Die Hessische Passionsspielgruppe: Ergänzungsband 1 Kommentar zur "Frankfurter Dirigierrolle" und zum "Frankfurter Passionsspiel" [Reprint 2012 ed.] 9783110964639, 9783484190917

The commentary is a companion to Volume 1 of the new edition of the »Hessische Passionsspielgruppe«. While that edition

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German Pages 914 [928] Year 2002

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Table of contents :
Danksagung
Inhaltsverzeichnis
Α. Gesamteinleitung
Β. Einleitung zur ›Frankfurter Dirigierrolle‹ und zum ›Frankfurter Osterspielfragment‹
C. Szenenkommentar zur ›Frankfurter Dirigierrolle‹ und zum ›Frankfurter Osterspielfragment‹
D. Einleitung zum ›Frankfurter Passionsspiel‹
E. Szenenkommentar zum ›Frankfurter Passionsspiel‹
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Die Hessische Passionsspielgruppe: Ergänzungsband 1 Kommentar zur "Frankfurter Dirigierrolle" und zum "Frankfurter Passionsspiel" [Reprint 2012 ed.]
 9783110964639, 9783484190917

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Die Hessische Passionsspielgruppe Edition im Paralleldruck Herausgegeben von Johannes Janota

Ergänzungsband 1 Klaus Wolf Kommentar zur frankfurter Dirigierrolle< und zum frankfurter Passionsspiel
Heidelberger (rheinhessisches) Passionsspiek In: 2VL, 3, 1981, Sp. 606-610. NEUMANN: Heidelberger Passionsspiel. In: KILLY: Literatur Lexikon. 5, 1990, S. 116-117. - Z u r Verortung in Mainz vgl. den Beweisgang von BEUTLER: Forschungen und Texte zur frühhumanistischen Komödie, S. 122-125. Vgl. Textband F D / F P , ab S. 67. Vgl. LINKE: >Fritzlarer Passionsspiek In: 2VL, 2, 1980, Sp. 972. - Es ist als dritter Apparat im Textband F D / F P unter dem Leittext FP abgedruckt. - Die heute verschollene Friedberger Dirigienolle (= FdD) - anders als bei FD handelte es sich dabei nicht u m eine Pergamentrolle, sondern u m einen Papierkodex - wird in Band II der Neuedition der Hessischen Spielgruppe umfassend rekonstruiert; sie ist als Parallele zu AP ebenso in Band II näher zu berücksichtigen. Vgl. zu FdD LINKE: > F r i e d b e r g e r D i r i g i e r r o l l e < . I n : 2 V L , 2 , 1 9 8 0 , S p . 9 2 4 - 9 2 6 . NEUMANN: F r i e d b e r g e r D i r i g i e r r o l l e . I n . KILLY: L i t e r a t u r L e x i k o n . 4, 1 9 8 9 , S. 1 3 - 1 4 .

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Die komplexen Abhängigkeitsverhältnisse zeigt im Detail mein Szenenkommentar, w o Paralleltext aus GP nach SCHÜTZEICHEL: Das Mittelrheinische Passionsspiel,

Α. Gesamteinleitung

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Einen von der Spielforschung intensiv beachteten Sonderfall stellt das ebenfalls im rheinfränkischen Sprachraum beheimatete, heilsgeschichtliche Epos Die Erlösung (Anfang 14. Jahrhundert) dar, das auf die Frankfurter Passionsspieltradition — über FD (deutlich sichtbar jedoch erst in FP) — als Quellentext eingewirkt hat. 10 Dabei verhält es sich jedoch keineswegs so, daß Gehalt und Gestalt von FD ohne das Versepos nicht erklärbar wären." Allerdings stellten die wohlgeformten, eleganten R e i m e der Erlösung — besonders dort, w o das Epos wörtliche R e d e oder Dialoge aufwies — für einen Spielautor einen attraktiven Fundus dar.12 D e n n o c h m u ß vor Generalisierungen bei S. 9 7 - 1 5 7 abgedruckt wird. - Z u G P vgl. BERGMANN: >St. Galler (mittelrheinisches) Passionspiel·. In: 2 VL, 2, 1980, Sp. 1 0 4 2 - 1 0 4 4 . NEUMANN: St. Galler Passionsspiel. In: KILLY: Literatur Lexikon. 4, 1989, S. 79. 10

M e i n e S z e n e n k o m m e n t a r e zu F D u n d FP erweisen dies im Detail. - Vgl. zu diesem Versepos u n d seinem B e z u g zur Hessischen Spielgruppe grundlegend HENNIG: >ErlösungErlösung< gegriffen u n d ihn in die B ü h n e n m a n u s k r i p t e eingebaut: die Frankfurter Dirigierrolle p l ü n dert i h n geradezu aus.« Vgl. HAUG: D i e Sibylle u n d Vergil in der >ErlösungErlösungErlösung< zu erkennen und in der >FrD< nachzuweisen sind« stellen »die früheste deutsch-lateinische Gestaltung einer lateinischen Osterfeier v o m Typ III« dar; dieses »früheste deutsche Osterspiel«, das möglicherweise nur zweiszenig gewesen ist (» Visitatio und Hortulanusbegegnung«) »könnte dort entstanden sein, w o es aus dem Uberlieferten herauszuschälen ist: im Gebiet Rheingau/Rheinhessen«. Grundlage des Textabdrucks ist M A U R E R : Die Erlösung, S. 23—292. — Z u r U b e r lieferung vgl. die Übersicht bei H E N N I G : >ErlösungKasseler Bruchstücke< haben keinen mit FD, FOf oder FP parallelen Text: Vgl. J A K O B I : Ein Kasseler Bruchstück der >Erlösung< und einer mhd. Gebetssammlung (mit einer Paraphrase zu Wolframs >Willehahnir wiszent niht / noch auch gedenkent, was geschiht. / ez fuget vnd bekumt vns eben, / daz ein mensche e kume vm daz leben / fur ander lude vnd auch ersterbe, / vnd alles folg niht so verderbe. < ( F O U R N I E R : Das St. Pauler

Evangelienreimwerk, S. 356-357, V. 13092-13099). Damit ist FP V. 1619-1622 zu vergleichen: Ir herren, nu mircket daz. / mich duncket, isz were doch basz, / das ein

mensch sturbe, / dan die gantz wernnt verderbe. Deutsche Reime konnten sich sogar in die Prosaverdeutschungen des Bremer Evangelistars einschleichen, dessen Uberlieferung z . T . in die Frankfurter Gegend weist: Fr (zweite Hälfte des H . J a h r hunderts, aus der Bibliothek des Frankfurter Patriziers Johann Maximilian zum Jungen (1596-1649), nach dessen T o d im Besitz des Frankfurter Rats) und Br (um 1400, Provenienz unbekannt) weisen nordrheinfränkischen bzw. rheinfränkischen Sprachstand auf, während N1 und N 2 außerhalb Hessens entstanden. Fr überliefert dabei die älteste Textstufe; vgl. die Einleitung bei SPLETT: Das Bremer Evangelistar, S. X I - X X I I I und S. LVIII-LXIV. Joh. 11, 49-50 lautet in Fr: Da sprach eyner. Der hiez kayphas. vnde was byschoff des seibin iares Der wissagte vnde sprach Ir wisset nach gedencket nicht. Daz iz nutze ist Daz ein mensche sterbe. Dan alles daz folg virterbe

(ebda. Nr. 81, S. 126, Z. 6-8). Die nur in Fr überlieferte Passionsharmonie hat d a r ü b e r hinaus: [...] vnde fingen in. vnde bunden in. vnde fürten in. Jn dez fursten hof Der da heizet annas. Der swehir waz kayphas. Daz waz der selbe kayphas Der den iuden gap den rat. Daz iz bessir were daz ein mensche sturbe fur das folg. wand daz ales daz folg

virturbe (ebda. Nr. 89, S. 160, Z. 76-78 und S. 162, Z. 79-80). Nicht in Fr, dafür in den anderen Textzeugen, die folgende Verdeutschung zu Joh. 18,13-14: Vnde fürten in des irsten zu annam. der waz cayphas swiher. Jz waz der kayphas der den Juden gegeben hatte den rat. daz iz bessir were daz ein mensche sturbe, dan alle die wemlt virturbe

(ebda. Nr. 90, S. 183-184, Z. 19-21). Die auf Fr beschränkte Passionsharmonie weist einen nicht biblisch gedeckten, gereimten Text auf: barrabam sait du lazsen gan. vnde ihesum an eyn cruce han (ebda. Nr. 89, S. 172, Z. 249-250). Auf letzteren Fall geht SPLETT in seiner Einleitung ( S . LXVI-LXVII) ausführlicher ein, und verweist auf geistliche Spiele mit ähnlichen Versen: das >Luzerner Osterspiel·, FP (V. 3377-3378) und AP; vgl. ergänzend dazu im Textband F D / F P , S. 338-339. Für SPLETT ( S . LXIX) ist in dem eben zitierten »reimenden Einschub [...] der nachhaltige Einfluß [...] des mittelalterlichen Spiels unmittelbar zu greifen«. Somit wäre als literaturhistorischer Befund der (partielle) Einfluß der Frankfurter Spieltradition auf die Bibelverdeutschung zu konstatieren, was eine die Gattungsgrenzen überwindende Wirkmächtigkeit der auf FD gründenden Hessischen Spielgruppe zeigt. Die sterben / verderben-Reime finden sich aber ebenso in der Erlösung V. 4537-4542, woraus die Frankfurter Spieltradition geschöpft hat: Here zu sprach Câiphas, / der daz jâr ein bischof was: / > Vernemet mich, ich sagen ûch daz, / iz fuget unde kumet baz, / daz ein mensche sterbe, / ê allez vole verderbe.
Lehrlinge< aus; so ist 1342 Henrich von Wettir belegt, der stede schriber, und Herman von Rodinburg, sin scholer (ebda. S. 107). Zu ihren Pflichten (u. a. Pflege der Antiphonen und Psalmen, Überwachung und Korrektur des Chorgesangs der Schüler) vgl. eine Urkunde des Jahres 1295 bei BÖHMER/LAU: Codex diplomaticus Moenofrancofurtanus. 1, S. 339, Nr. 687. Das liturgische Repertoire der Stiftsschüler läßt sich für das 14. Jahrhundert durch den schon erwähnten (vgl. S. 10) Bibliothekskatalog von 1360 rekonstruieren: Unter der Rubrik Libri pro choro werden u. a. diverse Antiphonaria oder Ymnaria duo puerorum pro ambobus choris genannt; vgl. POWITZ: Mittelalterliche Bibliothekskataloge des Frankfurter Salvator- und Bartholomäusstifts. In: AFGK 53, 1973, S. 21-40, hier S. 26. Vgl. Z. 2 - 3 = § la. Vgl. LÜBKING: Die Orgeln. In: BECHER/FISCHER: Nikolaikirche, S. 419-439, hier S. 419. - VALENTIN: Musik, S. 10.

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Β. Einleitung zur FD und z u m F O f

tung dürften für Aufführungen auch die im 14. Jahrhundert häufig belegten, von der Stadt besoldeten Musiker (Pfeifer, Fiedler, T r o m melschläger, Turmbläser) sein, für die 1350 sogar die Anschaffung einer Art U n i f o r m erwähnt wird. O f f e n bleiben m u ß dagegen, ob im 14. Jahrhundert für die Frühjahrsmessen erwähnte Fiedler und Spielleute sowie die zahlreichen in Frankfurt ansässigen giger, fideler und quinterner niederen Standes, die wohl v. a. zum Tanz aufspielten, etwas mit den geistlichen Spielen zu tun hatten. 32 Illustrative Hinweise gibt auch die zeitgenössische bildende Kunst der Stadt. 33 Während Schauspieler, Sänger oder Instrumentalmusiker sich zumindest soziologisch gut verorten lassen, ist der Spielautor nur mehr schwer zu greifen, w e n n Baldemar von Peterweil dafür ausfällt. 34 Auch w e n n FD (vielleicht) ein älteres Osterspiel (2. Spieltag) inkorporierte und erst vor dieses das Passionsgeschehen neu gestellt wurde, bleibt dennoch die Autorfrage für Frankfurt virulent, zumal die deutschen Partien von FD und F O f keine Sprachmerkmale außerhalb des Rheinfränkischen aufweisen. Es stellt sich die Frage, w e m in Frankfurt am Anfang des 14. Jahrhunderts oder sogar gegen Ende des 13. Jahrhunderts 35 die Abfassung eines geistlichen Spiels zuzutrauen war. Da die Uberlieferungsträger FD und F O f — ebenso der Katalogeintrag von 1360 — ins Bartholomäusstift weisen, spricht nichts dagegen, daß die Abfassung des Spiels im Stift selbst erfolgte. Das Stift hatte auch die geistige Potenz, einen Spielautor hervorzubringen, wie dies seine Lateinschule und vor allem seine Bibliothek 36 32

33

34 35

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Vgl. V A L E N T I N : Musik, S. 10, 14, 15, 41-43. - Vgl. auch B Ü C H E R : Berufe, S. 44, 51, 93, 119. - B Ü C H E R : Bevölkerung, S. 137-138. Am Nordportal des Domes (Mitte des 14. Jahrhunderts) befinden sich beispielsweise Konsolen, die mit musizierenden Sirenen geschmückt sind; eine spielt mit einem Plektron auf einem Psalterium, eine andere streicht die Fiedel; weiter finden sich Musizierende mit Laute, Portativ, Dudelsack, Horn und Mandola; vgl. BOTT: Gotische Plastik, S. 34—36. - Ein Wandgemälde (14. Jahrhundert) aus einem Patrizierhaus zeigt einen Harfenspieler (mit einem schachspielenden Paar); vgl. die Abbildung bei MOHR: Musikleben, S. 11. Vgl. S. 12. Da FD und FOf in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstanden sind, ist die Abfassung des Frankfurter Ausgangstextes am Anfang des Jahrhunderts wahrscheinlich. Allerdings zeigen die mustergültig geschriebene und übersichtlich konzipierte FD sowie das planvoll angelegte Spielbuch, das durch FOf repräsentiert wird, einen geübten und vertrauten Umgang mit der Anlage solcher Spielhandschriften, so daß eine Abfassung des Ausgangstextes gegen Ende des 13. Jahrhunderts nicht völlig auszuschließen ist. Deutsche Spieltexte sind jedenfalls im 1 3 . Jahrhundert nicht ungewöhnlich; vgl. B E R G M A N N : Studien, S. 6 1 — 6 3 . Vgl. das Bücherverzeichnis des Baldemar von Peterweil 1360. Näheres zu den Handschriften des 14. Jahrhunderts auf S. 67.

IV. P u b l i k u m

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plausibel machen. Freilich ist damit noch nicht gesagt, daß es sich nur um eine einzige Autorpersönlichkeit gehandelt haben mußte. An FD waren mindestens zwei Schreiber (Textualis versus Notula) 37 beteiligt, wobei jede Änderung an der ältesten Schicht von FD, sei es Textualis auf Rasur oder Notula am Rande, eine eigene Spielfassung und damit letztlich auch j e die Entstehung eines neuen Spiels dokumentierte. Belastet man den mittelalterlichen Autorbegriff nicht mit unbilligen, neuzeitlichen Autorvorstellungen, dann darf man in der Tat von einem, wenn auch zeitlich sukzessive agierenden, Autorenteam sprechen. 38 Für einen Autor oder ein Autorenteam außerhalb des Barthol.omäusstifts gibt es keine Anhaltspunkte. Faßt man die Untersuchungen zur Spielträgerschaft zusammen, so haben sich so gut wie keine Hinweise auf die Beteiligung von Stadtbürgern ergeben. Die Aufführungen im 14. Jahrhundert scheinen fest in der Hand des Bartholomäusstifts gelegen zu haben. Dies erklärt auch den klerikal-pastoralen Charakter der Aufführungen, wie sie FD und F O f repräsentieren. Sie stehen damit im Gegensatz zur stärker laikal-pastoralen Ausrichtung, wie sie uns in FP für das 15. Jahrhundert entgegentritt.

IV. P u b l i k u m Das Publikum der Aufführungen im 14. Jahrhundert läßt sich nur vermutungsweise bestimmen, da direkte Zeugnisse archivalischer Art nicht vorhanden sind. Eine zweitägige Aufführung nach FD war sicher zu spektakulär, als daß nur an eine Schulaufführung gedacht werden darf. Zumindest der paläographisch anspruchsvolle Rotulus FD, mehr noch das repräsentative Spielbuch, das F O f dokumentiert, legen einen gewichtigeren Aufführungszusammenhang nahe, wobei wenigstens die Gemeinde der Stadtpfarrei St. Bartholomäus als Adressat angesprochen war. Geht man gar davon aus, daß zu den 37

Z u m i n d e s t theoretisch ist vorstellbar, daß die N o t u l a - N a c h t r ä g e auch v o m T e x tualis-Schreiber stammen könnten.

38

Für ein simultan operierendes Autorenteam, wie es bei FP in den K o m b i n a t i o n e n K o l e n m e s s e r - K r e m e r u n d K o l e n m e s s e r - D o l d e zu postulieren ist, fehlen bei F D die Hinweise. Vgl. hierzu auch die Einleitung des K o m m e n t a r s zu FP. - Z u r Problematik des mittelalterlichen Autors allgemein u n d mit B e z u g auf die geistlichen Spiele vgl. neuerdings grundlegend JANOTA: Mittelalterliche T e x t e als Entstehungsvarianten, S. 6 5 - 8 0 .

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Β. Einleitung zur FD und zum F O f

Terminen der Handelsmessen Aufführungen stattfanden, würde sich das Publikum stark erweitert haben. Allerdings wäre eine derartige Menschenansammlung der Andacht bei den Zuschauern eher wenig förderlich gewesen. 39 Daß sich die Frankfurter Judenschaft unter den Zuschauern befunden hätte, ist insofern weniger wahrscheinlich, als zumindest im 15. Jahrhundert Schutzmaßnahmen der städtischen Obrigkeit zugunsten der Juden für die Dauer von Spielaufführungen überliefert sind. 40 Zudem gibt es vielleicht auch ein liturgisches Hindernis, »denn die aufführung hatte immer den charakter des christlichen gottesdienstes«. 41 Läßt man die Datierung der Uberlieferungsträger mit Aufführungsterminen parallel gehen, das heißt, geht man von Aufführungen in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts aus, dann w ü r den diese noch vor dem großen Judenpogrom von 1349 stattgefunden haben, in einer Zeit (zumindest) ohne spektakuläre gewalttätige Ubergriffe von Christen auf Juden. Freilich soll man dann nicht soweit gehen, die in FD dargestellte Taufe von Juden (Szene 82.) als friedlichen Missionierungsversuch (unter Beisein der Juden als zu bekehrendes Publikum) zu interpretieren. Für derartige Spekulationen, die aus dem Spiel zur FD eine missionarische Zwangspredigt machen würden, fehlen für das 14. Jahrhundert deutliche Hinweise. 42

V. Bühne Nimmt man FD und FOf als Aufführungstexte ernst, dann gilt es, nach der Bühne zu fragen, die ihnen R a u m bot: Konkret müssen Aufführungsort in Frankfurt, materielle Beschaffenheit der Bühne und Anordnung der loca, Bewegungsregie sowie Spielerprozessionen eruiert werden. 39

40 41 42

Zu einer althergebrachten Herbstmesse (nach der Ernte) trat seit 1 3 3 0 eine von Kaiser Ludwig dem Bayern privilegierte Fasten- oder Frühjahrsmesse. - Zu Frankfurt als zentraler Messestandort im Reich vgl. die umfassende Arbeit von ROTHMANN: Die Frankfurter Messen im Mittelalter, passim. Vgl. hierzu die Einleitung des Kommentars zu FP, S. 408. PETERSEN: Aufführungen und Bühnenplan, S. 93. Problematisch ist auch, daß der antijüdische Gehalt von FD wegen der nur anzitierten Rollentexte schwer zu bestimmen ist. Vgl. zu den Judenszenen in FD auch WENZEL: »DO worden die Judden alle geschant«, S. 31—52.

