit dem Täufer nach Inhaftierung noch offen): Mt 14,5 Et volens ilium occidere, timuit populum, quia sicut prophetam eum habebant. Literatur: DURIEZ: Théologie, S. 292.
(3) Szenenparallelen Für FD Szene 5 (§ 30-31a) vgl. W O L F : Kommentar, S. 97f. Der FD-Grundbestand der Szene besteht aus einem Dialog, in welchem Herodes seinen Dienern den Auftrag zur Gefangennahme erteilt und einer von diesen den Auftrag bestätigt (§ 30-31, entspricht AP V. 761—775), sowie einer Regie, in welcher der Auftrag zur Ausführung kommt, indem der Täufer von den Dienern ins Gefängnis geführt wird. (§ 31a, entspricht AP V. 776—813). Die Szene schließt mit dem Gesang Arguebat Herodem Iohannes. AP zieht diesen Gesang vor und positioniert ihn am Schluss der Mahnrede des Täufers an Herodes (nach V. 579). In Fortführung der vorangehenden Sathanas-Szene stellt AP einen Dialog der Herodias mit Herodes (V. 730— 760) voran und rahmend ans Ende der Szene nach erfolgter Gefangensetzung des Johannes eine Rückmeldung der Diener bei Herodes und Herodias V. 814—831. Die schlichte Regieanweisung semi ducarit Iohannem in carcerem von FD § 31a überformt AP V. 778-814 in detaillierter szenischer Ausgestaltung sowie mit fortlaufendem Dialog zwischen den beiden Dienern Qwancz und Sreddel und einer Scheltrede des Qwancz an den Täufer.
(4) Szenengestaltung Für das Johannesspiel insgesamt vgl. zu Szene 3, S. 99 Sollte Herodias nach dem Rat des als fraw (V. 729) verkleideten Sathanas bei Herodes ihre schryenden äugen (V. 715) einsetzen, so geht Sie nun über dieses Mittel tatsächlich noch weit hinaus: Sie droht ihrem Mann ganz offen mit Ehekrieg und Verweigerung der Liebe (V. 737—740). Herodes reagiert, allerdings nicht im verlangten Umfang. Er lässt nach der Stichomythie V. 757—760 den Täufer zwar durch Inhaftierung aus dem Verkehr ziehen, geht aber auf die Forderung nach dessen Liquidierung noch nicht ein.
9. Anfrage Johannes des Täufers bei Jesus (V. 832-877)
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M i t d e m Dienerpaar Sreddel vnd Qwancz (V. 762) k o m m t ein k o m ö d i antisches E l e m e n t ins Spiel: In ihren lebendig gestalteten Dialogen (man beachte Stichomythie u n d Stichreim) u n d i h r e m Agieren verbinden sich Umständlichkeit u n d U n b e h o l f e n h e i t mit demonstrativer Brutalität. • S z e n e 8 (V. 730—831): Herodias begibt sich zu Herodes, d e m sie wie geraten durch D r o h u n g e n zusetzt, bis er verspricht, ihrem W u n s c h nachz u k o m m e n (V. 730—760). D e r K ö n i g befiehlt seinen D i e n e r n Sreddel u n d Quanz den T ä u f e r zu suchen, f e s t z u n e h m e n u n d einzukerkern (V. 761— I I I , v o n einer H i n r i c h t u n g ist nicht die R e d e ) . — Die beiden f ü h r e n den Auftrag unter Wechselreden aus (V. 778—817) u n d m a c h e n d e m K ö n i g u n d Herodias M e l d u n g (V. 818-832). S z e n i s c h e E l e m e n t e : Vgl. zu Szene 3, S. 101.
9. Anfrage Johannes des Täufers bei Jesus (V. 832—877) (1) Sprachliche Erläuterungen vor V. 832 >Nachdem dies beendet ist, folgen die J ü n g e r des Johannes dorthin allmählich in w e i t e m Abstand bis zur T ü r des Gefängnisses, dort furchtsam u n d verstört stehen bleibend. D a n n schickte Johannes Baptista seine J ü n g e r zu Jesus, i n d e m er sagte:< V. 832 hen] >hin< V. 834 >ob er es sei, der Messias oder, bzw. Christus< V. 835 >der in die Welt k o m m e n soll< - Nach der lat. Konstruktion ventums est. V. 836 >wie uns in der Schrift (ee) verheißen (gelobet) ist< V. 837 >oder warten (beyden) wir n o c h (mehe) auf j e m a n d anders< - Für bcydenn vgl. zu V. 501. V. 839 >wir leisten gern Folge, f ü h r e n deinen Auftrag aus< V. 840 erbeyt] >Arbeit, Aufgabe< - Vgl. zu V. 296. V. 842 kommen dar] >hingehen< V. 843 >und diese Frage ausrichten, stellen< V. 844 gesanáí] Beim hs. gesangk liegt reine Verschreibung vor. V. 849 abe du syest] >ob du seist< V. 850 gelaubet, in der ee] >verheißen in der Schrift< - Für au statt o vgl. E / R / S / W § L 28. V. 851 Vgl. zu V. 837
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Erster Tag
nach V. 851 leprosi mundaritur] >die Aussätzigen w e r d e n rein, w e r d e n geheilt< - Ergänzung wohl von Hand C. V. 852 >Dem Johannes sollt ihr zurück (widder) ausrichten, antworten< V. 854 stehen] >Kranken, (hier speziell:) Aussätzigem - Mhd. siech. V. 855 offen] >öffnen, tun auf< - Vgl. zu V. 716. V. 857 moget, er woil iehenn] >könnt ihr genau mitteilen< V. 859 loszet en vorstehenn] >lasst ihn v e r n e h m e n , hören< V. 860 >hieran (hy bie) k a n n er so erkennen< V. 860f. bie / nu] Bei hs. die und Vn handelt es sich um Verschreibungen. V. 861 >was Sinn, B e d e u t u n g des Gesagten (ist)< V. 864 vornummen] >vernommen< V. 866 >zurück h e i m in die R i c h t u n g (wert) des Landes, heimwärts< V. 867 vnser zukunfft gert] w a r t e t (gern mit Genitiv) auf unser Kommen« nach V. 867 reuertantur] «ollen zurückkehren« nach V. 867 manente Ihesu in eodem loco suo] >während Jesus am selben Platz bleibt< V. 868 gleube mer] >glaube mir< V. 869 hot entbodden] >hat entboten, lässt ausrichten« - Partizip mhd. entboten zum starken Verb mhd. entbieten. V. 870 der toden viel vff stehen] >viele (der) Toten auferstehen« V. 871 viel] >vielfach, oft« V. 872 vffen werde ir mont] >sich ö f f n e ihr Mund« - Für vffen vgl. zu V. 716. V. 873 der sieben wirt viel] >viel an Aussätzigen wird, viele Aussätzigen w e r den« V. 874 hie] >hieran« V. 876 >der zu uns M e n s c h e n gesandt ist« - Für mentsch vgl. zu V. 6. Beim hs. gesangk liegt (siehe schon V. 844) eine Verschreibung vor. V. 877 >als Tröster u n d Heiland< nach V. 877 Discipuli ...ad sepulcrum] >Die J ü n g e r des Johannes w e r d e n an den f r ü h e r e n Platz gehen oder w e r d e n , w e n n beliebt, ängstlich stehen bleiben bis zur E n t h a u p t u n g des Johannes, u n d die J ü n g e r tragen ihn ins Grab« nach V. 877 Hys omnibus ... tangit eum] >Nachdem dies alles auf diese Weise d u r c h g e f ü h r t w o r d e n ist, wird Jesus auf seinem Platz sitzen bleiben, bis die R e i h e n f o l g e [des Spiels] ihn wieder berührt, bis die R e i h e wieder an i h m ist
beziehungsweise< korrigierend auflöst. — In A P V. 844f. stört die Verdopplung v o n zu der, w ä h r e n d H P n u r einmal zcu dir hat u n d im ersten Vers her schreibt (V. 701 f.). Die D o p p l u n g in A P dürfte w o h l auf einen Schreiberfehler z u r ü c k z u f ü h r e n sein oder auf Intensivierung hindeuten. — In der A n t w o r t Jesu V. 852—861 hat A P den in H P insgesamt w o h l n o c h greifbaren alten Text der Vorlage so abgewandelt, dass — entsprechend d e m Spielverlauf in AP, j e d o c h gegen den Bibeltext — f ü r die W u n d e r keine Zeugenschaft der Johannes-Jünger v o r h a n d e n ist: Aus was ir habtt
10. Gastmahl des Herodes (V. 878-1039)
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gesehenn (HP V. 710) wird was geschit (AP V. 853), dies macht wiederum den dritten Vers (HP V. 711) überflüssig, damit fehlt das Reimwort zu die blynden sehen (AP V. 856), dafür wird der erste Vers variierend mit dem Infinitiv iehenn wiederholt. — Die spätere Ergänzung des Incipits Ite, dicite Iohanni, que vidistis (nach V. 851) entspricht dem Bibeltext, nicht dem weiteren Verlauf der entsprechenden Magnificat-Antiphon, vgl. dagegen AD. — Während die Jünger bei FD namenlos bleiben, haben AP und HP diese mit bestimmten Aposteln identifiziert — wohl unabhängig voneinander, wie die unterschiedliche Namensvergabe zeigt. • Szene 9 (V. 832—877): Johannes schickt seine Jünger, die voll Furcht zu seinem Gefängnis gekommen sind, zu Jesus, um zu erfragen, ob er der angekündigte Messias (der herre Crist V. 849) sei (V. 832-843). - Bei Jesus angekommen, stellen die Jünger im Auftrag des Johannes die Frage, Jesus antwortet durch Hinweis auf erfolgte Wunderheilungen (V. 844-867). Die Jünger kehren zum Gefängnis zurück und übermitteln die Antwort Jesu, aus der seine Identität als der ware Crist klar erkennbar wird (V. 868— 877). Eine Bühnenanweisung (nach V. 877) stellt frei, ob die Jünger nun an ihren locus zurückkehren oder bis zur Hinrichtung beim Gefängnis bleiben. Szenische Elemente: Vgl. zu Szene 3, S. 101.
