Die Haftungsbeschränkung der §§ 104 ff. SGB VII in den Fällen der unechten Unfallversicherung: Zugleich zu Bedeutung und Reichweite der unechten Unfallversicherung [1 ed.] 9783428541348, 9783428141340

Die Unfallversicherung wird üblicherweise aufgeteilt in die echte und die unechte Unfallversicherung, die von der Beschä

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German Pages 377 Year 2013

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Die Haftungsbeschränkung der §§ 104 ff. SGB VII in den Fällen der unechten Unfallversicherung: Zugleich zu Bedeutung und Reichweite der unechten Unfallversicherung [1 ed.]
 9783428541348, 9783428141340

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Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 319

Die Haftungsbeschränkung der §§ 104 ff. SGB VII in den Fällen der unechten Unfallversicherung Zugleich zu Bedeutung und Reichweite der unechten Unfallversicherung

Von

Svenja Fries

Duncker & Humblot · Berlin

SVENJA FRIES

Die Haftungsbeschränkung der §§ 104 ff. SGB VII in den Fällen der unechten Unfallversicherung

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Matthias Jacobs, Hamburg Prof. Dr. Rüdiger Krause, Göttingen Prof. Dr. Sebastian Krebber, Freiburg Prof. Dr. Thomas Lobinger, Heidelberg Prof. Dr. Markus Stoffels, Heidelberg Prof. Dr. Raimund Waltermann, Bonn

Band 319

Die Haftungsbeschränkung der §§ 104 ff. SGB VII in den Fällen der unechten Unfallversicherung

Zugleich zu Bedeutung und Reichweite der unechten Unfallversicherung

Von

Svenja Fries

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg hat diese Arbeit im Wintersemester 2012/2013 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 978-3-428-14134-0 (Print) ISBN 978-3-428-54134-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-84134-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2012  /  2013 von der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Dissertation angenommen. Sie befindet sich auf dem Stand von Sommer 2012. Meinem Lehrer Herrn Professor Dr. Peter Axer danke ich herzlich für die Betreuung der Arbeit, für seine ständige Gesprächsbereitschaft sowie für die lehrreiche Zeit, die ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl verbringen durfte. Bei Herrn Professor Dr. Markus Stoffels bedanke ich mich für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Für die Aufnahme in das Verlagsprogramm des Verlages Duncker & Humblot d ­ anke ich Herrn Dr. Florian Simon, LL. M. London, im Juni 2013

Svenja Fries

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

Kapitel 1



Die unechte Unfallversicherung

28

A. „Echte“ und „unechte“ Unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 B. Unechte Unfallversicherung als s­teuerfinanzierte Versicherung in der Zuständigkeit der Versicherungsträger der öffentlichen Hand . . . . . . . . 32 I. Abgrenzung nach dem zuständigen Versicherungsträger . . . . . . . . . . . . 33 II. Abgrenzung nach der Art der Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Beitragsfreie Unfallversicherung und uneinheitliche Finanzierung . . 35 2. Beitragsfinanzierung aus Steuermitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3. Beitragsfreie Versicherung bei unentgeltlichen Tätigkeiten . . . . . . . 39 III. Ergebnis: Unmöglichkeit der Abgrenzung nach Finanzierung und Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff zur Beschäftigten­ versicherung als echter Unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Der Kern der echten Unfallversicherung: Die Beschäftigtenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Die Beschäftigtenversicherung als historischer Ursprung der Unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Die Merkmale der Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 a) Beschäftigung als nichtselbstständige Arbeit, § 7 SGB IV . . . . . 48 b) Maßgeblichkeit der tatsächlichen Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . 50 c) Versicherung der Beschäftigung im Gegensatz zum Privatleben . 51 aa) Private Tätigkeiten im familiären Bereich  . . . . . . . . . . . . . . 52 bb) Private Tätigkeiten als (Vereins-)Mitglied . . . . . . . . . . . . . . . 54 d) Ergebnis: Die wesentlichen Merkmale der Beschäftigung . . . . . 56 II. Unfallversicherungsschutz für Beschäftigtenähnliche . . . . . . . . . . . . . . 56 1. Die Versicherung der Wie-Beschäftigten, § 2 Abs. 2 SGB VII . . . . 56 a) Ernstliche, einem fremden Unternehmen zu dienen bestimmte Tätigkeit, die dem Willen des Unternehmers entspricht . . . . . . . 57 b) Ähnlichkeit mit Tätigkeiten in einem Beschäftigungsverhältnis . . 58 c) Unfreie Personen, § 2 Abs. 2 S. 2 SGB VII  . . . . . . . . . . . . . . . . 60 d) Einordnung in die echte oder die unechte Unfallversicherung . . 61

10 Inhaltsverzeichnis 2. Versicherungsschutz für behinderte Menschen, § 2 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 III. Unfallversicherungsschutz für Unternehmer und ihre Familien . . . . . . 63 1. Unfallversicherungsschutz für Unternehmer und unternehmer­ ähnliche Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 a) Unternehmerversicherung und echte Unfallversicherung . . . . . . 64 b) Die Unternehmerunfallversicherung als Fremdkörper in der Unfallversicherung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 c) Unfallversicherungsschutz für unternehmerähnliche Personen . . 69 2. Unfallversicherungsschutz für Ehegatten, Lebenspartner und ­Familienangehörige versicherter Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 a) Mitarbeitende Ehegatten und Lebenspartner . . . . . . . . . . . . . . . . 71 aa) Ehegatten und Lebenspartner als Mitunternehmer oder ­Beschäftigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 bb) Pflicht des Ehegatten oder Lebenspartners zur Mitarbeit . . . 71 cc) Ehegattenunfallversicherung als Annex zur Unternehmer­ unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) Mitarbeitende Familienangehörige in Unternehmen der ­Landwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 3. Ergebnis: Die Unfallversicherung für Unternehmer und ihre Familien als Sonderfall der Unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . 77 IV. Unfallversicherungsschutz im Ehrenamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Begriff des Ehrenamtes und der ehrenamtlichen Tätigkeit . . . . . . . 79 2. Ehrenamt und Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 3. Ehrenamt und Wie-Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 a) Bekleidung eines Amtes als Abgrenzungsmerkmal . . . . . . . . . . . 84 aa) Der Begriff des Amtes in der Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 bb) Das Amt als besonders festgelegter Aufgabenbereich . . . . . 86 b) Üblichkeit als Abgrenzungsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 c) Das Verhältnis von Ehrenamt und Wie-Beschäftigung . . . . . . . . 88 4. Einordnung in die echte oder die unechte Unfallversicherung . . . . 89 V. Unfallversicherungsschutz bei Bildungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . 91 1. Unfallversicherung für Kinder, § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. a SGB VII . . . . 91 2. Unfallversicherung für Schüler, § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. b SGB VII . . . 92 a) Gründe für die Schaffung der Schülerunfallversicherung . . . . . . 92 b) Unterschiede in der Reichweite des Versicherungsschutzes . . . . 94 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3. Unfallversicherung für Studierende, § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. c SGB VII . 96 a) Begriff des Studierenden im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. c SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 b) Während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen: Vergleichbarkeit der Studierenden- mit der Schülerunfallversicherung . . . 99 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

Inhaltsverzeichnis11 4. Unfallversicherung bei beruflicher Aus- und Fortbildung, § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 VI. Unfallversicherungsschutz bei Tätigkeiten im öffentlichen Interesse . . 103 1. Unfallversicherungsschutz für Nothelfer, § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Unfallversicherungsschutz bei persönlichem Einsatz, § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. c SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 3. Unfallversicherungsschutz für Blut-, Organ- und Gewebespender, § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. b SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4. Unfallversicherungsschutz für Zeugen, § 2 Abs. 1 Nr. 11 lit. b SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 5. Unfallversicherungsschutz für Herangezogene, § 2 Abs. 1 Nr. 11 lit. a SGB VII  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 VII. Unfallversicherungsschutz bei privaten Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 111 1. Versicherungsschutz bei Untersuchungen und Prüfungen, § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 2. Versicherung für Meldepflichtige, § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII . 114 a) Meldepflicht nach dem SGB II und dem SGB III  . . . . . . . . . . . 114 b) Aufforderung, eine Stelle aufzusuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 3. Versicherung bei arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. b SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 4. Versicherung bei der Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. b SGB VII . . . . . . . . . . . . . . 118 5. Versicherungsschutz bei Behandlung und Rehabilitation, § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. a SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 a) Kreis der versicherten Patienten und Rehabilitanden . . . . . . . . . 120 b) Versicherte Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 6. Versicherung bei vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 BKV, § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. c SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 7. Versicherungsschutz bei Selbsthilfe im Wohnungsbau, § 2 Abs. 1 Nr. 16 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 a) Schaffung von Wohnraum  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Versicherter Personenkreis: Tätigkeit im Rahmen der Selbsthilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 aa) Versicherung des Bauherrn als Unternehmer des ­Wohnungsbaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 bb) Angehörige des Bauherrn  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 cc) Schaffung von Wohnraum durch andere: Unentgeltlichkeit oder Gegenseitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (1) Unentgeltlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (2) Gegenseitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 dd) Mitglieder von Genossenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 8. Versicherung für Pflegepersonen, § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII . . . . . 133

12 Inhaltsverzeichnis a) Nicht erwerbsmäßige Pflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 b) Pflege aufgrund persönlicher Verbindungen zwischen ­Pflegendem und Pflegebedürftigem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 aa) Pflicht zur familiären Pflege aus bürgerlich-rechtlichen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 bb) Pflege aufgrund persönlicher Verbindung ohne rechtliche Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 cc) Pflege jenseits der familiären oder vergleichbaren Pflege . . 139 c) Ergebnis: § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII als Auffangnorm für familiäre und vergleichbare Pflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 VIII. Die Tatbestände der unechten Unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

Kapitel 2 Die Haftungsbeschränkung in den Fällen  der unechten Unfallversicherung

144

A. Verfassungsmäßigkeit der Haftungsbeschränkung in der unechten Unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 I. Die Rechtsprechung von Bundesverfassungsgericht und Bundes­gerichtshof zur Verfassungsmäßigkeit der unfall­ versicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 1. Die grundlegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1972 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Bestätigung dieser Rechtsprechung in den folgenden Jahren  . . . . . 148 3. Verfassungsmäßigkeit der Haftungsbeschränkung gegenüber Kindergartenkindern nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs . 149 II. Zustimmung und Kritik in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 III. Vereinbarkeit des Haftungsausschlusses mit dem allgemeinen Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 1. Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 a) Ersatz von Personenschäden nach zivilrechtlichen Regeln . . . . . 153 b) Leistungen der Unfallversicherung nach Eintritt eines Versicherungsfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 c) Wesentliche Gleichheit der Geschädigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2. Legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 a) Rechtfertigung durch die alleinige Unternehmerfinanzierung . . . 160 b) Wahrung des Betriebsfriedens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 c) Gewähr eines liquiden Schuldners statt privatrechtlicher Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 d) Gefahrengemeinschaft der Versicherten untereinander . . . . . . . . 164 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 3. Geeignetheit der Ungleichbehandlung zur Verfolgung des Zwecks . 165 4. Erforderlichkeit der Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

Inhaltsverzeichnis13 a) Herausnahme des Schmerzensgeldanspruchs aus der ­Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 b) Eingreifen privater Haftpflichtversicherungen . . . . . . . . . . . . . . . 167 c) Aufnahme eines Schmerzensgeldes in den Leistungskatalog der Unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 5. Angemessenheit der Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 IV. Ergebnis: Verfassungsmäßigkeit der Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . 172 B. Beschränkung der Haftung der Unternehmer: Die Regelung des § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 I. Ablösung der Haftung der Unternehmer in der unechten Unfall­ versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 1. Keine Beschränkung auf Beschäftigung und vergleichbare Tatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 2. Tätigkeit für ein Unternehmen und sonstige die Versicherung begründende Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 II. Der schädigende Unternehmer in den Fällen der unechten Unfall­ versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 1. Spezielle Festlegung bei Tätigkeiten im eigenen Interesse der Versicherten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 2. Unternehmer bei ehrenamtlichen Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 a) Allgemeiner Grundsatz und gesonderte Festlegung . . . . . . . . . . 178 b) Unternehmer bei Ehrenamtlichen in Bildungseinrichtungen . . . . 179 aa) Ehrenamtliche Tätigkeiten im Interesse der Bildungs­ einrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 bb) Unternehmer von Schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 cc) Ergebnis: Unternehmer für ehrenamtlich in Bildungs­ einrichtungen Tätige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 3. Unternehmer bei Tätigkeiten im öffentlichen Interesse . . . . . . . . . . 182 a) Heranziehung zur Unterstützung einer Diensthandlung oder als Zeuge, § 2 Abs. 1 Nr. 11 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 b) Nothilfe, § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 aa) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Haftungsbeschränkung bei Nothilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 (1) Das Urteil vom 20. März 1979 – VI ZR 14 / 78 . . . . . . 184 (2) Das Urteil vom 2. Dezember 1980 – VI ZR 265 / 78 . . 185 (3) Das Urteil vom 24. Januar 2006 – VI ZR 290 / 04 . . . . 186 bb) Existenz eines Unternehmers bei der Nothilfe . . . . . . . . . . . 187 (1) Gefahrverursacher als Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (2) Gefährdeter als Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 (a) Weiter Begriff des Unternehmens in der gesetzlichen Unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . 189 (b) Unternehmereigenschaft ohne Kenntnis vom Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

14 Inhaltsverzeichnis (c) Weiter Unternehmerbegriff als Folge des weiten Unternehmensbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 (d) Hilfeleistung bei gemeiner Gefahr oder Not . . . . . . 194 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 c) Persönlicher Einsatz zugunsten eines widerrechtlich Angegriffenen, § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. c Var. 2 SGB VII . . . . . . . . 197 d) Persönlicher Einsatz bei Verfolgung und Festnahme, § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. c Var. 1 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 e) Blut-, Organ- und Gewebespende, § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. b SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 f) Ergebnis: Unternehmer bei Tätigkeiten im öffentlichen ­Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 4. Unternehmer bei privaten, ausnahmsweise versicherten Tätigkeiten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 a) Untersuchungen, Prüfungen oder ähnliche Maßnahmen, § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 b) Meldepflichtige im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII . . 205 aa) Ehemaliger oder potentieller neuer Arbeitgeber als ­Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 bb) Bundesagentur für Arbeit als Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . 207 c) Pflegepersonen, § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII  . . . . . . . . . . . . . . . . 209 5. Ergebnis: Existenz eines Unternehmers in der unechten ­Unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 III. Ausnahme von der Beschränkung der Unternehmerhaftung im Wege der teleologischen Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 1. Vorübergehende Tätigkeiten ohne das Risiko der Gefährdung des Betriebsfriedens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 a) Nothilfe und verwandte Tatbestände, § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a und c Var. 2 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . 212 b) Blut-, Organ- und Gewebespende, § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. b SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 c) Persönlicher Einsatz bei Verfolgung und Festnahme, § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. c Var. 1 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 d) Andere vorübergehende oder einmalige Tätigkeiten . . . . . . . . . . 215 2. Finanzierung der Unfallversicherung aus Steuermitteln . . . . . . . . . . 216 a) Untersuchungen, Prüfungen oder ähnliche Maßnahmen, § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 b) Kindergartenkinder, Schüler und Studierende, § 2 Abs. 1 Nr. 8 SGB VII, sowie Pflegepersonen, § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 c) Selbsthilfe im Wohnungsbau, § 2 Abs. 1 Nr. 16 SGB VII . . . . . 218 3. Möglichkeit der teleologischen Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 IV. Ergebnis: § 104 SGB VII in den Fällen der unechten Unfall­ versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

Inhaltsverzeichnis15 C. Beschränkung der Haftung anderer im Betrieb tätiger Personen: Die Regelung des § 105 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 I. Die Beschränkung der Haftung betrieblich tätiger Personen, § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 1. Beschränkung auf Beschäftigung und vergleichbare Tatbestände durch die Verwendung des Begriffes „Betrieb“ . . . . . . . . . . . . . . . . 223 2. § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII als Ergänzung des innerbetrieblichen Schadensausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 3. Begriff der betrieblichen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 a) Die betriebliche Tätigkeit als Synonym für die versicherte Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 b) Betriebliche Tätigkeit und Sinn und Zweck der Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 aa) Wahrung des Betriebsfriedens als Zweck des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII: Betriebliche Tätigkeit als Tätigkeit innerhalb eines „friedlichen Betriebs“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 bb) Der Begriff der Gefahrengemeinschaft und ihr Schutz durch § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 (1) Gefahrengemeinschaft im Sinne des Versicherungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 (2) Gefahrengemeinschaft und Haftungsbeschränkung als gegenseitige Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 (3) Weites Verständnis der Gefahrengemeinschaft als tatsächlicher Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 cc) Vereinbarkeit der Ausweitung mit Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . 243 (1) Ungleichbehandlung verschiedener Schädiger abhängig von der Person des Geschädigten  . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (2) Ungleichbehandlung nicht versicherter Schädiger und Geschädigter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 c) Ergebnis: Von § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII erfasste Schädiger in der unechten Unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 4. Von § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII erfasste Geschädigte . . . . . . . . . . . 247 5. Ergebnis zu § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 II. Schädigung von Beamten, § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII . . . . . . . . . . . . . 249 1. Die Schädigung eines Beamten in den Fällen der unechten Unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 a) Beispiele und Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 b) Das Verhältnis von § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII und § 46 Abs. 2 BeamtVG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 2. Folgen der Anwendung des § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII bei grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Schädigung  . . . . . . . . . . . . . . . 253 3. Ergebnis zu § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 III. Die Haftungsbeschränkung bei Schädigung eines nicht versicherten Unternehmers, § 105 Abs. 2 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254

16 Inhaltsverzeichnis 1. Quasi-Versicherungsfall des nicht versicherten Unternehmers in den Fällen der unechten Unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 2. Verletzung eines nicht versicherten Unternehmers in der unechten Unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 a) § 105 Abs. 2 SGB VII als auf gewerbliche Unternehmer ­zugeschnittene Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 b) Haftungsbeschränkung zulasten des nicht versicherten privaten ­Unternehmers zur Verhinderung von Zufällen . . . . . . . . . . . . . . . 259 c) Haftungsbeschränkung nur bei Beitragszahlung . . . . . . . . . . . . . 261 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 3. Verfassungsmäßigkeit des § 105 Abs. 2 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . 263 a) Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG wegen Ungleichbehandlung versicherter und nicht versicherter Unternehmer . . . . . . . . . . . . . 264 aa) Legitimer Zweck, Geeignetheit und Erforderlichkeit . . . . . . 264 bb) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 b) Ungleichbehandlung von nicht versicherten Unternehmern und beitragsfrei Versicherten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 4. Ergebnis zu § 105 Abs. 2 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 IV. § 105 SGB VII in den Fällen der unechten U ­ nfallversicherung . . . . . . 267 D. Beschränkung der Haftung anderer Personen: Die Regelung des § 106 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 I. Haftungsbeschränkung in Bildungseinrichtungen, § 106 Abs. 1 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 1. Beschränkung der Haftung der Versicherten untereinander, § 106 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII: Begrenzung auf Versicherte desselben Unternehmens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 a) Umfassender Frieden und Schutzbedürftigkeit der genannten Versicherten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 b) Haftung im Verhältnis der verschiedenen Versichertengruppen ­untereinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 2. Begriff des Unternehmens in § 106 Abs. 1 SGB VII . . . . . . . . . . . . 273 a) Die Bildungseinrichtung als Unternehmen  . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 b) Räumliche Einheit mehrerer Bildungseinrichtungen . . . . . . . . . . 275 c) Schulen als gemeinsames Unternehmen zweier Unternehmer . . 276 3. Die Betriebsangehörigen der Bildungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . 278 a) Weite Auslegung des Begriffs im Schulbereich . . . . . . . . . . . . . 278 b) Nichtversicherte als Betriebsangehörige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 c) Verbleibende Lücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 4. Ergebnis zu § 106 Abs. 1 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 II. Haftungsbeschränkungen bei Pflegetätigkeiten, § 106 Abs. 2 SGB VII . 283 III. Haftungsbeschränkung bei gemeinsamem Tätigwerden, § 106 Abs. 3 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286

Inhaltsverzeichnis17 1. Zusammenwirken von Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen und von Unternehmen des Zivilschutzes, § 106 Abs. 3 Var. 1 und 2 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 a) Zusammenhang mit und Unterschiede zu § 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 b) Haftungsbeschränkung für Nothelfer nach § 106 Abs. 3 Var. 1 und 2 SGB VII? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 2. Vorübergehende betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte, § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 a) Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 b) Die Stellung des Unternehmers im Fall von § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 c) Notwendigkeit der Versicherteneigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 3. Analoge Anwendbarkeit des § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII auf andere Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 a) Analoge Anwendbarkeit auf Bildungseinrichtungen . . . . . . . . . . 297 b) Analoge Anwendbarkeit auf andere Fälle der unechten Unfallversicherung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 4. Ergebnis zu § 106 Abs. 3 SGB VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 E. Keine Haftungsbeschränkung bei Vorsatz und Wegeunfall . . . . . . . . . . . 301 I. Haftung bei vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls . . . . . 302 1. Vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls . . . . . . . . . . . . . . 302 2. Sonderfall: Vorsätzliche Schädigung unter Schülern . . . . . . . . . . . . 305 II. Haftung bei Herbeiführung auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 1. Auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg . 307 a) Auffassung der Rechtsprechung: Gleichlauf von „Teilnahme am allgemeinen Verkehr“ und „nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versichertem Weg“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 b) Gegenteilige Auffassung: Wegfall der Haftungsbeschränkung auf allen Wegen von und nach dem Ort der Tätigkeit . . . . . . . . 310 c) Betrieblich organisierte Wege als nach § 8 Abs. 1 SGB VII versicherte Wege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 aa) Betrieblich organisierte Wege als Betriebswege? . . . . . . . . . 311 bb) Der Weg von und nach dem Ort der versicherten Tätigkeit im Sinne von § 8 Abs. 2 SGB VII als private Verrichtung des Versicherten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 d) Zwischenergebnis zur Herbeiführung auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 2. Besonderheiten in der Schülerunfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . 315 3. Existenz des Wegeunfalls bei besonderen Versicherungstat­ beständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 a) Weg von und nach dem Ort der versicherten Tätigkeit bei spontanen Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318

18 Inhaltsverzeichnis aa) Unfälle auf dem Weg nach dem Ort der versicherten Tätigkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 bb) Unfälle auf dem Weg von dem Ort der versicherten Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 b) Versicherte Tätigkeiten, die ein Aufsuchen voraussetzen . . . . . . 321 III. Ergebnis zum Wegfall der Haftungsbeschränkung in der unechten Unfallversicherung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 F. Die unfallversicherungsrechtliche Haftungsbeschränkung in den Fällen der unechten Unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323

Kapitel 3



Die unechte Unfallversicherung als Unfallversicherung

327

A. Kompetenz des Bundes zur gesetzlichen Regelung der unechten ­Unfallversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 I. Gesetzgebungskompetenz aus § 74 Abs. 1 Nr. 12 GG . . . . . . . . . . . . . 328 1. Die Unfallversicherung als Sozialversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 2. Maßgeblichkeit der Beitragsfinanzierung für das Vorliegen von Sozialversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 3. Die unechte Unfallversicherung als Sozialversicherung . . . . . . . . . . 336 II. Bundeskompetenz für die übrigen Tatbestände der unechten ­Unfallversicherung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 1. Öffentliche Fürsorge, Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 2. Unfallversicherungsschutz für Nothelfer und sich persönlich ­Einsetzende als Annex zur Regelung des Strafrechts? . . . . . . . . . . . 341 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 B. Regelung der unechten Unfallversicherung als soziale Entschädigung? . 343 Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373

Abkürzungen BPUVZ Zeitschrift für betriebliche Prävention und Unfallversicherung DW

Die Wohnungswirtschaft

FPR

Familie, Partnerschaft, Recht

ZIS

Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik

Wegen der übrigen im Text und in den Fußnoten verwendeten Abkürzungen wird, soweit diese nicht ohnehin üblich und allgemeinverständlich sind, auf Kirchner, Hildebert, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 6. Aufl., Berlin 2008, verwiesen.

Einleitung Die gesetzliche Unfallversicherung beruht seit jeher auf zwei tragenden Grundprinzipien: dem sozialen Schutzprinzip und dem Prinzip der Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz.1 Sie wurde aus dem Bedürfnis geboren, der als schutzwürdig angesehenen arbeitenden Bevölkerung bei Arbeitsunfällen einen angemessenen Ersatz zukommen zu lassen. Zugleich sollte der Arbeitgeber von einer zivilrechtlichen Haftung freigestellt werden. Das soziale Schutzprinzip betont den primären Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung, die Schutz gewährt vor Gefahren, die in einem inneren Zusammenhang mit versicherten Tätigkeiten stehen, und Schäden ersetzt, die ursächlich auf diese Tätigkeiten zurückzuführen sind. Hauptanwendungsfall sind dabei Gefahren und Schäden im Zusammenhang mit der Verrichtung nichtselbstständiger Arbeit im Rahmen der Beschäftigung. Dabei kommt es für die Leistungen der Unfallversicherung nicht auf die im Zivilrecht maßgebliche Frage nach dem Verschulden an, sondern der Anspruch aus dem Unfallversicherungsverhältnis besteht unabhängig davon, ob der Unfall von einem Dritten verschuldet wurde, solange er kausal auf einer versicherten Tätigkeit beruht.2 Damit entfernt sich die Unfallversicherung weit vom zivilrechtlichen Schadensersatzrecht, wo das Verschulden eine maßgebliche Rolle spielt. Daneben hängen zivilrechtliche Schadensersatzpflicht und Unfallversicherung aber auch eng zusammen, denn die Ansprüche gegen den Unfallversicherungsträger lösen eventuelle zivilrechtliche Schadensersatzansprüche ab (Prinzip der Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz). Auch dieses Prinzip wohnt der Unfallversicherung seit ihrer Schaffung inne: Schon nach der Regelung des Unfallversicherungsgesetzes aus dem Jahr 1  BVerfGE 34, 118 (129 f.). – Grundlegend zu diesen Prinzipien Gitter, Schadens­ ausgleich im Arbeitsunfallrecht, S. 38 ff.; zustimmend beispielsweise Gitter / Nunius, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 5 Rn. 43 ff.; Rolfs, Haftung unter Arbeitskollegen, S. 2 ff.; Schiller, Die Problematik des Schmerzensgeldausschlusses, S.  7 ff.; Schlaeger, in: Schlaeger / Linder, § 1 Rn. 9 ff.; Schmitt, in: Sozialrechtshandbuch, § 16 Rn. 3; Waltermann, VSSR 2005, S. 103 (105); zuvor schon Jantz, in: FS Lauterbach, S. 15 (16); ebenso Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, S. 506; Tischendorf, VersR 2002, S. 1188 (1188). 2  So genanntes Kausalitätsprinzip; vgl. dazu ausführlich Watermann, in: FS Lauterbach, S. 129 (129 ff.).

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1884 war die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Arbeitnehmer gegen die Unternehmer grundsätzlich ausgeschlossen.3 Heute ist dieses Prinzip in den §§ 104, 105 und 106 SGB VII gesetzlich festgeschrieben. Der Versicherte hat grundsätzlich keinen Anspruch gegen den Schädiger, dessen Haftung beschränkt ist auf die vorsätzliche Schadensverursachung und die Verursachung auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg. An die Stelle des Schädigers tritt die Unfallversicherung als liquider, finanziell starker Schuldner. Die Ablösung der Haftpflicht zunächst des Unternehmers, später dann auch anderer betrieblich Tätiger, sollte innerbetriebliche Konfliktsituationen vermeiden und so den Betriebsfrieden wahren.4 Aufbauend auf dem sozialen Schutzprinzip wurde die gesetzliche Unfallversicherung über die Jahre erweitert. War der Unfallversicherungsschutz ursprünglich beschränkt auf Arbeiter in als besonders gefährlich angesehenen Betrieben, wurde der Anwendungsbereich immer weiter ausgedehnt, bis schließlich aus der Betriebsversicherung eine Personenversicherung wurde, d. h. alle aufgrund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses Beschäftigten gegen Arbeitsunfall versichert waren.5 Über die Beschäftigten hinaus wurde jedoch über die Jahre ein vielschichtiger Personenkreis ebenfalls in die Unfallversicherung aufgenommen, bei dem keine oder nur eine geringe Verbindung mit der Verrichtung nichtselbstständiger Arbeit besteht. Versichert sind neben Tätigkeiten im öffentlichen Interesse wie der Nothilfe bei 3  Nach § 95 Abs. 1 UVG konnten die Arbeiter und ihre Hinterbliebenen nur dann einen Schadensersatzanspruch gegen den Unternehmer geltend machen, wenn durch ein strafgerichtliches Urteil festgestellt worden war, dass dieser den Unfall vorsätzlich verursacht hatte. Doch selbst bei Vorsatz bestand der Anspruch nicht in voller Höhe, sondern umfasste nach § 95 Abs. 2 UVG lediglich die so genannten Schadensspitzen, also die Differenz zwischen den den Arbeitern aus der Unfallversicherung zukommenden Leistungen und der ihnen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zustehenden Entschädigung. 4  Vgl. wiederum die Begründung zum dritten Entwurf des Unfallversicherungsgesetzes, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages 1884, Band 3, S. 89: „Neben der Sicherung der Arbeiter (…) verfolgt der Entwurf das Ziel, alle Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern über Entschädigungsansprüche, welche den letzteren aus Unfällen erwachsen, zu beseitigen“. Auch bei Einführung der Haftungsbeschränkung der Versicherten untereinander verwies der Gesetzgeber auf den Betriebsfrieden; vgl. die Begründung zum Entwurf des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes, BT-Drucks. 4 / 120, S. 62 f.: „Aber auch die Haftung der übrigen Betriebsangehörigen auf Schadensersatz muß im Interesse der Aufrechterhaltung des Betriebsfriedens dann ausgeschlossen werden, wenn der Schädiger den Unfall bei Ausführung einer betrieblichen Tätigkeit verursacht hat.“ 5  Der Übergang von der Betriebs- zur Personenversicherung erfolgte mit dem Sechsten Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom 9. März 1942 (RGBl. I 1942, S. 107 ff.).

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einem Unglücksfall oder der Tätigkeit als Zeuge auch eigennützige Tätigkeiten, beispielsweise der Schulbesuch oder die Teilnahme an Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation. Für diese Versicherten, die der Gesetzgeber als ähnlich schutzbedürftig ansah wie die Beschäftigten, hat sich der Begriff der „unechten Unfallversicherung“ eingebürgert.6 Der Kreis der außerhalb des Gebiets der abhängigen Arbeit versicherten Personen folgt keinem einheitlichen Konzept. Es fehlt an grundlegenden, systemprägenden Prinzipien.7 Versichert sind so unterschiedliche Tätigkeiten wie die Nothilfe, das Studium an einer Hochschule, das Erhalten von Leistungen medizinischer Rehabilitation oder die Blutspende. Zudem berührt die Frage der unfallversicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkung zwei Rechtsgebiete. Bei der Frage, ob ein Versicherungsfall eingetreten ist, handelt es sich um eine rein sozialrechtliche Frage, die jedoch aufgrund des Zusammenhangs mit der Geltendmachung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche auch im Zivilrecht eine Rolle spielt. Daher wird bisweilen die Befürchtung geäußert, dass ein Anwendungsfall der unfallversicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkung nicht als solcher erkannt werde.8 Insbesondere die zivilrechtlichen Instanzgerichte zögen „mangels Spezialisierung und dadurch gegebener Sensibilisierung für derartige Verwicklungen“ das Eingreifen der §§ 104 ff. SGB VII überhaupt nicht 6  Vgl. beispielsweise Axer, in: Handbuch des Staatsrechts IV, § 95 Rn. 37; Becker, in: Sozialrechtshandbuch, § 13 Rn. 30; Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 8; Bley, ZSR 1974, S. 193 (193 ff.); Bulla, SGB 2007, S. 653 (657); Butzer, in: FS Scharf, S. 119 (122); Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, S. 537; Gitter, BB Beilage 1998, Nr. 6, S. 1 (3); Gitter / Nunius, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 7 Rn. 1 ff.; Krasney, in: GS Heinze, S. 529 (530); Lülf, Die unechte Unfallversicherung, S. 1 ff.; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 9, 92; Müller-Volbehr, ZRP 1982, S. 270 (271 f.); Plagemann, in: Plagemann / RadtkeSchwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 36; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, Vorbemerkungen zu §§ 2–6 Rn. 2; Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 3; Rüfner, ZSR 1973, S. 565 (568); Schmitt, in: Sozialrechtshandbuch, § 16 Rn. 4; Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 1 ff.; Seewald, in: FS Watermann, S. 161 (161 ff.); Steinmeyer, in: Sozialrechtshandbuch, § 32 Rn. 99; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 243, 256. 7  So ausdrücklich Gitter, BB Beilage 1998, Nr. 6, S. 1 (3). 8  Zu dieser Problematik ausführlich Lemcke, in: Brennpunkte des Sozialrechts 1995, S. 165 (165 ff.), mit Beispielen für „wunderliche Prozeßsituationen“, die sich aus dem Zusammenspiel von Unfallversicherungsrecht und zivilrechtlichem Schadensrecht ergeben. Lepa, VersR 1985, S. 8 (8), beklagt, dem Institut der unfallversicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkung sei es in den 100 Jahren seiner Existenz „nicht gelungen, in der Gedankenwelt der Ziviljuristen einen festen und anerkannten Platz zu finden“; vgl. auch Hebeler, SozVers 2001, S. 169 (169); Krasney, NZV 1989, S. 369 (370).

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in Betracht.9 Auch Schädiger und Geschädigtem könnte häufig nicht bewusst sein, dass ein Versicherungsfall der gesetzlichen Unfallversicherung eingetreten ist und eventuelle zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nach den Vorschriften über die unfallversicherungsrechtliche Haftungsbeschränkung ausgeschlossen sein könnten. Während die Frage der unfallversicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkung im Bereich des Arbeitslebens über die Jahre hinweg häufig ausführlich diskutiert wurde,10 fehlt es an einer Befassung mit der Frage der Haftungsbeschränkung auf dem Gebiet der unechten Unfallversicherung. Ob auch hier noch ein Zusammenspiel des sozialen Schutzprinzips mit dem Prinzip der Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz besteht, oder ob sich der Gesetzgeber bei der Schaffung der unechten Unfallversicherung vom Prinzip der Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz entfernt hat, ist Gegenstand dieser Arbeit. Obwohl der Begriff der unechten Unfallversicherung sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung häufig verwendet wird, besteht keine einheitliche Auffassung, wodurch sich diese Versicherten auszeichnen sollen. Unzweifelhaft ist lediglich, dass die nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Beschäftigten den Kern der echten Unfallversicherung darstellen. Daher bedarf es zunächst einer eingehenden Untersuchung des in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personenkreises, um die Frage beantworten zu können, ob im konkreten Fall ein Tatbestand der unechten Unfallversicherung gegeben ist, oder ob eine Nähe zum Arbeitsleben und zum Tatbestand der Beschäftigung besteht, die eine Einordnung in die echte Unfallversicherung rechtfertigt. Diese Frage ist Gegenstand des ersten Kapitels. Dabei wird zunächst auf die Begriffe der „echten“ und der „unechten“ Unfallversicherung (Teil A) und die in der Literatur üblicherweise angeführten Abgrenzungskriterien (Teil B) eingegangen. In einem dritten Schritt (Teil C) werden dann die einzelnen Tatbestände des § 2 SGB VII auf ihre Zugehörigkeit zu der einen oder anderen Gruppe untersucht. Das zweite Kapitel befasst sich mit der Frage der Haftungsbeschränkung im Bereich der unechten Unfallversicherung. Hier ist zunächst festzustellen, ob die Beschränkung der Haftung unter Ausschluss aller zivilrechtlichen 9  Waltermann, in: FS 50 Jahre BSG, S. 571 (581), der diese Problematik insbesondere für versicherte Tätigkeiten im privaten Bereich sieht. Für die unechte Unfallversicherung kann jedoch nichts anderes gelten. 10  Vgl. insbesondere die tiefgehende Bearbeitung von Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden; daneben aus jüngerer Zeit beispielsweise, um nur wenige zu nennen, die ausführlichen Veröffentlichungen von Brose, RdA 2011, S. 205; Gamperl, NZV 2001, S. 401; von Koppenfels-Spies, NZS 2006, S. 561; Krasney, NZS 2004, S. 7 (Teil 1), S. 68 (Teil 2); Maschmann, SGb 1998, S. 54; Rolfs, DB 2001, S. 2294; Waltermann, NJW 2004, S. 901.

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Ansprüche, insbesondere auch des Anspruchs auf Schmerzensgeld, mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist (Teil A). Während Bundesverfassungsgericht11 und Bundesgerichtshof12 dies bejahen, findet sich in der Literatur zunehmend Kritik an dieser Regelung.13 Teil B des zweiten Kapitels beschäftigt sich mit der Frage der Haftungsbeschränkung des Unternehmers in den Fällen der unechten Unfallversicherung. Hier ist zunächst der Frage nachzugehen, wer jeweils als Unternehmer anzusehen ist. Insbesondere in den Fällen, in denen Tätigkeiten im öffent­ lichen Interesse versichert sind, von denen nur oder auch die Allgemeinheit profitiert, bedarf dies einer näheren Betrachtung. Im Hinblick auf den Sinn und Zweck der beschränkten Unternehmerhaftung einerseits und der Versicherungstatbestände andererseits muss zudem überlegt werden, ob von der Haftungsbeschränkung unter teleologischen Gesichtspunkten eine Ausnahme gemacht werden kann. Nach § 105 SGB VII wird die Haftung betrieblich Tätiger untereinander beschränkt. Während § 104 SGB VII die Haftungsbeschränkung zugunsten des Unternehmers bis auf wenige Ausnahmen entsprechend dem Recht der RVO geregelt hat, wurde die Haftungsbeschränkung der betrieblich Tätigen untereinander bei der Einfügung der Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch in mehreren Punkten neu geregelt. Teil C des zweiten Kapitels geht daher der Frage nach, welche Auswirkungen diese neue Fassung auf das Gebiet der unechten Unfallversicherung hat. Dabei muss zunächst die Frage beantwortet werden, ob die Vorschrift hier überhaupt Anwendung findet,14 und wenn ja, ob dies ausnahmslos alle Versicherten betrifft. Danach ist zu klären, in welchen Fällen der unechten Unfallversicherung eine Haftungsbeschränkung bei Schädigung eines versicherungsfreien Beamten (§  105 Abs. 1 S. 2 SGB VII) oder eines nicht versicherten Unternehmers (§ 105 Abs. 2 SGB VII) möglich und angemessen ist. § 106 SGB VII trifft in den ersten beiden Absätzen gesonderte Regelungen für Tatbestände, die im Ergebnis der unechten Unfallversicherung zuzuordnen sind. Diese Vorschriften werden daher in Teil D des zweiten Kapitels einer eingehenden Prüfung unterzogen. Daneben beschränkt § 106 11  BVerfGE

34, 118; BVerfG, SozR 3-2200 § 636 Nr. 1; BVerfGK 15, 156. NJW 2009, S. 2956. 13  Vgl. beispielsweise Bogs, in: FS Gitter, S. 123 (129); Brose, RdA 2001, S. 205 (219); Ebert, jurisPR-BGHZivilR 14  /  2009, Anm. 2; Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 413; Fuhlrott, NZS 2007, S. 237 (242); Richardi, NZA 2002, S. 1004 (1009); Schwab, AiB 2004, S. 770 (771); kritisch auch Ebers, NJW 2003, S. 2655 (2656 f.). 14  Dies verneinen wohl Schmidt, BB 2002, S. 1859 (1859); Waltermann, NJW 2002, S. 1225 (1226); bezogen auf die Vorgängernorm auch Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 38 f. 12  BGH,

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Abs. 3 SGB VII die Haftung bei Aufeinandertreffen von Versicherten mehrerer Unternehmen. Hier stellt sich wiederum die Frage der Anwendungsfälle im Bereich der unechten Unfallversicherung. Teil E des zweiten Kapitels geht schließlich auf die Fälle ein, in denen das Gesetz eine Ausnahme vom Grundsatz der Haftungsbeschränkung anordnet. Hinsichtlich der vorsätzlichen Verursachung des Versicherungsfalls liegt dabei das Augenmerk insbesondere auf der Schülerunfallversicherung, wo aufgrund des jugendtypischen Gruppenverhaltens strenge Anforderungen an die Bejahung des Vorsatzes gelegt werden: Während die Zufügung von Schmerzen in der Regel billigend in Kauf genommen werde, sei im Normalfall die Zufügung von dauerhaften, ernsthaften Verletzungen nicht beabsichtigt.15 Die Frage der Herbeiführung eines Versicherungsfalls auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg, bei der ebenfalls eine Ausnahme vom Grundsatz der Haftungsbeschränkung eintritt, spielt ebenfalls eine Rolle im Bereich der Schülerunfallversicherung. Daneben muss der Frage nachgegangen werden, ob sich gegenüber der Vorgängerregelung eine inhaltliche Änderung ergeben hat.16 Schließlich ist das Vorliegen eines versicherten Weges auch von Interesse im Hinblick auf versicherte spontane Tätigkeiten oder bei Versicherungstatbeständen, bei denen die versicherte Tätigkeit ein Aufsuchen voraussetzt. Das dritte und letzte Kapitel beantwortet auf der Grundlage der in den vorhergehenden Kapiteln gewonnenen Erkenntnisse die Frage, ob die unechte Unfallversicherung zu Recht im SGB VII geregelt wurde. In diesem Zusammenhang wird häufig auf die fehlende Kompetenz des Bundesgesetzgebers zur Regelung der unechten Unfallversicherung hingewiesen,17 die es 15  BGHZ 75, 328 (333); zustimmend Diederichsen, VersR 2006, S. 293 (295); Falkenkötter, NZS 1999, S. 379 (380); Lemcke, in: Brennpunkte des Sozialrechts 1995, S. 165 (185); Rolfs, VersR 1996, S. 1194 (1199); Rolfs / Dieckmann, VersR 2010, S. 296 (300); Waltermann, NJW 2004, S. 901 (906); Waltermann, in: FS 50 Jahre BSG, S. 571 (589); Wolber, SozVers 1978, S. 294 (295). 16  Unter der Geltung der §§ 636, 637 RVO war die Haftungsbeschränkung nicht bei der Herbeiführung auf einem versicherten Weg ausgeschlossen, sondern bei der Herbeiführung bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr. Der Bundesgerichtshof (BGHZ 145, 311) und das Bundesarbeitsgericht (BAGE 108, 206) gehen davon aus, dass mit der neuen Formulierung keine inhaltliche Änderung eingetreten sei. 17  Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, S.  537; Gitter / Nunius, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 4 Rn. 19 f.; Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 384; Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S. 48; Krohn, in: FS Lauterbach, S. 23 (33); Maunz, in: Maunz /  Dürig, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 173; Weber, in: FS Möller, S. 499 (505); zweifelnd auch Stecher, Unfallversicherung für Schüler, Studierende und Kinder, S. 99 ff.

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daher zu untersuchen gilt. Sofern die Bundeskompetenz bejaht werden kann, ist zu überlegen, ob die Tatbestände der unechten Unfallversicherung generell oder zumindest teilweise nicht besser in Form der sozialen Entschädigung geregelt würden und zu diesem Zweck aus dem Unfallversicherungsrecht herauszunehmen sind. Maßgeblich hierfür ist die Feststellung, ob die unechte Unfallversicherung lediglich auf dem sozialen Schutzprinzip beruht, d. h. es lediglich um die Gewährung von sozialer Sicherung für als schutzwürdig angesehene Personen ging, oder ob auch bei diesen Tatbeständen die Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz eine Rolle spielt und eine Regelung im Unfallversicherungsrecht rechtfertigt.

Kapitel 1

Die unechte Unfallversicherung A. „Echte“ und „unechte“ Unfallversicherung Die Unfallversicherung ist zunächst – wie die übrigen Zweige der Sozialversicherung auch – eine Versicherung der Beschäftigten. Dies ergibt sich zunächst aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV, nach dem in allen Zweigen der Sozialversicherung Personen versichert sind, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind, zum anderen aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, wo zuvorderst die Beschäftigten als kraft Gesetzes in der Unfallversicherung Versicherte angeführt werden. Daneben sind nach § 2 SGB VII jedoch auch Personen versichert, bei denen keine Verbindung zu einer Beschäftigung erkennbar ist. Für diese Versicherten hat sich der Begriff der „unechten Unfallversicherung“ eingebürgert.1 Allerdings besteht Einigkeit weder darüber, welche Personengruppen zur unechten Unfallversicherung gehören, noch darüber, worin der Unterschied zwischen der echten und der unechten Unfallversicherung besteht. So stellen einige Stimmen darauf ab, dass der unechten Unfallversicherung alle diejenigen Versicherten zuzuordnen sind, die nicht Beschäftigte sind, sodass der Kreis der unechten Unfallversicherung alle anderen nach § 2 Abs. 1 SGB VII versicherten Personengruppen umfassen soll.2 Andere differenzie1  Vgl. beispielsweise Axer, in: Handbuch des Staatsrechts IV, § 95 Rn. 37; Becker, in: Sozialrechtshandbuch, § 13 Rn. 30; Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 8; Bley, ZSR 1974, S. 193 (193 ff.); Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Butzer, in: FS Scharf, S. 119 (122); Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, S. 537; Gitter, BB Beilage 1998, Nr. 6, S. 1 (3); Gitter / Nunius, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 7 Rn. 1 ff.; Krasney, in: GS Heinze, S. 529 (530); Lülf, Die unechte Unfallversicherung, S. 1 ff.; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetz­ liche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 9, 92; Müller-Volbehr, ZRP 1982, S. 270 (271  f.); Plagemann, in: Plagemann / RadtkeSchwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 36; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, Vorbemerkungen zu §§ 2–6 Rn. 2; Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 3; Rüfner, ZSR 1973, S. 565 (568); Schmitt, in: Sozialrechtshandbuch, § 16 Rn. 4; Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 1 ff.; Seewald, in: FS Watermann, S.  161 (161 ff.); Steinmeyer, in: Sozialrechtshandbuch, § 32 Rn. 99; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 243, 256; Zacher, Abhandlungen zum Sozialrecht, S. 473 (479). 2  Plagemann, in: Plagemann / Radtke-Schwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 36; wohl auch Papier / Möller, NZS 1998, S. 353 (356).



A. „Echte“ und „unechte“ Unfallversicherung29

ren danach, ob bei den jeweiligen Versicherten ein Bezug zum Arbeitsleben besteht, wobei dann einzelne Personengruppen des § 2 Abs. 1 SGB VII der einen oder der anderen Kategorie zugeordnet werden.3 Ganz enge Betrachtungen beschränken den Bereich der unechten Unfallversicherung auf die Tatbestände des § 2 Abs. 1 Nr. 11, 12 und 13 SGB VII, d. h. fassen nur als Zeugen oder zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogene Personen, ehrenamtlich in Unglückshilfeunternehmen Tätige, Nothelfer, Blutspender und sich persönlich Einsetzende darunter.4 Häufig wird die Unterscheidung auch nicht an inhaltlichen Kriterien festgemacht, sondern an der Gesetzessystematik, sodass der erste Teil der nach § 2 Abs. 1 SGB VII ­ versicherten Personengruppen zur echten und der zweite zur unechten Unfallversicherung gezählt wird. Die Trennlinie wird dabei entweder bei den Kindergartenkindern, Schülern und Studierenden, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 SGB VII versichert sind,5 oder bei den nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII versicherten ehrenamtlich im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege Tätigen6 gezogen. Unzweifelhaft ist lediglich, dass die Beschäftigten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII zur echten Unfallversicherung gehören. Ursache dieser Uneinigkeit ist das Fehlen einer eindeutigen Beschreibung der unechten Unfallversicherung. So liest man in der Regel, der Kreis der versicherten Personen sei erweitert worden um solche, für die der Gesetzgeber aufgrund ihrer sozialen Schutzbedürftigkeit eine gesetzliche Absicherung in Form einer Pflichtversicherung einführen wollte,7 oder die unechte Unfallversicherung umfasse Personen, die im Allgemeininteresse tätig würden.8 Diese umschreibenden Kriterien mögen zwar einen Hinweis geben, 3  Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 8; Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 3. – Schmitt, in: Sozialrechtshandbuch, § 16 Rn. 22, nimmt beispielsweise die Meldepflichtigen (§ 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII) aus dem Kreis der unechten Unfallversicherung heraus; Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, S. 534, zählen die Schüler zur echten Unfallversicherung; nach Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 8.1, besteht ein Zusammenhang zum Arbeitsleben bei Untersuchungen und Prüfungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII. 4  Klatt, in: Berchtold / Richter, Prozesse in Sozialsachen, § 13 Rn. 33 ff. 5  Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256. 6  Feddern, in: jurisPK SGB VII, § 93 Rn. 14. 7  So beispielsweise Axer, in: Handbuch des Staatsrechts IV, §  95 Rn. 37; Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, S. 537; Gitter / Nunius, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 7 Rn. 4; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Schmitt, in: Sozialrechtshandbuch, § 16 Rn. 31. 8  So beispielsweise Axer, in: Handbuch des Staatsrechts IV, § 95 Rn. 37; Axer, in: FS Listl, S. 587 (601); Riebel, in: Hauck  /  Noftz SGB VII, § 2 Rn. 3; ebenso

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

welche Gesichtspunkte maßgeblich sein können, taugen jedoch nicht für eine eindeutige Zuordnung der einzelnen Personengruppen des § 2 Abs. 1 SGB VII in die eine oder andere „Gattung“ der Unfallversicherung. Erkennbar ist dies schon daran, dass beispielsweise das Allgemeininteresse an der Tätigkeit der Nothelfer noch eindeutig gegeben sein mag, bei einem Kind in einer Kindertagesstätte jedoch bereits bezweifelt werden kann, und dennoch beide Tatbestände nahezu einhellig zur unechten Unfallversicherung gezählt werden.9 Zudem kann auch ein öffentliches Interesse an der Tätigkeit eines Beschäftigten bestehen, obwohl diese aufgrund arbeitsvertraglicher Verpflichtung verrichtet wird, beispielsweise an der eines Krankenpflegers. Dem Merkmal der sozialen Schutzbedürftigkeit hingegen fehlt bereits selbst die Eindeutigkeit, die für eine klare Abgrenzung erforderlich wäre, insbesondere da die gesamte Unfallversicherung geschaffen wurde, um die sozial schutzbedürftigen Beschäftigten gegen die Folgen von Betriebsunfällen zu abzusichern. Soziale Schutzbedürftigkeit ist daher kein Merkmal lediglich der „unecht Unfallversicherten“, sondern betrifft den gesamten in die Unfallversicherung aufgenommenen Personenkreis. Bisweilen wird die Existenz einer unechten Unfallversicherung auch gänzlich verneint; der Begriff sei herabsetzend und irreführend.10 Auch die Rechtsprechung vermeide eine Bezeichnung bestimmter Tatbestände als unechte Unfallversicherung, um nicht den Eindruck einer schwächeren Stellung dieser Versicherten zu erwecken.11 Zudem seien die Unfälle, die die ­ uckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 9, die jedoch selbst einräumen, dass dieses M Kriterium keine trennscharfe Abgrenzung ermöglicht. 9  Vgl. für die Nothelfer beispielsweise Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 9; Bley, ZSR 1974, S. 193 (218); Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 440; Krasney, in: FS Zacher, S. 407 (414); Mehrtens, in: BereiterHahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92; Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 3; Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 56; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256; für die Kinder in Kindertagesstätten beispielsweise Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 9; Bley, ZSR 1974, S. 193 (214); Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Gitter / Nunius, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 7 Rn. 6, 34; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92; Plagemann, in: Plagemann / Radtke-Schwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 36; Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 65; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256 f. 10  Becker, BG 2011, S. 224 (228). – Lauterbach / Watermann, in: FS Brackmann, S. 119 (126), sprechen von einer „Negativbezeichnung“; ebenso Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4. 11  Krasney, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 8 Rn. 18, 20; zustimmend Becker, BG 2011, S. 224 (228); Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 9; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4.



A. „Echte“ und „unechte“ Unfallversicherung31

betreffenden Personen erlitten, ebenso „echt“ wie die der Beschäftigten,12 ohne dass es darauf ankomme, ob die Tatbestände systemgerecht dem Recht der Unfallversicherung zugeordnet wurden.13 Dass die Rechtsprechung „sich aus diesem Streit herausgehalten“ und „die Bezeichnung ‚unechte UV‘ vermieden“ hat,14 ist jedoch nicht zutreffend. Auch das Bundessozialgericht15 und die Instanzgerichte16 scheinen davon auszugehen, dass es eine unechte Unfallversicherung gibt. Dass eine Zuordnung der einzelnen Versicherungstatbestände zu dieser in der Praxis meist unterbleibt, ist wohl darauf zurückzuführen, dass es für die Rechtsanwendung nur darauf ankommen kann, ob die entsprechende Tätigkeit versichert ist. Dennoch wurde auch die Zugehörigkeit einzelner Versichertengruppen zur unechten Unfallversicherung ausdrücklich festgestellt.17 12  Becker,

BG 2011, S. 224 (228); Schlaeger, in: Schlaeger / Linder, § 1 Rn. 16. in: GS Heinze, S. 529 (530); Krasney, in: FS Zacher, S. 407 (408). 14  Krasney, in: GS Heinze, S. 529 (530). 15  Vgl. beispielsweise BSGE 39, 130 (136); BSG, SozR 4-2700 § 2 Nr. 7 Rn. 16; BSG, SozR 4-2700 § 47 Nr. 6 Rn. 28. 16  Vgl. beispielsweise LSG Sachsen, Urteil vom 28. September 2000 – L 2 U 92 / 98; LSG Schleswig-Holstein, Breithaupt 2007, S. 302 (304); LSG NordrheinWestfalen, Urteil vom 18. Juni 2008 – L 17 U 123 / 07; LSG Hamburg, Urteil vom 11. Oktober 2011 – L 3 U 39 / 10; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Februar 2012 – L 2 U 230 / 11 B ER; SG Hamburg, Urteil vom 9. Dezember 2002 – S 36 U 500 / 00. 17  Nach BSG, SozR 3-3100 § 65 Nr. 3, S. 14, sind die Nothelfer im Sinne von § 539 Abs. 1 Nr. 9 lit. a RVO (heute: § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII) der unechten Unfallversicherung zuzuordnen. Nach BSG, SozR 3-2600 § 93 Nr. 3, S. 21, gilt dies ebenso für die Teilnehmer an Ausbildungsveranstaltungen im Zivilschutz oder von Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen nach § 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII, die Nothelfer nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII, die Blutspender nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. b SGB VII, die für eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ehrenamtlich Tätigen und Zeugen nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 und Nr. 11 lit. b SGB VII sowie die auf Kosten der Krankenkasse stationär Behandelten nach § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. a SGB VII. Die Versicherung für Personen, die aufgrund einer Heranziehung des Staates handeln (heute: § 2 Abs. 1 Nr. 11 lit. a SGB VII), wird vom Landessozialgericht Sachsen (Urteil vom 28. September 2000 – L 2 U 92 / 98) als unechte Unfallversicherung qualifiziert. Der Versicherungsschutz für Blutspender (§ 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. b SGB VII) ist nach dem Landessozialgericht Schleswig-Holstein (Breithaupt 2007, S. 302 (304)) Teil der unechten Unfallversicherung. Das Landessozialgericht BerlinBrandenburg (Beschluss vom 7. Februar 2012 – L 2 U 230 / 11 B ER) und das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 18. Juni 2008 – L 17 U 123 / 07) sprechen von der unechten Unfallversicherung im Zusammenhang mit unentgeltlich in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen Tätigen (§ 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII). Das Landessozialgericht Hamburg (Urteil vom 11. Oktober 2011 – L 3 U 39 / 10) bezeichnet die Schülerunfallversicherung als unechte Unfallversicherung. Das Sozialgericht Hamburg (Urteil vom 9. Dezember 2002 – S 36 U 500 / 00) nennt 13  Krasney,

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

Trotz der Verwendung auch in der Rechtsprechung ist der Begriff der unechten Unfallversicherung ein Begriff der Wissenschaft und hat sich dort durchgesetzt. Mit der Bezeichnung bestimmter, wenn auch uneinheitlicher Tatbestände als Tatbestände der „unechten Unfallversicherung“ wird eine Systematisierung der in die Unfallversicherung aufgenommenen Personen vorgenommen und werden diejenigen Tatbestände gekennzeichnet, die „systemgerecht nicht der Unfallversicherung zuzuordnen sind“18. Diese Differenzierung zwischen echter und unechter Unfallversicherung ermöglicht eine Abgrenzung innerhalb der Unfallversicherten und dient der dogmatischen Einteilung der Versicherten.19 Welche Tatbestände darunter zu fassen sind, soll nun im Einzelnen untersucht werden.

B. Unechte Unfallversicherung als ­steuerfinanzierte Versicherung in der Zuständigkeit der Versicherungsträger der öffentlichen Hand Als Abgrenzungskriterien von echter und unechter Unfallversicherung werden neben den wenig greifbaren Kriterien der sozialen Schutzbedürftigkeit der Versicherten und des öffentlichen Interesses an ihrer Tätigkeit in der Literatur in der Regel zwei Merkmale angeführt: Die unechte Unfallversicherung werde nicht aus Beiträgen, sondern aus Steuer- oder Haushaltsmitteln finanziert,20 und zuständige Unfallversicherungsträger seien nicht die Berufsgenossenschaften, sondern die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand.21

die selbstständig oder unentgeltlich in der Wohlfahrtspflege Tätigen (§ 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII) als Versicherte in der unechten Unfallversicherung. 18  Vgl. statt Vieler Bulla, SGb 2007, S. 653 (656); Krasney, in: GS Meinze, S. 529 (530); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4. 19  Gitter / Nunius, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 7 Rn. 62. 20  Axer, in: Handbuch des Staatsrechts IV, § 95 Rn. 37; Bulla, SGb 2007, S. 653 (656); Gitter, BB Beilage 1998, Nr. 6, S. 1 (3); Gitter / Nunius, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 7 Rn. 61, 66; Mehrtens, in: BereiterHahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Schlegel, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 13 Rn. 3; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 252. – Muckel / Ogorek, § 10 Rn. 11, gehen sogar einen Schritt weiter, indem sie aus der Zugehörigkeit zur unechten Unfallversicherung auf eine Finanzierung durch Steuermittel schließen, nicht – wie üblich angenommen – andersherum. 21  Becker, in: Sozialrechtshandbuch, § 13 Rn. 30; Bulla, SGb 2007, S. 653 (656); Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 437 f.; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 11.



B. Unechte Unfallversicherung als s­teuerfinanzierte Versicherung33

I. Abgrenzung nach dem zuständigen Versicherungsträger Die These, dass diejenigen Versicherten zur unechten Unfallversicherung gehören, die in die Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand fallen, wird untermauert durch eine historische Betrachtung: Bereits im Jahre 1944 wurde bei einer Zuständigkeit der öffentlichen Verwaltungsträger als Versicherungsträger von einer unechten Unfallversicherung gesprochen.22 Begründet wurde diese Formulierung damit, dass eigentlich keine Unfallversicherung vorläge, sondern lediglich die gleichen Leistungen gewährt würden wie üblicherweise durch die Berufsgenossenschaften, wobei „die ganze Veranstaltung“ auch sonst viele Grundsätze der Versicherung übernommen habe.23 Die Regelungen über die Zuständigkeiten der Unfallversicherungsträger in den §§ 125 ff. SGB VII weisen einen breiten Katalog an Unternehmen und damit auch an Versicherten (§ 133 Abs. 1 SGB VII) der Zuständigkeit der öffentlichen Hand zu. Die Gruppe dieser Versicherten ist sehr inhomogen; so fallen beispielsweise nach § 128 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB VII die Schüler an privaten Schulen sowie die Studierenden an privaten Hochschulen in die Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger im Landesbereich sowie Pflegepersonen gemäß § 129 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII in die Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger im kommunalen Bereich. § 128 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII begründet die Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger im Landesbereich für Nothelfer, § 129 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII die der Unfallversicherungsträger im kommunalen Bereich für Haushalte. An vorderster Stelle stehen jedoch stets die Unternehmen der jeweiligen Körperschaft, d. h. die Unternehmen des Bundes (§ 125 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII), des Landes (§ 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) oder der Gemeinden und Gemeindeverbände (§ 129 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII). Unternehmen des Bundes sind – entsprechend der Legaldefinition des § 121 Abs. 1 SGB VII – alle Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen und Tätigkeiten des Bundes als Gebietskörperschaft, also insbesondere alle rechtlich unselbstständigen, zentralen oder nachgeordneten Behörden des Bundes.24 Unternehmen des Landes sind insbesondere die zentralen und nachgeordneten Behörden der unmittelbaren Landesverwaltung.25 Kommunale Unternehmen sind die Land22  Richter,

Deutsches Recht 1944, S. 474 (474). Deutsches Recht 1944, S. 474 (474). 24  Diel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 125 Rn. 10. – Erfasst sind damit vor allem die Behörden der unmittelbaren Bundesverwaltung im Sinne der Art. 86, 87 Abs. 1 GG, wie beispielsweise die obersten Bundesbehörden sowie Bundesmittel- und Unterbehörden; vgl. Triebel, in: jurisPK SGB VII § 125 Rn. 15. 25  Diel, in: Hauck  / Noftz SGB VII, § 128 Rn. 15; Triebel, in: jurisPK SGB VII § 128 Rn. 14. 23  Richter,

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

kreise mit ihren Ämtern26 oder Krankenhäuser, Pflegeanstalten und Kultureinrichtungen als rechtlich unselbstständige Regie- und Eigenbetriebe der Kommunen.27 Damit fallen die bei diesen Unternehmen Beschäftigten im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als Versicherte in der echten Unfallversicherung28 ebenso unter die Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand wie die anderen genannten Personengruppen, sodass alleine aus der Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand nicht auf eine Zugehörigkeit zur unechten Unfallversicherung geschlossen werden kann.29 Dies gilt umso mehr, als keinesfalls entweder die Berufsgenossenschaften oder die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand für eine versicherte Personengruppe zuständig sind, sondern ein Versicherungstatbestand auch unterschiedlichen Unfallversicherungsträgern zugeordnet sein kann. Neben den eben angesprochenen Beschäftigten kann beispielsweise bei den nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. a SGB VII versicherten Kindern während des Besuchs von Kindertagesstätten sowohl eine Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger im Landesbereich als auch der gewerblichen Berufsgenossenschaften bestehen. Zwar sind hier grundsätzlich die Unfallversicherungsträger im kommunalen Bereich oder im Landesbereich zuständig, entweder weil es sich bei den Kindergärten um ihre Unternehmen handelt, oder weil ihre Zuständigkeit nach § 128 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII gesetzlich festgelegt wurde. Jedoch können auch die gewerblichen Berufsgenossenschaften für Unfälle der betreuten Kinder zuständig sein, wenn diese einen Werkskindergarten besuchen, der als Nebenunternehmen im Sinne des § 131 Abs. 2 S. 3 SGB VII gemäß § 131 Abs. 1 SGB VII in den Zuständigkeitsbereich des Unfallversicherungsträgers fällt, der für das Hauptunternehmen zuständig ist.30 Zwar könnte man dennoch den Gedanken der Abgrenzung nach dem zuständigen Unfallversicherungsträger konsequent weiterdenken, was, um beim Beispiel der Kindergartenkinder zu bleiben, dazu führen würde, dass 26  Diel,

in: Hauck / Noftz SGB VII, § 129 Rn. 10. in: jurisPK SGB VII § 129 Rn. 14. 28  Bley, ZSR 1974, S. 193 (201), weist zu Recht darauf hin, dass auch die Unfallversicherung des öffentlichen Dienstes der echten Unfallversicherung zuzurechnen ist, da sie bis auf wenige Ausnahmen der gewerblichen Unfallversicherung entspricht. Dies wird heutzutage, soweit ersichtlich, auch an keiner Stelle bezweifelt. 29  Kritisch zu diesem Abgrenzungskriterium daher auch Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 93. 30  Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 9; Leube, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 184; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 17.14, § 128 Anm. 4; Richter, in: Becker / Franke  /  Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, § 2 Rn. 52; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 2 Rn. 33b. 27  Triebel,



B. Unechte Unfallversicherung als s­teuerfinanzierte Versicherung35

Kinder in Werkskindergärten zur echten Unfallversicherung zu zählen wären, während für die übrigen Kindergartenkinder die unechte Unfallversicherung verbliebe. Dies stimmt jedoch nicht mit dem Begriff der unechten Unfallversicherung überein, wie er allgemein verstanden wird. Er bezeichnet Personengruppen, die deswegen als Fremdkörper in der Unfallversicherung angesehen werden, weil sie nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen,31 nicht einzelne Versicherte innerhalb dieser Personengruppen, die doch dieselbe Tätigkeit mit derselben Motivation ausüben. Eine Zuordnung alleine aufgrund der Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers überzeugt daher nicht.32

II. Abgrenzung nach der Art der Finanzierung 1. Beitragsfreie Unfallversicherung und uneinheitliche Finanzierung Die Finanzierung der gesetzlichen Unfallversicherung erfolgt grundsätzlich durch Beiträge der Unternehmer, für deren Unternehmen Versicherte tätig sind oder zu deren Unternehmen Versicherte in einer besonderen, die Versicherung begründenden Beziehung stehen, § 150 Abs. 1 S. 1 SGB VII.33 Die Beitragshöhe richtet sich im Wesentlichen nach den Arbeitsentgelten der Versicherten und dem Grad der Unfallgefahr im Unternehmen, § 153 Abs. 1 SGB VII. Zu diesem Zweck legen die Unfallversicherungsträger Gefahrklassen34 fest, denen die einzelnen Unternehmen dann zugeordnet werden. § 152 SGB VII schreibt das Umlageprinzip vor, d. h. der Bedarf wird rückwirkend für das vergangene Kalenderjahr gedeckt. Eine Ausnahme vom Grundsatz der Finanzierung aus Beiträgen der Unternehmer enthält § 185 Abs. 2 S. 1 SGB VII für einige Versicherte im Zuständigkeitsbereich der Unfallversicherungsträger im Landes- oder im ­ kommunalen Bereich. § 186 Abs. 2 und 3 SGB VII enthält vergleichbare 31  Vgl. statt Vieler Bulla, SGb 2007, S. 653 (656); Krasney, in: GS Meinze, S. 529 (530); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4. 32  Gegen dieses Merkmal daher auch zu Recht Krasney, in: FS Zacher, S. 407 (413 f.). 33  Nach den §§ 185 Abs. 1 S. 1, 186 Abs. 1 S. 1 SGB VII wird auch die Versicherung bei den Unfallversicherungsträgern der öffentlichen Hand grundsätzlich durch Beiträge der Unternehmer finanziert. Damit änderte sich mit der Einordnung der Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch in diesem Bereich die Finanzierung: § 767 Abs. 2 RVO enthielt einen Katalog von nicht anwendbaren Vorschriften bei Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand, in dem unter anderem § 723 RVO, der die Beitragsfinanzierung regelte, aufgeführt war. 34  Näheres hierzu regeln die §§ 157 ff. SGB VII.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

Regelungen für Versicherte im Zuständigkeitsbereich der Unfallkasse des Bundes. Der Kreis der betroffenen Versicherten ist relativ klein. Erfasst von der Regelung des § 185 Abs. 2 S. 1 SGB VII sind beispielsweise versicherte Kinder, Schüler und Studierende (§ 2 Abs. 1 Nr. 8 SGB VII) in privaten Bildungseinrichtungen, Teilnehmer an Untersuchungen und Prüfungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII bei Veranlassung durch eine Landesbehörde oder Gemeinde, Nothelfer und sich persönlich Einsetzende (§ 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a und c SGB VII), Tätige im Rahmen der Selbsthilfe im sozialen Wohnbau (§ 2 Abs. 1 Nr. 16 SGB VII) und Pflegepersonen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII. Nach § 185 Abs. 2 SGB VII werden für die in der Vorschrift genannten Versicherten keine Beiträge erhoben, sondern die Unfallversicherung wird durch eine Umlage je nach Zuständigkeit auf das Land, die Gemeinden oder die Gemeindeverbände finanziert (§ 185 Abs. 2 S. 2 SGB VII). Die hiervon betroffenen Personen werden häufig der unechten Unfallversicherung zugeordnet.35 Der Finanzierung könnte daher tatsächlich Bedeutung bei der Abgrenzung zwischen echter und unechter Unfallversicherung zukommen. 35  Vgl. für die Kindergartenkinder, Schüler und Studierenden beispielsweise Bley, ZSR 1974, S. 193 (214 f.); Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Gitter / Nunius, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 7 Rn. 6, 34; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92, 94; Plagemann, in: Plagemann / Radtke-Schwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 36; Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 65; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256 f.; für die Teilnehmer an Untersuchungen und Prüfungen Bley, ZSR 1974, S. 193 (214); Leube, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 128; Lülf, Die unechte Unfallversicherung, S. 93; Plagemann, in: Plagemann  /  Radtke-Schwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 36; für die Nothelfer Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 9; Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 440; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92; Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 3; Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 56; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256; für die sich persönlich Einsetzenden Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 9; Bley, ZSR 1974, S. 193 (218); Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 440; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92; Riebel, in: Hauck  /  Noftz SGB VII, § 2 Rn. 3; Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 56; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256; für die Selbsthilfe im sozialen Wohnungsbau Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 9; Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, §  10 Rn.  92; Plagemann, in: Plagemann / RadtkeSchwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 36; Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 66; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256; für die Pflegepersonen Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Gitter / Nunius, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 7 Rn. 6; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92; Plagemann, in: Plagemann  /  Radtke-Schwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 36; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256.



B. Unechte Unfallversicherung als s­teuerfinanzierte Versicherung37

Dagegen muss jedoch eingewandt werden, dass die Finanzierung innerhalb einer nach § 2 Abs. 1 SGB VII versicherten Personengruppe nicht zwingend einheitlich geregelt wurde. Besonders deutlich fällt dies auf bei den nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 SGB VII versicherten Kindergartenkindern, Schülern und Studierenden: § 185 Abs. 2 S. 1 SGB VII beschränkt für sie die beitragsfreie Finanzierung auf Versicherte in den in § 128 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 SGB VII genannten Einrichtungen, d. h. privaten Einrichtungen, im Falle des Kindergartens sogar reduziert auf Einrichtungen gemeinnütziger privater Träger. Die Unfallversicherung in öffentlichen Einrichtungen wird dagegen mangels einer Sonderregelung durch Beiträge der Sachkostenträger als Unternehmer36 finanziert.37 Warum nun aber Schüler in privaten Schulen der unechten Unfallversicherung zuzuordnen sein sollen, während Schüler öffentlicher Schulen unter die echte Unfallversicherung fallen sollen, also für eine Versichertengruppe zwei unterschiedliche Zuordnungen getroffen werden sollen, erschließt sich nicht, zumal die Schüler häufig als Paradebeispiel für die unechte Unfallversicherung angeführt werden.38 Auch bei anderen der nach § 2 Abs. 1 SGB VII versicherten Personengruppen existiert keine einheitliche Regelung. So sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII Personen versichert, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlasst wurden. Für diese Versicherten existiert eine Sonderregelung, wenn eine solche Untersuchung durch eine Landesbehörde oder durch eine Gemeinde veranlasst wurde; in diesen Fällen besteht gemäß § 185 Abs. 2 S. 1 SGB VII eine beitragsfreie Versicherung bei dem jeweils zuständigen39 Unfallversicherungsträger der öffent­ lichen Hand. Die Untersuchungen können jedoch auch von Unternehmen veranlasst werden, beispielsweise als Erstuntersuchung vor Aufnahme der 36  § 136

Abs. 3 Nr. 3 SGB VII. Abs. 1 S. 1 SGB VII, ggf. in Verbindung mit § 185 Abs. 1 S. 1 SGB VII. 38  Vgl. nur Axer, in: Handbuch des Staatsrechts IV, § 95 Rn. 37; Bley, ZSR 1974, S. 193 (214); Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 389; Gitter / Nunius, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 7 Rn. 6, 34; Leube, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, Vor §§ 2–6, Rn. 15; Marschner, in: Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 2 SGB VII Rn. 31; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92, 94; Plagemann, in: Plagemann / ​RadtkeSchwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 37; Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 65; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256 f.; andere Auffassung Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 8; Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, S. 534; Krasney, NZS 1993, S. 89 (90); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4. 39  §§ 128 Abs. 1 Nr. 5, 129 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII. 37  § 150

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

versicherten Tätigkeit.40 In diesem Fall findet nach § 150 Abs. 1 S. 1 SGB VII eine Finanzierung durch Beiträge statt. Schließlich widerspricht der These, die unechte Unfallversicherung werde beitragsfrei finanziert, die Tatsache, dass es auch Beschäftigte gibt, für die § 185 Abs. 2 S. 1 SGB VII eine beitragsfreie Versicherung anordnet. Dies gilt insbesondere für Beschäftigte in Einrichtungen zur Hilfe bei Unglücksfällen. Für die in diesen Einrichtungen tätigen Personen sind gemäß § 128 Abs. 1 Nr. 6 SGB VII die Unfallversicherungsträger im Landesbereich zuständig. Dabei verwendet die Norm ausdrücklich den Begriff der „Tätigen“, d. h. verweist nicht auf eine spezielle Versichertengruppe wie beispielsweise § 128 Abs. 1 Nr. 5, 7 und 8 SGB VII. Zu den in einem Unternehmen Tätigen gehören dabei auch die Beschäftigten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, wie beispielsweise die §§ 104 Abs. 1 S. 1, 133 Abs. 1, 150 Abs. 1 S. 1 SGB VII zeigen.41 Da § 185 Abs. 2 S. 1 SGB VII uneingeschränkt auf diese Norm verweist, muss die darin angeordnete Beitragsfreiheit also auch für die in den Unternehmen zur Hilfe bei Unglückfällen Beschäftigten gelten, womit eine beitragsfreie Versicherung in Form der Umlage auf das Land für Beschäftigte existiert. 2. Beitragsfinanzierung aus Steuermitteln Denkbar wäre jedoch, dass das Merkmal der „Finanzierung aus Steuermitteln“ nicht als Gegenbegriff zur „Finanzierung aus Beiträgen“ verstanden werden muss, sondern sich nur auf den Ursprung der Mittel bezieht. Denn neben der gänzlich beitragsfreien Finanzierung der Unfallversicherung durch eine Umlage auf Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände nach § 185 Abs. 2 S. 1 und 2 SGB VII ist auch der Fall denkbar, dass zwar nach § 150 Abs. 1 S. 1 SGB VII eine Beitragspflicht der Unternehmer besteht, diese Beiträge jedoch aus Steuermitteln finanziert werden. Auch diese Art der Finanzierung wird als „Finanzierung aus Steuermitteln“ bezeichnet,42 sodass in die unechte Unfallversicherung auch diejenigen Personengruppen 40  Riebel,

in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 43. zu Recht die herrschende Auffassung, vgl. statt Vieler Axer, SGb 2007, S. 614 (616); Diel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 128 Rn. 35; Leube, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 128 Abs. 1 Rn. 21; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  / ​ Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 128 Anm. 7; Ricke, SGb 2003, S. 566 (566 ff.); Spanknebel, in: Becker / Franke / Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, §  128 Rn. 10; Triebel, in: jurisPK SGB VII, § 128 Rn. 42; wohl auch das Bundessozialgericht, BSGE 97, 279 (283 f.); andere Auffassung, wenn auch ohne Begründung, Schmitt, Kommentar SGB VII, § 128 Rn. 12; kritisch auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Februar 2012 – L 2 U 230 / 11 B ER. 42  So beispielsweise bei Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 19. 41  So



B. Unechte Unfallversicherung als s­teuerfinanzierte Versicherung39

gehören könnten, bei denen die vom Unternehmer gezahlten Beiträge aus Steuermitteln stammen. Eine solche Finanzierung findet statt bei Versicherten von staatlichen Unternehmen, also von Unternehmen des Bundes, der Ländern und der Kommunen. Die von diesen Unternehmern gezahlten Beiträge stammen aus Steuermitteln; die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand werden zu wesentlichen Teilen aus diesen finanziert.43 Diese Finanzierung bezieht sich jedoch auf alle Personen, für die Bund, Länder und Kommunen beitragspflichtig sind, d. h. insbesondere auch auf die in deren Unternehmen Beschäftigten. Die Finanzierung aus Steuermitteln betrifft damit auch Angehörige der echten Unfallversicherung, sodass sie als alleiniges und allgemeingültiges Abgrenzungskriterium generell ausscheiden muss.44 3. Beitragsfreie Versicherung bei unentgeltlichen Tätigkeiten Eine Abgrenzung anhand der Finanzierung könnte schließlich noch darauf abstellen, ob das Unfallrisiko der einzelnen Versicherten bei der Berechnung der Höhe der vom Unternehmer zu zahlenden Beiträge berücksichtigt wird. Ein maßgeblicher Faktor für die Beitragshöhe ist nach § 153 Abs. 1 SGB VII das Arbeitsentgelt der Versicherten. Arbeitsentgelt sind nach § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung. Erhält daher eine nach § 2 SGB VII versicherte Person kein Arbeitsentgelt, geht ihr Unfallrisiko nicht in die Berechnungsgrundlage ein, solange der Unfallversicherungsträger in seiner Satzung keine abweichende Regelung nach den §§ 155 ff. SGB VII trifft.45 Dies entspricht faktisch einer beitragsfreien Versicherung. Ein Festhalten am Merkmal der Beitragsfreiheit zur Abgrenzung von echter und unechter Unfallversicherung hätte damit zur Konsequenz, dass man letztlich auf die Entgeltlichkeit einer Tätigkeit abstellen könnte. Dagegen spricht jedoch, dass anders als in den anderen Zweigen der Sozialversicherung46 die Zahlung eines Entgeltes in der Unfallversicherung keine Voraussetzung für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses im 43  Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, S. 534; Schlaeger, in: Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 150 SGB VII Rn. 4. 44  Ebenso Krasney, in: FS Zacher, S. 407 (413). 45  Höller, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 153 Rn. 17; Scholz, in: jurisPK SGB VII, § 153 Rn. 9. 46  Vgl. für die Krankenversicherung § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, für die Rentenversicherung § 1 Nr. 1 SGB VI, für die Pflegeversicherung § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI und für die Arbeitslosenversicherung § 25 Abs. 1 S. 1 SGB III.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ist.47 Auch wenn das Vorliegen einer unentgeltlichen Beschäftigung sehr unwahrscheinlich sein mag,48 wäre damit eine faktisch beitragsfreie Versicherung eines Beschäftigten durchaus denkbar. Im Gegenzug dazu haben diverse Unfallversicherungsträger, wie beispielsweise die Verwaltungsberufsgenossenschaft49 sowie zahlreiche Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand50, eine abweichende Regelung im Sinne der §§ 155 ff. SGB VII getroffen, die vor allem die Zahl der Versicherten anstatt des Arbeitsentgeltes als Faktor in der Beitragsberechnung ausweist. Die Frage, ob ein Versicherungstatbestand der echten oder der unechten Unfallversicherung zuzuordnen wäre, läge damit in der Hand der Unfallversicherungsträger, was wiederum nicht mit dem allgemeinen Verständnis einer vom Gesetzgeber eingeführten unfallversicherungsrechtlichen Absicherung bestimmter Personengruppen vereinbar wäre.

III. Ergebnis: Unmöglichkeit der Abgrenzung nach Finanzierung und Zuständigkeit Die üblicherweise angeführten Abgrenzungskriterien der Finanzierung aus Steuermitteln statt aus Beiträgen der Unternehmer und der Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand statt der Berufsgenossenschaften erweisen sich damit als nur begrenzt geeignet, um klar zwischen den Versicherten der echten und der unechten Unfallversicherung zu trennen.51 Die fehlende Eignung zur Abgrenzung folgt aus der Uneinheitlichkeit 47  Ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. beispielsweise BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 68, S. 194; BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 83, S. 229; BSGE 57, 262 (264). 48  Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, S. 525, weisen darauf hin, dass eine unentgeltliche Beschäftigung in der Regel als Wie-Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII zu sehen sein wird. In der Tat spricht vieles dafür, beispielsweise im Fall eines Jockeys, der in der Hoffnung auf eine zukünftige Beschäftigung Stallarbeiten unentgeltlich ausübt, den Tatbestand des § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII statt dem des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII erfüllt zu sehen (anders das Bundessozialgericht, BSGE 10, 94). Richtigerweise ist jedoch die Abgrenzung anhand der persönlichen Abhängigkeit vorzunehmen, bei deren Fehlen lediglich von einer Wie-Beschäftigung auszugehen ist (Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 6.9). 49  § 24 der Satzung der Verwaltung-Berufsgenossenschaft in Verbindung mit der Anlage zur Satzung (abrufbar unter www.vbg.de). 50  Vgl. beispielsweise § 25 der Satzung der Unfallkasse Baden-Württemberg (abrufbar unter www.ukbw.de); § 26 der Satzung der Bayerischen Landesunfallkasse (abrufbar unter http: /  / www.kuvb.de); § 25 der Satzung der Landesunfallkasse Niedersachsen (abrufbar unter www.lukn.de); § 27 der Satzung der Unfallkasse Sachsen (abrufbar unter www.unfallkassesachsen.de). 51  So auch Krasney, in: FS Zacher, S. 407 (414).



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff41

der Zuständigkeits- und Finanzierungsregelungen. Die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand sind ebenso für Beschäftigte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII zuständig wie die Berufsgenossenschaften, ebenso kann eine Zuständigkeit beider Unfallversicherungsträger für andere Personengruppen wie beispielsweise Kinder52 oder Prüflinge53 bestehen. Zudem ist die Finanzierung innerhalb der einzelnen Personengruppen nicht stets einheitlich geregelt. Vielmehr kann ein Versicherungstatbestand sowohl eine beitragsfreie Umlagefinanzierung nach § 185 Abs. 2 SGB VII als auch eine Finanzierung aus Beiträgen nach § 150 Abs. 1 SGB VII mit sich bringen. Das Vorliegen einer beitragsfreien Versicherung in der Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand kann damit lediglich ein Indiz dafür darstellen, dass ein Tatbestand der unechten Unfallversicherung vorliegen könnte; eine allgemeingültige diesbezügliche Regelung besteht dagegen nicht.

C. Unechte Unfallversicherung als ­Gegenbegriff zur Beschäftigtenversicherung als echter Unfallversicherung Ausgehend vom Begriff „unecht“ ist anzunehmen, dass die unechte Unfallversicherung Sonderregelungen enthält, also abweicht von dem, was als „Norm“, als „Echtes“ der Unfallversicherung zu sehen ist. Maßgeblich kann daher nur sein, ob die Aufnahme der jeweiligen Versicherten in die gesetzliche Unfallversicherung eine logische Weiterentwicklung der ursprüng­ lichen Beschäftigtenversicherung ist, oder ob die „Pfade“ der Unfallversicherung verlassen wurden. Die Suche nach Abweichungen von den Grundzügen der Unfallversicherung hat daher – wie auch die Entwicklung der Unfallversicherung als solcher – bei den Beschäftigten ihren Anfang zu nehmen.

I. Der Kern der echten Unfallversicherung: Die Beschäftigtenversicherung 1. Die Beschäftigtenversicherung als historischer Ursprung der Unfallversicherung Die gesetzliche Unfallversicherung hat ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert. Ein Großteil der ländlichen Bevölkerung strömte auf der Suche nach Arbeit in die Städte, wo bedingt durch die Industrialisierung die Fabrikindustrie die 52  § 2 53  § 2

Abs. 1 Nr. 8 lit. a SGB VII. Abs. 1 Nr. 3 SGB VII.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

handwerklichen Betriebe ablöste. Als problematisch erwies sich dabei die gesetzliche Lage bei Schadensfällen: Folge der Industrialisierung war eine erhebliche Zunahme der Arbeitsunfälle; nach den allgemeinen zivilrecht­ lichen Regeln konnte der geschädigte Arbeitnehmer jedoch nur dann gegenüber dem Betriebsunternehmer einen Schaden geltend machen, wenn dieser den Arbeitsunfall verschuldet hatte.54 Das hatte zur Folge, dass die Arbeitnehmer erlittene Schäden entweder nur gegenüber dem – bei Schädigung durch einen Arbeitskollegen häufig vermögenslosen – unmittelbaren Schädiger geltend machen konnten oder vollkommen leer ausgingen, weil sie den Arbeitsunfall selbst verursacht hatten. Eine Haftung des Unternehmers, der nicht selbst Schädiger war, war nur dann möglich, wenn er dem Schädiger einen widerrechtlichen Auftrag erteilt oder der Schädiger den Auftrag widerrechtlich ausgeführt hatte und den Unternehmer ein Verschulden bei der Auswahl des Schädigers traf.55 Wer trotz des Risikos eines dauerhaften Verlustes seines Arbeitsplatzes einen Schadensersatzprozess auf sich nahm, dem gelang es selbst bei Bestehen eines Anspruches kaum, den Verschuldensnachweis zu führen.56 Die unbefriedigende Rechtslage führte schließlich im Jahr 1868 zur so genannten Leipziger Petition, die von der national-liberalen Partei an den Reichstag des Norddeutschen Bundes gerichtet wurde mit der Bitte „um Erlaß gesetzlicher Bestimmungen über Schädenansprüche von Privatpersonen bei nicht von ihnen verschuldeten Unglücksfällen auf Eisenbahnen, Schiffen, Bergwerken“.57 Der Reichstag solle „die Anwendung derartiger rechtlicher Grundsätze entweder in der zu erwartenden Gewerbe-Ordnung oder in einem kurzen bündigen Specialgesetz über die Verpflichtung zum 54  Eine Ausnahme bestand lediglich in Preußen, wo nach § 25 des Gesetzes über die Eisenbahnunternehmungen vom 3. November 1838 (Gesetzessammlung für die königlichen preußischen Staaten 1838, Verordnung Nr. 35, S. 505 ff.) eine Haftung der Gesellschaft für alle beim Betrieb der Bahn entstandenen Schäden vorgesehen war. Hier war explizit festgelegt worden, dass die Gesellschaft sich von dieser Verpflichtung nur befreien konnte, indem sie eine Schuld des Beschädigten oder einen unabwendbaren äußeren Zufall bewies. 55  Vgl. den 2. Teil, Titel 16, §§ 50 ff. des Allgemeinen Landrechts (wiedergegeben bei Schmidt, Die Unfallversicherung, S. 39 f.). 56  Ausführlich zum damaligen Beweisrecht und dieser Problematik Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, S. 11. 57  Verzeichniß der beim Reichstage des Norddeutschen Bundes eingegangenen Petitionen, Nr. 9, in: Stenographische Berichte des Reichstages des Norddeutschen Bundes, Band 2 (1868), S. 77. – Anlass waren vor allem zwei Bergwerkskatastrophen, die sich in diesem Jahr in Neu-Iserlohn und Lugau ereignet und viele Arbeiter das Leben gekostet hatten; vgl. hierzu den Bericht der Petitions-Commission, Stenographische Berichte des Reichstages des Norddeutschen Bundes, Band 2 (1868), S. 188.



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff43

Schadenersatz“ regeln.58 Dieses kurze bündige Spezialgesetz sollte das „Gesetz, betreffend die Verbindlichkeit zum Schadenersatz für die beim Betriebe von Eisenbahnen, Bergwerken etc. herbeigeführten Tötungen und Körperverletzungen“, kurz Reichshaftpflichtgesetz, vom 7. Juni 1871 werden.59 Dieses war ausdrücklich als Spezialgesetz konzipiert, um diejenigen zu schützen, „welche bei, mit ungewöhnlicher Gefahr verbundenen Unternehmungen an Leib und Leben geschädigt werden“, und keine allgemeine Reform des Schadensersatzrechts.60 Maßgeblich war daher auch der Grad der Gefährlichkeit eines Betriebes. Der Anwendungsbereich des Reichshaftpflichtgesetzes war auf wenige als besonders gefährlich eingeschätzte Betriebe beschränkt. § 1 RHG legte fest, dass der Eisenbahnunternehmer bei Tötung oder Verletzung eines Menschen61 durch den Betrieb der Eisenbahn für den entstandenen Schaden zu haften hatte, wenn er nicht beweisen konnte, „daß der Unfall durch höhere Gewalt oder durch eigenes Verschulden des Getödteten oder Verletzten verursacht ist“. Ein Verschulden der Eisenbahn wurde mithin bewusst und ausdrücklich präsumiert. Neben den Eisenbahnunternehmern hatten nach § 2 RHG unter anderem die Bergwerks- und Fabrikbetreiber bei Tod oder Körperverletzung zu haften. In diesem Fall setzte die Haftung jedoch ein Verschulden in Ausführung einer Dienstvorrichtung einer den einfachen Arbeitern gegenüber höhergestellten Person voraus, das nicht vermutet wurde, sondern von den Geschädigten zu beweisen war. Hintergrund dieser Differenzierung62 war zunächst der Gedanke, dass zumindest im Bergbau die Unfälle häufig aufgrund nicht beherrschbarer Naturgewalten geschahen, die sich selbst bei sorgfältiger Kontrolle nicht vermeiden ließen. Darüber hinaus wurde betont, „daß jeder Bergmann in die Arbeit mit dem vollen Bewußtsein der Gefahren eintritt, welche aus der Mitarbeit zahlreicher Genossen ihm erwachsen können“.63 58  Bericht der Petitions-Commission, Stenographische Berichte des Reichstages des Norddeutschen Bundes, Band 2 (1868), S. 190. 59  RGBl. I 1871, S. 207 ff. 60  Begründung zum Entwurf des Reichshaftpflichtgesetzes, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages 1871, Band 3, S. 70. 61  Erfasst waren von dieser Regelung nicht nur die bei der Eisenbahn Beschäftigten, sondern auch Passagiere sowie selbst unbeteiligte Dritte, die in keinem Verhältnis zur Eisenbahn standen, solange sie nur bei deren Betrieb verletzt oder getötet wurden; vgl. näher Endemann, Haftpflicht der Eisenbahnen, S. 18. 62  Die jedoch heftig umstritten war; vgl. hierzu die mehrere Sitzungen in Anspruch nehmende Beratung des Gesetzesentwurfs, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages 1871, Band 1, S. 201  ff., S. 438  ff., S.  463 ff., S.  487 ff. 63  Begründung zum Entwurf des Reichshaftpflichtgesetzes, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages 1871, Band 3, S. 70 f.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

Die Schwächen des Reichshaftpflichtgesetzes zeigten sich jedoch schnell: Lediglich für den Bereich der Eisenbahn war eine verschuldensunabhängige Haftung normiert worden. In den mit besonderer Unfallgefahr verbundenen Betrieben der Bergwerke, Steinbrüche, Gruben und Fabriken blieb es nach § 2 RHG dabei, dass der Arbeitnehmer fremdes Verschulden nachweisen musste. Hier ließen es die Unfallversicherungsgesellschaften gerne auf einen Prozess ankommen in der Hoffnung, die Versicherungsprämie so herunterdrücken zu können, oder sie nutzten die Not des verletzten Arbeiters aus, indem sie ihm unmittelbar nach dem Unfall eine sehr niedrige Summe zukommen ließen. Häufig war der Arbeitsunfall auch auf ein Eigenverschulden des Arbeitnehmers zurückzuführen, sodass diesem überhaupt kein Schadensersatzanspruch zustand.64 Auf die übrigen Betriebe fand das Reichshaftpflichtgesetz überhaupt keine Anwendung.65 Auch die Unternehmer waren mit der gesetzlichen Regelung unzufrieden. Die erweiterte Haftpflicht konnte insbesondere bei Massenunfällen zu finanziellen Nöten führen, indem die Unternehmer sich gezwungen sahen, einer großen Anzahl von Personen den entstandenen Schaden zu ersetzen.66 Schließlich führten die „neuen Waffen“, die Arbeitern und Arbeitgebern durch das Gesetz gegeben worden waren, zu zahlreichen Prozessen und damit zu weiteren Konflikten zwischen den Parteien.67 Zur Lösung dieser Schwächen wurden zwei Wege diskutiert: eine Ausdehnung der zivilrecht­ lichen Haftpflicht einerseits oder eine an dem Gedanken der Invalidenversicherung orientierte68 öffentlich-rechtliche Regelung. Bevorzugt wurde die öffentlich-rechtliche Lösung. Hintergrund war die Überlegung, dass es so nicht länger zu einem juristischen Konflikt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kommen würde, sondern „ein soziales Band“ zwischen diesen bestünde.69 Zudem war eine Erweiterung der privatrecht­ lichen Haftung nicht im Stande, die Fälle zu erfassen, in denen Zufall oder 64  Vogel, Bismarcks Arbeiterversicherung, S. 24; vgl. auch Gitter, SGb 1993, S. 297 (298); Schmidt, Die Unfallversicherung, S. 45 f., insbesondere zur engen Auslegung der versicherten Tätigkeiten durch die Gerichte. – Eine Zusammenfassung der kritischen Argumente findet sich bei Schmoller, Jahrbuch für Gesetzgebung 1881, S. 294 (294 f.). 65  Zu den zahlreichen Anträgen, seinen Anwendungsbereich zu erweitern, vgl. Schmidt, Die Unfallversicherung, S. 47 ff. 66  Wannagat, Lehrbuch der Sozialversicherung, Band 1, S. 57. 67  Schmoller, Jahrbuch für Gesetzgebung 1881, S. 294 (294 f.). 68  So der Präsident des Reichskanzleramtes Staatsminister Hofmann, in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages 1879, Band 1, S. 141. 69  Hofmann, in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages 1879, Band 1, S. 141.



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff45

eigenes Verschulden der Arbeitnehmer den Unfall verursacht hatten.70 Schließlich war leitendes Motiv bei der Schaffung der Sozialversicherung im Allgemeinen auch die Hoffnung, dadurch der sozialdemokratischen Bewegung Einhalt zu gebieten.71 Der erste Entwurf eines „Gesetzes betreffend die Unfallversicherung der Arbeiter“ wurde von Otto von Bismarck in Namen Kaiser Wilhelms dem Reichstag am 8. März 1881 vorgelegt.72 Dieses Unfallversicherungsgesetz war vorgesehen als das erste73 in einer Reihe von Regelungen über die Sozialversicherung, deren Errichtung durch die von Bismarck am 17. November 1881 verkündete Kaiserliche Botschaft eingeleitet wurde.74 In dieser hieß es unter anderem, dass „die Heilung der sozialen Schäden nicht ausschließlich im Wege der Repression sozialdemokratischer Ausschreitungen, sondern gleichmäßig auf dem der positiven Förderung des Wohles der Arbeiter zu suchen sein werde“. Daher müsse man „dem Vaterlande neue und dauernde Bürgschaften seines inneren Friedens und den Hilfsbedürftigen größere Sicherheit und Ergiebigkeit des Beistandes, auf den sie Anspruch haben“ hinterlassen.75 Damit war der Grundstein der heutigen Sozialversicherung gelegt; die Kaiserliche Botschaft – obwohl nur Regierungserklärung zur Eröffnung einer Sitzungsperiode des Reichstags76 – wird bisweilen gar als „Magna Charta der deutschen Sozialversicherung“ bezeichnet.77 70  Begründung zum dritten Entwurf des Unfallversicherungsgesetzes, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages 1884, Band 3, S. 66. 71  Die Kaiserliche Botschaft spricht davon, dass „die Heilung der sozialen Schäden nicht ausschließlich im Wege der Repression sozialdemokratischer Ausschreitungen“ zu suchen sei (Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages 1881 / 1882, Band 1, S. 2). Auch in den Verhandlungen wurde mehrfach auf diesen Zweck hingewiesen, vgl. beispielsweise den Vortrag des Abgeordneten von Marschall (Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages 1881, Band 1, S. 683 f.), der Bedenken hinsichtlich der Einführung eines sozialistischen Elements durch die Schaffung der Sozialversicherung entgegnete, die Verbesserung der Situation der Arbeiter würde „den Sozialismus und die Sozialdemokratie weit mehr schädigen, als die Aufnahme eines sozialistischen Gedankens diese Elemente fördern“ könne. – Frerich / Frey, Geschichte der Sozialpolitik, Band 1, S. 93, bezeichnen die geplanten Sozialversicherungsgesetze als „Zuckerbrot zur Peitsche des Sozialistengesetzes“. 72  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages 1881, Band 3, Anlage Nr. 41, S. 222 ff. 73  Frerich / Frey, Geschichte der Sozialpolitik, Band 1, S. 95. 74  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages 1881 / 1882, Band 1, S. 1 ff. 75  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages 1881 / 1882, Band 1, S. 2. 76  Daher auch kritisch zu der ihr heute beigemessenen Bedeutung Breuer, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 1 Rn. 47 ff. 77  Wannagat, Lehrbuch der Sozialversicherung, Band 1, S. 63.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

Das Unfallversicherungsgesetz wurde am 6. Juni 188478 beschlossen. Hinsichtlich des versicherten Personenkreises folgte es dem Reichshaftpflichtgesetz und gewährte Versicherungsschutz nur in gefährlichen Betrieben.79 Einbezogen in den Versicherungsschutz waren sämtliche dort tätigen Arbeiter unabhängig von ihrem Einkommen. Ferner waren nach § 1 Abs. 1 UVG auch diejenigen Betriebsbeamten versichert, deren Jahresarbeitsverdienst zweitausend Mark nicht überstieg, da hier davon ausgegangen wurde, dass ihre soziale Stellung in etwa der der übrigen Versicherten entspräche.80 Die Unfallversicherung gewährte damit als schutzwürdig angesehenen Arbeitern Schutz vor Arbeitsunfällen, war also im Kern81 eine Beschäftigtenversicherung. Über die Jahre hinweg wurde der Anwendungsbereich der Unfallversicherung immer weiter ausgedehnt. Von Anfang an war geplant gewesen, ihren Schutz nach und nach auf weitere Betriebe zu erweitern, bis schließlich alle Kreise der arbeitenden Bevölkerung einbezogen sein würden.82 Dies erfolgte zunächst durch die Aufnahme weiterer als gefährlich angesehener Betriebe, deren Arbeiter vor den Folgen eines Arbeitsunfalls geschützt werden sollten. Auch bei der Schaffung der Reichsversicherungsordnung vom 30. Mai 191183 blieb es zunächst bei den verschiedenen als gefährlich 78  RGBl. I 1884, S. 69 ff. – Zuvor war schon das „Gesetz, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter“ vom 15. Juni 1883 erlassen worden (RGBl. I 1883, S. 73 ff.). Am 22. Juni 1889 folgte schließlich das „Gesetz, betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung“ (RGBl. I 1889, S. 97 ff.). 79  Nach § 1 Abs. 1 UVG waren zunächst die Arbeiter in den bisher nach § 2 RHG haftpflichtigen Betrieben versichert, da diese als durch die Entwicklungen der Industrie am meisten gefährdet angesehen wurden. Daneben wurde die Versicherungspflicht auch auf einige Handwerksbetriebe erweitert, § 1 Abs. 2 UVG, und es waren alle Betriebe – unabhängig von ihrer Größe – erfasst, in denen Dampfkessel oder durch elementare Kraft bewegte Triebwerke zur Verwendung kamen, § 1 Abs. 3 UVG. Das wurde damit begründet, dass die Unfallgefahr in Kleinbetrieben häufig größer war, und dass die Ausdehnung auf Kleinbetriebe auch dem Begehren der öffentlichen Meinung entsprach; vgl. näher die Begründung zum dritten Entwurf des Unfallversicherungsgesetzes, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages 1884, Band 3, S. 65 f. 80  Begründung zum dritten Entwurf des Unfallversicherungsgesetzes, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages 1884, Band 3, S. 70. 81  § 2 Abs. 2 UVG sah die Möglichkeit vor, kraft Statutes zu regeln, dass die Unternehmer der nach § 1 versicherungspflichtigen Betriebe sich selbst gegen die Folgen von Betriebsunfällen versichern konnten. 82  Begründung zum dritten Entwurf des Unfallversicherungsgesetzes, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages 1884, Band 3, S. 65. 83  RGBl. I 1911, S. 509 ff.



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff47

angesehenen Betrieben als Anknüpfungspunkt.84 § 544 beschrieb den versicherten Personenkreis, nämlich alle Arbeiter, Gehilfen, Gesellen und Lehrlinge sowie Betriebsbeamte bis zum einem Jahresarbeitsverdienst von 5.000,– Mark; der Versicherungsschutz setzt damit weiterhin abhängige Arbeit voraus. Im Jahr 194285 wurde die Unfallversicherung schließlich von der Betriebs- auf eine Personenversicherung umgestellt. § 537 Nr. 1 RVO legte an erster Stelle fest, dass alle auf Grund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses Beschäftigten nunmehr gegen Arbeitsunfall versichert waren. Diese exponierte Stellung im Katalog der Versicherten unterstrich den Charakter der Unfallversicherung als Beschäftigtenversicherung.86 Auch heute noch werden die Beschäftigten in § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als erste in einer langen Aufzählung genannt. Die Unfallversicherung wurde damit als Beschäftigtenversicherung geschaffen und hat diesen Charakter trotz vielfältiger Änderungen über die Jahre hinweg behalten. 2. Die Merkmale der Beschäftigung Mit dem Begriff der „Beschäftigten“ knüpft § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII an § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV an. Dieser definiert die Beschäftigung als „die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis“.87 Die Merkmale der Beschäftigung sind grundlegend für die Frage, ob ein Tatbestand der gesetzlichen Unfallversicherung der echten oder der unechten 84  Erfasst waren nach § 537 RVO zunächst diejenigen Betriebe, für die bereits zuvor eine Versicherungspflicht bestanden hatte, sowie Betriebe, die neu einbezogen wurden, da sie ebenfalls als mit einer erheblichen Unfallgefahr verbunden angesehen wurden, namentlich das Dekorateurgewerbe und der Betrieb von Badeanstalten (vgl. die Begründung zum Dritten Buch der RVO, Verhandlungen des Reichstages, Anlagen zu den stenographischen Berichten 1911, Band 274, Anlagen zum Entwurf einer Reichsversicherungsordnung (Zu 340.), S. 274). 85  Die Umstellung von der Betriebs- auf eine Personenversicherung erfolgte mit dem Sechsten Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom 9. März 1942 (RGBl. I 1942, S. 107 ff.). 86  Vgl. die Gesetzesbegründung zum sechsten Änderungsgesetz, AN 1942, S. 199. – Jantz, AN 1942, S. 209 (209), spricht von der „grundlegenden Vorschrift des § 537 Nr. 1“. Vgl. auch die Begründung des Entwurfs des UnfallversicherungsNeuregelungsgesetzes, BT-Drucks. 4 / 120, S. 51, wonach „an der Spitze“ der Versicherungstatbestände „die Kerngruppe der Arbeitnehmer“ steht. 87  Zur Anwendbarkeit dieser Definition im Unfallversicherungsrecht vgl. statt Vieler Becker, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 6; Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 18; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 2 Rn. 6; Schmitt, Kommentar SGB VII, § 2 Rn. 5. – Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Verwendung der Rechtsfigur des Typus zur Beschreibung der Beschäftigung vgl. BVerfG, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

Unfallversicherung zuzuordnen ist. Um als unecht qualifiziert zu werden, darf der Tatbestand keine konsequente Weiterentwicklung der Beschäftigtenversicherung darstellen, sondern muss von dieser abweichen. Maßgeblich muss daher sein, ob die Voraussetzungen des Versicherungstatbestands im Kern mit denen der Beschäftigung übereinstimmen oder zumindest mit ­ihnen vergleichbar sind. a) Beschäftigung als nichtselbstständige Arbeit, § 7 SGB IV Beschäftigung ist zunächst nichtselbstständige Arbeit. Dies bedeutet in der Regel eine persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten, die häufig, jedoch nicht zwingend, mit einer wirtschaftlichen Abhängigkeit einhergeht.88 Als Beispiel wird das Arbeitsverhältnis genannt, wobei der Begriff des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses („insbesondere“) mit diesem nicht identisch ist. Grundsätzlich liegt ein Beschäftigungsverhältnis vor, wenn ein Arbeitsverhältnis besteht; die Beschäftigung geht jedoch weiter.89 Insbesondere umfasst der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses im Gegensatz zum Arbeitsverhältnis auch arbeitnehmerähnliche Tätigkeiten und öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse.90 Arbeit im Sinne der Vorschrift ist jede planmäßige, bewusste, ziel- und zweckgerichtete Betätigung der geistigen oder körperlichen Kräfte und Fähigkeiten des Menschen, die zur Befriedigung eines fremden, materiellen oder ideellen Bedürfnisses dient.91 Schon begrifflich sind daher unfreiwillige Tätigkeiten ausgeschlossen, da sie diesen Zweck nicht erfüllen.92 88  Bieresborn, in: jurisPK SGB  VII, §  2 Rn.  24; Knospe, in: Hauck / Noftz SGB IV, § 7 Rn. 11; Schlegel, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 14 Rn. 14. – Die wirtschaftliche Abhängigkeit ist jedoch keine Voraussetzung der Beschäftigung. Beispielsweise kann der Inhaber eines (kleinen) Zulieferbetriebes von dem belieferten Unternehmen wirtschaftlich eindeutig abhängig, sozialversicherungsrechtlich gleichwohl selbstständig sein (Beispiel nach Seewald, in: Kasseler Kommentar SGB IV, § 7 Rn. 70). 89  Ausführlich zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen dem sozialrechtlichen Beschäftigungsverhältnis, dem Arbeitsverhältnis und dem steuerrechtlichen Begriff der nichtselbstständigen Arbeit Schneider-Danwitz, in: FS 100 Jahre sozialgerichtliche Rechtsprechung, S. 541 (541 ff.). 90  Knospe, in: Hauck / Noftz SGB IV, § 7 Rn. 25; speziell zu öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen BSGE 50, 231 (233); BSGE 78, 34 (35). 91  Seewald, in: Kasseler Kommentar SGB IV, § 7 Rn. 10; Segebrecht, in: jurisPK SGB IV, § 7 Abs. 1 Rn. 67, jeweils mit weiteren Nachweisen. – Diese Definition soll die Arbeit insbesondere von Spiel und Sport abgrenzen, die zum Spaß ausgeübt werden (vgl. dazu Knospe, in: Hauck / Noftz SGB IV, § 7 Rn. 10; Segebrecht, in: jurisPK SGB IV, § 7 Abs. 1 Rn. 67). 92  Ganz herrschende Auffassung; vgl. statt Vieler BSGE 27, 197 (198); Knospe, in: Hauck / Noftz SGB IV, § 7 Rn. 22; Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / ​



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Anhaltspunkte für die persönliche Abhängigkeit sind gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB VII eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.93 Entscheidend für das Vorliegen einer Tätigkeit nach Weisungen ist, ob der Tätige im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann, oder ob er einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht unterliegt.94 Im Arbeitsverhältnis ist die Weisungsgebundenheit eine Folge des Direktionsrechts des Arbeitgebers.95 Dem Weisungsrecht kommt dabei geringere Bedeutung zu, je höherrangig die Tätigkeit ist; ein beschränktes bzw. geringfügiges Weisungsrecht steht jedoch dem Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses nicht im Weg.96 Die Bedeutung des Kriteriums der Weisungsgebundenheit verliert in letzter Zeit, gerade auch aufgrund neuerer Informations- und Kommunikationstechnologien,97 an Bedeutung; immer häufiger werden beispielsweise flexible Arbeitszeiten vereinbart oder den einzelnen Arbeitnehmern die Verantwortung für den Erfolg ihrer Projekte auferlegt. Dies bereitet Schwierigkeiten hinsichtlich der Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit.98 In diesen Fällen kommt es maßgeblich auf die tatsächlichen Verhältnisse an, d. h. insbesondere darauf, ob die übrigen Merkmale der Beschäftigung erfüllt sind.99 Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 300; Seewald, in: Kasseler Kommentar SGB IV, § 7 Rn. 35; Segebrecht, in: jurisPK SGB IV, § 7 Abs. 1 Rn. 93, jeweils mit weiteren Nachweisen. 93  Diese Merkmale wurden mit dem Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20. Dezember 1999 (BGBl. I 2000, S. 2 ff.) in den ersten Absatz eingefügt, wobei sie – wie die Verwendung des Begriffes „Anhaltspunkte“ bereits zeigt – keine abschließenden Bewertungskriterien darstellen sollen (BT-Drucks. 14 / 1855, S. 6). 94  So die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in Anlehnung an die Formulierung des § 84 Abs. 1 S. 2 HGB, vgl. nur BSGE 13, 196 (201 f.); BSGE 16, 289 (293 f.). 95  Obwohl gesetzlich normiert in § 106 GewO, folgt das Direktionsrecht unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag, vgl. BAG, AP Nr. 38 zu § 611 BGB Direktionsrecht; BAG, AP Nr. 39 zu § 611 BGB Direktionsrecht. 96  Das Bundessozialgericht, das in diesem Zusammenhang von einer „funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ spricht (vgl. beispielsweise BSGE 38, 53 (57); BSGE 83, 246 (251)), hat eine Beschäftigung trotz geringer Weisungsgebundenheit beispielsweise bejaht für einen kirchlichen Prediger (BSGE 16, 289 (293 ff.)), für den Vorstandsvorsitzenden einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft (BSGE 47, 201 (204)) oder für den ehrenamtlichen Beigeordneten einer Gemeinde (BSGE 78, 34 (36)). 97  Axer, in: Sozialrechtshandbuch, § 14 Rn. 26. 98  Neumann, NZS 2001, S. 14 (16), spricht in diesem Zusammenhang vom Beschäftigten als „Arbeitskraftunternehmer“. 99  Vgl. ausführlicher zu dieser Problematik Neumann, NZS 2001, S. 14 (16 f.); Segebrecht in: jurisPK SGB IV, § 7 Abs. 1 Rn. 103 ff.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

Neben dem Weisungsrecht gibt § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers als weiteren Anhaltspunkt für die nichtselbstständige Arbeit vor. Dieses Kriterium unterstreicht die Fremdbestimmtheit der Beschäftigung, indem es ein Unterordnungsverhältnis voraussetzt.100 Es ist dabei nicht erforderlich, dass die Tätigkeiten an einem gewissen Ort erbracht werden; der Begriff der Arbeitsorganisation ist also nicht geografisch zu verstehen, sondern als eine von anderer Seite vorgegebene Ordnung, in der fremdbestimmte Arbeit geleistet werden kann.101 Eine Eingliederung in einen fremden Betrieb kann daher auch vorliegen, wenn der Beschäftigte seine Arbeit in seinem privaten Haushalt verrichtet, solange sie durch technische Maßnahmen organisatorisch mit dem Betrieb verbunden ist und weitgehend vom betrieblichen Organisationsablauf geprägt ist.102 Im Gegensatz dazu ist eine selbstständige Tätigkeit in der Regel dadurch geprägt, dass der Tätige selbst das Unternehmerrisiko trägt, eigenes Kapital einsetzt, selbst über seine Arbeitskraft verfügen kann und Arbeitszeit und -ort frei bestimmt.103 b) Maßgeblichkeit der tatsächlichen Umstände Maßgeblich für das Vorliegen einer Beschäftigung sind nicht das Vorliegen und die rechtliche Wirksamkeit eines Arbeits- oder Dienstvertrags, sondern die tatsächlichen Verhältnisse, das heißt die Erbringung realer Leistungen.104 Beschäftigte können daher auch der illegal beschäftigte Ausländer ohne Aufenthalts- bzw. Arbeitserlaubnis und der Schwarzarbeiter sein.105 Hintergrund dieses Abstellens auf tatsächliche Handlungen ist die Überlegung, dass es anderenfalls den Parteien des Arbeitsverhältnisses möglich 100  BSGE 10, 41 (45). – Die Eingliederung wird auch definiert als die abstrahierte und verstetigte, also institutionalisierte Weisungsunterworfenheit (Neumann, NZS 2001, S. 14 (15)). 101  BSG, SozR 3-2400 § 7 Nr. 13, S. 34; vgl. auch BSGE 36, 7 (8); BSGE 70, 81 (82). 102  Rolfs, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 7 SGB IV Rn. 13. – Bei der so genannten Telearbeit erfolgt beispielsweise eine Einbindung in die Betriebsorganisation durch die Anbindung an den Computer des Arbeitgebers, vgl. Segebrecht, in: jurisPK SGB IV, § 7 Abs. 1 Rn. 106, mit weiteren Nachweisen. 103  So zusammenfassend Knospe, in: Hauck  / Noftz SGB IV, § 7 Rn. 55; ebenso Rolfs, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 7 SGB IV Rn. 9. 104  So die Begründung zum Entwurf eines Sozialgesetzbuchs, BT-Drucks. 7 / 4122, S. 31; Axer, in: Sozialrechtshandbuch, § 14 Rn. 18; Becker, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 7; Segebrecht, in: jurisPK SGB IV, § 7 Abs. 1 Rn. 72. 105  Jung, in: Eichenhofer / Wenner, § 2 Rn. 9; Segebrecht, in: jurisPK SGB IV, § 7 Abs. 1 Rn. 73 f.; zur Beschäftigteneigenschaft bei sittenwidrigen Tätigkeiten siehe BSGE 87, 53.



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wäre, durch die vertragliche Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses ein Einstehen der Sozialversicherungsträger herbeizuführen,106 womit im Ergebnis ein Vertrag zu Lasten dieser geschlossen würde.107 Maßgebend für den Beginn des Beschäftigungsverhältnisses ist daraus folgend grundsätzlich die tatsächliche Aufnahme der Arbeit, wobei auch schon vor diesem Zeitpunkt ein Beschäftigungsverhältnis bestehen kann, wenn der Arbeitnehmer dienstbereit ist und sich in die Verfügungsgewalt des Arbeitgebers begeben hat.108 Entsprechend endet das Beschäftigungsverhältnis mit der tatsäch­ lichen Beendigung der Beschäftigung,109 d. h. mit dem Ende der Verfügungsgewalt des Arbeitgebers über den Arbeitnehmer.110 c) Versicherung der Beschäftigung im Gegensatz zum Privatleben Unversichert bleiben soll im Gegensatz zum beruflichen Bereich des Beschäftigten der private Bereich, wie vom Gesetzgeber beim Entwurf des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes111 ausdrücklich festgestellt.112 Dieser Grundsatz gilt bis heute, wie insbesondere der Ausschluss der satzungsmäßigen oder freiwilligen Unternehmerversicherung für Haushaltsführende zeigt.113 Entsprechend muss das Vorliegen einer Beschäftigung immer dort verneint werden, wo die Tätigkeit dem Privatleben zuzurechnen ist. Hier zeigt sich ein Einfallstor für Tatbestände der unechten Unfallversicherung: Wird eine Tätigkeit versichert, die dergestalt Teil des privaten Lebens ist, dass das Vorliegen einer Beschäftigung verneint werden muss, könnte ein Tatbestand der unechten Unfallversicherung vorliegen. 106  Nach dem Bundessozialgericht ist es den Vertragsparteien „grundsätzlich versagt, über ihre öffentlich-rechtlichen Pflichten zur paktieren“, BSGE 13, 130 (134); ähnlich auch schon BSGE 11, 257 (262) mit Verweis auf die entsprechende Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes. 107  Greiner, NZS 2009, S. 657 (659). 108  Knospe, in: Hauck  /  Noftz SGB IV, § 7 Rn. 51; Kruschinsky, in: Becker  / ​ Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, §  2 Rn.  304. 109  Von Sonderregelungen wie etwa § 7 Abs. 3 SGB IV abgesehen. 110  Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 313. 111  Gesetz zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung vom 30. April 1963, BGBl. I 1963, S. 241 ff. 112  BT-Drucks. 4 / 120, S. 53: „…den in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Grundsatz, daß Tätigkeiten, die in den Bereich des Privatlebens gehören, nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fallen“. 113  §§ 3 Abs. 2 Nr. 1, 6 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 SGB VII. – Ensberg, in: jurisPK SGB VII, § 3 Rn. 81, spricht im Zusammenhang mit dem Haushalt vom „Kernbereich des Privatlebens“.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

aa) Private Tätigkeiten im familiären Bereich Problematisch ist die Abgrenzung der Beschäftigung vom privaten Lebensbereich besonders im Hinblick auf Tätigkeiten im Unternehmen eines Ehegatten, Lebenspartners, Kindes oder Elternteils. Zwar stehen derartige verwandtschaftliche Beziehungen der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses nicht generell entgegen.114 Maßgeblich sind jedoch die Umstände des Einzelfalls, d. h. ob eine Eingliederung in ein fremdes Unternehmen und ein Weisungsrecht des jeweiligen Unternehmers vorliegen.115 Dass die Abhängigkeit unter Verwandten im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt ist und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird, steht der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses dabei nicht entgegen.116 Ausscheiden muss ein Beschäftigungsverhältnis117 zwischen Verwandten zunächst dann, wenn die Tätigkeit die Erfüllung einer familienrechtlichen Pflicht darstellt.118 In Betracht kommen hier neben den allgemeinen Bei114  Bis zum In-Kraft-Treten der Ersten Verordnung zur Vereinfachung des Leistungs- und Beitragsrechts in der Sozialversicherung vom 17. März 1945 (RGBl. I 1945, S. 41 ff.) schloss § 159 RVO a. F. die Beschäftigung unter Ehegatten für den Bereich der gesamten Reichsversicherungsordnung grundsätzlich aus. Siehe näher zu dieser Vorschrift und der rechtsgeschichtlichen Betrachtung der Ehegattenarbeitsverhältnisse Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche ­Unfallversicherung, § 2 Rn. 217; Rienau, SozVers 1967, S. 27 (27 f.); dazu und zur Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes vgl. Marschner, AR-Blattei, SD 615.2 Rn. 4 ff. – Zur generellen Zulässigkeit eines Beschäftigungsverhältnisses unter Ehegatten BVerfGE 18, 257; darauf aufbauend BSGE 34, 207; zu den Anforderungen an die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses unter Ehegatten BSG, NJW 1994, S. 341 (341 ff.); BSGE 74, 275 (278 ff.); vgl. auch BSGE 12, 153. 115  So die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts seit dem so genannten Meistersohn-Urteil aus dem Jahr 1956, BSGE 3, 30 (39); vgl. beispielsweise BSGE 17, 1 (4); BSGE 74, 275 (278 f.); BSG, SGb 2001, S. 560 (561). 116  BSGE 34, 207 (211); BSGE 66, 168 (171); BSG, NJW 1994, S. 341 (341). 117  Entsprechendes gilt für den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII, der im Einzelfall eine Beschäftigtenähnlichkeit fordert; vgl. näher dazu unten Kapitel 1 C. II. 1. 118  So die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. beispielsweise BSGE 3, 30 (39); BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 33, S. 96; BSG, NJW 1988, S. 843 (844); BSGE 74, 275 (281); zustimmend statt Vieler Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 34; Grabau / Hundt, DSWR 2002, S. 193 (194); Kruschinsky, in:  Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, §  2 Rn. 216; Leube, in: Kater  /  Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, §  2 Rn.  11; Marschner, AR-Blattei, SD 615.2 Rn. 24; Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 10a. – Entsprechendes gilt für ein Arbeitsverhältnis zwischen Ehegatten oder Familienangehörigen: Beruht die Mitarbeit auf familienrechtlichen Pflichten, finden die Vorschriften des Arbeitsrechts keine Anwendung; vgl. hierzu Fenn, Mitarbeit in Diensten Familienangehöriger, S. 68 ff.; Menken, DB 1993, S. 161 (161 ff.); Hergen-



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standspflichten119 auch Unterhaltspflichten120 sowie die Pflicht der Kinder zur Mitarbeit im Betrieb der Eltern nach § 1619 BGB. Doch auch wo solche Pflichten nicht bestehen, kann die familiäre Beziehung der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses entgegenstehen, wenn die Tätigkeit alleine aufgrund ihrer erfolgt und durch sie geprägt ist.121 Der formale Grad der familiären Beziehung ist dabei nicht alleine maßgeblich, vielmehr muss außerdem tatsächlich eine enge familiäre Lebensgemeinschaft bestehen. Je enger der Verwandtschaftsgrad und das tatsächliche Verhältnis sind, desto eher wird die Tätigkeit alleine aufgrund des Familienverhältnisses ausgeübt, und desto weniger kann von einer versicherten Tätigkeit ausgegangen werden.122 Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls; familiäre Gefälligkeitshandlungen sind dann als die Erfüllung gesellschaftlicher, nicht rechtlicher Verpflichtungen anzusehen, wenn sie bei besonders engen Beziehungen zwischen Verwandten typisch, üblich und deshalb zu erwarten sind.123 Entsprechendes gilt auch für Gefälligkeiten unter Freunden, Kollegen, Nachbarn oder in ähnlich engen Beziehungen.124 Das Bundessozialgericht hatte daher beispielsweise die unentgeltliche Betreuung eines Patenkindes während einer vierwöchigen Urlaubsreise der Eltern als familiäre Gefälligkeit angesehen und den Versicherungsschutz verneint.125 röder, AR-Blattei, SD 615.1 Rn. 91; Müller-Glöge, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 611 Rn. 208; Preis, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 611 BGB Rn. 133; Röller, in: Küttner, Personalbuch, Familiäre Mitarbeit, Rn. 5. 119  §§ 1353 Abs. 1 S. 2, 1618a BGB sowie § 2 LPartG. 120  §§ 1360 f., 1601 ff. BGB sowie § 5 LPartG. 121  BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 55, S. 162; BSG, SGb 2001, S. 560 (562); zustimmend Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 216; vgl. entsprechend für das Gebiet des Arbeitsrechtes Fenn, Mitarbeit in den Diensten Familienangehöriger, S. 33; Menken, DB 1993, S. 161 (162). 122  Ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. beispielsweise BSG, SozR 3-2200 § 657 Nr. 1, S. 3; BSG, NJW 1994, S. 676 (676 f.); BSG, Urteil vom 18. November 1997 – 2 BU 52 / 97; zustimmend statt Vieler Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, §  2 Rn.  855; Masuch, SGb 1994, S. 284 (285). 123  Ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. beispielsweise BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 134, S. 405 f.; BSG, NZS 1992, S. 79 (80); zustimmend statt Vieler Fuchs / Höller, SGb 2001, S. 563 (565); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 34.19; vgl. auch BSG, NZS 1995, S. 81 (83). 124  BSG, NZS 1992, S. 79 (80). 125  BSG, Urteil vom 8. Dezember 1983 – 2 RU 81  / 82. – Vgl. zur Grenze der familiären Gefälligkeit auch BSG, SozR 3-2200 § 548 Nr. 20, wo das Gericht Versicherungsschutz annahm bei täglicher Betreuung eines Enkelkindes durch die Großmutter, die damit ihrer Tochter die Berufstätigkeit ermöglichte.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

Nicht nur begrifflich bestehen Parallelen zum Gefälligkeitsverhältnis im Sinne des Zivilrechts. Häufig ist derselbe Personenkreis in einer vergleichbaren Situation betroffen. Dennoch liegt keine Deckungsgleichheit dergestalt vor, dass vom Vorliegen eines zivilrechtlichen Gefälligkeitsverhältnisses auf den Ausschluss einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung geschlossen werden kann.126 Hintergrund ist die unterschiedliche Zweckrichtung: Das zivilrechtliche Gefälligkeitsverhältnis begründet keine Rechtspflichten, sondern wirkt sich nur im sozialen bzw. gesellschaftlichen Bereich aus. Entscheidend ist das Vorliegen eines Rechtsbindungswillens der Parteien.127 Ein Gefälligkeitsverhältnis muss daher dort ausscheiden, wo erkennbar ist, dass für den Leistungsempfänger wesentliche Interessen auf dem Spiel stehen und er sich auf die Zusage verlässt.128 Dagegen kommt es für das Gefälligkeitsverhältnis im Sozialversicherungsrecht darauf an, ob eine Handlung dem privaten, nicht versicherten Bereich zuzuordnen ist. Maßgeblich ist das tatsächliche Verhältnis der Betroffenen untereinander, d. h. ob die Tätigkeit sich innerhalb dessen hält, was erwartet und als sozialüblich angesehen werden kann.129 bb) Private Tätigkeiten als (Vereins-)Mitglied Eine Verpflichtung zur Leistung von abhängiger Arbeit kann nicht nur aufgrund eines Arbeits- oder Dienstvertrags bestehen, sondern auch in Form mitgliedschaftlicher Pflichten, insbesondere bei Vereinsmitgliedern.130 Zwar 126  Entsprechend finden sich, soweit ersichtlich, in der sozialversicherungsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur auch keine Hinweise auf das Verhältnis zum zivilrechtlichen Gefälligkeitsverhältnis. 127  BGHZ 21, 102 (106); BGHZ 88, 373 (383); BGHZ 92, 164 (168); für die Literatur statt Vieler Grüneberg, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Einl v § 241, Rn. 7. 128  BGHZ 56, 204 (210); BGH, NJW 1992, S. 498 (499); zustimmend Köhler, NZV 2011, S. 105 (106) mit weiteren Nachweisen. 129  Benötigt beispielsweise jemand eine Fahrgelegenheit, um pünktlich zu einem Vorstellungsgespräch oder einer Prüfung zu gelangen, stehen – für den Fahrer erkennbar – wichtige Interessen auf dem Spiel, sodass vom Vorliegen eines Rechtsbindungswillens auszugehen sein wird (ähnlich auch Köhler, NZV 2011, S. 105 (106)). Ist der Fahrer ein enger Verwandter oder Freund, kann jedoch aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht weiterhin eine familienhafte Gefälligkeit vorliegen, die als solche unversichert bleibt. 130  Insbesondere kann der Verein in seiner Satzung festlegen, dass die Beitragspflicht (vgl. § 58 Nr. 2 BGB) in Form von Werk- oder Dienstleistungen erbracht wird (allgemeine Auffassung, vgl. beispielsweise BAGE 103, 20 (26 f.); Dütz, in: FS Hilger / Stumpf, S.  99 (113 f.); Habermann, in: Staudinger, BGB, § 58 Rn. 4; Reuter, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 58 Rn. 43; Schöpflin, in: Beck’scher ­Online-Kommentar BGB, § 58 Rn. 4a).