V. Bühne

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Aufführungsort Bei der Frage des Aufführungsorts ergibt sich zunächst die Schwierigkeit, daß für Spiele des Bartholomäusstifts, also auch für FD und FOf, keine archivalischen Angaben erhalten sind. Auch die Spieltexte selbst geben keine entsprechenden Hinweise. So kann im folgenden nur der Versuch unternommen werden, mögliche Frankfurter Ortlichkeiten zu benennen und ihre Bühnentauglichkeit zu diskutieren. Dabei ist zwischen Aufführungen in geschlossenen Gebäuden, Höfen sowie auf offenen Plätzen, zwischen Spielen inner- bzw. außerhalb der Altstadt zu unterscheiden. Die Herkunft von FD bzw. FOf aus dem Bartholomäusstift — bzw. dessen Spielträgerschaft — spricht auch für eine Aufführung in der zugehörigen Kirche, die zugleich Pfarrkirche Frankfurts war. 43 Die Bartholomäuskirche bzw. der Dom besaß als Wahlkirche der deutschen Könige sicher die Weiträumigkeit für Aufführungen des Osterteils von FD: Unter intensiver Einbeziehung der architektonischen Gegebenheiten seit der Vollendung des neuen Chores (1338) gelingt es PETERSEN, den zweiten, stark liturgisch geprägten Tag von FD im Dominneren stimmig zu inszenieren; der erste Spieltag dagegen war (u. a. wegen der Weite des in FD geforderten Spielraumes) nur im Freien aufführbar. Aufführungen von Osterspielen im Dominneren stellten für PETERSEN zudem den Beginn der Frankfurter Spieltradition dar.44 Aufgrund der Frühdatierung von FD und anderer Beurteilung der Baugeschichte des Domes versetzt M I C H A E L die Aufführung des Osterspiels im Dom (wie bei PETERSEN ohne Passionsteil) unter modifizierter Inszenierung noch in das 13. Jahrhundert. 45 Aufführungen im Dominneren böten insgesamt den Vorteil, dem geistlich-liturgischen Gehalt des Dargestellten (u. a. auch durch Orgelspiel)46 gerecht zu werden. Während geschlossene Höfe im Frankfurt des 14. Jahrhunderts für Aufführungen ausscheiden,47 gab es im Bereich der Altstadt mehrere 43 44 43

46 47

Vgl. hierzu S. 1 1 - 1 5 . Vgl. PETERSEN: A u f f ü h r u n g e n und Bühnenplan, S. 9 7 - 1 0 2 . Vgl. MICHAEL: Frühformen, S. 30, 32. - Nicht unproblematisch ist freilich, daß PETERSEN w i e MICHAEL einem Entwicklungsschema v o m kürzeren Osterspiel zum längeren Passions- und Osterspiel verpflichtet sind. Nachweis S. 17. Der Hainerhof in D o m n ä h e gehörte dem gleichnamigen Kloster, w a r also dem Bartholomäusstift nicht verfügbar; der Arnsburger Hof w a r zu w e n i g ausgedehnt; vgl. PETERSEN: A u f f ü h r u n g e n und Bühnenplan, S. 117.

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Β . Einleitung zur F D und zum F O f

aufführungstaugliche offene Plätze. Über sie unterrichtet der 1350 durch den Kanoniker Baldemar von Peterweil angefertigte Líber censuum; dort werden neben weiteren Angaben zur Topographie Frankfurts die platea Frythof, die platea Rossebohil und die platea dicta Samysdagis berg als freie Plätze aufgeführt. Die platea Frythof, später Hühnermarkt genannt, wäre jedoch für Aufführungen zu kleinräumig gewesen.48 Die platea Rossebohil aber meint den Liebfrauenberg, der von seiner Größe her prinzipiell als Aufführungsort in Frage kommt. Er gehörte jedoch in den Bereich des erst 1325 gegründeten Liebfrauenstifts, wo FD und F O f als Spiele des konkurrierenden und weitaus mächtigeren Bartholomäusstifts sicher nicht wohl gelitten waren. Zudem hielten sich die Liebfrauenherren wohl eher an endzeitliche Stoffe für Spielaufführungen.49 Die von Baldemar so genannte platea dicta Samysdagis berg50 wurde von PETERSEN als Aufführungsort zu FD bestimmt, worin ihm dann auch die Spielforschung einhellig gefolgt ist.51 PETERSENS Entscheidung beruht auf der (noch von FRONING abhängigen)52 Prämisse, daß FD keinesfalls vor 1350 aufgeführt worden sein kann: Für PETERSEN ist es nämlich Baldemar von Peterweil - 1384 ist er als verstorben erwähnt —, der FD geschrieben oder zumindest redigiert hat; da es 1349 aber in Frankfurt während einer Pestepidemie zu einem Judenpogrom kam, der dann zur Zerstörung des Domviertels führte, sei die erste große Passionsaufführung im Zusammenhang und in zeitlicher Folge zur Epidemie zu sehen.53 1349 als terminus post quem der 48

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53

Vgl. NATHUSIUS-NEINSTEDT: Baldemars von Peterweil Beschreibung von Frankfurt. In: AFGK, 3. Folge, 5. Band, 1896, S. 1 - 5 4 . - PETERSEN: Aufführungen und Bühnenplan, S. 117. - Zum Hühnermarkt im besonderen und zu den Größenverhältnissen zwischen diesem und den anderen freien Plätzen Frankfurts (im Mittelalter) vgl. LÜBBECKE: Belagerungsplan, S. 44 und LÜBBECKE: Anlitz der Stadt, Tafel II, III, IV, V. — Vgl. auch FROST: Petterweil, Baldemar von (Zuname: Knoblauch). In: KLÖTZER: Frankfurter Biographie 2, S. 132. Vgl. LÜBBECKE: Belagerungsplan, S. 47. — PETERSEN: Aufführungen und Bühnenplan, S. 117. - Möglich, daß die >Spielnachricht< von 1346 sich auf ein Zehnjungfrauenspiel im Bereich des Liebfrauenbergs bezieht (vgl. hierzu die Nachweise S. 11, Anm. 7). Der endzeitliche Stoff hätte damals übrigens gut zur allgemeinen religiösen Stimmung gepaßt, als Frankfurt mit dem Interdikt belegt war (vgl. S. 6 4 ) . PETERSEN: Aufführungen und Bühnenplan, S. 117. Zu nennen sind stellvertretend für weitere BRETT-EVANS: Von Hrotsvit bis Folz 1, S. 169; LINKE: »Frankfurter Dirigierrolle«. In: 2 VL, 2, 1980, Sp. 8 0 8 - 8 1 2 , hier Sp. 811. Vgl. FRONING: Drama, S. 3 2 6 - 3 2 8 : Danach ist Baldemar von Peterweil der Autor eines in der zweiten Jahrhunderthälfte mehrfach aufgeführten Passionsspiels. Vgl. PETERSEN: Aufführungen und Bühnenplan, S. 9 0 - 9 1 . - Uber die komplexen

V. B ü h n e

23

A u f f ü h r u n g e n läßt w i e d e r u m die U m g e g e n d des D o m e s — als den für P E T E R S E N eigentlich nächstliegenden Aufführungsort — w e g e n der Zerstörungen u n d des f o l g e n d e n Wiederaufbaus völlig ungeeignet erscheinen. 5 4 P E T E R S E N S Entscheidung für den Samstagsberg stellt somit eine >Notlösung< dar. Freilich spricht für sie das Anrecht des Bartholomäusstifts (und seines Spiels FD) auf diesen Platz w e g e n der sich dort befindlichen Filiale der Bartholomäuskirche, der Nikolaikapelle: D e r Samstagsberg bildete die Osthälfte des heutigen Römerbergs, der schon i m Mittelalter v o n W e s t nach Ost anstieg, was der Ausführbarkeit eines Spiels und der Einsehbarkeit der B ü h n e (im Osten) entgegenkam. 5 5 Hält man an einer Frühdatierung v o n F D (erste Jahrhunderthälfte) fest, w o n a c h Baldemar v o n Peterweil nichts mit F D zu tun hat, 56 dann entfallen P E T E R S E N S Prämissen für seine >Notlösung< Samstagsberg. Statt dessen wird die für P E T E R S E N eigentlich »nächstliegende« Lösung wieder in Geltung gesetzt, nämlich »die u m g e g e n d des D o mes«, w o sich nördlich gelegener D o m und südlich gelegene Synagoge (Ecclesia versus Synagoga, vgl. die Szenen 81. und 83. in FD) einander gegenüberstanden. 5 7

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Z u s a m m e n h ä n g e der grauenvollen Ereignise v o n 1349 unterrichtet differenziert ANDERNACHT: D i e V e r p f ä n d u n g der Frankfurter J u d e n 1349, Z u s a m m e n h a n g u n d Folgen. In: A F G K 53, 1973, S. 5 - 2 0 . Vgl. PETERSEN: A u f f ü h r u n g e n u n d B ü h n e n p l a n , S. 1 1 6 - 1 1 7 . Vgl. PETERSENS ü b e r z e u g e n d e A n o r d n u n g v o n B ü h n e u n d P u b l i k u m auf d e m Samstagsberg unter detaillierter (inszenatorischer) E i n b e z i e h u n g der dortigen T o p o g r a p h i e ; ebda S. 117-120; vgl. auch den »lageplan des Samstagsbergs« mit genauer Situierung der B ü h n e ebda. S. 123, Abb. 2 (als Kopie in m e i n e m Abbildungsteil, Abb. 9). - Eine >mittelalterliche< Abbildung des R ö m e r b e r g s in Fabers Belagerungsplan (1552) bei LÜBBECKE: Antlitz der Stadt, S. 83 u n d T a f e l II. - D e r N a m e Samstagsberg (zuerst 1323) rührt übrigens v o n d e m ebendort an diesem T a g abgehaltenen M a r k t her; vgl. DIETZ: Frankfurter Handelsgeschichte 1, S. 123. Vgl. S. 12. Vgl. die entscheidenden Aussagen bei PETERSEN: A u f f ü h r u n g e n u n d B ü h n e n p l a n , S. 1 1 6 - 1 1 7 : U n t e r s u c h e m a n »die im Frankfurt des 14. jh.s in betracht k o m m e n den freien platze« so wäre »das nächstliegende [...] die u m g e g e n d des Domes. Ecclesia u n d Synagoga hatten sich dort in steinerner Verkörperung g e g e n ü b e r g e standen, aber seit 1349 w a r der platz der alten Judenschule südlich des D o m e s (an der Stelle des heutigen [1922] Stadtarchivs) ein t r ü m m e r f e l d . ein teil des alten Judenviertels w u r d e d e m Bartholomäusstift zur erweiterung seines kirchhofs z u gesprochen [...] auch waren dieselben gründe, die [nach 1349] eine a u f f ü h r u n g im D o m verhinderten, der b e n u t z u n g des kirchhofs [für eine A u f f ü h r u n g ] im wege, nämlich die bauarbeiten, die das umliegende gelände in mideidenschaft zogen.«

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Β. Einleitung zur FD und zum F O f

Hinzu kommt, daß die Nähe des (im 14. Jahrhundert als Königswahlort repräsentativ ausgebauten) Bartholomäus-Domes als Pfarrkirche Frankfurts einen näherliegenden Aufführungsort für ein Spiel des Bartholomäusstifts abgab als der Samstagsberg, wo sich nur eine Filialkapelle befand. Eine Bühne an der Südseite der Pfarrkirche läßt zugleich die Aufführungen augenfällig als Seelsorgeunternehmen von Stift und Pfarrei erscheinen. Überdies befand sich das Rathaus erst im 15. Jahrhundert im Römer (beim Samstagsberg), im 14. Jahrhundert jedoch an der Stelle des heutigen Domturmes, so daß bei Aufführungen am Dom weltliche und geistliche Obrigkeit, Kleriker und Laien auch lokal vereinigt gewesen wären. 58 Das stärkste Argument für einen Bühnenort an der Domsüdseite ist insgesamt sicherlich die städtebauliche Gegenüberstellung von Dom und Synagoge, die der dramaturgisch besonders hervorgehobenen Auseinandersetzung von Judentum und Christentum in FD entspricht. Vor und nach dem Pogrom von 1349 befand sich die Synagoge südlich des Domes, an der nordöstlichen Ecke der nachmaligen Stadtwaage, wo später das (im 2. Weltkrieg zerstörte) Stadtarchiv errichtet wurde. Dort mündete die damalige Samuelsgasse auf den Weckmarkt. Die Bühne wäre dann wohl auf dem Weckmarkt, ungefähr in Höhe des nördlich gelegenen Domchores anzusetzen. Der geostete Synagogenraum dürfte einer romanischen Kapelle geglichen haben. Die Synagoge war übrigens nur ein Teil einer ganzen Gruppe von jüdischen Gemeindegebäuden. Ebenfalls südlich des Domes (nördlich des Mainufers und westlich der Fahrgasse) befand sich in ökonomisch bester Lage das W o h n - und Geschäftsviertel der Juden, freilich gemischt mit christlicher Nachbarschaft. Vor dem Pogrom von 1349 genossen die Juden sogar Bürgerrecht, und sie konnten liegende Güter zu Eigentum erwerben; aber auch nach dieser Katastrophe wohnten sie — allerdings mit verminderten Rechten — ab 1360 wieder in der selben Gegend. Erst ein Jahrhundert später mußten sie aus den verschiedensten Gründen ihr altes Quartier verlassen 58

Vgl. zur Topographie K L O F T : Kaiserdom, S. 4 : »Seit 1 3 1 5 baute man einen neuen Chor und seit 1349 das mächtige Querhaus, das den Grundriß der Kirche zu einem gleicharmigen Kreuz und damit einem Zentralbau ähnlich macht.« In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wäre also nur an der Ostseite (Chorseite) Baustelle gewesen. Die lange Südfront mit der gegenüberliegenden Synagoge war davon wohl unberührt. - Zugunsten des 1415 begonnenen Pfarrturms, ein »Zeugnis des Selbstbewußtseins der spätmittelalterlichen Stadtgemeinde«, opferte die Gemeinde »für den Bauplatz sogar ihr erstes Rathaus«; ebda. S. 7.

V. Bühne

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und in ein streng abgeschlossenes Ghetto (mit neuer Synagoge) ziehen. 59 Ebenfalls an der Südseite des Domes lag ein weiterer symbolhafter Ort: die schon 1 3 5 8 bezeugte porta rúbea oder rode dure, die sich, bevor sie später zugebaut wurde, an der Südseite des Kirchenschiffs (als Langhausportal) befand. Der N a m e ging dann auf das in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts vollendete Portal des südlichen Querschiffs über. Hinter dem Namen aber verbirgt sich, wie andernorts auch, eine alte (weit über das 14. Jahrhundert zurückreichende) Gerichtsstätte. Es ist nicht schwer, sich den Prozeß Jesu an dieser Stelle aufgeführt vorzustellen. Da es sich um eine königliche G e richtsstätte handelt, wird am ehesten der Pilatuskomplex (Pilatus spricht im Namen des Kaisers R e c h t ) dort in Szene gesetzt worden sein. Städtische und Bühnenwirklichkeit verschmelzen also, und Frankfurt wird Jerusalem. 60 59

Zur Synagoge am D o m , die - wiederholt zerstört und neu errichtet - vom 12. bis ins 15. Jahrhundert hinein genutzt wurde, und zum Judenviertel südlich des D o m e s i n s g e s a m t v g l . : FRANKFURTER HISTORISCHE KOMMISSION: D i e G e s c h i c h t e

der

Stadt, S. 1 3 1 - 1 3 3 . - KORN: Synagogenarchitektur in Frankfurt am Main. In: GRÖZINGER: Jüdische Kultur in Frankfurt, S. 2 8 7 - 3 1 9 , besonders S. 2 8 8 - 2 9 0 . - KORN: Synagogen und Betstuben in Frankfurt am Main. In: SCHWARZ: Die Architektur der Synagoge, S. 3 4 7 - 3 9 5 , hier S. 3 4 7 - 3 5 2 (mit Abbildungen zur Lage der ehemaligen Synagoge am Dom). — KRACAUER: Aus der inneren Geschichte der Juden Frankfurts im X I V . Jahrhundert, passim (mit Karte des Judenviertels). - KRACAUER: Geschichte der Juden in Frankfurt 1, S. 1 9 7 - 2 0 0 . - KRAUTHEIMER: Mittelalterliche Synagogen, S. 2 2 6 - 2 2 7 (mit Skizzierung der »Fundamente der ältesten Synagoge«). - Nicht uninteressant ist, daß (der neutestamentliche) J o s e f am südlichen Querschiffportal des Domes mit einem Judenhut dargestellt ist, was insofern bemerkenswert ist, als sich gegenüber die Synagoge befand, J o s e f somit am rechten Platz stehend (gemäß christlicher Interpretation) als vorbildlicher Jude den verstockten Juden gegenübergestellt wird. Süd- und Nordportal umfassen dabei als Programm einen heilsgeschichtlichen Zyklus aus Geburt Christi, Passion und Jüngstem Gericht (vgl. B o r r : Gotische Plastik, S. 1 8 - 1 9 ) , der vielleicht in geistlichen Spielaufführungen zu diesen T h e m e n sein Pendant fand; jedenfalls sind für das 15. Jahrhundert entsprechende Aufführungen belegt (vgl. die Einleitung zu FP); auch der Katalogeintrag von 1360, Liber ludorum theutonicus (s. o. S. 10), k ö n n te auf mehrere Spielgattungen hindeuten. 60

Ausführliche Nachweise bei BÖHMER: Die rothe T h ü r e zu Frankfurt am Main. Ein Beitrag zu den Alterthümem des dortigen Schöffengerichts. In: A F G K , 3. Heft, 1844, S. 1 1 4 - 1 2 4 . - »Im 14. Jahrhundert, während des Baues der Querhausportale fand das Gericht noch vor dem südlichen Langhausportal statt.« So Β ο τ τ : Gotische Plastik, S. 14. - Vgl. zu den Erweiterungsbauten KLOFT: Kaiserdom, S. 16: »Für das Nordquerhaus, ist eine Bauzeit zwischen 1346 und 1353 überliefert. Das Südquerhaus wurde 1352 begonnen [ . . . ] 1369 war der Bau wohl weitgehend abgeschlossen.«

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Β . Einleitung zur F D und z u m F O f

So läßt sich zusammenfassend die Domsüdseite als geradezu idealer Bühnenort für Aufführungen der Stadtpfarrei St. Bartholomäus bestimmen: Die Tatsache, daß der D o m sich auf einer (hochwassersicheren) Anhöhe (südlich davon das tiefer gelegene Mainufer), dem Domhügel, befand, kommt der Aufführbarkeit von Spielen entgegen: Der Blick des Publikums, das sich auf den freien Flächen oder in Häusern um den D o m herum versammelt hat, wird gleichsam nach oben, zum Dom, gerichtet. An dessen Außenwänden hat man sich die Spielorte vorzustellen. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wird die Passion nach FD daher m. E. wohl am ehesten an der Südseite des Domes aufgeführt worden sein. Da das gewaltige südliche Querhaus noch gar nicht erbaut war, bot sich an der Südseite ausreichend Platz. Die rote Tür als alte königliche Gerichtsstätte dürfte dann eine angemessene Lokalität des Prozesses Jesu vor Pilatus gewesen sein; die gegenüberliegende, noch unzerstörte Synagoge wäre die steingewordene Verkörperung des Bühnengeschehens der Szenen 81. und 83. in FD gewesen. 61 Befinden sich Samstagsberg und D o m - beide mit Bezug zum Spielträger Bartholomäusstift — im Herzen der mittelalterlichen Stadt, so würden Aufführungen etwa am Mainufer, in der Nähe des Leonhardsstifts, mehr in die Peripherie der Altstadt führen: Ein Johannesspiel wäre an der Südseite des Stifts (jenseits der Stadtmauer) durchaus vorstellbar; die Johannestaufe würde dann mit Mainwasser vollzogen werden, und im Spiel läge Frankfurt am Jordan. 62

61

Zur Topographie und Baugeschichte des Domes: Die Stadtansichten von Faber (zur Belagerung Frankfurts im Jahr 1552, noch relativ mittelalterlich) und Merian zeigen die Lage des Domes und darüber hinaus um den D o m herum, besonders aber an dessen Südseite, genügend R a u m für Bühne und Publikum; vgl. LÜBBEKKE: Antlitz der Stadt, Tafel II, III, IV. Vgl. auch die vergrößerten Abbildungen auf S. 99, 100, 101. Eine Beschreibung des Domhügels nebst Abbildung auch bei Lübbecke: Belagerungsplan, S. 44. — »Das ehem. S ü d p o r t a l , sog. >Rote Tür< (vor ihr wurde Gericht gehalten), am östlichen J o c h erhalten, Ende 13. Jh. (wahrscheinlich 1298), bei Anbau einer Kapelle 1. Hälfte 15. Jh. zu offenem Bogen umgestaltet«; DEHIO/BACKES: Kunstdenkmäler Hessen, S. 241.

62

Vgl. zur Topographie KLÖTZER/FRENZEL: St. Leonhard, S. 18 und LÜBBECKE: Antlitz der Stadt, S. 71 (an der Nordseite der Kirche - Reste einer gotischen Außenkanzel sind erhalten - befand sich offenbar auch ein alter Versammlungsplatz, an dem u. a. die Privilegien der Stadt verlesen wurden). - Ein gesondertes Johannesspiel (bzw. Vorbereitungen dazu) in Obhut der Leonhardsherren ist übrigens für 1515 nachweisbar (vgl. die Einleitung des Kommentars zu FP, S. 313).