10. Gastmahl des Herodes (V. 878-1039) (1) Sprachliche Erläuterungen Beischrift vor V. 878 Conuiuium Herodis] >Gastmahl des Herodes< vor V. 878 Iam itaque conuiuium Herodis incipit] >Nun schon, nunmehr beginnt das Gastmahl des Herodes< vor V. 878 dicit militibus] >sagt zu den Soldaten< V. 878 ritter] >Soldaten, Wachem V. 879 thun nach allem rechte] >verfahren ganz wie es sich gehört< V. 880 wan] >denn< V. 881 >auf, an welchem meine Mutter mit mir niederkam< - Mhd. geiigen mit Genitiv {myn für mhd. min >meinerohne< V. 885 nit entperenn] >nichts entbehren< - Für entpemm vgl. zu V. 273. V. 887 dar y f f seczen wiltbrot] >darauf stellen Wildbret< - Mhd. ιviltprcete (hier mit Verdumpfung e > o) ist Kompostium zum Neutrum prcete >Fleisch ohne Knochen und Schwarten
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Erster Tag
V. 890 >Nun auf, Troxes, erhebe dich, steh auf< V. 891 >setze die Sache ordentlich ins Werk< n a c h V. 8 9 3 Et vertat ... dicens] >Und er soll sich an die a n d e r e n dazu A n gewiesenen w e n d e n sagend< V. 895 bestellen] >bereiten< V. 896 des nit vordrysszenn] >deshalb n i c h t verdrießen, unwillig werden< V. 897 woln syn alsampt genyssenn] w e r d e n alle z u s a m m e n v o n i h m (syn) N u t z e n haben< - Für das Genitivobjekt vgl. zu V. 825. n a c h V. 897 préparant mensam] >bereiten sie d e n Tisch< n a c h V. 897 Parata mensa] >Nachdem der Tisch bereitet w o r d e n ist< V. 898 >Jetzt setzt e u c h hier dazu entsprechend m e i n e m Willen< V. 900 kynde] >Tochter< V. 901 anders my η hoibegesynde] >überhaupt m e i n (ganzes) Hofgesinde< — Für hoibe- vgl. zu V. 804. V. 902 weszenn fro] >fröhlich sein< V. 9 0 3 fuget sich alszo] >gehört sich so< V. 904 machet es nit langk] >zögert nicht< V. 905 des] >dafür< n a c h V. 905 surgit] >erhebt sich< V. 906 erentrich] >reich an E h r e n , hochgeehrt< - Mhd. crcnrich mit Epenthese von t nach dem n, vgl. E / R / S / W § L 47, 4 (S. 97). V. 907 >Deine Bitte ist so recht u n d billig (mogelich)< - Adjektiv mhd. mügelich zum Präterito-Präsens mugen >vermögendiese n i e m a n d abschlagen wird< V. 911 vnsers ley des vorgessenn] >unseren K u m m e r vergessen< - Für den Genitiv bei mhd. vergëjjen vgl. zu V. 25. V. 9 1 3 sprichet nyt da widder] >sagt nichts dagegen, widerspricht nicht< V. 914 alher by mich] >ganz her, unmittelbar n e b e n mich< V. 915 >so verhalten w i r uns alle in gleicher Weise< V. 917 myt nichte lan] >mitnichten allein, i m Stich lassen< V. 918 szie] Das hs. Adverb Szo ist syntaktisch nicht zu integrieren, das Subjektspronomen hingegegen ist gefordert und bildet mit sie woln dich (V. 917) eine Anapher. dich dynes wylles gewernn] >dir d e i n e n W i l l e n g e w ä h r e n , tun< - Mhd. gewëm wird in AP meist noch entsprechend dem Mhd. mit Akkusativ der Person und Genitiv der Sache konstruiert. V. 919 wann sie dyner hulde] >weil sie deine Huld< - Für das Genitivobjekt vgl. zu V. 720. V. 920 >Also n u r hingesetzt! U n d seid f r ö h l i c h (gemeyt)
den g a n z e n T a g über< - Es handelt sich um eine abgeschliffene Form des Adverbs mhd. tagelanc. V . 9 2 2 >am h e u t i g e n Tag (hude von tage) solle, m ö g e ü b e r k o m m e n < V . 9 2 3 synt] >da doch< n a c h V . 9 2 3 Et sie ... Herodiadis]
>Und so, w ä h r e n d alle sitzen u n d s c h m a u -
sen, singt Sinagoga. N a c h d e m d e r G e s a n g b e e n d e t w o r d e n ist, hält sie ein. U n d der K ö n i g sagt z u r T o c h t e r d e r Herodias< - Vom Schreiber ist bei epulantibus wohl schlicht der Nasalstrich über a vergessen worden, bei Herodiadis scheint das stammschließende d unvollständig als l geschrieben zu sein. V . 9 2 5 >da w i r h i e r n u n v e r s a m m e l t (vorsampt) sind< - Für vorsampt vgl. zu V. 3. V . 9 2 6 >bei e i n e r so p r ä c h t i g e n (rieh) B e w i r t u n g (wertschaff), e i n e m so p r ä c h t i g e n Gastmahl< V . 9 2 7 >so erweise (bewysze) dich, T o c h t e r , als h ö f l i c h (hobelich),
verhalte
d i c h e n t s p r e c h e n d d e n h ö f i s c h e n Sitten< V . 9 2 8 salt vns] »ollst f ü r uns< V . 9 2 9 der hude u>ol gelingen] >dir h e u t e g u t g e l i n g e n , etwas S c h ö n e s w i d e r f a h r e n [, n ä m l i c h : ] < V . 9 3 0 der des] >dir d a r a u f V . 9 3 1 f. nicht wirt vorseyt / alles] >nichts v o n alle d e m w i r d versagt werden< In den Formen von mhd. sagen erscheint -age- oft zu -ei- kontrahiert. V . 9 3 2 gelobenn] >versprechen< n a c h V . 9 3 3 Filia ... dicens] >Die T o c h t e r a n t w o r t e t u n d e r h e b t sich, erweist d e m K ö n i g i h r e R e v e r e n z sagend< V . 9 3 4 >Da d u darauf (eß), H e r r , n i c h t v e r z i c h t e n (entpemn
m i t Genitiv)
willst< — Für den Genitiv eß (mhd. es) vgl. zu V. 16; für die Konstruktion vgl. zu V. 271. V . 9 3 6 durch nymmants
lan] >wegen n i e m a n d e m u n t e r l a s s e n
n a c h V . 9 3 7 Et sie ... modo subiungendo]
>Und so b e g i n n t sie m i t a u s g e b r e i -
t e t e n H ä n d e n , i n d e m sie gleich h i n z u f ü g t V . 9 3 8 meyd] >Mädchen< - Vgl. zu V. 81. V . 9 3 9 myn weyß nit beheyt] >meine A r t n i c h t b e h a g t , gefällt< - Mhd. beheit ist kontrahiert aus behaget. V . 9 4 0 io eyn tommer mann] >ja, w i r k l i c h ein d u m m e r Mann< - In tomrner für mhd. tumber ist mm aus mb assimiliert, vgl. auch - mit d statt t - nhd. dummer. V . 9 4 1 f . >Es k a n n d o c h n i e m a n d F r e u d e h a b e n o h n e M ä d c h e n u n d j u n g e Frauen< - Für meyde vgl. zu V. 81. V . 9 4 4 zu willen mynes herren] >nach d e m W i l l e n , W u n s c h m e i n e s Herrn< V . 9 4 5 >außerdem b i n i c h u n v e r z a g t , o h n e Scheu< - Das Präfix vnd- steht für mhd. un-, Mhd. unverzeit ist kontrahiert aus unverzaget.