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schließt die Mitgliedschaft in einem Verein nicht von vornherein die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses aus.131 So ist beispielsweise der professionelle Fußballspieler als Beschäftigter bei seinem Verein anzusehen.132 Beruht die Arbeit jedoch nur auf Mitgliedspflichten, besteht kein Raum für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses.133 Entscheidend für das Bestehen solcher Pflichten ist die Vereinswirklichkeit, in der Satzung, Organbeschlüsse und allgemeine Vereinsübung übereinstimmen.134 Hintergrund ist wiederum der Ausschluss privater Tätigkeiten; den Privatbereich, den sich Bürger als Mitglieder eines Vereins schaffen, lässt die gesetzliche Unfallversicherung grundsätzlich unberührt.135 Zu Verrichtungen, die aufgrund der Vereinspflicht erbracht werden, zählen vor allem geringfügige Tätigkeiten, die ein Verein von jedem seiner Mitglieder erwarten kann und die von den Mitgliedern dieser Erwartung entsprechend auch verrichtet werden.136 Diese Tätigkeiten erfordern in der Regel nur einen geringen zeitlichen und sachlichen Aufwand, wobei die Geringfügigkeitsmarke je nach Verein verschieden sein kann, abhängig von der Bereitschaft der Vereinsmitglieder, Arbeiten für den Verein zu verrichten.137 Geringfügigkeit liegt nicht mehr vor, wo sich eine Arbeitsleistung von wirtschaftlichem Wert deutlich erkennbar von dem Maß an vergleichbarer Aktivität abhebt, das die Vereinsmitglieder üblicherweise aufwenden.138 131  Ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. beispielsweise BSGE 52, 11 (12); BSG, NZA 1985, S. 133 (133); BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 41, S. 165. 132  BSGE 16, 98 (101 f.). 133  Die parallele Problematik stellt sich im Arbeitsrecht. Maßgeblich für die Abgrenzung ist hier die unterschiedliche Zweckrichtung: Wesen des Dienstverhältnisses ist der schuldrechtliche Austausch von Dienstleistungen und Vergütung. Rechtsgrund der Beitragsleistung für einen Verein ist hingegen kein Austauschvertrag, sondern die Vereinssatzung mit der Beitragsabrede; die Beitragsleistung erfolgt, um den Vereinszweck zu fördern (BAGE 103, 20 (27)). 134  BSG, NZA 1985, S. 133 (134); BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 18, S. 67. 135  BSG, NZA 1985, S. 133 (133). 136  Beispielsweise Ordnungsdienste bei Veranstaltungen des Vereins, der Verkauf von Eintrittskarten, regelmäßige Arbeiten zur Reinigung und Herrichtung des Sportplatzes (BSGE 14, 1 (3)). 137  Das Bundessozialgericht (SozR 3-2200 § 539 Nr. 41, S. 168) sah beispielsweise die dreiwöchige Betreuung einer Pfadfindergruppe durch die ehrenamtliche Leiterin der Gruppe während eines Sommerlagers noch als typische Tätigkeit für den Verein an. Der Verein habe „die Mitglieder des Leitungsteams aus dem Kreis seiner Mitglieder dadurch herausgehoben, daß er ihnen Leitungsfunktionen übertrug“; daher träfen diese Mitglieder auch qualitativ und quantitativ andere Vereinspflichten als die übrigen Mitglieder. 138  BSG, NJW 1996, S. 446 (448). – In diesen Fällen kann jedoch eine entsprechende Vereinspflicht kraft Satzung, Vereinsbeschluss oder Vereinsübung begründet werden, die dann wiederum den Versicherungsschutz ausschließt; vgl. dazu näher

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

d) Ergebnis: Die wesentlichen Merkmale der Beschäftigung Zusammenfassend versichert die echte Unfallversicherung die Beschäftigung als Leistung fremdnütziger und unselbstständiger, d. h. weisungsgebundener Arbeit in einer fremden Organisation.139 Maßgeblich ist nicht das zugrunde liegende Rechtsgeschäft, sondern sind die tatsächlichen Umstände. Ausscheiden muss die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses dort, wo der private Lebensbereich beginnt. Tätigkeiten, die aufgrund mitgliedschaftlicher oder familienrechtlicher Pflichten oder als familiäre, freundschaftliche, nachbarschaftliche oder kollegiale Gefälligkeiten vorgenommen werden, sind keine versicherten Tätigkeiten im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Auf diese Merkmale hin sind nun die übrigen Tatbestände des § 2 SGB VII zu untersuchen. Nur wo eine Vergleichbarkeit mit der Beschäftigung vorliegt, kann von einer logischen Weiterentwicklung dieser echten Unfallversicherung gesprochen werden. Weicht dagegen ein Versicherungstatbestand maßgeblich von den Voraussetzungen der Beschäftigung ab, ist er zur unechten Unfallversicherung zu zählen.

II. Unfallversicherungsschutz für Beschäftigtenähnliche 1. Die Versicherung der Wie-Beschäftigten, § 2 Abs. 2 SGB VII § 2 Abs. 2 SGB VII erweitert den Kreis der Versicherten auf solche Personen, die wie Beschäftigte tätig werden. Der Versicherungsschutz wurde eingeführt, weil die in der Vorschrift Genannten die wesentliche Grundstruktur der Beschäftigung verwirklichen, wenn auch nicht alle Merkmale des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII erfüllt sind. Der Versicherungsschutz setzt das Vorliegen einer ernstlichen, dem in Betracht kommenden Fremdunternehmen zu dienen bestimmten Tätigkeit voraus, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und ungeachtet des Beweggrundes für den Entschluss, tätig zu werden, unter solchen Umständen tatsächlich geleistet wird, dass sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist.140 Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 276; Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 865 f.; Riebel, in: Hauck / ​ Noftz SGB VII, § 2 Rn. 287. 139  Nach § 2 Abs. 3 SGB VII gilt § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII auch für verschiedene im Ausland tätige Personen. Diese Personen werden den Beschäftigten gleichgestellt; es liegen damit ebenfalls Tatbestände der echten Unfallversicherung vor. 140  Ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts; vgl. schon BSGE 5, 168 (171); mit weiteren Nachweisen jeweils BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 15, S. 53; BSG, SozR 4-2700 § 2 Nr. 5 Rn. 10.



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a) Ernstliche, einem fremden Unternehmen zu dienen bestimmte Tätigkeit, die dem Willen des Unternehmers entspricht Die ausgeübte Tätigkeit muss einen wirtschaftlichen Wert haben, der jedoch auch bei Tätigkeiten aus ideellen Gründen gegeben sein kann.141 Auch eine lediglich vorübergehende Tätigkeit kann den Tatbestand des § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII erfüllen.142 Es genügt eine kurzzeitige und geringfügige Hilfe, die jedoch über wenige Augenblicke hinausgehen muss.143 Ein Mindestalter für den Versicherungsschutz ist nicht vorgesehen, sodass auch Kinder im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII wie Beschäftigte tätig werden können.144 Die ausgeübte Tätigkeit muss ferner dem fremden Unternehmen dienen. Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Tätigen.145 So kann beispielsweise eine dem Unternehmen tatsächlich nützliche Handlung deswegen nicht unter Versicherungsschutz stehen, weil eigenwirtschaftliche Interessen verfolgt werden.146 Andererseits braucht kein objektiver Nutzen für das Unternehmen eintreten, sondern es genügt, wenn nach den subjektiven Vorstellungen des Handelnden ein Nutzen eintreten sollte.147 141  Ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. beispielsweise BSGE 5, 168 (172); BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 60, S. 178. 142  In der Vorgängervorschrift des § 539 Abs. 2 RVO war dies noch ausdrücklich erwähnt. Die Änderung des Wortlauts sollte den Unfallversicherungsschutz nicht einschränken (BT-Drucks. 13 / 2204, S. 75 f.). 143  So wurde das Vorliegen einer Wie-Beschäftigung beispielsweise bejaht für die Hilfe beim Rangieren eines Anhängers (BSGE 5, 168) sowie für das Geben von Ratschlägen (BSGE 25, 102). Verneint wurde die Versicherteneigenschaft jedoch für das bloße Festhalten eines Motortestgerätes, da es sich dabei um eine Tätigkeit handelt, die nur wenige Augenblicke in Anspruch nimmt (BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 8, S. 31). 144  Hier ist jedoch darauf zu achten ist, ob diese tatsächlich das Unternehmen unterstützen wollen oder nicht lediglich aus einem Spieltrieb heraus handeln oder um Tätigkeiten Erwachsener nachzuahmen (BSG, Urteil vom 13. August 2002 – B 2 U 33 / 01 R). 145  BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 119, S. 340 f. 146  Eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit trotz objektiver Nützlichkeit für ein fremdes Unternehmen wurde beispielsweise angenommen bei Personen, die gekauftes Obst für den eigenen Haushalt pflücken (BSGE 57, 91; anders noch BSGE 19, 117) oder in jüngster Zeit bei der gemeinsamen Reinigung einer Reihenhausanlage durch die Nachbarn (BSG, SozR 4-2700 § 2 Nr. 6). Das Bundessozialgericht (SozSich 1994, S. 392; VersR 1997, S. 1254) lehnte auch den Versicherungsschutz für die Reinigung von asbestverseuchter Arbeitskleidung durch die Ehefrau eines Beschäftigten ab; zustimmend Keller, in: FS 40 Jahre Landessozialgerichtsbarkeit, S. 353 (365); kritisch dagegen Schneider / Großgarten / Woitowitz, SGb 1994, S. 557 (557). 147  Verlangte man eine objektive Nützlichkeit, würde der Versicherungsschutz praktisch immer dann gegenstandslos, wenn, wie das häufig der Fall ist, einer Tä-

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

Die Tätigkeit muss dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechen. Der wirkliche Wille ist entweder der ausdrücklich erklärte oder der sich aus den Umständen ergebende Wille, beispielsweise durch die wiederholte Duldung einer Tätigkeit.148 Ist dieser nicht ersichtlich, muss auf den mutmaßlichen Willen abgestellt werden, der dem allgemeinen Unternehmenszweck und der Interessenlage zu entnehmen ist. Der Handelnde muss bei verständiger Würdigung aller Umstände davon ausgehen dürfen, sein Tätigwerden werde vom Unternehmer gebilligt.149 b) Ähnlichkeit mit Tätigkeiten in einem Beschäftigungsverhältnis Die Tätigkeit muss Ähnlichkeit mit Tätigkeiten haben, die in einem Beschäftigungsverhältnis verrichtet werden. Dazu muss sie zum einen dem Arbeitsmarkt zuzurechnen sein, d. h. ihrer Art nach von Personen verrichtet werden können, die in einem dem allgemeinen Arbeitsleben zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen.150 Erforderlich ist jedoch gerade keine persönliche Abhängigkeit des Handelnden von einem Unternehmer oder eine Eingliederung in dessen Unternehmen;151 bei Vorliegen dieser Voraussetzungen würde die Tätigkeit nicht „wie“ ein Beschäftigter, sondern „als“ ein Beschäftigter ausgeübt, sodass Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII bestünde.152 Es genügt, dass die Tätigkeit typischerweise als Arbeitnehmertätigkeit ausgeübt wird, wobei der Versicherungsschutz nicht davon abhängt, ob der betreffende Unternehmer tatsächlich eine andere Person zur Übernahme der Tätigkeit beschäftigt hätte.153 tigkeit der Erfolg deshalb versagt bleibt, weil ein Unfall eintritt (so überzeugend auch BSGE 5, 168 (172)). 148  Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 274. 149  Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 34.9. 150  Ständige Rechtsprechung seit BSGE 5, 168 (174). – Ausgeschlossen sind daher beispielsweise Tätigkeiten, die ausschließlich im Rahmen eines Ehrenamtes ausgeübt werden können; siehe dazu BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 29, S. 80 (wobei nach der Formulierung des § 539 Abs. 2 RVO eine andere Entscheidung getroffen werden musste als nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII, da er nicht nur auf die Beschäftigten, sondern auf alle nach § 539 Abs. 1 RVO Versicherten verwies). Auch eine für die Kirche erbrachte Kulthandlung soll nach diesen Grundsätzen den Versicherungsschutz ausschließen (Krasney, NZS 1999, S. 577 (580); Kruschinsky, in: Becker  / ​ Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 848; offenlassend BSGE 15, 292 (293 f.)). 151  BSGE 5, 168 (173); BSGE 17, 211 (216). 152  Krasney, NZS 1999, S. 577 (578). 153  BSG, Urteil vom 5. März 2002 – B 2 U 9 / 01 R.



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Neben der abstrakten Eignung zur Verrichtung durch Beschäftigte muss die Tätigkeit auch unter Betrachtung der Umstände des Einzelfalls beschäftigtenähnlich ausgeführt worden sein. Versicherungsschutz besteht daher dann nicht, wenn die Tätigkeit in einer anderen Funktion, also aufgrund besonderer Verpflichtungen oder Rechtsverhältnisse, ausgeübt wird, beispielsweise aufgrund mitgliedschaftlicher oder gesellschaftsrechtlicher Verpflichtungen oder aufgrund familiärer, freundschaftlicher oder nachbarschaftlicher Verbindung. Dies entspricht den Anforderungen an ein Beschäftigungsverhältnis, das ebenfalls ausscheiden muss, wenn die Tätigkeit aufgrund mitgliedschaftlicher oder familienrechtlicher Pflichten oder als familiäre, freundschaftliche, nachbarschaftliche oder kollegiale Gefälligkeit vorgenommen wird.154 Kein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 SGB VII besteht ferner, wenn die Tätigkeit eher der eines Unternehmers gleicht als der eines Beschäftigten. Entscheidend sind dabei die Umstände des Einzelfalls; eine unternehmerähnliche Tätigkeit erbringt, wer mit einem Verhalten, das ansonsten einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnelt, in Wirklichkeit wesentlich eigene Angelegenheiten verfolgt.155 Die wichtigste Voraussetzung für eine unternehmerähnliche Tätigkeit ist dabei die freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft, die Arbeitszeit und den Arbeitsort, die auch das herausragende Merkmal des Unternehmers in Abgrenzung zum Beschäftigten darstellt.156 Weitere Indizien für eine unternehmerähnliche Tätigkeit sind – vergleichbar mit der Abgrenzung zwischen Beschäftigtem und Unternehmer157 – die Tragung des wirtschaftlichen Risikos sowie eine gewisse Regelmäßigkeit und Häufigkeit der Tätigkeiten.158

154  Siehe

hierzu oben Kapitel 1 C. I. 2. c). SozR 4-2700 § 2 Nr. 6 Rn. 13. 156  Keller, NZS 2001, S. 188 (191). 157  So ausdrücklich BSG, SozR 4-2700 § 2 Nr. 5 Rn. 17. – Bisweilen wird auch die Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen den Beteiligten zur Abgrenzung herangezogen: Gleiche das Rechtsverhältnis einem Dienstvertrag, spreche dies für eine beschäftigtenähnliche Tätigkeit, gleiche es beispielsweise einem Auftrag oder einem Werkvertrag, deute dies auf eine unternehmerähnliche Tätigkeit hin (so insbesondere Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 34.13; Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 277b; kritisch dazu Keller, NZS 2001, S. 188 (192 f.); Niedermeyer, NZS 2010, S. 312 (317)). 158  Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 265 ff.; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  / ​ Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 34.12; Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 277 f., jeweils mit weiteren Nachweisen. – Keller, NZS 2001, S. 188 (191), lässt das Vorliegen eines der beiden Kriterien genügen; kritisch dazu Niedermeyer, NZS 2010, S. 312 (316). 155  BSG,

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

c) Unfreie Personen, § 2 Abs. 2 S. 2 SGB VII Nach § 2 Abs. 2 S. 2 SGB VII sind Personen versichert, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung159 oder aufgrund einer strafrichterlichen160, staatsanwaltlichen oder jugendbehörd­ lichen Anordnung161 wie Beschäftigte tätig werden. Ihre Arbeitsleistung ist grundsätzlich keine Beschäftigung, da es an dem Kriterium der Freiwilligkeit mangelt.162 Den unfreien Arbeitern sollte dennoch der gleiche Unfallschutz eingeräumt werden wie den freien Arbeitnehmern,163 sodass die Vorschrift neben den Gefangen164 alle Arbeitskräfte erfasst, die bei Beschränkung ihrer persönlichen Freiheit ohne freie Selbstbestimmung für andere wirtschaftliche Arbeitsleistungen erbringen.165 Erforderlich ist jedoch, dass die betreffende Person wie ein Beschäftigter handelt. Verletzungen bei eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten stehen auch hier nicht unter Versicherungsschutz.166 159  In Betracht kommen hier beispielsweise die Freiheitsstrafe nach den §§ 38 f. StGB, freiheitsentziehende Maßnahmen im Sinne der §§ 63 ff. StGB wie die Sicherungsverwahrung oder die Verwahrung Geisteskranker oder Süchtiger, die Untersuchungshaft im Sinne der §§ 112 ff. StPO (Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 35.1) oder auch die Fürsorgeerziehung in einem offenen oder geschlossenen Heim (BSGE 39, 104 (106); ebenso Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, §  2 Rn. 876). 160  Strafrichterliche Anordnungen können Arbeitsauflagen aller Art sein, beispielsweise bei Strafaussetzung zur Bewährung oder bei Jugendstrafe (Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, §  2 Rn.  878). 161  Staatsanwaltliche oder jugendbehördliche Anordnung meint Arbeitsleistungen aufgrund des § 153a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO bzw. des § 45 Abs. 2 S. 1 JGG (Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 880 f.). 162  Die Pflicht zur Arbeit ergibt sich aus § 41 StVollzG, wonach der Gefangene verpflichtet ist, eine ihm zugewiesene, seinen körperlichen Fähigkeiten angemessene Arbeit, arbeitstherapeutische oder sonstige Beschäftigung auszuüben, zu deren Verrichtung er auf Grund seines körperlichen Zustandes in der Lage ist, beziehungsweise aus entsprechenden Vorschriften in den Strafvollzugsgesetzen der Länder (vgl. Buch 3 § 47 StVollzG Baden-Württemberg; Art. 43 StVollzG Bayern; § 38 StVollzG Niedersachsen). 163  BT-Drucks. 4 / 120, S.  52. 164  Für diese bestand bereits früher Unfallversicherungsschutz nach Maßgabe des Gesetzes betreffend die Unfallfürsorge für Gefangene vom 30. Juni 1900 (RGBl. I 1900, S.  536 ff.). 165  So die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, BSGE 39, 104 (106), das folgerichtig Versicherungsschutz für einen in Ausführung einer Fürsorgeerziehung in einem Heim untergebrachten Minderjährigen bejahte. 166  Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 873, 882. – Daran ändert sich auch nichts, wenn der Unfall



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff61

d) Einordnung in die echte oder die unechte Unfallversicherung Mit der Frage, ob die nach § 2 Abs. 2 SGB VII Versicherten der echten oder der unechten Unfallversicherung angehören, beschäftigt sich die Literatur, soweit ersichtlich, wenig. Dies könnte dahingehend gedeutet werden, dass allgemein von der Zuordnung zur echten Unfallversicherung ausgegangen wird. Lediglich für unfreie Wie-Beschäftigte im Sinne von § 2 Abs. 2 S. 2 SGB VII wird bisweilen diskutiert, ob der Tatbestand nicht der unechten Unfallversicherung zuzuordnen sei. Die Tätigkeit werde zwangsweise verrichtet, weswegen das mit der Tätigkeit verknüpfte Risiko vom Staat, d. h. der Allgemeinheit gesetzt werde, in deren Interesse auch die Arbeit als Resozialisierungmaßnahme liege.167 Maßgebliches Kriterium für die Einbeziehung der nach § 2 Abs. 2 SGB VII Versicherten ist die Ähnlichkeit mit den Beschäftigten als Kerntatbestand der echten Unfallversicherung. Zwar mag es an konstitutiven Merkmalen der Beschäftigten fehlen, jedoch sollten die Personen gerade deshalb versichert werden, weil sie Tätigkeiten verrichten, die üblicherweise von Beschäftigten verrichtet werden und dem jeweiligen Unternehmen – wie eben auch die Tätigkeit eines Beschäftigten – dienen und zu dienen bestimmt sind. Die Grundstruktur eines Beschäftigungsverhältnisses ist gegeben, denn die Unfreien verrichten ernstliche Tätigkeiten, die einem fremden Unternehmen zu dienen bestimmt sind und dem Willen des Unternehmers entsprechen. Diese Tätigkeiten sind dem allgemeinen Erwerbsleben zugänglich und werden auch im Einzelfall nicht als Gefälligkeit oder Vereinspflicht, sondern einer Beschäftigung vergleichbar verrichtet. Daher liegt ein Tatbestand der echten Unfallversicherung vor.168 2. Versicherungsschutz für behinderte Menschen, § 2 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII Mit § 2 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII enthält die Unfallversicherung einen weiteren Tatbestand, der beschäftigtenähnliche Personen betrifft und daher der echten Unfallversicherung angehören könnte. Gesetzlich unfallversichert sind danach behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für bebei der privaten Tätigkeit mit dem Zwangsaufenthalt und den besonderen Verhältnissen der Freiheitsentziehung zusammenhängt (Leube, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 455). 167  Bley, ZSR 1974, S. 193 (218); für eine Zuordnung zur unechten Unfallversicherung auch Seewald, in: Kasseler Kommentar SGB I, § 5 Rn. 7; Zacher, Abhandlungen zum Sozialrecht, S. 473 (479). 168  Ebenso Krasney, in: FS Zacher, S. 407 (416 f.).

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

hinderte Menschen169 oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 143 SGB IX170 oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Der Unfallversicherungsschutz für Menschen mit Behinderungen geht zurück auf das Gesetz über die Sozialversicherung Behinderter171, das für bestimmte arbeitende Behinderte eine Beschäftigung im Sinne des Sozialversicherungsrechts fingierte.172 Eine solche ausdrückliche Gleichstellung findet sich in der heutigen Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII173 nicht mehr. Daraus könnte man schließen, dass der Gesetzgeber für das Recht der Unfallversicherung diese beiden Personengruppen bewusst trennen wollte, sodass von einer mangelnden Vergleichbarkeit der behinderten Menschen mit den Beschäftigten ausgegangen werden könnte. Ein Argument gegen diese enge Auffassung liefern jedoch die Anforderungen an den versicherten Personenkreis. Unter § 2 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII 169  Behindertenwerkstätten sollen nach § 136 Abs. 1 SGB IX behinderten Menschen eine angemessene berufliche Bildung und eine Beschäftigung zu einem ihrer Leistung angemessenen Arbeitsentgelt aus dem Arbeitsergebnis anbieten und es ihnen ermöglichen, ihre Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu entwi­ ckeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen und dabei ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln. 170  § 143 SGB IX verweist auf das Blindenwarenvertriebsgesetz. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BliwaG definierte Blindenwerkstätten als Betriebe, in denen ausschließlich Blindenwaren hergestellt und in denen bei der Herstellung andere Personen als Blinde nur mit Hilfs- oder Nebenarbeiten beschäftigt werden. – Das Blindenwarengesetz wurde mit Wirkung zum 1. Juli 2011 aufgehoben. Dabei sollte jedoch sichergestellt werden, dass bisher anerkannten Werkstätten aus Gründen des Besitzstandschutzes ihr Status erhalten bleiben soll (BT-Drucks. 16 / 4391 S. 42), sodass für diese der Unfallversicherungstatbestand noch immer von Bedeutung ist. 171  BGBl. I 1975, S. 1061 ff. – Ausdrücklich bestand Versicherungsschutz zwar nur in der Kranken- und Rentenversicherung (§ 3 Abs. 1 SVBG, §§ 4 ff., 8 ff. SVBG); da jedoch § 2 Abs. 2 SVBG ein Beschäftigungsverhältnis fingierte, waren auch die Voraussetzungen des Unfallversicherungsschutzes gegeben (BSGE 65, 138 (140)). 172  § 2 Abs. 2 SVBG: „Als beschäftigt gelten Behinderte, die ohne oder gegen Entgelt in gewisser Regelmäßigkeit eine Leistung erbringen, die einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbsfähigen Beschäftigten in gleichartiger Beschäftigung entspricht. Zu den Beschäftigungen zählen auch Dienstleistungen für den Träger der Einrichtung.“ 173  Anders im Recht der Rentenversicherung, wo nach § 1 S. 1 Nr. 2 lit. a, S. 4 SGB VI in Behinderten- und Blindenwerkstätten tätige Personen als Beschäftigte gelten. Auch § 138 Abs. 1 SGB IX ordnet ausdrücklich an, dass behinderte Menschen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten grundsätzlich in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis zu den Werkstätten stehen.



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff63

fallen – ebenso wie unter die Vorgängerregelung – nur solche Menschen mit Behinderungen, die fähig sind, noch ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen.174 Damit müssen auch bei ihnen noch gewisse Merkmale eines abhängigen entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses vorhanden sein, an die das Gesetz sonst die Versicherungspflicht knüpft.175 Auf eine weiter gehende Regelung, nach der auch Personen unter Versicherungsschutz gestellt werden, die mangels Werkstattfähigkeit in anderen Förderstätten betreut werden, hatte der Gesetzgeber bewusst verzichtet, indem er entsprechende Vorschläge im Gesetzgebungsverfahren176 nicht aufgegriffen hatte. Im Rahmen dieser Vorschläge war explizit auf andere Versichertengruppen hingewiesen, bei denen „auf wirtschaftlich verwertbare Ergebnisse von Beschäftigung verzichtet“ werde, wie beispielsweise Schüler oder Hilfeleistende bei Unglücksfällen.177 Dass dennoch darauf verzichtet wurde, zeigt, dass es dem Gesetzgeber bei der Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII primär darum ging, „arbeitende“ Personen zu versichern und keinen Tatbestand der unechten Unfallversicherung zu schaffen. Die nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII versicherten Personen sind daher, ebenso wie die Wie-Beschäftigten, aufgrund ihrer Vergleichbarkeit mit den Beschäftigten der echten Unfallversicherung zuzuordnen.178

III. Unfallversicherungsschutz für Unternehmer und ihre Familien 1. Unfallversicherungsschutz für Unternehmer und unternehmerähnliche Personen Grundsätzlich sind Unternehmer nicht kraft Gesetzes unfallversichert.179 § 2 Abs. 1 SGB VII enthält jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz. So regelt § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. a SGB VII die Versicherung landwirtschaftlicher 174  § 136 175  BSG,

Abs. 2 S. 1 SGB IX. SozR 4-2700 § 2 Nr. 17 Rn. 30; zur Vorgängerregelung BSGE 62, 149

(151 ff.). 176  BT-Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung, Ausschussdrucks. 13  / 0289 und 13 / 0568. – Für diese Personen kommt dagegen Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII in Betracht (BT-Drucks. 13 / 2204, S. 74). 177  BT-Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung, Ausschussdrucks. 13 / 0568. 178  Ebenso Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 8; Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92; Schmitt, in: Sozialrechtshandbuch, § 16 Rn. 21; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256; andere Auffassung Plagemann, in: Plagemann / Radtke-Schwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 37. 179  Möglich ist jedoch eine Pflichtversicherung kraft Satzung, § 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, oder einer freiwillige Versicherung, § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Dabei blei-

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

Unternehmer, § 2 Abs. 1 Nr. 6 SGB VII stellt Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister unter Unfallversicherungsschutz und § 2 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII gewährt Schutz vor Arbeitsunfällen für selbstständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 Var. 1 SGB VII sind schließlich Personen versichert, die selbstständig im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind. a) Unternehmerversicherung und echte Unfallversicherung Die Unfallversicherung der Unternehmer wird üblicherweise der echten Unfallversicherung zugeordnet.180 Hierfür wird angeführt, dass seit der Einführung der Unfallversicherung im Jahr 1884 die Möglichkeit einer Unternehmerunfallversicherung bestehe. Schon § 2 Abs. 2 des UVG in der Fassung vom 6. Juli 1884181 sah die Möglichkeit vor, kraft Statutes zu regeln, dass die Unternehmer der nach § 1 versicherungspflichtigen Betriebe sich selbst gegen die Folgen von Betriebsunfällen versichern konnten. Auch nach der Reichsversicherungsordnung182 konnte durch Satzung eine Versicherungspflicht kleiner Unternehmer festgelegt werden;183 daneben bestand die Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung.184 Geht man nun davon aus, ben jedoch bestimmte Unternehmer stets unversichert, vgl. § 3 Abs. 2 SGB VII, § 6 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 SGB VII. 180  Vgl. beispielsweise Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 8; Gitter / Nunius, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 7 Rn. 4 ff.; Krasney, VSSR 1993, S. 81 (83); Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 41 ff., 48; nach Seewald, in: FS Watermann, S. 161 (164), ist die Einordnung in die echte Unfallversicherung „unbestritten“; mit Ausnahme der selbstständig im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege Tätigen (wobei deren Auslassung wohl auf die pauschale Trennung nach Versicherungstatbeständen zurückzuführen ist, weswegen § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII insgesamt zur unechten Unfallversicherung gerechnet wird) Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256. – Für eine Zuordnung zur unechten Unfallversicherung Plagemann, in: Plagemann / Radtke-Schwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 36. 181  RGBl. I 1884, S. 69 ff. 182  RGBl. I 1911, S. 90 ff., für die Gewerbeunfallversicherung S. 102 ff. 183  § 548 RVO: „Die Satzung kann die Versicherungspflicht erstrecken 1. auf Betriebsunternehmer, deren Jahresarbeitsverdienst nicht dreitausend Mark übersteigt oder die regelmäßig keine oder höchstens zwei Versicherungspflichtige gegen Entgelt beschäftigten, 2. ohne Rücksicht auf die Zahl der beschäftigten Versicherungspflichtigen auf Hausgewerbetreibende (§ 162), die Unternehmer eines in den §§ 537, 538 bezeichneten Betriebs sind, 3. auf Betriebsbeamte, deren Jahresarbeitsverdienst fünftausend Mark an Entgelt übersteigt.“ 184  § 550 Abs. 1 RVO: „Unternehmer (§ 633) sowie Binnenlotsen, die ihr Gewerbe für eigene Rechnung betreiben, können sich gegen die Folgen von Betriebsunfäl-



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff65

dass es bei Schaffung der Unfallversicherung im Jahr 1884 noch keine unechte Unfallversicherung gab, d. h. dass „im Jahr 1884 mit Sicherheit alles ‚echt‘, und zwar durchgehend, ausnahmslos gewesen ist“,185 würden die heutigen Regelungen zur Unternehmerunfallversicherung als Weiterentwicklung der ursprünglichen Unfallversicherung konsequent der echten Unfallversicherung zugeordnet.186 Eine inhaltliche Nähe zu den Beschäftigten ergibt sich hauptsächlich aus der schwachen wirtschaftlichen Stellung der kraft Gesetzes versicherten Unternehmer, insbesondere der Hausgewerbetreibenden und Zwischenmeister beziehungsweise der selbstständig tätigen Küstenschiffer und Küsten­ fischer. Hausgewerbetreibende187 und Zwischenmeister188 stellen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Art Zwischenstufe dar zwischen den unselbstständigen Beschäftigten und den Selbstständigen.189 Sie sind Unternehmer, da sie frei über Arbeitszeit, Umfang und Reihenfolge der Arbeit bestimmen können und in eigener Betriebsstätte arbeiten, sind dabei jedoch wirtschaftlich abhängig von anderen Gewerbetreibenden, in deren Auftrag und für deren Rechnung sie tätig werden und denen der Unternehmergewinn zufließt.190 Entsprechendes gilt auch für die versicherten Küstenschiffer und Küstenfischer.191 Hintergrund der Unfallversicherung für landwirtschaftliche Unternehmer und für Selbstständige im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege ist len selbst versichern, wenn sie nicht mehr als dreitausend Mark Jahresarbeitsverdienst haben oder wenn sie regelmäßig keine oder höchstens zwei Versicherungspflichtige gegen Entgelt beschäftigen.“ 185  Seewald, in: FS Watermann, S. 161 (165 ff.), der jedoch zugleich Kritik an dieser Vorgehensweise übt. 186  Mit dieser Argumentation Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 41 ff., 48. – Zu den Unterschieden der damaligen zur heutigen Unternehmer­ unfallversicherung Noell, in: FS Lauterbach, S. 105 (107 ff.). 187  Nach § 12 Abs. 1 SGB IV sind Hausgewerbetreibende „selbständig Tätige, die in eigener Arbeitsstätte im Auftrag und für Rechnung von Gewerbetreibenden, gemeinnützigen Unternehmen oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften gewerblich arbeiten, auch wenn sie Roh- oder Hilfsstoffe selbst beschaffen oder vorübergehend für eigene Rechnung tätig sind“. 188  Nach § 12 Abs. 4 SGB IV ist Zwischenmeister, „wer, ohne Arbeitnehmer zu sein, die ihm übertragene Arbeit an Hausgewerbetreibende oder Heimarbeiter weitergibt“. 189  BSGE 18, 70 (73); BSG, Breithaupt 1970, S. 566 (567). 190  BSGE 18, 70 (73); näher zur wirtschaftlichen Abhängigkeit des Hausgewerbetreibenden Schmelz, Sozialversicherung der Hausgewerbetreibenden und Heimarbeiter, S. 16 ff. – Aus dieser wirtschaftlichen Abhängigkeit folgt auch eine Beitragspflicht der Auftraggeber bzw. der Reeder, § 150 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 2 SGB VII. 191  Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 446; Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 74a.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

die Überlegung, dass sie denselben Gefahren ausgesetzt sind wie die in diesen Unternehmen Beschäftigten, da üblicherweise die Unternehmer selbst zumindest mitarbeiten.192 Die Unternehmerunfallversicherung stellt den Schwerpunkt der landwirtschaftlichen Unfallversicherung dar, da die Mehrzahl der landwirtschaftlichen Unternehmen193 alleine vom Unternehmer, allenfalls mit Unterstützung durch Familienmitglieder, betrieben wird.194 Auch viele der Selbstständigen im Gesundheitswesen und der Wohlfahrtspflege dürften ohne Beschäftigte tätig werden, zumal auch Tätigkeiten ohne Bezug zu einer bestimmten Organisation oder Einrichtung unter Versicherungsschutz stehen.195 Unter die Vorschrift fallen beispielsweise selbstständige Krankenschwestern, Hebammen, Krankenpfleger oder Masseure.196 Diese eigenständige Tätigkeit ohne Beschäftigte bringt häufig auch eine schwache soziale Stellung mit sich, die einer selbstverantwortlichen Unfallvorsorge im Weg steht. Damit sind auch die selbstständig im Gesundheitswesen Tätigen, wie die anderen kraft Gesetzes versicherten Unternehmer, im Hinblick auf ihre soziale Stellung mit den Beschäftigten vergleichbar. Man könnte daher mit der wohl herrschenden Auffassung197 davon ausgehen, dass die Unternehmerunfallversicherung ein Tatbestand der echten Unfallversicherung ist. b) Die Unternehmerunfallversicherung als Fremdkörper in der Unfallversicherung Der Annahme, die Unternehmerunfallversicherung sei ein Teil der echten Unfallversicherung, kann jedoch nur dann gefolgt werden, wenn sie eine konsequente Weiterentwicklung der Beschäftigtenunfallversicherung ist, 192  Für die landwirtschaftlichen Unternehmer Sauer, SdL 2005, S. 355 (359); für die Selbstständigen im Gesundheitswesen und der Wohlfahrtspflege Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 20.1. 193  Der Begriff des landwirtschaftlichen Unternehmens wird in § 123 Abs. 1 SGB VII legaldefiniert. 194  Schlegel, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 16 Rn. 30. 195  Für die selbstständige Altenpflege vgl. BSGE 58, 210 (212 f.); für die selbstständige Berufsbetreuung LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. Mai 2003 – L 17 U 54 / 02; für die Tätigkeit einer selbstständigen Tagesmutter LSG Sachsen, Urteil vom 16. Dezember 2010 – L 2 U 67 / 09. 196  Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 20.9, mit weiteren Beispielen und Nachweisen. 197  Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 8; Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Gitter / Nunius, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 7 Rn.  4 ff.; Krasney, VSSR 1993, S. 81 (83); Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92; Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 41 ff., 48; Seewald, in: FS Watermann, S. 161 (164); Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256.



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff67

d. h. wenn sie die wesentlichen Merkmale der Beschäftigtenversicherung verwirklicht. Dem stehen gewichtige Argumente entgegen. Der Begriff des Unternehmers ist der Gegenbegriff zu dem des Beschäftigten; wer Beschäftigter ist, ist nicht Unternehmer. Sieht man als unechte Unfallversicherung alle Personen an, die nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen,198 müsste die Unternehmerunfallversicherung zur unechten Unfallversicherung gehören. Entsprechend weicht die Unfallversicherung der Unternehmer auch in wesentlichen Punkten von den Grundprinzipien der Beschäftigtenunfallversicherung ab. Die Beschäftigtenversicherung wird nicht von den Versicherten selbst, sondern von den Unternehmern, für die sie tätig sind, finanziert. Im Gegenzug dazu sind die Unternehmer nach § 104 SGB VII von der zivilrechtlichen Haftung im Einzelfall befreit; die Unfallversicherung der Beschäftigten wirkt damit wie eine Haftpflichtversicherung der Unternehmer.199 Dagegen wird die Unternehmerunfallversicherung nach der ausdrücklichen Regelung des § 150 Abs. 1 S. 2 SGB VII durch die versicherten Unternehmer selbst finanziert. Damit befreien sie sich nicht von eventuellen zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen, sondern sichern sich selbst für den Fall eines Arbeitsunfalls ab. Anders als der Beschäftigten- liegt der Unternehmerunfallversicherung damit nicht der Gedanke der Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz zugrunde, sondern sie ist eine genossenschaftliche, auf versicherungsrechtlicher Grundlage aufgebaute Eigenhilfe.200 Entsprechend kam es bei ihrer Schaffung auch nicht darauf an, durch den Ausschluss zivilrechtlicher Ansprüche den betrieblichen Frieden zu wah­ ren;201 vielmehr ist auch ein Unternehmer versichert, der keine Beschäftigten hat und vollkommen alleine tätig wird. 198  So zumindest die abstrakte Definition bei Gitter / Nunius, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 7 Rn. 4; ähnlich Lülf, Die unechte Unfallversicherung, S. 28. 199  Vgl. statt Vieler Kater, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, Vor §§ 104–113 Rn. 5; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Anm. 3. – Ausführlicher zum Zusammenspiel zwischen der Finanzierung durch die Unternehmer und der Beschränkung der zivilrechtlichen Haftung unten Kapitel 2 A. III. sowie Kapitel 2 B. III. 200  Keller, in: Hauck  /  Noftz SGB VII, Einführung 010; Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, §  2 Rn.  388; Noell, in: FS Lauterbach, S. 105 (112, 114); Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 53; speziell für die Versicherung der landwirtschaftlichen Unternehmer auch Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 69; Leube, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 139; Schlegel, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 16 Rn. 31. 201  Zu diesem Zweck der Unfallversicherung vgl. näher unten Kapitel 2 A. III. und Kapitel 2 B. III.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

Schließlich bestehen auch nach Eintritt des Versicherungsfalls Unterschiede im Hinblick auf die Leistungen, denn während bei den Beschäftigten der tatsächliche Jahresarbeitsverdienst für eventuelle Geldleistungen maßgeblich ist,202 wird der Jahresarbeitsverdienst für die versicherten Unternehmer gesetzlich203 oder in der Satzung der Unfallversicherungsträger204 festgelegt. Im Fall der Beschäftigten macht die Ablösung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche die Anknüpfung an die tatsächlichen Einkommensverhältnisse erforderlich; da die Unternehmerunfallversicherung dagegen eine Eigenhilfe darstellt, konnte hier auf die Zugrundelegung des tatsächlichen Einkommens verzichtet werden.205 Daneben soll die Regelung die bei Selbstständigen oft schwierige Ermittlung des tatsächlichen jährlichen Arbeitsverdienstes erübrigen.206 Die Unterschiede zwischen der Unfallversicherung für Unternehmer und Beschäftigte sind damit erheblich. Diese Unterschiede bestehen jedoch nicht nur zwischen der Unternehmerund der Beschäftigtenunfallversicherung. Auch im Vergleich mit den anderen unfallversicherten Personen zeigen sich deutlich die Besonderheiten der Unternehmerunfallversicherung: Keiner der übrigen kraft Gesetzes Versicherten, sei es in der echten oder in der unechten Unfallversicherung, ist selbst zur Beitragszahlung verpflichtet. Maßgeblich ist stets das tatsächliche Jahresarbeitsentgelt, und eventuelle zivilrechtliche Ansprüche werden grundsätzlich207 durch Versicherungsleistungen abgelöst. Charakteristisch für die unechte Unfallversicherung ist damit die Übertragung der Grundsätze und Prinzipien der Beschäftigtenversicherung auf Personengruppen, die 202  § 81

SGB VII in Verbindung mit § 82 SGB VII. landwirtschaftliche Unternehmer vgl. § 93 Abs. 1 SGB VII in Verbindung mit § 95 SGB VII, für selbstständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer vgl. § 92 Abs. 3 SGB VII. 204  § 83 S. 1 SGB VII. – § 83 S. 2 SGB VII sieht jedoch die obligatorische Einräumung der Möglichkeit einer Höherversicherung auf Antrag vor. 205  BSG, SozR 4-2700 § 47 Nr. 4 Rn. 12; ebenso statt Vieler Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 83 Anm. 2. 206  BT-Drucks. 13 / 2204, S. 95; ebenso BSG, SozR 4-2700 § 47 Nr. 4 Rn. 12. – Insbesondere in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung spielt diese Regelung eine bedeutende Rolle. Nach dem Bundessozialgericht (BSGE 75, 193 (197)) soll sie sicherstellen, dass den versicherten Unternehmern auch hinsichtlich der Höhe der Geldleistungen ein ausreichender Unfallversicherungsschutz gewährt wird. Aufgrund der Besonderheiten der Landwirtschaft, wo häufig keine Buchführung stattfände, und der Möglichkeit, durch die abstrakte Festlegung eines höheren als des tatsächlichen Jahresarbeitsverdienstes zu profitieren, sei die Regelung auch als verfassungsgemäß anzusehen (BSGE 40, 134 (138 f.); vgl. auch BSGE 75, 193 (197 ff.)). 207  Rechtsprechung und herrschende Literatur machen eine Ausnahme im Fall versicherter Tätigkeiten im Interesse der Allgemeinheit; siehe dazu ausführlich unten Kapitel 2 B. II. 3. sowie Kapitel 2 B. III. 203  Für



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nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, nicht die Schaffung neuer Prinzipien. Die Unternehmerunfallversicherung ist damit nicht nur keine konsequente Weiterentwicklung der Beschäftigtenversicherung, sondern hat überhaupt wenige Gemeinsamkeit mit der Unfallversicherung aller anderen Versicherten. Sie ist ein Fremdkörper in der Unfallversicherung und sollte aus der Differenzierung zwischen echter und unechter Unfallversicherung herausgenommen und generell gesondert behandelt werden.208 Die Unternehmerunfallversicherung ist weder echte, noch unechte Unfallversicherung, sondern bildet als Sonderfall eine eigene, dritte Art der Unfallversicherung. c) Unfallversicherungsschutz für unternehmerähnliche Personen Neben den versicherten Unternehmern stehen auch Personen unter Unfallversicherungsschutz, die wie ein Unternehmer selbstständig tätig werden. Dies sind zum einen die Personen, die in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbstständig tätig sind, § 1 Abs. 1 Nr. 5 lit. c SGB VII. Daneben können auch Personen unter § 2 Abs. 1 Nr. 9 Var. 1 SGB VII fallen, die wie ein Unternehmer in Unternehmen des Gesundheitswesens oder der Wohlfahrtspflege tätig sind.209 Diese Versicherten stehen zwischen den Beschäftigten und den Unternehmern. Sie sind keine Beschäftigten, sondern wie Unternehmer tätig, weil sie selbstständig und damit weisungsfrei und mit bestimmendem Einfluss auf das Unternehmen im Wesentlichen die Aufgaben verrichten, die üblicherweise von Unternehmern ausgeführt werden.210 Sie sind jedoch keine Unternehmer, weil beispielsweise ihre gesellschaftsrechtliche Stellung nicht ausreicht211 oder weil die Gesellschaft als juristische Person selbst Unternehmer ist und sie nicht unmittelbar am Gewinn oder Verlust des Unterneh208  In diese Richtung auch Lülf, Die unechte Unfallversicherung, S. 61; Noell, in: FS Lauterbach, S. 105 (105); Schmitt, in: Sozialrechtshandbuch, § 16 Rn. 11, 26, 31; Schrader, in: FS Krohn, S. 259 (259). 209  Näher zu diesen Versicherten Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 20.3. 210  Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 12.3, 20.3. 211  Zu denken wäre hier an den Kommanditisten einer Kommanditgesellschaft (§ 161 HGB). Dagegen ist der Komplementär aufgrund seiner unbeschränkten Haftung neben der KG Unternehmer; näher dazu Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 6.16; Merten / Bigge, BG 2006, S. 263 (269); zu einer ausnahmsweisen Unternehmerstellung des Kommanditisten Benz, BB 1978, 663 (664).

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

mens beteiligt sind.212 Entsprechend wird auch ihr Jahresarbeitsverdienst kraft Gesetzes213 oder kraft Satzung214 festgelegt; dagegen sind sie nicht selbst zur Beitragszahlung verpflichtet.215 Trotz dieser Zwischenstellung ist die Versicherung der unternehmerähn­ lichen Personen keine Konsequenz der Beschäftigtenversicherung, sondern ebenso als Fremdkörper zu werten wie die der Unternehmer. Versichert sind diejenigen Tätigkeiten, die üblicherweise der Unternehmer ausführt. Dass keine Unternehmerstellung vorliegt, ist lediglich auf die rechtliche Ausgestaltung des Unternehmens zurückzuführen.216 Insbesondere die mangelnde Weisungsgebundenheit und Abhängigkeit der Wie-Unternehmer verbietet es, ihre Versicherung als Weiterentwicklung der Beschäftigtenunfallversicherung und damit als echte Unfallversicherung anzusehen. Die Versicherung der Wie-Unternehmer ist vielmehr eine Weiterentwicklung der Unternehmerunfallversicherung und daher wie diese ein Sonderfall, der weder der echten noch der unechten Unfallversicherung zuzuordnen ist. 2. Unfallversicherungsschutz für Ehegatten, Lebenspartner und Familienangehörige versicherter Unternehmer Eng mit der Unternehmerunfallversicherung hängt der Versicherungsschutz für die mitarbeitenden Ehegatten und Lebenspartner217 der Unter­ nehmer zusammen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. a, Nr. 6 und Nr. 7 SGB VII sind die Ehegatten und Lebenspartner der in diesen Vorschriften genannten Unternehmer versichert. § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. b SGB VII betrifft im land­ 212  Dies gilt beispielsweise für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, für die Genossenschaft oder für die Aktiengesellschaft, vgl. näher Benz, BB 1978, S. 663 (664); Merten / Bigge, BG 2006, S. 173, 236 (175 ff., 236 ff.). 213  § 93 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VII nennt ausdrücklich die „kraft Gesetzes versicherten regelmäßig wie landwirtschaftliche Unternehmer selbständig Tätigen“. 214  § 83 S. 1 SGB VII erfasst alle kraft Gesetzes versicherten selbstständig Tätigen, setzt also keine Unternehmerstellung voraus. 215  Höller, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 150 Rn. 15; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 150 Rn. 3; Scholz, in: jurisPK SGB VII, § 150 Rn. 22. 216  Dies zeigt deutlich die historische Betrachtung der Versicherung für landwirtschaftliche Wie-Unternehmer: Im Zuge der deutschen Einheit wurden in den neuen Bundesländern viele landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften, in denen sich mehrere anderenfalls als landwirtschaftliche Unternehmer zu qualifizierende Bauern zusammengeschlossen hatten, in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften umgewandelt. Die Schaffung dieses Tatbestands war daher erforderlich, um alle in der Landwirtschaft Tätigen zu versichern; vgl. BT-Drucks. 12 / 405, S. 152. 217  Die Erstreckung des Unfallversicherungsschutzes auf gleichgeschlechtliche Lebenspartner erfolgte durch das Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften, BGBl. I 2001, S. 266 ff.; vgl. auch BT-Drucks. 14 / 3751, S. 30, 70.



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff71

wirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige. a) Mitarbeitende Ehegatten und Lebenspartner aa) Ehegatten und Lebenspartner als Mitunternehmer oder Beschäftigte Die mitarbeitenden Ehegatten und Lebenspartner können zunächst Mitunternehmer der genannten Unternehmen sein.218 Auch eine Beschäftigung ist denkbar, wobei an die Annahme eines Arbeitsverhältnisses unter Ehegatten oder Lebenspartnern hohe Anforderungen gestellt werden; insbesondere darf nicht nur eine familienhafte Mithilfe vorliegen. Vielmehr muss im konkreten Einzelfall eine nichtselbstständige Arbeit verrichtet werden, d. h. es kommt auf die Eingliederung in den Betrieb des Unternehmers und dessen Weisungsrecht an.219 Ist der Ehegatte oder Lebenspartner Mitunternehmer oder Beschäftigter, ist jedenfalls kein Tatbestand der unechten Unfallversicherung gegeben. bb) Pflicht des Ehegatten oder Lebenspartners zur Mitarbeit Versicherungsschutz für die mitarbeitenden Ehegatten und Lebenspartner der versicherten Unternehmer besteht jedoch unabhängig davon, ob der mitarbeitende Ehegatte oder Lebenspartner Beschäftigter oder Mitunternehmer ist.220 An die Tätigkeit werden keine zeitlichen oder inhaltlichen Anfor218  Zum Einfluss ehelicher Güterstände auf die Mitunternehmereigenschaft Matern, DAngVers 2005, S. 16 (18 f.). 219  Zu den Voraussetzungen an eine Beschäftigung unter Ehegatten oder Lebenspartnern siehe ausführlich oben Kapitel 1 C. I. 2. c) aa). – Im Fall einer Beschäftigung in einem landwirtschaftlichen Unternehmen ordnet § 135 Abs. 4 SGB VII einen Vorrang der Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. a SGB VII an. Dies hat vor allem Auswirkungen auf der Leistungsseite: Für mitarbeitende Ehegatten und Lebenspartner in landwirtschaftlichen Unternehmen gilt ebenso wie für die Unternehmer selbst nicht der tatsächliche Jahresarbeitsverdienst, sondern der nach § 92 SGB VII festgelegte. Damit soll auch für den mitarbeitenden Ehegatten ein ausreichender Unfallversicherungsschutz im Hinblick auf die Geldleistungen garantiert werden (BSGE 75, 193 (197 ff.), hier auch zur Verfassungsmäßigkeit der Festlegung eines Jahresarbeitsverdienstes nicht nur für die Unternehmer, sondern auch für die mitarbeitenden Ehegatten). 220  Für Ehegatten und Lebenspartner in landwirtschaftlichen Unternehmen BSGE 75, 193 (196); für den Ehegatten oder Lebenspartner eines Hausgewerbetreibenden oder Zwischenmeisters und eines Küstenschiffers oder Küstenfischers Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, §  2 Rn. 443, 462.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

derungen gesetzt, sodass auch die einmalige und vorübergehende Tätigkeit versichert sein kann.221 Insbesondere werden an den Versicherungsschutz nicht die strengen Anforderungen an das Ehegattenbeschäftigungsverhältnis gesetzt,222 sodass weder die Erfüllung familienrechtlicher Pflichten noch die Erbringung einer Gefälligkeit außerhalb dieser Pflichten der Annahme des Versicherungsschutzes entgegenstehen. Anders als nach § 1356 Abs. 2 BGB a. F.223 kennt das bürgerliche Recht zwar heute keine ausdrückliche Pflicht zur Mitarbeit im Unternehmen des Ehegatten oder Lebenspartners. Dennoch kann der Ehegatte im Einzelfall zur Mitarbeit verpflichtet sein. Grundlage kann zum einen § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB sein, nach dem die Ehegatten zu gegenseitiger Verantwortung verpflichtet sind. § 2 S. 1 LPartG sieht für die Partner einer eingetragenen Lebensgemeinschaft die Pflicht zu gegenseitiger Fürsorge und Unterstützung vor.224 Diese Beistandspflichten können insbesondere in Not- und 221  Keller, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 93 Rn. 9; Köhler, in: Becker / Franke / Molkentin, § 2 Rn. 30; Marschner, in: Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 2 SGB VII Rn. 22; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 2 Rn. 19; Schmitt, Kommentar SGB VII, § 2 Rn. 33. – Andere Auffassung Holtstraeter, in: Kreikebohm / Spellbrink / Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, § 2 Rn. 19, nach dem die Mitarbeit eine gewisse Dauerhaftigkeit voraussetzt, die mit dem Umfang der Mitwirkung von nicht nur vorübergehend mitarbeitenden Familienangehörigen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. Nr. 5 lit. b SGB VII mindestens vergleichbar sein muss. Dies ist jedoch schon mit dem ausdrücklichen Wortlaut nicht vereinbar, der für die mitarbeitenden Ehegatten und Lebenspartner, anders als für die Familienangehörigen, gerade keine Mindestdauer voraussetzt. 222  Allgemeine Auffassung, vgl. statt Vieler Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / ​ Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 480; Riebel, in: Hauck / ​ Noftz SGB VII, § 2 Rn. 59a. 223  § 1356 Abs. 2 BGB in der Fassung vom 1. Juli 1958 bis zum 1. Juli 1977 lautete: „Jeder Ehegatte ist verpflichtet, im Beruf oder Geschäft des anderen Ehegatten mitzuarbeiten, soweit dies nach den Verhältnissen, in denen die Ehegatten leben, üblich ist.“ – Abgeschafft wurde die Vorschrift mit dem Ersten Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) vom 14. Juni 1976 (BGBl. I 1976, S. 1421 ff.); begründet wurde die Abschaffung damit, dass „eine Verpflichtung der Ehegatten (…) nicht länger gerechtfertigt“ erscheine, soweit „die Mitarbeit der Ehegatten nicht bereits durch die eheliche Lebensgemeinschaft selbst wegen ihrer besonderen Ausgestaltung im Einzelfall erfolgt“ (BT-Drucks. 7 / 650, S. 98). 224  Die Norm wurde § 1353 BGB nachgebildet, sodass die Rechtsprechung zu dieser Norm auch zur Auslegung des § 2 LPartG herangezogen werden kann; vgl. den ausdrücklichen Hinweis in der Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14 / 3751, S. 36; ebenso Voppel, in: Staudinger, BGB, § 2 LPartG Rn. 3; Wacke, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 2 LPartG Rn. 1. – Dennoch ist der Pflichtenkreis für Lebenspartner enger gefasst als der für Ehegatten. Die gemeinsame Lebensgestaltung im Sinne des § 2 LPartG ist weniger als die umfassende Lebensgemeinschaft, die § 1353 BGB vorsieht; vgl. hierzu näher Kemper, FPR 2001, S. 449 (453 ff.); zum minus der Lebenspartnerschaft gegenüber der Ehe auch Ring / Olsen-Ring, in:



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extremen Gefährdungssituationen in einer Verpflichtung zur Mitarbeit resultieren.225 Zum anderen kann auch die Unterhaltspflicht des § 1360 BGB bzw. des § 5 LPartG durch Mitarbeit erfüllt werden, beispielsweise wenn das Unternehmen des Ehegatten die wesentliche Quelle des Familienunterhalts bildet und ohne die Mitarbeit in seinem Bestand gefährdet oder nicht hinreichend rentabel wäre.226 Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, dürfte die Mitarbeit des Ehegatten oder Lebenspartners im Unternehmen in der Regel als familienhafte Gefälligkeit zu qualifizieren sein. Die Erfüllung einer familienrechtlichen Pflicht steht generell der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses entgegen; dasselbe gilt für private Gefälligkeiten unter Ehegatten und Lebenspartnern. Der private Bereich soll unversichert bleiben.227 Soweit der Gesetzgeber die Versicherung von mitarbeitenden Ehegatten und Lebenspartnern in den genannten Unternehmen auch auf diesen familiären Beistand ausgedehnt hat, könnte man daher annehmen, einen Tatbestand der unechten Unfallversicherung vor sich zu haben.228 cc) Ehegattenunfallversicherung als Annex zur Unternehmerunfallversicherung Diese Betrachtung übersieht jedoch, dass die Versicherung der mitarbeitenden Ehegatten und Lebenspartner an die besondere Situation der UnterRing  /  Olsen-Ring, Lebenspartnerschaftsgesetz, § 2 Rn. 1; Voppel, in: Staudinger, BGB, § 2 LPartG Rn. 18; Wacke, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 2 LPartG Rn. 1. 225  Für die Beistandspflicht unter Ehegatten nach § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB Berger / Mansel, in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, § 1353 Rn. 5; Brudermüller, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 1356 Rn. 7; Gergen, FPR 2010, S. 298 (298); Grabau / Hundt, DSWR 2002, S. 193 (194); Hahn, in: Beck’scher Online-Kommentar BGB, § 1353 Rn. 31; Hergenröder, AR-Blattei, SD 615.1, Rn. 22; Kemper, in: Schulze, Handkommentar BGB, § 1353 Rn. 4; Menken, DB 1993, S. 161 (161); Roth, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1356 Rn. 20; Voppel, in: Staudinger, BGB, § 1353 Rn. 86. – Für die Beistandspflicht der Lebenspartner nach § 2 LPartG Ring / Olsen-Ring, in: Ring / Olsen-Ring, Lebenspartnerschaftsgesetz, § 2 Rn. 3; Voppel, in: Staudinger, BGB, § 2 LPartG Rn. 61; Wacke, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 2 LPartG Rn. 2. 226  Für die Unterhaltspflicht der Ehegatten Gergen, FPR 2010, S. 298 (299); Grabau / Hundt, DSWR 2002, S. 193 (194); Hergenröder, AR-Blattei, SD 615.1, Rn. 25; Menken, DB 1993, 161 (161); zur Leistung von Unterhalt in Form der Mitarbeit auch BGHZ 77, 157 (162 ff.); Voppel, in: Staudinger, BGB, § 1360 Rn. 42; WeberMonecke, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1360 Rn. 14. – Für die Unterhaltspflicht der Lebenspartner Voppel, in: Staudinger, BGB, § 5 LPartG Rn. 37. 227  BT-Drucks. 4 / 120, S. 53; siehe ausführlicher dazu oben Kapitel 1 C. I. 2. c). 228  So beispielsweise Plagemann, in: Plagemann / Radtke-Schwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 36.

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nehmer anknüpft, die ebenfalls ausnahmsweise kraft Gesetzes versichert sind. Hintergrund der Unternehmerunfallversicherung ist die schwache soziale Stellung und die daraus folgende Schutzbedürftigkeit der Landwirte, Hausgewerbetreibenden, Küstenschiffer und anderen Unternehmer. Aufgrund dieser Umstände sind die Unternehmer üblicherweise auf die Mitarbeit ihrer Ehegatten und Lebenspartner angewiesen. Insbesondere für die Landwirtschaft hat das Bundessozialgericht die besondere Stellung des mitarbeitenden Ehegatten betont.229 Tatsächlich arbeiten in den überwiegend im Familienbetrieb geführten landwirtschaftlichen Unternehmen nahezu alle Ehefrauen mit, sodass die Versicherung letztendlich auf einer erwerbswirtschaftlichen Mitarbeit beruht.230 Betont wird die unfallversicherungsrechtliche Besonderheit landwirtschaftlicher Unternehmen noch dadurch, dass hier ausnahmsweise nach § 124 Nr. 1 SGB VII auch die Haushalte der Unternehmer und der im Unternehmen Beschäftigten zum landwirtschaftlichen Unternehmen gehören, wenn die Haushalte den Unternehmen wesentlich dienen. Die Versicherung der familienhaften Mithilfe ist daher lediglich eine Konsequenz aus dem Entschluss des Gesetzgebers, sozial schwache oder wirtschaftlich abhängige Unternehmer unter Versicherungsschutz zu stellen.231 Ohne die Mithilfe ihrer Ehegatten und Lebenspartner wären die versicherten Unternehmer häufig nicht in der Lage, ihr Unternehmen zu führen. Dies zeigen auch die Regelungen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII und des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, wo die im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten und Lebenspartner stets gemeinsam mit den Unternehmern kraft Satzung oder freiwillig versichert werden können. Die Prinzipien der Unfallversicherung wurden nicht auf einen gänzlich neuen Tatbestand übertragen, sondern es wurde Unfallversicherungsschutz gewährt, um einen bereits existierenden Tatbestand zu ergänzen. Es handelt sich damit nicht um einen Tatbestand der unechten Unfallversicherung,232 sondern um einen Annex zur 229  BSGE 75, 193 (198): „Die Struktur des landwirtschaftlichen Unternehmens, ihr Wandel im Laufe der Zeit und der allgemeine Brauch weisen dem Ehegatten des landwirtschaftlichen Unternehmers eine Rolle der Mitarbeit in dem Unternehmen zu, die sich von derjenigen aller anderen Personen unterscheidet.“ 230  Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 10.2. 231  Nach Rienau, SozVers 1967, S. 27 (28), ist die Ehegattenunfallversicherung an die Unternehmerunfallversicherung „rechtssystematisch gekoppelt“. 232  Die Versicherung der mitarbeitenden Ehegatten und Lebenspartner wird nahezu generell nicht zur unechten Unfallversicherung gezählt; vgl. statt Vieler Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 9; Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92; Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 41, 48, 50; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256; andere Auffassung lediglich, soweit er-



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ausnahmsweisen Unternehmerunfallversicherung, die ebenfalls kein Fall der unechten Unfallversicherung ist.233 b) Mitarbeitende Familienangehörige in Unternehmen der Landwirtschaft Nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. b SGB VII sind im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige234 versichert. Dieser Tatbestand wurde neu eingeführt mit der Einordnung der Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch „wegen der praktischen Bedeutung dieser Personengruppe“.235 Zuvor war Versicherungsschutz für nicht beschäftigte Familienangehörige nur in Form der Wie-Beschäftigung möglich gewesen, was aufgrund des Ausschlusses familiärer Gefälligkeiten aus diesem Tatbestand als unbefriedigend und nicht die besonderen Verhältnisse der Landwirtschaft berücksichtigend kritisiert wurde.236 Gänzlich beseitigt hat der neue Versicherungstatbestand diese Situation jedoch nicht. Indem § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. b SGB VII nur die nicht nur vorübergehende Mitarbeit237 versichert, bleibt es bei vorübergehenden Tätigkeiten dabei, dass die Voraussetzungen der Wie-Beschäftigung erfüllt sein müssen.238 Die Mitarbeit eines Familiensichtlich, Plagemann, in: Plagemann / Radtke-Schwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 36. 233  Ausführlicher hierzu oben Kapitel 1 C. III. 1. 234  Zum Begriff der Familienangehörigen vgl. die Legaldefinition in § 2 Abs. 4 SGB VII. 235  BT-Drucks. 13 / 2204, S.  74. 236  Anlass war hauptsächlich ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 57), in dem das Gericht den Versicherungsschutz als WieBeschäftigte abgelehnt hatte für eine in einem landwirtschaftlichen Unternehmen mitarbeitende Mutter, die beim Überbringen einer Nachricht verletzt worden war. Das Bundessozialgericht hatte auf den Charakter der Überbringung als familienhafte Gefälligkeit abgestellt. – Kritisch beispielsweise Deisler, in: VSSR 1997, S. 147 (156); Krasney, in: FS Noell, S. 193 (195 f.); Mell, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 30 Rn. 107. 237  Das Merkmal der nicht nur vorübergehenden Mitarbeit spielte schon unter der Geltung der Reichsversicherungsordnung eine Rolle, wo nach § 780 Abs. 2 RVO „für die im Unternehmen mitarbeitenden Familienangehörigen des Unternehmers“ als Jahresarbeitsverdienst Durchschnittssätze festgesetzt wurden. Das Bundessozialgericht (SGb 1971, S. 18 (19)) verneinte ein Mitarbeiten im Sinne dieser Vorschrift, wenn „der Familienangehörige, der sonst das ganze Jahr über mit der Landwirtschaft nichts zu tun hat, nur aus einem besonderen Anlaß kurzfristig in diesem Unternehmen tätig wird, etwa um beim Einbringen der Ernte zu helfen, während er gerade auf dem Hof seinen Urlaub verbringt“. Die Vorschrift fordere „eine engere Verbundenheit mit dem landwirtschaftlichen Unternehmen“, die nur bei nicht nur vorübergehenden Tätigkeiten bejaht werden könne. 238  BT-Drucks. 13 / 2204, S.  74.

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angehörigen ist dann nicht nur vorübergehend, wenn sie regelmäßig stattfindet, wobei die Beurteilung bei Aufnahme der Arbeit vorausschauend zu treffen ist.239 Diese zeitliche Grenze wird zumindest in der Regel nicht überschritten, wenn die Tätigkeit lediglich 21 volle Tage umfasst.240 § 1619 BGB normiert für Kinder, solange sie dem elterlichen Hausstand angehören und von den Eltern erzogen oder unterhalten werden, eine Pflicht zur Leistung von Diensten im Haushaltswesen und Geschäft der Eltern in einer den Kräften und der Lebensstellung der Kinder entsprechenden Weise. Geschäft kann dabei auch ein landwirtschaftliches Unternehmen sein.241 Das Ausmaß der Dienstleistungspflicht richtet sich einerseits nach dem Bedarf auf Elternseite, andererseits nach der Leistungsfähigkeit des Kindes. Für die Landwirtschaft kann dies bedeuten, dass das Kind seine volle Arbeitskraft einsetzt, d. h. sogar den elterlichen Hof alleine bewirtschaftet.242 Ein Kind ist nur dann als vorübergehend mitarbeitender Familienangehöriger unfallversichert, wenn es eine ernsthafte Arbeitsleistung erbringt, die für das Unternehmen tatsächlich nutzbringend, d. h. von wirtschaftlichem Wert ist.243 Damit wird zumindest im Hinblick auf die familienangehörigen Kinder244 wiederum ein eigentlich dem privaten Lebensbereich zuzuordnendes Geschehen, nämlich die Erfüllung familienrechtlicher Pflichten, unter Unfallversicherungsschutz gestellt. Auch hinsichtlich der anderen nach der Vorschrift versicherten Familienangehörigen wird häufig die Abgrenzung von der familiären Gefälligkeit 239  Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 412; zustimmend Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 11.2. 240  BSG, SGb  1971, S. 18 (19); BSGE 47, 137 (139); zustimmend Tölzer, SGb 1971, S. 19 (19), jeweils zu § 780 Abs. 2 RVO. – Bleibt die Mitarbeit unter dieser Grenze, kann ausnahmsweise dann Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. b SGB VII bestehen, wenn das Unternehmen insgesamt nur einen geringeren Gesamtarbeitsaufwand erfordert, beispielsweise bei einem Weinbaubetrieb (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. Februar 1994 – L 3 U 65 / 93). 241  Vgl. statt Vieler Berger / Mansel, in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, § 1619 Rn. 3; Coester, in: Staudinger, BGB, § 1619 Rn. 30; von Sachsen Gessaphe, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1619 Rn. 17. 242  BGH, NJW 1991, S. 1226 (1227). – Insbesondere finden die Vorschriften des Jugendarbeitsschutzgesetzes nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 JArbSchG keine Anwendung auf die Beschäftigung durch die Personensorgeberechtigten im Familienhaushalt; zum Familienhaushalt zählen in der Landwirtschaft „Haus und Hof“ des betreffenden landwirtschaftlichen Betriebs (BT-Drucks. 7 / 4544 S. 4). 243  LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 29. Oktober 2008 – L 14 U 190 / 05; im Ergebnis zustimmend Angermaier, jurisPR-SozR 22 / 2009 Anm. 4; siehe hierzu auch Deisler, VSSR 1997, S. 147 (166). 244  Zur fehlenden Anwendbarkeit des § 1619 BGB auf andere Personengruppen vgl. Enders, in: Beck’scher Online-Kommentar BGB, § 1619 Rn. 2 ff.



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und damit dem grundsätzlich unversicherten privaten Bereich245 schwierig sein. Dennoch kann für sie nichts anderes gelten als für die mitarbeitenden Ehegatten und Lebenspartner: Der Versicherungsschutz für mitarbeitende Familienangehörige ist den besonderen Umständen des landwirtschaftlichen Unternehmens geschuldet.246 Er knüpft an die Versicherung der Unternehmer an und vervollständigt diese. Es handelt sich daher nicht um einen Tatbestand der unechten Unfallversicherung, sondern um einen Annex zur Unternehmerversicherung.247 3. Ergebnis: Die Unfallversicherung für Unternehmer und ihre Familien als Sonderfall der Unfallversicherung Die Unternehmerunfallversicherung unterscheidet sich in vielen Gesichtspunkten nicht nur von der Beschäftigtenunfallversicherung als echter Unfallversicherung, sondern weicht generell von den Merkmalen der Unfallversicherung als solcher ab. Sie ist daher weder echte noch unechte Unfallversicherung, sondern stellt eine eigenständige Form der Unfallversicherung dar, die aus dieser Differenzierung auszunehmen und gesondert zu behandeln ist. Dasselbe gilt für die darauf aufbauende Unfallversicherung für unternehmerähnliche Personen und die Unfallversicherung für mitarbeitende Ehegatten, Lebenspartner und Familienangehörige als Annex zur Unternehmerunfallversicherung.

IV. Unfallversicherungsschutz im Ehrenamt Der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung erstreckt sich in weitem Umfang auf ehrenamtlich Tätige. So sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. d SGB VII Personen versichert, die ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirt245  Ausführlicher

oben Kapitel 1 C. I. 2. c). den Worten des Bundessozialgerichts (BSGE 12, 153 (156)): Die Mitarbeit der Familienangehörigen „ist allein auf die bäuerlichen Lebensanschauungen zurückzuführen, die es verbieten, daß ein arbeitsfähiges Familienmitglied aus dem Hof seinen Unterhalt bezieht, ohne standesgemäß an der Erhaltung dieser Lebensgrundlage mitzuwirken“. 247  Die Versicherung der mitarbeitenden Familienangehörigen wird nahezu generell nicht zur unechten Unfallversicherung gezählt, vgl. statt Vieler Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 9; Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Mehrtens, in: BereiterHahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Muckel / Ogorek, So­ zialrecht, § 10 Rn. 92; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256; andere Auffassung, soweit ersichtlich, lediglich Plagemann, in: Plagemann  /  Radtke-Schwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 36. 246  Mit

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schaft überwiegend dienen, und nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. e SGB VII Personen, die ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind. Personen, die unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind, sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 Var. 2 SGB VII unfallversichert. § 2 Abs. 1 Nr. 10 lit. a SGB VII stellt Personen unter den Schutz der Unfallversicherung, die für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in § 2 Abs. 1 Nr. 2 und 8 SGB VII genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen. § 2 Abs. 1 Nr. 10 lit. b SGB VII versichert Personen, die für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII sind schließlich Personen versichert, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen teilnehmen. Eine besondere Form der ehrenamtlichen Tätigkeit248 erfasst § 2 Abs. 1a SGB VII. Danach sind Personen versichert, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen249 unentgeltlich leisten. 248  Von einer ehrenamtlichen Tätigkeiten gehen aus Leube, SGb 2011, S. 378 (380); Holtstraeter, in: Kreikebohm / Spellbrink / Waltermann, Kommentar zum So­ zialrecht, § 2 Rn. 52a; Marburger, BPUVZ 2012, S. 244 (249); Marschner, in: Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 2 SGB VII Rn. 76; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 2 Rn. 102a. – § 2 Abs. 1a SGB VII spricht jedoch nicht von einer ehrenamtlichen, sondern von einer unentgeltlichen Tätigkeit. Dennoch ist davon auszugehen, dass in der Regel nicht nur eine unentgeltliche, sondern auch eine ehrenamtliche Tätigkeit vorliegen wird, da die besonderen Anforderungen an die Ausübung eines Amtes erfüllt sein dürften. 249  Der Freiwilligendienst aller Generationen war ein Modellprojekt des Bundes, das zum 31. Dezember 2011 auslief. Seitdem besteht die Möglichkeit, einen Freiwilligendienst aller Generationen auf Landesebene zu leisten; vgl. hierzu insbesondere BT-Drucks. 17 / 4903. – § 2 Abs. 1a SGB VII soll ausweislich der Gesetzesbegründung hauptsächlich Auffangfunktion zukommen. Während die überwiegende Anzahl der Teilnehmer bereits zuvor erfasst gewesen sei, ergänze die Neuregelung die bestehenden Vorschriften und dehne den Versicherungsschutz damit auch auf



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1. Begriff des Ehrenamtes und der ehrenamtlichen Tätigkeit Eine ehrenamtliche Tätigkeit ist zunächst eine unentgeltliche Tätigkeit. Dies zeigt schon der Gesetzeswortlaut, indem in § 2 Abs. 1 Nr. 9 und 12 SGB VII von einer unentgeltlichen, insbesondere ehrenamtlichen Tätigkeit die Rede ist. Eine ehrenamtliche Tätigkeit wird ohne Entgelt, sondern eben der Ehre wegen verrichtet.250 Für die erbrachte Arbeit darf mithin keine Gegenleistung gewährt werden, wobei die Erstattung barer Auslagen oder des Verdienstausfalls dem Begriff der Unentgeltlichkeit ebenso wenig entgegensteht wie die Zahlung einer echten Aufwandsentschädigung, d. h. einer Zahlung zur Abgeltung von Mehraufwendungen und Zeitaufwand, die durch das Ehrenamt bedingt sind.251 Gleichzeitig lässt sich der Formulierung des Gesetzes auch entnehmen, dass die ehrenamtliche Tätigkeit nur ein Sonderfall der unentgeltlichen Tätigkeit ist, mithin nicht jede unentgeltliche Tätigkeit eine ehrenamtliche ist.252 Voraussetzung ist darüber hinaus, dem Begriff der ehren-„amtlichen“ Tätigkeit entsprechend, die Ausübung eines Amtes im Sinne des Besorgens eines bestimmten „Kreises von Geschäften“ oder eines „geordneten Wirkungskreises“ oder eines „verantwortlich wahrzunehmenden Pflichtenkrei­ ses“.253 Der Begriff der „ehrenamtlichen Tätigkeit“ unterscheidet sich von dem des „Ehrenamtes“ darin, dass der erste eine vorübergehende Tätigkeit erfasst, während der zweite einen Wirkungsbereich meint, der verschiedene Geschäfte umfasst und auf Dauer angelegt ist. Für die Unfallversicherung spielt die Dauer der Tätigkeit indes keine Rolle, sodass auch vorübergehensolche Teilnehmer aus, die Tätigkeiten außerhalb der dort genannten Aufgabenfelder verrichteten (BT-Drucks. 16 / 10901, S. 15 f.). 250  So plakativ Butzer, in: FS Scharf, S. 119 (131); Igl, SGb 2002, S. 705 (706); Marburger, BPUVZ 2012, S. 244 (244); Merten / Ziegler, SGb 2005, S. 427 (430). 251  Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 20.5; für die Leistung eines Freiwilligendienstes aller Generationen vgl. BTDrucks. 16 / 10901, S. 16. – Eine unechte Aufwandsentschädigung mit Entgeltcharakter liegt danach dagegen vor, wenn die Aufwandsentschädigung ohne andere Einkünfte zur Sicherstellung des Lebens ausreicht, wobei maßgeblich die durchschnittlichen Verhältnisse sowie der Zweck der Zahlung sein sollen. Daher qualifizierte das Bundessozialgericht (SozR 2200 § 165 Nr. 44) die Tätigkeit eines ehrenamtlichen Bürgermeisters einer Gemeinde als entgeltliche Beschäftigung. 252  So auch die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. beispielsweise BSGE 34, 163 (165); BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 11, S. 43. 253  BSGE 34, 163 (168); BSGE 39, 24 (28); für die Literatur vgl. statt Vieler Axer, in: FS Listl, S. 587 (602); Butzer, in: FS Scharf, S. 119 (132); Igl, SGb 2002, S. 705 (706); Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 559a; Merten / Ziegler, SGb 2005, S. 427 (430); Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 64.

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de, gelegentliche und sogar einmalige ehrenamtliche Tätigkeiten unter Versicherungsschutz stehen können.254 2. Ehrenamt und Beschäftigung Eine Tätigkeit kann zugleich die Merkmale der Beschäftigung und des Ehrenamtes aufweisen, d. h. auch eine ehrenamtliche Tätigkeit kann im Rahmen einer Beschäftigung ausgeübt werden.255 Dies gilt insbesondere deswegen, weil die Zahlung eines Entgeltes in der Unfallversicherung256 keine Voraussetzung für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses ist.257 Die Unentgeltlichkeit der ehrenamtlichen Tätigkeit steht der Annahme einer Beschäftigung damit nicht entgegen. Als Abgrenzungsmerkmal von ehrenamtlicher Tätigkeit und Beschäftigung wird häufig die Freiwilligkeit genannt. Die ehrenamtliche Tätigkeit erfolge danach freiwillig in Abgrenzung zur vertraglich festgelegten und abhängigen Arbeit.258 Dieser Differenzierung kann jedoch nicht in dieser Allgemeinheit zugestimmt werden. Zunächst können Bürger einer Gemeinde zur Erbringung ehrenamtlicher Tätigkeiten verpflichtet werden; trotz fehlender Freiwilligkeit besteht dann Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 lit. a SGB VII. Zudem kann auch das Ehrenamt vertraglich ausgestaltet werden; typischerweise wird ein Auftragsverhältnis im Sinne von § 662 BGB vorliegen.259 In diesen Fällen ist die ehrenamtliche Tätigkeit nicht freiwilliger als die Beschäftigung, denn in beiden Konstellationen wurde ein privatautonomer Vertrag geschlossen, aus dem sich dann die Verpflichtung 254  Zu den Begriffen „Ehrenamt“ und „ehrenamtliche Tätigkeit“ ausführlich BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 95, S. 258 f. 255  BSG, SozR 2200 § 165 Nr. 36, S. 52; zustimmend Leube, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 8; ebenso Knospe, in: Hauck / Noftz SGB IV, § 7 Rn. 10. – Anders Bley, ZSR 1974, S. 193 (220), der wohl von einem Exklusivitätsverhältnis ausgeht. Die ehrenamtlich Tätigen seien den „Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes nicht vergleichbar, sondern allenfalls den Beamten, denn sie haben ein Amt inne“. 256  Anders als in den anderen Zweigen der Sozialversicherung, vgl. für die Krankenversicherung § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, für die Rentenversicherung § 1 Nr. 1 SGB VI, für die Pflegeversicherung § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI und für die Arbeitslosenversicherung § 25 Abs. 1 S. 1 SGB III. 257  Ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. nur BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 68, S. 194; BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 83, S. 229; BSGE 57, 262 (264). 258  Butzer, in: FS Scharf, S. 119 (131 f., 134 f.); Leube, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 253; Merten / Ziegler, SGb 2005, S. 427 (430). 259  Vgl. beispielsweise LAG Sachsen, ZStV 2012, S. 109; ebenso Gitter, in: FS Kraft, S. 101 (102 ff.), hier auch ausführlicher zu den unterschiedlichen Möglichkeiten der vertraglichen Ausgestaltung des Ehrenamts.



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zur Tätigkeit ergibt.260 Anhand der Freiwilligkeit kann daher nicht zwischen ehrenamtlicher Tätigkeit und Beschäftigung abgegrenzt werden. Eine Regelung, nach der die Versicherungstatbestände für Ehrenamtliche nur diejenigen Personen erfassen sollen, die nicht schon als Beschäftigte versichert sind, enthält § 2 Abs. 1 SGB VII nicht. In der Vergangenheit existierte eine solche Regelung in § 539 Abs. 1 Nr. 14 lit. c RVO: Danach waren versichert „ehrenamtlich Lehrende in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, berufsbildenden Schulen, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen, soweit sie nicht bereits zu den nach den Nummern 1 bis 3 und 5 bis 8 Versicherten“261 gehörten. Eine ähnliche Regelung war bei den Beratungen über das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz angedacht, aber nicht verabschiedet worden: Der Ausschuss für Sozialpolitik hatte empfohlen, den Tatbestand der Unfallversicherung für ehrenamtlich Tätige „klarer“ zu fassen, indem der Kreis der versicherten Ehrenamtlichen gegen den der Beschäftigten abgegrenzt würde.262 Obwohl eine ausdrücklich angeordnete Subsidiarität der ehrenamtlichen Tätigkeit gegenüber dem Beschäftigungsverhältnis fehlt, muss dennoch der Tatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII vorrangig sein.263 § 135 SGB VII lässt sich die Wertung entnehmen, dass die Versicherung aufgrund einer Beschäftigung grundsätzlich Vorrang vor anderen Tatbeständen hat. Es ist daher stets im Einzelfall zu untersuchen, ob die Voraussetzungen der Beschäftigung erfüllt sind. Eine Beschäftigung scheidet jedenfalls bei denjeni260  Zur Freiwilligkeit als Voraussetzung der Beschäftigung vgl. statt Vieler BSGE 27, 197 (198); Knospe, in: Hauck / Noftz SGB IV, § 7 Rn. 22; Kruschinsky, in:  Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, §  2 Rn. 300; Seewald, in: Kasseler Kommentar SGB IV, § 7 Rn. 35; Segebrecht, in: ­jurisPK SGB IV, § 7 Abs. 1 Rn. 93, jeweils mit weiteren Nachweisen. 261  § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO enthielt den Versicherungsschutz für Beschäftigte, nach den Nummern 2, 5 und 6 waren bestimmte Unternehmer versichert, Nr. 3 stellte Künstler unter Versicherungsschutz, Nr. 7 galt für die im Gesundheits- oder Veterinärwesen und der Wohlfahrtspflege und Nr. 8 für die in einem Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen Tätigen sowie die Teilnehmer an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der Lehrenden. 262  Vorgeschlagen war die Formulierung „13. die für den Bund, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband oder eine andere Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts Tätigen, soweit sie nicht schon nach Nummer 1 versichert sind (…)“; vgl. BT-Drucks. 4 / 938 (neu), S. 42 sowie zur Begründung BTDrucks. 4 / 938 (neu), S. 4. 263  So ausdrücklich auch Leube, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 261; zur Vorgängerregelung Igl, ZFSH / SGB 1994, S. 561 (568); von einem Unterschied zwischen Beschäftigung und Ehrenamt ausgehend außerdem Butzer, in: FS Scharf, S. 119 (134); Leube, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 253; Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 559b; Merten / Ziegler, SGb 2005, S. 427 (430).

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gen ehrenamtlichen Tätigkeiten aus, die nicht dem allgemeinen Erwerbsleben zugänglich sind. Dies betrifft insbesondere ehrenamtliche Tätigkeiten für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften264 wie beispielsweise die Tätigkeit als Ministrant265 oder die Mitgliedschaft in einem Kirchenchor.266 Auch ehrenamtliche Tätigkeiten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 10 lit. a SGB VII können häufig nicht als Beschäftigung ausgeübt werden. Typischerweise nach dieser Vorschrift versicherte Personen sind beispielsweise die ehrenamtlichen Beigeordneten einer Gemeinde,267 ehrenamtliche Stadtoder Gemeinderatsmitglieder,268 Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter bei den Selbstverwaltungskörperschaften der Sozialversicherung,269 ehrenamt­ liche Richter270 sowie ehrenamtlich Tätige in Industrie- und Handwerkskammern oder Anwaltskammern271. Auch die ehrenamtlichen Tätigkeiten, zu denen die Bürger oder Einwohner einer Gemeinde verpflichtet werden können,272 sind ausschließlich als solche möglich.273 264  Versichert

sind diese nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 lit. b SGB VII. 24; vgl. auch BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 45. 266  Zum Versicherungsschutz für Mitglieder des Kirchenchors einer römisch-katholischen Kirchengemeinde BSGE 40, 139; zustimmend Axer, in: FS Listl, S. 587 (602). Für die Mitglieder des Kirchenchors einer evangelischen Kirchengemeinde hatte der 2. Senat den Versicherungsschutz zunächst verneint (BSGE 34, 163; kritisch zu dieser Differenzierung Wickenhagen, SGb 1976, S. 76 (76)), später jedoch in einem obiter dictum relativiert, dass es für die Versicherung nicht auf die konfessionelle Zugehörigkeit ankommen könne (SozR 3-2200 § 539 Nr. 31, S. 110 f.). – Maßgeblich ist, ob der Chor mit seinem Gesang den Aufgaben der Kirchengemeinde dient, vgl. dazu Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, §  2 Rn.  572; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 21.14. Dies wurde beispielsweise verneint für die Teilnahme an einem Jahresausflug des Kirchenchores (BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 31). 267  BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 38. 268  BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 63. – Für den ehrenamtlichen Bürgermeister einer Gemeinde kommt es nach dem Bundessozialgericht (SozR 2200 § 1248 Nr. 41, S. 102 f.) grundsätzlich darauf an, ob er lediglich Repräsentationsaufgaben wahrzunehmen hat, oder ob er überwiegend – weisungsgebunden – Verwaltungsaufgaben zu erfüllen hat; siehe auch Marburger, DÖD 2000, S. 121 (123) für weitere Nachweise. 269  Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 140. 270  Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 564. 271  Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 140. 272  Siehe beispielsweise § 15 Gemeindeordnung Baden-Württemberg; Art. 19 Gemeindeordnung Bayern; § 28 Gemeindeordnung Nordrhein-Westphalen; § 18 Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz. 273  Beispiele hierfür sind die Wahl in den Gemeinde- oder Ortschaftsrat, die ­Tätigkeit als Schöffe bei Gericht oder als Wahlhelfer oder die Mitwirkung als sach265  BSGE 39,



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff83

Daneben gibt es auch Personen, deren Tätigkeit zwar als ehrenamtliche bezeichnet wird, die aber tatsächlich Beschäftigte sind, weil alle typischen Merkmale der Beschäftigung vorliegen, sie Tätigkeiten verrichten, die üblicherweise von Beschäftigten verrichtet werden, und die ihnen gewährte Aufwandsentschädigung nach ihrer Art und Höhe als Entgelt zu qualifizieren ist.274 In den anderen Fällen kommt es darauf an, ob im Einzelfall die Voraussetzungen einer Beschäftigung gegeben sind.275 Fehlt es bei der Verrichtung der Tätigkeit insbesondere an der persönlichen Abhängigkeit, richtet sich der Versicherungsschutz nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, sondern nach dem Tatbestand, der die entsprechende ehrenamtliche Tätigkeit unter Versicherungsschutz stellt. 3. Ehrenamt und Wie-Beschäftigung Nicht auf den ersten Blick klar ist das Verhältnis der ehrenamtlichen Tätigkeit zur Wie-Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII.276 Anders als bei der Abgrenzung von Beschäftigung und Ehrenamt kann hier nicht auf die fehlende persönliche Abhängigkeit abgestellt werden, da diese auch bei der Wie-Beschäftigung nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII nicht Voraussetzung des Versicherungsschutzes ist.277 Ein Blick auf die Geschichte des versicherten Ehrenamtes verdeutlicht diese Problematik noch: Nachdem im Jahr 1942 mit dem Sechsten Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung278 durch § 537 Nr. 9 RVO auch Personen versichert worden waren, die wie ein Beschäftigter tätig wurden, hatten Rechtsprechung und Praxis die Norm und ihre Nachfolger häufig dazu verwendet, soziale Härten auszugleichen, indem sie ehrenamtlich Tätige als Wie-Beverständiger Bürger in Ausschüssen des Gemeinderats (Burgi, Kommunalrecht, § 11 Rn. 11). 274  Für einen ehrenamtlichen Bürgermeister BSG, Breithaupt 1969, S. 823; für den Verbandsvorsteher eines Verbandes BSGE 47, 201; für einen Ehrenbeamten BSGE 66, 150; für ehrenamtliche Beigeordnete einer Gemeinde BSGE 78, 34. 275  Dies entspricht auch der Auffassung des Bundessozialgerichts, vgl. BSGE 47, 201 (204 ff.); BSG, SozR 2200 § 165 Nr. 36, S. 52. 276  Lediglich für die Teilnehmer am Freiwilligendienst aller Generationen trifft das SGB VII eine Aussage: Nach § 135 Abs. 5a S. 2 SGB VII geht die Versicherung nach § 2 Abs. 1a SGB VII der Versicherung nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII vor. Diese Norm zeigt deutlich, dass sich die beiden Versicherungstatbestände überschneiden können, mithin eine ehrenamtliche Tätigkeit auch gleichzeitig den Tatbestand der Wie-Beschäftigung erfüllen kann. 277  Vgl. nur BSGE 5, 168 (173); BSGE 17, 211 (216). 278  RGBl. I 1942, S. 32 ff.

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schäftigte unter den Schutz der Unfallversicherung stellten.279 So wurde sowohl der Rentner, der sich ehrenamtlich Rasen und Bepflanzung der Kirchengemeinde kümmerte, als auch der gelernte Maler und Lackierer, der Malerarbeiten an einem Kindergarten ohne Entgelt ausführte, als unfallversicherte Wie-Beschäftigte angesehen.280 a) Bekleidung eines Amtes als Abgrenzungsmerkmal Soweit das Verhältnis von Wie-Beschäftigung und ehrenamtlicher Tätigkeit überhaupt angesprochen wird, stützt sich die Abgrenzung meistens auf das der ehrenamtlichen Tätigkeit innewohnende Amt. Das Ehrenamt verlange nicht nur eine fremdnützige Tätigkeit, sondern darüber hinaus die Bekleidung eines Amtes, also einen fest umrissenen Tätigkeitsbereich, der in der Regel satzungsmäßig, gesetzlich oder anderweitig festgelegt werde. Damit fordere die ehrenamtliche Tätigkeit eine Mindestform selbstständiger Aufgabenwahrung.281 Die Wie-Beschäftigung setze dies dagegen nicht voraus, sodass hier jede fremdnützige Tätigkeit ausreiche. Der Versicherungsschutz für ehrenamtlich Tätige habe daher engere Voraussetzungen als der für Wie-Beschäftigte, sodass bei Vorliegen eines Ehrenamtes der Unfallversicherungsschutz nach diesen Vorschriften vorrangig sei gegenüber dem der Wie-Beschäftigung.282 aa) Der Begriff des Amtes in der Rechtsprechung und Literatur Die Ausübung des Amtes, das der ehrenamtlichen Tätigkeit eigen ist, wird üblicherweise definiert als das Besorgen eines bestimmten „Kreises von Geschäften“ oder eines „geordneten Wirkungskreises“ oder eines „verantwortlich wahrzunehmenden Pflichtenkreises“.283 Ist der jeweilige Wirkungskreis dabei gesetzlich oder satzungsmäßig nicht von vornherein fest279  Auch das Bundessozialgericht ging davon aus, dass ehrenamtliche Tätigkeiten Wie-Beschäftigungen sein können, vgl. beispielsweise schon BSGE 5, 168 (173). 280  Fälle aus der Praxis verschiedener Berufsgenossenschaften; Nachweise zu beiden Fällen bei Molkentin, BG 2006, S. 17 (21). 281  Krasney, NZS 1999, S. 577 (583); vgl. auch BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 14. 282  Butzer, in: FS Scharf, S. 119 (126). – Dass eine Tätigkeit die Voraussetzungen mehrerer Versicherungstatbestände erfüllen kann, zeigt schon die Vorschrift des § 135 SGB VII, der für diese Fälle die Konkurrenzen regelt. 283  BSGE 34, 163 (168); BSGE 39, 24 (28); für die Literatur vgl. statt Vieler Axer, in: FS Listl, S. 587 (602); Butzer, in: FS Scharf, S. 119 (132); Igl, SGb 2002, S. 705 (706); Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 559a; Merten / Ziegler, SGb 2005, S. 427 (430); Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 64.



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gelegt, bedarf es eines gesamtbezogenen, eigenständigen Annahmeaktes durch den Unternehmer.284 Der Begriff des Amtes wird dabei sehr weit ausgelegt. Das Bundessozialgericht nahm an, das Führen eines Pferdes während eines Sankt-Martin-Umzuges sei eine ehrenamtliche Tätigkeit, genauer: die Bekleidung eines Amtes.285 Der Pferdehalter sei innerhalb des fest umrissenen Tätigkeitsbereiches des Führens eines Pferdes von einem Ort zum anderen tätig geworden. In einem anderen Urteil entschied das Bundes­ sozialgericht, das Hacken von Holz für ein traditionell in der Gemeinde stattfindendes Feuer sei als ehrenamtliche Tätigkeit zu werten.286 Inwieweit diese Tätigkeiten ein Amt enthalten, das über eine Tätigkeit im Rahmen einer Wie-Beschäftigung hinausgehen soll, bleibt unverständlich. Das Bundessozialgericht führte dazu aus, die Tätigkeiten könnten zwar auch durch einen Wie-Beschäftigten ausgeübt werden, lägen jedoch „schon grundsätzlich eher im Bereich der Dienste, zu denen die Gemeinde ehrenamtlich Tätige heranzieht, als im Bereich von Beschäftigungen (…).“287 Für den Führer des Pferdes erklärte es weiter: „Die seit vielen Jahren unentgeltlich übernommene Mitwirkung des Beigeladenen am St.-Martins-Zug unterstützt die Bewertung seiner Tätigkeit als ehrenamtlich iS des § 539 Abs 1 Nr. 13 RVO ebenso wie der Umstand, daß er sein Pferd zur Verfügung stellte, ohne daß die Tätigkeit (…) den Interessen seiner Pferdehaltung zu dienen bestimmt war.“288 Damit wird die Grenze dessen, was unter der Ausübung eines Amtes verstanden werden kann, jedoch überschritten. Sieht man selbst derart untergeordnete Hilfstätigkeiten als Amt im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII an, muss als Konsequenz jede unentgeltliche Tätigkeit für die Gemeinde als ehrenamtliche gewertet werden.289 Dies widerspricht schon dem Wortlaut des Gesetzes, das in § 2 Abs. 1 Nr. 9 und 12 SGB VII die ehrenamtliche als Sonderfall der unentgeltlichen Tätigkeit nennt. Auch das Bundessozialgericht sieht einen Unterschied zwischen ehrenamtlichen und unentgeltlichen Tätig284  BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 10, S. 39; BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 31, S. 111. 285  BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 11. 286  BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 95. 287  BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 95, S. 261; BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 11, S. 44. 288  BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 11, S. 44. – Gegen diese Argumentation lässt sich einwenden, dass alleine aus der Tatsache, dass seit mehreren Jahren eine unentgeltliche Tätigkeit ausgeübt wird, noch nicht geschlossen werden kann, dass ein Amt vorliegt. Dass das Führen des Pferdes nicht den Interessen der Pferdehaltung zu dienen bestimmt war, zeigt indes nur, dass keine unternehmerische Tätigkeit vorliegt. 289  So daher auch Igl, ZFSH  / SGB 1994, S. 561 (568). – Butzer, in: FS Scharf, S. 119 (134), spricht von einer „Erosion des klassischen Ehrenamtsbegriffs“.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

keiten.290 Die Abgrenzung von Wie-Beschäftigung und ehrenamtlicher Tätigkeit setzt daher ein engeres Verständnis des Amtes voraus. bb) Das Amt als besonders festgelegter Aufgabenbereich Will man dem Begriff des Amtes gerecht werden, muss man strengere Anforderungen an seine Voraussetzungen stellen. Das Amt fordert daher neben dem abgegrenzten Aufgabenbereich – der jeder fremdbestimmten versicherten Tätigkeit innewohnt – eine gewisse Stellung, Funktion und Relevanz. Ein Amt ist mehr als eine Tätigkeit. Dies bedeutet nicht, dass nur längerfristige Aufgaben als ehrenamtliche Tätigkeiten zu werten sind. Auch eine einmalige Tätigkeit kann die Voraussetzungen des Amtes erfüllen; zu denken wäre beispielsweise an einen Wahlhelfer291 oder einen Prüfer in einer Bildungseinrichtung292. Ein Indiz, ob im Einzelfall ein Amt oder nur eine Tätigkeit vorliegt, kann die jeweilige Bezeichnung sein. Dem Begriff des Amtes als Synonym zur Stellung oder Position und in Abgrenzung zur Tätigkeit ist eigen, dass ein Ausdruck dafür existiert, d. h. dass das Amt einen Namen besitzt, der den Aufgabenkreis von dem anderer Stellungen und Positionen abgrenzt. An eine solche Bezeichnung ist eine klare Erwartungshaltung und Vorstellung geknüpft, die den festgelegten Tätigkeitsbereich betrifft, der für das Amt gefordert wird. Entsprechend sind die klassischen ehrenamtlichen Tätigkeiten in der Regel gesetzlich, satzungsmäßig oder anderweitig im Voraus klar umschrieben.293 Fehlt es an einer normierten Umschreibung, bedarf es eines eigenständigen Annahmeaktes durch den Unternehmer als Zuordnungsgrund.294 Durch diese Zuordnung übernimmt der Unternehmer das Amt in seinen Aufgabenbereich und somit in seine Verantwortung.295 Dies darf jedoch nicht gleichgestellt werden mit der Äußerung des tatsächlichen Willens, der Versiche290  Ständige Rechtsprechung, vgl. beispielsweise BSGE 34, 163 (165); BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 95, S. 257; BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 11, S. 43. 291  Versichert nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 lit. a SGB VII. Die Tätigkeit als Wahlhelfer gehört zu den ehrenamtlichen Tätigkeiten, zu denen die Gemeinde ihre Bürger verpflichten kann; vgl. Burgi, Kommunalrecht, § 11 Rn. 11. 292  Versichert nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 lit. a SGB VII; siehe hierzu näher BSG, SozR 4-2700 § 2 Nr. 2. 293  Igl, SGb 2002, S. 703 (706), spricht vom „institutionalisierten Ehrenamt“. – Existiert eine solche Beschreibung, wird sie von der Rechtsprechung auch zur Hilfe genommen (vgl. beispielsweise BSGE 40, 139, wo das Bundessozialgericht sich auf eine Stellungnahme des Diozösanverwaltungsrats stützt). 294  BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 10, S. 39; BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 31, S. 111. 295  BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 10, S. 39.



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rungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII herbeiführen kann. Eine Annahme, wie sie das Amt fordert, bezieht sich nicht auf einzelne Tätigkeiten, sondern auf einen klaren Tätigkeits- und Verantwortungsbereich, eben auf die Bekleidung einer Ämterstellung. Ausscheiden müssen daher untergeordnete Hilfeleistungen, die kein Amt darstellen, sondern lediglich Tätigkeiten im Interesse eines Unternehmers sind.296 b) Üblichkeit als Abgrenzungsmerkmal In Literatur und Rechtsprechung findet sich bisweilen die Aussage, ein Ehrenamt liege vor, wenn die Tätigkeit üblicherweise ehrenamtlich ausgeübt wird297 oder zumindest üblicherweise von nicht gewerblichen Arbeiternehmern wahrgenommen werde.298 In die zweite Richtung scheint auch das Bundessozialgericht zu gehen, wenn es in den beiden angeführten Entscheidungen299 davon spricht, die jeweils fragliche Tätigkeit liege eher im Bereich der Dienste, zu denen die Gemeinde ehrenamtlich Tätige heranzieht, als im Bereich von Beschäftigungen.300 Den Schutz auf Tätigkeiten zu beschränken, die üblicherweise von Ehrenamtlichen ausgeübt wurden, sah es dagegen als zu eng an: Bezweckt worden sei es, die Personen unter Unfallversicherungsschutz zu stellen, die sich im öffentlichen Interesse betätigen, ohne dafür eine Bezahlung zu erhalten, was auch auf Tätigkeiten zutreffen könne, die nicht üblicherweise von Ehrenamtlichen verrichtet würden.301 Dem Bundessozialgericht ist soweit zuzustimmen, als Zweck des Versicherungstatbestandes nicht gewesen sein kann, nur Personen zu erfassen, die typische ehrenamtliche Tätigkeiten verrichten. Die Üblichkeit ist jedoch insgesamt als Abgrenzungskriterium abzulehnen, da sie kaum weiterführen kann. Soll eine Tätigkeit dann ehrenamtlich sein, wenn sie üblicherweise 296  Anders im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Butzer, in: FS Scharf, S. 119 (134); Holtstraeter, in: Kreikebohm / Spellbrink / Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, § 2 Rn. 32; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 128 Anm. 20.6; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 2 Rn. 48. 297  LSG Niedersachsen-Bremen, Breithaupt 2003, S. 498 (500). 298  Schlegel, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 17 Rn. 107; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 20.5; kritisch BSG, SozR 4-2700 § 2 Nr. 2 Rn. 11 f. 299  Hacken von Holz für eine Brauchtumsveranstaltung: BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 95; Führen eines Pferdes beim Martinsumzug: BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 11. 300  BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 95, S. 261; BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 11, S. 44. 301  BSG, SozR 4-2700 § 2 Nr. 2 Rn. 12, unter Verweis auf BT-Drucks. 4  / 120, S. 52.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

ehrenamtlich ist, muss zunächst festgestellt werden, wie sie üblicherweise verrichtet wird. Dies führt sodann wieder zum Ursprung des Problems, dass häufig nicht klar sein wird, ob die Tätigkeit ehrenamtlich oder im Rahmen einer (Wie-)Beschäftigung ausgeübt wird. Die Abgrenzungsmethode nach der Üblichkeit wäre daher lediglich für Tätigkeiten geeignet, die weithin als Ehrenamt anerkannt sind. Dennoch kann auch dann nicht mit Bestimmtheit gesagt werden, ob im Einzelfall nicht doch eine Ausnahme vorliegt. c) Das Verhältnis von Ehrenamt und Wie-Beschäftigung Ehrenamt bzw. ehrenamtliche Tätigkeit und Wie-Beschäftigung stehen nicht in einem Exklusivitätsverhältnis. Vielmehr kann eine Tätigkeit sowohl den Tatbestand der Wie-Beschäftigung erfüllen als auch den einer in der Unfallversicherung versicherten ehrenamtlichen Tätigkeit.302 Dies zeigt schon die Tatsache, dass vor der Schaffung eines eigenen Versicherungstatbestands ehrenamtliche Tätigkeiten als Wie-Beschäftigungen charakterisiert wurden und so Versicherungsschutz herbeigeführt wurde.303 Die beiden Tatbestände sind jedoch nicht deckungsgleich, d. h. nicht in jedem Fall erfüllt die ehrenamtliche Tätigkeit auch die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB VII. Die Annahme einer Wie-Beschäftigung muss beispielsweise dann ausscheiden, wenn die ehrenamtliche Tätigkeit nicht dem allgemeinen Erwerbsleben zugänglich ist. Auf der anderen Seite muss der Begriff des Amtes ernst genommen werden, will man eine Gleichstellung von unentgeltlicher und ehrenamtlicher Tätigkeit vermeiden. Ehrenamtlich kann daher nur sein, was über eine bloße Tätigkeit hinausgeht und zusätzlich einen klar beschränkten, vorher festgelegten Aufgabenbereich betrifft. Reine Hilfstätigkeiten erfüllen diese Anforderungen nicht. Für sie bleibt § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII, der insoweit geringere Voraussetzungen hat, als Auffangtatbestand.304

302  Auch Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 34.28, geht davon aus, dass eine ehrenamtliche Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII versichert ist, wenn die Verrichtung ihrer Art nach auch in einem Arbeitsverhältnis ausgeübt werden kann. 303  Vgl. beispielsweise BSGE 5, 168 (173); weitere Beispiele bei Molkentin, BG 2006, S. 17 (21). 304  § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII als Auffangnorm sehen auch Benz, BG 1987, S. 450 (455); Butzer, in: FS Scharf, S. 119 (127); Igl, SGb 2002, S. 705 (712), Leube, in: Kater  /  Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 251; Marburger, BPUVZ 2012, S. 244 (246).



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff89

4. Einordnung in die echte oder die unechte Unfallversicherung Hinsichtlich der Frage, ob der Versicherungsschutz bei ehrenamtlichen Tätigkeiten der echten oder der unechten Unfallversicherung zuzuordnen ist, muss differenziert werden. Erfüllt eine ehrenamtliche Tätigkeit gleichzeitig den Tatbestand der Wie-Beschäftigung, ist sie der echten Unfallversicherung zuzuordnen, denn diese ehrenamtliche Tätigkeit war schon vor der Schaffung eines speziellen Versicherungstatbestands versichert. Dies gilt ins­ besondere, wenn – wie in § 2 Abs. 1 Nr. 9 und 12 sowie Abs. 1a305 SGB VII – schon die Unentgeltlichkeit genügt, um den Versicherungsschutz zu begründen.306 Unter die unechte Unfallversicherung fallen dagegen zunächst diejenigen Ehrenamtlichen, deren Tätigkeit nicht dem allgemeinen Erwerbsleben zuzuordnen ist. Sie sind in allen Versicherungstatbeständen, die ehrenamtliche Tätigkeiten betreffen, zu finden. Insbesondere Versicherte nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII bekleiden häufig Ämter, die nicht als Beschäftigung ausgeübt werden können. Zu denken wären neben den bereits angeführten Personen307 an Elternvertreter in Bildungseinrichtungen308 oder Demonstrationspersonen wie beispielsweise Patienten in medizinischen Vorlesungen.309 Auch ehrenamtlich Tätige in der Landwirtschaft, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. d und e SGB VII versichert sind, können Tätigkeiten ausüben, die nicht als Beschäftigung verrichtet werden können; zu denken ist hier beispielsweise an Schulkinder, die Kartoffelkäfer sammeln.310 Daneben müssen auch diejenigen Personen der unechten Unfallversicherung zugeordnet werden, die ehrenamtlich in privatrechtlichen Organisatio305  Hier hat auch der Gesetzgeber gesehen, dass für die meisten nach dieser Vorschrift Versicherten schon vor Einführung des gesonderten Tatbestands Versicherungsschutz bestand; vgl. BT-Drucks. 16 / 10901, S. 15 f. 306  So auch Leube, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 251. 307  Oben Kapitel 1 C. IV. 2. 308  Sie sind versichert nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 lit. a SGB VII. 309  Leube, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 257. 310  Beispiel nach Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 84. – Bisweilen werden die nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. d und e SGB VII Versicherten als Tatbestände der echten Unfallversicherung angesehen, während die üblichen ehrenamtlich Tätigen zur unechten Unfallversicherung gezählt werden; vgl. beispielsweise Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 9; Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Gitter / Nunius, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 7 Rn. 6; Krasney, in: FS Zacher, S. 407 (414); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92; Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 50; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256. Richtigerweise kommt es jedoch auf die Frage an, ob im Einzelfall eine dem Erwerbsleben zugängliche Tätigkeit verrichtet wird.

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nen mit besonderem Auftrag einer Gebietskörperschaft oder einer Religionsgemeinschaft tätig werden.311 Für sie wurde Versicherungsschutz geschaffen, um der neueren gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung zu tragen, dass viele der bisher von den Gebietskörperschaften und Religionsgemeinschaften selbst wahrgenommenen Aufgaben inzwischen vermehrt durch bürgerschaftlich Engagierte unentgeltlich erfüllt wurden, die dabei jedoch häufig nicht als Einzelpersonen betraut, sondern als Mitglieder einer privatrechtlichen Organisation tätig wurden.312 Ohne diese Sonderregelung bestand kein Versicherungsschutz, da die ehrenamtlichen Tätigkeiten in der Regel nicht wie Tätigkeiten eines Beschäftigten verrichtet wurden. Die Handelnden wurden nicht für den Auftraggeber als Unternehmer313 tätig, sondern um ihre Pflicht der privatrechtlichen Organisation gegenüber zu erfüllen.314 Damit liegt ein Tatbestand vor, der eigentlich dem privaten, unversicherten Bereich zuzuordnen ist und nur ausnahmsweise versichert wurde, mithin ein Tatbestand der unechten Unfallversicherung.315 Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass der Schwerpunkt der Versicherung ehrenamtlich Tätiger im Bereich der unechten Unfallversicherung liegt. Geschaffen wurden die Versicherungstatbestände für Personen, die nicht schon vorher als Wie-Beschäftigte versichert waren, sondern bei denen ein tatsächliches Bedürfnis für Versicherungsschutz bestand. Daher ist die Versicherung der ehrenamtlich Tätigen grundsätzlich der unechten Unfallversicherung zuzuordnen.316

311  § 2 Abs. 1 Nr. 10 lit. a und b SGB VVII wurde um diesen Versicherungstatbestand erweitert durch das Gesetz zur Verbesserung des unfallversicherungsrechtlichen Schutzes bürgerschaftlich Engagierter und weiterer Personen vom 9. Dezember 2004, BGBl. I 2004, S. 3299 ff. 312  Begründung des Gesetzesentwurfs, BT-Drucks. 15 / 3439, S. 5. – Unfallversicherungsschutz war aus diesem Grund beispielsweise verneint worden für die Leiterin einer Pfadfindergruppe (BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 41). 313  § 136 Abs. 3 Nr. 5 SGB VII. 314  Eine Tätigkeit wie ein Beschäftigter für eine privatrechtliche Organisation setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts voraus, dass die Tätigkeit nicht aufgrund mitgliedschaftlicher Pflichten erbracht wurde, sondern über diese Mitgliedspflichten hinausgeht, vgl. beispielsweise BSGE 14, 1 (3 f.); BSGE 17, 211 (216); BSGE 52, 11 (14 f.). – Näher hierzu oben Kapitel 1 C. I. 2. c) bb). 315  Siehe ausführlicher zur Herausnahme mitgliedschaftlicher Tätigkeiten aus der Beschäftigung oben Kapitel 1 C. I. 2. c) bb). 316  Für eine generelle Charakterisierung als unechte Unfallversicherung Axer, in: Handbuch des Staatsrechts IV, § 95 Rn. 37; Plagemann, in: Plagemann / RadtkeSchwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 36; Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 3; wohl auch Müller-Volbehr, ZRP 1982, S. 270 (272). Für eine Zuordnung zumindest der für Kirchen ehrenamtlich Tätigen Axer, in: FS Listl, S. 587 (601).



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff91

V. Unfallversicherungsschutz bei Bildungsmaßnahmen 1. Unfallversicherung für Kinder, § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. a SGB VII Unter Unfallversicherungsschutz steht auch die Teilnahme an einer Reihe von Bildungsmaßnahmen. § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. a SGB VII erweitert den versicherten Personenkreis um Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, sowie während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches, sodass schon kleine Kinder versichert sein können. Kinder317, die die entsprechenden Einrichtungen besuchen, werden üblicherweise als Versicherte der unechten Unfallversicherung angesehen;318 nur ausnahmsweise erfolgt eine Einordnung in die echte Unfallversicherung, insbesondere bei einer gemeinsamen Betrachtung mit den nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. b SGB VII versicherten Schülern.319 Der überwiegenden Zuordnung ist zuzustimmen. Versicherungsschutz besteht „während des Besuchs von Tageseinrichtungen“ und „während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen“; dies umfasst alle Tätigkeiten, die mit dem Aufenthalt in der Einrichtung in einem wesentlichen Zusammenhang stehen. Aufgrund des Zweckes der Einrichtungen, einen Beitrag zu Bildung und Erziehung zu leisten,320 ist ein privatwirtschaftlicher und damit nicht versicherten Tätigkeiten zuzurechnender Bereich kaum denkbar,321 sodass zu den versicherten Tätigkeiten auch solche gehören, die bei anderen Versicherten als eigenwirt317  Zum Begriff des Kindes im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. a SGB VII vgl. Niedermeyer, SGb 2008, S. 471 (471 ff.). 318  Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 9; Bley, ZSR 1974, S. 193 (214); Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Gitter / Nunius, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 7 Rn. 6, 34; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92; Plagemann, in: Plagemann  /  Radtke-Schwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 36; Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 65; Waltermann, Sozialrecht, Rn.  256 f. 319  So bei Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, S. 534. 320  Zum Bildungsauftrag der genannten Einrichtungen vgl. Mehrtens, in: BereiterHahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 17.1. Der Erziehungsund Bildungsauftrag der Tageseinrichtungen wird gesetzlich festgeschrieben in § 22 Abs. 2 SGB VIII. – Das Bundessozialgericht (NZS 1994, S. 323 (324)) bezeichnet die Tageseinrichtungen als „Elementarstufe im Bildungswesen“. 321  Allgemeine Auffassung, vgl. statt Vieler BSG, NZS 1999, S. 42 (42); Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 486a; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 17.11; Schlaeger, in: Schlaeger / Linder, § 3 Rn. 59.

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schaftliche qualifiziert würden und damit keinen Versicherungsschutz begründeten, wie beispielsweise das Schlafen oder Essen.322 Der Versicherungsschutz wurde daher weit ausgedehnt; mit den strengen Anforderungen an die Annahme einer versicherten Tätigkeit eines Beschäftigten ist dieses weite Verständnis nicht vereinbar. Die Versicherung der Kinder nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. a SGB VII ist keine Weiterentwicklung der Beschäftigtenversicherung, sondern ein Fall der unechten Unfallversicherung. 2. Unfallversicherung für Schüler, § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. b SGB VII Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. b SGB VII gesetzlich unfallversichert. Die Einordnung der Schüler in die echte oder die unechte Unfallversicherung wird nicht eindeutig gehandhabt. Während einerseits zu lesen ist, die Schülerunfallversicherung sei das „Hauptbeispiel“ der unechten Unfallversicherung,323 ordnen andere sie – meist aufgrund der Annahme einer Affinität zum Arbeitsleben – der echten Unfallversicherung zu.324 a) Gründe für die Schaffung der Schülerunfallversicherung Parallelen zwischen der Beschäftigten- und der Schülerunfallversicherung zeigen sich, wenn man die Motive betrachtet, die zu ihrer jeweiligen Schaf322  Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 485 f.; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 2 Rn. 148; Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 95; zur Vorgängerregelung Schlegel, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 18 Rn. 62. – Hierbei ist auch nicht zwischen Tageseinrichtungen für jüngere und ältere Kinder zu differenzieren, da der Gesetzgeber in § 22 SGB VIII den Erziehungsauftrag für alle Tageseinrichtungen gleichermaßen festgesetzt hat (LSG Niedersachsen-Bremen, Breithaupt 2009, S. 514 (516)). 323  Marschner, in: Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, §  2 SGB  VII Rn. 31; für eine Zugehörigkeit zur unechten Unfallversicherung auch LSG Hamburg, Urteil vom 11. Oktober 2011 – L 3 U 39 / 10; Axer, in: Handbuch des Staatsrechts IV, § 95 Rn. 37; Bley, ZSR 1974, S. 193 (214); Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 389; Gitter / Nunius, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 7 Rn. 6, 34; Leube, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, Vor §§ 2–6 Rn. 15; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92; Plagemann, in: Plagemann / Radtke-Schwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 37; Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 65; Waltermann, Sozialrecht, Rn.  256 f. 324  Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 8; Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, S. 534; Krasney, NZS 1993, S. 89 (90); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; in diese Richtung wohl auch Krasney, in: FS Zacher, S. 407 (416).



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff93

fung führten.325 Auch vor der Einführung der Schülerunfallversicherung bestand eine schadensrechtlich unbefriedigende Situation: Stand dem Schüler bei einer im Schulunterricht erlittenen Verletzung nach dem Zivilrecht kein Anspruch zu, beispielsweise gegen den Lehrer wegen Verletzung der Aufsichtspflicht, blieb ihm bzw. seinen Eltern in den meisten Fällen nichts anderes übrig, als die Kosten, die nicht von einer gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung getragen wurden, selbst aufzubringen oder sich an Gemeindeversicherungsverbände oder ähnliche Vereinigungen zu wenden, deren Entschädigungen allerdings häufig nicht ausreichten.326 Die Lehrer, die mit Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung der Aufsichtspflicht rechnen mussten, führten überobligatorische oder besonders risikobehaftete Schulveranstaltungen nur noch widerstrebend durch.327 Ausgangspunkt der Debatte über eine Schülerunfallversicherung war schließlich ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1967.328 Eine Schülerin hatte bei der Teilnahme am Turnunterricht eine schwere Verletzung erlitten und dem Land gegenüber einen Aufopferungsanspruch geltend gemacht. Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass sich hier trotz der Schulpflichtigkeit der Schülerin lediglich das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht hatte, weswegen kein Sonderopfer angenommen werden könne, und lehnte den Anspruch daher ab. Allerdings stehe es einem sozialen Rechtsstaat an, „einem Schulkind, das ihm mit der Einschulung anvertraut wird, in geeigneter Weise Fürsorge zuteil werden zu lassen und Vorsorge dafür zu treffen, daß einem Kind, das bei schweren Körperschäden, die es durch einen Unfall als Folge einer schulischen Maßnahme wie hier beim Turnunterricht erleidet, eine angemessene öffentlich-rechtliche Entschädigung gewährt wird, auf die der Verletzte selbst einen Anspruch hat“.329 Eine solche Regelung zu treffen sei jedoch nicht Aufgabe der Richter, sondern des Gesetzgebers, der seiner Pflicht nachkam mit der Verabschiedung des Gesetzes über Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten vom 1. April 1971.330

325  Zu den Motiven für die Schaffung der Unfallversicherung der Beschäftigten vgl. oben Kapitel 1 C. I. 1. 326  Wendland, Bundesarbeitsblatt 1970, S. 749 (749). 327  Schlegel, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 18 Rn. 55. – Ausführlicher zur Situation der verletzten Schüler und den uneinheitlichen Schutzvorkehrungen Groß, FuR 1996, S. 140 (140 f.). 328  BGHZ 46, 327. 329  BGHZ 46, 327 (331). 330  BGBl. I 1971, S. 237 ff.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

b) Unterschiede in der Reichweite des Versicherungsschutzes Inhaltlich unterscheidet sich jedoch die Schüler- von der Beschäftigtenunfallversicherung in zweierlei Hinsicht. Der Versicherungsschutz für Schüler wurde in einer Hinsicht enger konzipiert als der der Beschäftigten. Während bei Beschäftigten auch betriebsbezogene Tätigkeiten außerhalb des Unternehmens versichert sind, ist der Versicherungsschutz der Schüler eingeschränkt auf Verrichtungen, die innerhalb des organisatorischen Verantwortungsbereiches der Schule stattfinden.331 Erforderlich ist damit ein unmittelbarer innerer, das heißt räumlicher und zeitlicher Zusammenhang zur Schule,332 sodass eine Einwirkung durch schulische Aufsichtsmaßnahmen gewährleistet sein muss.333 Im Falle der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen334 treten an die Stelle des organisatorischen Verantwortungsbereichs der Schule Umfang und Inhalt der jeweiligen Betreuungsmaßnahme, sodass der Versicherungsschutz ähnlich dem beim Schulbesuch beschränkt ist.335 In anderer Hinsicht geht der Versicherungsschutz für Schüler jedoch weiter als der für Beschäftigte. Im Rahmen der Schülerunfallversicherung sind der altersbedingte Entwicklungsstand und damit die Gefahren zu berücksichtigen, die sich aus unzureichender Beaufsichtigung oder dem typischen Gruppenverhalten von Schülern oder Jugendlichen ergeben.336 Damit kann auch ein Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII vorliegen, wenn 331  Grundlegend BSGE 35, 207 (211); seitdem ständige Rechtsprechung, vgl. beispielsweise BSGE 41, 149 (151); BSG, SozR 4-2700 § 8 Nr. 7 Rn. 7; BSG, SozR 4-2700 § 2 Nr. 13 Rn. 24; für die Literatur statt Vieler Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 117; Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 102; Rolfs / Dieckmann, VersR 2010, S. 296 (296). – Versichert ist damit neben dem Schulunterricht als solchem auch die Teilnahme an schulischen Veranstaltungen wie Arbeitsgemeinschaften, Prüfungen, Schulfesten oder Schulausflügen, solange sie nach dem Gesamtbild der Veranstaltung unter Berücksichtigung ihrer Planung, Ankündigung und Durchführung als von der Schule organisiert angesehen werden können (vgl. BSGE 48, 1 (1 f.)). Zum Unfallversicherungsschutz während eines internationalen Schüleraustauschs siehe BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 22. 332  BSGE 41, 149 (151); BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 54, S. 158; Leube, ZFSH  / ​ SGB 2011, S. 133 (133). 333  Ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. beispielsweise BSGE 56, 129 (131); BSG, SozR 4-2700 § 2 Nr. 13 Rn. 25; ebenso Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 18.7. 334  § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. b Var. 2 SGB VII. 335  Richter, in: Becker / Franke / Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, § 2 Rn. 71. 336  Ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. beispielsweise BSG, SozR 4-2700 § 8 Nr. 7 Rn. 9; BSG, SozR 4-2700 § 8 Nr. 25 Rn. 12; für die Literatur statt Vieler Leube, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 204;



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff95

der Unfall auf Spielereien, kindtypischen Streitigkeiten, Neckereien, jugendlichem Nachahmungstrieb oder sonstigem Gruppenverhalten beruht.337 Der Schutz entfällt dabei auch nicht zwingend dann, wenn sich der Schüler objektiv betrachtet in hohem Maße vernunftwidrig und gefahrbringend verhält, wenn dieses Verhalten gerade auch die Folge altersbedingter Unreife und gruppendynamischer Prozesse darstellt.338 Schließlich fehlt es der versicherten Tätigkeit auch an der Fremdnützigkeit, die maßgebliches Merkmal der Tätigkeit eines Beschäftigten ist. Der Satz „nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir“ mag abgedroschen sein,339 belegt jedoch deutlich die Unterschiede zwischen Schülern, die hauptsächlich im eigenen Interesse tätig werden, und Beschäftigten, deren Tätigkeit einem Unternehmer dient. Dies unterstreicht auch § 136 Abs. 3 Nr. 3 SGB VII, nach dem der Unternehmer für die Schüler der Sachkostenträger der jeweiligen Bildungseinrichtung ist. Während grundsätzlich derjenige Unternehmer ist, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht,340 musste für die im eigenen Interesse tätigen Schüler eine Sonderregelung getroffen werden. Schließlich besteht zumindest für einen großen Teil der Schüler die allgemeine Schulpflicht,341 während das Beschäftigungsverhältnis Freiwilligkeit voraussetzt. c) Ergebnis Schüler- und Beschäftigtenunfallversicherung unterscheiden sich in wesentlichen Punkten: Maßgeblich für den Versicherungsschutz der Schüler ist der organisatorische Verantwortungsbereich der Schule, sodass im Wesentlichen alle unter ihrem Einfluss stehenden Tätigkeiten versichert sind. Diese Tätigkeiten liegen in der Regel im Interesse der Versicherten selbst, was besonders deutlich wird im Hinblick auf die ebenfalls versicherten SpieleMehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 18.10; Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 102. 337  Richter, in: Becker / Franke / Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, § 2 Rn. 65. 338  BSG, NJW 2001, S. 2909 (2910); LSG Niedersachsen-Bremen, NZS 2007, S. 500 (502). – Versicherungsschutz ist nur dann zu verneinen, wenn die unfallbringende Tätigkeit nicht mehr in den organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule fällt, beispielsweise weil der verletzte Schüler selbst bewusst und gewollt den Zusammenhang mit dem Schulbetrieb löst, ausdrücklich dem Schulzweck zuwiderhandelt und einer von der Schule nicht mehr beeinflussbaren Tätigkeit nachgeht; vgl. BSGE 42, 42 (47); ähnlich auch BSGE 43, 113 (118). 339  Krasney, in: FS Zacher, S. 407 (416). 340  § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII. 341  Einzelheiten zur Schulpflicht sind in den jeweiligen Schulgesetzen der Länder geregelt, vgl. beispielsweise § 72 des Schulgesetzes von Baden-Württemberg, Art. 35 des Schulgesetzes von Bayern sowie die §§ 17 ff. des Schulgesetzes von Thüringen.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

reien der Schüler. Maßgeblich für den Versicherungsschutz des Beschäftigten ist dagegen alleine die Unternehmensdienlichkeit der jeweiligen Tätigkeit. Die Schülerunfallversicherung ist daher als unechte Unfallversicherung zu qualifizieren. 3. Unfallversicherung für Studierende, § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. c SGB VII Nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. c SGB VII sind Studierende während der Ausund Fortbildung an Hochschulen versichert. Ähnlich wie bei den Schülern wird auch hier bisweilen eine Einordnung in die echte Unfallversicherung auf eine vorhandene Nähe zum Arbeitsleben gestützt,342 während andere Stimmen die Unfallversicherung für Studierende als unechte Unfallversicherung bezeichnen.343 a) Begriff des Studierenden im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. c SGB VII Die Annahme einer Nähe zum Arbeitsleben hängt maßgeblich davon ab, wie der Begriff des Studierenden zu verstehen ist. Diesbezüglich herrscht jedoch Uneinigkeit, insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob die Versicherung eine Berufsbezogenheit des Studiums voraussetzt, was beispielsweise Teilnehmer an Ferienkursen, Gast- oder Seniorenstudenten, Doktoranden, interessierte Besucher von Ringvorlesungen oder Teilnehmer eines Aufbau- oder Kontaktstudiums vom Versicherungsschutz ausschließen würde.344 Für die Forderung eines beruflichen Zweckes spricht hauptsächlich die Gesetzesbegründung, ausweislicher derer die Studierenden versichert wurden, um sie mit allen anderen Personen während ihrer beruflichen Aus- und Fortbildung gleichzustellen.345 Ferner wird argumentiert, die 342  Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 9; Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, S. 534; Krasney, NZS 1993, S. 89 (90); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; in diese Richtung wohl auch Krasney, in: FS Zacher, S. 407 (416). 343  Bley, ZSR 1974, S. 193 (215); Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Gitter / Nunius, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 7 Rn. 6, 34; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92; Plagemann, in: Plagemann / Radtke-Schwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 36; Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 65; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256 ff. 344  So insbesondere Ricke, SGb 2006, S. 460 (460 ff.); ähnlich Leube, NZS 2007, S. 468 (471); Schlegel, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 18 Rn. 81. 345  BT-Drucks. 6 / 133, S. 4. – Bereits zuvor waren die Studierenden an den Fachhochschulen versichert gewesen, da diese aus den höheren Fachschulen hervorge-



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff97

Versicherung eines Studiums aus rein privaten Zwecken wäre insoweit systemwidrig, als private Tätigkeiten grundsätzlich nie unter den Schutz der Unfallversicherung fielen.346 Alleine aus dem Wort „Studierende“ kann nicht geschlossen werden, welcher Personenkreis erfasst sein soll. Zwar mag die Verwendung des Partizips auf den ersten Blick darauf hindeuten, dass es nicht um den Status als (eingeschriebener) Student, sondern um die Tätigkeit des Studierens gehen soll, was für eine weite Auslegung des § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. c SGB VII spricht. Es ist jedoch eher zu vermuten, dass der Begriff gewählt wurde, um sowohl Studenten als auch Studentinnen zu erfassen, mithin die Wortwahl lediglich der sprachlichen Gleichstellung der Geschlechter geschuldet ist.347 Auffällig ist, dass § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII ausdrücklich von der beruflichen Aus- und Fortbildung spricht, während § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. c SGB VII lediglich allgemein die Aus- und Fortbildung nennt.348 Auch ein Vergleich mit den anderen Büchern des Sozialgesetzbuches legt nahe, dass der in der Unfallversicherung versicherte Personenkreis weit gefasst sein soll:349 Während im SGB VII von „Studierenden“ gesprochen wird, setzt die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V voraus, dass die Studenten „an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eingeschrieben sind“. In der gesetzlichen Rentenversicherung sind nach § 5 Abs. 3 SGB VI Personen, die „während der Dauer eines Studiums als ordentliche Studierende einer Fachschule oder Hochschule“ ein Praktikum ableisten, versicherungsfrei. Auch Sinn und Zweck der Norm sprechen für eine weite Auslegung. Wären nur diejenigen Studierenden versichert, deren Studium einen Bezug zum Beruf aufweist, führte dies beispielsweise im Hinblick auf eine eventuelle Haftung zu willkürlichen Ergebnissen, da es für ein und dieselbe Situation – beispielsweise bei Schädigung eines Studierenden durch eine schadhafte Treppe – vom Grund des Studiums abhinge, ob der Träger der Hochschule als Unternehmer350 nach § 104 SGB VII von der Haftung begangen waren, deren Besuch bereits seit dem Vierten Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom 18. April 1937 (RGBl. I 1937, S. 463 ff.) unter dem Schutz der Unfallversicherung stand. 346  Leube, NZS 2007, S. 468 (471). 347  Ricke, SGb 2006, S. 460 (463) spricht von einem „Unisex-Terminus“. 348  So auch LSG Hessen, Breithaupt 1974, S. 475 (477); Leube, NZS 2007, S. 468 (469). 349  So auch Leube, NZS 2007, S.  468 (469); Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 515. 350  § 136 Abs. 3 Nr. 3 SGB VII.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

freit wäre.351 Eine enge Auslegung des Begriffs würde außerdem dazu führen, dass auch immatrikulierte Studierende nur dann versichert wären, wenn sie zu ihrem eigenen Studienfach zählende Veranstaltungen besuchten.352 Der durch § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. c SGB VII versicherte Personenkreis beschränkt sich daher nicht auf Studierende, die die Hochschule zu ihrer beruflichen Aus- und Fortbildung besuchen, sondern auf alle sich dort Ausund Fortbildenden.353 Erfasst sind beispielsweise auch Gast- und Seniorenstudenten, unabhängig von der Motivation, aufgrund derer sie die Hochschulen besuchen, sei es auch bloße Liebhaberei ohne beruflichen Hintergrund. Dasselbe gilt für Doktoranden, die zum Zwecke ihres Promotionsvorhabens Veranstaltungen der Hochschule besuchen. Dabei ist jedoch eine Immatrikulation oder ein vergleichbarer formeller Akt zu fordern, durch den die Hochschule eine Teilnahmeberechtigung an ihren Veranstaltungen ausspricht, beispielsweise eine Zulassung als Doktorand oder eine Aufnahme als Gasthörer354, da ohne diese – schon hochschulrechtlich vorgeschriebenen – Maßnahmen nicht von einem berechtigten Zugang zu den Hochschulveranstaltungen und damit auch nicht von einer Aus- und Fortbildung gesprochen werden kann.355

351  Leube, NZS 2007, S. 468 (470). – Im Hinblick auf die seit der Einordnung der Unfallversicherung ins Sozialgesetzbuch zu beobachtende Tendenz, die Haftungsbeschränkung auf alle im Rahmen einer Gefahrengemeinschaft tätigen Personen auszudehnen, widerspräche eine enge Auslegung des versicherten Personenkreises auch dem mit § 105 SGB VII (im Falle der Studierenden in Verbindung mit § 106 Abs. 1 SGB VII) verfolgten Zweck, alle zur Gefahrengemeinschaft Gehörenden von der zivilrechtlichen Haftung zu befreien; vgl. ausführlich zum Begriff der Gefahrengemeinschaft unten Kapitel 2 C. I. 3. b) bb). 352  Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 19.2; Richter, in: Becker / Franke / Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, § 2 Rn. 76. 353  Ebenso Behrendt / Bigge, Unfallversicherungsschutz für Schüler und Studierende sowie für Kinder in Tageseinrichtungen, S. 30; Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 131; Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, S. 536; Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, §  2 Rn.  516; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 19.2; Richter, in: Becker  /  Franke  /  Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, § 2 Rn. 76 f.; Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 108; Roller, SGb 2000, S. 349 (353 f.); Wendland, Bundesarbeitsblatt 1970, S. 749 (750). 354  So auch Schlegel, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 18 Rn. 80. 355  Damit sind insbesondere Personen unversichert, die die Hochschule nur für einzelne Veranstaltungen besuchen, wie beispielsweise das Publikum bei einer Ringvorlesung (Leube, NZS 2007, S. 468 (471)) oder Studieninteressierte, die in einzelne Fächer „hineinschnuppern“ wollen.