V. B ü h n e

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D i e bisher genannten möglichen Spielplätze befinden sich sämtlich in der Altstadt. In der Neustadt stünden ebenfalls große Räumlichkeiten zur Verfügung. Allerdings war diese in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts noch gar nicht vollständig ummauert und hatte überdies ausgesprochen ländlich-agrarischen Charakter; zudem w e i sen die Spielbelege des 15. Jahrhunderts ausschließlich in die Altstadt, w o das politische und religiöse Herz Frankfurts schlug. 63 N o c h im 17. Jahrhundert bildeten Roßmarkt, Rahmhof und Klapperfeld in der Neustadt große freie Plätze, die aber, eben weil sie im H . J a h r h u n dert ζ. T. weit außerhalb des Zentrums lagen, für Aufführungen nicht in Frage kommen. 6 4

Materielle Beschaffenheit der Bühne D i e materielle Beschaffenheit der Bühne ist, anders als im 15. Jahrhundert, w o Gerüstholz zum Aufbau der Bühne v o m Rat zur Verfügung gestellt wird, 65 für das 14. Jahrhundert nicht mehr zu rekonstruieren. Es kann allenfalls vermutet werden, daß auf natürlich erhabenen Plätzen w i e dem Samstagsberg (wenn man an ihm als Spielort festhalten möchte) ein Gerüst aus Holz unnötig war. 66 Dies muß aber nicht heißen, daß nicht dennoch auf einem Holzgerüst gespielt wurde. Der entscheidende Punkt ist dabei immer, w i e gut das P u 63

64 65 66

Vgl. FRANKFURTER H I S T O R I S C H E K O M M I S S I O N : Die Geschichte der Stadt: S. 1 1 3 , 116: Schon am Beginn des 14. Jahrhunderts wuchs die Stadt über den staufischen Mauerring hinaus. So entstand eine vorstadtartige Bebauung. Diese wurde zwischen 1333 und circa 1350 als Neustadt durch Mauer und Graben mit der Altstadt verbunden, wodurch das ummauerte Stadtgebiet sich fast verdreifachte. Die 1366 zu den Gärten genannte Neustadt war dünn besiedelt, dort herrschten Gärten und landwirtschaftliche Betriebe mit Wirtschaftshöfen, Scheunen und Gartenhäusern vor. Vgl. LÜBBECKE: Anditz der Stadt, Tafel III. - Ebda. S. 122 zum N a m e n Klapperfeld. Vgl. die Einleitung des Kommentars zu FP, S. 415. Vgl. dagegen die Verhältnisse bei FP: »seit 1405 war das haus zum R ö m e r als rathaus eingerichtet, und seine fenster an der Westseite des platzes bildeten die vornehmste zuschauerloge [...] im jähre 1467 wurde auch die Nicolaikirche u m gebaut und erhielt eine das dach umlaufende galerie, die gleichfalls den >ratsfrunden< zur Verfügung gestellt wurde, der Schauplatz der zwischen diesen beiden Zuschauertribünen sich ausdehnte, schloss den tiefstgelegenen teil des Römerbergs in sich, auch wenn der wasserlauf inzwischen zugeschüttet war, blieb diese Senkung des ungepflasterten platzes schlammig und grundlos, schon das machte, von der Unebenheit abgesehen, die errichtung eines gerüstes notwendig«; PETERSEN: Aufführungen und Bühnenplan, S. 125.

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Β . E i n l e i t u n g zur F D u n d z u m F O f

blikum das Bühnengeschehen verfolgen konnte. D a für das Frankfurt des 14. Jahrhunderts keine zeitgenössischen Abbildungen vorliegen und der Fabersche Belagerungsplan aus der Mitte des 16. Jahrhunderts auch nicht als exakt bezeichnet werden kann, sind präzise Aussagen darüber, wie stark ζ. B. der Samstagsberg nach Osten zu anstieg, nicht möglich. Ebenfalls läßt sich nichts Genaues zur Steilheit des von mir als Spielort präferierten Domhügels bemerken, etwa sein Gefálle nach Süden, zum Main hin. Prinzipiell muß sicher davon ausgegangen werden, daß in Frankfurt, wie andernorts auch, im Laufe der Jahrhunderte ursprüngliche Geländeunebenheiten durch Ablagerungen und Aufschüttungen allmählich eingeebnet wurden, so daß die heutige Oberflächenstruktur nicht für das Mittelalter repräsentativ sein muß. Bühnenaufbau und Bühnenplan Für den eigentlichen Bühnenaufbau bzw. Bühnenplan lassen sich zunächst aus F D (und F O f ) textimmanent die verschiedenen Bühnenorte oder loca und ansatzweise eine Bewegungsregie eruieren. Dabei gibt F D keineswegs präzise Angaben für einen Bühnenplan im Sinne einer genauen Situierung der loca; es lassen sich allenfalls relative B e züge zwischen den verschiedenen loca herstellen. Deren absolute Anordnung wird erst durch eine Festlegung für einen Aufführungsort möglich, sei es der Samstagsberg bei P E T E R S E N , sei es die Südseite des D o m e s bei mir. Im folgenden werden also zunächst die Texte F D und F O f auf ihren bühnenpraktischen Aussagegehalt hin befragt, und es wird darauf aufbauend ein >relativer< Bühnenplan erstellt, der zugleich als (textnahe) Lektürehilfe (zu F D als Aufführungstext) für den Kommentarbenutzer gedacht ist; dann erst werden PETERSENS Modell und mein Alternatiworschlag als >absolute< Bühnenpläne vorgestellt. Bühnenorte oder loca lassen sich textimmanent aus F D und F O f gewinnen. Besteht über ihre Existenz und Anzahl Klarheit, dann kann in einer bühnenpraktischen und inszenatorischen Textanalyse nach ihrer Anordnung auf der Bühne und nach der Bewegungsregie gefragt werden. Die persone der Chorgruppe sollen sich zu Spielbeginn unter Instrumentalbegleitung ad loca sua begeben. 6 7 Die persone spielen insofern keine untergeordnete (n) R o l l e (n), als sie während der gesamten 67

Diplomatischer Abdruck von FD: Z. 1 - 3 (= § la). - Zitiert wird hier und im folgenden nach dem Diplomatischen Abdruck von F D , da dieser augenfällig (rot

V. Bühne

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Aufführung in FD Spiel- und Szenenabschnitte sowie Zäsuren im Spiel markieren. Vielleicht einer späteren Überarbeitung gehört ihre (ausschließliche?) Situierung auf dem Olberg an, wobei sie vielleicht von den für diesen Bühnenort geforderten Bäumen verdeckt wurden.68 Von diesen abgesondert, scheint die Gruppe der pueri einen eigenen Spielort behauptet zu haben.69 Einen festen Platz, der einerseits dem Publikum zugewandt, andererseits vermittelnd zwischen Propheten und Juden ausgerichtet war, hielt Augustinus inne.70 Die Antipoden Propheten versus Juden71 standen sich wahrscheinlich als je geschlossene Gruppen gegenüber. Genau zugewiesene Bühnenorte hatten Jesus72 und Johannes der Täufer 73 sowie vermutlich Gottvater. 74 Herodes hat relativ viel Platz beansprucht, da er erst nach seiner offenbar entfernter stehenden Dienerschar rufen muß 75 und sogar ein Gefängnis in seiner Nähe weiß; 76 sein Gastmahl und der Tanz seiner Tochter verlangen größeren Freiraum;77 seine Gattin (regina) residiert gesondert vom Kö-

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versus schwarz, bzw. Normaldruck versus Fettdruck) die Bühnenregie tatsächlich gespielter Aufführungen bietet. Z u d e m ist es bisweilen erforderlich, a u f ältere, radierte E b e n e n zurückzugreifen, u m Neuinszenierungen vergleichend würdigen zu k ö n n e n . Damit Vergleiche mit der F D - E d i t i o n sowie älterer Forschungsliteratur möglich sind, wird die alte WiRTH-FRONiNGsche Paragraphenzählung in Klammern angegeben. - D i e loca werden (der besseren Nachvollziehbarkeit halber) in der ungefähren R e i h e n f o l g e ihrer N e n n u n g in F D aufgeführt; zu ihrer systematischen Anordnung auf der B ü h n e vgl. Abb. 10 (Bühnenplan). — Rasuren w e r den bei den folgenden Zitaten der Lesbarkeit wegen nicht gekennzeichnet; sind radierte Textschichten bzw. T e x t e auf R a s u r für die R e k o n s t r u k t i o n der loca von Belang, werden sie selbstverständlich expresses verbis angesprochen. Vgl. den entsprechenden Nachtrag Z . 2 1 8 - 2 2 0 R B (in Notula) (= § 153). Ζ . 3 - 4 . N i c h t zu entscheiden ist, ob sie mit dem Pueri hebreorum identisch sind (Z. 1 7 3 - 1 7 6 ) (vgl. § l a mit § 1 2 7 b - c ) . Vgl. Z . 5 - 2 6 (= § 1 - 2 2 ) . Letzere haben das ganze Spiel über einen festen B ü h n e n o r t (als Ausgangspunkt für B e w e g u n g e n auf der B ü h n e ) . Vgl. Z . 2 7 (= § 23): Iheses autem surgat a loco suo-, Ζ . 8 9 - 9 0 (= § 64): ihesus quoque recipiat se in loco doñee ordo eum iterum tangat. Z . 2 8 - 3 5 (= § 2 3 - 2 8 ) . Z . 3 3 (= § 27). D e r letztere ebenso im Osterspielteil, dessen loca weiter unten, als zweiter Spieltag von F D , gesondert aufgeführt werden. Z . 3 7 (= § 30): Wa sit ir knehte vnde mine man. Z . 3 8 - 3 9 : serui ducant Iohannem in carcerem. Vgl. auch Z . 7 9 - 8 2 (vgl. § 31a und § 55-59). Vgl. Z . 9 0 - 9 4 (= § 6 5 - 6 6 ) . Vgl. Z . 9 4 - 9 5 (= § 67): puella uadat ad matrem eius que specialiter cum dominabus sedeat.

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Β. Einleitung zur FD und zum FOf

Diverse Engel im Spiel von FD haben ebenso wie ihr Antipode ihren festen Bühnenort als Ausgangspunkt zu Bewegungen auf der Gesamtbühne im Zuge der Spielhandlung. 79 Als Orte der Versuchung sind desertum,so ferner (in der Mitte des Bühnenraumes) ein Faß, das Dach des Tempels darstellend,81 und zuletzt ein Faß, das die Spitze eines hohen Berges symbolisiert, genannt.82 Am Beginn des Spiels, bei der Berufung der Apostel, haben diese zunächst ihre festen Plätze und werden dann grüppchenweise von Jesus zur (wörtlich zu nehmenden) Nachfolge berufen. 83 Die Juden haben als Gruppe ihren festen Ausgangsort bzw. locus.84 Die Nutznießer von Jesu Heilungswundern warten an bestimmten Orten auf das Vorbeikommen ihres Erlösers: ein Blinder, 85 ein Lahmer,86 ein Aussätziger,87 ein Stummer, 88 zuletzt ein Gelähmter.89 Für den enthaupteten Täufer wird ein Grab genannt.90 Die Schwestern Maria Magdalena und Martha sowie Lazarus bewohnen (zusammen mit Magd und Dienerschaft) einen gemeinsamen, deshalb wohl geräumigen Bühnenort. 91 Die propria des regulus scheinen, da sie Dienerschaft beherbergen mußten, ebenfalls nicht zu klein gewesen zu sein.92 Wie der Täufer, benötigt auch Lazarus ein Grab; dieses ist mit einem großen Stein verschlossen.93 sathan

Vgl. Z. 40: Iam itaque angelus ducat ihesum in desertum. et sathanas assit. Vgl. ebenso Z. 51: angeli accedentes ad ihesum (vgl. § 32 und § 37a). 80 Z. 40, ausgestattet mit lapidibus (vgl. § 32). 81 Z. 43-44: dolium quod positum sit in medio l u d i , representans pinnaculum templi (vgl. §34). 82 Z. 46-47: sathanas ducat ihesum ad alium locum l u d i , super dolium representans montem excelsum (= § 36). 83 Vgl. Z. 52-64 (= § 38-44). 84 Vgl. Z. 65: ihesus d i r i g a t viam suam ad iudeos; Z. 82: ihesus appropinquans loco iudeorum; Z. 88-89: Iudei reuertantur ad locum suum (= § 45, 60, 64). 85 Z. 66-70 (= § 45-48). 86 Z. 70-73 (= § 49-51). 87 Z. 73-76 (= § 52-53). 88 Z. 76-79 (= § 54). 89 Z. 82-86 (= § 60-63). 90 Z. 105 (= § 76a). 91 Vgl. Z. 1 1 6 - 1 1 8 , 133-136, 156-157 (=§ 86-87, 100-102, 118). - Jesu Predigt, die zur Bekehrung Magdalenas führt, wird eher nicht an nur einem festen Ort, sondern im wahrsten Sinne des Wortes en passant gehalten; vgl. Z. 1 1 8 - 1 2 0 (= § 88-89): ihesus ueniad predicando sic [ . . . ] Hoc finito ihesus ulterius procedat ubi iterum predicabit sic. 92 Vgl. Ζ. 126-133 (= § 94-99). 93 Vgl. Ζ. 136, 148-156 (= § 102, 112-118). 79

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V. B ü h n e

Jerusalem wird als castellum oder stede wert angesprochen, 9 4 o h n e daß damit die bühnentechnische Realisierung klar wäre. Das Haus des Symon Phariseus m u ß t e R a u m f ü r ein Gastmahl bieten, 9 5 ebenso der B ü h n e n o r t des Abendmahlskomplexes. 9 6 D e r O l b e r g w i r d recht realistisch als Garten auf die B ü h n e gestellt. 97 Annas u n d Kayphas haben wahrscheinlich am festen B ü h n e n o r t der J u d e n residiert, da gesonderte Häuser oder Paläste f ü r sie nicht erwähnt werden. 9 8 N i c h t ganz klar ist, o b Judas schon vor seinem T o d am Galgen einen festen B ü h n e n o r t besaß. 99 N a c h d e m er die J u d e n z u m O l b e r g geführt hat 100 u n d Jesus mit seiner Hilfe gefangengenommen 1 0 1 w u r d e , wird er nicht m e h r erwähnt, bis er nach Jesu V e r h ö r e n vor Annas u n d Kayphas plötzlich v o n R e u e gepackt zu den J u d e n rennt. 102 D e r Galgen u n d dessen spieltechnische H a n d h a b u n g wird, i m Gegensatz zur sonstigen spartanischen Schilderung der B ü h n e n t e c h n i k in FD, geradezu ausführlich behandelt. 1 0 3 Pilatus b e w o h n t einen aufwendigeren B ü h n e n o r t , der palatium104 oder pretorium105 genannt wird. Er m u ß v o n außen gut einsehbar sein, d e n n in dessen w o h l relativ geräumigen I n n e r e m findet das Verhör Jesu statt, vielleicht sogar die Geißelung, 1 0 6 f ü r die eine Geißelsäule 94

Z . 1 6 7 - 1 6 8 (= § 126).

95

Vgl. Z . 1 8 2 - 1 8 3 (= § 130): ibunt pariter ad domum comedant.

96

symonis

et preparetur

mensa et

Z . 199 (= § 142): ihesus in mensa sedens discipulis dicat. Z . 219—220 (= § 153): vadat in montent olyueti ubi posite sint [...] virides arbores in modum orti. 98 Ζ . 2 4 2 h e i ß t es plötzlich: Annas dicat suis; Z . 2 4 8 - 2 4 9 w i r d Kayphas lapidar e i n g e f ü h r t : Hoc dicto kayphas pontifex intenoget ihesum de doctrina eius (vgl. § 168 u n d 174). 99 Jedenfalls scheint er A b e n d m a h l u n d F u ß w a s c h u n g b e i g e w o h n t zu h a b e n u n d setzte sich erst a u f d e m W e g z u m o d e r a m O l b e r g v o n d e n ü b r i g e n A p o s t e l n ab; vgl. Z . 2 1 8 - 2 2 3 (= § 1 5 3 - 1 5 4 ) : Hic ihesus cum discipulis suis vadat in montem olyueti [...] ludas autem iam non erit cum discipulis sed retro eos manens currat ad iudeos [...]. 100 Z . 2 2 6 , 227, 2 3 1 (= § 156a, 158a). 101 Z . 2 3 7 - 2 3 9 (= § 1 6 4 - 1 6 6 ) . 102 Vgl. Z . 2 7 1 - 2 7 2 (= § 188): ludas quoque iam penitentia ductus currat ad iudeos dicens. 103 Z . 2 7 5 - 2 7 6 (= § 190): Hoc dicto iudas ad suspendium eat. Sit ymago autem facta ad instar iude que ad patibulum trahatur. 104 Z . 2 8 2 (= § 194). 105 Z . 300, 303, 3 0 4 (= § 208, 209). 106 Vgl. Z . 2 8 2 - 2 9 0 : pylatus ducat eum in palatium [...] Serui cédant ihesum utrgis secundum uerbum pylati. pylatus quoque eat foras ad iudeos. [...].- pylatus quoque in pretorium ad ihesum vadat. Statimque foras ad iudeos ueniat (Z. 3 0 3 , 304). - palatium u n d pretorium s c h e i n e n in F D w e g e n des g e m e i n s a m e n Gegensatzes zu foras s y n o n y m e B e g r i f f e zu sein (vgl. § 1 9 4 - 2 0 0 , 209). 97

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Β. Einleitung zur F D und z u m F O f

o. ä. nicht erwähnt wird. Die Dornenkrönung ereignet sich ebenfalls in pretorio.107 Procia, die Frau des Pilatus, hat ihren festen Bühnenort in einiger Entfernung von ihrem Mann, ob noch im Inneren des Statthalterpalastes, läßt sich nicht sagen, immerhin m u ß sie eine Botin zu Pilatus schicken. 108 Das Aussehen des Bühnenorts f ü r die Kreuzigungjesu und der beiden Schacher wird nicht näher beschrieben. 109 Das Grab Jesu wird in FD monumentumu0 oder sepulchrum111 genannt; daß es mit einem Stein verschlossen ist, wird in FD für den zweiten Spieltag mitgeteilt. 112 Da der zweite Tag in FD als Neueinsatz deutlich gekennzeichnet ist,113 sollen auch die Bühnenorte dieses Osterspielteils in FD getrennt vom ersten Spieltag erfaßt und dann mit den Bühnenorten in F O f verglichen werden. W i e am ersten Spieltag wird die Gruppe der persone erwähnt, die an ihrem Bühnenort Aufstellung nehmen soll und der im Spielverlauf musikalische Kommentierung und Zäsurierung des Geschehens zukommt. 1 1 4 Die Hölle ist als ein Bühnengebäude mit Toren vorzustellen, an die laut und vernehmlich gepocht wird. 115 Die W o r t e der Teufel im Inneren der Hölle 116 müssen aber v o m Publikum verstanden werden, so daß die Bühnenhölle nicht als völlig geschlossenes Gebäude konstruiert sein darf. Die aus der Hölle befreiten Seelen werden in das Paradies geführt, das offenbar durch die v o m Erlöser in den Boden gesteckte Oster- oder Kreuzesfahne markiert ist.117 Jesu Grab wird sepulchrum oder monumentum genannt und ist mit einem großen Stein verschlossen. 118 Der Bühnenort des Pilatus ist nicht gesondert spezifiziert, so daß prinzipiell zwei D e u 107 108 109 110 111 1,2 113 114

115

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Z. 3 1 5 - 3 1 6 (= 221). Vgl. Z. 3 0 9 - 3 1 2 (= § 215-217). Z. 3 1 9 - 3 2 0 (= § 223). Z. 362 (= § 246a). Z. 368 (= § 250a). Ζ. Β. Z. 418 (= § 284): videant reuolutum lapidem. Vgl. Z. 3 6 9 - 3 7 3 (= § 251): nicht auf Rasur, daher alter Bestand von FD. Vgl. Z. 373: persone iterato in locis suis conuenerint. Vgl. auch Z. 449—450 (vgl. § 251a, 317). Vgl. Z. 376-377: ibit ad portas inferni pulsans ibi; vgl. auch Z. 379, 3 8 1 - 3 8 2 (vgl. § 251a, 254a, 255). Ζ. Β. Z. 3 7 7 - 3 7 9 (= § 252-254). Z. 384-385: dominica autem persona précédât animas adparadysum et [...] sequentur eum ubi relinquet crucem; vgl. auch Z. 375-376: habens [...] crucem cum uexillo. in manu sua (vgl. § 255a, 251a). Vgl. Z. 415: eant pariter uersus sepulchrum; vgl. ebenso Z. 418: videant reuolutum lapidem et angelos in monumento (vgl. § 280, 284).