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Erster Tag
V. 9Ali. >denn ich w e i ß genau (u>ot), dass hier das Beste f ü r m i c h (geyn mich), durch ihn (an em) v o r h a n d e n sein (bestem) wird, er mir das Beste schenken wird< - Mhd. gein, gen ist kontrahiert aus gegen. Die Ergänzung von sal ist durch die Notwendigkeit eines Finitums in Ergänzung zum Infinity bestem (also Hilfsoder Modalverb) gerechtfertigt, zur Periphrase des Futur bietet sich sal an.
V. 949 zu dinste gedonn] >zu Diensten getan< V . 9 5 0 zu willen synn] >gefallen
Indem sie dies sagt, verneigt sie sich u n d hört auf. D e r K ö n i g sagt darauf: < V . 9 5 2 alzu
wol beheyt] a u ß e r o r d e n t l i c h g u t gefallen< - Für beheyt vgl. zu
V. 939.
V. 953 hon zu gesaget] >habe zugesagt, versprochen< - Das fehlende Subjektspronomen ich war zu ergänzen. V. 954 >so heische, w ü n s c h e dir, was dein Herz begehrt (gert mit Genitiv) < V. 955 >dessen, davon wird dir alles gewährt (çewert mit Genitiv der Sache) werden< - Für das Genitivobjekt vgl. zu V. 918. V. 956 wer eJJ] >wäre es< nach V. 957 Tunc ... dicat regí] >Dann soll das M ä d c h e n , i n d e m es sich ehrerbietig stellt, zu d e m K ö n i g sagen< V. 958 zu vwem gnadenn] >mit eurer Erlaubnis, w e n n ihr erlaubt< V. 959 vor] >vorher, zuvor< V. 960 sail mech leren] >soll mir sagen, raten< V. 962 >Da dir darauf der Sinn steht< V. 963 >so tu d e m so, mache es entsprechend, er wird sicherlich gut< nach V. 963 Filia ... dicit] >Die Tochter sagt, n a c h d e m sie sich an die M u t t e r gewandt hat< V. 965 >da mir m e i n H e r r versprochen (gelaubet) hat< - Für gelautet vgl. zu V. 646.
V. 966 als] >alles< nach V. 967 Tunc ... respondeat] >Dann soll sich Satan im K o s t ü m v o n vorhin hinzudrängen u n d soll sagen, [noch] bevor die M u t t e r a n t w o r t e t V. 968 frawjynn] >schöne Herrin< - Das mhd. fin, nhd. fein ist aus dem Französischen (fin,—e) entlehnt.
V. 969—972 >ich höre genau, w o r ü b e r ihr sprecht, u n d m e r k e (pruben), dass es euer W u n s c h ist (vwer begere s tad), einen guten R a t zu erhalten, was ihr a m b e s t e n (vor das beste) w ä h l e n (kyeszen)
sollt< - Schwaches Verb mhd.
kiesen; pruben zum schwachen Verb mhd. priieven, nhd. prüfen mit Vertauschung von Plosiv b und Frikativ f .
V. 973 die bedde nu nit, vorlieszen] >die Bitte, Möglichkeit etwas zu erbitten n u n nicht vertun, vergeuden< - Starkes Verb mhd. Verliesen (nhd. verlieren).
10. Gastmahl des Herodes (V. 878-1039)
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V. V. V. V. V. V.
974 Iohannes heubet] >das Haupt des Johannes< 975 gleubet] >glaubt< 976 dan wo] >denn wenn« 977 vch beyden gar vnebenn] >für euch beide sehr ungünstig< 978 herschafft >Herrschaft< 980 >Da wir denn darüber (eß) unterrichtet sind< - Für den Genitiv eß (inhd. ës) vgl. zu V. 16. AD 135 (V. 980) dar] >in diese Richtung, dahingehend< V. 981 f. ensaltu ... andiiß bidden nicht / dan] «ollst du nichts anderes erbitten denn, als< V. 984 Die wyl es dan dich] >Da es denn dich< V. 985 haben gudden mut] >beruhigt sein< V. 986 mer szo leyde gethaynn] >mich so gekränkt< V. 988 >vorrangig vor, statt allem (anderen), was mir sonst taugen würde (dochte)< V. 989 gegeben mochte] >zu geben vermöchte< V. 990 >deshalb werde ich wohlgesittet, anständig (myt gudden siddenn) gehen< nach V. 991 Et sie ... dicat] >Und so soll sie sich an den König wenden und soll, nachdem sie ihre Reverenz erwiesen hat, sagen< V. 992 Gnade] V. 993 »wenn es mit eurer Erlaubnis geschehen kann, ihr erlaubt< V. 995 »wenn ihr mir die Gnade gönnen, zuteil werden lassen wollt< V. 996 zu gesaget hoit] >zugesagt, versprochen habt< V. 997 my η begere stad] >es mein Wunsch ist< V. 999 >dafür danke ich euch, bin ich euch zu Dank verpflichtet, solange (die wyl) ich lebe< - Für den Genitiv bei danckenn vgl. zu V. 16. nach V. 999 >Herodes soll, nachdem er diese Forderung gehört hat, das Haupt traurig senkend einhergehen. U n d schließlich, nachdem er das Haupt [wieder] erhoben hat, sagt er zu dem Mädchen< V. 1001 szo gangk hen] >so gehe hin< V. 1003 brenge eß vnd gib es ere] >bringe es und gib es ihr< V. 1005 >sollte ich ihn wie ein Huhn zerlegen, zerrupfen müssen< - zulegen steht für mhd. zerlegen;
hoen für mhd. huori.
V. 1006 >das täte ich gern für das Mädchen< - Für meyd vgl. zu V. 81. V. 1007f. >Was ihr, Herr, zugesagt, versprochen habt: Ich will es mitnichten weiter (dar zu) hinauszögern (vorlengen)< V. 1009 here brengen] >herbringen< nach V. 1009 fingit se Iohannem decollari] »täuscht vor, den Johannes zu enthaupten
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Erster Tag
V. 1010 her zeuberer] >Herr Z a u b e r e n - Vgl. zu V. 178. V. 1011 her vß vor disseti kerkener] >heraus vor diesen K e r k e n - Für kerkener vgl. zu V. 797. V. 1013 der nemmen eyn sweres paridi] >dir ein schweres Pfand abnehmen< Die mitteldeutsche Form pandt mit unverschobenem ρ im Anlaut steht für das mhd. Neutrum pharit, nhd. Pfand. V. 1015 want] >denn< V. 1016 >Nun knie nieder, Betrüger, lass Gott über dich walten (walden mit Genitiv), empfehle dich der O b h u t Gottes< - Der Imperativ knybe gehört zum mhd. schwachen Verb kniewen (nhd. knien), Der Plosiv b ist verhärtet aus dem Halbvokal u>, welcher im Nhd. geschwunden ist. V. 1017 gar balde] >auf der Stelle< V. 1018 >denn du hast über m e i n e Herrschaft, m e i n e n H e r r n u n d m e i n e H e r r i n sehr schlecht geredet< V. 1019 gerochenn] >gerächt< Beischrift nach V. 1019 Et ... sepulchrum] >Und unterdessen tragen die J ü n ger des Johannes den Leichnam ins Grab< nach V. 1019 Et caput ... dicens] >Und er bringt das H a u p t in einer mitgebrachten Schüssel d e m M ä d c h e n sagend< V. 1020 Iungfraw zart] >Liebliche j u n g e Herrin< V. 1021 gleubet] >glaubt< V. 1022 hyn nach vwer beger] >wunschgemäß entgegen< nach V. 1022 Puella accipit dicens] >Das M ä d c h e n n i m m t [es] sagend< V. 1023 lange eß mer here] >reiche es mir her< V. 1024 da midde gar ebenn] >damit gerade recht< nach V. 1025 Et antequam ... corizando] >Und bevor sie das H a u p t der M u t t e r geben wird, singt sie den Gesang, i n d e m sie springt u n d tanzt< V. 1026 wole mich] >wohl mir< V. 1029 >dieses habe ich mir stets (ie) gewünscht (begeret)< - Für das Genitivobjekt vgl. zu V. 720. V. 1031 guddes muddes synn] >frohgemut sein, uns freuen< V. 1032 vortmen sanfft slaujfenn] >künftig ruhig schlafen< - In AP steht für mhd. slâfen durchwegs slauffenn mit au < â, vgl. E / R / S / W § L 28. V. 1033 >denn uns wird ( d a i f f ) jetzt n i e m a n d m e h r beschimpfen (strauffenn)< - Für strauffen vgl. zu V. 506. V. 1037 dor nach stunt] >danach stand, darauf war g e r i c h t e t V. 1039 schigken vfß eyn ende] >beiseite bringen< nach V. 1039 >Und so (sie) das H a u p t (entgegen)nehmend u n d soll es absetzen
10. Gastmahl des Herodes (V. 8 7 8 - 1 0 3 9 )
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(2) Q u e l l e n V . 878—897 Herodes,
[Troxes]: nach M k 6,21 Et cum dies opportunus
accidisset,
quo Herodes natali suo cenarti fecit principibus suis et tribunis et primis
Galilaeae,
V . 898—923 rex (= Herodes),
mulier. nach M k 6 , 2 2 cumque introissetfilia
ipsius