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b) Während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen: Vergleichbarkeit der Studierenden- mit der Schülerunfallversicherung Versicherungsschutz besteht während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen mithin nur dann, wenn die Tätigkeit dem organisatorischen Verantwortungsbereich der Hochschule zuzurechnen ist. Erforderlich ist damit – wie bei der Versicherung der Schüler – ein unmittelbarer zeitlicher und räumlicher Zusammenhang mit der Hochschule und deren Einrichtungen.356 Der Unfallversicherungsschutz für Studierende steht auch systematisch in einer Reihe mit dem der Schüler während des Schulbesuchs und dem der Kinder während der Betreuung in Kindertagesstätten oder bei Tagespflegepersonen, indem diese Personengruppen in § 2 Abs. 1 Nr. 8 SGB VII zusammengefasst wurden.357 Diese Regelungen gehen alle zurück auf dasselbe Gesetz.358 Die Studierendenunfallversicherung steht damit systematisch, historisch und hinsichtlich ihrer Reichweite in einem engen Zusammenhang mit zwei Tatbeständen, die der unechten Unfallversicherung zuzuordnen sind. Daneben unterscheidet sich die versicherte Tätigkeit auch von den wesentlichen Merkmalen der Beschäftigung. Aus dem Erwachsenenalter der Studierenden folgt eine gewisse Eigenständigkeit; schon der Gesetzgeber räumte bei der Schaffung der Studierendenunfallversicherung ein, dass die Studierenden an wissenschaftlichen Hochschulen eine größere Freiheit beim Be356  BSGE 44, 100 (102). – Versichert sind daher beispielsweise neben dem Besuch der Vorlesung die Teilnahme an der studentischen Selbstverwaltung (BSGE 28, 204), die Teilnahme an Seminaren und Exkursionen sowie der Besuch anderer Hochschuleinrichtungen wie Universitäts- und Staatsbibliotheken oder Instituten (BSGE 44, 100 (103)) sowie Arbeiten im Labor während der Semesterferien (LSG Hessen, Breithaupt 1974, S. 475). Ein in der Studienordnung vorgeschriebenes Praktikum kann ebenfalls versichert sein, wenn ein wesentlicher Einfluss der Hochschule oder Fachhochschule auf die Art und Weise der Durchführung besteht; dies kann beispielsweise bejaht werden für das so genannte klinisch-praktische Jahr von Medizinstudenten in einer Universitätsklinik oder in einem Lehrkrankenhaus, da dieses inhaltlich-ausbildungsmäßig und organisatorisch in das Gesamtstudium der Medizin integriert ist (Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 19.7). 357  Da die Studierenden typischerweise bereits erwachsen sind, ist jedoch – anders als bei den anderen nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 SGB VII Versicherten – keine Rücksicht zu nehmen auf gruppendynamische Prozesse, sodass hier Spielereien, Raufereien oder Neckereien nicht versichert sind und dadurch ausgelöste Verletzungen keinen Unfall im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII darstellen (so auch Keller, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 8 Rn. 177; Richter, in: Becker / Franke / Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, § 2 Rn. 80; Wagner, in: jurisPK SGB VII, § 8 Rn. 71). 358  Gesetz über Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten vom 1. April 1971, BGBl. I 1971, S. 237 ff.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

such von Unterrichtsveranstaltungen hätten, als dies bei anderen Aus- und Fortbildungsarten der Fall sein möge.359 Anders als ein Beschäftigter unterliegt ein Studierender – abgesehen von Pflichtveranstaltungen – keinem Weisungsrecht hinsichtlich Zeit und Ort der versicherten Tätigkeit.360 Den Studierenden bleibt es vielmehr selbst überlassen, ob sie eine Vorlesung besuchen oder für sich alleine zu Hause lernen. Die Tätigkeit der Studierenden ist damit wesentlich freier als die der weisungsgebundenen Beschäftigten. c) Ergebnis Eine Nähe des Studiums zum Arbeitsleben, auf die üblicherweise eine Zugehörigkeit zur echten Unfallversicherung gestützt wird, kann lediglich angenommen werden für diejenigen Studierenden, die das Studium zur beruflichen Ausbildung aufnehmen; dies ist jedoch nicht Voraussetzung des Versicherungsschutzes. Es besteht vielmehr ein enger historischer, systematischer und auch inhaltlicher Zusammenhang mit der Unfallversicherung für Schüler und Kinder in Kindertagesstätten. Daher ist die Unfallversicherung der Studierenden ebenfalls der unechten Unfallversicherung zuzuordnen. 4. Unfallversicherung bei beruflicher Aus- und Fortbildung, § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII besteht Versicherungsschutz für Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen. Die Voraussetzung der beruflichen Ausbildung lässt dabei deutlicher eine Nähe zum Arbeitsleben erkennen, als sie beispielsweise bei Schülern oder Studierenden besteht. Auch die Stellung des Versicherungstatbestands an erster Stelle nach den Beschäftigten könnte für eine enge Verbindung mit diesen sprechen.361 Entsprechend wird der Versicherungsschutz bei beruflicher Aus- und Fortbildung häufig zur echten Unfallversicherung gezählt.362 Dem wäre zumindest dann zu folgen, wenn die Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII lediglich die unfallversicherungsrechtliche Ausgestaltung 359  BT-Drucks.

6 / 1333, S.  4. Weisungsgebundenheit als maßgeblichem Merkmal der Beschäftigung vgl. oben Kapitel 1 C. I. 2. a). 361  So ausdrücklich Leube, NZS 2007, S. 468 (470). 362  Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 8; Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, S. 550; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256. 360  Zur



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff101

des § 7 Abs. 2 SGB IV wäre,363 nach dem als Beschäftigung auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung gilt. Gegen eine Gleichstellung von § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII und § 7 Abs. 2 SGB IV spricht jedoch schon § 22 Abs. 1 S. 2 SGB VII, wonach „auch die nach § 2 Abs. 1 Nr. 2, 8 und 12 Versicherten“ als Beschäftigte gelten sollen. Entsprächen sich die beiden Tatbestände, müsste die Beschäftigung nicht fingiert werden, sondern wäre die berufliche Aus- und Fortbildung schon Beschäftigung. Auch mit den Unterschieden zwischen § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII und § 7 Abs. 2 SGB VII ist dieses Verständnis der beruflichen Aus- und Fortbildung nicht vereinbar. Betriebliche Berufsbildung ist legaldefiniert in § 2 Abs. 1 Nr. 1 BBiG als Berufsbildung in Betrieben der Wirtschaft, in vergleichbaren Einrichtungen außerhalb der Wirtschaft, insbesondere des öffentlichen Dienstes, der Angehörigen freier Berufe und in Haushalten.364 Wichtig ist dabei der Bezug zum Betrieb; betriebliche Berufsbildung setzt voraus, dass die Maßnahmen in der Nähe des späteren, typischen Arbeitsplatzes stattfinden müssen.365 Da § 7 Abs. 2 SGB VII eine ergänzende Vorschrift zu § 7 Abs. 1 SGB VII ist, müssen zudem die allgemeinen Grundsätze für die Beschäftigung im Sinne des Absatzes 1 auch für die Regelung des Absatzes 2 gelten.366 Versichert ist die Berufsausbildung also nur dann, wenn die Durchführung der betrieblichen Bildungsmaßnahme der Ausübung einer nichtselbstständigen Tätigkeit entspricht, die Ausbildung also auf freiwilliger Basis und in persönlicher Abhängigkeit erfolgt. Dies geschieht meistens durch Eingliederung in den Produktions- oder Dienstleistungsbetrieb, wobei die Erbringung produktiver Arbeit hinter der Vermittlung von Kenntnissen, Fertigkeiten und Erfahrungen sowie der Bildung und Erziehung in der Re363  Davon wohl ausgehend Rittweger, in: Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 7 SGB IV Rn. 16. – Dem widerspricht jedoch schon § 22 Abs. 1 S. 2 SGB VII, wonach „auch die nach § 2 Abs. 1 Nr. 2, 8 und 12 Versicherten“ als Beschäftigte gelten sollen. Entspräche § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII dem § 7 Abs. 2 SGB IV, müsste die Beschäftigung nicht fingiert werden. 364  Die Anwendbarkeit dieser Definition auf § 7 Abs. 2 SGB IV ergibt sich aus der amtlichen Begründung zum Entwurf eines Sozialgesetzbuchs, BT-Drucks. 7 / 4122, S. 31, die ausdrücklich die betriebliche Berufsbildung im Sinne des § 1 Abs. 5 BBiG, der gleich lautenden Vorgängernorm, nennt. § 7 Abs. 2 SGB IV geht jedoch insoweit über das Berufsbildungsgesetz hinaus, als er durch die Rechtsprechung – parallel zur Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV – auch auf die Berufsbildung im Rahmen öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse (auf die das Berufsbildungsgesetz nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 BBiG nicht anwendbar ist) angewendet wird, vgl. BSGE 64, 130 (133). 365  Seewald, in: Kasseler Kommentar SGB IV, § 7 Rn. 146. 366  Knospe, in: Hauck / Noftz SGB IV, § 7 Rn. 46; Scheer, in: jurisPK SGB IV, § 7 Abs. 2 Rn. 13.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

gel zurücktreten wird.367 An einer persönlichen Abhängigkeit fehlt es beispielsweise dann, wenn die Ausbildung von verselbstständigten, nicht einem Betrieb angegliederten Bildungseinrichtungen durchgeführt wird, deren Betriebszweck und alleiniger Gegenstand ihrer Tätigkeit die Vermittlung von Ausbildungen ist, insbesondere wenn die Ausbildung als Dienstleistung gegen Geld erbracht wird.368 Im Gegensatz dazu ist maßgebliches Merkmal für die Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII, dass die Maßnahme von einer Bildungseinrichtung durchgeführt wird. Der Versicherte ist nicht wie ein Beschäftigter in einen Betrieb integriert, selbst wenn – beispielsweise im Rahmen eines Praktikums – eine Tätigkeit innerhalb eines Betriebs ausgeübt wird, sondern nimmt an einer Bildungsmaßnahme der Bildungseinrichtung teil. Im Ergebnis wird von § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII der Bereich der unsystematischen beruflichen Aus- und Fortbildung sowie der beruflichen Umschulung erfasst, der weder im betrieblichen noch im schulischen Bereich stattfindet.369 Die berufliche Aus- und Fortbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII ist damit zwischen der betrieblichen Berufsausbildung im Sinne des § 7 Abs. 2 SGB IV und dem Besuch der Berufsschule im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. b SGB VII einzuordnen. Im SGB VII wird der Zusammenhang der beruflichen Aus- und Fortbildung mit der Schülerunfallversicherung an mehreren Stellen deutlich gemacht. So legt beispielsweise § 136 Abs. 3 Nr. 3 SGB VII für beide Versicherten den Sachkostenträger als Unternehmer fest. Hintergrund dieser gesonderten Regelung ist die Motivation der Versicherten, die nicht für einen Unternehmer, sondern für ihr Ausbildungsziel, d. h. eigennützig tätig werden.370 Aus demselben Grund trifft § 106 Abs. 1 SGB VII eine gesonderte Regelung für die Haftungsbeschränkung bei diesen Versicherungstatbeständen, während sich die Haftungsbeschränkung im Fall der betrieblichen Berufsbildung aus § 105 SGB VII ergibt.371 Auch die Formulie367  BSG, 368  BSG,

SozR 3-2600 § 1 Nr. 7, S. 11. SozR 3-2600 § 1 Nr. 7, S. 12; Scheer, in: jurisPK SGB IV, § 7 Abs. 2

Rn. 15. 369  Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 343. 370  Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 63; Wolber, SozVers 1999, S. 15 (17). – Für die Versicherung bei Ausbildungsmaßnahmen trifft § 136 Abs. 3 Nr. 2 SGB VII eine weitere Sonderregelung. Ist die Bildungsmaßnahme Teil der beruflichen Rehabilitation (heute: Teil der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben), ist der Rehabilitationsträger Unternehmer. Der Hintergrund der gesonderten Zuordnung ist jedoch derselbe: Der Rehabilitand selbst ist unmittelbarer Nutznießer der Maßnahme (so auch Graeff in: Hauck / Noftz SGB VII, § 136 Rn. 53). 371  Zum Begriff der betrieblichen Tätigkeit im Sinne des § 105 SGB VII und der daraus folgenden Notwendigkeit einer gesonderten Regelung für im eigenen Interesse Tätige siehe unten Kapitel 2 C. I. 3.



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff103

rung der beiden Tatbestände ist ähnlich („während der beruflichen Aus- und Fortbildung“, „während des Besuchs“), sodass es auf den organisatorischen Verantwortungsbereich der Bildungseinrichtung ankommt. Schließlich ordnet § 135 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII einen Vorrang der Beschäftigtenversicherung an, wenn die Versicherten an der Aus- und Fortbildung auf Veranlassung des Unternehmers, bei dem sie beschäftigt sind, teilnehmen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII können mithin keine Beschäftigten versichert sein.372 Im Ergebnis besteht damit eine engere Verbindung der beruflichen Ausund Fortbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII zur Schüler- als zur Beschäftigtenunfallversicherung, insbesondere im Hinblick auf die eigennützige Motivationslage, die auch vom Gesetzgeber gesehen wurde. Der Unterschied zur betrieblichen Berufsbildung im Sinne des § 7 Abs. 2 SGB IV wird noch dadurch unterstrichen, dass diese Norm eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation und ein Weisungsrecht des Unternehmers voraussetzt, während § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII auf die Verbindung zu einer Bildungseinrichtung aufbaut. Der Tatbestand ist daher ebenso wie die übrigen Fälle der Unfallversicherung bei Bildungsmaßnahmen der unechten Unfallversicherung zuzuordnen.373

VI. Unfallversicherungsschutz bei Tätigkeiten im öffentlichen Interesse Unter Unfallversicherungsschutz steht eine Reihe von Personen, deren Handeln als Tätigkeiten im öffentlichen Interesse qualifiziert werden kann. Der geschützte Personenkreis reicht von Nothelfern und Blutspendern über sich persönlich Einsetzende bis hin zu herangezogenen Personen und Zeugen und ist in § 2 Abs. 1 Nr. 11 und 13 SGB VII geregelt. 1. Unfallversicherungsschutz für Nothelfer, § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII Personen, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten, sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII gesetzlich 372  Denkbar ist dagegen beispielsweise eine Versicherung von Studierenden, wenn diese einen kommerziellen Repetitor zur Vorbereitung auf eine Prüfung besuchen, vgl. hierzu ausführlich Leube, ZfS 2007, S. 363 (363 ff.). 373  Ebenso Plagemann, in: Plagemann / Radtke-Schwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 36 ff.; zur Vorgängerregelung des § 539 Abs. 1 Nr. 14 lit. c RVO Bley, ZSR 1974, S. 193 (215); Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 63.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

unfallversichert. Der Unfallversicherungsschutz geht zurück bis ins Jahr 1928,374 und schon der damalige Gesetzgeber wies in der Begründung darauf hin, dass die „Tat des Lebensretters (…) in keinem Zusammenhange mit der Beschäftigung in einem Betrieb oder einer betriebsähnlichen Gruppe von Tätigkeiten“ stehe und es sich „daher auch eigentlich nicht um eine Unfallversicherung“ handle.375 Auch die Literatur wies darauf hin, dass die Unfallversicherung hier „ihren eigentlichen Rahmen“ überschreite.376 Der Versicherungstatbestand steht in sachlichem Zusammenhang mit dem Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung gemäß § 323c StGB, denn der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stellt den Ausgleich für die allgemeine strafbewehrte Rechtspflicht jedes Einzelnen zur Hilfeleistung dar.377 § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII versichert die situationsbedingte Einzelhilfeleistung im Gegensatz zur organisierten Tätigkeit in einem Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen, die unter § 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII fällt.378 Der Versicherungsschutz setzt damit nicht voraus, dass die Handlung auf einer mehr oder minder langen Überlegung beruht, wie und wo geholfen werden soll; auch und vor allem die spontane Hilfe ohne Zögern soll versichert sein.379 Schon reflexartige Handlungen können vom Schutz des § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII umfasst sein, wenn diese von der inneren Bereitschaft getragen werden, lebensrettend zu handeln.380 Selbst das bloße verbale Hinwirken auf Ruhe bei einer tätlichen Auseinandersetzung kann Hilfeleisten im Sinne der Vorschrift darstellen.381 Diese spontane Hilfeleistung aus der Situa­ 374  Eingeführt durch das Dritte Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom 20. Dezember 1928, RGBl. I 1928, S. 405 ff. 375  Begründung des Entwurfs zum Dritten Änderungsgesetz, Verhandlungen des Reichstages, Anlagen zu den Stenographischen Berichten 1928, Anlage Nummer 234, S. 10. 376  Behrend, Zentralblatt für Reichsversicherung und Reichsversorgung 1933, S. 2 (2). 377  BSGE 42, 97 (102, 105). – Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Versicherungsschutz vom Vorliegen der strafrechtlichen Voraussetzungen abhängt; hierzu insbesondere BSGE 35, 70 (73); BSGE 42, 97 (104); Leube, NZV 2002, S. 545 (546). 378  Diel, in: Hauck  / Noftz SGB VII, § 128 Rn. 36. – Zur Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII siehe ausführlich oben Kapitel 1 C. IV. 379  BSGE 44, 22 (24). 380  BSGE 64, 218 (220). 381  Ein Zureden kann eine Gefahr ebenso abwenden wie ein tatsächliches Eingreifen, im Falle einer tätlichen Auseinandersetzung vielleicht sogar besser als dieses, und fordert wie dieses nicht selten Zivilcourage. Zudem spricht das Gesetz nicht mehr von persönlichem Einsetzen (anders noch bei § 539 Abs. 1 Nr. 9 lit. a RVO), erwartet also gerade keinen körperlichen Einsatz; ebenso Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 184; andere Auffassung LSG Schleswig-Holstein, Breithaupt 1975,



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff105

tion heraus, die § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a versichert, kann nicht mit der weisungsgebundenen, abhängigen Beschäftigung verglichen werden, bei der Art und Umfang der zu verrichtenden Tätigkeit üblicherweise zuvor vertraglich festgelegt werden. Die Norm wird von der allgemeinen Auffassung daher zu Recht der unechten Unfallversicherung zugeordnet.382 2. Unfallversicherungsschutz bei persönlichem Einsatz, § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. c SGB VII Eng mit der Nothilfe nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII im Zusammenhang steht die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. c SGB VII. Danach ist versichert, wer sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist, oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzt.383 Hier ist, ebenso wie bei der Nothilfe, ein häufig spontanes Einschreiten versichert, das wenig Zeit für Planungen, Überlegungen oder gar Nachforschungen lässt.384 Die beiden Fallgruppen können sich auch überschneiden, beispielsweise wenn ein rechtswidriger Angriff für den Angegriffenen gleichzeitig eine erhebliche gegenwärtige Gesundheitsgefahr darstellt.385 Die Parallelität wird auch dadurch unterstrichen, dass gemeinsame Regelungen für die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers bestehen.386 Auch die Versicherung der sich persönlich Einsetzenden gehört daher zur unechten Unfallversicherung.387 S. 197 (200); Grosser, SGb 1990, S. 98 (98); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 25.8. 382  Allgemeine Auffassung, vgl. beispielsweise Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 9; Bley, ZSR 1974, S. 193 (218); Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 440; Krasney, in: FS Zacher, S. 407 (414); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92; Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 3; Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 56; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256. 383  Auch dieser Versicherungstatbestand stellt eine flankierende Maßnahme zum Strafrecht dar, d. h. zu den Rechtfertigungsgründen der §§ 32, 35 StGB, § 127 StPO, § 228 BGB (Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 198). 384  Ausreichend ist daher, dass der Eingreifende nach den gegebenen Umständen davon ausgehen durfte, dass eine Straftat oder ein widerrechtlicher Angriff vorlag (Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 200; ausführlicher dazu Kruschinsky, in:  Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, §  2 Rn. 685). – Im Umkehrschluss besteht dagegen kein Versicherungsschutz, wenn zwar objektiv der Tatbestand einer Straftat erfüllt ist, dies dem Verletzten jedoch nicht bekannt war; vgl. beispielsweise BSGE 20, 107. 385  BSG, SozR 4-2700 § 8 Nr. 30 Rn. 17. 386  §§ 128 Abs. 1 Nr. 7, 130 Abs. 4 SGB VII. 387  Allgemeine Auffassung, vgl. beispielsweise Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 9; Bley, ZSR 1974, S. 193 (218); Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Eichen­

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

3. Unfallversicherungsschutz für Blut-, Organ- und Gewebespender, § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. b SGB VII Spender von Blut oder körpereigenen Organen, Organteilen oder Gewebe388 unterfallen nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. b SGB VII der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Vorschrift bezieht die im öffentlichen Interesse handelnden Spender ein und belohnt und fördert so die Opferbereitschaft für die Allgemeinheit.389 Versichert kann die Spende selbst dann sein, wenn der Spender eine Gegenleistung erhält.390 Allerdings muss stets ein Interesse der Allgemeinheit an der Spende bestehen, sodass bei kommerziellen Spenden oder Spenden zu Forschungszwecken391 nur dann Unfallversicherungsschutz besteht, wenn die Spende anderen oder der Forschung zu Gute kommt, mithin andere Personen oder sogar jedermann davon profitieren können bzw. kann.392 Die Tätigkeit der Blut-, Organ- und Gewebespender wurde daher ebenso wie die der Nothelfer versichert, um im öffentlichen Interesse Tätigen Unfallversicherungsschutz zu gewähren, und somit zu Recht mit diesen in einen systematischen Zusammenhang gestellt. Es handelt sich um die Aufnahme einer mit den Beschäftigten nicht vergleichbaren Personengruppe, mithin um einen eindeutigen Fall der unechten Unfallversicherung.393 hofer, Sozialrecht, Rn. 440; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92; Riebel, in: Hauck  /  Noftz SGB VII, § 2 Rn. 3; Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 56; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256. 388  Körpereigenes Gewebe im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. b SGB VII sind alle Organe oder sonstigen Teile des Körpers wie beispielsweise Nieren, Augen, Knochen und Knochenteile, Sehnen, Muskeln oder die Haut (Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, §  2 Rn.  663). 389  BSGE 57, 231 (234); zustimmend Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 26.1; Richter, in: Becker / Franke / Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, § 2 Rn. 144. 390  BSGE 57, 231 (234). 391  Auch bei einer Konservierung der Spende oder einer Weiterverwertung zur Forschung in einem gewerblichen Unternehmen besteht nach dem Bundessozialgericht (BSGE 57, 231 (233)) Versicherungsschutz, da auch diese Fälle bei vergleichbarem Risiko in ähnlicher Weise im Interesse der Allgemeinheit liegen. 392  Ausgeschlossen ist daher die so genannte Eigenblutspende, die schon begrifflich keine Spende und damit keine Tätigkeit im Interesse der Allgemeinheit ist; dasselbe gilt für eine Übertragung körpereigenen Gewebes auf die Person selbst, der es entnommen wurde (ebenso Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 658a, 664; Richter, in: Becker / Franke / Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, § 2 Rn. 144). 393  So zu Recht die allgemeine Auffassung, vgl. statt Vieler Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 9; Bley, ZSR 1974, S. 193 (218); Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 440; Krasney, in: FS Zacher, S. 407 (414);



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4. Unfallversicherungsschutz für Zeugen, § 2 Abs. 1 Nr. 11 lit. b SGB VII Nach § 2 Abs. 1 Nr. 11 lit. b SGB VII sind Personen versichert, die von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden. Die Vorschrift gewährt Personen Versicherungsschutz, die durch ihre Zeugentätigkeit dem öffentlichen Interesse dienen.394 Sie wurden einbezogen sowohl aufgrund ihrer Vergleichbarkeit mit ehrenamtlich Tätigen395 als auch aufgrund der Tatsache, dass sie, wurden sie herangezogen, zum Erscheinen verpflichtet sind, sich mithin in einer Zwangslage befinden.396 Zwar unterliegt damit auch der Zeuge gewissen Weisungen; diese sind jedoch nicht mit denen des Unternehmers gegenüber dem Beschäftigten vergleichbar. Der Zeuge hat eine gesonderte Stellung bei der Beweiserhebung, die in keinem Zusammenhang mit der Eingliederung des Beschäftigten in den Betrieb des Unternehmers steht. Die Zeugen sind daher der unechten Unfallversicherung zuzuordnen.397 5. Unfallversicherungsschutz für Herangezogene, § 2 Abs. 1 Nr. 11 lit. a SGB VII Personen, die von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffent­ lichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen wer­ den,398 sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 11 lit. a SGB VII gesetzlich unfallversichert. Die Norm versichert Personen, die nicht gesetzlich oder vertraglich, insbesondere im Rahmen einer Beschäftigung, zur Unterstützung verpflichtet Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92; Riebel, in: Hauck  /  Noftz SGB VII, § 2 Rn. 3; Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 57; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256. 394  Richter, in: Becker / Franke / Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, § 2 Rn. 110. 395  BT-Drucks. 4 / 120, S.  52. 396  Nach § 380 Abs. 1 S. 1 ZPO werden einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt. Abs. 1 S. 2 sieht daneben die Möglichkeit eines Ordnungsgeldes oder hilfsweise einer Ordnungshaft vor, während Abs. 2 die zwangsweise Vorführung des Zeugen gestattet. 397  So zu Recht die allgemeine Auffassung, vgl. statt Vieler Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 9; Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 440; Mehrtens, in: BereiterHahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92; Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 62; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256. 398  Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 55, spricht von „Hilfspoli­ zisten“.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

wurden.399 Unter Versicherungsschutz steht daher beispielsweise das Begleiten eines Polizeibeamten, um ihm eine Örtlichkeit oder den richtigen Weg zu zeigen, oder das Aufstellen von Warnzeichen im Verkehr durch an Ort und Stelle angetroffene Personen,400 nicht dagegen die Entnahme einer Blutprobe durch einen im Rahmen eines Dienstvertrages tätig werdenden Arzt.401 Ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis, wie es § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII voraussetzt, liegt bei einer Heranziehung zur Unterstützung einer Diensthandlung nicht vor. Der Herangezogene wird zwar nicht eigenständig tätig, sondern seine Handlung wird von dem Heranziehenden bestimmt und beherrscht.402 Dies entspricht jedoch nicht der Art von persönlicher Abhängigkeit, die für Beschäftigte gefordert wird.403 Das Direktionsrecht des Heranziehenden ergibt sich aus seiner hoheitlichen Stellung, d. h. aus seiner Eigenschaft als Vertreter der öffentlich-rechtlichen Institution404, die ihn auch dazu berechtigt, Personen zur Unterstützung heranzuziehen. Dies gilt insbesondere, weil der Heranziehende nur gelegentlich, wenn nicht sogar lediglich ein einziges Mal, an die jeweilige Person herantreten und sie um Unterstützung bitten wird.405 Dennoch sind die herangezogenen Personen von den im öffentlichen Interesse Tätigen die einzigen, bei denen eine Nähe zur Beschäftigung angedacht werden könnte. Dies liegt an der Ähnlichkeit dieses Versicherungstatbestands mit dem der Wie-Beschäftigung.406 Wie die Wie-Beschäftigten 399  BSGE

35, 212 (215). nach Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 2 Rn. 54. 401  BSGE 35, 212 (215). 402  Leube, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 268. 403  So auch Zeiss, DGVZ 1985, S. 68 (71), für die Heranziehung einer Privatperson durch einen Gerichtsvollzieher, der zu Recht darauf hinweist, dass jede Verpflichtung, für einen anderen Arbeit zu leisten, eine gewisse Abhängigkeit zur Folge hat. 404  Als öffentlich-rechtliche Institution kommt die gesamte mittelbare und unmittelbare Staatsverwaltung in Betracht. Maßgebend sind der öffentlich-rechtliche Zweck sowie die öffentlich-rechtliche Handlungsweise. Der zur Heranziehung berechtigte Personenkreis ist weit auszulegen; neben Bediensteten der öffentlichen Einrichtungen werden zum Beispiel auch ehrenamtliche Mitarbeiter vom Geltungsbereich der Vorschrift erfasst (Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 22.3). 405  Leube, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 266, betont, dass § 2 Abs. 1 Nr. 11 lit. a SGB VII von „einer“ Diensthandlung spricht, also nur eine einzige, in der Regel einmalige Handlung erfasst ist. 406  § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII. – Auch Bley, ZSR 1974, S. 193 (221), siehe eine Parallele zur Wie-Beschäftigung, wobei der Unterschied ihm zufolge darin besteht, dass die Handlungen, die unterstützt werden, „nicht solche des Arbeitslebens, son400  Beispiele



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sind die Herangezogenen für ein fremdes Unternehmen tätig, bei dem sie nicht beschäftigt sind. Auch die Wie-Beschäftigung kann sich in einer einmaligen Tätigkeit erschöpfen, und nach beiden Vorschriften scheidet der Versicherungsschutz aus, wenn die Tätigkeit vornehmlich eigenen Interessen dient.407 Unterstrichen wird die Ähnlichkeit dadurch, dass von der Rechtsprechung bei Ablehnung einer Heranziehung häufig die Voraussetzungen der Wie-Beschäftigung geprüft werden.408 Der Unterschied kann auch nicht darin gesehen werden, dass sich die Herangezogenen dem Beschäftigten der öffentlich-rechtlichen Institution unterordnen.409 Während die Eingliederung in einen fremden Betriebsablauf zwar keine Voraussetzung des Versicherungsschutzes nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII ist, steht sie dem Vorliegen einer Wie-Beschäftigung jedoch keineswegs entgegen. Maßgeblich muss daher sein, ob die Tätigkeit, die der Herangezogene zur Unterstützung der Diensthandlung vornimmt, typischerweise von einem Beschäftigten verrichtet werden kann, mit anderen Worten: ob sie dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist.410 Häufig entfällt diese Voraussetzung, entweder weil die Tätigkeiten schon aufgrund ihrer Art nicht im Rahmen einer Beschäftigung verrichtet werden können,411 oder weil sie zwar auf vertraglicher Grundlage verrichtet werden können, der jeweilige Vertrag jedoch nicht dem gleicht, der einem Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegt.412 Auch wenn die jeweilige Handlung üblicherweise von eidern dem öffentlichen Recht zugehörende, in der Regel obrigkeitliche Dienstleistungen“ sind. 407  Dazu für die Heranziehung beispielsweise LSG Niedersachsen, Urteil vom 21. September 1999 – L 3 U 235 / 98; zustimmend Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 167; für die Wie-Beschäftigung siehe oben Kapitel 1 C. II. 1. a). 408  Vgl. beispielsweise BSGE 35, 212; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20. April 2004 – L 9 / 3 / 9 U 72 / 02; LSG Schleswig-Holstein, NZS 2007, S. 218. 409  So aber Leube, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 268. 410  Der öffentlich-rechtliche Charakter der Diensthandlung steht dem zumindest nicht prinzipiell im Weg, da auch das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis ein Beschäftigungsverhältnis darstellt. 411  Denkbar wäre beispielsweise bloßes Nichtstun, das tatbestandsmäßig sein kann, wenn gerade dazu aufgefordert wurde. Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 22.5, nennt beispielsweise die Aufforderung eines Feuerwehrmanns an die Besucher einer Veranstaltung, sich ruhig zu verhalten, um das Ausbrechen einer Panik zu verbreiten; ebenso zur Vorgängernorm Schlegel, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 17 Rn. 75. Richter, in: Becker  /  Franke  /  Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, § 2 Rn. 107, wertet dieses Verhalten als Unterlassen, bejaht aber dennoch den Versicherungsschutz aufgrund teleologischer Überlegungen. 412  Dies träfe beispielsweise auf eine Privatperson zu, die von einem Gerichtsvollzieher zur Unterstützung bei der Öffnung einer Türe herangezogen wird, der stattdessen auch einen Schlosser (der dann als Unternehmer zu werten wäre) beauf-

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nem – nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherungsfreien – Beamten vorgenommen wird,413 muss die Beschäftigtenähnlichkeit verneint werden. Daneben sind jedoch auch unter § 2 Abs. 1 Nr. 11 lit. a SGB VII fallende Tätigkeiten denkbar, die von Beschäftigten verrichtet werden können, beispielsweise bei schlichtem Verwaltungshandeln.414 In diesem Fall liegt in der Unterstützung bei der Diensthandlung gleichzeitig eine Wie-Beschäftigung bei der Institution, für die die Diensthandlung erfolgt.415 Der maßgebliche Teil der Herangezogenen steht jedoch deswegen unter Versicherungsschutz, weil er der an ihn gerichteten Aufforderung einer Einrichtung des öffentlichen Rechts Folge leistet und damit dem öffentlichen Interesse und Wohl dient.416 Die Vorschrift ist geprägt vom Aufopferungsgedanken417 und steht damit in einem engen Zusammenhang mit den anderen Tätigkeiten im öffentlichen Interesse. Dies zeigt auch die historische Betrachtung: Der Versicherungstatbestand wurde eingeführt im Jahr 1939418 gemeinsam mit dem für Personen, die bei der Verfolgung oder Festnahme eines Straftäters, dessen Tat mit Zuchthaus, Gefängnis oder Todesstrafe geahndet wurde, Hilfe leisteten oder einen Angegriffenen beschützten.419 Kann daher die Tätigkeit, die aufgrund der Heranziehung verrichtet wird, gleichzeitig als Wie-Beschäftigung versichert sein, ist der Tatbestand aufgrund der Beschäftigtenähnlichkeit der versicherten Tätigkeit unter die echte Unfallversicherung zu fassen. Derjenige Personenkreis, der alleine unter § 2 Abs. 1 Nr. 11 lit. a SGB VII zu fassen ist, gehört dagegen, wie die tragen könnte; siehe zu diesem Beispiel ausführlich Zeiss, DGVZ 1985, S. 68 (68 ff.); zur Abgrenzung unternehmerähnlicher und beschäftigtenähnlicher Tätigkeiten Keller, NZS 2001, S. 188 (188 ff.). 413  Man könnte beispielsweise an das Stoppen des Verkehrs bei einem Verkehrsunfall auf Wunsch der Polizei (Leube, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 269) oder die „Festnahme eines flüchtigen Rechtsverbrechers“ (Marburger, BPUVZ 2012, S. 244 (247)) denken. – Hierin liegt nach Bley, ZSR 1974, S. 193 (221), der maßgebliche Unterschied zwischen diesem Versicherungstatbestand und dem der Wie-Beschäftigung. 414  Diensthandlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 11 lit. a SGB VII ist jedes Tun oder Unterlassen, das zum Aufgabenkreis des Staatsbediensteten gehört. Nicht erforderlich ist ein hoheitlicher Charakter der Diensthandlung, sodass auch schlichtes Verwaltungshandeln genügt (Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 166). 415  Dass eine Tätigkeit die Voraussetzungen mehrerer Versicherungstatbestände erfüllen kann, zeigt schon die Vorschrift des § 135 SGB VII, der für diese Fälle die Konkurrenzen regelt. 416  Richter, in: Becker / Franke / Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, § 2 Rn. 102. 417  Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 162. 418  Fünftes Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom 17. Februar 1939, RGBl. I 1939, S. 267 ff.; nach der Gesetzesbegründung (AN 1939, S. 98) wollte der Reichsinnenminister eine Gesetzeslücke füllen. 419  Heute versichert nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. c SGB VII.



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff111

übrigen Tätigkeiten im öffentlichen Interesse, zur unechten Unfallversicherung, da die versicherte Tätigkeit nicht mit der eines Beschäftigten vergleichbar ist.420

VII. Unfallversicherungsschutz bei privaten Tätigkeiten Die (echte) gesetzliche Unfallversicherung prägt der Grundsatz, dass der private Lebensbereich vom Versicherungsschutz ausgenommen sein soll.421 Dennoch sind Personen bei Tätigkeiten unfallversichert, die gerade auch diesem privaten Lebensbereich zuzuordnen sind, beispielsweise weil sie die Gesundheit als Interesse des Einzelnen betreffen, oder weil sie sich im Rahmen familiärer Pflichten oder familiärer, freundschaftlicher, nachbarschaftlicher oder kollegialer Gefälligkeiten bewegen. 1. Versicherungsschutz bei Untersuchungen und Prüfungen, § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII422 sind Personen versichert, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlasst worden sind. Dieser Versicherungsschutz wird auf die enge Verbindung der Untersuchungen und Prüfungen mit anderen versicherten Tätigkeiten zurückgeführt.423 420  Für eine generelle Zuordnung der nach § 2 Abs. 1 Nr. 11 lit. a SGB VII Versicherten die herrschende Auffassung, vgl. statt Vieler Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 9; Bley, ZSR 1974, S. 193 (218); Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S.  56; Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 440; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256. 421  BT-Drucks. 4 / 120, S. 53: „… den in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Grundsatz, daß Tätigkeiten, die in den Bereich des Privatlebens gehören, nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fallen“. 422  Die Norm fasst die Vorschriften des § 539 Abs. 1 Nr. 11 RVO, nach dem Personen, die auf Grund von Arbeitsschutz- oder Unfallverhütungsvorschriften ärztlich untersucht oder behandelt werden, versichert waren, und des § 539 Abs. 1 Nr. 18 RVO, nach dem Teilnehmer an den auf Rechtsvorschriften beruhenden Maßnahmen für die Aufnahme in Kindergärten, allgemeinbildende Schulen und Hochschulen versichert waren, zusammen und erweitert gleichzeitig den Versicherungsschutz um vergleichbare Maßnahmen; vgl. hierzu BT-Drucks. 13 / 2204, S. 74. 423  So schon BT-Drucks. 4 / 120, S. 51, zur Versicherung bei Untersuchungen aufgrund von Arbeitsschutzvorschriften (§ 539 Abs. 1 Nr. 11 RVO); für die Regelung

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

Untersuchungen sind ärztliche und psychologische Untersuchungsmaßnahmen zur Feststellung des Gesundheitszustandes.424 Prüfungen dienen der Feststellung der Leistungen und Fähigkeiten; dies meint vor allem Schultauglichkeitsprüfungen und andere Aufnahme- und Eignungsprüfungen, die für die Aufnahme in Einrichtungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 8 SGB VII erforderlich sind.425 Ähnliche Maßnahmen sind beispielsweise vorgeschriebene Untersuchungen nach dem Infektionsschutzgesetz,426 früher auch Untersuchungen nach dem Bundesseuchengesetz,427 sowie Schutzimpfungen.428 Um die versicherten Untersuchungen und Prüfungen vom „grundsätzlich unversicherten Anbahnungsgeschäft“ abzugrenzen,429 ist der Versicherungsschutz beschränkt auf Maßnahmen, die aufgrund von Rechtsvorschriften430 erforderlich und vom Unternehmen oder einer Behörde veranlasst wurden. Ausgeschlossen sind Maßnahmen, die auf eine Eigeninitiative des Teilnehmers zurückzuführen sind. Die Untersuchungen und Prüfungen sind daher nicht rein private Tätigkeiten. Dies wird auch durch den erforderlichen engen Zusammenhang mit einer anderen versicherten Tätigkeit unterstrichen: Die Maßnahme muss zur Aufnahme einer versicherten431 Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit vorgenommen werden, des § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 53; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 8.1. 424  Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 8.2. – Die Gesetzesbegründung zum Entwurf des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (BT-Drucks. 4  /  120, S. 51) führt nach dem Jugendarbeitsschutz­ gesetz, dem Seemannsgesetz und der Strahlenschutzverordnung vorgeschriebene Untersuchungen als Beispiele an; weitere Beispiele bei Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 37. 425  Auf diese war der Versicherungsschutz unter der Geltung des § 539 Abs. 1 Nr. 18 RVO beschränkt; siehe zur Gesetzesbegründung BT-Drucks. 11 / 3445, S. 37. 426  Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 39. 427  BT-Drucks. 13 / 2204, S. 74. – Das Bundesseuchengesetz wurde durch das Gesetz zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften (Seuchenrechtsneuordnungsgesetz) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I 2000, S. 1045 ff.) aufgehoben. 428  Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 56. 429  BT-Drucks. 11 / 3445, S.  37. 430  Rechtsvorschrift im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII ist jede Regelung mit Außenwirkung, also neben dem formellen Parlamentsgesetz auch die Unfallverhütungsvorschriften im Sinne des § 15 SGB VII, Arbeitsschutzvorschriften, Satzungen oder allgemeinverbindliche Tarifverträge (Beispiele nach Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 57; Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 373; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 2 Rn. 13a). 431  Nicht versichert ist daher beispielsweise die sportliche Eignungsprüfung für den Polizeidienst, da die Aufnahme einer Beamtentätigkeit nicht unter Unfallversicherungsschutz steht (LSG Schleswig-Holstein, SchlHA 2009, S. 63).



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff113

wobei die vorgesehene Tätigkeit konkret beabsichtigt und bevorstehend sein muss.432 Der Versicherungsschutz bei Untersuchungen und Prüfungen wird, üblicherweise mit einem Hinweis auf eine bestehende Verbindung zum Arbeitsleben, häufig der echten Unfallversicherung zugeordnet.433 Dies kann zumindest angenommen werden für Untersuchungen vor Aufnahme oder nach Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses. Auf diese beschränkt sich der Tatbestand jedoch nicht.434 Erforderlich ist lediglich eine versicherte Tätigkeit; beispielsweise fallen auch Schulreifeuntersuchungen435 in den Anwendungsbereich der Vorschrift. Daher ist eine Zuordnung zur echten Unfallversicherung nicht ohne Weiteres möglich. Untersuchungen und Prüfungen dienen zwar nicht dem Unternehmer, sondern liegen im eigenen Interesse des Versicherten. Dennoch liegt der Grund für die Untersuchung oder Prüfung in der anderen versicherten Tätigkeit. Versichert sind nicht alle Untersuchungen, sondern nur solche, die zwingend im Zusammenhang mit einer bestimmten, konkreten anderen versicherten Tätigkeit stehen. Der Versicherungsschutz bei Untersuchungen und Prüfungen ist als Annex zur anderen versicherten Tätigkeit zu sehen. Hinsichtlich der Frage, ob § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII der echten oder der unechten Unfallversicherung angehört, ist daher eine Zweiteilung vorzunehmen. Die nach dieser Vorschrift versicherten Personen sind dann der echten Unfallversicherung zuzuordnen, wenn die versicherte Tätigkeit, für die die Maßnahme Voraussetzung ist, ebenfalls Teil der echten Unfallversicherung ist; anderenfalls gehören die Untersuchungen und anderen Maßnahmen zur unechten Unfallversicherung.436 432  Ricke,

in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 2 Rn. 13. in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 8; Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 9; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256. 434  Anders früher § 539 Abs. 1 Nr. 11 RVO. Für diesen bejahen die Zuordnung zur echten Unfallversicherung Krasney, VSSR 1993, S. 81 (83); Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 58. 435  Die Versicherung der Schüler nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. b SGB VII ist Teil der unechten Unfallversicherung; siehe dazu oben Kapitel 1 C. V. 2. 436  Für eine generelle Zuordnung des § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII zur echten Unfallversicherung Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 8; Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 9; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256; zu § 539 Abs. 1 Nr. 11 RVO Krasney, VSSR 1993, S. 81 (83); Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 58. – Schmitt, in: Sozialrechtshandbuch, § 16 Rn. 20, reduziert die Zugehörigkeit zur echten Unfallversicherung auf Untersuchungen und Prüfungen im Zusammenhang mit einer Beschäftigung. – Für eine generelle Zuordnung zur unechten Unfallversicherung Leube, in: Kater / Leube, Gesetzliche 433  Bieresborn,

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

2. Versicherung für Meldepflichtige, § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII Nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII sind Personen versichert, die nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II zuständigen Trägers oder eines nach § 6a SGB II zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen. Zweck der Norm ist es, den meldepflichtigen Personen bei Erfüllung der im Interesse einer geordneten Arbeitsvermittlung liegenden Meldepflicht und bei Herstellung der darüber hinaus von den Dienststellen der Arbeitsvermittlung für erforderlich gehaltenen persönlichen Kontakte Unfallversicherungsschutz in gleicher Weise zu gewähren, wie ihn ein Arbeitnehmer in Bezug auf den Weg zum und während des Aufenthalts am Arbeitsplatz hat.437 a) Meldepflicht nach dem SGB II und dem SGB III Erfasst ist vom Versicherungsschutz zunächst die allgemeine Meldepflicht nach § 309 Abs. 1 S. 1 SGB III.438 § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII beschränkt sich jedoch schon vom Wortlaut her nicht auf diese Meldepflicht, sondern umfasst alle Meldepflichten, die eine Beziehung zum Arbeitsleben aufweisen und denen sich der Meldepflichtige aufgrund eines bestehenden öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses nicht ohne rechtliche Nachteile entziehen kann.439 Unfallversicherung, § 2 Rn. 128; Plagemann, in: Plagemann / Radtke-Schwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 36; zu § 539 Abs. 1 Nr. 11 RVO Bley, ZSR 1974, S. 193 (214); Lülf, Die unechte Unfallversicherung, S. 93. 437  So das Bundessozialgericht (BSGE 51, 213 (216)) zur Vorgängerregelung des § 539 Abs. 1 Nr. 4 RVO. 438  Nach dieser Norm hat der Arbeitslose sich während der Zeit, für die er Anspruch auf Arbeitslosengeld erhebt, bei der Agentur für Arbeit oder einer sonstigen Dienststelle der Bundesagentur persönlich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, wenn die Agentur für Arbeit ihn dazu auffordert. – § 59 SGB II verweist für Meldepflichten nach dem SGB II auf diese Norm. 439  BSG, SozR 4-2700 § 2 Nr. 11 Rn. 21; ebenso Becker, Sozialrecht aktuell 2009, S. 95 (96); Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 208; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 28.2; Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 206. – In einem früheren Urteil hatte das Bundes­ sozialgericht noch festgestellt, die Meldepflicht eines Arbeitslosen sei nur noch in § 309 SGB III geregelt (SozR 3-2700 § 2 Nr. 3, S. 5); kritisch dazu Schlaeger, info also 2008, S. 10 (10 f.).



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Meldepflichtige leisten keine fremdnützige Arbeit, sondern suchen eine solche; ihre versicherte Tätigkeit unterscheidet sich daher wesentlich von der der Beschäftigten. Die Meldepflicht verfolgt jedoch den Zweck, dem Arbeitsuchenden wieder eine Beschäftigung zu vermitteln. Sie liegt damit im Vorfeld einer zukünftigen versicherungspflichtigen Beschäftigung, weswegen überlegt werden könnte, dennoch einen Tatbestand der echten Unfallversicherung anzunehmen.440 Dafür spräche auch, dass die nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII Meldepflichtigen – anders als beispielsweise Personen, die auf eigene Initiative eine Beschäftigung suchen – fremdbestimmt tätig werden.441 Diese Fremdbestimmtheit könnte mit dem Weisungsrecht des Unternehmers gegenüber den Beschäftigten verglichen werden, sodass zumindest gewisse Gemeinsamkeiten der Meldepflichtigen und der Beschäftigten bestehen, die für eine Zugehörigkeit zu echten Unfallversicherung sprechen könnten. b) Aufforderung, eine Stelle aufzusuchen Gegen eine Vergleichbarkeit der Versicherung der Meldepflichtigen mit der Beschäftigtenversicherung spricht jedoch die zweite Voraussetzung des Versicherungstatbestands, d. h. die Aufforderung, eine Stelle aufzusuchen. Diese liegt vor, wenn eine Willensäußerung seitens dieser Stellen im Zusammenhang mit der Meldepflicht besteht, die erkennen lässt, dass die Arbeitsverwaltung ein bestimmtes Verhalten in Form der Vorsprache vom Meldepflichtigen erwartet.442 Aufgefordert werden kann beispielsweise zum Besuch eines potentiellen Arbeitgebers, zur Untersuchung durch einen Arzt, zur Teilnahme an einer Informationsveranstaltung oder auch nur zur Abgabe eines Antrags oder Formulars bei der Bundesagentur für Arbeit.443 Insbesondere diese Bandbreite an möglichen Stellen, zu deren Aufsuchen der Meldepflichtige aufgefordert werden kann, spricht gegen eine Einordnung in die echte Unfallversicherung. Die Arbeitsplatzsuche ist typischerweise eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit, die dem privaten, nicht versicherten 440  Wird die Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII der echten Unfallversicherung zugeordnet, so geschieht dies meist mit der Begründung, es bestünde eine enge Verbindung zum Arbeitsleben; vgl. beispielsweise Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 8; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche ­ Unfallversicherung, § 2 Anm. 4. 441  So auch das Bundessozialgericht, SozR 2200 § 539 Nr. 119, S. 343. 442  Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 28.8. 443  Vgl. zu den beiden letztgenannten Beispielen BSG, SozR 3-2700 § 2 Nr. 3, sowie BSG, SozR 4-2700 § 2 Nr. 11; andere Beispiele nach Mehrtens, in: BereiterHahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 28.8, 28.12; Schlaeger, info also 2008, S. 10 (11).

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

Bereich zuzuordnen ist. Ein Vorstellungsgespräch bei einem potentiellen Arbeitgeber ist weder versichert, wenn der Arbeitgeber dazu einlädt,444 noch bei einer Initiativbewerbung des Arbeitssuchenden; auch bei einer Aufforderung des bisherigen, zur Kündigung entschlossenen Arbeitsgebers, einen anderen Arbeitgeber zwecks Vorstellung aufzusuchen, besteht kein Versicherungsschutz.445 Dies gilt ebenso bei der Teilnahme an Informationsveranstaltungen und erst recht bei der ärztlichen Untersuchung446 oder der Abgabe eines Formulars. Alle diese Tätigkeiten sind üblicherweise privatwirtschaftlich und nur ausnahmsweise versichert, wenn sie von der Bundesagentur für Arbeit oder anderen Stellen angeordnet wurden. Damit führt § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII eine Versicherung ein, die als Ausnahmetatbestand gewertet und somit der unechten Unfallversicherung zugeordnet werden muss.447 444  Andere Auffassung Wolber, WzS 1987, S. 271 (272 f.), der aus der Einladung des Unternehmers schließt, das Vorstellungsgespräch läge in dessen Interesse und wäre daher zumindest auch fremdnützig; dies soll selbst dann gelten, wenn es nicht zu einer Einstellung kommt, da der Unternehmer dann zumindest für weitere Vorstellungen Erfahrungswerte sammeln könne. – Selbst wenn man jedoch der Annahme folgt, dass der eingeladene Bewerber im Interesse des Unternehmers zum Vorstellungsgespräch erscheint, so wird dennoch seine Handlungstendenz nicht darauf gerichtet sein, dem fremden Unternehmen zu dienen, sondern auf sein eigenes Interesse am Erhalt eines Arbeitsplatzes (ebenso Becker, Sozialrecht aktuell 2009, S. 95 (96); Krasney, BG 1987, S. 383 (384)). Dies gilt insbesondere auch, wenn der Bewerber zu Probearbeiten aufgefordert wird, sodass aufgrund dieser Motivation keine Versicherung nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII besteht (vgl. beispielsweise BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 119, S. 341; ebenso LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 25. Januar 2007 – L 14 U 70 / 05; LSG Bayern, Urteil vom 25. Januar 2011 – L 3 U 5 / 09). 445  BSG, SGb 1986, S. 577; BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 119; zustimmend Udsching, SGb 1988, S. 23 (24); Vollmar, WzS 1994, S. 42 (42); kritisch Köbl, SGb 1986, S.  529 (529 ff.); Krasney, BG 1987, S. 383 (383 ff.); vgl. auch Ruland, JuS 1987, S. 584, mit weiteren Nachweisen zur Versicherung bei der Arbeitsplatzsuche. – Die Aufnahme derjenigen Personen in die gesetzliche Unfallversicherung, die persönlich von einem Unternehmer eingeladen werden, wurde im Rahmen der Beratungen über das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz zwar angedacht, dann jedoch aufgrund befürchteter Schwierigkeiten bei der Abgrenzung und der Feststellung des zuständigen Unfallversicherungsträgers abgelehnt (BT-Drucks. 4 / 938 (neu), S. 4). 446  Eine Ausnahme macht hier lediglich der Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII: Hier ist die ärztliche Untersuchung versichert und dieser Tatbestand zumindest teilweise auch der echten Unfallversicherung zuzuordnen. Im Unterschied zu § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII setzt § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII jedoch voraus, dass die versicherte Tätigkeit konkret beabsichtigt ist und unmittelbar bevorsteht bzw. gerade abgeschlossen wurde; d. h. es besteht bei diesem Tatbestand eine wesentliche Verbindung zu – beispielsweise – einer Beschäftigung, wie sie bei der Meldepflicht gerade erst gesucht wird. 447  Wie hier Bley, ZSR 1974, S. 193 (213); Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Lülf, Die unechte Unfallversicherung, S. 87 f.; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92; Plagemann, in: Plagemann / Radtke-Schwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 36;



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3. Versicherung bei arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. b SGB VII § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. b SGB VII enthält den „jüngsten“ Versicherungstatbestand. Seit dem 1. Januar 2012448 sind danach Personen versichert, die an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II zuständigen Träger oder einen nach § 6a SGB II zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird. Die Vorschrift soll als lex specialis für alle arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen gelten.449 Erfasst sind daher nicht nur bisher unversicherte Maßnahmen450, sondern auch solche, die zuvor insbesondere unter § 2 Abs. 1 Nr. 2 und 8 lit. b SGB VII gefallen waren.451 Ausgenommen sind lediglich Maßnahmen, die von dem Unternehmer durchgeführt werden, bei dem die Versicherten beschäftigt sind; dann geht nach § 135 Abs. 1 Nr. 5a SGB VII die Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII vor. Die Teilnahme an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen dient dem Zweck, die Eingliederung in Berufsausbildung und Erwerbstätigkeit zu verbessern.452 Ebenso wie nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII sind damit eigennützige Tätigkeiten außerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses versichert; die Maßnahmen finden nicht im Rahmen betrieblicher Arbeit statt, sondern beispielsweise in Bildungseinrichtungen.453 Versichert sind auch Beratungsgespräche454 und andere Tätigkeiten, die in keiner Weise mit der Leistung fremdnütziger Arbeit vergleichbar sind. Damit wird ein privater Lebens­ Waltermann, Sozialrecht, Rn.  256; andere Auffassung Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 8; Krasney, VSSR 1993, S. 81 (83); Mehrtens, in: BereiterHahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 48. 448  Eingeführt wurde der Versicherungsschutz bei arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen mit dem Vierten Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22. Dezember 2011, BGBl. I 2011, S. 3057 ff. 449  BT-Drucks. 17 / 6764, S.  24. 450  Die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17  / 6764, S. 24) nennt hier die in den letzten Jahren, insbesondere durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21. Dezember 2008 (BGBl. I 2008, S. 2917 ff.), neu geschaffenen flexiblen und individuellen Förderleistungen, die bisherige Instrumente ersetzt beziehungsweise ergänzt haben. 451  Dies betrifft beispielsweise die Förderung bei der Berufswahl und Berufsausbildung nach den §§ 48 ff. SGB III. 452  BT-Drucks. 17 / 6764, S.  24. 453  Zur Bedeutung der Bildungseinrichtung bei Maßnahmen nach dem SGB III Brock, BG 2002, S. 135 (137 f.); Wolber, SozVers 1999, S. 15 (16 f.). 454  §§ 29 ff. SGB III.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

bereich – die Arbeitsplatzsuche – ausnahmsweise unter Versicherungsschutz gestellt. Der Tatbestand ist der unechten Unfallversicherung zuzuordnen. 4. Versicherung bei der Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. b SGB VII Eine ähnliche Regelung wie die des § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII trifft § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. b SGB VII, wonach Personen versichert sind, die zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit455 einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen. Auch bei ihnen wird eine Aufforderung, d. h. eine eindeutige Willensäußerung einer der genannten Stellen, vorausgesetzt, sodass ein Aufsuchen auf eigene Initiative nicht ausreicht.456 Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben457 selbst, deren Vorbereitung von § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. b SGB VII erfasst wird, sind näher geregelt in den §§ 33 ff. SGB IX,458 auf die die Vorschriften in den anderen Büchern 455  Für die Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch die Unfallversicherungsträger enthält § 11 Abs. 2 SGB VII eine Sonderregelung. Danach sind Folgen eines Versicherungsfalls auch Gesundheitsschäden oder der Tod von Versicherten, wenn sie auf Aufforderung des Unfallversicherungsträgers diesen oder eine von ihm bezeichnete Stelle zur Vorbereitung von Maßnahmen der Heilbehandlung, der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder von Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung aufsuchen. Der Unfallversicherungsträger kann gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit oder einem Rentenversicherungsträger tätig werden. Geht dann die Aufforderung von einem dieser Träger aus, ergänzt § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. b SGB VII den Schutz nach § 11 Abs. 2 SGB VII. Vgl. zur Situation vor der Schaffung des SGB VII und zur damals bestehenden Lücke Gitter, SGb 1982, S. 221 (221 f.); Gitter, ZFSH / SGB 1984, S. 289 (290). 456  Allgemeine Auffassung, vgl. statt Vieler Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 30.4. – Grundsätzlich gilt zur Aufforderung das oben (Kapitel 1 C. VII. 2.) Gesagte. Allerdings bedarf es hier keiner besonderen, an die angesprochene Person im Einzelfall gerichteten Aufforderung, da sich der individuelle Bezug zu der einzelnen Person schon aus der Vorbereitung von Leistungen zur Teilnahme am Arbeitsleben ergibt (Kruschinsky, in: Becker  / ​ Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, §  2 Rn.  723; Leube, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 366). 457  Früher: „berufsfördernde Maßnahmen“; die Formulierung wurde mit der Einführung des SGB IX (BGBl. I 2001, S. 1046 ff.; zur Neufassung des § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. b SGB VII vgl. S. 1104) umgestellt, ohne dass damit eine inhaltliche Änderung beabsichtigt wurde (Jung, in: Eichenhofer / Wenner, § 2 Rn. 65). 458  § 33 Abs. 3 SGB IX nennt einen nicht abschließenden Katalog von möglichen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Nach § 34 Abs. 1 SGB IX sind auch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben an Arbeitgeber möglich.



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff119

des Sozialgesetzbuchs verweisen.459 Diese Maßnahmen fallen seit dem 1. Januar 2012 unter § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. b SGB VII, soweit sie von der Bundesagentur für Arbeit gefördert werden;460 zuvor bestand für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII, sofern sie als berufliche Aus- und Weiterbildung qualifiziert werden konnten.461 Damit sind die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben selbst Teil der unechten Unfallversicherung.462 Der Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. b SGB VII setzt jedoch noch eine Stufe früher an; versichert sind Vorbereitungshandlungen vor den eigentlichen Leistungen. Dies können beispielsweise Eignungsuntersuchungen463 oder andere Tests464 sein. Damit erfasst § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. b SGB VII – ebenso wie § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII – Tätigkeiten, die in keiner Weise mit der unselbstständigen Arbeit in Zusammenhang stehen, wie sie § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII voraussetzt. Auch § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. b SGB VII ist daher Teil der unechten Unfallversicherung.465 5. Versicherungsschutz bei Behandlung und Rehabilitation, § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. a SGB VII Nach § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. a SGB VII sind Personen versichert, die auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder einer landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten. Die Norm soll die Versicherten 459  Vgl. für die Rentenversicherung § 16 SGB VI, für die Unfallversicherung § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII in Verbindung mit § 35 SGB VII, wobei hier Versicherungsschutz nach § 11 SGB VII besteht. 460  Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17  / 6764, S. 24) soll § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. b SGB VII als lex specialis alle arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit erfassen und unter einheitlichen Versicherungsschutz stellen. 461  § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII kann noch als Auffangnorm in Betracht kommen, wenn die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht von der Bundesagentur für Arbeit durchgeführt werden. 462  Ausführlich dazu oben Kapitel 1 C. VII. 3. 463  Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 723. 464  Leube, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 366. 465  Wie hier Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92; Plagemann, in: Plagemann / Radtke-Schwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 36; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256; andere Auffassung Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 8; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

vor den Risiken schützen, die mit dem Aufenthalt in einer solchen Einrichtung verbunden sind, da die Versicherten sich in einen von ihnen nicht beeinflussbaren Gefahrenbereich begeben.466 a) Kreis der versicherten Patienten und Rehabilitanden Dem Wortlaut der Vorschrift ist keine Beschränkung des versicherten Personenkreises zu entnehmen. So hat auch das Bundessozialgericht zur Vorgängernorm des § 539 Abs. 1 Nr. 17 lit. a RVO entschieden, dass nicht nur Menschen mit Behinderungen nach der Vorschrift versichert sein können.467 Voraussetzung ist lediglich, dass eine Trägerschaft der genannten Sozialversicherungsträger besteht, weswegen die Versicherten auch als „Sozialversicherungspatienten“ bezeichnet werden.468 Damit betrifft dieser Versicherungstatbestand eine Fallgruppe, die „mit dem ‚klassischen‘ Arbeitsunfall (…) nichts zu tun“ hat.469 Der Versicherungsschutz ist nicht von einer beruflichen Tätigkeit abhängig, sondern umfasst Tatbestände, die in keinem inneren Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis stehen.470 Versichert können beispielsweise Kinder, Unternehmer, Beschäftigungslose oder Rentner sein, solange sie in der gesetzlichen Krankenkasse freiwillig oder pflichtversichert sind und diese die Kosten der Behandlung oder Rehabilitation übernommen hat. Zwar ist zu466  BSGE 46, 283 (285); Leube, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 350; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 29.1. – Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (SozR 4-2700 § 2 Nr. 14 Rn. 17) dient der Tatbestand dem Zweck, Versicherte gegen drohende Gesundheitsgefahren aus der Behandlung, an der sie aufgrund der §§ 60 ff. SGB I mitzuwirken verpflichtet sind, zu schützen. Kritisch dazu Pitz, SGb 2011, S. 55 (56), unter Hinweis auf den unterschiedlichen Wortlaut im Vergleich zu § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a, Nr. 15 lit. b SGB VII; dagegen Krasney, NZS 2011, S. 601 (603 f.). 467  BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 71, S. 200 f. – Für eine Beschränkung der Versicherung bei ambulanten Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation auf behinderte und von Behinderung bedrohte Personen Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 722c; andere Auffassung Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 29.12. 468  Vgl. beispielsweise Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 215. – Nicht unter die Vorschrift fallen Personen, die rein pflegerisch betreut werden, da die Pflegekassen nicht zu den angeführten Sozialversicherungsträgern gehören (statt Vieler Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 221; Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 713; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 29.6, 29.10). 469  Gitter, in: ZFSH / SGB 1984, S. 289 (298). 470  So auch Krasney, in: FS Gitter, S. 481 (481); Krasney, in: FS Deutsch, S. 317 (322).



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zugeben, dass der Zweck des Versicherungstatbestands, Patienten und Rehabilitanden in einer fremden Umgebung mit eigenen Gefahren zu schützen, vergleichbar ist mit dem Schutz, der Beschäftigten auf einer Geschäftsreise gewährt wird.471 Allerdings sind auch die Schüler während des Aufenthalts in der fremden Umgebung Schule, die Studierenden während des Aufenthalts in der Universität und die Blutspender beim Aufenthalt in der Blutspendeeinrichtung versichert – allesamt Personengruppen, die der unechten Unfallversicherung zuzuordnen sind. Daher spricht schon der versicherte Personenkreis gegen eine Zuordnung zur echten Unfallversicherung. b) Versicherte Tätigkeiten Neben dem versicherten Personenkreis sprechen auch die versicherten Tätigkeiten gegen eine Zugehörigkeit des Tatbestands zur echten Unfallversicherung. Versichert sind Personen, die stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten. Zu den versicherten Tätigkeiten gehören daher sowohl das passive Hinnehmen als auch die aktive Betätigung der Versicherten, um die Ziele der Krankenbehandlung oder Rehabilitation zu erreichen.472 Als versicherte Tätigkeiten kommen daher neben dem passiven Hinnehmen einer Maßnahme beispielsweise das Aufsuchen von Behandlungsräumen und die Teilnahme an Therapieübungen473 oder dem Kurerfolg förderliche Spaziergänge, Fahrradtouren oder Wanderungen474 in Betracht. Private Tätigkeiten sind grundsätzlich unversichert; eine Ausnahme ist nur dann zu machen, wenn das Unfallgeschehen oder die Schwere des Unfalls durch besondere mit dem Aufenthalt in der Einrichtung verbundene Gefahren beeinflusst wurde.475 Auch hier zeigt sich die große Reichweite des § 2 471  BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 72, S. 207; Gitter, ZFSH / SGB 1984, S. 289 (297); Jung, BG 2011, S. 34 (35). 472  Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 29.11. – Ausgenommen ist nach allgemeiner Auffassung das Risiko der ärztlichen Behandlung als solches, da die gesetzliche Unfallversicherung nicht das – verschuldensabhängige – Arzthaftungsrecht ablösen soll. Das Bundessozialgericht (SozR 4-2700 § 2 Nr. 14 Rn. 23) differenziert auf der Ebene der Unfallkausalität danach, ob der Unfall alleine aufgrund der ärztlichen Behandlung eingetreten ist, oder ob die Handlung des Versicherten, die während einer ärztlichen oder therapeutischen Behandlung vorgenommen wurde, das Unfallereignis wesentlich verursacht hat; zustimmend Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 223.2; Jung, BG 2011, S. 34 (35); Pitz, SGb 2011, S. 55 (56 f.); kritisch Krasney, NZS 2011, S. 601 (602 f.). 473  Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 228. 474  BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 48; BSGE 59, 291; die Freizeitgestaltung muss jedoch im Einzelfall im Hintergrund stehen (BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 2, S. 9). 475  BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 72, S. 206 f.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

Abs. 1 Nr. 15 lit. a SGB VII, denn vom Versicherungsschutz erfasst sind zahlreiche Tätigkeiten, die in keinerlei Verbindung zur fremdnützigen Arbeit als versicherter Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII stehen.476 Der nach § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. a SGB VII gewährte Versicherungsschutz geht sowohl im Hinblick auf den versicherten Personenkreis als auch im Hinblick auf die versicherten Tätigkeiten weit über das hinaus, was mit der Beschäftigtenversicherung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII vergleichbar ist. Der Tatbestand ist daher der unechten Unfallversicherung zuzuordnen.477 6. Versicherung bei vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 BKV, § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. c SGB VII Nach § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. c SGB VII sind Personen versichert, die auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen. Der Versicherungstatbestand ergänzt § 11 SGB VII, indem Versicherungsleistungen nicht nur bei mittelbaren Folgen eines Versicherungsfalls gewährt werden, zu denen nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII auch Gesundheitsschäden oder der Tod von Versicherten infolge der Durchführung einer Maßnahme nach § 3 BKV gehört, sondern schon vor Eintritt eines Versicherungsfalls.478 Nach § 3 Abs. 1 S. 1 BKV hat der Unfallversicherungsträger der Gefahr, dass bei Versicherten eine Berufskrankheit entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, „mit allen geeigneten Mitteln entgegenzuwirken“. Dabei kann der zuständige Unfallversicherungsträger479 wählen zwischen techni476  Die versicherten Tätigkeiten stehen vielmehr alleine im eigenen Interesse der Versicherten; vgl. Krasney, in: FS Deutsch, S. 317 (322). 477  Wie hier Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Krasney, in: FS Gitter, S. 481 (481); Muckel / Ogorek, Sozialrecht, §  10 Rn.  92; Plagemann, in: Plagemann / RadtkeSchwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 36; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256; andere Auffassung Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 8; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4. 478  BT-Drucks. 13 / 2204, S. 75. Entsprechend fällt von den drei Varianten des § 3 BKV nur die Gefahr des erstmaligen Entstehens einer Berufskrankheit unter § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. c SGB VII; nach Eintritt der Berufskrankheit liegt ein Fall von § 11 SGB VII vor. – Die Gefahr des Eintritts einer Berufskrankheit wird von Rechtsprechung und Literatur als „kleiner Versicherungsfall“ bezeichnet; vgl. beispielsweise BSGE 93, 164 (167); BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 – B 2 U 33 / 08 R; Holt­ straeter, BG 2011, S. 81 (82); Mehrtens / Brandenburg, BKV, § 3 Rn. 2; Römer in: Hauck / Noftz SGB VII, § 3 BKV Rn. 3a. 479  Maßnahmen nach § 3 BKV sind von dem Unfallversicherungsträger durchzuführen, der für das Unternehmen zuständig ist, in dem der Versicherte den gefährdenden Einwirkungen ausgesetzt ist; vgl. dazu Römer, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 3 BKV Rn. 35.



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff123

schen, organisatorischen, persönlichen oder medizinischen Schutzmaßnahmen sowie dem Hinwirken darauf, die schädigende Tätigkeit zu unterlassen.480 Ein Arbeitsunfall bei einer nach § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. c SGB VII versicherten Tätigkeit setzt dabei jedoch voraus, dass die vorbeugenden Maßnahmen eine weitere Tätigkeit neben der enthalten, aufgrund derer die Berufskrankheit droht. Ausscheiden müssen daher technische, organisatorische oder persönliche Maßnahmen, die lediglich die Ausführung der ursprünglichen versicherten Tätigkeit modifizieren.481 Schwerpunkt der versicherten Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. c SGB VII werden daher medizinische Schutzmaßnahmen sein. Sie zielen darauf ab, durch ambulante oder stationäre Heilbehandlung den Gesundheitszustand des Versicherten zu stabilisieren.482 Erfasst sind beispielsweise ambulante und stationäre Heilbehandlungen, andere medizinische Maßnahmen oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.483 Dafür spricht auch die systematische Stellung des Versicherungstatbestands im Rahmen des § 2 Abs. 1 Nr. 15 SGB VII. Diese Tätigkeiten sind nicht mit der Leistung von abhängiger Arbeit vergleichbar und stehen auch nicht mit ihr in einem en480  Mehrtens / Brandenburg, BKV, §  3 Rn.  3.3  ff.; Römer, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 3 BKV Rn. 39 ff. 481  Ausscheiden müssen daher beispielsweise am Körper zu tragende Hilfsmittel, die einen Kontakt mit der schädigenden Einwirkung verhindern oder auf ein ungefährliches Maß reduzieren sollen (persönliche Schutzmaßnahmen), der Ersatz von gefährlichen Arbeitsstoffen (technische Schutzmaßnahme) oder die Verteilung des Hebens schwerer Lasten auf mehrere Personen (organisatorische Schutzmaßnahme). – Beispiele nach Römer, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 3 BKV Rn. 30 f. 482  Römer, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 3 BKV Rn. 32. 483  Beispiele nach Leube, in: Kater  / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 372; Marschner, in: Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 2 SGB VII Rn. 69; Römer, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 3 BKV Rn. 32. – Umstritten ist, ob die ärztliche Behandlung als solche auch Teil der versicherten Maßnahmen ist. Während dies häufig unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. a SGB VII verneint wird, bei dem die ärztliche Behandlung aus dem Versicherungsschutz ausgenommen wurde (vgl. Holtstraeter, in: Kreikebohm / Spellbrink / Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, § 2 Rn. 45; Richter, in: Becker / Franke / Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, §  2 Rn. 182; Schmitt, Kommentar SGB VII, § 2 Rn. 136), wird bisweilen auch Versicherungsschutz bei ärztlicher Behandlung bejaht. Der Druck, den der Unfallversicherungsträger nach § 3 Abs. 1 S. 1 und 2 BKV auf die Versicherten ausüben könne, rechtfertige eine Erstreckung des Unfallversicherungsschutzes auch auf Be­ handlungsmaßnahmen (Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 232; Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, §  2 Rn. 733; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 31.2). Dem ist aufgrund des engen Zusammenhangs der Norm mit § 11 SGB VII zuzustimmen, nach dem Gesundheitsschäden infolge der Durchführung einer Heilbehandlung ausdrücklich als Folgen eines Versicherungsfalls anzusehen sind.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

gen Zusammenhang.484 Der Tatbestand ist daher der unechten Unfallversicherung zuzuordnen.485 7. Versicherungsschutz bei Selbsthilfe im Wohnungsbau, § 2 Abs. 1 Nr. 16 SGB VII Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 16 SGB VII sind Personen versichert, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes486 oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne von § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 WoFG oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen487 im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind.

484  Zwar wird die große Mehrheit der Versicherten zu den Beschäftigten gehören, da insbesondere bei ihnen das Risiko des Auftritts einer Berufskrankheit bestehen dürfte. Eine Beschränkung dergestalt enthält das SGB VII jedoch nicht: § 9 Abs. 1 S. 1 SGB VII definiert Berufskrankheiten als Krankheiten, „die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden“. Denkbar sind beispielsweise ein Meniskusschaden (Berufskrankheit Nr. 2102) oder eine bandscheibenbedingte Erkrankung (Berufskrankheit Nr. 2108) bei einer Pflegeperson (§ 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII), da die Pflege eines erwachsenen Pflegebedürftigen ebenso Heben oder Tragen schwerer Lasten beinhalten kann wie eine Beschäftigung. 485  Wie hier Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92; Plagemann, in: Plagemann / Radtke-Schwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 36; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256; andere Auffassung Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 8; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4. 486  Das II. WoBauG wurde aufgehoben mit Wirkung zum 1. Januar 2002 durch Art. 2 des Gesetzes zur Reform des Wohnungsbaurechts (BGBl. I 2001, S. 2376 ff.), dessen Art. 1 das Wohnraumförderungsgesetz enthielt, sodass die erste Variante der Norm lediglich Altfälle erfasst. 487  Der Verweis auf „entsprechende landesrechtliche Regelungen“ berücksichtigt die Tatsache, dass nach der Föderalismusreform eine Gesetzgebungszuständigkeit der Länder und nicht mehr des Bundes besteht (BT-Drucks. 16 / 9154, S 26; die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Wohnungswesen war bis zur Föderalismusreform in Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG geregelt gewesen). Landesrechtliche Regelungen existieren bisher beispielsweise in Baden-Württemberg (Landeswohnraumförderungsgesetz vom 11. Dezember 2007, GBl. 2007, S. 581 ff.), in Bayern (Bayerisches Wohnraumförderungsgesetz vom 10. April 2007, GVBl. 2007, S.  260  ff.) oder in Hamburg (Hamburgisches Wohnraumförderungsgesetz vom 19. Februar 2008, HmbGVBl. 2008, S. 74 ff.). – Eine Übersicht über die landesrechtlichen Regelungen findet sich bei Otte, Wohnraumförderungsgesetz, Rn. 66; vgl. auch Feßler, WuM 2010, S. 267 (267 f.).



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff125

a) Schaffung von Wohnraum Die soziale Wohnraumförderung soll Personen bei der Schaffung von Wohnraum unterstützen, die aufgrund geringen Einkommens auf Selbsthilfe angewiesen sind.488 Versichert ist die Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 WoFG; dies meint die Schaffung von Wohnraum durch Baumaßnahmen, durch die Wohnraum in einem neuen selbstständigen Gebäude geschaffen wird (Nr. 1), durch die Beseitigung von Schäden an Gebäuden unter wesentlichem Bauaufwand, durch die die Gebäude auf Dauer wieder zu Wohnzwecken nutzbar gemacht werden (Nr. 2), oder durch die Änderung, Nutzungsänderung oder Erweiterung von Gebäuden, durch die unter wesentlichem Bauaufwand Wohnraum geschaffen wird (Nr. 3). Wohnraum ist nach § 17 Abs. 1 S. 1 WoFG umbauter Raum, der tatsächlich und rechtlich zur dauernden Wohnnutzung geeignet und vom Verfügungsberechtigten dazu bestimmt ist. b) Versicherter Personenkreis: Tätigkeit im Rahmen der Selbsthilfe § 2 Abs. 1 Nr. 16 SGB VII setzt die Schaffung von Wohnraum im Rahmen der Selbsthilfe voraus. Nach § 12 Abs. 1 S. 2 WoFG meint Selbsthilfe die Arbeitsleistungen, die zur Durchführung der geförderten Maßnahmen vom Bauherrn selbst, seinen Angehörigen oder von anderen unentgeltlich oder auf Gegenseitigkeit oder von Mitgliedern von Genossenschaften erbracht werden.489 aa) Versicherung des Bauherrn als Unternehmer des Wohnungsbaus Der Bauherr ist nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 WoFG derjenige, der das Bauvorhaben für eigene oder fremde Rechnung im eigenen Namen durchführt oder durch Dritte durchführen lässt. Er ist derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht, d. h. der Unternehmer des Bauvorhabens im Sinne des § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII.490 Seine 488  BSGE 28, 128 (129); BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 44, S. 183; ebenso Jung, SGb 1985, S. 572 (573); Vollmar, SozVers 1967, S. 280 (282). 489  Nach § 36 Abs. 2 II. WoBauG gehörten zur Selbsthilfe „die Arbeitsleistungen, die zur Durchführung eines Bauvorhabens erbracht werden a) von dem Bauherrn selbst, b) von seinen Angehörigen, c) von anderen unentgeltlich oder auf Gegenseitigkeit“. 490  Allgemeine Auffassung, vgl. statt Vieler Huster / Kellndorfer, SozVers 1985, S. 154 (158); Krasney, in: FS Zacher, S. 407 (418). – Zur Unternehmerstellung des Grundstückseigentümers LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. Januar 2009 – L 3 U 107 / 07.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

Unfallversicherung könnte daher als ein weiterer Tatbestand der Unternehmerunfallversicherung zu werten sein, die weder zur echten noch zur unechten Unfallversicherung gehört.491 Zwischen der Unternehmerunfallversicherung für Landwirte, Hausgewerbetreibende, Zwischenmeister, Küstenschiffer und Küstenfischer und der Versicherung des Bauherrn bei Selbsthilfebauarbeiten bestehen jedoch wesentliche Unterschiede. Auf der einen Seite sind gewerbliche Unternehmer bei ihrer beruflichen Tätigkeit versichert. Der Bauherr verrichtet dagegen private Bauarbeiten. Entsprechend ist bei ihm Grundlage eventueller Geldleistungen auch der tatsächliche Jahresarbeitsverdienst, während er für die anderen Unternehmer gesetzlich oder kraft Satzung festgelegt wird. § 83 SGB VII findet keine Anwendung, da selbstständige Tätigkeit nur eine gewerbliche sein kann.492 Daneben sind die Selbsthilfebauherren auch nicht zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet, weder für sich noch für die anderen bei der Schaffung von Wohnraum Tätigen. Stattdessen wird der Versicherungsschutz durch die Kommunen finanziert.493 Die Versicherung der Selbsthilfe-Bauherren ist daher keine genossenschaftliche, auf versicherungsrechtlicher Grundlage aufgebaute Eigenhilfe wie die der anderen Unternehmer. Vielmehr wird ein eigentlich privates, eigennütziges Geschehen ausnahmsweise wegen der Schutzbedürftigkeit der Beteiligten und dem öffentlichen Interesse an der Tätigkeit unter Versicherungsschutz gestellt. Die Vorschrift soll mittelbar die Schaffung von Wohnraum fördern494 und vor allem Personen schützen, die aufgrund ihres geringen Einkommens auf Selbsthilfe angewiesen sind.495 491  Siehe

zu dieser ausführlich oben Kapitel 1 C. III. in: Hauck / Noftz SGB VII, § 83 Rn. 3; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  / ​ Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 3; Ricke in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 83 Rn. 2; Schudmann, in: jurisPK SGB VII, § 83 Rn. 15. – Dies folgt schon aus dem mit der Regelung des § 83 SGB VII verfolgten Zweck: Die satzungsmäßige Festlegung des Jahresarbeitsverdienstes soll die bei Unternehmern häufig schwierige Ermittlung des tatsächlichen Jahresarbeitsverdienstes vermeiden (BTDrucks. 13 / 2204, S. 95). Die Tätigkeiten des Bauherrn begründen dagegen keine für den Jahresarbeitsverdienst relevante Lebensgrundlage (so auch Ricke in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 83 Rn. 2), sodass für den Jahresarbeitsverdienst auf die hauptberuflich ausgeübte Tätigkeit abzustellen ist; in diesem Punkt gleicht die Versicherung der Selbsthilfe-Bauherren der anderer Personen, die außerhalb ihrer be­ ruflichen Tätigkeit versichert sind (beispielsweise Nothelfer, Zeugen oder Rehabilitanden). 493  § 185 Abs. 2 S. 1 und 2 SGB VII in Verbindung mit § 129 Abs. 1 Nr. 6 SGB VII. 494  Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 32.1; Richter, in: Becker / Franke / Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, § 2 Rn. 184. 495  BSGE 28, 128 (129); BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 44, S. 183; ebenso Vollmar, SozVers 1967, S. 280 (282). 492  Keller,



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Die Versicherung der Selbsthilfe-Bauherren ist damit nicht Teil der Unternehmerunfallversicherung, wie sie § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. a, Nr. 6 und 7 SGB VII vorsieht. Vielmehr wird ein privates Geschehen fernab der beruflichen Arbeit versichert. Der Tatbestand ist daher der unechten Unfallversicherung zuzuordnen.496 bb) Angehörige des Bauherrn Selbsthilfe erfasst auch Arbeitsleistungen durch Angehörige des Bauherrn.497 Mangels einer Vergleichbarkeit der Selbsthilfe-Bauherren mit den anderen versicherten Unternehmern muss für die Versicherung seiner Angehörigen die Qualifizierung als Annex zur Unternehmerunfallversicherung ausscheiden.498 Maßgeblich für die Frage, ob ein Tatbestand der unechten Unfallversicherung vorliegt, muss also sein, ob der Versicherungsschutz eine konsequente Weiterentwicklung der Beschäftigtenunfallversicherung ist, oder ob ein mit dieser nicht vergleichbarer Tatbestand aufgenommen wurde. Die Versicherung der bei der Schaffung von Wohnraum tätigen Angehörigen des Bauherrn bricht mit dem Prinzip, dass der private, familiäre Le496  Wie hier Bley, ZSR 1974, S. 193 (217); Bieresborn, in: jurisPK SGB VII § 2 Rn. 9; Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92; Plagemann, in: Plagemann  /  Radtke-Schwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 36; Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 66; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256; andere Auffassung Krasney, in: FS Zacher, S. 407 (418); dem folgend wohl auch Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetz­ liche Unfallversicherung, § 2 Rn. 736. 497  Das Wohnraumförderungsgesetz definiert nicht den Begriff der Angehörigen, sondern den der Haushaltsangehörigen (§ 18 Abs. 2 WoFG: „Haushaltsangehörige sind: 1. der Antragsteller, 2. der Ehegatte, 3. der Lebenspartner und 4. der Partner einer sonstigen auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft sowie deren Verwandte in gerader Linie und zweiten Grades in der Seitenlinie, Verschwägerte in gerader Linie und zweiten Grades in der Seitenlinie, Pflegekinder ohne Rücksicht auf ihr Alter und Pflegeeltern). Diese Begriffe sind nicht gleichzusetzen (so aber Bieresborn, in: jurisPK SGB VII § 2 Rn. 238; Schmitt, Kommentar SGB VII, § 2 Rn. 144; ähnlich auch Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 32.6): Das Wohnraumförderungsgesetz spricht nur im Rahmen der Selbsthilfe von den „Angehörigen“; wenn der Begriff des Haushaltangehörigen genannt wird, wird die „Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft“ (§ 18 Abs. 1 S. 1 WoFG) relevant (vgl. beispielsweise die Regelung des Gesamteinkommens in § 20 WoFG). Dennoch ist im Ergebnis davon auszugehen, dass zumindest die in dieser Vorschrift genann­ ten Personen als Angehörige im Sinne des § 12 Abs. 1 S. 2 WoFG angesehen wer­ den können, nicht zuletzt aufgrund der vergleichbaren Regelung in § 8 Abs. 2 II. ­WoBauG. 498  Siehe zur Versicherung mitarbeitender Familienangehöriger in der Landwirtschaft oben Kapitel 1 C. III. 2.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

bensbereich unversichert bleiben soll. Zwar besteht keine ausdrückliche bürgerlich-rechtliche Pflicht zur Unterstützung eines Angehörigen bei der Schaffung von Wohnraum.499 Denkbar ist jedoch eine Pflicht aufgrund der allgemeinen familienrechtlichen Beistandspflicht. Für Ehegatten untereinander sieht das bürgerliche Recht in § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB eine Verpflichtung zu gegenseitiger Verantwortung vor. § 2 S. 1 LPartG verpflichtet die Partner einer eingetragenen Lebensgemeinschaft zu gegenseitiger Fürsorge und Unterstützung.500 Nach § 1618a BGB sind Eltern und Kinder einander Beistand und Rücksicht schuldig; diese Norm stellt schon ausweislich des Wortlauts, insbesondere aber auch aufgrund ihrer Parallelität zu § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB nicht nur ein allgemeines Leitbild mit Appellfunktion für die familiären Verhältnisse dar,501 sondern erlegt Eltern und Kindern eine echte rechtliche Pflicht auf.502 Diese Pflicht kann – bis zu einer gewissen Grenze503 – auch die Mithilfe bei der Schaffung von Wohnraum umfassen. 499  Insbesondere ist die Mitwirkung beim Ausbau eines Hauses keine Mitarbeit im Betrieb oder Geschäft im Sinne von § 1619 BGB; vgl. BGHZ 84, 361 (365). 500  Zur Heranziehung der Rechtsprechung zu § 1353 BGB auf die Fürsorge- und Unterstützungspflichten nach § 2 LPartG vgl. die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften, BT-Drucks. 14  /  3751, S. 36; ebenso Voppel, in: Staudinger, BGB, § 2 LPartG Rn. 3; Wacke, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 2 LPartG Rn. 1; zum Unterschied hinsichtlich der gegenseitigen Pflichten Kemper, FPR 2001, S. 449 (453 ff.); Ring / Olsen-Ring, in: Ring / Olsen-Ring, Lebenspartnerschaftsgesetz, § 2 Rn. 1; Voppel, in: Staudinger, BGB, § 2 LPartG Rn. 18; Wacke, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 2 LPartG Rn. 1. 501  So aber die Beschlussempfehlung und der Bericht des Rechtsausschusses bei Einführung der Vorschrift, BT-Drucks. 8 / 2788, S. 45. Es handle sich um eine lex imperfecta, die lediglich Leitlinien aufzeigen solle, an einen Verstoß aber keine unmittelbaren Rechtsfolgen knüpfe. 502  So die ganz herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, vgl. statt Vieler BGH, NJW 1997, S. 52 (53); BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 6, S. 22 f.; OLG Bayern, NJW-RR 1993, S. 1361 (1361); AG Arnsberg, NJW-RR 1996, S. 1156 (1157); Berger / Mansel, in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, § 1618a Rn. 1; Bosch, FamRZ 1980, S. 739 (741, 748); Coester, in: Staudinger, BGB, § 1618a Rn. 10; Diederichsen, NJW 1980, S. 1 (2); Diederichsen, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 1618a Rn. 1; Enders, in: Beck’scher Online-Kommentar BGB, § 1618a Rn. 1; Gernhuber, in: FS Müller-Freienfels, S. 159 (163 ff.); Gernhuber / CoesterWaltjen, Familienrecht, § 54 Rn. 66 f.; Jayme, FamRZ 1981, S. 221 (225); Kemper, in: Schulze, Handkommentar BGB, § 1618a Rn. 3; Knöpfel, FamRZ 1985, S. 554 (561); Ludyga, FPR 2012, S. 54 (55); Lüderitz, in: FS Gaul, S. 411 (420); von Sachsen Gessaphe, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1618a Rn. 2; Siedhoff, FPR 1997, S. 145 (146); Windel, ErbR 2010, S. 241 (244); Wolber, SGb 1990, S. 419 (420). – Umstritten ist, ob die Pflicht gerichtlich durchsetzbar ist bzw. ein Verstoß gegen sie sanktioniert werden kann (vgl. hierzu mit weiteren Nachweisen Coester, in: Staudinger, BGB, § 1618a Rn. 11 ff.; Knöpfel, FamRZ 1985, S. 554 (560 ff.); Ludyga, FPR 2012, S. 54 (58); von Sachsen Gessaphe, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1618a Rn. 14); dies spielt indes keine Rolle für die Frage des Unfallversi-



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff129

Doch auch wenn die Mitarbeit der Angehörigen über eventuelle familienrechtliche Pflichten hinausgeht, kann die familiäre Beziehung zum Unternehmer der Tätigkeit das maßgebende Gepräge geben und dafür sorgen, dass sie als private zu werten ist. Auch familienhafte Gefälligkeiten, die sich im Rahmen des innerhalb der konkreten Familie Üblichen halten, sind als private Tätigkeiten grundsätzlich unversichert.504 Bei der Selbsthilfe im Rahmen der Schaffung von gefördertem Wohnraum wird dies typischerweise zu bejahen sein: Der Bauherr als Unternehmer ist zur Verwirklichung des Bauvorhabens auf die Selbsthilfe angewiesen.505 Die Mitarbeit seiner Angehörigen erfolgt zumindest in den meisten Fällen506 im Rahmen der familiären Beziehungen, um den Bauherrn zu unterstützen. Versichert ist damit ein dem privaten Bereich zuzurechnender Tätigkeitsbereich. Die Versicherung der Familienangehörigen ist ebenfalls Teil der unechten Unfallversicherung.507 503

cc) Schaffung von Wohnraum durch andere: Unentgeltlichkeit oder Gegenseitigkeit Andere als der Bauherr und seine Angehörigen erbringen dann Leistungen im Rahmen der Selbsthilfe, wenn sie unentgeltlich oder auf Gegenseitigkeit tätig werden, § 12 Abs. 1 S. 2 WoFG. (1) Unentgeltlichkeit Unentgeltlichkeit liegt vor, wenn die Arbeitsleistung nicht zur Erfüllung einer Verbindlichkeit dem Bauherrn gegenüber oder aufgrund einer kausalen Verknüpfung mit einer Gegenleistung erbracht wird, sondern aus anderen cherungsschutzes, da es hier nur auf das tatsächliche Bestehen der Pflicht und die Folgefrage, ob die Tätigkeit aufgrund der Pflicht ausgeübt wurde, ankommt. 503  Vgl. BGHZ 84, 361 (365). 504  Ausführlich hierzu oben Kapitel 1 C. I. 2. c) aa). 505  BSGE 28, 128 (129); BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 44, S. 183; ebenso Vollmar, SozVers 1967, S. 280 (282). 506  Etwas anderes kann lediglich dann gelten, wenn die Angehörigen als Beschäftigte tätig werden. – Nach § 135 Abs. 5 SGB VII geht die Versicherung im Rahmen der Selbsthilfe der Versicherung als Beschäftigter vor. Dies führt zu einer beitragsfreien Versicherung auch der Beschäftigten im Hinblick auf die Schutzbedürftigkeit des Selbsthilfe-Bauherren (ebenso Diel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 135 Rn. 12). 507  Ebenso Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 9; Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92; Plagemann, in: Plagemann / Radtke-Schwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 36; Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 66; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

Gründen.508 Der Begriff der Unentgeltlichkeit ist dabei weit auszulegen, um den Zweck der Wohnbauförderung nicht zu unterlaufen: Die Fördermöglichkeit soll dazu anregen, die Bereitschaft zur Selbsthilfe anzuregen.509 Unter diese Variante des Tatbestands fallen daher die so genannte Nachbarschaftshilfe, Gruppen- oder Gemeinschaftsselbsthilfe, die im Allgemeinen auf einem aus freundschaftlichen Beziehungen entwickelten Gefälligkeitsverhältnis beruhen.510 Damit wird erneut der private Bereich versichert, sodass der Tatbestand der unechten Unfallversicherung zuzuordnen ist. (2) Gegenseitigkeit Gegenseitigkeit ist gegeben, wenn der Bauherr die Absicht hat, bei einem Bauvorhaben des Helfers gleichfalls tätig zu werden. Dabei genügt eine feste, ernstliche Absprache ohne genaue Zeitbestimmung.511 Anders als im Fall der Unentgeltlichkeit setzt diese Tatbestandsvariante das Vorhandensein einer Gegenleistung voraus;512 diese erfolgt in Form der Hilfeleistung bei einem weiteren Bauvorhaben.513 Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist auch dann noch von einer Gegenseitigkeit auszugehen, wenn die Hilfeleistungen zur Sicherung der Gegenseitigkeit je nach dem Wert der geleisteten Arbeit in Vergütungen festgelegt und durch Gegenüberstellung 508  BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 97, S. 270; BSG, Urteil vom 11. August 1988 – 2 / 9b RU 6 / 86. 509  Entsprechend kann nicht der enge Entgeltbegriff des § 14 SGB IV gelten, der außerdem den Begriff des Arbeitsentgelts nur für den Bereich der Sozialversicherung regelt, nicht für den der Wohnbauförderung. Nicht als Entgelt zu sehen ist daher beispielsweise die Verpflegung der Arbeitenden während der Zeit der Hilfeleistung; vgl. BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 97, sowie BSG, Urteil vom 11. August 1988 – 2 / 9b RU 6 / 86. Ebenso ist die Überlassung von Abfallprodukten kein Entgelt; vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 5. Mai 1983 – L 10 Ub 1792 / 81. Zustimmend zu diesem Verständnis des Entgelts Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 240; Jung, SGb 1985, S. 572 (573); Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 760; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 32.7; Richter, in: Becker / Franke / Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, §  2 Rn.  189; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 2 Rn. 94; Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 252. 510  Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 760; ähnlich Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 2 Rn. 94; zur Wohnbau-Selbsthilfe im Rahmen der Nachbarschaftshilfe auch BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 97. 511  BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 85, S. 239. 512  Auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die Unentgeltlichkeit nicht Voraussetzung der Gegenseitigkeit; vgl. BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 85, S. 238. 513  BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 97, S. 270.



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verrechnet werden oder sie deshalb vergütet werden, weil die eigene Hilfeleistung die des anderen übersteigt.514 Anders als die Unentgeltlichkeit, die die Unterstützung als freundschaft­ liche oder kollegiale515 Gefälligkeit qualifiziert, bestehen im Fall der Gegenseitigkeit gegenseitige Verpflichtungen. Bei Gleichzeitigkeit der beiden Bauvorhaben liegt dies auf der Hand, doch auch bei einem zeitlichen Auseinanderfallen kommt es dem späteren Bauherrn entscheidend auf die Arbeitsleistung des anderen an. Anderenfalls wäre der vom Bundessozialgericht geschilderte Beispielsfall des Bauherrn, der „mit möglichst geringen Mitteln sein Eigenheim errichten muß und deshalb zur Sicherung einer möglichst umfangreichen Selbsthilfe schon frühzeitig auf Gegenseitigkeit Selbsthilfearbeiten für mehrere andere Bauarbeiten verrichtet“,516 kaum denkbar. Für den Bereich des Sozialversicherungsrechts kommt es jedoch nicht auf das Vorliegen eines Rechtsbindungswillens an, sondern auf die zwischen den Beteiligten bestehenden Beziehungen.517 Häufig werden die beteiligten Bauherren freundschaftlich verbunden sein und nur deswegen aneinander herantreten mit der Bitte um Unterstützung. Dennoch steht die Entgeltlichkeit auch der Annahme einer Gefälligkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts entgegen. Die Hilfe bei der Schaffung von Wohnraum wird gerade nicht deswegen geleistet, weil sie aufgrund der bestehenden Beziehung zwischen den Bauherren typisch und üblich ist und daher erwartet werden kann, sondern weil es den Beteiligten darauf ankommt, eine Gegenleistung zu erhalten. Die Selbsthilfe auf Gegenseitigkeit ist daher, anders als die unentgeltliche Selbsthilfe, kein Fall der Versicherung eines privaten Gefälligkeitsverhältnisses.518 Vielmehr werden die beiden Bauherrn jeweils wie Beschäftigte im Unternehmen des anderen tätig, sodass sich in diesem Bereich der Tatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 16 SGB VII mit dem des § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII überschneidet.519 Diese Form der Tätigkeit bei der Schaffung von gefördertem Wohnraum ist daher der echten Unfallversicherung zuzuordnen. 514  BSG,

SozR 2200 § 539 Nr. 85, S. 238. in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 2 Rn. 94. 516  BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 85, S. 239. 517  Ausführlicher zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen der Gefälligkeit im Sinne des Sozialversicherungsrechts und dem zivilrechtlichen Gefälligkeitsverhältnis oben Kapitel 1 C. I. 2. c) aa). 518  Die Gleichstellung der Gegenseitigkeit mit der Unentgeltlichkeit lässt sich mit dem Zweck der Wohnraumförderung erklären: Der Bauherr mit geringem Einkommen kann als Gegenleistung häufig kein Geld bieten, sondern nur seine eigene Arbeitsleistung. 519  Entsprechend sieht auch Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 765, die Wie-Beschäftigung als Auffang­ norm. 515  Ricke,

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

dd) Mitglieder von Genossenschaften Schließlich besteht nach § 2 Abs. 1 Nr. 16 SGB VII auch Versicherungsschutz für Mitglieder von Genossenschaften, die im Rahmen der Selbsthilfe tätig werden. Nach der Gesetzesbegründung zum Entwurf des Gesetzes zur Reform des Wohnungsbaurechts520 stellen Genossenschaften eine „institu­ tionalisierte Form der Selbsthilfe“ dar, die in besonderer Weise geeignet ist, „das Engagement von Wohnungssuchenden zu mobilisieren und ihre Versorgung mit Wohnraum mit genossenschaftlicher Unterstützung selbst in die Hände zu nehmen, sei es in Form von Eigentumsmaßnahmen oder beim Bau oder Erwerb von Wohnungen, die den Mitgliedern zur Nutzung überlassen werden“. Nach § 1 GenG sind Genossenschaften Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, deren Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern. Im Falle der Wohnungsgenossenschaft liegt der Förderzweck darin, die Wohn- und Gewerberaumversorgung ihrer Mitglieder gut und sozial verantwortlich sicherzustellen, wozu häufig auch die Herstellung der Räumlichkeiten und die Übernahme von Verwaltungsaufgaben gehört.521 Dabei können die Genossenschaften ihre Mitglieder in der Satzung zur Unterstützung bei der Errichtung von Wohnraum verpflichten.522 Die Selbsthilfe der Genossenschaftsmitglieder ist die Erfüllung ihrer Pflicht der Genossenschaft gegenüber und damit wiederum ein privater Lebensbereich,523 der ausnahmsweise unfallversichert ist. Es liegt ein weiterer Tatbestand der unechten Unfallversicherung vor.524 520  BT-Drucks.

14 / 5538, S.  36. in: Pöhlmann / Fandrich / Bloehs, Genossenschaftsgesetz, § 1 Rn. 43; Geibel, in: Henssler / Strohn, Gesellschaftsrecht, § 1 GenG Rn. 27. 522  Näher zur Satzung der Wohnungsgenossenschaften Maaß / Hitpaß, DW 1997, S. 564 (565); siehe zur Inanspruchnahme der Mitglieder bei der Unterstützung anderer Mitglieder bei ihrem Bauvorhaben auch Fandrich, in: Pöhlmann / Fandrich / Bloehs, Genossenschaftsgesetz, § 1 Rn. 48. 523  BSGE 27, 233 (234 f.); zustimmend Riebel, in: Hauck  / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 20; speziell die Beschäftigung der Vorstandsmitglieder einer Genossenschaft verneinend Bösche, NZS 2004, S. 466 (466 ff.). – Zur Ausnahme mitgliedschaft­ licher Verpflichtungen aus dem Versicherungsschutz für Beschäftigte siehe oben Kapitel 1 C. I. 2. c) bb). 524  Wie hier Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 9; Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92; Plagemann, in: Plagemann / Radtke-Schwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 36; Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 66; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256. 521  Fandrich,



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff133

c) Ergebnis Die Versicherung bei der Selbsthilfe im Wohnungsbau stellt größtenteils Tätigkeiten unter Versicherungsschutz, die eigentlich dem privaten, unversicherten Lebensbereich zuzuordnen sind. Im Schwerpunkt ist die Vorschrift daher der unechten Unfallversicherung zuzuordnen. Lediglich wenn die Selbsthilfe im Rahmen einer Beschäftigung oder mit dieser vergleichbar erfolgt, kann von echter Unfallversicherung gesprochen werden. 8. Versicherung für Pflegepersonen, § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII Nach § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII sind Pflegepersonen im Sinne von § 19 SGB XI bei der Pflege eines Pflegebedürftigen im Sinne von § 14 SGB XI versichert. Der Versicherungstatbestand wurde eingeführt mit der Schaffung der Pflegeversicherung im Jahr 1994.525 Zuvor konnten Pflegende schon versichert sein, wenn die Pflege im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, in einem landwirtschaftlichen Unternehmen, selbstständig oder ehrenamtlich ausgeübt wurde.526 § 135 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3 SGB VII ordnet eine Subsidiarität des § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII gegenüber all diesen Tatbeständen an.527 Einen eigenen Anwendungsbereich hat die Norm daher nur für solche Pflegetätigkeiten, die keine dieser Voraussetzungen erfüllen; nach diesen hat sich daher auch die Zuordnung zur echten oder zur unechten Unfallversicherung zu richten.528 Prob525  Mit dem Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit vom 26. Mai 1994 (BGBl. I 1994, S. 1014 ff.) wurde die soziale Pflegeversicherung als selbstständiger Zweig der Sozialversicherung geschaffen und fortan im SGB XI geregelt. Dieses Gesetz schrieb in § 40 eine Anpassung der anderen Zweige der Sozialversicherung zur Verbesserung der sozialen Sicherung der Pflegepersonen vor, weswegen nach § 539 Abs. 1 Nr. 19 RVO nunmehr auch Pflegepersonen gegen Unfälle bei näher umschriebenen Tätigkeiten versichert waren. 526  Heute § 2 Abs. 1 Nr. 1, 5, 9 und 10 SGB VII. § 539 Abs. 1 Nr. 19 RVO enthielt daher auch den Zusatz „soweit die Pflegepersonen nicht bereits zu den nach den Nummern 1, 5, 7 oder 13 Versicherten gehören“. 527  Aus dieser Subsidiarität folgt, dass nicht für alle Pflegepersonen derselbe Unfallversicherungsträger zuständig ist, sondern sich dies nach den Umständen des Einzelfalls und dem jeweils vorliegenden Unternehmen richtet. Gitter, VSSR 1996, S. 1 (5 f.), wollte daher zur Vorgängerregelung stets eine Versicherung nach § 539 Abs. 1 Nr. 19 RVO als speziellerer Norm annehmen. Dies ist jedoch heute mit der ausdrücklichen Anordnung der Subsidiarität in § 135 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3 SGB VII nicht vereinbar. 528  Unproblematisch erscheint dabei die Abgrenzung der Pflege im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII gegenüber der Pflege in einem landwirtschaftlichen Unternehmen (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII) und als ehrenamtlicher Tätigkeit für staatliche

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

leme bereitet dabei insbesondere die Abgrenzung der vormals unversicherten Pflege von der Pflege als Beschäftigung. Aber auch die Abgrenzung zur Pflege als selbstständiger Unternehmertätigkeit in einem Unternehmen der Wohlfahrtspflege kann schwierig sein. Da es hier nur auf die Zweckbestimmung einer Einrichtung oder Tätigkeit ankommt und nicht auf deren organisatorische Gestaltung, können auch Tätigkeiten ohne Bezug zu einer bestimmten Organisation oder Einrichtung unter Versicherungsschutz stehen,529 d. h. insbesondere die selbstständige Pflegetätigkeit. a) Nicht erwerbsmäßige Pflege Die Pflege im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII unterscheidet sich von der Pflege aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses oder als selbstständiger Unternehmertätigkeit zunächst dadurch, dass nach dieser Vorschrift nur die nicht erwerbsmäßige Pflege versichert ist. Die Gewährung eines Arbeitsentgeltes kann dabei als Indiz für die Erwerbsmäßigkeit dienen.530 Nach § 3 S. 2 SGB VI531 besteht auch bei der Gewährung von Arbeitsentgelt zumindest dann keine Erwerbsmäßigkeit, wenn das Arbeitsentgelt das dem Umfang der Pflegetätigkeit entsprechende Pflegegeld im Sinne von § 37 SGB XI nicht übersteigt. Nicht erwerbsmäßig tätig sind daneben auch Personen, die für ihre Pflegetätigkeit ganz oder teilweise das gesetzliche Pflegegeld532 oder, wenn der Pflegebedürftige eine Sachleistung ganz oder oder kirchliche Unternehmer (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII): Versicherungsschutz nach diesen Vorschriften scheidet dann aus, wenn keiner der genannten Unternehmer vorhanden ist. 529  Für die selbstständige Altenpflege vgl. BSGE 58, 210 (212 f.); für die selbstständige Berufsbetreuung LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. Mai 2003 – L 17 U 54 / 02; für die Tätigkeit einer selbstständigen Tagesmutter LSG Sachsen, Urteil vom 16. Dezember 2010 – L 2 U 67 / 09. 530  Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 783. 531  Diese rentenversicherungsrechtliche Fiktion kann zumindest analog auch im Unfallversicherungsrecht angewandt werden, da sie sowohl dem Zweck des § 19 SGB XI als auch dem des § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII entspricht (so beispielsweise auch Gitter, in: Brennpunkte des Sozialrechts 1996, S. 192 (198); Kruschinsky, in:  Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, §  2 Rn. 784; Maschmann, SGb 1995, S. 325 (327); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 33.3; Riebel, in: Becker / Franke / Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, § 2 Rn. 198). 532  So ausdrücklich zumindest für im selben Haushalt mit dem Pflegebedürftigen lebende Familienangehörige die Gesetzesbegründung zum Pflegeversicherungsgesetz, BT-Drucks. 12 / 5262, S. 101; allgemein Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney  /  Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, §  2 Rn.  184; Maschmann, SGb 1995, S. 325 (325, 327); Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 258.



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff135

teilweise in Anspruch nimmt,533 eine finanzielle Zuwendung in Höhe des Pflegegeldes erhalten.534 Jenseits dieser Grenze kann dennoch eine nicht erwerbsmäßige Tätigkeit vorliegen, wenn es sich nicht um Entgelt, sondern lediglich um eine Aufwandsentschädigung für die Pflegeperson handelt. Insbesondere bei einer Pflege durch Ehegatten, Familienangehörige oder durch einen nahen Verwandten kann dabei vermutet werden, dass die Pflegetätigkeit unabhängig von der Höhe des Entgelts nicht gewerbsmäßig, sondern aus reiner Gefälligkeit erbracht wird.535 Der Unfallversicherungsschutz besteht unabhängig von den zeitlichen Anforderungen an die Pflege. Wie das Bundessozialgericht zu Recht festgestellt hat, ist der Begriff der Pflegeperson in § 19 S. 1 SGB XI definiert, der – anders als § 19 S. 2 SGB XI – keine zeitliche Beschränkung enthält.536 In der Literatur wird dies bisweilen bestritten und für den Unfallversicherungsschutz eine Untergrenze von 14 Stunden wöchentlich gefordert.537 Dies konnte jedoch lediglich bis zum Jahr 1996 gelten;538 seitdem kann die Verweisung des § 2 Abs.1 Nr. 17 SGB VII lediglich den ersten Satz des § 19 SGB XI meinen.539 Die gesetzliche Unfallversicherung kennt – anders als die anderen Zweige der Sozialversicherung – typischerweise keine zeitlichen oder auf das Entgelt bezogenen Mindestgrenzen, sodass auch einmali533  §§ 36,

38 SGB XI. in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 395; Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 185. 535  Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 785; Richter, in: Becker / Franke / Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, § 2 Rn. 198; Wolber, SozVers 1995, S. 71 (72); andere Auffassung Maschmann, SGb 1995, S. 325 (327). 536  BSG, SozR 4-2700 § 2 Nr. 3 Rn. 9. 537  Gitter, VSSR 1996, S. 1 (8); Leube, NZS 1995, S. 127 (127); Leube, ZfS 2006, S. 48 (51); Wolber, SozVers 1995, S. 71 (72); wohl auch Richter, in: Becker / Franke / Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, §  2 Rn.  199 ff. 538  Geändert wurde § 19 SGB XI durch das Erste Gesetz zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 14. Juni 1996, BGBl. I 1996, S. 830 ff. Durch dieses Gesetz erhielt § 19 SGB XI seine heutige Form, in der Satz 1 die Definition der Pflegeperson enthält, während Satz 2 für Leistungen nach § 44 SGB XI die Mindestgrenze von 14 Stunden wöchentlich aufstellt. Zuvor lautete § 19 SGB XI: „Pflegepersonen im Sinne dieses Buches sind Personen, die nicht erwerbsmäßig einen Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 wenigstens 14 Stunden wöchentlich in seiner häuslichen Umgebung pflegen.“ 539  Dem Bundessozialgericht folgend daher auch Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 2150 f.; Günther-Nicolay, NZS 2006, S. 17 (18 f.); Marburger, BPUVZ 2012, S. 244 (248); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 33.2; zumindest bezüglich der Geltung ab dem 25. Juni 1996 zustimmend Keller, jurisPR-SozR 11 / 2005 Anm. 4; Riebel, SGb 2005, S. 603 (604); Schmitt, Kommentar SGB VII, § 2 Rn. 152. 534  Leube,

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

ge oder kurzfristige Tätigkeiten versichert sein können.540 Zwar kann dem entgegengehalten werden, dass auch die Unfallversicherung als Beschäftigtenversicherung im Kern auf Dauerverhältnisse zugeschnitten sei.541 Die Pflege im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII soll jedoch gerade diejenigen Pflegenden erfassen, die nicht als Beschäftigte tätig werden. Die zeit­ liche Grenze des § 19 S. 2 SGB XI spielt daher für den Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII keine Rolle. b) Pflege aufgrund persönlicher Verbindungen zwischen Pflegendem und Pflegebedürftigem Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts muss eine Pflege im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses oder als Unternehmer zumindest dann ausscheiden, wenn die Pflege sich im Rahmen dessen hält, was aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Pflegendem und Pflegebedürftigem üblich ist.542 Damit betont das Bundessozialgericht die grundsätzliche Herausnahme privater Tätigkeiten aus der Unfallversicherung. Wie weit genau dieser private Bereich geht, führt das Bundessozialgericht jedoch nicht aus. Diese Frage ist daher einer näheren Betrachtung zu unterziehen. aa) Pflicht zur familiären Pflege aus bürgerlich-rechtlichen Vorschriften Ehegatten untereinander sind nach § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB zu gegenseitiger Verantwortung verpflichtet, Lebenspartner nach § 2 S. 1 LPartG zu gegenseitiger Fürsorge und Unterstützung.543 Kinder und Eltern sind einan540  BSG,

SozR 4-2700 § 2 Nr. 3 Rn. 14. auch Leube, ZfS 2006, S. 48 (51). 542  BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 134, S. 401; BSGE 84, 1 (5 f.). Es lehnte daher Versicherungsschutz nach diesen Vorschriften ab für eine Tochter, die ihren schwer pflegebedürftigen Vater pflegte, weil die Pflege „ihrer Art nach im Rahmen der familiären Beistandspflichten“ erfolgt sei und davon „ihr rechtlich wesentliches Gepräge“ erhalten habe (BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 134, S. 402). Das Urteil ist in der Literatur auf Kritik gestoßen. Insbesondere die Tatsache, dass zu den Aufgaben der Pflegenden auch das Verabreichen von Infusionen und das Entfernen von Kanülen gehöre, also medizinischen Fachkräften vorbehaltene Tätigkeiten, zeige, dass die Pflege über das innerhalb der Familie übliche Maß hinausgehe (Wolber, SGb 1990, S. 419 (420); zustimmend Keller, in: FS 40 Jahre Landessozialgerichtsbarkeit, S. 353 (366)). 543  Siehe näher zu diesen Normen und zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft oben Kapitel 1 C. III. 2. a) bb). 541  So



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff137

der nach § 1618a BGB Beistand und Rücksicht schuldig.544 Zu dieser gegenseitigen Verpflichtung gehören auch Beistand und Pflege im Krankheitsund im Pflegefall.545 Soweit sich die Pflege innerhalb dieser Grenzen hält, liegt die Tätigkeit im Rahmen des „grundsätzlich unversicherten privaten, familiären Lebensbereichs“546 und kann daher weder als Tätigkeit im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, noch als selbstständige Unternehmertätigkeit gewertet werden. Für diese familiäre Pflege bestand daher eine Lücke im Versicherungsschutz. Umstritten ist, ob § 1618a BGB auch Geschwister untereinander verpflichtet. Gegen eine unmittelbare Pflicht der Geschwister untereinander547 spricht schon die systematische Stellung des § 1618a BGB, denn der Vierte Titel des Zweiten Abschnitts betrifft nur das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und dem Kind, nicht aber die Verhältnisse anderer Familienangehöriger.548 Auch sonst sind dem Bürgerlichen Gesetzbuch Verpflichtungen der Geschwister untereinander fremd;549 so sind die Geschwister beispielsweise auch nicht zu gegenseitigem Unterhalt verpflichtet.550 § 1618a BGB betrifft daher nicht das Verhältnis der Kinder untereinander, sondern nur das der Kinder zu ihren Eltern und der Eltern zu ihren Kindern. Dennoch kann sich eine Pflicht der Kinder untereinander mittelbar aus der Pflicht der Kinder den Eltern gegenüber ergeben. Das Verhältnis zwischen den Geschwistern kann nicht isoliert vom sonstigen Familienverband gesehen werden.551 Kinder sind aus § 1618a BGB dazu verpflichtet, auf die 544  Zum Charakter dieser Pflicht als echte Rechtspflicht siehe oben Kapitel 1 C. VII. 7. b) bb). – Auch das Bundessozialgericht (SozR 2200 § 539 Nr. 134, S. 501 f.) stützte im eben geschilderten Fall die Pflicht der Tochter zur Pflege ihres Vaters auf § 1618a BGB; vgl. auch LSG Rheinland-Pfalz, NZS 2002, S. 166 (167). 545  BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 134, S. 402; Diederichsen, NJW 1980, S. 1 (2); Hahn, in: Beck’scher Online-Kommentar BGB, § 1353 Rn. 16; Ludyga, FPR 2012, S. 54 (56); Roth, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1353 Rn. 31. 546  BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 134, S. 400. 547  Dies bejahend aber Coester, in: Staudinger, BGB, § 1618a Rn. 27; Diederichsen, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 1618a Rn. 2; Gernhuber / Coester-Waltjen, Familienrecht, § 54 Rn. 66; Schwer, in: jurisPK BGB, § 1618a Rn. 2; wohl auch Jayme, FamRZ 1981, S. 221 (225). 548  So auch Keller, in: FS 40 Jahre Landessozialgerichtsbarkeit, S. 353 (367); Knöpfel, FamRZ 1985, S. 554 (559); von Sachsen Gessaphe, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1618a Rn. 4. 549  Ausführlich und rechtsvergleichend im Hinblick auf das schweizerische Recht, dem die Vorschrift des § 1618a BGB nachgebildet wurde, Gernhuber, in: FS MüllerFreienfels, S. 159 (171 ff.). 550  Die Verpflichtung zur Gewährung von Unterhalt betrifft nur Verwandte in gerader Linie, § 1601 BGB. 551  Enders, in: Beck’scher Online-Kommentar BGB, § 1618a Rn. 2.1.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

Verpflichtungen der Eltern Rücksicht zu nehmen und ihnen gegebenenfalls bei deren Erfüllung beizustehen.552 Diese Pflicht beschränkt sich schon aus praktischen Gründen553 nicht auf einzelne Verpflichtungen der Eltern, sondern ist umfassend,554 sodass im Einzelfall auch eine Pflicht zur Unterstützung der Eltern bei der Sorge um die Geschwister bestehen kann.555 Für den Unfallversicherungsschutz bedeutet dies, dass auch die Kinder untereinander gegebenenfalls eine – mittelbare – gesetzliche Pflicht zur Pflege trifft, die der Annahme einer Beschäftigung oder einer unternehmerischen Tätigkeit im Wege steht.556 Denkbar wäre beispielsweise, dass eine Mutter, die ihren pflegebedürftigen Sohn pflegt, sich vorübergehend von ihrer Tochter vertreten lässt. bb) Pflege aufgrund persönlicher Verbindung ohne rechtliche Pflicht Neben den Ehegatten, Lebenspartnern, Eltern oder Geschwistern ist jedoch auch die Pflege durch Personen möglich, die nicht gesetzlich zur Erbringung von Pflegeleistungen verpflichtet sind. Denkbar ist beispielsweise eine Pflege durch Schwiegersöhne und Schwiegertöchter, andere Angehörige, Lebensabschnittsgefährten oder sogar Nachbarn oder Freunde.557 Auch bei diesen Personen kann die Pflege im Einzelfall – wenn auch deutlich seltener als bei engen Familienangehörigen – auf der persönlichen Beziehung beruhen und durch sie geprägt sein; dann ist wiederum die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses oder einer unternehmerischen Tätigkeit ausgeschlossen. Auch eine Pflege durch Angehörige im Rahmen einer rei552  Knöpfel, FamRZ 1985, S. 554 (560); für die Annahme einer mittelbaren Pflicht auch das AG Arnsberg, NJW-RR 1996, S. 1156 (1157); Enders, in: Beck’scher Online-Kommentar BGB, § 1618a Rn. 2.1; von Sachsen Gessaphe, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 1618a Rn. 4; Siedhoff, FPR 1997, S. 145 (146). 553  Dies würde zu dem kontroversen Ergebnis führen, dass die Beistandspflicht eines Kindes dort nicht mehr angenommen werden könnte, wo die Eltern aufgrund der Beistandspflicht einem anderen Kind gegenüber handeln. 554  Diederichsen, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 1618a Rn. 3, sprich von wechselseitiger Unterstützung und Hilfeleistung „in allen Lebenslagen“. 555  Generell gegen die Annahme von Pflichten der Geschwister untereinander Gernhuber, in: FS Müller-Freienfels, S. 159 (171 ff.); Keller, in: FS 40 Jahre Landessozialgerichtsbarkeit, S. 353 (367); wohl auch Lüderitz, in: FS Gaul, S. 411 (420). 556  Entsprechendes gilt auch für das Verhältnis von Großeltern und Enkelkindern, in dem ebenfalls – aufgrund der jeweils aus § 1618a BGB folgenden Pflicht der mittleren Generation gegenüber – mittelbare Pflichten zum gegenseitigen Beistand bestehen können; vgl. hierzu näher Knöpfel, FamRZ 1985, S. 554 (560) mit weiteren Nachweisen. 557  Für soziologische Erhebungen, insbesondere auch bezogen auf Pflegetätigkeiten, vgl. Keller, in: FS 40 Jahre Landessozialgerichtsbarkeit, S. 353 (358 ff.).



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff139

nen Gefälligkeit ist denkbar, wo keine Pflicht besteht. Maßgeblich sind stets die zwischen den Beteiligten bestehenden Beziehungen im Einzelfall, d. h. ob die Pflege sich im Rahmen dessen hält, was aufgrund der Beziehung zwischen Pflegendem und Pflegebedürftigem als typisch und üblich angesehen und daher erwartet werden konnte.558 cc) Pflege jenseits der familiären oder vergleichbaren Pflege Der Feststellung des Bundessozialgerichts folgend, dass die Pflege nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses oder als unternehmerische Tätigkeit erbracht wird, wenn sie sich im Rahmen dessen hält, was aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Pflegendem und Pflegebedürftigem üblich ist,559 ist § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII eine Auffangnorm für diese Pflegepersonen. Pflegetätigkeiten jenseits dieser Grenze dürften dagegen in der Regel entweder im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung oder als selbstständige Unternehmertätigkeit übernommen werden. Im ersten Fall besteht Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Wird die Pflege als unternehmerische Tätigkeit ausgeübt, kann die Pflegeperson nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII versichert sein, wenn die Pflege als Tätigkeit in einem Unternehmen der Wohlfahrtspflege zu werten ist. Wohlfahrtspflege im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII meint die planmäßige, zum Wohle der Allgemeinheit und nicht des Erwerbs wegen ausgeübte unmittelbare vorbeugende oder abhelfende Hilfeleistung für gesundheitlich, sittlich oder wirtschaftlich gefährdete oder notleidende Menschen.560 Die Pflege eines Pflegebedürftigen kann diese Voraussetzungen erfüllen.561 Daran sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen, was insbesondere die Voraussetzung des Notleidens zeigt. Pflege als (selbstständige oder abhängige)562 Tätigkeit in einem Wohlfahrtsunternehmen kann dort angenommen werden, wo die Grenze der fa558  Zur Abgrenzung zwischen der Beschäftigung und dem privaten, nicht versicherten Bereich im Rahmen familiärer, freundschaftlicher und vergleichbarer Gefälligkeiten siehe oben Kapitel 1 C. I. 2. c) aa). 559  BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 134, S. 401; BSGE 84, 1 (5 f.). 560  BSGE 6, 74 (77 f.); BSGE 15, 116 (117). 561  So auch das Bundessozialgericht (SozR 3-2200 § 539 Nr. 6, S. 23); für die generelle Zuordnung der Pflege zur Wohlfahrtspflege Maschmann, SGb 1995, S. 381 (386). 562  Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls, d. h. ob die Pflegeperson Weisungen unterworfen ist oder ob sie die Pflege autonom mit eigener Gestaltungsfreiheit durchführt. Vgl. hierzu zwei Fälle des Bundessozialgerichts, wobei einmal eine abhängige Beschäftigung (BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 6) und einmal eine selbstständige Tätigkeit (BSGE 84, 1) angenommen wurde.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

milienrechtlichen Pflicht oder der familiären oder freundschaftlichen Gefälligkeit überschritten wird. Das ist der Fall, wenn die Pflege über die persönliche Opfer- und Zumutbarkeitsgrenze des Pflegenden hinausgeht. Maßgeblich sind das Alter, der Gesundheitszustand und die Möglichkeiten der Beteiligten, die jeweilige Familiensituation und was dem Einzelnen aus Billigkeitsgesichtspunkten zuzumuten ist.563 Nach dem Bundesgerichtshof geht die Pflege eines Schwerstbehinderten durch seine Ehefrau, die dafür ihr Studium abgebrochen und auf eigenes Einkommen und den Erwerb einer eigenen Altersversorgung verzichtet hatte, weit über das hinaus, was üblicherweise als Krankenpflege geschuldet würde.564 Eine Rechtspflicht besteht insbesondere nicht mehr gegenüber einem Schwerstbehinderten.565 Das Bundessozialgericht nahm ein Beschäftigungsverhältnis an im Fall eines Vaters, der seinen schwerbehinderten, zur Aggressivität neigenden erwachsenen Sohn „in ständiger, ganztätiger Pflegebereitschaft begleitet“ hatte.566 Allgemein gehe die Pflege dann über die familienrechtliche Beistandspflicht hinaus, wenn die Pflegeanforderungen so hoch seien, dass sie in der Regel eine berufsmäßige Pflegekraft erforderten.567 Ein Indiz für die Frage, ob die zumutbare Grenze überschritten wurde, können die Pflegestufen des § 15 SGB XI darstellen. Zwar berührt die jeweilige Pflegestufe die Pflicht zur Pflege nach dem Familienrecht grundsätzlich nicht.568 Die Betreuung eines Schwerstpflegebedürftigen der Pflege563  Ludyga,

FPR 2012, S. 54 (56). NJW 1995, S. 1486 (1488). – Festhalten lässt sich, dass nur wenige zivilrechtliche Urteile zu dieser Thematik ergangen sind. Tillmann, BG 1993, S. 108 (113), erklärt das Fehlen zivilrechtlicher Rechtsprechung mit der Hemmschwelle, einen Angehörigen oder Ehepartner auf Pflegeleistungen zu verklagen. 565  Windel, ErbR 2010, S. 241 (244). 566  BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 6, S. 20. Der Vater hatte mit dem durch einen Ergänzungspfleger vertretenen Sohn einen Arbeitsvertrag geschlossen. Das Bundessozialgericht sah darin keine unzulässige Herbeiführung von – damals für familiäre Pflege noch nicht bestehendem – Unfallversicherungsschutz, weil die im Arbeitsvertrag festgelegten Pflichten in weitem Maß über das nach dem Familienrecht Geschuldete hinausgingen. 567  BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 6, S. 23; BSGE 84, 1 (5 f.). – Maßgeblich muss jedoch sein, ob objektiv diese Grenzen überschritten werden, nicht ob die Pflege subjektiv aufgrund der persönlichen Beziehung übernommen wurde; dies betont auch Benz, BG 1987, S. 450 (457). Im Fall der Tochter, die ihren schwer pflegebedürftigen Vater pflegte (BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 134), ist aufgrund der medizinischen Fachtätigkeiten daher wohl nicht mit dem Bundessozialgericht von einer familiären Pflege auszugehen, sondern von einer selbstständigen Tätigkeit in einem Wohlfahrtspflegeunternehmen; kritisch daher zu Recht Keller, in: FS 40 Jahre Landessozialgerichtsbarkeit, S. 353 (366); Wolber, SGb 1990, S. 419 (419 ff.). 568  Ludyga, FPR 2012, S. 54 (57), warnt vor einer Überlagerung des Familienrechts durch das Sozialrecht. 564  BGH,



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff141

stufe III rund um die Uhr dürfte jedoch in der Regel über das hinausgehen, was üblicherweise von einem Familienangehörigen erwartet werden kann, und daher eine berufsmäßige Pflegeperson erfordern. c) Ergebnis: § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII als Auffangnorm für familiäre und vergleichbare Pflege Die Schaffung eines eigenen Versicherungstatbestands war erforderlich für solche Pflegepersonen, die die Pflege zur Erfüllung einer familienrechtlichen Pflicht oder aufgrund einer engen persönlichen Beziehung zum Pflegebedürftigen übernahmen.569 Für sie stellte die Pflege eine Leistung unter Verwandten dar, die nach Art, Umfang und Dauer der Tätigkeit dem entspricht, was dem Grad der familiären Beziehung nach üblich war. Ein Beschäftigungsverhältnis musste in diesen Fällen ebenso ausscheiden wie die Annahme einer selbstständigen Unternehmertätigkeit im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege.570 § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII versichert damit eine Tätigkeit im Rahmen des „grundsätzlich unversicherten privaten, familiären Lebensbereichs“571. Entsprechendes gilt, wenn die Pflege aufgrund einer anderen engen persönlichen Verbindung übernommen wurde. Die Norm ist der unechten Unfallversicherung zuzuordnen;572 eine Affinität zum Arbeitsleben573 besteht nicht.