V. B ü h n e

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tungsmöglichkeiten bestehen: Z u m einen kann es sich n o c h u m den geräumigen Palast (palatium, pretorium) des ersten Spieltages handeln, z u m anderen ist auch ein bescheidener Spielort kleinen Ausmaßes, etwa in einer Kirche vorstellbar, falls man sich den Osterteil der F D beispielsweise im D o m aufgeführt denkt. Dazu paßt, daß auch den J u d e n als G r u p p e kein spezieller O r t m e h r zugewiesen wird, stattdessen halten sich diese, reduziert auf wenige Anführer, bei Pilatus auf. 119 D e r Ausgangspunkt der drei Marien auf d e m W e g z u m Grab wird nicht genannt. 1 2 0 D a sie aber später mit den Aposteln an einem O r t versammelt sind, k ö n n t e dort auch der Ausgangspunkt ihres Weges zu suchen sein. U b e r diesen Versammlungsort der Apostel w e r d e n in FD keine spezifischen Aussagen gemacht. 121 D e r B ü h n e n o r t der Salbenkrämer ist in FD nicht näher beschrieben. 1 2 2 W o die Engel am Grab 123 ihren Ausgangspunkt nahmen, wird nicht gesagt, doch dürfte ihr fester B ü h n e n o r t in der N ä h e Gottvaters (gleichzeitig O r t der Himmelfahrt) zu suchen sein; dieser sitzt auf einem über Stufen zu erklimmenden Thron. 1 2 4 Die beiden Emmausjünger benötigen f ü r ihr Mahl mit Jesus einen dafür geeigneten B ü h n e n o r t mit Tisch u n d Sitzgelegenheiten. 125 N ä h e r spezifiziert ist der B ü h n e n o r t galylea, an d e m Requisiten f ü r ein üppiges Mahl gefordert werden. 1 2 6 Feste B ü h n e n o r t e besaßen sicher Ecclesia u n d Synagoga, wobei sie sich, ihre Gegnerschaft ausdrückend, sinnvollerweise gegenüberstanden. D i e Synagoga wird dabei als menschliche Gestalt mit Pallium u n d K r o n e dargestellt. 127 D e r Standort des Augustinus m u ß Wasser bereithalten f ü r die Judentaufe u n d zugleich d e m P u b l i k u m zugewandt

119

120 121 122 123 124

125

126

127 128

Vgl. Z . 391—392: custodes sepulchri [...] eant ad pylatum iuxta quem sedebit annas et kayphas et meliores iudeorum (vgl. § 258). Z . 3 9 6 - 3 9 7 : maria magdalena, iacobi et salome uolentes uisitare sepulchrum (vgl. § 260). Vgl. Z . 443: D i e drei M a r i e n ¡bunt pariter uersus discípulos (vgl. § 311). Vgl. Z . 4 0 3 - 4 1 4 (= 2 6 8 - 2 7 9 ) . Z . 4 1 8 (= § 284). Vgl. Z . 488—490: sit autem thronus ubi maiestas sedeat. excellens et altus satis et tante latitudinis. ut animas comode possit capere habens etiam gradus quibus comode talis altitudo scandatur. Bei e i n e r A u f f ü h r u n g i m Freien w i r d dieser B ü h n e n o r t v e r m u t l i c h ein H o l z g e r ü s t g e w e s e n sein (vgl. § 352). Vgl. Z . 4 6 6 - 4 6 7 : dominus cum eis maneat. ipsi quoque cenam iam préparent quibus sedentibus accipiat dominus panem [ . . . ] (vgl. § 337). Z . 4 7 2 - 4 8 1 . Als Galiläer w i r d Jesus zu H e r o d e s g e b r a c h t : Z . 2 9 3 - 3 0 0 . Vielleicht f u n g i e r t d e r B ü h n e n o r t des H e r o d e s (erster Tag) a m z w e i t e n T a g als galylea (vgl. § 204-208, 314-347). Vgl. Z . 5 0 7 - 5 0 8 ( = § 3 7 2 ) . Vgl. Z . 505, 5 1 0 (vgl. § 3 6 9 , 373).

34

Β. Einleitung zur FD und zum F O f

F O f erfordert folgende Bühnenorte: einen Standort der Salbenkrämer 129 und das Grab Jesu. 130 Damit werden aber keine neuen Erkenntnisse gewonnen, sondern nur die Ergebnisse aus FD bestätigt. >Relativer< Bühnenplan Was die Anordnung all dieser ermittelten Bühnenorte zu einem G e samtbild anbelangt, so gibt es dafür theoretisch eine Fülle von logischen Kombinationen. Die bühnenpraktischen Anweisungen im lateinischen Regietext, genauer die Angaben zur Bewegungsregie, helfen dabei, sinnvolle Anordnungen der Bühnenorte zu rekonstruieren. Dabei ist es der komplexen Materie unangemessen, vorschnell einen fertigen Bühnenplan zu präsentieren. Versucht man nämlich, die genannten Angaben in die Form eines Bühnenplans zu bringen, ergeben sich unterschiedliche Möglichkeiten. Dies hat wohl damit zu tun, daß FD als Regiehandschrift f ü r viele unterschiedliche A u f f ü h rungen in Geltung bleiben sollte, wozu eine gewisse Offenheit bzw. Allgemeingültigkeit der Regieangaben beiträgt. Es geht mir also darum, zunächst zu zeigen, daß der Regietext in FD nur sehr oberflächliche und allgemeine, bisweilen auch mehrdeutige Anweisungen gibt, die es allenfalls erlauben, einen relativen Bühnenplan zu erstellen: Ein relativer Plan, der angibt, daß sich Spielort 1 vermutlich neben Spielort 2, und Spielort 3 wahrscheinlich gegenüber von Spielort 1 befindet, ist der Quelle FD angemessener als strikte absolute Aussagen, wie: Spielort 1 liegt im Osten, Spielort 2 ist ein Brunnen am Samstagsberg usw. Es geht also jetzt darum, eine Gleichung mit mehreren Unbekannten so zu lösen, daß sie dem Kommentarbenutzer keine Eindeutigkeit vorgaukelt und genug R a u m f ü r weitergehende D e u tungen läßt. Weil die Unterteilung in zwei Spieltage auch in der ältesten, nicht radierten Schicht von FD schriftlich fixiert ist,131 m u ß prinzipiell von zwei verschiedenen Bühnenplänen ausgegangen w e r den, einem für das vorösterliche Geschehen und einem für den Osterteil. Da im gesamten vorösterlichen Spielteil die Gruppe der persone immer wieder durch lateinische Gesänge zäsurierend und k o m m e n tierend wirkt, 132 aber nicht in das Spielgeschehen selbst eingreift und 129 130 131 132

Vgl. FOf Nr. 601,1-602,25. Vgl. FOf Nr. 603,1-604,25. Vgl. FD Z. 369-373 (= § 251). Ζ. Β. Z. 39, 51-52, 123-124 (vgl. § 31a, 37a, 91a).

V. B ü h n e

35

sich überhaupt nicht bewegt, ist für sie ein durchaus abseits gelegener Standort im Bühnenplan anzunehmen. Wichtig ist dabei weniger, daß diese Gruppe vom Publikum deutlich gesehen wird, vielmehr ist ihre akustische Vernehmbarkeit entscheidend. An exponierter Stelle, wohl entweder erhöht in der Mitte oder am Bühnenrand, auf jeden Fall vom Publikum leicht seh- und verstehbar mußte dagegen Augustinus positioniert werden, um seine Vermitttlungsfunktion gegenüber dem Publikum wahrzunehmen. 133 Ebenfalls als Vermitter muß er gleichzeitig zwischen Propheten und Juden stehen. Die Juden haben im ganzen vorösterlichen Teil von FD ihren festen Bühnenort, an dem sie mit Jesus disputieren,134 von dem sie ausziehen und an den sie zurückkehren, 135 wo sie ihre Versammlungen abhalten,136 wo Judas seinen Herrn verrät137 und wo schließlich auch das Verhör vor Annas und Kayphas stattfindet.138 Damit ist wahrscheinlich, daß die Juden auch schon am Spielbeginn, der Prophetenszene, ihren festen Platz hielten.139 So ergibt sich die Grundkonstellation: Propheten — Augustinus — Juden. Den Propheten gegenüber ist deshalb auf der Bühne für das ganze (vorösterliche) Spiel ein geschlossener jüdischer Block anzusetzen. Auch Jesus verfügt über einen festen Standort,140 von dem aus er verschiedene andere Bühnenorte aufsucht. Idealerweise ist dieser Ausgangspunkt möglichst zentral (jedoch nicht in der absoluten Mitte der Bühne, wo sich ein Faß befindet) gelegen, so daß Jesu Wege zu Freunden und Gegnern nicht zu unterschiedlich von ihrer Länge her ausfallen. Zugleich ist gute Einsehbarkeit durch das Publikum erforderlich. Daß Jesu fester Bühnenort näher am Himmel bei Gottvater als an der Hölle gelegen hätte, läßt sich aus FD weder bestätigen noch dementieren. Feststellen läßt sich dagegen, daß der Gesamtbühnen133 134 135 136 137 138

139

140

Vgl. z. B. Z . 5 - 6 (= § 1). Vgl. Z . 106ff. (vgl. § 7 7 - 8 5 ) . Vgl. Z . 1 5 7 - 1 5 8 : ludet [...] ad loca sua reuertantur (vgl. § 118). Z . 1 5 8 - 1 5 9 : vniuersi iudei concilium colligant aduersus ihesum (= § 119). Z . 2 2 2 - 2 2 7 (= § 154—156a). Vgl. Z . 242ff. (= § 168ff.). V o n eigenen B i i h n e n o r t e n , Häusern o d e r gar Palästen des Annas u n d Kayphas ist in F D nicht die R e d e . Das Agieren d e r beiden b e i m V e r h ö r Jesu erfolgt jeweils unvermittelt, o h n e daß ein Ortswechsel e r k e n n b a r wäre, so daß beide sich w o h l a m selben B ü h n e n o r t (und nicht in g e t r e n n t e n Spielhäusern) aufgehalten haben. V o n einer B e w e g u n g der J u d e n zu d e n P r o p h e t e n hin (oder u m g e k e h r t ) ist in F D nicht die R e d e . Vgl. z. B. Z . 27 (= § 23): Ihesus autem surgat a loco suo.

36

Β . E i n l e i t u n g zur F D u n d z u m F O f

räum nicht allzu kleinflächig gewesen sein kann, da Jesus fast i m m e r wie in einer Prozession, die er anführt, in B e w e g u n g ist: Er geht z u m Täufer, 1 4 1 in die Wüste, 1 4 2 steigt auf das Dach des Tempels in medio ludi,U} auf einen h o h e n Berg, 144 sucht Petrus u n d Andreas auf u n d n i m m t sie mit, 145 begibt sich mit den n e u A n g e w o r b e n e n zu Bart h o l o m e n , Matheus, T h o m a s u n d Judas, 146 beruft weitere Apostel 147 u n d beginnt danach, auf den B ü h n e n o r t der J u d e n zuzugehen; 1 4 8 dieser W e g in R i c h t u n g seiner Gegner wird, vermutlich vor deren Augen, i m wahrsten Sinne des Wortes, z u m Heilsweg u n d damit zugleich z u m T r i u m p h z u g : in media autem via heilt er einen Blinden, 149 er schreitet weiter u n d heilt einen Lahmen, 1 5 0 erneut geht er weiter u n d heilt einen Aussätzigen, 151 dann f ü h r t Jesu Prozessionsweg z u m Stummen. 1 5 2 Die B e d e u t u n g der Bewegungsregie zeigt sich aber nicht n u r im Heilungs- u n d Heilsweg Jesu, sondern auch in heilenden Gesten, nämlich der B e r ü h r u n g der Kranken durch Jesus, die zwar schon biblisch angelegt ist, aber in ihrer b ü h n e n w i r k s a m e n Massierung auffällig bleibt: tangat oculos ceci — tangat claudum — tangat leprosum — auribus dígitos inponat.nì Jesus bewegt sich n o c h weiter auf den B ü h n e n o r t der J u d e n zu u n d heilt zuletzt einen Gelähmten. 1 5 4 N o c h i m m e r k o m m t es aber zu keiner B e g e g n u n g Jesu mit den Juden; diese schikk e n n u r eine Delegation v o n ihrem B ü h n e n o r t z u m geheilten G e lähmten, die diesen verhört u n d sich dann an ihren B ü h n e n o r t zu141 142 143 144 145 146

147 148 149 130 151 152

153 154

Z . 2 7 - 2 8 (= § 23). Z . 40 (= § 32). Z . 4 3 - 4 4 (= § 34). Z . 4 7 - 4 8 (= § 36). Z . 52-55. Vgl. Z . 57 die Antiphon: Ambulans ihesus [...] (vgl. § 38-39). Z . 57—61: Saluator cum hijs duobus procedat et uidens Bartholomeum [...] dicat. Qui sequitur me. Ir herrín wer mir volget nach [...]. Die Verben der B e w e g u n g procedat, sequitur und volget nach stehen auf Rasur; an dieser Stelle könnte der Prozessionscharakter also Frucht einer späteren Überarbeitung sein (vgl. § 40—41). Z . 6 1 - 6 4 (= § 42-44). Z . 65 (= § 45): dirigat viam suam ad iudeos. Z . 6 5 - 7 0 (= § 45-48). Z . 7 0 - 7 3 : Ihesus procedat ulterius ubi sedeat claudus [...] (vgl. § 49-51). Z . 7 3 - 7 6 : Item ihesus ulterius procedat ubi leprosus sedeat [...] (vgl. § 52—53). Z . 76—79: Item ihesus ulterius procedat et inueniat mutum sedentem in uia [...] (vgl. §54). Vgl. Z . 69, 71, 75, 7 7 - 7 8 (vgl. § 48, 50, 53, 54). Z . 8 2 - 8 6 : Item ihesus appropinquans loco iudeorum inueniat infimtum [...] (vgl. § 60-63).

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V. Bühne

rückzieht, genauso wie Jesus. 155 Die Bewegungsregie verlangt für diesen Heilungsweg Jesu, der bis nahe an den Bühnenort der Juden führt, sicher eine größere, freie Fläche auf der Bühne, wobei diese so gelegen sein muß, daß die Juden die W u n d e r gut verfolgen können. Jesus tritt dann erst wieder nach der Hinrichtung des Täufers auf, nun aber in direkter Konfrontation mit den Juden, um sich schließlich erneut an seinen Bühnenort zurückzuziehen. 156 Jesu Predigttätigkeit wird von der Bewegungsregie charakteristischerweise wieder prozessionsartig gestaltet, indem Jesu Predigt auf zwei Stationen verteilt ist. 157 Auch die Heilung des Lazarus erfolgt freilich gemäß biblischer Vorlage — in einen Bewegungsablauf eingebunden; die Dialoge Jesu mit einem Boten oder Martha werden u n terwegs, auf dem W e g zum Grab des Lazarus geführt. 158 Jesu Einzug in Jerusalem ist als Triumphzug zum Bühnenort der Juden 1 5 9 dargestellt, als dieselbe prozessionsartige Bewegung zu den Juden wie bei Jesu Heilungswundern: Die Bewegungsregie läßt also Jesu Wunder und seinen triumphalen Empfang durch die Kinder der Juden in belehrender Absicht vor den Augen der alten Juden geschehen. Damit aber wird das (vordergründige) Ziel des Spieles, nämlich die Bekehrung der Juden weiterverfolgt: Was die R e d e n der Propheten nicht vermochten, das sollen nun Wunder und Kindermund bewirken — die Taufe der Juden (Szene 82.). W e n n nun aber durch die Bewegungsregie dem Bühnenort der Juden von der Spielintention her so gewaltige Bedeutung zukommt, dann muß dieser Bühnenort im Gesamtplan auch eine exponierte Position innegehabt haben, so daß er vom Publikum gut eingesehen werden konnte. D i e Spielfeldmitte, ausgezeichnet durch ein dolium quod positum sit in medio ludi, representans pinnaculum tempiι160 käme dafür auf den ersten Blick in Betracht. Wahrscheinlicher ist aber, da 153

Vgl. Z . 8 6 - 9 0 ; vgl. besonders Z . 8 8 - 9 0 : ludet reuertantur ad locum suum ihesus quoque

156

Vgl. Ζ . 1 0 6 - 1 1 6 : Hoc peracto surget ¡terum ihesus et ueniens ad iudeos [...]

recipiat se in loco donee ordo eum íterum tangat. (vgl. § 6 3 - 6 4 ) . recedat ihesus a iudeis et recipiat se in loco ubi moram faciei, 157

Hoc dicto

(vgl. § 7 7 - 8 5 a )

Vgl. Ζ . 1 1 8 - 1 2 0 : Hoc dicto ihesus ueniad predicando sic [...]

Hoc finito

ihesus ulterius

procedat ubi iterum predicabit sic [ . . . ] (= § 8 8 - 8 9 ) . 158

Vgl. Ζ . 1 3 3 - 1 5 8 : Hic lazarus egrotans appareat. ihesus dirigat viam suam. uersus martham.

Et mittatur nuncius ad ihesum

[...]

Que uidens dominum occurat ei [...] Hoc dicto

eant pariter ad sepulchrum lazari [...]. (vgl. § 1 0 0 - 1 1 8 ) . 159

Ζ . 1 6 9 - 1 8 0 . Vgl. besonders Ζ . 171: eat versus iudeos auf Rasur, ob schon in der ältesten Schicht, ist nicht mehr feststellbar (vgl. 1 2 7 a - 1 2 7 f ) .

160

Vgl. Z . 4 3 - 4 4 (= § 34).

38

Β. Einleitung zur F D und zum F O f

die Judenschar wohl relativ viel Platz benötigte und sie die Spielfeldmitte reichlich beansprucht hätte (vermutlich dabei auch das Faß verdeckt haben würde), daß der Standort der Juden am Rand des Spielfeldes, aber zentral, in der Mitte einer Seitenbegrenzung des Spielfeldes sich befunden hat; dann wäre — bei freiem Mittelfeld — auch genug Freiraum für Jesu prozessionsartige Bewegungen zum Bühnenort der Juden vorhanden. Somit ist der Bühnenort der Juden relativ klar im Bühnenplan positioniert: eher am Rand der Bühne, wohl mittig an einer Längsseite, mit großer, freier, gut einsehbarer161 Fläche davor; gegenüber, etwa an der anderen Längsseite des Spielfeldes ist der Ort der Propheten anzunehmen, zwischen beiden, dem Publikum gut sieht- und hörbar, dürfte Augustinus seinen Platz gehabt haben. Einen genaueren Bühnenplan gibt die karge Beschreibung in FD nicht her. Allenfalls läßt sich sagen, daß Johannes des Täufers Gefängnis Jesu Wunderheilungen im Blick haben mußte, andernfalls wäre die Anfrage des Täufers aus dem Gefängnis bei Jesus schlechter motiviert.162 Geht man ferner davon aus, daß aus bühnenpraktischen Gründen das Gefängnis des Täufers (nahe) an den Bühnenort des Herodes gebaut ist, in dessen Nähe sich auch der Bühnenort von Herodes' Frau und vielleicht auch das Grab des Täufers findet,163 dann kann — ausgehend vom Wunderwirken Jesu — der Bühnenkomplex des Herodes als am Weg der Heilungsprozession Jesu liegend bestimmt werden. Für weitere Zuordnungen von Bühnenorten auf einem Bühnenplan ergeben sich, abgesehen vom Dach des Tempels in der Spielfeldmitte, keine Hinweise mehr aus dem Text. Von der antijüdischen Tendenz des Spiels her kann allenfalls vermutet werden, daß die Position Gottvaters und des Himmels eher näher bei den Propheten als beim Bühnenort der Juden sich befunden haben wird. Reine Spekulation ist es deshalb, die folgenden Bühnenorte einer bestimmten Position auf einem Bühnenplan zuzuweisen: Die Taufe Jesu164 erfordert Wasser, wozu aber nicht gleich ein Bach oder Brun161

Nahe vor dem Bühnenort der Juden auch die Verleugnung des Petrus, da Jesus den Apostel Petrus beim Hahnenschrei anblickt (vgl. Z. 265-268 = § 186). 162 Vgl. Z. 79-82 (= § 55-59). Der Text steht auf Rasur, allerdings ist davon noch iohanne sagen zu erkennen, so daß die Anfrage des Taufen alter Bestand sein muß (vgl. den Apparat zu Z. 82). 163 Vgl. Z. 90-106 (= § 65-76b). 164 Z. 27-35 (= § 23-27a). - Der eigentliche Bühnenvorgang der Taufe kann durchaus schlicht mit sparsamsten Requisiten erfolgt sein: Iohannes aspergat aquam super personam ihesum (Z. 32—33 = § 27).

V. B ü h n e

39

nen benötigt wird, sondern w o h l auch ein Bottich seinen Dienst getan haben wird, w e n n gar ein Faß das D a c h des Tempels symbolisiert. D e r B ü h n e n o r t Satans — v o n einer Hölle ist am ersten Spieltag nicht die R e d e — kann nicht ausgemacht werden. 1 6 5 Unklar ist ebenfalls, w o die B e r u f u n g der einzelnen Apostelgruppen stattfindet. 166 D e r B ü h n e n o r t Maria Magdalenas, Marthas u n d des Lazarus 167 ist ebensowenig bestimmbar wie der des Regulus. 1 6 8 Jerusalem 169 — der N a m e wird hier nicht genannt — scheint n u r f ü r den E r w e r b des Esels wichtig gewesen zu sein; Jesu Einzug in Jerusalem (?) bzw. besser sein T r i u m p h z u g ist ja, w i e o b e n erläutert, auf den B ü h n e n o r t der J u d e n hin ausgerichtet; nicht auszuschließen ist, daß der Esel in der Stadtmitte Frankfurts selbst geholt wurde, w o d u r c h das Publikum vielleicht humorvoll einbezogen w o r d e n wäre. N i c h t bestimmbar aus den allgemeinen Angaben in F D bleibt ebenfalls, w o sich das Haus des Simon Phariseus 170 u n d der O r t des Abendmahlskomplexes 1 7 1 b e fanden; daß Simons Haus u n d jenes des Pater Familias identisch gewesen sein könnten, ist trotz der unmittelbaren Abfolge der beiden Festmähler f ü r ein mittelalterliches Publikum zumutbar. D e r als Garten gestaltete Olberg läßt sich nicht genauer positionieren. 1 7 2 O b der H a h n , der Petri Verleugnung anzeigt, überhaupt sichtbar war, oder ob n u r ein Krähen zu hören war, läßt sich nicht entscheiden. 1 7 3 D e r Galgen f ü r Judas, 174 der Palast des Pilatus 175 lassen sich nicht näher lokalisieren. Allenfalls der Spielort der Procia 176 dürfte nicht weit v o n letzterem entfernt gewesen sein. Zwischen d e m Palast des Pilatus u n d des Herodes m u ß t e i m m e r h i n genug Distanz sein, so daß diese Würdenträger sich auf d e m W e g zueinander in der Mitte zur Versöhnung treffen konnten. 1 7 7 D a FD nur lapidar bemerkt, Jesus w e r d e 165

V g l . Z . 50: sathanas

166

Z. 5 2 - 6 4 (= § 38-44). Z. 116-126, 133-158 (= § 8 6 - 9 3 , 100-118). Z. 126-133 (= § 94-99). Z. 166-169; castellum und stede wert dabei auf Rasur; die Ortsangabe kann daher auch erst einer jüngeren Spielschicht angehören (vgl. § 125-127). Z. 180-183, 193-194 (vgl. § 128-130, 137). Z. 194-218 (= § 138-152). Z. 218-222, 2 2 7 - 2 3 0 (vgl. § 153-154, 157-158). Z. 265 (= § 186). Z. 2 7 5 - 2 7 6 (= § 190). Z. 276ff. (vgl. 190ff.). Z. 3 0 9 - 3 1 2 (= § 215-217). Z. 3 0 0 - 3 0 4 (= § 208-209).