Herodiadis nach V . 9 2 3 Latein (cantai): Missa: Halbstrophe der Sequenz >Psallite regi nostro, psalliteDann r u f t Satan, der all d e m im Kostüm, wie vorher angegeben, b e i g e w o h n t hat, sich jetzt entkleidend, fürchterlich in der B u r g der Herodes< V. 1042 yn vnschuh ist ermort] >ist schuldlos ermordet, hingerichtet worden< ermort ist verkürzt aus inhd. ermordet. V. 1043 >deshalb will ich sogleich dorthin laufen< Beischrift nach V. 1043 >Lucifer hält sich unter Schweigen b e i m Fass mit den Seinen bereit< V. 1045 em sagen gudden mere] >ihm die gute Nachricht Überbringern V. 1046 wol entphaen] >freundlich empfangen< V. 1047 >da ich an i h m so freundlich gehandelt habe, i h m einen solchen Gefallen erwiesen habe< nach V. 1047 Et tunc ... in doleo] >Und dann legt er den Mantel mit d e m Schleier ab u n d läuft in teuflischer F o r m zu Luzifer, der auf d e m Fass steht< V. 1048 frawe dich] >freue dich< - Für fiawe vgl. zu V. 593. V. 1049 erfolt] >erfüllt< V. 1050 >mache dir darüber (des) keine Sorgen m e h r (vortmen)< V. 1052 meyt] >Mädchen< - Vgl. zu V. 81. V. 1053f. >sie war im Blick auf m e i n e n R a t unverzagt. Ihre M u t t e r bestärkte sie darin, ermunterte sie dazu< - Für vndvorzeyt vgl. zu V. 945; stercket muss dem Kontext nach als apokopiertes Präteritum mhd. itercet(e) verstanden werden. V. 1055 zu dem tode] >zu Tode< V. 1056 Wol dich] >Wohl dir< V. 1057 >all deinen A u f g a b e n wirst du gerecht
holen< - Für die Schreibung i vgl. E / R / S / W § L 38. V. 1060 >die stolze, törichte Frau u n d auch das Mädchen< - Für meyt vgl. zu V. 81. V. 1061 >ich behaupte das eidlich< V. 1062 synt ... vorhenget] >erlaubt, gestattet< - Mhd. Verheugen. V. 1063 er mer sie brenget] >ihr sie mir bringt< V. 1064 al ... dieffenn] >tiefen< nach V. 1064 subirifert] >fügt (direkt) hinzu< V. 1065 rechte gut] >wirklich gut< V. 1066 >Deshalb wollen wir alle mit dem, i m Haufen< V. 1071 vff den pad] >auf den Weg< - Das ind. pad zeigt unverschobenes ρ im Anlaut gegenüber mhd. phat, nhd. Pfad. V. 1073 >denn wir haben es sehr eilig (gauch) damit, b r e n n e n darauf< - Die Form gauch für mhd. gâch zeigt mitteldeutsch au für inhd. â, vgl. E / R / S / W § L 28. V. 1074 zeugen] >bereit machen< - Mhd. zöu(w)en > zöujcn mit j zur Markierung der Silbengrenze, dieses dann zum Plosiv g verhärtet: zeugen. V. 1076 brengen an die stad] >an die Stelle, dorthin bringen< V. 1078 solchen wybenn] >für solche Frauen< - wiben ist die mhd. reguläre Form für den Dativ Plural, der Plural auf -er, vgl. etwa V. 1093, ist nicht ursprünglich. V. 1079 vndzucht tribenn] >sich unzüchtig, unsittlich benehmen< - Für vndvgl. zu V. 945. V. 1081 er mochtet hye] >ihr k ö n n t e t hier< V. 1082 mochte gewarnet werdenn] >könnte durch W a r n u n g vereitelt werden< V. 1083 szo geschee mer szo leyde] >So, dadurch w ü r d e mir solches Leid w i derfahren< V. 1084 io bewarenn] >doch verhindern< V. 1085 garfryschlich do hynnen farenn] >dann ganz munter, mutig fort gehen, aufbrechen< V. 1087 >ich will f ü r uns die R e i s e beginnen< V. 1088 das feit berynnenn] >das Kampffeld errennen, erkämpfen, die Sache f ü r uns retten< - Für ähnliche Redewendungen (Das Feld behalten, verlieren etc.) vgl. Deutsches Sprichwörter-Lexikon. 1, Sp. 976f. V. 1089 >Auf den R a u b wollen wir mit Ernst bedacht sein, uns ernsthaft k o n z e n t r i e r e n — Im hs. erste ist wohl ein Nasalstrich vergessen. V. 1090 nyt vorlieszen dar ann] >dabei nichts verlieren< - Vgl. zu V. 973. V. 1091 vff die bann] >auf den Weg< V. 1094 >beziiglich dieser Reise, U n t e r n e h m u n g sind wir u n v e r z a g t - Für vndvorzeyt
vgl. zu V. 945.
11. Aufnahme d. Herodias u. ihrer Tochter in die Hölle (V. 1040-1137) 151 V . 1 0 9 5 meyt] >Mädchen< - Vgl. zu V. 81. V . 1 0 9 6 >als B e u t e a n h e i m fallen< - bute (Umlaut nicht bezeichnet) steht für mhd. biute. n a c h V . 1096 impatiens]
>ungeduldig
in e u r e m Lärmen< V . 1098 hütet, dan] >teilt e u c h d a n n die Beute< - Schwaches Verb mhd. hinten, für die Bedeutung vgl. GRIMM: DWB, 1, Sp. 1753f. V . 1099f. >ich b e f ü r c h t e , dass i r g e n d w i e (icht) s o n s t w e r (eyn ander man) e u c h d e n W e g v e r s p e r r e n (vndergann) könnte< - föchte (Umlaut nicht bezeichnet) für förhte, md. Nebenform von mhd. fürhte; das r ist geschwunden (vgl. E / R / S / W § L 56, 3 [S. 123]). Bei icht handelt es sich um adverbiellen Akkusativ des Indefinitpronomens
mhd. iht (vgl. zu V. 40).
V . 1 1 0 1 stundet ir dan] >stiindet i h r d a n n da?< V . 1 1 0 4 >ich b e g i n n e zu l a u f e n , l a u f e voraus. N u n f o l g t (mir) nach!< - nâ ist gekürzte Nebenform von mhd. nach. n a c h V . 1 1 0 4 sequent.es omnes.] >alle f o l g e n d , i n d e m alle folgen< n a c h V . 1 1 0 4 Sed ... ímpetu] >Aber L u z i f e r bleibt a u f d e m Fass i n d e m er m i t U n g e s t ü m ruft< n a c h V . 1 1 0 5 Et currunt ... circumdabunt]
>Und sie l a u f e n [dorthin] w o die
M u t t e r ist u n d die T o c h t e r , w e l c h e sie u n g e s t ü m umringen< V . 1 1 0 6 zu hoibe] >zu d e m , an d e n Hof< - Für hoibc vgl. zu V. 804. V . 1107 gar selczen gäbe] >äußerst seltsame, w u n d e r b a r e Gaben< - sclczcri steht für mhd. seltscm(e); gäbe ist die mhd. regulär starke Pluralform, die heutige schwache Endung ist nicht ursprünglich. V . 1108 schengken] >ausschenken, zu t r i n k e n geben< V . 1 1 0 9 mit swebel vnd bech] >mit S c h w e f e l u n d Pech< - Vgl. zu V. 271. V . 1 1 1 0 >durch n i e m a n d e n auf d e r E r d e k ö n n t i h r N u t z e n h a b e n
{genisszen
m i t G e n i t i v ) , n i e m a n d auf d e r E r d e k a n n e u c h helfen< - Das Fehlen des anlautenden d bei er erklärt sich aus der Enklise. V . 1 1 1 1 g e h e r r s c h t zu h a b e n w i r d e u c h sehr (wo!) v e r d r i e ß e n (vordrissenn m i t Genitiv) < V . 1 1 1 3 den er vordienet hot] >den ihr v e r d i e n t habt< n a c h V . 1 1 1 5 Et sie ... in via] >Und so w i l d a n p a c k e n d f ü h r e n sie diese (e as), w o b e i die T o c h t e r u n t e r w e g s r u f t u n d sagt< - Das Maskulinum eos der Hs. ist zum Femininum eas korrigiert. V . 1117 lypp vnd sele] >Leib u n d Seele< V . 1118 heyl alle] >o weh< V . 1 1 1 9 zu dissen nodenn] >in diese Not< V . 1 1 2 0 bracht] >gebracht
wir es vorhin (ye für mhd. e) getan haben< - Für die Schreibung i bei getadin vgl. E / R / S / W § L 38. nach V. 1121 ducantur] «ollen sie geführt werden< presentaburit eas Lucífero] >werden sie Luzifer vorstellen< - Das hs. Imperfekt -baut war zum Futur -bunt zu korrigieren; in co nimmt der Schreiber den Wortausgang von Lucifero irrtümlich voraus. Et dicit ... in doleo] >Und Satan sagt mit allen anderen zu Luzifer, der auf dem Fass stehend< V. 1122 bißfroe] >Freue dich< V. 1125 >deshalb sollst du auf der Stelle (al zu stundt) (herbei) kommen< V. 1126 saltu entphan] »ollst du empfangen< nach V. 1126 finito rigmo] >nach Ende der Versrede< V. 1127 summer myn wan] >so (wahr) mir meine, bei meiner Futterschwinge< — Mhd. summer aus sam mir >so (wahr) mirich wünschte mir außerordentlich sie zu sehen< 1129 wol hyn] >nur zu< 1130 nach en] >nach ihnen< 1132 >dass (ich) dafür ihnen immer danksage, mich dankbar zeige< Subjektspronomen erspart, vgl. E / R / S / W § S 56 und § S 58. Für den Genitiv eß vgl. zu V. 16. V. 1134f. >ein (einziger) Tag (wörtlich: einen Tag), das verkünde ich ganz wahrhaft, der soll ihnen länger als tausend Jahre (mer wan) dünken, erscheinen (duncken mit Akkusativ) < - Im ausgeklammert vorangestellten Akkusativ eynen dagk, der als Subjekt der im Nominativ wieder aufgenommen wird, liegt ein Satzbruch vor. V. 1137 >alle zusammen und folgt mir< - Zu mpt in alsampt vgl. zu V. 3. nach V. 1137 Et sie ...ad infernum] >Und so laufen alle mit Ungestüm in die Hölle< Beischrift nach V. 1137 notificatici popularis temptationis] >die Darstellung der öffentlichen Versuchung< nach V. 1137 Hys ... non rigmatico] >Nachdem dies alles vollführt worden ist, bringt der Prediger all dies vorne beschriebene dem Volk nahe in der Volkssprache (?) (materna lingwagio) und nicht in Form einer Versrede (= in Prosa)