VIII. Die Tatbestände der unechten Unfallversicherung In der unechten Unfallversicherung sind Personen versichert, die eigennützige Tätigkeiten in einem bestimmten Umfeld oder Rahmen verrichten 569  Daher wird im Zusammenhang mit § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII häufig von familiärer Pflege gesprochen bzw. die enge Verbindung zwischen dem Gepflegten und dem Pflegenden unterstrichen; vgl. beispielsweise Gitter, VSSR 1996, S. 1 (4); Krasney, in: FS Zacher, S. 407 (418); Maschmann, SGb 1995, S. 325 (325 ff.); Windel, ErbR 2010, S. 241 (241). 570  Entsprechend konnte auch keine Versicherung als Wie-Beschäftigter angenommen werden, da diese Beschäftigtenähnlichkeit im Einzelfall voraussetzt, d. h. Tätigkeiten aufgrund verwandtschaftlicher, freundschaftlicher oder nachbarschaft­ licher Beziehungen ausschließt; vgl. ausführlich oben Kapitel 1 C. II. 1. b). 571  BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 134, S. 400. 572  So auch Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Gitter / Nunius, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 7 Rn. 6; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 92; Plagemann, in: Plagemann / Radtke-Schwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 36; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 256; andere Auffassung Krasney, in: FS Zacher, S. 407 (418). 573  So aber Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 9; Mehrtens, in: BereiterHahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4.

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Kap. 1: Die unechte Unfallversicherung

(zu denken wäre hier beispielsweise an Kindergartenkinder, Schüler und Studierende, aber auch an Rehabilitanden oder an meldepflichtige Arbeitslose), daneben Personen, die zwar im privaten und damit grundsätzlich unversicherten Lebensbereich tätig werden, aber dennoch aufgrund der gesellschaftlichen Bedeutung ihrer Tätigkeit ausnahmsweise kraft Gesetzes unter Versicherungsschutz stehen (insbesondere die häuslichen Pflegepersonen, aber auch Familienangehörige, die bei Bauarbeiten im Rahmen der Selbsthilfe teilnehmen). Schließlich werden vom Begriff der unechten Unfallversicherung diejenigen Personen erfasst, deren Tätigkeit nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werden kann; dies sind diejenigen, für die häufig der Begriff einer „Tätigkeit im öffentlichen Interesse“ angeführt wird (Zeugen, Nothelfer, Blutspender, aber auch gewisse ehrenamtlich Tätige). Die unechte Unfallversicherung unterscheidet sich von der echten Unfallversicherung nicht durch die Art der Finanzierung; eine allgemeingültige Regelung, dass die echte Unfallversicherung durch Beiträge und die unechte Unfallversicherung durch Steuermitteln finanziert wird, besteht nicht.574 Ob ein Tatbestand der unechten Unfallversicherung angehört, ist daher nicht maßgeblich für die Frage, ob Beiträge gezahlt werden müssen.575 Ebenso wenig richtet sich die Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger danach, ob echte oder unechte Unfallversicherung vorliegt,576 sondern nach den gesetzlichen Regelungen der §§ 121 ff. SGB VII. Das SGB VII unterscheidet generell nicht zwischen echter und unechter Unfallversicherung, sondern trifft pauschal Regelungen für Versicherte. Es fragt sich daher, ob die Trennung zwischen echter und unechter Unfallversicherung aufrecht erhalten werden sollte. Insbesondere im Hinblick auf die Heterogenität und Uneinheitlichkeit der in der unechten Unfallversicherung versicherten Tätigkeiten erscheint es merkwürdig, sie unter einem Begriff zusammenzufassen, obwohl sie kaum etwas gemeinsam haben. Die Versicherten der unechten Unfallversicherung verrichten viele unterschied­ 574  Zur Finanzierung aus Steuermitteln als Merkmal der unechten Unfallversicherung Axer, in: Handbuch des Staatsrechts IV, § 95 Rn. 37; Bulla, SGb 2007, S. 653 (656); Gitter, BB Beilage 1998, Nr. 6, S. 1 (3); Gitter / Nunius, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 7 Rn. 61, 66; Mehrtens, in: BereiterHahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Schlegel, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 13 Rn. 3; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 252. 575  So aber Muckel / Ogorek, § 10 Rn. 11. 576  Zur Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand als Merkmal der unechten Unfallversicherung Becker, in: Sozialrechtshandbuch, § 13 Rn. 30; Bulla, SGb 2007, S. 653 (656); Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 437 f.; Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 11.



C. Unechte Unfallversicherung als G ­ egenbegriff143

liche Tätigkeiten, sind also nicht nur nicht im Interesse der Allgemeinheit tätig, wie angenommen wird,577 sondern oftmals sogar lediglich in ihrem eigenen Interesse. Dennoch besteht eine Gemeinsamkeit aller Tatbestände der unechten Unfallversicherung. Die ihr zugehörigen Personengruppen werden weder im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses tätig, noch üben sie eine mit der beschäftigter Personen vergleichbare Tätigkeit aus. Der Begriff der unechten Unfallversicherung beschreibt damit diejenigen Tatbestände, die nicht als konsequente Weiterentwicklung der Beschäftigtenversicherung angesehen werden können. Damit ermöglicht ein Festhalten an den Begriffen von echter und unechter Unfallversicherung eine Systematisierung der Versicherungstatbestände und zeigt diejenigen auf, die in keinem Zusammenhang mit der abhängigen Arbeit als Grundtatbestand nicht nur der Unfall-, sondern der Sozialversicherung im Allgemeinen stehen. Die Unfallversicherung lässt sich damit in drei Teilbereiche aufteilen: In die Unternehmerunfallversicherung als genossenschaftliche, auf versicherungsrechtlicher Grundlage aufgebaute Eigenhilfe, die echte Unfallversicherung der Beschäftigten und Beschäftigtenähnlichen, und die unechte Unfallversicherung, in der alle diejenigen Versicherten zusammengefasst werden, die zwar nicht mit den Beschäftigten vergleichbar sind, vom Gesetzgeber jedoch als ähnlich schutzwürdig angesehen und daher ebenfalls unter Versicherungsschutz gestellt wurden.

577  Zur Tätigkeit im Interesse der Allgemeinheit als Merkmal der unechten Unfallversicherung Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 9; Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 3.

Kapitel 2

Die Haftungsbeschränkung in den Fällen der unechten Unfallversicherung Die Unfallversicherung wurde geschaffen mit dem Ziel, der arbeitenden Bevölkerung einen angemessenen Schutz vor den Folgen von Arbeitsunfällen zu bieten. Dabei sollte insbesondere auch die Beziehung zwischen den Arbeitern und Arbeitgebern nicht durch Schadensersatzprozesse gefährdet werden, weswegen man sich für die Schaffung einer öffentlich-rechtlichen Sozialversicherung und gegen eine Verschärfung der zivilrechtlichen Haftung der Unternehmer entschied.1 Entsprechend konnten die Arbeiter und ihre Hinterbliebenen nach § 95 Abs. 1 UVG nur dann einen Schadensersatzanspruch gegen den Unternehmer geltend machen, wenn durch ein strafgerichtliches Urteil festgestellt worden war, dass dieser den Unfall vorsätzlich verursacht hatte. Diese Regelung findet sich heute in § 104 SGB VII wieder. Danach sind Unternehmer den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt haben.2 § 105 SGB VII erweitert den Anwendungsbereich der Haftungsbeschränkung auf die Haftung mehrerer betrieblich Tätiger untereinander (§ 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII), auf die Haftung betrieblich Tätiger gegenüber nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 versicherungsfreien Personen (§ 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII) sowie gegenüber nicht versicherten Unternehmern (§ 105 Abs. 2 SGB VII). § 106 ordnet schließlich eine entsprechende Anwendung der §§ 104 und 105 SGB VII an in bestimmten Bildungseinrichtungen (§ 106 Abs. 1 SGB VII), im Rahmen der Pflege (§ 106 Abs. 2 SGB VII) sowie bei gemeinsamem Tätigwerden von Versicherten mehrerer Unternehmen (§ 106 Abs. 3 SGB VII). Das SGB VII trennt nicht zwischen den Tatbeständen der echten und der unechten Unfallversicherung, sondern ordnet grundsätzlich3 für alle Versi1  Ausführlich 2  § 104

zur Entstehung der Unfallversicherung oben Kapitel 1 C. I. 1. Abs. 1 S. 1 SGB VII.



A. Verfassungsmäßigkeit der Haftungsbeschränkung145

cherten dieselben Rechtsfolgen an. Daher gelten auch die Regelungen über die Haftungsbeschränkung zunächst uneingeschränkt für die Fälle der unechten Unfallversicherung. Da der Gesetzgeber bei ihrer Schaffung jedoch das Verhältnis zwischen dem Beschäftigten und dem gewerblichen Unternehmer bzw. mehrerer Beschäftigter untereinander im Blick hatte, stellt sich die Frage, ob die Regelungen über die Haftungsbeschränkung uneingeschränkt auf die unechte Unfallversicherung übertragen werden können. 3

Problematisch erscheint die Übertragung der Haftungsbeschränkung insbesondere im Hinblick auf die große Vielfalt der in der unechten Unfallversicherung versicherten Personengruppen. Das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, für das die Regelungen geschaffen wurden, ist nicht zwingend und in jedem Fall vergleichbar mit dem Verhältnis der Versicherten der unechten Unfallversicherung zum jeweiligen Unternehmer. Die einzelnen Tatbestände der unfallversicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkung sind daher daraufhin zu untersuchen, ob sie nicht nur im Verhältnis zwischen Beschäftigtem und gewerblichem Unternehmer, sondern auch in den vielgestaltigen Fällen der unechten Unfallversicherung zu überzeugen vermögen. Hierzu ist zunächst die Frage zu klären, ob die Beschränkung der Haftung außerhalb des Arbeitslebens überhaupt verfassungsrechtlich zulässig ist, oder ob hier im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG die zivilrechtliche Haftung hätte beibehalten werden müssen. Danach ist zu untersuchen, inwieweit die auf das Beschäftigungsverhältnis zugeschnittenen Regelungen auf die einzelnen anderen Versicherungstatbestände einheitlich angewandt werden können.

A. Verfassungsmäßigkeit der Haftungsbeschränkung in der unechten Unfallversicherung Nach den Vorschriften der §§ 104 ff. SGB VII beschränkt sich die Haftung des Schädigers auf die vorsätzliche Herbeiführung eines Versicherungsfalls und auf die Herbeiführung auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg. Die unfallversicherungsrechtliche Haftungsbeschränkung bezieht sich damit auf alle Haftungsgründe des bürgerlichen 3  § 13 SGB VII trifft beispielsweise eine Ausnahme für im öffentlichen Interesse Tätige hinsichtlich des Ersatzes von Sachschäden. Während die Unfallversicherung grundsätzlich nur bei Personenschäden Leistungen gewährt, können den nach § 2 Abs. 1 Nr. 11 lit. a, Nr. 12 und Nr. 13 lit. a und c SGB VII Versicherten auf Antrag auch Schäden, die infolge einer der dort genannten Tätigkeiten an in ihrem Besitz befindlichen Sachen entstanden sind, sowie die Aufwendungen, die sie den Umständen nach für erforderlich halten durften, ersetzt werden, soweit kein anderweitiger öffentlich-rechtlicher Ersatzanspruch besteht (§ 13 S. 1 SGB VII).

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

Rechts. Sie schließt die Geltendmachung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche größtenteils aus und verweist den Geschädigten auf die Leistungen aus der Unfallversicherung. Ausgeschlossen sind die zivilrechtlichen Ansprüche selbst dann, wenn die Leistungen aus der Unfallversicherung hinter dem zurückbleiben, was zivilrechtlich hätte beansprucht werden können, oder wenn die Unfallversicherung den entsprechenden Schaden überhaupt nicht ausgleicht. Verfassungsrechtlich bedenklich ist dieser vollständige Ausschluss insbesondere im Hinblick auf den Anspruch auf Schmerzensgeld aus § 253 Abs. 2 BGB, der ebenfalls von den §§ 104 ff. SGB VII erfasst ist.4 Während nach den Regeln des Zivilrechts bei der Verletzung des Körpers und der Gesundheit stets auch eine billige Entschädigung für immaterielle Schäden verlangt werden kann, fehlt ein entsprechender Anspruch im Leistungskatalog des SGB VII. Aus diesem Grund wird die Verfassungsmäßigkeit der unfallversicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkung seit vielen Jahren diskutiert. Der Ausschluss des Schmerzensgeldanspruchs betrifft die echte und die unechte Unfallversicherung gleichermaßen. Abgesehen von § 106 Abs. 1 und 2 SGB VII, der sich auf einzelne Versicherungstatbestände bezieht, differenzieren die Regelungen über die unfallversicherungsrechtliche Haftungsbeschränkung nicht nach dem Grund der Versicherung, sondern beziehen sich auf alle Versicherten gleichermaßen (§ 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII: „den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen“) oder beschränken sich zumindest nicht ausdrücklich auf Beschäftigte (§ 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII: „Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursachen“; § 106 Abs. 3 SGB VII: „der für die beteiligten Unternehmen Tätigen“).5 Daher stellt sich die Frage der Verfassungsmäßigkeit auch im Rahmen der unechten Unfallversicherung.

4  Dass der Anspruch auf Schmerzensgeld der unfallversicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkung umfasst ist, ist heute allgemein anerkannt; vgl. dazu statt Vieler Fuchs, in: FS Gitter, S. 253 (256); Gitter, in: FS Sieg, S. 139 (145); Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 37 mit Fn. 117; Mehrtens, in: BereiterHahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Anm. 15.2. Auch der Bundesgerichtshof geht von einem Ausschluss des Schmerzensgeldanspruchs aus; vgl. BGH, NJW 2009, S. 2956 (2957). 5  Dennoch können einzelne Tatbestände der unechten Unfallversicherung aus dem Anwendungsbereich der jeweiligen Vorschrift herausfallen. Vgl. für § 104 SGB VII unten Kapitel 2 B. III., für § 105 SGB VII unten Kapitel 2 C. I., für § 106 Abs. 3 SGB VII unten Kapitel 2 D. III.



A. Verfassungsmäßigkeit der Haftungsbeschränkung147

I. Die Rechtsprechung von Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof zur Verfassungsmäßigkeit der unfall­versicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkung 1. Die grundlegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1972 Das Bundesverfassungsgericht hatte sich bereits im Jahr 1972 mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der unfallversicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkung befasst.6 Anlass waren mehrere Vorlagebeschlüsse und eine Verfassungsbeschwerde gewesen. Die Kläger und der Beschwerdeführer waren bei Tätigkeiten als Beschäftigte bzw. als Auszubildender schwer verletzt worden und hatten nun von ihren Arbeitgebern oder von beteiligten Arbeitskollegen und Ausbildern Schmerzensgeld gefordert. Das Bundesverfassungsgericht bejahte die Verfassungsmäßigkeit der Haftungsbeschränkung mit der folgenden Argumentation: Zwar werde „ein Arbeitnehmer, der durch einen vom Arbeitgeber fahrlässig oder grob fahrlässig verursachten Arbeitsunfall einen Personenschaden erleidet, (…) anders behandelt als jemand, dem von einem anderen rechtswidrig und schuldhaft ein Personenschaden zugefügt wird“, da der Arbeitnehmer aufgrund der Haftungsbeschränkung keinen Anspruch auf Ersatz seines immateriellen Schadens habe.7 Diese Ungleichbehandlung sei jedoch gerechtfertigt, da sie nicht isoliert betrachtet werden dürfe. Der Haftungsausschluss sei vielmehr im Zusammenhang mit dem Leistungssystem der Unfallversicherung zu sehen, da dieses „an die Stelle der ausgeschlossenen zivilrechtlichen Ersatzansprüche wegen Personenschäden getreten ist“.8 Das Deliktsrecht sei schon nicht mit dem Unfallversicherungsrecht vergleichbar, da ihm „der soziale Schutzgedanke des Unfallversicherungsrechts fremd“ sei, weswegen beide Systeme für sich betrachtet werden müssten.9 Ferner sei die Ungleichbehandlung durch sachliche Gründe gerechtfertigt, insbesondere durch die alleinige Finanzierung der Unfallversicherung durch den Unternehmer, durch das Ziel der Wahrung des Betriebsfriedens sowie dadurch, dass dem Arbeitnehmer mit dem Unfallversicherungsträger ein liquider Schuldner zur Verfügung gestellt würde.10 Schließlich werde der von der Unfallversicherung zu ersetzende Schaden abstrakt berechnet, weswegen 6  BVerfGE

34, 118. 34, 118 (128). 8  BVerfGE 34, 118 (129). 9  BVerfGE 34, 118 (130 f.). 10  BVerfGE 34, 118 (132). 7  BVerfGE

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

zumindest bei leichten und mittelschweren Unfällen die immateriellen Schäden weitgehend ausgeglichen würden.11 2. Bestätigung dieser Rechtsprechung in den folgenden Jahren 1995 äußerte sich das Bundesverfassungsgericht erneut zur Verfassungsmäßigkeit der unfallversicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkung.12 Einem Arbeitnehmer, der infolge eines von einem Arbeitskollegen verursachten Arbeitsunfalls querschnittsgelähmt war, war unter Hinweis auf die unfallversicherungsrechtliche Haftungsbeschränkung in mehreren gerichtlichen Entscheidungen Prozesskostenhilfe für eine auf Schmerzensgeld gerichtete Klage gegen den Schädiger versagt worden. Gegen diese Entscheidungen hatte er Verfassungsbeschwerde eingelegt. Das Bundesverfassungsgericht legte dar, die Rechtslage habe sich durch das Rentenreformgesetz aus dem Jahr 1992 zugunsten Schwerverletzter geändert. Schwerverletzte erhielten inzwischen eine höhere Gesamtrente als Leichtverletzte mit demselben früheren Bruttoverdienst.13 Damit werde auch bei Schwerstverletzten zumindest ein Teil des immateriellen Schadens durch die Gesamtrente ausgeglichen, weswegen die 1972 in der Entscheidung zugunsten der Verfassungsmäßigkeit der Haftungsbeschränkung angeführten Gründe „heute sinngemäß auch für Schwerstverletzte“ zuträfen.14 Das Bundesverfassungsgericht nahm die Beschwerde daher nicht zur Entscheidung an. Diese Rechtsauffassung bekräftigte das Bundesverfassungsgericht schließlich in einem weiteren Nichtzulassungsbeschluss vom 27. Februar 2009.15 Anlass war die abgewiesene Schadensersatzklage eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber, die das Bundesarbeitsgericht nicht zur Revision zugelassen hatte. Gegen diese Nichtzulassung hatte der Verletzte Verfas11  BVerfGE

34, 118 (132 ff.). SozR 3-2200 § 636 Nr. 1. 13  Hintergrund war der Erlass des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl. I 1989, S. 2261 ff.). Dadurch änderte sich die Rechtslage bei Zusammentreffen einer Verletztenrente und einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Obwohl zwar noch immer der einen bestimmten Grenzbetrag übersteigende Betrag der Rente aus der Rentenversicherung nicht ausgezahlt wurde, blieb nunmehr ein Freibetrag in Höhe des Betrags, der als Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) geleistet würde, unberücksichtigt. Um diese Summe konnte daher die Gesamtrente den letzten Nettoverdienst übersteigen. – Vgl. zu näheren Einzelheiten Gitter, BB Beilage 1998, Nr. 6, S. 1 (12 f.). 14  BVerfG, SozR 3-2200 § 636 Nr. 1, S. 2. 15  BVerfGK 15, 156. 12  BVerfG,



A. Verfassungsmäßigkeit der Haftungsbeschränkung149

sungsbeschwerde erhoben. Das Bundesverfassungsgericht kritisierte zwar die Nichtzulassung durch das Bundesarbeitsgericht,16 nahm die Verfassungsbeschwerde aber dennoch nicht an. Es habe sich mit den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII befasst und sie nicht für durchgreifend erachtet. Die Gründe, die das Bundesverfassungsgericht hierfür in früheren Entscheidungen angeführt habe, seien nach wie vor tragfähig.17 3. Verfassungsmäßigkeit der Haftungsbeschränkung gegenüber Kindergartenkindern nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Der Bundesgerichtshof hatte ebenfalls im Jahr 2009 in einer anderen Konstellation über die Vereinbarkeit des § 104 Abs. 1 SGB VII mit Art. 3 Abs. 1 GG zu befinden.18 Ein Kind war während des Besuchs eines Kindergartens mit bleibenden Folgen am Auge verletzt worden und klagte nun gegen die Stadt als Betreiber des Kindergartens auf Schmerzensgeld. Der Bundesgerichtshof sah den Haftungsausschluss „jedenfalls für die hier in Rede stehenden Unfälle im Kindergartenbereich“19 unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als verfassungsgemäß an und verneinte daher den Anspruch. Die Stärkung des Schmerzensgeldanspruches durch das Zweite Schadenrechtsänderungsgesetz20 habe nichts daran geändert, dass das bürgerlich-rechtliche Schadensersatzrecht und die gesetzliche Unfallversicherung unterschiedliche Ordnungssysteme seien. Weiterhin komme den Unfallversicherten „nach wie vor der Vorteil zugute, dass ihnen stets ein leistungsfähiger Schuldner gegenübersteht, der in der Lage ist, schnell und wirksam die erforderlichen Maßnahmen zu treffen“.21 Ferner sei zu berücksichtigen, dass allein der Unternehmer, d. h. 16  Das Bundesarbeitsgericht hatte die Revision mit der Begründung nicht zugelassen, die Frage der Verfassungsmäßigkeit einer streitentscheidenden Norm könne von vornherein kein Grund für die Zulassung sein. Dies sah das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf das Grundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz als „verfassungsrechtlich bedenklich“ an (BVerfGK 15, 156 (156 f.)). 17  BVerfGK 15, 156 (160). 18  BGH, NJW 2009, S. 2956. 19  BGH, NJW 2009, S. 2956 (2957). 20  Zweites Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002, BGBl. I 2002, S. 2624 ff. – Durch dieses Gesetz wurde die Vorschrift des § 253 Abs. 2 BGB neu geschaffen, nach der nicht mehr nur bei der Deliktshaftung, sondern nun auch bei der verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung und der Vertragshaftung ein Anspruch auf Schmerzensgeld besteht. 21  BGH, NJW 2009, S. 2956 (2958).

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

im Fall des Kindergartens der Sachkostenträger, die Aufwendungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu tragen habe und die damit einhergehende Haftungsersetzung für ihn das Unfallrisiko kalkulierbar mache. Schließlich decke die Unfallversicherung Haftungslücken ab, indem sie einen verschuldensunabhängigen Anspruch gewähre, da „aus den spezifischen Gefahren des Kindergartenbetriebs resultierende Personenschäden“ nicht immer auf ein schuldhaftes Verhalten der Aufsichtspersonen zurückgeführt werden könnten.22

II. Zustimmung und Kritik in der Literatur Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird in weiten Teilen der Literatur gefolgt.23 Würde man dem Verletzten einen Anspruch auf Schmerzensgeld gewähren, werde „für einen umfangmäßig unbedeutenden Anspruch die bezweckte Wirkung des Haftungsausschlusses, nämlich die Verhinderung von Prozessen und die dadurch bedingte Vermeidung einer Störung des Betriebsfriedens, durchbrochen“.24 Das Unfallversicherungssystem gewähre einen umfassenden sozialen Schutz bei Arbeits- und Wegeunfällen, „weswegen man gewisse Nachteile, die in Einzelfällen auftreten können, in Kauf nehmen“ müsse.25 Angesichts der angeführten Entscheidungen sei die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Einbeziehung des Schmerzensgeldanspruchs in den Haftungsausschluss geklärt.26 Dennoch findet die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Schmerzensgeldausschlusses bis heute keine Ruhe. War die Vereinbarkeit der Regelung mit Art. 3 Abs. 1 GG schon vor Erlass des ersten Urteils des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 197227 bezweifelt worden,28 mehren sich insbesondere seit Erweiterung des Schmerzensgeldanspruchs durch das Zweite Scha22  BGH,

NJW 2009, S. 2956 (2958). beispielsweise Däubler, JuS 1986, S. 425 (428); Fuchs, in: FS Gitter, S. 253 (256), der die Regelung dennoch kritisiert; Gitter, SGb 1973, S. 356 (356); Gitter, in: FS Sieg, S. 139 (148); Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Rn. 18; Krasney, NZS 2004, S. 7 (8); Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 37; Mehrtens, in: BereiterHahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Anm. 3.4 und 15.2; Muckel  / ​ Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 88; Rolfs, Versicherungsprinzip, S.  466 f.; Rolfs / ​Dieckmann, VersR 2010, S. 296 (299); Tischendorf, VersR 2002, S. 1188 (1188); Waltermann, Sozialrecht, Rn. 309. 24  Gitter, in: FS Sieg, S. 139 (146). 25  Gitter, SGb 1973, S. 356 (357). 26  Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 37. 27  BVerfGE 34, 118. 28  Sieg, SGb 1972, S. 41 (41 ff.). 23  Vgl.



A. Verfassungsmäßigkeit der Haftungsbeschränkung151

denrechtsänderungsgesetz29 die Stimmen, die sich für eine Verfassungswidrigkeit der Norm aussprechen.30 Durch dieses Gesetz wurde die Vorschrift des § 253 Abs. 2 BGB neu geschaffen; seitdem besteht ein Anspruch auf Schmerzensgeld nicht mehr nur bei der Deliktshaftung,31 sondern auch bei der verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung und der Vertragshaftung.32 Indem der Schmerzensgeldanspruch damit „zu einem regulären Anspruch im Schadensersatzrechtsystem des Bürgerlichen Gesetzbuchs erstarkt“ ist,33 hat das Schmerzensgeld zunehmend an Bedeutung gewonnen. Zusätzlich dazu stieg über die Jahre die Höhe der gezahlten Schmerzensgelder beträchtlich an,34 weswegen die Differenz zwischen den Leistungen aus der Unfallversicherung und dem, was zivilrechtlich hätte gefordert werden können, wieder größer wurde. Die Kritiker führen zudem an, dass sich der Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts seit der ersten Entscheidung im Jahr 1972 geändert habe. Nach der traditionellen Willkürformel des BVerfG lag ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG bei willkürlicher Ungleichbehandlung von wesent29  Zweites Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, BGBl. I 2002, S.  2624 ff. 30  Bogs, in: FS Gitter, S. 123 (129); Brose, RdA 2001, S. 205 (219); Ebert, jurisPR-BGHZivilR 14 / 2009, Anm. 2; Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 413; Fuhlrott, NZS 2007, S. 237 (242); Griese, in: FS Küttner, S. 165 (170 ff.); Richardi, NZA 2002, S. 1004 (1009); Schwab, AiB 2004, S. 770 (771); kritisch auch Ebers, NJW 2003, S. 2655 (2656 f.). 31  Vor Einführung des § 253 Abs. 2 BGB sah § 847 BGB a. F. einen Anspruch auf Schmerzensgeld bei der Haftung aus Delikt vor. § 847 BGB lautete: „(1) Im Falle der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit sowie im Falle der Freiheitsentziehung kann der Verletzte auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangen. (2) Ein gleicher Anspruch steht einer Frauensperson zu, gegen die ein Verbrechen oder Vergehen wider die Sittlichkeit begangen oder die durch Hinterlist, durch Drohung oder unter Missbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses zur Gestattung der außerehelichen Beiwohnung bestimmt wird.“ 32  Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14 / 7752, S. 14) war Zweck der Einführung von § 253 Abs. 2 BGB, „die Diskrepanz zu schließen, die nach der derzeitigen Rechtslage zwischen Fällen der außervertraglichen Verschuldenshaftung auf der einen Seite und Fällen der Gefährdungshaftung und der Vertragshaftung auf der anderen Seite besteht“. 33  Fuhlrott, NZS 2007, S. 237 (242). 34  Brose, RdA 2011, S. 205 (219); Fuhlrott, NZS 2007, S. 237 (240); vgl. zur Tendenz der Rechtsprechung, höhere Schmerzensgeldsummen zuzubilligen, auch OLG Köln, VersR 1992, 1013; OLG Köln, VersR 1995, 549. – Während beispielsweise bis zum Jahr 1979 die Grenze der Schmerzensgelder bei umgerechnet 50.000 Euro lag, wurde schon 2001 die Summe von umgerechnet einer halben Million Euro gewährt (Beispiele nach Jaeger, in: VersR 2009, S. 159 (159), siehe dort auch zur weiteren Entwicklung).

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

lich Gleichem vor.35 Willkürlich war eine Ungleichbehandlung, wenn sich für sie keine vernünftigen Erwägungen oder sachlichen Gründe finden ließen.36 Nach der nunmehr verwendeten so genannten neuen Formel liegt dagegen eine Verletzung des Gleichheitsgebotes vor, „wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten“.37 Die „neue Formel“ erfordert damit eine Abwägung im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. Die Ungleichbehandlung der Versicherten einerseits und der anderen Geschädigten andererseits sei daher nunmehr „der schärferen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterstellen“.38

III. Vereinbarkeit des Haftungsausschlusses mit dem allgemeinen Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG Auffällig ist zunächst, dass sich die Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit der Haftungsbeschränkung bis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs zur Haftungsbeschränkung im Kindergarten39 und wenige Aufsätze40 auf die Haftung eines Arbeitgebers gegenüber einem Arbeitnehmer beschränkt. Nur gelegentlich findet sich ein Hinweis darauf, dass der Kreis der betroffenen Personen weit über diese hinausgeht.41 Dass die Haftungsbeschränkung nicht auf Personen beschränkt ist, die in einem abhängigen Beschäftigtenverhältnis stehen oder mit diesen vergleichbar sind, zeigt jedoch schon die Vorschrift des § 106 Abs. 1 und 2 SGB VII. Daher betrifft der Ausschluss des Schmerzensgeldanspruchs die Versicherten der unechten Unfallversicherung ebenso wie die Versicherten der echten Unfallversicherung. Fraglich ist auch hier, ob die Haftungsbeschränkung gerechtfertigt ist; dies ist – dem 35  BVerfGE

49, 148 (165). 1, 14 (52). 37  BVerfGE 55, 72 (88 ff.). 38  Fuhlrott, NZS 2007, S.  237 (241). – Das Bundesverfassungsgericht hatte selbst darauf hingewiesen (BVerfGE 34, 118 (131)), dass es nicht zu entscheiden habe, „ob die gegenwärtige Regelung des Unfallversicherungsrechts die gerechteste und zweckmäßigste Lösung darstellt“. Stattdessen habe sich die Prüfung darauf zu beschränken, „ob der Gesetzgeber gegen das Willkürverbot verstoßen hat“. 39  BGH, NJW 2009, S. 2956. 40  Insbesondere die Anmerkung zum eben genannten Urteil von Ebert, jurisPRBGHZivilR 14 / 2009, Anm. 2; außerdem noch Ebers, NJW 2003, S. 2655; Rolfs  / ​ Dieckmann, VersR 2010, S. 296. 41  So beispielsweise bei Sieg, SGb 1972, S. 41 (43); andeutend auch Gitter, SGb 1973, S. 356 (358). 36  BVerfGE



A. Verfassungsmäßigkeit der Haftungsbeschränkung153

Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts folgend – anhand der neuen Formel zu ermitteln, d. h. im Wege einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. 1. Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem a) Ersatz von Personenschäden nach zivilrechtlichen Regeln Grundlegende Norm des zivilrechtlichen Schadensersatzrechts ist § 249 Abs. 1 BGB. Danach hat, wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Der Vorschrift lassen sich zwei Prinzipien entnehmen: Zum einen ist der hypothetische schadensfreie Zustand „ohne alle Abstriche“42 herzustellen (Grundsatz der Totalreparation). Zum anderen meint der Gesetzgeber mit der Herstellung des Zustandes, wie sich insbesondere aus den §§ 250 ff. BGB ergibt, eine Herstellung in Natur (Restitutionsprinzip).43 Aus dem Grundsatz der Totalreparation folgt, dass die Höhe des Schadens konkret zu berechnen ist. Zu ersetzen ist der Schaden, der im einzelnen Fall eingetreten ist. Bei Personenschäden besteht die Naturalrestitution zunächst grundsätzlich in der Heilbehandlung, wobei sich das Maß des Geschuldeten nach dem medizinisch Gebotenen richtet.44 Zu ersetzen sind alle wirklich angefallenen Kosten der Heilbehandlung45 inklusive eventueller Nebenkosten bei stationärer Behandlung46 und Kosten zur Sicherung der 42  Schiemann,

in: Staudinger, BGB, § 249 Rn. 1. Naturalrestitution ist der Regelfall; die Möglichkeit nach § 249 Abs. 2 BGB, statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag zu leisten, ist lediglich eine „Spielart“ der Herstellung (Schiemann, in: Staudinger, BGB, § 249 Rn. 1). Geldersatz ist nur in den vom Gesetz ausdrücklich genannten Fällen geschuldet. Insbesondere bewahrt § 251 Abs. 2 BGB den Schuldner davor, eine Naturalrestitu­ tion auch bei unverhältnismäßig großem Aufwand vornehmen zu müssen. 44  Bei Personenschäden wird der Geschädigte typischerweise nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB den für die Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen. Dabei hat ein Kassenpatient ausnahmsweise einen Anspruch auf Erstattung der Kosten einer privatärztlichen Behandlung, wenn das Leistungssystem der gesetzlichen Kranken­ versicherung dem Geschädigten nur unzureichende Möglichkeiten zur Schadensbeseitigung bietet oder die Inanspruchnahme dem Geschädigten aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise nicht zugemutet werden kann (BGHZ 160, 26 (30); zustimmend Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, Rn. 230; Oetker, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 249 Rn. 323; Schubert, in: Beck’scher Online-Kommentar BGB, § 249 Rn. 195; Teichmann, in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, § 249 Rn. 3). 45  Nicht zu ersetzen sind dagegen fiktive Kosten einer erforderlichen, aber nicht in Anspruch genommenen Heilbehandlung; vgl. BGHZ 97, 14 (18 ff.). 46  So hat der Bundesgerichtshof beispielsweise Kosten für die Besuche naher Angehöriger als erstattungsfähig angesehen, soweit sie sich in einem angemessenen 43  Die

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

Dauerhaftigkeit des Heilerfolgs47. Kann der Verletzte in seinem bisherigen Beruf nicht mehr arbeiten, sind die Kosten einer Umschulung zu erstatten, wenn sie „bei verständiger Beurteilung der Erfolgsaussichten und ihres Verhältnisses zu den ohne solche Maßnahmen zu erwartenden Einbußen des Verletzten, insbesondere zur Abwendung eines Verdienstausfallschadens, objektiv sinnvoll erscheint“.48 Nach § 252 BGB ist auch der entgangene Gewinn zu ersetzen.49 Dazu gehört der Verlust von Erwerbseinkommen jeglicher Art und von Vermögensvorteilen, die im Zusammenhang mit der Verwertung der Arbeitskraft stehen, sowie durch den Ausfall der Arbeitskraft verursachte wirtschaft­ liche Nachteile.50 Aufgrund der Zukunftsdimension51 des Erwerbsschadens ist hier die Berechnung oft schwierig. Da der Schaden möglichst individuell52 zu berechnen ist, ist eine konkrete Prognose des hypothetischen Erwerbslebens erforderlich. Dies setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs „hinreichende Anhaltspunkte“ dafür voraus, wie sich die ErRahmen halten und nach ärztlicher Auffassung für die Heilung zweckmäßig sind; vgl. beispielsweise BGHZ 106, 28 (29 f.); BGH, NJW 1990, S. 1037 (1037); BGH, NJW 1991, S. 2340 (2341); siehe zu einzelnen Beispielen Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, Rn. 238. 47  Darunter fallen insbesondere Kurkosten oder die Kosten für Hilfsmittel wie Brillen oder Rollstühle; vgl. ausführlicher und mit weiteren Nachweisen Oetker, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 249 Rn. 388 ff. 48  BGH, NJW 1987, S. 2741 (2741); ähnlich BGH, NJW 1982, S. 1638 (1638). 49  Die Vorschrift hat dabei jedoch lediglich klarstellende Bedeutung und „verwirklicht (…) den Grundsatz des vollen Schadensausgleichs, der sich aus § 249 BGB ergibt“ (BGHZ 98, 212 (219)). 50  Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, Rn. 41 ff., mit weiteren Nachweisen und Beispielen. – Nach § 6 Abs. 1 EFZG geht der Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers auf den Arbeitgeber über, soweit dieser dem Arbeitnehmer nach § 3 EFZG Arbeitsentgelt fortgezahlt und darauf entfallende vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit, Arbeitgeberanteile an Beiträgen zur Sozialversicherung und zur Pflegeversicherung sowie zu Einrichtungen der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung abgeführt hat. 51  Schiemann, in: Staudinger, BGB, § 252 Rn. 33. 52  D. h. anders als in der Unfallversicherung erfolgt die Berechnung nicht abstrakt nach im Voraus festgelegten Werten. Daher ist es auch nicht sauber, im Rahmen von § 252 BGB von einer abstrakten Schadensberechnung zu sprechen (so aber Grüneberg, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 252 Rn. 6; wie hier Schiemann, in: Staudinger, BGB, § 252 Rn. 21). Der zu ersetzende entgangene Gewinn wird konkret anhand der Umstände des Einzelfalls berechnet, wobei es „der Darlegung konkreter Anhaltspunkte für die Schadensermittlung bedarf“ (BGH, NJW 1993, S. 2673 (2673). Der Schaden liegt auch beim Ersatz entgangenen Gewinns „nicht im Wegfall oder der Minderung der Arbeitskraft als solcher, sondern setzt voraus, daß sich dieser Ausfall oder die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit sichtbar im Erwerbsergebnis konkret ausgewirkt hat“ (BGH, NJW 1995, S. 1023 (1024)).



A. Verfassungsmäßigkeit der Haftungsbeschränkung155

werbstätigkeit des Verletzten „ohne das Unfallereignis voraussichtlich entwickelt hätte“.53 Nach § 253 Abs. 2 BGB kann bei Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung auch wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden. Dieses Schmerzensgeld hat eine Doppelfunktion: Es soll zum einen dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für die erlittenen Nichtvermögensschäden bieten. Zum anderen soll es „dem Gedanken Rechnung tragen, daß der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet“.54 b) Leistungen der Unfallversicherung nach Eintritt eines Versicherungsfalls Erleidet ein in der gesetzlichen Unfallversicherung Versicherter einen Versicherungsfall, stehen ihm die Leistungen nach den §§ 26 ff. SGB VII zu. Dies umfasst nach § 26 Abs. 1 S. 1 SGB VII Ansprüche auf Heilbehandlung einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation55, auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben56 und am Leben in der Gemeinschaft, auf ergänzende Leistungen57, auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit58 sowie auf Geldleistungen59. Dabei haben die Unfallversicherungsträger „mit allen geeigneten Mitteln“60 die in § 26 Abs. 2 SGB VII genannten 53  BGH,

NJW 1995, S. 1023 (1024). der Bundesgerichtshof grundlegend in BGHZ 18, 149 (154). 55  §§ 27 ff. SGB VII. – Ansprüche auf Heilbehandlung und medizinische Rehabilitation bestehen auch in der gesetzlichen Krankenversicherung. § 11 Abs. 5 SGB V schreibt einen Vorrang der Unfallversicherung vor, indem nach dem SGB V kein Anspruch auf Leistungen besteht, wenn sie als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind. 56  § 35 SGB VII. 57  §§  39 ff. SGB  VII. 58  § 44 SGB VII. – Dabei haben die Ansprüche gegen den Unfallversicherungsträger Vorrang vor denjenigen aus der Pflegeversicherung (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX). 59  §§ 45 ff., 56 ff. SGB VII. – Nach § 26 Abs. 3 SGB VII haben die Leistungen zur Heilbehandlung und zur Rehabilitation Vorrang vor Rentenleistungen („Reha statt Rente“). Hintergrund ist die Priorität der Wiederherstellung der Gesundheit des Geschädigten: Der Verletzte soll möglichst schnell wieder zur eigenständigen Sicherung seiner Existenz in der Lage sein; zudem werden die Versicherungsträger in der Regel durch Rehabilitationsmaßnahmen finanziell weniger belastet (Muckel / Ogorek, § 10 Rn. 69). 60  §§ 1, 26 Abs. 2 SGB VII. – Der Leistungsrahmen der gesetzlichen Unfallversicherung ist weiter als der der anderen Zweige der Sozialversicherung. Die Leistungen der Krankenversicherung sind auf eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaft­ 54  So

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

Ziele zu verwirklichen. Für Leistungen zur Heilbehandlung und Teilhabe gilt das Sach- und Dienstleistungsprinzip, d. h. sie werden dem Versicherten vom Träger der Unfallversicherung in Natur zur Verfügung gestellt.61 Dies geschieht in der Regel durch Dritte als Leistungserbringer,62 wobei der Unfallversicherungsträger stets die Verantwortung für die Durchführung der Heilbehandlung trägt.63 Voraussetzung des Anspruchs auf eine Verletztenrente ist nach § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 % für eine Dauer von mehr als 26 Wochen. Erwerbsfähigkeit ist die Fähigkeit des Versicherten, sich unter Ausnutzung der Arbeitsgelegenheiten, die sich ihm nach seinen gesamten Kenntnissen und körperlichen wie geistigen Fähigkeiten im Bereich des wirtschaftlichen Lebens bieten, einen Erwerb zu verschaffen.64 Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, d. h. nicht nur im bisherigen Beruf und Arbeitsumfeld des Verletzten.65 liche Versorgung ausgerichtet und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§ 12 Abs. 1 SGB V). Für die berufliche Rehabilitation in der Rentenversicherung gelten die Gebote der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 13 SGB VI). – Einzelheiten und Beispiele zu den Unterschieden des Leistungsumfangs der Unfallversicherung und der Krankenversicherung bei Keller, SGb 2000, S. 459 (461 ff.). 61  § 26 Abs. 4 S. 2 SGB VII. – Leistungen zur Heilbehandlung und Teilhabe „werden als Dienst- und Sachleistungen zur Verfügung gestellt, soweit dieses oder das Neunte Buch keine Abweichungen vorsehen“. – Beispiele für eine Abweichung vom Sach- und Dienstleistungsprinzip ergeben sich beispielsweise aus den §§ 40, 41, 44 Abs. 5 SGB VII oder aus den §§ 9 Abs. 2, 15 SGB IX. 62  Die Heilbehandlung kann beim Hausarzt des Verletzten (allgemeine Heilbehandlung) oder, wenn dies nach Art und Schwere der Verletzungen erforderlich ist, bei speziell geschulten Fach- oder Unfallärzten (besondere Heilbehandlung) durchgeführt werden; vgl. näher zur Durchführung der Heilbehandlung und den besonderen Verfahrensarten Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 34 Rn. 3 ff.; Schmitt, Kommentar SGB VII, § 34 Rn. 3 ff. 63  Die Sicherstellung der Heilbehandlung gebietet zum Beispiel steuernde Maßnahmen wie die ärztliche Berichtspflicht, Überwachung des Heilverlaufs oder die Veranlassung zusätzlicher Maßnahmen durch aktives Eingreifen wie die Verlegung in Spezialkrankenhäuser oder die Überweisung an andere Ärzte (Beispiele nach ­Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 34 Rn. 3). 64  Holtstraeter, in: Kreikebohm  / Spellbrink / Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, § 56 Rn. 12; Marschner, in: Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 56 SGB VII Rn. 4; Schmitt, Kommentar SGB VII, § 56 Rn. 14. 65  Das Abstellen auf das gesamte Gebiet des Erwerbslebens ist nunmehr in § 56 Abs. 2 S. 1 SGB VII gesetzlich festgelegt. Zuvor hatte das Bundessozialgericht d ­ iese Reichweite der Rentenbemessung zugrunde gelegt; vgl. schon BSGE 1, 174 (178); BSGE 30, 64 (68); BSGE 43, 208 (209).



A. Verfassungsmäßigkeit der Haftungsbeschränkung157

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit wird ermittelt, indem die Erwerbsfähigkeit des Verletzten vor dem Versicherungsfall mit 100 % bewertet wird und mit der aktuellen Leistungsfähigkeit verglichen wird. Die Differenz der beiden Zustände beschreibt die Minderung der Erwerbsfähigkeit, wobei sich in der Praxis Erfahrungssätze herausgebildet haben, wonach bestimmte Verletzungsfolgen zu einem bestimmten Grad der Erwerbsfähigkeit führen.66 Maßgeblich ist nicht, ob der Versicherungsfall eine konkrete Erwerbsminderung herbeigeführt hat, denn die Unfallrente soll nicht den tatsächlichen Minderverdienst ausgleichen, sondern lediglich den abstrakten Verlust von Erwerbsmöglichkeiten. Für die Verletztenrente in der gesetzlichen Unfallversicherung gilt damit der Grundsatz der abstrakten Schadensberechnung, der seit jeher als das die Unfallversicherung beherrschende Schadensersatzprinzip anerkannt ist.67 Da die Rente keine konkrete Erwerbsminderung voraussetzt, kann sie auch dann gewährt werden, wenn der Verletzte weiterhin seinen vollen oder sogar einen höheren Arbeitsverdienst erzielt.68 Die abstrakte Schadensberechnung rechtfertigt sich aus dem Charakter der Unfallversicherung als Massenentschädigungssystem; auf die konkret erlittenen Schäden abzustellen und diese zu berechnen wäre ein nicht zu bewältigender technischer und administrativer Aufwand. Zudem gewährt das System der abstrakten Schadensberechnung Planungs- und Rechtssicherheit für die Versicherten.69 Einen Anspruch auf den Ausgleich für erlittene immaterielle Schäden, der mit dem zivilrechtlich nach § 253 Abs. 2 BGB zu zahlenden Schmerzensgeld vergleichbar wäre, kennt das Unfallversicherungsrecht nicht. 66  Diese Erfahrungsgrundsätze sind zwar nicht bindend, werden aber schon aus Gründen der Gleichheit und Gerechtigkeit (BSGE 82, 212 (214 f.); BSGE 93, 63 (65)) im Regelfall angewandt. Beispiele für Erfahrungswerte finden sich bei Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 56 Rn. 40 ff. 67  Zur historischen Entwicklung der Schadensberechnung im Unfallversicherungsrecht vgl. Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, S. 159 ff.; zur Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts auch Gitter, in: FS Brackmann, S. 103 (103 ff.). 68  BSGE 30, 64 (68); BSGE 31, 185 (187 f.); zustimmend Holtstraeter, in: Kreikebohm / Spellbrink / Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, § 56 Rn. 14; Schmitt, Kommentar SGB VII, § 56 Rn. 21 69  Fuchs, Zivilrecht und Sozialrecht, S. 217; ähnlich Gitter, in: FS Brackmann, S. 103 (107). – Krasney, in: FS Lauterbach, S. 273 (275 f.), führt zur Rechtfertigung der abstrakten Schadensberechnung zudem den hohen Wert der verletzten Rechtsgüter der körperlichen Unversehrtheit und Gesundheit an: „In unserer Zeit werden das kostbare Gut der körperlichen Unversehrtheit und Gesundheit auf so vielen anderen Gebieten und auch die Bedeutung der menschlichen Arbeitskraft nicht nur als Wirtschaftsfaktor stärker denn je betont. Umso mehr sollte die daraus vor Jahrzehnten gezogene und damals als sozialer Fortschritt gepriesene Schlußfolgerung, dies müsse sich auch in einer gegenüber der Verletzung von Sach- und Vermögensgütern besonderen Schadensberechnung niederschlagen, nicht (…) aufgegeben werden.“

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

c) Wesentliche Gleichheit der Geschädigten Nach dem Bundesverfassungsgericht liegt die Ungleichbehandlung darin, dass „ein Arbeitnehmer, der durch einen vom Arbeitgeber fahrlässig oder grob fahrlässig verursachten Arbeitsunfall einen Personenschaden erleidet“, anders behandelt wird „als jemand, dem von einem anderen rechtswidrig und schuldhaft ein Personenschaden zugefügt wird“. Die Unfallversicherung sähe die Gewährung eines Schmerzensgelds nicht vor, sodass „der durch einen Arbeitsunfall der oben geschilderten Art geschädigte Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Ersatz seines immateriellen Schadens hat“.70 Dieser Unterschied lässt sich entsprechend auf die zur unechten Unfallversicherung gehörenden Personengruppen übertragen. Fraglich ist jedoch schon, ob hier eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem gegeben ist. Wie auch das Bundesverfassungsgericht festhält, sind Unfallversicherungsrecht und Zivilrecht zwei voneinander unabhängige rechtliche Ordnungssysteme mit unterschiedlicher Zielsetzung.71 Das Unfallversicherungsrecht baut auf dem Gedanken der Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz auf und ist durch ein soziales Schutzprinzip geprägt.72 Die Leistungen der Unfallversicherung sollen primär die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versicherten wiederherstellen. Dem zivilrechtlichen Schadensrecht kommt es dagegen auf den Ausgleich erlittener Schäden an;73 daneben soll das Schmerzensgeld dem Verletzten Genugtuung verschaffen.74 Die beiden Systeme unterscheiden sich daher auch im Hinblick auf die Leistungen. Während es für das Zivilrecht auf den Ersatz konkret erlittener Schäden ankommt, kann die Unfallversicherung als Massenversicherung pauschal den abstrakten Verlust von Erwerbsmöglichkeiten ausgleichen. In dieser abstrakten Schadensberechnung liegt bereits ein Ersatz immaterieller Schäden. Dies zeigt sich besonders deutlich, wenn der Rentenleistung kein Einkommensverlust gegenübersteht: Nach dem Bundessozialgericht wird die Verletztenrente bei gleichem oder nahezu gleichem Arbeitsentgelt dafür gewährt, dass durch die Unfallfolgen der Versicherte das bisherige Arbeits70  BVerfGE

34, 118 (128). 34, 118 (130). 72  BVerfGE 34, 118 (130); grundlegend zum Prinzip der Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz und dem sozialen Schutzprinzip als tragende Strukturprinzipien der Unfallversicherung Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, S. 38 ff. 73  So genannte Ausgleichsfunktion, vgl. statt Vieler BGH, NJW 1982, S. 2866 (2867); BGH, NJW 2004, S. 2526 (2528); Oetker, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 249 Rn. 8; Schiemann, in: Staudinger, BGB, Vorbemerkungen zu §§ 249– 254 Rn. 3; Schubert, in: Beck’scher Online-Kommentar BGB, § 249 Rn. 2. 74  BGHZ 18, 149 (154). 71  BVerfGE



A. Verfassungsmäßigkeit der Haftungsbeschränkung159

entgelt nur durch entsprechend seiner geminderten Erwerbsfähigkeit höhere Kraftanstrengungen erreichen kann.75 Das Unfallversicherungsrecht und das zivilrechtliche Schadensrecht sind damit zwei Ordnungssysteme mit in weitem Ausmaß unterschiedlicher Zielsetzung. Daraus folgt die unterschiedliche Behandlung der jeweils Betroffenen schon beinahe denklogisch. Auch das Bundesverfassungsgericht verneint die Vergleichbarkeit zweier Sachverhalte, wenn sie unterschiedlichen „rechtlichen Ordnungsbereichen angehören und in anderen systematischen und sozial-geschichtlichen Zusammenhängen stehen“.76 Es wäre daher durchaus denkbar, eine wesentliche Gleichheit der Geschädigten abzulehnen.77 Dennoch kann sie im Hinblick auf die ähnliche Interessenlage noch bejaht werden. In beiden Fällen geht es um den Ersatz erlittener Personenschäden, wobei ein möglichst vollständiger Ausgleich im Interesse der Betroffenen liegt. Hierzu zählt auch der Wunsch nach dem Ausgleich immaterieller Schäden, den das zivilrechtliche Schadensrecht in wesentlich weiterem Umfang als das Unfallversicherungsrecht gewährt. 2. Legitimer Zweck Zur Begründung der unfallversicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkung werden in der Regel drei Gründe angeführt: das Finanzierungsargument, das Friedensargument sowie – wenn auch weniger diskutiert – das Liquiditätsargument.78 Die Haftungsbeschränkung der Versicherten untereinander wird zusätzlich auf die zwischen ihnen bestehende Gefahrengemeinschaft gestützt.79 75  BSG, Urteil vom 13. Juni 1989 – 2 RU 24  / 88; so zuvor schon Krasney, in: FS Lauterbach, S. 273 (275 f.). Vgl. zu dieser Thematik auch Gitter, BB Beilage 1998, Nr. 6, S. 1 (11 f.), mit Beispielen zur Diskrepanz zwischen eingetretenem Schaden und gewährter Geldrente. 76  BVerfGE 11, 283 (293); BVerfGE 40, 121 (139 f.). 77  In diese Richtung tendierte wohl auch die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts; vgl. BVerfGE 34, 118 (130 f.). 78  Vgl. beispielsweise Fuhlrott, NZS 2007, S. 237 (238); Krasney, NZS 2004, S. 7 (7); Leube, VersR 2000, S. 948 (948); Leube, BG 2001, S. 139 (139); Waltermann, Sozialrecht, Rn. 305; Waltermann, NJW 2002, S. 1225 (1226); Werner, ­Anw­Bl 2010, S. 282 (282); speziell zu Finanzierungs- und Friedensargument Diederichsen, VersR 2006, S. 293 (294 f.); Ebsen, in: jurisPK SGB VII, § 104 Rn. 8 f.; Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, S. 238 ff.; von Koppenfels-Spies, SGb 2008, S. 422 (422); Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 80  f.; Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 104 Rn. 3; Schmitt, in: Sozialrechtshandbuch, § 16 Rn. 221. 79  So beispielsweise bei Diederichsen, VersR 2006, S. 293 (295); Ebsen, in: jurisPK SGB VII, § 105 Rn. 8; Grüner, in: Becker / Franke / Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, § 105 Rn. 3; Fuhlrott, NZS 2007, S. 237 (238); von Koppenfels-Spies, in Kreikebohm  /  Spellbrink  /  Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, § 105 Rn. 2;

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

Die ersten drei Gründe werden auch vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 7. November 1972 angeführt.80 a) Rechtfertigung durch die alleinige Unternehmerfinanzierung Hinter dem Stichwort des Finanzierungsarguments verbirgt sich der Gedanke, dass die Unfallversicherung sich alleine aus den Beiträgen der Unternehmer finanziert, weswegen eine zusätzliche persönliche Haftung unbillig sei. Durch die alleinige Beitragslast trage der Unternehmer bereits das abstrakte Risiko für das Eintreten von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, sodass er nicht zugleich für konkret eingetretene individuelle Schadensfälle haften solle.81 Diese Begründung wird insbesondere vom Gesetzgeber als Hauptargument für die Regelung speziell der Haftungsfreistellung des Unternehmers angesehen. So enthält beispielsweise die Begründung zum Entwurf des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes82 die Aussage, die unfallversicherungsrechtliche Haftungsbeschränkung müsse grundsätzlich beibehalten werden, „da sonst die Grundlage der gesetzlichen Unfallversicherung erschüttert würde und die alleinige Beitragspflicht der Unternehmer ihren Sinn verlöre“.83 Im Fall der Beschäftigtenversicherung kann dieser Zusammenhang von Unternehmerfinanzierung und Haftungsbeschränkung deutlich gesehen werden: Indem die Unternehmer als Solidargemeinschaft im Wege der Umlagefinanzierung die Verletztenrente der Versicherten finanzieren, befreien sie sich von einer verschuldensabhängigen Haftung im Einzelfall. Die Beschränkung der Schadensersatzpflicht des Unternehmers gegenüber dem Verletzten wirkt materiell wie eine Haftpflichtversicherung.84 Aber auch außerhalb der Beschäftigtenversicherung als echter Unfallversicherung ist Krasney, NZS 2004, S. 7 (13); Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 105 Rn. 2; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 305. 80  BVerfGE 34, 118 (132). 81  So ausdrücklich Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 80; ähnlich Fuhlrott, NZS 2007, S. 237 (238); Gitter, in: FS Wiese, S. 131 (132); Tischendorf, VersR 2002, S. 1188 (1188). 82  Gesetz zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung vom 30. April 1963, BGBl. I 1963, S. 241 ff. 83  BT-Drucks. 4 / 120, S.  62. 84  Kater, in: Kater  /  Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, Vor §§  104–113 Rn. 5; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Anm. 3. – Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, S. 57 ff. und S. 74 f., betont, dass die Unfallversicherung keine Haftpflichtversicherung der Unternehmer ist, sondern lediglich wie eine solche wirkt; ähnlich auch Schrader, in: FS Krohn, S. 259 (261); Wannagat, Lehrbuch der Sozialversicherung, Band 1, S. 14. Vgl. hierzu näher unten Kapitel 3 A. I. 1.



A. Verfassungsmäßigkeit der Haftungsbeschränkung161

das Finanzierungsargument anwendbar. Im Bereich der unechten Unfallversicherung findet ebenfalls häufig eine Finanzierung der Versicherung durch Beiträge der Unternehmer statt.85 In diesen Fällen wirkt die Unfallversicherung ebenso wie eine Haftpflichtversicherung der Unternehmer wie bei der Beschäftigung; dieser Haftpflichtcharakter verbietet die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche der Versicherten im Schadensfall in der echten wie in der unechten Unfallversicherung. Die Haftungsbeschränkung ist jedoch nicht an die Beitragszahlung durch die Unternehmer gekoppelt.86 An keiner Stelle lässt sich dem SGB VII entnehmen, dass die Haftung nur dort beschränkt sein soll, wo zuvor eine Finanzierung durch Unternehmerbeiträge erfolgt ist. Stattdessen spricht § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII generell von der Haftung der Unternehmer gegenüber „Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen“. § 106 Abs. 1 und 2 SGB VII normiert ausdrücklich die Haftungsbeschränkung für Personengruppen, bei denen eine beitragsfreie Unfallversicherung denkbar ist87 oder sogar generell besteht88. Daher muss zumindest für einige Versicherte die Beitragsfinanzierung durch die Unternehmer als von der Haftungsbeschränkung verfolgter Zweck ausscheiden.

85  Entgegen der verbreiteten Auffassung der Literatur (Bulla, SGb 2007, S. 653 (656); Gitter / Nunius, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 7 Rn. 61, 66; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Muckel / Ogorek, § 10 Rn. 11; Schlegel, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 13 Rn. 3; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 252) ist die beitragsfreie Finanzierung kein Merkmal der unechten Unfallversicherung als solcher; vgl. dazu näher oben Kapitel 1 B. II. 86  So auch ausdrücklich der Bundesgerichtshof (NJW 1981, S. 760 (760)): „Dieses Prinzip der Haftungsablösung geht zwar von der Vorstellung aus, daß der Unternehmer, der die Aufwendungen zu der gesetzlichen Unfallversicherung trägt, dem Versicherten sowie seinen Hinterbliebenen schon auf diesem Wege für Unfälle ‚im Unternehmensbereich‘ sozialen Schutz gewährt. Die Haftungsablösung bezieht aber (…) auch solche ‚Unternehmer‘ ein, die keine Arbeitnehmer beschäftigen und keine Beiträge zur Berufsgenossenschaft abführen“. 87  So insbesondere im Rahmen der Haftungsbeschränkung bei Bildungsmaßnahmen im Sinne des § 106 Abs. 1 SGB VII: Während die Unfallversicherung dieser Personen grundsätzlich durch Beiträge der Sachkostenträger als Unternehmer finanziert wird (§ 136 Abs. 3 Nr. 3 SGB VII), ist nach § 185 Abs. 2 SGB VII auch eine beitragsfreie Versicherung denkbar, beispielsweise für Schüler privater Schulen oder Studierende an privaten Hochschulen. 88  Nach § 185 Abs. 2 S. 1, 2 SGB VII in Verbindung mit § 129 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII wird die Versicherung für Pflegepersonen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII durch Steuermittel finanziert.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

b) Wahrung des Betriebsfriedens Das Argument des Betriebsfriedens zeigt deutlich die historischen Ursprünge des Unfallversicherungsschutzes. Durch die Gewährung einer verschuldensunabhängigen Versicherungsleistung sollten langwierige Prozesse zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verhindert werden, die eine Belastung der betrieblichen Beziehung mit sich brachten.89 Den Beteiligten sollte also eine gerichtliche Auseinandersetzung erspart bleiben, die ihre weitere Zusammenarbeit gefährden könnte. Auch hier gilt im Hinblick auf die unechte Unfallversicherung eine Einschränkung, denn das Bestehen eines zu wahrenden Betriebsfriedens fordert eine längerfristige gemeinsame Tätigkeit. Viele der Versicherungstatbestände des § 2 SGB VII setzen indes keine dauerhafte Tätigkeit voraus; versichert sind insbesondere90 in der unechten Unfallversicherung nur vorübergehende Tätigkeiten.91 In diesen Fällen besteht kein Betriebsfrieden, der gewahrt werden müsste; Unternehmer und Versicherte gehen nach Abschluss der versicherten Tätigkeit getrennte Wege. Hier muss die Wahrung des Betriebsfriedens daher ebenfalls als mit der Haftungsbeschränkung verfolgter Zweck ausscheiden. Daneben kennt die unechte Unfallversicherung jedoch auch Tatbestände, bei denen ein mit dem „friedlichen Betrieb“ der Beschäftigten vergleichbares Umfeld besteht. Dies ist klar zu sehen bei Schülern und Studierenden, die häufig viele Jahre zusammen innerhalb einer Bildungseinrichtung verbringen und sich dort zwangsläufig begegnen oder sogar zu gemeinsamen versicherten Tätigkeiten verpflichtet sind. Auch viele ehrenamtlich Tätige werden diese Tätigkeit dauerhaft ausüben; dasselbe gilt für Pflegepersonen 89  Siehe zur Situation vor Einführung einer betrieblichen Unfallversicherung oben Kapitel 1 C. I. 1. 90  Auch in der echten Unfallversicherung können vorübergehende oder einmalige Tätigkeiten versichert sein. Zu denken ist insbesondere an die Versicherung der Wie-Beschäftigten nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII; vgl. beispielsweise BSGE 25, 102, für die Erteilung eines Rates oder BSGE 5, 168, für die Hilfe beim Rangieren eines Anhängers. 91  Ausdrücklich angeordnet ist die Haftungsbeschränkung für Teilnehmer an Untersuchungen und Prüfungen, § 106 Abs. 1 SGB VII in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII. Aber auch eine ehrenamtliche Tätigkeit kann eine vorübergehende oder einmalige sein, wie beispielsweise die Tätigkeit des Wahlhelfers (vgl. dazu BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 95, S. 258, wo das Bundessozialgericht den Wahlhelfer als Beispiel anführt) oder eines ehrenamtlichen Prüfers (BSG, SozR 4-2700 § 2 Nr. 2) zeigt. – Auch die im öffentlichen Interesse liegenden Tätigkeiten, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 11und Nr. 13 SGB VII versichert sind, werden üblicherweise vorübergehend sein. Ob hier eine Haftungsbeschränkung eingreift ist jedoch umstritten; vgl. dazu unten Kapitel 2 B. II. 3. sowie Kapitel 2 B. III.



A. Verfassungsmäßigkeit der Haftungsbeschränkung163

untereinander und gegenüber dem Pflegebedürftigen. Die Wahrung des Betriebsfriedens kann daher wenn nicht generell, so doch zumindest regelmäßig auch in der unechten Unfallversicherung als mit der Haftungsbeschränkung verfolgter Zweck angesehen werden. c) Gewähr eines liquiden Schuldners statt privatrechtlicher Haftung Das Stichwort „Liquiditätsargument“ schließlich meint, dass der verletzte Versicherte mit dem Unfallversicherungsträger einen liquiden Schuldner hat.92 Diese Liquiditätsgarantie gleiche die Tatsache aus, dass die Leistungen aus der Unfallversicherung möglicherweise hinter denen zurückblieben, auf die nach den zivilrechtlichen Regelungen ein Anspruch bestanden hätte.93 Ohne die unfallversicherungsrechtliche Haftungsbeschränkung bliebe es dagegen bei der zivilrechtlichen Haftung des Unternehmers bzw. der anderen Versicherten, deren Zahlungskräftigkeit nicht garantiert sei. Dies gilt unabhängig von der versicherten Tätigkeit für alle Personen, die gegen Arbeitsunfälle versichert sind. Sie sollen abgesichert werden, weil sie entweder sozial schutzbedürftig sind oder aus anderen Gründen als schutzwürdig angesehen wurden, wobei die zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche abgelöst werden, um eine doppelte Entschädigung zu verhindern. Das so genannte Liquiditätsargument ist jedoch kein Zweck der Haftungsbeschränkung; sie bezweckt nicht die Bereitstellung eines liquiden Schuldners, sondern den Ausschluss aller anderen Schuldner. Auch ohne die Haftungsbeschränkung wären die Ansprüche nach Eintritt eines Arbeitsunfalls gegen die Unfallversicherung als liquiden Schuldner gerichtet. Konsequenz der Haftungsbeschränkung im Hinblick auf den Schuldner ist lediglich, dass weder der Verletzte Ansprüche gegen diesen geltend machen kann, noch dass die Ansprüche des Verletzten nach § 116 SGB X auf die Unfallversicherungsträger übergehen.94 Die Liquidität des Schuldners ist 92  Waltermann,

Sozialrecht, Rn. 305. zum ersten Entwurf des Unfallversicherungsgesetzes: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages 1881, Band 3 S. 243; Begründung zum zweiten Entwurf: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages 1882  /  1883, Band 5, S. 213; Begründung zum dritten Entwurf: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages 1884, Band 3, S. 89. 94  § 104 Abs. 1 S. 2 SGB VII schließt diesen Forderungsübergang ausdrücklich aus. Die Norm hat dabei hauptsächlich klarstellende Bedeutung, denn wenn der Anspruch nach § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII ausgeschlossen ist, besteht kein Anspruch, der übergehen könnte. Einen eigenständigen Anwendungsbereich hat der Ausschluss jedoch, wenn dem Geschädigten Ansprüche verbleiben, weil der Unfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt wurde; vgl. dazu näher von Koppenfels-Spies, in: Kreikebohm / Spellbrink / Walter93  Begründung

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

daher kein Zweck der Haftungsbeschränkung, sondern lediglich eine Konsequenz aus dem Unfallversicherungsschutz. d) Gefahrengemeinschaft der Versicherten untereinander Als letzter Rechtfertigungsgrund der Haftungsbeschränkung wird die zwischen den Versicherten bestehende Gefahrengemeinschaft angeführt. Der Nachteil, dass der Versicherte als Geschädigter keine Schadensansprüche habe, die über die Leistungen der Unfallversicherung hinausgehen, werde dadurch ausgeglichen, dass er als Schädiger selbst von der Haftung befreit sei.95 Die Haftungsbeschränkung nehme dem einzelnen Versicherten das Risiko ab, als Schädiger haften zu müssen. Dies erleichtere das gemeinsame Tätigwerden mehrerer, das nicht von ständiger Angst vor eventuellen Schadensersatzansprüchen belastet werde. Dieses Prinzip gilt überall dort, wo mehrere Versicherte gemeinsam versicherte Tätigkeiten ausüben, d. h. nicht nur in der echten Unfallversicherung, sondern beispielsweise auch bei versicherten Schülern oder Studierenden96 oder bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums97. Von Bedeutung ist das Argument in der unechten Unfallversicherung daneben bei spontanen, eilbedürftigen Tätigkeiten, insbesondere wenn diese im öffentlichen Interesse liegen. Die Unfallversicherung soll zu altruistischem Handeln motivieren; diese Motivation könnte zunichte gemacht werden, wenn der Handelnde eine spätere Inanspruchnahme wegen von ihm verursachter Schäden befürchten müsste. Dagegen wird bei anderen Versicherten typischerweise keine Gefahrengemeinschaft bestehen, wie zum Beispiel bei versicherten Meldepflichtigen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII oder Rehabilitanden, die ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. a SGB VII erhalten. Ob der Schutz einer Gefahrengemeinschaft als von der Haftungsbeschränkung verfolgter Zweck angesehen werden kann, hängt daher wiederum von der Art der versicherten Tätigkeit ab. mann, Kommentar zum Sozialrecht, § 104 Rn. 9 f.; Schmitt, Kommentar SGB VII, § 104 Rn. 24. 95  BVerfGE 34, 118 (136); zustimmend BGHZ 148, 209 (212); BGHZ 151, 198 (202); Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, S. 246; Krasney, NZS 2004, S. 7 (13); Lang, SVR 2005, S. 270 (271); Maschmann, SGb 1998, S. 54 (59); Schmidt, BB 2002, S. 1859 (1860). – Der Begriff der Gefahrengemeinschaft geht jedoch über die Gegenseitigkeit der Haftungsbeschränkung hinaus und meint alle Fälle gemeinsamen Tätigwerdens für einen Dritten unabhängig von der Versicherten­ eigenschaft; vgl. dazu ausführlich unten Kapitel 2 C. I. 3. b) bb). 96  § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. b und c SGB VII. 97  § 2 Abs. 1 Nr. 16 SGB VII.



A. Verfassungsmäßigkeit der Haftungsbeschränkung165

e) Zwischenergebnis Die unfallversicherungsrechtliche Haftungsbeschränkung bezweckt die Wahrung des Betriebsfriedens und berücksichtigt die zwischen den gemeinsam tätigen Versicherten bestehende Gefahrengemeinschaft. Daneben stellt sie dort, wo die unechte Unfallversicherung durch Beiträge der Unternehmer finanziert wird, einen Ausgleich zu dieser Beitragslast dar: Die Haftungsbeschränkung wirkt als Haftpflichtversicherung der Unternehmer. Das häufig ebenfalls angeführte Liquiditätsargument ist dagegen kein Zweck der Haftungsbeschränkung, sondern lediglich eine Konsequenz der Aufnahme der Versicherten in die gesetzliche Unfallversicherung. 3. Geeignetheit der Ungleichbehandlung zur Verfolgung des Zwecks Die gemeinschaftlich Tätigen eint das gemeinsame Risiko, einen anderen zu schädigen oder von diesem geschädigt zu werden. Dieses Risiko wird ihnen dadurch abgenommen, dass bei einer Schädigung nicht sie selbst haften müssen, sondern die Unfallversicherung eingreift. Die unfallversicherungsrechtliche Haftungsbeschränkung ist damit ein geeignetes Mittel, um die Risiken innerhalb einer Gefahrengemeinschaft abzumildern und so das gemeinsame Tätigwerden zu erleichtern. Auch hinsichtlich der Unternehmerfinanzierung liegt ein geeignetes Mittel vor, denn die Befreiung der Unternehmer von der zivilrechtlichen Haftung stellt einen geeigneten Ausgleich für die zuvor geleisteten Beiträge dar und verhindert eine doppelte Belastung durch abstrakte Beitragszahlung und konkrete Haftung. Schwieriger zu beurteilen ist jedoch die Geeignetheit der Haftungsbeschränkung zur Wahrung des Betriebsfriedens. Das Friedensargument wird in der Literatur vermehrt angegriffen. Ein verhinderter Prozess könne den betrieblichen Frieden dadurch belasten, dass der Versicherte sich – insbesondere auch aufgrund des Ausschlusses des Schmerzensgeldes – benachteiligt fühle.98 Kritisch zu sehen sei ferner die Frage, ob es Aufgabe des Einzelnen sein könne, sich um den Verzicht auf seine Schmerzensgeldansprüche den Betriebsfrieden zu erkaufen.99 Zudem sei es keinesfalls empirisch bewiesen, dass ein Prozess den Betriebsfrieden stören könne,100 insbesondere da Prozesse um den Ersatz von Sachschäden nicht ausgeschlossen seien.101 Schließ98  Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, S. 240 f.; kritisch für Schulunfälle auch Ebers, NJW 2003, S. 2655 (2656). 99  Fuhlrott, NZS 2007, S. 237 (239); Sieg, SGb 1972, S. 41 (43). 100  Fuchs, in: FS Gitter, S. 253 (256 mit Fußnote 29). 101  Fuhlrott, NZS 2007, S. 237 (239).

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

lich enthalte die Arbeitsrechtsordnung „nach Beendigung des Klassenkampfes zwischen Arbeitendem und Kapital (…) genug starke und für sich tragfähige Säulen“, sodass es der Haftungsbeschränkung zur Wahrung des Betriebsfriedens nicht mehr bedürfe.102 Zuzugeben ist, dass bei einer grob fahrlässigen Verletzung der Frieden im Betrieb ohnehin gestört ist, auch ohne dass es eines Prozesses bedarf. Bei Verletzungen unterhalb dieser Schwelle erleichtert das System der Unfallversicherung jedoch die Abwicklung, ohne dass eine gerichtliche Befassung zu einer Eskalation eines möglicherweise an sich unbedeutenden Vorfalls führen kann.103 Daneben dürften rechtliche Auseinandersetzungen über den Ersatz von Sachschäden typischerweise weitaus weniger belastend für das betriebliche Klima sein als über den Ersatz von Personenschäden, sodass sich die Herausnahme dieser Ansprüche aus der Haftungsbeschränkung als unproblematisch ansehen lässt.104 Indem die Unfallversicherung schnell eingreift, können eventuelle Konflikte möglicherweise sogar im Keim erstickt werden oder kommen überhaupt nicht auf. Das gilt insbesondere in einigen Fällen der unechten Unfallversicherung. Während es den „Parteien des Arbeitsvertrages“ untereinander möglicherweise tatsächlich möglich wäre, auch ohne die unfallversicherungsrechtliche Haftungsbeschränkung „die Voraussetzungen für das „gedeihliche Zusammenwirken aller am Produktionsablauf beteiligten Kräfte zu schaffen“,105 mag das vor allem im Bereich der Schülerunfallversicherung bezweifelt werden, wo es häufig aufgrund von Spielereien und anderem kindtypischen Verhalten zu fahrlässig herbeigeführten Verletzungen kommen kann. Eine zivilrechtliche Haftung der Schüler untereinander für bei Pausenspielen verursachte Schäden würde den Klassenverband nachhaltig belasten, insbesondere wenn die Schüler noch sehr jung sind. Im Ergebnis spielt daher das Betriebsfriedensargument doch noch eine erhebliche Rolle106 und der Ausschluss des Schmerzensgeldanspruchs durch die Haftungsbeschränkung ist geeignet, diesen Frieden zu wahren. 102  Bogs, in: FS Gitter, S. 123 (129). – Rolfs, Versicherungsprinzip, S. 469 f., verweist darauf, dass es Sache der Parteien des Arbeitsvertrags und der Tarifvertragsparteien sei, den Betriebsfrieden zu bewahren. Griese, in: FS Küttner, S. 165 (171 f.) weist auf die Vielzahl der trotz der Haftungsbeschränkung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgetragenen Prozesse hin. Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 45, sieht den Betriebsfrieden als auch nach dem Willen des Gesetzgebers hinter den anderen Rechtfertigungsgründen in den Hintergrund tretend an. 103  So auch Fuhlrott, NZS 2007, S. 237 (239). 104  Fuhlrott, NZS 2007, S. 237 (239), der eingesteht, dass Prozesse um den Ersatz körperlicher Schäden „weitaus emotionsbeladener geführt werden“. 105  Rolfs, Versicherungsprinzip, S. 469. 106  Die Wichtigkeit der Haftungsbeschränkung zur Wahrung des Betriebsfriedens unterstreicht auch Krasney, NZS 1996, S. 259 (260).



A. Verfassungsmäßigkeit der Haftungsbeschränkung167

4. Erforderlichkeit der Ungleichbehandlung a) Herausnahme des Schmerzensgeldanspruchs aus der Haftungsbeschränkung Als milderes Mittel könnte man zunächst an die Gewähr eines Schmerzensgeldanspruchs neben der Leistungen der Unfallversicherung denken.107 Die Ungleichbehandlung würde dadurch insoweit beseitigt, als eine Geltendmachung immaterieller Schäden möglich wäre. Die bestehenden Ansprüche gegen die Unfallversicherung wären weiterhin gegen einen liquiden Schuldner gerichtet, während lediglich die Möglichkeit eines zusätzlichen Anspruchs gegen den Schädiger selbst bestünde. Mithin wären die Versicherten besser gestellt als bisher. Allerdings muss diese Lösung ausscheiden im Hinblick auf die übrigen mit der Haftungsbeschränkung verfolgten Ziele. Diese sind zwar nicht bei allen Versicherten der unechten Unfallversicherung gegeben; es besteht jedoch kein Versicherungstatbestand, bei dem die Haftungsbeschränkung lediglich auf das Liquiditätsargument gestützt werden kann.108 Die Gewähr eines Anspruchs auf Ersatz immaterieller Schäden gegen den Schädiger wäre mit dem Gedanken der Gefahrengemeinschaft ebenso wenig zu vereinbaren wie mit der Finanzierung der Unternehmer oder der Wahrung des Betriebsfriedens. b) Eingreifen privater Haftpflichtversicherungen Die eben angeführten Einwände gegen die Herausnahme des Schmerzensgeldanspruchs aus der Haftungsbeschränkung ließen sich zumindest teilweise entkräften, wenn anstelle des Schädigers eine private Haftpflichtversicherung den Schmerzensgeldanspruch erfüllen würde. In der Literatur wird 107  So beispielsweise Ebers, NJW 2003, S. 2655 (2657); Ebert, jurisPR-BGH­ ZivilR 14 / 2009, Anm. 2. 108  Für viele Versicherte besteht eine Finanzierung durch die Beiträge der Unternehmer, die anderenfalls umgangen würde. Selbst wo weder eine Beitragsfinanzierung noch ein zu schützender Betriebsfrieden bestehen – zu denken wäre beispielsweise an Nothelfer im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII –, lässt sich noch immer der Einwand der Gefahrengemeinschaft anbringen. Dem Zweck der Vorschrift, zu altruistischer Hilfeleistung zu motivieren, würde es zuwiderlaufen, wenn der Helfende dabei Angst vor eventuellen Schadensersatzansprüchen haben müsste (ähnlich auch Denck, SGb 1981, S. 238 (239); Krasney, in: GS Heinze, S. 529 (532)). Siehe zu diesem Gedanken näher unten Kapitel 2 C. I. 3. c) und Kapitel 2 C. III. 2. – Ob auch die Haftung des Unternehmers beschränkt ist, die sich hier lediglich auf das Liquiditätsargument stützen kann, ist dagegen eine andere Frage; siehe hierzu unten Kapitel 2 B. III.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

denn auch gegen die Erforderlichkeit der vollständigen Haftungsbeschränkung eingewandt, die meisten privaten Schädiger hätten „in der Praxis ohnehin“ eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen, sodass auch bei Wegfall der Haftungsbeschränkung ein liquider Schuldner gegeben wäre.109 Dieses Argument vermag jedoch aus mehreren Gründen nicht zu überzeugen. Zum einen gilt diese Lösung keinesfalls für alle privaten Schädiger; stattdessen wäre der Verletzte dem – im Ergebnis zufälligen – Risiko ausgesetzt, an einen „umsichtigen Schädiger“ zu geraten, der durch den Abschluss einer Haftpflichtversicherung vorgesorgt hat. Dies trifft keineswegs auf „die meisten“110 privaten Schädiger zu. Vielmehr hatte im Jahr 2010 nur etwas mehr als die Hälfte der Deutschen eine private Haftpflichtversicherung abgeschlossen.111 Auch für die Schädiger wäre das Eingreifen einer privaten Haftpflichtversicherung nicht als milderes, gleich geeignetes Mittel zu qualifizieren. So sehen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung als Musterbedingungen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft112 beispielsweise in § 3 III Nr. 2 Abs. 2 eine mögliche Selbstbeteiligung des Versicherten in jedem Versicherungsfall vor. Zudem besteht Versicherungsschutz nur bis zur Grenze der vereinbarten Versicherungssumme; darüber muss der Schaden vom Versicherungsnehmer selbst getragen werden.113 Schließlich hätte das Eingreifen des Haftpflichtversicherers auch Auswirkungen auf dessen Prämienkatalog, d. h. die Geltendmachung eventueller Schmerzensgeldansprüche gegen die private Haftpflichtversicherung fiele im Ergebnis wieder auf den nach den §§ 104 ff. SGB VII von der Haftung Befreiten zurück. Die Herausnahme des Schmerzensgeldanspruchs aus der unfallversicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkung muss daher auch dann als milderes Mittel ausscheiden, wenn statt auf den Schädiger selbst auf dessen Haftpflichtversicherung verwiesen wird.

Brose, RdA 2011, S. 205 (218). RdA 2011, S. 205 (218). 111  Statistisches Taschenbuch der Versicherungswirtschaft 2011, Tabelle Nr. 7; vgl. auch Littbarski, in: Münchener Kommentar zum VVG, Vorbemerkungen zu den §§ 100–124 Rn. 59. 112  Die Allgemeinen Versicherungsbedingen für die Haftpflichtversicherung sind Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der §§ 309 ff. BGB, die häufig den abgeschlossenen Versicherungsverträgen zugrunde liegen. Vgl. näher dazu Littbarski, AHB-Kommentar, Vorbemerkungen Rn.  17 ff.; Littbarski, in: Münchener Kommentar zum VVG, Vorbemerkungen zu den §§ 100–124 Rn. 167 ff.; Lücke, in: Prölss / Martin, Versicherungsvertragsgesetz, Vorbemerkung zu den §§ 100–112 Rn. 1. 113  § 3 III Nr. 2 Abs. 1 AHB. 109  So

110  Brose,



A. Verfassungsmäßigkeit der Haftungsbeschränkung169

c) Aufnahme eines Schmerzensgeldes in den Leistungskatalog der Unfallversicherung Denkbar wäre dagegen die Aufnahme eines Schmerzensgeldanspruchs in den Leistungskatalog der Unfallversicherung. Diese Lösung wird erkennbar in der Literatur bevorzugt und durch die Jahre immer wieder vorgeschlagen.114 In der Tat scheint dies auf den ersten Blick eine befriedigende Lösung, denn die Versicherten hätten einen Anspruch auf Ausgleich immaterieller Schäden, den sie im Hinblick auf die Gefahrengemeinschaft und eine Gefährdung des Betriebsfriedens unbedenklich geltend machen könnten. Die Problematik der anderen Alternative wäre damit umgangen. Allerdings darf – hier ist dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1972 zuzustimmen – der Ausschluss des Schmerzensgeldanspruchs nicht isoliert betrachtet werden. Diese Lösung brächte eine erneute Ungleichbehandlung mit sich, allerdings dieses Mal zu Gunsten der Versicherten und zu Ungunsten anderer Geschädigter: Würde man einen Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden in die Unfallversicherung aufnehmen, hätten diejenigen Personen, die einen Arbeitsunfall erleiden, einen Anspruch auf Ausgleich all ihrer Schäden gegen einen liquiden Schuldner. Dies ist insbesondere deswegen bedenklich, weil die Unfallversicherung mit dem Prinzip der abstrakten Schadensberechnung115 bereits in einem gewissen Umfang immaterielle Schäden ausgleicht, indem die Verletztenrente auch bei gleichem oder nahezu gleichem Arbeitsentgelt gewährt wird. Damit soll der Umstand ausgeglichen werden, dass durch die Unfallfolgen der Versicherte das bisherige Arbeitsentgelt nur durch entsprechend seiner geminderten Erwerbsfähigkeit höhere Kraftanstrengungen erreichen kann.116 Die Aufnahme eines Schmerzensgeldes in den Leistungskatalog der Unfallversicherung würde damit zu einer erheblichen leistungsmäßigen Besserstellung der Unfallversicherten gegenüber allen anderen Geschädigten führen. Neben der Wiederherstellung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln117 bestünde ein Anspruch auf Ersatz der immateriellen Schäden, die ohnehin schon durch die abstrakte Schadensberechnung teilweise ausgeglichen würden. Diese Besserstellung ließe sich auch nicht mit der Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit der in der 114  Bogs, in: FS Gitter, S. 123 (131); Brose, RdA 2011, S. 205 (219); Däubler, JuS 1986, S. 425 (429); Fuhlrott, NZS 2007, S. 237 (242); Sieg, SGb 1972, S. 41 (44). 115  Zu diesem Prinzip ausführlicher oben Kapitel 2 A. III. 1. 116  BSG, Urteil vom 13. Juni 1989 – 2 RU 24 / 88; so zuvor schon Krasney, in: FS Lauterbach, S. 273 (275 f.). 117  §§ 1 Nr. 2, 26 Abs. 2 SGB VII.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

Unfallversicherung versicherten Personen rechtfertigen, sondern wäre wiederum verfassungsrechtlich bedenklich im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG. Die Aufnahme eines Schmerzensgeldanspruchs in den Leistungskatalog der Unfallversicherung wäre daher nur möglich, wenn die übrigen von der Unfallversicherung gewährten Leistungen gekürzt würden.118 Die Aufnahme des Schmerzensgeldanspruchs auf Kosten der Kürzung anderer Leistungen wäre jedoch kein milderes Mittel, sondern lediglich ein ebenso mildes. Welches dieser Mittel gewählt wird, muss dem Gesetzgeber überlassen werden; dieser hat der Haftungsbeschränkung ohne Gewährung eines Schmerzensgeldanspruchs den Vorzug gegeben. Damit sind mildere und gleich geeignete Mittel nicht ersichtlich. Der Haftungsausschluss in der gegebenen Form ist erforderlich. 5. Angemessenheit der Ungleichbehandlung Die Ungleichbehandlung ist darin zu sehen, dass in der gesetzlichen Unfallversicherung Versicherte nach Eintritt eines Versicherungsfalls keinen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes haben, während § 253 Abs. 2 BGB einen solchen Anspruch vorsieht. Zuzugeben ist, dass den Versicherten insbesondere im Hinblick auf die bisweilen enorme Höhe des durch die Rechtsprechung gewährten Schmerzensgeldes119 damit ein wertvoller Anspruch genommen wird. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch durch den Sinn und Zweck der unfallversicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkung und das Leistungssystem der gesetzlichen Unfallversicherung gerechtfertigt. Hierbei ist zunächst zu sehen, dass die gesetzliche Unfallversicherung immaterielle Schäden, wenn auch in einem geringeren Umfang, entschädigt. Die Berechnung eventueller Geldrenten beruht nicht auf dem konkret eingetretenen Schaden, sondern auf dem abstrakten Verlust der Möglichkeit der Erwerbsfähigkeit, d. h. der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens.120 Daneben stehen den Versicherten aber auch die gesamten übrigen Leistungen der Unfallver118  Möglich wäre sie beispielsweise, wenn auch im Unfallversicherungsrecht eine konkrete Schadensberechnung zugrunde gelegt würde; vgl. beispielsweise den Lösungsvorschlag von Triebel, SGb 2006, S. 212 (213 ff.); dies ist jedoch im Hinblick auf den Charakter der Unfallversicherung als Massenentschädigungssystem nicht durchführbar (vgl. zu dieser Rechtfertigung der abstrakten Schadensberechnung Fuchs, Zivilrecht und Sozialrecht, S. 217; Gitter, in: FS Brackmann, S. 103 (107); Krasney, in: FS Lauterbach, S. 273 (275)). 119  Vgl. für Beispiele Slizyk, Beck’sche Schmerzensgeld-Tabelle. 120  § 56 Abs. 2 S. 1 SGB VII. Vor der gesetzlichen Normierung hatte das Bundessozialgericht schon zur Bemessung der Rente auf das gesamte Gebiet des Erwerbs-



A. Verfassungsmäßigkeit der Haftungsbeschränkung171

sicherung zur Verfügung, insbesondere die Leistungen zur Wiederherstellung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit mit allen geeigneten Mitteln, die bisweilen weit über das hinausgehen, was die gesetzliche Kranken- oder Rentenversicherung vorsehen.121 Daneben dürfen die von der Haftungsbeschränkung verfolgten Zwecke nicht außer Acht gelassen werden. Die Wahrung des Betriebsfriedens war einer der wesentlichen Beweggründe bei der Schaffung der Unfallversicherung im Jahr 1884.122 Auch heute noch ist die unkomplizierte und zeitnahe Abwicklung der Ansprüche ein großer Vorteil für das betriebliche Klima; insbesondere in Fällen der unechten Unfallversicherung wie der Schüler­ unfallversicherung. Der Geschädigte kann weiterhin im Unternehmen des Schädigers oder mit diesem gemeinschaftlich tätig werden, ohne dass zwischen den beiden eine angespannte Atmosphäre wegen eines zu klärenden Anspruchs oder gar eines schwebenden Prozesses herrscht; mehrere Schüler können weiterhin gemeinsam die Schule besuchen, ohne dass der Klassenverband oder gar der Schulfrieden gestört wird. Bei der Zusammenarbeit mit anderen wird dem einzelnen Versicherten das Risiko einer Haftung abgenommen, was zu einem unbefangenen Umgang verschiedener Versicherter untereinander führt. Das spielt insbesondere in den Fällen der altruistischen Hilfeleistung eine große Rolle; die durch die Unfallversicherung geschaffene Motivation für die Übernahme von Tätigkeiten im öffentlichen Interesse wird so noch verstärkt, während die Gefahr einer zivilrechtlichen Haftung eher abschrecken würde. Für den Unternehmer stellt die Haftungsbeschränkung schließlich einen Ausgleich für die alleinige Beitragszahlung dar und wirkt wie eine Haftpflichtversicherung; das gilt sowohl in der echten als in der unechten Unfallversicherung.123 lebens abgestellt; vgl. beispielsweise BSGE 1, 174 (178); BSGE 30, 64 (68); BSGE 43, 208 (209). 121  Der Leistungsrahmen der gesetzlichen Unfallversicherung ist weiter als der der Krankenversicherung, in der das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt (§ 12 SGB V), und der Rentenversicherung, in der die Gebote der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gelten (§ 13 SGB VI); vgl. zu den unterschiedlichen Leistungen von Unfall- und Krankenversicherung Keller, SGb 2000, S. 459 (461 ff.). 122  Vgl. nur die Begründung zum dritten Entwurf des Unfallversicherungsgesetzes, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages 1884, Band 3, S. 89: „Neben der Sicherung der Arbeiter (…) verfolgt der Entwurf das Ziel, alle Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern über Entschädigungsansprüche, welche den letzteren aus Unfällen erwachsen, zu beseitigen“. 123  Die unechte Unfallversicherung wird, anders als häufig angenommen (vgl. beispielsweise Bulla, SGb 2007, S. 653 (656); Gitter, BB Beilage 1998, Nr. 6, S. 1 (3); Gitter / Nunius, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 7 Rn. 61, 66; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 4; Muckel / Ogorek, § 10 Rn. 11; Schlegel, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 13 Rn. 3; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 252), in

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

Tragendes Argument für die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung ist jedoch die Liquiditätsgarantie der Unfallversicherungsträger. Zwar muss sich der Versicherte eventuell mit einer geringeren Summe abfinden, als ihm nach dem Zivilrecht zustünde, dafür hat er jedoch die Sicherheit, dass er diese Summe auch wirklich erhalten wird. Die Ansprüche aufgrund eines Arbeitsunfalls richten sich gegen die Unfallversicherungsträger als solvente Schuldner, die die Ansprüche ohne Verzögerung durch Verschuldensfragen von Amts wegen feststellen. Sie stellen eine „sichere Bank“124 für den Verletzten dar. Diese Liquiditätsgarantie darf nicht unterschätzt werden, denn der Realisierbarkeit und Bonität eines Anspruchs kommt insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten und im Hinblick auf die damit einhergehenden häufigen Insolvenzen eine erhebliche Bedeutung zu.125

IV. Ergebnis: Verfassungsmäßigkeit der Haftungsbeschränkung Entgegen der kritischen Stimmen in der Literatur126 ist die unfallversicherungsrechtliche Haftungsbeschränkung auch heute noch gerechtfertigt. Sie verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Garantie eines liquiden Schuldners, der Schutz des Unternehmers vor einer doppelten Inanspruchnahme und die Wahrung des Betriebsfriedens rechtfertigen die Ungleichbehandlung gegenüber anderen Verletzten, die durch den Ausschluss auch des Schmerzensgeldanspruchs gegeben ist. Dies gilt auch für die unechte Unfallversicherung; hier muss der Unternehmer, der die Versicherung durch seine Beiträge finanziert hat, ebenso von einer doppelten Inanspruchnahme geschützt werden wie in der echten Unfallversicherung. Zudem kennt auch die unechte Unfallversicherung Tatbestände, bei denen die Versicherten über einen längeren Zeitraum gemeinsam die weitem Umfang durch Beiträge und nicht durch Steuermitteln finanziert; vgl. dazu ausführlich oben Kapitel 1 B. II. 124  Fuhlrott, NZS 2007, S. 237 (238). 125  Fuhlrott, NZS 2007, S. 237 (238  f.). – Nach dem Statistischen Bundesamt (Statistisches Bundesamt, Jahrbuch 2011, S. 484) lag die Zahl der bundesweit angemeldeten Insolvenzen im Jahr 2010 bei knapp 900.000, das heißt beinahe dem Hundertfachen des Wertes von 1990 (Statistisches Bundesamt, Jahrbuch 1991, S. 150). Vgl. zur Zunahme der Insolvenzen in den vergangenen Jahren auch die monatlich veröffentlichte Insolvenzstatistik des Statistischen Bundesamtes (abrufbar unter www.destatis.de). 126  Bogs, in: FS Gitter, S. 123 (129); Brose, RdA 2001, S. 205 (219); Ebert, jurisPR-BGHZivilR 14 / 2009, Anm. 2; Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 413; Fuhlrott, NZS 2007, S. 237 (242); Richardi, NZA 2002, S. 1004 (1009); Schwab, AiB 2004, S. 770 (771); kritisch auch Ebers, NJW 2003, S. 2655 (2656 f.).



B. Beschränkung der Haftung der Unternehmer173

versicherte Tätigkeit verrichten, zu denken ist nur an die nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. b SGB VII versicherten Schüler. Der Schulfrieden muss ebenso geschützt werden wie im Arbeitsleben der Betriebsfrieden. Zudem profitiert der einzelne Versicherte dann selbst von der ausgeschlossenen Haftung, wenn er gemeinschaftlich mit anderen tätig ist. Damit ergänzen sich Unfallversicherungsschutz und Haftungsbeschränkung im Hinblick auf Tätigkeiten im öffentlichen Interesse, indem sie die Bereitschaft zur Übernahme altruistischer Handlungen fördern. Ein Verstoß gegen andere Verfassungsnormen ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die unfallversicherungsrechtliche Haftungsbeschränkung ist daher verfassungsgemäß auch im Bereich der unechten Unfallversicherung.

B. Beschränkung der Haftung der Unternehmer: Die Regelung des § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII Nach § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Unternehmer den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben.

I. Ablösung der Haftung der Unternehmer in der unechten Unfallversicherung 1. Keine Beschränkung auf Beschäftigung und vergleichbare Tatbestände Im Jahr 1980 ging der Bundesgerichtshof noch davon aus, dass die Unternehmerhaftung nur gegenüber Beschäftigten und Beschäftigtenähnlichen beschränkt sei: Die Haftungsbeschränkung erstrecke „sich aber nicht auch auf denjenigen, der den Arbeitsunfall nicht wenigstens ‚wie ein aufgrund eines Arbeitsverhältnisses Beschäftigter‘ (…) erleidet und deshalb Unfallversicherungsschutz ‚wie ein Arbeitnehmer‘ (…) beanspruchen kann“.127 Das Prinzip der Haftungsbeschränkung könne auf Personenkreise, „die versicherungsrechtlich Arbeitnehmern in diesem Sinn nicht gleichstehen“, nur erstreckt werden, wenn dies ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben sei, 127  BGH,

NJW 1981, S. 760 (760).

174

Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

wie es beispielsweise in § 637 Abs. 2 bis 4 RVO128 für die dort genannten Personengruppen geschehen sei. Heute normiert § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII die Beschränkung der Haftung der Unternehmer gegenüber „den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen“. Die Beschäftigten unterfallen zweifelsfrei der ersten Variante; sie sind für das Unternehmen tätig, bei dem sie beschäftigt sind.129 Um die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs heute noch aufrechtzuerhalten, müsste daher eine sonstige die Versicherung begründende Beziehung die Wie-Beschäftigung und andere beschäftigtenähnliche Tatbestände erfassen. Unter welche Variante die Wie-Beschäftigung zu fassen ist, wird jedoch uneinheitlich beurteilt. Während viele auch hier eine Tätigkeit für ein Unternehmen annehmen130, wird ihre Versicherung bisweilen auch auf eine besondere Beziehung zu einem solchen gestützt131. 128  § 637 RVO lautete: „(1) § 636 gilt bei Arbeitsunfällen entsprechend für die Ersatzansprüche eines Versicherten, dessen Angehörigen und Hinterbliebenen gegen einen in demselben Betrieb tätigen Betriebsangehörigen, wenn dieser den Arbeitsunfall durch eine betriebliche Tätigkeit verursacht. (2) § 636 gilt bei Arbeitsunfällen in Unternehmen der Feuerwehren ferner entsprechend für Ersatzansprüche Versicherter, deren Angehörigen und Hinterbliebenen gegen Feuerwehrvereine und ihre Vorstände, die Mitglieder von Pflicht- und freiwilligen Feuerwehren, die beigezogenen Löschpflichtigen, die freiwillig beim Feuerwehrdienst helfenden Personen sowie gegen alle beim Tätigwerden der Feuerwehr mit Befehlsgewalt ausgestatteten Personen. (3) Bei Arbeitsunfällen in sonstigen Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen einschließlich des zivilen Bevölkerungsschutzes gilt Absatz 2 entsprechend. (4) § 636 gilt bei Arbeitsunfällen in den in § 539 Abs. 1 Nr. 14 genannten Unternehmen ferner entsprechend für die Ersatzansprüche eines Kindes oder eines Lernenden, deren Angehörigen oder Hinterbliebenen gegen den Unternehmer sowie in Verbindung mit Absatz 1 für Ersatzansprüche dieser Versicherten unter­ einander. Satz 1 gilt entsprechend in den Fällen des § 539 Abs. 1 Nr. 18.“ – Versichert nach § 539 Abs. 1 Nr. 14 RVO waren Kinder in Kindergärten, Schüler an allgemeinbildenden Schulen, Teilnehmer an beruflicher Aus- und Fortbildung und Studierende an Hochschulen; § 539 Abs. 1 Nr. 18 RVO gewährte Versicherungsschutz bei Untersuchungen und Prüfungen im Zusammenhang mit dem Besuch dieser Bildungseinrichtungen. 129  Allgemeine Auffassung; vgl. nur Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Rn. 9; Ricke, Kasseler Kommentar SGB VII, § 133 Rn. 6. 130  Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Rn. 9; Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 64; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Anm. 8; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 133 Rn. 9; Waltermann, in: Eichenhofer / Wenner, §  104 Rn.  11. 131  Lemcke, r+s 2000, S. 221 (223); Maschmann, SGb 1998, S. 54 (58); Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 104 Rn. 23; Rolfs, DB 2001, S. 2294 (2295); Rolfs, NJW



B. Beschränkung der Haftung der Unternehmer175

Überzeugender ist die erste Auffassung. Schon dem Wortsinn nach liegt eine Tätigkeit „für ein Unternehmen“ vor, wenn die Tätigkeit nach der Handlungstendenz in einem inneren Zusammenhang mit dem Unternehmen steht,132 d. h. wenn die Motivation des Handelnden darauf gerichtet ist, diesem Unternehmen zu dienen. Eine solche Handlungstendenz ist Voraussetzung des Versicherungsschutzes als Wie-Beschäftigter. Für dieses Verständnis des § 104 SGB VII spricht auch die Gesetzesbegründung zum Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, die beim insoweit vergleichbar lautenden § 133 SGB VII als Beispiel für die „besondere, die Versicherung begründende Beziehung“ die nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. a SGB VII versicherten Kindergartenkinder und ihre Beziehung zum Kindergarten nennt.133 Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht fremdnützig tätig werden, sondern – sofern bei kleinen Kindern überhaupt eine Handlungstendenz feststellbar ist – in ihrem eigenen Interesse, während § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII eine dem in Betracht kommenden Fremdunternehmen zu dienen bestimmte Tätigkeit versichert. Wenn also die Wie-Beschäftigten im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII ebenso wie die Beschäftigten im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII unter die erste Variante des § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII fallen, d. h. für ein Unternehmen tätig sind, kann sich die Anwendbarkeit des § 104 SGB VII nicht nur auf Beschäftigte und Beschäftigtenähnliche beschränken. 2. Tätigkeit für ein Unternehmen und sonstige die Versicherung begründende Beziehung Eine Tätigkeit für ein Unternehmen ist nicht gleichbedeutend mit der Tätigkeit in einem Unternehmen im räumlichen Sinn.134 Eine Tätigkeit für ein Unternehmen fordert vielmehr, dass die Tätigkeit nach der Handlungstendenz des Versicherten in einem inneren Zusammenhang mit dem Unter1996, S. 3177 (3178); Stelljes, in: Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 104 SGB VII Rn. 11; Waltermann, SGb 1999, S. 532 (533); offenlassend Ebsen, in: jurisPK SGB VII, § 104 Rn. 21. 132  Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 133 Abs. 6. 133  BT-Drucks. 13 / 2204, S.  108. 134  Eine Tätigkeit für ein Unternehmen ist daher zu verneinen, wenn ein Handwerker zur Erledigung eines Auftrags in einem anderen Unternehmen tätig wird. Hier liegt lediglich eine reflexhafte Auswirkung von Tätigkeiten Versicherter eines Unternehmens auf ein anderes Unternehmen vor, wie sie sich zwangsläufig aus der Abwicklung von Geschäften mit vielfacher Arbeitsberührung ergeben. Die Handlungstendenz ist stets auf das eigene Unternehmen gerichtet (Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 133 Rn. 6).

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

nehmen steht.135 Die Tätigkeit für ein Unternehmen dient dem Zweck des Unternehmens; sie muss aktiv zu dem vom Unternehmen angestrebten Ergebnis beitragen.136 Die besondere bzw. sonstige137 die Versicherung begründende Beziehung ist dagegen weiter, denn sie erfasst auch Personen, die im eigenen Interesse oder in dem Dritter tätig werden.138 Fraglich ist, ob die besondere die Versicherung begründende Beziehung schon vor dem schädigenden Ereignis bestanden haben muss, d. h. ob der Geschädigte sich derart von der Allgemeinheit abheben muss, dass er schon vor Eintritt des Versicherungsfalls in das betreffende Unternehmen eingegliedert und gerade aufgrund dieser Sonderbeziehung zum Unternehmen in der Unfallversicherung versichert war.139 Dies würde die Haftungsbeschränkung in den Fällen ausschließen, in denen nur punktuelle Tätigkeiten für ein Unternehmen verrichtet werden, also beispielsweise bei der Blutspende oder bei der Unterstützung einer Diensthandlung nach Heranziehung. Für den Bereich der echten Unfallversicherung käme die Pannenhilfe zugunsten des Halters eines Kraftfahrzeugs in Betracht.140 Das widerspricht jedoch dem System der Unfallversicherung, nach dem maßgeblicher Anknüpfungspunkt die versicherte Tätigkeit als solche ist. Die Beitragspflicht des Unternehmers hängt nicht davon ab, ob vor der schadensbringenden Tätigkeit schon eine Beziehung zwischen Unternehmer und Versichertem bestand, sodass der Unternehmer auch bei einmaligen und spontanen Tätigkeiten zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet ist. Das hat der Gesetzgeber für die Unternehmer einer Wie-Beschäftigung bei der Ein135  Diehl, in: Hauck  /  Noftz SGB  VII, §  133 Rn.  3; Mehrtens, in: BereiterHahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 133 Anm. 8; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 133 Rn. 6. 136  Leube, BG 2001, S. 139 (139); Quabach, in: jurisPK SGB VII, § 133 Rn. 16. 137  § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII spricht von einer „sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung“, die §§ 133 Abs. 1, 150 Abs. 1 S. 1 SGB VII von einer „besonderen, die Versicherung begründenden Beziehung“. Anhaltspunkte dafür, dass aus der unterschiedlichen Wortwahl darauf geschlossen werden kann, dass unterschiedliche Tatbestände gemeint sind, enthält jedoch weder die Gesetzesbegründung, noch wird dies, soweit ersichtlich, in Literatur und Rechtsprechung diskutiert. 138  Zu denken ist hier beispielsweise an die nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 SGB VII versicherten Schüler, Kinder und Studierenden oder die nach § 2 Abs. 1 Nr. 15 SGB VII versicherten Rehabilitanden: Sie werden nicht im Interesse der Sach- oder Rehabilitationskostenträger tätig, sondern in ihrem eigenen. Der Gesetzgeber nannte als Beispiel die Kindergartenkinder im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit a SGB VII (BTDrucks. 13 / 2204, S.  108). 139  So Stöber, NZV 2007, S. 57 (59). 140  Vgl. hier zum einen Stöber, NZV 2007, S. 57 (60 f.), der sich gegen eine Haftungsbeschränkung ausspricht, zum anderen ein Urteil des OLG Thüringen, NZV 2004, S. 466 (467 ff.), das von einer Beschränkung der Haftung ausgeht.



B. Beschränkung der Haftung der Unternehmer177

ordnung des Unfallversicherungsrechts in das Sozialgesetzbuch ausdrücklich festgestellt.141 Auch die unechte Unfallversicherung kennt vorübergehende Tätigkeiten, bei denen eine Beitragspflicht der Unternehmer besteht, beispielsweise die Blutspende oder die Heranziehung als Zeuge.142 Die Haftungsbeschränkung soll jedoch unter anderem die alleinige Beitragstragung ausgleichen, sodass auch bei spontanen Tätigkeiten schon alleine aufgrund der versicherten Tätigkeit eine besondere, die Versicherung begründende Beziehung zum Unternehmer bestehen muss.

II. Der schädigende Unternehmer in den Fällen der unechten Unfallversicherung 1. Spezielle Festlegung bei Tätigkeiten im eigenen Interesse der Versicherten Unternehmer ist nach § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII grundsätzlich derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Da das SGB VII nicht zwischen echter und unechter Unfallversicherung differenziert, gilt diese Definition für den gesamten Bereich der Unfallversicherung, d. h. grundsätzlich auch für die unechte Unfallversicherung. Abweichend davon trifft der Gesetzgeber für viele Versicherte der unechten Unfallversicherung eine gesonderte Bestimmung des Unternehmers. Deren Erforderlichkeit ergibt sich aus der großen Bandbreite an versicherten Tätigkeiten, bei denen häufig nicht eindeutig festzustellen ist, in wessen Interesse die Tätigkeit vorgenommen wird, d. h. wem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Insbesondere wenn die versicherte Tätigkeit im eigenen Interesse des Versicherten liegt, muss eine gesonderte Festlegung erfolgen, will man nicht die Versicherten selbst als Unternehmer werten. Dies gilt insbesondere für versicherte Teilnehmer an Bildungsmaßnahmen, Teilnehmer an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen oder für Rehabilitanden. Unternehmer bei Bildungsmaßnahmen143 ist der Sachkostenträger der Bildungsmaßnahme.144 Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen im Sinne des 141  BT-Drucks. 13  /  2204, S. 110: „Damit ist auch grundsätzlich eine Beitragspflicht der Unternehmer für Versicherte nach § 2 Abs. 2 Satz 1, die wie Beschäftigte tätig werden, erfaßt“. 142  Näher zur Finanzierung in diesen Fällen unten Kapitel 2 B. III. 143  Dies umfasst nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 SGB VII versicherte Kinder in Kindergärten und in der Tagespflege, Schüler und Studierende, aber auch Personen in beruflicher Aus- und Fortbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII. 144  § 136 Abs. 3 Nr. 3 SGB VII.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

§ 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. b SGB VII sind ebenfalls als Unternehmen des Sachkostenträgers einzuordnen.145 Sachkostenträger ist, wer die Maßnahme institutionell durchführt, indem er Räume, Personal und (Unterrichts-)Mittel bereitstellt und die Maßnahme in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung durchführt.146 Bei Rehabilitationsmaßnahmen ist Unternehmer der Rehabilitationsträger.147 Rehabilitationsträger ist, wer die Maßnahme veranlasst und die Kosten dafür trägt, d. h. beispielsweise die gesetzliche Krankenversicherung, die Rentenversicherungsträger oder die Bundesagentur für Arbeit,148 nicht jedoch die in Anspruch genommene Einrichtung.149 2. Unternehmer bei ehrenamtlichen Tätigkeiten a) Allgemeiner Grundsatz und gesonderte Festlegung Ehrenamtlich Tätige sind grundsätzlich für das jeweilige Unternehmen tätig, in dessen Interesse sie tätig werden. Unternehmer ist daher derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht.150 Eine Sonderregelung zur Bestimmung des Unternehmers enthält § 136 Abs. 3 Nr. 5 SGB VII, wonach bei nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 lit. a oder b SGB VII Versicherten, die für eine privatrechtliche Organisation ehrenamtlich tätig werden oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit 145  § 136

Abs. 3 Nr. 3 SGB VII. statt Vieler Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 136 Anm. 10; Quabach, in: jurisPK SGB VII, § 136 Rn. 71 147  § 136 Abs. 3 Nr. 2 SGB VII. – Zu den Rehabilitanden im Sinne dieser Vorschrift können auch Versicherte nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII zählen, wenn die berufliche Aus- und Fortbildung als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben erfolgt, die früher als berufliche Rehabilitation bezeichnet wurde. 148  Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 136 Rn. 32a. – Mögliche Rehabilitationsträger für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nennt § 6 Abs. 1 SGB IX. 149  Nach Schmitt, Kommentar SGB VII, § 136 Rn. 27, wäre nach den allgemeinen Grundsätzen die Rehabilitationseinrichtung Unternehmer; zustimmend Schlaeger, in: Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 136 Rn. 11; ebenso Quabach, in: jurisPK SGB VII, § 136 Rn. 63. Dies kann jedoch bezweifelt werden. Zwar fügt sich der Versicherte in die Rehabilitationseinrichtung als fremde Organisation ein wie der Beschäftigte in den Betrieb des Unternehmers. Die versicherten Tätigkeiten unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der Handlungstendenz, denn während der Beschäftigte im Interesse des Unternehmens tätig werden will, kommt es dem Rehabilitanden hauptsächlich auf seine eigene Genesung an. Das Ergebnis des Unternehmens kommt daher ihm selbst unmittelbar zugute (so auch Graeff, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 136 Rn. 53). – Vgl. zur fehlenden Anwendbarkeit des § 104 SGB VII auf die Haftung des Krankenhausbetreibers gegenüber einem Patienten auch OLG Dresden, Verfügung vom 19. Januar 2009 – 4 U 1599 / 08. 150  § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII. 146  Vgl.



B. Beschränkung der Haftung der Unternehmer179

teilnehmen, die Gebietskörperschaft oder öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft Unternehmer ist, in deren Auftrag oder mit deren Zustimmung die Tätigkeit erbracht wird. Diese gesonderte Regelung war erforderlich, weil die Ehrenamtlichen unmittelbar für die privatrechtliche Organisation tätig werden, um ihre Pflichten dieser gegenüber zu erfüllen.151 Im Ergebnis profitiert jedoch die beauftragende Gebietskörperschaft oder Religionsgemeinschaft von der Tätigkeit; dies zeigt auch die historische Betrachtung des Tatbestands.152 b) Unternehmer bei Ehrenamtlichen in Bildungseinrichtungen Eine gesonderte Festlegung des zuständigen Unfallversicherungsträgers und damit des Unternehmers traf das Bundessozialgericht im Jahr 1979 für die ehrenamtlichen Klassenpflegschaftsvorsitzenden in den öffentlichen Schulen, indem es den Sachkostenträger der Bildungseinrichtung als Unternehmer nannte.153 Begründet wurde diese Zuordnung damit, dass die ehrenamtlichen Vorsitzenden „in der Schule und für die Schule“154 tätig würden und dabei hauptsächlich die Interessen der Lernenden verträten.155 Das Bundessozialgericht stützte sein Urteil auf einen Erlass des Reichsarbeitsministers vom 23. Oktober 1943, in dem dieser festgelegt hatte, dass sich die Zugehörigkeit der Lernenden in der beruflichen Aus- und Fortbildung zu einem Unfallversicherungsträger nach dem Sachkostenträger „der unterrichtenden Veranstaltung“ richtete.156 In § 136 Abs. 3 Nr. 3 SGB VII wird eine Regelung zur Unternehmereigenschaft des Sachkostenträgers einer Bildungseinrichtung getroffen. Diese Vorschrift bezieht sich jedoch ausdrücklich lediglich auf die Lernenden in den genannten Einrichtungen,157 nicht auf die in den Bildungseinrichtungen 151  Vgl. Graeff, in: Hauck  / Noftz SGB VII, § 136 Rn. 56; Quabach, in: jurisPK SGB VII, § 136 Rn. 75. 152  Die Regelung sollte der neueren gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung tragen, dass viele der bisher von den Gebietskörperschaften und Religionsgemeinschaften selbst wahrgenommenen Aufgaben inzwischen vermehrt durch bürgerschaftlich Engagierte unentgeltlich erfüllt wurden, die dabei jedoch häufig nicht als Einzelpersonen betraut, sondern als Mitglieder einer privatrechtlichen Organisation tätig wurden; vgl. BT-Drucks. 15 / 3439, S. 5. 153  BSG, SozR 2200 § 657 Nr. 4. 154  BSG, SozR 2200 § 657 Nr. 4, S. 4. 155  BSG, SozR 2200 § 657 Nr. 4, S. 6. 156  AN 1943, S. 471 (472). 157  Unternehmer ist danach „bei Versicherten nach § 2 Absatz 1 Nummer 2, 8 und 14 Buchstabe b der Sachkostenträger“.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

ehrenamtlich Tätigen.158 Die Unternehmereigenschaft des Sachkostenträgers ließe sich daher lediglich über eine analoge Anwendung dieser Vorschrift herbeiführen. Schon die Tatsache, dass der Gesetzgeber knapp zwanzig Jahre nach dem genannten Urteil des Bundessozialgerichts die Regelung auf die Lernenden beschränkte, deutet jedoch darauf hin, dass er für die Ehrenamtlichen eine solche Zuweisung nicht treffen wollte. Bei Bestehen einer Regelungslücke könnte daher die Planwidrigkeit bezweifelt werden. Fraglich ist jedoch, ob es überhaupt einer gesonderten Festlegung bedarf. Fehlt es an einer gesonderten Festlegung des Unternehmers, ist Unternehmer nach § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. aa) Ehrenamtliche Tätigkeiten im Interesse der Bildungseinrichtung Nach dem Bundessozialgericht vertreten die Mitglieder der Schul- und Klassenpflegschaft insbesondere die Interessen ihrer Kinder als Schüler der jeweiligen Schule.159 Die einschlägigen Regelungen der Schulgesetze zeigen jedoch, dass die Tätigkeit der Eltern hauptsächlich in ihrem eigenen Interesse liegt, indem sie ihre eigene Verantwortung für die Erziehung und Bildung ihrer Kinder geltend machen.160 Die ehrenamtlich tätigen Eltern könnten daher unter Umständen nach der allgemeinen Definition des § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII sogar selbst als Unternehmer betrachtet werden, da – abgestellt auf die Verwirklichung und Durchsetzung ihrer eigenen Interessen – sie selbst von ihrer Tätigkeit profitieren. Doch auch die Schulen ziehen einen Nutzen aus der Tätigkeit der Eltern, beispielsweise indem diese Aufgaben übernehmen, die eigentlich der Schu158  Diese Differenzierung wird bisweilen übergangen, sodass aus § 136 Abs. 3 Nr. 3 SGB VII auf die Unternehmereigenschaft des Sachkostenträgers für die Schule allgemein geschlossen wird; vgl. beispielsweise Leube, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 136 Rn. 15, nach dem Unternehmer für „Versicherte“ in den genannten Einrichtungen der Sachkostenträger ist; nach Streubel, in: Becker / Franke / Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, § 136 Rn. 15, ist der Sachkostenträger Unternehmer der „Bildungseinrichtungen“. 159  BSG, SozR 2200 § 657 Nr. 4, S. 6. 160  Vgl. beispielsweise § 55 Abs. 1 SchulG BW: „Die Eltern haben das Recht und die Pflicht, an der schulischen Erziehung mitzuwirken. Die gemeinsame Verantwortung der Eltern und der Schule für die Erziehung und Bildung der Jugend fordert die vertrauensvolle Zusammenarbeit beider Erziehungsträger. Schule und Elternhaus unterstützen sich bei der Erziehung und Bildung der Jugend und pflegen ihre Erziehungsgemeinschaft.“ – Entsprechende Regelungen enthalten auch die Schulgesetze anderer Länder, vgl. beispielsweise für Hessen § 101 SchulG Hessen oder für Nordrhein-Westfalen § 2 Abs. 3 SchulG NRW.



B. Beschränkung der Haftung der Unternehmer181

le obliegen.161 Die Tätigkeit der ehrenamtlichen Eltern gereicht dabei eher der Schule unmittelbar zum Vorteil als den Eltern selbst, da ihre Mitwirkung eine Einwirkung auf die Tätigkeit der Schule darstellt. Dies gilt umso mehr für ehrenamtliche Personen außerhalb der Vertretung in Klassenpflegschaften. So wird beispielsweise der ehrenamtliche Prüfer oder eine Demonstrationsperson hauptsächlich im Interesse der Bildungseinrichtung tätig. Unternehmer ist damit nach der allgemeinen Regelung des § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII die Bildungseinrichtung, der das Ergebnis der Tätigkeit der Ehrenamtlichen unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Diese Lösung ist vor allem deswegen befriedigend, weil sie nicht nur die Elternbeiräte und Klassenpflegschaftsvorsitzenden erfasst, sondern sich auf alle in Bildungseinrichtungen ehrenamtlich Tätigen anwenden lässt. Diese sind für die jeweilige Bildungseinrichtung tätig.162 bb) Unternehmer von Schulen Bei den öffentlichen Schulen besteht hinsichtlich der Unternehmereigenschaft eine Besonderheit, die auch Hintergrund des angeführten Urteils des Bundessozialgerichts war: Während die Personalkosten zu einem großen Teil von den Ländern getragen werden (innerer Schulbereich), sind Sachkos­ tenträger der Schulen in der Regel die Kommunen (äußerer Schulbereich)163. Fraglich ist daher, wer als Unternehmer der Schulen anzusehen ist. Die Schulen sind Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Sinne des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG; ihre Errichtung und Unterhaltung gehörte schon immer zu den Aufgaben der Kommunen.164 Die Schulträgerschaft der Gemeinden ist Ausfluss der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden aus Art. 28 Abs. 2 GG.165 Damit haben die Gemeinden für den Regelfall die Befugnis und die Verpflichtung, für Unterhalt und Verwaltung 161  Dies wird deutlich gerade in dem Fall, den das Bundessozialgericht zu entscheiden hatte (SozR 2200 § 657 Nr. 4): Die verunfallte Klassenpflegschaftsvorsitzende hatte bei einer Schulveranstaltung die Aufsicht geführt, da der Klassenlehrer verhindert war. 162  So auch Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 133 Rn. 9. 163  Leube, VersR 2010, S. 1561 (1561). 164  Rux, in: Niehues / Rux, Schulrecht, Rn. 767, 1029. – Es handelt sich um eine weisungsfreie Pflichtaufgabe der Gemeinden; vgl. beispielsweise § 48 SchulG Baden-Württemberg (Pflichtaufgabe), § 99 Abs. 2 S. 1 SchulG Brandenburg (pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe), § 102 SchulG Mecklenburg-Vorpommern (Pflichtaufgabe des eigenen Wirkungskreises). 165  BVerfGE 26, 228 (238 f.); BVerwG, DÖV 1977, S. 754 (755); Pieroth, in: Jarass / Pieroth, Grundgesetz, Art. 7 Rn. 3. – Gern, Kommunalrecht Baden-Württemberg, Rn. 93, qualifiziert die Sachträgerschaft der Gemeinden als Teil der Kultur­ hoheit.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

der sächlichen Schulmittel sowie für das Inventar, die Lernmittel und die Schülerbeförderung zu sorgen.166 Dass die Personalkosten, d. h. insbesondere die Kosten für die Lehrer,167 in der Regel vom Land getragen werden ist darauf zurückzuführen, dass der Staat durch diese die von ihm bestimmten Inhalte und Werte vermittelt.168 Die Schulen stellen daher Unternehmen des Sachkostenträgers dar, in denen lediglich Teile der Personalkosten von einer anderen Stelle übernommen werden. cc) Ergebnis: Unternehmer für ehrenamtlich in Bildungseinrichtungen Tätige Mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts169 ist damit davon auszugehen, dass Unternehmer für ehrenamtlich in Bildungseinrichtungen Tätige der Sachkostenträger der Bildungseinrichtung ist. Dies folgt jedoch nicht aus einer analogen Anwendung des § 136 Abs. 3 Nr. 3 SGB VII, sondern aus der Grundregel des § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII. Im Fall der öffentlichen Schulen ist die Gemeinde wegen Art. 28 Abs. 2 GG Unternehmerin. Für die ehrenamtlich Tätigen bleibt es – abgesehen von der gesonderten Festlegung in § 136 Abs. 3 Nr. 5 SGB VII – damit bei dem Grundsatz, dass Unternehmer derjenige ist, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. 3. Unternehmer bei Tätigkeiten im öffentlichen Interesse a) Heranziehung zur Unterstützung einer Diensthandlung oder als Zeuge, § 2 Abs. 1 Nr. 11 SGB VII Für die im öffentlichen Interesse tätigen Versicherten trifft das SGB VII keine gesonderte Festlegung des Unternehmers. Hier bleibt es daher bei der allgemeinen Regelung des § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII, nach der Unternehmer ist, wem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Im Fall der nach § 2 Abs. 1 Nr. 11 lit. a SGB VII versicherten Unterstützung einer Diensthandlung profitiert diejenige Institution, die die Diensthandlung vornimmt, d. h. die durch denjenigen vertreten wird, der zur Unterstützung heranzieht. Davon geht auch der Gesetzgeber aus: 166  Robbers,

in: von Mangoldt / Klein / Starck, Grundgesetz, Art. 7 Abs. 1 Rn. 102. Kosten für das übrigen Personal der Schule werden dagegen in der Regel ebenfalls von den Kommunen getragen; vgl. Rux, in: Niehues / Rux, Schulrecht, Rn. 1134. 168  Rux, in: Niehues / Rux, Schulrecht, Rn. 1131. 169  BSG, SozR 2200 § 657 Nr. 4. 167  Die



B. Beschränkung der Haftung der Unternehmer183

Aus § 133 Abs. 1 SGB VII ergäbe sich eine Zuständigkeit desjenigen Unfallversicherungsträgers „bei dem die Körperschaft versichert ist, die die Hilfeleistung veranlasst hat“.170 Diese Körperschaft ist daher als Unternehmer zu werten.171 Dasselbe kann für Zeugen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 11 lit. b SGB VII gesagt werden. Zwar mögen insbesondere vor Gericht im Ergebnis die Parteien bzw. eine von ihnen von der Aussage des Zeugen profitieren, unmittelbar kommt sie jedoch der Stelle zugute, die den Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen hat. Der Zeuge erfüllt für diese Stellen öffentlichrechtliche Aufgaben, indem er ihnen bei der Wahrheitsfindung hilft. Dies zeigt sich insbesondere dadurch, dass kein Versicherungsschutz besteht für Zeugen, die die Parteien zur Verhandlung mitgebracht haben, solange sie nicht beispielsweise durch Anhörung von öffentlicher Seite herangezogen wurden.172 Berechtigte Stelle kann neben der Staatsanwaltschaft und allen Gerichten jede andere öffentliche Stelle sein, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften Zeugen zur Beweiserhebung heranziehen darf, beispielsweise auch alle Behörden, die Verwaltungstätigkeiten aufgrund der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder oder dem SGB X ausüben, sowie die Untersuchungsausschüsse der Parlamente oder Polizeidienststellen.173 Unternehmer sind damit diese Stellen; zuständiger Unfallversicherungsträger ist der für sie zuständige Träger,174 also beispielsweise für die Landesgerichte die Unfallversicherungsträger im Landesbereich oder für Gemeindebehörden die Gemeinunfallversicherungsträger.175

170  BT-Drucks.

13 / 2204, S.  107. auch Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 133 Rn. 9. 172  Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 23.3. 173  Näher Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 592; Richter, in: Becker / Franke / Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, § 2 Rn. 111. 174  BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 39, S. 150; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 23.5. 175  Zu der Frage, welcher Unfallversicherungsträger zuständig ist, wenn die Zeugentätigkeit auch mit der selbstständigen beruflichen Tätigkeit des Zeugen zu tun hat, siehe BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 39; kritisch Wolber, SGb 1997, S. 591 (591 f.), der hauptsächlich aus finanziellen Gesichtspunkten eine Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers annehmen will, der bei Arbeitsunfällen im Zusammenhang mit der selbstständigen Tätigkeit zuständig wäre. 171  So

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

b) Nothilfe, § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII Für andere Tätigkeiten im öffentlichen Interesse wird häufig die Existenz eines Unternehmers verneint. Diskutiert wird dies insbesondere im Hinblick auf die nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII versicherten Nothelfer. Zurückgehend auf eine entsprechende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs176, die in der Literatur auf breite Zustimmung gestoßen ist177, wird bei der Nothilfe typischerweise angenommen, es läge eine Versicherung ohne Unternehmensbezug vor, da die Tätigkeit alleine im Interesse der Allgemeinheit läge.178 § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII könne daher hier keine Anwendung finden. aa) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Haftungsbeschränkung bei Nothilfe (1) Das Urteil vom 20. März 1979 – VI ZR 14 / 78 In seinem ersten Urteil zur Thematik179 ließ der Bundesgerichtshof die Frage der Haftungsbeschränkung bei Nothilfe noch offen. Der Verletzte hatte mit Hilfe zweier Kollegen eine Stelle auf dem Bürgersteig absperren wollen, an der aufgrund einer schadhaften Fernheizung Wasser ausgetreten war. Dabei zog er sich Verbrennungen zu, die zu einer längerfristigen Arbeitsunfähigkeit führten, weswegen sein Arbeitgeber gegen das Unternehmen, dessen schadhafte Heizung die Gefahr verursacht hatte, aus abgetretenem Recht Verdienstausfall geltend machte. Dieses berief sich auf die unfallversicherungsrechtliche Haftungsbeschränkung. 176  BGH, NJW 1981, S. 760; BGH, NJW 1987, S. 1022; BGH, NZV 1990, S. 345; BGH, NJW 1995, S. 2038; BGH, NJW 1996, S. 2023; BGHZ 166, 42; zweifelnd zuvor schon BGH, VersR 1979, S. 668 (558). 177  Jung, SGb 1995, S. 561 (561); Kater, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Rn. 28; von Koppenfels-Spies, in: Kreikebohm / Spellbrink / Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, § 104 Rn. 5; Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Rn. 13; Lemcke, in: Brennpunkte des Sozialrechts 1995, S. 165 (181); Leube, BG 2001, S. 139 (140); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Anm. 9.3; Müller, VersR 1995, S. 1209 (1209); Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 104 Rn. 24a; Wellner, NJW-Spezial 2009, S. 402 (403). 178  So Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 121 Rn. 9; Lemcke, in: Brennpunkte des Sozialrechts 1995, S. 165 (174); Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 76; Leube, BG 2001, S. 139 (140); Otto, NZV 1996, S. 473 (475); Rapp, in: Becker / Franke / Molkentin, § 104 Rn. 9; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 121 Rn. 7. 179  BGH, VersR 1979, S. 668.