167 168 169

170 171 172 173 174 175 176 177

confusus

recedat (vgl. § 37a).

40

Β. Einleitung zur F D u n d z u m F O f

z u m Kreuzigen geführt, erlaubt F D textimmanent keine nähere L o kalisierung v o n Golgatha. 178 D a ß Jesu Grab in einem Friedhof bei den Gräbern des Täufers u n d des Lazarus lag, ist eine plausible Verm u t u n g , die aber durch F D nicht gedeckt ist.179 Ahnlich ernüchternd ist der Versuch, einen Bühnenplan f ü r den zweiten Spieltag zu rekonstruieren. D e r T e x t v o n F D gibt n u r allgemeine Hinweise, die sich theoretisch auf viele mögliche B ü h n e n pläne übertragen lassen; diese n e h m e n n u r dann konkretere Gestalt an, w e n n spielexterne Kriterien, wie ζ. B. spezifische A u f f ü h r u n g s orte in Frankfurt, in den Blick g e n o m m e n werden. D e r T e x t gibt auch keinen Hinweis darauf, ob eine A u f f ü h r u n g i m Kircheninneren oder im Freien intendiert ist. D i e G r u p p e der persone, die n u r chorisch-akustisch in Erscheinung tritt, bedarf auch in diesem Spieltext keines exponierten B ü h n e n o r tes, sie m u ß f ü r das P u b l i k u m n u r gut hörbar sein. 180 W i e zu erwarten, lassen sich an H a n d der ablesbaren Bewegungsregie n u r relative Standorte auf d e m Bühnenplan ermitteln. Jesu Itinerar v o n der Hölle über das Paradies z u m Grab sowie die M i t n a h m e der Seelen v o m Paradies z u m O r t der H i m m e l f a h r t (mit Gottvater auf d e m T h r o n ) läßt am ehesten an eine Bühnenachse Hölle — Grab — Paradies — H i m m e l denken, w o b e i das Grab sich nicht weit v o n der Hölle entfernt b e f u n d e n haben wird. 181 Zwischen d e m Standort der drei M a rien sowie der Apostel u n d d e m Grab Jesu m u ß sich w o h l j e n e r der Salbenkrämer 182 b e f u n d e n haben, w e n n m a n davon ausgeht, daß der W e g der Marien z u m Grab o h n e größere U m w e g e zurückgelegt w u r d e . Eine weitere denkbare Bühnenachse bei der A n o r d n u n g der loca besteht aus d e m B ü h n e n o r t der Apostel u n d Marien, aus galylea u n d d e m Paradies (und i m Anschluß d e m O r t der Himmelfahrt). 1 8 3 178 179 180 181

182 183

Vgl. Z. 319: Interim ducatur ihesus ad crucißgendum (vgl. § 223). Vgl. zur Grablegung Jesu Z. 359-362 (= § 246a). Vgl. ζ. Β. Z. 449-450 (= § 317). Vgl. Z. 381-386: lanua quoque inferni ad terciam puhacionem apperiatur ei. et videntes anime [...] Dominica autem persona précédât animas ad paradysum et cantantes sequentur eum ubi relinquet crucem et animas recedens quoque reuertetur ad sepulchrum. Vgl. auch Ζ. 484-486: dominica persona précédât discípulos et ueniens ad paradysum. accepto uexillo sumat animas et dirigat uiam uersus locum ubi uelit ascendere (vgl. § 255-255a, 351). Z. 403ff. (= § 272ff.). Vgl. Ζ. 471-486: apostoli gauisi cantabunt [...] Et pariter ibunt in galyleam [...] Discipulis igitur omnibus simul commanentibus dominus appereat [...] thomas palpet ad latus domini [...] dominica persona précédât discípulos et ueniens ad paradysum [...] dirigat uiam uersus locum ubi uelit ascendere [...] (vgl. § 340-351).

V. Bühne

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Keine Hilfestellung bei der Anordnung der Bühnenorte gibt FD für den Standort des Pilatus und der Juden 184 sowie für den O r t des Mahls der Emmausjünger. 185 Der Streit zwischen Ecclesia und Synagoga am Ende des Spiels läßt, obwohl es keine Hinweise dafür im Text gibt, am ehesten an folgende Konstellation denken: Augustinus in der Mitte fungiert als Vermittler der sich gegenüberstehenden Parteien, gleichzeitig aber dem Publikum zugewandt, schließt er das Spiel ab;186 er hat insofern auch eine Vermittlungsposition zwischen Publikum und Spiel. Als eine von mehreren Möglichkeiten wäre in diesem Fall an eine kreuzförmige Konstellation zu denken mit Synagoga — Augustinus — Ecclesia als Querachse und Augustinus — P u blikum als Längsachse.

Rekonstruktion eines >absoluten< Bühnenplans Nachdem klar geworden ist, daß FD keinen detaillierten Bühnenplan liefert, sondern recht allgemein gehalten ist (zum einen wohl, weil die Benutzer von FD als Spielleiter die Frankfurter Verhältnisse sowieso genau kannten, zum anderen, weil die Pergamentrolle m ö g lichst lange in Geltung bleiben sollte, d. h. für Aufführungen auch an wechselnden O r t e n in der Stadt geeignet bleiben sollte), kann nun eine Konkretisierung aufgrund der Frankfurter topographischen G e gebenheiten versucht werden. Dabei soll zunächst P E T E R S E N S Vorschlag f ü r einen Bühnenplan nach FD knapp gewürdigt werden (Spielort: Samstagsberg). O b w o h l P E T E R S E N S Ausgangspunkt, nämlich die Spätdatierung von FD, abzulehnen ist und in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts Aufführungen am D o m sehr wohl möglich waren, erweist sich für potentielle Aufführungen nach FD in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts eine Bühne am Samstagsberg als eine ansprechende Lösung, da die Umgegend des Domes seit 1349 für längere Zeit für die A u f f ü h r u n g eines Spiels nicht mehr geeignet war. P E T E R S E N S Bühnenrekonstruktion für eine zweitägige A u f f ü h r u n g am Samstagsberg f u ß t auf einläßlicher Textlektüre, auf Einbeziehung topographischer Gegebenheiten (u. a. Wassergraben und Brunnen) des Samstagsbergs, auf räumlichem Symboldenken (Hölle im Westen, 184

Z. 391-395 (= § 258-259a). Vgl. Z. 466-469 (= § 337-338). 186 Vgl. Z. 510-511 (= § 374-375). 185

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Β. Einleitung zur F D u n d z u m F O f

Himmel im Osten) und auf der Kenntnis anderer, mittelalterlicher (jedoch im Vergleich zu FD erheblich jüngerer) Bühnenpläne. 187 PETERSENS Ergebnis ist - abgesehen von der (falschen) Spätdatierung von FD — in sich stimmig und kaum widerlegbar, was die Anordnung der loca auf dem Samstagsberg und die rekonstruierte Bewegungsregie anbelangt; FD wird mit diesem Modell spielbar. 188 Mein alternativer Bühnenplan geht von einem Aufführungsort am D o m aus. Daß die Gegend u m den D o m herum f ü r Aufführungen in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts geeignet ist, wurde schon dargelegt. Für die A u f f ü h r u n g eines zweitägigen Passions- und Osterspiels nach FD schlage ich im folgenden die Südseite des Domes als Aufführungsort für die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts (vielleicht schon Ende 13. Jahrhundert) vor. Diese Festlegung determiniert natürlich das Aussehen des Bühnenplans, genauso wie das Hineinnehm e n christlicher Symbolik, pastoraler und sakramentaler Überlegungen, das Wissen um das Aussehen anderer Bühnenpläne, auch den PETERSENS. D e r folgende Bühnenplan versteht sich deshalb nicht als alleingültige Lösung, sondern will nur aus FD heraus eine in sich stimmige Möglichkeit beschreiben. Eine graphische Darstellung 189 soll die folgenden Ausführungen veranschaulichen. Auf einer Fläche von 30 m X 10-15 m wäre eine A u f f ü h r u n g nach diesem Modell gut durchführbar. Da wir nicht wissen, wie der Platz an der Südseite des Domes in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts genau aussah und Abbildungen davon erst seit dem 16. Jahrhundert existieren, läßt sich auch nicht definitiv beantworten, wie viel R a u m außerhalb der Bühne noch für das Publikum vorhanden war, aus welchen Häusern und Gebäuden es u m den Platz herum das G e schehen verfolgen konnte etc. Auch an die Errichtung von höheren Zuschauertribünen läßt sich denken. Sicher ist nur, daß der D o m selbst vor 1350 nicht so viel Platz einnahm wie heute, da der ge187

Vgl. PETERSEN: A u f f ü h r u n g e n u n d B ü h n e n p l a n , S. 1 0 3 - 1 1 6 (ausführliche Erläuterung der Planskizze u n d der Bewegungsregie) u n d S. 122, Abb. 1 (Planskizze; vgl. auch den Abbildungsteil in m e i n e m K o m m e n t a r , Abb. 9).

188

Geringfügige Modifizierungsvorschläge f ü r die A n o r d n u n g der loca, was die bessere A u s n u t z u n g des R a u m e s auf d e m Samstagsberg anbelangt, bei MICHAEL: F r ü h f o r m e n , S. 33 (Abb.) u n d S. 3 4 - 3 5 . - MICHAELS Hinweis, daß der f ü r Alsfeld erhaltene (im G r u n d e sehr detailarme) B ü h n e n p l a n - das einzige mittelalterliche (freilich f ü r F D sehr j u n g e ) M o d e l l aus der Hessischen Spielgruppe - in seiner groben A n o r d n u n g der PETERSENschen R e k o n s t r u k t i o n zu F D entspreche (ebda. S. 3 5 - 3 6 ) , f ü h r t m . E. letztlich n u r zu zirkulären B e g r ü n d u n g e n . Vgl. m e i n e n Abbildungsteil, Abb. 10.

189

V. B ü h n e

43

waltige Domturm (an dessen Stelle das alte Rathaus 190 ) und die riesig dimensionierten Querhäuser noch gar nicht existierten, das wuchtige Südquerschiff also noch gar nicht in den Platz hineinragte. O b Verkaufsbuden um den D o m herum entfernt werden mußten, kann ebenfalls nicht mehr geklärt werden, genauso wie die Frage, ob Geländeunebenheiten, ζ. B . ein Abfall nach Süden, zum Main hin, durch einen erhöhten Bühnenboden aus Holz auf einer Art Gerüst ausgeglichen werden mußten. Theoretisch ist auch eine Art Prozessionsspiel um den D o m herum nach FD nicht völlig auszuschließen: Ζ. B. wären die Gräber von Johannes, Lazarus und Jesus, auf dem Friedhof an der Nordseite vorstellbar: Der gesamte Nordbereich der D o m u m gebung war im Mittelalter der chrisdiche Friedhof der Stadt.

191

Christi Verhör vor

Annas und Kayphas an der Frankfurter Synagoge, sein Prozeß vor Pilatus an der R o t e n Türe, die Auferstehung außen am Chor des Domes (Ostseite und Nähe des Friedhofs) wären weitere Stationen eines solchen Prozessionsspiels, aber wirklich fundierte Aussagen über die Durchführbarkeit eines solchen Spiels sind nicht möglich. Das stärkste Argument für einen geordneten, geschlossenen Bühnenplan im Gegensatz zu einem in die Länge gezogenen Prozessionsweg ist die unscheinbare Notiz: dolium quod positum sit in medio ludi,192

Faßt man dies wirklich als Erwähnung einer

Bühnenmitte auf, dann steht einem geordneten Bühnenplan mit festen loca, der das Publikum nicht zum Mitziehen zwingt, nichts im Wege.

Die loca selbst können innerhalb des Bühnenplanes selbstverständlich nur in ihrer ungefähren Position und in ihrer relativen Beziehung zueinander markiert werden. Aussagen über Breite, Tiefe und Höhe der loca lassen sich nicht machen. Entsprechend unterschiedlich werden — vor allem auf den beiden Längsseiten des ca. 30 m X 10—15 m großen Bühnenplatzes — auch die Freiflächen zwischen den loca ausgefallen sein. Eine maßstabsgetreue Wiedergabe des Bühnenplanes ist grundsätzlich unmöglich; die Abbildung versteht sich daher ausschließlich als eine Orientierungsskizze für meine nachfolgenden Ausführungen. Der gesamte Bühnenplan ist in meinem Vorschlag parallel zur Längsachse des Domes von West (Hölle) nach Ost (Himmel) ausgerichtet. Südlich des Plans ist das Judenviertel mit Synagoge und anderen Gebäuden anzusetzen. Der große, höhergelegene D o m im 190

K r a c a u e r (Aus der inneren Geschichte der Juden Frankfurts im X I V . Jahrhundert, S. 1*) legt auf seinem Ubersichtsplan die Position des Rathauses so weit nordwestlich fest, daß es, auch ohne Domturm und Querschiffe, als Zuschauerloge für eine Bühne am Weckmarkt kaum in Frage kommt.

191

Vgl. K l o f t : K a i s e r d o m , S. 9.

192

FD Z. 4 3 - 4 4 (= § 34).

44

Β. Einleitung zur FD und zum FOf

Norden und das bedeutende Judenviertel im Süden nahmen also die Bühne in ihre Mitte. Damit ist aber schon ein entscheidendes Charakteristikum von FD genannt: die Darstellung des Gegensatzes zwischen Christen und Juden, nicht nur im Spieltext selbst, beispielsweise in den Disputationen Propheten - Juden und Ecclesia - Synagoga (Szenen 2. und 81. bzw. 83.), sondern auch mit der spezifischen Situierung der Bühne in der Stadt und in der Positionierung der einzelnen loca. So steht im Süden der Bühne ein jüdischer Block einem christlichen (bzw. heidnisch-christenfreundlichen) Block im Norden gegenüber: Die Position der Synagoga liegt genau gegenüber der Ecclesia. Herodes und seine Frau lassen sich dem Pilatus und der Procia gegenüber, der Pharisäer Simon dem Haus der Magdalena, der Martha und des Lazarus entgegengesetzt denken. Wie höher gelegener D o m und tiefer gelegenes Judenviertel in Frankfurt also in geographischer Sonderung (Nord — Süd) und in sozialer Bewertung (höherwertig — verachtet) die triumphierende Kirche gegenüber dem in mittelalterlich-christlicher Sicht verachteten Judentum städtebaulich symbolisieren, so gibt die Aufteilung Nord — Süd, Christen — Juden auf dem Spielplan eben diese städtebauliche Hierarchie wieder. Auch der West-Ost-Achse des Spielplans wohnt in meinem Vorschlag solche Symbolik inne: Sie läuft genau parallel zum Dom, und somit entspricht der Bühnenort Himmel im Osten nicht nur der aufgehenden Sonne, sondern auch dem Altarraum des Domes. Mit dieser West-Ost-Achse entsteht also in der Bühne eine Art ParallelDom. Entsprechend ist im Osten der göttliche Bereich mit Gottvater im Himmel, Engeln, zur Rechten Jesus, zur Linken das Paradies zu positionieren. Im Westen des Bühnenplans alles Todbehaftete, Sündhafte: Hölle, Gräber, der Galgen des Judas, die Stätte der Kreuzigung, Wüste und Berg als Orte der Versuchung, die etwas zwielichtigen Salbenkrämer, die Stadt Jerusalem, beides Symbole des Mammons und der Versuchung, die auf dem Berg von Satan dem Gottessohn gezeigt werden. Genau gegenüber vom Standort Jerusalem/Salbenkrämer hat der Galgen des Judas, dessen Leben ebenfalls dem Mammon geweiht war, einen angemessenen Platz. Den Bühnenort der Maria Magdalena sehe ich ebenfalls in der Westhälfte, die als Welthälfte zu verstehen ist: Dort wird diese Dienerin der Welt von Jesus an seinem ersten Predigtort, der mit dem Berg der Versuchung identisch ist, aus ihrer Weltverhaftung herausgerissen, und sie folgt ihm nach dieser ersten Bergpredigt nach Osten zum Ort der zweiten Pre-

V. Bühne

45

digt. Daß diese (im Osten) am Bühnenort des Augustinus bzw. des Täufers gehalten wird, ist schon deshalb einleuchtend, weil der Osten für Umkehr und für den Ort steht, an dem das Wasser des Lebens quillt, der Westen hingegen für den Tod mit Wüste, Kreuzestod und Gräberfeld. Überhaupt messe ich dem Sakramentalen große Bedeutung zu: Die Bühnenorte für Taufe und Eucharistie befinden sich dazu bei mir in der Osthälfte der Bühne. Die Taufen (Jesu und der Juden) finden zu Füßen Gottvaters an exponiertem Bühnenort statt. Dreimal wird am zentralen Tisch auf der Bühne ein eucharistisches Mahl Jesu gefeiert: das eigentliche Abendmahl, das Mahl Jesu mit den Peregrini oder Emmausjüngern und das Mahl Jesu in Galiläa vor seiner Himmelfahrt; jedesmal segnet Jesus das Brot (benedicat) und reicht es seinen Jüngern. 193 Die dargestellte Zusammenschau der Eucharistie mit dem Passions- und Ostergeschehen ist dabei nicht willkürlich, sondern koinzidiert mit der kirchenrechtlichen Verpflichtung der Osterkommunion in der Pfarrkirche: So war der jährliche Kommunionempfang zum Ostertermin in der Bartholomäuskirche bei den Gläubigen Usus.194 Mit der Vorgabe, daß Osten und Westen, Norden und Süden auf dem Bühnenplan symbolische Bedeutung haben, daß die Anordnung der einzelnen loca sakramental oder pastoraltheologisch zu deuten ist, und daß einige loca je gegenüberliegende, symbolisch entsprechende Geschwister haben, soll nun gezeigt werden, wie mit diesem Bühnenplan eine zweitägige Aufführung von FD funktionieren kann. FD und ihrer Bewegungsregie folgend, wird jeder Tag gesondert betrachtet. Dabei scheint es mir eine vernünftige Lösung, einmal errichtete Bühnenstände doppelt (für zwei Tage) zu verwenden. Soteriologisch sind dann vor- und nachösterliches Geschehen anschaulich miteinander verbunden: ohne Passion keine Auferstehung und damit keine Erlösung. O b im Osterspiel nicht mehr genutzte loca — wie der Standort des Simon Phariseus oder des Regulus — nach Beendigung des ersten Spieltages abgerissen wurden oder ob deren >Bewohner< nach 193 194

Vgl. Z. 200-201, 467, 479-480 (vgl. § 143, 337, 347). Beispielsweise ist für 1450 im Zuge der Argumentation des Rats zur Teilung der Monopol-Pfarrei St. Bartholomäi vom Problem »des Andranges der Kommunizierenden an Ostern« die Rede; vgl. N A T A L E : Das Verhältnis des Klerus zur Stadtgemeinde, S. 60. - Von hauptsächlichem Kommunionempfang an Ostern in der Pfarrkirche kann sicher auch für das 14. Jahrhundert ausgegangen werden.

Β. Einleitung zur FD und zum F O f

46

Einzug der Spieler in feierlicher Prozession an ihren loca als s t u m m e Z e u g e n des Ostergeschehens fungierten, ist nicht entscheidbar. Auf j e d e n Fall w ü r d e ein i m G r u n d e identischer Bühnenplan f ü r zwei Spieltage den entscheidenden Z u s a m m e n h a n g v o n Passion u n d O s tern veranschaulichen.