Nach E n d e der A n s p r a c h e (sc. des Predigers) w i r d d e r H e i l a n d d u r c h E n g e l z u r W ü s t e geführt< - Die Agensangabe erfolgt hier nicht wie im klassischen Latein durch a/ab, sondern durch per, so auch vor V. 7632. Beischrift v o r V . 1138 b e r e i t g e s t e l l t w e r d e n z w e i K e r z e n (candele)< v o r 1138 cum responsorio] >unter ( d e m G e s a n g des) R e s p o n s o r i u m < v o r 1138 Et cum pemenerint
ad desertum] >Und w e n n sie in d e r W ü s t e a n g e -
k o m m e n sind< — pervenerint ist als Konjunktiv Perfekt zu bestimmen. V . 1 1 3 8 heiliger got vnd herrenn] >heiliger G o t t u n d Herr< - herrén ist der sich in die Konstruktion (Dichl) des Satzes bereits wieder einfügende Akkusativ, während heiiger got noch als Apostrophe im Nominativ steht. V . 1140 vorstehen] >versuchen< - Das i ist wohl eine Verschreibung, sonst hat AP stets vorsuchen, vgl. etwa V. 1141. V . 1141—1143 >auf dass der S ü n d e r , w e n n (abe) er v o m T e u f e l v e r s u c h t , in V e r s u c h u n g g e f ü h r t w i r d , d e m w i d e r s t e h e n , s t a n d h a l t e n u n d in sich (γη syn selbes hereze) g e h e n kann< - Der Konjunktiv werde im Konditionalsatz ergibt sich durch den Konjunktiv möge im übergeordneten Satz, n a c h V. 1 1 4 3 Angelis recedentibus ... et dicit] > N a c h d e m die E n g e l a b g e g a n g e n sind, k o m m t Satan i m K o s t ü m eines L o l l a r d e n (häretischen W a n d e r p r e digers) u n d sagt< V . 1 1 4 4 krangk,
das pruben ich wo/] >geschwächt, das m e r k e ( m h d .
prüeven)
ich genau< — Mhd. kranc hat die Grundbedeutung >kraftlos, schwache V . 1 1 4 5 >was i c h (nur) u n g e r n h i n n e h m e n (lyden) werde< V . 1 1 4 6 >du bist sehr n a h e an der O h n m a c h t < - Das mm in vmmacht ist durch Assimilation aus um (mhd. umnäht) entstanden; für die Kurzform lyt vgl. zu V. 97. V . 1147 vber zyt] >über d e n r i c h t i g e n Z e i p u n k t hinaus, ü b e r l a n g , zu lange< V . 1149 mögest eß wol thun] >kannst es (ja) gut, leicht tun< V . 1151 >und eine A b h i l f e g e g e n (busze m i t G e n i t i v a t t r i b u t ) die N o t deines Hungers< V . 1152 vngetmwer]
>treuloser, f a l s c h e n
V . 1 1 5 3 >ich achte, h ö r e n i c h t (enachten m i t Genitiv) auf das, was d u sagst< V . 1 1 5 4 mentsche] >Mensch< - Für das t vgl. zu V. 6. V . 1155 als γη der ee] >wie in d e r Schrift< V . 1157f. >Sieh, die W o r t e G o t t e s k ö n n e n gewiss (sicherhafft) w e i t a u s besser (ferrer baß) d e m M e n s c h e n ein kräftiges L e b e n , K r a f t f ü r das L e b e n geben< n a c h V . 1159 Deinde Sathanas ... pinnaculum
templi] >Hierauf f ü h r t Satan i h n
zu d e m Fass, das, die Z i n n e des T e m p e l s darstellend, in der M i t t e d e r B ü h n e aufgestellt ist
Wenn d u d e n n G o t t e s S o h n bist, d a n n stürze d i c h h i n a b (falle her riidder), d e n n dir soll nichts f ü r (czu) d e n Leib e i n e S c h ä d i g u n g sein, d e i n e m Leib soll nichts schaden< V . 1 1 6 3 Hutten dynn] >hüten, b e s c h ü t z e n dich< - huttcn (Umlaut nicht bezeichnet) steht für inhd. hüeten mit Genitivobjekt. V . 1 1 6 4 >auf allen W e g e n , überall v o r G e f a h r (von der noit)< V . 1 1 6 5 s o r g f ä l t i g (myt flyß) h a t i h n e n G o t t i m B l i c k auf d i c h (von der) g e b o t e n , befohlen< V . 1 1 6 6 hebenn] >halten, t r a g e n sollen< V . 1167 keynes stoiß kan besebenn] >darf k e i n e n S t o ß e m p f i n d e n (besebenn)< V . 1168 mag der nummer
leyt] >kann dir niemals Leid< - Für nummer, inhd.
nimmer vgl. zu V. 6. V . 1 1 6 9 fellestu myt sicherheyt] >stiirzst d u d i c h gefahrlos (hinunter)< V . 1 1 7 0 Vnnucze] >nutzlos< V . 1172 S2t>] >wie< V . 1 1 7 3 nymmandes]
>niemand
Schöpfer< V . 1 1 7 5 gotlich] >göttliches< n a c h V . 1 1 7 5 Deinde ... dicens] > H i e r a u f f ü h r t er i h n an e i n e n a n d e r e n , e i n e n h o h e n B e r g a n d e u t e n d e n Ort< V . 1 1 7 6 ort] >Hort< — Starkes Maskulinum mhd. iwrt\ hier mit Schwund des anlautenden h, vgl. E / R / S / W § L 57, 3. (S. 127). V . 1177 >die R e i c h e der W e l t (der wernde) d o r t allumher< V . 1 1 7 9 hirschaff] >Herrschaft< V . 1 1 8 0 well ich] >will ich< - Das Subjektspronomen ich war zu ergänzen. V . 1 1 8 1 »wenn d u d i c h m i r Untertan m a c h e n , m i r u n t e r w e r f e n willst< V . 1 1 8 3 vorter] >fürder, v o n j e t z t an< - Mhd. vorder. V . 1 1 8 4 kvnnelicher]
>königlicher< - Vor -lieber ist der auslautende Konsonant
(mhd. küriec-lich) wohl vergessen worden (vgl. V. 5284 vwer königliche krön). V . 1187 >denn das k a n n m i t n i c h t e n sein, geschehen< V . 1188 das du an mer] >was d u v o n mir< V . 1 1 8 9 Heynes raides wert] >wenig Vorrat, nichts wert< - Statt kleynes hieß es ursprünglich wohl keynes, worauf das noch von V. 1190 verweist. V . 1 1 9 4 >im D i e n e n soll Untertan sein, soll d i e n e n u n d Untertan sein< V . 1 1 9 5 >ohne d e n k a n n n i e m a n d g e r e t t e t w e r d e n , sich retten< V . 1 1 9 6 >deshalb, Satan, e n t f e r n e d i c h v o n hier< V . 1197 myns dynstes begynnenn] >mit m e i n e m D i e n s t , m i r zu d i e n e n b e g i n n e n — Für den Genitiv bei mhd. beginnen vgl. zu V. 56. n a c h V . 1 1 9 7 Et angeli ...ad Jesus heran
Und die E n g e l t r e t e n v o n h i n t e n an
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Erster Tag
(2) Q u e l l e n vor V. 1138 R e g i e : M t 4,1 Tunc Iesus ductus est in desertum [a Spiritu,] vor V. 1138 Latein (cantai): O f f i c i u m : Benedictus-Antiphon (Laudes), 1. Fastensonntag: Ductus est Jesus in desertum a Spiritu, ut tentaretur a diabolo: et cum jejunasset quadraginta diebus et quaraginta noctibus, postea esuriit. (Mt 4 , l f . ) . — D R E I M Ü L L E R : Nr. 2 3 . - S C H U L E « : Nr. 1 6 4 . - R E I F E N B E R G : Stundengebet, S. 1 3 8 , Anni. 8 6 1 . - M A R B A C H : S. 3 8 5 . - H E S B E R T : C A O , Nr. 2 4 3 1 . vor V. 1138 Latein (cum responsorio): O f f i c i u m : R e s p o n s o r i u m (Matutin), Michaelsfest (29. Sept.): Te sanctum dominum in excelsis laudani omnes angeli dkent.es: Te decet laus et honor, Domine. Cherubim quoque et seraphim Sanctus proclamant, et omnis coelicus ordo dicens. — D R E I M Ü L L E R Nr. 24. - S C H U L E R : Nr. 6 0 0 . - HESBERT: C A O , N r . 7 7 5 7 .