B. Beschränkung der Haftung der Unternehmer185

Der Bundesgerichtshof bejahte zwar das Vorliegen einer gemeinen Gefahr, lehnte jedoch im Hinblick auf die Handlungstendenz des Verletzten eine Einordnung in den Betrieb des Verursachers ab. Eine Einordnung setze den Willen des Tätigen voraus, „durch seine auf eigenem Entschluss beruhende Mithilfe einen Teil der den Beschäftigten des fremden Betriebs obliegenden Aufgaben zu übernehmen“. In diesem Fall sei der Verletzte jedoch tätig geworden, „um eine Gefahr kenntlich zu machen und ihre Verwirk­ lichung zu verhindern“.180 Darin könne keine Einordnung gesehen werden. Dass die Tätigkeit neben der Allgemeinheit auch dem Gefahrverursacher zugute gekommen sei, ändere nichts an diesem Ergebnis, denn aus dem objektiven Interesse des Gefahrverursachers an der Tätigkeit des Verletzten könne „keinesfalls (…) schon sein Wille zur Einordnung in den Betrieb der Beklagten abgeleitet werden“.181 Die Handlung des Verletzten sei daher mangels Einordnung nicht dem Unternehmen zuzurechnen gewesen, von dem die Gefahr ausging, sodass dessen Unternehmer unbeschränkt haften müsse. (2) Das Urteil vom 2. Dezember 1980 – VI ZR 265 / 78 In seinem Urteil vom 2. Dezember 1980182 führte der Bundesgerichtshof seine Auffassung zur Haftungsbeschränkung für die Nothelfer weiter aus. Ein Autofahrer war bei der Leistung von erster Hilfe durch ein weiteres Auto erfasst und schwer verletzt worden, weswegen er gegen dessen Fahrer einen Schmerzensgeldanspruch geltend machte. Der Bundesgerichtshof hatte zu entscheiden, ob dieser Anspruch nach den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld zu kürzen sei, weil ein Anspruch des Verletzten gegen denjenigen, dem er erste Hilfe geleistet hatte, aufgrund von § 636 RVO183 abgelöst worden sei und beide Mitverursacher des Schadens gewesen seien. Der Bundesgerichtshof verneinte eine gestörte Gesamtschuld. Die Haftungsbeschränkung erstrecke „sich aber nicht auch auf denjenigen, der den Arbeitsunfall nicht wenigstens ‚wie ein aufgrund eines Arbeitsverhältnisses Beschäftigter‘ erleidet“.184 Die Tätigkeit des Nothelfers sei jedoch nicht der eines Arbeiters des Verletzten gleichzustellen, sodass sie auch nicht im Unternehmen des Verletzten geleistet würde. Die Einbeziehung des Nothelfers in die gesetzliche Unfallversicherung folge vielmehr „eigenständigen Gesichtspunkten“, da nicht die Gleichstellung mit Arbeitnehmern des Unfall180  BGH,

VersR 1979, S. 668 (669). VersR 1979, S. 668 (669). 182  BGH, NJW 1981, S. 760. 183  Der Vorgängerregelung des heutigen § 104 SGB VII. 184  BGH, NJW 1981, S. 760 (760). 181  BGH,

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

unternehmens maßgeblich gewesen sei, sondern die „Erwägung, daß die Rettung Verunglückter zugleich dem Gemeinwohl dient und deshalb die Bereitschaft zur Hilfeleistung durch eine soziale Existenzsicherung gefördert werden soll“.185 Das Prinzip der Haftungsbeschränkung könne auf Personenkreise, „die versicherungsrechtlich Arbeitnehmern in diesem Sinn nicht gleichstehen“, nur erstreckt werden, wenn dies ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben sei. (3) Das Urteil vom 24. Januar 2006 – VI ZR 290 / 04 Es folgten einige Entscheidungen, in denen der Bundesgerichtshof aufgrund der Beweislage nicht entscheiden konnte, ob eine Versicherung aufgrund einer Hilfeleistung vorlag186, oder das Vorliegen einer Haftungsbeschränkung aus anderen Gründen offenlassen konnte187. Im Jahr 2006188 äußerte er sich dann zur Rechtslage unter der Geltung des SGB VII. Ein Mann war verletzt worden, weil er eine entlaufene Kuh eingefangen hatte, und verlangte nun vom Eigentümer der Kuh Schmerzensgeld. Das Berufungsgericht189 hatte diesen Anspruch aufgrund der Haftungsbeschränkung nach § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII verneint: Anders als noch § 636 RVO stelle § 104 Abs. 1 SGB VII nicht mehr auf eine Tätigkeit im Unternehmen ab, sondern schließe in die Haftungsbeschränkung der Unternehmer alle Versicherten ein, „die für ihre Unternehmen tätig sind“ oder zu den Unternehmen „in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen“. Der Gesetzgeber habe in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der eine Eingliederung des Nothelfers in das Unternehmen gefordert hatte190, den Gesetzeswortlaut der Haftungsbeschränkung geändert. Daher könne es nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift auf die fehlende Eingliederung des Nothelfers in das Unternehmen nicht mehr ankommen. Maßgeblich sei „allein eine die Versicherung begründende Beziehung, wie sie auch gemäß § 2 Abs. 1 Ziffer 13 a durch Nothilfe erfolgen kann“. Der Bundesgerichtshof widersprach dem Berufungsgericht und bejahte in seinem Revisionsurteil das Bestehen eines Schmerzensgeldanspruchs. Die Nothilfe sei keine die Versicherung begründende Beziehung im Sinne des § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII, sodass die Haftungsbeschränkung keine Anwendung finde. Der Versicherungsschutz des Nothelfers werde „durch die Leis185  BGH,

NJW 1981, S. 760 (761). NJW 1987, S. 1022; BGH, NZV 1990, S. 345. 187  BGH, NJW 1995, S. 2038; BGH, NJW 1996, S. 2023. 188  BGHZ 166, 42. 189  LG Stuttgart, Urteil vom 25. August 2004 – 13 S 152 / 04. 190  Vgl. beispielsweise BGH, NJW 1981, S. 760 (760 f.). 186  BGH,



B. Beschränkung der Haftung der Unternehmer187

tung der Nothilfe begründet“ und damit „gerade nicht durch die Beziehung zu einem Unternehmen“.191 Mit der Leistung der Nothilfe helfe der Handelnde der Allgemeinheit, sodass es gleichgültig sei, „ob derjenige, dem geholfen wird oder der von einer Gefahr verschont wird, ein Unternehmer oder eine andere Person ist“.192 bb) Existenz eines Unternehmers bei der Nothilfe Bei genauerer Betrachtung dieser Rechtsprechung und der zugrunde liegenden Fälle fällt vor allem auf, dass bezüglich der Haftungsbeschränkung und der Zuordnung zu einem Unternehmer zu differenzieren ist. In Betracht kommt als Unternehmer zum einen der Gefahrverursacher, zum anderen aber auch der Gefährdete, in dessen Interesse die Hilfeleistung erfolgte. In den dargestellten Urteilen waren beide Fragen zu klären: Während es im Urteil vom 20. März 1979193 sowie vom 24. Januar 2006194 im Kern um Ansprüche des Verletzten gegen den Unternehmer ging, von dessen Unternehmen die Gefahr ausging (schadhafte Fernheizung, entlaufene Kuh), befasste sich der Bundesgerichtshof im Urteil vom 2. Dezember 1980195 mit Ansprüchen des Hilfeleistenden gegen denjenigen, dem er erste Hilfe geleistet hatte. Diese beiden potentiellen Unternehmer sind für die Frage des Vorliegens einer Haftungsbeschränkung bei der Nothilfe an sich streng zu trennen. Eine solche Trennung findet jedoch sowohl in der Rechtsprechung196 als auch in der einschlägigen Literatur197 kaum statt. 191  BGHZ

166, 42 (45). 166, 42 (46). 193  BGH, VersR 1979, S. 668. 194  BGHZ 166, 42. 195  BGH, NJW 1981, S. 760. 196  So verweist der Bundesgerichtshof im seinem Urteil vom 24. Januar 2006 (BGHZ 166, 42 (46)) beispielsweise mit der pauschalen Aussage, der Versicherungsschutz für die Hilfeleistung führe wie bei den früheren gesetzlichen Regelungen nicht zur Anwendung der Haftungsbeschränkung, unter anderem auch auf das Urteil vom 2. Dezember 1980, obwohl diesem eine andere Frage zugrunde lag. Ebenso verweist das Urteil vom 2. Dezember 1980 (NJW 1981, S. 760 (761)) auf das vom 20. März 1979, wiederum ohne Rücksicht auf die andere Fragestellung. 197  Ebsen, in: jurisPK SGB VII, § 104 Rn. 20, bejaht unter Bezugnahme auf das Urteil vom 24. Januar 2006 das Bestehen von Ansprüchen des Nothelfers gegenüber der Person, der er geholfen hat; ebenso Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Rn. 13. Kater, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Rn. 28, zitiert für die fehlende Beschränkung der Ansprüche gegen Gerettete das Urteil vom 20. März 1979. Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 76, führt sowohl das Urteil vom 20. März 1979 als auch das vom 2. Dezember 1980 als Beleg für die Aussage an, dass es bei der Nothilfe allgemein an einem Unternehmer fehle. 192  BGHZ

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

(1) Gefahrverursacher als Unternehmer Ein Abstellen auf denjenigen, der die Gefahr verursacht hat, steht im Widerspruch zur Struktur des Nothilfetatbestands. § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII versichert Personen, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten. Hilfeleisten setzt ein aktives Handeln zu Gunsten eines Dritten voraus mit dem Willen des Helfers, die drohende oder bestehende Gefahr oder den Schaden zu beseitigen bzw. zu mindern.198 Die Handlungstendenz des Nothelfers ist daher primär darauf gerichtet, dem Gefährdeten zu Hilfe zu kommen. Zwar kann die Gefahrbeseitigung auch im Interesse des Verursachers liegen; dies ist jedoch lediglich ein Nebeneffekt des Bemühens um den Gefährdeten.199 Die Tätigkeit des Nothelfers ist daher keine Tätigkeit, die er für den Gefahrverursacher erbringen will. Nach dem System der Unfallversicherung ist zunächst jede versicherte Tätigkeit einem Unternehmer zuzuordnen; dies ist, sofern keine gesonderte Zuordnung getroffen wurde, nach § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Die Definition des Hilfeleistens zeigt, wem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht, nämlich demjenigen, dem geholfen wird. Liegt ein Unglücksfall vor, d. h. ein plötzlich eintretendes Ereignis, das erhebliche Gefahren für Sachen oder Menschen hervorruft oder hervorzurufen droht,200 wäre dies beispielsweise derjenige, dem die Gefahr droht; dasselbe lässt sich für denjenigen sagen, der aus einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr für seine Gesundheit gerettet wird. Wenn überhaupt, können also nur diese Personen Unternehmer sein.

198  Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 25.7. 199  Dies hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 19. März 1979 (BGH, VersR 1979, S. 668 (669)) auch deutlich erkannt: Der Kläger sei tätig geworden, „um eine Gefahr kenntlich zu machen und ihre Verwirklichung zu verhindern“. Ein Tätigwerden für den Gefahrverursacher könne daneben auch dann nicht angenommen werden, „wenn er dabei mit der Errichtung der Absperrung objektiv eine Tätigkeit entfaltete, die (auch) der Bekl. zugute kam und daher in deren Interesse lag“. 200  BSG, Urteil vom 10. Oktober 2002 – B 2 U 8 / 02 R. – Dabei sind jedoch an den Personenschaden keine allzu hohen Anforderungen zu stellen; beispielsweise wurde eine blutende Kinnwunde eines fünfjährigen Kindes als Unglücksfall gewertet (BSGE 57, 134 (135)).



B. Beschränkung der Haftung der Unternehmer189

(2) Gefährdeter als Unternehmer Die Hilfeleistung kommt demjenigen zugute, dem die Gefahr droht. Folgerichtig untersuchte der Bundesgerichtshof im Urteil vom 2. Dezember 1980201, ob Ansprüche des Helfers gegen denjenigen, dem er geholfen hatte, von der Haftungsbeschränkung betroffen waren. Verneint wurde dies mit dem Gedanken, die Haftungsbeschränkung könne – mangels ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung – nicht für Nothelfer gelten, sondern lediglich für diejenigen, die als oder wie Arbeitnehmer des jeweiligen Unternehmers zu qualifizieren seien; der Helfende werde jedoch weder dann als Arbeitnehmer des Gefährdeten tätig, wenn er sich selbst zur Rettung entschließe, noch dann, wenn ihn der Gefährdete darum bitte.202 Spätestens seit der Einordnung der Unfallversicherung in das Sozial­ gesetzbuch ist der Anwendungsbereich der Haftungsbeschränkung jedoch nicht mehr auf beschäftigte und beschäftigtenähnliche Versicherte beschränkt.203 Indem § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII die Haftung der Unternehmer gegenüber allen Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, beschränkt, sind grundsätzlich alle nach den §§ 2, 3 und 6 SGB VII Versicherten in die Haftungsbeschränkung einbezogen. Dies würde auch den Nothelfer erfassen, wenn derjenige, dem er Hilfe leistet, als Unternehmer zu qualifizieren wäre. (a) W  eiter Begriff des Unternehmens in der gesetzlichen Unfallversicherung Unternehmer und Unternehmen sind zunächst zwei voneinander zu trennende Begriffe. Zwar hat die Existenz eines Unternehmens die Existenz eines Unternehmers zur Folge, die Existenz eines Unternehmers setzt die Existenz eines Unternehmens voraus.204 Dennoch muss deutlich differenziert werden: Unternehmer ist derjenige, dem das Ergebnis eines Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht, § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist daher das Unternehmen; die Rechtsbeziehungen zur gesetzlichen Unfallversicherung werden nicht über den Unternehmer hergestellt, sondern über das Unternehmen.205 201  BGH,

NJW 1981, S. 760. NJW 1981, S. 760 (761). 203  Siehe hierzu ausführlich oben Kapitel 2 B. I. 1. 204  Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 121 Rn. 3. 205  Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 121 Anm. 3; Platz, BG 1989, S. 36 (37); Spellbrink, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 25 Rn. 8. 202  BGH,

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

Das Unternehmen wird legaldefiniert in § 121 Abs. 1 SGB VII als „Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen, Tätigkeiten“. Der unfallversicherungsrechtliche Begriff geht daher über den Unternehmensbegriff im wirtschaftlichen Sinne hinaus.206 Die Tätigkeit in diesem Sinne ist jedes zielgerichtete207 Handeln, ohne dass eine äußere Organisation erforderlich wäre.208 Das Bundessozialgericht definiert das Unternehmen als „jede planmäßige, für eine gewisse Dauer bestimmte Vielzahl von Tätigkeiten, gerichtet auf einen einheitlichen Zweck und ausgeübt mit einer gewissen Regelmäßigkeit“.209 Weder das Gesetz noch das Bundessozialgericht setzt also einen wirtschaftlichen Zweck oder eine bestimmte Betriebseinrichtung voraus, sodass der Unternehmensbegriff äußerst weit ist und an sich jegliche Art von Tätigkeit erfassen kann.210 Fraglich ist jedoch, wer im Fall der Tätigkeit als Unternehmer zu qualifizieren ist. Allein dem allgemeinen Sprachgebrauch nach erscheint diese Frage ohne weitere Schwierigkeiten lösbar; ein Unternehmer ist jemand, der etwas unternimmt. Ist also ein Unternehmen eine Tätigkeit, so ist der Unternehmer derjenige, der sie verrichtet.211 Dies stimmt jedoch nicht mit der Definition des § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII überein, nach der der Unternehmer derjenige ist, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Dies setzt gerade nicht voraus, dass er selbst etwas unternimmt, sondern lediglich, dass etwas Unternommenes für ihn eine positive oder negative Folge hat. 206  Ganz herrschende Auffassung; vgl. statt Vieler Quabach, in: jurisPK SGB VII, § 121 Rn. 20. – Zu den Unterschieden zwischen den verschiedenen Unternehmensbegriffen vgl. beispielsweise schon Baudisch, Der Unternehmerbegriff in der gesetzlichen Unfallversicherung, S. 20 ff.; Teutsch, in: Rechtsfragen aus der Privat- und Sozialversicherung, S. 135 (141 ff.); Spellbrink, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 25 Rn. 14 ff.; zum Unternehmens- und Betriebsbegriff im Arbeitsrecht siehe auch unten Kapitel 2 C. I. 1. 207  Zur etymologischen Herleitung sowohl der „Tätigkeit“ als auch des „Unternehmens“, aus der sich ebenfalls für beide Begriffe die Forderung einer willentlichen, zielgetragenen Aktivität ergibt, siehe Dausmann / Platz, BG 1986, S. 748 (749). 208  BSG, Urteil vom 5. März 2002 – B 2 U 8 / 01 R; ebenso Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 121 Anm. 3.1; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 121 Rn. 4; Schlaeger, in: Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 121 SGB VII Rn. 3; Spellbrink, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 25 Rn. 9. 209  Vgl. beispielsweise BSGE 16, 79 (81). 210  Dausmann / Platz, BG 1986, S. 748 (749), nennen beispielsweise das Spielen mit einer elektrischen Eisenbahn als Unternehmen; Spellbrink, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 25 Rn. 12, führt eine Skatrunde als Beispiel an. 211  So im Ergebnis wohl Dausmann / Platz, BG 1986, S. 748 (749), nach denen „jedes zielgerichtete Handeln zur Unternehmereigenschaft führt“.



B. Beschränkung der Haftung der Unternehmer191

Dies zeigen einige der ausdrücklich im SGB VII genannten Unternehmen. Der Haushalt beispielsweise wird verstanden als hauswirtschaftliche sowie jede sonstige häusliche Betätigung, die mit der Haushaltung in einer inneren Beziehung steht.212 Dazu gehören die Beschaffung und Zubereitung der Mahlzeiten, die Beschaffung und Pflege der Kleidung, die Betreuung und Pflege der zur häuslichen Gemeinschaft gehörenden Personen sowie die Instandhaltung der Wohnräume.213 Dies wird zwar in der Regel von einem der Haushaltsvorstände als Unternehmer214 erledigt werden; ebenso denkbar ist jedoch, dass dieser andere Personen damit beauftragt, seien es Angehörige des Haushalts oder Beschäftigte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Dies nimmt dem Haushalt jedoch ebenso wenig die Eigenschaft als Unternehmen wie dem Haushaltsvorstand, der anderen die mit dem Haushalt kommenden Aufgaben überlässt, die Eigenschaft als Unternehmer. Beinahe noch deutlicher wird die Tatsache, dass es nicht auf eine Handlung des Unternehmers ankommen kann, bei Haltern von Fahrzeugen oder Reittieren. Ihre Unternehmen bestehen unabhängig davon, ob sie im Sinne eines aktiven Handels tätig werden,215 sondern alleine deswegen, weil sie das Fahrzeug oder das Reittier halten.216 Daher kann zumindest festgehalten werden, dass der Begriff der „Tätigkeiten“ im Sinne des § 121 Abs. 1 SGB VII nicht gleichzusetzen ist mit „Tätigwerden des Unternehmers“.217 Das lediglich passive „Retten lassen“ 212  Amtliche Begründung zum Fünften Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung, AN 1939, S. 101 zu Art. 1 Nr. 56; diese Definition wurde seitdem in Rechtsprechung und Literatur übernommen; vgl. beispielsweise BSG, SozSich 1983, S. 62 (62); BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 6, S. 22; Ensberg, in: jurisPK SGB VII, § 4 Rn. 125; Maschmann, SGb 1995, S. 381 (385), Wiester, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 4 Rn. 135, jeweils mit weiteren Nachweisen. 213  Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 3 Rn. 25. 214  Ensberg, in: jurisPK SGB VII, § 3 Rn. 82; Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 3 Rn. 25. 215  So kommt es für den Versicherungsschutz (üblicherweise wird hier eine WieBeschäftigung nach § 2 Abs. 2 SGB VII gegeben sein, beispielsweise bei der Pannenhilfe) auch nicht darauf an, ob das Fahrzeug oder das Reittier zur Zeit der Tätigkeit für das Unternehmen von dem Halter benutzt wird (Diel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 128 Rn. 43). 216  Dass sie als Unternehmer zu qualifizieren sind, ergibt sich aus § 128 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII, wonach die Unfallversicherungsträger im Landesbereich für Personen, die wie Beschäftigte für nicht gewerbsmäßige Halter von Fahrzeugen oder Reittieren tätig werden, zuständig sind. 217  Davon scheint auch das Bundessozialgericht auszugehen, wenn es bei der Pflege eines Schwerbehinderten durch seinen Vater ein Unternehmen der Wohlfahrtspflege annimmt, dessen Unternehmer der Pflegebedürftige selbst ist (BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 6).

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

könnte daher als Unternehmen zu werten sein, dessen Unternehmer der Gerettete ist, denn der Nothelfer handelt zielgerichtet, indem er versucht, Hilfe zu leisten. Es liegt eine planmäßige, für eine gewisse Dauer bestimmte Vielzahl von Tätigkeiten vor, die auf den einheitlichen Zweck der Hilfeleistung gerichtet sind. Lediglich die gewisse Regelmäßigkeit mag bezweifelt werden, wobei dieser Voraussetzung keine allzu hohe Stellung eingeräumt werden darf. Auch eine spontane, kurzfristige Tätigkeit kann als Unternehmen zu werten sein, wie schon der Begriff der Tätigkeit – im Gegensatz zu den anderen Varianten „Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen“, die regelmäßig auf einen längeren Bestand angelegt sind – zeigt.218 (b) U  nternehmereigenschaft ohne Kenntnis vom Unternehmen Allerdings ist den genannten Beispielen gemein, dass die jeweiligen Unternehmer nicht gänzlich untätig waren. Der Haushaltsvorstand hat – sei es durch eine ausdrückliche oder konkludente vertragliche Vereinbarung oder durch unverbindliche Absprachen – im Vorhinein festgelegt, wer die jeweils anfallenden Aufgaben ausführen soll, d. h. er hat den Rahmen für die Tätigkeiten der anderen festgelegt. Der Halter eines Reittieres oder Fahrzeugs ist ebenfalls nicht ohne eigenes Zutun Halter geworden, sondern hat sich die Verfügungsgewalt und die Nutzungsmöglichkeit über das Fahrzeug oder Reittier auf irgendeinem Weg verschafft. Eine solche aktive Handlung mag zwar auch bei den Verletzten, Verunglückten, Gefährdeten denkbar sein, indem sie den Helfenden um Unterstützung bitten. Dagegen wäre sie jedoch nicht gegeben, wenn beispielsweise einem Ohnmächtigen geholfen wird, der nicht in der Lage ist, um Hilfe zu bitten.219 Hier ist jedoch zu sehen, dass es für den Schutz der Unfallversicherung an keiner Stelle darauf ankommt, ob der Tätigkeit ein wirksames Rechtsverhältnis zugrunde liegt. Schon bei den Beschäftigten ist die tatsächliche Arbeitsleistung Voraussetzung, nicht die Wirksamkeit des Beschäftigungsverhältnisses.220 Nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII sind sogar Tätigkeiten versi218  Quabach, in: jurisPK SGB VII, § 121 Rn. 30. – Diel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 121 Rn. 17, nennt ausdrücklich „kurzfristige, spontane Tätigkeiten, wie (…) die Unglückshilfe“ als Unternehmen. 219  Dieser Fall unterscheidet sich auch von dem des pflegenden Vaters, dessen schwerbehinderter Sohn als Unternehmer angesehen worden war (BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 6): Hier hatte der Vater mit einem Ergänzungspfleger einen Pflegevertrag geschlossen, sodass er als Beschäftigter im Unternehmen des Sohnes anzusehen war. 220  BT-Drucks. 7 / 4122, S. 31; zu weiteren Nachweisen siehe oben Kapitel 1 C. I. 2. b).



B. Beschränkung der Haftung der Unternehmer193

chert, die nicht dem tatsächlichen, sondern nur dem mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechen müssen; der Unternehmer muss in diesen Fällen nicht einmal Kenntnis von der seinem Unternehmen dienenden Tätigkeit haben.221 Daher kann es zumindest bei den Personen, die für ein anderes Unternehmen tätig werden, d. h. diesem dienen wollen, nicht darauf ankommen, ob sie dies aufgrund einer – wie auch immer gestalteten – vorherigen Absprache oder aufgrund eigenen Entschlusses tun.222 (c) W  eiter Unternehmerbegriff als Folge des weiten Unternehmensbegriffs Unternehmer kann damit jeder sein, dem das Ergebnis einer Tätigkeit unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Im Fall der Nothilfe ist daher derjenige als Unternehmer zu sehen, zu dessen Gunsten die Nothilfe geleistet wurde. Erfolgt die Nothilfe im Wege der Rettung aus einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr für die Gesundheit, ist Unternehmer der Gerettete. Im Fall der Hilfeleistung bei einem Unglücksfall223 ist Unternehmer derjenige, dem die Gefahr droht.224 Zwar haben diese Unternehmer kaum etwas gemeinsam mit dem Unternehmer der nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Beschäftigten, denn weder kommt ihnen ein Weisungs- und Direktionsrecht zu, noch verfügen sie frei über die eigene Arbeitskraft oder tragen ein wirtschaftliches Risiko.225 Auch die dem Unternehmer nach dem SGB VII auferlegten Pflichten 221  Krasney, NZS 2000, S. 373 (378 f.); zustimmend Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  / ​ Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 34.9. 222  Etwas anderes gilt dagegen unter Umständen bei den Personen, die in einer besonderen, die Versicherung begründenden Beziehung zu einem Unternehmen stehen, insbesondere wenn die versicherte Tätigkeit eine eigennützige ist. Daher bleibt es beispielsweise dabei, dass nur diejenigen Studierenden nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. c SGB VII versichert sind, die durch eine Immatrikulation oder einen anderen formellen Akt zur Teilnahme an den Hochschulveranstaltungen berechtig sind; siehe ausführlich hierzu Kapitel 1 C. V. 3. a). 223  Ein Unglücksfall ist ein plötzlich eintretendes Ereignis, das erhebliche Gefahren für Sachen oder Menschen hervorruft oder hervorzurufen droht (BSG, Urteil vom 10. Oktober 2002 – B 2 U 8 / 02 R). 224  Dies zeigt sich schon darin, dass Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII ausgeschlossen ist, wenn der Handelnde überwiegend sich selbst schützen wollte. Selbstschutz steht dem Versicherungsschutz nur dann nicht entgegen, wenn die Hilfeleistung für den Anderen das Handeln zumindest wesentlich mitbestimmte (BSGE 44, 22 (24)). 225  Zu diesen Merkmalen des (gewerblichen) Unternehmers, insbesondere im Hinblick auf die Abgrenzung zum Beschäftigten, statt Vieler Rolfs, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 7 SGB IV Rn. 9; Knospe, in: Hauck / Noftz SGB IV, § 7 Rn. 55.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

können in ihrer Person nicht erfüllt werden.226 Diese Abweichung vom „normalen Unternehmerbegriff“ ist jedoch die Konsequenz der Weite des Unfallversicherungsschutzes. Indem der Gesetzgeber über die Jahre einen immer weiteren Personenkreis aufgenommen hat, mussten auch die für diesen Personenkreis geltenden Vorschriften und ihr Verständnis erweitert werden. Insbesondere indem die Unternehmerdefinition lediglich darauf abstellt, wem ein Unternehmen unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht,227 und bedingt durch die Qualifikation bloßer Tätigkeiten als Unternehmen wird deutlich, dass an die Unternehmereigenschaft keine strengen Anforderungen geknüpft werden dürfen. (d) Hilfeleistung bei gemeiner Gefahr oder Not Anders liegt die Sache jedoch bei § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a Var. 2 SGB VII, d. h. der Hilfeleistung bei gemeiner Gefahr oder Not. Hier besteht ohne das Eingreifen des Helfenden ein Risiko für eine unbestimmte und zumindest größere Anzahl von Menschen, wie dem Wort „gemein“ zu entnehmen ist. Das Bundessozialgericht definiert die gemeine Gefahr als Gefahr, die in einem Bereich droht, welcher der Allgemeinheit zugänglich ist, selbst wenn nur eine einzige Person in diesen Bereich gerät oder gefährdet erscheint.228 Als Beispiele werden Überschwemmungen, Erdbeben, Verkehrsunfälle, Lawinen, Geiselnahmen, tollwütige Hunde oder das Hantieren eines Betrunkenen mit einer Pistole genannt.229 Die gemeine Not betrifft die Allgemeinheit in dem Sinne, dass die Öffentlichkeit in eine Zwangslage versetzt wird und für unbestimmt viele Personen oder Sachen ein Schaden verursacht wird oder werden kann, beispielsweise wenn eine Gemeinde wegen Überschwem226  Zu denken wäre beispielsweise an die Mitwirkung des Unternehmers bei der Unfallprävention nach § 21 Abs. 1 SGB VII oder an Mitteilungs- und Auskunftspflichten nach den §§ 165, 192, 193 SGB VII. 227  Im Gegensatz dazu definierte § 658 Abs. 2 Nr. 1 RVO den Unternehmer als denjenigen, für dessen Rechnung das Unternehmen (Betrieb, Einrichtung oder Tätigkeit) geht. Wesentlich war damit die Tragung des Geschäftswagnisses oder unternehmerischen Risikos sowie eine weitgehende Einwirkung auf die Führung des Unternehmens oder wenigstens ein maßgebender Einfluss auf die kaufmännische Leitung des Unternehmens (BSGE 17, 211 (212 f.); BGH, NJW 1991, S. 174 (175); näher zu den Anforderungen an den Begriff des Unternehmers nach § 658 Abs. 2 Nr. 1 RVO Spellbrink, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 25 Rn. 13 ff.). 228  BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 19, S. 71. 229  Beispiele nach Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 25.4; zum Fall des bewaffneten Betrunkenen vgl. LSG Schleswig-Holstein, Breithaupt 1975, S. 197 (199 f.).



B. Beschränkung der Haftung der Unternehmer195

mung abgeschnitten ist, die Wasser- oder Energieversorgung ausfällt oder das öffentliche Verkehrswesen zusammenbricht.230 Alle diese Beispielsfälle haben die Unbestimmtheit des betroffenen Personenkreises gemein; es besteht eine Gefahr oder Not für einen ungewissen Personenkreis. Selbst wenn nur eine Person oder eine bestimmte Personengruppe gefährdet ist, besteht immer die Möglichkeit, dass noch weitere betroffen werden. Wird daher der Nothelfer tätig, geschieht dies nicht im unmittelbaren Interesse eines bestimmten Menschen, wie in den anderen Fällen des § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII. Vielmehr wird der Nothelfer hier tatsächlich im Interesse der Gemeinschaft, der Allgemeinheit tätig. Diese kann nicht als Unternehmer qualifiziert werden. Bei der Hilfeleistung bei gemeiner Gefahr oder Not handelt es sich daher – anders als bei der Hilfe bei einem Unglücksfall oder der Rettung aus erheblicher Gesundheitsgefahr – um eine „unternehmerlose Unfallversicherung“. Hier ist eine Handlung zugunsten der Allgemeinheit versichert, da nicht festgestellt werden kann, wem im Einzelfall das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Hier ist daher der Rechtsprechung und der ihr folgenden Literatur beizupflichten, wenn sie annehmen, dass bei der Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII mangels eines Unternehmers keine Haftungsbeschränkung nach § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII stattfinden kann. (3) Ergebnis Im Ergebnis ist der Tatbestand der Nothilfe grundsätzlich kein, wie häufig angenommen wird,231 unternehmerloser Tatbestand. Unternehmer ist derjenige, dem Hilfe geleistet oder der aus einer erheblichen Gesundheitsgefahr gerettet wird, da ihm das Ergebnis des Unternehmens „Hilfeleistung“ unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht.232 Dieser Unternehmer entspricht zwar nicht dem, was üblicherweise – insbesondere in der Beschäftigtenversicherung – als Unternehmer verstanden wird. Doch ist der weite Unterneh230  Beispiele wiederum nach Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 25.5. 231  Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 121 Rn. 9; Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 76; Lemcke, in: Brennpunkte des Sozialrechts 1995, S. 165 (174); Leube, BG 2001, S. 139 (140); Otto, NZV 1996, S. 473 (475); Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 121 Rn. 7. 232  Diese Auffassung führt auch im Hinblick auf die Haftung der Hilfeleistenden selbst, die im Rahmen des § 105 SGB VII relevant wird, zu einem befriedigenderen Ergebnis als die gegenteilige Annahme; siehe hierzu ausführlich unten Kapitel 2 C. I. 3. c) und Kapitel 2 C. III. 2.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

merbegriff lediglich Konsequenz der Ausweitung des Anwendungsbereichs der Unfallversicherung. Dem steht auch nicht entgegen, dass es sich bei § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII um eine Vorschrift handelt, die die Hilfsbereitschaft des Einzelnen zugunsten der Allgemeinheit fördern will.233 Denn obwohl im Ergebnis auch die Allgemeinheit von der Handlung des Nothelfers profitiert, betrifft sie unmittelbar lediglich denjenigen, dem geholfen wird bzw. der gerettet wird. Lediglich wenn die Tätigkeit nur der unbestimmten und unbestimmbaren Allgemeinheit als solcher zugute kommt,234 ist das Vorliegen eines Unternehmers zu verneinen.235 Dem Bundesgerichtshof ist daher nicht zu folgen in der Aussage, für die Nothilfe sei es „gleichgültig, ob derjenige, dem geholfen wird oder der von einer Gefahr verschont wird, ein Unternehmer oder eine andere Person ist“.236 Er scheint dabei darauf abzustellen, ob die Hilfeleistung jemandem zugute kommt, der schon zuvor als Unternehmer in der Unfallversicherung zu qualifizieren war. Entscheidend für die Hilfeleistung als Unternehmen ist jedoch, wer von ihr profitiert; diese Person ist Unternehmer des Unternehmens Hilfeleistung. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hätte der Eigentümer der Kuh lediglich dann als Unternehmer der Hilfeleistungshandlung qualifiziert werden können, wenn ihm eine Gefahr durch eben diese gedroht hätte.237

233  So aber Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 121 Rn. 9; Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 76; Lemcke, in: Brennpunkte des Sozialrechts 1995, S. 165 (174); Leube, BG 2001, S. 139 (140); Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 121 Rn. 7. – Nach Bley, ZSR 1981, S. 193 (211), ist die Nothilfe eine Tätigkeit im Interesse der Allgemeinheit, die in diesem Fall lediglich von dem konkret Gefährdeten vertreten wird. 234  Dies betrifft den Fall der Hilfeleistung bei einer gemeinen Gefahr im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 13 Var. 2 SGB VII. 235  Ob dagegen die Haftung des Unternehmers, d. h. des Gefährdeten, nach der Vorschrift des § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII beschränkt ist, oder ob trotz der Unternehmereigenschaft eine volle Haftung möglich ist, ist eine hiervon zu trennende Frage; vgl. dazu unten Kapitel 2 B. III. 236  BGHZ 166, 42 (46). 237  Alternativ wäre eine Unternehmereigenschaft denkbar gewesen, weil der Verletzte durch das Einfangen der Kuh wie ein im Unternehmen des Eigentümers Beschäftigter tätig geworden wäre. Diese Überlegung war dem Bundesgerichtshof jedoch aufgrund eines Bescheids der Unfallkasse verwehrt, der das Vorliegen einer Nothilfehandlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII bindend festgestellt hatte; vgl. BGHZ 166, 42 (45).



B. Beschränkung der Haftung der Unternehmer197

c) Persönlicher Einsatz zugunsten eines widerrechtlich Angegriffenen, § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. c Var. 2 SGB VII Entsprechendes muss wegen der strukturellen und inhaltlichen Ähnlichkeit des persönlichen Einsatzes zugunsten eines widerrechtlich Angegriffenen mit dem Tatbestand der Nothilfe238 auch für diese versicherte Tätigkeit gelten.239 Das Einsetzen zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen kommt unmittelbar diesem zugute; er profitiert vom Erfolg der Handlung des Eingreifenden, und ein eventueller Misserfolg gereicht ihm zum Nachteil. Es handelt sich daher wiederum nicht um eine unternehmerfreie Versicherung; stattdessen ist mit dem widerrechtlich Angegriffenen ein Unternehmer gegeben.240 d) Persönlicher Einsatz bei Verfolgung und Festnahme, § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. c Var. 1 SGB VII Wem die Handlung derjenigen Personen, die sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist, persönlich einsetzen, unmittelbar zum Vorteil gereicht, erscheint fraglich. Unternehmer könnte derjenige sein, gegen dessen Rechtsgüter sich die Straftat gerichtet hatte, da er von der Festnahme und Überführung des Täters profitiert. Unternehmer könnte aber auch die Allgemeinheit sein, die schon aus präventiven Gründen ein Interesse an der Festnahme von Straftätern hat. Denkbar wäre es schließlich, den Staat oder die Strafverfolgungsbehörden als Unternehmer anzusehen, deren Aufgabe der Verfolger übernimmt oder zumindest unterstützt.

238  Zum

Zusammenhang der beiden Vorschriften siehe oben Kapitel 1 C. VI. 2. Abs. 1 Nr. 13 lit. c Var. 2 SGB VII. 240  Mit der Frage des Unternehmers und seiner Haftung in Fall des persönlichen Einsatzes bei einem widerrechtlichen Angriff haben sich Rechtsprechung und Literatur, soweit ersichtlich, weitaus weniger beschäftigt als im Fall der Nothilfe. Lediglich vereinzelt finden sich Hinweise zu dieser Thematik, beispielsweise bei Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Anm. 8, der lediglich den persönlichen Einsatz bei der Strafverfolgung einem Unternehmen zuordnet. Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Rn. 13, schreibt, „bei (…) § 2 Abs 1 Nr. 13 Buchst c 1. Alternative (Strafverfolgung)“ sei ein Unternehmer vorhanden. Ebsen, in: jurisPK SGB VII, § 104 Rn. 20, verneint die Existenz eines Unternehmers im Fall des persönlichen Einsatzes unter Verweis auf ein – tatsächlich zum Nothelfer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII ergangenes – Urteil des Bundesgerichtshofs. Grüner, in: Becker  /  Franke  /  Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, § 104 Rn. 9, verneint die Existenz eines Unternehmers in allen Fällen des § 2 Abs. 1 Nr. 13 SGB VII. 239  § 2

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

Voraussetzung des Versicherungstatbestands ist, dass die festgenommene oder verfolgte Person einer Straftat verdächtig ist. Eine Straftat im Sinne der Norm ist jedes Verbrechen oder Vergehen im Sinne des § 12 Abs. 1 und 2 StGB, auch wenn die Vorschrift in einem strafrechtlichen Nebengesetz steht; nicht erfasst sind dagegen Ordnungswidrigkeiten.241 Die Straftat muss zumindest das strafbare Versuchsstadium erreicht haben. Der Verdacht, eine strafbare Handlung werde vorbereitet, genügt nicht, da Vorbereitungshandlungen grundsätzlich nicht unter Strafandrohung stehen242 und die vorsorgliche Verhütung von Straftaten Sache der Polizei und nicht der Allgemeinheit ist.243 Damit liegt das Handeln des sich Einsetzenden hauptsächlich im Interesse derer, die auch ein Interesse an der Ergreifung, Festnahme und Überführung des Täters haben, also im Interesse der Strafverfolgungsorgane. Das Handeln des Versicherten im Rahmen des § 2 Abs. 1 Nr. 13 Var. 1 SGB VII ist nicht unähnlich der versicherten Unterstützung einer Diensthandlung nach Heranziehung durch staatliche Stellen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 11 lit. a SGB VII. Der Verfolgende oder Festnehmende hilft dem Staat bei der Verwirklichung seines Strafanspruchs.244 Das Ergebnis des persönlichen Einsatzes bei Verfolgung und Festnahme gereicht damit unmittelbar den Ländern oder dem Bund zum Vor- oder Nachteil, sodass diese Unternehmer im Sinne des § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII sind.245 Zuständig sind dabei im Regelfall die Länder als Träger der staatlichen Gerichtsbarkeit.246 e) Blut-, Organ- und Gewebespende, § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. b SGB VII Auch bei den nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. b SGB VII versicherten Spendern von Blut, körpereigenen Organen, Organteilen oder Gewebe findet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine Haftungsbeschränkung nach 241  Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 673. 242  BSGE 20, 107 (109 f.): „Nach dem Sinn des Gesetzes soll geschützt sein, wer bei der Ermittlung von Straftaten persönlich mithilft (…), nicht aber wer zur Verhinderung möglicher Straftaten vorbeugend tätig wird.“ – Ist die Vorbereitungshandlung oder die Verabredung eines zukünftigen Tuns jedoch unter Strafe gestellt (beispielsweise die nach § 31 Abs. 2 StGB strafbare Verabredung zur Begehung eines Verbrechens), kann auch hier schon Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. c SGB VII bestehen (Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 192). 243  Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 27.3. 244  Leube, BG 2001, S. 139 (140). 245  So auch Leube, BG 2001, S. 139 (140); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Anm. 8. 246  Leube, BG 2001, S. 139 (140).



B. Beschränkung der Haftung der Unternehmer199

§ 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII statt;247 eine nähere Begründung als die Vergleichbarkeit mit den Nothelfern bleibt der Bundesgerichtshof schuldig. Während die diesbezügliche Rechtsprechung im Hinblick auf die Nothelfer in der Literatur durchweg zustimmend aufgenommen wurde,248 sieht sich das Urteil zum Haftungsausschluss der Blutspendeunternehmen jedoch bisweilen deutlicher Kritik ausgesetzt.249 Die Blut-, Organ- oder Gewebespende ist ebenso wie die Nothilfe eine versicherte Tätigkeit im öffentlichen Interesse. Die Verbindung der beiden Tatbestände ergibt sich nicht nur aus der systematischen Stellung im Gesetz, indem sie in § 2 Abs. 1 Nr. 13 SGB VII zusammengefasst wurden. Auch historisch gesehen besteht ein Zusammenhang zwischen der Versicherung der Nothelfer und der Blutspender, denn als die Blutspender erstmals unter Versicherungsschutz gestellt wurden250, wurden sie in die bereits existierende Vorschrift über die Lebensretter eingefügt. § 537 Nr. 5 lit. a RVO lautete damit: „Gegen Arbeitsunfall sind (…) versichert Personen, die ohne besondere rechtliche Verpflichtung einen anderen aus gegenwärtiger Lebensgefahr retten oder zu retten unternehmen, bei sonstigen Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten, oder unentgeltlich oder als Inhaber des amtlichen Blutspendeausweises Blut spenden“. Die Blutspende war also als Sonderfall der Lebensrettung anzusehen.251 Schon bald wurde der Versicherungsschutz für die Blutspender jedoch erweitert.252 Heute besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass nicht nur die Blutspende zur direkten, unmittelbaren Übertragung auf andere Personen 247  BGHZ 166, 336 (344 f.); zustimmend Teichner / Schröder, GesR 2007, S. 510 (511 f.). 248  Jung, SGb 1995, S. 561 (561); Kater, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Rn. 28; von Koppenfels-Spies, in: Kreikebohm / Spellbrink / Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, § 104 Rn. 5; Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Rn. 13; Lemcke, in: Brennpunkte des Sozialrechts 1995, S. 165 (181); Leube, BG 2001, S. 139 (140); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Anm. 9.3; Müller, VersR 1995, S. 1209 (1209); Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 104 Rn. 24a; Wellner, NJW-Spezial 2009, S. 402 (403). 249  Insbesondere Leube, VersR 2007, S. 31 (31  ff.); gegen die Auffassung des Bundesgerichtshofs auch Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Rn. 13; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Anm. 9.4. 250  Eingeführt wurde die Versicherung bei der Blutspende mit dem Sechsten Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom 9. März 1942, RGBl. I 1942, S.  107 ff. 251  BSGE 57, 231 (233); Leube, VersR 2007, S. 31 (32). 252  Vgl. zu den historischen, insbesondere kriegsbedingten Hintergründen für diese Erweiterung BSGE 57, 231 (232 f.); BSG, SozR 2200 § 550 Nr. 68, S. 137.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

versichert ist, sondern auch die, bei der das abgenommene Blut erst später, beispielsweise nach einer Aufbereitung, für klinische Zwecke verwendet wird, selbst wenn dies nur teilweise der Fall ist.253 Ebenso ist unbedeutend, ob die Spende mit einer Gegenleistung erbracht wird, sodass auch derjenige versichert ist, der beispielsweise entgeltlich Blut spendet.254 Selbst die Nutzung des gespendeten Bluts für Forschungszwecke steht dem Versicherungsschutz nicht entgegen, da auch hier das Interesse der Allgemeinheit bejaht werden kann; dies gilt mit derselben Argumentation auch für die Spende von Organen, Organteilen oder Gewebe.255 Die Blut-, Organ- und Gewebespende wurde damit immer mehr aus dem Kontext der Lebensrettung gelöst. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Versicherungstatbeständen ergibt sich im Hinblick auf den zuständigen Unfallversicherungsträger und die Finanzierung. Während für die Nothelfer durch § 185 Abs. 2 S. 1 SGB VII in Verbindung mit § 128 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII eine beitragsfreie Versicherung unter der Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger im Landesbereich geschaffen wurde, besteht für die Blut-, Organ und Gewebespender seit der Einordnung der Unfallversicherung ins SGB VII keine Sonderregelung mehr.256 Nach der Gesetzesbegründung besteht stattdessen eine Versicherung „bei dem Unfallversicherungsträger, der für das Unternehmen zuständig ist, das die Maßnahme zur Gewinnung von Blut oder Gewebe durchführt“.257 Zur Rechtfertigung dieser Zuordnung werden „die 253  BSGE 57, 231 (234); vgl. auch Leube, VersR 2007, S. 31 (32), mit weiteren Nachweisen. 254  BSGE 57, 231 (234). 255  Richter, in: Becker / Franke / Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, § 2 Rn. 144; andere Auffassung Wolber, SozVers 1998, S. 147 (148), mit Verweis auf das Transplantationsgesetz, das ebenfalls nur die Übertragung auf einen Menschen erfasse. Der Zweck des § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. b SGB VII gebietet es jedoch, alle Unfälle, die bei der Spende von Blut, Organen oder Gewebe auftreten, zu versichern, wenn die Spende im öffentlichen Interesse liegt, was bei einer Spende zu Forschungszwecken ebenfalls bejaht werden kann. 256  Unter der Geltung der RVO waren auch die Blut und Gewebespender beitragsfrei bei den Unfallversicherungsträgern im Landesbereich versichert (§ 767 Abs. 2 Nr. 6 RVO in Verbindung mit § 655 Abs. 2 Nr. 3 RVO). – Auch das Fehlen einer solchen Sonderregelung im SGB VII spricht für die Annahme eines Unternehmers: Nähme man eine unternehmerlose Versicherung an, fehlte es gänzlich an einer Regelung zur Finanzierung der Unfallversicherung von Blut-, Organ- und Gewebespendern, wie Leube, VersR 2007, S. 31 (34), zutreffend feststellt. 257  BT-Drucks. 13  / 2204, S. 107. – Anders Wolber, SozVers 1998, S. 147 (149), der über „allgemeine Überlegungen“ zu dem Schluss kommt, zuständiger Versicherungsträger sei stets ein Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand, da die Transplantationszentren im öffentlichen Interesse stünden und damit zu Unternehmen des Bundes, der Länder und der Gemeinden würden. Zu Recht weist Leube, SozVers 1998, S. 232 (232 f.), darauf hin, dass es keiner allgemeinen Überlegungen



B. Beschränkung der Haftung der Unternehmer201

zum Teil kommerzielle Nutzung der Spenden“ und „das Erfordernis einer einheitlichen Prävention in diesen Unternehmen“ angeführt.258 Der Gesetzgeber sieht also eindeutig einen Bezug zu einem Unternehmen gegeben, nämlich zu dem, das die Maßnahme durchführt. Dies entspricht auch der allgemeinen Definition des Unternehmers in § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII, denn das entnommene Blut oder Gewebe sowie die entnommenen Organe oder Organteile gereichen zunächst dem unmittelbar zum Vor- oder Nachteil, der sie nutzen will. Da die entnommenen Stoffe jedoch in der Regel zunächst untersucht, aufbereitet oder gar für spätere (Not-)Fälle aufbewahrt werden, profitiert unmittelbar das entnehmende Unternehmen,259 beispielsweise das Deutsche Rote Kreuz oder andere medizinische Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen.260 Sie sind daher Unternehmer der Blut-, Organ- oder Gewebespende.261 f) Ergebnis: Unternehmer bei Tätigkeiten im öffentlichen Interesse Das SGB VII definiert sowohl den Begriff des Unternehmens als auch den des Unternehmers sehr weit. Unternehmen kann nach § 121 S. 1 SGB VII schon eine bloße Tätigkeit sein; Unternehmer kann daher sein, bedarf, sondern dass sich alleine durch die Anwendung des SGB VII eine Zuständigkeit sowohl der Berufsgenossenschaften als auch der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand ergibt. Siehe zu dieser Diskussion auch die Erwiderung von Wolber, SozVers 1998, S. 235. Die Zuständigkeit des für das Spendenunternehmen zuständigen Unfallversicherungsträgers ist auch nicht auf die Fälle beschränkt, in denen eine kommerzielle Nutzung der Spende vorgesehen ist (so aber Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 26.5). Dies ergibt sich schon nicht aus der Gesetzesbegründung, hätte aber auf jeden Fall einer gesonderten gesetzlichen Festlegung für die übrigen Fälle bedurft. 258  BT-Drucks. 13 / 2204, S.  107. 259  Entsprechend dem oben (Kapitel 2 B. I. 2.) dargestellten Unterschied zwischen einer Tätigkeit für ein Unternehmen und einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung liegt hier die erste Variante vor. Das passive Erdulden der Durchführung einer Entnahme von Blut, Organen oder Gewebe lässt sich aktiv als „Spenden“ bezeichnen; Tätigkeit des Versicherten ist also die Spende. Diese dient dem Zweck des Spendenempfangsunternehmens, sodass eine Tätigkeit für dieses vorliegt (ebenso Diel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 133 Rn. 4; Quabach, in: jurisPK SGB VII, § 133 Rn. 18; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 133 Rn. 9; andere Auffassung Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Rn. 13; Leube, SozVers 1998, S. 232 (233); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 150 Anm. 5). 260  Weitere Beispiele bei Leube, VersR 2007, S. 31 (33). 261  So auch Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Rn. 13; Leube, VersR 2007, S. 31 (33); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, §  104 Anm. 9.4; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 133 Rn. 9; Teichner / Schröder, GesR 2007, S. 510 (510 f.).

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

wem das Ergebnis einer Tätigkeit unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Die Annahme eines Unternehmens setzt daher auch keine Tätigkeit des Unternehmers voraus, sondern lediglich eine Tätigkeit zu seinem Voroder Nachteil. Damit steht das öffentliche Interesse an der versicherten Tätigkeit der Existenz eines Unternehmers nicht im Weg. Lediglich wenn die Tätigkeit alleine im Interesse einer unbestimmten Allgemeinheit erfolgt, ist das Vorliegen eines Unternehmers zu verneinen; in allen anderen Fällen ist er nach der allgemeinen Definition des § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII gegeben. Derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht, ist bei der Nothilfe262 der Gefährdete, bei der Blutspende263 das die Spende durchführende Unternehmen, im Fall des persönlichen Einsatzes264 der widerrechtlich Angegriffene. Bei der Heranziehung zur Unterstützung einer Dienstleistung oder als Zeuge265 gereicht die versicherte Tätigkeit unmittelbar der heranziehenden Körperschaft zum Vor- oder Nachteil, ebenso wie der persönliche Einsatz bei der Verfolgung eines Verdächtigen266 den Strafverfolgungsbehörden. 4. Unternehmer bei privaten, ausnahmsweise versicherten Tätigkeiten Abweichend von dem Grundsatz, dass der private Lebensbereich vom Versicherungsschutz ausgenommen sein soll,267 gewährt § 2 SGB VII an mehreren Stellen Versicherungsschutz bei privaten Tätigkeiten. Bei einigen dieser Versicherten ist die Frage, wer Unternehmer ist, entweder gesetzlich festgelegt worden oder allgemein anerkannt: Unternehmer der Selbsthilfebauarbeiten im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 16 SGB VII ist der Bauherr268, Unternehmer der Rehabilitationsmaßnahmen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 15 262  § 2

Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII. Abs. 1 Nr. 13 lit. b SGB VII. 264  § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. c Var. 2 SGB VII. 265  § 2 Abs. 1 Nr. 11 lit. a und b SGB VII. 266  § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. c Var. 1 SB VII. 267  BT-Drucks. 4 / 120, S. 53: „… den in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Grundsatz, daß Tätigkeiten, die in den Bereich des Privatlebens gehören, nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fallen“. – Siehe ausführlicher zum Ausschluss privater Tätigkeiten oben Kapitel 1 C. I. 2. c). 268  Allgemeine Auffassung; vgl. statt Vieler Huster / Kellndorfer, SozVers 1985, S. 154 (158); Krasney, in: FS Zacher, S. 407 (418). – Zur Unternehmerstellung des Grundstückseigentümers LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. Januar 2009 – L 3 U 107 / 07. 263  § 2



B. Beschränkung der Haftung der Unternehmer203

SGB VII der Rehabilitationsträger269, Unternehmer bei arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen nach § 2 Abs.1 Nr. 14 lit. b SGB VII der Sachkostenträger270. In den anderen Fällen besteht jedoch hinsichtlich der Unternehmereigenschaft Klärungsbedarf. a) Untersuchungen, Prüfungen oder ähnliche Maßnahmen, § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII Keine ausdrückliche Zuweisung zu einem Unternehmer wurde für die Personen getroffen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlasst worden sind, § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII. Hier wird zum Teil vertreten, diese Versicherten ließen sich „keinem bestimmten und einheitlichen Unternehmen im organisationsrechtlichen Sinne zuordnen“.271 Daraus könnte folgen, dass auch kein Unternehmer existiert, mithin § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII keine Anwendung findet. Versichert sind Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen. Diese Maßnahmen stehen in einem engen Zusammenhang mit einer zukünftigen oder vergangenen versicherten Tätigkeit, die auch schon konkret feststehen muss.272 Im Rahmen der unechten Unfallversicherung sind dies hauptsächlich Schulreifeuntersuchungen oder Untersuchungen vor der Aufnahme in einen Kindergarten. Untersuchungen vor der Aufnahme in einen Kindergarten schreiben in der Regel die Kindergartengesetze oder -verordnungen der Länder zwingend vor.273 Mit diesen Untersuchungen soll festgestellt werden, ob dem Besuch des Kindergartens gesundheitliche Bedenken entgegenstehen.274 Die Schulreifeuntersuchun269  Gesonderte Festlegung in § 136 Abs. 3 Nr. 2 SGB VII; vgl. zum Begriff des Rehabilitationsträgers oben Kapitel 2 B. II. 1. 270  Gesonderte Festlegung in § 136 Abs. 3 Nr. 3 SGB VII; vgl. zum Begriff des Sachkostenträgers oben Kapitel 2 B. II. 1. 271  Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zum Entwurf eines Gesetzes zur Einordnung der Vorschriften über die Meldepflichten des Arbeitgebers in der Kranken- und Rentenversicherung sowie im Arbeitsförderungsrecht und über den Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrags in das Vierte Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung, BT-Drucks. 11 / 3445, S. 37. 272  Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 2 Rn. 13. 273  Vgl. beispielsweise § 4 KiTaG für Baden-Württemberg; § 3 Abs. 4 AVBayKiBiG für Bayern; § 10 KiBiz für Nordrhein-Westphalen; § 1 Abs. 1 KiTaVO für Schleswig-Holstein. 274  Vollmar, WzS 1994, S. 42 (43).

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gen275 dienen der Vorbereitung schulischer Maßnahmen.276 Als häufiges Beispiel wird weiterhin das besondere Auswahlverfahren nach § 33 HRG genannt,277 der jedoch inzwischen wieder aufgehoben wurde.278 Dieses Verfahren diente der gerechten Vergabe von Studienplätzen. Hinsichtlich des Unternehmers ist zu differenzieren nach der Frage, wer die Prüfung, Untersuchung oder sonstige Maßnahme veranlasst hat. § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII nennt hier zwei Möglichkeiten: das Unternehmen oder eine Behörde. Die Formulierung „vom Unternehmen (…) veranlasst“ zeigt, dass es hier um ein bestimmtes Unternehmen gehen muss, das nur mit dem identisch sein kann, für das die konkret beabsichtigte zukünftige oder abgeschlossene versicherte Tätigkeit erfolgen soll bzw. erfolgte oder zu dem sie in einer besonderen, die Versicherung begründenden Beziehung stehen soll bzw. stand. Dies unterstreicht wieder den engen Bezug zur versicherten Tätigkeit, der den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII erst rechtfertigt.279 Wird die Untersuchung von dem Unternehmen veranlasst, dem die zukünftige oder vergangene Tätigkeit zuzurechnen ist, muss daher auch derjenige Unternehmer sein, der Unternehmer der zukünftigen oder vergangen Tätigkeit ist.280 Es verbleiben also lediglich die Maßnahmen, die nicht von einem Unternehmen, sondern von einer Behörde veranlasst wurden. Dabei darf nicht übersehen werden, dass auch eine Behörde als Unternehmen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII zu qualifizieren sein kann, nämlich dann, wenn die versicherte Tätigkeit für eine Behörde erfolgt oder der Versicherte zu ihr in einer besonderen, die Versicherung begründenden Beziehung steht. Die zweite Variante des § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII kann daher nur die Konstellation meinen, in der eine Behörde eine Untersuchung, Prüfung oder andere Maßnahme anordnet, die für das Verhältnis des Versicherten zu einem drit275  Zur gesetzlichen Grundlage vgl. beispielsweise § 74 Abs. 3 SchG für BadenWürttemberg; Art. 80 Abs. 1 BayEUG für Bayern; § 65 Abs. 1 SchG in Verbindung mit § 5 Abs. 2 NGöGD für Niedersachsen. 276  Vollmar, WzS 1994, S. 42 (43). 277  Triebel, in: jurisPK SGB VII, § 128 Rn. 39; Vollmar, WzS 1994, S. 42 (44). 278  Aufhebung durch das Siebte Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes, BGBl. I 2004, S. 2298 ff.; zur Begründung der Aufhebung siehe BT-Drucks. 15 / 2385, S.  8. 279  Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 53; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  / ​ Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 8.1. 280  Dies lässt sich auch der Gesetzesbegründung zur Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers entnehmen (BT-Drucks. 13 / 2204, S. 106): „Durch § 133 Abs. 1 wird klargestellt, dass derartige Maßnahmen, soweit sie von einem Unternehmen veranlaßt worden sind, dem für dieses Unternehmen zuständigen Versicherungsträger zuzurechnen sind“.



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ten Unternehmen relevant ist.281 Auch diese Maßnahmen liegen jedoch aufgrund ihrer engen Verbindung mit einer versicherten Tätigkeit im Interesse des Unternehmers der versicherten Tätigkeit: Das Ergebnis der Maßnahmen gereicht ihm insoweit unmittelbar zum Vor- oder Nachteil, als er derjenige ist, den die Konsequenzen aus dem Ergebnis treffen. Zwar profitiert zum Beispiel von einer amtsärztlichen Schulreifeuntersuchung auf Anordnung des Gesundheitsamtes auch der Schüler, unmittelbar gereicht das Ergebnis jedoch der Schule zum Vorteil, die anhand dessen entscheiden kann, ob ein Kind zum Besuch der Schule geeignet ist. Dies gilt umso mehr für Aufnahmen- und Eignungsprüfungen, die dem Unternehmer dazu dienen, geeignete Kandidaten zu finden und ungeeignete abzulehnen. Lediglich bei allgemeinen gesundheitlichen Untersuchungen könnte man von einem Interesse der Allgemeinheit ausgehen, die so beispielsweise keinem Ansteckungsrisiko oder keinen anderen Gefahren ausgesetzt wird. Diese Untersuchungen oder Prüfungen hängen jedoch gerade nicht mit einer nach dem SGB VII versicherten Tätigkeit zusammen, sodass hier ein wesentlicher Unterschied zu den nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII erfassten Maßnahmen besteht. Dieser Unterschied rechtfertigt nicht nur die Aufnahme in den Katalog der Unfallversicherung, sondern auch die Zuordnung der versicherten Tätigkeit zu einem Unternehmen und damit auch zu einem Unternehmer.282 b) Meldepflichtige im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII Nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII sind nach den Vorschriften des SGB II oder des SGB III der Meldepflicht unterliegende Personen versichert, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung einer Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit, eines nach § 6a SGB II zugelassenen kommunalen Trägers oder des nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II zuständigen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen. Für diese Versicherten könnte man zunächst an eine Unternehmereigenschaft der Bundesagentur für Arbeit denken. 281  Nicht unter diese Variante fiel daher beispielsweise das Auswahlgespräch nach § 33 Abs. 2 Nr. 2 lit. b HRG, das von der Hochschule als Unternehmen durchgeführt wurde (so aber Diel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 128 Rn. 30; Triebel, in: jurisPK SGB VII, § 128 Rn. 39). 282  Von der Existenz eines Unternehmers geht beispielsweise auch Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 106 Rn. 3, aus, indem er klarstellt, dass sich die Haftungsbeschränkung der nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII Versicherten im Verhältnis zu ihrem Unternehmer nicht nach § 106 Abs. 1 SGB VII, sondern nach § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII richtet; ebenso Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Anm. 3.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

Dagegen spricht jedoch die sie betreffende Regelung über den zuständigen Unfallversicherungsträger. Nach § 125 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII ist die Unfallkasse des Bundes zuständig „für die Bundesagentur für Arbeit und für Personen, die nach § 2 Absatz 1 Nummer 14 Buchstabe a versichert sind“. Aus der gesonderten Nennung der Meldepflichtigen neben der Bundesagentur für Arbeit könnte man schließen, dass die Meldepflichtigen nicht der Bundesagentur für Arbeit als Unternehmen zuzuordnen sind. Anderenfalls hätte es keiner gesonderten Aufführung bedurft, da eine Zuständigkeit der Unfallkasse des Bundes dann ohnehin über § 133 Abs. 1 SGB VII bestanden hätte, nämlich für alle für die Bundesagentur für Arbeit Tätigen oder alle in einer sonstigen, die Versicherung begründenden Beziehung zu ihr Stehenden. Damit besteht zumindest ein Indiz gegen eine Unternehmereigenschaft der Bundesagentur für Arbeit. Die Frage, wer Unternehmer ist, muss daher nach der Grundregel des § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII beantwortet werden, sodass maßgeblich ist, wem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. aa) Ehemaliger oder potentieller neuer Arbeitgeber als Unternehmer Bisweilen wird – zumeist mit der Zielsetzung, auch die Arbeitsplatzsuche ohne eine dahingehende Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit zu den versicherten Tätigkeiten zu rechnen – vorgeschlagen, den bisherigen oder ehemaligen Arbeitgeber oder einen potentiellen neuen Arbeitgeber, der auf seine Aufforderung hin zum Zweck der Arbeitsplatzsuche aufgesucht wird, als Unternehmer des Unternehmens „Arbeitsplatzsuche“ zu qualifizieren.283 Zur Begründung der zweiten Lösung wird dabei angeführt, durch die Einladung des Arbeitgebers bekunde dieser sein betriebliches Interesse an der Bewerbung eben dieser Person.284 Selbst bei einer erfolglosen Vorstellung profitiere der Unternehmer, beispielsweise indem er Erfahrungswerte für künftige Bewerbungsvorgänge sammeln könne.285 Für die Unternehmerstellung des bisherigen Arbeitgebers wird neben dessen Fürsorgepflicht angeführt, die Unterstützung auf der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz käme aus finanziellen Gründen (Entfall des Anspruchs auf Lohnzahlung mit der Folge der eigenen wirtschaftlichen Entlastung) sowie Gründen der Friedenssicherung – der bisherige Arbeitgeber wolle 283  Köbl, SGb 1986, S. 529 (529 ff.); Krasney, BG 1987, S. 383 (383 ff.); Wolber, WzS 1987, S. 271 (271 ff.). 284  Köbl, SGb 1986, S. 529 (530). 285  Wolber, WzS 1987, S. 271 (272).



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den gekündigten Arbeitnehmern möglichst zeitnah neue Arbeit verschaffen – seinem Unternehmen zugute.286 Konsequenz dieser Auffassungen wäre jedoch – wie auch von den jeweiligen Vertretern bezweckt – eine massive Erweiterung des Versicherungsschutzes. Versichert wäre jegliche Form der Arbeitsplatzsuche, was deutlich dem Willen des Gesetzgebers zuwiderliefe, der die Versicherung bewusst auf Meldepflichtige, die auf Aufforderung eines der genannten Träger hin aktiv werden, beschränkt hatte.287 Gegen die Qualifizierung des ehemaligen Arbeitgebers spricht ferner, dass dessen Fürsorgepflicht, finanzielle Interessen sowie der Betriebsfrieden überhaupt nur betroffen sein können, solange das Arbeitsverhältnis besteht; während dieses Zeitraumes kann jedoch mangels Meldepflicht schon kein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII gegeben sein. Zudem träfe die Qualifizierung ehemaliger oder potentieller zukünftiger Arbeitgeber nur auf einen kleinen Kreis der nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII versicherten Personen zu, nämlich auf diejenigen, die zum Aufsuchen eines solchen aufgefordert werden. Die bisherigen oder künftigen Arbeitgeber sind daher nicht Unternehmer der unfallversicherten Meldepflichtigen. bb) Bundesagentur für Arbeit als Unternehmer In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wurde – insbesondere als Reaktion auf den Versuch, Arbeitsplatzbewerber ohne eine diesbezügliche Aufforderung der Agentur für Arbeit zum versicherten Personenkreis zu zählen – die Arbeitsplatzsuche stets als grundsätzlich privatwirtschaftliche Tätigkeit bezeichnet.288 Eine eigennützige Tätigkeit liegt lediglich im Interesse des Handelnden, hier des Meldepflichtigen, der eine neue Arbeit finden möchte. Unternehmen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII ist das Aufsuchen einer Stelle im Einzelfall, Unternehmer könnte demnach also der Meldepflichtige sein, der der Aufforderung folgt. Dies erklärt jedoch nicht, warum die Befolgung einer Aufforderung an den Meldepflichtigen überhaupt versichert ist, d. h. was das Aufsuchen einer Stelle aufgrund einer diesbezüglichen Aufforderung einer der genannten Stellen von einem Aufsuchen aufgrund eigenen Entschlusses oder des Entschlusses eines Dritten unterscheidet. Die Antwort findet sich, indem man auf den Zweck des SGB III sowie des SGB II bzw. genauer auf den Zweck der Meldepflichten und der daraus folgenden Zielrichtung der Aufforderung abstellt. 286  LSG

Hessen, Breithaupt 1985, S. 299 (302). BT-Drucks. 4 / 938 (neu), S. 4. 288  Ständige Rechtsprechung; vgl. beispielsweise BSG, SozR 2200 § 550 Nr. 1, S. 2, mit weiteren Nachweisen; BSG, NZA 1986, S. 542 (542). 287  Vgl.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

Der Versicherungsschutz für Meldepflichtige war seit der Einführung im Jahr 1956289 auf Wege beschränkt, die entweder im Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit oder mit dem Unterstützungsbezug auf Veranlassung des Arbeitsamtes ausgeführt wurden und unvermeidbar waren oder unmittelbar im Zusammenhang mit der vom Arbeitsamt veranlassten Arbeitssuche stehen.290 Maßgeblich ist die Vermittlung durch das Arbeitsamt bzw. heute die Bundesagentur für Arbeit. Durch die Meldepflicht und die Aufforderung wird das Aufsuchen der Stelle zu einer fremdbestimmten Tätigkeit, die auszuführen der Meldepflichtige verpflichtet ist, will er nicht seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld riskieren. Dies betont auch das Bundessozialgericht, wenn es ausführt, „vom Zeitpunkt des Beginns der Meldepflicht an“ stehe „der Zweck einer geordneten Arbeitsvermittlung im Vordergrund“, sodass hier nicht mehr von einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit gesprochen werden könne. Zweck des Versicherungsschutzes sei es, den Meldepflichtigen bei „Erfüllung der im Interesse einer geordneten Arbeitsvermittlung liegenden Meldepflicht und bei Herstellung der darüber hinaus von den Dienststellen der Arbeitsvermittlung für erforderlich gehaltenen persön­ lichen Kontakte Unfallversicherungsschutz (…) zu gewähren“.291 Die Meldepflicht sorgt für einen persönlichen Kontakt zum Anspruchssteller, der wiederum der Bundesagentur für Arbeit dabei hilft, den entscheidungserheblichen Sachverhalt umfassend aufzuklären und damit sicherzustellen, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden.292 Der Berechtigte hat einen Rechtsanspruch auf Beratungs- und Vermittlungsmaßnahmen aus den §§ 28, 35 SGB III. Indem die Bundesagentur für Arbeit ihn beispielsweise auffordert, einen potentiellen Arbeitgeber aufzusuchen, erfüllt sie damit diesen Anspruch. Entsprechend ist die Handlungstendenz des Versicherten darauf gerichtet, der Erfüllung der Meldepflicht oder der Aufforderung nachzukommen.293 Fordert daher die Bundesagentur für Arbeit einen Meldepflichtigen auf, eine bestimmte Stelle aufzusuchen, so profitiert davon auch sie selbst, indem sie ihren Aufgaben nachkommt. Damit gereicht das Ergebnis des Unternehmens im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII der Bundesagentur für Arbeit unmittelbar zum Vor289  Einführung durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 23. Dezember 1965, BGBl. I 1956, S.  1018 ff. 290  Begründung des Gesetzesentwurfs, BT-Drucks. 2 / 1274, S. 142. 291  BSGE 51, 213 (216). 292  Vgl. statt Vieler Voelke, in: Hauck  / Noftz SGB III, § 309 Rn. 8; Winkler, in: Gagel, SGB II / SGB III, § 309 SGB III Rn. 1. 293  Krasney, NZS 2000, S. 373 (378).



B. Beschränkung der Haftung der Unternehmer209

oder Nachteil. Sie ist damit Unternehmer im Sinne des § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII. § 125 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII hat folglich rein deklaratorische Bedeutung, da sich die Zuständigkeit der Unfallkasse des Bundes für die nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII versicherten Meldepflichtigen schon aus § 133 Abs. 1 SGB VII ergeben hätte. c) Pflegepersonen, § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII § 106 Abs. 2 SGB VII enthält eine ausführliche Sonderregelung für die Haftungsbeschränkung in allen Pflegepersonen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII betreffenden Konstellationen. Es scheint daher, als sei für sie eine Anwendung des § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII ausgeschlossen, der Pflegebedürftige daher nicht als Unternehmer zu qualifizieren.294 § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII versichert insbesondere die familiäre Pflege als privaten Lebensbereich. Sie findet im Haushalt statt.295 Unter Haushalt verstand der Gesetzgeber ursprünglich die hauswirtschaftliche sowie jede sonstige häusliche Betätigung, die mit der Haushaltung in einer inneren Beziehung steht296; dem haben sich seitdem Rechtsprechung und Literatur angeschlossen.297 Im Rahmen der häuslichen Pflege umfassen die Tätigkeiten des Haushaltes, zu dem ein Pflegebedürftiger gehört, dessen Pflege, ebenso wie die Beaufsichtigung und Pflege beispielsweise eines Kindes298 oder das Ausführen eines Hundes299 Tätigkeiten des Haushaltes sein kön294  Im Umkehrschluss wäre bei einer Unternehmerstellung des Pflegebedürftigen § 106 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII gegenstandslos. Nicht überzeugend erscheint es daher, aus § 106 Abs. 2 SGB VII auf die Unternehmerstellung des Pflegebedürftigen zu schließen; so aber Leube, SozVers 2000, S. 314 (315); kritisch daher zu Recht Ricke, SozVers 2001, S. 174 (177). 295  Unter den Haushalt als Unternehmen fassen die Pflege im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII – unabhängig von der familienrechtlichen Beistandspflicht – Ricke, SozVers 2001, S. 174 (176); Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 4 Rn. 61; Tillmann, BG 1993, S. 108 (109 f.). – Leube, SozVers 2000, S. 314 (314), fasst ebenfalls die Pflege im Rahmen der familienrechtlichen Beistandspflicht unter das Unternehmen „Haushalt“, versteht darunter jedoch nicht die Pflegepersonen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII; ebenso wohl Ensberg, in: jurisPK SGB VII, § 4 Rn. 123. 296  Amtliche Begründung zum Fünften Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung, AN 1939, S. 101. 297  Vgl. beispielsweise BSG, SozSich 1983, S. 62 (62); BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 6, S. 22; für die Literatur statt Vieler Ensberg, in: jurisPK SGB VII, § 4 Rn. 125; Maschmann, SGb 1995, S. 381 (385), Wiester, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 4 Rn. 135, jeweils mit weiteren Nachweisen. 298  Ensberg, in: jurisPK SGB VII, § 3 Rn. 82. 299  Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Juli 2009 – L 17 U 350 / 06.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

nen; maßgeblich sind also stets die konkreten Gegebenheiten des jeweils betroffenen Haushaltes. Nach § 36 Abs. 1 S. 1 SGB XI erfasst die häusliche Pflege neben der Pflege im Haushalt der Pflegeperson auch die in einem anderen Haushalt; zu denken wäre hier beispielsweise an den des Pflegenden oder eines Dritten, in die die Pflegeperson aufgenommen wurde. Unternehmer des Unternehmens Haushalt ist stets der Haushaltsführende.300 Maßgeblich für die Unternehmerstellung des Pflegebedürftigen ist daher die Frage, ob er in einen fremden Haushalt aufgenommen wurde oder ob die Pflege Teil seines Haushalts ist. Bei Pflege im Haushalt des Pflegenden richtet sich die Beschränkung seiner Haftung nach § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII, in den anderen Fällen nach § 106 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII.301 5. Ergebnis: Existenz eines Unternehmers in der unechten Unfallversicherung Auch in der unechten Unfallversicherung ist grundsätzlich ein Unternehmer gegeben. Sofern dieser Unternehmer nicht gesondert in § 136 Abs. 3 SGB VII festgelegt wurde, was insbesondere bei Tätigkeiten im eigenen Interesse der Versicherten für notwendig erachtet wurde, bleibt es bei der allgemeinen Definition, nach der Unternehmer derjenige ist, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht.302 Konsequenz aus der Ausweitung des versicherten Personenkreises insbesondere in der unechten Unfallversicherung und der weiten Definition des Unternehmens als Tätigkeiten, Betriebe und Einrichtungen ist dabei auch ein weites Verständnis des Unternehmerbegriffs.

III. Ausnahme von der Beschränkung der Unternehmerhaftung im Wege der teleologischen Reduktion Die Beschränkung der Haftung des Unternehmers rechtfertigt sich hauptsächlich durch die Pflicht der Unternehmer zur alleinigen Finanzierung der Unfallversicherung, die sich aus § 150 Abs. 1 S. 1 SGB VII ergibt. Daneben 300  Dies ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII, der die satzungsmäßige Versicherung der Unternehmer für Haushaltsführende ausschließt. Siehe näher zum Begriff des Haushaltsführenden Wiester, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 3 Rn. 29 ff. 301  Die Vorschrift hat daher – entgegen Leube, BG 2001, S. 139 (141) – nicht nur deklaratorische Bedeutung. 302  § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII.



B. Beschränkung der Haftung der Unternehmer211

soll § 104 SGB VII den Betriebsfrieden wahren. Durch diese beiden Ziele rechtfertigt sich der vollständige Ausschluss aller zivilrechtlichen Ansprüche, insbesondere auch des Schmerzensgeldanspruchs aus § 253 Abs. 2 BGB; die unfallversicherungsrechtliche Haftungsbeschränkung ist insbesondere mit dem Allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.303 Mit der Beschränkung der Unternehmerhaftung muss daher stets mindestens eines dieser beiden Ziele verfolgt werden, damit der Wegfall der zivilrechtlichen Ansprüche als verfassungsgemäß angesehen werden kann. Abweichend vom Grundsatz der Unternehmerfinanzierung sehen die §§ 185 Abs. 2, 186 SGB VII für einige Versicherte, die in die Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand fallen, eine beitragsfreie Finanzierung vor, die im Ergebnis aus Steuermitteln erfolgt. Viele dieser umlagefinanzierten Tatbestände gehören zur unechten Unfallversicherung.304 Daneben kennt die unechte Unfallversicherung auch Tatbestände, bei denen aufgrund der kurzen Dauer der versicherten Tätigkeit kein Betriebsfrieden bestehen kann, der durch die Beschränkung der Unternehmerhaftung gewahrt werden könnte. Treffen nun für einen versicherten Personenkreis diese beiden Besonderheiten aufeinander, wäre die Anwendung des § 104 SGB VII nicht nur nicht erforderlich, sondern auch wegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich nicht zulässig. In diesem Fall könnte man die Vorschrift des § 104 SGB VII im Wege der teleologischen Reduktion unangewendet lassen.305 1. Vorübergehende Tätigkeiten ohne das Risiko der Gefährdung des Betriebsfriedens Eine teleologische Reduktion kommt zunächst in den Fällen in Betracht, in denen die in der unechten Unfallversicherung versicherten Personen vorübergehende Tätigkeiten verrichten, sodass die Herausnahme aus dem Anwendungsbereich der Haftungsbeschränkung nicht das Risiko der Gefährdung des Betriebsfriedens mit sich brächte. Zusätzlich darf jedoch der jeweilige Unternehmer nicht zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet sein.

303  Ausführlicher zum so genannten Finanzierungs- bzw. Friedensargument und der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der unfallversicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkung oben Kapitel 2 A. III. 304  Dennoch ist die beitragsfreie Finanzierung kein Merkmal aller Tatbestände der unechten Unfallversicherung; vgl. dazu näher oben Kapitel 1 B. II. 305  Zur Voraussetzung der teleologischen Reduktion vgl. Larenz / Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 210 ff.; grundlegend Brandenburg, Die teleologische Reduktion, S. 55 ff.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

a) Nothilfe und verwandte Tatbestände, § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a und c Var. 2 SGB VII In Abgrenzung zu § 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII, nach dem Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen tätig sind, versichert sind, erfasst § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a Var. 1 SGB VII die spontane, situationsbedingte Einzelhilfeleistung.306 Der Nothelfer greift kurzfristig ein, häufig auch ohne den Verunglückten oder Gefährdeten näher zu kennen.307 In der Mehrzahl der Fälle werden die Beteiligten nach der Nothilfe- oder Rettungshandlung getrennte Wege gehen, insbesondere werden nicht – wie beispielsweise bei den Beschäftigten und ihren Unternehmern – regelmäßige und über einen längeren Zeitraum immer wiederkehrende Handlungen auszuüben sein. Es gilt hier also keinen Betriebsfrieden zu wahren, der durch etwaige Schadensersatzprozesse gefährdet sein könnte.308 Finanziert wird der Unfallversicherungsschutz aus Steuermitteln, § 185 Abs. 2 S. 1 SGB VII in Verbindung mit § 128 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII. Entsprechendes gilt für die mit der Nothilfe verwandten Tatbestände der Rettung aus erheblicher Gesundheitsgefahr und des persönlichen Einsatzes zugunsten eines widerrechtlich Angegriffenen.309 Auch hier liegt eine vorübergehende Tätigkeit im Interesse eines häufig Unbekannten vor, und der jeweilige Unternehmer ist aufgrund derselben Vorschriften nicht zur Beitragszahlung verpflichtet. Bei der Nothilfe und den mit ihr verwandten Tatbeständen ist die Anwendung des § 104 SGB VII damit jeweils nicht vom Zweck der Norm gedeckt, sodass eine teleologische Reduktion der Norm mit der Folge einer zivilrechtlichen Haftung des Unternehmers möglich und geboten ist. b) Blut-, Organ- und Gewebespende, § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. b SGB VII Die Blut-, Organ- und Gewebespende ist ebenfalls eine vorübergehende Tätigkeit, bei der kein Betriebsfrieden im Interesse eines längerfristigen gemeinsamen Tätigwerdens gewahrt werden muss. Der Bundesgerichtshof geht daher wie bei der Nothilfe davon aus, dass eine Haftungsbeschränkung nicht stattfindet.310 306  Diel,

in: Hauck / Noftz SGB VII, § 128 Rn. 36. vorherige Bekanntschaft oder ein verwandtschaftliches Verhältnis stehen dem Versicherungsschutz jedoch nicht entgegen, wovon auch das Bundessozialgericht (SozR 4-2700 § 2 Nr. 9 Rn. 13 ff.) ausgeht. 308  So auch der Bundesgerichtshof, BGHZ 166, 42 (47). 309  § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a Var. 3, lit. c Var. 2 SGB VII. 310  BGHZ 166, 336 (344 f.); zustimmend Teichner / Schröder, GesR 2007, S. 510. 307  Eine



B. Beschränkung der Haftung der Unternehmer213

Dennoch bestehen zwischen der Nothilfe und der Blut-, Organ- und Gewebespende wesentliche Unterschiede. Während bei der Nothilfe die Existenz eines Unternehmers häufig verneint wird,311 geht selbst der Gesetzgeber im Fall der Spende von der Zuordnung zu einem Unternehmer aus.312 Hinsichtlich der Finanzierung besteht für die Blut-, Organ- und Gewebespende ebenfalls keine gesetzliche Sonderregelung; der Unternehmer des die Spende durchführenden Unternehmens ist nach § 150 Abs. 1 S. 1 SGB VII zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet.313 Hier soll also die unfallversicherungsrechtliche Haftungsbeschränkung wie eine Haftpflichtversicherung des Unternehmers wirken. Würde man dem Bundesgerichtshof folgend § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII nicht anwenden, führte das zu dem unbefriedigenden Ergebnis, dass die Unternehmer neben der Beitragstragung auch zivilrechtlichen Haftungsansprüchen ausgesetzt wären. Im Ergebnis fände ein Forderungsübergang nach § 116 Abs. 1 SGB X statt, d. h. die Ansprüche der Verletzten gegen die Unternehmer gingen auf die Unfallversicherungsträger über, die auf diesem Wege zweimal Geld von den Spendeunternehmern fordern könnten.314 Es muss daher bei der Beschränkung der Unternehmerhaftung nach § 104 SGB VII bleiben. c) Persönlicher Einsatz bei Verfolgung und Festnahme, § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. c Var. 1 SGB VII Der verletzte Versicherte übernimmt – in der Regel einmalig – die Aufgaben der Strafverfolgungsbehörden im Interesse des Bundes oder der Länder, mit denen er weder zusammenarbeitet noch in einer sonstigen Beziehung steht. Vielmehr handelt es sich um ein meist spontanes Eingreifen eines Bürgers, der außerhalb der Verwaltung steht.315 311  Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 121 Rn. 9; Lemcke, in: Brennpunkte des Sozialrechts 1995, S. 165 (174); Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 76; Leube, BG 2011, S. 139 (140); Otto, NZV 1996, S. 473 (475); Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 121 Rn. 7. 312  BT-Drucks. 13  / 2204, S. 107. – Näher zur Frage des Unternehmers bei der Blutspende siehe oben Kapitel 2 B. II. 3. e). 313  Lediglich für die Spende beim Deutschen Roten Kreuz ergibt sich aus den §§ 125 Abs. 1 Nr. 5, 186 Abs. 3 S. 3 SGB VII eine beitragsfreie Versicherung, die durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales finanziert wird. 314  So auch Leube, VersR 2007, S. 31 (34  f.), der darin einen Eingriff in die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG sieht, für den es an einer gesetzlichen ­ Ermächtigungsgrundlage fehlt. 315  Die Tatsache, dass der Bürger auch außerhalb dieser versicherten Tätigkeit in Kontakt mit dem Staat geraten kann, kann mit dem Begriff des „Betriebsfriedens“ nicht gemeint sein. Historisch gesehen sollte das Klima zwischen Arbeitnehmer und

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

Eine teleologische Reduktion könnte jedoch nur dann angedacht werden, wenn sich die Unternehmer nicht durch eine vorherige Beitragszahlung die Haftungsfreistellung „erkauft“ hätten. Maßgeblich ist daher die Frage, wie die Unfallversicherung der Verfolger oder Festnehmenden finanziert wird. Hierfür kommt es zunächst auf den zuständigen Unfallversicherungsträger an, da an ihn eventuelle Sonderregelungen über die Finanzierung anknüpfen. Die Strafverfolgungsbehörden sind grundsätzlich Landesbehörden316 und als solche Unternehmen des Landes im Sinne des § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII.317 Zuständig wären daher die Unfallversicherungsträger im Landesbereich nach eben dieser Norm.318 Für die Unternehmen des Landes kennt das SGB VII keine gesonderte Finanzierungsregelung, sodass es hier bei dem Grundsatz des § 150 Abs. 1 S. 1 SGB VII bleibt, dass die Unternehmer die Unfallversicherung durch Beiträge finanzieren. Für diesen Fall stünde die Finanzierung durch die Unternehmer dem Ausschluss der Haftungsbeschränkung entgegen. Zu einer anderen Lösung gelangt man über § 128 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII, der den Ländern pauschal die Zuständigkeit für die nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a und c SGB VII Versicherten zuweist. Subsumierte man die Verfolger und Festnehmenden – was der Wortlaut nahelegt – unter diese Vorschrift,319 wären sie nach § 185 Abs. 2 S. 1 SGB VII beitragsfrei versichert, sodass eine teleologische Reduktion in Betracht käme. Hiergegen könnte man einwenden, dass die Zusammenfassung der beiden Tatbestände des § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a und c SGB VII nur insoweit sinnvoll erscheint, als es sich um verwandte Tatbestände handelt. Eine Ähnlichkeit zu den Nothelfern besteht jedoch hauptsächlich bei den sich zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich Einsetzenden, nicht dagegen bei Verfolgung und Festnahme. Die unter § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. c Variante 1 SGB VII fallenden Verfolger oder Festnehmenden gleichen dagegen eher Arbeitgeber, die die beiden Seiten des Arbeitsverhältnisses darstellen, nicht belastet werden. Das Verhältnis zwischen Staat und Bürger kann damit nicht verglichen ­werden. 316  Vgl. ausführlicher zur Unternehmerstellung des Länder und des Bundes oben Kapitel 2 B. II. 3. d). 317  Bei einer ausnahmsweisen Zuständigkeit des Bundes zur Strafverfolgung ergäbe sich eine Zuständigkeit der Unfallkasse des Bundes nach § 125 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Die Kosten für Versicherte der Unternehmen des Bundes werden gemäß § 186 Abs. 3 S. 1 SGB VII auf die Dienststellen des Bundes umgelegt. 318  So auch Leube, BG 2001, S. 139 (140); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Anm. 8. 319  So beispielsweise die soeben angeführten Vertreter der Zuständigkeit nach § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII an jeweils anderer Stelle: Leube, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 337; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 27.6.



B. Beschränkung der Haftung der Unternehmer215

den zur Unterstützung einer Dienstleistung Herangezogenen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 11 lit. a SGB VII, für die keine gesonderte Regelung getroffen wurde. Allerdings verstieße diese Lösung gegen den ausdrücklichen Wortlaut des § 128 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII, der die nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. c SGB VII versicherten Personen insgesamt nennt, ohne zwischen den beiden erfassten Varianten zu differenzieren.320 Es ist daher – dem Grundsatz lex specialis derogat legi generali folgend – davon auszugehen, dass unabhängig von der im Einzelfall bestehenden Zuständigkeit für die Strafverfolgung für die nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. c Variante 1 SGB VII Versicherten einheitlich die Unfallversicherungsträger im Landesbereich nach § 128 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII zuständig sind, woraus sich in Verbindung mit § 185 Abs. 2 S. 1 SGB VII eine beitragsfreie Finanzierung der Unfallversicherung ergibt. Damit liegt auch im Fall des persönlichen Einsatzes bei der Verfolgung und Festnahme eines Verdächtigen eine vorübergehende Tätigkeit vor, bei der der Unfallversicherungsschutz nicht durch Beiträge des Unternehmers finanziert wurde. Auch hier ist damit der Zweck des § 104 SGB VII nicht gegeben, sodass die Norm im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG unangewendet bleiben muss.321 d) Andere vorübergehende oder einmalige Tätigkeiten Neben den bisher genannten Versicherten kennt die unechte Unfallversicherung noch weitere Tatbestände, bei denen die versicherte Tätigkeit sich typischerweise in einer einmaligen Ausführung erledigt. Zu denken wäre zunächst an die Heranziehung zur Unterstützung einer Diensthandlung oder als Zeuge.322 Aber auch die Rehabilitation nach § 2 Abs. 1 Nr. 15 SGB VII oder die Maßnahmen bei Arbeitslosigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a und b SGB VII können vorübergehend sein. Alle diese Tatbestände kennzeichnet jedoch eine Finanzierung des Unfallversicherungsschutzes durch die jeweiligen Unternehmer.323 Die Beschränkung der Unternehmer320  Anders beispielsweise in § 128 Abs. 1 Nr. 2 bis 6, 9, 10 SGB VII, wo sich die Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger im Landesbereich auf bestimmte Teile versicherter Personengruppen beschränkt. 321  Andere Auffassung wohl Leube, BG 2001, S. 139 (140 mit Fußnote 17). 322  § 2 Abs. 1 Nr. 11 lit. a und b SGB VII. 323  Für die nach § Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII versicherten Meldepflichtigen trifft § 186 Abs. 2 S. 3 SGB VII zwar eine Sonderregelung, indem er eine Erstattung durch die Bundesagentur für Arbeit anordnet. Da diese jedoch als Unternehmer anzusehen ist, liegt im Ergebnis ebenfalls eine Unternehmerfinanzierung vor. Zudem lässt sich hier auch das Argument des Betriebsfriedens anführen: Zwar ist das Aufsuchen als versicherte Tätigkeit eine vorübergehende, dennoch steht sie in einem

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

haftung wirkt daher für sie wie eine Haftpflichtversicherung, sodass § 104 SGB VII Anwendung finden muss. 2. Finanzierung der Unfallversicherung aus Steuermitteln a) Untersuchungen, Prüfungen oder ähnliche Maßnahmen, § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII Im Fall der Versicherten, die sich Untersuchungen, Prüfungen und ähnlichen Maßnahmen unterziehen, richtet sich die Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger und daran anknüpfend die Finanzierung danach, wer die Maßnahme veranlasst hat. Wurde sie von einer Landesbehörde veranlasst, sind nach § 128 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII die Unfallversicherungsträger im Landesbereich zuständig, bei einer Veranlassung durch eine Gemeinde nach § 129 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII die Unfallversicherungsträger im kommunalen Bereich. Für diese Personen ordnet § 185 Abs. 2 S. 1 SGB VII eine beitragsfreie Versicherung an. Anderenfalls besteht eine Zuständigkeit derjenigen Berufsgenossenschaft, die für das veranlassende Unternehmen zuständig ist, wobei dieses nach § 150 Abs. 1 S. 1 SGB VII zur Beitragszahlung verpflichtet ist.324 Die Maßnahmen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII stehen in einem engen Zusammenhang mit einer vergangenen oder künftigen versicherten Tätigkeit. Im Rahmen der unechten Unfallversicherung betrifft die Norm hauptsächlich Untersuchungen, Prüfungen oder andere Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Besuch einer Bildungseinrichtung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2, 8 SGB VII. Die Wichtigkeit der Haftungsbeschränkung in diesen Unternehmen unterstreicht § 106 Abs. 1 SGB VII, der auch § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII erfasst. Diese Norm ist Ausdruck des Ziels, den Betriebsfrieden zu wahren. Dieser wäre jedoch stark gefährdet, würde man die Haftungsbeschränkung lediglich zwischen den einzelnen Versicherten bzw. zwischen diesen und Betriebsangehörigen des Unternehmens, nicht jedoch gegenüber dem Unternehmer anwenden. § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII stellt höheren Zusammenhang mit der Arbeitsplatzsuche. Die Meldepflicht dient dem Zweck einer geordneten Arbeitsvermittlung. Diese könnte unter Umständen gefährdet sein, wenn sich die Meldepflichtigen und Vertreter der Bundesagentur für Arbeit vor Gericht gegenüberstehen und einen Rechtsstreit über das Bestehen von Ansprüchen führen. Indem die Ansprüche der Versicherten gegen den Unternehmer durch die Leistungen aus der Unfallversicherung abgelöst werden, kann dies verhindert werden; die Beteiligten können ohne eine Belastung ihrer Beziehungen weiterhin im Rahmen der Arbeitsplatzsuche zusammen tätig werden. 324  Zur Unternehmerstellung der Unternehmer der vergangenen oder künftigen versicherten Tätigkeit auch für die Versicherung bei Untersuchungen und Prüfungen vgl. oben Kapitel 2 B. II. 4. a).



B. Beschränkung der Haftung der Unternehmer217

vorbereitende Maßnahmen unter Versicherungsschutz, weil sie eng mit einer konkret in Aussicht stehenden versicherten Tätigkeit zusammenhängen. Würde man zwischen den nach dieser Norm Versicherten und den zukünftigen Unternehmern, die auch Unternehmer der Vorbereitungsmaßnahmen sind, Haftungsprozesse zulassen, könnte dies die Beziehung verkomplizieren, bevor die eigentliche versicherte Tätigkeit überhaupt aufgenommen wurde. § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII muss daher im Verhältnis der nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII Versicherten zu ihren Unternehmern gelten, sodass eventuelle zivilrechtliche Ansprüche wegen eines Personenschadens auf die vorsätzliche Herbeiführung oder auf die Herbeiführung auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg beschränkt ist.325 b) Kindergartenkinder, Schüler und Studierende, § 2 Abs. 1 Nr. 8 SGB VII, sowie Pflegepersonen, § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII Im Fall der nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 SGB VII versicherten Kindergartenkinder, Schüler und Studierenden ist eine Finanzierung aus Steuermitteln dann gegeben, wenn die besuchten Bildungsmaßnahmen solche eines privaten Trägers sind326 bzw. im Fall der Kindergartenkinder, wenn der Träger als gemeinnützig anerkannt wurde.327 Jedoch unterstreicht hier, ebenso wie bei den Versicherten bei Untersuchungen und Prüfungen, § 106 Abs. 1 SGB VII die Bedeutung des Betriebsfriedens in diesen Bildungseinrichtungen. Insbesondere die Schüler und Studierenden verbringen häufig viele Jahre innerhalb einer Bildungseinrichtung. Hinzukommt, dass die Steuerfinanzierung im Fall der Kindergartenkinder, Schüler und Studierenden ein Sonderfall ist, der sich auf private oder sogar nur gemeinnützige Träger der Bildungseinrichtungen beschränkt. Die Schüler-Unfallversicherung als solche sieht daher keine beitragsfreie Versicherung vor; stattdessen wird die Finanzierung durch Beiträge der Sachkostenträger der Regelfall sein. Eine Beschränkung der Unternehmerhaftung ist daher in der großen Mehrheit der Fälle schon unzulässig. Für die Versicherten kann es jedoch nicht von der Trägerschaft abhängen, ob sie zivilrechtliche Ansprüche gelten machen können. Im Fall der Kindergartenkinder, Schüler und Studierenden muss daher die Haftung des Unternehmers auch dann beschränkt bleiben, wenn er ausnahmsweise keine Beiträge zahlt. 325  So im Ergebnis auch Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Anm. 3; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 106 Rn. 3. 326  § 185 Abs. 2 S. 1 SGB VII in Verbindung mit § 128 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB VII. 327  § 185 Abs. 2 S. 1 SGB VII in Verbindung mit § 128 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

Für die nach § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII versicherten Pflegepersonen ordnet § 106 Abs. 2 SGB VII die Haftungsbeschränkung ausdrücklich in allen denkbaren Konstellationen an. Man könnte daher davon ausgehen, dass für eine Anwendbarkeit des § 104 SGB VII daneben kein Raum ist. Dies widerspricht jedoch den Besonderheiten hinsichtlich der Unternehmerstellung; da die Pflege als Teil des Haushalts versichert ist,328 kommt es für die Frage, wer Unternehmer ist, darauf an, in wessen Haushalt die Pflege stattfindet. Wird der Pflegebedürftige in den Haushalt des Pflegenden oder eines Dritten aufgenommen, ist seine Haftung nach § 106 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII beschränkt. Bei der Pflege im Haushalt des Pflegebedürftigen muss daher § 104 SGB VII Anwendung finden, um seine Haftung nicht von der Frage abhängig zu machen, wo die versicherte Tätigkeit ausgeübt wird. c) Selbsthilfe im Wohnungsbau, § 2 Abs. 1 Nr. 16 SGB VII Schließlich erfolgt die Finanzierung der Unfallversicherung bei Selbsthilfe im Wohnungsbau nach § 185 Abs. 2 S. 1 SGB VII in Verbindung mit § 129 Abs. 1 Nr. 6 SGB VII aus Steuermitteln. Hier könnte man zunächst wieder auf das Argument des Betriebsfriedens abstellen: Bauarbeiten dauern typischerweise eine Weile, d. h. der Bauherr ist häufig über einen längeren Zeitraum auf die Unterstützung der für ihn Tätigen angewiesen. Ein Ausschluss der Haftungsbeschränkung würde darüber hinaus jedoch auch dem Zweck des Unfallversicherungsschutzes zuwiderlaufen. Die Norm soll vor allem Personen schützen, die aufgrund ihres geringen Einkommens auf Selbsthilfe angewiesen sind.329 Aus diesem Schutzgedanken rechtfertigt sich auch die beitragsfreie Versicherung. Anknüpfend an den Schutz des Geringverdienenden wäre es daher unangebracht, eine Ausnahme von der Haftungsbeschränkung als Grundprinzip der Unfallversicherung zu machen. § 104 SGB VII findet daher Anwendung. 3. Möglichkeit der teleologischen Reduktion Bei der großen Mehrheit der in der unechten Unfallversicherung versicherten Personen ist zumindest einer der Zwecke der Beschränkung der Unternehmerhaftung verwirklicht, d. h. es liegt entweder eine Unternehmerfinanzierung vor oder der Ausschluss der Haftung dient der Wahrung des Betriebs328  Ricke, SozVers 2001, S. 174 (176); Riebel, in: Hauck  / Noftz SGB VII, § 4 Rn. 61; Tillmann, BG 1993, S. 108 (109 f.); siehe dazu näher oben Kapitel 2 B. II. 4. c). 329  BSGE 28, 128 (129); BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 44, S. 183; ebenso Vollmar, SozVers 1967, S. 280 (282).



B. Beschränkung der Haftung der Unternehmer219

friedens. Es bleibt daher im Grundsatz dabei, dass auch im Rahmen der unechten Unfallversicherung die Haftung des Unternehmers beschränkt ist. Eine Ausnahme kann lediglich für versicherte Tätigkeiten gemacht werden, die sich typischerweise in einer einmaligen Verrichtung erschöpfen und bei denen der Versicherungsschutz auf einer Finanzierung durch Steuermitteln beruht.330 Dies sind die Nothilfe im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII und der persönliche Einsatz im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. c SGB VII. Da die Ungleichbehandlung der in der gesetzlichen Unfallversicherung Versicherten, deren immaterielle Schäden nicht oder nur in geringerem Umfang331 ausgeglichen werden, im Vergleich mit anderen Geschädigten – wenn keine Gefahrengemeinschaft mehrerer gemeinsam Tätiger gegeben ist332 – nur durch das Finanzierungs- oder das Friedensargument gerechtfertigt werden kann, wäre die Beschränkung der Unternehmerhaftung hier weder mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, noch im Hinblick auf den Sinn und Zweck des § 104 SGB VII erforderlich. Der Wortlaut des § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII ist damit weiter, als er es vom Sinn und Zweck der Vorschrift her sein sollte, indem er auch diese Versicherten erfasst.333 Die Norm ist daher teleologisch zu reduzieren und in den Fällen der Nothelfer und der sich persönlich Einsetzenden nicht anzuwenden. Die Nichtanwendung des § 104 SGB VII auf die Nothilfe und den persönlichen Einsatz entspricht auch dem Sinn und Zweck dieser Versicherungstatbestände.334 § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII soll die Bürger zum 330  Zur Beschränkung der Anwendung des § 104 SGB VII auf Tätigkeiten der echten Unfallversicherung, bei denen diese beiden Merkmale ebenfalls erfüllt sind, vgl. Stöber, NZV 2007, S. 57 (61). 331  Zum Ausgleich immaterieller Schäden durch die abstrakte Schadensberechnung vgl. oben Kapitel 2 A. III. 1. sowie Kapitel 2 A. III. 5. 332  Zum Gedanken der Gefahrengemeinschaft im Zusammenhang mit der Haftung der Nothelfer untereinander bzw. dem Unternehmer gegenüber vgl. unten Kapitel 2 C. 3. c) sowie Kapitel 2 C. III. 2. 333  Mit derselben Begründung könnte auch die Anwendbarkeit des § 104 SGB VII auf die Blut-, Organ- und Gewebespender verneint werden, denn ein Ausschluss insbesondere des Schmerzensgeldanspruchs könnte befürchten lassen, dass die Motivation der Bevölkerung zur Spende abnehmen würde. Ein altruistisch handelnder Blutspender muss eigentlich damit rechnen können, dass er, wenn er durch die Spende eine Gesundheitsschädigung erleidet, vollumfänglich entschädigt wird (so insbesondere Teichner / Schröder, GesR 2007, S. 510 (512 f.)). Einer teleologischen Reduktion steht hier jedoch die Beitragspflicht des Unternehmers im Wege: Da er bereits im Voraus das abstrakte Risiko des Eintritts eines Versicherungsfalls trägt, kann er nicht auch für den konkret eingetretenen Schaden haftbar gemacht werden. 334  Eine teleologische Reduktion ist insbesondere auch dann möglich, wenn der Wortlaut einer Norm mit dem Zweck einer anderen Norm nicht vereinbar ist; vgl. Larenz / Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S.  210  ff.; grundlegend Brandenburg, Die teleologische Reduktion, S. 55 ff.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

positiven Handeln für den Mitbürger und die Gemeinschaft aller motivieren, indem die Hilfeleistung und Rettung aus Gefahren als Handlungen im öffentlichen Interesse unter Versicherungsschutz gestellt werden.335 Die Norm steht in sachlichem Zusammenhang mit dem Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung gemäß § 323c StGB, denn der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stellt den Ausgleich dar für die allgemeine strafbewehrte Rechtspflicht jedes Einzelnen zur Hilfeleistung.336 Ähnliches lässt sich für den persönlichen Einsatz bei der Verfolgung und Festnahme eines Verdächtigen sagen. Auch die Verfolgung und Festnahme verdächtiger Personen ist eine Tätigkeit, zu der Menschen angeregt werden sollen: Der Versicherte leistet einen gegebenenfalls gefährlichen Einsatz zugunsten der Allgemeinheit, handelt also im öffentlichen Interesse. Die Norm steht im Zusammenhang mit den strafrechtlichen Rechtfertigungsgründen der §§ 32, 35 StGB, 127 StPO, 228 BGB.337 Eine Anwendung des § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII würde dem Verletzten neben den zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen auch einen Anspruch auf Ersatz der immateriellen Schäden nehmen. Der Verlust der privatrechtlichen Haftung und insbesondere auch des Ausgleiches immaterieller Schäden könnte die Motivation zur Hilfeleistung wieder zunichte machen338 und potentielle Helfer von einem spontanen Eingreifen abhalten. Daher muss derjenige, an dessen Tätigkeit ein erhöhtes öffentliches Interesse besteht, voll entschädigt werden. Das zeigt auch schon § 13 S. 1 SGB VII, wonach unter anderem den nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a und c SGB VII Versicherten auf Antrag Schäden zu ersetzen sind, die infolge einer der dort genannten Tätigkeiten an in ihrem Besitz befindlichen Sachen entstanden sind, sowie die Aufwendungen, die sie den Umständen nach für erforderlich halten durften, soweit kein anderweitiger öffentlich-rechtlicher Ersatzanspruch besteht. Die Norm unterstreicht die Bedeutung von Tätigkeiten im öffentlichen Interesse: Der Nothelfer soll besser gestellt sein als der „normale“ Versicherte. Auch der Zweck des § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit a und c SGB VII verlangt es daher, abweichend von § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII hier eine volle Haftung des schädigenden Unternehmers zuzulassen.339 335  Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 622. 336  BSGE 42, 97 (102, 105). Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich Straftatbestand und Versicherungstatbestand dergestalt decken müssen, dass der Versicherungsschutz vom Vorliegen der strafrechtlichen Voraussetzungen abhängt; hierzu insbesondere BSGE 35, 70 (73); BSGE 42, 97 (104); Leube, NZV 2002, S. 545 (546). 337  Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 198. 338  So auch Denck, SGb 1981, S. 238 (238). 339  Im Ergebnis ist daher der allgemeinen Auffassung, dass in den Fällen des § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII keine Haftungsbeschränkung nach § 104 Abs. 1 S. 1



C. Beschränkung der Haftung anderer im Betrieb tätiger Personen221

IV. Ergebnis: § 104 SGB VII in den Fällen der unechten Unfallversicherung Der Anwendungsbereich der Haftungsbeschränkung des Unternehmers betrifft grundsätzlich alle in der gesetzlichen Unfallversicherung Versicherten. Indem die Norm die Haftung der Unternehmer gegenüber allen Versicherten beschränkt, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, besteht zunächst keine Beschränkung auf Beschäftigte und mit ihnen vergleichbare Versicherte. Aus dem weiten Kreis der versicherten Personen und der umfassenden Definition des Unternehmens als „Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen, Tätigkeiten“340 ergibt sich zudem, dass der Begriff des Unternehmers weit auszulegen sein muss. Unternehmer ist nach § 136 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII in Verbindung mit § 121 Abs. 1 SGB VII schon derjenige, dem das Ergebnis einer Tätigkeit unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Damit existiert auch bei Tätigkeiten im öffentlichen Interesse und insbesondere bei der Nothilfe ein Unternehmer, dessen Haftung beschränkt sein könnte. Zu beachten ist jedoch stets, insbesondere im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG und den Ausschluss auch des Ausgleichs immaterieller Schäden, der Sinn und Zweck der Beschränkung der Unternehmerhaftung. Nur wo die Unfallversicherung durch Beiträge der Unternehmer finanziert wurde oder die Geltendmachung schadensersatzrechtlicher Ansprüche den betrieblichen Frieden gefährden könnte, ist die Beschränkung der Unternehmerhaftung erforderlich und geboten. Im Fall der Nothilfe sowie des persönlichen Einsatzes findet daher entgegen dem Wortlaut eine vollständige Haftung des Unternehmers statt; § 104 SGB VII ist nicht anwendbar.

C. Beschränkung der Haftung anderer im Betrieb tätiger Personen: Die Regelung des § 105 SGB VII § 105 SGB VII beschränkt ausweislich seiner Überschrift die Haftung anderer im Betrieb tätiger Personen. Die Vorschrift enthält dabei mehrere einzelne Regelungen. Nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII ist die Haftung betrieblich tätiger Personen gegenüber den Versicherten desselben Betriebs beschränkt. § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII betrifft die Haftung betrieblich tätiSGB VII stattfindet, zuzustimmen. Dies lässt sich jedoch nicht mit dem Fehlen eines Unternehmers begründen, sondern mit dem für diesen Fall nicht passenden Sinn und Zweck der Beschränkung der Unternehmerhaftung. 340  § 121 Abs. 1 SGB VII.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

ger Personen gegenüber bestimmten versicherungsfreien Personen, die für denselben Betrieb tätig sind. § 105 Abs. 2 SGB VII regelt schließlich die Beschränkung der Haftung gegenüber dem nicht versicherten Unternehmer. Die Beantwortung der Frage, in welchem Rahmen die Haftung der Versicherten der unechten Unfallversicherung untereinander beschränkt ist, setzt zunächst voraus, dass die Regelung auf die unechte Unfallversicherung in ihrer Gesamtheit oder zumindest auf einen Teil dieser Versicherten Anwendung findet. Wenn das zu bejahen ist, ist in einem zweiten Schritt zu überlegen, ob auch in der unechten Unfallversicherung eine Schädigung versicherungsfreier Personen oder nicht versicherter Unternehmer denkbar ist, bei der die Haftung nach § 105 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 SGB VII beschränkt wäre.

I. Die Beschränkung der Haftung betrieblich tätiger Personen, § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII beschränkt die Haftung betrieblich tätiger Personen. Danach sind Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursachen, diesen sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben. Die Anwendbarkeit dieser Norm auf die Fälle der unechten Unfallversicherung wird – soweit ersichtlich – kaum diskutiert;341 lediglich vereinzelt finden sich indirekte Hinweise auf eine Unanwendbarkeit, beispielsweise indem festgestellt wird, die Haftungsbeschränkung im Rahmen der unechten Unfallversicherung richte sich lediglich nach den Vorschriften der §§ 104, 106 SGB VII342 oder gar nur nach der des § 106 SGB VII.343 Dies erscheint insbesondere im Hin341  Vgl. dagegen für die echte Unfallversicherung aus letzter Zeit die ausführliche Bearbeitung von Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 43 ff.; daneben Dahm, ZfS 2000, S. 38; von Koppenfels-Spies, NZS 2006, S. 561; Otto, NZV 1996, S. 473; Römermann / Günther, BG 2010, S. 394; Rolf, DB 2001, S. 2294; Schmidt, BB 2002, S. 1859; Schwab, AiB 2006, S. 191; Stern-Krieger / Arnau, VersR 1997, S. 408; Waltermann BG 1997, S. 310 (315 f.); Waltermann, NJW 2002, S. 1225 (1227 ff.). 342  Waltermann, in: FS 50 Jahre BSG, S. 571 (584); Waltermann, NJW 2004, S. 901 (902). 343  Schmidt, BB 2002, S. 1859 (1859); Waltermann, NJW 2002, S. 1225 (1226); im Ergebnis auch Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 38 f., jedoch bezogen auf die Vorgängernormen. – Andere Ansicht wohl Nehls, in: ­ Hauck / Noftz SGB VII, § 105 Rn. 9, der im Rahmen des § 105 für Schüler eine



C. Beschränkung der Haftung anderer im Betrieb tätiger Personen223

blick auf die praktische Bedeutung der Haftungsfreistellung der Tätigen untereinander bedenklich.344 Eine ausdrückliche Beschränkung auf das Gebiet der Beschäftigung bzw. damit vergleichbare Tatbestände enthält der Wortlaut des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII nicht. Die Norm beschränkt die Haftung von „Personen“, die eine betriebliche Tätigkeit ausüben. Auf der Seite der Geschädigten stehen „Versicherte desselben Betriebs“. Versicherte sind zunächst alle Personen, die nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestellt werden.345 Dazu gehören auch die Versicherten der unechten Unfallversicherung, die der Wortlaut des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII daher zumindest als Geschädigte nicht von vornherein aus seinem Anwendungsbereich ausnimmt. Allerdings müssen Schädiger und Geschädigter demselben Betrieb angehörigen, sodass aus dem Abstellen auf den Betrieb auf einen engen Bezug der Vorschrift zum Arbeitsleben geschlossen werden könnte. Eine Beschränkung könnte sich daneben aus der Umschreibung des Schädigers ergeben. § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII spricht von der Haftung betrieblich tätiger Personen. Die Tätigkeiten der in der unechten Unfallversicherung Versicherten müssen damit unter den Begriff der betrieblichen Tätigkeit zu fassen sein, wenn die Vorschrift auf sie Anwendung finden soll. 1. Beschränkung auf Beschäftigung und vergleichbare Tatbestände durch die Verwendung des Begriffes „Betrieb“ Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII auf den Bereich des Arbeitslebens könnte sich zunächst daraus ergeben, dass der Gesetzgeber die Haftungsbeschränkung innerhalb eines Betriebs angeordnet hat. Der Geschädigte muss ein Versicherter „desselben Betriebs“ sein. Verwendet wird damit nicht der im Unfallversicherungsrecht eigentlich zu erwartende Begriff des Unternehmens, der üblicherweise Anschulbezogene Schädigungshandlung fordert, dann jedoch für Einzelheiten auf die Kommentierung zu § 106 SGB VII verweist. 344  Nach Waltermann, BG 1997, S. 310 (315), liegt in dieser Regelung „die größte praktische Bedeutung der Haftungsfreistellung“; auch von Koppenfels-Spies, NZS 2006, S. 561 (561 f.), betont die Bedeutung der Vorschrift für den Bereich der Beschäftigtenversicherung: „In der Praxis hat die Haftungsfreistellung der betrieblich tätigen Personen gegenüber den Arbeitskollegen gem. § 105 I SGB VII wesentlich größere Bedeutung als der Haftungsausschluss zu Gunsten des Unternehmers gem. § 104 SGB VII.“ 345  So auch Ebsen, in: jurisPK SGB VII, § 105 Rn. 16; Mehrtens, in: BereiterHahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, §  105 Anm. 3.1; Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 105 Rn. 13; Schmitt, Kommentar SGB VII, § 105 Rn. 7.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

knüpfungspunkt für Rechte und Pflichten ist.346 Vielmehr wird mit dem Betrieb ein Begriff verwendet, der vor allem im Arbeitsrecht Anknüpfungspunkt für vielfältige Regelungen ist.347 Diese Formulierung des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII wird vielfach als Einschränkung der Reichweite der Haftungsbeschränkung verstanden, indem für die Definition des Betriebs auf das Arbeitsrecht zurückgegriffen wird.348 Dort ist als Betrieb die organisatorische Einheit anzusehen, innerhalb derer der Unternehmer allein oder zusammen mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe sächlicher und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt.349 Das Unternehmen ist dagegen eine organisatorische Einheit zur Erreichung eines hinter dem arbeitstechnischen Zweck des Betriebs liegenden Zwecks, der üblicherweise ein wirtschaftlicher ist.350 Bei Unternehmen mit mehreren Betrieben ist ein Betrieb die räumliche Teilorganisation des Unternehmens.351 Dieses arbeitsrechtliche Verständnis des Betriebs sei auch auf das Unfallversicherungsrecht anzuwenden, sodass Betrieb im Sinne des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII als ein räumlich oder innerorganisatorisch abgegrenzter Teil des Unternehmens verstanden werden müsse. 346  Siehe

hierzu oben Kapitel 2 B. II. 3. b) bb) (2). beispielsweise § 1 Abs. 2 KSchG, der die betriebsbedingte Kündigung zulässt, oder § 3 Abs. 2 TVG, der die Geltung bestimmter tarifvertraglicher Regelungen für den Betrieb festlegt. Das Betriebsverfassungsrecht baut auf dem Betrieb auf; er ist Voraussetzung für die Errichtung eines Betriebsrats (§ 1 Abs. 1 BetrVG: „In Betrieben (…) werden Betriebsräte gewählt“). – Weitere Bespiele für den Begriff des Betriebs als Anknüpfungspunkt arbeitsrechtlicher Regelung bei Richardi, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 1, § 22 Rn. 1. 348  Kater, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 105 Rn. 3; Maschmann, SGb 1998, S. 54 (59 f.); Rolfs, NJW 1996, S. 3177 (3180); Rolfs, DB 2001, S. 2294 (2298); Schmidt, BB 2002, S. 1859 (1860); auch der Bundesgerichtshof stellt auf das Vorliegen einer „räumlichen Einheit“ ab; vgl. beispielsweise BGH, NJW 1988, S. 493 (493). 349  Vgl. statt Vieler BVerfGE 97, 169 (184); BAGE 1, 175 (178); BAGE 23, 450 (454); BAGE 59, 319 (324). – Die Begriffe des Betriebs und des Unternehmens gehen zurück auf Jacobi, Betrieb und Unternehmen als Rechtsbegriffe, S. 9 und 16. 350  Ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit BAGE 1, 175 (178); vgl. beispielsweise BAGE 23, 450 (454); BAG, AP Nr. 4 zu § 47 BetrVG 1972; BAGE 55, 154 (163). 351  BAGE 27, 374 (383); ebenso Richardi, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 1, § 22 Rn. 11; kritisch Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, S. 312 ff. – Bedeutung hat diese Differenzierung beispielsweise im Betriebsverfassungsrecht: Bestehen in einem Unternehmen mehrere Betriebsräte (was die Existenz mehrerer Betriebe des Unternehmens voraussetzt, vgl. hierzu BAGE 27, 359), so ist nach § 47 BetrVG ein Gesamtbetriebsrat zu bilden. Mehrere Unternehmen können schließlich einen Konzern bilden, der wiederum einen Konzernbetriebsrat haben kann (§§ 54 ff. BetrVG). 347  Vgl.



C. Beschränkung der Haftung anderer im Betrieb tätiger Personen225

Dagegen wird insbesondere vom Bundesarbeitsgericht352 eingewandt, der Begriff des Betriebs sei unfallversicherungsrechtlich zu verstehen. § 121 Abs. 1 SGB VII nenne den Betrieb im Rahmen der Unternehmensdefini­ tion, weswegen die beiden Begriffe deckungsgleich seien.353 Problematisch wird diese Diskrepanz, wenn ein Unternehmen aus mehreren räumlich abgrenzbaren Einheiten, mithin aus mehreren Betrieben im arbeitsrechtlichen Sinn, besteht. Ein Betrieb im arbeitsrechtlichen Sinn ist jedoch nicht nur im Zusammenhang mit Beschäftigen denkbar. Auch im Bereich der unechten Unfallversicherung existieren Unternehmen mit mehreren Betrieben im Sinne mehrerer räumlich und organisatorisch abgrenzbarer Einheiten, in denen Versicherte tätig werden können. Zu denken wäre hier beispielsweise an mehrere Bildungseinrichtungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 SGB VII. Ein Sachkostenträger kann Unternehmer mehrerer Einrichtungen sein, beispielsweise das Land Unternehmer mehrerer Universitäten oder die Gemeinde Unternehmer mehrerer Schulen. Die Bundesagentur für Arbeit als Unternehmer der nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII versicherten Meldepflichtigen hat mehrere Dienststellen, d. h. mehrere organisatorisch abgrenzbare Einheiten. Entsprechendes gilt für das Deutsche Rote Kreuz oder andere Unternehmen, die eine Blut-, Organ- oder Gewebespende durchführen. Alleine aus der Verwendung des Begriffs „Betrieb“ lässt sich also, selbst wenn man ihn im Sinne der arbeitsrechtlichen Definition verstehen will, nicht schließen, dass der Anwendungsbereich des §  105 Abs.  1 S.  1 SGB VII auf die Beschäftigung oder auf mit ihr vergleichbare Tatbestände beschränkt sein soll. Zudem spricht viel dafür, den Begriff des Betriebs dem Bundesarbeitsgericht354 folgend unfallversicherungsrechtlich auszulegen und ihn mit dem Begriff des Unternehmens gleichzusetzen. Dem steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des SGB VII den Wortlaut der Vorgän352  BAGE 71, 228 (231 ff.). – Hintergrund war die Klage eines bei der Luftwaffenkraftfahrzeugtransportstaffel der Bundeswehr Beschäftigten gegen einen Zivilbediensteten einer anderen Abteilung der Bundeswehr. Das Bundesarbeitsgericht sah die Bundeswehr als Beschäftigungsbetrieb beider Parteien an. Das Unfallversicherungsrecht erfordere „im Gegensatz zu arbeitsrechtlichen Bestimmungen keine Trennung des Betriebsbegriffs vom Begriff des Unternehmens“ und kenne keine Zusammenfassung mehrerer Betriebe zu einem Unternehmen. 353  Wie das Bundesarbeitsgericht auch von Koppenfels-Spies, NZS 2006, S. 561 (566); Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 80  ff.; Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 105 Rn. 12; Otto / Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 573; Richardi, in: FS Wiedemann, S. 493 (515); Waltermann, NJW 2004, S. 901 (907). 354  BAGE 71, 228 (231 ff.).

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

gerregelung355, unter deren Geltung das Verhältnis von Betrieb und Unternehmen ebenfalls schon diskutiert worden war, übernommen hatte, obgleich in einem nicht veröffentlichten Referentenentwurf zur Regelung des SGB VII356 beabsichtigt worden sein soll, hinsichtlich der Haftungsfreistellung auf das Unternehmen und nicht mehr auf den Betrieb abzustellen.357 Dass der Gesetzgeber die Begriffe „Betrieb“ und „Unternehmen“ nicht trennschaft voneinander verwendet,358 zeigt sich schon daran, dass die Gesetzesbegründung zu § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII davon spricht, es werde „die Haftung der im Unternehmen tätigen Personen beschränkt“,359 sowie daran, dass das die Haftungsbeschränkungen enthaltende Kapitel den Titel „Haftung von Unternehmern, Unternehmensangehörigen und anderen Personen“ trägt. Gravierend wäre jedoch die Lücke, die durch eine Beschränkung auf Betriebe im arbeitsrechtlichen Sinne entstehen würde: Während über § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII die Haftung zwischen Versicherten mehrerer Unternehmen beschränkt wäre, würden Versicherte mehrerer Betriebe eines Unternehmens voll haften. Dies kann der Gesetzgeber nicht gewollt haben.360 Der Begriff des Betriebs in § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII meint daher das Unternehmen, das im Unfallversicherungsrecht generell Anknüpfungspunkt von Rechten und Pflichten ist. 2. § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII als Ergänzung des innerbetrieblichen Schadensausgleichs Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII auf das Arbeitsleben könnte sich jedoch ergeben, wenn man die Norm als Ergänzung des so genannten innerbetrieblichen Schadensausgleichs ansieht. Dieses Prinzip findet hauptsächlich Anwendung auf den Bereich der nichtselbstständigen Arbeit; das Bundessozialgericht überträgt es daneben auf die nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII versicherten Wie-Beschäf355  § 637 Abs. 1 RVO lautete: „§ 636 gilt bei Arbeitsunfällen entsprechend für die Ersatzansprüche eines Versicherten, dessen Angehörigen und Hinterbliebenen gegen einen in demselben Betrieb tätigen Betriebsangehörigen, wenn dieser den Arbeitsunfall durch eine betriebliche Tätigkeit verursacht.“ 356  Zuerst erwähnt bei Schloёn, in: Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, TZ 2678. 357  Rolfs, NJW 1996, S. 3177 (3180); Schloёn, in: Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, TZ 2678. 358  Kritisch zur Verwendung der Begriffe „Betrieb“ und „Unternehmen“ schon Teutsch, in: Rechtsfragen aus der Privat- und Sozialversicherung, S. 135 (141, 145). 359  Begründung des Entwurfs zum Unfallversicherung-Einordnungsgesetz, BTDrucks. 13 / 2204, S.  100. 360  So auch von Koppenfels-Spies, NZS 2006, S. 561 (564); Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 81.



C. Beschränkung der Haftung anderer im Betrieb tätiger Personen227

tigten.361 Der Bundesgerichtshof wendet ein ähnliches Haftungsregime bei der Haftung des Vereinsmitglieds gegenüber dem Verein an, indem er unter ausdrücklichem Verweis auf die Grundsätze der Haftung im Arbeitsverhältnis § 670 BGB entsprechend anwendet und dem Vereinsmitglied so einen Freistellungsanspruch gegen den Verein zugesteht.362 Auch eine Anwendung der Prinzipien der beschränkten Arbeitnehmerhaftung auf ehrenamtlich Tätige wurde angedacht.363 Für die übrigen der der unechten Unfallversicherung zuzuordnenden Tatbestände gilt das arbeitsrechtliche Haftungsregime dagegen nicht.364 Diesem richterrechtlich entwickelten,365 inzwischen allgemein anerkannten Prinzip nach beschränkt sich die volle Haftung des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber auf die Haftung wegen grober Fahrlässigkeit; bei „normaler“ Fahrlässigkeit findet eine anteilige Haftung statt, während der nur leicht fahrlässig handelnde Arbeitnehmer gänzlich von der Haftung freigestellt wird.366 Schädigt der Arbeitnehmer andere, hat er zudem analog 361  BSG, SozR 4-2700 § 105 Nr. 1; kritisch zur Anwendung auf Tätigkeiten in privaten Haushalten Waltermann, in: FS 50 Jahre BSG, S. 571 (582 f.); Waltermann, NJW 2004, S. 901 (904), hier auch allgemein zu den Voraussetzungen einer Anwendbarkeit der Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs. 362  BGHZ 89, 153 (156 ff.); BGH, NJW 2005, S. 981 (981); zustimmend Spickhoff, LMK 2005, S. 58 (58). – Mitgliedschaftliche Vereinsarbeit ist unter der Geltung des SGB VII grundsätzlich unversichert, sieht man von der ehrenamtlichen Tätigkeit für eine privatrechtliche Organisation im Auftrag einer Gebietskörperschaft oder einer Religionsgemeinschaft nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII ab. Diese ist zwar der unechten Unfallversicherung zuzuordnen (s. o. Kapitel 1 IV. 4.), allerdings ist hier nicht der Verein, zu dessen Lasten der BGH eine Haftungsmilderung annimmt, Unternehmer, sondern nach § 136 Abs. 3 Nr. 5 SGB VII die Gebietskörperschaft oder öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft, in deren Auftrag oder mit deren Zustimmung die Tätigkeit erbracht wird. 363  Gitter, in: FS Kraft, S. 101 (107 ff.). 364  Vgl. für Schüler, bei denen die Umstände noch am ehesten mit denen vergleichbar sind, die für den innerbetrieblichen Schadensausgleich sprechen, beispielsweise Leube, VersR 2000, S. 948 (951). – In allen anderen Fällen der unechten Unfallversicherung wird, soweit ersichtlich, die Anwendung eines dem innerbetrieblichen Schadensausgleich vergleichbaren Haftungsregimes auch nicht angedacht (nach Jahnke, in: Burmann / Heß / Jahnke / Janker, Straßenverkehrsrecht, §  254 BGB Rn. 70, handelt es sich um auf andere Rechtsgebiete nicht übertragbare Grundsätze). Sie erscheint auch nicht erforderlich, denn eine Einordnung in eine fremde Organisation mit einem vorgegebenen Risiko ist gerade Kennzeichen der Beschäftigung und nicht der Tatbestände der unechten Unfallversicherung. 365  Zur geschichtlichen Entwicklung des innerbetrieblichen Schadensausgleichs vgl. die ausführliche Darstellung bei Otto / Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn.  12 ff. 366  So grundlegend das Bundesarbeitsgericht – damals jedoch noch auf gefahrgeneigte Arbeit beschränkt – im Jahr 1959, BAGE 7, 290 (300 f.); seitdem ständige

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

§  670 BGB einen Freistellungs- bzw. Regressanspruch gegen seinen Arbeitgeber;367 dasselbe gilt, wenn der Arbeitnehmer mit Billigung des Arbeitgebers ohne besondere Vergütung im Betätigungsbereich des Arbeitgebers eine ihm gehörende Sache eingesetzt hatte, die dabei beschädigt worden war.368 Begründet wird der innerbetriebliche Schadensausgleich damit, dass der Arbeitnehmer in eine organisatorische Einheit eingegliedert wird, um dort den arbeitstechnischen Zweck durch weisungsgebundene Arbeit zu verwirklichen. Dadurch ist er einem erhöhten Schadensrisiko ausgesetzt, dem er anders als bei Zufallskontakten nicht ausweichen kann. Dabei hat er im Gegensatz zum Arbeitgeber nur einen beschränkten Einfluss auf die Gestaltung der Arbeitsabläufe und damit auf Höhe und Umfang des Schadensrisikos, während der Arbeitgeber die Verantwortung für die Betriebsorganisation und die Steuerung der Arbeitsprozesse trägt.369 War diese Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung ursprünglich auf „gefahrgeneigte Arbeit“ beschränkt gewesen,370 erweiterte das Bundesarbeitsgericht den Anwendungsbereich des innerbetrieblichen Schadensausgleichs im Jahr 1994. Dies sei erforderlich, „weil sonst Arbeitnehmer, die keine gefahrgeneigte Tätigkeit ausüben, bei Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten grundsätzlich den gesamten Schaden des Arbeitgebers tragen müßten. Dies ist im Hinblick auf das dem Arbeitgeber auch bei nicht gefahrgeneigter Arbeit zuzurechnende Betriebsrisiko und seine Befugnis zur Organisation des Betriebs und zur Gestaltung der Arbeitsbedingungen nicht gerechtfertigt.“371 Rechtsprechung, vgl. nur BAGE 49, 1 (7); BAG, NZA 2011, S. 406 (409); BAG, NZA 2012, S. 91 (94). 367  BAGE 5, 1 (5, 8), unter Verweis auf die Rechtsprechung des Reichsarbeitsgerichts. 368  BAGE 12, 15 (24 ff.); BAGE 33, 108. – Vgl. zu den Voraussetzungen und verschiedenen Begründungsansätzen Stoffels, AR-Blattei, SD 860.1 Rn. 133 ff. 369  Vgl. beispielsweise BAGE 78, 56 (31); aus der Literatur statt Vieler Kortstock, in: Nipperdey Lexikon Arbeitsrecht, Arbeitnehmerhaftung; Richardi / Fischinger, in: Staudinger, BGB, § 611 Rn. 733; Römermann / Günther, BG 2010, S. 394 (396); Schiemann, in: Staudinger, BGB, § 254 Rn. 17. 370  Gefahrgeneigte Arbeit wurde angenommen, „wenn die Eigenart der vom Arbeitnehmer zu leistenden Dienste es mit großer Wahrscheinlichkeit mit sich bringt, daß auch dem sorgfältigen Arbeitnehmer gelegentlich Fehler unterlaufen, die – für sich allein betrachtet – zwar jedes Mal vermeidbar waren, also fahrlässig herbeigeführt worden sind, mit denen aber angesichts der menschlichen Unzulänglichkeit als mit einem typischen Abirren der Dienstleistung erfahrungsgemäß zu rechnen ist“; vgl. grundlegend BAGE 5, 1 (5). Das Bundesarbeitsgericht (BAGE 7, 290 (298)) begründete diese Einschränkung damit, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich verpflichtet sei, ohne jede Fahrlässigkeit zu arbeiten, jedoch bei gefahrgeneigter Arbeit „eine schuldhafte Außerachtlassung der im Verkehr und im Arbeitsleben erforder­ lichen Sorgfalt Jedem einmal passieren kann“. 371  BAGE 78, 56 (61).