Erster Spieltag W o h e r die Spielerprozession (nur persone?) am Beginn des ersten T a ges k o m m t , wird aus F D nicht klar. D e n k b a r ist, daß die Spieler v o m D o m aus feierlich auf der B ü h n e einziehen. D e n k b a r ist auch, daß sie zuerst die Stadt durchzogen u n d dann ihren B ü h n e n o r t aufsuchten. Als Eingang einer solchen Spielerprozession ist die Nordwestecke des Bühnenplans anzunehmen: mit gleichzeitiger N ä h e zu D o m (nördlich) u n d Samstagsberg (westlich) als möglichem Sammelpunkt (Marktplatz). 195 A n dieser Nordwestecke liegen in m e i n e m Modell auch die B ü h n e n o r t e Salbenkrämer/Jerusalem, w o b e i mit w e n i g e n Schritten R i c h t u n g W e s t e n sich die Spieler im N e t z der Straßen u n d Gassen mit d e m großen Marktplatz, d e m Samstagsberg, befanden: B ü h n e n k r ä m e r bzw. - m a r k t u n d städtischer Markt waren sich also nahe. A u c h der Berg der Versuchung, an d e m der T e u f e l die R e i c h t ü m e r der W e l t Jesus zeigt, erhält symbolische B e d e u t u n g mit einem Fingerzeig des Teufels nach W e s t e n R i c h t u n g Samstagsberg, einem O r t , an d e m durch Handel R e i c h t u m erworben wird. Vielleicht suchen auch die Salbenkrämer des zweiten Spieltages ihren B ü h n e n o r t erst unmittelbar vor ihrem Auftritt v o n der Stadt k o m m e n d auf. Hält m a n an diesem nordwestlichen Bühneneingang fest, dann hätte die G r u p p e der persone v o n West nach Ost die ganze Länge der B ü h n e zu durchmessen. Dabei wird sie sich am ehesten in der nördlichen H ä l f te der Längsseite, der christlichen Seite, bewegt haben, vorbei an Ecclesia, Gottvater i m H i m m e l R e v e r e n z erweisend, u n d b e i m B ü h nenort Olberg/Paradies, am ehesten vermutlich in der südöstlichen Ecke, gut hörbar, vielleicht weniger sichtbar, Aufstellung n e h m e n d . Z u r Linken Gottvaters w ü r d e n dann j e n e das Gesamtgeschehen k o m m e n t i e r e n d e n liturgischen Gesänge auch v o n quasi göttlicher 195

An der Nordwestecke des freien Platzes an der Südflanke des Domes führten in der Tat mehrere Gassen und Straßen Richtung Westen (Richtung Samstagsberg); vgl. die Abb. bei LÜBBECKE: Antlitz der Stadt, S. 9 9 - 1 0 1 .

V. B ü h n e

47

Position aus erklingen. 196 Vermutlich spielten einige in der Gruppe der persone auch selbst Instrumente, wodurch dann am Bühnenort im Südosten Chor und Orchester nahe bei Gottvater im wahrsten Sinne des Wortes himmlische Musik machen würden. 197 Der Bühnenplan zeigt weiter Augustinus in vermittelnder und mittiger Position zwischen Propheten und Juden, 198 zugleich aber befindet er sich nicht nur auf der Ostseite, sondern zu Füßen des Himmels nächstliegend dem göttlichen Heil und der göttlichen Inspiration (Kirchenlehrer). Praktischerweise wird er erhöht, auf einem Faß, einer Kanzel o. ä. stehen, damit er (deutlich sichtbar) zu den Kontrahenten und zum Publikum reden kann. Gleichzeitig soll dieser Bühnenort auch einen Predigtort Jesu vorstellen, so daß eine kanzelähnliche Ausstattung vorteilhaft gewesen wäre. Der feste Bühnenort Jesu, von dem aus er z. B. zu Johannes dem Täufer aufbricht 199 und zu dem er immer wieder zurückkehrt, ist zur Rechten Gottvaters und neben Propheten und Ecclesia trinitarisch und ekklesiologisch korrekt verortet. Der Standort des Täufers am Bühnenort des Augustinus wird durch einen gemeinsamen Taufort sakramental motiviert: Genauso wie die drei eucharistischen Mähler in FD an einem Ort vereint sind, so soll auch die Taufe für das Publikum einprägsam an einem Taufort doppelt vollzogen werden: die Taufe Jesu durch Johannes zu Beginn und die Judentaufe durch Augustinus am Ende des Spiels. Dadurch ist nur ein einziges und auch einfaches Wasserbehältnis für das Taufwasser nötig: Der Taufvorgang selbst wird in schlichter Weise vollzogen, indem Johannes Wasser über Jesus gießt, bzw. diesen bespritzt oder besprengt. 200 Die Worte Gottvaters 201 machen bei einem dem Himmel so nahen Taufort mehr Sinn, als wenn die Taufe wie bei PETERSEN am anderen Bühnenende stattgefunden hätte, da Gottvater nun direkt von oben herab Jesus ansprechen und zudem sein Be196

Dies setzt natürlich voraus, daß der N a c h t r a g (in Notula) persone cantabunt in monte nicht n u r f ü r die Olbergszene Gültigkeit hat; vgl. Z . 2 1 8 - 2 2 0 (= § 153).

197

Vgl. Z . 2—3: persone ad loca sua cum instrumentas musicalibus et clangore tubarum sollempniter deducantur. Vermutlich sitzen am gleichen O r t die pueri, d e n n ihr autoritatives Silete Silete (Z. 4) wirkt nahe bei Gottvater gesungen a m besten. Z u d e m passen sie v o n ihrer F u n k t i o n als Sängerknaben her gut zur G r u p p e der persone (vgl. § la). Vgl. Z . 4 - 2 6 (= § 1 - 2 2 ) . Z . 2 7 - 2 8 (= § 23). Z. 32—33: Iohannes aspergat aquam super personam auf Rasur, ab Maiestas (Z. 33) steht die Johannesszene nicht m e h r auf R a s u r u n d ist somit alter Bestand (vgl. § 27). Z . 3 3 - 3 4 (= § 27).

198 199 200

201

48

Β. Einleitung zur FD und zum FOf

kenntnis zu seinem Sohn den Juden zur Linken zugewandt (als Bekehrungsangebot), demonstrieren kann. Der sich daran anschließende gesangliche Kommentar durch die persone102 macht von deren B ü h nenort am oder im Olberg, auf alle Fälle zur Linken Gottvaters, Sinn. V o m Taufort als O r t des Heils zu Füßen Gottvaters führt der W e g des Johannes Baptista zu Herodes nach Südwesten, also gleichzeitig weg v o m göttlichen Heil (westwärts) und auf die Juden zu (südwärts) orientiert. 203 Der Bühnenort des Herodes ist dreigeteilt, einem geräumigen Mittelteil, der dem Festmahl des Herodes glaubwürdig R a u m leihen muß, 204 sind an den Seiten der Bühnenort seiner Frau (entsprechend gegenüber der Palast des Pilatus und das Gemach der Procia), die ja von seiner Tochter gesondert aufgesucht wird, und das Gefängnis des Täufers angebaut. Dieses m u ß dem Bühnenort der Juden zugewandt sein, damit Juden und Täufer gleichermaßen Z e u gen von Jesu Heilungswundern werden können. 205 Jesu Versuchungen ereignen sich v. a. in der Westhälfte der Bühne - die v o m Tempeldach genau in der Mitte des Spielplans abgeteilt wird — und damit im Bereich der Sünde und des Todes. Die Wüste, jener wasserlose Ort, liegt achsensymmetrisch (bei einer N o r d - S ü d Achse) parallel zum Taufort mit dem Wasser des Lebens. Daß in der Wüste die Kreuze aufgerichtet werden, kennzeichnet sie als O r t des Todes, in dessen Nähe sich die Gräber und der Galgen des Judas befinden. Da Jesus nach der Taufe durch Johannes an seinen Ausgangsort zur R e c h t e n Gottvaters zurückgekehrt sein wird, während gleichzeitig der Täufer zu Herodes schritt, hätten die angeli, die sich rechts und links zu Füßen Gottvaters aufhalten, keinen weiten W e g zurücklegen müssen. Jesu W e g in die Wüste — geleitet von einem Engel — durchmißt nahezu die gesamte Längsseite, wobei er sich von Nordosten ausgehend allmählich südwestlich, also in Z o n e n des U n heils, bewegt. Satan hat keinen weiten W e g in die Wüste zurückzulegen. Die Hölle am Westrand des Spielfeldes ist in dieser heilsgeschichtlicher Geographie der O r t des Bösen schlechthin. Das Tempeldach, auf das der Teufel Jesus führt, m u ß auch als Faß hoch genug sein, damit ein Sturz herab zumindest ein wenig gefährlich aussieht. Auf meinem Bühnenplan befindet sich der Tempel zwischen Herodes und Pilatus, er ist somit sicher nicht als Heilsort 202

Z. 34-35 (= § 27a). Z. 35 (= § 28). 204 Z. 90ff. (= § 65ff.). 205 Z. 65ff. (= § 45ff.). 203

V. B ü h n e

49

gekennzeichnet. Der wahre Heilsort ist für die Christen nicht mehr der alte Tempel der Juden, die wahren Heilszeichen sind vielmehr die Sakramente Eucharistie und Taufe, die wie der Tempel (des alten Bundes) mit dem T h r o n Gottvaters zwar auf einer Achse liegen, diesem T h r o n aber näher stehen und damit heilsbedeutsamer sind. Der Berg der Versuchung, wiederum ein Faß, liegt ganz im Westteil. V o n dort ist ein Blick auf den Bühnenort der Salbenkrämer bzw. Jerusalem möglich, aber auch über die Nordwestecke der Bühne hinaus auf die Frankfurter Gassen und Straßen, die zum Samstagsberg als Handelsplatz führen, mithin alles Orte, die mit j e n e m Gold und j e nen Schätzen, mit shatz und hört, zu tun haben, die Satan anpreist. Für seinen R ü c k z u g von Jesus in die Hölle hat der Teufel keinen weiten W e g zurückzulegen. Die Engel, die Jesus nach der letzten Versuchung dienen, durchmessen von der R e c h t e n Gottvaters an der nördlichen, christlichen Längsseite vorbei an den Propheten, einen geraden Weg, bis sie zu Jesus an den Berg gelangen. Offenbar ziehen sich die Engel während des Gesangs der persone wieder zurück, denn daß Jesus sich fortbewegt hätte, wird nicht gesagt. Vielmehr sieht er nun von seinem erhabenen Standort auf dem Berg aus (der auch als Predigtkanzel fungiert) Petrus und Andreas; 206 das ist derselbe Ort, von dem aus später Maria Magdalena bekehrt wird. Die Predigt als typisch städtische (Massen-) Gattung (Bettelorden) wird hier als Bekehrungs- (Magdalena) und Berufungsinstrument (Petrus und Andreas) erkennbar. Der Standort der beiden Apostel ist dann zu Füßen des Berges anzunehmen. Da Jesus mit den Aposteln seine Kirche grundlegt, wird auf dem Berufungsweg auch nach Osten, Richtung Ecclesia, vorangeschritten. 207 Da nach Abschluß der Apostelberufungen nicht gesagt wird, wohin sich die Apostel begeben, bleiben zwei Möglichkeiten: Sie können sich an den Bühnenort von Propheten und Ecclesia zurückziehen, an dem sie im Osterspielteil auch der Auferstehung harren; wahrscheinlicher ist aber im Blick auf die biblischen Berichte, daß sie Jesus auf seinem weiteren Z u g folgen, der nun zum Heil(ung)sweg wird: Jesus begibt sich von der Nordostseite, aus der Nähe der Propheten und der Ecclesia, nun nach Süden zum Bühnenort der Juden. Die W u n d e r auf dem W e g zu den Juden sollen diese überzeugen, 206

Z . 52ff. (= § 38ff.).

207

Vgl. die V e r b e n der B e w e g u n g i m deutschen u n d lateinischen T e x t Z . 5 4 - 5 9 (= § 3 8 - 4 0 ) : venite, folgit, folgin, Ambulans, procedat, sequitur, volget nach.

50

Β. Einleitung zur F D und z u m F O f

n a c h d e m die Propheten v o m gegenüberliegenden B ü h n e n o r t aus gescheitert waren. Auf alttestamentliche W o r t e , auf Prophezeiungen aus der jüdischen Bibel, folgen n u n Taten; vor den Augen der J u d e n heilt Jesus durch auffällige Gesten der Berührung; nachdem die J u d e n nicht auf ihre Propheten h ö r e n wollten, sollen sie n u n Jesu Heilshandeln sehen. 208 Jesu W e g zu den J u d e n m u ß dabei auch den T ä u f e r i m Gefängnis berücksichtigen, vor dessen Zelle (bei gleichzeitiger N ä h e zu den Juden) der S t u m m e geheilt wird. N a c h d e m der Täufer v o m G e f ä n g nis aus — wie die J u d e n v o n ihrem B ü h n e n o r t auch — Jesu W u n d e r nacheinander verfolgen konnte, schickt er Boten, u m i m Angesicht der W u n d e r seinen Glauben an den Gottessohn durch Jesu W o r t kräftigen zu lassen. 209 N a c h dieser Episode bewegt sich Jesus n o c h weiter auf die J u d e n zu u n d heilt einen Gelähmten. 2 1 0 W ä h r e n d der T ä u f e r auf Jesu W u n der mit der Botensendung positiv antwortet, reagieren die J u d e n , die ja die gleichen W u n d e r sehen wie Johannes, verstockt, i n d e m sie den geheilten Gelähmten verspotten. 2 n Das Programm, durch (Wunder-) Taten zu überzeugen, fand n u r in Johannes eine vorbildliche R e z e p tion; die J u d e n verweigern sich d e m W u n d e r b e w e i s , w i e sie sich schon den Propheten verweigert hatten. Z u einer direkten Begegn u n g zwischen Jesus u n d den J u d e n k o m m t es j e d o c h n o c h nicht; J u d e n wie Jesus (wohl zusammen mit den Aposteln) ziehen sich j e weils an ihre B ü h n e n o r t e zurück. 212 O b das Gastmahl des Herodes, 2 1 3 das w e g e n des Tanzes der puella einigen Platz beanspruchte, wenigstens teilweise vor d e m B ü h n e n haus stattfand, läßt sich nicht beantworten. Sicher ist, daß die regina, die v o n ihrer T o c h t e r nach deren Tanz aufgesucht wird, mit einigen 208

Vgl. Z . 6 5 f f . (= § 45ff.): Hoc dicto ihesus dirigat viam suam ad iudeos in media autem uia sedens cecus clamabit ad ihesum dicens [...] Ihesus tangat oculos ceci [...] Ihesus procedat ulterius ubi sedeat claudus [...] Ihesus tangat claudum [...] Item ihesus ulterius procedat ubi leprosus sedeat [...]

ihesus tangat leprosum [...]

Item ihesus ulterius procedat et inueniat

mutum sedentem in uia. Cuius auribus digitos inponat 209

[...].

Z . 7 9 - 8 2 , auf R a s u r , aber u n t e r der R a s u r alte S c h i c h t dieser T ä u f e r s z e n e n o c h erhalten: vgl. d e n A p p a r a t zu Z . 8 2 (vgl. § 5 5 - 5 9 ) .

210

Z . 8 2 f f . (= § 60ff.): Item ihesus appropinquans in lecto

loco iudeorum inueniat inßrmum

iacentem

[...].

2,1

Z . 8 6 - 8 7 (= § 63).

212

Z . 8 8 - 9 0 (= § 64): Iudei reuertantur ad locum suum ihesus quoque recipiat se in loco donee ordo eum iterum

213

tangat.

Z . 9 0 f f . (= § 65ff.).

V. Bühne

51

Hofdamen gesondert von Herodes residiert. Ihr Bühnenort korrespondiert dem der Procia, wie der des Herodes dem Standort des Pilatus (Herodes, regina also entgegengesetzt Pilatus, Procia). Das G e fängnis muß für die Hinrichtung des Johannes über einen von außen uneinsehbaren Winkel verfügen. Die Täufeijünger nehmen dann vor dem Gefängnis wartend den (kopflosen) Leichnam auf und bestatten ihn im nahegelegenen Grab, das sich neben dem Grab Jesu befindet. Daß die Anhänger des Täufers am Gefängnis Aufstellung genommen haben, ergibt sich auch daraus, daß der gefangene Täufer Boten zu Jesus schicken konnte. Nachdem sich Jesus bisher als Wunderheiler dem Bühnenort der Juden nur genähert hat, ohne daß es zu einer direkten Konfrontation gekommen wäre, wird nun, nach den Prophetenreden und den Wunderbeweisen, ein dritter, direkter Uberzeugungsversuch durch die ipsissima vox Jesu unternommen, indem Jesus seinen Bühnenort zur Rechten Gottvaters in südwestlicher Richtung verläßt und singend die Juden aufsucht, um mit ihnen zu disputieren. 214 Dabei wird sich Jesus (wagemutig) als einzelner im Vorfeld des Bühnenorts der Juden, seiner Feinde (Steinigung), aufgehalten haben. Nach dem Scheitern dieses Versuchs begibt sich Jesus wieder (nordöstlich) an seinen Bühnenort zurück. 215 Maria Magdalena incedati6 was nur bedeuten kann, daß sie vorher noch nicht im oder am Haus der Martha gewesen ist. Ihr Kostüm und Auftreten müssen recht auffällig gewesen sein; 217 damit dies einigermaßen augenfällig zum Ausdruck kommt, wäre es am sinnvollsten, wenn Magdalena, von der Stadt (Frankfurt selbst) kommend, als Symbol der Sündhaftigkeit auch des Publikums, die Bühne an der nordwestlichen Ecke betretend, bei den Salbenkrämern am Bühnenort >Jerusalem< vielleicht sogar Schönheitssalben kauft (als Kontrafaktur dazu der Salbenkauf am Ostermorgen) und sich dann erst zu ihrer Schwester Martha begibt. Das Haus der drei Geschwister befindet sich im Westteil der B ü h ne, weil Sünde (Magdalena) und T o d (Lazarus) Kennzeichen der irdischen Befindlichkeit des Menschen sind, aus der (in der Logik des Spiels) nur Jesus Rettung gewähren kann; Sünde und T o d werden 214

Z . 106ff.: Hoc peracto surget iterum ihesus et ueniens ad iudeos cantabit

§ 77ff.). 215 Z. 115-116 (= § 85a). 216 Vgl. Z. 116ff. (= § 86ff.). 2,7

Vgl. habitu superbo

arroganter.

[...]

(vgl.

52

Β. Einleitung zur FD und zum F O f

von Jesus durch Bekehrung und Auferweckung überwunden. Auf der Nordseite, der Seite der Kirche, macht das Haus der Geschwister insofern Sinn, als sie ja später alle drei treue Anhänger Jesu sind. Die Bekehrung Magdalenas erfolgt — im städtischen Ambiente nicht verwunderlich — durch Jesu Predigten. 218 Sinnvoll ist es, w e n n Jesus seine erste Predigt auf j e n e m Faß hält, das zuvor den Berg der Versuchung mit Blick auf die Stadt und die Kaufleute darstellte. Da das Faß sich vor dem Bühnenort der Geschwister befindet, ist eine Umkehrpredigt im Angesicht der Welt (Stadt) und der Weltkinder (Magdalena) am rechten O r t gehalten. Der gesamte Hausstand einschließlich Magd folgt dann Jesus an den zweiten Predigtort (Bühnenort des Augustinus, der wohl Jesus demütig Platz macht). Diese wörtlich zu nehmende Nach-Folge ist übrigens durch den gleichen W e g nach Osten gekennzeichnet, den auch Jesu Apostel nach ihrer Berufung einschlugen. Die beiden Predigten werden von erhabener Position aus (Faß, Kanzel) gehalten und sind damit beide als >Bergpredigtentlarvt< werden. Die Anwesenheit der hier erstmals genannten Mutter Jesu250 läßt vermuten, daß sie sich zusammen mit Johannes (und Petrus), der ja nicht geflohen war,251 unter der jüdischen Menge vor dem Palast des Pilatus befunden und sich dem Zug zur Stätte der Kreuzigung angeschlossen hat. Diese liegt im Zentrum des Bühnenorts der Wüste 247

Vgl. Z . 2 8 7 - 2 8 9 (= § 1 9 9 - 2 0 0 ) : pylatus

dicat seruis [...]

Semi cédant ihesum

uirgis

alter Textbestand

(vgl.

secundum uerbum pylati. pylatus quoque eat foras ad iudeos. 248

Ζ. 2 9 4 f f . (= § 204ff.).

249

Z. 3 1 9 f f . (= § 223).

250

Z. 3 2 0

auf Rasur.

§ 223-225). 251

Z. 241 (= § 167).

Schluß

der Marienklage

Ζ. 3 2 4

Β. Einleitung zur FD und zum FOf

58

und der Westhälfte, die symbolisch für Tod steht. Gleichzeitig ist genug R a u m für Feinde und Freunde Jesu zur Verfügung, für Maria, Johannes, Longinus, Soldaten etc. Der Centurio wird sich vor seiner Tätigkeit am Kreuz im Ostflügel des Palastes Pilati zusammen mit den anderen Soldaten befunden haben. J e nachdem, ob Longinus als Heide oder Jude vorgestellt wird, hat er sich entweder dort oder aber auf der Seite der Juden aufgehalten, vielleicht im Haus des Simon Phariseus, das nicht mehr weiter gebraucht wird, und von dem aus (durch Longini Diener) die Kreuzigung gut einsehbar ist. Dorthin kehrt er nach seiner Heilung auch wieder zurück. 252 Die Grablegung 253 Jesu führt noch weiter nach Westen und damit symbolisch endgültig in die Fänge des Todes. Jesu Höllenfahrt, die in FD vor der eigentlichen Auferstehung liegt,254 ist der Endpunkt von Jesu Abstieg Richtung Westen, der ihn von seiner Gefangennahme am Olberg über den Bühnenort der Juden und den Palast des Pilatus zur Stätte der Kreuzigung, dann noch weiter westlich zum Grab und schließlich zum absoluten Endpunkt, den Pforten der Hölle, geführt hat. Der Endpunkt im Westen ist zugleich der Wendepunkt auf dem Weg nach Osten am zweiten Spieltag, der zum Siegeszug Jesu wird und der im Triumphzug der Himmelfahrt am entgegengesetzten, östlichen Bühnenende kulminiert. Zweiter Spieltag Da in FD 255 expressis verbis nichts darauf hindeutet, daß am zweiten Spieltag ein anderer Aufführungsort, etwa das Dominnere aufgesucht wird, kann davon ausgegangen werden, daß die Prozession am Beginn auf die Bühne des ersten Tages führt, die im folgenden als weiterhin bestehend vorausgesetzt wird. Denkbar ist,256 daß Jesus — gefolgt von den persone — von Nordwesten aus (vom Samstagsberg als Ort einer Art Volksversammlung oder vom D o m her kommend) sich vorbei am Bühnenort >Jerusalem< und entlang der nördlichen, kirchlichen Längsseite auf seinen Bühnenort im Osten, zur Rechten Gottvaters, zubewegt. Die Gruppe der persone wird dann ihre Position im Paradies (am Vortag: Olberg) einnehmen. Ob die übrigen Spieler 252 253 254 255 256

Z. 344—353 (= § Z. 3 6 0 - 3 6 2 (= § Vgl. Z. 376-389 Z. 369-373 (= § Z. 373-376 (= §

238-242). 246a). (= § 251a-257). 251). 251a).