V. 1138—43 primus angelus: frei V. 1144—47 Sathanas: M t 4,3 Et accedens tentator dixit ei: M t 4,2 Et cum [Ihesus] ieiunasset quadraginta diebus et quadraginta noctibus, postea esuriit. V. 1148—51 [Sathanas:] M t 4,3 »SÍ Filius Dei es, die, ut lapides isti panes fiant«. nach V. 1151 Latein (respondit): O f f i c i u m : Sext-Antiphon, 1. Fastensonntag: Non in solo pane vivit homo, sed in omni verbo, quod pmeedit de ore Dei. (Mt 4 , 4 ) . — D R E I M Ü L L E R : Nr. 25. - S C H U L E R : Nr. 165. - R E I F E N B E R G : Stundengebet, S. 138, Anni. 861. - M A R B A C H : S. 385. - H E S B E R T : C A O , Nr. 3919. V. 1152—59 Saluator. M t 4,4 Qui respondens dixit: »Scriptum est: »Non in pane solo vivet homo, sed in omni verbo, quodprocedit de ore Dei«». [Variante: in solo pane] nach V. 1159 R e g i e : M t 4,5 Tunc assumit eum Diabolus [...] supra pinnaculum templi nach V. 1159 Latein (dicit): M i s s a / O f f i c i u m : Graduale/Laudes-, N o n - u n d Vesper-Versikel, 1. Fastensonntag (auch b e i m Pilgersegen): Angelis suis mandavit de te, ut custodiant te in omnibus viis tuis. In manibus portabunt te, ne unquam offendas ad lapident pedem tuum (Ps 9 0 , 1 1 / M t 4,6) — D R E I M Ü L L E R : Nr. 26. - S C H U L E R : Nr. 24. - R E I F E N B E R G : Stundengebet, S. 150, Anni. 900. Ders.: Sakramente, S. 545, Anni. 3161 und S. 548, Anni. 3181. - M A R B A C H : S. 188f. - HESBERT: C A O , N r . 6087. - Ders.: A M S , N r . 40a.
V. 1160—69 Sathanas: M t 4,6 et dicit ei: »Si Filius Dei es, mitte te deorsum. Scriptum est enirn: »Angelis suis mandabit de te, et in manibus tollent te, ne forte offendas ad lapident pedem tuum««. nach V. 1169 Latein (respondit): Lk 4,12 Et respondens Iesus ait Uli: «Dictum est: »Non tentabis Dominum Deum tuum«». - D R E I M Ü L L E R : Nr. 2 7 . - S C H U L E R : Nr. 165.
12. Versuchung Jesu (V. 1 1 3 8 - 1 1 9 7 )
157
V. 1170—75 Saluator: Mt 4,7 Ait itti Iesus: «Rursum scriptum est: »Non teritabis Dominum Deum tuum«». nach V. 1175 Regie: Mt 4,8 Iterum assumit eum Diabolus in montem excelsum valde nach V. 1175 Latein (dicens): Mt 4,9 et dicit Uli: »Haec tibi omnia dabo, si cadens adoraveris me«. - DREIMÜLLER: N r . 2 8 . - SCHULE«: N r . 1 6 5 . 1176—79 Sathanas: Mt 4,8 ostendit ei omnia regna mundi et gloriarti eorum 1180-85 [Sathanas] : Mt 4,9 et dicit Uli: »Haec tibi omnia dabo, si cadens adoraveris me«. nach V. 1185 Latein (respondit): Officium: Matutin-Antiphon 8, Di. und Fr. nach dem 1. Fastensonntag. Vade Satanas, non tentabis Dominum tuum. (Mt 4,10). - DREIMÜLLER: N r . 2 9 . - SCHÜLER: N r . 6 2 6 . - REIFENBERG: S t u n d e n g e b e t , S. 1 3 8 , A n m . 8 6 1 . - SCHMIDT: H e b d o m a d a Sancta, S. 7, S. 5 6 6 , S. 5 7 0 , S. 6 1 6 u n d S. 6 9 6 . - HESBERT: C A O , N r . 5 3 0 3 .
nach V. 1185 Latein (et [cantai]): Mt 4,10 Tunc dicit ei Iesus: »Vade Satanas! Scriptum est enim: >Dominum Deum tuum adorabis et itti soli servieswie beliebtPetrus und Andreas sollen sich bereit halten, indem sie nahe am Weg stehen.< vor V. 1198 Interea ... dicens eis] >Unterdessen wird der Heiland, Petrus und Andreas, die in weiter Entfernung stehen, erblickend, sie zum Apostelamt berufen, zu ihnen sagend
geschieht (es für) euch günstig, habt ihr das Glück< V. 1200 >statt Fischen Leute fangen werdet< V. 1201 ab er mer] »wenn ihr mir< V. 1202 >wollt ihr mir Untertan sein, euch mir unterstellen< V. 1203 ewigk leben hayn] >ewiges Leben haben< V. 1205 >das könnt ihr zuverlässig glauben< V. 1207 gebudes] »gebietest, befiehlst V. 1211 magk alles guddes gethunn] >alles Gute tun, bewirken kann< nach V. 1211 secundum placitum] >nach Belieben< nach V. 1211 Saluator ... dicit eis] >Der Heiland, weitergehend mit diesen beiden, nämlich Petrus und Andreas, sagt, Matthäus, Bartholomäus, J u das, Philippus, Thomas erblickend, zu ihnen< V. 1213 ist zu myner lere gauch] >es mit meiner Lehre eilig hat, nach meiner Lehre mit Eifer strebt< - Für gauch vgl. zu V. 1073. V. 1214 nit engait] >nicht geht< V. 1216 bereyt] >bereitet< - Vgl. zu V. 102. V. 1217 freyde in ganczer stedykeyt] >Freude in vollkommener Beständigkeit, ohne Ende< V. 1218 sunder wann] >ohne Bedenken< V. 1219 gan] >gehen< V. 1220 wan du der war] >da du der wahre< n a c h V . 1222: Die Reimverhältnisse verraten Versausfall; der verlorene Text muss zum unpersönlichen weszen gauch ein Finitum wie sal, für den Agens den Dativ uch und ein Reimwort auf -ich (etwa ein Adverb) enthalten haben. Fronincs Konjektur des sol uns gar mogeliche erfüllt darüber hinaus die metrischen Anforderungen, bleibt aber spekulativ. V . 1 2 2 3 >zu dir, H e r r , zu k o m m e n , es eilig h a b e n , m i t E i f e r danach streben< Beischrift n a c h V . 1224 alij prope
ad alium locum]
>die ü b r i g e n in der N ä h e an
einem anderen Platz< nach V. 1224 Cum his ... dicit eis] >Der Heiland mit diesen wieder weitergehend, Johannes, Jakobus und Jakobus, Simon, Thadäus erblickend, und er sagt zu ihnen< V. 1225 möge,
nebin] beide Ausdrücke (mâc — Vgl. zu V. 522, neve) bezeichnen
mhd. Blutsverwandte!