C. Beschränkung der Haftung anderer im Betrieb tätiger Personen229

Forthin fand der innerbetriebliche Schadensausgleich bei allen betrieblich veranlassten bzw. betrieblichen Tätigkeiten Anwendung; hinsichtlich dieser Formulierung nahm das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich auf das Haftungsrecht der Unfallversicherung Bezug.372 Sowohl das Arbeitsrecht als auch das Unfallversicherungsrecht verwenden mithin den Begriff der betrieblichen Tätigkeit im Zusammenhang mit einer Beschränkung der Haftung der Arbeitnehmer bzw. der Beschäftigten. Dies legt den Schluss nahe, dass die Regelung des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII tatsächlich im Zusammenhang mit den arbeitsrechtlichen Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs steht. Diese These wird gestützt durch die historischen Ursprünge der unfallversicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkung unter den Versicherten. Diese war ursprünglich richterrechtlich entwickelt worden, um das Unternehmerhaftungsprivileg nicht zu umgehen. Durch den Freistellungsanspruch des Schädigers wäre der Arbeitgeber verpflichtet, dem Geschädigten für den Arbeitsunfall zu haften, was sowohl mit dem Sinn und Zweck der Unfallversicherung, durch die Verhinderung von Prozessen den betrieblichen Frieden zu wahren, als auch mit der alleinigen Finanzierung der Unfallversicherung durch die Arbeitgeber nicht vereinbar sei.373 Auch der erste Entwurf einer dem heutigen § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII entsprechenden Regelung stellte auf den innerbetrieblichen Schadensausgleich ab. Danach galt das Unternehmerprivileg für „einen sonstigen Betriebsangehörigen“ entsprechend, „wenn diesem im Falle der Inanspruchnahme durch den Verletzten gegenüber dem Unternehmer ein Anspruch auf Freistellung zustehen würde“.374 Bis heute wird die drohende Umgehung des Unternehmerprivilegs durch die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs als Rechtfertigung für die Haftungsbeschränkung der Versicherten untereinander angeführt.375 Allerdings sprach schon die erste Gesetz gewordene Fassung eines zwischen den Versicherten geltenden Haftungsausschlusses gegen eine Kongruenz zwischen der unfallversicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkung und 372  BAGE 49, 1 (7): „Soweit der Gesetzgeber Haftungserleichterungen geregelt oder vorausgesetzt hat, wie in den bereits genannten Fällen der Rückgriffshaftung nach der Reichsversicherungsordnung und im Amtshaftungsrecht, werden betrieb­ liche Tätigkeiten einheitlich behandelt.“ 373  BAGE 5, 1 (9 f.). 374  BT-Drucks. 2 / 3318, S.  24. 375  BAGE 110, 195 (199); Ebsen, in: jurisPK SGB VII, § 105 Rn. 8; von Koppenfels-Spies, NZS 2006, S. 561 (561, 565); Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 46; Maschmann, SGb 1998, S. 54 (59); Richardi, in: FS Wiedemann, S. 493 (515); Rolfs, DB 2001, S. 2294 (2298); Schmidt, BB 2002, S. 1859 (1860); Schwab, AiB 2006, S. 191 (192); Tischendorf, VersR 2003, S. 1361 (1364); Waltermann, VSSR 2005, S. 103 (108).

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

den arbeitsrechtlichen Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs. Nach § 637 Abs. 1 RVO in der Fassung des UnfallversicherungsNeuregelungsgesetzes aus dem Jahr 1963376 galt die Beschränkung der Unternehmerhaftung entsprechend für die Ersatzansprüche gegen einen in demselben Betrieb tätigen Betriebsangehörigen, wenn dieser den Arbeitsunfall durch eine betriebliche Tätigkeit versursacht hatte. Die unfallversicherungsrechtliche Regelung ging damit weit über das hinaus, was das Bundesarbeitsgericht im Wege richterrechtlicher Rechtsfortbildung entwickelt hatte: Nicht nur die Haftung bei gefahrgeneigter Arbeit, auf die der innerbetriebliche Schadensausgleich in der damaligen Ausgestaltung Anwendung fand, war beschränkt, sondern die Haftung für bei jeglicher betrieblichen Tätigkeit verursachte Arbeitsunfälle.377 Die Begründung des Entwurfs stützte die neue Regelung denn auch maßgeblich auf das Erfordernis der Wahrung des Betriebsfriedens;378 auf die Rechtsprechung zum innerbetrieblichen Schadensausgleich wurde lediglich hingewiesen.379 Mit der Einfügung der Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch ging der Gesetzgeber sogar noch einen Schritt weiter. § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII beschränkt die Haftung von Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursachen. Erforderlich ist also nicht mehr eine Betriebsangehörigkeit des Schädigers, wie sie unter der Geltung der Reichsversicherungsordnung vorausgesetzt wurde, d. h. der Schädiger muss nicht mehr in das Unternehmen eingegliedert sein.380 Indem das SGB VII den Kreis der Schädiger auf betriebsfrem376  BGBl.

I 1963, S. 241 ff. Recht verneint daher auch Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, S. 244, die Bedeutung des Unternehmerprivilegs für die Haftungsbeschränkung der Arbeitnehmer untereinander; ebenso Waltermann, in: FS 50 Jahre BSG, S. 571 (589). 378  BT-Drucks. 4 / 120, S. 62 f.: „Aber auch die Haftung der übrigen Betriebsangehörigen auf Schadensersatz muß im Interesse der Aufrechterhaltung des Betriebsfriedens dann ausgeschlossen werden, wenn der Schädiger den Unfall bei Ausführung einer betrieblichen Tätigkeit verursacht hat.“ 379  Dieser Hinweis (BT-Drucks. 4  / 120, S. 63) bezog sich zudem hauptsächlich auf die Ausweitung der Haftungsbeschränkung von den bereits vor der Neuregelung erfassten Betriebs- und Arbeitsaufsehern auf nunmehr alle Betriebsangehörigen: „Die im bisherigen Recht vorgesehene Unterscheidung zwischen Betriebs- und Arbeitsaufsehern einerseits und den sonst im Unternehmen Mitarbeitenden andererseits kann schon im Hinblick auf die Frage der Haftung von Arbeitskollegen ergangene Rechtsprechung nicht aufrechterhalten werden.“ Wortgleich auch schon ein früherer Entwurf des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes aus der dritten Legislatur­ periode sowie dessen Begründung; vgl. BT-Drucks. 3 / 758, S. 19, 60. 380  Der Bundesgerichtshof (NJW 1978, S. 2553 (2554)) und das Bundesarbeitsgericht (BAGE 42, 194 (198)) verstanden unter dem Merkmal der Eingliederung, 377  Zu



C. Beschränkung der Haftung anderer im Betrieb tätiger Personen231

de Personen erweitert, verlässt es deutlich und bewusst381 das Gebiet des Arbeitsrechts und damit auch den Anwendungsbereich des innerbetrieb­ lichen Schadensausgleichs. Die Haftungsfreistellung nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII erfasst einen weiten Personenkreis, der keine Freistellungs- oder Regressansprüche gegen den jeweiligen Unternehmer geltend machen kann, sondern vollständig selbst privatrechtlich haften müsste, gäbe es die Norm nicht. Die Wahrung des Unternehmerprivilegs durch Vermeidung eines innerbetrieblichen Schadensausgleichs kann daher nicht (mehr) Sinn und Zweck der Haftungsbeschränkung nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII sein, sodass sich aus dem Begriff der betrieblichen Tätigkeit trotz seiner Verwendung im Arbeitshaftungsrecht keine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Norm auf das Gebiet der unselbstständigen Arbeit, d. h. unfallversicherungsrechtlich der Beschäftigung ergibt. 3. Begriff der betrieblichen Tätigkeit Für die Frage, ob § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII in der unechten Unfallversicherung Anwendung findet, ist daher allein das unfallversicherungsrechtliche Verständnis des in der Vorschrift verwendeten Begriffs der betrieb­ lichen Tätigkeit maßgeblich. § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII beschränkt nicht die Haftung der Versicherten im Allgemeinen, sondern die Haftung desjenigen, der durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursacht.382 Die Versicherten der unechten Unfallversicherung müssen also eine betriebliche Tätigkeit im Sinne dieser Vorschrift verrichten, wenn ihre Haftung untereinander beschränkt sein soll. a) Die betriebliche Tätigkeit als Synonym für die versicherte Tätigkeit Noch nicht beantwortet ist damit die Frage, was eine „betriebliche Tätigkeit“ im Sinne des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII ist. Der Begriff könnte dass die Tätigkeit des Schädigers „mit dem Unfallbetrieb ähnlich wie die von dessen Arbeitnehmern verbunden“ sein musste. 381  Vgl. BT-Drucks. 13  /  2204, S. 100: „Ausweitend gegenüber dem geltenden Recht wird dabei nicht mehr auf Betriebsangehörige abgestellt“. 382  Der Begriff der betrieblichen Tätigkeit erweckt den Eindruck, dass es für die Haftungsbeschränkung auf den Begriff des Betriebs ankommt. Gemeint ist jedoch der Begriff des Unternehmens, der im Unfallversicherungsrecht generell Anknüpfungspunkt für Rechte und Pflichten ist; siehe hierzu oben Kapitel 2 C. I. 1. Von Koppenfels-Spies, NZS 2006, S. 561 (566), vermutet, dass der Begriff der betrieb­ lichen Tätigkeit lediglich gewählt wurde, da ein Abstellen auf eine „unternehmerische Tätigkeit“ lediglich den Unternehmer einbeziehen würde und daher einen gänzlich anderen Sinn hätte.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

gleichbedeutend zu verstehen sein mit dem der versicherten Tätigkeit im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB VII,383 sodass der Haftungsausschluss ausnahmslos alle in der gesetzlichen Unfallversicherung kraft Gesetzes, kraft Satzung oder freiwillig Versicherten erfassen würde. Die betriebliche Tätigkeit wäre dann lediglich von der privaten oder eigenwirtschaftlichen Tätigkeit abzugrenzen. Die Norm wäre ausnahmslos auf „echt“ und „unecht“ Versicherte anzuwenden. Gegen eine Gleichstellung der betrieblichen Tätigkeit im Sinne von § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII mit der versicherten Tätigkeit im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB VII sprechen jedoch gewichtige Argumente. Schon der Wortlaut des Gesetzes zeigt, dass versicherte und betriebliche Tätigkeit nicht als Synonyme zu verstehen sind. Während der Begriff der versicherten Tätigkeit sich an vielen Stellen im SGB VII findet,384 verwendet der Gesetzgeber den Begriff der betrieblichen Tätigkeit lediglich im Zusammenhang mit der Haftungsbeschränkung, nämlich in § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII und in § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII. Hätte er alle versicherten Tätigkeiten in den Haftungsausschluss mit einbeziehen wollen, wäre also davon auszugehen gewesen, dass auch in diesem Bereich der Begriff der versicherten Tätigkeit verwendet worden wäre. Zudem bliebe beispielsweise kein Anwendungsbereich für § 106 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, der eine entsprechende Geltung des § 105 SGB VII für die Ersatzpflicht der in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 SGB VII genannten Versicherten untereinander anordnet, wenn alle versicherten Tätigkeiten erfasst wären. Eine versicherte Tätigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII verrichten auch die in diesen Vorschriften genannten Personen, sodass sich bei diesem weiten Verständnis der betrieblichen Tätigkeit die Beschränkung ihrer Haftung untereinander schon aus § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII ergäbe. Noch eindeutiger gegen eine Gleichsetzung von betrieblicher und versicherter Tätigkeit spricht die mit der Einordnung der Unfallversicherung ins Sozialgesetzbuch erfolgte Ausweitung des Anwendungsbereichs von § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Beschränkt ist die Haftung von Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursachen, nicht die Haftung von Versicherten. Dies kann nur so verstanden werden, dass der Schädiger nicht versichert sein muss, 383  So insbesondere das Bundesarbeitsgericht, AP Nr.  1 zu § 105 SGB VII; BAGE 110, 195 (201); aus der Literatur Brose, RdA 2011, S. 205 (209); Leube, VersR 2005, S. 622 (624); Muschner, VersR 2007, S. 1134 (1134); Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 105 Rn. 9; ebenso wohl auch Faecks, in: FS AG Arbeitsrecht, 1207 (1217); Maschmann, SGb 1998, S. 54 (57); Rolfs, DB 2001, S. 2294 (2298); Römermann / Günther, BG 2010, S. 394 (396). 384  Neben § 8 SGB VII auch in den §§ 2, 9, 10, 13, 63, 64, 84, 94, 130, 135, 199 SGB VII.



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um in den Anwendungsbereich der Vorschrift zu fallen,385 insbesondere da dem Gesetzgeber die zuvor in der Literatur laut gewordene Forderung nach einer Ausweitung des Schädigerkreises vor allem auf alle als Wie-Beschäftigte Versicherten386 bekannt war und er einen noch darüber hinaus gehenden Wortlaut wählte. Wenn also die Haftung von Personen beschränkt ist, die überhaupt nicht versichert sind, solange sie nur eine betriebliche Tätigkeit verrichten, kann die betriebliche Tätigkeit nicht gleichbedeutend mit der versicherten Tätigkeit sein. Eine Anwendbarkeit des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII auf alle in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Schädiger und damit auch auf die Versicherten der unechten Unfallversicherung ergibt sich damit nicht aus dem Begriff der betrieblichen Tätigkeit. b) Betriebliche Tätigkeit und Sinn und Zweck der Haftungsbeschränkung Ist der Begriff der betrieblichen Tätigkeit nicht gleichbedeutend mit dem der versicherten Tätigkeit, führt dies zu einer Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Maßgeblich für die Haftung der in der unechten Unfallversicherung versicherten Personen untereinander ist damit, wie der Begriff der betrieblichen Tätigkeit zu verstehen ist. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII zumindest auf einen gewissen Personenkreis könnte sich aus dem 385  So die herrschende Literatur; vgl. statt Vieler Dahm, ZfS 2000, S. 38 (40); Ebsen, in: jurisPK SGB VII, § 105 Rn. 11; Kater, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 105 Rn. 13; Krasney, NZS 2004, S. 7 (13); Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, §  105 Rn.  6; Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 56 f.; Mehrtens, in: BereiterHahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, §  105 Anm. 3.5; Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 105 Rn. 11; Waltermann, VSSR 2005, S. 103 (109); andere Auffassung wohl Faecks, in: FS AG Arbeitsrecht, S. 1207 (1210); Maschmann, SGb 1998, S. 54 (61); Rolfs, NJW 1996, S. 3177 (3180). 386  Hintergrund war die Formulierung des § 637 Abs. 1 RVO: Um in den Genuss der Haftungsbeschränkung zu gelangen, musste der Schädiger Betriebsangehöriger sein, was so verstanden wurde, dass er mit dem Unfallbetrieb ähnlich wie ein Arbeitnehmer verbunden sein musste; vgl. BGH, NJW 1978, S. 2553 (2554); BAGE 42, 194; Elleser, BB 1964, S. 1217 (1219); Fenn, SGb 1975, S. 517 (519); Krasney, WzS 1972, S. 165 (169 f.); Küchenhoff, AuR 1969, S. 1 (9 f.); Otto, NZV 1996, S. 473 (476); Rolfs, NJW 1996, S. 3177 (3180). Kritisch zu diesen strengen Anforderungen beispielsweise Denck, Anmerkung zu AP Nr. 13 zu § 637 RVO; Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, S. 246 f.; Hartmann, BB 1971, S. 48 (50); Löwisch / Schüren, SGb 1980, S. 317 (317); Migsch, VersR 1972, S. 109 (112 f.). – Bisweilen wurde die bestehende Regelung sogar dahingehend ausgelegt, dass schon bei vorübergehender Tätigkeit eine Betriebsangehörigkeit gegeben sei, so beispielsweise LAG Frankfurt, NJW 1966, S. 2330 (2331); von Hoyningen-Huene, NZA 1993, S. 145 (155).

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

Sinn und Zweck der Norm ergeben. Neben der Wahrung des Unternehmerprivilegs durch den Ausschluss von Regressansprüchen im Rahmen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs387 werden in der Regel als ratio der Vorschrift die Wahrung des Betriebsfriedens sowie die zwischen den einzelnen Versicherten bestehende Gefahrengemeinschaft angeführt.388 Treffen diese Rechtfertigungsgründe auch für die heutige Regelung noch zu, wäre ihr Anwendungsbereich auf diejenigen Versicherten beschränkt, bei denen die Gewähr gegenseitiger Haftungsansprüche den unter ihnen bestehenden Betriebsfrieden gefährden könnte, oder die innerhalb einer Gefahrengemeinschaft tätig werden. aa) Wahrung des Betriebsfriedens als Zweck des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII: Betriebliche Tätigkeit als Tätigkeit innerhalb eines „friedlichen Betriebs“ Für wichtiger als die Abwehr einer drohenden Umgehung des Unternehmerprivilegs hielt der Gesetzgeber bei der Schaffung des Haftungsausschlusses der betrieblich Tätigen untereinander die Wahrung des Betriebsfriedens. Die Haftung der übrigen Betriebsangehörigen auf Schadensersatz müsse „im Interesse der Aufrechterhaltung des Betriebsfriedens“ ausgeschlossen sein, begründete er die erste Fassung der Regelung im Jahr 1963.389 Die historische, bereits 1884 verfolgte390 Intention, juristische Konflikte zwischen Beschäftigtem und Unternehmer im Interesse des betrieblichen Klimas zu vermeiden, wird damit ausgeweitet auf alle innerhalb des Unternehmens Zusammenarbeitenden; die Verhältnisse und Beziehungen der einzelnen Versicherten untereinander sollen nicht durch Fragen der Haftung und des Verschuldens belastet werden, um ein friedliches Miteinander zu garantieren. Das Erfordernis eines harmonischen, unbelasteten Umgangs im Interesse des Unternehmens mag besonders deutlich im Bereich der Beschäftigten zutage treten. Doch kann es darüber hinaus andere nach § 2 Abs. 1 S. 1 SGB VII Versicherte untereinander betreffen, darunter solche, die der unechten Unfallversicherung zuzuordnen sind. So kann beispielsweise der Schulfrieden dadurch gefährdet werden, dass ein Schüler durch einen ande387  Siehe zur Untauglichkeit dieses Arguments zur Rechtfertigung des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII oben Kapitel 2 C. I. 2. 388  Vgl. beispielsweise Fuhlrott, NZS 2007, S. 237 (238); Krasney, NZS 2004, S. 7 (13); Waltermann, Sozialrecht, Rn. 305. 389  Begründung zum Entwurf des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes, BTDrucks. 4 / 120, S. 62 f.; vgl. auch die gleich lautende Begründung zu einem früheren Entwurf, BT-Drucks. 3 / 758, S. 60. 390  Siehe oben Kapitel 1 C. I. 1.



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ren verletzt wurde und nun Schadensersatz verlangt. Entsprechendes gilt für Studierende im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. c SGB VII oder für Auszubildende nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII. Ferner müssen mehrere Pflegepersonen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII schon im Interesse des Pflegebedürftigen friedlich zusammenarbeiten. Diese Bedürfnisse hat der Gesetzgeber gesehen und daher § 106 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 3 SGB VII geschaffen. Die anderen der unechten Unfallversicherung zuzuordnenden Versicherten zeichnen sich dagegen dadurch aus, dass ihr Kontakt in der Regel ein vorübergehender ist. Das Verhältnis mehrerer Blut-, Organ- oder Gewebespender bedarf beispielsweise ebenso wenig eines befriedenden Haftungsausschlusses wie das der Meldepflichtigen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII oder der Rehabilitanden im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 15 SGB VII. Retten zwei Personen gemeinsam einen Dritten aus einer erheblichen Gesundheitsgefahr, erfolgt diese Rettung in der Regel spontan, ohne dass eine vorherige oder spätere Zusammenarbeit oder nur Begegnung gefordert wird. Auch eine gemeinschaftliche Festnahme eines einer Straftat Verdächtigen kann erfolgen, ohne dass ein eventueller Schadensersatzprozess belastende Folgen hätte, die es zu verhindern gilt. Ein Abstellen auf den Sinn und Zweck des Betriebsfriedens ergäbe damit das Ergebnis, dass sich die Haftungsbeschränkung der in der unechten Unfallversicherung Versicherten untereinander tatsächlich auf die Regelung des § 106 SGB VII beschränkte; d. h. es außer in den dort genannten Fällen bei der Haftung nach den zivilrechtlichen Vorschriften bliebe.391 Den Sinn und Zweck der Wahrung des Betriebsfriedens unterstrich die Rechtsprechung und die ihr folgende herrschende Literatur zur Auslegung der Vorgängerregelung des § 637 RVO. Um in den Genuss der Haftungsbeschränkung zu gelangen, musste der Schädiger Betriebsangehöriger sein, was so verstanden wurde, dass er mit dem Unfallbetrieb ähnlich wie ein Arbeitnehmer verbunden sein musste.392 Eine Erweiterung auf alle Versicherten hatte der Gesetzgeber ausdrücklich abgelehnt mit dem Argument, die Sicherung des Betriebsfriedens, der das Haftungsprivileg vornehmlich diene, habe bei Personen, die dem Betrieb weder als dessen Arbeitnehmer 391  So Schmidt, BB 2002, S. 1859 (1859); Waltermann, NJW 2002, S. 1225 (1226); im Ergebnis auch Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 38 f., jedoch bezogen auf die Vorgängernormen. 392  Vgl. für die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beispielsweise BGH, NJW 1978, S. 2553 (2554); für die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beispielsweise BAGE 42, 194; zustimmend aus der Literatur Elleser, BB 1964, S. 1217 (1219); Fenn, SGb 1975, S. 517 (519); Krasney, WzS 1972, S. 165 (169 f.); Küchenhoff, AuR 1969, S. 1 (9 f.); Otto, NZV 1996, S. 473 (476); Rolfs, NJW 1996, S. 3177 (3180).

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

angehörten, noch (als Angehörige eines anderen Unternehmens) in den fremden Betrieb „eingegliedert” seien, keine Bedeutung.393 Der Schutz des Betriebsfriedens war somit unter der Geltung des § 637 RVO das tragende Argument für die Haftungsbeschränkung der Versicherten untereinander. Indem das SGB VII inzwischen jedoch nicht mehr auf eine Betriebsangehörigkeit abstellt, sondern die Haftung jeder Person beschränkt, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall verursacht, verliert das Argument des Betriebsfriedens im Rahmen des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII an Bedeutung. Beschränkt ist nun die Haftung von Personen, die vorübergehend, ja nur einmalig, betrieblich tätig werden, mit denen also kein weiteres Zusammenwirken geschieht, das die Wahrung eines fried­lichen Umgangs fordern würde.394 Die Wahrung des Betriebsfriedens ist seit der Geltung des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII nicht mehr das Ziel, das die Haftungsbeschränkung der betrieblich Tätigen untereinander verfolgt. Er kann daher auch nicht dazu dienen, den von der Vorschrift erfassten Kreis der Schädiger einzuschränken. Die Anwendbarkeit des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII ist folglich nicht auf diejenigen Personen beschränkt, die längerfristig gemeinsam tätig werden. Für den Bereich der unechten Unfallversicherung bedeutet dies, dass auch bei den vielfach versicherten vorübergehenden Tätigkeiten die Anwendung der Haftungsbeschränkung nicht ausgeschlossen ist. bb) Der Begriff der Gefahrengemeinschaft und ihr Schutz durch § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII (1) Gefahrengemeinschaft im Sinne des Versicherungsrechts Neben der Wahrung des Betriebsfriedens wird zur Rechtfertigung des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII der Begriff der Gefahrengemeinschaft angeführt.395 Der Begriff der Gefahrengemeinschaft oder Risikogemeinschaft ist ein Kernbegriff des Versicherungsrechts.396 Sowohl die private Versicherung 393  BT-Drucks. 4 / 938 (neu), S. 18; auf diese Argumentation berufen sich auch der Bundesgerichtshof (NJW 1987, S. 2553 (2553)) und das Bundesarbeitsgericht (BAGE 42, 194 (201 f.)). 394  Zur Abnahme der Bedeutung des Friedensarguments auch Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 44 f.; Otto / Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 538; für den Haftungsausschluss nach § 637 RVO schon Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, S. 243. 395  Vgl. beispielsweise Fuhlrott, NZS 2007, S. 237 (238); Krasney, NZS 2004, S. 7 (13); Waltermann, Sozialrecht, Rn. 305. 396  Der Bundesgerichtshof (BGHZ 88, 78 (81)) bezeichnet den Gedanken der Gefahrengemeinschaft als eine der „Grundlagen des Versicherungsrechts“. – Vgl. zum historischen Verständnis des Begriffs Büchner, ZVersWiss 1978, S. 579 (579 ff.).



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als auch die öffentlich-rechtliche Sozialversicherung beruhen im Kern auf dem Gedanken der Gefahrengemeinschaft in der Form eines Zusammenschlusses von Trägern eines gemeinsamen Risikos, das durch die Versicherung abgefangen werden soll. Indem die einzelnen Versicherten in die Versicherung einzahlen und diese im Schadensfall leistet, verteilen sich die Risiken und auftretenden Schäden „auf mehrere Schultern“397, d. h. auf die Mitglieder der Gefahrengemeinschaft im Kollektiv.398 Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung besteht eine solche Gefahrengemeinschaft im versicherungsrechtlichen Sinn ohne Zweifel zwischen den Versicherten der Unternehmerunfallversicherung. Unabhängig davon, ob die Unternehmerversicherung auf gesetzlichem oder satzungsmäßigem Zwang beruht oder freiwillig erfolgt,399 schließen sich hier gleichartig Bedrohte zu Gefahrengemeinschaften zusammen, treffen durch Beitragszahlung Vorsorge für den Schadensfall und erhalten bei dessen Eintritt die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung.400 Zwischen den Versicherten außerhalb der Unternehmerunfallversicherung besteht jedoch keine Gefahrengemeinschaft im versicherungsrechtlichen Sinn. Es liegt kein Zusammenschluss gleicher Risiken vor, der durch eine vorherige Beitragszahlung auf mehrere Schultern verteilt werden soll. Vielmehr sind die Versicherten nicht selbst zur Beitragszahlung verpflichtet; die Unfallversicherung wird alleine durch die Beiträge der Unternehmer bzw. in Einzelfällen durch Steuermittel finanziert. Eine Gefahrengemeinschaft im Sinne des Versicherungsrecht, die den Gedanken des Gleichlaufs von Schä397  Müller, in: Rolf  / Spahn / Wagner, Sozialvertrag und Sicherung, S. 129 (133); Schlegel, in: jurisPK SGB V, § 1 Rn. 7. Wannagat, Lehrbuch der Sozialversicherung, Band 1, S. 2, spricht von einer „Atomisierung des Risikos“. 398  Vgl. statt Vieler Giesen, ZESAR 2009, S. 311 (316); Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, S. 72 f.; Looschelders, in: Münchener Kommentar zum VVG, Band 1, § 1 Rn. 57; Möller, in: Gegenwartsfragen der Versicherung, S. 11 (12 f.); Müller, in: Rolf / Spahn / Wagner, Sozialvertrag und Sicherung, S. 129 (133); Präve, VersR 2006, S. 1190 (1190); Prölls, VersR 1950, S. 137 (137); Schlegel, in: jurisPK SGB IV, § 21 Rn. 9; Schulz, SGb 1996, S. 571 (572); Thume, in: Thume / de la Motte / Ehlers, Transportversicherungsrecht, Teil 1 Rn. 5; vgl. auch BVerfGE 114, 73 (102 f.), wo das Bundesverfassungsgericht die Bedeutung der Risikogemeinschaft für das Versicherungsrecht betont. 399  Kraft Gesetzes versichert sind die in § 2 Abs. 1 Nr. 5 lit. a, Nr. 6, 7 und 9 SGB VII genannten Unternehmer (Landwirte, Hausgewerbetreibende, Zwischenmeister, Küstenschiffer und -fischer, Selbstständige im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege). Daneben ermöglicht § 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII die Erstreckung der Versicherungspflicht kraft Satzung auf die Unternehmer. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII können sich die Unternehmer schließlich freiwillig versichern. 400  Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, S. 72  f.; Lülf, Die unechte Unfallversicherung, S. 61, jeweils mit weiteren Nachweisen; ähnlich Wannagat, Lehrbuch der Sozialversicherung, Band 1, S. 13 f.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

digern und Geschädigten tragen würde, besteht daher im Hinblick auf die Versicherten weder im Arbeitsleben, d. h. bei den nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Beschäftigten und mit ihnen vergleichbaren Personen, noch in den Fällen der unechten Unfallversicherung. Die Unfallversicherung ist, wie auch das Bundesarbeitsgericht feststellt, vielmehr im Kern eine Versicherung für die Gefahrengemeinschaft der „in der Berufsgenossenschaft zusammengeschlossenen Unternehmer in ihrer Gesamtheit“.401 Diese zahlen für die für ihre Unternehmen tätigen oder zu ihren Unternehmen in einer besonderen, die Versicherung begründenden Beziehung stehenden Versicherten Beiträge, aus denen dann im Schadensfall die Leistungen an die Versicherten finanziert werden. Abgefangen wird also das Risiko der Unternehmer, für die Personenschäden eines Versicherten haften zu müssen. Deutlich zeigt sich der Gedanke der versicherungsrechtlichen Gefahrengemeinschaft der Unternehmer dort, wo der Begriff auch ausdrücklich verwendet wird: Nach § 157 Abs. 2 S. 1 SGB VII werden die Unternehmen in Gefahrengemeinschaften unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs eingeteilt.402 Zweck dieser Gefahrengemeinschaften, die maßgeblich für den Gefahrtarif und damit die Höhe der zu zahlenden Beiträge sind, ist die Zusammenfassung von Unternehmen mit einem vergleichbaren Risiko, was wiederum zu einer gerechten Verteilung der Lasten unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs sorgt.403 Wenn § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII den Schutz einer zwischen den betrieblichen Tätigen bestehenden Gefahrengemeinschaft bezweckt, kann damit mithin keine Gefahrengemeinschaft im versicherungsrechtlichen Sinn gemeint sein.

401  BAGE

5, 1 (9). die Annahme einer „reinen“ Gefahrengemeinschaft der Unternehmer im versicherungsrechtlichen Sinn spricht lediglich, dass nicht die Unternehmer versichert sind, sondern von den Leistungen zumindest unmittelbar andere profitieren. 403  Burchardt, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 157 Rn. 28 f.; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 157 Anm. 2. Einzelheiten zur Einteilung der Gefahrengemeinschaften bei Becker, BG 2004, S. 528. 402  Gegen



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(2) G  efahrengemeinschaft und Haftungsbeschränkung als gegenseitige Bedingungen Nach Rechtsprechung404 und Literatur405 sind die Gefahrengemeinschaft und die Haftungsbeschränkung gegenseitige Bedingungen. Aus der Gefahrengemeinschaft ergebe sich die Rechtfertigung der Haftungsbeschränkung, indem der Nachteil, dass der Versicherte als Geschädigter keine Ersatzansprüche habe, die über die Leistungen der Unfallversicherung hinausgehen, dadurch ausgeglichen werde, dass er als Schädiger selbst von der Haftung befreit sei.406 Die Gefahrengemeinschaft setze daher stets einen Gleichlauf von profitierendem Schädiger und benachteiligtem Geschädigten voraus. Insbesondere bei einer Betrachtung der nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Beschäftigten leuchtet dieses Argument ein, denn bei einer Zusammenarbeit mehrerer Arbeitskollegen besteht das Risiko, einen Kollegen zu verletzen, ebenso wie das Risiko, von einem Kollegen verletzt zu werden.407 Jenseits der Beschäftigung lässt sich jedoch auch in den Bereichen der unechten Unfallversicherung ein gemeinsames Risiko im Sinne einer Gefahrengemeinschaft der Versicherten untereinander sehen. Nicht nur Lernende im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 und 8 SGB VII werden gemeinschaftlich tätig und können sich daher untereinander Schaden zufügen, sondern beispielsweise auch zwei Nothelfer im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII408 oder mehrere Personen, die sich bei der Verfolgung oder Fest404  BVerfGE

34, 118 (136); BGHZ 148, 209 (212); BGHZ 151, 198 (202). Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, S. 246; Krasney, NZS 2004, S. 7 (13); Lang, SVR 2005, S. 270 (271); Maschmann, SGb 1998, S. 54 (59); Schmidt, BB 2002, S. 1859 (1860). 406  BVerfGE 34, 118 (136); zustimmend BGHZ 148, 209 (212); BGHZ 151, 198 (202); Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, S. 246; Krasney, NZS 2004, S. 7 (13); Lang, SVR 2005, S. 270 (271); Maschmann, SGb 1998, S. 54 (59); Schmidt, BB 2002, S. 1859 (1860); kritisch zur Gefahrengemeinschaft Fuhlrott, NZS 2007, S. 237 (239). – Das Bundesarbeitsgericht (BAGE 5, 1 (9)) verwendet den Begriff der Gefahrengemeinschaft nicht im Hinblick auf die Versicherten, sondern auf „die in der Berufsgenossenschaft zusammengeschlossenen Unternehmer in ihrer Gesamtheit“. 407  Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass es wegen der Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs gar kein Haftungsrisiko mehr gäbe, vor dem der Arbeitnehmer geschützt werden müsse (so aber Tischendorf, VersR 2003, S. 1361 (1363)). Ein Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber ist lediglich bei leichter Fahrlässigkeit vollständig gegeben, während das Unfallversicherungsrecht alle Ansprüche unterhalb der Schwelle der vorsätzlichen Verursachung ausschließt. Dies sieht auch Fuhlrott, NZS 2007, S. 237 (239), der diesen Einwand jedoch damit zurückweist, hierbei handle es sich um die „praktisch eher weniger bedeutsamen Fälle“. 408  Zu diesem Gedanken auch Denck, SGb 1981, S. 238 (239): Dem Direktionsrecht des Arbeitgebers entspreche „der ethische, ja evtl. rechtliche (…) Zwang zur 405  Gitter,

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nahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist, persönlich einsetzen.409 Insbesondere in den beiden zuletzt genannten Fällen besteht aufgrund der Spontanität, Hektik und Eile, die üblicherweise geboten ist und keine Zeit für vorherige Absprachen oder Abstimmungen lässt, ein erhebliches Risiko der gegenseitigen Verletzung. Dagegen ist eine Gefahrengemeinschaft eher fernliegend bei mehreren versicherten Meldepflichtigen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII oder Rehabilitanden, die beispielsweise ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. a SGB VII erhalten. Der Blickwinkel der Gefahrengemeinschaft könnte daher bei der Auslegung des Begriffs der betrieblichen Tätigkeit zur Ermittlung des Anwendungsbereiches beitragen. Das Gleichgewicht von Vor- und Nachteilen, das Rechtsprechung und Literatur im Zusammenhang mit der Gefahrengemeinschaft sehen, nämlich den Ausgleich der fehlenden zivilrechtlichen Ansprüche des Geschädigten durch die eingreifende Haftungsbeschränkung zu seinen Gunsten, besteht jedoch aufgrund der Erweiterung des Schädigerkreises durch die Einführung von § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII nicht (mehr)410. Indem die Haftung von Personen beschränkt wurde, die eine betriebliche Tätigkeit ausüben, ohne versichert zu sein, hat der Gesetzgeber das Gleichgewicht von Schädiger und Geschädigtem verlassen: Verletzt ein nicht versicherter betrieblich Tätiger einen Versicherten, kommt ihm das Haftungsprivileg zugute; wird er selbst verletzt, bleiben die Ansprüche gegen den Schädiger bestehen. Die Kombination von Belastung und Begünstigung ist damit nicht mehr gegeben. Die Gefahrengemeinschaft, wie sie Rechtsprechung und herrschende Lehre verstehen, vermag daher die Haftungsbeschränkung in ihrer gegenwärtigen Form nicht mehr in allen Fällen zu rechtfertigen.

gemeinsamen Hilfe. Müßte ein Nothelfer mit Schadensersatzansprüchen des anderen rechnen, könnte das seine Hilfsbereitschaft stark hemmen.“ – Auch Krasney, in: GS Heinze, S. 529 (532), spricht sich für eine Anwendung der Haftungsbeschränkung auf die Nothelfer aus, „wenn sie (…) einen anderen Helfer im Rahmen der Hilfeleistung verletzen“. 409  § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. c SGB VII. 410  Schon vor der Einführung des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII kann an seinem Bestehen gezweifelt werden, da unter der Geltung des § 637 Abs. 1 RVO (quasi gegengleich zur heutigen Regelung) der Kreis der erfassten Schädiger enger war als der der erfassten Geschädigten; es damals also Personen gab, denen die zivilrechtlichen Ansprüche genommen wurden, ohne dass zu ihren Gunsten ein Haftungsausschluss eingegriffen hätte; kritisch daher zu Recht Denck, Anmerkung zu AP Nr. 13 zu § 637 RVO; Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, S. 246 f.; Hartmann, BB 1971, S. 48 (50); von Hoyningen-Huene, NZA 1993, S. 145 (155); Löwisch / Schüren, SGb 1980, S. 317 (317); Migsch, VersR 1972, S. 109 (112 f.).



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(3) W  eites Verständnis der Gefahrengemeinschaft als tatsächlicher Zustand § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII ist weder eine Ausprägung der Gefahrengemeinschaft im versicherungsrechtlichen Sinn, noch stehen sich Haftungsbeschränkung und Gefahrengemeinschaft als gegenseitige Bedingungen gegenüber. Fraglich ist daher, ob die Norm dennoch den Schutz mehrerer Mitglieder einer Gefahrengemeinschaft bezweckt, wenn man den Begriff der Gefahrengemeinschaft nur anders auslegt, als Rechtsprechung und Literatur es bisher tun. Der Begriff der Gefahrengemeinschaft beschreibt zunächst eine Gemeinschaft, deren Mitglieder bestimmte gleichartige Risiken gemeinsam tragen.411 Im Hinblick auf die Versicherten in der gesetzlichen Unfallversicherung liegt dieses Risiko in der gemeinsamen Tätigkeit: Werden zwei oder mehrere Personen dergestalt gemeinsam tätig, dass sich ihre Tätigkeitsfelder berühren oder überlappen, besteht für alle beteiligten Personen das Risiko, einen anderen während der Ausführung der Tätigkeit zu verletzen. Diese gemeinsame Gefahr hängt jedoch nicht davon ab, ob die Beteiligten in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert sind. In jedem Fall gemeinsamen Tätigwerdens besteht das gemeinsame Risiko, einen anderen Tätigen zu verletzen. An diese Gefahrengemeinschaft als objektiven Tatbestand knüpft der Gesetzgeber die Rechtsfolge der Haftungsbeschränkung, d. h. wer innerhalb einer solchen Gefahrengemeinschaft tätig wird, wird im Fall der Schädigung eines anderen grundsätzlich von der zivilrechtlichen Haftung befreit.412 Indem der Gesetzgeber die Haftungsbeschränkung auf 411  Sieg, ZVersWiss 1985, S. 321 (322), kritisiert deswegen auch den Begriff der Gefahren-„Gemeinschaft“ im Versicherungsrecht: Eine Gemeinschaft der Versicherten gäbe es nicht, da häufig „nicht einmal ein sozialer Kontakt zwischen ihnen“ bestehe. Gerade dieser soziale Kontakt, der bei gemeinsamem Tätigwerden gegeben ist, ist jedoch der Hintergrund der Haftungsbeschränkung nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Daher kann der Begriff der Gefahrengemeinschaft hier nicht versicherungsrechtlich gemeint sein. 412  Der Begriff der Gefahrengemeinschaft wird neben dem (Sozial-)Versicherungsrecht auch in anderen Rechtsgebieten und dort auch nicht immer einheitlich verwendet. Im Strafrecht meint eine Gefahrengemeinschaft beispielsweise zum einen ein gefährliches Unternehmen mehrerer, das auf dem mindestens konkludenten Versprechen wechselseitiger Hilfe im Gefahrenfall beruht, wobei die Gemeinschaft eingegangen wird, um die Chancen zum Bestehen der Gefahr durch den Zusammenschluss zu erhöhen (statt Vieler Heuchemer, in: Beck’scher Online-Kommentar StGB, § 13 Rn. 43; Stree / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 13 Rn. 24), zum anderen die Situation, dass mehrere Personen derselben Gefahr ausgesetzt sind, wobei die Verwirklichung der Gefahr für alle Personen dadurch verhindert werden kann, dass einige wenige geopfert werden (statt Vieler Küper, JZ 1989, S. 617 (624); Roxin, ZIS 2011, S. 552 (556)). Ein zivilrechtliches Beispiel für eine Gefahrengemeinschaft

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

alle betrieblich Tätigen erweitert hat, hat er konsequent den Gedanken der Gefahrengemeinschaft weitergedacht, denn das Risiko gemeinsam Tätiger, sich gegenseitig zu schädigen, besteht unabhängig davon, ob der Schädiger versichert ist, bereits durch das gemeinsame betriebliche Tätigwerden.413 Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber in § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII auch die versicherungsfreien Beamten in den Anwendungsbereich der Haftungsbeschränkung aufgenommen.414 Arbeiten Arbeitnehmer und Beamte Hand in Hand, wie beispielsweise in Verwaltungen und Betrieben der öffentlichen Hand oder im schulischen Bereich,415 hängt es vom bloßen Zufall ab, ob durch eine betriebliche Tätigkeit ein anderer Arbeitnehmer oder ein Beamter geschädigt wird. Dasselbe gilt für den nach § 105 Abs. 2 SGB VII nun ebenfalls in die Haftungsbeschränkung aufgenommenen nicht versicherten Unternehmer; bei einer Mitarbeit des Unternehmers im Betrieb hängt es lediglich vom Zufall ab, ob der Versicherte einen anderen betrieblich tätigen Versicherten schädigt oder den Unternehmer,416 und im zweiten Fall ist es ebenso zufällig, ob der Unternehmer versichert ist oder nicht.417 Der Begriff der Gefahrengemeinschaft beschreibt daher lediglich einen tatsächlichen Zustand, bei dem es nicht auf das Gleichgewicht von Voroder Nachteilen der Haftungsbeschränkung ankommt, sondern rein objektiv auf das gemeinsame Tätigwerden mehrerer Versicherter und Nichtversicherter. Daraus folgt für alle Beteiligten das Risiko, einen der anderen Tätigen zu verletzen. Dieses Risiko wird ihnen abgenommen, indem ihre zivilrechtliche Haftung nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII beschränkt wird, was ein unbefangenes gemeinsames Tätigwerden erleichtert, das nicht durch die stellen Ehe und Familie dar (statt Vieler Schmitz, FPR 2009, S. 422 (423)). Im Gesellschaftsrecht spricht man von einer Gefahrengemeinschaft, wenn die Erreichung des Gesellschaftszwecks mit überdurchschnittlich hohen Gefahren verbunden ist (statt Vieler Schücking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 1, § 4 Rn. 70). Diese Gefahrengemeinschaften beschreiben alle einen tatsächlichen Zustand, nämlich die Verbindung von mehreren Personen, die einem gemeinsamen Risiko unterliegen. In einem zweiten Schritt werden an dieses tatsächliche Vorliegen einer Gemeinschaft mit gemeinsamen Risiken dann Rechtsfolgen geknüpft, wie beispielsweise das Bestehen einer strafrechtlichen Garantenstellung (Stree / Bosch, in: Schönke / Schröder, § 13 Rn. 23 ff.; vgl. auch BGH, NStZ 2008, S. 276) oder die Pflicht zum nachehelichen Unterhalt (BGH, NJW 2009, S. 2450). 413  So versteht den Begriff der Gefahrengemeinschaft auch Kothe, AuR 1986, S. 251 (253). 414  So auch Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 84. 415  Beispiele nach Leube, ZTR 1999, S. 302 (303). 416  Diederichsen, r+s Beilage 2011, S. 20 (20); Jungfleisch, BG 2006, S. 464 (464); Waltermann, in: Eichenhofer / Wenner, § 105 Rn. 13. 417  Ebsen, in: jurisPK SGB VII, § 105 Rn. 19; Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 105 Rn. 18.



C. Beschränkung der Haftung anderer im Betrieb tätiger Personen243

Erwartung einer möglichen Haftung gefährdet wird. § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII bezweckt damit im Ergebnis tatsächlich den Schutz mehrerer in einer Gefahrengemeinschaft Tätiger, indem er ihre Haftung untereinander beschränkt; jedoch ist der Begriff der Gefahrengemeinschaft weder im versicherungsrechtlichen Sinn zu sehen, noch bedingen sich Haftungsbeschränkung und Gefahrengemeinschaft gegenseitig. cc) Vereinbarkeit der Ausweitung mit Art. 3 Abs. 1 GG Aus der Tatsache, dass zwischen allen in § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII genannten Personen eine Gefahrengemeinschaft besteht, folgt jedoch noch nicht, dass die Erweiterung des Anwendungsbereichs auch verfassungsmäßig unbedenklich ist. Das gesellschaftliche Leben kennt viele Gefahrengemeinschaften in diesem Sinn, bei denen keine Haftungsbeschränkung angeordnet wird; selbst im Fall der Ehe ist die Haftung nach § 1359 BGB nur auf die Haftung für die eigenübliche Sorgfalt beschränkt.418 Zweifelhaft ist insbesondere, ob es mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, dass der Kreis der von der Haftungsbeschränkung auf Schädigerseite Erfassten weiter ist als der der Geschädigten,419 denn das Risiko einer gegenseitigen Schädigung besteht unabhängig von der Versicherteneigenschaft. (1) U  ngleichbehandlung verschiedener Schädiger abhängig von der Person des Geschädigten Eine Ungleichbehandlung ist zunächst darin zu sehen, dass die Rechtsfolge einer betrieblichen Schädigung für den Schädiger von der Person des Geschädigten abhängt. Ungleich behandelt werden diejenigen Schädiger, die einen Versicherten schädigen, im Vergleich zu denjenigen, die einen Unversicherten schädigen, denn bei einer Schädigung eines Versicherten ist die Haftung nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII beschränkt, bei einer Schädigung eines – ebenfalls mit ihnen eine Gefahrengemeinschaft bildenden – Unversicherten müssen sie dagegen voll nach den zivilrechtlichen Grundsätzen haften. Die beiden Personengruppen sind jedoch schon nicht wesentlich gleich. Hinter § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII steht der seit jeher die Unfallversicherung bestimmende Gedanke, dass diejenigen Personen, die durch das Verschulden eines anderen einen Versicherungsfall erleiden, grundsätzlich auf die Ansprüche gegen die Unfallversicherung verwiesen sind. Mit ihr haben sie 418  So

auch Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 48. Hanau, in: FS 50 Jahre BGH, Band 1, S. 481 (494).

419  Zweifelnd

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

einen liquiden Schuldner, der ohne eine gegebenenfalls langwierige Klärung von Verschuldensfragen zeitnah leistet. Dass umgekehrt ihre Haftung bei der Schädigung eines betrieblich tätigen Unversicherten nicht beschränkt ist, mag eine gewisse Härte darstellen, ist allerdings konsequent, da diesen gerade kein liquider Schuldner gegenübersteht.420 Diese Auslegung unterstützen auch die Neuregelungen von § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII, der die Haftung gegenüber betrieblich tätigen Versicherungsfreien nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII beschränkt, die Leistungen aus der ähnlich gestalteten beamtenrechtlichen Unfallfürsorge erhalten, und von § 105 Abs. 2 SGB VII, wonach die Haftung gegenüber dem unversicherten Unternehmer beschränkt ist, der zu diesem Zweck den Versicherten gleichgestellt wurde.421 Die Haftung kann daher nur beschränkt sein, solange die Geschädigten einen Anspruch gegen einen liquiden Dritten haben. (2) U  ngleichbehandlung nicht versicherter Schädiger und Geschädigter Eine weitere Ungleichbehandlung ist im Hinblick auf betrieblich tätige nicht versicherte Personen zu sehen, die als Schädiger in den Genuss des Haftungsausschlusses als Vorteil der Unfallversicherung kommen, ohne im Gegenzug als Geschädigte ihre zivilrechtlichen Ansprüche zu verlieren. Diese Ungleichbehandlung ist jedoch verfassungsgemäß, wenn man den Begriff der betrieblichen Tätigkeit eng auslegt. Von der Neuregelung erfasst können nur Personen sein, die mit anderen Versicherten derart in Verbindung treten, dass diese einen Arbeitsunfall erleiden können, ohne dabei jedoch selbst eine versicherte Tätigkeit auszuüben. Nicht gemeint sein kann damit eine private Tätigkeit, sodass das schädigende Verhalten mit dem eines Versicherten vergleichbar sein muss. Die meisten Tatbestände des § 2 SGB VII knüpfen lediglich objektiv an eine Tätigkeit an, durch deren bewusste und gewollte Ausübung man ipso iure zum Versicherten wird. Differenzierender müssen jedoch die Voraussetzungen der Wie-Beschäftigung betrachtet werden, wo die Tätigkeit unter 420  So schon Vollmar, VersR 1986, S. 681 (681): „Die verschiedenartige Regelung der Haftung im Verhältnis zwischen Arbeitnehmern und versicherungsfreien Personen ist nicht unbillig. Die Arbeitnehmer genießen den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung und müssen daher auf alle Ansprüche verzichten, die auf dem Weg über einen Freistellungsanspruch das Unternehmerprivileg gefährden würden. Die versicherungsfreien Personen dagegen werden von den Unfallversicherungsträgern nicht versorgt; insoweit würde eine Haftungsbeschränkung der Rechtfertigung entbehren.“ – Auch Kothe, AuR 1986, S. 251 (253) weist darauf hin, dass ein Anspruchsverlust nur bei bestehender Versicherung zumutbar ist. 421  So auch Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 84, 96.



C. Beschränkung der Haftung anderer im Betrieb tätiger Personen245

solchen Voraussetzungen geleistet werden muss, dass sie der Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis ähnlich ist. Ausgeschlossen von der Versicherung sind daher beispielsweise Personen, die aufgrund verwandtschaftlicher oder freundschaftlicher Verbundenheit oder mitgliedschaftlicher Verpflichtung tätig werden.422 Diese Personen können daher unversichert betrieblich tätig werden im Sinne des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII, ebenso versicherungsfreie Personen im Sinne des § 4 SGB VII.423 Daneben kommt eine betriebliche Tätigkeit unternehmerähnlicher Personen in Kapital- und Personengesellschaften in Betracht.424 All diesen Personen ist gemein, dass sie eine dem Unternehmen dienliche Tätigkeit ausüben.425 Sie werden im Interesse des Unternehmens und im nahen Zusammenhang mit diesem und seinem Wirkungskreis tätig, unabhängig davon, ob sie versichert sind oder nicht. Im Umkehrschluss muss daher der Begriff der betrieblichen Tätigkeit im Sinne von § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII so ausgelegt werden, dass er nicht die versicherte Tätigkeit oder eine im Unternehmen verrichtete Tätigkeit meint, sondern eine dem Unternehmen dienliche Tätigkeit, eine Tätigkeit im Interesse des Unternehmens.426 Wer eine Tätigkeit im Interesse eines Unternehmens ausübt, soll, wenn er schon nicht selbst versichert ist, wenigstens nicht zivilrechtlich haften müssen, wenn er einen im selben Unternehmen Versicherten schädigt.427 § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII knüpft an § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII an, der ebenfalls zwischen Personen, die für ein Unternehmen tätig sind, und Personen, die zu einem Unternehmen in einer besonderen Beziehung stehen, unterscheidet, und erfasst nur die erstgenannten.428 Damit ist die Erweiterung dahin422  Ausführlich

hierzu oben Kapitel 1 C. II. 1. b). Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 56  f., nennt diese beiden Personengruppen als von der Norm erfasste nicht versicherte Schädiger; ebenso Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 105 Rn. 6; Waltermann, in: FS 50 Jahre BSG, S. 571 (579). 424  Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 105 Anm. 3.5. 425  Zu den Begriffen „Betrieb“ und „Unternehmen“ im Sinne des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII vgl. oben Kapitel 2 C. I. 1. 426  Ebenso Ebsen, in: jurisPK SGB VII, § 105 Rn. 12; Gitter, in: FS Wiese, S. 131 (135); Kock, NZS 2006, S. 471 (472); Krasney, NZS 2004, S. 7 (13); Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 105 Rn. 6; Krasney, NZS 2004, S. 68 (68 f.); Leube, BG 2001, S. 139 (140); Leube, VersR 2000, S. 948 (950); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 105 Anm. 3.5; wohl auch Kater, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 105 Rn. 5 ff. 427  So auch Kater, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 105 Rn. 13. 428  Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 105 Anm. 3.5. 423  Auch

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

gehend systemgerecht, dass es dem System der Unfallversicherung entspricht, Personen von der Haftung zu befreien, die eine dem Betrieb dienliche Tätigkeit ausführen.429 Zweifel im Hinblick auf die Vereinbarkeit des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII mit Art. 3 Abs. 1 GG lassen sich damit durch eine enge Auslegung des Begriffs der betrieblichen Tätigkeit zerstreuen. Anders als anderen Gefahrengemeinschaften ist den betrieblich Tätigen gemeinsam, dass sie nicht im eigenen Interesse, sondern fremdnützig tätig werden. Ihre Tätigkeiten dienen einem Dritten, dem Unternehmer. Daraus rechtfertigt sich die Anwendung der unfallversicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkung. Begrenzt werden muss die Anwendbarkeit der Haftungsbeschränkung jedoch dort, wo dem Geschädigten keine angemessene andere Entschädigung zugute kommt.430 Daher kann die Haftung betrieblich Tätiger gegenüber Nichtversicherten grundsätzlich nicht beschränkt werden.431 c) Ergebnis: Von § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII erfasste Schädiger in der unechten Unfallversicherung Betriebliche Tätigkeit im Sinne von § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII meint also eine dem Unternehmen dienliche Tätigkeit. Damit sind als Schädiger von § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII – neben den soeben genannten Nichtversicherten – diejenigen Personen erfasst, die § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII als „Versicherte, die für ihre Unternehmen tätig sind“ umschreibt. Erfasst ist damit zunächst der gesamte Bereich der echten Unfallversicherung. Doch auch auf bestimmte Fälle der unechten Unfallversicherung findet § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII Anwendung. Eine betriebliche, d. h. eine unternehmensdienliche Tätigkeit verrichten zunächst die ehrenamtlich Tätigen. Daneben sind auch die Nothelfer, Blutspender und sich persönlich Einsetzenden nicht im eigenen Interesse, sondern für das Unternehmen tätig, ebenso die als Zeugen oder zur Unterstützung einer Dienstleistung Herangezogenen. Schließlich fallen die beim Wohnungsbau im Rahmen der 429  Lepa,

Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 57. den Bedenken gegen einen Verweis auf eine private Haftpflichtversicherung des Schädigers siehe oben Kapitel 2 A. III. 4. b). 431  Eine Ausnahme stellt die ausdrücklich angeordnete Haftungsbeschränkung gegenüber nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherungsfreien Personen dar, da der Gesetzgeber hier von einer der Unfallversicherung entsprechenden Entschädigung durch die beamtenrechtliche Unfallfürsorge ausging; vgl. hierzu näher unten Kapitel 2 C. II. – Die Beschränkung der Haftung gegenüber dem nicht versicherten Unternehmer rechtfertigt sich dadurch, dass dieser nach § 105 Abs. 2 S. 2 SGB VII im Schädigungsfall einem Versicherten gleichgestellt wird; näher zu dieser Vorschrift unten Kapitel 2 C. III. 430  Zu



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Selbsthilfe Tätigen und die Pflegepersonen als fremdnützig Tätige unter § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Ausgeschlossen sind als Schädiger dagegen diejenigen Versicherten, die im eigenen Interesse tätig sind, d. h. die Versicherten in Bildungseinrichtungen, die Arbeitsplatzsuchenden und die Rehabilitanden. Dieses Ergebnis überzeugt insbesondere im Hinblick auf die versicherten Nothelfer.432 Sie wurden aufgrund des öffentlichen Interesses des Einzelnen und der Allgemeinheit unter Versicherungsschutz gestellt. Der Unfallversicherungsschutz soll dazu motivieren, altruistisch Hilfe zu leisten. Diesem Zweck würde es zuwiderlaufen, wenn der Nothelfer Ansprüche anderer befürchten müsste, die ihn von der Hilfe abschrecken könnten. Spontane gemeinsame Hilfeleistung „darf nicht durch die Erwartung möglicher Haftung im Ansatz gefährdet werden“.433 Hier bestätigt sich wiederum, dass die Hilfeleistung als Unternehmen im Sinne von § 121 Abs. 1 SGB VII anzusehen ist434, da nur auf diesem Weg eine umfassende Motivation zur Nothilfe erreicht werden kann. 4. Von § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII erfasste Geschädigte Anders als im Fall der Schädiger, die eine betriebliche Tätigkeit ausüben müssen, schränkt § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII im Fall der Geschädigten den Anwendungsbereich der Haftungsbeschränkung nicht ein. Nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind die Schädiger „Versicherten“ gegenüber nicht zum Ersatz des Personenschadens verpflichtet. Der Begriff des Versicherten sorgt hinsichtlich der in § 106 Abs. 1 SGB VII genannten Personen für Unklarheiten: Während häufig angenommen wird, „Versicherte“ im Sinne von § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII seien alle nach den §§ 2, 3 und 6 SGB VII versicherten Personen435, nehmen andere die Versicherten in Bildungseinrichtungen aus ihrem Anwendungsbereich heraus. Für diese gelte die speziellere Regelung des § 106 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII, der ansonsten der Anwendungsbereich fehle.436 432  § 2

Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII. SGb 1981, S. 238 (239); ähnlich Krasney, in: GS Heinze, S. 529

433  Denck,

(532).

434  Ausführlich

dazu oben Kapitel 2 B. II. 3. b). in: jurisPK SGB VII, § 105 Rn. 16; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 105 Anm. 3.1; Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 105 Rn. 13; Schmitt, Kommentar SGB VII, § 105 Rn. 7. 436  Kater, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 105 Rn. 16; Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 105 Rn. 9; Leube, BG 2001, S. 139 (141); wohl auch Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 105 Rn. 4. 435  Ebsen,

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

Vom Wortlaut her sind die versicherten Lernenden vom Anwendungsbereich des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII erfasst, da allgemein von „Versicherten“ gesprochen wird. Zur Vorgängerregelung des – insoweit vergleichbar lautenden437 – § 637 Abs. 1 RVO hatte der Bundesgerichtshof das Fehlen einer klarstellenden Regelung durch den Gesetzgeber damit begründet, dass „dort ohnehin von Ansprüchen der ‚Versicherten‘ die Rede ist, wozu auch die Schüler gehören“.438 Man könnte daher davon ausgehen, dass § 106 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII eine solche lediglich klarstellende Regelung darstellt, sodass Schüler, Studierende und die anderen in der Vorschrift genannten Personen schon von § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII erfasst wären. Dagegen spricht jedoch, dass § 106 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII anders als § 105 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII die Haftungsbeschränkung nicht zugunsten aller betrieblich Tätigen festlegt, sondern an dem Begriff des Betriebsangehörigen festhält, wie ihn schon § 637 Abs. 1 RVO verwendete. Der Begriff des Betriebsangehörigen ist enger als der des betrieblich Tätigen, da er eine Eingliederung in das Unternehmen voraussetzt, die sich durch eine Weisungsbefugnis des Unternehmers kennzeichnet.439 Die speziell auf Bildungseinrichtungen zugeschnittene Vorschrift des §  106 Abs.  1 Nr.  3 SGB VII hat damit strengere Voraussetzungen als die allgemeine Norm des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII.440 Damit ist nach dem Grundsatz lex specialis derogat legi generali davon auszugehen, dass die in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 SGB VII genannten Versicherten nicht „Versicherte“ im Sinne von § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind. Etwas anderes gilt dagegen für nach § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII versicherte Pflegepersonen. Die Voraussetzungen der §§ 104 und 105 SGB VII entsprechen denen des § 106 Abs. 2 SGB VII, ihr Anwendungsbereich ist nicht weiter. Die Vorschrift des § 106 Abs. 2 SGB VII hat lediglich eine Auffangfunktion inne für die Fälle der nicht erwerbsmäßigen Pflege, in denen der Pflegebedürftige in einem fremden Haushalt gepflegt wird, mithin nicht Unternehmer ist.

437  § 637 Abs. 1 RVO: „§ 636 gilt bei Arbeitsunfällen entsprechend für die Ersatzansprüche eines Versicherten, dessen Angehörigen und Hinterbliebenen gegen einen in demselben Betrieb tätigen Betriebsangehörigen, wenn dieser den Arbeitsunfall durch eine betriebliche Tätigkeit verursacht.“ 438  BGH, NJW 1980, S. 289 (290). 439  Vgl. zu § 637 RVO BGH, NJW 1978, S. 2553 (2554); BAGE 42, 194 (198); Elleser, BB 1964, S. 1217 (1219); Fenn, SGb 1975, S. 517 (519); Krasney, WzS 1972, S. 165 (169 f.); Küchenhoff, AuR 1969, S. 1 (9 f.); Otto, NZV 1996, S. 473 (476); Rolfs, NJW 1996, S. 3177 (3180). 440  Siehe näher zum Begriff des Betriebsangehörigen in § 106 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VII unten Kapitel 2 D. I. 3.



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5. Ergebnis zu § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII Entgegen einiger Stimmen in der Literatur441 richtet sich die Haftungsbeschränkung im Bereich der unechten Unfallversicherung nicht nur nach den §§ 104 und 106 SGB VII. Auch die Haftung der in der unechten Unfallversicherung Versicherten untereinander kann nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII eingeschränkt werden. Voraussetzung ist jedoch eine Schädigung bei einer betrieblichen, d. h. dem jeweiligen Unternehmen dienenden Tätigkeit. Ausgeschlossen sind damit insbesondere eigennützige Tätigkeiten. Durch diese enge Auslegung rechtfertigt sich die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Vorschrift gegenüber der Vorgängerregelung des § 637 Abs. 1 RVO. Auf Seiten des Geschädigten besteht dagegen grundsätzlich keine Einschränkung, denn § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII spricht allgemein von Versicherten. Lediglich die in § 106 Abs. 1 SGB VII genannten Personen sind ausgenommen, um nicht die Voraussetzungen dieser – strengeren – Vorschrift zu unterlaufen.

II. Schädigung von Beamten, § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII ordnet eine entsprechende Geltung der Haftungsbeschränkung nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII an für den Fall der Schädigung einer nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherungsfreien Person, die für denselben Betrieb442 tätig ist. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherungsfrei sind Personen, soweit für sie beamtenrechtliche Unfallfürsorgevorschriften oder entsprechende Grundsätze gelten; dies sind im Kern Beamte und ihnen gleichgestellte Personen.443 Sie sind versicherungsfrei, d. h. vom gesetzlichen Versicherungszwang frei,444 weil eine anderweitige Sicherung besteht.445 § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII soll ausweislich der Gesetzesbegründung bestimmte versicherungsfreie Personen, die für das Unternehmen tätig sind, den 441  Schmidt, BB 2002, S. 1859 (1859); Waltermann, NJW 2002, S. 1225 (1226); im Ergebnis auch Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 38 f., jedoch bezogen auf die Vorgängernormen. 442  D. h. für dasselbe Unternehmen, siehe oben Kapitel 2 C. I. 1. 443  Daneben fallen unter diese Vorschrift beispielsweise auch Beschäftigte in der privaten Wirtschaft, wenn die beamtenrechtlichen Unfallfürsorgevorschriften für sie entsprechend gelten, zudem Pfarrer, Diakone oder Kirchenbeamte (Beispiele nach Wiester, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 4 Rn. 21 ff.; vgl. auch Axer, in: FS Listl, S. 587 (600 f.)); zur Vereinfachung wird im Weiteren der Begriff des „Beamten“ für alle diese Personen verwendet. 444  BSGE 23, 248 (250). 445  BSGE 67, 73 (77).

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

versicherten Unternehmensangehörigen gleichstellen.446 Hierin zeigt sich erneut der Gedanke der zwischen allen in einem Unternehmen gemeinsam Tätigen bestehenden Gefahrengemeinschaft.447 Arbeiten beispielsweise Arbeitnehmer und Beamte Hand in Hand, wie in Verwaltungen und Betrieben der öffentlichen Hand oder im schulischen Bereich,448 hängt es vom bloßen Zufall ab, ob durch eine betriebliche Tätigkeit ein anderer Arbeitnehmer oder ein Beamter geschädigt wird. Da bereits vor der Neuregelung im SGB VII Beamte als Schädiger von der Haftungsbeschränkung profitieren konnten, umgekehrt jedoch bei Schädigung eines Beamten voll gehaftet wurde, sollte durch die Regelung eine Ungleichbehandlung beseitigt werden.449 1. Die Schädigung eines Beamten in den Fällen der unechten Unfallversicherung a) Beispiele und Anforderungen Ein enger Kontakt zwischen Versicherten der unechten Unfallversicherung und Beamten ist überall dort denkbar, wo die versicherte Tätigkeit einen Bezug zum Handeln des Staates aufweist.450 Ein häufiger Anwendungsfall des § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII könnte die ehrenamtliche Tätigkeit für Körperschaften des öffentlichen Rechts sein, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII versichert ist. Unter diese Vorschrift fallen zudem ehrenamtlich in Bildungseinrichtungen Tätige, bei denen die Gefahr der Schädigung eines beamteten Lehrers bestehen kann. Auch im Zuge der Unterstützung bei einer Diensthandlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 11 lit. a SGB VII kann der Herangezogene den heranziehenden Beamten verletzen. § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII spielt daher auch in der unechten Unfallversicherung eine Rolle. Um in den Genuss der Haftungsbeschränkung zu gelangen, muss der Versicherte jedoch im selben Unternehmen451 tätig sein wie der Beamte. 446  Begründung zum Entwurf des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes, BT-Drucks. 13 / 2204, S.  100. 447  So auch Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 84. 448  Beispiele nach Leube, ZTR 1999, S. 302 (303). 449  Gitter, in: FS Wiese, S. 131 (135); Stern-Krieger / Arnau, VersR 1997, S. 408 (410); Waltermann, BG 1997, S. 310 (315). – Besonders deutlich war diese Ungleichbehandlung im schulischen Bereich, wo ein Schüler bei Schädigung eines beamteten Lehrers haftete, umgekehrt die Haftung des Lehrers jedoch nach § 637 Abs. 1 RVO beschränkt war; siehe dazu und zur jetzigen Situation unten Kapitel 2 D. I. 3. 450  Die nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 SGB VII versicherten Kinder, Schüler und Studierenden sind aufgrund der Eigennützigkeit ihrer versicherten Tätigkeiten keine „betrieblich Tätigen“ im Sinne des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII, sodass sich ihre ­ Haftung Beamten gegenüber nach der Sonderregelung des § 106 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII richtet.



C. Beschränkung der Haftung anderer im Betrieb tätiger Personen251

Hierfür reicht es nicht aus, dass – beispielsweise aufgrund einer Sonderregelung nach § 136 Abs. 3 SGB VII – derselbe Unternehmer gegeben ist; der Unternehmer ist nicht gleichzusetzen mit dem Unternehmen. Ein Unternehmer kann vielmehr Unternehmer mehrerer voneinander unabhängiger Unternehmen sein. Dies wird insbesondere dann gelten müssen, wenn staatliche Stellen als Unternehmer zu werten sind. Hier ist nicht der Staat als solcher das Unternehmen, sondern die einzelnen Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen oder Tätigkeiten (§ 121 Abs. 1 SGB VII).452 Zu fordern ist damit ein gemeinschaftliches Tätigwerden des Versicherten mit dem Beamten im Rahmen eines gemeinsamen „Projektes“, also im Rahmen eines Betriebes, einer Verwaltung, Einrichtung oder Tätigkeit. 451

b) Das Verhältnis von § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII und § 46 Abs. 2 BeamtVG Auch das Beamtenrecht kennt eine dem § 105 Abs. 1 SGB VII entsprechende Regelung. Nach § 46 Abs. 2 BeamtVG können über die Unfallfürsorge hinausgehende Ansprüche gegen einen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn oder gegen die in seinem Dienst stehenden Personen nur geltend gemacht werden, wenn der Dienstunfall durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung einer solchen Person verursacht worden oder bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist.453 Die beiden Regelungen gleichen sich zwar im Wortlaut, unterscheiden sich hinsichtlich der Rechtsfolge jedoch erheblich. Während die §§ 104 ff. SGB VII die Haftung der Schädiger vollständig ausschließen, wird § 46 Abs. 2 BeamtVG von der Rechtsprechung454 und der ihr folgenden Literatur455 dahingehend verstanden, dass nur die Geltendmachung der Ansprüche durch den Beamten selbst ausge451  Zum Verhältnis der Begriffe „Betrieb“ und „Unternehmen“ im Sinne des § 105 Abs. 1 SGB VII siehe ausführlich oben Kapitel 2 C. I. 1. 452  So auch der Bundesgerichtshof (NJW 2003, S. 1121 (1122)) für Schüler und beim Sachkostenträger der Schule Beschäftigte; zum Kontext der Entscheidung siehe unten Kapitel 2 D. I. 2. a). Andere Ansicht Gamperl, NZV 2001, S. 401 (403). 453  Das Beamtenversorgungsgesetz regelt nach § 1 BeamtVG die Versorgung der Beamten des Bundes. Eine entsprechende Regelung für die Landesbeamten enthalten die Beamtenversorgungsgesetze der Länder; vgl. beispielsweise für Baden-Württemberg § 63 LBeamtVGBW, für Bayern Art. 49 BayBeamtVG, für Niedersachsen § 52 NBeamtVG. 454  BGHZ 136, 78 (80 f.); zu Vorgängerregelung und vergleichbaren Normen vgl. BGHZ 6, 3 (14 f.); BGH, NJW 1962, S. 1961 (1962); BGHZ 106, 13 (15 f.); BGH, NVwZ 1989, S. 91 (92); BVerwG, NJW 1963, S. 69 (70); BVerwGE 16, 36 (41). 455  Battis, Bundesbeamtengesetz, § 76 Rn. 4; Brinktrine, in: Kugele, BeamtVG, § 46 Rn. 5; Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 87 f.; Waltermann, SGb 1999, S. 532 (534); Wilhelm, in: GKÖD, § 46 BeamtVG Rn. 43.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

schlossen ist. Die Ansprüche bleiben daher dem Grunde nach weiter bestehen, sodass sie nach § 76 S. 1 BBG456 auf den Dienstherren übergehen können, soweit dieser während einer auf der Körperverletzung beruhenden Aufhebung der Dienstfähigkeit oder infolge der Körperverletzung oder der Tötung zur Gewährung von Leistungen verpflichtet ist. § 46 Abs. 2 BeamtVG betrifft Ansprüche Beamter gegen im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherren stehende Personen. Erfasst sind nicht nur Beamte, sondern auch Arbeitnehmer und Angestellte des öffentlichen Dienstes.457 Eine (gegebenenfalls analoge) Anwendung auf Nichtbeschäftigte, d. h. auf Versicherte der unechten Unfallversicherung, könnte allenfalls in Betracht kommen, wenn ein öffentlich-rechtlicher Dienstherr dem Versicherten gegenüber weisungsbefugt ist, ihm insbesondere Weisungen hinsichtlich der Ausführung seiner Tätigkeit geben kann.458 Denkbar wäre dies beispielsweise für die Herangezogenen, die im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts tätig werden; daneben außerdem bei einer ehrenamtlichen Tätigkeit für diese.459 Das Recht des öffentlichen Dienstes kennt jedoch keinen Tatbestand eines „Wie-Dienstnehmers“, der vergleichbar mit dem der Wie-Beschäftigung in der Unfallversicherung wäre. Personen, die im Interesse des Staats tätig werden, ohne zu diesem in einer vertraglichen Verbindung zu stehen, fallen daher nicht unter den Begriff der im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn stehenden Personen. Die Problematik einer eventuellen Normenkollision, wie sie im Bereich der echten Unfallversicherung möglich ist,460 besteht daher für die unechte Unfallversicherung nicht. Damit sind die Ansprüche des geschädigten Beamten grundsätzlich ausgeschlossen; ein Übergang auf den Versorgungsträger nach § 76 S. 1 BBG ist nur bei vorsätzlicher Verursachung

456  Bzw. für Landesbeamte nach entsprechenden landesgesetzlichen Regelungen; vgl. beispielsweise für Baden-Württemberg § 81 LBG, für Bayern Art. 14 BayBG, für Niedersachsen § 52 NBG. 457  Wilhelm, in: GKÖD, § 46 BeamtVG Rn. 28; ebenso Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 87; Leube, ZTR 1999, S. 302 (304). Brinktrine, in: Kugele, BeamtVG, § 46 Rn. 10, spricht von Beschäftigten. 458  Siehe hierzu auch Winkler, Die Haftung unter Arbeitskameraden, S. 132 f. 459  Ausscheiden müssen dagegen diejenigen Versicherten, die für privatrechtliche Organisationen im Auftrag staatlicher Stellen handeln. Zwischen ihnen und dem jeweiligen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn bestehen keinerlei Beziehungen, da die privatrechtliche Organisation dazwischensteht. 460  Diese wäre im Ergebnis wohl nach dem Grundsatz lex posterior derogat legi priori zugunsten einer ausschließlichen Anwendbarkeit des § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII zu lösen; vgl. hierzu die überzeugenden Darstellungen von Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 87 ff.; im Ergebnis ebenso Leube, ZTR 1999, S. 302 (304).



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oder Verursachung auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg möglich.461 2. Folgen der Anwendung des § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII bei grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Schädigung Indem § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII die Ansprüche des Beamten gegen den fahrlässig handelnden Schädiger und damit deren Übergang auf den Dienstherrn nach § 76 S. 1 BBG grundsätzlich ausschließt,462 stellt sich die Frage, wann dieser sich an den Schädiger halten kann. Eine ausdrückliche Regelung hierzu fehlt; insbesondere ist § 110 Abs. 1 SGB VII nicht direkt anwendbar, da er nur die Haftung den Sozialversicherungsträgern gegenüber betrifft. Es ist jedoch eine analoge Anwendbarkeit angebracht, um verfassungsrechtliche Bedenken, insbesondere im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG auszuräumen. Würde § 110 SGB VII nicht analog angewandt, würde der unfallfürsorgeverpflichtete Dienstherr schlechter gestellt als der Sozialversicherungsträger. Eine Abwälzung des Schadens in den Fällen grob fahrlässigen463 oder gar vorsätzlichen464 Verhaltens erscheint zudem weder hinsichtlich einer Belastung der Sozialversicherungsträger noch hinsichtlich der öffentlich-rechtlichen Dienstherren gerechtfertigt.465 Analog § 110 Abs. 1 SGB VII kann daher der zur Unfallfürsorge nach den §§ 30 ff. BeamtVG verpflichtete Dienstherr bei grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Schädigung für die infolge des Dienstunfalls entstandenen Aufwendungen den Schädiger in Haftung nehmen, begrenzt auf die Höhe des zivilrechtlichen Schadenersatzanspruchs.466 461  So auch Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 85 f.; Masch­ mann, SGb 1998, S. 54 (60); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 110 Anm. 11; Rolfs, NJW 1996, S. 3177 (3180); andere Ansicht wohl Leube, ZTR 1999, S. 302 (306), der von einer vollen Haftung des Schädigers gegenüber dem Dienstherren ausgeht. 462  Auf nach § 105 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB VII weiterbestehende Ansprüche, d. h. bei vorsätzlicher oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführter Schädigung, findet § 76 S. 1 BBG Anwendung. 463  So auch Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 86. 464  Zwar bleiben bei vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls die Ansprüche des Geschädigten bestehen. Allerdings muss sich im Rahmen des § 105 SGB VII der Vorsatz auch auf die Herbeiführung des Erfolgs beziehen, während für den Regress des Sozialversicherungsträgers eine vorsätzliche Schädigungshandlung genügt (§ 110 Abs. 1 S. 3 SGB VII); siehe zu dieser Problematik ausführlich unten Kapitel 2 E. I. 465  Zu dieser Zweckbestimmung des § 110 SGB VII vgl. beispielsweise Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, §  110 Rn. 3; zur Vorgängerregelung des § 640 RVO siehe BGH, NJW 1988, S. 1265 (1266). 466  Andere Auffassung Leube, ZTR 1999, S. 302 (305).

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

3. Ergebnis zu § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII In der unechten wie in der echten Unfallversicherung ist die Schädigung eines Beamten durch einen Versicherten denkbar. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Versicherten im Interesse des Staates tätig werden, beispielsweise bei der Heranziehung zur Unterstützung einer Diensthandlung oder im Rahmen ehrenamtlicher Tätigkeiten. Anders als im Fall der Beschäftigten stellt sich für die unechte Unfallversicherung die Problematik der Normenkollision mit § 46 Abs. 2 BeamtVG jedoch nicht, denn die Versicherten der unechten Unfallversicherung sind keine im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn stehenden Personen. Für sie bleibt es daher alleine bei der Regelung des § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII. Im Fall der grob fahrlässigen Schädigung ist schließlich analog § 110 SGB VII ein Regress des Dienstherrn möglich.

III. Die Haftungsbeschränkung bei Schädigung eines nicht versicherten Unternehmers, § 105 Abs. 2 SGB VII Auch § 105 Abs. 2 S. 1 SGB VII weitet den Anwendungsbereich der unfallversicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkung gegenüber der Vorgängerregelung des § 637 RVO aus. Danach gilt § 105 Abs. 1 SGB VII entsprechend, wenn ein nicht versicherter Unternehmer geschädigt worden ist.467 § 105 Abs. 2 S. 2 bis 4 SGB VII regelt die Folge einer Schädigung des nicht versicherten Unternehmers. Da die Haftungsbeschränkung ihm gegenüber nur gerechtfertigt sein kann, wenn er einen Ersatz für die ihm genommenen zivilrechtlichen Ansprüche erhält, legt § 105 Abs. 2 S. 2 SGB VII fest, dass 467  Uneinigkeit besteht hinsichtlich der Frage, nach welcher Norm die Ansprüche des geschädigten versicherten Unternehmers ausgeschlossen sind. Während bisweilen eine (analoge) Anwendung von § 105 Abs. 2 SGB VII angenommen wird (so wohl Diederichsen, r+s Beilage 2011, 20 (20); Kater, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 105 Rn. 24), geht die herrschende Meinung (vgl. statt Vieler Ebsen, in: jurisPK SGB VII, § 105 Rn. 19; Imbusch, VersR 2001, 547 (555); Jungfleisch, BG 2006, 464 (464); Krasney, NZS 2004, 7 (13); Lepa, Ersatzansprüche bei Personenschäden, S. 94; Leube, BG 2001, 139 (140); Mehrtens, in: BereiterHahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, §  105 Anm. 3.2; Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 105 Rn. 16; Stern-Krieger / Arnau, VersR 1997, 408 (410); Waltermann, VSSR 2005, 103 (109); wohl auch Maschmann, SGb 1998, 54 (61)) zu Recht davon aus, dass die Haftungsbeschränkung zulasten des versicherten Unternehmers direkt aus § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII folgt. Dafür spricht nicht nur der Wortlaut („Versicherungsfall von Versicherten“), sondern vor allem die Tatsache, dass es bei einem versicherten Unternehmer nicht angehen kann, seine Ansprüche anhand des Mindestjahreseinkommens zu berechnen, obwohl er Beiträge gezahlt hat. Rolfs, Versicherungsprinzip, S. 468 ff., will § 105 SGB VII generell nicht auf den versicherten Unternehmer anwenden.



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die Unternehmer wie Versicherte, die einen Versicherungsfall erlitten haben, behandelt werden, solange die Ersatzpflicht des Schädigers gegenüber dem Unternehmer nicht zivilrechtlich ausgeschlossen ist.468 § 105 Abs. 2 S. 3 und 4 SGB VII legt die Berechnungsgrundlage für Geldleistungen und deren maximale Höhe fest. Insbesondere aufgrund dieser beiden Regelungen sieht sich die Vorschrift heftiger Kritik und verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt, da für Geldleistungen nicht der tatsächliche Jahresarbeitsverdienst zugrunde gelegt wird, sondern der Mindestjahresarbeitsverdienst als Arbeitsverdienst gilt.469 1. Quasi-Versicherungsfall des nicht versicherten Unternehmers in den Fällen der unechten Unfallversicherung § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII setzt voraus, dass durch eine betriebliche Tätigkeit des Schädigers ein Versicherungsfall herbeigeführt wird. Nicht versicherte Unternehmer können indes mangels Versicherteneigenschaft schon denklogisch keinen Versicherungsfall erleiden, da Arbeitsunfälle nach § 8 Abs. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer versicherten Tätigkeit sind. Voraussetzung der Anwendung von § 105 Abs. 2 S. 1 SGB VII ist daher ein Quasiversicherungsfall470 des Unternehmers, d. h. alle Voraussetzungen eins Versicherungsfalls nach den §§ 7 ff. SGB VII mit Ausnahme der Versicherteneigenschaft müssen erfüllt sein.471 Der Unternehmer muss also nicht nur in seiner Eigenschaft als Unternehmer handeln, sondern darüber hinaus muss die unfallbringende Tätigkeit auch in den Bereich des eigenen Unternehmens fallen.472 Viele der Unternehmer der unechten Unfallversicherung sind juristische Personen, die keinen Quasi-Versicherungsfall erleiden können. Das gilt zu468  Waltermann, BG 1997, S. 310 (317), spricht von einem „Versicherungsschutz wegen Haftungsausschlusses“. 469  Vgl. beispielsweise Dahm, ZfS 2000, S. 38 (40); Gitter, in: FS Wiese, S. 131 (136); Jungfleisch, BG 2006, S. 464 (467); Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S.  103 ff.; Mann, ZFSH  /  SGB  2001, S.  259 (261  ff.); Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 105 Rn. 18; Otto, NZV 1996, S. 473 (476); Rolfs, DB 2001, S. 2294 (2299); Rolfs, Versicherungsprinzip, S.  466 ff.; Stelljes, in: Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 105 SGB VII Rn. 20; Stern-Krieger / Arnau, VersR 1997, S. 408 (411); Waltermann, NJW 2004, S. 901 (904); kritisch auch Lepa, NZV 1997, S. 137 (140), der die Regelung als „Systembruch“ bezeichnet. 470  Kock, NZS 2006, S. 471 (472), spricht von einem „Quasiarbeitsunfall“. 471  Jungfleisch, BG 2006, S. 464 (465). 472  Kock, NZS 2006, S. 471 (472); entsprechend auch Krasney, NZS 2004, S. 7 (13); Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 105 Rn. 17; allgemein zur Abgrenzung unternehmerischer und eigenwirtschaftlicher Tätigkeit BSG, SozR 3-2200 § 548 Nr. 30, S. 106 ff.; Krasney, NZS 2000, S. 373 (379).

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

nächst dort, wo § 136 Abs. 3 SGB VII eine gesonderte Festlegung des Unternehmers trifft: Unternehmer sind danach die Sachkostenträger einer Bildungseinrichtung oder die Rehabilitationsträger. Für viele andere in der unechten Unfallversicherung versicherte Personen ist der Unternehmer eine staatliche Stelle, beispielsweise bei der Heranziehung als Zeuge oder zur Unterstützung einer Diensthandlung oder bei ehrenamtlicher Tätigkeit für juristische Personen des öffentlichen Rechts; auch hier muss die Annahme eines Quasi-Versicherungsfalls ausscheiden. Ein kleiner Anwendungsbereich verbleibt jedoch. Ein Unternehmer, der einen Personenschaden erleiden kann, ist zunächst gegeben in den Fällen der Nothilfe. Hier ist derjenige Unternehmer, dem die Hilfe geleistet wird, da ihm das Unternehmen „Hilfeleistung“ unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht.473 Dabei erscheint die Annahme einer Verletzung durch den Versicherten durchaus gut vorstellbar, denn insbesondere bei der Hilfeleistung durch notfallmedizinisch nicht geschulte Personen kann es häufig zu einer unsachgemäßen Behandlung des Verunglückten kommen, bei der sich die Frage einer privatrechtlichen Haftung des Hilfeleistenden stellen wird. Daneben kann auch der Pflegebedürftige als Unternehmer der Pflege angesehen werden, wenn sie in seinem Haushalt erfolgt.474 In diesem Fall erfolgt die Pflege ebenfalls oftmals durch ungeschulte Pflegepersonen,475 was eine erhöhte Verletzungsgefahr des Pflegebedürftigen mit sich bringen kann. Bedingt durch die Besonderheiten der in Frage kommenden Tatbestände könnte der Vorschrift des § 105 Abs. 2 SGB VII im Bereich der unechten Unfallversicherung erhebliche Bedeutung zukommen. Nicht nur handelt es 473  Siehe

ausführlicher oben Kapitel 2 B. II. 3. b) bb). zur Unternehmereigenschaft bei den nach § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII Versicherten oben Kapitel 2 B. II. 4. c); zum Verhältnis von § 105 Abs. 2 SGB VII zu § 106 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII unten Kapitel 2 D. II. – Der Pflegebedürftige ist auch nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII kraft Gesetzes versichert (dies fürchtet jedoch Ricke, SozVers 2001, S. 174 (176)): Die Vorschrift erfasst zwar auch Unternehmer im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege, umschreibt diese jedoch mit dem Begriff der selbstständig Tätigen; eine „Tätigkeit“ des Pflegebedürftigen ist jedoch nicht anzunehmen, sondern vielmehr ein passives Entgegennehmen der Tätigkeiten anderer. 475  Nach § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII sind Personen versichert, die die Pflege nicht berufsmäßig erbringen, sondern aufgrund einer besonderen Beziehung zum Pflegebedürftigen: Die Vorschrift erfasst die Pflege im Rahmen der zivilrechtlichen Beistandspflichten innerhalb der Familie oder im Rahmen familiärer, freundschaft­ licher oder ähnlicher Beziehungen. Erfordert die Pflege medizinische Fachtätigkeiten, liegt keine familiäre Pflege in diesem Sinne mehr vor (anders BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 134; kritisch dazu zu Recht Keller, in: FS 40 Jahre Landessozialgerichtsbarkeit, S. 353 (366); Wolber, SGb 1990, S. 419 (419 ff.)); siehe dazu ausführlich oben Kapitel 1 C. VII. 8. 474  Siehe



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sich um Versicherte und Unternehmer, bei denen schon aufgrund der versicherten Tätigkeiten die Gefahr einer Schädigung recht hoch ist. Daneben sind sowohl die Nothilfe als auch die Pflege Tätigkeiten, an deren Verrichtung ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Müssten diese Versicherten sich Sorgen um eine eventuelle zivilrechtliche Haftung machen, könnte dies die Bereitschaft zur Verrichtung solcher Tätigkeiten gefährden.476 Hinzu kommt, dass im Fall der Pflege das Verhältnis zwischen Pflegendem und Gepflegtem in besonderem Maße auf eine vertrauensvolle Grundlage angewiesen ist.477 Daher ist die Antwort auf die Frage, ob die Norm auch auf die Tatbestände der unechten Unfallversicherung Anwendung findet, nicht nur eine theoretische, sondern könnte auch für viele Fälle in der Praxis von Interesse sein. 2. Verletzung eines nicht versicherten Unternehmers in der unechten Unfallversicherung a) § 105 Abs. 2 SGB VII als auf gewerbliche Unternehmer zugeschnittene Vorschrift Die Regelung des § 105 Abs. 2 SGB VII wird schwerpunktmäßig im Hinblick auf Arbeitgeber als Unternehmer behandelt. Schon die Gesetzesbegründung bezieht sich nur auf diese, wenn sie als Zweck der Norm die Erweiterung der „Freistellung des Arbeitnehmers gegenüber Schadensersatzansprüchen seines Unternehmers“ nennt.478 Auch in der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung ist bezüglich Sinn und Zweck der Norm stellenweise ausdrücklich die Rede von den beiden Parteien des Arbeitsrechts, beispielsweise vom „Schutz der versicherten Personen (…) vor Schadensersatzansprüchen ihres mitarbeitenden nicht versicherten Arbeitgebers“479. Insbesondere hinsichtlich der Einschränkung der Maximalhöhe in § 105 Abs. 2 S. 4 SGB VII auf die Höhe eines zivilrechtlichen Schadenersatzanspruchs wird deutlich auf die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadens476  Denck, SGb 1981, S. 238 (239), betont die Bedeutung der Unbefangenheit für das Verhältnis mehrerer Hilfeleistender untereinander; diese dürfe „nicht durch die Erwartung möglicher Haftung im Ansatz gefährdet werden“. Das muss jedoch auch für einen alleine Hilfeleistenden gegenüber dem Gefährdeten gelten: Auch hier könnte die Erwartung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche von der Hilfeleistung abschrecken. Dies sieht auch Krasney, in: GS Heinze, S. 529 (532). 477  Mann, ZFSH / SGB 2001, S. 259 (260). 478  Begründung zum Entwurf des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, BTDrucks. 13 / 2204, S.  73. 479  BSGE 98, 285 (290); entsprechend Jungfleisch, BG 2006, S. 464 (464); Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 105 Rn. 18.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

ausgleichs hingewiesen, der den zivilrechtlichen Anspruch des Unternehmers einschränken könne.480 Daneben gibt die angeordnete Rechtsfolge einen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber hauptsächlich gewerbliche Unternehmer im Blick hatte, als er die Haftungsbeschränkung auf ihre Ansprüche ausweitete. Nach § 105 Abs. 2 S. 3 SGB VII gilt für die Berechnung von Geldleistungen der Mindestjahresarbeitsverdienst als Jahresarbeitsverdienst. Damit verweist die Norm auf § 85 Abs. 1 SGB VII, der den Mindestjahresarbeitsverdienst festlegt. Dieser wird für Unternehmer nach § 83 Abs. 1 S. 1 SGB VII satzungsmäßig festgelegt, während für die anderen Versicherten das tatsächliche Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen maßgeblich ist.481 Zweck der Differenzierung bei der Ermittlung des Jahresarbeitsverdienstes war die Überlegung, dass die Ermittlung des tatsächlichen Jahresarbeitsverdienstes bei Unternehmern und den anderen in § 83 Abs. 1 S. 1 SGB VII genannten Personen häufig schwerfällt.482 Für gewerbliche Unternehmer lässt sich dies einfach nachvollziehen, da sie – anders als die bei ihnen Beschäftigten – kein festes Gehalt beziehen, sondern vom Gewinn und Verlust ihres Unternehmens abhängig sind. Diese Tragung des Unternehmensrisikos ist gerade kennzeichnend für die Unternehmereigenschaft. Die Situation der Unternehmer in der unechten Unfallversicherung, die unter § 105 Abs. 2 SGB VII fallen können, ist dagegen eine andere. Sie sind Unternehmer eines nicht gewerblichen Unternehmens, das nicht nur ohne Gewinnerzielungsabsicht besteht, sondern überhaupt keinen wirtschaftlichen Gewinn oder Verlust abwerfen kann. Sie sind nicht beruflich Unternehmer, sondern nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls; Unternehmer der Nothilfe kann jedermann sein, der einen Unglücksfall erlitten hat. Auch der Pflegebedürftige als Haushaltsführender kann vor Eintritt der Pflegebedürftigkeit beispielsweise in einer abhängigen Beschäftigung tätig gewesen sein. Ihr Jahresarbeitsentgelt steht jedenfalls in keinem Zusammenhang mit ihrer konkreten Unternehmerstellung, die sich lediglich aus den Umständen ergibt. Ihr tatsächlicher Jahresarbeitsverdienst ist daher zumindest üblicherweise wesentlich leichter zu ermitteln als der eines gewerblichen Unternehmers. 480  Ebsen, in: jurisPK SGB VII, § 105 Rn. 25; Jungfleisch, BG 2006, S. 464 (467); Kater, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 105 Rn. 25; Krasney, NZS 2004, S.  7 (14); Maschmann, SGb  1998, S.  54 (60  f.); Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 105 Rn. 21; Rolfs, NJW 1996, S. 3177 (3181); Schmitt, Kommentar SGB VII, § 105 Rn. 17; Waltermann, NJW 2004, S. 901 (904); Waltermann, in: Eichenhofer / Wenner, § 105 Rn. 19. 481  § 82 Abs. 1 S. 1 SGB VII in Verbindung mit den §§ 14 f. SGB IV. 482  BT-Drucks. 13 / 2204, S.  95.



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Das zeigt auch die Tatsache, dass ihnen die Möglichkeit einer Höherversicherung nach § 83 Abs. 1 S. 2 SGB VII fehlt. Während eine Versicherung kraft Satzung oder eine freiwillige Versicherung für die Haushaltsführenden als Unternehmer der Pflegetätigkeiten ausdrücklich ausgeschlossen ist,483 ist die Unternehmereigenschaft in den Fällen der Nothilfe so überraschend und in der Regel auch vorübergehend, dass die Möglichkeit einer Versicherung überhaupt nicht besteht. Zudem dürfte die ratio des Ausschlusses einer Versicherung für die Haushaltsführenden, dass rein private Tätigkeiten unversichert bleiben sollen,484 auch für diese Unternehmer gelten. Fraglich ist daher, ob § 105 Abs. 2 SGB VII als auf das Erwerbsleben zugeschnittene Vorschrift in der unechten Unfallversicherung überhaupt Anwendung finden kann. b) Haftungsbeschränkung zulasten des nicht versicherten privaten ­Unternehmers zur Verhinderung von Zufällen Bei den zur Rechtfertigung der Erweiterung der Haftungsbeschränkung auf nicht versicherte Unternehmer vorgebrachten Gründen wird das Argument, die Norm solle Ungerechtigkeiten durch Zufälle ausgleichen, in zwei Ausprägungen vorgebracht. Zum einen hänge es bei einer Mitarbeit des Unternehmers im Betrieb lediglich vom Zufall ab, ob der Versicherte einen anderen betrieblich tätigen Versicherten schädige oder den Unternehmer,485 und zum anderen sei es im zweiten Fall ebenso zufällig, ob der Unternehmer versichert sei oder nicht.486 Zugespitzt formuliert hat das Vertrauen auf eine etwaige freiwillige Versicherung des Unternehmers „Lotteriecharakter“; ohne die Regelung des § 105 Abs. 2 SGB VII wäre nur die Haftung gegenüber dem versicherten Unternehmer beschränkt, was dazu führte, dass das Unterlassen einer freiwilligen Versicherung des Unternehmers „mit einem Schmerzensgeldanspruch prämiert“ würde.487 Dieses Risiko besteht im Bereich der unechten Unfallversicherung jedoch gerade nicht. Hier ist die 483  §§ 3 Abs. 2 Nr. 1, 6 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 SGB VII. – Anders Leube, SozVers 2000, S. 314 (315), der zwischen Haushalt und Pflege trennt; ebenso Wolf, SGb 2008, S. 516 (517). 484  BT-Drucks. 4  /  120, S. 53: „… den in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Grundsatz, daß Tätigkeiten, die in den Bereich des Privatlebens gehören, nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fallen“. Näher zum Ausschluss des privaten Bereichs aus der Unfallversicherung oben Kapitel 1 C. I. 2. c). 485  Diederichsen, r+s Beilage 2011, S. 20 (20); Jungfleisch, BG 2006, S. 464 (464); Waltermann, in: Eichenhofer / Wenner, § 105 Rn. 13. 486  Ebsen, in: jurisPK SGB VII, § 105 Rn. 19; Gitter, in: FS Wiese, S. 131 (136); Maschmann, SGb 1998, S. 54 (61); Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 105 Rn. 18; Schmitt, Kommentar SGB VII, § 105 Rn. 15. 487  Tischendorf, NZV 2004, S. 349 (352).

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

Versicherung der Unternehmer entweder aufgrund fehlender Planbarkeit oder ausdrücklich gesetzlich ausgeschlossen. Es fehlt also gerade diese Zufälligkeit, die die Norm eigentlich verhindern sollte. Dennoch besteht auch hier das Risiko, den Unternehmer zu schädigen. Anders als beispielsweise im Arbeitsleben zeichnen sich die durch § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a und c, Nr. 17 SGB VII versicherten Tätigkeiten dadurch aus, dass sie einen engen Kontakt zum jeweiligen Unternehmer mit sich bringen. Während es durchaus denkbar ist, dass ein Arbeitnehmer niemals persönlichen Kontakt zu seinem Arbeitgeber hat, ist die Hilfe bei einem Unglücksfall selten ohne diesen denkbar. Dies gilt noch extremer für die Pflege eines Pflegebedürftigen. In dieser Konstellation könnte fehlender Schutz der Versicherten vor Schadensersatzansprüchen ihrer Unternehmer daher eine noch größere Haftungslücke darstellen als in anderen Fällen, zumal die Tätigkeiten im öffentlichen Interesse liegen und daher gefördert werden sollen.488 Dieser Unterschied könnte jedoch gerade andersherum dafür sprechen, dass § 105 Abs. 2 SGB VII in diesen Fällen nicht angewandt werden soll. Aus der häufig bestehenden Distanz von Unternehmer und Beschäftigtem folgt, dass eine Verletzung des Unternehmers von ihm ein bestimmtes Verhalten fordert. Er muss dergestalt mit dem Arbeitsalltag des Beschäftigten in Berührung kommen, dass eine Schädigung möglich ist. Im Zusammenhang mit § 105 Abs. 2 SGB VII fällt daher bisweilen die Formulierung des „mitarbeitenden Unternehmers“ bzw. „mitarbeitenden Arbeitgebers“.489 Eine „Mitarbeit“ liegt dagegen in den hier interessierenden Fällen der unechten Unfallversicherung nicht vor: Diese Unternehmer können Unternehmer sein, ohne dass überhaupt ein Zutun ihrerseits zu der Unternehmung vorliegen muss. Eine solche Differenzierung ergibt sich jedoch weder aus dem Gesetzestext noch aus dem Sinn und Zweck der Norm, denn § 105 Abs. 2 SGB VII stellt alleine auf die fehlende Versicherteneigenschaft der Unternehmer ab, ohne ein bestimmtes Verhalten von ihnen zu fordern. Die Einbeziehung des nicht versicherten Unternehmers in die Haftungsbeschränkung wird begründet mit dem Bedürfnis, eine Regelungslücke zu schließen. Der Betriebsfrieden, den die §§ 104 ff. SGB VII wahren sollen, könne durch die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen des Unternehmers gegen den Versicherten ebenso gefährdet sein wie im umgekehrten, schon früher von der Haftungs488  Krasney, in: GS Heinze, S. 529 (532), spricht sich daher zu Recht für eine Haftungsbeschränkung des Nothelfers bei Verletzung des Gefährdeten aus. – Die von Denck, SGb 1981, S. 238 (239), angebrachten Bedenken hinsichtlich der Unbefangenheit mehrerer Hilfeleistenden untereinander müssen erst recht für das Verhältnis des Nothelfers und des Gefährdeten gelten. 489  BSGE 98, 285 (292); Schmidt, BB 2002, S. 1859 (1860); Waltermann, Sozial­ recht, Rn. 313.



C. Beschränkung der Haftung anderer im Betrieb tätiger Personen261

freistellung erfassten Fall.490 Die Versicherten sollen vor Ansprüchen derjenigen geschützt werden, in deren Interesse sie tätig werden; dafür kann es nicht darauf ankommen, ob die Unternehmer mitarbeiten oder nicht. Dies gilt insbesondere in der echten Unfallversicherung, wo es für den Betriebsfrieden keine Rolle spielt, ob der Beschäftigte den Unternehmer bei gemeinsamen Arbeiten (quasi Hand in Hand) oder beispielsweise bei dessen Kontrollgang durch den Betrieb geschädigt hat. Besondere Wichtigkeit kommt dem Ausschluss der privatrechtlichen Haftung in der unechten Unfallversicherung zudem hinsichtlich des öffentlichen Interesses an der Tätigkeit zu. Wer altruistisch Hilfe leistet, soll nicht befürchten müssen, dies später aufgrund der ihm gegenüber geltend gemachten Ersatzansprüche des Verletzten zu bereuen.491 Im Fall der Pflegeperson muss seine Haftung gegenüber dem Pflegebedürftigen als Unternehmer schon beschränkt werden, um Ungerechtigkeiten auszugleichen. Ist der Pflegebedürftige nicht Unternehmer, ordnet § 106 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ausdrücklich die Beschränkung seiner Ansprüche gegen die Pflegepersonen an. Ob der Pflegebedürftige Unternehmer ist, hängt jedoch lediglich von den äußeren Umständen der Pflege ab, d. h. davon, in welchem Haushalt die Pflege stattfindet. Das kann keine Auswirkungen auf die Haftung des Pflegenden haben. Die Anwendbarkeit des § 105 Abs. 2 SGB VII setzt daher keine Mitarbeit des Unternehmers voraus, sodass auch in der unechten Unfallversicherung die Haftung der Versicherten gegenüber den jeweiligen Unternehmern beschränkt sein könnte. c) Haftungsbeschränkung nur bei Beitragszahlung Gegen die Einbeziehung der Unternehmer der unechten Unfallversicherung in den Anwendungsbereich des § 105 Abs. 2 SGB VII könnte jedoch sprechen, dass diese in keinerlei Verbindung zur Unfallversicherung standen, bevor sie geschädigt wurden, d. h. insbesondere keine Beiträge für die für ihre Unternehmen Tätigen entrichtet haben.492 Mit diesem Argument 490  So auch Ebsen, in: jurisPK SGB VII, § 105 Rn. 19; Jungfleisch, BG 2006, S. 464 (464); Lepa, Ersatzansprüche bei Personenschäden, S. 96; Merten, jurisPRSozR 4 / 2008 Anm. 4. – Der Bundesgerichtshof (AP Nr. 20 zu § 637 RVO) hatte bereits im Jahr 1990 darauf hingewiesen, dass eine Erstreckung der unfallversicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkung zulasten des versicherten Unternehmers der Erhaltung des Betriebsfriedens dienen könnte. 491  So auch Krasney, in: GS Heinze, S. 529 (538); für das Verhältnis mehrerer Hilfeleistender untereinander auch Denck, SGb 1981, S. 238 (239). 492  Nothelfer und Pflegepersonen sind nach § 185 Abs. 2 S. 1 SGB VII in Verbindung mit den §§ 128 Abs. 1 Nr. 7, 129 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII beitragsfrei bei den Unfallversicherungsträgern der öffentlichen Hand versichert.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

schließt die Rechtsprechung die nicht versicherten Unternehmer aus dem Anwendungsbereich von § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII aus und verweist deutlich auf die bei § 105 Abs. 2 SGB VII gezahlten Beiträge.493 Diese Überlegung steht jedoch im Widerspruch zu anderen Tatbeständen der unfallversicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkung. Die gesetzliche Unfallversicherung kennt viele Versicherte, deren Versicherungsschutz keine Beitragszahlung des Unternehmers voraussetzt und denen trotzdem die zivilrechtlichen Ansprüche genommen werden. Bei den insbesondere in der unechten Unfallversicherung zahlreich auftretenden spontanen Tätigkeiten besteht ebenso wenig eine vorherige Verbindung zum zuständigen Unfallversicherungsträger wie bei den nicht versicherten Unternehmern. Bedenken gegen eine Einbeziehung könnten jedoch bestehen hinsichtlich der Unternehmer der Nothilfe. Während ihnen die zivilrechtlichen Ansprüche bei einer Anwendung des § 105 Abs. 2 SGB VII genommen werden, bleiben sie selbst zur zivilrechtlichen Haftung verpflichtet, denn § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII ist zugunsten der Nothelfer nicht anzuwenden. Den Nothelfern verbleiben die vollen zivilrechtlichen Ansprüche, insbesondere auch der Anspruch auf Schmerzensgeld nach § 253 Abs. 2 BGB.494 Diese Unstimmigkeit lässt sich allerdings durch den Sinn und Zweck des Versicherungsschutzes für Nothelfer erklären. Mit der Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 13 SGB VII sollen Tätigkeiten im öffentlichen Interesse gefördert werden; dieser Zweck wird umso mehr verfolgt, wenn die Haftung der Versicherten beschränkt ist, ihnen jedoch im Gegenzug neben den Leistungen aus der Unfallversicherung die zivilrechtlichen Ansprüche verbleiben. Im Übrigen zeigt die Reichweite des § 105 Abs. 1 SGB VII, dass der Gesetzgeber nicht in allen Fällen einen Gleichlauf von Schädiger und Geschädigtem vorsieht. Der Kreis derjenigen, die von der Haftungsbeschränkung profitieren, ist lege lata größer als der derjenigen, zu deren Lasten sie geht.

493  BSGE 98, 285; zustimmend von Koppelfels-Spies, SGb 2008, S. 422 (423); Merten, jurisPR-SozR 4 / 2008 Anm. 4; Waltermann, NJW 2008, S. 2895 (2897). – Der pauschale Verweis auf die Beitragszahlung in den Fällen des § 105 Abs. 2 SGB VII zeigt wiederum, dass gewerbliche Unternehmer als Hauptanwendungsfall im Fokus der Beschäftigung mit der Norm stehen. 494  Die teleologische Reduktion lässt sich zum einen mit dem Sinn und Zweck der Haftungsbeschränkung des Unternehmers begründen. Weder besteht im Fall der Nothilfe ein zu wahrender Betriebsfrieden, noch fordert eine vorherige Beitragszahlung durch den Unternehmer seine Befreiung von der Haftung im konkreten Schadensfall. Siehe hierzu ausführlicher oben Kapitel 2 B. III.



C. Beschränkung der Haftung anderer im Betrieb tätiger Personen263

d) Zwischenergebnis Die Haftungsbeschränkung nach § 105 Abs. 2 SGB VII findet auch in der unechten Unfallversicherung Anwendung. Zwar ist hier der Kreis der Unternehmer, die einen Quasi-Versicherungsfall erleiden können, recht klein. Bei den verbleibenden Unternehmern ist die Beschränkung der Haftung der Versicherten allerdings umso mehr geboten, denn es handelt sich um Tätigkeiten, an deren Übernahme der Einzelne und die Allgemeinheit ein bedeutendes Interesse haben. Daher muss die Haftung der Tätigen beschränkt bleiben, um nicht abschreckend zu wirken und dem Unfallversicherungsschutz, der eine Anregung zur Übernahme der Tätigkeiten darstellen soll, zuwiderzulaufen. 3. Verfassungsmäßigkeit des § 105 Abs. 2 SGB VII Nach § 105 Abs. 2 S. 3 SGB VII wird für Geldleistungen an nicht versicherte Unternehmer in der echten wie in der unechten Unfallversicherung nicht der tatsächliche Jahresarbeitsverdienst zugrunde gelegt, sondern es gilt der Mindestjahresarbeitsverdienst als Jahresarbeitsverdienst. § 105 Abs. 2 S. 4 SGB VII schränkt die Höhe der möglichen Geldleistungen noch weiter ein, indem er als Obergrenze die Höhe eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs nennt. Aufgrund dieser Einschränkungen wird die Norm von Vielen als verfassungsrechtlich bedenklich495 oder sogar als verfassungswidrig496 angesehen. Dies überrascht nicht im Hinblick auf die Höhe des Mindestjahresarbeitsverdienstes, der relativ gering angelegt wird.497 Das Bundessozialgericht hat die Frage der Verfassungsmäßigkeit von § 105 Abs. 2 SGB VII ausdrücklich offen gelassen.498

495  Gitter, in: FS Wiese, S. 131 (136); Rolfs, DB 2001, S. 2294 (2299); SternKrieger / Arnau, VersR 1997, S. 408 (411); Waltermann, NJW 2004, S. 901 (904). 496  Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 103 ff.; Mann, ZFSH /  SGB 2001, S. 259 (261 ff.). 497  Der Mindestjahresarbeitsverdienst beträgt nach § 85 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII 60 % der im Zeitpunkt des Versicherungsfalls maßgebenden Bezugsgröße, d. h. der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB VII. Diese beträgt im Jahr 2012 nach § 2 der Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung vom 2. Dezember 2011 (BGBl. I 2011, S. 2421 ff.) jährlich 31.500 € und monatlich 2.625 € in den alten Bundesländern sowie jährlich 26.880 € und monatlich 2.240 € in den neuen Bundesländern. Der Mindestarbeitsverdienst lag damit im Jahr 2012 bei 1.575 € in den alten Bundesländern und bei 1.344 € in den neuen Bundesländern. 498  BSGE 98, 285 (290): „Ob dieser Anspruch gegen den Unfallversicherungsträger den Verlust des Schadensersatzanspruches ausgleichen kann, ist umstritten (…), bedarf hier aber keiner Entscheidung.“

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

a) Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG wegen Ungleichbehandlung versicherter und nicht versicherter Unternehmer In Betracht kommt vor allem ein Verstoß der Norm gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Während der geschädigte nicht versicherte Unternehmer lediglich an diesem Mindestjahresarbeitsverdienst orientierte Geldleistungen erhält, werden die Jahresarbeitsverdienste der versicherten Unternehmer nach § 83 S. 1 SGB VII durch den jeweiligen Unfallversicherungsträger kraft Satzung bestimmt, wobei § 83 S. 2 SGB VII vorschreibt, dass die Satzung den versicherten Unternehmern ermöglichen muss, auf Antrag mit einem höheren Jahresarbeitsverdienst versichert zu werden. Die geschädigten Unternehmer werden daher ungleich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG behandelt. aa) Legitimer Zweck, Geeignetheit und Erforderlichkeit Zweck der Ungleichbehandlung von versicherten und nicht versicherten Unternehmern im Hinblick auf die Höhe der Geldleistungen ist der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung vor übermäßigen finanziellen Belastungen. Während der versicherte Unternehmer nach § 150 Abs. 1 S. 2 SGB VII beitragspflichtig ist, erhält der nicht versicherte Unternehmer nach § 105 Abs. 2 S. 2 SGB VII Leistungen, ohne dafür in die Unfallversicherung eingezahlt zu haben. Um diese Leistungen, die nicht auf Beitragszahlungen beruhen, gering zu halten, legt § 105 Abs. 2 S. 3 SGB VII fest, dass die Geldleistungen nach dem Mindestjahresarbeitsverdienst und nicht etwa nach dem tatsächlichen Jahresarbeitsverdienst berechnet werden.499 Dieser Zweck zeigt sich auch in der Regelung des § 105 Abs. 2 S. 4 SGB VII, die die Ansprüche auf die Höhe eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs begrenzt. Der nicht versicherte Unternehmer soll durch die Gleichstellung mit einem Versicherten nicht besser gestellt werden, als er nach dem Zivilrecht stünde,500 weswegen insbesondere eine – wenn auch für die Unfallversicherung untypische501 – Berücksichtigung des Mitverschuldens erfolgen muss.502 499  Gitter,

in: FS Wiese, S. 131 (136); Kock, NZS 2006, S. 471 (476). BG 2006, S. 464 (467); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 105 Anm. 16; Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 105 Rn. 24. 501  Bisweilen wird von einem Systembruch gesprochen; so beispielsweise Dahm, ZfS 2000, S. 38 (41); andere Auffassung Krasney, NZS 2004, S. 7 (14); Waltermann, BG 1997, S. 310 (318). 502  Ganz herrschende Auffassung; vgl. statt Vieler Jungfleisch, BG 2006, S. 464 (467); Kock, NZS 2006, S. 471 (476); Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 105 Rn. 19; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / ​ 500  Jungfleisch,



C. Beschränkung der Haftung anderer im Betrieb tätiger Personen265

Zur Erreichung dieses Zweckes ist die Beschränkung der Geldleistungen auf eine Orientierung am Mindestjahresarbeitsverdienst geeignet und erforderlich, denn indem die Geldleistungen sich am Mindestjahresarbeitsverdienst orientieren, wird insbesondere bei Unternehmern mit einem hohen Jahresarbeitsverdienst die Belastung der Unfallversicherung gering gehalten. Eine Orientierung an einem höheren Verdienst brächte automatisch auch eine höhere Belastung der Unfallversicherung mit sich, die nicht durch die Zahlung von Beiträgen ausgeglichen würde. bb) Angemessenheit Die gesamte Regelung des § 105 SGB VII bezweckt den Schutz betrieblich Tätiger und damit sozial Schutzbedürftiger.503 Wer in fremdem Interesse tätig wird, soll nicht haften, wenn er bei Ausübung dieser Tätigkeit einen anderen verletzt. Um diesen Schutz möglichst weitreichend zu gewähren, gilt die Haftungsbeschränkung nicht nur zu Lasten von Versicherten, sondern auch zu Lasten von nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherungsfreien Personen und zu Lasten von nicht versicherten Unternehmern. Auf der anderen Seite stehen die Unternehmer, die geschädigt werden, ohne in der Regel einen dem tatsächlichen Schaden entsprechenden Ausgleich zu erhalten. Während sich für die gewerblichen Unternehmer immerhin noch anführen lässt, dass ihnen nach § 83 S. 2 SGB VII die Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung auf der Grundlage eines höheren Jahresarbeitsverdienstes verbleibt,504 sind die Ansprüche der nicht gewerblichen Unternehmer und damit insbesondere der Unternehmer im Bereich der unechten Unfallversicherung auf die ihnen nach § 105 Abs. 2 S. 3 SGB VII zustehenden Geldleistungen beschränkt. Gegen die Annahme einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung lässt sich jedoch das so genannte Liquiditätsargument anführen, das schon bei der Verfassungsmäßigkeit der unfallversicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkung als solcher eine wesentliche Rolle spielt.505 Mit der Unfallversicherung wird den geschädigten Unternehmern ein liquider Schuldner zur Verfügung gestellt, der die Ansprüche in jedem Fall erfüllen kann. Zudem ist zu sehen, dass die Unternehmer, die in den Anwendungsbereich des § 105 Abs. 2 SGB VII fallen, von den Tätigkeiten profitieren, die zur Schädigung führen. Voraussetzung ist eine betriebliche Tätigkeit, das heißt eine Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 105 Anm. 16; Stern-Krieger / Arnau, VersR 1997, S. 408 (411); Waltermann, BG 1997, S. 310 (318). 503  So auch Lepa, Haftungsbeschränkung bei Personenschäden, S. 49 ff. 504  Kock, NZS 2006, S. 471 (475). 505  Vgl. hierzu ausführlicher oben Kapitel 2 A. III.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

Tätigkeit im Interesse des Unternehmers, die seinem Unternehmen zu dienen bestimmt ist. Das gilt erst recht in den Fällen der unechten Unfallversicherung. Der Unternehmer, d. h. der Pflegebedürftige und derjenige, dem Hilfe geleistet wird, hat ein Interesse an der versicherten Tätigkeit, das typischerweise das eines gewerblichen Unternehmers an der Tätigkeit eines Beschäftigten weit übersteigen dürfte. Die Beschränkung der Unfallversicherungsleistungen auf ein Minimum stellt daher einen gerechten und angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen dar. Die fremdnützig tätigen Versicherten müssen nicht für Schäden haften, die sie bei Tätigkeiten im Interesse des Geschädigten ausführen. Dieser wird nicht gänzlich schutzlos gestellt, indem er Ansprüche gegen einen liquiden Schuldner hat. Daneben erhält er aufgrund seiner in § 105 Abs. 2 S. 2 SGB VII angeordneten Gleichstellung mit den Versicherten auch Sachleistungen aus der Unfallversicherung,506 die häufig über die Leistungen der Kranken- und Rentenversicherung hinausgehen.507 Schließlich wird den Interessen des Unfallversicherungsträgers Rechnung getragen, indem die Leistungsansprüche des Unternehmers, der mangels Versicherung niemals Beiträge gezahlt hat, gering gehalten werden. b) Ungleichbehandlung von nicht versicherten Unternehmern und beitragsfrei Versicherten Im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG könnte außerdem bedenklich sein, dass die fehlende vorherige Beitragszahlung bei den Unternehmern zu einer Beschränkung der Ansprüche führt, nicht jedoch bei den beitragsfrei Versicher506  Herrschende Auffassung; vgl. statt Vieler Ebsen, in: jurisPK SGB VII, § 105 Rn. 29; Jungfleisch, BG 2006, S. 465 (466); Kock, NZS 2006, S. 471 (473 f.); Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 105 Rn. 22; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 105 Rn. 15; Waltermann, NJW 2002, S. 1225 (1228); wohl auch Kater, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 105 Rn. 27. – Eine Beschränkung der Ansprüche gegen den Unfallversicherungsträger auf Geldleistungen und Erstattung der Kosten für Heilbehandlung und Rehabilitation, wie sie bisweilen angenommen wird (Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 105 Anm. 14), ist mit dem Wortlaut, der ausdrücklich eine Gleichstellung anordnet, nicht vereinbar. 507  Die Leistungen der Krankenversicherung sind auf eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung ausgerichtet und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§ 12 Abs. 1 SGB V). Für die berufliche Rehabilitation in der Rentenversicherung gelten die Gebote der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 13 SGB VI). Dagegen ordnet die gesetzliche Unfallversicherung die Wiederherstellung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln an (§§ 1 Nr. 2, 26 Abs. 2 SGB VII). – Einzelheiten und Beispiele zu den Unterschieden des Leistungsumfangs der Unfallversicherung und der Krankenversicherung bei Keller, SGb 2000, S. 459 (461 ff.).



C. Beschränkung der Haftung anderer im Betrieb tätiger Personen267

ten. Hier liegt jedoch schon keine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem vor. Die beitragsfrei Versicherten erhalten Leistungen, weil ihre Tätigkeiten im öffentlichen Interesse liegen, auch wenn primär einzelne Personen davon profitieren,508 oder weil sie als sozial schutzbedürftig angesehen werden.509 Die Unternehmer erhalten dagegen Leistungen, ohne dass ein Interesse an ihrer Tätigkeit bestehen muss. Dies gilt insbesondere für die im Bereich der unechten Unfallversicherung unter § 105 Abs. 2 SGB VII fallenden Unternehmer, die im Extremfall überhaupt nicht tätig werden oder tätig werden können. 4. Ergebnis zu § 105 Abs. 2 SGB VII Die Haftungsbeschränkung zulasten des nicht versicherten Unternehmers nach § 105 Abs. 2 SGB VII ist nicht nur zulasten des gewerblichen Unternehmers anzuwenden, sondern auch im Rahmen der unechten Unfallversicherung. Hier findet sich jedoch die Besonderheit, dass nur ein sehr geringer Anwendungsbereich besteht, weil die Unternehmer üblicherweise keinen Personenschaden erleiden können. In den verbleibenden Anwendungsfällen steht eine Beschränkung der Haftung der Versicherten jedoch sowohl mit dem Sinn und Zweck des § 105 Abs. 2 SGB VII als auch mit dem der Versicherungstatbestände in Einklang. Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG bestehen gegen die Norm nicht.

IV. § 105 SGB VII in den Fällen der unechten ­Unfallversicherung Mit der Regelung des § 105 SGB VII hat sich der Gesetzgeber weit von den Gründen entfernt, die bisher zur Rechtfertigung der unfallversicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkung angebracht wurden. Die Anwendung der Haftungsbeschränkung steht nicht im Zusammenhang mit der Finanzierung durch die Unternehmer, da sie weit über eventuell bestehende Freistellungsansprüche hinausgeht. Der Betriebsfrieden mag zwar in weiten Bereichen des § 105 SGB VII noch von Bedeutung sein – insbesondere bei der Einführung der Haftungsbeschränkung zulasten des nicht versicherten 508  Zu denken wäre hier neben den Nothelfern und Pflegepersonen an die Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen tätig sind, oder an Helfer bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums. 509  Dies gilt insbesondere für Kindergartenkinder, Schüler und Studierende, daneben aber auch für Meldepflichtige im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII oder für Personen, die wie Beschäftigte in Haushalten oder für nicht gewerbsmäßige Halter von Fahrzeugen oder Reittieren tätig werden.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

Unternehmers nach § 105 Abs. 2 SGB VII wird dieser Gedanke deutlich –, doch auch seine Bedeutung tritt in den Hintergrund, indem von der Haftungsbeschränkung sowohl zu Lasten der Versicherten als auch der nicht versicherten Unternehmer Personen profitieren, die eine kurze, nur vorübergehende Tätigkeit für das Unternehmen ausüben. Maßgeblicher Rechtfertigungsgrund für die Regelung des § 105 SGB VII in seiner heutigen Form ist die zwischen mehreren betrieblich Tätigen bestehende Gefahrengemeinschaft als tatsächlicher Zustand bei gemeinsamem Tätigwerden mehrerer Personen. In einem auf Zusammenwirken angewiesenen Verhältnis, d. h. bei ineinandergreifenden Tätigkeiten mit einem einheitlichen, fremdnützigen Ziel, besteht für alle Beteiligten das Risiko, einen anderen zu schädigen, unabhängig davon, ob der andere versichert ist oder nicht, Unternehmer ist oder nicht. Dieses Risiko wird dadurch aufgefangen, dass bei unternehmensdienlichen Tätigkeiten die zivilrechtliche Haftung ausgeschlossen wird, solange der Geschädigte einen im Ergebnis gleichwertigen Anspruch gegen einen liquiden Schuldner hat. Dieser Gedanke trägt die gesamte Regelung des § 105 SGB VII. Er gilt in der echten wie in der unechten Unfallversicherung, beschränkt jedoch gleichzeitig die Anwendbarkeit der Vorschrift auf fremdnützige Tätigkeiten. Damit führt § 105 SGB VII die schon in § 104 SGB VII angesprochene Unterscheidung zwischen Tätigkeiten für ein Unternehmen und sonstigen die Versicherung begründenden Beziehungen fort, indem er nur auf die erste Gruppe Anwendung findet.510 Die Regelung des § 105 SGB VII unterstreicht den – zwar nicht einheitlich, aber doch in vielen Tatbeständen gegebenen511 – Zweck der unechten Unfallversicherung, eine Motivation für die Übernahme von Tätigkeiten im öffentlichen Interesse zu schaffen. Während § 2 SGB VII durch die Gewähr von Versicherungsschutz dafür sorgt, dass im Falle der Verletzung bei Verrichtung einer solchen Tätigkeit mit der gesetzlichen Unfallversicherung eine umfassende Versorgung stattfindet, beschränkt § 105 SGB VII die Haftung bei Ausübung der jeweiligen Tätigkeiten. Wer eine fremdnützige Tätigkeit verrichtet, an der gleichzeitig ein Interesse der Allgemeinheit besteht, ist durch das Zusammenspiel von Versicherungsschutz und Haftungsbeschränkung daher doppelt geschützt.

510  So auch Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 105 Anm. 3.5. 511  Zu denken ist an die ehrenamtliche Tätigkeit, daneben an die Nothilfe, den persönlichen Einsatz oder die Heranziehung zur Unterstützung einer Diensthandlung, außerdem an die Hilfe bei geförderten Baumaßnahmen und an die familiäre oder vergleichbare Pflege (§ 2 Abs. 1 Nr. 9, 10, 11, 12, 13, 16 und 17 SGB VII).



D. Beschränkung der Haftung: Die Regelung des § 106 SGB VII269

D. Beschränkung der Haftung anderer Personen: Die Regelung des § 106 SGB VII I. Haftungsbeschränkung in Bildungseinrichtungen, § 106 Abs. 1 SGB VII § 106 Abs. 1 SGB VII ordnet eine entsprechende Geltung der §§ 104 und 105 SGB VII für die Ersatzpflicht in „den in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 genannten Unternehmen“512 an. Danach ist die Haftung der in diesen Vorschriften genannten Versicherten untereinander beschränkt (§ 106 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII), ebenso wie die Haftung dieser Versicherten gegenüber den Betriebsangehörigen desselben Unternehmens (§ 106 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII) sowie der Betriebsangehörigen desselben Unternehmens gegenüber diesen Versicherten (§ 106 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII). Die Norm stellt die erste Spezial­ regelung der Haftung eines begrenzten Personenkreises dar, der zu größten Teilen513 der unechten Unfallversicherung zuzuordnen ist. 1. Beschränkung der Haftung der Versicherten untereinander, § 106 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII: Begrenzung auf Versicherte desselben Unternehmens Während § 106 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VII eine Anwendung der Haftungsbeschränkung auf „Betriebsangehörigen desselben Unternehmens“ als Geschädigte bzw. als Schädiger anordnet, fehlt in § 106 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII eine ausdrückliche Begrenzung der Haftungsbeschränkung auf Versicherte desselben Unternehmens. Daraus wird geschlossen, dass die Haftung über die einzelnen Unternehmen hinausgeht, sodass beispielsweise die Haftung aller Schüler untereinander beschränkt sein soll, unabhängig davon, ob sie dieselbe Schule, mehrere Schulen desselben Schulträgers, denselben Schulzweig oder zwei vollkommen voneinander unabhängige Schulen besuchten.514 Entsprechendes soll ebenso für die anderen genannten 512  § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII versichert Lernende während der beruflichen Ausund Fortbildung, § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, und nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 SGB VII sind Kinder in Kindertagesstätten, Schüler und Studierende versichert. 513  Von den nach § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 SGB VII Versicherten sind nur diejenigen Teil der echten Unfallversicherung, die sich Untersuchungen, Prüfungen und ähnlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit zur echten Unfallversicherung zählenden Tätigkeiten unterziehen; siehe hierzu oben Kapitel 1 C. VII. 1. 514  Ebsen, in: jurisPK SGB VII, § 106 Rn. 14; Krasney, NZS 2004, S. 68 (69); Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Rn. 8; Leube, VersR 2000, S. 948 (950 f.); Leube, VersR 2010, S. 1561

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

Versicherten gelten.515 Begründet wird dies neben dem Wortlaut mit dem Bedürfnis eines umfassenden Schulfriedens sowie mit der Notwendigkeit eines Schutzes der zumeist minderjähren Schüler vor hohen finanziellen Forderungen, die ihre Zukunft belasten würden.516 Dieses Verständnis würde zu einem sehr großen Anwendungsbereich der Haftungsbeschränkung nach § 106 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII führen, sodass fraglich ist, ob die Norm tatsächlich so weit ausgelegt werden muss. a) Umfassender Frieden und Schutzbedürftigkeit der genannten Versicherten Das Argument, es bestehe ein Bedürfnis zur Schaffung eines alle Schüler umfassenden Schulfriedens, vermag nicht zu überzeugen. Verletzt ein Schüler der einen Schule den Schüler einer anderen, möglicherweise gar eines anderen Schulzweiges oder aus einer gänzlich anderen Stadt, gefährdet ein Prozess hinsichtlich eventueller zivilrechtlicher Ansprüche möglicherweise die Beziehung zwischen den beiden Schülern; auf das Verhältnis zwischen den jeweiligen Schulen hat dies jedoch keinerlei Auswirkungen, denn Auseinandersetzungen können nur den Frieden innerhalb eines organisatorischen Bereiches stören.517 Zur Begründung wird weiter verwiesen auf die Schutzbedürftigkeit der von der Norm erfassten Schädiger, die zu einem großen Teil minderjährig sein dürften und regelmäßig nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um Schadensersatz in vollem Ausmaß und bisweilen lange Zeit leisten zu können. Dieser Gedanke stimmt mit der im Rahmen von § 105 SGB VII zu beobachtenden Tendenz des Gesetzgebers überein, die Haftungsbe(1562); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Anm. 4.3; Nehls, SVR 2010, S. 125 (127); Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 106 Rn. 7; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 106 Rn. 4; Schlaeger, in: Schlaeger / Linder, §  9 Rn.  10; Waltermann, VSSR 2005, S. 103 (110). – Unklar bei Rolfs / Dieckmann, VersR 2010, 296 (299), die zwar von der abstrakten Gefahr beim Aufeinandertreffen mehrerer Schüler unabhängig von der von ihnen besuchten Schule ausgehen, den Anwendungsbereich aber dennoch auf Schüler eines „Unternehmens“ beschränkt zu sehen scheinen. 515  Im Fall der Schädigung durch ein Kindergartenkind muss beachtet werden, dass nach § 828 Abs. 1 BGB Kinder vor der Vollendung des siebten Lebensjahres für einen Schaden, den sie einem anderen zufügen, nicht verantwortlich sein können. Da Kind nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII (der über den Verweis des § 8 Abs. 1 Nr. 8 lit. a SGB VII auf das SGB VIII auch für den Unfallversicherungsschutz gilt) ist, wer noch nicht 14 Jahre alt ist, verbleibt dennoch ein, wenn auch geringer, Anwendungsbereich für § 106 Abs. 1 SGB VII in Kindertagesstätten. 516  Leube, VersR 2000, S. 948 (951). 517  Lepa, Ersatzansprüche bei Personenschäden, S. 115.