V. Bühne

59

ebenfalls prozessionsartig einzogen oder sich schon auf ihren Plätzen befanden, geht aus FD nicht hervor. Dann schreitet Jesus, die ganze Bühnenlänge von Ost nach West durchmessend, zu den Pforten der Hölle, wobei letztere vielleicht wirklich mit Holztoren ausgestattet waren. Dieser W e g nach Westen — vermutlich in der nördlichen, kirchlichen Spielhälfte - stellt wiederum symbolisch den W e g in das Totenreich dar, durch die Wüste, vorbei an Kreuz und Gräberfeld zum absoluten Endpunkt, der Hölle; der R ü c k w e g zusammen mit den erlösten Seelen erfolgt dann wieder nach Osten in das Paradies, worauf Jesus sich nach Westen in sein Grab zurückbegibt. 257 Die Anführer der Juden befinden sich seit Bestellung der Grabwache am Bühnenort des Pilatus, wohin sich die Grabwächter nach der Auferstehung ebenfalls wenden. 2 5 8 Mit ihrem Schweigegeld haben sie sich wahrscheinlich R i c h t u n g Westen abgesetzt (vielleicht am Bühnenort der Mercatores einen Teil davon umsetzend), u m dann zuletzt außerhalb der Bühne im Gewirr der Gassen zu verschwinden. Der Ausgangspunkt der drei Marien 259 könnte das Haus der Magdalena im Westen, aber auch jener Bühnenort sein, an den die Apostel nach der Gefangennahme Jesu vermutlich geflohen sind: an j e nen der Ecclesia. O b sich dort noch die Propheten des ersten Spieltages aufhalten, oder ob diese (mit Johannes dem Täufer) als anime in der (Vor-) Hölle auf ihre Befreiung warteten und dann im Paradies der Himmelfahrt harrten, ist nicht zu entscheiden. Auf jeden Fall wäre der W e g der Marien v o m Bühnenort der Ecclesia und der Apostel aus Richtung Grab weitaus länger als v o m Haus der Magdalena aus, was ihnen überdies genug Zeit für ihre Gesänge auf dem W e g zum Grab bis zur Zwischenstation bei den Salbenkrämern geben würde. Z u d e m dokumentierte dieser lange W e g nach Westen wiederum anschaulich den Abstieg in das Reich der Toten. Auch der Regiehinweis, die Marien sollen erst zwei bis drei Schritte vor den Verkaufsständen der Krämer von diesen angesprochen werden, 260 zeigt, daß sie offenbar aus weiterer Entfernung sich den Salbenkrämern nähern; weniger wahrscheinlich ist es dann, daß sie v o m östlich benachbarten Bühnenstand aus (Haus der Martha und Magdalena) in der Westhälfte des Spielfeldes (im Kreis) herumziehen, so daß ihr 257 258 259

260

Z. 373-386 (= § 251a-255a). Vgl. Z. 363-366 mit Z. 391-395 (vgl. § 247-250, 258-259a). Z. 396ff. (= § 260ff.).

Vgl. Z. 405-406 (=§270): Marie ad hue erunt distantes a mercatoribus. ad spacium duorum passuum. aut trium.

60

Β. E i n l e i t u n g z u r F D u n d z u m F O f

Ausgangsort sich wohl tatsächlich am Bühnenort der Ecclesia und der Apostel befand, zu welchem sie ja dann mit der Osterbotschaft zurückkehren. Bezeichnenderweise singen sie auf dem W e g von den Kaufleuten zum Grab wesentlich weniger 261 als auf ihrem W e g zu den Kaufleuten, was genau zu den Distanzen auf dem Bühnenplan paßt. Die Engel im Grab 262 können sich dort schon längere Zeit versteckt haben. V o n w o h e r Jesus als Gärtner verkleidet 263 kommt, ist nicht zu bestimmen. Der Vorgang der von D o n n e r begleiteten A u f erstehung selbst wird in FD denkbar knapp beschrieben, 264 so daß über Jesu Verbleib nach der Auferstehung nur Mutmaßungen angestellt werden können. Vielleicht verschwand der Auferstandene wieder (hinter dem Grab), kurz bevor die Grabwächter sich — von ihrem Schreck erholt - erhoben, 265 kleidete sich im Verborgenen u m und erschien dann der Magdalena. Die Hortulanusszene selbst kann sich auf der freien Fläche vor dem Grab im Spielraum Wüste ereignen. Magdalena kehrt nach ihrem Erlebnis zu den entfernter wartenden Frauen zurück, und gemeinsam gehen sie nach Osten zum B ü h n e n ort der Apostel, u m Bericht zu erstatten, 266 während Jesus vermutlich am oder in der Nähe des Grabes, jedenfalls für das Publikum unsichtbar, sich wieder umgezogen haben wird, u m danach Petrus und J o hannes zu erscheinen; auch sie kehren mit der Frohbotschaft nach Osten zurück. 267 Nachdem Jesus seine Jünger Petrus und Johannes weggeschickt 268 hat, steht er wieder allein am Grab, u m von dort aus später den im Spiel peregrini269 genannten Emmausjüngern entgegenzugehen. Vermutlich hielten sich diese am Bühnenort der Apostel auf, 270 bevor sie Jesus ungefähr in Spielfeldmitte (vielleicht auf H ö h e des Tempels) treffen konnten. V o n dort scheint Jesus, jene zurücklassend, weiter 261 262 263 264

265 266 267 268 269

270

Z . 4 1 5 - 4 1 7 (= § 280-282). Z . 418 (= § 284). Z . 430ff. (= § 296ff.). Vgl. Z . 3 8 6 - 3 8 7 , auf Rasur. Möglich ist, daß genaue Anweisungen über den Verbleib des Auferstandenen später wegradiert w u r d e n (vgl. § 255a). Vgl. Z . 3 8 6 - 3 9 1 (= § 255a-258). Z . 4 4 2 - 4 4 3 (= § 309-311). Z . 4 4 8 - 4 5 6 (= § 317-325). Vgl. Z . 4 5 4 - 4 5 5 (= § 323-324). Z . 459ff.; großteils auf Rasur. Nicht radierte Passagen zeigen, daß das Peregrinispiel zum ursprünglichen Bestand gehörte (= § 329ff.). Vgl. Z . 470 (= § 339): reuertantur ad apostólos.

V. B ü h n e

61

gehen zu wollen, 271 er bleibt aber schließlich auf ihr Drängen bei ihnen und bricht mit ihnen das Brot, vermutlich am Bühnenort des Abendmahls, 272 um dann plötzlich vor ihren Augen zu verschwinden, am ehesten an den (in der Nähe befindlichen) Bühnenort des Augustinus.273 Von dort ist sein W e g dann nicht mehr weit nach Galiläa,274 das ebenfalls durch den Bühnenort des Abendmahlskomplexes (wegen Jesu Abschiedsmahl) 275 dargestellt werden soll, wodurch dann an zentraler Stelle im Spielfeld drei eucharistische Mahlgemeinschaften vor der Himmelfahrt Jesu gefeiert würden: die eigentliche Stiftung des Abendmahls vor Ostern und die beiden nachösterlichen Mahlgemeinschaften mit den peregrini bzw. das Mahl in Galiläa. Diese dreifache eucharistische Feier mit Jesus an einem einzigen altarähnlichen Bühnenort und die beiden Taufen zu Füßen Gottvaters am Anfang und Ende des Spiels, beide, Eucharistie und Taufe, zentral in der Osthälfte des Spielfeldes, zeigen eine mögliche Spielintention, die sich erst mit Hilfe des eben vorgestellten Bühnenplans erschließt: die Verherrlichung der Sakramente Taufe und Eucharistie (in pastoraler Absicht). Nach dem Mahl 276 zieht dann Jesus — gefolgt von seinen Getreuen — zum Paradies, nimmt vexillum samt anime mit sich, geht von dort an die Stufen des Himmels und steigt, sein irdisches Gefolge unten zurücklassend, gefolgt von den befreiten Seelen zum Himmel empor, wobei dann Jesus gekrönt wird und die anime zur Rechten und Linken Gottvaters sich postieren können. Nachdem die Hölle geleert und der Himmel mit den anime gefüllt ist, nachdem Jesus vom T o d auferstanden und in den Himmel aufgefahren ist, und nachdem schließlich Jesu Gefolgschaft Zeuge der Himmelfahrt geworden und an ihren Bühnenort zur Ecclesia — durch das eben Erfahrene gestärkt — zurückgekehrt war,277 können nun J u 271

Z. 4 6 4 (= § 335): dominus fingat se ulterius iturum esse.

272

Vgl. Z. 464—468. Der für die Fußwaschung aufgehobene Tisch (oder eine entsprechende Tischplatte) wird sich wohl spätestens jetzt wieder an seinem (ihrem) vorgesehenen Ort befinden: vgl. Z. 2 0 8 (vgl. § 149, 3 3 5 - 3 3 7 ) .

273

Vgl. Z. 467—468: statimque

euaneat

quod

uidentes discipuli dicant ad inuicem

(vgl.

§ 337). 274

Vgl. Z. 472ff. (= § 34Iff.).

275

Vgl. Z. 4 7 6 - 4 8 1 (teilweise auf Rasur) (vgl. § 3 4 6 - 3 4 7 ) .

276

Z. 48Iff. (= § 347ff.).

277

Daß Jesu irdische Gefolgschaft zu Füßen des Himmels der folgenden Disputation beiwohnt, ist aus zwei Gründen unwahrscheinlich: Z u m einen würde sie in der Nähe des Augustinus, w o die Judentaufe stattfindet, wertvollen Platz wegnehmen,

62

Β. Einleitung zur F D u n d z u m F O f

dentum und Christentum in der Gestalt von Ecclesia und Synagoga zur finalen Auseinandersetzung antreten: Dabei steht Augustinus wie am Spielbeginn bei der Prophetendisputation in der Mitte. Die taufwilligen Juden verlassen ihren Bühnenort im Süden, w o sich auch die Frankfurter Synagoge befand, und ziehen nach Norden, in eben j e n e Richtung, in der nicht nur der Bühnenort der Ecclesia, sondern auch der Frankfurter D o m — die einzige Frankfurter Taufkirche — liegt, u m bei Augustinus zu Füßen des Himmelsthrons die Taufe zu e m p fangen. 278 Das Schlußbild der Bühne zeigt dann mit Blick auf D o m und wirkliche Synagoge inszenatorisch und propagandistisch eindrucksvoll den >totalen< Sieg des Christentums über das Judentum: Die Hölle ist geleert und der H i m m e l im Osten mit anime gefüllt. Jesu Grab im Westen ist leer, und er sitzt erhöht im Himmel, so daß die Kreuze im Westen nicht mehr Zeichen des Todes, sondern des Lebens sind, nicht mehr Niederlage bedeuten, sondern Sieg. Auch der Bühnenort der Juden im Süden ist leerer geworden zugunsten der Ecclesia im Norden, bei der sich vielleicht die getauften Juden eingereiht haben. Bei den zwei Achsen des Bühnenplans, die zusammen ein Kreuz bilden, haben sich die Gewichte seit Spielbeginn entscheidend verschoben: Waren am Anfang die Gewichte zwischen West (Hölle) und Ost (Himmel) sowie N o r d (Ecclesia) und Süd (Synagoga bzw. Juden) gleichmäßig verteilt, so liegt am Ende das Gesamtgewicht im Nordosten der Bühne; das ist aber jener Ort, an dem, nur wenige Meter entfernt, der D o m c h o r liegt, der auch (auf dem Domhügel) geographisch höher lag als die Frankfurter Synagoge (vor 1349). N o c h deutlicher war der Sieg des Christentums über das J u d e n t u m an diesem Spielort nicht mehr augenfällig zu machen. W ä h r e n d f ü r das 15. J a h r h u n d e r t Spielerprozessionen d u r c h die Stadt (auf die u n d v o n der B ü h n e ) in archivalischen Q u e l l e n belegt sind, die (kostümierten) Schauspieler sogar an (liturgisch obligatorischen) Prozessionen an kirchlichen Festtagen teilnahm e n , 2 7 9 ist m a n f ü r das 14. J a h r h u n d e r t n u r auf die d ü r f t i g e n A n g a b e n in F D selbst angewiesen. Dabei geht aus F D nicht einmal hervor, daß alle Spielteilnehmer feierlich d e n B ü h n e n r a u m b e t r e t e n o d e r verlassen haben; n u r f ü r die G r u p p e der persone wird dies expressis verbis vorgeschrieben. 2 8 0

278

279 280

z u m anderen ist sie in der abschließenden Auseinandersetzung Partei als G r ü n d e r i n der K i r c h e u n d m u ß deshalb der ecclesia i m wahrsten Sinne des W o r t e s beistehen. Vgl. Z . 497ff. (= § 359£F.). - Z u m T a u f m o n o p o l des Bartholomäusstifts b z w . der -pfarrei vgl. GALL: F F M 1200, S. 67. Ζ . B. an der Magdalenenprozession 1498. Vgl. Z . 1—3 (= § la): Primo igitur persone ad loca sua cum instrumentas musicalibus et

VI. E i n b e t t u n g in das Leben Frankfurts

63

VI. E i n b e t t u n g in das religiöse, soziale, politische u n d literarische L e b e n Frankfurts Aufführungen nach FD (FOf) sind nicht isoliert zu sehen: Ihre Einbettung in das städtische Leben im 14. Jahrhundert hat in erster Linie mit der möglichen Spielintention zu tun. Da entsprechende archivalische oder chronikalische Nachrichten fehlen, können hier jedoch nur Vermutungen angestellt werden. Hält man an der Spielträgerschaft des Bartholomäusstifts 281 fest, dann ist eine wesentliche Spielintention in der Pastorierung der Pfarrei Frankfurt zu sehen. Da das Stift ein Pfarrmonopol über die gesamte Stadt (mit rund 10 000 Einwohnern) besaß, war dieses M o nopol begreiflicherweise nicht unangefochten, und Liebfrauen- sowie Leonhardsstift, aber auch Franziskaner und Dominikaner suchten (mit Unterstützung der Ratsobrigkeit und kaum uneigennützig) Seelsorgemängel zu beheben. Geistliche Aufführungen, die fundamentale Heilswahrheiten wie Tod und Auferstehung Christi vermittelten, könnten somit auch dazu gedient haben, das ζ. T. angeschlagene Ansehen der Bartholomäuspfarrei bei den (passionsfrommen) Laien wieder zu befestigen. Durch den Sieg von Ecclesia über Synagoga im Spiel nach FD wäre zudem ein Wir-Gefühl des christlichen Publikums trotz aller sonstigen Streitigkeiten auf Kosten einer städtischen Minderheit, der Juden nämlich, erzeugt worden. 282 Dabei ist jedoch — wegen Korrektur der Spätdatierung (d. h. nach 1 3 4 9 bzw. die zweite Jahrhunderthälfte) FRONINGS und PETERSENS in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts 283 - FD nicht mehr unmittelbar auf den Judenpogrom von 1349 zu beziehen. Vielmehr sind Aufführungen vor 1349 in einem anderen historischen Kontext zu situieren: Er könnte in der Demonstration der Einheit von Stadtbürger- und

281 282

283

clangore tubarum sollempniter deducantur. Vgl. auch Z. 373 (= § 251a): Cum igitur persone iterato in locis suis conuenerint. Vgl. S. 15-19. Zu der komplexen Seelsorgesituation in Frankfurt vgl. die umfassende Arbeit von HEITZENRÖDER: Reichsstädte und Kirche in der Wetterau, passim. - Vor und auch nach dem Pogrom von 1349 gab es eine bedeutende jüdische Gemeinde in Frankfurt; von 1360 an bis in die Hitlerzeit kann man sogar von einer Siedlungskontinuität sprechen (vgl. auch die übersichtliche Darstellung bei MAYER: Die Frankf u r t e r j u d e n , S. 7-19). Vgl. FRONING: Drama, S. 326-328. PETERSEN: Aufführungen und Bühnenplan, S. 94. Dagegen LINKE: f r a n k f u r t e r DirigierrolleSachsenhauser Appellations 1329 wurde die Stadt wegen ihrer Treue zum König mit dem Interdikt belegt, wonach keine kirchliche Handlung (mit Ausnahme der Taufe) vorgenommen werden durfte. 1330 gewährte der Kaiser Frankfurt eine zweite Messe: die Fasten- oder Frühjahrsmesse. Die Leiden durch das Papsttum zahlten sich auch 1333 aus, als Ludwig ohne Erhöhung der Reichssteuer eine gewaltige Stadterweiterung nebst Ummauerung genehmigte, die sich bis zum Ende des Alten Reichs als ausreichend erwies. 1337 wurde die Frankfurter Messe durch kaiserliches Privileg vor Konkurrenz (etwa durch Mainz) geschützt. 1338 verkündete der Kaiser in der Sachsenhauser Deutschordenskommende die Beschlüsse des Kurvereins zu Rhense; vgl. KRAMER: Frankfurt Chronik. 3 1987, S. 36, 44-51. - Ludwig hat in seiner Regierungszeit zudem rund 50mal in Frankfurt residiert; vgl. ebda. S. 36.

283

Vgl. KRIEGK: Frankfurter Bürgerzwiste, S. 6—21. — Im gespaltenen Bartholomäusstift dürften nach neueren Forschungen die Ereignisse um das Interdikt kaum allzu dramatisch gewesen sein: Vgl. hierzu KELLNER: Reichsstift, S. 55, S. 163—164, Anm. 532. — Die unbedingt kaisertreue Patrizierfamilie Frosch besetzte übrigens in den fraglichen Jahren viele wichtige Machtpositionen in Stadt und Stift: Der Stadtpfarrer Heilmann Frosch (gest. 1365) war Sohn des Schöffen Heilmann Frosch, Bruder des Bürgermeisters (1324, 1328, 1333, 1338, 1343, 1344, 1350) Siegfried Frosch und des Kanonikers Wicker Frosch (Kantor von 1328-1346), sowie Neffe des Bürgermeisters Wigel Frosch (gest. 1324), der die Liebfrauenkirche gestiftet hatte. 1315 war Heilmann Kanoniker, 1322 Kustos und 1323 bis zu seinem Tod Stadtpfarrer am Bartholomäusstift. Erst 1350 wurde er von dem über ihn verhängten Bann befreit. Der Kantor Wicker Frosch war zudem (seit 1343) Scholaster von St. Stephan in Mainz, führte den akademischen Magistergrad und war Stifter des Frankfurter Katharinenklosters. Am 27.10.1350 teilte Wicker den Anhängern Kaiser Ludwigs im Stift mit, daß die Kirchenstrafen gegen sie aufgehoben seien. Im selben Jahr ernannte ihn Karl IV. zu seinem Hofkaplan. Der politisch einflußreiche

V I . E i n b e t t u n g in das L e b e n Frankfurts

65

getragen v o m Bartholomäusstift, waren deshalb zur Zeit Ludwigs des Bayern unter dem Interdikt angesichts machtvoller Patrizierprotektion 286 leicht durchzuführen. D i e Spaltung des Bartholomäusstifts in zwei Parteien unterschiedlicher Interdiktobservanz entsprach übrigens in vielen geistlichen Institutionen des Reichs durchaus der Norm. 2 8 7 Aufführungen unter den Bedingungen des langjährigen Interdikts sind eine plausible Möglichkeit. Eine andere — letztlich unentscheidbare — Frage ist dagegen, ob der K ö n i g selbst an den Aufführungen irgendwie beteiligt war, sei es als Zuschauer — man denke nur an seine zahlreichen Frankfurt-Aufenthalte —, sei es gar als Mitinitiator bzw. Auftraggeber des Spielträgers Bartholomäusstift (Reichsstift). 2 8 8 und pekuniär vermögende Wicker Frosch war in seinem A m t als Kantor des Bartholomäusstifts (1328-1346) sicher in der Lage, Spielaufführungen autoritativ zu initiieren, wenn nicht gar mitzuorganisieren; vgl. FISCHER: Frosch, Patrizierfamilie. In: KLÖTZER: Frankfurter Biographie 1, S. 2 2 8 - 2 3 0 . 286

Z u nennen ist v. a. auch J a k o b Knoblauch der R e i c h e (gest. 1357), Ratsherr, S c h ö f f e und Bürgermeister, Inhaber der königlichen M ü n z e in Frankfurt, Gastgeber des Kaisers, 1334 von diesem in sein Hofgesinde aufgenommen; vgl. KLÖTZER: Frankfurter Biographie 1, S. 406.