V. V. V. V. V.
1227 erfüllen] »erfüllen, befolgen< 1228 ewiglichen] >ewig(lich), auf ewig< 1229 freyde vmmer] »stets Freude< 1230 myt em] >mit ihm< 1231 gebudest] »gebietest, befiehlst
13. Berufung der Apostel (V. 1198-1252)
167
V. 1235 her vff ertrich] >hierher auf die Erde< - Starkes Neutrum mhd. ërtrich, Kompositum zu mhd. rieh mit mhd. erde. V. 1236 >das dünkt, erscheint uns gut zu tun, a n g e b r a c h t - Für mogelich vgl. zu V. 907. V. 1238 du wist] >du bist< V. 1240 allen dagk] >jeden Tag, täglich< V. 1241 wylt] >willst< V. 1242 >diese Sache, dieses wird uns nicht zu viel< - Mhd. vervilt wird unpersönlich konstruiert und hat den Genitiv der Sache, nach V. 1242 Hys omnibus ... responsorium] >Nachdem dies alles so b e e n d e t ist, w e r d e n die Apostel das R e s p o n s o r i u m singen< - Das Imperfekt -bant der Hs. ist zum Futur -bunt korrigiert, nach V. 1242 Duo ... repeticione] >Zwei [Apostel ?] auch den Vers m i t W i e derholung< nach V. 1242 Istis itaque secundum ordinerà peractis] >Nachdem dies so der R e i h e n f o l g e nach d u r c h g e f ü h r t w o r d e n ist< V. 1243 sage] >verkünde< V. 1244 wilch vwer] >welcher auch i m m e r v o n euch, j e d e r v o n euch< V. 1245 >auf weltliche Hilfe, weltliches G u t verzichtet, Verzicht geleistet (begebenn m i t Akkusativ) < V. 1246 gefolget hot] >gefolgt ist< V. 1247 >große Fürsorge w i r d euch dafür zuteil< - wennunge (zum schwachen Verb mhd. wen(n)en >gewöhnenFreude< V. 1250 widder geberin] >im Gegenzug, z u m Dank< nach V. 1252 manet hie stare] >bleibt hier stehen
dazu Dauid (ASp Z. 131), Achior (ASp Z. 132) u. Langwent (ASp Z. 134) 3 » dazu Besagk (ASp Z. 140), Iekel (ASp Z. 138) u. Fluchuß (ASp Z.139) 4) dazu ein namenloser Iudeus u. Senderlyn (ASp Z. 141) 5 » dazu Moab (ASp Z. 143), Kain (ASp Z. 146), Beldebyn (ASp Z. 147) u. Amalech (ASp Z. 142) a) dazu im dt. Text erwähnt: Abraham, lacob, Saroth, Moisés, Vifelin u. Flatan b> dazu im dt. Text erwähnt: Sanderman, Kadrot, Andemigk u. Seldenkriegk m) ASp Z. 137: Ioselyn seruus n) in ASp dazu: Ductor (Ζ. 144, vgl. Szene 78) und Iosephat (Z. 145, vgl. Szene 81) x) Iudeus senex et decrepitus nomine G. y) faber scilicet I. 2
Legende: + 1. etc. [1.] etc. #
1. 2.
[3.]
Lendenkile ASp Z. 123
in Regie namentlich als anwesend erwähnt (sprechend oder handelnd) in Regie mit Ordinalzahl namentlich als anwesend erwähnt (sprechend oder handelnd) in Regie mit [Ordinalzahl als anwesend erwähnt, jedoch nicht namentlich im dt. Text als anwesend erwähnt
Grabwache
7 6 - 124, 1145' 127f. Weg nach Golgatha und Kreuz
64
Standartenträger
Bifus ASp Z. 122
49-63, 65—753)
Gef. nnahme bis Pilatus
[namenlos]
44f.
Ferai m. Ostermahl
1.
[2·]
32f.
Tempel, Ehebrecherin
[1·]
+
74 [123]
Disput
+
Wencker ASp Z. 120
282>
Beratung
Rupin ASp Z. 118
Samariter
Lazarus
18-20*» 30f. 25f.
Jerusalem
17
Heilung u. Auseinandersetzung
Szene
+
16. Jesus will nach Jerusalem ziehen (1: V. 1289—1306)
185
Innerhalb des eigentlichen Handlungsgeschehens erscheinen die Iudei also in n e u n eingermaßen voneinander abzuhebenden Szenensequenzen. Z u fragen ist, ob die G r u p p e dabei jeweils in identischer Zusammensetzung u n d G r ö ß e agiert. Anhaltspunkt hierfür sind in erster Linie die vergebenen N a m e n , wichtig ist weiterhin die teilweise d u r c h g e f ü h r t e Zählung. Die nachstehende Tabelle d o k u m e n t i e r t den B e f u n d : Ordnungszahlen sind bis duodecimus vergeben, dabei w e r d e n die einzelnen Zahlen jeweils d e m gleichen Namensträger zugewiesen, lediglich als sextus Iudeus wird erst Efficax, später Gumprecht geführt. Dies ist die einzige Unstimmigkeit, was umso b e m e r kenswerter ist, als (1) das System über weite Strecken durchgehalten wird, (2) auch außerhalb einer R e i h e einzelne Figuren mit der korrekten N u m m e r angegeben werden, (3) ein tercius Iudeus nicht namentlich erwähnt wird u n d (4) fast alle gezählten J u d e n auch o h n e Ordinalzahl genannt w e r d e n . Eine Z w ö l f e r g r u p p e (wie die der Apostel) k a n n demnach mit Vorsicht als stabil a n g e n o m m e n w e r d e n . Dies impliziert freilich, dass identische J u d e n gegenüber Jesus einmal freundlich (nach d e m Gespräch mit der Samariterin, b e i m Einzug in Jerusalem), einmal feindlich agieren. Sieben weitere J u d e n (zählt m a n den einmal als sextus gezählten Gumprecht mit) w e r d e n mindestens zweimal namentlich angeführt, dreizehn einmal (davon einer n a m e n los). O b diese 22 nie numerierten Figuren konstant zur G r u p p e hinzugeh ö r e n oder j e nach Personallage des Spiels - etwa n u r am zweiten Spieltag teilweise oder geschlossen bei der G r u p p e mitwirkten, ist nicht auszumachen. I m deutschen Text w e r d e n n o c h weitere zehn J u d e n namentlich genannt. Wollte m a n sich diese als n e u e Figuren anwesend denken, so käme man, Sinagoga mitgerechnet, auf insgesamt 44 Gestalten. Abgesehen vielleicht v o n Massenszenen wie d e m Einzug in Jerusalem (vgl. nach V. 2604 turba) oder der M e n g e vor d e m Prätorium ist diese Zahl sicher unrealistisch. Die maximale Zahl der innerhalb einer Szenensequenz namentlich angef ü h r t e n J u d e n ist b e i m Prozess (Gefangennahme bis Pilatus, Szenen 49—63 u n d 65-75) erreicht, dort w e r d e n (mit Sinagoga) 17 verschiedene Figuren genannt. Z u berücksichtigen ist außerdem, dass i m deutschen Text abgesehen v o n Sinagoga n u r selten N a m e n v o n Mitgliedern der J u d e n g r u p p e überhaupt fallen — die meisten davon in vier N a m e n k a t a l o g e n o h n e Bezu auf eine konkrete Einzgelgestalt (V. 1561-1563, V. 3 9 0 2 - 3 9 0 6 , V. 3585f. u n d V. 4 6 2 3 - 4 6 2 5 ) . N u r ganz wenige Figuren aus der J u d e n g r u p p e w e r d e n d e m P u b l i k u m gezielt, das heißt im Z u s a m m e n h a n g mit einer Aktion oder R e d e , namentlich vorgestellt; dies geschieht lediglich in f ü n f Fällen: durch (1) Selbstvorstellung zweimal in der B-Szene 64 (Die zwölf Standartenträ-
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Erster Tag
ger), bei Wencker (V. 3916), Lendenkile (Ir gesellen, ich Heys Lendelkyll, V. 3923), dadurch (2), dass der vorangehende Sprecher den nachfolgenden mit Namen anspricht, dreimal, nämlich bei Natan (V. 1568), Rupin (V. 1638) und Iosaphat (V. 5386). Eine Komplikation zeigt sich im Zusammenhang mit der Grabwache nach V. 6842, wo Pilatus auffordert: sage mer, du, Senderlyn, / was ist die klage dyn? (V. 6841f.), dann aber nicht der Angesprochene, sondern allein Rupin antwortet (V. 6843—6862) — der Name ist offenbar bei der Übernahme des Textes stehengeblieben. Aus diesem generellen Befund ist zu schließen, dass die Namen keinesfalls dazu angetan waren, den Einzelgestalten ein für das Publikum erkennbares Profil zu geben, sondern allenfalls dem Spielleiter und den Mitwirkenden als Orientierung dienen konnten. Literatur: LCI-Artikel »Juden, Judentum«, Band 2, Sp. 4 4 9 - 4 5 4 (Willehad Paul ECKERT).
17. Jesus und die Samariterin (V. 1307—1412) (1) Sprachliche Erläuterungen vor V. 1307 Et ... cum fase] >Und unterdessen hält sich bereit die Samaritanerin, die mit einem Gefäß kommt« V. 1308 >eine Bitte richte ich an dich< V . 1 3 0 9 schepp]
>schöpfe< - Die Form zeigt die md. unverschobene Gemmate pp
gegenüber mhd. schcpf(c). V. 1310 mere] >mir< V . 1 3 1 1 hot mich gar uwnderlich]
e r s c h e i n t m i r sehr verwunderlich< -
Die
einmalige Schreibung e in wenderlich erklärt sich durch Entrundung aus ö (vgl. V. 645, V. 1560, V. 206, V. 6294, V. 7061: wonderlich, Umlaut dabei nicht bezeichnet).