D. Beschränkung der Haftung: Die Regelung des § 106 SGB VII271

schränkung im Interesse schutzbedürftiger Schädiger in weiten Bereichen anzuwenden.518 Jedoch ist zu sehen, dass die Beschränkung der Haftung in den §§ 104 und 105 SGB VII stets einen Bezug zum jeweiligen Unternehmen aufweist; eine über ein Unternehmen hinausgehende Haftungsbeschränkung besteht lediglich in den Fällen des § 106 Abs. 3 SGB VII, die ein gemeinsames und beabsichtigtes Zusammenwirken verlangen.519 Dies folgt der generellen Anknüpfung des Unfallversicherungsrechts an das Vorliegen eines Unternehmens.520 Die Haftungsbeschränkung der Schüler untereinander hängt zusammen mit der Haftungsbeschränkung der betrieblich Tätigen untereinander, wie sie § 105 Abs. 1 SGB VII vorsieht. Maßgeblich ist also auch hier eine zu schützende Gefahrengemeinschaft; es geht um den ungezwungenen und unbefangenen Umgang der Schüler untereinander.521 Dieser ist jedoch nur dort gefährdet, wo der Kontakt auf einem gemeinsamen Schulbesuch beruht, nicht auch bei einer zufälligen Begegnung im Rahmen des Schulbesuchs. Es ginge daher zu weit, aus dem Wortlaut des § 106 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII auf eine vom einzelnen Unternehmen losgelöste Haftungsbeschränkung zugunsten aller versicherten Schüler untereinander zu schließen. Das muss umso mehr gelten, da auch das Zivilrecht schon einen Schutz Minderjähriger vor übermäßigen Haftungsfolgen vorsieht, indem § 828 BGB eine eingeschränkte Verantwortlichkeit für verursachte Schäden festlegt.522

518  Beschränkt ist nicht mehr nur die Haftung der Versicherten oder gar nur der Betriebsangehörigen, sondern aller Personen, die eine betriebliche Tätigkeit verrichten. Dem entspricht der Gedanke, dass Personen von der Haftung befreit werden sollen, die fremdnützig tätig werden. Ihre Tätigkeiten dienen einem Dritten, dem Unternehmer, weswegen sie als schutzwürdig angesehen und von der zivilrecht­ lichen Haftung befreit wurden. Siehe hierzu ausführlich oben Kapitel 2 C. I. 3. 519  § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII setzt voraus, dass Versicherte mehrerer Unternehmen vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichten. Insbesondere aus dem Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte ergibt sich, dass ein bloßer Zufallskontakt nicht ausreichen kann. Entsprechendes gilt auch für die anderen in § 106 Abs. 3 SGB VII genannten Fälle, die ein Zusammenwirken verlangen. Zur Regelung des § 106 Abs. 3 SGB VII siehe ausführlicher unten Kapitel 2 D. III. 520  Vgl. Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 121 Anm. 3; Platz, BG 1989, S. 36 (37); Spellbrink, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 25 Rn. 8. 521  Denck, SGb 1981, S. 238 (239); ähnlich von Koppenfels-Spies, in: Kreikebohm / Spellbrink / Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, § 106 Rn. 2; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 106 Rn. 2; Schmitt, Kommentar SGB VII, § 106 Rn. 2. 522  Ebenso Lepa, Ersatzansprüche bei Personenschäden, S. 115.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

Die fehlende ausdrückliche Einschränkung auf Versicherte desselben Unternehmens in § 106 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII steht dieser Auslegung nicht entgegen. § 106 Abs. 1 SGB VII ordnet eine entsprechende Geltung der §§ 104, 105 SGB VII an. Dieser Verweis bedeutet, dass deren Voraussetzungen – und damit insbesondere die des § 105 SGB VII – auch im Rahmen des § 106 Abs. 1 SGB VII gelten müssen.523 § 105 SGB VII setzt jedoch voraus, dass Schädiger und Geschädigter demselben Unternehmen angehören.524 Diese Annahme lässt sich durch die historische Auslegung unterstützen. Nach § 637 Abs. 4 RVO war die Haftung der Versicherten in Bildungseinrichtungen untereinander beschränkt. Diese Norm verwies auf die Vorgängerregelung des § 105 Abs. 1 SGB VII525, die ausdrücklich eine Beschränkung auf die Versicherten eines Betriebs enthielt. Ausweislich der Gesetzesbegründung war mit § 106 Abs. 1 SGB VII keine inhaltliche Änderung bezweckt.526 Dagegen wurde die Haftungsbeschränkung der genannten Versicherten gegenüber den Betriebsangehörigen und vice versa neu formuliert, weil sie der Vorgängerregelung nicht ohne weiteres entnommen werden konnte; die Erwähnung „desselben Unternehmens“ hat daher nur klarstellende Funktion.527 Daher ist der Anwendungsbereich des § 106 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ebenso wie der anderen Fälle des § 106 Abs. 1 SGB VII auf Versicherte eines Unternehmens beschränkt.528

523  Grüner, in: Becker  /  Franke  /  Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, § 106 Rn. 6; Lepa, Haftungsbeschränkung bei Personenschäden, S. 113 f. 524  „Betrieb“ im Sinne des § 105 Abs. 1 SGB VII meint nicht den Betrieb im arbeitsrechtlichen Sinn als organisatorische Untereinheit des Unternehmens, sondern das Unternehmen als solches, das in § 121 Abs. 1 SGB VII als „Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen, Tätigkeiten“ definiert wird; siehe dazu oben Kapitel 2 C. I. 1. 525  § 637 Abs. 1 RVO lautete: „§ 636 gilt bei Arbeitsunfällen entsprechend für die Ersatzansprüche eines Versicherten, dessen Angehörigen und Hinterbliebenen gegen einen in demselben Betrieb tätigen Betriebsangehörigen, wenn dieser den Arbeitsunfall durch eine betriebliche Tätigkeit verursacht.“ § 636 RVO regelte die Beschränkung der Unternehmerhaftung, die heute in § 104 SGB VII normiert ist. 526  Begründung zum Entwurf des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, BTDrucks. 13 / 2204, S.  100. 527  So auch Lepa, Haftungsbeschränkung bei Personenschäden, S. 114. 528  So im Ergebnis auch Grüner, in: Becker / Franke / Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, § 106 Rn. 6; Kater, in: Kater  /  Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Rn. 12; Lemcke, r+s 2003, S. 128 (128); Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 115; Schmitt, Kommentar SGB VII, § 106 Rn. 4.



D. Beschränkung der Haftung: Die Regelung des § 106 SGB VII273

b) Haftung im Verhältnis der verschiedenen Versichertengruppen ­untereinander Entsprechend dieser Beschränkung auf ein Unternehmen regelt § 106 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII nicht das wechselseitige Verhältnis der verschiedenen in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 SGB VII genannten Versichertengruppen, sondern nur die Haftung innerhalb der einzelnen Gruppen; dies sieht auch die wohl herrschende Auffassung in der Literatur so.529 Damit müssen beispielsweise Schüler nicht gegenüber ihren Mitschülern haften, die Haftungsbeschränkung greift jedoch nicht zugunsten eines Schülers ein, der einen Studierenden schädigt. Diese Einschränkung ist sinnvoll, will man den Anwendungsbereich der Haftungsbeschränkung nicht zulasten der Unfallversicherungsträger unnötig weit ausdehnen. Dem Gedanken der Gefahrengemeinschaft folgend ist eine Haftungsbeschränkung nur dort erforderlich, wo aufgrund der gemeinsamen Verrichtung versicherter Tätigkeiten das gemeinsame Risiko der gegenseitigen Schädigung besteht; dieses Risiko ist grundsätzlich auf das jeweilige Unternehmen beschränkt.530 2. Begriff des Unternehmens in § 106 Abs. 1 SGB VII a) Die Bildungseinrichtung als Unternehmen Bezüglich der nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. b SGB VII versicherten Schüler hatte der Bundesgerichtshof im Jahr 2002 über die Frage zu entscheiden, wie weit der Begriff desselben Unternehmens im Sinne des § 106 Abs. 1 SGB VII reicht.531 Ein Schüler war während des Sportunterrichts auf einer vom Schulträger betriebenen Skipiste verunglückt. Zu klären war, ob sich der zuständige Mitarbeiter der Sportstätte ihm gegenüber auf die unfallversicherungsrechtliche Haftungsbeschränkung berufen konnte. Das Landgericht Dresden als Vorinstanz hatte eine zivilrechtliche Haftung des Mitarbeiters als ausgeschlossen angesehen, da er als beim Schulträger Beschäftigter Betriebsangehöriger desselben Unternehmens im Sinne des § 106 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII sei.532 Indem der Gesetzgeber in § 106 Abs. 1 SGB VII den Begriff des Unternehmens verwende, mache er deutlich, dass die Haftungs529  Leube, VersR 2000, S. 948 (951); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Anm. 4.3; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 106 Rn. 4; Schlaeger, in: Schlaeger / Linder, § 9 Rn. 11. 530  Zur Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII auf Versicherte mehrerer Bildungseinrichtungen vgl. unten Kapitel 2 D. III. 3. a). 531  BGH, NJW 2003, S. 1121. 532  LG Dresden, r+s 2002, S. 68.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

beschränkung nicht auf die Schule als Betrieb des Schulträgers beschränkt sein solle, sondern auf alle Betriebe des Unternehmers.533 Der Bundesgerichtshof entschied zu Recht anders als das Landgericht Dresden und sah die einzelne Bildungseinrichtung als Unternehmen an, die vom Unternehmer zu trennen ist.534 Schon der Wortlaut des § 106 Abs. 1 SGB VII legt eine Beschränkung des Anwendungsbereichs auf die jeweilige Bildungseinrichtung nahe, indem er von „den in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 genannten Unternehmen“ spricht.535 In diesen Vorschriften werden lediglich einzelne Einrichtungen wie Betriebsstätten, Lehrwerkstätten (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII) oder Tageseinrichtungen, allgemein- oder berufsbildende Schulen, Hochschulen (§ 2 Abs. 1 Nr. 8 SGB VII) genannt, nicht jedoch ihr Sachkostenträger. Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der die Schule als Unternehmen für die Lernenden bezeichnete.536 Schließlich ist zu sehen, dass der Gesetzgeber die Begriffe „Betrieb“ und „Unternehmen“ nicht wie im Arbeitsrecht gebraucht, d. h. das Unternehmen keine Mehrzahl von Betrieben in der Hand eines Leiters meint.537 Vielmehr ist das unfallversicherungsrechtliche Unternehmen der Oberbegriff für Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen und Tätigkeiten,538 die jeweils einem Unternehmer zuzuordnen sind. Im Unfallversicherungsrecht kann daher ein Unternehmer mehrere Unternehmen haben, ohne dass zwischen diesen eine Verbindung bestehen muss. Daher ist die einzelne Bildungseinrichtung als Unternehmen anzusehen, sodass die Haftungsbeschränkung eine Zugehörigkeit zu dieser und nicht nur zu ihrem Träger voraussetzt.

Dresden, r+s 2002, S. 68 (69); ebenso Gamperl, NZV 2001, S. 401 (403). NJW 2003, S. 1121 (1122); zustimmend Ebsen, in: jurisPK SGB VII, § 106 Rn. 16; Kater, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Rn. 12; Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Rn. 9; Krasney, NZS 2004, S. 68 (69); Lemcke, r+s 2000, S. 461 (461); Lemcke, r+s 2003, S. 128 (128); Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 117; Leube, ZFSH / SGB 2011, S. 133 (137); Leube, VersR 2010, S. 1561 (1562); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Anm. 5; Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 106 Rn. 8; Waltermann, in: FS 50 Jahre BSG, S. 571 (585); andere Ansicht Gamperl, NZV 2001, S. 401 (403); früher auch Leube, VersR 2000, S. 948 (951). 535  So auch Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 117. 536  Begründung des Entwurfs eines Gesetzes über Unfallversicherung für Schüler und Studenten, BT-Drucks. 6 / 1333, S. 5. An dieser Rechtslage sollte durch die Neufassung im SGB VII nichts geändert werden; vgl. BT-Drucks. 13 / 2204, S. 100. 537  Zu den Begriffen „Betrieb“ und „Unternehmen“ im Arbeitsrecht und zur davon verschiedenen Verwendung der Begriffe im Unfallversicherungsrecht siehe oben Kapitel 2 C. I. 1. 538  § 121 Abs. 1 SGB VII. 533  LG

534  BGH,



D. Beschränkung der Haftung: Die Regelung des § 106 SGB VII275

b) Räumliche Einheit mehrerer Bildungseinrichtungen Der Bundesgerichtshof539 und die ihm folgende Literatur540 vertreten ein weites Verständnis des Begriffes desselben Unternehmens bzw. – unter der Geltung des § 637 Abs. 4 RVO – desselben Betriebs. Danach soll dieses Kriterium schon dann erfüllt sein, wenn sich das Zusammenleben der Schüler unterschiedlicher Schulen in einer räumlichen Einheit vollzieht. Begründet wird dies mit dem umfassenden Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule, der sich nicht im Lernbetrieb erschöpfe, sondern „über den eigentlichen Unterricht hinaus mannigfache Veranstaltungen“ umfasse, bei denen „Kinder und Heranwachsende in einer Gemeinschaft zusammengeführt werden“.541 Daher liege beispielsweise ein Unternehmen im Sinne des § 106 Abs. 1 SGB VII vor, wenn Schüler unterschiedlicher Schulen den gleichen Schulhof oder andere Einrichtungen einer Schule gemeinsam benutzten, da die Gefahren aus dem schulischen Zusammenleben hervorgingen. Auch für andere der in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 SGB VII genannten Einrichtungen sind solche Konstellationen denkbar, beispielsweise die gemeinsame Nutzung einer Bibliothek durch Studierende der Pädagogischen Hochschule und der „normalen“ Hochschule. Damit werden jedoch die Grenzen des unfallversicherungsrechtlichen Unternehmensbegriffs überschritten. Die Unfallversicherung knüpft an das einzelne Unternehmen an; zwischen den Versicherten bzw. Betriebsangehörigen mehrerer organisatorisch unabhängiger Unternehmen kann die Haftung nur dann beschränkt werden, wenn die strengen Voraussetzungen des § 106 Abs. 3 SGB VII vorliegen.542 Während ein Unternehmen mehrerer Bildungseinrichtungen beispielsweise bei einer Gesamtschule unter der Leitung eines Direktors angenommen werden kann, geht es dagegen zu weit, wenn die gemeinsame Nutzung von Einrichtungen als ein Unternehmen angesehen wird. Die Versicherten in dieser Konstellation sind mit Beschäftigten mehrerer Unternehmen vergleichbar, die im selben Gebäude untergebracht sind; bei diesen nimmt indes niemand eine Haftungsbeschränkung an, solange die Voraussetzungen des § 106 Abs. 3 Var. 2 SGB VII nicht gegeben sind. Die räumliche Beschränkung auf ein Unternehmen im organisatorischen Sinne muss beibehalten werden. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck 539  BGH,

NJW 1988, S. 493 (439 f.). in: Becker  /  Franke  /  Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, § 106 Rn. 6; Lemcke, r+s 2003, S. 128 (128); Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 116; wohl auch Rolfs, VersR 1996, S. 1194 (1199). 541  BGH, NJW 1988, S. 493 (494). 542  Zur analogen Anwendbarkeit dieser Vorschrift auf die Bildungsunternehmen im Sinne von § 106 Abs. 1 SGB VII vgl. unten Kapitel 2 D. III. 3. a). 540  Grüner,

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

des § 106 Abs. 1 SGB VII, denn eine Auseinandersetzung über zivilrecht­ liche Haftungsfragen zwischen Schülern verschiedener Schulen oder eines Schülers einer Schule mit einem Betriebsangehörigen einer anderen Schule gefährdet den Schulfrieden nicht und schmälert damit auch den Lernerfolg des einzelnen Schülers nicht, da die beiden Parteien typischerweise selten aufeinandertreffen werden.543 Die Haftung der Versicherten gegenüber den Betriebsangehörigen sowie untereinander ist daher auf die eigene Bildungseinrichtung im Sinne einer einheitlichen Organisation beschränkt.544 c) Schulen als gemeinsames Unternehmen zweier Unternehmer Eine Besonderheit hinsichtlich der Frage des Unternehmens ist bei den staatlich-kommunalen Schulen gegeben. Diese werden von zwei Unternehmern betrieben, der Gemeinde als Sachkostenträger und dem Land als Schulhoheitsträger. Die Gemeinde ist dabei für den äußeren Schulbereich zuständig, d. h. für die Unterhaltung der schulischen Gebäude und Einrichtungen sowie die Ausstattung der Schule mit Möbeln, Geräten und Lernmitteln, während das Land den Schulbetrieb nach Organisation und Inhalt des Lehrstoffs bestimmt, mithin für den inneren Schulbereich zuständig ist.545 Die Gemeinde ist Unternehmer für ihre Beschäftigten, zu denen üblicherweise Hausmeister, Schulsekretäre oder Reinigungskräfte gehören,546 sowie nach § 136 Abs. 3 Nr. 3 SGB VII für die Schüler. Das Land ist dagegen Unternehmer für die bei ihm beschäftigten Lehrer, wobei angestellte Lehrer nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als Beschäftigte versichert, beamtete dagegen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherungsfrei sind. Denkbar wäre, aufgrund dieser Konstellation zwei Unternehmen anzunehmen, die zwar hinsichtlich eines einheitlichen Zwecks zusammenarbeiten, aber im Kern selbstständig sind mit der Folge, dass die Haftungsbeschränkung nur im Verhältnis der Angehörigen eines Unternehmens eingreift, nicht jedoch im Verhältnis der Versicherten beider Unternehmen untereinander. Die Haftung der Schüler wäre dann nur gegenüber den Betriebsangehörigen des gemeindlichen Unternehmens beschränkt, nicht jedoch gegenüber den Lehrern.547 In diesem Zusammenhang wird auf die neue Regelung in § 135 543  Stecher,

Unfallversicherung für Schüler, Studierende und Kinder, S. 142. Henker, Haftungsausschluß und Rückgriff, S. 161; Stecher, Unfallversicherung für Schüler, Studierende und Kinder, S. 142. 545  Leube, VersR 2000, S. 948 (948). 546  Zur Zuständigkeit der Gemeinde für ehrenamtlich in Schulen Tätige vgl. oben Kapitel 2 B. II. 2. b). 547  Zum Begriff des Betriebsangehörigen, der auch beamtete Lehrer erfasst, vgl. unten Kapitel 2 D. I. 3. 544  Ebenso



D. Beschränkung der Haftung: Die Regelung des § 106 SGB VII277

SGB VII verwiesen, die eine Versicherung nach mehreren Vorschriften ausschließt, und auf das Fehlen einer Nachfolgeregelung zu § 636 Abs. 2 RVO, wonach die Haftung mehrerer Unternehmer ausgeschlossen werden konnte. Insbesondere der Bundesgerichtshof schließt daraus, dass ein Versicherter nunmehr nur noch einem Unternehmen zugeordnet werden könne, sodass auch nur noch die Haftung dieses Unternehmers – und entsprechend auch nur der Betriebsangehörigen von dessen Unternehmen – ausgeschlossen sein kann.548 Diese Lösung erscheint zweifelhaft, besteht doch zwischen Lehrern und Schülern oftmals ein viel engerer Kontakt als zwischen Schülern und beispielsweise Hausmeistern oder Reinigungskräften der Schule. Für den Ausschluss der Haftung zwischen Schülern und Lehrern besteht daher ein wesentlich größeres Bedürfnis als für den Ausschluss der Haftung zwischen Schülern und anderen Betriebsangehörigen. In der einschlägigen Literatur549 und Rechtsprechung550 besteht denn auch kein Zweifel daran, dass die Lehrer in den Anwendungsbereich von § 106 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VII fallen, ohne dass sich mit der Problematik der unterschiedlichen Unternehmer näher befasst wird. Der Gesetzgeber scheint ebenfalls davon ausgegangen zu sein, dass Angehörige des Landes von der Haftungsbeschränkung erfasst werden, bezeichnete er doch bei Einführung der Schülerunfallversicherung die Schule allgemein als Unternehmen.551 Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung des SGB VII die Besonderheit, dass in Schulen zwei verschiedene Unternehmer zuständig sind, gesehen552 und daher beiden Unternehmern gemeinsame Pflichten auferlegt, wie beispielsweise bei der gemeinsamen Verantwortung für die Prävention nach § 21 Abs. 2 SGB VII, bei der Auskunftserteilung, § 192 Abs. 3 S. 2 SGB VII, oder bei der Pflicht zur Unfallanzeige, § 193 Abs. 3 S. 1 SGB VII. Diese Normen zeigen, dass in Schulen nicht streng zwischen den beiden Unternehmen getrennt werden kann, sondern dass diese nur einheitlich für einen gemeinsamen Zweck tätig werden. Ohne die Lehrer als Landesbedienstete 548  BGHZ

181, 160 (162 ff.). statt Vieler Ebsen, in: jurisPK SGB VII, § 106 Rn. 16; Kater, in: Kater  /  Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Rn. 9; Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 106 Rn. 8; Sieg, SGb 1980, S. 129 (129 f.); Vollmar, VersR 1986, S. 681 (681). 550  BGHZ 123, 268; BGH, NJW 1980, S. 289; OLH Hamm, r+s 1994, S. 140. 551  Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über Unfallversicherung für Schüler und Studenten, BT-Drucks. 6 / 1333, S. 5. 552  Begründung zum Entwurf des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, BTDrucks. 13 / 2204, S. 81: „…die Aufspaltung des Unternehmers bei Schulen – Sachkostenträger als Unternehmer i. S. der Unfallversicherung einerseits und Schulhoheitsträger andererseits – (…)“. 549  Vgl.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

könnten die der Gemeinde zugeordneten Schüler nicht lernen, ohne Schüler bestünde für das Land kein Grund, Lehrer zu beschäftigen. Die Schule ist daher eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass ein Unternehmen nur einem Unternehmer zuzuordnen ist,553 und stellt ein Unternehmen mehrerer Unternehmer dar, sodass die Haftung der Schüler auch gegenüber den Lehrern ausgeschlossen ist und die Haftung der Lehrer gegenüber den Schülern. Die fehlende Bezugnahme auf diese Verzahnung im Rahmen des § 106 Abs. 1 SGB VII könnte daher als Redaktionsversehen zu werten sein, indem der Gesetzgeber aufgrund der bisherigen Literatur und Rechtsprechung schlicht davon ausgegangen sein könnte, dass sowohl die Angehörigen des Landes als auch die der Gemeinde erfasst seien.554 3. Die Betriebsangehörigen der Bildungsunternehmen a) Weite Auslegung des Begriffs im Schulbereich Beschränkt ist nach § 106 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VII die Haftung im Verhältnis zwischen Versicherten der Bildungseinrichtung und Betriebsangehörigen desselben Unternehmens. Der Begriff des „Betriebsangehörigen“ wurde vor der Eingliederung der Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch verwendet in § 637 Abs. 1 RVO, der Vorgängernorm des § 105 Abs. 1 SGB VII, wo er recht eng ausgelegt wurde. Die Betriebsangehörigkeit setzte eine Eingliederung in den Betrieb voraus, d. h. die Tätigkeit des Schädigers musste „mit dem Unfallbetrieb ähnlich wie die von dessen Arbeitnehmern verbunden“ sein.555 Durch die neue Formulierung des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII, wonach die Haftung von betrieblich tätigen „Personen“ beschränkt ist, wurden diese strengen Voraussetzungen gelockert.556 553  So auch Leube, VersR 2010, S. 1561 (1562), der von einer „dauerhaften gemeinsamen Betriebsstätte“ spricht; ebenso Schlaeger, in: Schlaeger  /  Linder, § 9 Rn. 14. – Nach Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Anm. 5, wird die „auf Grund der Konkurrenzregelung des § 135 getroffene Haftungsbeschränkung auf ein Unternehmen (…) durch die schulspezifische Sonderregelung des § 106 Abs. 1 verdrängt“. 554  Daraus folgt jedoch keine Haftungsbefreiung nach § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII des Landes bei Schädigung eines Schülers. Hier ist nach § 136 Abs. 3 Nr. 3 SGB VII nur der Sachkostenträger Unternehmer, sodass auch nur dessen Haftung nach dieser Vorschrift beschränkt ist. Ausführlich hierzu Leube, VersR 2010, S. 1561 (1562 f.). 555  BGH, NJW 1978, S. 2553 (2554); BAGE 42, 194 (198); Elleser, BB 1964, S. 1217 (1219); Fenn, SGb 1975, S. 517 (519); Krasney, WzS 1972, S. 165 (169 f.); Küchenhoff, AuR 1969, S. 1 (9 f.); Otto, NZV 1996, S. 473 (476); Rolfs, NJW 1996, S. 3177 (3180). 556  § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII setzt nur noch voraus, dass der Schädiger eine Person ist, die eine betriebliche Tätigkeit verrichtet. Damit nimmt er nicht nur Ab-



D. Beschränkung der Haftung: Die Regelung des § 106 SGB VII279

Es erscheint daher zunächst überraschend, dass der Gesetzgeber bei der Formulierung von § 106 Abs. 1 SGB VII wieder auf den Begriff des Betriebsangehörigen zurückgriff, war dieser doch im Rahmen von § 637 RVO als zu eng angesehen worden.557 Hintergrund dürfte wohl gewesen sein, dass im Rahmen der Schülerunfallversicherung weniger strenge Anforderungen an das Vorliegen einer Betriebsangehörigkeit gestellt wurden als bei gewerblichen Unternehmen. So hatte der Bundesgerichtshof Helfer bei Schulveranstaltungen, die aus Gefälligkeit einmalig tätig wurden, ebenso als in den Schulbetrieb eingegliedert und damit von der Haftungsbeschränkung erfasst angesehen558 wie Mitarbeiter eines Unternehmens, in dem ein Betriebspraktikum als Schulunterricht durchgeführt wurde.559 Der Bundesgerichtshof sah sogar in dem oben dargestellten Fall des Schulunfalls beim Sportunterricht auf einer vom Schulträger betriebenen Skipiste alle mit der Vorbereitung und Durchführung eines solchen ausgelagerten Schulunterrichts befassten Mitarbeiter der Sportstätte als insoweit in den Schulbetrieb eingegliederte Betriebsangehörige an.560 An die hierzu erforderliche Unterstellung dieser Beschäftigten unter die Weisungsbefugnis der Schule dürften dabei „keine überhöhten Anforderungen gestellt werden“.561 Im letztgenannten Fall genügte es sogar, dass nicht die Schule selbst weisungsberechtigt war, sondern lediglich deren Träger als Betreiber der Skipiste die Möglichkeit zur Weisungserteilung hatte.562 Eine derart weite Auslegung des Begriffs „Betriebsangehöriger“ ist jedoch nicht mit der Differenzierung zwischen den Begriffen „Unternehmen“ und „Unternehmer“ vereinbar. Eine Eingliederung in das Unternehmen Schule, aufgrund derer von einer Betriebsangehörigkeit gesprochen werden kann, setzt auch einen direkten Bezug zu diesem Unternehmen voraus. Das bloße Bestehen einer stand vom Erfordernis der Eingliederung, sondern setzt auch nicht mehr voraus, dass der Schädiger Versicherter ist; siehe hierzu ausführlich oben Kapitel 2 C. I. 3. b). 557  Denck, Anmerkung zu AP Nr. 13 zu § 637 RVO; Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, S.  246 f.; Hartmann, BB 1971, S. 48 (50); Löwisch / Schüren, SGb 1980, S. 317 (317); Migsch, VersR 1972, S. 109 (112 f.). 558  BGH, NJW 1980, S. 289; BGH, VersR 1981, S. 428; andere Auffassung Kater, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Rn. 11. 559  BGH, VersR 1984, S. 652. 560  BGH, NJW 2003, S. 1121; zustimmend Lemcke, r+s 2003, S. 128 (129); Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 106 Rn. 8; Schlaeger, in: Schlaeger / Linder, § 9 Rn. 13. 561  BGH, NJW 2003, S. 1121 (1123). 562  BGH, NJW 2003, S. 1121 (1123): „Zwar war der Bekl. als der für den verkehrssicheren Zustand der Sportstätte Verantwortliche nicht unmittelbar dem Weisungsrecht der Schule unterworfen. Stattdessen hatte jedoch der Schulträger als (gleichzeitiger) Betreiber der Sportstätte die Möglichkeit – etwa auf entsprechende Hinweise seitens der Schule –, ihm hinsichtlich der Durchführung des Sportunterrichts Weisungen zu erteilen.“

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

Weisungsbefugnis des Sachkostenträgers kann nur ausreichen, wenn hinsichtlich des Schulunterrichts oder anderer schulischer Veranstaltungen tatsächlich Weisungen erteilt wurden. Die bloße Möglichkeit einer solchen Weisung, wie sie der Bundesgerichtshof genügen lässt, begründet noch keine Eingliederung in das Unternehmen Schule.563 Abgesehen von diesem extremen Fall ist das weite Verständnis des Begriffes „Betriebsangehöriger“ im Sinne von § 106 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VII jedoch zu begrüßen. Es führt den Gedanken des § 105 Abs. 1 SGB VII weiter, nach dem Personen nicht haften sollen, die unternehmensdienlich tätig werden; dies muss ebenso für die in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 SGB VII genannten Unternehmen gelten. Betriebsangehörige im Sinne des § 106 Abs. 1 SGB VII können daher insbesondere auch ehrenamtlich in Bildungseinrichtungen Tätige sein, selbst wenn sich ihre Tätigkeit in einer einmaligen Ausübung erschöpft.564 b) Nichtversicherte als Betriebsangehörige Indem das SGB VII den Begriff des Betriebsangehörigen verwendet, anstatt – wie die Vorgängerregelung des § 637 Abs. 4 RVO – von Versicherten zu sprechen, besteht die Gefahr, dass die Haftung zulasten von Personen beschränkt wird, denen keine entsprechende Kompensation für die entzogenen Ansprüche gewährt wird. Im Falle der Schädigung eines ebenfalls unter den Begriff des Betriebsangehörigen fallenden Beamten565 erscheint dies noch unproblematisch, erhält dieser doch Unfallfürsorge im Falle eines Dienstunfalls, sodass ihm gegenüber ein Haftungsausschluss sachgerecht ist.566 Vielmehr wird durch den Einschluss der Beamten eine im früheren Recht bestehende Lücke geschlossen, da aufgrund des damaligen Wortlauts die Haftung eines Schülers bei Schädigung eines beamteten Lehrers nicht ausgeschlossen werden konnte.567 auch Waltermann, in: FS 50 Jahre BSG, S. 571 (586). denken wäre beispielsweise an die ehrenamtliche Hilfe durch Eltern auf einem Schulfest oder bei einmaligen Schulprojekten. 565  Die Anwendung der Haftungsbeschränkung auf den Beamten im Rahmen des § 106 Abs. 1 SGB VII ergibt sich daher direkt aus dieser Norm, nicht aus einer entsprechenden Anwendung des § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII; so auch Leube, VersR 2000, S. 948 (951); andere Auffassung Otto, NZV 1996, S. 473 (477). – Zu den Besonderheiten bei der Schädigung eines Beamten gelten die im Rahmen von § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII dargestellten Punkte (siehe oben Kapitel 2 C. II.) entsprechend. 566  Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 118. – Daraus rechtfertigt sich auch die Aufnahme der versicherungsfreien Beamten in den Anwendungsbereich der Haftungsbeschränkung nach § 105 Abs. 1 SGB VII: Ihre Versorgung ist sichergestellt, auch wenn sie nicht in die gesetzliche Unfallversicherung aufgenommen wurden (vgl. BSGE 67, 73 (77), zur Begründung der Versicherungsfreiheit). 563  So

564  Zu



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Unproblematisch ist die Anwendung der Haftungsbeschränkung daneben im Fall von Personen, die selbst in der Unfallversicherung versichert sind. Neben dem Lehr-, Erziehungs-, Forschungs- und Betreuungspersonal sowie den für die Reinigung und den Erhalt der Bildungseinrichtungen beschäftigten Personen können Betriebsangehörige beispielsweise auch ehrenamtlich für die Bildungseinrichtung tätige Personen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 10 lit. a SGB VII oder Wie-Beschäftigte im Sinne von § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII. Da sie kraft Gesetzes gegen Unfälle versichert sind, besteht als Kompensation für die ausgeschlossene zivilrechtliche Haftung einen Anspruch auf Versicherungsleistungen. 567

Anders als bei § 105 Abs. 1 SGB VII ist die Anwendung der Haftungsbeschränkung nicht auf Personen beschränkt, bei denen eine solche Kompensation gewährt ist. Dies wird jedoch nur einen geringen Teil der Betriebsangehörigen betreffen, da sie zumeist über § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII versichert sein dürften, dessen Anforderungen geringer sind als die an eine Betriebsangehörigkeit. Insbesondere bestehen familiäre Bindungen typi­ scherweise nicht zum Unternehmer, sodass sie der Annahme einer WieBeschäftigung nicht im Wege stehen.568 Für den geringen verbleibenden Kreis der Nichtversicherten könnte man an eine analoge Anwendung der Regelung des § 105 Abs. 2 SGB VII denken, d. h. diesen wie den nicht versicherten Unternehmern „Versicherungsschutz wegen Haftungsbeschrän­ kung“569 gewähren. Dagegen spricht jedoch, dass die Vorschrift aufgrund der finanziellen Belastung der Unfallversicherungsträger nicht exzessiv angewandt werden sollte. Zudem handelt es sich bei den vorliegenden Problemfällen nicht um nicht versicherte Unternehmer, sondern um nicht versicherte betrieblich Tätige, sodass die Situation nicht § 105 Abs. 2 SGB VII gleicht, sondern dessen Absatz 1. Es ist damit dessen Rechtsgedanke anzuwenden mit der Folge, dass der Haftungsausschluss nach § 106 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VII nur zulasten von Versicherten und nach § 4 Abs.1 S. 1 SGB VII versicherungsfreien Beamten eingreift.570

567  BGH, NVwZ 1985, S. 445; BGH, NJW 1986, S. 1937; kritisch Gitter, JR 1986, S. 287 (287); Hertwig, JA 1985, S. 596 (596); Müller, SGb 1986, S. 520; Vollmar, VersR 1986, S. 681. – Umgekehrt war jedoch die Haftung des beamteten Lehrers bei der Schädigung eines Schülers ausgeschlossen, da § 637 Abs. 1 RVO die Haftung jedes Betriebsangehörigen gegenüber Versicherten beschränkte; vgl. BGHZ 123, 268 (276). 568  So auch Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 119 mit Fn. 492. 569  Waltermann, BG 1997, S. 310 (317). 570  So auch Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 119; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 106 Rn. 6.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

c) Verbleibende Lücken Da die Anforderungen an eine Betriebsangehörigkeit höher sind als die an eine Wie-Beschäftigung, bestehen im Rahmen von § 106 Abs. 1 SGB VII Anwendungslücken. Die Haftung von Personen, die wie Beschäftigte in den betreffenden Unternehmen tätig werden, ohne einem Weisungsrecht des Unternehmers zu unterliegen, ist bei der Schädigung eines Versicherten nicht beschränkt. Trotz der weiten Auslegung des Begriffes „Betriebsangehöriger“ in den Bildungseinrichtungen durch den Bundesgerichtshof bestehen damit im Rahmen des § 106 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VII die Probleme weiter, die durch die Erweiterung des § 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII gegenüber § 637 Abs. 1 RVO gelöst zu sein schienen. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass hier die Betriebsangehörigkeit keine Weisungsgebundenheit voraussetzen sollte,571 da der Gesetzgeber in Kenntnis des bisherigen Verständnisses bewusst erneut diesen Begriff gewählt hatte. Diese Lücke besteht insbesondere, wenn eine Person wie ein Beschäftigter der Bildungseinrichtung tätig wird, also nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII versichert ist, ohne in das Unternehmen eingegliedert zu sein. Anders als die Beschäftigung setzt die Wie-Beschäftigung keine Weisungsgebundenheit voraus,572 weswegen insbesondere schon dann Versicherungsschutz besteht, wenn die Tätigkeit dem mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht.573 Die Hilfe eines Angehörigen bei einem Schulfest beispielsweise führt daher nur dann als Betriebsangehörigkeit zur Haftungsbeschränkung, wenn zuvor Weisungen der Schulleitung aufgestellt wurden oder eine Einteilung als Hilfsperson erfolgte,574 nicht dagegen bei einem spontanen „Einspringen“ aufgrund eines kurzfristigen Bedürfnisses. Dieses Ergebnis ist unbefriedigend und widerspricht dem Gedanken des Haftungsausschlusses, Personen, die für ein fremdes Unternehmen tätig werden, von der Haftung freizustellen, solange die Geschädigten einen Anspruch gegen die Unfallversicherung oder einen vergleichbaren liquiden Schuldner haben. Es wäre daher wünschenswert, dass der Gesetzgeber im Rahmen des § 106 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB VII eine der Regelung des § 105 Abs. 1 SGB VII entsprechende Neufassung schafft. Bis zu diesem Zeitpunkt 571  So aber Krasney, NZS 2004, S. 68 (69); Leube, ZFSH / SGB  2011, S.  133 (137); Otto / Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 595; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 106 Rn. 6. 572  BSGE 5, 168 (173); BSGE 17, 211 (216). 573  Ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts; vgl. schon BSGE 5, 168 (171); mit weiteren Nachweisen jeweils BSG, SozR 3-2200 § 539 Nr. 15, S. 53; BSG, SozR 4-2700 § 2 Nr. 5 Rn. 10. 574  Vgl. hierzu beispielsweise BSG, VersR 1981, S. 428.



D. Beschränkung der Haftung: Die Regelung des § 106 SGB VII283

ist eine Erstreckung der Haftungsbeschränkung auf weisungsfreie Wie-Beschäftigte aufgrund des ausdrücklichen Wortlautes nicht möglich.575 4. Ergebnis zu § 106 Abs. 1 SGB VII § 106 Abs. 1 SGB VII regelt die Haftungsbeschränkung im Verhältnis derjenigen Personen, die in den genannten Bildungseinrichtungen miteinander in Berührung kommen. Anders als häufig angenommen,576 beschränkt sich die Haftung aller Beteiligten dabei auf ein Unternehmen, d. h. eine Bildungseinrichtung. Das gilt auch im Fall der Schule, die als gemeinsames Unternehmen zweier Unternehmer anzusehen ist. Weder ist die Haftung der Versicherten untereinander unternehmensübergreifend, noch bezieht die Norm Versicherte anderer Unternehmen desselben Unternehmers ein. Eine vom Gesetzgeber zu schließende Lücke besteht hinsichtlich des Begriffs der Betriebsangehörigen, denn es überzeugt nicht, die Haftungsbeschränkung nur auf weisungsgebundene Personen anzuwenden. Stattdessen sollte – wie bei § 105 Abs. 1 SGB VII – jeder im Interesse des Unternehmens Tätige von ihr profitieren.

II. Haftungsbeschränkungen bei Pflegetätigkeiten, § 106 Abs. 2 SGB VII § 106 Abs. 2 SGB VII ordnet eine entsprechende Geltung der §§ 104 und 105 SGB VII für die Ersatzpflicht im Fall des § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII an. Danach ist die Haftung der Pflegebedürftigen gegenüber den Pflegepersonen (§ 106 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII), der Pflegepersonen gegenüber den Pflegebedürftigen (§ 106 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII) und mehrerer Pflegepersonen desselben Pflegebedürftigen untereinander (§ 106 Abs. 2 Nr. 3 SGB VII) beschränkt. Die Norm hat lediglich Auffangfunktion für diejenigen Fälle, die nicht schon unmittelbar unter die §§ 104 und 105 SGB VII fallen, d. h. 575  Ebenso Kater, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Rn. 11; Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 119 mit Fn. 491; früher auch Leube, VersR 2000, S. 948 (948) und BG 2001, S. 139 (141), der inzwischen jedoch die Wie-Beschäftigten wohl als erfasst ansieht (ZFSH  /  SGB 2011, S. 133 (137)). 576  Ebsen, in: jurisPK SGB VII, § 106 Rn. 14; Krasney, NZS 2004, S. 68 (69); Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Rn. 8; Leube, VersR 2000, S. 948 (950 f.); Leube, VersR 2010, S. 1561 (1562); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Anm. 4.3; Nehls, SVR 2010, S. 125 (127); Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 106 Rn. 7; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 106 Rn. 4; Schlaeger, in: Schlaeger / Linder, §  9 Rn.  10; Waltermann, VSSR 2005, S. 103 (110).

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

in denen der Pflegebedürftige nicht Unternehmer ist, sondern in den Haushalt eines anderen Unternehmers aufgenommen wurde.577 Vor Einführung des SGB VII enthielt § 637 Abs. 5 RVO bereits eine Regelung zur Haftungsbeschränkung in Pflegeverhältnissen. Danach war die Haftung des Pflegebedürftigen der Pflegeperson gegenüber beschränkt sowie die Haftung von Pflegepersonen desselben Pflegebedürftigen untereinander. Lediglich § 106 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII enthält daher eine gänzlich neue Regelung, für deren Einführung jedoch keine ausdrückliche Begründung gegeben wurde. Die Gesetzesbegründung spricht lediglich davon, dass die Vorschrift „die Haftungsbeschränkungen für Ersatzpflichten von Pflegebedürftigen und ihrer Pflegeperson untereinander für entsprechend anwendbar“ erkläre.578 Erklärt werden kann die Vorschrift mit dem Ziel, den „Betriebsfrieden“ im Verhältnis der Beteiligten untereinander zu wahren – insbesondere das Verhältnis zwischen dem Pflegebedürftigen und der Pflegeperson ist in besonderem Maße auf eine vertrauensvolle Grundlage angewiesen.579 Zudem erscheint es im Hinblick auf die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Haftungsbeschränkung auf die Haftung aller betrieblich Tätigen durch § 105 Abs. 1 und 2 SGB VII konsequent, die Haftung der fremdnützig tätigen Pflegepersonen, an deren Tätigkeit ein hohes Interesse besteht, erst recht auszuschließen.580 Aus dem Wortlaut der Vorschrift, nach dem die §§ 104 und 105 SGB VII „für die Ersatzpflicht“ der genannten Personen entsprechend gelten, wird teilweise geschlossen, dass lediglich die die Ersatzpflicht betreffenden Regelungen entsprechend anwendbar seien mit der Folge, dass beispielsweise eine entsprechende Anwendbarkeit des § 105 Abs. 2 S. 2 bis 4 SGB VII ausgeschlossen sei.581 Dies hätte zur Folge, dass dem geschädigten Pflegebedürftigen nach § 106 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII die zivilrechtlichen Ansprüche genommen würden, obwohl er mangels Versicherung582 keinen ausglei577  Siehe

hierzu ausführlich oben Kapitel 2 B. II. 4. c). zum Entwurf des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, BTDrucks. 13 / 2204, S.  100. 579  Mann, ZFSH / SGB 2001, S. 259 (260). 580  So auch Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 121. 581  Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 120; Wolf, SGb 2008, S. 516 (518). 582  Zur Möglichkeit eines gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes für Pflegebedürftige vgl. BT-Drucks. 14 / 429, S. 16. – Die Möglichkeit einer freiwilligen Unternehmerversicherung wird dem Pflegebedürftigen durch § 6 Abs. 1 HS. 2 SGB VII genommen (anders Leube, SozVers 2000, S. 314 (315), der zwischen Haushalt und Pflege trennt; ebenso Wolf, SGb 2008, S. 516 (517)). Der Pflegebedürftige ist auch nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII kraft Gesetzes versichert (dies fürchtet jedoch Ricke, SozVers 2001, S. 174 (176)): Die Vorschrift erfasst zwar auch Unternehmer 578  Begründung



D. Beschränkung der Haftung: Die Regelung des § 106 SGB VII285

chenden Anspruch gegen die Unfallversicherung erhält. Aus diesem Grund wird die Vorschrift als verfassungswidrig angesehen.583 Gegen diese Auslegung spricht jedoch, dass schon der Wortlaut nicht so eindeutig ist, wie angenommen wird.584 „Für die Ersatzpflicht“ kann nicht nur als „nur für die Ersatzpflicht“ verstanden werden, sondern ebenso gut als „in den Fällen einer Ersatzpflichtigkeit der genannten Personen“ oder „für den Fall, dass sich eine der genannten Personen ersatzpflichtig macht“. Dann ergäbe auch der pauschale Verweis auf die §§ 104 und 105 SGB VII in ihrer Gänze einen Sinn, denn wäre lediglich auf den Haftungsausschluss Bezug genommen worden, hätte ein Verweis auf § 104 SGB VII alleine ausgereicht – wie ihn auch die Vorgängervorschrift des § 637 Abs. 5 RVO enthielt. Indem § 106 Abs. 2 SGB VII jedoch auch § 105 SGB VII nennt, und zwar nicht auf einen Absatz oder Satz beschränkt, ist auch § 105 Abs. 2 SGB VII entsprechend anwendbar, sodass der geschädigte unversicherte Pflegebedürftige nach § 105 Abs. 2 S. 1 SGB VII einem Versicherten gleichgestellt wird, mithin einen Anspruch auf Geld- und Sachleistungen gegen den Unfallversicherungsträger hat.585 § 106 Abs. 2 SGB VII ergänzt damit die Regelungen der §§ 104 und 105 SGB VII für den Fall, dass der Pflegebedürftige nicht Haushaltsführender, d. h. nicht Unternehmer der Pflegetätigkeit ist. Die Regelung der Schädigung einer Pflegeperson durch den Pflegebedürftigen in § 106 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII entspricht der des § 104 SGB VII, die Regelung für das Verhältnis mehrerer Pflegepersonen desselben Pflegebedürftigen untereinander586 entspricht der des § 105 Abs. 1 SGB VII. Wird schließlich der Pflegebedürftige durch die Pflegeperson geschädigt, entspricht § 106 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII der Regelung des § 105 Abs. 2 SGB VII mit der Folge, dass der geschädigte Pflegebedürftige in den Grenzen des § 105 Abs. 2 S. 2 bis 4 SGB VII Ansprüche auf Sach- und Geldleistungen aus der Unfallversicherung hat. In Anbetracht der engen Beziehung zwischen den beteiligten Personen ist diese umfassende Regelung zu begrüßen. im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege, umschreibt diese jedoch mit dem Begriff der selbstständig Tätigen; eine „Tätigkeit“ des Pflegebedürftigen ist jedoch nicht anzunehmen, sondern vielmehr ein passives Entgegennehmen der Tätigkeiten anderer. 583  Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 120 ff.; Waltermann, in: FS 50 Jahre BSG, 571 (587); Waltermann, NJW 2004, S. 901 (906); kritisch auch Wolf, SGb 2008, S. 516 (518). 584  Vgl. beispielsweise Wolf, SGb 2008, S. 516 (518): „… der Wortlaut des § 106 Abs. 2 SGB VII verweist nur hinsichtlich der Ersatzpflicht auf § 105 SGB VII“. 585  So auch Leube, BG 2001, S. 139 (141); Mann, ZFSH / SGB  2001, S.  259 (260); Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 106 Rn. 9. 586  § 106 Abs. 2 Nr. 3 SGB VII.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

III. Haftungsbeschränkung bei gemeinsamem Tätigwerden, § 106 Abs. 3 SGB VII § 106 Abs. 3 SGB VII enthält Regelungen zur Beschränkung der Haftung von Personen, die zwar nicht im selben Unternehmen tätig werden, aber deren Tätigkeiten dennoch dergestalt verbunden sind, dass eine Anwendung der Haftungsbeschränkung vom Gesetzgeber als erforderlich und gerechtfertigt angesehen wurde. Danach gelten die §§ 104 und 105 SGB VII entsprechend für die Ersatzpflicht der für die beteiligten Unternehmen Tätigen untereinander, wenn entweder Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder Unternehmen des Zivilschutzes zusammenwirken (§ 106 Abs. 3 Var. 1 und 2 SGB VII) oder wenn Versicherte mehrerer Unternehmen vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichten (§ 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII). 1. Zusammenwirken von Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen und von Unternehmen des Zivilschutzes, § 106 Abs. 3 Var. 1 und 2 SGB VII a) Zusammenhang mit und Unterschiede zu § 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII § 106 Abs. 3 Var. 1 und 2 SGB VII ordnet eine entsprechende Geltung der §§ 104 und 105 SGB VII an für den Fall, dass Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder Unternehmen des Zivilschutzes zusammenwirken. Entsprechend den §§ 104, 105 SGB VII wird die Ersatzpflicht der für diese Unternehmen Tätigen beschränkt. Der Wortlaut des § 106 Abs. 3 Var. 1 und 2 SGB VII legt eine Zusammengehörigkeit der Vorschrift zu § 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII nahe, wonach Personen versichert sind, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen teilnehmen.587 Aus dem Gleichlauf der beiden Normen hinsichtlich der erfassten Unternehmen folgt jedoch nicht, dass die Haftungsbeschränkung nur zugunsten 587  Auf diesen Versicherungstatbestand verweisen auch die Kommentierung zu § 106 Abs. 3 Var. 1 und 2 SGB VII und das sonstige Schrifttum; vgl. beispielsweise von Koppenfels-Spies, in: Kreikebohm / Spellbrink / Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, § 106 SGB VII Rn. 9; Krasney, NZS 2004, S. 68 (69); Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, §  106 Rn.  14; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Anm. 8; Schmitt, Kommentar SGB VII, § 106 Rn. 8.



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und zulasten der in § 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII genannten Versicherten eingreift.588 Gemeinsam ist beiden Normen nur das Unternehmen, während der Personenkreis unterschiedlich beschrieben wird. Während § 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII nur unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich Tätige und Teilnehmer an Ausbildungsveranstaltungen erfasst, spricht § 106 Abs. 3 Var. 1 und 2 SGB VII allgemein von „für die beteiligten Unternehmen Tätigen“. Beschränkt ist also nicht nur die Haftung der ehrenamtlich Tätigen untereinander, sondern auch die der Beschäftigten oder Wie-Beschäftigten in diesen Unternehmen. Dies entspricht auch dem Zweck der Norm, denn zwischen den für die Unternehmen Tätigen besteht eine Gefahrengemeinschaft mit dem gemeinsamen Risiko gegenseitiger Schädigung. Dieses Risiko wird noch intensiviert durch die Umstände, unter denen die Tätigkeiten verrichtet werden. Bei einem Unglücksfall ist typischerweise Eile erforderlich; zudem wird das Risiko verstärkt durch das Zusammenwirken vieler, oftmals miteinander nicht oder wenig vertrauter Personen mit unbekanntem oder gefährlichem Gerät sowie die gegebenenfalls erforderliche Improvisation am Unfallort.589 Dies gilt aber für alle Beteiligten unabhängig vom Grund ihrer Versicherung. b) Haftungsbeschränkung für Nothelfer nach § 106 Abs. 3 Var. 1 und 2 SGB VII? Fraglich ist, ob ein Nothelfer im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII unter den Anwendungsbereich des § 106 Abs. 3 Var. 1 und 2 SGB VII fällt. Der Nothelfer leistet Hilfe bei Unglücksfällen zugunsten desjenigen, der durch den Unglücksfall bedroht ist; seine Tätigkeit ist als Unternehmen im Sinne von § 121 Abs. 1 SGB VII zu werten.590 Ein Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII ist jedes Unternehmen, dessen Zweck – festgelegt durch Gesetz, Rechtsverordnung, Satzung, ständige Übung oder auf andere Weise – darin besteht, bei Unglücksfällen Dritter aktive Hilfe zu leisten und ihre personellen und sachlichen Mittel gerade zu diesem Zweck einzusetzen; die Unternehmen müssen der Abwendung drohender Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit, die anderenfalls die Polizei bekämpfen müsste, oder 588  So aber von Koppenfels-Spies, in: Kreikebohm / Spellbrink / Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, § 106 SGB VII Rn. 9; Schmitt, Kommentar SGB VII, § 106 Rn. 8. 589  BGH, NZV 2008, S. 289 (290); zustimmend Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Anm. 8; ähnlich von Koppenfels-Spies, in: Kreikebohm / Spellbrink / Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, § 106 Rn. 9. 590  Siehe dazu näher oben Kapitel 2 B. II. 3. b) bb).

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

der Beseitigung von Unfallfolgen dienen.591 Während § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a Var. 1 SGB VII die spontane, situationsbedingte Einzelhilfeleistung versichert, meint § 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII dauerhafte Unternehmen im Sinne von Einrichtungen oder Betrieben.592 Dennoch verrichten die Versicherten beider Tatbestände aktive Hilfe bei Unglücksfällen und setzen sich für die Rettung Dritter ein. Die nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a Var. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit ist wegen des weiten Unternehmensbegriffes von § 121 Abs. 1 SGB VII als Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen zu werten, wie es § 106 Abs. 3 Var. 1 SGB VII nennt. Dafür spricht auch, dass § 106 Abs. 1 Var. 1 SGB VII nicht auf ein bestimmtes Unternehmen verweist, wie beispielsweise § 106 Abs. 1 SGB VII. Wollte der Gesetzgeber die Haftungsbeschränkung nur auf dauerhafte Einrichtungen der Unglückshilfe anwenden, wäre die Formulierung „in den in § 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII genannten Unternehmen“ sinnvoll gewesen. Insbesondere im Hinblick auf das öffentliche Interesse an der Tätigkeit der Nothelfer, das eine umfassende Beschränkung ihrer Haftung erforderlich und geboten macht,593 spräche viel dafür, dass auch sie in den Anwendungsbereich der Norm einbezogen sind. Allerdings erfordert § 106 Abs. 3 Var. 1 SGB VII ein Zusammenwirken von Versicherten mehrerer Unternehmen, d. h. ein bewusstes gemeinsames Tätigwerden im Sinne von aufeinander bezogenen, miteinander verknüpften oder auf gegenseitige Unterstützung und Ergänzung ausgerichteten Tätigkeiten.594 Ein einzelner, spontan zu Hilfe eilender Nothelfer dürfte, wenn er neben in einem Unternehmen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII Tätigen aktiv wird, üblicherweise dergestalt Hand in Hand mit diesen zusammenarbeiten, dass von den Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII auszugehen sein wird. Werden mehrere Nothelfer gemeinsam tätig, ohne dass eine Eingliederung in ein größeres Unternehmen stattfindet, dürften ihre Tätigkeiten als ein Unternehmen im Sinne des § 121 Abs. 1 SGB VII zu werden sein. In beiden Fällen richtet sich die Haftungsbeschränkung daher schon nach § 105 Abs. 1 SGB VII, sodass es auf die Frage, ob der Nothelfer ebenfalls von § 106 Abs. 3 Var. 1 und 2 SGB VII erfasst wird, in der Praxis nur selten ankommen wird. 591  BSG, SozR 2200 §  539 Nr. 92, S. 249; ähnlich Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 174; Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 602; Richter, in: Becker / Franke / Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, § 2 Rn. 116; Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 162; Schmitt, Kommentar SGB VII, § 2 Rn. 94. 592  Diel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 128 Rn. 36. 593  Siehe hierzu ausführlich oben Kapitel 2 C. I. 3. c) und Kapitel 2 C. III. 2. 594  Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Rn. 14; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Anm. 8.



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2. Vorübergehende betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte, § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII Verrichten Versicherte mehrerer Unternehmen vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte, ordnet § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII eine entsprechende Geltung der §§ 104 und 105 SGB VII für die Ersatzpflicht der für die beteiligten Unternehmen Tätigen untereinander an. Der Schwerpunkt dieser Vorschrift liegt im Bereich der echten Unfallversicherung. Anwendungsfälle bilden insbesondere Unfälle auf Baustellen oder die so genannten „Entladefälle“.595 Beispiele für die Anwendung des § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII in den Fällen der unechten Unfallversicherung sind schwerer zu finden, jedoch nicht ausgeschlossen. Insbesondere im Fall der ehrenamtlich Tätigen werden häufig verschiedene Einrichtungen gemeinschaftlich aktiv werden, beispielsweise mehrere privatrechtliche Organisa­ tionen im Auftrag des Staates. Eine gemeinsame Betriebsstätte mehrerer Unternehmen ist daneben bei Bauarbeiten im Rahmen der Selbsthilfe möglich. Da hier die Selbsthilfe lediglich 1,5 % der gesamten Kosten des Bauvorhabens ausmachen muss,596 kann ein paralleles Tätigwerden von nach § 2 Abs. 1 Nr. 16 SGB VII Versicherten mit Beschäftigten anderer Bau­ unternehmen in Betracht kommen. a) Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte Die Anforderungen an die gemeinsame Betriebsstätte waren lange Zeit umstritten. Das Meinungsspektrum reichte vom engen Verständnis, nach dem eine Arbeitsgemeinschaft mehrerer Unternehmen597 oder ein gemeinsamer Zweck598 gefordert wurde, bis hin zur Annahme, ausgeschlossen sei lediglich die zufällige Arbeitsberührung,599 ansonsten genüge ein zeitlich und räumlich enger Kontakt zwischen den beteiligten Unternehmen.600 595  Der Begriff „Entladefall“ beschreibt die Konstellation, dass vom Mitarbeiter eines Unternehmens bei einem anderen Unternehmen Ware angeliefert oder abgeholt wird und der Arbeitsunfall geschieht, während gemeinsam mit einem Mitarbeiter des anderen Unternehmens be- oder entladen wird (Beispiele nach Schmude, in: FS Isensee, S. 467 (468), dort auch zu Nachweisen zu diesen Fällen und weiteren Beispielen); vgl. auch BGH, NJW 2011, S. 3298. 596  BSGE 28, 122 (127). 597  Müller, NZV 2001, S. 366 (368 f.); in diese Richtung auch Otto, NZV 1996, S. 473 (477). 598  Baethge, NZA 1999, S. 73 (75); Maschmann, SGb 1998, S. 54 (58). 599  Noch weiter Zacharias, BB 2000, S. 2411 (2411 f.), der ein zufälliges Zusammentreffen verschiedener Versicherter ausreichen lässt. 600  Jahnke, VersR 2000, S. 155 (156); Stern-Krieger / Arnau, VersR 1997, S. 408 (411).

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

Der Bundesgerichtshof verfolgte einen Mittelweg, der sich mit der Formel „Arbeitsverknüpfung statt Arbeitsberührung“601 zusammenfassen lässt. Eine gemeinsame Betriebsstätte sei mehr als dieselbe Betriebsstätte; erforderlich seien „betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewußt und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, daß die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt.“602 Voraussetzung der gemeinsamen Betriebsstätte seien wechselseitig aufeinander bezogene betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, sodass es nicht ausreiche, wenn die Arbeiten eines Unternehmens lediglich auf dem vom anderen Unternehmen geschaffenen Arbeits­ ergebnis aufbauten, während die eigentlichen Arbeitsabläufe unabhängig voneinander verliefen.603 Die Literatur hat sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angeschlossen;604 auch das Bundesarbeitsgericht arbeitet mit dieser Definition der gemeinsamen Betriebsstätte.605 b) Die Stellung des Unternehmers im Fall von § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII Unfälle auf Baustellen, auf denen versicherte mehrerer Unternehmen im Sinne von § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII gemeinschaftlich tätig sind, sind in der unechten Unfallversicherung denkbar im Rahmen der Selbsthilfe im Wohnungsbau, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 16 SGB VII versichert ist, beispielsweise wenn Selbsthilfearbeiten zeitgleich mit Arbeiten durch andere Bauunternehmen stattfinden. Selbsthilfearbeiten sind dabei unter anderem auch 601  Imbusch,

VersR 2001, S. 547 (550); Waltermann, NJW 2002, S. 1225 (1229). 331 (335 f.); seitdem ständige Rechtsprechung; vgl. beispielsweise aus jüngerer Zeit BGH, NJW 2011, S. 3296 (3297); BGH, NJW 2011, S. 3298 (3298); BGH, NZS 2012, S. 347 (348). 603  BGHZ 157, 213 (216 f.). Der Bundesgerichtshof lehnte daher das Vorliegen einer gemeinsamen Betriebsstätte auf einer Baustelle ab, auf der das Dachdeckerunternehmen ein zuvor von einer Gerüstbaufirma aufgestelltes Gerüst benutzte, wobei ein Dachdecker verunglückte. 604  Dahm, r+s 2001, S. 397 (398); Faecks, in: FS AG Arbeitsrecht, S. 1207 (1220 f.); Gamperl, NZV 2001, S. 401 (403); Imbusch, VersR 2001, S. 547 (550 f.); Jung, BG 2010, S. 558 (559); von Koppenfels-Spies, SGb 2008, S. 422 (422); Krasney, NZS 2004, S. 68 (70); Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 132; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Anm. 8.3; Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 106 Rn. 16 f.; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 106 Rn. 10a; Schmidt, BB 2002, S. 1859 (1860); Stöhr, VersR 2004, S. 809 (811); Waltermann, NJW 2002, S. 1225 (1229); Waltermann, in: FS 50 Jahre BSG, S. 571 (577); Wellner, NJW-Spezial 2009, S. 402 (403). 605  BAGE 104, 229 (236); seitdem auch BAG, r+s 2005, S. 304 (306). 602  BGHZ 145,



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Arbeiten, die vom Bauherrn als Unternehmer selbst durchgeführt werden.606 Schädigt dieser den Beschäftigten eines anderen Bauunternehmens, entweder im Rahmen der Bauarbeiten selbst oder durch eine Verletzung vertraglicher Vereinbarungen oder eventueller Verkehrssicherungspflichten607, stellt sich die Frage, ob seine Haftung nach § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII beschränkt ist. Dieselbe Problematik stellt sich bei einer Schädigung des Unternehmers durch die Beschäftigten anderer Bauunternehmen. Die Frage, ob zu den nach § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII von der Haftung Befreiten auch der Unternehmer zählt, wurde kontrovers diskutiert,608 bis der Bundesgerichtshof die Frage mit zwei Urteilen vom selben Tag beantwortete.609 Seiner Auffassung nach ist die Haftung des Unternehmers grundsätzlich nicht nach dieser Vorschrift beschränkt; eine Ausnahme könne nur dann gelten, wenn der Unternehmer selbst mitarbeite, d. h. selbst „tätig“ im Sinne des § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII würde. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift, der die entsprechende Geltung der §§ 104 und 105 SGB VII ausdrücklich nur „für die Ersatzpflicht der für die beteiligten Unternehmen Tätigen untereinander“ anordne.610 Diese Entscheidungen sind weitgehend auf Zustimmung gestoßen.611 Für eine Geltung des § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII auch für den Unternehmer entgegen der Ansicht des Bundesgerichtshofs werden hauptsächlich drei Argumente ins Feld geführt. Zunächst wird auf den Wortlaut der Vorschrift abgestellt, wonach die Haftung von „für die beteiligten Unternehmen Tätigen“ beschränkt sei. Der Unternehmer sei generell für sein Unternehmen 606  Vgl.

zum Begriff der Selbsthilfe oben Kapitel 1 C. VII. 7. b). den Verkehrssicherungspflichten des Bauherrn mit Beispielen Trachte, in: Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, § 20 Rn. 69; vgl. auch Schmude, in: FS Isensee, S. 467 (469). 608  Für eine Erstreckung auf die Unternehmer beispielsweise aus der Rechtsprechung OLG Saarbrücken, r+s 1999, S. 374 (375); OLG Stuttgart, r+s 2000, S. 22 (23); OLG Karlsruhe, NJW 2000, S. 295 (296 f.); OLG Brandenburg, r+s 2000, S. 373 (375); aus der Literatur Imbusch, VersR 2001, S. 547 (552 ff.); Risthaus, VersR 2000, S. 1203 (1203 ff.); Zacharias, BB 2000, S. 2411 (2412). – Gegen eine Erstreckung auf die Unternehmer dagegen beispielsweise aus der Rechtsprechung OLG Karlsruhe, r+s 1999, S. 375 (376); aus der Literatur Lemcke, r+s 1999, S. 376 (377); Lemcke, r+s 2000, S. 221 (223 f.). 609  BGHZ 148, 209; BGHZ 148, 214. 610  BGHZ 148, 209 (212); BGHZ 148, 214 (217). 611  Dahm, r+s 2001, S.  397 (399); von Koppenfels-Spies, SGb 2008, S. 422 (422 f.); Krasney, NZS 2004, S. 68 (71); Merten, jurisPR-SozR 4 / 2008 Anm. 4; Otto, NZV 2002, S. 10 (16); Schmidt, BB 2002, S. 1859 (1861 f.); Stöhr, VersR 2004, S. 809 (813); Waltermann, NJW 2002, S. 1225 (1230); Wellner, NJW-Spezial 2009, S. 402 (403); im Ergebnis auch Rolfs, DB 2001, S. 2294 (2297); andere Auffassung Gamperl, NZV 2001, S. 401 (403); Tischendorf, VersR 2002, S. 1188 (1190 ff.). 607  Zu

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

tätig, und zwar nicht nur im Falle der Mitarbeit vor Ort, sondern auch bei einer Leitung des Unternehmens aus der Ferne.612 Gegen die pauschale Annahme, die Unternehmereigenschaft seit stets mit einer Tätigkeit für das jeweilige Unternehmen verbunden, sprechen jedoch insbesondere Beispiele aus der unechten Unfallversicherung. Auch ein vollkommen Unbeteiligter kann Unternehmer sein; ausreichend ist, dass ihm das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht.613 Daneben wird vorgebracht, die Haftungsbeschränkung der betrieblich Tätigen sei lediglich eine Folge der Haftungsbeschränkung des Unternehmers, die aufgrund der Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs anderenfalls unterlaufen worden wäre. Da aber die Haftungsbeschränkung der betrieblich Tätigen untereinander auf der des Unternehmers aufbaue, könne sie nicht weiter reichen als diese.614 Dagegen lässt sich jedoch einwenden, dass schon bei der Einführung der Haftungsbeschränkung der betrieblich Tätigen untereinander die Grenzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs überschritten wurden. Dieser Zusammenhang wurde erst recht aufgehoben mit der Erstreckung der Haftungsbeschränkung auf beitragsfrei versicherte Personen und auf solche, bei denen keine Regressansprüche gegen den Unternehmer gegeben sind.615 Insbesondere hängt die Anwendbarkeit der Haftungsbeschränkung auch nicht davon ab, ob ein Freistellungsanspruch nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs oder vergleichbaren Prinzipien besteht, was wiederum die Fälle der unechten Unfallversicherung zeigen. Überzeugender stellt sich schließlich der Einwand dar, die Einbeziehung des Unternehmers folge daraus, dass § 106 Abs. 3 SGB VII neben § 105 SGB VII auch auf § 104 SGB VII verweise; diese Verweisung sei gegenstandslos, wenn der Unternehmer nicht in den Anwendungsbereich von § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII fallen solle.616 Auch der Bundesgerichtshof sieht, dass der Verweis auf § 104 SGB VII nicht erforderlich gewesen wäre, wenn die Haftungsbeschränkung nicht für die Unternehmer gelten sollte, geht aber davon aus, dass es sich lediglich um eine pauschale Verweisung 612  Risthaus, VersR 2000, S. 1203 (1203). – Entsprechend soll auch § 150 Abs. 1 S. 2 SGB VII, wonach der versicherte Unternehmer selbst zur Beitragszahlung verpflichtet ist, nur deklaratorische Bedeutung haben, denn der versicherte Unternehmer sei stets für sein Unternehmen tätig, sodass sich seine Beitragspflicht schon aus § 150 Abs. 1 S. 1 SGB VII ergebe (Höller, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 150 Rn. 15; Scholz, in: jurisPK SGB VII, § 150 Rn. 22). 613  Siehe hierzu ausführlich oben Kapitel 2 B. II. 3. b) bb) (2). 614  Imbusch, VersR 2001, S. 547 (554); Risthaus, VersR 2000, S. 1203 (1205). 615  Siehe hierzu ausführlich oben Kapitel 2 C. I. 2. 616  OLG Stuttgart, r+s 2000, S. 22 (23); OLG Brandenburg, r+s 2000, S. 373 (373); Risthaus, VersR 2000, S. 1203 (1204); Zacharias, BB 2000, S. 2411 (2412).



D. Beschränkung der Haftung: Die Regelung des § 106 SGB VII293

auf die Rechtsfolgen und Ausnahmen handele, die in den Grundtatbeständen der §§ 104 und 105 SGB VII geregelt seien.617 Im Ergebnis ist der Auffassung des Bundesgerichtshofs zuzustimmen. Der Wortlaut der Norm legt schon eine Beschränkung auf diejenigen nahe, die auch tatsächlich auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätig werden. Erst recht ergibt sich diese aber aus Sinn und Zweck der Vorschrift, die alleine in der zwischen den vor Ort aktiv Tätigen bestehenden Gefahrengemeinschaft liegen.618 Bei betrieblichen Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte, die einander ergänzen, ist das Risiko, einen für ein Fremdunternehmen Tätigen zu schädigen, ebenso hoch wie das Risiko, einen für dasselbe Unternehmen Tätigen zu schädigen. Dies gilt aber eben nur aufgrund der verknüpften Tätigkeiten, also gerade nicht für fernab der Betriebsstätte Tätige. Mit dem Bundesgerichtshof ist daher davon auszugehen, dass der Unternehmer nur dann als Schädiger und als Geschädigter unter § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII fällt, wenn er auf der gemeinsamen Betriebsstätte im Interesse seines Unternehmens tätig wird.619 Damit ist beispielsweise der Bauherr als Unternehmer der Selbsthilfebauarbeiten620 in den Anwendungsbereich von § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII einbezogen, solange die Schädigung im Rahmen der von ihm selbst verrichteten Baumaßnahmen erfolgt. c) Notwendigkeit der Versicherteneigenschaft Werden Selbsthilfearbeiten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 16 SGB VII parallel zu anderen Bauarbeiten durchgeführt, ist nicht nur eine Schädigung durch den Bauherrn als versichertem Unternehmer der Selbsthilfebauarbeiten möglich, sondern auch eine Schädigung durch den möglicherweise nicht versicherten mitarbeitenden Unternehmer eines anderen Bauunternehmens. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob die Vorschrift des § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII trotz der fehlenden Versicherteneigenschaft Anwendung finden 617  BGHZ

148, 214 (218). auch BSGE 98, 285 (289 f.); BGHZ 148, 209 (212); BGHZ 151, 198 (202); für die Literatur vgl. statt Vieler Diederichsen, r+s Beilage 2011, S. 20 (21); Ebsen, in: jurisPK SGB VII, § 106 Rn. 27; Jahnke, r+s 1999, S. 353 (355); von Koppenfels-Spies, in: Kreikebohm / Spellbrink / Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, § 106 Rn. 11; Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 106 Rn. 18; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 106 Rn. 14; Waltermann, NJW 2008, S. 2895 (2896). 619  Dies muss aufgrund des gleich lautenden Wortlauts auch für die Fälle des § 106 Abs. 3 Var. 1 und 2 SGB VII gelten. Damit wird hier im Vergleich zur Vorgängerregelung der Anwendungsbereich der Haftungsbeschränkung eingeschränkt, da § 637 Abs. 2 und 3 RVO die Haftungsbeschränkung der Versicherten gegenüber dem Unternehmer ausdrücklich anordnete; kritisch daher Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 159 f.; Otto, NZV 2002, S. 10 (14). 620  § 2 Abs. 1 Nr. 16 SGB VII. 618  So

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

kann. Entsprechendes gilt im Zusammenhang mit ehrenamtlichen Tätigkeiten, die gemeinsam mit Versicherungsfreien durchgeführt werden. So können ehrenamtlich für die Gemeinde Tätige auf einer gemeinsamen Betriebsstätte mit Gemeindebeamten tätig werden, beispielsweise bei der Organisation eines Gemeindefestes durch die Gemeindeverwaltung und den von der Gemeinde beauftragten Heimatverein. In der Literatur wird – soweit ersichtlich – einhellig zu § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII die Auffassung vertreten, dass Schädiger und Geschädigter „nach dem klaren Wortlaut“ in der Unfallversicherung versichert sein müssten, um von § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII erfasst zu werden.621 Auch nach dem Bundesgerichtshof erschließt sich das Erfordernis einer Versicherung „zwanglos bereits aus dem Gesetzeswortlaut“.622 So eindeutig ist der Wortlaut der Vorschrift jedoch nicht, denn dass Versicherte mehrerer Unternehmen sich begegnen, ist lediglich Voraussetzung der Eröffnung des Anwendungsbereiches von § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII. Als Rechtsfolge legt er eine entsprechende Geltung der §§ 104 und 105 SGB VII „für die Ersatzpflicht der für die beteiligten Unternehmen Tätigen untereinander“ fest, nicht etwa „für die Ersatzpflicht der für die beteiligten Unternehmen tätigen Versicherten untereinander“. Dass diese beiden Formulierungen nicht gleichbedeutend sind, zeigen zum einen die §§ 104 Abs. 1 S. 1, 133 Abs. 1, 150 Abs. 1 S. 1 SGB VII, wo stets von „für ein Unternehmen tätigen Versicherten“ die Rede ist, und zum anderen die §§ 105 Abs. 1 S. 2, 183 Abs. 3 S. 1 SGB VII, die jeweils „für einen Betrieb tätige Versicherungsfreie“ bzw. „für ein Unternehmen tätige Versicherungsfreie“ betreffen. Streng nach dem Wortlaut könnte daher § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII neben den Versicherten jeden Schädiger und Geschädigten („untereinander“) betreffen. Voraussetzung wäre lediglich, dass mehrere Unternehmen eine gemeinsame Betriebsstätte haben, auf der auch Versicherte dieser Unternehmen betriebliche Tätigkeiten verrichten, und dass Schädiger und Geschädigter jeweils für eines dieser Unternehmen tätig sind, mithin Tätigkeiten im 621  Waltermann, NJW 2002, S. 1225 (1230); für das Erfordernis der Versicherteneigenschaft auch von Koppenfels-Spies, SGb 2008, S. 422 (422); von KoppenfelsSpies, in: Kreikebohm / Spellbrink / Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, § 106 SGB VII Rn. 11; Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Rn. 16; Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 142; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Anm. 8.7; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 106 Rn. 12; Risthaus, VersR 2000, S. 1203 (1203); Schmidt, BB 2002, S. 1859 (1861 f.); Schmitt, Kommentar SGB VII, § 106 Rn. 10; Stöhr, VersR 2004, S. 808 (813); Waltermann, NJW 2008, S. 2895 (2896). 622  BGHZ 151, 198 (201).



D. Beschränkung der Haftung: Die Regelung des § 106 SGB VII295

Interesse dieses Unternehmens ausführen.623 In die Haftungsbeschränkung eingeschlossen wären damit nicht nur nicht versicherte mitarbeitende Unternehmer, sondern über den Verweis auf den gesamten § 105 SGB VII auch nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherungsfreie Personen. Der Bundesgerichtshof624 und das Bundessozialgericht625 sehen die zwischen den auf der gemeinsamen Betriebsstätte Tätigen bestehende Gefahrengemeinschaft als einzigen626 Rechtfertigungsgrund für die Regelung des § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII an. Das Risiko, einen Angehörigen eines anderen Unternehmens zu verletzen, sei bei einander ergänzenden, sich berührenden Tätigkeiten, wie sie die gemeinsame Betriebsstätte fordert, ebenso hoch wie das Risiko, einen Angehörigen des eigenen Unternehmens zu verletzen. Die Gefahrengemeinschaft ist jedoch ein objektiver Zustand, nämlich eine Verbindung mehrerer Personen (nicht: mehrerer Versicherter) mit dem dadurch erhöhten Risiko, einen anderen zu schädigen oder durch ihn geschädigt zu werden.627 Dass der Gesetzgeber ebenfalls den Begriff der Gefahrengemeinschaft auf diese Weise versteht, zeigt die weite Fassung des § 105 Abs. 1 SGB VII, wonach unversicherte Personen sowohl als Schädiger als auch als Geschädigte in den Anwendungsbereich der Haftungsbeschränkung einbezogen werden. Es wäre widersprüchlich, den Begriff der Gefahrengemeinschaft bei § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII anders auszulegen als bei § 105 SGB VII. Durch den Verweis auf § 105 SGB VII in seiner Gesamtheit eröffnet § 106 Abs. 3 SGB VII den in § 105 SGB VII genannten Personen den Zugang zur unfallversicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkung, wenn sie auf einer gemeinsamen Betriebsstätte tätig werden. Die vom Bundessozialgericht befürchtete Konsequenz, dass die Haftung eines nicht versicherten 623  So auch Gamperl, NZV 2001, S. 401 (403); Imbusch, VersR 2001, S. 547 (552); Tischendorf, VersR 2003, S. 1361 (1365); Otto, NZV 2002, S. 10 (17); früher Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, 56. Ergänzungslieferung, § 106 Rn. 11. 624  BGHZ 148, 209 (212); BGHZ 151, 198 (202). 625  BSGE 98, 285 (292). 626  Vgl. BGHZ 148, 209 (212): „Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, deren Rechtfertigung sich (nur) in dem Gesichtspunkt der sog. Gefahrengemeinschaft findet“; sowie BSGE 98, 285 (292): „Nur aus dem Gesichtspunkt einer Zwangs- oder Gefahrengemeinschaft könnten Gründe für eine Haftungsbeschränkung seitens des schädigenden Versicherten des anderen Unternehmens, die dann zu dem Anspruch des nicht versicherten Unternehmers auf Gleichstellung mit einem Versicherten führen müsste, hergeleitet werden.“ 627  Nicht erforderlich ist dagegen, dass von der Haftungsbeschränkung nur diejenigen profitieren, denen im eigenen Schadensfall ebenfalls die zivilrechtlichen Ansprüche genommen werden. Die Gefahrengemeinschaft, d. h. das gemeinsame Risiko einer gegenseitigen Schädigung, besteht unabhängig von der Versicherten­ eigenschaft; vgl. hierzu ausführlich oben Kapitel 2 C. I. 3. b) bb).

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

Unternehmers gegenüber einem anderen nicht versicherten Unternehmer, die in keiner Beziehung zur gesetzlichen Unfallversicherung stehen, deswegen ausgeschlossen sei, weil beide Unternehmer mit den Versicherten eines dritten Unternehmens zusammen betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichten,628 folgt aus dieser Auslegung des § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII jedoch nicht. Der ausdrückliche Wortlaut der Vorschrift zeigt, dass sie nur Anwendung finden kann in Unternehmen, deren Versicherte auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätig werden.629 Nur wenn zu einem Unternehmen in der Unfallversicherung Versicherte gehören, kann die Haftung nach unfallversicherungsrechtlichen Vorschriften beschränkt werden. Daher ist in den Fällen der unechten Unfallversicherung sowohl die Haftung ehrenamtlich Tätiger gegenüber nach § 4 Abs. 1 S.1 SGB VII versicherungsfreien Beamten und umgekehrt beschränkt als auch die Haftung aller im Rahmen der Selbsthilfe Tätigen gegenüber anderen auf der Baustelle Arbeitenden, insbesondere auch gegenüber einem nicht versicherten Unternehmer, solange dieser Versicherte beschäftigt. 3. Analoge Anwendbarkeit des § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII auf andere Unternehmen § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII setzt voraus, dass Versicherte mehrerer Unternehmen vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte verrichten. Dann sollen die §§ 104 und 105 SGB VII entsprechend gelten für die Ersatzpflicht der für die beteiligten Unternehmen Tätigen untereinander. Hinweise, dass die Begriffe der „betrieblichen Tätigkeit“ und der „für die Unternehmen Tätigen“ hier anders zu verstehen sein sollen als bei den §§ 104 Abs. 1 S. 1 und 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII, sind nicht ersichtlich, sodass auch im Rahmen des § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII nur einem Unternehmen dienende Tätigkeiten erfasst sein können, nicht dagegen versicherte Tätigkeiten im eigenen Interesse.630 Damit sind für den Bereich der unechten Unfallversicherung insbesondere die Lernenden im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 SGB VII vom Anwendungsbereich des § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII ausgeschlossen, daneben auch Arbeitsuchende im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII und Rehabilitanden im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 15 SGB VII. Denkbar wäre in diesen Fällen lediglich eine analoge Anwendung von § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII. 628  BSGE

98, 285 (293). Tischendorf, VersR 2003, S. 1361 (1366). 630  So auch Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 106 Rn. 14. 629  Anders



D. Beschränkung der Haftung: Die Regelung des § 106 SGB VII297

a) Analoge Anwendbarkeit auf Bildungseinrichtungen Von vielen Stimmen in der Literatur wird aufgrund der fehlenden Erwähnung des Unternehmens in § 106 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII angenommen, die Haftungsbeschränkung wäre für die genannten Versicherten untereinander umfassend anzuwenden, unabhängig davon, ob sie derselben Lerneinrichtung angehören oder auch nur Einrichtungen desselben Trägers.631 Daneben wird die räumliche Einheit mehrerer Bildungseinrichtungen als ein Unternehmen verstanden, in dem die Haftungsbeschränkung für alle Versicherten und betrieblichen Tätigen untereinander gelten müsse.632 Dieses weite Verständnis ist jedoch weder mit dem Sinn und Zweck dieser Haftungsbeschränkung, noch mit dem System und der Historie des § 106 Abs. 1 SGB VII vereinbar. Unmittelbar aus § 106 Abs. 1 SGB VII folgt daher keine die einzelne Einrichtung übergreifende Haftungsbeschränkung.633 Eine übergreifende Haftungsbeschränkung könnte jedoch im Wege der analogen Anwendung des § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII dann angenommen werden, wenn die strengen Voraussetzungen dieser Vorschrift – auf die jeweilige Situation übertragen – vorliegen, beispielsweise wenn zwei Schulen sich einen Pausenhof oder eine Sporthalle teilen oder ein gemeinsames Schulfest organisieren oder Schüler im Rahmen eines Projektes an Veranstaltungen einer Universität teilnehmen. Dass § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII nur vorübergehende Tätigkeiten erwähnt, steht dem nicht entgegen, da dies nach herrschender und zutreffender Auffassung lediglich Mindestvoraussetzung sein kann. Wenn schon bei vorübergehenden gemeinsamen Tätigkeiten die Haftung beschränkt wird, muss das erst recht bei dauerhaften gemeinsamem Tätigwerden gelten, um Schutzlücken zu verhindern.634 631  Ebsen, in: jurisPK SGB VII, § 106 Rn. 14; Krasney, NZS 2004, S. 68 (69); Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Rn. 8; Leube, VersR 2000, S. 948 (950 f.); Leube, VersR 2010, S. 1561 (1562); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Anm. 4.3; Nehls, SVR 2010, S. 125 (127); Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 106 Rn. 7; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 106 Rn. 4; Schlaeger, in: Schlaeger / Linder, §  9 Rn.  10. 632  BGH, NJW 1988, S. 493 (439 f.); Grüner, in: Becker / Franke / Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, § 106 Rn. 6; Lemcke, r+s 2003, S. 128 (128); Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 116; wohl auch Rolfs, VersR 1996, S. 1194 (1199). 633  Siehe dazu ausführlich oben Kapitel 2 D. I. 1. a) sowie Kapitel 2 D. I. 2. b). 634  Herrschende Auffassung, vgl. statt Vieler Jahnke, VersR 2000, S. 155 (157); von Koppenfels-Spies, in: Kreikebohm / Spellbrink / Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, § 106 SGB VII Rn. 10; Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Rn. 16; Imbusch, VersR 2001, S. 547 (547); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

Da § 106 Abs. 1 SGB VII lediglich die Haftung der Versicherten und Betriebsangehörigen innerhalb eines Unternehmens beschränkt, besteht eine Regelungslücke bezüglich der Haftung mehrerer Lernender verschiedener Einrichtungen untereinander. Fraglich ist jedoch, ob sie planwidrig ist. Dagegen könnte sprechen, dass der Gesetzgeber mit § 106 Abs. 1 SGB VII eine Sonderregelung für diese Unternehmen getroffen hat. Wäre diese als abschließend anzusehen, wäre für eine Analogie kein Platz.635 Ebenso denkbar ist es jedoch, dass der Gesetzgeber diesen Fall nicht gesehen hatte. Indem er für die Bildungsunternehmen die Regelung des § 106 Abs.1 SGB VII schuf, wollte er diese Versicherten hinsichtlich der zivilrechtlichen Haftung in jeder denkbaren Konstellation den von § 105 Abs. 1 SGB VII erfassten betrieblich Tätigen gleichstellen. Die Lernenden wurden ausdrücklich in den Anwendungsbereich der Haftungsbeschränkung einbezogen, um ihre Schutzwürdigkeit und das öffentliche Interesse an ihrer Tätigkeit zu unterstreichen. Dass eine Gleichstellung mit den betrieblich Tätigen unterschiedlicher Unternehmen auf gemeinsamer Betriebsstätte unterblieb, muss daher als Versehen gewertet werden. Die jeweiligen Interessenlagen sind ebenfalls vergleichbar. Wie die betrieblich Tätigen agieren die Lernenden fremdbestimmt, ohne einen eigenen Einfluss darauf, auf wen sie im Rahmen ihrer Tätigkeit treffen. Ein Schüler kann sich ebenso wenig aussuchen, ob er sich mit den Schülern der benachbarten Schule eine Turnhalle teilt, wie ein Beschäftigter Einfluss auf diejenigen Personen hat, denen er auf einer gemeinsamen Betriebsstätte begegnet. Es müssen jedoch die engen Voraussetzungen vorliegen, die § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII aufstellt, d. h. es muss eine gemeinsame „Betriebsstätte“ vorliegen. Diese ist nicht gegeben, wenn nach § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 SGB VII Versicherte verschiedener Unternehmen zufällig aufeinandertreffen, beispielsweise in einer Gaststätte oder in einem Beförderungsmittel, ohne einen gemeinsamen Ausflug durchführen zu wollen.636 Vielmehr ist ein planmäßiges, bewusstes und gewolltes Aufeinandertreffen erforderlich, beispielsweise durch vorherige Absprachen oder gemeinsame Planungen der Unternehmer oder ihrer Vertreter. Ist dies gegeben, liegen die Voraussetzungen einer analogen Anwendbarkeit des § 106 Abs. 3 SGB VII vor, sodass Anm. 8.4; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 106 Rn. 10a; andere Auffassung Kater, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Rn. 18. 635  So wohl Lemcke, r+s 2000, S. 221 (223). – Krasney, in: FS Deutsch, S. 317 (329), spricht sich im Hinblick auf die detaillierte Bestimmung der „anderen Personen“ in § 106 SGB VII gegen eine analoge Anwendung der Haftungsbeschränkung zumindest für alle bei In-Kraft-Treten des SGB VII bereits bekannten Personengruppen aus, geht jedoch an anderer Stelle (Krasney, NZS 2004, S. 68 (70)) davon aus, dass § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII schon direkt auf Schüler anwendbar ist. 636  Beispiele nach Krasney, NZS 2004, S. 68 (70).



D. Beschränkung der Haftung: Die Regelung des § 106 SGB VII299

auch die Haftung der nach § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 SGB VII Versicherten untereinander beschränkt ist. Dies darf dann auch nicht nur innerhalb der jeweiligen Versichertengruppe gelten, sondern muss alle der genannten Versicherten erfassen.637 b) Analoge Anwendbarkeit auf andere Fälle der unechten Unfallversicherung Fraglich ist, ob eine analoge Anwendung des § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII auch auf andere Fälle der unechten Unfallversicherung möglich ist. In Betracht kämen Rehabilitanden im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 15 SGB VII und Arbeitsuchende im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII. Diese Personen verrichten die versicherten Tätigkeiten hauptsächlich in ihrem eigenen Interesse, werden also nicht betrieblich tätig. Für die erstgenannten wäre dann beispielsweise die Haftung bei der Schädigung eines Krankenhausbeschäftigten ausgeschlossen.638 Bei den zweitgenannten könnte man an eine Schädigung eines potentiellen Arbeitgebers oder Kollegen denken. Die analoge Anwendbarkeit von § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII setzt zunächst voraus, dass überhaupt eine gemeinsame Betriebsstätte vorliegt.639 Diese wird von Bundesgerichtshof, Bundesarbeitsgericht und Literatur definiert als „betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewußt und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, daß die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt.“640 Eine ähnliche Situation ist bei der medizinischen Rehabilitation 637  So auch Schlaeger, in: Schlaeger / Linder, § 9 Rn. 16, der § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII jedoch direkt anwenden will. 638  Unternehmer der Rehabilitationsmaßnahmen ist nach §  136 Abs. 3 Nr. 2 SGB VII nicht derjenige, der die Rehabilitationsmaßnahme durchführt, sondern der Rehabilitationsträger, d. h. derjenige, der die Maßnahme veranlasst und die Kosten dafür trägt. Vgl. zur fehlenden Anwendbarkeit des § 104 SGB VII für die Haftung des Krankenhausbetreibers gegenüber einem Patienten OLG Dresden, Verfügung vom 19. Januar 2009 – 4 U 1599 / 08. 639  Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 106 Rn. 14, verneint das für Krankenhauspatienten (§ 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. a SGB VII), die bei einer Behandlung einen Krankenhausbeschäftigten schädigen und umgekehrt. 640  Grundlegend BGHZ 145, 331 (335 f.); zustimmend BAGE 104, 229 (236); Dahm, r+s 2001, S. 397 (398); Faecks, in: FS AG Arbeitsrecht, S. 1207 (1220 f.); Gamperl, NZV 2001, S. 401 (403); Imbusch, VersR 2001, S. 547 (550 f.); Jung, BG 2010, S. 558 (559); von Koppenfels-Spies, SGb 2008, S. 422 (422); Krasney, NZS 2004, S. 68 (70); Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 132; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Anm. 8.3; Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 106 Rn. 16 f.; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 106 Rn. 10a; Schmidt, BB 2002, S. 1859 (1860); Stöhr, VersR 2004,

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

durchaus denkbar, beispielsweise wenn ein Patient im Rahmen einer Physiotherapie an der Behandlung mitwirkt und dabei den Therapeuten verletzt. Im Rahmen der Erfüllung von Meldepflichten könnte ein bewusstes Zusammenwirken im Wege sich ergänzender Tätigkeiten bei Probearbeiten in Betracht kommen.641 Dennoch ist die Interessenlage nicht ähnlich genug, um eine analoge Anwendung von § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII zu rechtfertigen. Die gemeinsame Betriebsstätte im Sinne dieser Vorschrift setzt eine auf dem gemeinsamen Tätigwerden beruhende Gefahrengemeinschaft voraus, d. h. das Risiko, einen für ein Fremdunternehmen Tätigen zu schädigen, muss ebenso hoch sein wie das Risiko, einen für dasselbe Unternehmen Tätigen zu schädigen. § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII knüpft damit an den Gedanken des § 105 SGB VII an, der ebenfalls den Schutz der Gefahrengemeinschaft bezweckt, und überträgt ihn auf mehrere Unternehmen bei Tätigkeiten Versicherter auf einer gemeinsamen Betriebsstätte. Wie bei § 105 SGB VII kann jedoch auch bei § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII das bloße Bestehen einer Gefahrengemeinschaft nicht genügen, um eine Haftungsbeschränkung herbeizuführen. § 105 SGB VII stellt daher zusätzlich das Erfordernis der betrieblichen im Sinne einer betriebsdienlichen, fremdnützigen Tätigkeit auf.642 Die Unfallversicherung prägt das Ziel, Personen von der Haftung zu befreien, die eine einem fremden Betrieb dienliche Tätigkeit ausführen;643 eine Ausweitung auf im eigenen Interesse Tätige hat der Gesetzgeber nur im Fall der Bildungseinrichtungen für nötig erachtet und daher in § 106 Abs. 1 SGB VII gesondert angeordnet.644 Eine analoge Anwendung von § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII auf Meldepflichtige oder Rehabilitanden, die eigene Interessen verfolgen, würde damit dem System der Unfallversicherung zuwiderlaufen, das grundsätzlich nur bei fremdnützigen Tätigkeiten eine Haftungsbeschränkung vorsieht. S. 809 (811); Waltermann, NJW 2002, S. 1225 (1229); Waltermann, in: FS 50 Jahre BSG, S. 571 (577); Wellner, NJW-Spezial 2009, S. 402 (403). 641  Gegen eine Tätigkeit für den potentiellen Arbeitgeber im Wege der WieBeschäftigung, § 2 Abs. 2 SGB VII, spricht die Handlungstendenz des Meldepflichtigen, der primär in seinem eigenen Interesse an der Einstellung tätig wird und nicht im Interesse des Unternehmens; vgl. beispielsweise BSG, SozR 2200 § 539 Nr. 119, S. 341; ebenso LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 25. Januar 2007 – L 14 U 70 / 05; LSG Bayern, Urteil vom 25. Januar 2011 – L 3 U 5 / 09. 642  Näher hierzu oben Kapitel 2 C. I. 3. b). 643  Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 57. 644  Nach Krasney, in: FS Deutsch, S. 317 (329), verbietet sich daher eine analoge Anwendung der Regelungen über die Haftungsbeschränkungen über die in § 106 SGB VII genannten Personengruppen hinaus, für deren Haftung ausdrückliche und detaillierte Bestimmungen getroffen wurde, zumindest für alle bei In-KraftTreten des SGB VII bereits bekannten Personengruppen.



E. Keine Haftungsbeschränkung bei Vorsatz und Wegeunfall301

4. Ergebnis zu § 106 Abs. 3 SGB VII Der Begriff der für ein Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder des Zivilschutzes Tätigen geht über den Versicherungstatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII hinaus und erfasst alle in diesen Unternehmen Tätigen. Unter § 106 Abs. 3 Var. 1 und 2 SGB VII fallen damit auch Nothelfer, deren Tätigkeit selbst als Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen zu werten ist. Allerdings wird bei diesen Versicherten in der Regel von einer Eingliederung in ein „größeres“ Unternehmen auszugehen sein, sodass sich die Frage der Haftungsbeschränkung zumeist nach § 105 Abs. 1 SGB VII richten wird. § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII beschränkt die Haftung der auf einer gemeinsamen Betriebsstätte Tätigen mehrerer Unternehmen. Dabei tritt wiederum der Gedanke der Gefahrengemeinschaft, der schon § 105 SGB VII maßgeblich prägt, in den Vordergrund, d. h. entscheidend muss sein, dass Schädiger und Geschädigter vor Ort aktiv tätig werden. Nicht erforderlich ist dagegen die Versicherteneigenschaft. Für den in der unechten Unfallversicherung versicherten Personenkreis ist der direkte Anwendungsbereich des § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII beschränkt, da hier – wie bei § 105 Abs. 1 SGB VII – eine betriebliche, d. h. eine betriebsdienliche, fremdnützige Tätigkeit vorausgesetzt wird.645 Anwendungsfälle in der unechten Unfallversicherung können im Rahmen der ehrenamtlichen Tätigkeit liegen sowie auf einer Baustelle, auf der Selbsthilfearbeiten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 16 SGB VII ausgeübt werden. Für den Bereich der versicherten eigennützigen Tätigkeiten kommt eine analoge Anwendung lediglich im Rahmen der Schülerunfallversicherung646 in Betracht. Eine analoge Anwendbarkeit auf Rehabilitanden oder meldepflichtige Arbeitsuchende scheidet dagegen mangels vergleichbarer Interessenlage aus.

E. Keine Haftungsbeschränkung bei Vorsatz und Wegeunfall Die §§ 104, 105 und 106 SGB VII ordnen keine vollständige Ablösung der zivilrechtlichen Haftung an. Stattdessen ist sie beschränkt auf die vorsätzliche Herbeiführung und die Herbeiführung auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg. 645  Aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift fallen daher diejenigen Versicherten, die im eigenen Interesse tätig sind, d. h. die Versicherten in Bildungseinrichtungen (wobei hier eine analoge Anwendung möglich ist), die Arbeitsplatzsuchenden und die Rehabilitanden. 646  Sowie bei den mit den Schülern vergleichbaren Versicherten, d. h. bei dem in § 106 Abs. 1 SGB VII genannten Personenkreis.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

I. Haftung bei vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls 1. Vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls Die Frage, ob die Haftungsbeschränkung wegen vorsätzlicher Herbeiführung eines Versicherungsfalls wegfällt, spielt vor allem im schulischen Bereich eine große Rolle.647 Entsprechend lag der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu diesem Ausnahmetatbestand ein Schulunfall zugrunde. Zwei 13jährige waren in einen Streit geraten, wobei die Schülerin ihren Mitschüler kräftig an den Haaren zog. Das Opfer erlitt unter anderem ein Kopfschwartenhämatom, das eine längere Heilbehandlung erforderlich machte.648 Der Bundesgerichtshof ging davon aus, dass der Begriff der vorsätzlichen Herbeiführung sowohl im Sinne des die Haftungsbeschränkung unter Schülern regelnden § 637 RVO als auch im Sinne der Regressregelung zugunsten des Sozialversicherungsträgers, § 640 RVO, Vorsatz sowohl hinsichtlich der Verletzungshandlung als auch hinsichtlich des konkreten Verletzungserfolgs voraussetzte;649 ein solcher konnte der Schülerin jedoch nicht nachgewiesen werden. Da sich die Rechtsprechung anfangs auf diesen Versicherungstatbestand beschränkte650 und der Bundesgerichtshof die an den Vorsatz gestellten Anforderungen mit der besonderen Schulsituation begründete651, war lange Zeit ungewiss, ob das strenge Vorsatzerfordernis nur für diesen Personenkreis gelten sollte oder ob die Haftungsbeschränkung generell nur bei vorsätzlicher Herbeiführung auch des konkreten Erfolgs wegfallen sollte.652 647  Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 165, spricht davon, dass sich die praktische Bedeutung des Ausnahmetatbestands vor allem auf den Schulbereich beschränke; vergleichbar auch Dahm, SozVers 2000, S. 66 (67); Nehls, SVR 2010, S. 125 (128). – Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 34, 118 (134)) bezeichnet diese Ausnahmevorschrift als „praktisch bedeutungslos“; zustimmend Kock, NZS 2005, S. 18 (19). 648  BGHZ 75, 328. 649  BGHZ 75, 328 (331 f.). 650  Vgl. beispielsweise OLG Celle, ZfSch 1985, S. 297; OLG Düsseldorf, VersR 1987, S. 675; OLG Saarbrücken, ZfSch 1989, S. 121; OLG Koblenz, NJW-RR 1993, S. 97; LG Düsseldorf, NJW 1986, S. 1945; LG Hamburg, r+s 1996, S. 357. 651  BGHZ 75, 328 (333 f.): „Insbesondere bei Schulunfällen zeigt sich, daß eine solche Reduzierung der Haftungsüberwälzung auf vorsätzliche oder grob fahrlässige Schadenszufügung erforderlich ist.“ 652  Für eine Beschränkung auf die Schülerunfallversicherung Wolber, NJW 1980, S. 2527 (2527); für eine weitreichende Anwendung Bodenburg, NJW 1980, S. 997 (998); Graßl, BG 1987, S. 156 (160). – Henker, Haftungsausschluß und Rückgriff, S. 202 ff., geht davon aus, dass der Bundesgerichtshof seine Auffassung



E. Keine Haftungsbeschränkung bei Vorsatz und Wegeunfall303

Inzwischen beweisen zahlreiche Urteile, dass der Ausnahmetatbestand allgemein eng ausgelegt werden soll;653 auch in der Literatur wird nicht mehr von einer Beschränkung auf die Schülerunfallversicherung ausgegangen.654 Vorübergehende Unsicherheiten entstanden bei der Einführung des SGB VII. Während die §§ 104 Abs. 1 S. 1, 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII von der vorsätzlichen Herbeiführung eines Versicherungsfalles sprechen, ermöglicht § 110 Abs. 1 SGB VII dem Sozialversicherungsträger die Regressmöglichkeit, wenn der Schädiger den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat (Satz 1), wobei sich nach Satz 3 das Verschulden nur auf das den Versicherungsfall verursachende Handeln oder Unterlassen zu beziehen braucht. Aus dem Zusammenspiel dieser Normen wurde geschlossen, auch im Rahmen der Haftungsbeschränkung müsse sich der Vorsatz nunmehr nur noch auf die Verletzungshandlung, nicht jedoch auf den Verletzungserfolg beziehen.655 Bundesgerichtshof656 und Bundesarbeitsgericht657 haben dieser Auslegung eine Absage erteilt. Die Definition des Arbeitsunfalls in § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII enthalte das Merkmal des Gesundheitsschadens; die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls Arbeitsunfall setze daher eine vorsätzauf die Schulsituation begrenzen wollte, und kritisiert dies im Hinblick auf andere Jugendliche. 653  Vgl. beispielsweise BAGE 103, 92; BAGE 110, 195; BAG, AP Nr. 6 zu § 104 SGB VII. 654  Stattdessen wird die Erstreckung des Vorsatzerfordernisses auf die konkreten Verletzungsfolgen generell für den gesamten Anwendungsbereich der §§ 104  ff. SGB VII angenommen; vgl. statt Vieler Ebsen, in: jurisPK SGB VII, § 104 Rn. 26; von Koppenfels-Spies, in: Kreikebohm / Spellbrink / Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, § 104 Rn. 7; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 104 Rn. 12. – Rolfs, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 104 SGB VII Rn. 12, zieht eine Parallele zu § 103 VVG und der Arbeitnehmerhaftung im Übrigen, wo der Vorsatz sich ebenfalls auch auf den konkreten Schadensumfang beziehen muss (für § 103 VVG wurde dies ausdrücklich in der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts festgehalten (BT-Drucks. 14 / 3945, S. 85: „Klargestellt wird, dass sich der Vorsatz hier – anders als bei § 823 BGB – nicht nur auf die Handlung, sondern auch auf die Schadensfolgen beziehen muss, damit der Haftungsausschluss zu Gunsten des Versicherers greift.“); für die Arbeitnehmerhaftung nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs grundlegend das Bundesarbeitsgericht im so genannten Gabelstaplerfall, BAGE 101, 107 (116 ff.). 655  LG Stendal, VersR 2001, S. 1294; Nehls, in: Hauck  / Noftz SGB VII, § 104 Rn. 28a; Otto, NZV 1996, S. 473 (477); Rolfs, NJW 1996, S. 3177 (3178); Rolfs, DB 2001, S. 2294 (2297); Rolfs, VersR 1996, S. 1194 (1199 f.); zweifelnd auch Dahm, SozVers 2000, S. 66 (68). 656  BGHZ 154, 11 (15 ff.). 657  BAGE 103, 92 (95 ff.); BAGE 110, 195 (206 f.).

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

liche Schadenszufügung voraus.658 Die unterschiedlichen Maßstäbe seien zudem durch den Zweck der beiden Normen gerechtfertigt. Die §§ 104 ff. SGB VII trügen hauptsächlich dem Gedanken Rechnung, dass das Zusammenwirken im Betrieb je nach den daraus drohenden Gefahren leicht zu Schädigungen führen könne, weswegen eine Haftung des Schädigers nur angemessen sei, wenn ihn ein besonders schwerer Vorwurf trifft und deshalb eine Belastung der Versichertengemeinschaft nicht mehr vertretbar erscheine. Dagegen sprächen für die Ersatzpflicht gegenüber dem Sozialversicherungsträger nach § 110 Abs. 1 SGB VII letztlich präventive und erzieherische Gründe.659 Eine Änderung der Voraussetzungen gegenüber der RVO sei zudem vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen.660 Schon die Tatsache, dass der Gesetzgeber im Rahmen des § 110 Abs. 1 S. 3 SGB VII die Bezugspunkte des Vorsatzes ausdrücklich festgelegt hat, spricht dafür, dass er nur für diese Vorschrift eine Änderung herbeiführen wollte. Maßgebliches Argument für die unterschiedliche Ausgestaltung des Vorsatzerfordernisses ist jedoch der Sinn und Zweck der jeweiligen Vorschriften. Der unfallversicherungsrechtliche Haftungsausschluss will zum einen den betrieblichen Frieden schützen und zum anderen demjenigen die Haftung abnehmen, der im Rahmen einer Gefahrengemeinschaft tätig ist. Dieser Zweck kann nur gewahrt werden, wenn der Wegfall der Haftungsbeschränkung die Ausnahme bleibt, d. h. nur dann eintritt, wenn die Tat einen besonderen Unrechtsgehalt aufweist. § 110 Abs. 1 SGB VII dagegen hat erzieherische und sanktionierende Funktion; in Fällen, in denen es nicht gerechtfertigt erscheint, den Unfallversicherungsträger für die Folgen aufkommen zu lassen, weil der Herbeiführung des Versicherungsfalls grobes Verschulden zugrunde liegt, soll er den Verursacher haftbar machen können. Die Vorschrift des § 110 Abs. 1 SGB VII stellt einen angemessenen Ausgleich dar zwischen den Zielen der Haftungsbeschränkung und den finan­ ziellen Interessen der Sozialversicherungsträger. Die Literatur hat sich der Rechtsprechung daher zu Recht angeschlossen.661 658  BGHZ 154,

11 (16); BAGE 103, 92 (97). 11 (18 f.); BAGE 103, 92 (97 f.). 660  BGHZ 154, 11 (16 f.); vgl. dazu die Begründung zum Entwurf des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, BT-Drucks. 13 / 2204, S. 100, wonach „die Haftung des Unternehmers für Personenschäden nach anderen gesetzlichen Vorschriften gegenüber dem Versicherten, seinen Angehörigen und Hinterbliebenen entsprechend dem geltenden Recht (§ 636 Abs. 1 Satz 1 RVO) auf vorsätzliches Handeln des Unternehmers“ beschränkt sein soll. 661  Herrschende Meinung; vgl. statt Vieler Brose, RdA 2011, S.  205 (214); Deutsch, VersR 2003, S. 597 (597); Diederichsen, VersR 2006, S. 293 (294 f.); Kater, in: Kater  /  Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 106 Rn. 37; Kock, NZS 2005, S. 18 (19 f.); Krasney, NZS 2004, S. 7 (10); Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Rn. 22; Lepa, Haftungsbe659  BGHZ 154,



E. Keine Haftungsbeschränkung bei Vorsatz und Wegeunfall305

2. Sonderfall: Vorsätzliche Schädigung unter Schülern Da der Ausschluss der Haftungsbeschränkung wegen Vorsatzes hauptsächlich in der Schülerunfallversicherung von praktischer Bedeutung ist, hat sich die Rechtsprechung mit der Frage, wann von Vorsatz auszugehen ist, hier intensiv beschäftigt. Da ein Versicherungsfall eines Schülers schon gegeben sein kann, wenn der Unfall auf Spielereien, kindtypischen Streitigkeiten, Neckereien, jugendlichem Nachahmungstrieb oder sonstigem Gruppenverhalten beruht,662 wird auch die Grenze weit gezogen, jenseits der von einer vorsätzlichen Herbeiführung eines Versicherungsfalls ausgegangen werden kann. Die Zufügung von Schmerzen im Rahmen von schulischen Raufereien werde von den Beteiligten in der Regel zumindest billigend in Kauf genommen, wenn nicht sogar gewollt. Dabei sei jedoch im Normalfall die Zufügung von dauerhaften und ernstlichen Verletzungen nicht beabsichtigt.663 Würde man daher im Rahmen der Haftungsbeschränkung das Vorsatzerfordernis lediglich auf die Verletzungshandlung beziehen, würde der Anwendungsbereich von § 106 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII erheblich eingeschränkt.664 Geht man mit der Auffassung des Bundesgerichtshofs und der ihm folgenden Literatur davon aus, dass sich Schüler bei Raufereien untereinander in der Regel keinen dauerhaften und ernstlichen Schaden zufügen wollen, fragt sich, wo die Grenze dieser Annahme liegt. Für den Bundesgerichtshof ist sie überschritten, wenn besondere Brutalität im Spiele ist, denn dann liege „der Schluß auf den Vorsatz der Schadenszufügung nahe“.665 An die schränkungen bei Personenschäden, S. 161 ff.; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Anm. 18.1; Nehls, SVR 2010, S. 125 (128); Rolfs / Dieckmann, VersR 2010, S. 296 (300); Waltermann, NJW 2004, S. 901 (906); Waltermann, in: FS 50 Jahre BSG, S. 571 (588); andere Auffassung Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 104 Rn. 28a. 662  Ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts; vgl. beispielsweise BSG, SozR 4-2700 § 8 Nr. 7 Rn. 9; BSG, SozR 4-2700 § 8 Nr. 25 Rn. 12; für die Literatur vgl. statt Vieler Leube, in: Kater / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 204; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 18.10; Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 102. – Siehe näher zu den Unterschieden gegenüber der versicherten Tätigkeit eines Beschäftigen oben Kapitel 1 C. V. 2. b). 663  BGHZ 75, 328 (333); zustimmend Diederichsen, VersR 2006, S. 293 (295); Falkenkötter, NZS 1999, S. 379 (380); Lemcke, in: Brennpunkte des Sozialrechts 1995, S. 165 (185); Rolfs, VersR 1996, S. 1194 (1199); Rolfs / Dieckmann, VersR 2010, S. 296 (300); Waltermann, NJW 2004, S. 901 (906); Waltermann, in: FS 50 Jahre BSG, S. 571 (589); Wolber, SozVers 1978, S. 294 (295). 664  Ebenso BGHZ 154, 11 (19 f.); Falkenkötter, NZS 1999, S. 379 (380); Rolfs  / ​ Dieckmann, VersR 2010, S. 296 (300); Schlaeger, in: Schlaeger / Linder, § 9 Rn. 5. 665  BGHZ 75, 328 (334).

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

Annahme besonderer Brutalität scheint er jedoch recht hohe Anforderung zu stellen. Im oben geschilderten Fall hatte die Schülerin nach den Tatbestandsfeststellungen des OLG Celle als Vorinstanz666 ihren körperlich unterlegenen Mitschüler an den Haaren durch die Klasse gezogen und auch nicht innegehalten, als dieser sie unter Schmerzensschreien mehrfach bat, aufzuhören.667 Diese Entscheidung legt die Vermutung nahe, dass der Ausschluss der Haftungsbeschränkung wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls zumindest im schulischen Bereich selten bejaht werden wird. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die in den seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vergangenen Jahren stetig gestiegene Gewalt unter Jugendlichen bedenklich.668 Die pauschale Annahme, Schüler wollten sich untereinander zwar Schmerzen zufügen, beabsichtigten jedoch grundsätzlich keine dauerhaften Verletzungsfolgen, überzeugt daher in dieser Allgemeinheit nicht.669 Dies gilt umso mehr, als das Zivilrecht mit § 828 BGB schon eine Regelung hinsichtlich der Schädigung durch Minderjährige trifft.670 Da die unfallversicherungsrechtliche Haftungsbeschränkung zugunsten des Minderjährigen das Bestehen eines – ausschließbaren – Ersatzanspruchs voraussetzt, muss für den Schädiger die Hürde der Verschuldensfähigkeit nach § 828 BGB überschritten sein.671 Die Rechtsprechung wird daher im 666  OLG

Celle, VersR 1979, S. 518. hohe Anforderungen an das Vorliegen von Vorsatz stellen auch die Instanzgerichte; vgl. beispielsweise OLG Bremen, VersR 1981, S. 929; OLG Celle, VersR 1999, S. 1550. 668  Zur Gewalt unter Jugendlichen Theurer, ZRP 2003, S. 59 (60); zur Kinderund Jugendkriminalität allgemein vgl. beispielsweise Schwind, Kriminologie, § 3 Rn.  9 ff. 669  Kritisch daher auch Graßl, BG 1987, S. 156 (162); Rolfs, VersR 1996, S. 1194 (1200). 670  So auch Rolfs, VersR 1996, S. 1194 (1200). – Graßl, BG 1987, S. 156 (162) und Henker, Haftungsausschluß und Rückgriff, S. 208 f., wollen die Frage der vorsätzlichen Herbeiführung eines Versicherungsfalls sogar nur über diese Vorschrift lösen und stehen dem strengen Vorsatzerfordernis (Erfassung auch der Verletzungsfolgen) kritisch gegenüber. 671  Dies gilt indes nicht nur für Schüler, sondern für alle minderjährigen Schädiger, wie Henker, Haftungsausschluß und Rückgriff, S. 208, zu Recht klarstellt. – Aus dem Zusammenspiel von § 106 Abs. 1 SGB VII und § 828 BGB folgt indes nicht, dass Unfälle bei auf gruppendynamischem Verhalten beruhenden Spielereien nur für minderjährige Schüler einen Versicherungsfall darstellen können (so aber LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt 2004, S. 32 (35); Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 8 Rn. 103). Das Bundessozialgericht (ständige Rechtsprechung; vgl. nur BSG, SozR 4-2700 § 8 Nr. 7 Rn. 10, mit weiteren Nachweisen) hat dies zu Recht abgelehnt mit der Begründung, dass gruppendynamisches Verhalten im Prozess des Erwachsenwerdens nicht automatisch mit Vollendung des 18. Lebensjahres beendet sei, wenn auch unbestreitbar zwischen 14- und 18-Jährigen in der Regel erhebliche 667  Vergleichbar



E. Keine Haftungsbeschränkung bei Vorsatz und Wegeunfall307

Einzelfall genau untersuchen müssen, ob jeweils die schweren Folgen nicht zumindest billigend in Kauf genommen wurden. Die gegenüber § 640 RVO erweiterte Möglichkeit der Sozialversicherungsträger, den Schädiger nach § 110 Abs. 1 SGB VII haftbar zu machen, stellt dabei einen Schritt in die richtige Richtung dar. Zwar ist aufgrund des hohen Vorsatzerfordernisses nur in wenigen Fällen von einem Wegfall der Haftungsbeschränkung nach § 106 Abs. 1 SGB VII auszugehen, was insbesondere im Interesse des Schulfriedens – und auch des minderjährigen und daher typischerweise mit den (mitunter lebenslangen) finanziellen Folgen einer Schädigung überforderten Schädigers – überzeugt. Allerdings ermöglicht § 110 Abs. 1 S. 3 SGB VII den Sozialversicherungsträgern einen Anspruch gegen den Schädiger schon dann, wenn diesem hinsichtlich der Verletzungshandlung grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Dies unterstreicht die Sanktions- und Erziehungsfunktion672 des § 110 SGB VII, die auch im Rahmen der Schülerunfallversicherung nicht unterschätzt werden darf. Hinsichtlich der Bedenken gegenüber einer eventuellen finanziellen Überforderung des Schädigers hat hier der anspruchsberechtigte Sozialversicherungsträger nach § 110 Abs. 2 SGB VII die Möglichkeit, nach billigem Ermessen auf den Ersatzanspruch ganz oder teilweise zu verzichten.

II. Haftung bei Herbeiführung auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg Die zweite und in der Praxis bedeutendere Ausnahme vom Grundsatz der Haftungsbeschränkung stellen die so genannten Wegeunfälle dar, genauer die Herbeiführung des Versicherungsfalles „auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg“. 1. Auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg Die in den §§ 104 Abs. 1 S. 1, 105 Abs. 1 S. 1 SGB VII verwendete Formulierung „auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg“ stellt Unterschiede bestünden; zustimmend Keller, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 8 Rn. 22a, 175; Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 8 Rn. 164, 167; Richter, in: Becker / Franke / Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, § 2 Rn. 64; Plagemann, in: Plagemann / Radtke-Schwenzer, Gesetzliche Unfallversicherung, S. 46. 672  BGHZ 57, 96 (99); BGHZ 75, 328 (331); BGHZ 154, 11 (18); zur Erziehungsfunktion des Rückgriffs und ihrer Gefährdung bei zu strengen Anforderungen an den Vorsatz auch Wolber, NJW 1980, S. 2527 (2527). Auch das Oberlandesgericht Celle (VersR 1999, S. 1550 (1551)) betont dieses Zusammenspiel von Schulfrieden und Erziehungsfunktion.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

eine Neuerung dar gegenüber der Vorgängerregelung der §§ 636, 637 RVO. Hier fiel die Haftungsbeschränkung weg, „wenn der Arbeitsunfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist“. Die beiden Formulierungen erfassen größtenteils dieselben Fälle – der nunmehr in § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII geregelte Wegeunfall war der Hauptanwendungsfall der Teilnahme am allgemeinen Verkehr. Deutlich zeigt sich der Unterschied zwischen den beiden Formulierungen jedoch in den so genannten Hol- und Bringfällen, in denen der Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit vom Unternehmer organisiert ist. Für die Bejahung der Teilnahme am allgemeinen Verkehr war maßgeblich, ob der Versicherte den Unfall als normaler Verkehrsteilnehmer oder als Betriebsangehöriger erlitten hatte, d. h. ob sich der Unfall im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem als innerbetrieblicher Vorgang dargestellt hatte.673 Die Beschränkung der Haftung sollte dort ausgeschlossen sein, wo der Versicherte als Schädiger jedem anderen Verkehrsteilnehmer gleichstand.674 Die Teilnahme am allgemeinen Verkehr war danach nicht gleichbedeutend mit der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr, sodass es nicht darauf ankam, wo der Unfall sich ereignet hatte, sondern darauf, inwieweit er mit dem Betrieb und der Berufstätigkeit des Versicherten zusammenhing.675 Aufgrund der Organisation durch den Unternehmer lag in den Hol- und Bringfällen keine Teilnahme am allgemeinen Verkehr vor, sodass unter der Geltung der RVO die Haftung beschränkt war.676 Dagegen ist der nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherte Weg zunächst lediglich der Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit, unabhängig von seiner Ausgestaltung im Einzelfall. Es besteht daher Uneinigkeit darüber, ob bei einem vom Unternehmer organisierten Weg die Haftungsbeschränkung entsprechend den zur Teilnahme am allgemeinen Verkehr entwickelten Grundsätzen eingreift oder ob es bei der Herbeiführung eines Versicherungsfalls auf einem Sammeltransport bei der Haftung nach den zivilrechtlichen Regelungen bleibt.

673  BGHZ 8, 330 (337), seitdem ständige Rechtsprechung, vgl. beispielsweise BGH, NJW 1973, S. 1326 (1326) mit weiteren Nachweisen. 674  BGH, NJW 1976, S. 673 (674); BGH, NJW-RR 1988, S. 602 (603); BGH, NJW-RR 1989, S. 473 (473). 675  BGH, NJW 1973, S. 1326 (1326). 676  Ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit BGHZ 8, 330; vgl. beispielsweise BGHZ 116, 30; BGHZ 19, 114.



E. Keine Haftungsbeschränkung bei Vorsatz und Wegeunfall309

a) Auffassung der Rechtsprechung: Gleichlauf von „Teilnahme am allgemeinen Verkehr“ und „nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versichertem Weg“ Bundesgerichtshof677 und Bundesarbeitsgericht678 gehen davon aus, dass mit der Änderung des Wortlauts keine inhaltliche Änderung eingetreten sei und damit die zum Merkmal der Teilnahme am allgemeinen Verkehr ergangene Rechtsprechung auch hinsichtlich der aktuellen Gesetzesfassung berücksichtigt werden könne. Der Gesetzgeber wolle „die Haftung des Unternehmers für Personenschäden (…) entsprechend dem geltenden Recht (§ 636 Abs. 1 Satz 1 RVO) auf vorsätzliches Handeln des Unternehmers und auf Wegeunfälle“ beschränken;679 daraus folge, dass er keine neue Regelung habe schaffen wollen.680 Zudem entspräche nur eine solche Auslegung der Vorschrift dem Zweck der Haftungsbeschränkung: Durch sie werde das Risiko von Arbeitsunfällen für den Unternehmer kalkulierbarer und der Betriebsfrieden innerhalb der Gefahrengemeinschaft werde gewahrt; dieser Zweck würde unterlaufen, wenn die zivilrechtliche Haftung wiederhergestellt würde in einer Situation, in der sich der Versicherte in einem der Organisation des Unternehmers unterliegenden Bereich befände.681 „Entgegen des Wortlauts des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII und in erweiternder Auslegung des § 8 Abs. 1 SGB VII“ sei daher ein Unfall auf dem Weg von und nach dem Ort der Tätigkeit ausnahmsweise „als Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII anzusehen“,682 wenn der Unternehmer den Transport zum Ort der Tätigkeit organisiert. Dies soll für den Bereich der echten Unfallversicherung beispielsweise bei einem vom Arbeitgeber organisierten Sammeltransport683 oder in der unechten Unfallversicherung bei einem vom Schulträger organisierten Transport der Schüler684 gelten. Dieser Auffassung hat sich zumindest ein Teil der Literatur angeschlossen.685 677  BGHZ

145, 311. 108, 206. 679  Begründung zum Entwurf des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, BTDrucks. 13 / 2204, S.  100. 680  BGHZ 145, 311 (313 f.); vgl. auch BAGE 108, 206 (213); Kock, NZS 2005, S. 18 (21). 681  BAGE 108, 206 (211 f.); Kock, NZS 2005, S. 18 (21); Schwab, AiB 2004, S. 770 (771). 682  BAGE 108, 206 (211). 683  So im Fall des Bundesarbeitsgerichts, BAGE 108, 206. 684  So im Fall des Bundesgerichtshofs, BGHZ 145, 311. 685  Gamperl, NZV 2001, S. 401 (402); Kock, NZS 2005, S. 18 (21 f.); Schwab, AiB 2004, S. 770 (771); Stöhr, VersR 2004, S. 809 (816); Waltermann, NJW 2004, S. 901 (907); Waltermann, NJW 2002, 1 S. 225 (1226); Wellner, NJW-Spezial 2009, S. 402 (402); Wolmerath, jurisPR-ArbR 14 / 2004 Anm. 2. – Unklar bei Rolfs, DB 678  BAGE

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

b) Gegenteilige Auffassung: Wegfall der Haftungsbeschränkung auf allen Wegen von und nach dem Ort der Tätigkeit Vor Erlass der Urteile von Bundesgerichtshof und Bundesarbeitsgericht ging die Literatur in weiten Teilen davon aus, dass mit der neuen Formulierung auch eine inhaltliche Änderung beabsichtigt gewesen sei.686 Entsprechend wird an der von Bundesgerichtshof und Bundesarbeitsgericht praktizierten Anwendung der zur Teilnahme am allgemeinen Verkehr entwickelten Grundsätze auf den heutigen Ausnahmetatbestand – bisweilen heftige – Kritik geübt.687 Ein maßgebliches Argument ist dabei der gegenüber § 636 Abs. 1 S. 1 RVO geänderte Wortlaut, der alle Wege von und nach dem Ort der Tätigkeit von der Haftungsbeschränkung ausschließt, unabhängig von ihrer Ausgestaltung im Einzelfall.688 Der Gesetzgeber habe durch die Neufassung gerade die Probleme beseitigen wollen, die bei der Auslegung des Merkmals der Teilnahme am allgemeinen Verkehr aufgetreten seien.689 Dass der Gesetzgeber die Haftung des Unternehmers „entsprechend dem geltenden Recht (§ 636 Abs. 1 Satz 1 RVO) auf vorsätzliches Handeln des Unternehmers und auf Wegeunfälle“ beschränken wolle, könne nur so verstanden werden, dass lediglich das Vorsatzerfordernis ebenso auszulegen sei wie bei

2001, S. 2294 (2298), der der Rechtsprechung zu folgen scheint, dann aber feststellt, auf vom Unternehmer organisierten Wegen greife das Haftungsprivileg nicht. 686  Kater, in: Kater  / Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Rn. 40; Lemcke, r+s 2000, S. 488 (488); Lepa, NZV 1997, S. 137 (138); Rolfs, NJW 1996, S. 3177 (3179); andere Ansicht Thüsing, SGb 2000, S. 595 (602), der jedoch selbst auf den Widerspruch zum Wortlaut hinweist. 687  Griese, in: FS Küttner, S. 165 (169); Grüner, in: Becker / Franke / Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, § 104 Rn. 22; Hebeler, VersR 2001, S. 951 (953); Krasney, NZS 2004, S. 7 (10 f.); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Anm. 19.2; Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 104 Rn. 31. 688  Auch der Bundesgerichtshof (BGHZ 145, 311 (313)) räumt ein, dass es „bei wörtlichem Verständnis des § 104 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz zweite Alternative i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII“ naheliege, „daß der Unternehmer bei Unfällen, die der Versicherte beim Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit erleidet, stets unbeschränkt haftet“, setzt sich aber dann aus teleologischen Gründen darüber hinweg. 689  Hebeler, VersR 2001, S. 951 (953); treffend Krasney, NZS 2004, S. 7 (11), der fragt, was „eigentlich der Gesetzgeber, der die Teilnahme am allgemeinen Verkehr nicht mehr als maßgebendes Kriterium für die Entsperrung der Haftungsbeschränkung festlegen mochte,“ anderes hätte tun können „als dieses Tatbestandsmerkmal nicht mehr in das Gesetz aufzunehmen, sondern ausschließlich auf Wegeunfälle i. S. des § 8 II Nrn. 1 bis 4 SGB VII abzustellen, für die es unerheblich ist, wie diese Wege zurückgelegt werden“.