287

Vgl. KAUPHOLD: Gladius Spiritualis. Das päpsdiche Interdikt über Deutschland, passim. Direkte Zeugnisse, etwa urkundlicher Art, gibt es für eine kaiserliche Beteiligung zwar nicht, aber immerhin würde ein Spielengagement Ludwigs des Bayern zur kaiserlichen Politik mit ihrem massiven (propagandistischen) Einsatz lateinischer und deutscher Literatur für die eigene religionspolitische Sache passen. Ein geistliches Spiel könnte dabei - ähnlich wie die zahlreichen, z. T . spektakulären Stiftungen bildender Kunst durch L u d w i g (Ettal) - die Rechtgläubigkeit des Gebannten öffentlich dokumentieren. D i e friedliche Judenbekehrung in F D paßt übrigens auch gut z u m gedeihlichen Verhältnis zwischen L u d w i g und den Frankfurter J u den; vgl. hierzu KRACAUER: Geschichte der J u d e n in Frankfurt 1, S. 24—27. - Z u r aktiven Religions-, Kirchen- und Literaturpolitik Ludwigs vgl. die Beiträge in MUNDORFF/WEDL-BRUOGNOLO: Kaiser L u d w i g der Bayer. 1997 (mit neuester Forschungsliteratur). - Z u r ehrgeizigen Literaturpolitik Ludwigs vgl. v. a. RUPPRICH: D e r H o f Ludwigs IV. von Bayern und seine B e d e u t u n g für das Geistesleben des ausgehenden Mittelalters. In: Maske und Kothurn, 10, 1964, S. 2 2 5 - 2 4 3 (vgl. auch BANSA: Studien zur Kanzlei Kaiser Ludwigs des Bayern). - Z u m gezielten Einsatz bildender Kunst als Erweis der Rechtgläubigkeit des Gebannten vgl. neuerdings SUCKALE: D i e Hofkunst Kaiser Ludwigs des Bayern. 1993. - Als möglicher Veranstalter geisdicher Spiele eiferte L u d w i g d e m Vorbild einer Reichsheiligen nach, die er auch schon durch eine Wallfahrt zu ihrem Grab in Marburg geehrt hatte (vgl. SUCKALE: Hofkunst, S. 2 1 - 2 2 ) : Elisabeth von Thüringen; nach Caesarius von Heisterbach wurde 1227 auf der Wartburg auf Veranlassung des Landgrafen L u d w i g (Elisabeths Gemahl) ein Spiel aufgeführt, das traditionem Salvatoris,

288

66

Β. Einleitung zur F D u n d z u m F O f

Trotz der heute akzeptierten Frühdatierung von FD in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts können Aufführungen dieses Spiels auch in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts nicht ausgeschlossen werden. In diesem Fall kann man mit P E T E R S E N in FD eine — in meinen Augen fragwürdige - geistige Bewältigung des Pogroms von 1349 sehen; das Spiel zeigte den Frankfurter Christen »nun eine friedliche lösung mit geistigen waffen«. W e n n auch kaum Frankfurter Juden wegen des Gottesdienstcharakters der Aufführungen zum Publikum gehörten, ist die Benennung der Judenrollen in FD doch authentisch: So wird etwa in Frankfurter U r k u n d e n der Jahre 1364 bis 1366 mehrfach ein Isaak von Cohlentze als der grosse Jude, der 20 Gulden Steuer zahlte, erwähnt. Vielleicht heißt dann jener dem Propheten David in FD antwortende Jude deswegen ebenfalls Isac. Auch die anderen Judennamen in FD sind u m die Mitte des 14. Jahrhunderts in Frankfurter U r k u n d e n bezeugt. Neben der »tendenz zur friedlichen Judenbekehrung« bei relativ späten Aufführungsterminen wäre unmittelbar nach 1349, etwa Ostern 1350, als Spielmotivation bzw. -intention ein Gelübde im Pestjahr 1349, aber auch die Einweihung des renovierten Domes zu sehen, nachdem dieser in der Judenschlacht stark beschädigt worden war. 289 Aufführungen nach FD und F O f lassen sich jedoch nicht nur mit dem religiösen, sozialen und politischen Leben im Frankfurt des 14. Jahrhunderts verknüpfen, sie sind auch im literarischen Leben der Stadt sicher nicht isoliert zu betrachten. Freilich ist dieses städtische literarische Leben für das 14. Jahrhundert wegen der Ungunst der Quellenlage ungleich schwerer zu rekonstruieren als für das 15. und 16. Jahrhundert. 290 passionem et mortem umfaßte, und wohl als Passionsspiel gelten kann (BERGMANN: Studien, S. 73). Ludwigs Verwandtschaft mit Elisabeth war übrigens allgemein bekannt. Eine Statue der Heiligen stiftete der Kaiser dann auch für den Augsburger D o m , dessen Bischof ihm treu ergeben war (SUCKALE: Hofkunst, S. 45). - Vgl. allgemein THOMAS: Ludwig der Bayer. 1993. 289

V g l . PETERSEN: A u f f ü h r u n g e n u n d B ü h n e n p l a n , S. 9 2 - 9 4 . - D e r M ö g l i c h k e i t e i -

nes Gelübdes im Pestjahr 1349 als Entstehungsgrund von Aufführungen wäre eine ähnliche Katastrophe des Jahres 1342 beizugeben: Ein Jahrhunderthochwasser veranlaßte die Frankfurter Bevölkerung, fortan jährlich am Magdalenentag eine feierliche Prozession abzuhalten; ein aus dem selben Anlaß (regelmäßig) aufgeführtes geistliches Spiel hätte (seit 1342) den gleichen Zweck der (Sühne bzw.) Fürbitte erfüllen können; vgl. den Bericht des Johannes Latomus bei FRONING: Frankfurter C h r o n i k e n , S. 8 1 - 8 3 . 290

Generell bleibt eine Literaturgeschichte des mittelalterlichen Frankfurt ein Desi-

V I . E i n b e t t u n g in das L e b e n F r a n k f u r t s

67

Die mutmaßlichen Spielautoren und Regisseure am Bartholomäusstift konnten jedenfalls im 14. Jahrhundert auf eine gut sortierte Bibliothek zurückgreifen, die genug Material für einen Spielautor lieferte.291 Weniger bedeutend dürften im 14. Jahrhundert die Bibliotheken der anderen geistlichen Institute gewesen sein.292 Es gab drei Lateinschulen,293 was für den Spielbetrieb insofern von Bedeutung ist, als in den Lateinschulen von jeher lateinische Texte in (vierhebige) deutsche Reimpaare übersetzt (und memoriert) wurden, die deutschen Texte in FD also sehr wohl von einem Lateinlehrer verfaßt sein konnten; 294 auch die Verwendung der Frankfurter Schüler in der Liturgie295 läßt an eine Entstehung der Frankfurter Spiele aus dem Geist der Bartholomäusschule denken. Ein gut funktionierender Privatschulbetrieb hat zudem für eine wohl recht breite Alphabetisierung auch der Laien gesorgt,296 was für das literarische Leben in der Stadt nicht ohne Bedeutung ist. Noch mehr gilt dies für den Universitätsbesuch einiger Frankfurter Patrizier.297 Hierher gehört auch

derat. V o n mir hierzu angestellte V o r ü b e r l e g u n g e n u n d Strukturierungen des Literaturbetriebs m ö c h t e ich an gesonderter Stelle veröffentlichen. 291 292

293 294

295 296 297

Vgl. POWITZ/BUCK: D i e Handschriften des Bartholomaeusstifts, S. V I I I - X X I . Z u m Leonhardsstift vgl. POWITZ: Die datierten Handschriften, S. 4—5. - Z u m Liebfrauenstift vgl. OHLY/SACK: Inkunabelkatalog Frankfurt, S. X I . - Z u den auch in Frankfurt sicher nicht ungelehrten D o m i n i k a n e r n vgl. POWITZ: D i e H a n d schriften des Dominikanerklosters, S. X I I - X V I I I . - Z u den Franziskanern vgl. POWITZ: Die Bibliothek des Franziskanerklosters, S. 1 - 1 1 . — Z u den Karmelitern vgl. POWITZ/BUCK: Die Handschriften des Bartholomaeusstifts u n d des Karmeliterklosters, S. X X V I I . — Z u d e n Deutschherren in Sachsenhausen (speziell z u m >FrankfurterAnordnungReihenfolgeReihenfolge< der Sprech- und Gesangstexte wiedergibt. Freilich kann ordo in FD auch nur Terminus technicus für >Spiel< sein, wie »o. Racheiis ein Rachelspiel«. 4 Für letzteres spricht das folgende sine registrum de passione domini. Ζ. 1 registrum] Der Ausdruck ist eher im regiepraktischen Sinn als »Eintragebuch, Verzeichnis« für die passio domini zu nehmen. 5 (2 und 3) Quellen und Szenenparallelen Da FD den Ubergang von erstem zu zweitem Spieltag regelt, darf der wohl selbständig gestaltete Spielbeginn hier auch mit dem Beginn des ersten Spieltages in eins gesetzt werden. 6 Der St'/eie-Gesang (oder -Ruf 7 ) findet sich auch in anderen Spielen häufig, ohne daß seine 3

4 5

6 7

Hier und im folgenden w i r d mit dem Diplomatischen Abdruck v o n FD (im T e x t band FD/FP S. 7 - 3 3 ) gearbeitet. Die runden K l a m m e m zur Kennzeichnung aufgelöster Kürzel werden dabei in Zitaten weggelassen. — Die Paragraphenerzählung ist im Diplomatischen Abdruck in [ ] angegeben. Vgl. H A B E L / G R Ö B E L : Mittellateinisches Glossar, Sp. 2 6 7 . H A B E L / G R Ö B E L : Mittellateinisches Glossar, Sp. 3 3 4 . - Vgl. auch D I E F E N B A C H : Glossarium, S. 4 9 0 , w o der verwaltungstechnische Z w e c k eines Registrum o f f e n sichtlich wird. - SCHULZ: Die Eigenbezeichnungen des geistlichen Spiels, S. 3 9 7 verbucht: »ordo sive registrum de passione domini > VerzeichnisVersammelte, v o r n e h m e Gesellschaft, stellt euer Lärm e n einSchweig< (a ist hier eine den Imperativ verstärkende Interjektion). Z. 10 (= § 7) kint] >KinderSchweig, Narr, was schwätzst duFreue dich mit ganzer Kraftsagsttörichter< oder w i d e r w ä r t i g e r K e r k 1 4 Sogar an eine Schmäh u n g i m Sinne v o n >Schlampe< (aber auch >SchwätzernütztohneKindDiese Botschaft mache ich euch vollständig bekannte 22 (= § 19) spehen] kann hier (ironisch) >scharfsichtigschlauwunderlichübermütig< meinen. 17 22 (= § 19) müt] >GesinnungGeistHerr, wer glaubt uns jetzt sofortWozuIhr Juden, ihr habt sehr wohl v e m o m m e m .

(2) Quellen Augustinus (Z. 4 - 6 = § 1): Die Tatsache, daß Augustinus mit der Eröffnung der Disputation zwischen Juden und Propheten eine zentrale Rolle in FD zukommt, ist aus der theologischen Tradition der Prophetenszene erklärbar. Hierbei spielen zwei im Mittelalter dem Augustinus zugeschriebene Texte eine große Rolle: In der Predigt Sermo Contra Judaeos, Paganos et Arianes tritt Augustinus selbst als ein Streiter wider die Juden auf, der einzelne Propheten — wie im Spiel — zudem auffordert, Zeugnis f ü r Christus abzulegen. Z u r Vermittlerrolle im Streit zwischen Christen und Juden paßt auch die (vermeintliche) Autorschaft des Augustinus für den Dialogus de Altercatione Ecclesiae et Synagogae, der im hohen und späten Mittelalter große Bedeutung für Literatur und bildende Kunst gewann. Durch beide Schriften, aber auch durch seine allgemein bekannte Funktion und Rolle als Kirchenlehrer kann Augustinus zum gelehrten — und die Juden belehrenden — Vertreter des Christentums im Spiel werden. Vermittelt wurde diese theologische Tradition vermutlich durch lateinische Prophetenspiele. 18

wort ist nhd. nnl. längst erloschen, schon mhd. überwiegt kint, [...] das 15 jh. weisz nichts mehr davon«. 17

V g l . LEXER: M i t t e l h o c h d e u t s c h e s H a n d w ö r t e r b u c h , 2 , S p . 1 0 6 2 - 1 0 6 3 .

18

Vgl. BERGMANN: Studien, S. 246-248. - D e r Sermo findet sich bei MIGNE: PL, 42, Sp. 1117-1130. Die Spielsituation in F D mit Augustinus als Vermitder markiert etwa folgende Stelle: »Vos, inquam, convenio o Judaei, qui usque in h o d i e m u m diem negatis Filium Dei. [...] Die, Isaia, testimonium Christo. Ecce, inquit, virgo in utero concipiet et pariet filium [...]«; ebda. Sp. 1123. - Die Altercado findet sich ebda. Sp.

1131-1140.

74

C . Szenenkommentar zur F D u n d z u m F O f

David (Z. 6-7 = § 2): 19 Der als Psalmist bekannte David zitiert sinnvollerweise Ps. 101,5: Percussus sum utfaenum, et aruit cor meum, quia oblitus sum comedere panem meum. Zur Leidensthematik eines Passionsspiels paßt die Psalmüberschrift: Oratio pauperis, cum anxiusfuerit et in conspectu Domini effuderit precem suam. Liturgisch wird Ps. 101,2—5 am Mittwoch der Karwoche gebraucht. 20 Zur Erlösung besteht hier keine Beziehung. 21 Isac Iudeus (Z. 7 - 8 = § 3): Kaum zu klären ist, aus welchen Quellen sich die Namen und die Antworten der Juden auf die alttestamentlichen Prophezeiungen speisen; die Erlösung gibt zu dieser Problematik nichts her, da sie keine Disputation mit den Juden kennt. Ob ein auf der Erlösung beruhender Spieltext Quelle von FD gewesen ist, kann vermutet, aber anhand der Uberlieferung der Erlösung nicht nachgewiesen werden. 22 Vielleicht sind die Judenreden auch eine dramatische Frankfurter Eigenleistung. Augustinus, Salomon (Ζ. 8-9 = § 4-5): Beiden ist weder Sprechnoch Gesangstext beigegeben, so daß nur FP als wahrscheinliche Ergänzung genommen werden kann. Salomon — der Prototyp des alttestamentlichen Weisen — spricht dort in deutschen Versen nach Sap. 2,12-18. Diese Bibelverse liegen wiederum der Palmsonntagsliturgie zugrunde. 23 Bandir Iudeus (Z. 9 = § 6): Die Antwort des Juden wird nicht referiert. Daß sie mit FP V. 119—132 (Rede eines Sandir rabí) zwingend übereinstimmt, ist nicht erwiesen. 19

20

Die biblische Quellenanalyse der Prophetenreden, ihre liturgische Verortung innerhalb der Passionsszeit und der Bezug zur Passion Jesu ist in mustergültiger Weise schon von BERGMANN geleistet worden, so daß seine Ergebnisse hier nur referiert werden: Vgl. BERGMANN: Die Prophetenszene, S. 22-29. Nachweise ebda. S. 25. - Vgl. auch MARBACH: Carmina, S. 202-203. SCHMIDT: Hebdomada Sancta I und II, S. 62, 438, 481, 486, 489, 493, 571, 906, 907, 928, 9 2 9 , 9 3 1 , 9 3 2 , 9 3 7 . SCHULER: M u s i k , S . 2 7 1 , N r . 4 6 9 .

21

22

Vgl. BERGMANN: Studien, S. 136: »Die Prophezeiung Davids, mit der die Dirigierrolle beginnt, ist [...] mit Psalm 101,5 ff. identifizierbar. Dagegen benutzt die Erlösung Psalm 18,6 ff.; die deutschen Texte können daher keine Beziehung haben.« Vgl. WENZEL: »Do worden die Judden alle geschant«, S. 40. - Vgl. zur Problematik d e r Erlösung:

23

HENNIG: >ErlösungExulta satis filia. Mit ganzem vlîze vrouwe dich 1520

1525

25

von Sion dohter lobelich, von Iherusalêm ouch dohter dû mit vlize wis gereit hiezû, dû sing und jubiliere! Sich dir sal k u m e n schiere din kunec, din rehter heiler. Iedoch in armût kumet er. Er sal in den ziden einen esel riden.

N a c h w e i s e b e i BERGMANN: D i e P r o p h e t e n s z e n e , S. 2 6 - 2 7 . - V g l . a u c h MARBACH:

Carmina, S. 366-370, 472. SCHMIDT: Hebdomada Sancta II, S. 458-460, 469, 674, 1 0 1 5 . SCHULER: M u s i k ,

S. 1 9 6 , N r . 2 0 2 . HESBERT: C A O

I, N r . 8 , I I , N r . 4 ,

III,

Nr. 2809. 26

Alle Zitate aus der Erlösung hier und im folgenden nach der Ausgabe MAURERS. — Vgl. BERGMANN: Studien, S. 136-137: Freilich darf diese Parallele nicht überinterpretiert werden: »Für den Vergleich der Erlösung mit der Frankfurter Dirigierrolle [...] wirkt sich die besondere Uberlieferungseigenart der Dirigierrolle recht hemmend aus. Es m u ß daher versucht werden, an den einzelnen Stellen mit Hilfe der von dem Spiel der Dirigierrolle abhängigen jüngeren Spiele, vor allem dem Frankfurter Passionsspiel von a. 1493, den Text der Dirigierrolle zu rekonstruieren. Die Vergleichbarkeit ist im ganzen durch den geringen U m f a n g der Dirigierrolle eingeschränkt. Für den Vergleich mit der Dirigierrolle k o m m e n nur Propheten-, Passions- und Osterteil der Erlösung in Betracht, die weniger als die Hälfte des Epos ausmachen. In der Erlösung steht das Auftreten der vierundzwanzig prophetischen Zeugen im Zusammenhang der ganzen Heilsgeschichte. Nach der Beilegung des Streites der vier Töchter Gottes und nach dem Beschluß der Erlösung werden die Propheten ausgeschickt; ihr Auftrag ist die Prophezeiung des Erlösers. In der Frankfurter Dirigierrolle treten nur sieben Propheten auf; ihre Prophezeiungen beziehen sich auf die Passion. Im Unterschied zur Erlösung werden die Propheten von Augustinus aufgerufen und von den Juden angegriffen. Die sieben Propheten der Dirigierrolle k o m m e n auch in der Erlösung vor, jedoch in anderer Reihenfolge.« — Keiner der Textzeugen der Erlösung ist als Quelle von FD anzusehen; vgl. hierzu die Lesarten (nach MAURER): exulcis T, ganczen fl. so

C . Szenenkommentar zur FD und zum F O f

77

Iacob Iudeus (Z. 1 5 - 1 6 = § 12): Eine Ergänzung des deutschen Textanfangs durch FP V. 197—206 ist trotz dregnage (FP) statt odil crage (FD) denkbar. Freilich m u ß im Spiel nach F D nicht zwingend auch schon v o m Pfandleihgeschäft die R e d e gewesen sein, falls doch, so hätten die schlichten R e i m e problemlos o h n e schriftliche Quelle f o r muliert w e r d e n k ö n n e n . Augustinus (Z. 16 = § 13): H i e r scheint zwischen J u d e n u n d P r o pheten vermittelt zu werden; nach der w ü t e n d e n R e d e des J u d e n Iacob (odil crage) versucht Augustinus offenbar zu beschwichtigen u n d leitet dann w o h l zu Osee propheta über. Eine schriftliche Quelle ist dafür nicht notwendig. O s e e (Ζ. 17—18 = § 14): Das über F D hinaus zu ergänzende HoseaZitat umschreibt das Passions- u n d Ostergeschehen (Hos. 6,3): Vivificabit nos post duos dies, in die tertia sucitabit nos, et vivemus in conspectu eius. In der mittelalterlichen Liturgie ist die Stelle Karfreitagslesung. Die vermutlich mit F D parallelen Verse der Erlösung — FP fällt hier zur Ergänzung v o n FD aus — b e r u h e n darüber hinaus auf Hos. 13,14, welche Stelle am Samstag vor Ostern liturgisch gebraucht wird. 27 D i e Hosea-Passage lautet in der Erlösung: 1595

Ouch ist nit underwegen bliben, Osée hât iz ouch geschoben, dô er gesprochen hât alsus:

»Post duos dies dominus. 1600

1605

1610

Wol her und lâz uns balde gân, zû unserm herren wider nân, der vêhet und entseilet, der slehet unde heilet. Nach zweien dagen wil uns geben unser herre ein êwec leben, an dem dritten sunder wân, sollen wir mit ime erstân. Wir volgen und erkennen dà unsern herren alle iesâ. Sin ûzganc wirt bereidet nû des herren als ein morgen vrû.