V. V. V. V.
1312 1313 1314 1316
>dass du als Jude darum bittest< synt] >denn, da doch< >und befiehlst mir (dennoch, gleichwohl) das Wasser zu holen< sage das an] >ich sage das ohne
denn ihr Juden habt mit uns Heiden nicht Gemeinsamkeit oder Verkehr< — Das wohl durch Verschreibung eingetretene Adverb dar (>dorthin, dortWiisstest du um< V. 1320 kennest den myt loibe] >wiirdest den preisend erkennen, erkennen und preisen
solch eine Bitte heranträgt< - Für solidi vgl. zu V. 389; mhd. leit ist kontrahiert aus leget. V. 1322 >(dann) bätest du ohne Bedingung (an vnderscheyt), bedingungslos V. 1324 >das könnte er sehr gut, ganz einfach dir geben< V. 1326 möge gegleuben der] >dir soll glauben können< V. 1327 scheppen wylt den born] schöpfen willst aus dem Brunnen< V. 1328 >all deine Gefäße hast du jetzt doch verloren, sind jetzt doch wirkungslos, da du sie nicht bei dir hast< V. 1329 ader wo von du habest] >oder: Woher hast du< V. 1330 das erdencken] >dieses Problem durch Nachdenken lösen< V. 1331 dan] >als< V. 1332 disses bornes loib] >fiir diesen Brunnen Lob< V. 1334 des selber by sym lebenn] >daraus selber zu seiner Lebzeiten< V. 1335 noszer] >(Nutz)vieh< - Das mhd. starke Neutrum nôz bildet den Plural hier auf -er. V. 1336 > (etwas) von einem besseren, einen besseren Brunnen kann man nirgends finden< - Der Genitiv erklärt sich wohl als partitives Attribut zu einem weggefallenen ¡cht >etwasaus diesem Brunnen< V. 1338 >den - ohne Spott gesagt — dürstet, der wird — im Ernst — später (wieder) Durst bekommen< - Für vorder vgl. zu V. 1138 (vorter). V. 1340 synen dorst gancz vorlomn] >nie wieder Durst< V. 1341 den mentschen gebenn] >den Menschen gebe< - Für das t in mentschen vgl. zu V. 6. V. 1342 en] >ihnen< V. 1343 deß wassers gib auch mer] >von diesem Wasser gib auch mir< V. 1344 >dafür werde ich dir für immer dankbar sein< - Für den Genitiv bei daricken vgl. zu V. 16. V. 1345 mene dotffher]
>mehr, länger muss hierher
sondem diesen Brunnen hier (unbenutzt) stehen lassen kann< V. 1347 ganck] >geh!< V. 1348 >Ich habe keinen, den mir Gott gönnen, erlauben würde {gann mit Genitiv) < V. 1349 >Was dies betrifft (des halben) hast du wahrheitsgemäß geantwortet, die Wahrheit gesagt< - geseyget ist Nebenform zu mhd. gesaget. V. 1350 >fünf Männer hast du im Tod beklagt< - Für den Plural man vgl. zu V. 51; mhd. gekleyt ist kontrahiert aus mhd. geklaget. V. 1351 zu disserfrist] >zurzeit, jetzt< V. 1352 der selbe] >der betreffende, diesen
188 V. 1353 woI\ >eindeutig< V. 1354 an falsche list] >ohne V. 1355f. >Unsere Vorväter, verrichtet (çepflegenn mit V. 1357 sprechet] >behauptet< V. 1358 gott.es werck erfollenn] V. 1359 >du sollst m i r dies V. 756.
Erster Tag
Arglistx Vorfahren h a b e n stets gerade hier ihr G e b e t Genitiv)< >den Gottesdienst verrichten< mit Sicherheit glauben< - Für den Genitiv zu
V. V. V. V.
1360 >was in Kürze, bald bei dir geschehen wird< 1361 stedenn] >Stätten, Orten< 1362 geschiet key η bedde] >kein G e b e t verrichtet wird< 1363 anbedet] >(ihr) anbetet< - Das Subjektspronomen er (Joh 4, 22 Vos adoratis) fehlt, vgl. E / R / S / W § S 5 6 und 5 8 . V. 1364 >und ihr wisst auch nicht, w e n ihr G o t t n e n n t , als G o t t anspreche V. 1366 kontlich] >offenbar, bekannt< - Mhd. kuntlich zum starken Femininuni künde. V. 1367 zyt] >Stunde< - Mhd. zît steht für lat. hora, vgl. Joh 4,23 venit hora. V. 1368 waren anbedder] >wahren Beter, die in w a h r e r , richtiger Weise a n beten< V. 1370 an vnderscheyt] >ohne U n t e r s c h i e d , B e d i n g u n g , bedingungslos< V. 1372 >deshalb (hyr vmb szo) ist (es) f ü r e u c h alle n o t w e n d i g (noitt)< V. 1374 das wirt em] >dem w i r d es (sein)< V. 1375 viel dick] >sehr oft< - Vgl. zu V. 5. V. 1377 wan der kommet vnder] »wenn der k o m m t zu< V. 1378 alle dingk bescheydenn] >alle Sachen, alles mitteilen< V. 1379 >Ich, der ich hier spreche (die redde thut), b i n es< V. 1380 freudynn woilgemut] >liebes Frauchen< n a c h V. 1380 reuertuntur ad Saluatorem circa fontem] >kehren z u r ü c k z u m H e i land bei d e m Brunnen< Et... ad discípulos] >Und b e v o r sie zu i h m k o m m e n , sagt u n t e r w e g s J o h a n n e s zu d e n Jüngern< V. 1381 widder gehen] >wieder (dorthin) z u r ü c k gehen< V. 1382 da mer vnsern meynster] >wo w i r unsern Meister< V. 1383 sehen, ab ymmant sich habe bedocht] >nachsehen, o b j e m a n d sich b e sonnen, daran gedacht hat< n a c h V. 1384 Et sie ...ad Saluatorem] >Und so g e h e n sie weiter z u m Heiland< V. 1386 der ist mer nit vorgesszenn] >die ist bei m i r nicht in Vergessenheit geraten< — Mhd. vergëzzen ist hier unpersönlich mit Dativ der Person (ma) und mit Genitiv der Sache (der) konstruiert. Die Auffassung von GREIN: Wörterbuch, S. 299 als >die hat man mir nicht vergessen< ist wohl unzutreffend.
17. Jesus und die Samariterin (V. 1307—1412)
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V. 1387 >den Willen meines Vaters will ich vollbringen< - Anders als in V. 19 (·vatters) ist der Genitiv von mhd. voter hier, wie im Mhd. ursprünglich, endungslos gebildet. V. 1388 endenn] >vollenden< V. 1389 >denn/wenn ihr meint, es sei noch nicht (die Zeit der) Ernte (eren)< V. 1390 hebet vff] >erhebt< V. 1391 als γη der ern wyß] >wie in der Emte(zeit) weiß< V. 1392 >wer jetzt mäht, der erhält (nummet mit unbezeichnetem Umlaut gerundet für nimmet) den Lohn gewiss< V. 1393 samet die frucht γη] >sammelt die Frucht für< - samct ist verkürzt aus mhd. saniertet. V. 1394 wirt myt den seligenn glich freyde] >(es) wird (ihm) mit den Seligen zugleich Freude< V. 1396 gesehet] >gesäht< V. 1397f. >sonst wer hat für euch die Arbeit zuvor getan und ihr seid zur Arbeit dieser Leute hinzugekommen — Für erbeyt vgl. zu V. 296. nach V. 1398 relinquens ydriam circa fontem] >das Gefäß beim Brunnen zurücklassend< V. 1399 den mentschen vndvorzeyt] >den Menschen unverzagt, ohne zu zögern - Für vndvorzeyt vgl. zu V. 945. V. 1400 in warheyt] >gemäß der Wahrheit< V. 1402 >ihr könnt ihn wirklich als den Christus ansehen< V. 1403 >denn ich habe von einem größeren (Genitiv), einen größeren Propheten nie gehört< V. 1404 got spricht vß em selbers] >Gott selbst spricht aus ihm< V. 1405 dick] >oft< - Vgl. zu V. 5. V. 1406 gleuben vnszer viel] >(es) glauben viele von uns< V. 1407 das selbe vor war] >dies als etwas Wahres, dass dies wahr ist< V. 1408 gesuntmecher vffinbar] >ein öffentlicher Heilen - Für vßn- vgl. zu V. 716.
V. 1409 alle wernde] >aller Welt< - alle ist hier unflektiert. V. 1410 vnszer bordenn treyd] >unsere Bürde, Last trägt< - Für treyd vgl. zu V. 1259.
V. 1412 ist syn name gnant] >lautet sein Name< (2) Quellen V . 1 3 0 7 - 8 0 Gespräch a m Jakobsbrunnen: V. 1307—10 Saluator: J o h 4,7 Venit mulier de Samaria haurire aquam. Dicit ei Iesus: >Da mihi bibereNon habeo vimmAdhuc quattuor menses sunt, et messis venit