E. Keine Haftungsbeschränkung bei Vorsatz und Wegeunfall311

§ 636 Abs. 1 S. 1 RVO, da sich hier tatsächlich nichts geändert habe, nicht jedoch der Ausschluss im Bezug auf den Wegeunfall.690 Es herrscht daher Uneinigkeit hinsichtlich der Frage, ob es bei vom Unternehmer organisierter Zurücklegung des Weges von und nach dem Ort der versicherten Tätigkeit bei der zivilrechtlichen Haftung bleibt, oder ob sie wie bei Verrichtung der versicherten Tätigkeit selbst nach den §§ 104 ff. SGB VII beschränkt ist. c) Betrieblich organisierte Wege als nach § 8 Abs. 1 SGB VII versicherte Wege Der Rechtsprechung und der ihr folgenden Literatur ist zuzugeben, dass sie den Sinn und Zweck der Haftungsbeschränkung konsequent weiterverfolgen. Indem der Unternehmer für Unfälle „seiner“ Versicherten auf einem von ihm organisierten Transport haften muss, wird der von § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII geschützte Betriebsfrieden gefährdet. Ähnlich wie bei der versicherten Tätigkeit nach § 8 Abs. 1 SGB VII begeben sich die Versicherten in eine fremdbestimmte Organisation, auf deren Ausgestaltung sie keinen Einfluss haben; dies gilt entsprechend auch für eine Haftung der Versicherten untereinander, die gemeinsam in die fremde Organisation eingegliedert sind. Diese Lösung ergibt daher aus Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten durchaus Sinn. Die vom Unternehmer organisierte Zurücklegung des Weges wäre dann von der Haftungsbeschränkung erfasst, wenn sie nicht unter § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII zu fassen wäre, sondern die auf diesen Wegen herbeigeführten Unfälle als Arbeitsunfälle im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB VII anzusehen wären. Denkbar wäre für diese Lösung zunächst eine Qualifizierung der betrieblich organisierten Wege als Betriebswege. Falls dies nicht möglich ist, könnte man sich in einem zweiten Schritt fragen, ob nicht im Wege der Auslegung eine Zuordnung der Hol- und Bringfälle zu den versicherten Tätigkeiten nach § 8 Abs. 1 SGB VII erreicht werden könnte. aa) Betrieblich organisierte Wege als Betriebswege? Die Auffassung der Rechtsprechung und der ihr folgenden Literatur baut darauf auf, dass vom Unternehmer organisierte Wege als Betriebswege qualifiziert werden.691 Damit fielen sie nicht unter § 8 Abs. 2 SGB VII, sondern 690  Krasney,

NZS 2004, S. 7 (11). 145, 311 (314); BAGE 108, 206 (210); für eine Qualifizierung als Betriebsweg auch Kock, NZS 2005, S. 18 (21 f.); Ricke, VersR 2003, S. 540 (542); Rolfs / Dieckmann, VersR 2010, S. 296 (301); wohl auch Waltermann, NJW 2004, S. 901 (907). 691  BGHZ

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

wären als versicherte Tätigkeit im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB VII zu qualifizieren.692 Betriebswege sind Wege, die der Versicherte im Auftrag oder im Interesse des Betriebs innerhalb oder außerhalb der Betriebsstätte unternimmt. Sie unterscheiden sich vom Weg nach § 8 Abs. 2 SGB VII dadurch, dass sie nicht lediglich der versicherten Tätigkeit vorangehen oder an sie anschließen, sondern selbst Teil der versicherten Tätigkeit nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind.693 Entscheidend für die Beurteilung, ob ein Weg im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt wird und deswegen im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, soll dabei die „objektivierte Handlungstendenz des Versicherten“ sein, also „ob der Versicherte eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte und diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird“.694 Auf einem vom Unternehmer organisierten Sammeltransport von und nach dem Ort der versicherten Tätigkeit sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Die Handlungstendenz des Versicherten ist nicht darauf gerichtet, eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit auszuüben, sondern nur darauf, sich zu dem Ort zu begeben oder sich von ihm zu entfernen, an dem sie auszuüben ist. Der Sammeltransport geht damit ebenso wie der eigenständig organisierte Weg von und nach dem Ort der Tätigkeit nur der versicherten Tätigkeit voran oder schließt sich an sie an. Der Unterschied liegt nicht in der Handlungstendenz des Versicherten, sondern lediglich in den Modalitäten der Zurücklegung des Weges. Eine Qualifizierung der Hol- und Bringfälle als unter § 8 Abs. 1 SGB VII fallende Betriebswege ist daher nicht möglich.

692  Auf Betriebswegen, die nach § 8 Abs. 1 SGB VII versichert sind, ist die Haftungsbeschränkung nicht ausgeschlossen; vgl. hierzu auch die Gesetzesbegründung zum Entwurf des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, BT-Drucks. 13  /  2204, S. 100. 693  So das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung, vgl. beispielsweise BSG, SozR 4-2700 § 8 Nr. 39 Rn. 20, mit weiteren Nachweisen; ebenso das Bundesarbeitsgericht, vgl. beispielsweise BAGE 108, 206 (201 f.); für die Literatur statt Vieler Hebeler, VersR 2001, S. 951 (953); Krasney, NZS 2004, S. 7 (11); Leube, in: Kater  /  Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 53; Schmitt, Kommentar SGB VII, § 8 Rn. 51. 694  BSG, SozR 4-2700 § 8 Nr. 39 Rn. 20.



E. Keine Haftungsbeschränkung bei Vorsatz und Wegeunfall313

bb) Der Weg von und nach dem Ort der versicherten Tätigkeit im Sinne von § 8 Abs. 2 SGB VII als private Verrichtung des Versicherten Der Unfallversicherungsschutz für viele der nach § 2 SGB VII versicherten Personen beruht auf dem Gedanken, dass sie sich in eine fremdorganisierte Umgebung einfügen, wo sie keinen Einfluss auf die ihnen drohenden Gefahren haben. Diese Überlegung trifft auf den Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 SGB VII grundsätzlich nicht zu, denn die Zurücklegung des Weges von und nach dem Ort der versicherten Tätigkeit ist Sache des Versicherten, der grundsätzlich selbst über die Modalitäten entscheidet und dem damit die alleinige Einflussmöglichkeit zusteht. Der Versicherungsschutz auf diesen Wegen beruht auf anderen Gesichtspunkten. Sie werden nicht aus privatem Interesse, sondern wegen der versicherten Tätigkeit unternommen und stellen somit eine Art Vor- oder Nachbereitungshandlung zur eigentlichen versicherten Tätigkeit dar;695 daneben werden sie häufig zu bestimmten Zeiten mit erhöhten Unfallgefahren („rush hour“) zurückgelegt.696 Andererseits sind diese Wege noch nicht Teil der eigentlichen versicherten Tätigkeit und rein tatsächlich werden mit solchen Wegen häufig auch private Verrichtungen und Zwecke verbunden.697 Der Versicherungsschutz wird über die versicherte Tätigkeit selbst hinaus erstreckt auf den privaten Bereich, wo ein Unfall nicht dem betrieblichen Risiko zugeordnet werden kann.698 Aus diesem Grund trennt das SGB VII auch deutlich zwischen dem Arbeitsunfall nach § 8 Abs. 1 SGB VII und dem Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 SGB VII: Die §§ 104 ff. SGB VII lassen die Haftungsbeschränkung auf dem versicherten Weg wegfallen, weil der Geschädigte regelmäßig unter solchen Umständen geschädigt wird, die ihn auch als normalen Verkehrsteilnehmer hätten treffen können; betriebliche Risiken spielen keine Rolle.699 Nach § 162 Abs. 1 S. 2 SGB VII bleiben Wegeunfälle unberücksichtigt im Beitragsausgleichsverfahren, das auf eine verstärkte Prävention durch die Unternehmer hinwirken soll, denn auf den nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 695  BSG, SozR 4-2700 § 8 Nr. 28 Rn. 13; BSGE 102, 111 (115); ebenso Krasney, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 8 Rn. 173; ähnlich Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 8 Rn. 178. 696  Kranig / Aulmann, NZS 1995, S. 203 (208); Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 178, jeweils mit weiteren Nachweisen. 697  BSG, SozR 4-2700 § 8 Nr. 28 Rn. 13; BSGE 102, 111 (115). 698  Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, S. 87, 89; Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 178. 699  Becker, BG 2011, S. 462 (467); Ebsen in: jurisPK SGB VII, § 104 Rn. 28; von Koppenfels-Spies, in: Kreikebohm / Spellbrink / Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, § 104 Rn. 8; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 104 Rn. 13; Stelljes, in: Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 104 SGB VII Rn. 26.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

SGB VII versicherten Wegen hat der Unternehmer keinen Einfluss auf das Unfallrisiko und damit keine Möglichkeit, die Risiken durch Präventionsmaßnahmen zu verhindern.700 Beiden Regelungen liegt die fehlende Einflussmöglichkeit des Unternehmers zugrunde und daraus folgend die Verwirklichung eines privaten und keines betrieblichen Risikos. Das gilt jedoch nicht für den vom Unternehmer organisierten Transport. Hier wird der Weg von und nach dem Ort der versicherten Tätigkeit nicht privat zurückgelegt, sondern es realisiert sich ein betriebliches Risiko, weil der Unternehmer „insoweit den von ihm beeinflußten Bereich erweitert hat“.701 Der Unternehmer kann beispielsweise durch die Auswahl und Schulung zuverlässiger Fahrer, die Festlegung einer risikoarmen Strecke oder die Sorge für sichere Verkehrsmittel Einfluss auf die auf dem Weg drohenden Gefahren nehmen.702 Der vom Unternehmer organisierte Weg ist vergleichbar mit dem Weg am Ort der Tätigkeit, der ebenfalls nicht unter § 8 Abs. 2 SGB VII, sondern unter § 8 Abs. 1 SGB VII fällt:703 Der Versicherte „steht hier noch in enger Berührung“ mit der Tätigkeit der anderen Versicherten und „hält sich noch in der Herrschaftssphäre“ des Unternehmers auf, dessen „Ordnungsgewalt“ er unterliegt.704 Damit gebieten es Sinn und Zweck zum einen des § 8 Abs. 2 SGB VII und zum anderen der §§ 104 ff. SGB VII, den vom Unternehmer organisierten Transport anders zu behandeln als den privaten Weg des Versicherten von und nach dem Ort der versicherten Tätigkeit. Die Frage, ob der Versicherungsfall auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt wurde, ist daher zu verneinen für die Fälle des vom Unternehmer organisierten Transports. Dies gilt jedoch nicht nur für die haftungsrechtlichen Regelungen der §§ 104 ff. SGB VII, sondern allgemein für die Frage, ob ein Arbeitsunfall nach § 8 Abs. 1 SGB VII oder nach § 8 Abs. 2 SGB VII eingetreten ist.705 Von erstem Fall ist dabei immer auszu700  Becker, BG 2011, S.  462 (467); Brandenburg / K. Palsherm in: jurisPK SGB VII § 162 Rn. 29; Höller in: Hauck / Noftz SGB VII, § 162 Rn. 9; Schlaeger, in: Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 162 SGB VII Rn. 1; Schmitt, Kommentar SGB VII, § 162 Rn. 6. 701  Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 178. 702  Ricke, VersR 2003, S. 540 (543). 703  Der Weg zum Ort der Tätigkeit eines Beschäftigten endet nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts mit dem Durchschreiten des Werkstors (grundlegend BSG, SozR 2200 § 725 Nr. 12, S. 41). Die innerhalb des Werksgeländes liegenden Wege sind Betriebswege, sodass Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 1 SGB VII besteht. 704  BAG, AP Nr. 1 zu § 105 SGB VII; für eine Gleichstellung der „Hol- und Bringunfälle“ mit denen des „Werksverkehrs“ auch Kock, NZS 2005, S. 18 (21). 705  Für diese Lösung auch Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S.  176 ff.; Ricke, VersR 2003, S. 540 (542 f.). – Unterstützt wird dieses Verständnis des Arbeitsunfalls nach § 8 Abs. 1 SGB VII auch durch einen Vergleich der deut-



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gehen, wenn sich ein betriebliches Risiko verwirklicht hat, während der Auffangtatbestand706 des § 8 Abs. 2 SGB VII nur dann erfüllt ist, wenn die Verwirklichung eines privaten Risikos ausnahmsweise unter Versicherungsschutz stehen soll.707 d) Zwischenergebnis zur Herbeiführung auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg Die Haftungsbeschränkung nach den §§ 104 ff. SGB VII fällt grundsätzlich auf allen Wegen von und nach dem Ort der Tätigkeit weg. Eine Ausnahme gilt in den Fällen, in denen der Weg unter dem Einfluss des Unternehmers steht, beispielsweise für den gemeinsamen Transport aller Schüler zur Schule oder von dieser nach Hause. Dies gilt jedoch nur, wenn der Transport speziell und nur für die Versicherten bereitgestellt wird; bei einem Schulbus, der häufig mehrere Schulen anfährt und von Beginn und Ende der jeweiligen Unterrichtszeit unberührt bleibt, liegt dagegen ein nach § 8 Abs. 2 SGB VII versicherter Weg vor, sodass es beim Wegfall der Haftungsbeschränkung bleibt.708 2. Besonderheiten in der Schülerunfallversicherung Hinsichtlich der Schülerunfallversicherung werden der Begriff des Wegeunfalls und der daraus folgende Wegfall der Haftungsbeschränkung enger ausgelegt, als es beispielsweise bei Beschäftigten angenommen wird. Anlass sind in der Regel Unfälle infolge von Raufereien nach Schulschluss, die zwar nicht mehr auf dem Schulgelände, aber häufig in dessen Nähe stattfinden. Insbesondere nach Schulschluss sei noch von der Realisierung schultypischer Risiken auszugehen, die auf den Bewegungsdrang nach dem Unterricht zurückzuführen seien.709 Vor Schulbeginn könne ein Unfall schen Rechtsordnung mit der anderer Länder: In Frankreich wird der Unfall eines Versicherten auf einem Sammeltransport ebenfalls als Arbeits- und nicht als Wegeunfall aufgefasst. In den USA besteht bei der Teilnahme am Werksverkehr Versicherungsschutz, während die Wegeunfälle unversichert sind; ausführlich und mit Nachweisen hierzu Thüsing, SGb 2000, S. 595 (595 ff.). 706  Ausführlich zur Subsidiarität des § 8 Abs. 2 SGB VII gegenüber § 8 Abs. 1 SGB VII Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 176 f. 707  Entsprechend sind daher die Unfälle auf vom Unternehmer organisierten Wegen auch beim Beitragsausgleichverfahren nach § 162 Abs. 1 SGB VII zu berücksichtigen; ebenso Kock, NZS 2005, S. 18 (22); Ricke, VersR 2003, S. 540 (543); Thüsing, SGb 2000, S. 595 (602). 708  Zweifelnd für diese Konstellation auch Gamperl, NZV 2001, S. 401 (402). 709  BGH, NJW 1982, S. 37 (38); BGH, NJW 1988, S. 493 (494); LG Freiburg, VersR 1982, S. 1101 (1002); zu diesen Kriterien auch BGH, NJW 1992, S. 2032

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

schulbezogen sein, wenn er auf der dem Schulbesuch eigenen Gruppendynamik beruhe.710 Daher seien Unfälle, die auf dem typischen Verhalten von Schülern beruhen, zumindest dann als Arbeitsunfälle im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB VII anzusehen, wenn der Unfall durch den Schulbetrieb und seine Vor- oder Nachwirkungen geprägt wurde.711 Die Qualifizierung von Schülerunfällen, die im unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Schulbesuch auf Neckereien, Spielereien oder altersbedingte Unaufmerksamkeit zurückzuführen sind, als von der Haftungsbeschränkung erfasste Unfälle war unter der Geltung des § 637 Abs. 4 RVO gut vertretbar. Maßgeblich war danach, ob der Unfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr verursacht wurde; es kam darauf an, ob sich ein betriebsbezogenes oder ein „normales“ Risiko, das jedem Verkehrsteilnehmer drohen konnte, verwirklicht hatte.712 Die Rangeleien zwischen Schülern nach Schulschluss oder auch auf dem Schulweg konnten gut als besonderes Risiko betrachtet werden, insbesondere wenn sie an einer Haltestelle in unmittelbarer Nähe zum Schulgelände stattfanden, wo durch das „gleichzeitige, gruppenweise Eintreffen der Schüler“ bzw. das „Entlassen ganzer Schulklassen in die Freizeit“713 ein höheres Risiko für diese bestand, als es beispielsweise an einer fernab von der Schule liegenden Haltestelle der Fall gewesen wäre, die hauptsächlich von Beschäftigten benutzt wird.714 (2033); zustimmend Leube, VersR 2001, S. 1215 (1218); Rolfs / Dieckmann, VersR 2010, S. 396 (301); Schlaeger, in: Schlaeger / Linder, § 9 Rn. 22 f. 710  OLG Hamm, NZV 2004, S. 400 (400); OLG Koblenz, NZV 2006, S. 578 (579). 711  BGH, NJW 1982, S. 37 (38); OLG Hamm, NZV 2004, S. 400 (401); noch weiter LG Freiburg, VersR 1982, S. 1101 (1102), nach dem die „Interessenlage bei Raufereien auf dem Pausenhof und auf dem Heimweg von der Schule (…) gleich zu beurteilen“ sein soll. 712  BGHZ 8, 330 (337), seitdem ständige Rechtsprechung; vgl. beispielsweise BGH, NJW 1973, S. 1326 (1326) mit weiteren Nachweisen. – Auch nach der Neufassung des Wortlauts durch das Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz hält der Bundesgerichtshof an dieser Auffassung fest, vgl. BGHZ 145, 311 (314 f.). 713  BGH, NJW 1982, S. 37 (38). 714  Zu weit ging dagegen das LG Freiburg (VersR 1982, S. 1101 (1002)), wenn es Raufereien auf dem Pausenhof und auf dem Heimweg gleich behandeln wollte. Zumindest bei einem Geschehen in unmittelbarer Schulnähe ergäbe sich die Vermutung, dass „durch diese Streitigkeit zuvor in der Schule angesammelte Aggressionen abreagiert werden“. – Alleine durch die Tatsache, dass sich in der Schule Aggres­ sionen bilden, die nach Schulschluss abreagiert werden, folgt jedoch noch nicht, dass die Streiterei als schulbezogen zu qualifizieren ist. Nach dieser Argumentation müsste die Haftungsbeschränkung auch zu bejahen sein, wenn zwei Schüler einen in der Schule begonnenen Streit bei einem zufälligen Aufeinandertreffen in der Freizeit austragen und einer von ihnen dabei verletzt wird; kritisch daher zu Recht Schlegelmilch, VersR 1982, S. 1002 (1002).



E. Keine Haftungsbeschränkung bei Vorsatz und Wegeunfall317

Für die Einordnung als Schulunfall im Gegensatz zum Schulwegeunfall können auch Sinn und Zweck der Schülerunfallversicherung sprechen. Weder für den schädigenden noch für den geschädigten Schüler dürfte es einen Unterschied machen, ob der Personenschaden innerhalb des Schulgeländes oder wenige Meter davor herbeigeführt wurde. Mit der geltenden Formulierung der §§ 104, 105 SGB VII ist eine derart weite Auslegung jedoch nicht mehr vereinbar. Die Haftungsbeschränkung fällt weg „auf nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Wegen“; dies gilt mangels anders lautender Formulierung auch für Schulunfälle. Die zum Merkmal der Teilnahme am allgemeinen Verkehr entwickelten Grundsätze können hierauf nicht übertragen werden.715 Die Schüler befinden sich auf dem Weg von und nach der versicherten Tätigkeit, und gerade nicht mehr „beim Besuch einer Schule“, wie ihn § 8 Abs. 1 Nr. 8 lit. b SGB VII voraussetzt. Der Versicherungsschutz ist beschränkt auf Verrichtungen, die innerhalb des organisatorischen Verantwortungsbereichs der Schule stattfinden;716 das setzt voraus, dass eine Einwirkung durch schulische Aufsichtsmaßnahmen gewährleistet ist.717 Unfälle von Schülern auf dem Schulweg sind daher Wegeunfälle, sobald die Schüler das Schulgelände verlassen haben.718 Dies muss auch dann gelten, wenn sich das Unfallgeschehen an einer zum öffentlichen Linienverkehr719 gehörenden Haltestelle in unmittelbarer Nähe zum Schulgelände abspielt. Der Linienbus außerhalb des Schulgeländes untersteht nicht dem organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule;720 etwas anderes könn715  Ebenso Grüner, in: Becker / Franke / Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, §  104 Rn. 22; Hebeler, VersR 2001, S. 951 (953); Krasney, NZS 2004, S. 7 (10 f.); Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 104 Anm. 19.2; Nehls, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 104 Rn. 31. – Siehe hierzu ausführlich oben Kapitel 2 E. II. 1. 716  Grundlegend BSGE 35, 211 (209 f.); seitdem ständige Rechtsprechung; vgl. beispielsweise BSGE 41, 149 (151); BSG, SozR 4-2700 § 8 Nr. 7 Rn. 7; BSG, SozR 4-2700 § 2 Nr. 13 Rn. 24; für die Literatur vgl. statt Vieler Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 117; Riebel, in: Hauck  /  Noftz SGB VII, § 2 Rn. 102; Rolfs / Dieckmann, VersR 2010, S. 296 (296); Schmitt, Kommentar SGB VII, § 2 Rn. 58. 717  Ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts; vgl. beispielsweise BSGE 56, 129 (131); BSG, SozR 4-2700 § 2 Nr. 13 Rn. 25; ebenso Mehrtens, in: Bereiter-Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 18.7. 718  So auch LG Hamburg, NJW-RR 2000, S. 170 (171); Nehls, DAR 2006, S. 690 (691); kritisch zur weiten Auslegung des Schulunfalls schon vor Neufassung des Ausnahmetatbestands durch das Unfallversicherung-Neuregelungsgesetz Graßl, BG 1987, S. 156 (158); Henker, Haftungsausschluß und Rückgriff, S. 137; Rolfs, VersR 1996, S. 1195 (1198). 719  Zur anderen Qualifizierung der vom Schulträger organisierten Fahrt im Schulbus siehe oben Kapitel 2 E. II. 1. c). 720  So auch Nehls, DAR 2006, S. 690 (690).

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te allenfalls dann gelten, wenn auch an den Haltestellen eine Aufsicht durch die Lehrer stattfindet.721 3. Existenz des Wegeunfalls bei besonderen Versicherungstatbeständen a) Weg von und nach dem Ort der versicherten Tätigkeit bei spontanen Tätigkeiten Durch die Erweiterung des versicherten Personenkreises wurden auch immer mehr Tätigkeiten unter Unfallversicherungsschutz gestellt, die mehr oder weniger spontan erfolgen oder zumindest erfolgen können. Dies gilt sowohl für den Bereich der echten722 als auch der unechten Unfallversicherung, hier insbesondere für Tätigkeiten im öffentlichen Interesse wie die Nothilfe oder den persönlichen Einsatz, § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a und c SGB VII, oder die Unterstützung einer Diensthandlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 11 lit. a SGB VII. aa) Unfälle auf dem Weg nach dem Ort der versicherten Tätigkeit Ein Unfall auf dem Weg nach dem Ort der versicherten Tätigkeit ist dann nicht möglich, wenn die versicherte Tätigkeit aus der Situation heraus erfolgt. Dies dürfte insbesondere bei Personen der Fall sein, die zur Unterstützung einer Dienstleistung herangezogen werden. Üblicherweise befinden sie sich bereits an dem Ort, an dem sie die Unterstützungshandlung ausführen, und werden gerade aufgrund dieser Position zur Hilfe aufgefordert. Auch der persönliche Einsatz bei der Verfolgung einer Person, die einer Straftat verdächtig ist, folgt typischerweise daraus, dass der Verfolger den Verdächtigen beobachtet und dann verfolgt, weil er eben gerade vor Ort war. In den anderen Fällen ist es jedoch durchaus denkbar, dass die Versicherten sich erst auf den Weg zum Ort der Rettungshandlung machen müssen. Das Bundessozialgericht723 hatte beispielsweise den Fall eines Vaters zu entscheiden, der seine schwerbehinderte Tochter pflegte. Als in der Nacht die Alarmanlage des Beatmungsgeräts der Tochter ertönte, eilte er zu ihr 721  Dies schreibt beispielsweise das Niedersächsische Schulgesetz in § 62 Abs. 1 S. 1 vor. Zur Möglichkeit, einen Lehrer zur Aufsicht an einer nahe des Schulgeländes liegenden Haltestelle zu verpflichten, vgl. OVG Koblenz, NVwZ-RR 2004, S. 421. 722  Zu denken wäre hier vor allem an die Wie-Beschäftigung, § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII. 723  BSG, SozR 4-2700 § 2 Nr. 9.



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und zog sich dabei einen Muskelfaserriss zu. Diese Unfälle dürften typisch sein für die Nothilfe und vergleichbare Versicherungstatbestände, da hier aufgrund der gebotenen Eile häufig mit unbedachten Bewegungen und daraus resultierenden Personenschäden gerechnet werden muss. Das Bundessozialgericht ging davon aus, dass der Weg zur Rettungshandlung schon Teil der versicherten Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII sei, und nicht etwa ein ihr vorgelagerter, nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherter Weg. Ab der Wahrnehmung der Notlage und dem Entschluss zu helfen beginne die Rettungshandlung, und der Weg zu der Person in der erheblichen gegenwärtigen Gefahr für ihre Gesundheit sei hierdurch geprägt. Dieser Weg bilde mit der Rettungshandlung einen einheitlichen Lebensvorgang.724 Dieser Entscheidung ist in Inhalt und Ergebnis zuzustimmen. Die Handlungstendenz des Nothelfers ist ab dem Zeitpunkt, in dem er sich entschließt einzugreifen, darauf gerichtet, möglichst schnell zu helfen; die besondere Eile ist quasi Voraussetzung der versicherten Handlung. Der „Einsatz“ des Nothelfers beginnt also nicht erst mit dem Eintreffen am Unglücksort, sondern schon mit dem Weg dorthin, der von der Eilbedürftigkeit geprägt ist. bb) Unfälle auf dem Weg von dem Ort der versicherten Tätigkeit Dagegen fehlt es – soweit ersichtlich – in Literatur und Rechtsprechung an einer Befassung mit der Frage, ob im Anschluss an spontane Hilfeleistungen und andere kurzfristige versicherte Tätigkeiten ein Wegeunfall möglich ist. Hinweise finden sich nur zu der Frage, wann eine versicherte Tätigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a und c SGB VII beendet ist. Nach der Ansicht des Bundessozialgerichts ist dies der Fall, wenn der Unglücksfall mit seinen unmittelbaren Schadensfolgen abgeschlossen ist und kein weiterer Schaden mehr droht.725 Maßgeblich ist, ob der Helfer sich wieder „in Sicherheit“ befindet, er in seine Ausgangssituation vor Beginn der Hilfe zurückgekehrt ist oder andere Tendenzen als die der Hilfeleistung verfolgt.726 Maßgeblich für die Frage, ob der Nothelfer oder andere spontan handelnde Versicherte einen Wegeunfall im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII 724  BSG, SozR 4-2700 § 2 Nr. 9 Rn. 19; zustimmend Holtstraeter, in: Kreikebohm / Spellbrink / Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, § 2 Rn. 38; Keller in: Hauck / Noftz SGB VII, § 8 Rn. 183. 725  BSGE 35, 140 (141); BSGE 57, 134 (135); BSG, SozR 4-2700 § 8 Nr. 30 Rn. 18. 726  BSG, SozR 4-2700 §  2 Nr. 15 Rn. 25; ebenso Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 186.1.

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Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

erleiden können, ist der Sinn und Zweck der Versicherung des Wegs. Wie bereits dargestellt727, ist der Weg von und nach dem Ort der versicherten Tätigkeit versichert, weil er nicht aus privatem Interesse, sondern wegen der versicherten Tätigkeit unternommen wird und somit eine Art Vor- oder Nachbereitungshandlung zur eigentlichen versicherten Tätigkeit darstellt.728 Diese Überlegung ist jedoch schwer auf spontane Hilfeleistungen zu übertragen, da hier typischerweise eine andere (versicherte oder nicht versicherte) Tätigkeit unterbrochen und ggf. danach wieder aufgenommen wird. Doch ist zu sehen, dass die hier in Frage stehenden Versicherungstatbestände keine alltäglichen Handlungen verlangen, sondern einen besonderen Einsatz. Schon für die Wegeunfälle von Beschäftigten wird angeführt, die „gedankliche Beschäftigung mit der Arbeit“ beginne nicht erst am Ort der versicherten Tätigkeit, sondern bereits auf dem Weg dorthin; dies gelte noch mehr für den Weg vom Ort der Tätigkeit, denn „die gedankliche, physische und psychische Bewältigung des Arbeitstages endet nicht mit Ablauf der Arbeitszeit, sondern wirkt noch während des Heimweges nach“.729 Gilt dies schon für die „alltäglichen“ Versicherungstatbestände Beschäftigung oder Schulunterricht, dann erst recht für die Versicherungstatbestände des § 2 Abs. 1 Nr. 11 lit. a und Nr. 13 lit. a und c SGB VII: Die Hilfeleistung, Unterstützung oder Verfolgung als außergewöhnliches, regelmäßig aufregendes Ereignis ist noch viel mehr als die tägliche Tätigkeit prädestiniert, eine gedanklich weitergehende Beschäftigung nach sich zu ziehen. Schließlich wäre es mit dem öffentlichen Interesse an diesen versicherten Tätigkeiten nicht vereinbar, den Versicherungsschutz eng auszulegen und zeitlich zu begrenzen, obwohl die versicherte Tätigkeit noch nachwirkt. Etwas anderes kann nur gelten, wenn der Versicherte sich nach Abschluss seiner Handlung wieder privaten Tätigkeiten zuwendet; insofern gelten die zum Wegeunfall eines Beschäftigten entwickelten Grundsätze entsprechend.730

727  Vgl.

oben Kapitel 2 E. II. 1. c). NZS 1995, S. 203 (208); Lepa, Haftungsbeschränkungen bei Personenschäden, S. 178, jeweils mit weiteren Nachweisen; näher dazu oben Kapitel 2 E. II. 1 c). 729  Kranig / Aulmann, NZS 1995, S. 203 (208). 730  Danach kommt es bei einer Unterbrechung des Weges von und nach dem Ort der Tätigkeit durch privaten Zwecken dienende Handlungen darauf an, ob die Unterbrechung weniger als zwei Stunden in Anspruch genommen hat und der versicherte Weg danach wieder aufgenommen wurde. Hierzu grundlegend BSG, SozR 2200 § 550 Nr. 12; seitdem ständige Rechtsprechung; vgl. beispielsweise BSGE 55, 141 (143); BSGE 82, 138 (138 ff.). 728  Kranig / Aulmann,



E. Keine Haftungsbeschränkung bei Vorsatz und Wegeunfall321

b) Versicherte Tätigkeiten, die ein Aufsuchen voraussetzen Die unechte Unfallversicherung kennt zwei Versicherungstatbestände, die ein „Aufsuchen“ voraussetzen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII sind Personen versichert, die nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung nachkommen, die auffordernde731 oder eine andere Stelle aufzusuchen; nach § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. b SGB VII sind Personen versichert, die zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen. Hinsichtlich der Frage, ob dabei der Weg zu der aufzusuchenden Stelle schon Teil der versicherten Tätigkeit und ein auf ihm erlittener Unfall als Arbeitsunfall nach § 8 Abs. 1 SGB VII zu beurteilen ist, lässt sich in Rechtsprechung und Literatur keine einheitliche Linie finden. Wenn das Bundessozialgericht zur – gleich lautenden und daher keine andere Beurteilung erlaubenden – Vorgängerregelung732 ausführte, versichert sei der Arbeitslose „nicht nur auf dem Hin- und Rückweg, sondern auch während des Aufenthalts auf der Stelle, die er aufsuchen sollte“,733 und annahm, „auf Wegen, die (…) mit der Arbeitssuche zusammenhängen, besteht Unfallversicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 4 RVO“,734 spricht dies dafür, dass der Weg schon Teil der versicherten Tätigkeit ist.735 Zweifel an diesem Verständnis kommen jedoch auf, wenn das Bundessozialgericht in ähnlich gelagerten Fällen auf § 8 Abs. 2 SGB VII und dessen Voraussetzungen eingeht.736 Der Wortlaut der Vorschriften lässt beide Deutungen zu. 731  Auffordernde Stelle kann nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII die Bundesagentur für Arbeit, der nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II zustände Träger oder ein nach § 6a SGB II zugelassener kommunaler Träger sein. 732  Nach § 539 Abs. 1 Nr. 4 RVO waren Personen versichert, „die nach den Vorschriften des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung oder im Vollzug des Bundessozialhilfegesetzes der Meldepflicht unterliegen, wenn sie a) zur Erfüllung ihrer Meldepflicht die hierfür bestimmte Stelle aufsuchen oder b) auf Aufforderung einer Dienststelle der Bundesanstalt für Arbeit oder einer seemännischen Heuerstelle diese oder andere Stellen aufsuchen“. 733  BSG, SozR 3-2200 § 654 Nr. 1, S. 2. 734  BSG, SozR 2200 § 550 Nr. 1, S. 1. 735  So auch Bieresborn, in: jurisPK SGB VII, § 2 Rn. 213; Mehrtens, in: Bereiter-Hahn  /  Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Anm. 28.12; Richter, in: Becker / Franke / Molkentin, Sozialgesetzbuch VII, §  2 Rn.  166; Ricke, in: Kasseler Kommentar SGB VII, § 8 Rn. 172 (offenlassend bei Rn. 164); Schmitt, Kommentar SGB VII, § 2 Rn. 119, 134. 736  So beispielsweise BSG, SozR 4-2700 § 2 Nr. 11 Rn. 16, zu einer Arbeitssuchenden, die auf dem Weg zu einer vom Arbeitsamt organisierten Berufsinforma­

322

Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

Hilfreich für die Beantwortung der Frage, ob der Weg in den Fällen des § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a und Nr. 15 lit. b SGB VII Teil der versicherten Tätigkeit selbst oder nach § 8 Abs. 2 SGB VII ist, könnte ein Vergleich mit dem Wegeunfall der Beschäftigten sein. Der Weg des Beschäftigten von und nach dem Ort der versicherten Tätigkeit ist grundsätzlich lediglich Vor- oder Nachbereitungshandlung für die eigentliche versicherte Tätigkeit und als solcher eine private Angelegenheit des Versicherten. Abzugrenzen vom Ort von und nach der versicherten Tätigkeit ist der Betriebsweg, der unter § 8 Abs. 1 SGB VII fällt und damit Teil der versicherten Tätigkeit als solcher ist. Betriebswege sind Wege, die der Versicherte im Auftrag oder im Interesse des Betriebs innerhalb oder außerhalb der Betriebsstätte unternimmt.737 Stellt die versicherte Tätigkeit ein Aufsuchen dar, dem eine Aufforderung vorausgeht, wie in den hier interessierenden Fällen,738 könnte man daher vom Vorliegen eines Betriebswegs ausgehen. Dagegen spricht jedoch, dass sich der Weg der Meldepflichtigen und Rehabilitanden zu einer der genannten Stellen nicht vom Weg des Beschäftigten zu seiner Arbeitsstätte oder des Schülers zur Schule unterscheidet. Wie diese Versicherten haben die Meldepflichtigen und Rehabilitanden alleine Einfluss auf die Wahl der Strecke, die Art der Zurücklegung und die daraus folgenden Risiken. Der Weg von und nach dem Ort der betrieblichen Tätigkeit ist nach § 8 Abs. 2 SGB VII versichert, weil er nicht aus privaten Interessen, sondern wegen der versicherten Tätigkeit zurückgelegt wird, weil der Zeitpunkt fremdbestimmt vom Unternehmer festgelegt wird, und weil schon auf den Wegen eine gedankliche Beschäftigung mit der betrieblichen Tätigkeit erfolgt.739 Alle diese Gesichtspunkte lassen sich auf Meldepflichtige und Rehabilitanden übertragen. Es besteht also kein Grund, die Wege von und nach der aufzusuchenden Stelle schon unter den Versicherungstatbestand selbst zu fassen, anders als beispielsweise bei den Nothelfern, wo der Weg zur Unglücksstelle aufgrund der besonderen Eilbedürftigtionsveranstaltung einen Unfall erlitten hatte: „Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit; versicherte Tätigkeit ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.“ 737  Ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts; vgl. beispielsweise BSG, SozR 4-2700 § 8 Nr. 39 Rn. 20, mit weiteren Nachweisen; ebenso das Bundesarbeitsgericht, vgl. beispielsweise BAGE 108, 206 (201 f.); für die Literatur statt Vieler Hebeler, VersR 2001, S. 951 (953); Krasney, NZS 2004, S. 7 (11); Leube, in: Kater  /  Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 53; Schmitt, Kommentar SGB VII, § 8 Rn. 51. 738  § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a, Nr. 15 lit. b SGB VII. 739  Kranig / Aulmann, NZS 1995, S. 203 (208).



F. Haftungsbeschränkung in Fällen der unechten Unfallversicherung323

keit schon zur versicherten Tätigkeit gehört.740 Erleidet damit ein nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII oder ein nach § 2 Abs. 1 Nr. 15 lit. b SGB VII Versicherter auf dem Weg zur aufzusuchenden Stelle einen Unfall, handelt es sich um einen Wegeunfall im Sinne des § 8 Abs. 2 SGB VII741 mit der Konsequenz, dass eine Haftungsbeschränkung nicht eintritt.

III. Ergebnis zum Wegfall der Haftungsbeschränkung in der unechten Unfallversicherung Hinsichtlich der vorsätzlichen Herbeiführung eines Versicherungsfalls hat sich gegenüber der Vorgängerregelung der §§ 636, 637 RVO keine Änderung ergeben. Vorsätzliches Handeln setzt damals wie heute voraus, dass sich der Vorsatz auch auf den eingetretenen Schaden bezieht. Bei Schülern und anderen Jugendlichen ist zu beachten, dass selbst bei einer vorsätz­ lichen Schmerzzufügung in der Regel die Herbeiführung eines Schadens nicht gewollt ist. Dennoch darf hier vorsätzliches Handeln nicht generell abgelehnt werden, zumal das Zivilrecht mit der Vorschrift des § 828 BGB schon eine einschränkende Regelung enthält. Dagegen meint die Herbeiführung „auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg“ entgegen der Auffassung der Rechtsprechung von Bundesgerichtshof und Bundesarbeitsgericht nicht dasselbe wie die „Teilnahme am allgemeinen Verkehr“. Vielmehr sind Unfälle auf dem Weg von und nach der versicherten Tätigkeit nach den §§ 104 ff. SGB VII grundsätzlich von der Haftungsbeschränkung ausgenommen. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die Zurücklegung des Weges aufgrund des im Einzelfall bestehenden Einflusses des Unternehmers oder aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit ausnahmsweise schon als versicherte Tätigkeit im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB VII zu werten ist.

F. Die unfallversicherungsrechtliche Haftungsbeschränkung in den Fällen der unechten Unfallversicherung Die unfallversicherungsrechtliche Haftungsbeschränkung spielt nicht nur im Bereich der abhängigen Arbeit eine bedeutende Rolle, sondern auch in den Fällen der unechten Unfallversicherung. Obwohl die versicherte Tätigkeit in diesen Fällen nicht mit der von den Beschäftigten verrichteten Tä740  BSG, SozR 4-2700 § 2 Nr. 9 Rn. 19; siehe hierzu ausführlich oben Kapitel 2 E. II. 3. a) aa). 741  Ebenso Becker, Sozialrecht aktuell, S. 95 (99); wohl auch Schlaeger, info also 2008, S. 10 (11).

324

Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

tigkeit vergleichbar ist, besteht dennoch grundsätzlich das Bedürfnis, die Haftung zwischen dem Unternehmer und den Versicherten sowie die Haftung der Versicherten untereinander zu beschränken. Dieses Bedürfnis rechtfertigt den Ausschluss aller zivilrechtlichen Ansprüche, insbesondere auch des Anspruchs auf Ersatz immaterieller Schäden aus § 253 Abs. 2 BGB. § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII beschränkt die Haftung der Unternehmer gegenüber den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen. Damit sind von der Haftungsbeschränkung auch diejenigen Versicherten betroffen, die eine eigennützige Tätigkeit ausüben, d. h. beispielsweise Schüler, Studierende, Arbeitsuchende oder Rehabilitanden. Anzuwenden ist § 104 SGB VII grundsätzlich auf alle Fälle der Unfallversicherung, denn aufgrund der weiten Definition des Unternehmens, das schon aus einer reinen Tätigkeit bestehen kann,742 ist auch bei Tätigkeiten im öffentlichen Interesse zumeist ein Unternehmer gegeben, dem das Ergebnis der Tätigkeit unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht. Eine Ausnahme von der Beschränkung der Unternehmerhaftung kann lediglich unter teleologischen Gesichtspunkten dort gemacht werden, wo es weder einen Betriebsfrieden zu wahren gilt noch die Haftungsbeschränkung den Ausgleich für eine vorherige Beitragszahlung des Unternehmers darstellt. Anders als § 104 SGB VII, der grundsätzlich für alle Fälle der echten und unechten Unfallversicherung gilt, ist der Anwendungsbereich des § 105 SGB VII eingeschränkt auf Schädiger, die eine fremdnützige, d. h. einem fremden Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben. § 105 SGB VII stützt sich auf den Gedanken der Gefahrengemeinschaft mehrerer gemeinsam Tätiger, die das Risiko eint, einander bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten zu verletzen. Dieses Risiko besteht unabhängig von der Versicherteneigenschaft, sodass auch nicht versicherte Personen einbezogen sind. Der besondere Schutz, der dieser Gefahrengemeinschaft durch die beschränkte Haftung gewährt wird, rechtfertigt sich durch die Fremdnützigkeit der jeweiligen Tätigkeiten. Entsprechend sind für die unechte Unfallversicherung Versicherte in Bildungseinrichtungen, Arbeitsuchende und Rehabilitanden aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausgenommen. Bedeutung erlangt § 105 SGB VII insbesondere im Bereich der Tätigkeiten im öffentlichen Interesse. Diese Tätigkeiten wurden unter Unfallversicherungsschutz gestellt, um die Allgemeinheit zu ihrer Übernahme zu motivieren. Die Beschränkung der Haftung gegenüber anderen Tätigen und gegenüber dem Unternehmer unterstreicht und verstärkt den Anreiz, da die im öffentlichen Interesse Tätigen grundsätzlich keine zivilrechtliche Haftung befürchten müssen. 742  § 121 Abs. 1 SGB VII definiert das Unternehmen als „Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen, Tätigkeiten“.



F. Haftungsbeschränkung in Fällen der unechten Unfallversicherung325

§ 106 SGB VII trifft in den ersten beiden Absätzen Sonderregelungen für einzelne Versicherte der unechten Unfallversicherung, namentlich für Versicherte in Bildungseinrichtungen743 und für Pflegepersonen744. Probleme stellen sich hauptsächlich im Bereich der Schülerunfallversicherung, wo die Versicherten, die häufig noch minderjährig sind, als besonders schutzwürdig angesehen werden. Dennoch ist die Anwendbarkeit der Haftungsbeschränkung hier auf das einzelne Bildungsunternehmen beschränkt. Eine Besonderheit ergibt sich für die staatlich-kommunalen Schulen daraus, dass sie ein gemeinsames Unternehmen der Gemeinden und der Länder darstellen; dies steht einer Beschränkung der Haftung zwischen Schülern als bei der Gemeinde Versicherten und Lehrern als Landesbediensteten jedoch nicht entgegen. § 106 Abs. 3 SGB VII trifft Regelungen zu Haftungsbeschränkungen bei gemeinsamem Tätigwerden von Versicherten mehrerer Unternehmen. Dabei beschränkt § 106 Abs. 3 Var. 1 und 2 SGB VII die Haftung nicht nur bei ehrenamtlich in Unternehmen zur Unglückshilfe Tätigen,745 sondern bei allen dort Tätigen. Erfasst können insbesondere auch Nothelfer im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII sein. § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII knüpft an den Gedanken der Gefahrengemeinschaft an, der schon der Regelung des § 105 SGB VII zugrunde liegt, und setzt ebenso wie dieser eine betriebliche, d. h. eine fremdnützige Tätigkeit voraus. Aus der Gefahrengemeinschaft als Hintergrund der Norm und dem Zusammenhang mit § 105 SGB VII folgt zum einen, dass der Unternehmer nur dann in den Anwendungsbereich der Vorschrift fällt, wenn er selbst vor Ort tätig wird, zum anderen aber, dass es nicht auf die Versicherteneigenschaft ankommen kann, solange der Geschädigte eine mit den Leistungen der Unfallversicherung vergleichbare Kompensation erhält. Bedeutung in der unechten Unfallversicherung entwickelt die Vorschrift des § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII insbesondere im Rahmen von Selbsthilfebauarbeiten;746 denkbar sind auch Anwendungsfälle im Zusammenhang mit ehrenamtlichen Tätigkeiten. Auf eigennützige Tätigkeiten kann § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII aufgrund des engen Zusammenhangs mit § 105 SGB VII grundsätzlich nicht angewandt werden; eine Ausnahme macht hier der von § 106 Abs. 1 SGB VII erfasste Personenkreis, sodass in Bildungseinrichtungen eine analoge Anwendung möglich ist. Die §§ 104 ff. SGB VII ordnen keinen vollständigen Ausschluss der zivilrechtlichen Haftung an, sondern beschränken die Haftung auf die vorsätz­ 743  § 2

Abs. 1 Abs. 1 745  § 2 Abs. 1 746  § 2 Abs. 1 744  § 2

Nr. 2, 3 und 8 SGB VII. Nr. 17 SGB VII. Nr. 12 SGB VII. Nr. 16 SGB VII.

326

Kap. 2: Haftungsbeschränkung in Fällen unechter Unfallversicherung

liche Herbeiführung oder die Herbeiführung auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg. Der Vorsatz muss sich dabei sowohl auf die Verletzungshandlung als auch auf die Herbeiführung des konkreten Verletzungserfolgs beziehen; in dieser Hinsicht hat sich gegenüber den Vorgängerregelungen der §§ 636 und 637 RVO nichts geändert. Bedeutung hat die Frage der vorsätzlichen Schädigung in der Praxis regelmäßig nur im Rahmen der Schülerunfallversicherung, wo aufgrund des kindlichen Spieltriebs und Alters der Versicherten häufig die Annahme von Vorsatz verneint werden muss. Für die Frage, wann ein nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherter Weg vorliegt, gilt für die unechte Unfallversicherung zunächst nichts anderes als für die echte Unfallversicherung. Anders als unter der Geltung der §§ 636, 637 RVO kommt es nunmehr nicht mehr darauf an, ob der Versicherte den Unfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr erlitten hat, d. h. ob er als normaler Verkehrsteilnehmer anzusehen ist, sondern lediglich darauf, ob der Weg nur als Vor- oder Nachbereitungshandlung zur eigent­ lichen versicherten Tätigkeit oder schon als Teil dieser anzusehen ist. Dennoch ist der vom Unternehmer organisierte Sammeltransport, beispielsweise durch einen Schulbus, unter teleologischen Gesichtspunkten unter § 8 Abs. 1 SGB VII zu fassen, sodass bei Unfällen die Haftung nach den §§ 104 ff. SGB VII beschränkt ist. Daneben kennt die unechte Unfallversicherung Tätigkeiten, bei denen der Weg zu dem Ort der Tätigkeit schon unter die versicherte Tätigkeit nach § 8 Abs. 1 SGB VII zu fassen ist. Zu nennen ist hier insbesondere die Nothilfe, wo der Weg zum Ort der Hilfeleistung häufig von einem besonderen Eilbedürfnis geprägt ist. Dagegen sind keine Besonderheiten gegeben im Fall derjenigen versicherten Tätigkeiten, die das Aufsuchen einer bestimmten Stelle vorsehen.747 Hier entsprechen sowohl die objektiven Merkmale der Zurücklegung des Weges als auch die Handlungstendenz derjenigen der Beschäftigten auf dem Weg zum Ort der Arbeit, sodass auf diesen Wegen keine Beschränkung der Haftung eingreift.

747  § 2

Abs. 1 Nr. 14 lit. a und Nr. 15 lit. b SGB VII.

Kapitel 3

Die unechte Unfallversicherung als Unfallversicherung Die unechte Unfallversicherung ist lege lata Teil des SGB VII. Sie entspricht im Hinblick auf Ausgestaltung, Organisation und Leistungsrecht im Wesentlichen der Beschäftigtenversicherung als echter Unfallversicherung. Dennoch wird sie bisweilen als Fremdkörper1 in der Unfallversicherung oder als systemwidrig2 bezeichnet. Ihre Tatbestände seien rechtsdogmatisch nicht der Unfallversicherung, sondern der sozialen Entschädigung zuzuordnen.3 Der Gesetzgeber habe sie lediglich aus kompetenzrechtlichen Gründen in der Unfallversicherung geregelt.4 Damit impliziert die wohl herrschende Auffassung nicht nur eine Systemwidrigkeit der unechten Unfallversicherung, sondern sogar ihre Verfassungswidrigkeit, selbst wenn dies selten so deutlich ausgesprochen wird. Fraglich ist daher, ob die unechte Unfallversicherung in ihrer gegenwärtigen Form weiterbestehen kann. Dafür ist zunächst festzustellen, ob dem beispielsweise Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, S. 71. NZS 1993, S. 89 (90). 3  Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, S. 71; Kessler, ZfS 2001, S. 235 (236); Krasney, in: FS Zacher, S. 407 (408); Müller-Volbehr, ZRP 1982, S. 270 (272); Mrozynski, in: Mrozynski, SGB I, § 1 Rn. 2; Muckel / Ogorek, § 16 Rn. 38; Seewald, in: Kasseler Kommentar SGB I, § 5 Rn. 7; Spellbrink, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 23 Rn. 29; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 243; ähnlich Wannagat, Lehrbuch der Sozialversicherung, Band 1, S. 16, der die unechte Unfallversicherung zur „öffentlich-rechtlichen Aufopferung“ zählt. – Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S. 48, spricht von Aufopferungs- und Versorgungstatbeständen „in der sozialversicherungsrechtlichen Verkleidung“. 4  Während dem Bund nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG die (konkurrierende) Gesetzgebungskompetenz für die Sozialversicherung zusteht, besteht für das Recht der sozialen Entschädigung keine umfassende Kompetenz, sondern lediglich für einzelne Aspekte wie die Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen und die Fürsorge für die ehemaligen Kriegsgefangenen (Art. 73 Abs. 1 Nr. 13 GG) oder die Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG). – Die Gewährung von Unfallversicherungsschutz für Personenschäden, die eigentlich dem Recht der sozialen Entschädigung zuzuordnen seien, sei daher ein „technischer Kunstgriff“ (Rüfner, ZSR 1973, S. 565 (565); ähnlich auch Bulla, SGb 2007, S. 653 (657); Schulin, Soziale Entschädigung, S. 94). 1  Vgl.

2  Krasney,

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Kap. 3: Die unechte Unfallversicherung als Unfallversicherung

Bund überhaupt eine Kompetenz zu ihrer Regelung zustand oder ob die soziale Sicherung in den Fällen der unechten Unfallversicherung nicht Ländersache gewesen wäre. Sofern die Bundeskompetenz bejaht werden kann, stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage, ob die unechte Unfallversicherung aus dem Regelungskomplex des SGB VII herausgenommen werden sollte oder ob die unechte Unfallversicherung tatsächlich als Unfallversicherung anzusehen ist.

A. Kompetenz des Bundes zur gesetzlichen Regelung der unechten Unfallversicherung I. Gesetzgebungskompetenz aus § 74 Abs. 1 Nr. 12 GG 1. Die Unfallversicherung als Sozialversicherung Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII hat der Bund die konkurrierende Gesetzgebung für „das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung“. Der Begriff der Sozialversicherung ist nicht gleichbedeutend mit dem des Sozialrechts oder der sozialen Sicherung.5 Vielmehr enthält die Sozialversicherung das Element der Versicherung, was sie von der Versorgung und Fürsorge abgrenzt.6 Das Bundesverfassungsgericht sieht im Begriff der Sozialversicherung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG einen „verfassungsrechtlichen Gattungsbegriff, der alles umfaßt, was sich der Sache nach als Sozialversicherung darstellt“.7 Sozialversicherung erfasse daher nicht nur „die vier8 ‚klassischen‘ Versicherungszweige“, sondern ermögliche auch „die Einbeziehung neuer Lebenssachverhalte in das Gesamtsystem ‚Sozialversicherung‘, wenn die neuen 5  BVerfGE 11, 105 (112); BVerfGE 62, 354 (366). – Dies zeigt sich insbesondere darin, dass das Grundgesetz dem Bund weitere Kompetenzen auf diesem Gebiet zuweist. Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG ist er zuständig für die Gesetzgebung auf dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge, nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 9 und 10 GG für Wiedergutmachung und Kriegsopfer, nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 13 GG außerdem für die Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen und die Fürsorge für die ehemaligen Kriegsgefangenen. 6  Vgl. zu dieser als „klassische Einteilung des Sozialrechts“ (Muckel / Ogorek, § 4 Rn. 3) bezeichneten Differenzierung Wannagat, Lehrbuch der Sozialversicherung, Band 1, S. 1 ff. 7  BVerfGE 11, 105 (112). 8  Nach Einführung der Pflegeversicherung besteht die Sozialversicherung aus den fünf Versicherungszweigen Kranken-, Unfall-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung; vgl. Kaltenborn, in: Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 120 Rn. 4.



A. Kompetenz des Bundes zur gesetzlichen Regelung329

Sozialleistungen in ihren wesentlichen Strukturelementen, insbesondere in der organisatorischen Bewältigung ihrer Durchführung dem Bild entsprechen, das durch die ‚klassische‘ Sozialversicherung geprägt ist“.9 Die unabdingbaren Merkmale der Sozialversicherung, die nach dem Bundesverfassungsgericht erfüllt sein müssen, um eine Regelung dem Kompetenztitel für die Sozialversicherung zuordnen zu können, sind das Vorliegen einer Versicherung zur Absicherung eines den klassisch abdeckten Risiken Krankheit, Alter und Unfall vergleichbaren Risikos, ein sozialer Ausgleich innerhalb der Solidargemeinschaft der Versicherten, die organisatorische Durchführung mittels selbstständiger Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts und die Finanzierung durch Beiträge der Beteiligten.10 Keine Voraussetzung der Sozialversicherung ist „die Beschränkung auf Arbeitnehmer und auf eine Notlage“.11 Die Sozialversicherung ist trotz bestehender Unterschiede12 zur Privatversicherung als dem „Prototyp der Versicherung“13 eine echte Versicherung.14 Das Bundesverfassungsgericht bezeichnet als Versicherung „die gemeinsame Deckung eines möglichen in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit“.15 Kennzeichen der Versicherung ist dabei die Finanzierung durch Beiträge. Die Versicherung setzt ein „wechselseitiges Geben und Nehmen“ voraus,16 d. h. dem Rechtsanspruch der Versicherten auf Leistung im Versicherungsfall steht eine vorherige Fi9  Grundlegend BVerfGE 11, 105 (112); später auch BVerfGE 62, 354 (366); BVerfGE 75, 108 (146); BVerfGE 87, 1 (34). 10  Vgl. für diese Zusammenstellung Axer, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 74 Nr. 12 Rn. 28; zu den einzelnen Merkmalen beispielsweise BVerfGE 11, 105 (112); BVerfGE 62, 354 (366); BVerfGE 75, 108 (146); BVerfGE 87, 1 (34). 11  BVerfGE 75, 108 (146). 12  Zu denken wäre beispielsweise an den Charakter der Sozialversicherung als Zwangsversicherung, während das Mitgliedschaftsverhältnis in der Privatversicherung in der Regel durch Vertrag begründet wird. – Weitere Beispiele bei Wannagat, Lehrbuch der Sozialversicherung, Band 1, S. 25 ff. 13  Axer, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 74 Nr. 12 Rn. 32. 14  Herrschende Auffassung; vgl. statt Vieler Axer, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 74 Nr. 12 Rn. 31 f.; Bieback, SGb 2012, S. 1 (2); Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 212 ff., auch mit Nachweisen zur gegensätzlichen Auffassung; Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, S. 33; Krohn, in: FS Lauterbach, S.  23 (26 f.); Rolfs, Versicherungsprinzip, S. 202; Seiler; in: Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 74 Rn. 52; Wannagat, Lehrbuch der Sozialversicherung, Band 1, S.  11 ff.; kritisch Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 34 ff.; offenlassend Stecher, Unfallversicherung für Schüler, Studierende und Kinder, S. 83. 15  BSGE 6, 213 (227 f.); dem folgend BVerfGE 11, 105 (112); BVerfGE 75, 108 (146). – Zur Geschichte dieser Definition vgl. Butzer, Fremdlasten in der So­ zialversicherung, S.  181 ff. 16  Wannagat, Lehrbuch der Sozialversicherung, Band 1, S. 32.

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Kap. 3: Die unechte Unfallversicherung als Unfallversicherung

nanzierung durch Beiträge in Form eines Synallagmas von Leistung und Gegenleisung gegenüber.17 Im Gegensatz dazu werden Fürsorge und Versorgung durch Steuermittel finanziert. Die Unfallversicherung ist einer der klassischen Zweige der Sozialversicherung, deren Schaffung im Jahr 1881 mit der Kaiserlichen Botschaft18 eingeleitet wurde.19 Ihr Versicherungscharakter zeigt sich deutlich im Fall der Unternehmerunfallversicherung als Zusammenschluss gleichartig bedrohter zu einer Gefahrengemeinschaft,20 die durch Beitragszahlung Vorsorge für den Schadensfall treffen und bei dessen Eintritt Schadensdeckung erhalten. Außerhalb der Unternehmerunfallversicherung kennzeichnet die Unfallversicherung jedoch die Besonderheit, dass zwar die Unternehmer Mitglieder der Berufsgenossenschaften sind und sich damit zu einer gemeinsamen Deckung des Risikos Unfall zusammengeschlossen haben, diese aber selbst gar nicht versichert sind. Entsprechend sind auch nicht die Versicherten selbst zur Beitragszahlung verpflichtet, sondern nach § 150 Abs. 1 S. 1 SGB VII alleine die Unternehmer. Die Unfallversicherung ist auch keine Haftpflichtversicherung der Unternehmer, die nach § 104 SGB VII von ihrer zivilrechtlichen Haftung befreit werden, sondern wirkt lediglich wie eine solche.21 Während eine Haftpflichtversicherung den Schädiger von Ansprüchen der Geschädigten lediglich freistellen soll,22 befreit die Unfallversicherung den Unternehmer auch 17  Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, S.  33. Zur Bedeutung der Beitragszahlung auch Axer, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 74 Nr. 12 Rn. 31 und 39; Gitter / Nunius, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 4 Rn. 19 f.; Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 384; Hering, DÖV 1975, S. 8 (10); Krohn, in: FS Lauterbach, S. 23 (33); Maunz, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 173; Schenkel, VSSR 2010, S. 79 (92 f.); Wannagat, Lehrbuch der Sozialversicherung, Band 1, S. 2 f.; Weber, in: FS Möller, S. 499 (505). 18  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages 1881 / 1882, Band 1, S. 1 ff. 19  Näher zur Geschichte der Sozialversicherung im Allgemeinen und speziell der Unfallversicherung oben Kapitel 1 C. I. 1. 20  Zum Begriff der versicherungsrechtlichen Gefahrengemeinschaft, insbesondere auch im Zusammenhang mit der Unternehmerunfallversicherung, vgl. oben Kapitel 2 C. I. 3. b) bb) (1). 21  Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, S. 57 ff. und S. 74 f.; Schrader, in: FS Krohn, S. 259 (261); Wannagat, Lehrbuch der Sozialversicherung, Band 1, S. 14. 22  § 100 VVG: „Bei der Haftpflichtversicherung ist der Versicherer verpflichtet, den Versicherungsnehmer von Ansprüchen freizustellen, die von einem Dritten auf Grund der Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache geltend gemacht werden, und unbegründete Ansprüche abzuwehren.“



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rechtlich von der zivilrechtlichen Haftung, d. h. unterbindet „von vornherein das Entstehen einer Verbindlichkeit in seiner Person“.23 Auch der Regress der Unfallversicherungsträger bei vorsätzlicher und grob fahrlässiger Schadensherbeiführung widerspricht dem Charakter als Haftpflichtversicherung, die den Schädiger „der ihn treffenden Risiken bis zur Grenze des Vorsatzes entledigt“.24 Dennoch ist die Unfallversicherung eine Versicherung. Gegenstand der Unfallversicherung ist die Absicherung der Risiken Arbeitsunfall, Wegeunfall und Berufskrankheit durch den Versicherungsträger; die Versicherten erwerben im Fall des Eintritts eines Versicherungsfalls einen Rechtsanspruch gegen den Versicherungsträger. Die Unfallversicherung ist primär eine Versicherung zugunsten Dritter, die zugleich in gewissen Beziehungen die Wirkung einer Haftpflichtversicherung entfaltet.25 Auch die Privatversicherung kennt die Versicherung zugunsten Dritter, bei der der Versicherungsnehmer einer anderen Person ein Bezugsrecht auf die Leistung aus dem Versicherungsvertrag einräumt.26 Diese Besonderheit der Unfallversicherung widerspricht damit nicht dem Charakter der Unfallversicherung als Versicherung.27 Der Sozialversicherung ist neben dem der Versicherung der Begriff des Sozialen eigen, denn durch das Erfordernis des sozialen Ausgleichs enthält die Sozialversicherung auch immer den Aspekt der Fürsorge.28 Das Bundessozialgericht hat diesen Aspekt der Sozialversicherung deutlich hervorgehoben: „Die reine Form der Versicherung ist nicht in der Soz.Vers., sondern in der sogenannten Privatversicherung zu finden. Sie bedeutet die Sicherung 23  Gitter,

Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, S. 58. Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, S. 75. 25  Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, S. 75; für die Qualifizierung der Unfallversicherung als Versicherung zugunsten Dritter auch Bley, ZSR 1974, S. 193 (198); Bulla, SGb 2007, S. 653 (659); Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, S. 505; Lauterbach / Watermann, in: FS Brackmann, S. 119 (142); ähnlich Muckel  / ​ Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 5; Wannagat, Lehrbuch der Sozialversicherung, Band 1, S. 14. 26  Klassischer Fall ist die Lebensversicherung: Der Versicherungsnehmer kann einem Dritten ein Bezugsrecht auf die Leistungen aus dem Lebensversicherungsvertrag einräumen. Dieser hat dann bei Eintritt des Versicherungsfalls einen originären Anspruch gegen den Versicherer auf die Versicherungssumme; vgl. dazu näher Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 328 Rn. 123 ff.; Jagmann, in: Staudinger, BGB, § 328 Rn. 228 ff. 27  Andere Auffassung wohl Pieroth, in: Jarass  /  Pieroth, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 37; Schrader, in: FS Krohn, S. 259 (265); Seiler, in: Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 74 Rn. 52.3, die jeweils die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG für die Unfallversicherung verneinen. 28  BVerfGE 9, 124 (133); BVerfGE 10, 141 (166); BVerfGE 11, 105 (114). 24  Gitter,

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vor Gefahren durch Gefahrengemeinschaften der Gefährdeten. Die Sozialversicherung dagegen ist eine Sicherung besonderer Art, bei der neben dem Risikoausgleich von wesentlicher Bedeutung der soziale Ausgleich ist.“29 Sozialer Ausgleich30 zeigt sich in der Unfallversicherung beispielsweise in der Beitragsbemessung. Während in der Privatversicherung der Grundsatz der „Prämie nach Risikoeintrittswahrscheinlichkeit“31 gilt, bemisst sich die Beitragshöhe in der Sozialversicherung nicht nach dem individuellen Risiko, sondern nach dem Einkommen unabhängig vom Gesundheitszustand der einzelnen Versicherten. Zwischen den Versicherten findet eine Umverteilung statt, indem beispielsweise jüngere und gesündere Versicherte die Versicherung älterer und krankheitsanfälligerer Versicherter mitfinanzieren.32 Nach dem Bundesverfassungsgericht setzt die Sozialversicherung zudem die organisatorische Durchführung mittels selbstständiger Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts voraus. Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind zunächst die Berufsgenossenschaften als Körperschaften der öffentlichen Hand mit Selbstverwaltung. Anders als unter der Geltung der Reichsversicherungsordnung33 ist die Versicherung bei den Unfallversicherungsträgern der öffentlichen Hand jedoch ebenfalls nicht mehr als Eigenunfallversicherung zu qualifizieren, bei der beispielsweise die Unfallversicherung im Landesbereich durch Ausführungsbehörden als rechtlich unselbstständige Teile der Landesverwaltung durchgeführt wurde. Unfallversicherungsträger sind nunmehr nicht die Länder selbst, sondern nach § 116 SGB VII die Landesunfallkassen, die – ebenso wie die Berufsgenossenschaften – selbstständige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung sind.34 Die Unfallkasse des Bundes, die ebenfalls eine Selbstverwaltungskörperschaft ist, wurde im Jahr 2002 geschaffen.35 29  BSGE

6, 213 (227). auch als „Solidarausgleich“ bezeichnet; vgl. beispielsweise BSGE 52, 93 (96); Bieback, SGb 2012, S. 1 (2 f.); Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S.  16 f.; Maunz, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 174; Papier / Möller, NZS 1998, S. 353 (353 ff.). – Kritisch zu diesem Begriff Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 221. 31  Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 223. 32  Beispiel nach Axer, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 74 Nr. 12 Rn. 35; weitere Beispiele dort sowie bei Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 228 ff.; vgl. auch Bieback, SGb 2012, S. 1 (2 f.). Zur Frage des sozialen Ausgleichs in der gesetzlichen Unfallversicherung, der eine Kategorisierung als Sozialversicherung erlaubt, ausführlich Papier / Möller, NZS 1998, S. 535 (355 ff.). 33  Vgl. die §§ 273 ff. RVO sowie zusammenfassend Bieback, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 56; Platz, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 62. 34  Die Bundesländer haben ausnahmslos von der Ermächtigung des §  116 Abs. 1 SGB VII Gebrauch gemacht, vgl. beispielsweise für Baden-Württemberg die 30  Häufig



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Letztes Merkmal der Sozialversicherung ist nach dem Bundesverfassungsgericht die Finanzierung durch Beiträge der Beteiligten. Anders als in den anderen Zweigen der Sozialversicherung besteht in der gesetzlichen Unfallversicherung jedoch die Besonderheit, dass die Versicherten an ihrer Finanzierung keinen Anteil haben: Nach § 150 Abs. 1 S. 1 SGB VII ist allein der Unternehmer beitragspflichtig. Hier zeigt sich wiederum der Charakter der Unfallversicherung als Versicherung zugunsten Dritter. Sie geht jedoch über die zivilrechtliche Versicherung zugunsten Dritter noch hinaus, indem nur ausnahmsweise36 der Versicherte selbst beitragspflichtig ist. Dennoch besteht ein Zusammenhang zwischen den Versicherten und den Beiträgen, indem maßgeblicher Faktor für die Beitragshöhe das Arbeitsentgelt des Versicherten ist.37 Auch das Bundesverfassungsgericht geht nicht davon aus, dass die Annahme einer Versicherung von der Beitragszahlung durch die Versicherten abhängt. Die Finanzierung muss durch Beiträge der Beteiligten erfolgen, wobei die Heranziehung eines nicht selbst Versicherten als Beteiligter „eines sachorientierten Anknüpfungspunktes in den Beziehungen zwischen Versicherten und Beitragspflichtigen“ bedürfe, der „diese Heranziehung nicht außerhalb der Vorstellungen liegend erscheinen läßt, von denen die Sozialversicherung in ihrem sachlichen Gehalt bestimmt wird“.38 Eine solche Beziehung ist zwischen dem Versicherten und dem Unternehmer gegeben; der sachorientierte Anknüpfungspunkt besteht in der 35

Verordnung der Landesregierung über die Errichtung von Unfallkassen vom 29. September 1997 (GBl. I 1997, S. 402), nach der als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung die Badische und die Württembergische Unfallkasse errichtet wurden. Diese beiden Unfallkassen wurden im Jahr 2003 durch die Verordnung der Landesregierung über die Errichtung der Unfallkasse Baden-Württemberg vom 8. April 2003 (GBl. I 2003 S. 171 f.) mit dem Badischen und dem Württembergischen Gemeindeunfallversicherungsverband zur Unfallkasse Baden-Württemberg zusammengeführt. – Nachweise für die übrigen Bundesländer bei Schmitt, Kommentar SGB VII, § 116 Rn. 3. 35  § 115 SGB VII, der die maßgeblichen Regelungen zur Unfallkasse des Bundes enthält, wurde geändert durch Artikel 9 des Gesetzes zur Einführung einer kapitalgedeckten Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung und zur Änderung anderer Gesetze vom 21. Juni 2002 (BGBl. I 2002, S 2167 ff.). 36  Eine Ausnahme stellt die Unfallversicherung der Unternehmer dar: Versicherte Unternehmer sind nach § 150 Abs. 1 S. 2 SGB VII selbst beitragspflichtig. Der Charakter der Unternehmerunfallversicherung als Sozialversicherung ist denn auch allgemein anerkannt (vgl. beispielsweise Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, S.  72 f.; Krohn, in: FS Lauterbach, S. 23 (27); Lülf, Die unechte Unfallversicherung, S. 61; Schrader, in: FS Krohn, S. 259 (266); Wannagat, Lehrbuch der Sozialversicherung, Band 1, S. 13 f.). 37  § 153 Abs. 1 SGB VII: „Berechnungsgrundlagen für die Beiträge sind, soweit sich aus den nachfolgenden Vorschriften nicht etwas anderes ergibt, der Finanzbedarf (Umlagesoll), die Arbeitsentgelte der Versicherten und die Gefahrklassen.“ 38  BVerfGE 75, 108 (147).

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Befreiung von der Haftung im konkreten Schadensfall und der Fürsorgepflicht des Unternehmers für seine Versicherten.39 Die Unfallversicherung erfüllt damit, soweit sie durch Beiträge der Unternehmer finanziert wird, die Merkmale, die das Bundesverfassungsgericht für die Sozialversicherung aufgestellt hat. Sie ist nach der Definition des Bundessverfassungsgerichts Sozialversicherung im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG.40 2. Maßgeblichkeit der Beitragsfinanzierung für das Vorliegen von Sozialversicherung Das Bundesverfassungsgericht41 und die ihm folgende Literatur42 nennen die Finanzierung durch Beiträge als maßgebliches Merkmal für das Vorliegen von Sozialversicherung. Dagegen sehen andere Stimmen die beitragsfreie Unfallversicherung als historischen Tatbestand der Sozialversicherung an, der deren Bild und damit auch das Verständnis des Begriffs im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG geprägt habe.43 Auch sie berufen sich auf das Bundesverfassungsgericht, das für die Frage, ob ein Tatbestand der Sozialversicherung zuzuordnen ist, darauf abstellt, ob „die neuen Sozialleis39  Burchardt, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 150 Rn. 9; Gitter / Nunius, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 4 Rn. 14; Höller, in Hauck / Noftz SGB VII, § 150 Rn. 4; Schmitt, Kommentar SGB VII, § 150 Rn. 3; vgl. auch BSG, Urteil vom 18. April 2000 – B 2 U 2 / 99 R. 40  Herrschende Auffassung; vgl. beispielsweise Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, S.  73 f.; Krohn, in: FS Lauterbach, S. 23 (30 ff.); Muckel / Ogorek, Sozialrecht, § 10 Rn. 5; Stecher, Unfallversicherung für Schüler, Studierende und Kinder, S.  86 f.; Wannagat, Lehrbuch der Sozialversicherung, Band 1, S. 15; im Ergebnis ebenso Lülf, Die unechte Unfallversicherung, S. 63; Papier / Möller, NZS 1998, S. 353 (358 f.). – Nach Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, S. 505, ist die Unfallversicherung „ihrer Struktur nach, vielleicht mehr als jeder andere Zweig der Sozialversicherung, eine Versicherung“. 41  Ständige Rechtsprechung; vgl. beispielsweise BVerfGE 75, 108 (146); BVerfGE 87, 1 (34); BVerfGE 109, 96 (110). 42  Axer, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 74 Nr. 12 Rn. 31 und 39; Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, S. 33; Gitter / Nunius, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 4 Rn. 19 f.; Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 384; Krohn, in: FS Lauterbach, S. 23 (33); Maunz, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz, Art.  74 Rn.  173; Wannagat, Lehrbuch der Sozialversicherung, Band 1, S. 2 f.; Weber, in: FS Möller, S. 499 (505). 43  Lülf, Die unechte Unfallversicherung, S. 68 f.; Rohwer-Kahlmann, ZSR 1974, S. 139 (152); Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 111 f.; unklar bei Schenkel, VSSR 2010, S. 79 (87 ff.), der zwar die unechte Unfallversicherung unabhängig von der Finanzierung im Einzelfall als unter Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG fallend ansieht, später jedoch die Wichtigkeit der Beitragsfinanzierung betont.



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tungen in ihren wesentlichen Strukturelementen (…) dem Bild entsprechen, das durch die ‚klassische‘ Sozialversicherung geprägt ist“.44 Ausgangspunkt soll nach dieser Auffassung sein, was der Grundgesetzgeber im Jahr 1949 vor Augen hatte, als er die Gesetzgebungskompetenz für das Gebiet der Sozialversicherung schuf. Da der Versicherungstatbestand für Nothelfer als ältester Tatbestand der beitragsfrei finanzierten Unfallversicherung zu diesem Zeitpunkt schon über 20 Jahre45 bestanden habe, sei den „speziellen Ausprägungen der Sozialversicherung – wie der ‚unechten‘ UV – kompetenzprägende Wirkung beigemessen“ worden.46 Die Väter des Grundgesetzes hätten damit „auch die Ausprägungen der unechten Unfallversicherung mit erfaßt und gebilligt, als sie die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Sozialversicherung in Art. 74 Nr. 12 normiert haben“.47 Der Reichsgesetzgeber hatte, als er 1928 den Unfallversicherungsschutz für Nothelfer einführte,48 eine weitreichende Kompetenz. Nach Art. 9 Nr. 1 WRV bestand, soweit ein Bedürfnis für den Erlass einheitlicher Vorschriften bestand, die Kompetenz für das gesamte Gebiet der Wohlfahrts­ pflege;49 auf diese konnte der Reichsgesetzgeber die Aufnahme der Lebensretter und vergleichbarer Versicherter in die gesetzliche Unfallversicherung stützen. Das Grundgesetz trennt dagegen deutlich zwischen den verschiedenen Bereichen des Sozialrechts; eine umfassende Kompetenz für das Gebiet der sozialen Sicherheit ist gerade nicht gegeben.50 Stattdessen hat der Gesetzgeber dem Bund ausdrücklich einzelne Kompetenzen zugewiesen, wie 44  Grundlegend BVerfGE 11, 105 (112); später auch BVerfGE 62, 354 (366); BVerfGE 75, 108 (146); BVerfGE 87, 1 (34). 45  Eingeführt wurde der Tatbestand durch das Dritte Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom 20. Dezember 1928 (RGBl. I 1928, S. 405 ff.). 46  Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 112. 47  Rohwer-Kahlmann, ZSR 1974, S. 139 (152). 48  Die Unfallversicherung für sich persönlich Einsetzende hat ihre Ursprünge im Jahr 1939: § 553a RVO, der bisher lediglich die Nothelfer enthalten hatte, wurde unter anderem erweitert auf Personen, die ohne besondere rechtliche Verpflichtung „bei einer mit dem Tode, mit Zuchthaus oder Gefängnis bedrohten strafbaren Handlung bei Verfolgung oder Festnahme des Täters oder seines Gehilfen oder zum Schutze des Angegriffenen“ Hilfe leisten. Die Erweiterung erfolgte durch das Fünfte Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom 17. Februar 1939 (RGBl. I 1939, S. 267 ff.) und ging auf einen Antrag des Reichsinnenministers zurück, der damit eine Gesetzeslücke füllen wollte (Begründung zum Fünften Änderungsgesetz, AN 1939, S. 98). 49  Zum Begriff der Wohlfahrtspflege unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung vgl. Schneider, Die „unechte“ Unfallversicherung, S. 104 ff. 50  BVerfGE 11, 105 (112); BVerfGE 62, 354 (366); ebenso statt Vieler Axer, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 74 Nr. 12 Rn. 25; Maunz, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz, Art.  74 Rn.  171; Oeter, in: von Mangoldt / Klein / Starck, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 105.

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die Sozialversicherung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG und die öffentliche Fürsorge in Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG. Daneben besteht eine Kompetenz des Bundes zur Regelung der Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen und der Fürsorge für die ehemaligen Kriegsgefangenen nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 13 GG oder für die Wiedergutmachung und die Gräber der Kriegsopfer (Art. 74 Abs. 1 Nr. 9 und 10 GG). Diese vom Grundgesetzgeber vorgenommene Aufspaltung der Bundeskompetenzen würde unterlaufen, würde man den Begriff der Sozialversicherung so weit auslegen, dass auch Tatbestände erfasst wären, die schon rein begrifflich nicht unter den Begriff der Versicherung gefasst werden können. Erforderlich für die Bejahung von Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG muss daher sein, dass ein Tatbestand der Sozialversicherung in Abgrenzung zu Versorgung und Fürsorge vorliegt. Die Beitragsfinanzierung ist damit unabdingbares Merkmal des Begriffs der Sozialversicherung; die dargestellte Auffassung ist mit dem Wortlaut des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG nicht vereinbar.51 3. Die unechte Unfallversicherung als Sozialversicherung Die Sozialversicherung ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht auf Beschäftigte beschränkt.52 Dennoch wird, während hinsichtlich der Charakterisierung der echten Unfallversicherung als Sozialversicherung heute kaum noch Zweifel bestehen, regelmäßig bezweifelt, dass die unechte Unfallversicherung unter den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG gefasst werden kann. Da hier eine Finanzierung aus Steuermitteln und nicht aus Beiträgen erfolge, läge keine Versicherung im Sinne der Bedarfsdeckung durch eine organisierte Vielheit vor.53 51  Ebenso Schulin, Soziale Entschädigung, S. 94 f.; Weber, in: FS Möller, S. 499 (504 f.). 52  BVerfGE 75, 108 (146); im Gegensatz dazu sah Art. 7 Nr. 9 WRV lediglich eine Reichskompetenz für „die Versicherung und den Schutz der Arbeitnehmer und Angestellten“ vor. – Auch in der gesetzlichen Krankenversicherung sind beispielsweise neben den Beschäftigten zahlreiche andere Personen versichert; vgl. den Katalog in § 5 SGB V. § 10 SGB V sieht daneben die Familienversicherung vor, in der der Ehegatte, der Lebenspartner und die Kinder von Mitgliedern sowie die Kinder von familienversicherten Kindern versichert sein können. 53  Vgl. beispielsweise Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, S. 537; Gitter / Nunius, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, § 4 Rn. 19 f.; Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 384; Krohn, in: FS Lauterbach, S. 23 (33); Maunz, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 173; Weber, in: FS Möller, S. 499 (505); zweifelnd auch Stecher, Unfallversicherung für Schüler, Studierende und Kinder, S. 99 ff.; Zacher, Abhandlungen zum Sozialrecht, S. 473 (480). – Nach Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S. 48, handelt es sich um „kompetenzrechtliche Maskenspiele“.



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Die pauschale Verneinung der Zugehörigkeit der unechten Unfallversicherung zur Sozialversicherung ist mit ihrer Vielgestaltigkeit nicht vereinbar. Die unechte Unfallversicherung enthält zahlreiche Tatbestände, bei denen die Merkmale der Sozialversicherung, wie sie das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat, erfüllt sind. Auch die unechte Unfallversicherung dient der Absicherung der Risiken Arbeitsunfall, Wegeunfall und Berufskrankheit durch den Versicherungsträger und wird durch die Unfallversicherungsträger als Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung organisiert. Wie bereits gezeigt,54 ist die Finanzierung aus Steuermitteln statt aus Beiträgen kein Charakteristikum der unechten Unfallversicherung im Allgemeinen. Anders noch als die Vorgängerregelungen der RVO55 schreiben die §§ 185 Abs. 1 S. 1, 186 Abs. 1 S. 1 SGB VII ausdrücklich die Anwendbarkeit des § 150 SGB VII auf die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand vor, d. h. auch für die bei ihnen Versicherten findet grundsätzlich eine Beitragszahlung durch die jeweiligen Unternehmer statt. Die Finanzierung erfolgt dagegen nur in wenigen, gesondert genannten Fällen der unechten Unfallversicherung durch Steuermittel.56 Damit ist insbesondere die Unfallversicherung für Kindergartenkinder, Schüler und Studierende als Sozialversicherung im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zu qualifizieren, zumindest soweit sie durch Beiträge der Sachkostenträger als Unternehmer finanziert wird.57 Dasselbe gilt für viele ehrenamtlich Tätige, für Zeugen und zur Unterstützung einer Diensthandlung Herangezogene, für Blutspender, für Versicherte bei arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und für Rehabilitanden im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 15 SGB VII. In allen diesen Fällen wird die Unfallversicherung durch Beiträge 54  Siehe

oben Kapitel 1 B. II. Abs. 2 RVO enthielt einen Katalog von nicht anwendbaren Vorschriften bei Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand, in dem unter anderen § 723 RVO, der die Beitragsfinanzierung regelte, aufgeführt war. 56  Dies sind nach § 185 Abs. 2 S. 1 SGB VII in Verbindung mit den §§ 128, 129 SGB VII versicherte Kinder, Schüler und Studierende (§ 2 Abs. 1 Nr. 8 SGB VII) in privaten Bildungseinrichtungen, Teilnehmer an Untersuchungen und Prüfungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII bei Veranlassung durch eine Landesbehörde oder Gemeinde, Nothelfer und sich persönlich Einsetzende (§ 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a und c SGB VII), Tätige im Rahmen der Selbsthilfe im sozialen Wohnbau (§ 2 Abs. 1 Nr. 16 SGB VII) und Pflegepersonen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII. § 186 Abs. 2 SGB VII trifft in Verbindung mit § 125 SGB VII weitere Sonderregelungen für die bei der Unfallkasse des Bundes Versicherten. Keine Beiträge werden demnach gezahlt für Meldepflichtige im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII; stattdessen werden die Aufwendungen für diese Versicherung von der Bundesagentur für Arbeit erstattet. 57  Auch der Bundesgerichtshof (VersR 1981, S. 428 (429)) hatte den Charakter der Schülerunfallversicherung als Sozialversicherung bejaht, wenn auch noch zur Regelung nach der Reichsversicherungsordnung. 55  § 767

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der Unternehmer finanziert. Bei den nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII versicherten Teilnehmern an Untersuchungen und Prüfungen ist eine Beitragsfinanzierung möglich, wenn die Maßnahme durch einen Unternehmer angeordnet wurde.58 Der Aussage, die unechte Unfallversicherung sei keine Sozialversicherung im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG, kann daher nicht ausnahmslos zugestimmt werden. Etwas anderes muss jedoch dort gelten, wo abweichend von § 150 SGB VII keine Beiträge gezahlt werden. Der Begriff der Sozialversicherung setzt zwar nicht voraus, dass der gesamte Bedarf aus Beiträgen finanziert wird.59 Das Grundgesetz sieht in Art. 120 Abs. 1 S. 4 GG vor, dass der Bund „die Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung mit Einschluß der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenhilfe“ trägt. Insbesondere die gesetzliche Arbeitslosenversicherung60 und die gesetzliche Rentenversicherung61 werden nicht allein aus Beiträgen, sondern in erheblichem Umfang auch aus Bundeszuschüssen finanziert. Da die Beitragsfinanzierung jedoch zu den zwingenden Merkmalen der Sozialversicherung gehört, muss in „quantitativ und qualitativ erheblichem Umfang“62 eine Finanzierung durch Beiträge der Beteiligten gegeben sein, um eine Bundeskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG bejahen zu können. In den Ausnahmefällen der unechten Unfallversicherung, in denen der Versicherungsschutz nach den §§ 185, 186 SGB VII alleine aus Steuermitteln finanziert wird, liegt damit keine Sozialversicherung im Sinne dieses Kompetenztitels vor.

II. Bundeskompetenz für die übrigen Tatbestände der unechten Unfallversicherung Für diejenigen Tatbestände der unechten Unfallversicherung, bei denen eine Finanzierung aus Steuermitteln erfolgt, ist Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG nicht einschlägig, da hier keine Sozialversicherung im Sinne der Vorschrift vorliegt. Daraus folgt jedoch noch nicht zwingend die Verfassungswidrigkeit dieser Tatbestände. Vielmehr ist eine Gesetzgebungszuständigkeit des 58  § 185 Abs. 2 SGB VII schreibt nur dann eine beitragsfreie Versicherung vor, wenn die Maßnahme von einer Landesbehörde (§ 128 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII) oder von der Gemeinde (§ 129 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII) angeordnet wurde. 59  BVerfGE 109, 96 (110); zustimmend Axer, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 74 Nr. 12 Rn. 39; ebenso Maunz, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 173. 60  Vgl. für die Finanzierung der Arbeitslosenversicherung aus Bundesmitteln § 363 SGB III. 61  Vgl. für die Beteiligung des Bundes an der Finanzierung der Rentenversicherung die §§ 213 ff. SGB VI. 62  Axer, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 74 Nr. 12 Rn. 39.



A. Kompetenz des Bundes zur gesetzlichen Regelung339

Bundes aufgrund anderer Kompetenztatbestände oder kraft ungeschriebener Kompetenz denkbar. 1. Öffentliche Fürsorge, Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG Als Bundeskompetenz für die Regelung der beitragsfrei finanzierten Tatbestände der unechten Unfallversicherung kommt die öffentliche Fürsorge im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG in Betracht. Der Begriff der öffentlichen Fürsorge wird vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich weit verstanden.63 Ähnlich wie der Begriff der Sozialversicherung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG64 erfasst auch der Begriff der öffentlichen Fürsorge „neue Lebenssachverhalte, wenn sie nur in ihren wesentlichen Strukturelementen dem Bild entsprechen, das durch die ‚klassische Fürsorge‘ geprägt ist“.65 Im Unterschied zur Sozialversicherung wird die öffentliche Fürsorge jedoch nicht aus Beiträgen, sondern aus Steuermitteln finanziert.66 Die öffentliche Fürsorge hat ihre Wurzeln in der örtlichen Armenfürsorge und meint zunächst die staatliche Hilfe in individuellen Notfällen, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.67 Aufgrund der vom Bundesverfassungsgericht vorgenommenen weiten Auslegung geht die Kompetenz jedoch weit über diesen Bereich hinaus; es ist weder erforderlich, dass eine wirtschaftliche Notlage vorliegt, noch kann es darauf ankommen, ob sich die Betroffenen selbst, beispielsweise durch Hilfe Angehöriger, helfen können.68 63  BVerfGE 88, 203 (329): „Der Begriff der öffentlichen Fürsorge im Sinne des Grundgesetzes ist selbst nicht eng auszulegen“; ähnlich BVerfGE 97, 332 (341). 64  BVerfGE 11, 105 (112); BVerfGE 62, 354 (366); BVerfGE 75, 108 (146); BVerfGE 87, 1 (34). 65  BVerfGE 106, 62 (133). 66  Lauterbach / Watermann, in: FS Brackmann, S. 119 (141); Schenkel, Sozialversicherung und Grundgesetz, S. 116; Seiler, in: Beck’scher Online-Kommentar GG, Art. 74 Rn. 52.1. 67  Schenkel, Sozialversicherung und Grundgesetz, S. 105; ähnlich Maunz, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz, Art.  74 Rn.  106; Oeter, in: von Mangoldt / Klein / Starck, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 55. – Klassischer Fall der öffentlichen Fürsorge ist die nunmehr im SGB XII geregelte Sozialhilfe. 68  Unter die Bundeskompetenz für die öffentliche Fürsorge wurde beispielsweise das Contergan-Gesetz (Gesetz über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder“ vom 17. Dezember 1971, BGBl. 1 1971, S. 2018 ff.) gefasst, vgl. BVerfGE 42, 263 (282), obwohl es für die darin geregelten Hilfemaßnahmen keine Rolle spielt, ob die Betroffenen sich wirtschaftlich selbst helfen können. Auch das Opferentschädigungsgesetz (Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges, neugefasst durch die Bekanntmachung vom 22. Januar 1982, BGBl. I 1982, S. 21 ff.) geht auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG zurück (Maunz, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 108; Oeter, in: von Mangoldt / Klein / Starck, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 59; vgl. dort für weitere Beispiele).

340

Kap. 3: Die unechte Unfallversicherung als Unfallversicherung

Entscheidend ist, ob die Regelung an Tatbestände der akuten oder drohenden Hilfsbedürftigkeit, also der zumindest potentiellen Notlage anknüpft.69 Die Unterstützung zur Vorbeugung oder Bekämpfung dieser Notlagen kann dann durch finanzielle Zuwendungen oder Sachleistungen erfolgen.70 Bei den hier interessierenden Tatbeständen unechten Unfallversicherung handelt es sich um die steuerfinanzierte Gewährung von Sachleistungen wie beispielsweise der Heilbehandlung71 oder finanzieller Mittel, anknüpfend an den Versicherungsfall als akute oder drohende Hilfsbedürftigkeit. Sie erfüllen damit die Voraussetzungen der Fürsorge im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG; davon scheint auch die Literatur auszugehen.72 Dass die Organisation der unechten Unfallversicherung durch die Unfallversicherungsträger erfolgt, steht einer Qualifikation als öffentliche Fürsorge nicht im Weg, denn der Bund kann Aufgaben, die zur Gesetzgebungskompetenz der öffentlichen Fürsorge gehören, auch anderen Stellen übertragen, insbesondere den Trägern der Sozialversicherung.73 Die bundeseinheitliche Regelung ist auch im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG erforderlich. Viele der steuerfinanzierten Tatbestände der unechten Unfallversicherung betreffen Tätigkeiten im öffentlichen Interesse.74 Dieses Interesse besteht bundesweit, sodass die bundeseinheitliche Gewährung von Unfallversicherungsschutz erforderlich ist, um eine Auseinanderentwicklung der „Lebensverhältnisse in den Ländern der Bundesrepublik in erheblicher, das bundesstaatliche Sozialgefüge beeinträchtigender Weise“ zu verhindern.75 Entsprechendes muss auch für Kindergartenkinder, Schüler und 69  Oeter,

in: von Mangoldt / Klein / Starck, Grundgesetz, Art. 74 Rn. 60. bei Oeter, in: von Mangoldt / Klein / Starck, Grundgesetz, Art.  74

70  Beispiele

Rn. 60. 71  Zur Qualifikation der unfallversicherungsrechtlichen Heilbehandlung als Sachleistung im Rahmen der öffentlichen Fürsorge vgl. ausführlicher Stecher, Unfallversicherung für Schüler, Studierende und Kinder, S. 105. 72  Nach Fuchs / Preis, Sozialversicherungsrecht, S. 537, dürfte „als geklärt gelten (…), dass dem Bund insoweit eine Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG ‚öffentliche Fürsorge‘ zusteht“. – Auch Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 580 mit Fn. 805, scheint von einer Zuordnung zur öffentlichen Fürsorge auszugehen, wenn er feststellt, die unechte Unfallversicherung werde „zu Recht aus Steuermitteln finanziert“; ähnlich Rolfs, Versicherungsprinzip, S. 118. 73  Hering, DÖV 1975, S. 8 (11); Schenkel, VSSR 2010, S. 79 (92); vgl. auch Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 385 f. 74  Dies betrifft Nothelfer und sich persönlich Einsetzende (§ 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a und c SGB VII), Tätige im Rahmen der Selbsthilfe im sozialen Wohnbau (§ 2 Abs. 1 Nr. 16 SGB VII) und Pflegepersonen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII. 75  Vgl. zu dieser Definition des Bundesverfassungsgerichts zur Erforderlichkeit der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet beispielsweise BVerfGE 106, 62 (144).



A. Kompetenz des Bundes zur gesetzlichen Regelung341

Studierende in privaten Bildungseinrichtungen und meldepflichtige Arbeitsuchende gelten, bei denen es nicht auf den Ort der Bildungseinrichtung oder der Arbeitssuche ankommen kann, ob bei einem Unfall eine angemessene finanzielle Entschädigung gewährt wird. Die steuerfinanzierte unechte Unfallversicherung ist daher Fürsorge im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG und als solche verfassungskonform. 2. Unfallversicherungsschutz für Nothelfer und sich persönlich Einsetzende als Annex zur Regelung des Strafrechts? Die Unfallversicherung für Nothelfer und sich persönlich Einsetzende76 wird bisweilen nicht auf die Bundeskompetenz für die Fürsorge, sondern auf eine Annexkompetenz zur Regelung des Strafrechts gestützt, für die der Bund nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit hat.77 Diese Auffassung wird auf den engen Zusammenhang der Nothilfe mit dem Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung (§ 323c StGB) und des persönlichen Einsatzes bei der Festnahme eines Verdächtigen mit den Rechtfertigungsgründen der §§ 32, 35 StGB, § 127 StPO und § 228 BGB gestützt. Tatsächlich besteht ein enger Zusammenhang der unfallversicherungsrechtlichen Vorschriften zu denen des Strafrechts. Dies zeigt insbesondere die historische Betrachtung des Unfallversicherungsschutzes für Nothelfer. Zwar wurde er ursprünglich gemeinsam mit dem der Feuerwehren geschaffen,78 der Wortlaut des Versicherungstatbestands wurde jedoch schon relativ bald darauf geändert: Der Lebensretter musste nicht mehr einschreiten „ohne rechtlich dazu verpflichtet zu sein“, sondern nunmehr „ohne besondere rechtliche Verpflichtung“.79 Hintergrund dieser Umformulierung 76  § 2

Abs. 1 Nr. 13 lit. a und c SGB VII. beispielsweise Stecher, Unfallversicherung für Schüler, Studierende und Kinder, S.  101 f.; Weber, in: FS Möller, S. 499 (506 f.). 78  Beide Versicherungstatbestände wurden eingeführt durch das Dritte Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom 20. Dezember 1928 (RGBl. I 1928, S. 405 ff.). Begründet wurde die Aufnahme der Lebensretter hauptsächlich damit, dass mit den Feuerwehren bereits der Kreis der Versicherten auf „dem öffentlichen Wohle gewidmete Rettungstätigkeiten“ ausgeweitet worden war und es daher nahelag, auch die freiwilligen Lebensretter aufzunehmen (Begründung des Entwurfs zum Dritten Änderungsgesetz, Verhandlungen des Reichstages, Anlagen zu den Stenographischen Berichten 1928, Anlage Nr. 234, S. 9); zu den Motiven für die Aufnahme der Feuerwehren und zum vorherigen Schutz der Feuerwehrleute vgl. die Begründung des Entwurfs zum Dritten Änderungsgesetz, Verhandlungen des Reichstages, Anlagen zu den Stenographischen Berichten 1928, Anlage Nr. 234, S. 7 ff. 79  Geändert wurde der Wortlaut durch das Fünfte Änderungsgesetz vom 17. Februar 1939 (RGBl. I 1939, S. 267 ff.). 77  So

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Kap. 3: Die unechte Unfallversicherung als Unfallversicherung

war die Einführung des § 330c StGB80 gewesen, der die unterlassene Hilfeleistung bei Unglücksfällen und gemeiner Gefahr oder Not unter Strafe stellte und damit eine sehr weitreichende Verpflichtung zum Einschreiten statuierte, die dem Unfallversicherungsschutz bei Beibehaltung der bisherigen Formulierung in vielen Fällen im Wege gestanden hätte.81 Über die Jahre wurde der Versicherungstatbestand jedoch vom Straftatbestand gelöst. Mit der Neufassung des Unfallversicherungsrechts durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz82 wurde auf das Erfordernis einer fehlenden besonderen rechtlichen Verpflichtung verzichtet. Der Gesetzgeber gab zur Begründung an, die „bisherige Unterscheidung zwischen allgemeiner und besonderer Verpflichtung“ lasse sich „praktisch nicht durchführen“ und erscheine „auch nicht gerechtfertigt“.83 Versicherungsschutz besteht seitdem unerheblich davon, ob der Hilfeleistende ohne Rechtspflicht, in Erfüllung der allgemeinen Rechtspflicht des § 323c StGB oder aufgrund einer besonderen Rechtspflicht handelt; der Versicherungsschutz ist damit nicht mehr an die Voraussetzungen der strafbaren unterlassenen Hilfeleistung gekoppelt.84 Auch der Versicherungsschutz für sich bei der Festnahme persönlich Einsetzende steht zwar im Zusammenhang mit der Vorschrift insbesondere des § 127 Abs. 1 StPO und anderer Rechtfertigungsgründe, ist jedoch ebenfalls nicht an das Vorliegen ihrer Voraussetzungen gebunden.85 Schon im Wortlaut unterscheiden sich die beiden Vorschriften voneinander: Während § 127 Abs. 1 StPO ein Betroffensein oder eine Verfolgung „auf frischer Tat“ verlangt, setzt § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. c SGB VII nur voraus, dass die verfolgte Person „einer Straftat verdächtig ist“.

80  Eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs vom 28. Juni 1935 (RGBl. I 1935, S. 839 ff.). Er lautete: „Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies nach gesundem Volksempfinden seine Pflicht ist, (…) wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ 81  Die „besondere rechtliche Verpflichtung“, die in Zukunft eine Entschädigung nach der RVO ausschloss, bestand dagegen beispielsweise bei familienrechtlicher Pflicht zum Einschreiten oder wenn der Retter die Lebensgefahr für den anderen selbst verursacht hatte (Begründung zum Fünften Änderungsgesetz, AN 1939, S. 98). 82  Gesetz zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung vom 30. April 1963 (BGBl. I 1963, S. 241 ff.). 83  BT-Drucks. 4 / 120, S.  51. 84  BSGE 35, 70 (73); BSGE 42, 97 (104); Kruschinsky, in: Becker / Burchardt / Krasney / Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 Rn. 633; Leube, NZV 2002, S. 545 (546). 85  Ebenso Riebel, in: Hauck / Noftz SGB VII, § 2 Rn. 190.



B. Regelung der unechten Unfallversicherung als soziale Entschädigung?343

Weder die Nothilfe im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII noch der persönliche Einsatz im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. c SGB VII stehen damit in einem so engen Zusammenhang mit Regelungen des Strafrechts, dass es eine Regelung durch den Bund rechtfertigen würde. Die Annahme einer Gesetzgebungskompetenz als Annex zu Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG muss daher ausscheiden. Es bleibt auch für diese Tatbestände bei der Kompetenz des Bundes zur Regelung der öffentlichen Fürsorge aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG.

III. Zwischenergebnis Die Frage, ob sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG eine Kompetenz des Bundes zur Regelung der unechten Unfallversicherung ergibt, kann nicht einheitlich beantwortet werden. Dem Bundesverfassungsgericht folgend kommt es für das Vorliegen von Sozialversicherung im Sinne dieser Vorschrift darauf an, ob eine Finanzierung durch Beiträge gegeben ist. Das kann für zahlreiche Tatbestände der unechten Unfallversicherung bejaht werden, bei denen es sich somit um Sozialversicherung im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG handelt. Für die steuerfinanzierten Tatbestände der unechten Unfallversicherung besteht dagegen eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG.

B. Regelung der unechten Unfallversicherung als soziale Entschädigung? Offen bleibt die Frage, ob die unechte Unfallversicherung zu Recht im SGB VII geregelt wurde, oder ob sie aufgrund einer Zugehörigkeit zur sozialen Entschädigung als systemwidrig anzusehen und aus dem SGB VII herauszunehmen ist. Soziale Entschädigung beschreibt nach § 5 S. 1 SGB I den Teil des Sozialrechts, dessen Regelungen dem Betroffenen für einen Gesundheitsschaden Entschädigung gewähren, für dessen Folgen die staatliche Gemeinschaft in Abgeltung eines besonderen Opfers oder aus anderen Gründen nach versorgungsrechtlichen Grundsätzen einzustehen hat. Sie ist bislang nicht in einem eigenen Buch kodifiziert, sondern in Einzelgesetzen, die nach § 68 Abs. 1 Nr. 7 und 8 SGB I als besondere Teile des Sozialgesetzbuchs gelten. Bei­ spiele für die soziale Entschädigung stellen das Bundesversorgungsgesetz86, 86  Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges; neugefasst durch die Bekanntmachung vom 22. Januar 1982 (BGBl. I 1982, S. 21 ff.).

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Kap. 3: Die unechte Unfallversicherung als Unfallversicherung

das Soldatenversorgungsgesetz87, das Zivildienstgesetz88, das Opferentschädigungsgesetz89, das Infektionsschutzgesetz90 und das Häftlingshilfegesetz91 dar. Die soziale Entschädigung beschreibt Leistungen, mit denen Folgen gesundheitlicher Schädigungen ausgeglichen werden sollen, für die die Allgemeinheit eine besondere Verantwortung trägt.92 Den verschiedenen Entschädigungstatbeständen ist der Grundgedanke gemeinsam, dass der Staat die Verantwortung für einen ihm zuzurechnenden Gefahrenbereich übernimmt, aus dem heraus der Beschädigte als Sonderopfer – im Vergleich zu anderen sich in einer vergleichbaren Risikolage Befindlichen – geschädigt wird.93 Die soziale Entschädigung und die gesetzliche Unfallversicherung sind sich im Hinblick auf die Voraussetzungen eines Leistungsanspruchs nicht unähnlich.94 Wie der gesetzlichen Unfallversicherung liegt der sozialen Entschädigung das Kausalitätsprinzip zugrunde, d. h. ein Anspruch besteht in beiden Rechtsgebieten bei Schäden, die auf bestimmte, in den einzelnen Vorschriften genauer festgelegte Ursachen zurückzuführen sind.95 Die soziale Entschädigung wird bisweilen sogar als Übertragung des Ansatzes der Unfallversicherung auf den Staat beschrieben: Für bestimmte Schadensrisiken Einzelner treffe „den Staat eine Verantwortung, die der des Unternehmers für betriebliche bedingte Gefährdungen der Beschäftigten vergleichbar ist“.96 87  Gesetz über die Versorgung für die ehemaligen Soldaten der Bundeswehr und ihre Hinterbliebenen; neugefasst durch die Bekanntmachung vom 16. September 2009 (BGBl. I 2009, S. 3054 ff.). 88  Gesetz über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer; neugefasst durch die Bekanntmachung vom 17. Mai 2005 (BGBl. I 2005, S. 1346 ff.). 89  Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten; neugefasst durch die Bekanntmachung vom 7. Januar 1985 (BGBl. I 1985, S. 1 ff.). 90  Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen; eingeführt als Art. 1 des Gesetzes zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften (Seuchenrechtsneuordnungsgesetz – SeuchRNeuG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I 2000, S. 1045 ff.). 91  Gesetz über Hilfsmaßnahmen für Personen, die aus politischen Gründen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland in Gewahrsam genommen wurden; neugefasst durch die Bekanntmachung vom 2. Juni 1993 (BGBl. I 1993, S. 838 ff.). 92  BVerfGE 48, 281 (288); BSGE 54, 206 (208). 93  Vgl. statt Vieler Krasney, in: FS Zacher, S. 407 (410); Mrozynski, in: Mrozynski, SGB I, § 5 Rn. 1; Niedermeyer, in: Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 5 SGB I Rn. 3. – Kritisch zum Begriff des „besonderen Opfers“ in § 5 S. 1 SGB I Schulin, Soziale Entschädigung, S. 119. 94  Hierzu ausführlich Bley, ZSR 1974, S. 193 (197 ff.); Hase, in: Sozialrechtshandbuch, § 26 Rn. 2, 7 ff., 32 ff. 95  Näher zum Kausalitätsprinzip im Recht der sozialen Entschädigung Hase, in: Sozialrechtshandbuch, § 26 Rn. 8; zum Kausalitätsprinzip in der Unfallversicherung Watermann, in: FS Lauterbach, S. 129 (129 ff.).



B. Regelung der unechten Unfallversicherung als soziale Entschädigung?345

Wenn nun eine Ausgliederung der Tatbestände der unechten Unfallversicherung aus dem SGB VII in Form einer eigenständigen Regelung oder im Zuge einer Kodifizierung des gesamten Rechts der sozialen Entschädigung vorgeschlagen wird,97 kann dem aufgrund der Heterogenität der Tatbestände der unechten Unfallversicherung schon nicht pauschal zugestimmt werden.98 Voraussetzung der Tatbestände der sozialen Entschädigung ist eine Verantwortlichkeit des Staates für einen ihm zuzurechnenden Gefahrenbereich.99 Eine solche Verantwortung des Staates könnte für den Bereich der unechten Unfallversicherung dort angenommen werden, wo die versicherten Tätigkeiten im Interesse der Allgemeinheit liegen. Eine Ausgliederung aus dem Recht der Unfallversicherung und eine Überführung in die soziale Entschädigung könnte daher überlegt werden für die Fälle der Nothilfe oder des persönlichen Einsatzes.100 Schwieriger ist die Annahme eines Sonderopfers bei Tätigkeiten im eigenen Interesse, wie der Arbeitssuche eines Meldepflichtigen101 oder dem Studium102. Im Falle der nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. b SGB VII versicherten Schüler könnte die Verantwortung des Staates auf die Schulpflicht gestützt werden;103 dies beträfe jedoch nur einen Teil der Versicherten, da der Versicherungsschutz nicht an die Schulpflicht geknüpft ist, sondern alle Schüler beim Besuch von allgemein- oder berufsbildenden Schulen versichert sind.104 96

Eine Regelung auch nur bestimmter Tatbestände der unechten Unfallversicherung als soziale Entschädigung kann jedoch nur dann befürwortet werden, wenn sich aus den Besonderheiten der gesetzlichen Unfallversiche96  Hase,

in: Sozialrechtshandbuch, § 26 Rn. 2. beispielsweise Bley, ZSR 1974, 1 S. 93 (210); Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, S. 71; Kessler, ZfS 2001, S. 235 (236); Krasney, in: FS Zacher, S. 407 (408); Müller-Volbehr, ZRP 1982, S. 270 (272); Mrozynski, in: Mrozynski, SGB I, § 1 Rn. 2; Muckel / Ogorek, § 16 Rn. 38; Seewald, in: Kasseler Kommentar SGB I, § 5 Rn. 7; Waltermann, Sozialrecht, Rn. 243. 98  So auch Bley, ZSR 1974, S. 193 (213 ff.); Kessler, ZfS 2001, S. 235 (236 mit Fn. 14); Krasney, in: FS Zacher, S. 407 (414 ff.); Rower-Kahlmann, ZSR 1974, S.  139 (152 f.); Rüfner, ZSR 1973, S. 565 (566, 568). 99  Krasney, in: FS Zacher, S. 407 (410); Mrozynski, in: Mrozynski, SGB I, § 5 Rn. 1; Niedermeyer, in: Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 5 SGB I Rn. 3. 100  § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a und c SGB VII; ebenso Bley, ZSR 1974, S. 193 (211); Kessler, ZfS 2001, S. 235 (236 mit Fn. 14); Krasney, in: FS Zacher, S. 407 (414). 101  § 2 Abs. 1 Nr. 14 lit. a SGB VII; gegen eine Zuordnung zur sozialen Entschädigung auch Bley, ZSR 1974, S. 193 (213). 102  § 2 Abs. 1 Nr. 8 lit. c SGB VII; gegen eine Zuordnung zur sozialen Entschädigung auch Bley, ZSR 1974, S. 193 (215); kritisch ebenfalls Hase, in: Sozialrechtshandbuch, § 26 Rn. 7 mit Fn. 15. 103  Bley, ZSR 1974, S. 193 (215). 104  Kritisch daher auch Krasney, in: FS Zacher, S. 407 (415). 97  Vgl.

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Kap. 3: Die unechte Unfallversicherung als Unfallversicherung

rung keine überzeugenden Gründe ergeben, sie dort zu belassen. Eine dieser Besonderheiten der gesetzlichen Unfallversicherung ist das Prinzip der Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz, wie es in den §§ 104  ff. SGB VII festgesetzt wurde. Nicht nur die echte, auch die unechte Unfallversicherung beruht auf dem sozialen Schutzprinzip und dem Prinzip der Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz. Dies liegt an den Aspekten der Gefahrengemeinschaft und des Betriebsfriedens, denn auch in der unechten Unfallversicherung muss die Haftung der gemeinsam Tätigen ausgeschlossen sein, um nicht durch die Auferlegung des Risikos privater Haftung das gemeinsame Tätigwerden zu erschweren. Die unfallversicherungsrechtliche Haftungsbeschränkung spielt in der unechten Unfallversicherung eine wichtige Rolle, auch wenn aufgrund der großen Bandbreite an versicherten Personen und Tätigkeiten selten eine so klare Linie zu finden sein wird wie im Rahmen der Beschäftigtenversicherung. Sie sichert den Frieden im Unternehmen, wo die versicherte Tätigkeit auf eine längere Dauer angelegt ist, beispielsweise im Bereich der Schülerunfallversicherung oder bei der Pflege. Sie stellt einen Ausgleich der alleinigen Unternehmerfinanzierung dar, die nicht nur in der echten, sondern auch in der unechten Unfallversicherung die typische Art der Finanzierung des Unfallversicherungsschutzes ist. Sie berücksichtigt die zwischen mehreren gemeinschaftlich Tätigen bestehende Gefahrengemeinschaft und ermöglicht ein unbefangenes gemeinsames Tätigwerden im Interesse eines Dritten, beispielsweise bei ehrenamtlichen Tätigkeiten oder bei Bauarbeiten im Rahmen der Selbsthilfe. Schließlich verstärkt die Beschränkung der Haftung das von der Unfallversicherung verfolgte Ziel, die Allgemeinheit zur Übernahme altruistischer Tätigkeit im öffentlichen Interesse zu bewegen. Die unechte Unfallversicherung ist damit durch das Prinzip der Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz ebenso geprägt wie durch das soziale Schutzprinzip, das zur Erweiterung der Unfallversicherung über die Beschäftigung und vergleichbare Tatbestände hinaus geführt hat. In der unechten Unfallversicherung finden sich damit zwar Gedanken des sozialen Entschädigungsrechts, nach ihrer Systematik und Struktur überwiegen jedoch die Gemeinsamkeiten mit der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies zeigt sich besonders deutlich im Hinblick auf die unfallversicherungsrechtliche Haftungsbeschränkung, die bei allen Tatbeständen der unechten Unfallversicherung in der einen oder anderen Weise Anwendung findet und auch Anwendung finden muss. Die unechte Unfallversicherung ist damit ebenso Unfallversicherung wie die echte Unfallversicherung, da sie auf den tragenden Grundprinzipien aufbaut, wie sie über 125 Jahren die gesetzliche Unfallversicherung allgemein prägen. Sie ist zu Recht im SGB VII geregelt.

Thesen 1. Die Unfallversicherung lässt sich aufteilen in die Unternehmerunfallversicherung als genossenschaftliche, auf versicherungsrechtlicher Grundlage aufgebaute Eigenhilfe, die echte Unfallversicherung der Beschäftigten und Beschäftigtenähnlichen und die unechte Unfallversicherung, in der alle diejenigen Versicherten zusammengefasst werden, die zwar nicht mit den Beschäftigten vergleichbar sind, vom Gesetzgeber jedoch als ähnlich schutzwürdig angesehen und daher ebenfalls unter Versicherungsschutz gestellt wurden. 2. Die echte wie die unechte Unfallversicherung sind geprägt durch zwei tragende Grundprinzipien, das soziale Schutzprinzip und das Prinzip der Haftungsbeschränkung durch Versicherungsschutz. 3. Die unechte Unfallversicherung kann nicht allein durch allgemeingültige Merkmale wie die Finanzierung aus Steuermitteln oder die Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand gekennzeichnet werden. Vielmehr handelt es sich um viele unterschiedliche Personengruppen, die aus verschiedenen Gründen unter Unfallversicherungsschutz gestellt wurden. Die Gemeinsamkeit der Tatbestände der unechten Unfallversicherung liegt in ihrer fehlenden Vergleichbarkeit mit der Beschäftigtenversicherung als Kern der echten Unfallversicherung. 4. Zur unechten Unfallversicherung gehören zum einen Personen, die aufgrund des öffentlichen Interesses an der von ihnen verrichteten Tätigkeit unter Versicherungsschutz gestellt wurden. Auch Personen, die in ihrem eigenen Interesse tätig werden, sind Teil der unechten Unfallversicherung, wie beispielsweise die Teilnehmer an Bildungsmaßnahmen. Schließlich umfasst die unechte Unfallversicherung diejenigen Versicherten, deren Tätigkeiten eigentlich als privat zu qualifizieren sind und lediglich ausnahmsweise unter Versicherungsschutz gestellt wurden. 5. Der Ausschluss aller zivilrechtlichen Ansprüche durch die gesetzliche Unfallversicherung ist auch im Hinblick auf die Tatbestände der unechten Unfallversicherung verfassungsgemäß. Insbesondere der Ausschluss des Schmerzensgeldanspruchs aus § 253 Abs. 2 BGB, der anderen Verletzten zusteht, verstößt nicht gegen den Allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

348 Thesen

6. Auch in den Fällen der unechten Unfallversicherung ist grundsätzlich ein Unternehmer gegeben, dessen Haftung nach der Maßgabe des § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII beschränkt ist. Nothelfer und sich persönlich Einsetzende sind jedoch im Weg der teleologischen Reduktion aus dem Anwendungsbereich des § 104 SGB VII auszunehmen, da hier weder eine Finanzierung durch Beiträge des Unternehmers vorliegt, noch ein Betriebsfrieden zu wahren ist. 7. Die Vorschrift des § 105 SGB VII ist nicht auf das Gebiet des Arbeitslebens beschränkt. Allerdings führt das Erfordernis der betrieblichen Tätigkeit zu einer Einschränkung auf fremdnützige Tätigkeiten. Damit sind Teile der unechten Unfallversicherung aus dem Anwendungsbereich des § 105 SGB VII ausgenommen. 8. Indem § 105 SGB VII die Haftung aller gemeinschaftlich Tätigen untereinander beschränkt und insbesondere auch Unternehmer und versicherungsfreie Beamte einschließt, trägt er dem Gedanken der Gefahrengemeinschaft Rechnung. Das Risiko mehrerer gemeinschaftlich Tätiger, einen anderen zu verletzen, wird ihnen durch § 105 SGB VII abgenommen. Für dieses Risiko kann es nicht darauf ankommen, ob Schädiger und Geschädigter in der Unfallversicherung versichert sind, sondern nur darauf, dass dem Geschädigten ein hinreichender Schadensausgleich zusteht, der die Beschränkung der zivilrechtlichen Ansprüche rechtfertigt. 9. § 106 Abs. 1 SGB VII regelt die Haftungsbeschränkung innerhalb bestimmter Bildungseinrichtungen in allen denkbaren Konstellationen. Die tatbestandliche Reichweite darf jedoch nicht dazu verführen, die Haftung der Versicherten untereinander über den Bereich des eigenen Unternehmens auszudehnen; eine derart weite Anwendung ist nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 106 Abs. 3 SGB VII zulässig. 10. Im Fall der Schädigung eines Pflegebedürftigen durch eine Pflegeperson verweist die Regelung des § 106 Abs. 2 SGB VII auch auf die Vorschrift des § 105 Abs. 2 SGB VII, sodass der Pflegebedürftige wie ein Versicherter, der einen Versicherungsfall erlitten hat, behandelt wird. 11. In den Anwendungsbereich des § 106 Abs. 3 Var. 1 und 2 SGB VII ist auch der nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 lit. a SGB VII versicherte Nothelfer einbezogen. 12. § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII kommt vor allem in der echten Unfallversicherung Bedeutung zu. Eine analoge Anwendung auf Tatbestände der unechten Unfallversicherung ist nur für Versicherte in Bildungseinrichtungen möglich. Soweit § 106 Abs. 3 Var. 3 SGB VII Anwendung findet, setzt er ein aktives Tätigwerden auf der gemeinsamen Betriebsstätte

Thesen349

voraus. Der von der Norm erfasste Personenkreis entspricht dann dem des § 105 SGB VII, d. h. insbesondere sind auch versicherungsfreie Beamte und nichtversicherte Unternehmer erfasst. 13. Die Haftungsbeschränkung nach den §§ 104 ff. SGB VII entfällt nur dann wegen vorsätzlicher Herbeiführung, wenn sich der Vorsatz nicht nur auf die schädigende Handlung, sondern auch auf den konkreten Verletzungserfolg bezieht. Dieser Ausnahmetatbestand spielt insbesondere in der Schülerunfallversicherung eine große Rolle, wo das Vorliegen von Vorsatz eine genaue Einzelfallbetrachtung erfordert. 14. Der Begriff der Herbeiführung auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII versicherten Weg unterscheidet sich von der Teilnahme am allgemeinen Verkehr, auf die nach der Vorgängerregelung der §§ 636 f. RVO die zivilrechtliche Haftung beschränkt war. Dennoch sind, wie von der Vorgängerregelung, diejenigen Wege nicht erfasst, bei denen im Einzelfall ein wesentlicher Einfluss des Unternehmers besteht. 15. Maßgeblich für die Frage, ob in den Fällen der unechten Unfallversicherung die Zurücklegung eines Weges schon Teil der versicherten Tätigkeit selbst ist oder dieser nur vorangeht oder nachfolgt, ist, ob der Versicherte den Weg aus ähnlichen Gründen zurücklegt wie der Beschäftigte den Weg von und nach seinem Arbeitsplatz, oder ob die Zurücklegung bereits durch die Besonderheiten der versicherten Tätigkeit, beispielsweise besondere Eilbedürftigkeit, geprägt sind. 16. Obwohl die unechte Unfallversicherung aufgrund der Vielgestaltigkeit der versicherten Personen nicht einheitlich als Sozialversicherung im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zu qualifizieren ist, besteht für alle Tatbestände eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Die unechte Unfallversicherung ist damit kompetenzgemäß. 17. Die unechte Unfallversicherung ist zu Recht Teil des SGB VII; eine Ausgliederung und Regelung ihrer Tatbestände in Form der sozialen Entschädigung ist abzulehnen. Zum einen ist die pauschale Annahme eines Sonderopfers im Sinne von § 5 Abs. 1 SGB I in den Fällen der unechten Unfallversicherung schon wegen der großen Unterschiede zwischen den einzelnen Versicherten ausgeschlossen. Zum anderen besteht auch in der unechten Unfallversicherung eine wesentliche Prägung durch das Prinzip der Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz, das bei einer Ausgliederung umgangen würde.

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Sachwortverzeichnis arbeitsmarktpolitische Maßnahmen  117, 177, 203, 337 Beamte  242, 249, 250, 251, 252, 280, 281 – Haftungsbeschränkung  251, 252, 294, 296 Behinderung  61 berufliche Aus- und Fortbildung  100, 101, 102, 103, 119, 179, 269, 297, 298, 299 Beschäftigung  41, 47, 56, 62, 63, 71, 80, 101, 115, 192, 223 – Begriff  47, 48, 50, 56, 252 – Freiwilligkeit  48, 60, 80, 95 – private Tätigkeiten  51, 52, 54 Beschränkung der Unternehmerhaftung  173, 175, 210, 221, 229 – Anwendungsbereich  173, 175 – Ausnahmen  210, 218, 220, 324 besondere Beziehung  173, 174, 175, 176, 177, 193, 245, 324 Betrieb  223, 226, 273, 274 betriebliche Tätigkeit  229, 230, 231, 232, 234, 243, 244, 245, 268, 294, 296, 300 – Begriff  229, 230, 231, 232, 234, 244, 245, 266, 267, 296 – betriebsdienliche Tätigkeit  175, 176, 245, 246, 247, 266, 267, 268, 296, 300 – Verhältnis zur versicherten Tätigkeit  231, 232 Betriebsangehörigkeit  230, 232, 233, 236, 240, 241, 242, 248, 278, 279, 282, 308 Betriebsfrieden  22, 147, 150, 162, 165, 167, 171, 206, 211, 221, 229,

230, 234, 261, 270, 276, 284, 304, 309, 311, 346 Blutspende  106, 199, 246, 377 – Finanzierung  200, 201, 213, 377 – Haftungsbeschränkung  198, 212 – Unternehmer  200, 201 Ehegatten siehe Familienangehörige Ehrenamt  77, 79, 84, 87, 107, 108, 133, 178, 227, 250, 252, 280, 286, 289, 294, 337, 346 – Abgrenzung zur Beschäftigung  80, 81, 82 – Abgrenzung zur Wie-Beschäftigung  83, 85, 87, 88 – Begriff  79, 80, 84, 86, 87 – Bildungseinrichtungen  180 – Schadensausgleich  227 – Unternehmer  178, 179, 180, 182 Familienangehörige  52, 53, 59, 70, 71, 72, 75, 77, 128, 129, 135, 136, 138, 140, 142 – bürgerlich-rechtliche Pflichten  52, 56, 71, 72, 75, 76, 128, 136, 137, 140 – familiäre Gefälligkeiten  53, 73, 129, 138 Finanzierungsargument  147, 159, 160, 165, 167, 171, 210, 211, 218, 219, 229 Gefahrengemeinschaft  159, 164, 167, 169, 236, 243, 250, 268, 271, 273, 287, 293, 300, 304, 309, 330, 346 – Begriff  236, 239, 241, 242, 250, 268, 295 – Versicherungsrecht  236, 237, 238, 330, 332

374 Sachwortverzeichnis gefahrgeneigte Arbeit  228 Gefälligkeiten  52, 54, 130, 131 gemeinsame Betriebsstätte  275, 289, 297, 299 Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz  21, 22, 323, 346 Heranziehung  107, 176, 182, 198, 202, 215, 250, 252, 318, 337 – Unternehmer  182, 183, 202 – Verhältnis zur Wie-Beschäftigung  108, 109, 110 Hol- und Bringfälle siehe Sammeltransport innerbetrieblicher Schadensausgleich  26, 227, 228, 229, 257, 258, 267, 292 Kaiserliche Botschaft  45, 330 Kinder  37, 91, 217, 269, 273 Landwirtschaftliche Unfallversicherung  63, 66, 69, 74, 75, 76, 77, 89, 119, 126 – mitarbeitende Familienangehörige  70, 73, 74, 75, 76 – Unternehmer  63, 65, 66 Lebenspartner siehe Familienangehörige Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben  118, 123, 155, 178, 321 Liquiditätsargument  159, 163, 167, 169, 172, 243, 244, 265, 266, 268, 282 Meldepflicht  114, 115, 142, 164, 205, 225, 235, 240, 300, 321, 337, 341, 345 – Aufforderung  115, 321, 322, 323 – Haftungsbeschränkung  299, 300 – Unternehmer  205, 207 – Vorstellungsgespräch  116, 206, 207, 208 Mindestjahresverdienst  258, 263, 264

Nothilfe  103, 184, 187, 193, 195, 212, 220, 239, 247, 256, 262, 287, 318, 335, 341, 342, 343, 345 – gemeine Gefahr  194 – Haftungsbeschränkung  184, 187, 212, 219, 247, 256, 262, 287, 288 – Unternehmer  87, 187, 188, 189, 193, 195, 256, 259 – Wegeunfall  318, 319, 320 öffentliche Fürsorge  328, 336, 339, 341 öffentliches Interesse  30, 87, 103, 106, 110, 126, 164, 171, 173, 182, 201, 219, 220, 247, 257, 260, 261, 262, 267, 268, 288, 320, 324, 340, 346 – Unternehmer  182, 2, 201, 202, 324 persönlicher Einsatz  105, 197, 212, 213, 219, 220, 318, 341, 342, 343, 345 – Finanzierung  214 – Haftungsbeschränkung  213, 215, 219, 220 – Unternehmer  197, 198 Pflege  133, 134, 135, 162, 209, 218, 235, 247, 248, 256, 257, 258, 260, 266, 337, 340, 346 – als Beschäftigung  133, 134, 139 – als selbstständige Tätigkeit  133, 134, 139 – familiäre Pflege  135, 136, 138 – Haftungsbeschränkung  218, 247, 257, 260, 266, 283, 284, 285 – Unternehmer  209, 256, 261 Prüfungen siehe Untersuchungen Quasi-Versicherungsfall  255, 256 Regress  253, 303, 304, 307, 331 Rehabilitanden  119, 120, 121, 164, 177, 178, 235, 240, 296, 299, 321, 322, 323, 337 Sammeltransport  308, 311, 312, 314 Schadensersatzrecht  144, 146, 149, 153

Sachwortverzeichnis375 Schmerzensgeld  146, 147, 149, 150, 151, 155, 158, 167, 169, 170, 211, 259, 262 Schule siehe Schüler Schülerunfallversicherung  36, 92, 162, 164, 165, 171, 217, 234, 248, 269, 273, 278, 297, 302, 305, 315, 337, 345 – Gruppenverhalten  94, 95, 302, 305, 315, 316 – Haftungsbeschränkung  217, 269, 273, 297, 298 – organisatorischer Verantwortungs­ bereich  94, 317 – Unternehmen  269, 270, 273, 274, 275, 276, 277, 278, 297, 325 – Unternehmer  181, 225, 276 Schulfrieden siehe Betriebsfrieden Selbsthilfe  124, 125, 127, 129, 130, 132, 202, 218, 289, 290, 293, 337, 340, 346 – Haftungsbeschränkung  218, 289, 290, 293, 325 – Unternehmer  125, 202, 291 soziale Entschädigung  343, 344, 345, 346 soziales Schutzprinzip  21, 22, 346 Sozialversicherung  39, 45, 143, 328, 329, 331, 332, 333, 334, 335, 336, 338, 343 – Begriff  328, 329, 331, 332, 333 – Gesetzgebungskompetenz  328, 334 Studierende  36, 37, 96, 98, 99, 100, 162, 164, 217, 235, 248, 269, 273, 275, 324, 337, 345 – Begriff  96, 98 unechte Unfallversicherung  23, 28, 41, 56, 64, 89, 92, 96, 100, 103, 105, 106, 107, 113, 116, 118, 119, 122, 124, 127, 129, 130, 132, 141, 327, 336, 338, 341, 343, 346 – Begriff  28, 32, 41, 56, 64, 65, 142, 142, 143 – Finanzierung  35, 38, 39, 336, 337

– Gesetzgebungskompetenz  328, 334, 336, 338, 339, 341 – Personengruppen  28, 29, 141 – zuständiger Versicherungsträger  33, 34, 35 Unfallversicherung – abstrakte Schadensberechnung  157, 169, 170 – Finanzierung  35, 160, 211, 216, 261, 262, 333, 334 – Geschichte  41, 64, 65 – Leistungen  155, 258, 344 – Teilbereiche  143 Unternehmen  189, 190, 191, 201, 224, 225, 226, 250, 251, 324 Unternehmer  50, 63, 125, 139, 173, 177, 182, 187, 193, 201, 202, 210, 254, 274, 290 – Tätigkeiten im öffentlichen Interesse  182, 201 – Versicherung siehe Unternehmer­ unfallversicherung unternehmerähnliche Personen  59, 69, 70 Unternehmerunfallversicherung  63, 64, 66, 69, 77, 126, 143, 237, 330 – Familienangehörige  70, 73, 127 – Finanzierung  67, 126 – kraft Gesetzes  65, 66, 125 – Leistungen  68 Untersuchungen  111, 112, 113, 203 204, 205, 216, 217 Vereinsmitgliedschaft  54, 55, 56, 59, 61, 90, 132, 227, 245 Verfassungsmäßigkeit der Haftungs­ beschränkung  145, 147, 150, 152, 172, 210, 211, 218, 243, 244, 253, 263, 266, 284, 285 – bei betrieblicher Tätigkeit  243, 244, 246 – gegenüber Beamten  253 – gegenüber Pflegebedürftigen  284, 285

376 Sachwortverzeichnis – gegenüber Unternehmern  255, 263, 264, 266, 267 – Unternehmerhaftung  210, 211, 218, 219 versicherter Weg  307, 308, 309, 315, 316, 318 – allgemeiner Verkehr  308, 309, 310, 316 – Aufsuchen  321, 322, 323 – Betriebsweg  311, 312 – spontane Tätigkeiten  318, 319, 320 – Wegeunfall  308, 318, 319, 320 Versicherungsfreiheit  249

vorbeugende Maßnahmen  122 Vorsatz  301, 302, 305, 306, 307, 310 Weg siehe versicherter Weg Wie-Beschäftigung  56, 57, 58, 75, 83, 85, 88, 89, 108, 281, 282 – innerbetrieblicher Schadensausgleich  226 Wohnraum  125 Zeugen  107, 177, 182, 183, 202, 215, 337